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I
DIE CULTÜRLÄNDER
DES
*
ALTEN AMERICA.
VON
A. BASTIAN.
ERSTER BAND.
BERLIN.
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG
1878.
Ein Jahr auf Reisen.
KREUZFAHRTEN
ZUM SAMMELBEHUF AUF TRANSATLANTISCHEN FELDERN
DER ETHNOLOGIE.
VON
A. BASTIAN.
^■^
^
MIT 3 KARTEN.
^^■S— WK^^B^^^^^^S^^^BH"
BERLIN.
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG.
187R.
I
VORWORT.
Als für bestimmt vorgezeichnete Zwecke unternommen, wurde die
nachstehende Reise in ihren Kreuz- und Querfahrten durch praktische
Rücksichten bedingt, und geographischen oder ethnologischen Ge-
sichtspuncten konnte deshalb, bei der Kürze der Zeit, nur gelegent-
lich Rechnung getragen werden, wenn auch die letzteren, mit späterer
Verarbeitung der zurückgebrachten Sammlungen, die eine oder andere
Erweiterung zu erhalten haben werden.
Auf dem gegenwärtigen Standpunct der Ethnologie macht sich
besonders das Verständniss der altamericanischen Cultur als dringendes
Bedürfniss fühlbar, da wir in ihr vor Allem Aussicht haben, auf-
klärende Parallelen zu dem Studium derjenigen Völkergeschichte zu
gewinnen, in welche unsere eigene einbegriffen ist. Der östlichen
Hemisphäre gegenüber gestellt, bietet ihr die westliche reinere Ver-
gleichungspuncte, als die auf jener selbst, mehr oder weniger scharf,
abgegrenzten Culturkreise mit einander, und reiner Vergleichungs-
puncte bedarf es eben, um auf statistischer Grundlage einen objec-
11^ tiven Einblick in die Wachsthumsgesetze zu gewinnen, unter welchen
a:^ die nach der Breite ihrer geographischen Provinzen variirenden, aber
^ in der Richtung und Aufeinanderfolge der Entwicklungsphasen an
c^ unabänderlich normirte Nothwendigkeit gebundenen Gesellschafks-
' Organismen zu geschichtlichen Thaten heranreifen,
t Geologie und Ethnologie bilden gewissermassen die Endwissen-
schaften der Erdgeschichte, die eine fundamental grundlegend, die
andere zum Abschluss weiterstrebend. Mit der Geologie kommen wir
an "die Grenze des deutlichen Wissens im Terrestrischen, und die
kosmogonischen Hypothesen, zu denen sie weiterführt, verlaufen in
kosmische Verhältnisse, die ihrem Umfange nach unübersehbar sind.
401531
i
VI VORWORT.
Die Ethnologie betött mit der Psychologie in der Culturgcschichtc
den Boden der Philosophie und streift bis an die wandelnden
Theorien in der unermesshchen Ausdehnung des geistigen Gebietes.
Zwischen Geologie und Ethnologie herrschen für das Studium die
strengen Vorschriften der Induction und verlangen als solche ihre
Anerkennung, darüber hinaus treten nach der einen sowohl, wie nach
der andern Seite bedingungsweise auch Hypothesen in ihre Rechte,
aber der naturgemässe Gang der Fortentwicklung wird an schwer-
heilbaren Schädigungen kranken, sobald man die Ergebnisse sub-
jectiver Vermuthungen in die Rechnungsresultate der Induction auf
zumischen sucht und den deutlichen Gesichtskreis des Wissens auf's
Neue durch die Gefuhlswolken des Glaubens zu trüben beginnt, denn
wenn sich auch aus ihnen mitunter ein befruchtender Regen ergiessen
mag, so dürfen doch die Phantasmagorien ihrer leichtgeschichteten
Umrisse nicht als gleichberechtigte Factoren den lebensvollen Ge-
stalten des Realen zwischengeschoben werden. Die hier zum Besten
der psychischen Gesundheit gezogene Linie ist in ihren unverrück-
baren Grenzsteinen zu achten, und wer leichtfertig darüber hin- und
herspringt, macht sich eines, den Fortgang des Wissens erschwerenden,
Frevels schuldig.
Buntartig gebrochen tritt uns die umgebende Welt entgegen,
und wenn es auch im Fortgang des Cultur gelingt,, die facettenartige
Zerstückelung der Vorstadien zu der einheitlichen Peripherie des
Horizontes abzugleichen, dürfen wir doch, seit das gäocentrische
System versunken ist, in solch subjectivem Abschluss nicht mehr
den absoluten wähnen, der erst nach schwerer Detailarbeit*) in seiner
Bedeutung zu erahnen sein wird, nicht aber in idealistischen Flügen
zu erhaschen.
An der Spitze einer jeden Culturepoche sehen wir die Gestalt
eines Propheten hervortreten, der fiir sie das bewegende Schlagwort
der Zeit ausspricht, das dann auf länger oder kürzer seine Gültigkeit
zu bewahren pflegt. Für die Periode unserer Gegenwart, die in
einem Wirbelsturme einander jagender Entdeckungen und Ueber-
n der Vergangenheit
:ntfernen begirmt, ist
Pfunden, doch durch-
schon jetzt mit ein-
Naturwissenschaften
Geisteswissenschaften
Iten haben werden,
VORWORT. VII
unter den Vorarbeiten vergleichender Psychologie in der Lehre vom
Menschen.
Wie die Botschaft dieses neuen Evangeliums lauten mag, wird
ftir unsere Generation im Schoosse der Zukunft verhüllt bleiben,
das jedoch lässt sich jetzt bereits aussprechen, dass sie vor Allem
das nationale*) Bewusstsein der Völker') proclamiren wird, dass sie
sich stützen muss auf die staatlichen Wurzeln, die mit dem Leben
der Völker und der Nationen*) unzertrennlich verwachsen sind, dass
sie dieses Leben nach den verständig -verständlichen Lehren der
Natur ordnen und leiten (und damit jede, aus unklarer Religions-
schwärmerei drohende, Störung in gebührende Schranken zurück-
weisen) wird.
Auch sie wird verlangen, dass dem Gott gegeben werde, was des
Gottes ist, dem Menschen das Seinige, aber die Manifestationen des
Göttlichen werden sich eben in dem naturgesunden*) Wachsthum
des nationalen Volksbewusstseins erkennen, indem auf jeder Seite
der Ethnologie unwiderleglich nachzuweisen ist, dass gerade die
Religionsformen sich überall und immer als Menschenwerk ^) erweisen,
und nicht immer leider als das Beste.
Wenn nun allerdings, hier wie stets, um das Verderbliche gewalt-
samer Revolutionen zu vermeiden, ein Anschluss an das Vorhandene
und geschichtlich Berechtigte verlangt wird, wenn also auch die aus
naturwissenschaftlichen Principien grossgezogene und ernährte Moral
sich zunächst in den Rahmen der geltenden Religionssysteme ^) ein-
zufügen haben wird, und wenn insofern die Dogmen jeder Secte die
Achtung, die sie beanspruchen dürfen, gerne erhalten werden (schon
aus Courtoisie), so ist doch augenblicklich leider in der Entwicklungs-
Krankheit, der unser eigenes Staatsleben aus dem Gang der Ver-
hältnisse verfallen musste, eine so bedenkliche und gefahrliche Krisis
eingetreten, dass während der Dauer derselben, da es sich hier um
Leben oder Tod für das Vaterland und seine Bestimmung, zu handeln
scheint, jede Waffen gerechte sein müsse, so lange sie sich im offenen
Kampfe kreuzen, und also ehrliche bleiben. Im Uebrigen dagegen,
je schärfer und schneidiger, desto besser, um jenes unselige Band
zu durchhauen, das einen so weiten Qruchtheil unseres braven Volkes
für ultramontane Zwecke auszusaugen sucht, und Gift zu träufeln in
den Becher der Freude, bei dessen Klange wir uns in gleicher Natio-
nalität umschlungen fühlen.
Dass Jeder das Recht hat, nach seinem Glauben selig zu werden,
wird heutzutage Niemand mehr bestreiten, wenn indess diese Glaubens-
Seligkeit 'des Einzelnen sich beikommen lässt, die Staatssouverainität*)
zu hänseln, so wäre die Behandlung, die ihr der grosse König, der
Urheber jenes Wortes, voraussichlich würde haben angedeihen lassen,
eine wohlverdiente, und etwaige Abschwächung auf constitutioncllen
Umwegen eher bedauerlich.
Glauben mag Jeder, was und wie er will, wie ihm gerade der
Kopf steht oder das Gangtiengeflecht im Unterleibe gestimmt ist,
die staatliche Gesellschaftsform erscheint dagegen nur als Eine und
einzige, wenn normal, weil eben der Ausdruck eines Naturgesetzes*).
In ihm waltet das Göttliche, und gebt also diesem zunächst, was ihm
gebührt, dem Menschen braucht dann spater ebenso wenig das Seine
versagt zu werden, und selbst nicht den seinem Hirn entsprungenen
Phantasiegöttern, so lange sie sich gut und anstandig auffuhren.
Die anthromorphen Götterschöpfungen haben seltener, als von
ihnen gerühmt wird, ihre Bekenner besser gemacht, oftmals eher
schlechter, soweit der Eigennutz der Hüter in das Spiel kam. Die
Gebote der Moral dagegen stehen auf einem festen und uner-
schütterlichen Boden, weil sie sich eben als die Gebote der geistigen
Gesundheit beweisen, und deshalb, wenn in ihrem Wesen richtig
verstanden, von jedem Vernünftigen ebenso heilig werden gehalten
werden, wie diejenigen Naturregein, durch deren Beobachtung er
seine körperliche Gesundheit sichert.
Jetzt, wo die Ethnologie unter Begünstigung äusserer Verhält-
nisse auf ihr volles Arbeitsfeld eingetreten ist, bringt ihr jeder Tag
neue Bestätigung der Lehre, welche die Moral auf dem geeignetsten
Boden anzupflanzen verspricht, auf demjenigen nämlich, dem auch
die sociale Entwicklung entstammt. Von dem dadurch veredelten'
Baume der Erkenntniss sind die lang erhofften Früchte zu erwarten,
in welchen die Moral die bis dahin aphoristisch adoptirten Lehrsätze
in ihrer naturnoth wendigen Gesetzlichkeit verstehen wird, und Jeder,
der, als Kind seiner Zeit, im Horizonte derselben lebt, wird die Ver-
pflichtung an sich herantreten fühlen , zur Herbeiführung dieser
ersehnten Zukunft seinerseits auch mitzuwirken.
, Leider sehen wir freihch, gerade in unserer Gegenwart, die
Schwierig!
dass sie e
manch re
lassen, un
samen Bn
wegener,
VORWORT. IX
a
Katastrophen abzuschätzen vermögen, welche dann auch unsere Cultur-
epoche^**) hinabstürzen würden in jenes Völkergrab, wohin ihr bereits
so viele, und durch vermodernde Monumente kaum noch bezeugte,
in der Vergangenheit vorangegangen sind.
Gerne würde Mancher die aus mythologischen Schöpfungs-
gebilden eines frühen Morgengrauens, unserm Tageswerk zwischen-
fallenden Schlagschatten daraus entfernen, wenn er sich dann nicht
der vollen Sonnengluth ausgesetzt sehen würde, da das neue Obdach,
das kaum erst in seinen Fundamenten gelegt werden konnte, noch
nicht unter Dach gebracht ist. Und diese neue Schutzwehr für der
Menschheit heiligste Güter, für die Palladien der Cultur, sie ist
es rathsam, stark und starr in ihren Fugen zu festigen, denn
sie wird der von den Wogen des Unverstandes und des Missver-
standes aufgeregten Fluth zu widerstehen") haben, wie sie in dem
chaotisch wirren Donnergetöse .social-democratischer Predigten, nicht
nur die Theologie, sondern selbst die Religion zum sühnenden Opfer
verlangt. Dass auf socialem Gebiet, wo Viel gesündigt^^), auch Viel
zu sühnen ist, kein Unbefangener wird es läugnen, wenn aber die
Forderungen, im tobenden Wortschwall der Agitatoren, denen,
mit oder ohne Schuld, jeder verständige Einblick in ihr eigenes
Culturleben abgeht, mehr und mehr in gegenseitiger Ermunterung
gesteigert, bis zum nationalen Selbstmord fortgehen, dann wird es
sich schliesslich kaum mehr um Argumente handeln können, sondern
nur um die Unschädlichmachung von Wahnwitzigen, oder je nach
der Ansicht von Sachverständigen, um eine Zwangsjacke oder ihrer
Substitute. Unter solch' augenblicklicher Sachlage wird derjenige,
der sich als integrirender Theil im nationalen Staatsganzen (lihlt,
dieses auch in einer Form zu stützen haben, die in idealer Auflassung
als eine noch unvollkommene erscheinen könnte, sobald sich das Hin-
streben nach Vervollkommnung in dem bisherigen Entwicklungsgang
erkennen lässt und ein naturgemässer Fortgang erhoff*bar bleibt. Das
europäische Staatsleben hat im Laufe der Geschichte mannigfache
Stadien^') durchgemacht, in welcher es, durch innere Widersprüche
zerrissen, Partheien gegen Partheien in den Kampf fuhren musste;
und solche Partheikämpfe bleiben auch heute noch als unerlässliches
Correctiv erforderlich in einigen Ländern. In denjenigen dagegen,
für welche der glänzende Morgen eines nationalen Geschichtstages
angebrochen ist, wird sich die feindliche Stellung der Partheien
in ihrem ergänzenden Zusammenwirken zum Besten des Ganzen
abzugleichen haben, und der Staat, soviel über Einzelheiten die
X VORWORT.
Ansichten auseinander gehen mögen, der Hauptsache nach zu stützen,
sein in der jedesmaligen Form, auch vielleicht mit einigen solcher
Mängel, die, da sie im organischen Wachsthumsprocess von selbst,
(und dann am dauerdsten), ausheilen werden, keiner gewaltsam ein-
greifenden Massregeln bedürfen. Wie jedes Institut im nationalen
Staate müssen deshalb auch «die historisch mit ihm verwachsenen
Religionsformen als heilige **) erachtet werden, weil soweit Zwecken
dienend, für deren Erfordernisse sie benöthigt waren, unter An-
schmiegung an die Bedürfnisse, je nach deren Hervortreten. Viel-
leicht ist auf dem bereits eingeschlagenen Wege der Zeitpunct nicht
mehr allzu fern, in welchem es rathsam erscheinen wird, die allzu
scholastischer Züchtung durch hierarchische Interpretationen entzoge-
nen Lehren auf das freie Feld der Naturwissenschaften verpflanzt, dort
zu pflegen, um ungekünsteltere und nahrhaftere Früchte zu erziehen,
immer aber, ob in der einen, ob in der andern Sprache redend,
werden ihre Gebote massgebend sein, für den Bürger des nationalen
Staates, so lange sie sich im Einklänge mit der Ausdrucksweisc
seiner Nationalität verstehen lassen. Träte hier freilich eine Dis-
harmonie ein, wagte es pfaffische Vermessenheit, die Würde der
Nationalität, diesen Willensausdruck eines national geeinigten Staates,
anzutasten, , dann würde unter der heutigen Weltanschauung die Wahl
keine schwere sein, zwischen dem Lager der Gläubigen und der
nach Wissen Strebenden. Möge indess, zu Gunsten organisch fried-
licher Fortentwicklung, der in allen Kreisen unsres Volks so schmerz-
lich empfundene Riss seine Heilung finden, damit eine naturwissen-
schaftliche Bearbeitung des Geschichtsgebietes den Grundstein für die
Religion der Zukunft, methodisch und vorbedacht zu legen, sich im
Stande findet, in methodischem Vorbedacht ohne Uebereilung, und
ungestört durch leidige Polemik gegen Dogmen, deren unverletz-
liche Erhaltung sich aus so vielen Nützlichkeitsgründen nicht nur,
sondern auch Vernunftsgründen dem Vernünftigen empfiehlt.
Der Weg dazu ist unsrer Zeit deutlich genug vorgezeigt in der
inductiven Durchbildung der Psychologie auf Grund der von der
Ethnologie gelieferten Materialien, sobald es eben möglich sein wird,
die Schwierigkeiten, welche hier sich in der Massenhaftigkeit des
erforderlichen Materiales anhäufen müssen, mit Hülfe eines „novum
calculi genus" zu lösen, von einer höheren Analysis, zur Bemeiste-
rung der statistischen**) Accumulationen , die geeignete Technik zu
erlangen, um auch in den zerfliessenden Umrissen metaphysischer
Wolkengebilde, in welchen sich die " * ' *h gestillten Ahnungen
VORWORT. XI
mit einem Schleier temporärer Beruhigung umziehen, das im Wachs-
thum des Denkens rythmische Pulsiren herauszuhören , wie » es aus
natürlichen Wurzeln, innerhalb einer der Forschung zugänglichen
Umgebung, zu jenen Höhen emporquillt.
Indem der mythologische Process Göttergeschichte (ein theogoni-
scher Process) ist, so erscheint die vorgeschichtliche Zeit erfüllt (nach
SchelUng) „von jenen inneren Vorgängen und Bewegungen des Be-
wusstseins, welche die Entstehung der mythologischen Systeme der
Götterlehre der Völker begleiten oder zur Folge hatten, und deren
letztes Resultat die Trennung der Menschen in Völker war", und
nachdem nun die Induction in Einzelnfallen die genetische Entstehung
solcher Processe aufgewiesen hat, so wird sich in ihrem Zusammen-
treffen mit den psychischen Ergebnissen der Deduction das Ver-
ständniss berühren, und das „innere Triebwerk" gegeben sein, das,
wie Rocholl (unter Hinweis auf die bei der Verwendung des ethno-
logischen und linguistischen Materials benöthigten Ausstellungen)
bemerkt, in der unklar verbleibenden Potenzenlehre vermisst wurde,
und durch Hegels Rückkehr des Geistes (im dritten Momente) aus
dem Anderssein (oder der Natur des zweiten) zu sich (dem rein
logischen Sein des ersten) dialectisch nicht ersetzt werden konnte,
sondern eben erst die naturwissenschaftlich exacte Grundlage ver-
langte, auf welcher Krause's „Lebenslehre' vorher in die Einzel-
momente des Werdens im Sein zu zerfallen hat, um die Windungen
des einigenden Fadens zu zeigen und den dunkel ästhetischen Genuss
des „göttlichen Kunstwerkes" unter den Sehstrahlen des Gedanken-
reiches zu klären. Wem es „dürstet nach frischer Unmittelbarkeit",
der wird dann seine Erquickung finden, Erfüllung des von Rocholl
ausgesprochenen Wunsches, dass man „endlich einmal gern einen
wirklichen Menschen statt der gemalten" sehen möchte.
Es liegt in der Natur des Denkens einen einheitlichen Abschluss
anzustreben, und einheitliche Weltanschauung war es, was in den
religiösen Offenbarungen sowohl, wie in dem Ringen der Philosophie
ersehnt wurde. Heutzutage dagegen stehen wir innerhalb einer un-
endlich zerbrochenen Welt, und hier bleibt es widersinnig, durch
willkürliche Machtgebote ungereifter Vernunft eine Einheit des Ur-
sprungs herstellen zu wollen. Diese Einheit^*), deren wir bedürfen,
kann uns nur in dem Einklang harmonisch zusammenwaltender Ge-
setze gewährt werden, indem wir überall das einzelne Zersplittern
sich organisch zu grösserm Ganzen in einander ordnen sehen, unter
der Herrschaft eines gemeinsafn leitenden Gesetzes, und die Erkennt-
XII VORWORT.
niss eines jeden solchen, und der sie aufs Neue verbindenden Har-
monie des Kosmos, ergiebt sich als das Ziel der Forschung, von den
Ahnungen einigender Consonanz*') geschwellt und getragen.
Ars longa, vita brevis, das fühlt sich, wenn irgend wo, in der
Ethnologie, und fühlt sich besonders in ihrem heutigen Studium,
seitdem diese bis dahin nur nominelle Wissenschaft von der Induction
einen realen Boden unterbreitet erhalten hat, und jetzt, wo sie
zögernd die ersten Schritte auf ihm wagt, mit einem Schlage, und in
unübersehbarer Zahl, neue Perspectiven ringsumher eröffnet sieht,
die sich auf allen Seiten der ihr vorgezeichneten Bahn in unermessene
(bis dahin endlose) Formen forterstrecken. Doch thue Jeder das
Seine, aQxij di to$ ^fjuttv navtog, und nehme man nachsichtig vorlieb
mit dem, was sich bieten lässt.
Dieser erste Band des vorliegenden Werkes begreift die Reise-
Erlebnisse und (auf Peru*®) bezüglich) einige culturhistorische Notizen,
welch letzteren ihre Erweiterung (neben der geschichtlichen) im zweiten
Bande finden. Ein dritter Band, wie er vorläufig in Aussicht genommen
ist, würde die Beschreibung der der Ethnologischen Abtheilung (im
Königlichen Museum Berlin 's) als Reise-Resultate eingefügten Samm-
lungen zu begreifen haben.
Die von Dr. R. Kiepert für die Reiseroute angefertigten Karten
basiren für Colombien auf denen Codazzi's, für Guatemala auf der
Aus, während für Ecuador die Villavicencio's benutzt ist. Herr
Dr. Reiss hat die Güte gehabt, auf der Karte von Colombien und
Ecuador die Höhenbestimmungen einzutragen, sowie auf der letzteren
die neue Provinzen-Eintheilung Wenn die Resultate der langjährigen
Forschungen, denen sich die Herren Reiss und Stübel mit uneigen-
nütziger Hingabe, und Benutzung jedes wissenschaftlichen Apparates,
unterzogen haben, an das Licht treten, dann wird der volle Tag
für unsre Kenntniss von Südamerica anbrechen, während dieser kurze
Durchritt nur einige gelegentliche Streiflichter darauf werfen kann,
in den flüchtigen Beobachtungen, wie sie sich in jedem der berührten
Länder längs des Weges darboten. .
Januar 1878.
Anmerkungen.
*) L'induction, l'analogie des hypothöses fond^es sur les faits et rectifiees sans cessc
par de nouvelles observations , un tact heureux donnö par la nature et fortifi^ par des
cumparaisons nombrcuses de ses indications avec l'exp^rience, tels sont les principaux
VORWORT. XIII
moyens de parvenir h la vcrit^ (s. Laplace). dti yaq m vnd^o^w xai oig vnagx*»
n§(fi lxwn^o¥ ad-Qiir »ai vavju^ mg nlttetmy tvno^ty (s. Aristoteles) in Material-
beschaffung.
•) Erst nach dem klaren und festen Abschluss jeder einzelnen Nationalität, kann
sich ein gedeihliches Zusammenwirken im internationalen Sinne herstellen, um ein Zurück-
fallen in jene erst seit Kurzem, und nicht ohne harte Anstrengungen, überwundene Periode
weltschmerzlichen Kosmopolitismus' zu vermeiden. Natura justitiae in eo consistit, ut snum
cuique thbuatur (s. Hobhes), Die von Stimer für den ,, Einzigen und sein Eigenthum"
gezogenen Consequenzen gelten nicht für das Individuum, als solches, sondern Hir die
Gesellschaft als primäres, und im wertem Sinne also für die Nationalität, worin der per-
sönlich Einzige sich nur als integrirender Theil fühlen kann.
') Bald sieht man in der Rasse einen mit selbstständigen Eigenthümlichkeiten vererbten
Stamm, bald (wie FaitUutbe bemerkt) ,,ce n'est qu'un ^tat de l'esp^c momentan^ment
fixe par l'action des drconstance ambiantes", bald g^t sie als ein Product aus Erblichkeit
und Umgebungsverhältnissen (l'her^dit^ et l'action des milieux). In diesem letztem Falle
wird indess zunächst (um die Rechnungsstörung durch das Absolute eines Anfangs zu ver-
meiden) die Erblichkeit selbst wieder (wie noch oft genug auch geschichtlich nachzuweisen),
als secundäres Product früherer Umgebungswirkungen zu betrachten sein, und wir haben
hier gleichfalls, um die gesetzlichen Relationen zu erfassen, in die Mitte des Kreislaufes
vom Entstehen und Vergehen hineinzutreten, wie bei den negativen Grössen im
buddhistischen Rechnen, um die Null des Seins in die unendlichen Reihen einer Vielheit
des Werdens bei der Weltschöpfung aufzulösen. Im Leben der Menschheit steigt die
Spirale in dem jedesmal von einheitlichen Gesetzen beherrschten Organismen aufwärts
von Familie und Stanun zum Y^U^c und zur Nation, mit internationaler Erweiterung. In
Steffens Verbindung der Urvölker mit den Naturkräften liegt die Vorahnung der in den
geographischen Provinzen unter historischer Erweiterung gegebenen Vorbedingungen. Die
moralische Temperatur mit ihren Wechseln (bei Tretzd) würde selbst erst aus den Be-
dingungen des Milieu oder der Monde ambiante zu erklären sein. Die Pflanze bleibt in
gewisser Hinsicht von dem Boden abhängig, auf dem sie wächst, aber dennoch entfalten
sich auf dem gleichen Boden die verschiedensten Pflanzen zur Blüthe.
^) Der auf einer, im internationalen Kosmopolitismus mit bestimmter Rolle beauf-
tragter, Nationalität gegründete Staat, ist nicht der des classischen Alterthnms, der sich
selbst als Endzweck setzte, sondem vielmehr das naturgemässe Mittel, um ein höheres Ziel
zu erreichen, das aber nicht, wie bei den das Irdische negirenden Religionen, in einem
übersinnlichen (einem nur durch mystische Hülfen erreichbaren) Himmel liegt. Dieses
Streben geht vielmehr gerade dahin, durch eine in relativen Verhältnissen gefestigte
Stufenbrücke, deren Fundamente sicher gelegt sind, emporzusteigen, und während dieser
Arbeit selbst das Zusammenwirken der waltenden Gesetze weiter zu erhellen. ,, Unter
dem Heiligsten ist nichts, als die Geschichte, dieser grosse Spiegel des Weltgeistes,
dieses ewige Gedicht des göttlichen Verstandes", ruft Schelling, und dieses Göttliche
strebt in den staatlichen Menschengesellschafteu zur Verwirklichung. Die Geschichte ist
(nach Hegel) ,,die Darstellung des Geistes, wie er sich das Wissen dessen, was er an
sich ist, verarbeitet" (und in vergleichender Psychologie erkennen wird).
*) Auf dem Standpuncte des heiligen Augustin dagegen musste das wirkliche Leben
als ,,eine ununterbrochene Krankheit" erscheinen, und Pascal bezeichnete ,,die Krankheit
den natürlichen Zustand des Menschen" (s. Feuerbach), Nach Machiavelli haben die
Erniedrigung predigenden Lehren des Christenthums die Welt so geschwächt, dass sie
den Schurken zur Beute gefallen sei (die Entartung lulien's hätten die Kirchendiener
herbeigeführt).
«) Innocenz IH. meint freiHch das Gcgcntheil: Sacerdotium institutum fuit per
ordinationem divinam, regnum autem per extorsionem humanam, und dann kam man
XIV VORWORT.
leicht zu der Uebeneugung , nt pontificatus dignilis quadragies sep4iet lit major r%>li
dignitate , was Lauicnlius weiter <s. Giiultr) bericliligl (Papam este miliin Mptiagenties
quadragies quater impcralore el regibus sublimiorem). Quii «1^0, nin neate captus.
ignorat, potestateni impcraloris et refum pontiüdbus esse subjcctaM? (A'ir. ät Ctirbif)-.
denn ,,necesse est, ut spirituali potestati subjiciatnr amnis saccnliiii polestaa {ßeilarminm).
und die weitlichen Herren wurden überhaupt nur toleiirt, «eil mit der schmaUigen
Wische der Priester lu beaurtragen: Est ergo princcp* sacerdotis quidem minJMer et qui
sacrorum olTidorum illatn parteni exercel, quod lacerdodl maoibus vidctur indigna (s. yeaiini!
') Pagani defendunt legem saam, Jodaei defendunt legem suam, ergo el nos Chriitiani
debeinus defendere tidem noMtam {Amdmta von Cantirbtay) , freilich nicht als homo
supm mundum (>. Ambtas."), sondern unter Festhaltung am terreslrischen jus civitatis
,,Siamo Veaeiiani, poi Christiani".
*) Clericalus eiimil a subjectione civili et transfert in subjedionem ecc1»tasticBm,
eliam non cantenttenle et repugnante luperiore civili (s. Btllannmui). Suam belehrt
die Völker mit dürren Worten, dass sie sich auf Befehl des Papstes gegen ihre Könige
zu erheben, oder sie selbst zu lodten hüllen (111 der defensio lidei catolicae). Cum eiiim
non humanae constitutioni , sed divinae legi potius imitamur, quia potestas nostra non
est tx homine, sed ex deo, nullus qui sil sanae menliü ignoral, quin ad officium nostram
■peclet, de quocumque mortali peccalo corrigere quemlibet Chrislianum, el si correclionem
contempserit ipsum per destrictionem ecclesiasticam coercere. So spricht sich Innoceni III.
heim Streit der Könige Frankreich'« und England's aus. Nos deponeremus regem ila ut
unum garcionem, drohle Bonifaz, nachdem er Philipp den Schönen fUr einen Unsinnigen
erklärt hatte, wenn er die Oberherrlichkeit des l'apstes i^chl anerkennen würde. Clerici
rebellio In regem non e«l crimen laesae majeslatis, quia non subditus regi {«. Emmanntl
Sa). What sturdy robbers and Iraitois then. are these (clerks and particularly highphests)
t« lords and kings in refusing obedience , and in thui giving an exaniple 10 all the men
of ihe land, to become rebeis against the king and the lords P Foi in Ihis and in what
ihey teach , they insiruci the commons of the land. both in words and deeds. lo bc
iinfailhful and rebellious against ihe kiiig (wie WicIifTe bemerkt). And where are ihere
grcater traitors eilher to God or holy church , and especially to our liege lord antl hi<^
kingdom? An allen worldly priest, and an enemy to us, is made chi«f lord over the
grealer part of out country (s. Vaugkan). So bereits im XIV. Jahrhunbert. Zeigen die
Sitten eines einzigen BU^ers nicht die nationale Physiognomie, so fehlt diese der Bürger'
Schaft (nach Ariitalitti). Wie also, wenn ein ganzer Stand sich offen fUr eine antinalionale
Physignomie erkliil? Doch darf von den Bekennein eines Gregor VIl. Alles das nicht
in Betracht gezogen werden : Si enim coeleslia et spirilualia sedes bea'li Pelri solvit et
judicfll, quanto magis teriena el saecularia'(romanus pontifex non puri hominis, sed veri
dei vicem geril in lerris).
*) ,,Der Staat ist zunSchst ein Naturorganismus. denn das Naturdaiein des Menschen
ist der veranlassende Grund seiner Entstehung, mit der Entwicklung des Menschen zum
Menscheng eschlechlc gehl auch die Entwicklung des Staates vor sich, und seine erste
Form und Organisation ist eben die lutUrliche Ordnung der Familie, somit der patriar-
Idung ist aber der Staat
sufem Natuiproduct in der
itwicklung des genialsten
, aber in der Betrachtung
Menge von störenden und
ip«>- Gn nur ifirntt % luiit
Auch Carey erkennt die
he Form, in welcher sich
VORWORT. XV
die Freiheit als vernttnftige, die Vernunft als freie organisirt" (s. Rosenkranz) ^ aber der
^Nationalstaat" der als Name voransteht, kommt erst als I^etztes zum Bewusstsein, und
damit in jeder als ein besonderer Gottesgedanke (bei StauäenmaUr) aufgefassten Indivi-
dualität ihr eigenes, weil integrirender Theil des Ganzen, wenn dieses den wahrhaft natio-
nalen Character trägt.
^) Feinde stehen auf beiden Seiten, auf der des Aberglaubens (oder dem Köhler-
glauben), wie der des Nichtsglaubens (was nichts schaden würde), oder vielmehr des
Nichtswissens. Vicarii Petri et ejus discipuli noiunt habere magistrum Platonem nee Vir-
gilium neque Terentium neque caeteros pecudes philosophomm (im IX. Jahrhundert).
La republique n'a pas besoin ni de savans ni de chimistcs, mit diesen Worten fiel das
Haupt eines Fürsten auf dem inductiven Wissensbereich, und vor ihnen würde keine
Wi](sensmacht schützen. Quaero igitur ad quam rem sdentia referenda sit, si ad causas
rerum naturalium, quae beatitudo erit mihi proposita, si sciero unde Nilus oriatar, vel
quicquid de coelo Ph3rsici delirant (s. Laetantius).
'*) Das Mittel (dem durch den Socialismus drohenden Umsturz oder einer finstem
Stagnation zu begegnen), liegt (nach A. Langt) ,, einzig und allein in der rechtzeitigen
Ueberwindung des Materialismus und in der Heilung des Bruches in unserm Volksleben,
welcher durch die Trennung der Gebildeten vom Volke und seinen geistigen Bedürfnissen
hert>eigeführt wird". Eine solche Ueberwindung des Materialismus kann aber nicht durch
Reaction oder Opposition geschehen, sondern nur durch organische Fortentwicklung jenes,
unter Mitaufhahme der Psychologie als inductive Naturwissenschaft , indem dann der bis
jetzt materialistisch -körperlich verstümmelte Torso in Anerkennung der geistigen Inter-
essen mit ihren, in voller Berechtigung begründeten, Ansprüchen die naturgemässe
Ergänzung erhtilten wird, und zwar nach der dem Durchschnittsmenschen, wie er aus dem
Studium ethnologischer Thatsachen hervortritt, als geeignet entsprechender Norm. ,,Die
Anerkennimg des socialen Lebens, als eine Fortsetzung des Lebens der Natur" wird (nach
Lilknfeld) über die materialistische Weltanschauung hinaus zur idealistischen weiterführen.
Die Socialstatistik hat die Moralstatistik einzubegreifen.
>*) Froude setzt ein ,, natural right" fUr Regierende und Regierte. Beaucoup pour la
gloire de l'homme, quelque chose pour sa libertö, presque rien pour son bonheur, sah
Condorcet in der Geschichte gearbeitet. Nach Lilienfeld entspricht die ökonomische Seite
der socialen Entwicklung der physiologischen Seite in der Entwicklung der Pflanzen und
Thiere.
^) Jedes Problem ist möglichst auf dem Boden der Rechtsverhältnisse zu lösen, wie
sie gerade gegeben sind , und wenn einer Erweiterung benöthigt , genügt zur Ein-
leitung der Entwicklung eine neu belebende Durchdringung, während eine vorherige
Zerstörung, um unvermittelt Anderes an die Stelle zu setzen, allgemeinen Umsturz drohen
mtfsste. ^
^ Appliquons aux sciences politiques et morales la m^thode fond^e sur l'obser-
vation et sur le calcul, methode qui nous a si bien servi dans les sciences naturelles.
N'opposons point une r^istance inutile et souvent dangereuses aux effets in^vitables du
progr^s des lumi^res, mais ne changeons q'avec une circonspection extreme nos institutions
et les usages auxqueb nous sommes depuis longtemps pli^s (s. Laplace). So strebte
Qoetelet dahin, in der Durchschnittssumme der Lebensäusserungen die Ideale der Mensch-
heit durch Rechnung zu finden (eine physiqne sociale).
^) Neben dem allgemeinen Gesetz, ,,savoir, que les rapports des effets de la nature
soot, ^ fort peu pr^, oonstants quand ces effets sont consider^s en grand nombre" er-
weist sich aus BemouUi's Theorem, ,,que, dans une serie d'^v^nements ind^Bniment pro-
prolong^e, Taction des causes reguli^res et constantes doit Vemporter ä la longue sur
Celle des causes irr^guli^s (s. Laplate), ,,Ainsi des chances favorables et nombreuses
^tant consUmment attachöes ä l'observation des principes 6ternels de raison , de justice
XVI VORWORT.
et d'humanit^, qui fondent et maintiennent les soci^t^s, il y a un grand avantnge k se
conformer a ces principes et de graves inconvcnients ä s'cn ^Carter".
>*) Es fehlt am Besten, am Anfang", der in ,, einem Unbeschlossenen, nach allen Seiten
Grenzenlosen" (für die Philosophie der Geschichte) mangelt, und deshalb in gesetzlichen
Durchkreuzungen der Mitte zu suchen ist. ,, Alles Bestehende ist vernünftig" heisst aus
Hegels Terminologie in die naturwissenschaftliche Übersetzt, ,, ist gesetzlich", wie sich- l>ei
inductiver Ausbildung die Psychologie auch im Geistigen nachweisen lassen wird.
") Auch die Geschichte des Menschheitslebens besteht in einer Folge von Rythmen,
welche wohl gemessen sind in der Zeit, welche in ihrem ganzen inneren Gehalt gleichsam
im musikalischen Sinne melodisch und harmonisch geordnet sind (s. Krause), Nach
Richter's Vorgang (in der Stöchyomctric oder Messkunst chymischer Elemente) gewährte
Dalton der Chemie ihre mathematische Grundlage unter Berzelius' inductiver Beweis-
führung (und in d?m Gesetz der Proportionen, relativer Verhältnisse zu einander, ist ein
inneres Gleichgewicht gewonnen). Pondere et mensura (s. Proust) ordnen sich die
Zusammensetzungen in der Chemie , nach der Zahl die Wachsthumsgesetze geistiger Ge-
bilde (unter einer methodus ordinata).
>') Von Mango-Capac wurde gesagt, dass (nach Gründung Cuzco's) ,,häcia el levante
reduxo hasta el rio Ilamado Paucar tampu, y al poniente conquistö ocho leguas hasta
el gran rio Ilamado Apurimac y al medio dia atrajo nucve leguas hasta Quequesana
(s. Vega), Sinchi Roca erweiterte (in Collasuyu) die Grenzen bis Chuncara (oder bis
Pucara de Umasuyu). Lloque Vupanqui dehnte (nach Unterwerfung der Ayaviri) die
Eroberungen über Hatun-CoUa bis Chucuytu aus. Mayta Capac eroberte Tiahuanaco.
Capac-Yupanqui unterwarf die Aymaras und Quechua. Inca Rocca markirt einen Still-
stand, Yahuar-Huaccac den Rückgang, aber dann (nach Unterdrückung des Aufstandes)
erweiterte Inca Viracoche sein Reich (durch Inca Pahuac Mayta) ,, hasta los terminos
posibles, porque al Oriente llegaba hasta el pie de la gran cordillera y Sierra nevada, al
poniente hasta la mar y al mediodia hasta la ultima provincia de los Chancas, mas de
200 leguas de la ciudad (dann kam die Unterwerfung der Poeras in Huamanca und die
Huldigung von Tucuman hinzu). Pachacutec Inca unterwarf Xauxa, Chucurpu, HucujUas,
Huamachuco , Caxamarca und Vauyu , dann die Chincha und Chimu. Inca Vupanqui
unternahm Feldzüge gegen die Musu und nach Chile. Tupac Inca Vupanqui besiegte
die Huacrochucu, Chachapoyas und Cafiares. Iluayna Capac besetzte Quito und hatte
bereits der mit den europäischen Landungen in Brasilien von Osten her bis zu den
Chiriguanos fortgepflanzten Bewegung zu widerstehen , während unter der Herrschaft
seiner das Reich theilenden Söhne die Spanier im Westen eintraten.
INHALTS-VERZEICHNISS.
Erster Abschnitt.
DIE REISE.
Erstes Capitel (Nach Chile)*).
Abfahrt — Ferro — Sir Walter Raleigh — Brasilische Küste — Bahia — Strömungen —
La Plata — Cap Virgen - Punta-Arenas — Cap Pillar — Feuerland — Ix>ta — Arau-
canier — Valparaiso — Santiago — Tempel — Census — Caldera — Copiapo — Cobija —
Iquique — Arica — Pisco — Guano.
Zweites Capitel (Peru und Ecuador) S. 47.
(Seite 48 — 114 ist der stehende Columnentitel entsprechend zu ändern).
Callao — Lima — Pativilca — Ancon — Pachacamac — Eisenbahnen — Regenlosig-
keit — Guayaquil — Bodegas — Balsa-Tambo — Chimbo — Guaranda — Chimborazo —
Ambato — Trunkenheit — Latacunga — St. Bartholomäus — Gallo — Tiupullo —
Quito — Panecillo — Garcia — Moreno — Mocha — Riobamba — Post — Alausi —
Pumallacta — Achupallas — Azuay — Schneesturm — Culebrillas — Inca-Pirca —
Cafiar — Bueste — Azogues — Cuenca — Chordeleg — Caja de Quinoa — Chalapud —
Naranjal — Schiffbruch — Mangrove — Payta — Piura — Catacaos — Strohhüte —
Sechura — Klima — Kreuzungen — Schädelentstellungen — Despoblado — Cabo Verde
— Morope — Lambayeque — Chiclayo — Eten — Dialect — Piedras de campanas —
Pacas mayo — San Pedro — Facalä — Ascope — Chicama — Truxillo — Chanchan —
Viru — Chimbador — Santa — Chimbote -- Chincha — Amazonen — Leguas.
Drittes Capitel (Columbia) S. 205.
Punta Parina — Strohhüte — Manta — Esmeraldas — Tumaco — Buenaventura —
Daguas — Cordova — Naranjo — Tocola — Cauca — Cali — Huacas — Jahreszeiten
— Palmyra — Ausrüstung — Buga — Tulua — La Paila — Las Caflas? — Mico —
Cartago -;— Pijaos — Cartago viejo — Rio Hotun — St. Rosa de Cabal — Aldea —
^) s. zugleich Anhang (S. 685 -691).
XVlir INHALTS -VERZEICHNISS.
Haniules — Gewitter — Erdbeben — Chocö — Neira — Araniuo — SaUmina —
Pozo — Aguadns — Strohhüte — Rio He Anna — Avejoral — I,as Cejas — Rio Negn>
— Medellin — Ilagui — Atto de San Miguel — Farallones — Alto de Obispo — I.a5t-
ttier — Caramanla — Supia — Mamiato — Filadclfia — Camino Real — Elvira —
Foramo — Cajones — Biscocho — Soledad — Sl. Domingo ■ — Wege ^ Gnali —
Santa Ana — Honda — Magdalena — Gaduas — Villeta — Facatativi — Bogota —
Chibchas — Tequendama — SaTana — Sopo — Choeonia — Halo viejo — Ventaque-
Diada — B^räbniss — Boyacä — Tunja — I^s Cojines — Zaque — Leiva — Infiemito
Gachela — Chiquinquirii — Zipaquirä — Chin — Geschenk — PeEtcaderia — Fluisfahrt —
Raranquilla.
Viertes Capitel (Der Isthmus und Guatemala) S. 344.
Colon — Panama — Costa Rica — San Juan del Sur — Bay von Fonseca — Nicaragua — •
Catechisiren — San JoK^ — Escuinlla — Amatitlan — Guatemala — Piedra parada —
Chimaltenango — Tccpan- Guatemala — Santa Crui de <3uich* — Utallan — Toloni-
capam — Olintepeque — Qucliailenango — Sunil — Naguaiismus — Maialenango —
Retaluleu — Pferde — Chocoli — Alitlan — San Lucas — Santa Lucia — Peor-es-nada
— Los Tarros — Pantaleon — Alolenango -:- I^ Antigua — Feslfeier — Provinzen —
Acatcoango — Confraderia« — Einschiflung (Californien, Weltausstellung, Westindien,
Rttckkehf).
Zweiter Abschnitt (S. 441).
AUS RELIGION UND SITTE DES ALTEN PERU.
{Priesterliches und Staatswesen, S. 607.)
Anhang (S. 683—702)
und Druckfehler-Verzeichniss (S. 703 u. 704).
DIE REISE
BaatlMi: Aiaerlea. I.
DURCH DIE MAGELLANSTRASSE
NACH CHILE.
Die Verbindungen Europas mit der amerikanischen Westküste boten
manches Lästige, so lange man auf Segekchiffe und die Umfahrung
des Cap Hörn hingewiesen war. Eine bedeutende Vereinfachung trat
ein durch Eröffnung der Panama-Eisenbahn, welche eine Vervielfäl-
tigung der Dampferfahrten an der Küste zur Folge hatte, und später
verbanden sich dann diese Fahrten der Küstendampfer mit einer
Durchschiffung der Magellanstrasse, und einer atlantischen Dampfer-
linie des hohen Seeweges.
Die Dampfschiffe an der Westküste Südamerikas, wurden im
Jahre 1840 von der Pacific-Mail-Company in Liverpol eingerichtet,
und eben diese schloss daran zuerst die Befahrung der Magellan-
strasse mit Seedampfern (1867). Seitdem ist noch eine deutsche
Gesellschaft hinzugetreten, der Kosmos in Hamburg, (sowohl fiir die
Beschiffung der Strasse, wie für die südamerikanische Küstenlinie),
während die Verbindung von Panama nach San Francisco, und nörd-
licher, (mit dem Besuch der Zwischenhäfen), von einer amerikanischen
Gesellschaft besorgt wird.
Der Dampfer der Liverpooler Gesellschaft, auf dem ich mich
einschiffte, Valparaiso, ein solid gebautes, aber etwas krengkes Schiff,
verliess den Werft am 5. Mai 1875 und in der Nacht des 6 Mai
sahen wir die Feuer der Scilly-Inseln, wo damals gerade die ent-
setzliche Katastrophe des Schiller sich ereignen sollte, die durch die
Telegsamme bereits bekannt zu werden anfing, noch ehe wir den
letzten Hafen Europas verliessen.
Die Mageilandampfer laufen in Bordeaux an, für welchen Zweck
wir auf der Gironde bei Pouliac ankerten und nach dem an steiler Fels-
ig
4 NACH CHILE.
küste gebetteten Santander, in Lissabon, wo ich Gelegenheit hatte,
einige Bekanntschaft aus meiner Durchreise im Jahre 1873 zu er-
neuern.
Die nächste Station bildet gewöhnlich Madeira, auf welche Insel
man bei den atlantischen Fahrten fast immer zurückgeführt wird, da
sämmtliche Dampfschiffslinien, die afrikanischen, indischen und ameri-
kanischen dort ihren Kreuzungspunct finden oder doch fanden.
So anziehend und erfrischend der Eindruck ist, den die bewal-
deten Höhen dieser Oase beim ersten Besuche machen, so wenig
Verführerisches bieten sie bei einer Wiederholung desselben, um an
das Land zu locken. Die Dampfboote verweilen meistens so kurze
Zeit, dass man über die Unannehmlichkeiten der Landung, wie sie an
an allen den speculativ auf die Unerfahrenheiten zahlreicher Durch-
reisender rechnenden Hafenplätze unvermeidlich sind, nicht hinaus-
kommt, und höchstens nur zu einem Spaziergang in den engen und
holprigen Strassen Zeit hat, oder zum Ausruhen In den unordent-
lichen und schmutzigen Zimmern dortiger Wirthshäuser. Lohnend
wird eine Ausschiffung nur, wenn längerer Aufenthalt Müsse zu wei-
teren Ausflügen giebt,um die malerischen Naturschönheiten aufzusuchen,
die das Innere birgt, während der Totaleffect besser an Bord, als
am Strande genossen wird.
Die canarischen Inseln wurden zwischen Tenerif und Palmas
durchfahren und dann (15. Mai) kam Ferro in Sicht, mit lang-
gestreckten Felshöhen, schroff und vorspringend, die Insel zu zeigen,
auf der alte Seefahrer den Wasser sprudelnden Baum und Geogra-
phen, seit 1634, ihren Meridian gesucht.
Die im Dolce far niente hingehenden Tage unter dem in un-
veränderter Heiterkeit strahlenden Himmel der Passate (im Golfo de
Damas) brachte uns die Begegnung mit der Flying Squadron, die
aus 6 Schiffen bestehend, mit dem Flagschiff Sir Walter Raleigh
heimwärts kreuzte. Am 20. Mai trat Nachts der erste Regen ein,
bei Annäherung an die Küste und am 22. Mai hoben sich die von
den Holländern auf ihren brasilischen Fahrten „de Kerk" genannten
Felspfeiler Fernando do Noronha's aus dem Meer, eine, welligen
Hügeln zwischengestreckte Ebenen zeigende Insel dichter Waldungen.
In dem dort erfolgten Schiffbruch Gonzalo Coelho's im Jahre 1503
fanden Vespucci's Gefährten dieses, im nächsten Jahre Fernando do
Noronha geschenkte, Eiland (S. Joam) unbewohnt und die Vögel noch
so wenig an Störungen gewöhnt, dass sie sich mit den Händen
greifen Hessen. Später wechselte der Besitz zwischen Franzosen,
BAHTA. 5
Holländer und Portugiesen, bis die Brasilier jetzt einen Deportations-
platz dort eingerichtet haben.
Am 23. Mai zeigte sich in der Ferne die Küste Brasiliens, ein
sandiger Streif mit grauer Decke, unter welcher niedrige Wellener-
hebungen hervortreten. Dann erscheinen die weissen Häuser Oliva's
auf den Höhen, und bald erblickt man längs der Küste den Masten-
wald im Hafen Recife's, der unteren Stadt neben Olinda, als der
oberen.
Der mit Ausschluss Olinde 's (s. Av^-Lallement) die Stadttheile
Cidade do. Recife, San* Antonio und Boa Vista zusammenfassende
Namen Pernambuco, der wie er (im Anschluss an Fernando) auch
geschrieben wurde, Fernambuco (Fernambourg) hat mehrfache Deu-
tungen erfahren und wird von Macedo aus der Sprache der Cahetes
als Paranabuco (durchlöcherter Stein) erklärt. Doch schliesst er
sich natürlicher an Parana, die Bezeichnung des Meeres (oder grosser
Flusswasser), an, etwa (nach Vamhagen) der Meeresarm (Mbuk) oder
(bei Prazeres) mit dem portugiesischen Zusatz boca (Mündung). Nach
Thevet hiess das Meer Paranambouquo (am Cap Frio).
Bei der späten Ankunft am Nachmittage (Mai 23.) hielt sich das
Dampfboot auf der Rhede und schickte nur ein Boot an s Land, um
den Austausch der Postsäcke zu vollziehen, ohne mit den damals
wieder (wie fast beständig) vom gelben Fieber inficirten Wohnplätze
in Berührung zu kommen. Es wurden alarmirende Gerüchte von
dem Ausbruch eines Krieges in Europa zurückgebracht, und, wie es
hiess, sollten Deutschland und England gegen einander in WaflFen ge-
treten sein. Indess wurde dadurch das gute Einvernehmen an Bord
nicht gestört, da die Verständigeren einem Bruche zwischen zwei
durch die Gemeinsamkeit ihrer Interessen, in gegenseitiger Ergänzung
derselben, von der Geschichte selbst zu steten Bundesgenossen be-
stimmten Nationen keinen Glauben schenken weder konnten noch
wollten.
Am 25. Mai fuhren wir an einer langgestreckte Küste hin, mit
niedrig bewaldeten Erhebungen, und sie lief aus in eine Hügel-
spitze, durch den Leuchtthurm gekennzeichnet. Häuser lagen auf
waldigen Höhen und Einbuchtungen zerstreut und dann öflFnete sich
die weite Bahia de todos los Santos mit ihren Wellenhügeln, sowie
ein Einblick auf die Flussebenen.
Böte, von lärmenden Mulatten und Negern geführt, brachten uns
ans Land nach der Ciudad bassa, den Ort des Handels und der
Märkte, während eine Hebungsmaschine für den Besuch der auf steilem
(^ NACH CHILE.
Klippenrand gelagerten Oberstadt (ciudad alta) benutzt werden konnte.
Die Häuser steigen zum Theil bis acht EtagTin auf, und die Strassen
sind, besonders in der unteren Stadt, wo sich der ganze Verkehr
abwickelt, eng, schmutzig, holprig und uneben. In Folge der vielen
Neger und Negerinnen könnte man noch jetzt die Bemerkung Frezier's
wiederholen: ,,la ville parait une nouvelle Guinee," und schon damals
(1716) bestand eine Hebungsmaschine zum Aufsteigen nach der oberen
Stadt, während sie in der Zwischenzeit ausser Gebrauch gekommen
zu sein scheint, da die jetzige erst seit einigen Jahren im Gange war.
An freieren Stellen der Oberstadt geniesst man einen weiten Blick
über die Bay, mit kaum sichtbaren Hügeln der Umziehung, und auf
den Wasserspiegel zwischen den Inseln, in diesem, fast stets wie e?
heisst, eine glatte Oberfläche darbietenden Meeresabschnitt, der indess
in lebendig wogendem Zusammenhange mit dem Ocean draussen
verbleibt und die Reihe der Küstenflüsse schweigend in sich herab-
zieht. Ihre Wasser durchfurchen die ergiebige Fläche des Reconcavo
und befeuchten längs des Rio de San Francisco die Rohrzucker-
felder, wie die Plantagen an den übrigen Ufern, während das als
Stapelplatz des Tabaks zur Bedeutung gelangte Emporium Cachoeira
am Paraguassuflusse liegt.
Am Paraguassu spielte die romantische Episode des Patriarchen
der dortigen Ansiedler, des unter seinem indianischen Beinamen Cara-
mura bekannte Diego Alvarez*) (mit der Häuptlingstochter der Tupi-
nambas auf der Insel Itaparica) und die gefabelte Mitleidenschaft des
französischen Hofes wurde vielleicht nachträglich hineingezogen, um
ein Seitenstück zu gewinnen für die Courfähigkeit der virginischen
Pacahonta,die den Hof König Jacobs so für sich einnahm, ,,dass man
dem armen Edelmann, ihrem Gemahl, drohete, ihn zur Rechenschaft
zu fordern, dass er eine königliche Prinzessin ohne des Königs Ein-
willigung geehelichet.**
Gegründet wurde diese Cidade de S. Salvador da Bahia de todos
OS santos von de Souza 1549 und in der brasilischen Geschichte er-
scheint sie als die classische Metropole, die jetzt noch den Namen eines
amerikanischen Athen für sich beansprucht, wie Boston im Norden.
Auch bildete sie als Hauptstadt die Residenz der portugiesischen
Vicekönige seit 1641, bis ihr diese Hegemonie 1763 durch die Riva-
lität Rio de Janeiros entrissen wurde, von Mem de Sa (1567) ge-
») Ell esta bahia de Tocios Sanctos vive un Diego Alvarez, Portugues, hecho cau-
dillo de los Indicos (weiss auch üviedo).
RIO DE JANEIRO. 7
gründet, dem Vertreiber der Franzosen an der Küste. Im Jahre 1624
fiel, wenn auch nur vorübergehend, Bahia in die Hände der Hollän-
der, wie 1630 Recife, und aus der Zeit der bis 1654 dauernden
Herrschaft ihrer (1602 gegründeten) Compagnie für Indien bleiben,
ähnlich wie in den portugiesischen Colonien Angola 's und St. Thomas*,
noch manche Erinnerungen zurück, besonders an die thätigc und ein-
greifende Verwaltung des Statthalters Moritz von Nassau.
Auf dem in dieser Richtung durch Wind und Strömung begün-
stigten Wege von Bahia nach Rio-Janeiro passirten wir das (iir die
Küstenrichtung Brasiliens sowohl, wie für seine Vorgeschichte, als
Landungsglatz des, von den Tupis und Guaranis in ihren Vorfahren
gefeierten, Bruderpaars beachtenswerthe Cap Frio, und obwohl das-
selbe aus dem Gesichtskreis blieb, sahen wir dann, am Mai 28., die
in pittoresquer Grossartigkeit vielgestaltigen Felsberggipfel vor uns,
welche die Bay von Rio de Janeiro anzeigen, und fuhren in diese ein,
an dem schräg überliegenden Pao assucar vorbei. In ihm, wie im Gavia,
dem Kopf des schlafenden Riesen, dem Corcovado (2300 Fuss hoch)
u. s. w. verlaufen die Gebirgszüge von Bangu und Jacarepagua, die dort
gleich der Tijuca, ihr Ende erreichen. •
Die durch diese wundersam geformten Pic umzogene und für
Flotten, soviel sich ihr böten, Raum gewährende Bay, die (nach
Mouchez) freilich jährlich wasserärmer werden soll, erscheint um so
prächtiger durch die Kaiserstadt San Sebastiao*), die im Hintergrund
sich am Ufer forterstreckt und zwischen den Hügelthälern hinauf-
zieht. Wir mussten uns freilich mit dem Anblick aus der Ferne be-
gnügen, da die Quarantaine-Verhältnisse ein Landen am Quai unmög-
lich machte und nur ein Spaziergang auf den mit Campina bewachsenen
Hügeln der Insel Macagui erlaubten, wo sich das Kohlendepot der
Compagnie befand.
Am nächsten Morgen genossen wir eines malerischen Schauspiels,
indem bei dem Zerreissen tief herabhängender Nebelwolken die ein-
zelnen Berggipfel in ihren barokken Umrissen nach einander hervor-
traten, und auch nach dem Verlassen der Bay begleitete uns anfangs
eine sonderbar zerrissene Gebirgslandschaft.
») Mem de Sa hicss Nobrega seinen Angriff auf die von Tamoyos vertheidigte Festung
der Franzosen in Ura^umiri bis auf den glttckverhcissenden Tag des heiligen SebasHan
verschieben und fügte dieser Eroberung die von Parana - pucuy , auf Cats island (s.
Southcy), hiniu, worauf die nach Recife flüchtigen Franzosen auch von dort vertrieben
wurden (1567).
8 NACH CHILE.
Rio Janeiro bildete den hauptsächlichsten Handelssitz der (seit
1504 an der Küste erwähnten) Franzosen, bis zu ihrer, die Pläne
Villegagnon's vereitelnder, Niederlage, und das gute Einvernehmen,
in welchem sie damals, aus altem Verkehr, mit den Eingeborenen
standen, wird auch durch die Erzählungen Hans Staden's bezeugt.
Ausserdem hat man versucht, wie die Priorität der afrikanischen
Entdeckungen (in den Kaufmannshäusem Dieppe 's an der Goldküste),
die der amerikanischen für die Franzosen in Anspruch zu nehmen,
und schon im Jahre 1488 wäre auf einem französischen Schiffe Martin
Alonso Pinzon (der kühne und erfahrene Begleiter des Columbus,
als Commandant der Pinta) an der Küste Amerikas gelandet. Besser
beglaubigt ist seines Bruders Vincente Pinzon s Verdienst, als Ent-
decker des brasilischen Festlandes, wo er (1500) das (bald darauf von
Diego de Lepe umfahrenen) Cap Augustin auffand, in Begleitung
Vespucci's, der bereits (1499) ^^ Hojeda's Fahrt von den durch
Columbus in Paria berührten Punkten zum Cabo de la Vela
(gleichzeitig mit der Guerra's bis Codera) Theil genommen hatte,
und auf der (nach d'Avezac) wahrscheinlich (gleich der folgenden)
vt)n Coelho befehligten Expedition das Cap Roque erreichte, sowie
südlichere Breiten. Die auf die, von Cabral erhaltene, Nachricht
vom Könige Portugals veranlasste Fahrt nach Presilligland (von dem
Handel mit Caesalpinia brasiliensis) galt bereits (1501) dem neuent-
deckten Paschaol (Monte Pascual) in der Kreuzesinsel (Ilha da
Santa Cruz oder Vera Cruz). Es war die südwestlich brasilianische
Strömung, die diesen Seefahrer, der sich mit Vasco de Gamas
Instructionen versehen, auf dem Wege nach Indien fand, in den
Porto Seguro des damals noch unbekannten Continentes trieb, und
aus diesen hydrographischen Verhältnissen verdient auch die an das
Cap Frio geknüpfte Tupi-Guarani-Sage besondere Beachtung. Auf
meiner ersten Reise nach Australien, noch ehe Dampf böte solche
Hochseefahrten unternahmen, wurde ich von dem Capitain unseres
Segelschiffes, während wir mit schlaffen Segeln an den Masten
hülflos im Calmengürtel umherschaukelten, vielfach von den Gefahren
drohenden Zeitverlustes unterhalten, wenn uns die westliche Aequa-
torialströmung an 's Cap Roque treiben sollte, und fehlte es nicht an
der Aufzählung warnender Beispiele. Auch sind die Instructionen
der Segelanweisungen über das Passiren des Aequators besonders
mit Rücksicht hierauf niedergelegt.
Die Küste Brasiliens war anfänglich das eigentliche America,
die America Provincia (America vel Brasilia sive Papagalli terra).
MONTEVIDEO. 9
doch wurde dann der durch Hylacomilus aus der Uebersetzung von
Amerigo (Alberico oder Amalrich) Vesputio's Quatuor Navigationes
zur Geltung gebrachte Namen ein allgemeiner für den Nuevo Orbe.
In den spanischen Entdeckungsfahrten an der südamericanischen
Küste lag zugleich die Absicht zu Grunde den ihnen nach der
päpstlichen Theilung vortheilhafteren Weg nach Malacca aufzufinden,
und so wurde, als die Nachricht von der über den darischen Isth-
erreich ten Südsee nach Europa gelangte, Juan Diaz de Solis aufs
Neue nach dem von ihm 1508 entdeckten Rio de la Plata entsandt,
wo er unter den Charruas seinen Tod fand (15 15). Die Furcht vor
diesen wilden Stämmen in der Banda oriental verzögerte die Grün-
dung Montevideos, oder (s. Burmeister) Monte vireo, den von der
Natur angezeigten Hafen, bis 1726 (oder 17 17 durch Zavala), und in der
Zwischenzeit begnügte man sich mit dem auf dem Gebiete der
Querandis angelegten Buenos-Ayres.
Das Ungünstigere dieser Lage trat uns deutlich entgegen, als
wir Juni 2. vor Montevideo ankernd einen längeren Aufenthalt für
Ueberfiihrung der mitgebrachten Auswanderer nach Buenos-Ayres
erlitten, und machte er sich um so lebhafter fühlbar, weil das Ein-
laufen in brasilianischen Häfen ein Landen in Uruguay verbot.
In der Einfahrt überrascht die Mächtigkeit dieses aus dem Uruguay
und dem bei dem Tres-Bocas mit Paraguay vereinigten Parana gebildeten
Silberstroms*) (Rio de la Plata) in dem Aestuar des ungeheuren
Wasserbeckens, das diesseits der centralen Wasserscheiden, — der Sierra
geral gegen den Rio San Francisco, dem Campos dos Parexis gegen
den Tapajos und Xingu, der Cordillere von Andacahua gegen den
Madeira^) — , in den Flussarmen des Paranahyba mit der Erweiterung
zum Parana (dem sich der aus dem Nevado von Acay und Salta
herabkommende Jui-amento oder Guachipas, als Salado verbindet).
*) Von dem aus einem westlichen Reich erhaltenen Silberschmuck, den Cabot auf
striner Entdeckungsreise, bis zur Insel Apipe, von den Guaranis kaufte, erhielt der (mit
dem Uruguay den La Plata bildende) Parana den Namen des Silberflusses (1527). 'Von
dem auf dem Boden seiner Entdeckungen Ermordeten hatte sich früher der Name Rio de
Solis verwendet
') Die Portugiesen benutzen eine Tragestelle der Böte zwischen dem Rio Alegre,
NebenÜuss des Barbados, der in den mit dem Mamor^ und Beni den Madeira bildenden
Guapore oder Itenes ßült, und dem Aguapey, Nebenfluss des Jauru, der sich in dem
Sumpfterrain der Laguna de los Xarayes mit dem Paraguay vereinigt, wie am Südende
desselben der Cuyaba, der in den Quellen seines Nebenflusses, des Tombador, denen des
Estivado, Nebenfluss des Arinos oder Tapajos so nahe ist, dass die dortigen Pflanzungen
(wie de Moussy bemerkt), abwechselnd aus Wassern, die zu dem Wassergebiet des Ma-
rafion gehören oder aus denen des Paraguay (oder La Plata) befruchtet werden können.
10 NACH CHILE.
des Paraguay (aus den siete lagunas) und (seines aus dem Suipacha der
Punavon Jujuy und dem Pilaya desCinti-Rücken entstehenden Zuflusses),
des Pilcomayu, sowie des in den Küstenketten (mit dem Rio de las
Canoas in den Waldbergen San Catharina's) entspringenden Uruguay, die
nach Süden geführten Wassermassen des Contincnte s in sich aufnimmt.
Die Stadt Montevideo liegt amphitheatralisch auf ansteigendem
Wellengrund neben einem von Befestigungen gekrönten Hügelberg,
auf den der Name bezogen wird. Am Ufer waren vorn die ausge-
dehnten Fabrikgebäude sichtbar zur Herstellung des Fleisch-Extractes,
eines, fiir den Reisenden besonders, werthvollen Proviantmittels. Die
für Montevideo bestimmten Passagiere wurden vor der Abfahrt auf
der felsigen Flores-Insel ausgeschifft, wo sich die Quarantaine-An-
stalten finden.
Im Gegensatz zu der miasmatisch geschwängerten Atmosphäre
Brasiliens, wo an einigen Localitäten das gelbe Fieber endemisch zu
werden droht, gilt die der La Plata-Staaten, wie in dem (durch neuere
Erfahrungen freilich nicht durchgängig bewährten) Namen Buenos-
Ayres (Gute Luft) ausgedrückt liegt, für besonders gesund, in Folge
der Luftreinigung durch die trockenen Pamperos, die von den Schiffern
wieder (gleich den Suestados) für ihr Anschwellen zu Orkanen ge-
fürchtet sind, was zwar in jeder Jahreszeit bevorsteht, am häufigsten
jedoch in der kalten.
Fünf Tage waren wir bei ruhigem Wetter unter einem heiter
klaren Himmel blasser Tinten hingefahren, als sich am 8. Juni in
einer niedrig gehobenen Streichung dünenartiger Erstreckung die
Küste Patagoniens zeigte, und dann der Absatz des Cap Virgen
(Cabo de las Virgines), das wir umfuhren, um Abends in Possession-
Bay zu ankern.
Als sich am 21. October 1525 den Blicken Magellans dieses Vor-
gebirge zeigte, da hing es von der Antwort des Ja oder Nein auf
die gestellte Frage ab, ob das Problem der Erdumsegelung bereits
seine Lösung finden würde, denn widersprechend lauteten die Be-
richte der zur Kundschaft ausgesandten Schiffe. Die Mannschaft des
einen zweifelte, die andern glaubten jedoch aus der Länge des
gefolgten Canals, aus der Tiefe des Wassers, aus den Strömungen
und F'luthen auf eine Strasse schliessen zu können, und Magellan 's
energische Entschlossenheit, die so eben erst wieder, in dem Ueber-
winterungshafen, eine gefährliche Meuterei mit festem GrifT erstickt
hatte, bedurfte keiner langen Ueberlegung. Der bei Annäherung an
Cap Froward veränderte Character der Strasse erregte für einen Augen-
MAGEUIAEN. H
blick Anstand, so dass von der Bucht des späten Port Famine wieder
ein Recognoscirungsschiff vorangeschickt wurde. In^ess Magellans
Entschluss stand schon auf festem Grunde, denn ohne weitere Nach-
richt von dem den Begegnungsort verfehlenden Fahrzeug, liess er
unter ceremoniellen Feierlichkeiten die Anker lichten und erreichte nach
wenigen Tagen das (ersehnte) Cap Deseado (Cabo de las Pillares
oder Cap Pillar) mit dem Anblick der offenen Südsee vor sich.
Während Loysa 90 Tage mit der Durchfahrt in Anspruch genommen
war, Byron 51 Tage, Wallis 116 Tage, Bougainville 60 Tage,' führte
sie Magellan in weniger als 3 Wochen aus, obwohl noch ohne jede
Karte oder selbst Vermuthungen über den richtigen Weg in diesen
Canallabyrinthen.
Trotz des Aufsehens, das in Folge der ersten Erdumschiffung
die Entdeckung der langgesuchten Strasse hervorrief, verlor doch
dieselbe, bei ihren Schwierigkeiten für Segelschiffe, an Bedeutung, als
Schouten in Lemaire's Strasse die Regia Via gefunden, und dann,
seit Brower's Umsegelung von Staat enisland, durch Sharp und beson-
ders durch Dampier, das offene Meer im Süden, mit Beseitigung oder
wenigstens weiterer Zurückschiebung des antarctischen Continentes,
festgestellt war. Erst mit der heutigen Entwicklung der Dampf-
schifffahrten haben die Vortheile der Strasse wieder ausgenutzt wer-
den können, und als das erste Dampfschiff in der Magellan-Strasse
(„wo nicht das allererste, so doch jedenfalls eins der ersten") bezeichnet
Kohl die englische königliche Steam-sloop Virago, unter dem Com-
mando des Capitain Housten Stewart (1851).
Der östliche Theil der Strasse trägt den Character des Patago-
nischen Landes, aber jenseits Cap Froward, der Südspitze des ame-
rikanischen Festlandes, tritt man in die Cordillere des Westens ein,
und zwar in die östliche Kette derselben, während die westliche
(die sog. Küsten-Cordillere, aber seit Juan Fernandez bei dem ferneren
Fehlen an Verzweigungen vom Andes- System als abgezweigt gel-
tende) durch den Chonos-Archipelago im Bogen nach dem Feuer-
land ausläuft. In all diesen wild zerrissenen Inselgruppen stehen
gewissermassen die Zwischenthäler der Cordillere noch inmitten des
Meeres, von den Wogen desselben erfüllt, und nur die Bergspitzen
ragen über der Oberfläche hervor. Hieraus folgt auch der scheinbare
Eindruck verhältnissmässiger Niedrigkeit, und Darwin erklärt diese
Täuschung des Urtheils bereits daraus, „that the whole mass, from the
summit to the water s edge, is generally in füll view." Wenn neuere
Beobachtungen das Festland der amerikanischen Südspitze als sin-
12 NACH CHILE.
kend bezeichnen, so kann dagegen der mit neueren Auswurfsmassen
bedeckte Isthmus der continentalen Mitte als bei der Arbeit der Er-
hebung thätig angesehen werden.
Bei unserem Ankern im Possession- Bay hatte sich, nach bereits
eingebrochener Dunkelheit, nur ein niedriges Vorland unterscheiden
lassen, am andern Morgen aber sahen wir die felsige Erhebung vom
Cap Possession vor uns. Eine sandige Küste mit unregelmässigen
Haufen-Erhebungen bezeichnet Patagonien, (wo der vierzackige Mount
Aymond erkennbar war), niedrige Sandstreifen deuteten die Inseln
des Feuerlandes an.
Nach einer Felserhebung vor Mount Orange, den von Bänken
eingeengten Eintritt in die First Narrows anzeigend , folgten steinige
Sanderstreckungen und darauf Lehmbänke, durch welche das Schiff den
Weg zu lothsen hatte. In Patagonien breitete sich eine steinige Sand-
fläche aus , mit Erhebungen bei Cap Gregory , an der Seite des
Feuerlandes fielen lehmige Sandbänke ab. Nach dem Passiren der
Magdalenen-Inseln (neben denen von Santa Marta) zeigten sich, mit
Gente-Grande-bay (der Grossfüssler und Jagdgeschichten) auf dem
patagonischen Festland niedrige Hügellinien mit Schneestreifen be-
deckt, beim Austritt aus den Second Narrows, und dann warfen wir
Anker in der in der Feme durch St. Anna Point umzogenen Bucht
vor der welligen Hügelwand von Punta Arenas (Sandy Point). Die
Ansiedlung liegt an Waldkuppen, hinter denen sich eine Hügelreihe
hinzieht, auf welcher in dieser Jahreszeit hier und da Schnee lagerte.
Der Ort dient als Deportationsplatz und mag an Bedeutung ge-
winnen durch die jetzt in der Nähe bearbeiteten Kohlenminen, sowie
kürzliche Goldentdeckungen. Die chilenische Ansiedlung (nach der
Meuterei, indem 1843 — 1851 in Neu - Braunschweig unterhaltenen
Fort, 1853 hierher verlegt) ist an die Stelle getreten derjenigen
Versuche, die früher besonders in den Localitäten des Port Famine
versucht wurden, dessen Namen bereits das traurige Schicksal aus-
spricht, welches d e meisten Coloniepläne betraf Am umfassendsten
angelegt war die des in mystischer Begeisterung gegen die Unbilden
dortiger Natur ankämpfenden Sarmiento, der seinen Namen der
majestätischen Campana de Roldan gelassen hat, aber obwohl er be-
reits bei seiner Besitzergreifung der Muttergottes-Inseln im Golfo de
la Trinidad, den Winden und Wogen, um ihnen die Aufnahme der
Ketzerschiffe zu verbieten, die von dem Stellvertreter Gottes, dem hei-
ligen Vater, effectuirte Schenkung der halben Welt, genau 180 Län-
gengrade (s. Kohl) an seinen König proclamirt hatte (1579) ""^ ^l^o,
PUNTA ARENAS. 13
nachdem dieser 1580 auch den portugiesischen Antheil an sich ge-
rissen, bei der Gründung der Ciudad del Rey Felipe (1583) die
ganze Welt fiir ihn hätte beanspruchen dürfen, ging doch durch den
Ungehorsam des Klimas Alles auf das Kläglichste zu Grunde, und
von den letzt Ueberlebenden fand nur Einer Rettung an Bord der
Schiffe des in Drake's Spuren folgenden Cavendish (1586), dessen
Besatzung die in den Ruinen Philippopolis' vergrabenen Geschütze
als Beutestücke mit sich fortführten. Vielleicht war das die Strafe
dafür, dass der Vorschlag einer officiellen Dedication der Strasse an
die Muttergottes (als „El Estrecho de la Madre de Dios") nicht aus-
geführt, oder wenigstens von den Geographen nicht mit genügendem
Eifer angenommen war.
Unser Aufenthalt in Punta Arenas beschränkte sich auf wenige
Stunden, denn da der Capitain für die gefährliche Ausfahrt des Cip
Pillar eine volle Verwendung über das Tageslicht wünschte, lichtete
er um 7 Uhr Abends die Anker und passirten wir also den inter-
essantesten Theil der Strasse leider bei Nacht.
Ich blieb indess während derselben auf Deck, um wenigstens
das zu sehen, was die Lichtbeschränkung erlauben würde. Ungefähr
gegen Mitternacht hoben sich die gigantischen Umrisse des Cap
Froward (des trotzigen Vorgebirges) aus der Dunkelheit ab, als wir
im nächtlichen Schweigen der Natur daran vorüber dampften. Als
den, sämmtliche Zonen zweifach durchsetzenden Continent endgültig
abschneidend, verdiente gewiss dies gespenstische Cap mit seinem
Morro de Santa Agueda eine Apostrophe, wie sie Camoens Dichter-
geist an das Südcap Africa 's richtete.
Gleich nach dem Umfahren desselben trat der von dem Capitain
bereits vorhergesagte (und durchweg beobachtete) Wechsel ein, in-
dem wir in das östliche Thor des Cap Virgen bei heiterem Himmel
eingefahren waren, der uns auch bis dahin begleitet hatte, jetzt da-
gegen unter grauer Umfinsterung des Himmes dickes Wetter einsetzte,
mit Nebelsenkungen und Sprühregen, und obwohl die hohen Fels-
wände an beiden Seiten der (auf English Reach folgenden) Crooked
Reach Schutz gewährten, sich doch eine eisige Luft fühlbar machte,
und Windstösse, die darüber hinstürmten, wobei mitunter die als
Williwaws gefürchteten Böen herabfuhren. Die Strasse ist von Höhen-
zügen eingeschlossen bis Port Gallant, und verengert sich mehrfach,
bogenweis umherziehend.
In der dunkeln Nacht traten auf beiden Seiten die schwarzen Fels-
massen drohend entgegen, und hier und da klafft zwischen ihnen
14 NACH CHILE.
eine Oeffnung, hinter welcher sich neue Erhebungen aufthürmten.
Bei Cap Crosstide näherte sich ein Bot der Eingeborenen, unter den
aus der Finsterniss heraufschallenden Zurufen erkennbar und dem
Feuer, das oft in Radform emporflackerte, wenn der angezündete
Baumzweig vom Winde angefacht wurde. Indess entzogen sich diese
Leuchten immer rasch dem Auge, da sie den Dampfer, der ihret-
wegen keinen Aufenthalt machte, nicht zu erreichen vermochten.
Schon bei Magellans F'ahrt erhielt das Feuerland (wie in Puerto de San
Julian das Jagdgebiet der grossfiissigen Patagonier) seinen Namen
(tierra del fuego) von den nächtlich gesehenen Feuern, und Fitz Roy
beobachtete den Gebrauch der Pescherähs, dass sie, um die Lästig-
keit der Feueranzündung zu sparen, glimmende Spähne mit sich
führten, wie es ähnlich in Australien geschieht.
Die Dampfbote tragen kein Bedenken, die Fahrt durch diese
westliche Strecke der Strasse bei Nacht zurückzulegen, da das Land
an beiden Seiten nächste Annäherung erlaubt, und demselben mit-
unter so nahe kommen könnte, dass die Baumzweige über das Deck
herabhingen, an vorspringenden Puncten, bis die Strasse zwischen
parallelen Bergreihen eine gleichmässige Streckung annahm. Steil
zeichnete sich Cap Quod ab, eine bei ihrem ruinenartigen Vortreten
von ununterbrochenen Weststürmen verwüstete Felsruine und manche
eigenthümliche Formation erschien in phantastischen Umrissen unter
dem Schleier des nächtlichen Dunkeln.
Mit der Morgendämmerung leuchtete aus dem Reflex der Sonne,
lange vor ihrem Aufgang, der Wiederschein von Gletschern herüber
und beim Austritt aus der engen Long Reach (la Calle larga) sahen
wir uns inmitten einer aufgeregten und aufregenden Scenerie. Wild
zerrissene Felsmassen jagten nach Westen in vielgestaltigen einander
entgegengestellten Piks emporgebäumt, während links eine Wand
durch inselartig zerschnittene Felsklumpenmassen ^) gebildet wurde,
mit Cape Upright hervorstehend, der Auföffhung von Sea Reach,
wo die Dünung anfängt bemerkbar zu werden.
Schnee lagerte auf den Höhen, und bei Oeff"nungen drang rechts
der Blick in das Innere, von Bergkolossen getroffen, und hie und
da von dem Leuchten hoher Gletscher oder der weissen Decke, worin
die übrigen Höhen gehüllt waren, während von dem Felsgetümmel
») Narborough nannte die Strecke, vom Cap Quod (Quade) bis zur See, South-deso-
büon, da ei nichts Oederes gäbe, als dieses Land.
CAP PILLAR. 16
um uns her, bei der Insel Tamar*) wo Smyth's Canal sich abzweigt,
gefrorene Cascaden bis an das Meer herabstürzten.
Der bisher in Böen wehende Wind wird gleichmässig stärker,
und die weiten Wasser des Pacific fluthen in mächtigen sturm-
gepeitschten Wogen dem Schiffe entgegen.
Rechts erhebt sich im Kampfgetümmel des Wasser- und des
Luftmeeres das eines felsigen Archipelago, und links erscheint eine
Reihe gleichmässig nach einander vorspringender Felsinseln, ge-
schlossen durch Cape Pillar (el Cabo de las pilares), in gigantische
Säulen abfallend bis zu den in der Wasserwüste des Oceans, als
Ausstrahlungen verschwindenden Vorfelsen, die sich in den Klippen der
Spanish Lanchas, sowie der Apostel fortstrecken, in den Ocean
hinaus, der uns jetzt mit gewaltigem Gewoge entgegen, in die
Strasse hineinzurollen begann. Nur schwer kämpfte der starke
Dampfer dagegen an und oft vermochte er kaum unter dem aufge-
thürmten Wogenschwall seinen Cours zu halten oder seine Position
zu wahren, bis die offene See gefunden ist, die ihn dann als leichten
Spielball aufschäumenden Kämmen umherschleudert. Dem 1750 Fuss
hoch aufsteigenden Cap Pillar gegenüber, zieht sich von dem
Felsen der Westminster Hall (mit den Lawyer-Inseln) die Kette der
Sir John Narborough- Islands bis zum Cap Victoria hin, während vor
der Strasse die Felsen der Evangelisten (Directions-Islands) aus dem
Wasser aufragen.
Die Seeleute deuteten unter dem vom Wasser überrauschten
Klippenfelsen, sowie in den, scheinbare Zufluchtsorte versprechen-
den, Buchten die Gefahren aus, unter denen schon manches Schiff,
auch aus den der englischen Gesellschaft gehörigen, seinen
Untergang gefunden hatte, und wenn die Schrecken des engen
Strassen-Ausganges oder der Landesnähe überwunden sind, bedrohen
die Orkane des, hier nicht gerade stillen, Oceans. Da sie oft mit
rasender Furie wüthen, von Norden herabstürmend, und also sich dem
Fortgang entgegen stemmen, würde das Dampf bot, wenn die compli-
cirte Maschine, mit welcher es arbeitet, in einem kritischen Augen-
blicke in Unordnung gerathen sollte, dann, hülfloser als selbst ein
Segelschiff, dem Spiel der Elemente anheim gegeben sein. Eine
Zeit lang wählten die Dampfböte den längeren Umweg durch
') Betwccn Capes Tamar and Phillip, a space of 4 leagues, there is a deep bight,
witht wo openings, the easternmost in which are glaciers and icy sounds, extends to the
northcast for 10 miles from the mouth, and the westernmost is the commencement of
Smyth's Channel (s. Parker King).
16 NACH CHILE.
Smyths Channel, der zwar in ruhigeres Wasser hinausführt, andererseits
aber so schmale Parthien enthält, dass grössere Fahrzeuge leicht in
ihren Manövern behindert werden. Die englische Gesellschaft hat
deshalb neuerdings ihren Capitänen diese Strasse verboten, die da-
gegen von den Böten der deutschen Gesellschaft, weil kleinerer
Dimensionen, mitunter noch benutzt wird. Die Stürme mögen
sich im Pacific nach Norden bis Coquimbo, und einzelne selbst bis
Copiapo, erstrecken, und treten in Valparaiso zuweilen noch mit
grosser Heftigkeit auf, besonders in den Monaten von Mai bis Sep-
tember. Grade damals war ein solcher Orkan über den Hafen von
Valparaiso hingerast, und wir hatten in Montevideo telegraphische
Nachricht empfangen, von der durch ihn unter den Schiffen ange-
richteten Verheerung, deren manche mit Allem an Bord gesunken
oder von den Ankern treibend, an der Küste gescheitert waren.
Indessen kurz nachdem ein solch ungewöhnliches Ereigniss geschehen
ist, fühlt man sich verhältnissmässig desto sicherer, soweit Wahr-
scheinlichkeitsrechnungen zulässig sind.
Am 12. Juni fanden wir uns neben dem Archipelago der Chonos
und (nördlicheren) Guaitecas (zwischen Cap Tres Montes und Chiloe),
felsig aufsteigenden Inseln, die geologisch, wie sonst geographisch,
und wahrscheinlich auch ethnologisch, mit dem Feuerlande in Be-
ziehung zu setzen sind. Asta - Buruaga dagegen stellt die Chonos
mit den Huilliches Patagonien's zusammen, Molina nennt die Cocaus
auf den Inseln von Chiloe (mit den dortigen Cunchos verwandt). Um
die Bekehrung der Bevölkerung zu beschleunigen, wurde sie Ende
des i8. Jahrhunderts nach Chiloe transportirt , mit Ausnahme der
nach Ofqui, uncf den weiter zu den Patagoniern Geflüchteten. Mit-
unter sollen noch Begräbnissplätze in Höhlen oder Mumien in Rinden-
kästen beigesetzt gefunden werden, und von den Schädeln heisst
es, dass sie mit denen der Payas in Chiloe übereinstimmen. Chiloe, wie
Molina bemerkt, sei in der Chili-dugu (Sprache Chili*s) von den Chi-
lenern, die ihre eigenen Wohnsitze Chili-mapu (das Land Chili) ge-
nannt, als Chili-hue (ein Bezirk Chilis) bezeichnet worden (oder das Ende).
Entdeckt wurde der Archipelago von Ancud im Jahre 1558 und
die den Namen gebende Hauptstadt, die an die Stelle der von Castro
(1566) gegründeten Ciudad de Castro trat, von Berenguer 1768 ange-
legt (als Villa de San Carlos de Chiloe). Das Presidio auf Juan Fer-
nandez datirt seit 1750. Neuere Nachrichten über Chiloe giebt
Dr. Martin, Zeitschrift für Ethnologie, Heft 3, 1877.
Südlich von den Chonos erstrecken sich neben denPeyes oder Poyas
FEUERLÄNDER. 1?
die Key-yus (Keyes) bis zur Magelhan-Strasse (s. Falkner), und alle
Stämme im Westende der Magelhan-Strasse bis Cap Tres Montes
werden, ebenso wie die Eingeborenen des Golfes von Trinidad, von
Fitzroy zu den Chonos gerechnet, die ihrerseits wieder den Ali-
koolip des Feuerlandes ähneln sollen.
An die CuHlau-cunny und Sehuau-cunny, die mit den Tehuelches
(oder Tehuel-cunny) zu den eigentlichen Patagoniern (die Puelches
bis zu der Berührung araucanischer Verwandtschaften) gehören,
schliessen sich die Yacana-cunny, die in die (westlich durch Alikoolip
neben Yapoos und Tekeenica repräsentirten) Bewohner des Feuer-
landes übergehen, auf dessen nordöstlichem Theil sie dauernder oder
vorübergehend angetroffen werden. ^
Unter den in Punta Arenas an Bord gekommenen Passagieren
fanden sich einige Franzosen, die in Folge eines Colonisationsprojectes
ausgewandert waren, und auf ihren vorläufigen Explorationszügen
mit den Yacanacus in Berührung gekommen waren, die sich von
dem Feuerlande um die Halbinsel Neu -Braunschweig nach King
William's FV. Land herumgezogen haben, und dort mitunter in Rudecr
böten mit den, die Strasse zwischen Cape Froward und Cape Pillar
befahrenden, Schiffen zu verkehren suchen. Die von den Reisenden
gesehenen Wilden bedienten sich Hunde Zweierlei Mischrassen zur
Jagd auf Guanuco und lebten hauptsächlich von Ratten, zur Woh-
nung unter Büschen kauernd. Als Kleidung tragen sie ein durch
Ausstrecken auf der Erde bereitetes Guanaco-Fell auf dem Nacken,
und während der Menstruation legen die Frauen ausserdem eine
Schürze von Hundsfell an. Zum Schmuck werden Sehnen um den
Hals, um Beine und Arme angelegt, mit durchbohrten Steinen oder
Muscheln. Neben Körben, die fiir Mitführen der essbaren Muscheln
zur Nahrung dienen, werden Fellsäcke getragen, und in diese, neben
einem zum Nähen gebrauchten Knochen (unter jedesmaligem Zu-
binden des Fadens), einige Kieselsteine, um in der Rinne des Holzes
die Feuerspähne abzuschaben, welche dann durch Reiben mit einem
andern Holz in Flammen gesetzt werden. Für gewöhnlich sucht man
den Funken in gestampften Schwämmen glühend zu erhalten. Die
Nahrung wird roh gegessen oder auf Kohlen geröstet. Der Häupt-
ling trägt eine hohe Spitzmütze aus Fellen. Die Spitzen der Lanzen
werden im Feuer gehärtet oder aus Kieselstein gefertigt (gleich denen
der Pfeile), unter Festbinden mit Schnüren und Kleben durch Harz.
Die Sehne der Bogen besteht aus Thiersehnen. Statt der Steine
werden auch zerbrochene Flaschenscherben zur Verfertigung von
2
Bastian: America- I.
Jg NACH CHILfi.
Pfeilspitzen .(durch Abschlagen) gebraucht. Das Haar wird (von
Frauen) mitunter in Kranz geschoren, unter Glattrasiren des Scheitels
(oder Abbrennen der Haare des Scheitels), und Mädchen tragen
drei Stränge oder Flechten über die Stirn.
Nach dem Essen (oder als Zeichen der Gastfreundschaft) bieten
die Frauen (der Feuerländer) ihre Brust zum Säugen an (der Adop-
tionsgebrauch der Circassier.)
An einer Stelle, die, wie es schien, für religiöse Ceremonien be-
sucht zu werden pflegte, fanden die Reisenden eine halb künstliche
Erhebung, auf deren Plattform mit bunten Steinen drei Figuren aus-
gelegt waren, die eine einen Kreis (oder Sonne), die andere einen
Halbmond, und die dritte eine Hand darstellend, wovon der Bericht-
erstatter einen kurzen Umriss gab. Von den vier Seiten her sollten
dann, wie es beschrieben wurde, vier schnurgerade Strassenrich-
tungen auf die Höhe zugeleitet haben, so dass sich also — unter
gleichzeitigem Auftreten der bis in den hohen Norden verfolgbaren
Symbole der Sonne, des Mondes und der Hand — hier im fernen
Süden gewissermassen ein schwacher Reflex jenes Platzes in Cuzco
gefunden hätte, „d'ou sortirent, pour ainsi dire, quatre rues magni-
fiques, qui representaient les quatre parties de la Monarchie du Perou '
(s. Coreal) im Ttahuantin-suyu (der Inca).
Unter den Büschen liegen die Feuerländer, an einander gedrückt,
in niedrigen Gruben, mit einem Stein zum Schutz gegen den Wind
und hinter aufrechten Hecken. Auf dem Marsch folgen sie einander
im Gänsemarsch. Sie sind ihrer Statur nach kurz und trägt die
ganze Constitution das Aussehen der Verkümmerung. Nach Fitzroy
wohnen die Yacana auf der östlichen Insel von Tierra del Fuego, die
Tekeenica im südöstlichen Feuerland, die Alikhoolip zwischen dem
Westtheil des Beagle-Canal's und der Strasse von Magelhan, die Huemul
zwischen Otway und Skyingwater, die Pecheray an beiden West-
seiten der Strasse (mit den Channel -Indians und Chonos verwandt.)
Die zu den Tehuelches gehörigen Patagoner, (als Yanakens des
Süden), die über den Hals der Halbinsel Neu-Braunschweig nach Punta
Arenas kommen, sprechen einen der Sprache der Yucanacus ver-
wandten Dialect. Sie bedienen sich des Lasso und der Bolas, sowie*
zum Schmuck des Silber, (zum Theil bei den Araucanern verarbeitet),
während sie das Gold verschmähen. Durch die (grossen) Yacana-
Kunny (den Patagoniern verwandt) in der östlichen Tierra del Fuego
wird (nach Fitzroy) der benachbarte Stamm der (kleineren) Tekeenica
durch Einfalle bedrängt.
LOTA. 19
Am folgenden Tage (13. Juni) kamen die Bergreihen Valdivien's
in Sicht, sowie die Araucaniens, und dann die Insel Mocha, deren
araucanische Bevölkerung, die bei der Entdeckung (1544) dem Acker-
bau und Fischfang ergeben angetroffen war, nach dem Flusse Biobio
und dem am Nordufer erbauten Mochita verpflanzt wurde, um den
holländischen Freibeutern, die damals den englischen folgten und
1640 von Valdivia einen vorübergehenden Besitz ergriffen hatten, den
auf der Insel gefundenen Stützpunkt zu entziehen (1685). Die jetzt
unter deutschen Colonisten aufblühende Niederlassung in Valdivia
wurde unter der spanischen Herrschaft, weil durch das Zwischen-
schieben der unabhängigen Araucanier von den übrigen Besitzungen
(wie auch jetzt noch) abgeschnitten, ohne selbstständiges Leben durch
jährliche Zuschüsse erhalten, und diente als Verbannungsort.
Am 14. Juni liefen wir in Lota ein, zwischen Arauco und Coronel ge-
legen, und gleich" dem letzteren Platz neuerdings (seit Mitte der 50er
Jahre) durch die Bearbeitung der Kohlenminen (in der Tertiär-Formation
zwischen der Cordillere von Nahuelbuta und dem Meere) für die Dampf-
*
schiff-Gesellschaften wichtig , die deshalb dort Niederlagen für ihre Be-
dürfnisse besitzen. Die lehmigen und schmierigen Strassen des Fleckens
wurden durch den Kohlenstaub nicht anziehender, doch boten Spa-
ziergänge längs der bewaldeten Hügel von den Spitzen derselben
mehrfache Aussichten über die Thalschluchten und die umziehenden
Bergketten, die sich mit dem Blick auf das offene Meer zu einem
angenehmen Gesammtbild erweitern.
Hier landeten die fiir Concepcion bestimmten Passagiere, die an dem
(bis Natividad schiffbaren) Flusse Biobio gelegene Hauptstadt der
Provinz, und unter den spanischen Städtegründungen eine der ältesten,
da sie von Valdivia selbst im Thal von Penco (1550) unter den jetzt
ausgestorbenen Promauca (einst die Mark der Auca oder Arau-
canos) projectirt wurde, obwohl sie ihre jetzige Gestalt erst im
Jahre 1754 erhielt, als Concepcion de la Madre Santisima de la Luz
(oder Concepcion de Mocha). Bereits Herrera erwähnt der Kohle
bei Talcahuano, dem Hafen Concepcion's (und Stevenson der Ausfuhr
des Weizens). Bei Lota wurden Kupferschmelzwerke errichtet, um
die dortige Kohle direct zu benutzen. Zu Schmidtmayers Zeit (1822)
wurden die Kohlen von Concepcion über Valparaiso exportirt.
Im Getöse jener blutigen Indianerkriege, das die Geschichte
Chili 's durchtobt, hört sich der Biobio meist als der Name des Grenz-
flusses, hinter dem es den Spaniern gelang Sicherheit zu suchen vor
den so wiederholt sich ihnen überlegen zeigenden Araucaniern. An
2*
20 NACH C HII.K.
ihm war dann eine defensive Stellung zu nehmen, und nur wenn
diese verstanden wurde, wenn man, wie der Gouverneur Juan de
Xara-Quemada, seine Bemühungen auf Instandhaltung der Befesti-
gungen am Biobio richtete, heilten kurze Augenblicke der Ruhe die
blutenden Wunden, welche innerhalb eines Zeitraumes von 300 Jahren
mehr als 200 des Krieges schlagen mussten. Wie indess gerade eine
harte Schule der Natur die beste Erziehung angedeihen Tässt, zeigt
der heutige Chilener, und die Ueberlegenheit*) desselben über die
übrigen Republicaner Südamerica's, deren Vorfahren in ertödtender
Monotonie ein nutzloses Schlaraffenleben hindehnten, während die
seinigen im steten Waffenlärm geboren wurden und starben. Als
Garcilasso de la Vega schrieb, als das heroische Geschlecht der Con-
quistadores grossgezogen wurde, verhielt es sich so auch noch in
Peru, und er erzählt, wie er unter dem Schmettern der Trompeten,
unter dem Wiehern der Rosse, unter dem Klirren der Schwerter
aufgewachsen sei. Hier aber, wie in Mexico, wo gleichfalls mit dem
Haupte des despotischen Regimentes die ganze Kraft des einheimi-
schen Staatsgebäude^ gebrochen worden war, änderte sich dies bald,
und obwohl in den Wäldern der Montana ein manchmal verheerender
Völkerzwist fortdauerte, waren es doch späterhin nur vereinzelte
Momente, wenn das verweichlichte Lima durch Erhebung eines der
Prätendenten vom Inca-sprossaus seinem ununterbrochenen Festesrausch,
der, neben der elenden Nüchternheit der Provinzen, die Hauptstadt
übersättigte, emporgeschreckt wurde, und dann stand der Vicekönig
mit dem ganzen Apparat eines von Madrid aus sogleich in der Aus-
. rüstung vervollständigten Heeres zu Gebote. In Chile dagegen hatte
Jeder zur Wehr zu greifen, Haus und Hof zu vertheidigen, oder einer
Herausforderung der ritterlichen Araucaner zu folgen. Mitunter wurde
die Hauptstadt selbst bedroht, manche der grösseren Städte wie
Imperial, Osorno wiederholt zerstört, und so auch Concepcion. Erst
nachdem mit Putapichion's Tode, in der noch unentschiedenen
Schlacht bei Alvarrada die Linie der grossen Toqui allmählig zu
Ende ging, begannen die Spanier festeren Fuss zu fassen, und
mit dem Friedenscongress 1675 wurden die „capitanes de amigos"
gewonnen, die dann zum Schilde gegen ihre eigenen Landsleute
*) Ebenso wurden die in dem Unabhängigkeitskriege gegen Spanien den Auschlag
gebenden Colombier durch die Kriege gegen die wiUlen Indianer, die noch im 17. Jahr-
hundert die Landstrassen unsicher machten , gestählt , und Coreal bemerkt auf seiner
Durchreise in Popayan den Unterschied, den er an ihnen fand, verglichen mit den in
Vergnügungen untergegangenen Peruanern und Mexicanem.
ARAUCANER. 21
dienten. Noch aber schwankte vielfach das Kriegsglück, bis 1726
im Frieden von Negerrete die Grenzwacht am Biobio dauernder
fixirt wurde und 1758 im Süden der Calle-Calle-Fluss dafür bestimmt
werden konnte , so dass sich jetzt auch Valdivia freier fühlen durfte.
Diese Stadt war bereits in dem ersten grossen Siegeslauf Valdivia's
gegründet (1552), Nachdem jedoch dieser Erobererfürst, trotz seiner
ungestümen Tapferkeit, der wohldurchdachten Feldherrnkunst Cau-
polican's bei Catiquichas erlegen war und dann der Heldenjüngling
Lautaro, dessen Verrath die Feinde selbst als Patriotismus anzu-
erkennen gewillt waren, die fremden Ansiedelungen vom Boden der
Heimath vertilgt hatte, theilte auch sie das Schicksal der übrigen
Pflanzstädte, und trotz temporärer Wiederherstellung würde ihre Zer-
störung 1599 eine dauernde gewesen sein, wenn später nicht Gründe
der höheren Politik hinzugetreten wären. In gleicher Gegend, wo
sich jetzt deutsche Ansiedler fanden, beabsichtigten die Holländer
durch die Flotte Elias Harkman's eine Colonie anzulegen, und so
wurde der Blick Spaniens auf diesen bisher vernachlässigten Winkel
seiner weiten Besitzungen gelenkt. Der Vicekönig Peru s sandte so
seinen Sohn, Antonio de Toledo y Leiva, um Valdivia wieder her-
zustellen (1642), und erst 1740 ging die Verwaltung von der perua-
nischen Regierung wieder auf die chilenische über.
Die Inca selbst, wenn sie (nach Eyzaguirre) nur bis zum Rapel
oder Cochapoal (in Streifzügen bis zum Maule) vordrangen, waren mit
den eigentlichen Araucanern nicht in Berührung gekommen, sondern
nur mit den Promaucas, und diese bekämpfte Almagro bei Cocha-
poal (1537). Ihnen verwandt war der Ulmen von Copiapo, dem
durch Coteo die zur Erkundschaftung des Landes ausgeschickten
Monroy und Meranda ^Is Gefangene zugeführt wurden.
Bei dem eigentlichen Volk der Araucaner oder Auca, nahe dem
Südende des Festlandes zu, fand sich eine festgeschlossene Organi-
sation, wie sie sonst bei keinem andern Stamm America s hervor-
tritt, indess in dem peruanischen Incastaat zu seiner staatlichen Er-
weiterung gedeutet werden könnte. Der energische Character dieser
sich der Kriegsgefahren freuenden Indianer bildet freilich den Gegen-
satz zu der scheuen Nachgiebigkeit der von Cuzco unterworfenen
Nationalitäten, muss dagegen wieder den Eroberern eingewohnt
haben, welche zu solcher Unterwerfung von dort auszogen und ihr
weites Reich in Unterwürfigkeit hielten. Die Kriegstüchtigkeit der
übrigen Utanimapu wurde besonders aus den östlichen Puelches er-
neuert und diese führten auf den gemeinsamen Ausgangspunkt zurück,
22 NACH CHILE.
von WO die später noch von den Chiriguanos verfolgten Wege bis
Chuquisaca und zum ferneren Vordringen nach Norden leiteten.
Ercilla spricht wiederholt sein Erstaunen aus über die Feldherrn-
talentc und die geordnete Tactik, die den Spaniern aus ihren arau-
canischen Gegnern entgegentrat, und welche, wie er meint, der
Kriegskunst der im Alterthum berühmtesten Nationen nichts nach-
gäbe. Die im ersten Augenblicke der Ueberraschung erlittenen
Niederlagen lehrten jene neue Schlachtordnung, durch welche Cau-
poliacan eine auserlesene Blüthe der spanischen Ritterschaft ver-
nichtete, und rasch begriffen die Araucaner die Nothwendigkeit, ihre
Bewaffnung zu verändern, indem sie die Bogen und Schleuder (oder
die Llaques genannten Bolas), die gegen die weiter treffenden Pulver-
geschütze wirkungslos wurden, durch eine regelmässige Vertheilung
von Bogen und Keulen ersetzten, um rasch zum Handgemenge zu
kommen. Schon siebzehn Jahre nach dem Erscheinen der Spanier
fingen die Araucaner an, Pferde zur Zucht zu verwenden, und bereits
1585 konnte der Toqui Cadeguala ein wohlgeordnetes Reiterregiment
ins Treffen führen. Trotz der Eifersucht, mit welcher die erblichen
Ulmenes die von den rechtlichen Ueberlieferungen der Almapus
garantirten Freiheiten zu wahren pflegten, fügten sie sich doch mit
unbedingtem Gehorsam der fiir die Freiheit ihres Landes erforder-
lichen Dictatur im Kriege, und sobald dieselbe proclamirt war, legte
der Toqui das Zeichen seiner Würde in der Steinaxt nieder, die
dann von dem militärischen Toqui als Apo oder Oberster (Häuptling
oder Vuta Apo) aufgenommen wurde, um während der Dauer des
Kriegszustandes unter unumschränkter Macht zu gebieten. Sich selbst
bezeichneten die Araucaner als Auca (die Freien oder Franken) und
Huertu (Männer), während sie die Spanier mit dem verächtlichen
Beinamen der Chiapi (Räubersoldaten) oder Huincun (Meuchelmörder)
belegten. Heute freilich (wie Domeyko sagt) „se eclipsö el orgullo
del antiguo arauco." Im Munde der Inca meinte Auca einen Ver-
räther oder Rebellen, und wurden mit diesem Namen besonders die
widersetzlichen Chancas belegt, bei deren gefährlichem Aufstande
es der wunderbaren Erscheinung Viracocha's bedurft hatte, um den
heiligen Bezirk Cuzcos vor Entweihung zu schützen.
Der früher kriegerische Character des Volkes spiegelt sich, wie
überall, in den religiösen Vorstellungen, und auch die abgeschiedenen
Seelen nahmen Theil am. Kampfe der Lebenden, indem sie aus den
Himmelsregionen, zu deren Horizontberührung sie über das Meer
von degi charontisch seelenfuhrenden Walfisch getragen waren,
CHILENER. 23
durch die Lüfte nach der Heimath zurückkehrten, um im Augen-
blicke der Gefahr ihren Nachkommen zur Seite zu stehen. Wie die
Amakosa in der ersten Schlachtenreihe die Geister ihrer Vorfahren
kämpfen glauben, wie die Lokrer ein Glied in der Schlachtenlinie
für das Herabsteigen ihres Heros offen Hessen, so eilten den Arau-
canern aus dem Seelenlande von jenseits des Meeres die Ahnen-
geister*) zu Hülfe, um in den Lüften, auf dem Wege der Milchstrasse
als Sterne leuchtend, den Kämpfenden voranzuschreiten und die
Grenzen des Vaterlandes m schützen. Wenn in den Gewittern die
Wolkenroller aufeinander stiessen, so kämpften dort, wie nach der
Hunnenschlacht, die Seelen der Araücaner mit denen ihrer Feinde,
und mit ermuthigenden Rufen wurde es jubelnd begrüsst, wenn die
Sturmgötter, flüchtige Nebelmassen vor sich hertreibend, nach der
Richtung der spanischen Besitzungen vordrangen, wogegen man kla-
gend die Seite des Vaterlandes unterliegen wähnte, wenn das Gewölk
um die eigenen Besitzungen sich zusammenzuballen begann. Im
Streite mit solchen Gegnern wurden die Chilener gross gezogen und
auch die Art der Colonisation , (die indess zugleich zu den Frohn-
diensten der Inquilinos führte), trug zur Bildung des Characters bei,
denn wie der adelsstolze Biscayer mit Vorliebe nach Peru auswan-
derte, der handeltreibende Catalane nach Mexico, so (nach Poeppig)
der arbeitsame Gallegos Galizien's nach Chili.
Aus dem Entwicklungsgang der Nationalität ist ein gewisses
Bravado im chilischen Character geblieben, der, da keine würdigeren
Objecte geboten sind, an den farblosen und ephemeren Revolutions-
scharmützeln seine Befriedigung sucht und sich in ihrer Verherr-
lichung übt. Meyen hörte in Santiago „beständig von Strategie
sprechen, und die Operationen Friedrichs II. und Napoleons beur-
theilen, während man hier zu Lande nur 2 — 3 Regimenter zu bewe-
gen hat" und an diese Bemerkung wurde mehrfach in Gesprächen
mit Chilenern erinnert, wenn höchst überraschende Parallelen zu
Waterloo, Königsgrätz oder Sedan gezogen wurden. Freilich wird
für die Betheiligten auch das kleinste Treffen ein directeres, und so-
mit in verhältnissmässiger Abschätzung grösseres, Interesse haben,
als jene glänzenden Ereignisse, bei denen „hinten in der Türkei", im
«) Wie BobadiUa von dem Greis Tazotcyda hörte, rief man im Kriege die am Auf-
gang der Sonne lebenden Teotes (Götter) an, dass sie zu Hülfe kämen, „ddndolcs voces
hasta el cielo, und wie der Häuptling Misesboy erklärte, waren jene Götter die Vor-
fahren (nuestros padres son aquellos teotes). Die Götter Tamagastad y ^'P*"°''*^,/'Jl^ "f ^"
die Verstorbenen in Nicaragua als ihre Kinder, sprechend: Ya vienen mis hijos C«. e<io).
24 NACH CHILE.
Morgenlande einer anderen Halbkugel, die Völker auf einander
schlagen.
Der nächste Hafen war Valparaiso (Juli i6.), das, so sehr es
sich seit meiner letzten Anwesenheit in neueren Verbesserungen, in
Eisenbahnen, Telegraphen, Gasbeleuchtung u. s. w., und überhaupt
der Vergrösserung der Stadt, verändert haben mochte, mir bei der
Einfahrt doch vertraut entgegen trat. Wenigstens war der Total-
Eindruck, wie durch die topographische Lagerung von selbst ge-
geben, ziemlich derselbe, und ebenso wenig paradiesisch wie damals.
Man pflegt zur Erklärung anzuführen, dass das erste Schiff, das 1 547
aus Peru dort anlangte, mit dejn Frühling gekommen sei, aber auch
diese Entschuldigung kann nur unter der Voraussetzung gelten, dass
die lange Reise längs der steinigen Sandwüste Atacama's die An-
sprüche an ein Paradies auf das bescheidenste Mass reducirt hatte.
Andere wollen das Paradiesische in dem Klima finden, und dieses
mag immerhin als ganz erträglich gelten, so lange man kein besseres
zur Auswahl hat. Jedenfalls wirkt das dortige anregender, als das
der anderen Theile Südamerikas, was sich in der rührigen Thätig-
keit der Bewohner und in dem Aufschwünge des Handels zeigt.
Schon 1544 wurde die Ansiedlung im Thal von Quintil zum Aus-
schiflfungsplatz fiir Santiago erklärt, aber erst 1802 zur Stadt er-
hoben, als Ciudad de Nuestra Seflora de la Mercedes de Puerto
Claro.
Coreal fand im XVII. Jahrhundert Santiago durch das Aufblühen
Valparaisos beeinträchtigt und im Rückgange begriffen, wogegen zu
Proctor's Zeit (1825) Valparaiso einfach als El Puerto (der Hafen)
bezeichnet wurde, im Gegensatz zu Santiago, oder El Pueblo (gleich-
sam Urbs in diesem Falle).
Schon während der spanischen Herrschaft, wo Chile durch die
Compania de las Filipinas von Lima mit Handelsproducten versehen
wurde, liefen gelegentlich die von Cadiz nach Lima bestimmten
Schiffe in Valparaiso ein. Ende des vorigen Jahrhunderts blieben
in Valparaiso für die Dauer des Winters nur die Ladenbesitzer, wäh-
rend sich die übrigen Einwohner auf ihre Landsitze zurückzogen.
Im Jahre 1552 wurde eine Zuschrift an Pedro de Valdivia ge-
richtet und derselbe um Einräumung eines Wohnsitzes auf seinem
bei Valparaiso gelegenen Grundstücke ersucht, für eine einzelne
Person, die sich durch ihre Anpflanzungen erhalten würde, damit
sich so an der menschenleeren Küste Jemand fände, um den anlan-
denden Schiffen die nöthige Auskunft zu geben. In der Antwort
VALPARAISO. 25
wird für solchen Zweck auf die Stelle eines verfallenen Indianer-
dorfes venviesen, „que alli puede sembrar el christiano, que estuviere
cn aquel punto" (Amunategui).
Die Hauptbedeutung in Valparaisos Handel liegt in der Einfuhr,
da CS fast ausschliesslich (neben dem neuen Antheil Valdivia's) ganz
Chile mit europäischen Waaren versieht, und ausserdem participirt
CS in ausgedehntem Massstabc an dem Export. Besonders fallen
für Chile die Producte seiner Kupferminen ins Gewicht, und aus der
in den ersten Jahren der californischen Gründungen erforderlichen
Verproviantirung des neuen Landes entwickelte sich später die auch
bis Europa ausgedehnte Weizen-Ausfuhr (1853—1859 zugleich nach
Australien), die grossen Reichtl\um ins Land gebracht und die Haupt-
stadt mit den Bauten der dort ihren Ruhesitz wählenden Landwirthe
verschönert hat. Zu v. Meyen 's Zeit war dagegen das nordamerika-
nische Mehl billiger als das einheimische. Gegenwärtig zeigt sich
(nach Menadier) eine stetige Zunahme der Unfruchtbarkeit in den
nicht bewässerten Strichen der centralen Provinzen unter Erschöpfung
des Humus.
Seit Entdeckung der Silberminen in Chanarcillo (1832) und der
Nachbarschaft ist die Silberausfuhr aus Chile bedeutend geworden.
In der ersten Zeit wurde besonders nach Gold gesucht, wie in
Quillota und im Thal des Flusses Chile oder Aconcagua, wo sich
bei Uspallata Reste der Inca-Bauten finden. Die Bearbeitung der
Eisengruben war unter der Colonialherrschaft verboten, um die Ein-
fuhr von Spanien nicht zu beeinträchtigen
Valparaiso wurde 1822 zum alleinigen Freihafen in Chile erklärt,
und auch Coquimbo, Talcahuano, Valdivia, San Carlo de Chiloe
konnten von fremden Schiffen besucht* werden, Huasco und Copaipo
dagegen nur mit Genehmigung der Regierung, wogegen die übrigen
Häfen (Quintero, Concon, San Antonio u. s. w.) ganz geschlossen
blieben. Unter der Colonialregierung (wo Callao den einzigen puerto
abilitado repräsentirte) hatte Chile die Kornkammer Peru's gebildet,
aber (nach dem Unabhängigkeitskriege) bedrückten sich die Re-
publiken dann in gegenseitiger Eifersucht durch Zölle, in Peru auf
Getreide, in Chile auf Zucker (s. Poeppig).
Durch Herrn Elvers in dem deutschen Hause Zahn u. Co. wurde
ich mit Herrn Consul Schlubach bekannt, der mir durch seine Ver-
bindungen mit der Oster-Insel eine interessante Erwerbung für das
Museum verschaffte, und ausserdem erneute ich eine Bekanntschaft
aus Berlin in Herrn Dr. Fonck, dem Eröffner des Perez-Rosales-Pass.
26 NACH CHILE.
In Folge der zahlreichen Anwesenheit Deutscher (besonders als
Kaufleute und Handwerker) haben sich zwei Clubgesellschaften unter
denselben gebildet, die sich lebhafter Betheiligung erfreuen, wie
das deutsche Element überhaupt in Chile eine sehr angesehene Stellung
einnimmt.
Als ich mich in mein Hotel, 2 oder 3 Treppen hoch, über einen
den Steinmauern aufgesetzten Holzverschlag einquartirt fand, bot sich
Gelegenheit, darüber zu meditiren, wie selbst die eindringlichen
Warnungen solch verwüstender Erdbeben, die Valparaiso auf das
Genügsamste an sich verspüren musste, über den augenblicklichen
Vortheil so weit vergessen werden können, um Häuser bis 4 Stock-
werke und höher in die Luft hineinzut)auen, und zu ähnlichem Schlen-
drian des Denkens bethört die Glaubensseligkeit, die trotz aller vor-
angegangenen Katastrophen, bei den ersten Anzeichen eines heran-
nahenden Terromoto nach der Kirche treibt und dort die Heerde
zusammendrängt, so dass die Despachirung der Prädestinirten dann
gleich en masse vor sich gehen kann. Die Kirche hat natürlich für
diese Frage, wie für jede sie betrefTende; die passendste Antwort
bereit, da ihre, nicht an die Beschränkungen des gemeinen Menschen-
verstandes gebundene, Logik mit der, den übrigen Mirakeln anzu-
reihenden, Auszeichnung begabt ist, in einem jeglichen Problem, auch
die einander widersprechendsten Gegensätze zu ihren Gunsten zu
lösen, so dass die Entscheidung stets in majorem dei gloriam aus-
fallen müss. Freilich wird als solcher Ruhmesgott, bei genauerer Durch-
stöberung des Argumentes, auf dem Grunde desselben in den meisten
Fällen der Gott Mammon entdeckt werden, von dessen Deification in
dem americanischen Kirchenthum manches Liedchen zu singen wäre.
Und damit vereinen sich andere Parallelen in Kapuzinerpredigten von
Shamanen bis Samanäer.
Santiago, dessen Erreichung früher einige Tage in Anspruch
nahm, ist jetzt durch eine Eisenbahn mit Valparaiso verbunden und
schon 1842 war die Anlage derselben in erste Berathung genommen.
Die Arbeiten kamen indess erst 1852 zum Angriff, bald nach Voll-
endung der Bahn von Caldera nach Copiapo, und waren in kurzer Zeit
bis Vina del Mar fortgeführt, geriethen dann jedoch in s Stocken, da
verschiedene Absichten über die weitere Richtung geltend gemacht
' wurden. So zögerte sich die Zeit hin bis zum Jahre 1859, als Henry
Meiggs, der dadurch seinen in Californien*) verlorenen Fusstritt in
I) Fröbel erzählt aus seinem Aufenthalt in San Francisco (1853 — 1855): ,, In meine
Zeit fiel, um Vorgänge zu nennen, welche mehr in einen Roman wie der ewige Jude,
SANTIAGO. 27
Südamerika wieder gewann und hier bald zum Eisenbahnkönig auf-
stieg, das Werk unternahm und es mit der dir den Yankee charak-
teristischen Betriebsamkeit innerhalb der stipulirten Zeit ausführte, so
dass am i. Juli 1862 eine Probefahrt unternommen werden konnte.
Rickard, der in diesem Jahre dort reiste, hatte einige noch nicht dem
Gebrauch übergebene Stellen in der Kutsche zu umfahren. Die
meisten Schwierigkeiten boten sich an der Cuesta de Tavon (754 M.
hoch , an der Ueberschreitungsstelle), einem der Querzweige von der
Sierra von Chacabuco, die von Juncal zum Cerro del Roble verläuft,
in der mittleren Cordillere. Es waren dort die Tunnels de los Loros
und de los Maquis auszufuhren, wie schon vorher der Tunnel de
S. Pedro bei Quillota, sowie der Tufinel von Limache, auf der frucht-
baren Fläche dieser Erhebung und nahe am Meere ein Tunnel (de
la Puerta gruesa) zwischen Valparaiso und Vina del Mar. Unter den
Viaducten sind verschiedene für ihre kühne Ausführung bemerkens-
werth- und auf eine der Brücken wird der Mapocho bei Santiago über-
schritten. In der gebrochenen Umgebung von Laillai hat man die
Hälfte der Entfernung zurückgelegt. Dort beginnt das Ansteigen
und eröffnet sich eine grossartige Scenerie längs steiler Abgründe,
worauf nach dem Ueberschreiten des Passes der Weg durch An-
pflanzungen bis zur Hauptstadt führt, dem Paris Südamerikas, wie es
sich der Chilener gerne schmeichelt, sagen zu können.
Mein erster Besuch dort galt Herrn Prof Philippi, mit dem ich,
als einem correspondirenden Mitgliede der geographischen und
anthropologischen Gesellschaften Berlins, schon länger im Briefver-
kehr gestanden hatte, und mit dem ich das unter seiner Leitung
stehende Museum besuchte, das neben naturwissenschaftlichen auch
ethnologische Sammlungen einschliesst, und wo Einiges über späteren
Austausch, besonders mit Hinblick auf die internationale Ausstellung
im Herbst, besprochen werden konnte. Am Abend wohnte ich einer
Sitzung der faculdad physica y mathematica bei, wo ich neben an-
deren Gelehrten Herrn Domeyko kennen lernte, und Gelegenheit
hatte, eine interessante Vorlesung über die Arbeiten Gay s, in seinem
als in die Wirklichkeit zu gehören scheinen, der grossartige Schwindel eines der höchsten
Beamten der Stadt , welcher sich eine Summe von mehreren Millionen fremden Geldes
aneignete, sich ein Schiff kaufte und dieses fiir sich und seine Familie mit allen Bequem-
lichkeiten ausrüstete, seine Schätze an Bord brachte und damit keck die Bay hinausfuhr.
An einem ihm nachgeschickten Dampfer brach, sowie derselbe die See erreichte , die
Maschine, der geniale Schwindler besuchte nachher die Sand wich.Inseln,Otaheitc,Chma,
Chile ', doch ist von dort (wie hinzugefügt werden muss) sein Name mit aUcn E
San Francisco rehabilitirt worden.
28 NACH CHII,E.
chilenischen Fundamentalwerk anzuhören. Die Universität enthält
5 Facultäten, ausser der genannten, die fiir Philosophie und Ge-
schichte, die der Jurisprudenz, der Medicin und der Theologie.
Ferner finden sich in Santiago das Instituto nacional, die Escuela
de artcs y oficios, die Quinta normal, die Bibliotheca nacional, die
mit dem Museum verbunden ist, Seminar, Kriegsacademie u. s. w.,
und haben die wissenschaftlichen Anstalten besonders durch den
Präsidenten Montt ihre Förderung erhalten.
Ein beliebter Vergnügungsplatz dir Santiago ist der in seiner
geologischen Structur bemerkenswerthe Fels Sancta Lucia der unter
der Stadtverwaltung Vicuna's nach dem Ankauf durch die Regierung
(1852) in etwas überladener Welse mit allerlei Künsteleien verziert
ist, aber einen malerischen Umblick bietet auf die fruchtbaren Felder
rings um die Stadt und den schneeigen Rücken der Cordillere, sowie
auf den Lauf des Mapocho (ein Nebenfluss des Maipo) , der durch
seine reissend schwellenden Wasser der Stadt zu verschiedenen
Malen verderblich geworden ist, vor Vollendung der jetzigen Sicher-
heitsbauten. Wie von diesen Ueberschwemmungen hat Santiago
manche Zerstörungen durch Erdbeben erfahren, und obwohl der
commercielle Speculationsgeist der Hafenstadt allmählige Sympathien
zu finden beginnt, ist man doch vorläufig in der Mehrzahl der Häuser
bei einstöckiger Bauart verblieben. Das Hotel erhob sich jedoch
bereits in mehreren Etagen.
An den Fels von Santa Lucia, «uf welchem die Spanier zur Zeit
des Unabhängigkeitskrieges einige Befestigungen aufwarfen (schon
Valdivia die Fortaleza Hidalgo) und wo 1849 ^^" astronomisches
Observatorium erbaut wurde, (in welchem dann Carlos Moesta seine
Beobachtungen über die Oscillation in der Richtung des schein-
baren Sonnenlaufes anstellte), fand sich zur Zeit der Eroberung der
Hauptsitz der eingeborenen Fürsten, und einer jetzt bereits längst in
der Blutmischung der neuen Rasse aufgegangenen Bevölkerung.
Im Allgemeinen scheinen die staatlichen Einrichtungen des alten
-Chile mit den noch bei den Araucanern fortbestehenden überein-
gestimmt zu haben, und wie bei den Chinesen sollen sich dieselben
in der Hierarchie des Himmels gespiegelt haben, während sonst Pillan')
^) Pillian is ihe grcat invisiblc Toqui and has his Apo-Ulmenes and bis Ulmencs , to
whom he assigns different situations in the govemement and entnists the administration
of certain affairs in this world. Meulen the genius of good and the fricnd of mankind
and Wencuba that of evil, and the enemy of man, are the two principal subo/dinate
deities. Epunamun is their genius in war (s. Stevenson).
SONNENDIENST. 29
(wie der Gottheitsname der Tupi) auf den Donner bezogen wird oder
aber (nach Gay) auf die brennenden Vulcane, und so auf die schreckende
Macht der Erdbeben. Wenn Gardiner von der Verehrung der Sonne
oder Antu (Intu im Quechua) redet, so knüpft sich das in weiterer
Durchbildung an die Epoche der Inca, welche' diese erhabenste
Naturerscheinung den unterworfenen Völkerschaften als göttliches
Symbol aufstellten, im Intipintin-Ticcimoyoc-Camac für den rituellen
Dienst im Cultus, während die Verehrung der, wie bei den Dacota,
als das „Unbegreifliche" (s. Molina) aufgefassten Gottheit Aticsi-
Viracocha galt, und an Ticci-Viracocha-Pachacamac, das Prinzip des
Guten und die Schöpferkraft der Welten (s. Baiboa), gerichtet wurde.
Von diesem, als Usapu oder Wunderbarer (s. Acosta) angerufenen,
Gotteswalten durfte kein Bild') verfertigt werden, doch wurde es zur
Fixirung der sinnlichen Aufmerksamkeit- (wie in den Dhyana-Uebun-
gcn des Buddhismus durch Farbenflecke) durch eine flache Ringform
oder ovale Goldplatte (s. Salcamayhua) allegorisirt, und erst Mayta
Capac habe es gewagt, zum verherrlichenden Schmucke Sonne und
Mond im Umkreis anzubringen. In Yucatan war die Hand das
Symbol der Gottheit, als Kabul, und in der peruanischen Gottheit
Tanga-tanga (s. Herrera) glaubten die Missipnaire ihr nicänisches
Rechen-Exempel^) des Dreimal-Eins wiederzufinden (s. Acosta). Einer
Figur wird in Chuquisaca nicht erwähnt, wohl aber (auf Soquen-Zua
bezüglich) in Boyaca, als einer dreiköpfigen, und so findet sich in
der Kirche von Chalons (s. Pardiac) „une tete ä trois face»'), embl^e
') Als nttka$6g n^r i^Qtoy (aus DanieVs Prophetenworte) wird Gott Vater ,,als
kräftiger Greis dargestellt und seine Thätigkeit besteht gewöhnlich darin , dass seine
Rechte segnet" (bei Duvet copulirt ,,Gott Vater, mit Krone und Mantel angethan, in
feierlichster Weise in Gegenwart unzähliger Engel das nackte erste Eltempaar"). Pacha-
chutcc verbot dem Schöpfergotte Bilder zu weihen , da man ihn im Herzen anzubeten
habe (que interiormente en su corazon acataban y tenian en suma veneracion), denn in-
tern er nicht, gleich der Sonne sichtbar sei, könne man sich keine Vorstellung von ihm
machen und dürfe deshalb auch keine Darstellung versuchen (s. Garcilasso).
') Von dem unter Athanasius Namen, nach seinem Tode, während der afrikanischen
Sectcnstreitigkeiten, verfassten Glaubensbekcnntniss (which is so frequently read in our chur-
ches) bemerkt Gibbon : Gennadius, patriarch of Constantinopel, was so much amazed by
ihis extraordinary composition , Ihat he frankly denounced it to bc the work of a drun-
ken man (und in Bezug auf den durch Hunnerich's Bischöfe <lem Evangelium zugefügten
Text). Wie der ,, gelehrte Herr Director C'aprov" (in der Ontologia polemica) ,,den
socinianischcn Zweifel wider die Dreieinigkeit algebraisch aufzulösen gesuchet" kann bei
T. Haupt nachgelesen werden (1752).
>) In Notrc-dame zu Chalons findet sich ,,Gott mit dreifachem Antlitz" (s. Didron),
,,drci Köpfe in einander geschoben, so dass man drei Nasen, dreifachen Mund und vier
so NACH CHILE.
de la Sainte-Trinit^ *', wofür Indien s brahmanische Weisheit eine wei-
tere Erläuterung liefern mag, wie über Krishna's Form als Kindgott
und Maya oder Mara, seine jungfräuliche Mutter.
Die das Staunen der rohen Conquistadores erregenden Sonnen-
tempel der Inca haben, soweit sie nicht durch Menschenhände zer-
stört sind, in manchen Provinzen des alten Reiches alle Unbilden der
Natur überdauert und erwecken noch in ihren Trümmern die Bewun-
derung des Reisenden.
Gegenwärtig scheint der architectonische Sinn weniger rege, da
man es bei dem Bau der Kathedrale in Santiago für geeigneter,
oder etwa für frommer (jedenfalls für weniger billig) hielt, Marmor-
säulen von Italien kommen zu lassen. Wer die Lust hätte sie anzu-
sehen, würde es ohne grosses Bedenken thun können, da die Christen
des Maipu nicht mehr so entsetzt darüber fühlen, als im Jahre 1832,
wenn ein Nicht Christ oder (wie Darwin sich entschuldigt) „a sort of
Christian" ihre Kirchen betritt').
Doch wird man kaum grosse Neigung zum Besuche dieser Kir-
chen verspüren, wenn man an der Brandstätte der aus der Feuers-
brunst vom Jahre 1843 erneueten, aber im Jahre 1863 durch das
gleiche Element zerstörten Jesuitenkirche vorübergegangen ist, und
auf der Inschrift des dort errichteten Denkmals von einer Hecatombe
liest, wie sie wohl kaum jemals in gleicher Schrecklichkeit darge-
bracht ist.
Zur Feier der „Unbefleckten Empfängniss" hatte sich die ge-
sammte Jungfrauenschaft der Hauptstadt, für welche dieses, durch
cölibatische Beichtberather vorgetragene und erklärte, Mysterium be-
sondere Anziehung besitzen musste, in der mit buntetn Flitterwerk
behängten Kirche zusammengefunden. Unter den Handtierungen bei
der Messe, die der rohe Volksmund unehrerbietiger Weise als Hocus-
Pocus (hoc est corpus) bezeichnet hat, kam eine der geweihten Kerzen
dem der Jungfrau oder ihrem Kindlein geschenkten Tand zu nahe,
und weihte damit die fromm ergebenen Geber dem Flammentode.
Augen sieht" (nach Art Triglaw's, während Rugiwit's Vielköpfigkeit, als Kriegsgott,
der Kartikeya's entsprechen würde). Die fünf Köpfe, welche in Folge liebevoller Regun-
gen an Brahma hervorgewachsen waren, wurde durch den wüsten Siva auf vier reducirt.
*) They were much horrified at my having entered one of their churches out of
mere curiosity. They asked me: Why do you not become a Christian?" (s. Darwin).
Haigh hörte von einem englischen Landsmann, dass bei dessen Besuche Santiago's (1809)
dort die Ansicht geherrscht habe, ,,that every Protestant had a tail" (und dass die Geist-
lichen diesen Glauben begünstigt hätten).
JESUITENKIRCHE. 31
•
Von den in der Kirche Befindlichen <) entkamen nur wenige, da die
Ausgangsthüren beim ersten Andrang verstopft wurden und die in die
Sacristei führenden Nebenthüren von den Geistlichen absichtlich ver-
schlossen sein sollen, um die Heiligenbilder und Reliquien oder
sonstige Kostbarkeiten in Ruhe in Sicherheit*) zu bringen. Dass
Heilige und Halbgöttinnen, oder gar Göttermütter, den sündigen
Menschen voranzugehen hätten, scheint in ihrer theologischen Rang-
ordnung klar gewesen zu sein, und nach consequentem Gedanken-
gange würden die Angehörigen sich auch kaum darüber haben be-
klagen dürfen, wenn die brennende Liebe der heiligen Jungfrau in
dem durch ihre eigene Decorationen entzündeten Flammen die
irdischen Jungfrauen zu sich heraufzog. Hätte es sich um Ketzer
gehandelt, so würde das an ihren Leibern zehrende Feuer nur den
Vorgeschmack der höllischen Flammen gebildet haben, aber: „das
ist ganz was anderes", wie der Fabulist meint, .und die Interpretationen
der Kirche sind, wie bereits bemerkt, in allen Sätteln gerecht, so
dass sie stets zum eigenen Lob und Preis ausfallen müssen.
Noch in neulichst (selbst im Jahre 1876 mit deutschem Druck-
ort) erschienenen Büchern steht zu lesen, wie es in dem Erdbeben
von Ibarra aus dem Jahre 1861 in Gottes Plänen vor Allem darauf
abgesehen gewesen, eine ungläubige Sippschaft auszurotten, die sich
zur leichteren Verwirklichung solches Zweckes freiwillig (unter dem
Zwange eines höheren Willen ä la Malebranche) in einem Land-
hause zusammengefunden hätte und nun dort in einem Krach er-
schlagen werden konnte. Die demiurgische Maschinerie*) scheint
') Se abrasaron sobre 1600 personas, en su mayor parte, del sexo feminino, victi-
mas del fausto de una piedad superstitiosa. Auf der Inschrift von dem Denkmal wird
von der Zahl der lebendig Verbrannten gesagt: 2000 mas ö menos (zweitausend mehr
oder weniger).
') Although the dastardly conduct of the priest» on that occasion excited the utmost
indignation at the time, the lower classes appear to be still thoroughly priestriddeo, be-
merkt Cunningham (1868)1 doch ist dieses Epitheton (eines ^dastardly" conduct), wenn
ein solches ^cuzufügen wäre, viel zu schwach, und wird sich auch schwerlich ein nur ent«
femt qualifizirendes in irgend einer menschlichen Sprache finden. Man würde unter den
Dialecten leibhaftiger Teufel zu suchen haben. The town is füll of priests, the people
are consequently indolent and iromoral (in Santiago). The hold they have upon sodety
is quite surprising. The common people laugh at their immorality, yet they go to them
for images and pictures and they send their wives and daughters to confess to them
(Head) 1826. Malgr^ les scandales de ces Ecd^siastiques ils ont le sccret de se faire
encorc tespcct^s (1866).
*) Der für die Jahreszeit ungewöhnliche Regen wegen des Erdbebens in Valparaiso
(1822), wurde als göttlicher Racheact für die Sünden betrachtet und „the crime of pcr-
mitting the EngUsh heretics to contaminate the country" (s. Miers). Soon afler the earth
32 NACH CHILE.
jedoch etwas verrostet gewesen zu sein, da aus Versehen nebenher
noch einige Hundert mehr darunter leiden mussten. Auch im Jahre
1877 erklärten die Fanatiker Quitos in ihren von Priestern geleiteten
Processionen den Ausbruch des Cotopaxi, als die zornige Antwort
des Himmels auf das Einschreiten des General Veintemilia gegen
die Uebergrifle der Kirche, da er gerade 12 Stunden nachher ein-
getreten sei, obwohl solche zwölf Stunden vielleicht der runzligen
Hexe, die im Vulcan Masayas wohnte, zum Anzünden des Feuers
erlaubt werden möchten, für den Schöpfergott mit unbedingter Macht
über die Elemente aber doch wohl etwas abgekürzt hätte sein können.
So nahe es läge, einem solchen Memento mori gegenüber, vor
einem durch materialistische Interessen gefesseltem Geschlecht die
Nichtigkeit und Vergänglichkeit des Menschlichen zu betonen, desto
kläglicher tritt die Geistesarmuth derjenigen Kapuzinaden hervor, die
solch imposante Naturvorgänge in das Jammervolle kleinlicher Secten-
streitigkeiten hineinzuziehen sucht. Und welcher Sermon Hess sich
nicht über jene Feuerkatastrophe Santiago's predigen, zumal wenn
man im Einzelnen auf die Ursachen und Motive der Ueberfiillung
des Gebäudes, durch welche die grausigen Scenen veranlasst wurden,
weiter zurückgehen wollte, auf jene jesuitischen Listen und Schliche,
wodurch der Sinn der weiblichen Bevölkerung genugsam umfangen
war, um sich willenlos nach jeder Richtung leiten zu lassen. Zu
diesen Mitteln gehörte der fiir priesterliches Seelenheil (und socialer
Corruption des Körpers) aufgestellte Buzon de la Virgen (Briefkasten
für die heilige Jungfrau), dessen Gebrauch Tschudi (1858) beschreibt:
„In diesen Behälter konnte die weibliche Bevölkerung Santiago's
schriftlich und in Briefform mit Angabe ihres Namens und ihrer
Wohnung ihre Bitten und Wünsche werfen, um sie durch Ugarte's
Vermittlung an die Jungfrau Maria gelangen zu lassen. Die Ant-
worten wurden, soweit es convenirte, von Ugarte mündlich den Bitt-
stellerinnen übergeben. Diese Correspondenz wurde natürlich von
den Jesuiten zu ihrem eigenen Vortheil auf die unreinste Weise aus-
gebeutet." In Guatemala richtet man (s. Montgomery) prayers in
quake of 1835 ^ preacher in ihe city of Adoncagua, attributed all the evils, that had
befallen Chile to the pemicious custom of reading heretical books. Aus dem Erdbeben
in Quito wird von dem Tode einer alten Frau erzählt: ,,Sie ging an der Kirche St.
Augustin, die am meisten gelitten hat und noch jetzt unausgebessert steht, vorüber, als
wieder ein starker Stoss kam. Anstalt nun rasch einen freien Platz und die Nachbar-
schaft niederer Häuser zu suchen, fiel sie auf die Knie nieder und fing an zu beten, und
wenige Minuten später stürzte ein Theil der Kirche ein und schlug sie todt. Diesen
Gegenstand hat noch kein Geistlicher zu einem Traktätchen benutzt."
letters directed to the Sciior or Lord of Esquipulas (dem grossen
Wallfahrtort).
Der letzte Census vom 19. April 1875 hat in Chile eine Bevölke-
rung von 2,068,424 (statt 1,819,223 in 1865) ergeben, oder, wie man
unter nöthig erachteter Rectificationen angenommen hat, von 2,319,266
Seelen (s. Rumbold). Darunter finden sich Santiago mit 148,264 Ein-
wohnern, Valparaiso mit 100,926 (oder 111,000). Die Indianer sind
auf 44,000 berechnet, 20,000 in Patagonien und Feuerland , 24,000 in
Auraucanien, obwohl hier (wo sich 17,000 Lanzen stellen licssen) die
Zahl von 70,000 vermuthet wird (im Jahre 1865 wurden die Einge-
borenen von Arauco und Valdivia's auf 80 — 100,000 Seelen geschätzt).
Das literarische Leben ist ziemlich rege in Santiago, wo bereits
1812 die erste Zeitung erschien, La Aurora de Chile, mit der damals
erngeführten Druckerpre.sse. Vorher war dieser Hebel der modernen
Bildung unbekannt und damit auch die Segnungen derselben, so dass
in dem nur von himmlischen Segendspenden beglückten Südamerica
gar wunderliche Dinge vorzukommen pflegten. In Folge von Wind und
Strömungen ist die Reise von Valparaiso nach Lima eine sehr ein-
fache, für die Rückkehr aber bedurfte man, so lange die Küste fest-
gehalten wurde, drei Monate oder mehr. Als nun ein Capitän den
vernünftigen Gedanken fasste, für seine Fahrt ins hohe Meer hinaus-
zusteuern, und so innerhalb 20 Tagen Valparaiso erreichte, war man
durch das Datum der Briefe so sehr über dieses Teufelswerk er-
schreckt, dass es angezeigt schien, den Schwarzkünstler in dem Ge-
fangnisse der heiligen Inquisition sicher zu stellen.^) Aehnliches
passirte einem flandrischen Blechschneider in Lima, dessen Kunst-
stücke über den Begrifl* gingen, und da der Katholici.smus gern an
gleicher Ueberweisheit leidet, ereignete sich ein Gleiches noch im
vorigen Jahrhundert in der Schweiz, was der arme Teufel mit seinem
Leben bezahlt haben würde, wenn nicht einige französische Offiziere
der französichen Schweizergarde, aus Voltaires Schule, für ihn ein-
getreten wären. Noch Darwin hörte bei seinem Besuch in Chile
von einem deutschen Naturforscher, der eingekerkert worden, weil
seine Raupenzuchten fiir die Entwickelung der Schmetterlinge ihn
der Hexerei verdächtig machten (ohne dass es sich in diesem Falle
um schädliche Colorado-Käfer gehandelt hätte). Als Caldelcuch die
öffentliche Bibliothek Santiago's besuchte (18 19), fand er sie beson-
») Auch Proctor hörte von ihm und sagt . he was burned by the Inquisicion in Lima
for having used magic during his voyage.
o
Bastian: America- I.
34 NACH CHILK.
ders reich an verschiedenen Copien von Antonio de Leon\s gelehrter
Arbeit: ,,La Question morale, si el chocolate quebranta cl ayuno''
(in Folio). Andere Abhandlungen beziehen sich auf den Seehund,
ob er während der Fastenzeit unter den Händen des Koches als
F'^isch oder als Fleisch zu betrachten sei (s. Vollmer) und viele Folio-
bände seien vollgeschrieben, in dem Streit zwischen den Universitäten
Cordova und Lima über die Fussbekleidung des heiligen Antonius,
die nach der ersteren Autorität in Sandalen bestand, nach der letz-
teren (die sich auf die von Pius VI. geweihte Reliquien stützte) in
Schuhen. Bei einer sachlichen Untersuchung würde wahrscheinlich
San Crispinus seine Schutzbefohlenen erleuchten und so den weisen
Philosophen die Entscheidung erleichtern, die auch Apelles aner-
kannte, so lange nicht ultra crepidam.
Bei der Rückkehr nach Valparaiso nahm ich eine Passage na'ch
Lima in dem englischen Küstendampfer, die ein Verweilen in den
Zwischenhäfen erlauben, und schiffte mich (Juni 19.) an Bord der
Coquimbo ein. Dieses Ein- und Ausschiffen in den südamericanischen
Häfen beweiset sich stets als eine ärgerliche und lästige Zwischen-
episode, um nicht genöthigt zu sein, jeden der Schritte der Last-
träger und die Ruderschläge der Bootsleute mit Pesos zu belegen.
Selbst wenn vom Lande, wie es durch meine dortigen FVeunde ge-
.schah, ein „Experto" mitgegeben wird, bleiben die Erpressungen nicht
aus, und man fühlt einen natürlichen Widerwillen auf das Commando
solch unverschämter Forderungen, Gelder wegzuwerfen, die weit
nützlicher verwendet werden könnten.
Die Einrichtung auf den englischen Dampfern, obwohl es auch
darüber nicht an Klagen fehlt, ist Alles zusammengenommen, ganz
erträglich, die F'ahrt auf denen der Küste wird aber oft zu einer un-
angenehmen in F'olge der mangelhaften Verstauung. Da in jedem
der Zwischenhäfen ein Theil der Ladung herausgenommen oder neue
hinzugefügt wird, fehlt dem Schiff der richtige Ballast, und tritt bei
nur irgend bewegter See ein heftiges Schlenkern ein, das ein Kentern
befürchten lässt. Erst kurz vor unserer Ankunft war ein solcher F^all
bei einem chilenischen Dampfboot vorgekommen, das auf See um-
schlug und nur wenige Zeit zur Rettung Hess. Auch auf dem unsri-
gen waren besonders die Nacht, die wir auf ihm zubrachten, eine
sehr ungemüthliche, da an einigen Theilen der dortigen Küste eine
Kreuzdünung herrscht, und ausserdem unser Schiff einige Hundert
Ochsen geladen hatte, die mit jedem Schwanken in ihren Ställen
hin und herrutschten, und .so einen wahren Höllenspectakel anrichteten.
CCX^UIMBO. * 35
Das eigenthümliche Rollen der See im nördlichen Chili und Peru
(s. Hall) tritt (nach Mcyen) ohne Periodität ein, wird aber an einigen
Oertlichkeiten, durch locale Ursachen verstärkt, zu einem fast per-
manenten.
Im Uebrigen beginnt hier bereits der stille Ozean seinem Namen
Ehre zu machen, und man muss früher sehr grau in grau gesehen
haben, wenn es bei Strafe der Excommunication verboten war, im
Winter die Seereise von Chile nach Peru zu unternehmen. So
wenigstens steht bei Ulloa zu lesen, der trotz seines guten Katholi-
cismus darüber zu murren wagt, aber die Tröstung hinzufügt, dass
sich die ungehorsamen Capitäne auf hoher See von dem Schiffs-
caplan absolviren lassen könnten. Sie hatten dann die Berechtigung,
mit desto sorgloserer Gemüthsruhe den Gefahren entgegenzusehen,
da sie gleich rein gewaschen in die gefegten und geheizten Vor-
räume des Paradieses eintreten würden. Glücklicherweise hüteten die
in der Angst der Prädestination schwebenden Ketzer (calvinistische
Holländer oder Engländer) ihr von allzu warmer Pein bedrohtes
Leben etwas sorgsamer, sonst dürfte es um die Navigation dortiger
Meere noch immer bedenklich aussehen.
Am Morgen des 20. Juni folgte ein Bergzug der Küste mit Cactus
auf den Höhen, während sich hinter demselben eine Kette von
schneeigen Gipfeln hinzog. Eine Depression trat vor bei der An-
näherung an Tongoi, dass wir um Mittag passirten und dann eine
öde Berggegend mit Felsen uns begleiten sahen. Hinter jenen Fels-
spitzen liegt die Bucht Herradura, durch einen niedrigen Hügel-
rücken von der Rhede Coquimbo's getrennt, und nach Umfahren des
vorspringenden Punktes breiten sich, von den Bergen der Kette,
Hügelhalden aus, mit der Stadt Serena zwischen grünen Anlagen,
die sich längs der Canäle des Elchi-PMusses bis zum Hafen Coquimbo
hinabziehen, dessen Häuser in einem Winkel der Spitze auf Stein-
massen erbaut sind.
Da Serena*) vonValdivia nach dem Kriege mit den Quillotanern
am Meere erbaut war, scheint diese Ansiedelung im Thal von Co-
quimpi (Coquimbo) später versetzt zu sein, wie es von der ersten
Anlage Bohon's am andern Ufer des Flusses gewiss ist. Die Wahl
des neuen Platzes wird Aguirre zugeschrieben, dem Wiederhersteller
*) El nombre Serena le viene a esa comarca , de la palabra sema , con que se de-
signa una especie de terreno fertil de formacion vejetal, que le es comun, bemerkt Asta-
Buruaga von Serena in Estremadura, der Vaterstadt Valdivia's, während ohne diese Ety-
mologie das chilenische Serena vom heiteren Himmel erklärt werden könnte.
3*
36 « NACH CHILE.
nach der Zerstörung in dem Ueberfall der Indianer, Belebt wurde
Serena besonders durch die Entdeckung der Minen von Arqueros,
während sein Hauptreichthum in den Kupferminen liegt; die in
Tamaya wurden seit Anfang des 19. Jahrhunderts bearbeitet. Schmidt-
mayer erwähnt (1822) einer stetige Abnahme der Kupferausfuhr von
der chilenischen Küste, einmal wegen der Verminderung des Brenn-
materials zur Bearbeitung, und dann aus der Schwierigkeit, bei dem
Mangel an Wasser und Futter in den trockenen Wüsten, die erforder-
liche Zahl der Lastthiere zu unterhalten. Bei Wafer's Anwesenheit
wurden im Fluss von Coquimbo Goldwäschereien betrieben (VII. Jahr-
hundert).
Nach wenigstündigem Aufenthalt fuhren wir Nachts weiter und
am andern Morgen zeigten sich kahl nach dem Meere abfallende
Berge. Hinter einer Felsspitze der Cuesta de las arenas liegt auf
einer Abdachung kahler Höhen der Hafenort Huasco. Todt und öde
zogen sich zwischen einstöckigen Häusern ein paar Strassen, breit
und desto schattenloser, im Sande hin, wo nur hier und da die Figur
eines für die Ankunft des Dampfbootes herabgekommenen Ansiedler's
in dem schweren Reitanzug des Landbrauch's, vorüberstolperte, um
dann gewöhnlich in einem der durch Zeichen an den engen Fenster-
scheiben kenntlichen Wegehäuser zu verschwinden, die eine Mischung
von Laden und Wirthshaus darstellen.
Huasco (Puerto de la Victoria) wird vielfach in der ersten Zeit
der Conquista erwähnt, und dort sollte (nach Martiniere) Santiago de
la Nueva-Estremadura zuerst erbaut sein, während sonst nur ge.sagt
wird, dass Valdivia von La Serena aus (1544) den Tambo der Inca in
Huasco oder Paitanas habe wiederherstellen lassen, und als der bei
seiner Ankunft (1540) herrschende Häuptling wird Mercandei genannt.
Trotz des öden Wüstencharacter's in der Umgebung ist das Land
doch überall, wo sich Wasser findet, höchst fruchtbar, und die Früchte
Huasco's (besonders die dort stets zum Kauf angebotenen Rosinen)
sind berühmt.
Am Nachmittag gelangten wir längs felsiger Vorländer nach
Carrizal am Abfall der Berge, und dann am Abend weiterfahrend
mit dem nächsten Morgen (Juni 22.) in die Bucht von Caldera, eine
sandige Bank zwischen Felsen. In der vor dem Wharf hingezogenen
Strasse lag das Haus des deutschen Consul Dauelsberg, von dessen
niedrigem Balkon man zwar nur in ödester Monotonie die Wüsten des
Sandes und des Meeres vor sich sah, aber doch in belebender Er-
frischung durch das Einathmen der trockenen und reinen Luft unter
CALDERA. 37
heiterem Himmel Aehnlich anregend wirkt auch die Wüstenluft
Arabien's oder Afrika's, und in der Caldera's erinnert manches an
Cosseir, den ägyptischen Hafen des rothen Meeres.
Der bessere Hafen Caldera's ist an die Stelle des früher be-
nutzten Puerto de Copiapö (und des Puerto Ingles oder Caldereta)
getreten und hat sich seit 1842 zu bevölkern begonnen, bis er 1850
(oder 185 1) Stadtgerechtigkeit erhielt, gleichzeitig mit Anlage der
PLisenbahn. Im vorigen Jahrhundert war die Küste noch völlig
menschenleer und nur von fischenden Chango's besucht, die mit ihren
P'amilien auf Balsas oder F^lössen wohnten.
Zwischen kahlen Sandfclsen, anfangs ohne jede Decke, dann mit
Haidekräutern und später mit niedrigen Büschen, brachte uns die
Eisenbahn durch die Desierto de Copiapö, eine Fortsetzung des De-
sierto de Atacama, nach Monte-amargo, und weiter zwischen Büschen
mit vereinzelten Bäumen, hier und da auch Wasserlachen, nach der
Station Piedra colgada, von wo Anpflanzungen in Lehm-Einzäunungen
bis Copiapö begleiteten. Die Stationen sind Punta de Piedra (425
Engl. F.), Monte amargo (430 F*.), Piadra colgada (920 F.) nach Co-
piapö (r2i3 F".) Bei Monte amargo erschienen die ersten Chanar-
Bäume (Gourliea chilensis) und in der sumpfigen Flussebene von
Copiapö ist die Brea (Tessaria absinthioides) "herrschend, aus der
früher ein Substitut des Theer's gewonnen wurde (s. Philippi.) Unser
deutser Consul, Herr Kröhnke, wollte meinen Verbleib im Gasthaus
nicht zulassen und brachte mich unter sein gastliches Dach, wo ich
im liebenswürdigen Familienkreise mich allerdings besser aufgehoben
fand. An das Wohnhaus schlössen sich die weiten Fabrikgebäude
zur Silbergewinnung nach einem von Herrn Kröhnke eingeführten
Process und er stand damals, als Director, der zum Betrieb gebildeten
Gesellschaft vor, die auch in Antafagasta Werke aufgesetzt hatte.
Am Abend führte mich mein Wirth zum deutschen Club, wo
sich eine Zahl von Landsleuten zusammengefunden hatte und bei
deutschem Flaschenbier geplaudert wurde, das recht gut, und obwohl
nach europäischen Begriften das Gegenthcil von billig war, doch
nicht gerade allzu theuer für die Preise solcher Minenstädte.
Am nächsten Tage hatte ich Gelegenheit, einige Sammlungen
zu sehen, die des deutschen Kaufmannes, Herrn Lübbren, die des
Lyceo, und als eine schon seit länger angelegte, die einer ältlichen
Dame, Dona Theresia Gallo. Sie enthielt Mumien, bemalte Thon-
gefässe, doppelt gedrehte Schnuren, Kupfermesser etc., das Meiste
von dem Cimenterio de los Indios (ein in früherer Zeit benutzter Be-
38 NACH CIIII.E.
gräbnissplatz) herstammend, den ich beim Pucblo de San Fernando
auf einem Abfall an den Höhen, auf denen der gerade Inca-Weg
beginnt, liegen fand. Es liessen sich niedrige Erhebungen von Stein-
setzungen zu 20 und 10 bis circa 200 zählen. Herr Kröhnke's Bruder
versprach mir, gelegentliche Ausgrabungen zu unternehmen, und seit
meiner Rückkehr sind einige Resultate derselben durch Herrn Redslob
hierher gelangt. Anderes verdankte ich Herrn Lübbren.
Die Vega^) an den Ufern des bei Juntas aus drei Zuflüssen (Jor-
quera, Manflas und Pulido) entstehenden Rio de Copiapo ist ziemlich
sumpfig, in Folge des geringen Falles, und schon auf halben Wege
von Copiapo nach Caldera versiegt der Fluss im Sande, ohne das
Meer zu erreichen.
Dapper dagegen lässt den Fluss von Kopajapo (Copiapo) noch
im Hafen münden, und bemerkt von seinem Thal (wo er die Namens-
erklärung von den Türkisen anführt): „Das Erdreich desselben ist
das fruchtbarste des gantzen Chili.'' Aehnliche Bemerkungen kommen
auch sonst vor, und bei Almagro's Zuge nach Chili wird des Ueber-
.flusses an Lebensmitteln erwähnt, die er in dem durch peruanische
Unterthanen der Inca angebauten Thal von Copiapo antraf, ' ebenso
eines Reichthums an Heerden.
Die von Valdivia während seiner Bedrängung durch die Arau-
caner nach Peru gesandten Boten fielen in die Hände Coteo's, Unter-
feldherrn des in Chimbo^) herrschenden Andcquin's, Häuptling (oder
Ulmen) von Copiapo, dessen Tochter Lainacacha die Spanier Monroy
und Miranda vom Opfertode befreite, obwohl sie in Gefangenschaft
behalten wurden, bis ihnen (in Begleitung des dort verheiratheten
Gasco) ihr kühner Fluchtversuch gelang. Das von Juan Bohon auf
der alten Festung. (Pucara) der Inca*s 1 547 angelegte Fort von Tres
Puntas (El Fucrte) wurde in dem Aufstand der Indianer von Copiapo
zerstört, und erst nach Sosa's Durchzug gelangtes Aguirre die Unter-
werfung wieder zu erzwingen (1558).
^) The Valley of Guasco and Copiapo may both bc considered as long narrow Is-
lands, separated from the rest of Chile by deserts of rock , instead of by sali water
(Darwin). Der Rio de Copiapo vermindert sich beständig \on Fuenles bis Copiapo und
beginnt bei Monlc-amargo sich gänzlich zu verlieren (wie die übrigen im Norden.) El
rio de Huasco es el primero, cuya cantidad de agua sea bastante considerable, para que,
despues de deducir la que se evapora 6 infillra, quedc una cierta cantidad para ir a
desaguar en el mar (Pissis). I5ei Darwin's Anwesenheit (im Juli) erfreuten sich die Be-
wohner (im Hafen Copiap6's) frischen Wassers.
^) Auch als \'orsladt Coj)inpo's, wie sich dieser Name vielfach zur Bezeichnung eines
Aeussersten verwandt findet.
copiAPO. 39
Da in der ersten Zeit der Colonisation die Ansiedelungen sich
besonders im Süden Chili's concentrirten , blieben die Indianer Co-
piapö's längere Zeit hindurch ungestört, und erst die Entdeckung
der Minen im Anfang des 17. Jahrhundert lenkte die Aufmerksam-
keit der Spanier dahin. Dann war es allerdings um die eingeborenen
Elemente der Bevölkerung bald geschehen, indem sie unter den die
Ländereien in Besitz nehmenden Einwanderern vertheilt wurden und
(nachdem die Entdeckung der Goldminen 1707 weitere Zuzüge von
Coquimbo herbeigerufen hatte), rasch der Bergwerksarbeit erlagen.
So fand sich Ende des vorigen Jahrhundert's die Provinz Copiapo
und ihr 1744 angelegter Hauptort San Francisco de la Selva de
Copiapo fast ohne Menschen (s. Alcedo), und der neuere Aufschwung
datirt erst seit der zufälligen Entdeckung der Silberminen von Chailar-
cillo durch den Holzhauer Juan Godoi, zu dessen Gedächtniss in
Copiapo ein Denkmal errichtet wurde. Einer früheren Auffindung
von Silbererzen*) durch einen Arbeiter (an den Abhängen der Berge
von Copiapo) erwähnt Molina aus dem Jahre 1767.
Almagro kam auf seiner von Inca Paullu Tupac mit Führern
und Wegweisung versehenen Expedition (1535) von Choliguin nach
Copiapo, wo Montriri, der Nefie des Cazikcn sich unterwarf, während
die von Atacama voraufgeschickten Kundschafter, die sich übei* Hua-
scar nach Coquimbo begaben, dort getödtet wurde. In Cocongagua
oder Acongagua trafen die Spanier dann einen ihnen bereits vorauf-
geeilten Landsmann, den wegen Diebstahls in Lima mit Ohrabschnei-
den bestraften Barrientos, der sich in diese fernen Länder des Südens
geflüchtet hatte, um seine Schande zu verbergen.
Bei der Rückkehr nach Caldera (Juni 25.) bheb mir Zeit zum
Besuche der Cueva de conchas, einer mit Muschelbreccicn überdachten
Höhle in nahegeleger Bucht, und dann schiffte ich mich (Juni 26.)
auf dem Dampfer Limena ein. An den kahlen Bergen öffneten sich
hinter einer Spitze die Bey von Chanaral de las Animas, durch den
Rauch der vielen Schmelzwerke kenntlich.
Am nächsten Morgen stiegen in das Meer abfallende Berge mit
ihren Spitzen zu den Wolken empor, und nachdem ein weisser Stein
die Grenzmarke zwischen Chile und Bolivien aifgezeigt hatte, ankerten
') I>os Depositos argentiferos de Chile cstdn siempre en relacion con las rocas volca-
nicas antiguas, se hallan situados, sea en el costadon de las failles, sea cn la prolon-
gacion de rasgaduras, por las cuales han salido cstas rocas. Ilan sucedido a la inyeccion
de las traquistas y de los prtrfidos antiguos, del mismo molo q\ic las solfataras y las
focntcs termales han seguido cl derrame de las lavas de los volcancs ncluales (Pi^sis).
40 NACH CHILE.
wir hinter dem vorspringenden Yarrow-Point in Autafagasta, das in
sandiger Bucht am Fusse eines kahlen Berges liegt. Capjara (Yarrow)
bezeichnet die Grenze beider Staaten, die schon einige Meilen südlicher,
als mit dem neutralen Gebiet beginnend, angenommen werden kann.
Bei der Landung hatte ich das Vergnügen, die Bekanntschaft
des deutschen ConsuFs, Herrn Volkmann, zu machen, durch dessen
Freundlichkeit das königliche Museum seitdem mit einer interessanten
Ueberscndung bolivianischer Mumien bereichert ist.
Die Anlage dieser noch ganz den unfertigen Character einer
ephemeren Gründung tragenden Ortschaft wurde seit der Entdeckung
der reichen Minen von Caracoles durch den Cateador (Spürer) Diaz
Gana (1870) hervorgerufen, über deren Besitzrecht, nach längerem
Streite, zwischen Chile und Bolivien eine Vereinbarung getroffen ist.
Es bedurfte in diesem aller Hülfsqucllen des Lebensunterhaltes ent-
behrenden Lande einer Menge kostspieliger Einrichtungen, schon zur
Destillirung trinkbaren Wasser's aus dem des Meeres (durch Conden-
sation),-^ doch wurden alle .Schwierigkeiten überwunden, wie immer,
wenn es edles Metall zu schürfen gilt. Als die Silberwerke in Cara-
coles 1870 zuerst in Angriff genommen wurden, bildete Mejillones
den Ausfuhrhafen, bis 1874 das bequemere Antagasta gewählt wurde,
das der Salpetergewinnung wegen angelegt war. Gegenwärtig ist
der Bau einer Eisenbahn beabsichtigt und zum Theil schon ausge-
führt. Wie Cobiya wird auch Antafagasta aus der argentinischen
Republik mit frischen Fleisch durch Viehheerden versehen, die aber
in äusserst abgemagerten Zustande ankommen und zum grossen Theil
auf der mit Knochen besäeten Strasse liegen bleiben.
Am nächsten Tage (Juni 28.) liefen wir in die geschlossene
Bucht von Mejillones del Bolivia ein, die von Bergen umzogen ist,
mit der Ansiedelung auf einem niedrig gehobenen Vorlande. Auf
dem von der Ebene nach Leading Bluff (mit vorliegendem Felsen)
auslaufenden Berge am Rande des braunen Gipfels zeigten sich gelb-
lich weisse Linien des Guano, der an einem Korbweg herabgeschafft
wird, um direct in die Schiffe verladen zu werden. Auch hier waren
getheilte Ansprüche zwischen Chile und Bolivien, bis 1867 eine Ver-
einbarung getroffen wurde, und die Bebauung dieserGuano-Lager wurde
erst 1863 in Angriff genommen, als der Reichthum der peruanischen
Inseln abzunehmen anfing. Indess hat der Ertrag geringeren Werth,
da der geschätztere Huano blanco (der frischere) hier fehlt. Wie auf
dem Morro de Mejillones wurde auch auf der Isla de los Alcatrazes
Guano gefunden. Seine für den Dünger werthvollen Stoffe bestehen
COBIJA. " 41
in phosphorsaurem Kalk und Magnesia -Salzen, während der Gehalt
an ammoniakalischen Salzen arm ist.
Nach kurzem Aufenthalt wurde die Fahrt fortgesetzt, längs einer
vom schmalen Küstensaume steil aufsteigenden Bergwand, welche
die Wüste Atacama s trägt.
Man findet sich hier, wie ich es zum zweitenmal empfand, in
einem wunderbaren Theil der Welt, stets ein blaues, spiegelglattes
Meer, stets ein in ungetrübter Heiterkeit strahlender Himmel, die
Luft gefüllt mit Sonnenglanz, der aus dem Wasser spiegelt, und
(von dem Geräusch des Dampfers abgesehen) Todtenstille rings
umher, da, wie der stille Ocean, sich die Contouren der braunen Berg-
mauern des Landes in ununterbrochenes Schweigen hüllen.
Um Mittag zeigten sich die ärmlichen Häuser Cobija's (oder
La Mar) am Fusse der majestätischen Gebirgsmasse , über welche
die Pfade leiten, um den beschwerlichen Ritt durch die Wüste Ata-
cama's nach den bewohnten Theilen Boliviens zu unternehmen. Die
Einmündung des Wüstenweges, am Portazuelo und der Quebrada
de Mal Paso, erkannte sich oberhalb der Ansiedlung, ist aber erst
durch einen Umweg am Strande zu erreichen. Bei der Landung
fanden wir die Strassen des Ortes, die vom Abfall aufwärts leiten,
der Siesta wegen doppelt öde, und nur kümmerlich hatte man hie
und da dem starren Boden die Zucht eines Pflänzchens abzuringen
vermocht. Eine nennenswerthe Bevölkerung erhielt der 1829 erklärte
Freihafen erst mit Bearbeitung der nahen Kupfergänge (1858). Wie
Tschudi bei seiner dortjgen Anwesenheit festzustellen vermochte,
wurde Cobija 1619 gegründet, an der Stelle, wo Schiffbrüchige, die
an dem wüsten Strande eine Capelle gebaut hatten, einige Fischer-
hütten antrafen, neben spärlichen Quellen '), die beim Zunehmender
Bewohner nicht länger ausreichten. Die Indianer sind später ver-
schwunden, bewohntcji aber bei F'euillee's Besuch in Cobixa noch
Fellhütten in der Nähe (1707). Die Seehunde, von deren Jagd die
Changos früher besonders lebten, sollten (gleich den Seevögcln) seit
J830 sehr abgenommen haben, gleichzeitig mit einer unter den Land-
thieren ausbrechenden Seuche (s. Philippi).
Der Character der steilen Bergabfälle bewahrt sich bis Toca-
pillo oder Tdpoquilla (als Platz zur Erzverladung von Schmarda
neben Paquica zur Einschiffung des bolivianischen Guano erwähnt),
*) Von Paquica wurde Wasser nach Cobija gebracht, um der Spärlichkeit des dor-
tigen Brunnens abzuhelfen (s. A. Snilih).
42 NACH CHILE.
und dort wurde ein kurzer Aufenthalt gemacht, um dann bei Nacht
die Fahrt fortzusetzen.
Bis Loa tritt die Sierra de la costa hart an das Meer, dann zieht
sich das Gebirge zurück, und weiter (bis Tarapaca) fällt es in Vor-
bergen*) (Lomas) zum Strande ab.
Für die südliche Grenze Perus gilt die Quebrada de Tucupilla
oder Duendes, wo, mit der Wüste von Atacama, die Republik Boli-
vien beginnt. Im Norden gilt Loa als das Ende der Wüste Ata-
cama bezeichnend, die sich in Chile von Copiapo herauferstreckt.
Am nächsten Morgen (Juni 29.) zogen sich der Küste Bergreihen
entlang und am Fusse lag auf niedrigem Vorsprung^) Iquique hinter
kahlen Inseln •"*), die früher Guano lieferten.
Das Frühstück konnte ich durch freundliche Aufnahme unseres
Consul's, Herrn G.H.Sattler, im Kreise deutscherLandsleute einnehmen,
den Arigestellten in dem deutschen Handelshause Gildemeister & Co.,
das von Lima aus seine grossen Salpeterwerke bearbeiten lässt.
Dieser Natronsalpeter ist die Lebensquelle Iquique's, freilich keine
angenehme für das gewöhnliche Leben, da unter diesem glühendem
Himmel und auf solch' wasserarmen Boden der ammoniakalische
Geruch in den eng gekreuzten Strassen desto lästiger wurde. Wäh-
rend ich noch an der peruanischen Küste weilte, brach eine grosse
Feuersbrunst aus, die fast ganz Iquique in Asche legte, und seitdem
ist es bereits wieder von einer neuen Zerstörung durch ein Erdbeben
betroffen worden.
Am Nachmittag weiterfahrend, an steil abfallenden Bergzügen
hin, gelangten wir Abends nach Mejillones, mit der an einen Vor-
fels angeklebten Besiedlung, und nach kurzem Aufenthalt, nach Pis-
agua, das (von einem Fluss, der gleich dem von Loa, nicht das
Meer erreicht) an der kreuzartigen Einbuchtung eines alten Kraters
am Wasserrande liegt.
') Die scheinbare Schichtung des Gebirges, wie an mehreren Stellen der Küste zu
beobachten, ist (nach v. Bibra) durch Verwitterung bedingt.
2) Iquique Stands on a Stratum of broken shells (principally cytherea) in all stages of
degradation (Bollaert).
') Obwohl die Insel Iquique (der besonders die Aji-Pflanzungen in Arica ihre Frucht-
barkeit verdanken). ,,nun seit einem Jahrhundert alle Jahre mehr, als 12 Schiffsladungen
für die von ihr weit entlegenen Gegenden und zum Gebrauche der benachbarten eine
noch weit grössere Menge hergegeben hat, so bemerkt man doch immer noch nicht, dass
diese Düngung auch nur im mindesten weniger wird , oder die Höhe der Insel nur um
ein Geringes abnimmt" (1761).
ARICO. 43
Am nächsten Morgen (Juni 30.) zeigte sich ein Bergwall, der
nach einigen Erniedrigungen zu der höheren Erhebung des Morro
von Arica (San Marcos de Arica) anstieg, und hinter demselben
blickte man auf eine Ebene, die auf der andern Seite an Berge ge-
lehnt, sich mit Hügelwellungen in das Innere breitet. Das Auge
flihlte sich erquickt den nackten Boden wieder unter Anbau ver-
schwinden zu sehen und die Umgegend war im XVIII. Jahrhundert
der grosse Productionsplatz des in ganz Südamerica zum täglichen
Consum gehörigen Aji-Pflanze, deren Felder, wie Alcedo anfuhrt,
mit dem Guano einer Insel, „nombrada Iqueine oder Iqueique" (Iquique)
gedüngt wurde. Nachdem das alte Arica, in einiger Entfernung vom
Hafen gelegen, durch Erdbeben und Plünderung wiederholt zerstört
war, zog sich die Bevölkerung (1680) nach Tacna, das mit dem jetzi-
gen Hafen Arica durch eine Eisenbahn verbunden ist.
Die Wichtigkeit Arica's als Handelsplatz ist keine unbedeutende,
besonders fiir Bolivien, fiir welches es, obwohl bereits auf peruanischem
Gebiet gelegen, als einziger Hafen zu betrachten ist, da seine Lage
fiir Ein- und Ausfuhr weit bequemer ist, als die des schwer erreich-
baren Cobija. Als Exportplatz der Silberbarren von Potosi war
Arica ein besonderer Anziehungspunkt fiir die englischen und hollän-
dischen Freibeuter, und Lact erzählt, dass es damals von den Spa-
niern stark befestigt wurde. Cobija wurde dagegen (im vorigen Jahr-
hundert) zum Schleichhandel mit Potosi benutzt (s. Coleti).
Da das Dampfbot einige Stunden zu verweilen hatte, verschaffte
ich mir von dem deutschen Kaufmann, Herrn Dauelsberg, einen
Führer und Arbeiter, um mich jenseits des Morro nach einem Küsten-
streifen zu begeben, wo bei dem letzten Erdbeben das eindringende
Meer alte Indianer-Gräber bloss gewaschen hatte und wo seitdem
einige Ausgrabungen gemacht worden sind.
Die Mumien waren, wie gewöhnlich, mit ihren Geräthschaften
beigesetzt, und meistens mit einer Bedachung aus Binsenmatten be-
deckt, weshalb man, bei Einigen, Begrabung in den Häusern ange-
nomrr^n hat. An anderen fanden sich Steinsetzungen und die Kürze
der Zeit erlaubte nur die Aufdeckung von drei Gräbern, in deren
einem sich Reibsteine fanden, im andern Pfeile, Körbe und Kleidungs-
stücke, im dritten eine Mumie mit Zöpfen zwischen Beigaben von
Töpfen, Mais u. s. w.
Das Wenige, was des Mitnehmens werth war, Hess ich, weil die
Zeit für ein Verpacken nicht ausreichte, bei Herrn Daneisberg zum
44 NACH CHILE.
Nachschicken, und begab mich wieder an Bord des bereits zur Ab-
fahrt fertigen Dampfers.
Am 1. Juli folgten wir einer Küste mit hügelartigen Erhebun-
gen, wo llo am Abfall einer Steigung lag, Zu Feuillee's Zeit pflegte
bei Ankunft eines europäischen Schiffes auf der Rhede von llo, sich
die Kaufleute aus dem Innern mit ihren Metalladungen an der Küste
flir Abhaltung eines Marktes zu versammeln (Anfang des XVIII Jahr-
hunderts). Nachdem zur See hinabziehende Vorhügel (mit Bergen
dahinter) passirt waren, zeigte sich vor einem Hügelabhang am Fels-
rand Mollendo und die starke Brandung, die an diesem zum End-
punct der Eisenbahn nach Puno gewähltem Hafen das Landen meist
gefährlich und oft ganz unmöglich macht. In solchem Falle werden
die für die Eisenbahnstation bestimmten Passagiere, welche die Fahrt
auf ihrem eigenen Dampfer nicht fortsetzen wollen, von dem begeg-
nenden aufgenommen und an einem nächsten Hafen ausgesetzt, von
wo sie, wenn sich dort Maulthiere miethen lassen, Gelegenheit haben,
die Eisenbahn zu erreichen, gewöhnlich noch in Zeit für den nächsten
Zug, da meistens alle acht Tage einer expedirt wird. Die Weisheit,
weshalb gerade dieser Ort zum Eisenbahnhafen ausgewählt wurde,
ist noch nicht ergründet, soll jedoch, wie Einige meinen, in ein
Grundstück bei Mollendo') begraben liegen, das bei der Ausarbei-
tung des Eisenbahnprojectes dort grade käuflich oder verkäuf-
lich war.
Am Abend fanden wir uns vor Islay, auf schroffem Felsrand ge-
legen, an vorspringender Spitze in Felsinseln auslaufend, und von
dort wurde früher die Küstenwüste nach Arequipa gekreuzt, meist
in der Nacht (so bei meiner Durchreise aus Cuzco 1852). Ehe Islay
1830 gewählt wurde, bildete Quilca den Hafen Arequipa s. Nach
Morsell, der Quilca 1825 besuchte war die Umgegend durch den
von dem (dort sichtbaren) Vulcan zu Arequipa ausgeworfenen Staub
unfruchtbar gemacht und auch jetzt ist sie fast verödet.
Hohe Berge zeigten sich am nächsten Tage und hinter gezackten
Felsen lag Challa (einst, wie es heisst, der Hafen-Cusco's , weil der
nächste am Meer). Dann folgten niedrige Vorhügel, und der wüste
Character der Küste blieb sich gleich. Zur Inca-Zeit wird dort
überall eine zahlreiche Bevölkerung angegeben, und auch Laet
nimmt auf ihr früheres Vorhandensein Rücksicht, indem er hinzufügt,
*) Im Jahre 187 1 wurde der Hafen Jslay von der peruanischen Regierung als Ein-
fuhrhafen geschlossen und an seiner Stalt Mollendo als Löschungsstelle fiir Importwaaren
bestimmt, •
PLSEO. 45
dass diese Küstenplätzc erst durch Verfall der Wasserbauten unbe-
wohnbar geworden sei, und, jetzt nutzlose, Spuren derselben werden
dort ebenso gesehen, wie an dem früher in Gärten ausgelegten
Mesopotamien Babylons. Zum Theil bestanden diese Bauten schon
vor der Ankunft der Inca, da diese die Küstenbewohner mit ihrer
Zerstörung drohten, um sie zur Unterwerfung zu zwingen. Die von
Aethiopien traditionell gegen Aegypten gerichtete Drohung, das
Land durch Ableitung des Nils zur Wüste zu machen, konnte von
den Inca mit mehr Grund ausgesprochen werden, da sie in der That
das Wasser zur Befruchtung der Küste in ihrer Hand hatten. Nach
Besitznahme derselben waren dann auch sie es gewesen, die diesem
Aquäducten neu hinzufugten und umfängliche Werke für Wasser-
bassins anlegten.
Am folgenden Morgen (Juli 3.) zogen sich sandige Streifen
zwischen Erhebungen hin. Die steil abfallende Küste erlaubt hie
und da in Unterbrechungen Einblick auf Sandflächen, die wellig
emporrollten. Dann gelangten wir nach der Embocadura zwischen
dem mit schroffen Klippen abfallenden Festland und der Insel Bella-
Vista, woran sich weiterhin die niedrigen Chincha-Inseln anschlössen.
In der Ferne öffnete sich, bis am Horizont von der Cordillere
begrenzt, die hie und da in Hügel gebuchtete Ebene von Pisco mit
darüber verstreuter Vegetation, und während am Meere die Orte
San Andreas und Puerto de Pino hervortraten, erschien im Innern
die Stadt Pisco.
Bei der Einfahrt zeigten sich auf der abgeschrägten Niederdachung
des zum Meere abfallenden Hügellandes an einer Felswald (gerade
gegenüber den Chincha-Inseln mit der Isla de San Gallan als der
grössten) zwei kreuzartige Dreizack-Figuren, der Angabe nach etwa 100
Fuss hoch und 50 Fuss breit, in den Stein geschnitten oder ausgelegt.
Das Thal von Pisco gilt für eins der fruchtbarsten von Peru und
hängt, wie alle diese Oasen der Küstenwüste von dem solche gerade
dort durchschneidenden und mit seinem Wasser belebenden Flusse
ab. Im Thal von Pisco finden sich grosse Zuckerplantagen bis nach
der durch eine Eisenbahn verbundenen Hauptstadt Ica. Ausserdem
gedeihen die Trauben, und wie einige Sorten Weins (die besseren
trinkbar, obwohl etwas erdigen Geschmackes), wird der Pisco ge-
nannte Liqueur zur Ausfuhr hergestellt, sowie eine feinere Sorte des-
selben, aguardiente de Italia genannt. Dieser aus Trauben herge-
stellte Karthäuscr erfreute sich in bevorzugtem Masse päpstlicher
4(1 NACH C HlLß.
Billigung und Schätzung, indem Clemens XIV. Alle excommunicirte,
die je von anderem trinken sollten oder etwa dazu mitwirken.
Ein reger Verkehr herrschte dort während der Abtragung des
Guano von den Chincha-Inseln, die schon zur Zeit der Inca (nach
Garcilasso de la Vega) für solchen Zweck besucht wurden, um die
Felder der Küste zu düngen. Auf der Insel Iquique's war im An-
fang des Jahrhunderts Guano gewonnen worden (s. Tschudi). Zu
Stevenson's Zeit wurde der von den Huanay-Vögeln genannte Guano
nicht nur an der Küste benutzt, sondern auch auf Maulthieren in
das Innere verführt.
Die Inseln sind jetzt erschöpft, und seit 1872 geschlossen, in
der guten Zeit aber waren oft hunderte von Schiffen dort gleich-
zeitig versammelt, um zu laden, und wie die Arbeit der chinesischen
Kulies für solche Zwecke ausgebeutet wurde, ist bekannt.
In Folge der Küstendampferfahrten hat der Gartenbau in Pisco
einen besonderen Aufschwung genommen, da man die Früchte, bei
dem raschen Transport, bis Lima und weiter die Küste hinab ver-
führen kann. Von dem Verschwinden der alten Fruchtbarkeit spricht
indess schon Dapper, indem er sagt, dass die Eingeborenen wegen
des im Sommer auftrocknenden Flusses in Pisco vom Gebirge einen
Graben hergeleitet hätten, „der aber aus Mangel des Volkes, welches
durch die spanischen Einfälle umgekommen, nunmehr zerfallen'',
(1673). In Folge von Erdbeben wurde das 1640 mit der Gerechtig-
keit einer Villa versehene Pisco in einiger Entfernung von dem Hafen
in's Land verlegt (1687) und der Puerto de Pisco wurde 1830 Villa
y Puerto de la Independencia betitelt, weil el primer puerto, en que
desembarco el Ejercito libertador, el 8. Sept. de 1820 (s. Soldan).
Zur Zeit der Jnca waren die P'ürsten von Ica mit denen von Nasca
verbündet, wo die Vorrathshäuser von Caxamalca angelegt wurden.
Nach Herrera war dies Caxamalca der Mittelpunkt des dortigen
Weinbau.
PERU UND ECUADOR.
Am 4. Juli sahen wir eine niedrige Küste mit Hügelerhebungen
in der Ferne, dann die Insel San Lorenzo und auf derselben ein mit
schwarzen Steinen ausgelegtes Kreuz an der abfallenden Felswand. Bald
ankerte der Dampfer in Callao und mit freundlicher Unterstützung
der Herren Petersen, Weiss und Bacchelor (von der Firma Moss
& Co.) fand ich mich unter Benutzung des Eisenbahnzuges, noch am
Vormittag im Hotel Maury Limas und konnte bereits am Abend
mit dem deutschen Minister, Herr Luerssen, Rücksprache über meine
weiteren Pläne nehmen.
Die Aussichten schienen damals nicht besonders günstig zu liegen,
da das Aufstellen von Alterthümern eine Art Modesache werden zu
wollen schien und sie so, bei der mehrfachen Nachfrage, auf allen
Seiten festgehalten wurden. Die americanischen Ingenieure, die beim
Eisenbahnbau beschäftigt, die Funde aus erster Hand zu erhalten
pflegten, sammelten meistens für die Schulmuseen ihres Heimaths-
orte's und in Lima hatten manche der während der Goldfluth der
letztvergangenen Jahre in unerschöpflicher Reichthumsquelle schwim-
menden Banquier's und Kaufleute unberechenbare Liebhaberpreise
für ausgewählte Stücke bezahlt, deren dadurch übermässig hinauf-
geschraubte Preisforderungen zu zahlen um so bedenklicher schien,
weil sich bei der voraussichtlichen Reaction umgekehrt wieder der
Markt mit einem „embarras de richesses'* in Angeboten aus den Trüm-
mern jener dann zerstreuten Sammlungen überschwemmen mag.
Auch bei Einheimischen finden sich Privatsammlungen ; die eine,
besonders durch Gegenstände aus kostbarem Metall werthvoll, in den
Händen eines Bankdirector's, die andere, einem Arzte gehörig, einem
leidenschaftlichen Sammler, der sich nur schwer von einem seiner
48 NACH CHILE.
Stücke getrennt haben würde, und dann die bekannte Conde Marinas.
Die früher in dem 1826 gegründeten Museo national y latino oder
Museo de Historia natural, das 1840 in neue Räumlichkeiten verlegt
wurde, aufbewahrte Nationalsammlung war bei der vorigjährigen
Austeilung in das Gebäude derselben transferirt, und dort geblieben,
fand sich aber, wie eine Besichtigung ergab, in sehr reducirtem Zustande
wenn mit früheren Beschreibungen verglichen. Eins der prächtigsten
Representanten altamerikanischer Kunstfertigkeit bietet aber der mit
Sculpturen bedeckte Stein, den Raymondi durch die ihm von der
Regierung zu Gebote gestellten Soldaten, von Chavin brachte und
der damals in dem Ausstellungsgebäude placirt war. Tshudi fand
das Museum bei seiner zweiten Anwesenheit in Lima (1858) nicht
vermehrt, sondern vermindert, in Folge der Diebstähle des Verwal-
ters Solar unter der Präsidentschaft Echenique's. Die Sammlungen
waren (schon 1842) in dem Collegium San Carlos mit der National-
bibliothek vereinigt. Diese stand bei meiner Anwesenheit verwaist
in Folge des kürzlich erfolgten Todes des Bibliothekars Virgilio,
und hatte sein Leichenbegängniss Anlass zu einer grossartigen Ova-
tion gegeben, gegen den Fanatismus, der diesem wegen seiner frei-
sinnigen Schriften excommunicirten Geistlichen das Begräbniss ver-
weigert hatte.
Von dem seit einigen Jahren in der Nähe Lima's ausgebeuteten
Todtenfelde Ancon's kamen mitunter Funde nach Lima zum Ver-
kauf, wurden dann aber im Detail -Verkauf verzettelt, und durch
Hausirer, die sie anzubringen suchten, in ihrer Zusammengehörigkeit
zerrissen.
Um mich zunächst in der Umgegend zu orientiren, beschloss ich
einen Besuch der Ruinen von Pativilca, da mich der deutsche Kauf-
mann, Herr Heeren, mit einer Einführung an den dortigen Plantagen-
besitzer Herrn Don Enrique Lanarvon (in Pacaramonga) versehen hatte.
Hierfür schiffte ich mich am 6. Juli Abends in Callao auf dem
Dampfer Pacific ein, der uns am andern Morgen, nach kurzer Be-
rührung Huacho's, nach Supe brachte, einer sandigen Küste, mit
grünbezogenen Hügeln dahinter.
Bei der (wie überall in Peru, innerhalb der Tasca besondere
Vorsichtsmassregeln verlangenden) Landung an der öden Küste traf
ich an den dortigen Hütten ein Pferd, das auf telegraphische Nach-
richt von Pacaramonga herabgesandt war, aber ohne Reitzeug, da
dieses nach dem Brauch des Landes hätte mitgeführt werden müs.sen.
Der Vormittag von 10 — i Uhr verging mit dem Auftreiben von Sattel
PATIVILCA. 49
und Zaum, und dann ritt ich mit dem als Pferdejunge dienenden
Chinesen über einen breiten Sandweg, mit Hügelbergen an der Seite,
nach dem Dorfe Barranca, wo der in Supe geliehene Sattel durch
einen andern zu ersetzen war. Durch verlassene Corrals (da mit
Anlage der Plantagen die Hecrden abgenommen haben), langten
wir nach dem Passiren des Flusses (mit Vorrichtungen zu Seebädern
seitlich vom Strande) um 4 Uhr in den Zuckerpflanzungen Pacar-
monga's oder Pacaramonga (Parmunca oder Pacaramunca) an, wo ich
in Abwesenheit des Pflanzers durch den holländischen Ingenieur der
Raffinerie, nach den Cerro de Horca begleitet wurde, einen schroff
in's Meer abfallenden Fels mit Abplattungen auf der Spitze. Sein
JName wird erklärt, weil er zur Zeit der Chimu, deren Reich bis an
die Grenzfestung Pati-Hiullca (Pativilca) gereicht haben sollte, zum
Herabstürzen von Verbrechern gedient hätte, und am Flusse fanden
sich vielfach Spuren alter Begräbnisse. Von dort ritten wir über
offene Felder und dann durch Buschgestrüpp nach den ausgedehnten
Resten der sog. Fortaleza de los Incas, die aus Adobe (ob nun von
den Inca oder gegen sie, durch ihre V^orgänger, die Chimu) gebaut, von
einer zwischen Teichsümpfen gelegenen Erhöhung in breiten Terrassen
emporsteigt, und durch einen vielfach gewundenen Weg betreten
wird, an verschiedenen Stellen die Ueberbleibsel früherer Bemalung
zeigend. Von den an dieser viel umkämpfte Oertlichkeit gelieferten
Schlachten berichtet Garcilasso de la Vega.
Bei der Rückkehr traf ich den Gutsherrn, der mir beim Abend-
essen seine Principien in Behandlung der chinesischen Culies aus-
einander setzte, deren gute Behandlung von dem Vortheil des Pflan-
zer'si selbst verlangt würde. P^reilich musste er eingestehen, dass nur
wenige seiner Nachbarn so verständig wären, um dies zu begreifen.
Die 1856 von dem Congress verbotene Einwanderung der Chi-
nesen wurde durch einen Beschluss des Jahres 1861 wieder zugelassen
und 1872 ein neuer Vertrag mit Portugal hinsichtlich Macao's, des
Ausfuhrhafen abgeschlossen, bis dann die Differenzen mit der chine-
sischen Regierung zu directen Verhandlungen führten. Stevenson, der
noch Gelegenheit hatte, die Sklavenarbeit in Peru zu beobachten,
und von deu Negern auf den Plantagen bei Barranca meinte: „they
are more happy than the labouring classes at home", bemerkte zu-
gleich, dass das Verbrecherthum besonders aus den freigelassenen
Sklaven vermehrt würde, indem neun Zehntel derselben von diesen
gebildet würden (nine tenths of the convicts). Trotz der so mit Auf-
hebung der Sklaverei verbundenen Uebel musste jedoch bei der
Bastian: America. I. ^
50 NACH CHILE.
ersten Rufe der Freiheit dies menschenentwürdigende Institut in den
Republiken fallen, während in Brasilien die Abschaffung allmähliger
eingeleitet wurde, und so in Paraguay, wo man 1848 die „libertad
de vientres" proclamirte, den Nachgeborenen den Zustand der Frei-
heit gewährend.
Die Indianer Peru's wurden von dem seit den spanischen Enco-
miendas bestandenen Druck unter der Präsidentschaft Castillo's be-
freit, obwohl sich bei der natürlichen Nachgiebigkeit dieser Rasse
noch immer mancherlei Wege finden lassen, sie in einer Art Knecht-
schaft zu halten.
Als wir am nächsten Morgen mit der Absicht, die Pampa del
Medio mundo bis Huacho zu kreuzen, nach Supe zurückritten, schau-
kelte dort gerade ein kleiner Dampfer auf der Rhede, und um keine
Zeit zu verlieren, Hess ich mich einschiffen. Wie ich bald merkte,
war das etwas übereilt gewesen, denn da der Dampfer zum Schweine-
Transport nach Callao diente, war nicht die mindeste Vorrichtung
für Passagiere getroffen, weder im Stehen oder Sitzen, noch in der
Verproviantirung, und noch weniger natürlich an Vorrichtungen für
die Nachtruhe. Glücklicherweise nahm sich der Capitain meiner an^
obwohl auch dessen Kajüte so klein war, um kaum für ihn allein
auszureichen. Am Abend passirten wir die Insel Don Martin, mit
weissem Vogeldung bedeckt, und dann die „Seal-islands", auf denen
Seehunde und Vögel ihr Wesen trieben, gleichsam zwei Vorberei-
tungsstadien zur Guanobildung
Am nächsten Morgen (Juli 9.) fand ich mich in Callao und mit
dem nächsten Eisenbahnzuge in Lima, das ich am folgenden Nach-
mittag für Ancon verliess. Die anfangs eine grüne Ebene von Hügeln
durchschneidende Eisenbahn läuft dann in eine Sandgegend aus, bis
Ancon, wo sich für die Badegäste ein Logirhaus findet.
Mit einigen Arbeitern begab ich mich früh am Morgen in die
sog. Pampas, wo auf Sanderhebungen diti zum Theil mit quadratischen
Steinsetzungen angezeigten Gräber liegen. Von den in verschiedenen
Schichtungen mit ihren Geräthschaftskörben und sonstigen Grab-
gaben beigesetzten Mumien (eingewickelt in mehrere Lagen und den
Kopf oft durch die Schleuder umwunden) konnten einige aufgegraben
werden, sowie von den künstlichen Masken Gesichtern mit aufgenähten
Zierrathen (die Cabcza postiza.) Auf dem Hügel am Meer zeigten
Ruinen, aus Steinschichtungen aufgebaut, eine frühere Festung. Eine
grössere Menge von Schädeln wurde gesammelt, und nachdem ich
mit einem dortigen Practiker Alles Nöthige hinsichtlich der Ueber-
ANXON. 51
Sendung nach Lima besprochen, kehrte ich am Abend mit der Eisen-
bahn dorthin zurück (Juli ii.)
In diesem abgelegenen Winkel, der „Ancon" mit Recht heisst.
scheint die alte indianische Begräbnissweise noch längere Zeit nach
Ankunft der Spanier fortgesetzt zu sein, da es die Missionäre nicht
der Mühe werth gehalten haben mochten, sich unter diesen armen
Fischern (wie sie noch Stevenson kennt) niederzulassen, und sie zu
christlichen Bräuchen zu bekehren. So finden sich manchmal unter
den Grabbeigaben der Mumien, auch in anderen Theilen Südamerica's,
von den Europäern eingeführte Gegenstände oder einheimische, die
durch europäischen Einfluss in ihrem Stil verändert sind. Die Gräber-
stätten Ancon's haben in den letzten Jahren vielfache Besprechung
gefunden, seit Agassiz* Besuch, und durch Hutchinson, Squier etc.
Neuerdings waren die deutschen Reisenden, die Herren Reiss und
Stiibel, dort in erfolgreicher Weise thätig.
An einem der nächsten Tage begleiteten mich einige Freunde
auf der Eisenbahn, vorüber an den in der Umgegend Lima's sicht-
baren Huacas (worauf bezüglich sich Näheres bei Hutchinson nach
Steer's Aufnahmen findet), durch die Stationen Miraflores und Bar-
ranca, nach dem Seebadeort Chorrillo in geschlossener Bucht, und
dann, auf dort hinbestellten Pferden, (an Dorfruinen enger Strassen
und Häusern mit winklichten Räumen vorbei), längs der brandenden
See am Strande, nach den Ruinen des von den Inca dem Gebäude-
»
Complex des Landesgottes im Reicht^ des Cuysmancu oder Hatun-
Apu hinzugebauten Sonnentempels in Pochacamac, auf einem Todten-
fclde, das am Fest San Miguel von den Bewohnern Lurins regel-
mässig ausgebeutet zu werden pflegt.
Die beim Besuch Hernandez Pizarro's^) dicht bevölkerte und als
Versammlungsort der Pilger (mit Karavansereien fürdieselben) dienende
Ortschaft Pachacamac ist jftzt meist unter Sand begraben, und bei
dem Umblick von den auf dem Hügel gebauten Terrassen des Tem-
pcl's sieht man im weiten Umkreis die Reste der früheren Klöster,
sowie der Befestigungen hervorragen, in die P^inöde hinaus, während
sich an der andern Seite das fruchtbare Thal von Lurin abhebt und
und im Meere die Felsinseln von Pachacamac zerstreut liegen, Fa-
rallones, Santo Domingo und Pachacamac oder (wie sonst genannt).
*) Pizarro begab sich dann Über Yanias und Malca nach Vauxa, wo Chilicuchima ein
Lager zusaramenzog , während Quizquiz sich in dem gegen die Caribcn (s. Xeres) vcr-
theidiglen Cuzco rüstete und den (icneral Lluminabi von Quito über Tazaltoc nach Caja-
marca zog , um Ruminagui zu ersetzen.
4"
52 NACH CHILE.
San Francisco, Sauce, Pachacamac. Ein Plan der Trümmerstätte, so-
wie eine Abbildung des dort angetroffenen Bogcn's findet sich bei
Squier. In Hutchinsons Mittheilungen über Pachacamac sind auch
die Zeichnungen Schuniacher's einverleibt.
Lurin wird von der am Rio de Lurin durchflossenen Quebrada
de Huarochirin angegeben (s. Tschudi), oder grenzt mit Huarochiri,
der Heimath der an Coniraya (oder Pariacaca's) und Huathiacuri ge-
knüpften Volkssagen und Fabeln über den Fuchs (Canis Azarae),
eine amerikanische Analogie, (gleich den von Hartt aus Brasilien
mitgetheilten), zum indogermanischen Märchenschatz, der wieder für
einen Theil seiner Uebereinstimmungen der Uebersetzung des Buches
Calilah uud Dimna ins Syrische durch Bud Periodeutes verschuldet
ist. Die Tapuyas (s. Barlaeus) „haben wunderseltzame Fabeln unter
sich von einem Fuchse, der sie bei irem Gott, nenilich dem grossen
Nord-Gestirn, in Ungnaden gebracht hatt" (1647), wie der Hase der
Hottentotten bei dem Mond. Jenseits von Lurin liegt das Thal von
Chilca und dann Mala, wo die so verderblich werdende Zusammen-
kunft zwischen Francisco Pizarro und Almagro statt hatte.
Hinsichtlich der in Pachacamac befindlichen Gebäuderesten ist
die Frage noch nicht sicher entschieden, wie die zwei Tempel, der
Eingeborenen und des Inca, unter die am Fusse und auf der Spitze
des Hügers befindlichen Ruinen zu vertheilen sein würden, wie auch
der ganze Plan der Anlagen weiterer Aufhellung entgegensieht.
Durch bebaute Felder an\ Fuss ersteigt man die kahlen Hügel,
mit Trümmern bedeckt, und blickt von deren Gipfel auf der andern
Seite über das grüne (oder mit Baumreihen durchzogene) Thal von
Lurin, abgegrenzt durch Bergzüge, die in eine Spitze zum Meer aus-
laufen, das man (die Nadelinseln umspülend), jenseits des Strandes
(am Hügelfusse) vor sich sieht. Es lassen sich drei (oder an der
Seite fünf) Terrassen unterscheiden, un^ auf der obersten springt
eine Reihe von Böschungspfeilern aus den am Berge anlehnenden
Lehmbauten zusammengetrockneter Ziegeln (Adobe oder Tica) vor.
In manchen ruhen die Trockenziegellagen auf einem Unterbau
roh behauener Steine mit glatten Oberflächenseiten nach Aussen.
Am Abhang des Hügels hin lag das Dorf (dessen enge Gassen sich
zwischen den Ruinen der Häuser sowohl, sowie zwischen Anbauten
des Berges hinziehen) und in weiterer Entfernung (auf den Berg zu)
zeigen sich die Reste der früheren Ringmauer (mit durchgebrochenen
Thoren). An einer Stelle des Dorfes breitet sich eiu rechteckig
länglicher Platz, mit einem Aufgang von Stufenterrassen gegen Osten
I.TMA. 53
ZU. Die Thür der Häuser trägt mitunter ein Portal aus Schilfreihen
und Spuren rother Bemalung. Am Fusse des Hügels ist die Sand-
region scharf durch den Fluss Lurin abgeschnitten, gegen das in
helleren und dunkleren Nüancirungen frischen Grün's schimmernde
Thal gleichen Namens. Nachdem wir dort genächtet, verweilten wir
auf dem Rückwege am Vormittag nochmals einige Zeit in Pachaca-
mac. An einigen der durch umherliegende Schädel und Zeugfetzen
sich in den Spuren von Ausgrabungen als Begräbnissplätze erkenn-
baren Oertlichkeiten (zwischen den Ruinen) wurden Eingrabungen ge-
macht, und fanden sich neben den (zum Theil in Zeug gewickelten)
Mumien (in sitzender Stellung) Thongefässe, Holzfiguren, Thierschädel,
besonders in einer (neben dem feinen Sande) mit Asche ausgefüllten
Grube, in welcher Holzbalken eingefügt waren, unter theilweisem
Aufbau mit losen Steinen. Ueber Pampa, und dann durch Thal von
Surco, kehrten wir nach Lima zurück.
Lima's^) Ruhm und Preis wird oft in den Reisebeschreibungen
besungen, aber trotz der verführerischen P'arben, mit denen sich die
Schilderung verschönern lässt, gehört es nach meinem Geschmack
zu denjenigen Plätzen der Erde, die eine unwillkührliche Abneigung
einflössen und obwohl ich auch auf meiner früheren Reise (1852) den
Besuch nicht vermeiden konnte, habe ich es stets nur mit Wider-
.streben betreten. Es macht den Eindruck einer mit falscher Schminke
überklebten Pestbeule, die die gesammten Säfte des Staatskörpers
an sich zieht, und sie in schädliche Jauche zersetzt, welche besser mög-
lichst rasch entfernt werden müsste , um nicht noch grösseren Schaden
anzurichten.
Wenn man die Verhältnisse im Innern des Landes gesehen hat,
das ärmliche Leben der trotz natürlicher Schlaffheit gezwungener Weise
arbeitsamen Bevölkerung, (soweit sie nicht durch vergebliches An-
kämpfen gegen die Noth zu apathischer Indolenz oder zum Trünke
geführt ist), wenn man den engen Massstab, nach welchem dort Alles
zugeschnitten ist, die Bescheidenheit der Ansprüche kennt, so fiihlt
man einigen Ingrimm über die Mehrzahl des nichtsnutzigen und
faulen Gesindels*) in der Hauptstadt, dieser Stadt der Könige (Ciudad
') Lima, ihc capital of Peru» is admitted to he by far the finest city of South-
Amcrica (s. Proctor), aber nicht die aiuieliendste fiir das Studium des dortigen Menschen.
•) During the latter part of the Spanish authority , the people of Lima had beconie
most comipt. Bigotry had gone to its extreme lenght and ignorance, effeminay and
vices of worst description were common (Maw). Viel besser ist es auch nachträglich
nicht geworden, und Manches schlimmer, nachdem die im ersten Aufschwung wirkende
Bcgebterung des Patriotismus in dem Unabhängigkeitskriege verraucht war. Ohnedem ist
54 NACH CHILE.
de los reyes), über eine Tagediebsbande, die in ihrem Uebermuth alle
Preise so hinaufgetrieben hat, dass der für die Arbeit eines Tages ge-
zahlte Lohn hinreicht, um die übrigen sechs der Woche im Schlendrian
verprassen zu können. Die Möglichkeit eines solchen Missverhältnisses
erklärt sich freijich aus Peru's Character als eines Minenlandes, durch
welchen überall die sonst unbegreiflichsten Inconsequenzen hervor-
gerufen werden.
In der Hauptstadt, wo, aus dem Blutschweiss der in der Sierra
spärlichen Bevölkerung gcspeis't, diese goldenen und silbernen Bäche
zusammenflössen, verführte der blendende Glanz derselben zu den
wahnsinnigsten Extravaganzen. Befim Einzüge des Herzogs de la
Palata, als neu eingesetzten Vicekönigs Perus, hatten die Kaufleute
Lima's die Strassen de la Merced und de los Mercaderes mit Silber-
Barren gepflastert, deren Werth von F'rezier auf 8o,oco,ooo Thaler
berechnet wird, und die Pferde waren mit goldenen Hufeisen be-
schlagen. Das von dem Vicekönig Mexico's bezogene Jahresgehalt
wird von Billaud-Varennes auf 100,000 Ducaten angegeben, habe sich
aber auf das Fünffache oder Sechsfache belaufen mit den Neben-
Einnahmen, und diese wurden noch höher gerechnet in Peru, wo
sich jenes nach Frezier, damals schon auf 40,000 Pesos oder (nach
Caldcleuch) 65,000 Pesos belief. Ausserdem wurde dem Vicekönig
jede Reise, ausserhalb Limas's mit 10,000 Pesos besonders bezahlt,
ja für jeden Besuch des nur wenige Stunden entfernten Hafens von
Callao sollen 3000 Pesos in Rechnung gesetzt sqin.
Peru oder vielmehr Lima (da dieses allein die temporären Vor-
thcile zog) erwies sich so sehr als das verzärtelte Kind der Glücks-
göttin, dass bei der .schliesslich drohenden P>schöpfung der Minen
noch ergiebigere Schätze in Guano entdeckt wurde.
Während sich nun Peru in ungezähltem Reichthum wälzte, wurde
auf den Grund des dadurch hervorgerufenen Credit von dem im
Umschwung des Revolutionsrades immer nur momentan das Staats-
ruder fassenden Partheiungen eine Staatsschuld contrahirt, wie sie
sich In proportionell gleicher Höhe kaum je angehäuft findet, und
bei der schwachen Bevölkerung um so unverhältnissmässiger hervor-
Lima's Rolle in demselben nicht die glänzendste, wie sich in Hall's Darstellung zeigt.
Die Mönche boten ,,a sad example of idleness to thc not very industrious Citizens of l-,iina"
(Füll). Les Ecclcsiastiques , qui sunt la plupart avares, ignorans et artificieiix , nc sc
soucient de la religion que pour s'attirer le respect et jmur la faire scrvir a leurs passions
dereglees (Cor^al). Mit Karvajal's durch die Magellanstrassc nach Lima gelangten Schiff
,,kahmen die ersten Ratzen nach Peru, <laher die Einwohner den Nahmen Okocha, das
ist: Sündliche Geschöpfe, bekahmen, weil die* Ratzen sich mit der Zeit überaus vermehrten
und das ^antze Land durch grossen Schaden thäten" (Dapper).
EISENBAHNEX. 55
tritt. Unter diesem Ueberfluss des Geldes in Lima, wo die Pesos
wieder auf der Strasse lagen und eine kleinere Münze im Verkehr
kaum vorkam, wurde durch die von allen Seiten zur Disposition ge-
stellten Summen, die auch die wildeste Verschwendung nicht rasch
genug zum Fenster hinauswerfen konnte, der Speculationsgeist rege,
um daran in einer oder anderen Form zu profitiren, und mit den
Schlagwörtern des Tages wurde dem Lande die Nothwendigkeit des
Eisenbahnbaues klar gemacht. Wie die dem Nordamericaner eigene
und bei ihm durchschnittlich von einem practischen Verstände ge-
regelte Rührigkeit und fieberische Thätigkeit, nachdem sie auf den
Boden Südamerica's verpflanzt war, unter der Atmosphäre dortiger
Gleichgültigkeit und Unbesorgtheit um die Zukunft, wie sie dort
weiter wuchern musste, aufgeblasen durch eigene Selbstbewunderung,
und die auf engem Horizont beschränkte Selbstgenügsamkeit der
Unwissenheit, und wie dieses Wuchern gigantische Proportionen
anzunehmen hatte, als die leichtsinnige F'ortuna jeder kindischen
Launenwandlung einen neuen Seckel in den Schooss ausschüttete,
— Alles das versteht sich ohne Mühe in seinen weiteren Folgen.
Jetzt sind diese eingetreten. Die Minen sind so weit ausgear-
beitet, dass ihre Fortführung eine Verwendung grösserer Capitalien
erfordern würde, an deren Zurücklegung in der Sorglosigkeit der
guten Zeit aber nicht gedacht wurde. Sie beginnen also spärlicher
zu fliessen, und noch spärlicher der in den besseren Localitäten bis
auf den kahlen Fels fortgekratzte Guano. Während nun plötzlich
diese beiden durch den Glückszufall geschenkten Einnahmequellen
zu versiegen drohen, und so Peru, wenn auf seine regelmässigen
Hülfsmittel hingewiesen, aus dem reichsten Lande der Erde in eins
der ärmsten verkehrt zn werden im Begriff .steht, während dieser
Schritt über einen weit klaffenden Abgrund zu wagen sein würde,
und während um ihn zu wagen, vorher sämmtliche Staatseinrichtun-
gen erst auf einen radical verschiedenen Fuss gestellt werden müssten,
während sich so vor den aus schmeichlerisch bethörenden Träumen
geöffneten Augen plötzlich dieser gähnende Schlund des Verderbens
zu öffnen beginnt, — in diesem Währen einer die Existenz in Frage
stellenden Krisis, lastet auf dem Lande eine Staatsschuld, deren
Zinsen allein Alles, was sich noch als Jahreseinnahmen rechnen Hesse,
fast verschlingen. Ja, mehr als das, es lasten zugleich die Unter-
haltungskosten der mit mährchenhafter Extravaganz erbauten Eisen-
bahnen, da bei deren Mehrzahl, wie die Vernünftigen in Peru selbst ein-
gestehen, der Betrieb nicht einmal die Ausgaben fürr die Wagen-
56 NACH CHILE.
Schmierer deckt und das monatliche Deficit sich nach erschreckenden
Summen berechnet.
Manche dieser Eisenbahnlinien sind wahre Wunderbauten der
Ingenieurkunst, man hat an ihnen, wenigstens auf dem Papier der
entworfenen Pläne, im PLifer der Tropengluth Schwierigkeiten über-
wunden, vor deren Gedanken schon der Bedächtigere in nüchternen
und gemässigten Zonen zurückgeschreckt sein würde, und der eitle
Peruaner war in Extase, Grosses und Gewaltigeres sich vorgesetzt
zu haben, als kein anderes Volk auf dem Erdball. Theoretisch war
Alles ganz schön und plausibel dargestellt. Die an werthvollen
Naturproducten reichsten Provinzen des Landes liegen im Osten jen-
seits der Andes, und da zu ihrer Erreichung zweimal die schneeigen
Pässe, der westlichen Cordillere sowohl, wie der östlichen Andes, zu
überschreiten sind, Höhen von 12 — 14,000 Fuss, von den sonst be-
schwerlichsten Gebirgspfaden ganz abgesehen, hatte man bisher auf
einen Export von den westlichen Häfen verzichten müssen. Der
natürliche Handelsweg, der zu einer allmähligen Entwickelung der
hier im Boden verschlossenen Reichthümer fuhren könnte, würde
längs der zum atlantischen Meere abströmenden Flüsse liegen und
ihnen zu folgen haben. Da nun aber diese, ihrem unteren Laufe
nach, in den Händen der Portugiesen sind, sollten zu Gunsten poli-
tischer Menschen Einrichtungen die von der Natur vorgezeichneten
Strassen in die entgegengesetzte Richtung gelenkt werden, und zwar,
da dieses mit schwachen Maulthieren unausführbar blieb, durch die
imposante Macht des Dampfrosses. So begann man den Kampf mit
der. Natur, durch welchen die Cordillere nicht nur, sondern auch die
Andes bezwungen werden sollten, um die Eisenbahnschienen bis an
die erste Schiflfbarkeit der zum Süs.swassermecre des Maranon hinab-
rollenden Quellflüsse hinauszulegen. Im Falle selbst dies technisch
thunlich wäre, im Falle, dass die Möglichkeit bewiesen würde, unter
den zerstörenden Agentien aequatorialer Urwälder (die kaum auf dem
Isthmus, trotz des ununterbrochenen Menschenstroms hinüber und
herüber abzuwehren sind) eine Eisenbahn im Gange zu erhalten, so
\i^ürden diese zunächst doch nur in eine menschenleere Oede ausge-
laufen sein, und hätte erst, wie bei den in den Vereinigten Staaten
in die Wildnisse des Westens hinausgebauten Bahnen, die Ansiedler
herbeizuziehen gehabt. Wie viel Jahre, Jahrzehnte oder Jahrhunderte
unter den Hindernissen eines vorher durch das Opfer einiger Gene-
rationen in seiner Tödtlichkeit abzustumpfenden Klimas mit Vor-
versuchen hätten hingehen müssen, braucht vorläufig noch nicht be-
C;ELDVERnÄT.T\ISSE. 57
rechnet zu werden, da der Terminus der Eisenbahnen bis jetzt erst
in respectvoller Entfernung bleibt. Der Bau wurde überall unter
einer Reihe von Eröffnungsfeierlichkeiten eingeweiht, und Anfangs
ging es an den meisten Stellen ganz flott, so lange man sich noch
in flacher, und in ihrem wüsten Terrain eine ungehinderte Baufläche
bietender Küste fand, so dass jährlich eine neue Meilenzahl der schon
vollendeten Strecke zugefügt werden konnte. Sobald man aber den
ersten Abfall des Bergwalles erreicht hatte, war es mit dem Vor-
wärtsgehen vorbei und das Stocken begann. Die Andes sind noch
nirgend erreicht und die Cordillere bis jetzt nur in der Linie von
Arequipa überschritten, die auf die schwach bevölkerte Hochebene
von Puno ausläuft und für den wissenschaftlichen Reisenden aller-
dings nicht nur sehr bequem, sondern auch hochinteressant ist.
Doch dürfte die Zahl .solcher nicht genügen, um sie remunerativ zu
machen, und auch der bolivianische Handel, auf den gezählt wurde,
fällt vorläufig nicht sehr ins Gewicht. Bei meiner Anwesenheit, wie
bereits bemerkt, wurde alle Woche ein Train expedirt, und wie Mit-
fahrende wissen wollten, sollte sich auf demselben zuweilen in der
vierten Klasse ein Indianer mit einem Sack Kartoffel finden. Die
Herstellungskosten dieser Bahn betrugen, nur fiir' die Strecke von
Arequipa bis Puno (als H. Meiggs die Fortführung übernahm)
32,000,000 Soles, die projectirten Staatsbahnen sind in ihrer Ge-
sammtzahl auf 128,354,600 Soles veranschlagt und ausserdem die
Privatbahnen auf 24,420,000 Soles, sowie die unter vermischter Verwal-
tung 27,200,000 Soles, im Ganzen etwa 600 — 700 Millionen Reichsmark.
Im Norden hat die eine der Bahnen noch vor dem Küstenpass von
Caxamarca Halt gemacht, die andere sich nur langsam im Thal von
Santa fortbewegt, eine dritte sich bereits durch dreifache Concurrenz
auf der flachen Strecke am Strande selbst ruinirt. Die einzige
Eisenbahn, die sich in Peru bezahlt, und die dieses glänzenden Bei-
spiels wegen, weil den Haupthafen des Landes mit der Hauptstadt
verbindend, stets an die Spitze gestellt wird, ist die seit 1850 dem
Verkehr eröffnete zwischen Callao und Lima, etwa eine halbe Stunde
Fahrt, während die übrigen Bahnen, die in einer, selbst vom Dampf
, wochenlange Fahrten erfordernden, Länge projectirt sind, sämmtlich
fast (vielleicht mit Ausnalime der kurzen Strecken bis Arica und
Chiclayo) das traurigste Fiasco gemacht haben.
Um bei den zunehmenden Enttäuschungen den sinkenden Muth
wieder zu beleben, wurde mit Anspannung aller Kräfte die Oroya-
Bahn bis zum Gipfelpass der Cordillere, und bis an die dort erforder-
58 NACH CHILE.
liehen Hochgebirgsbauten, fertig gestellt, denn da sie von der Haupt-
stadt ausgeht, konnte man dadurch der Haute Vol^e Gelegenheit
bieten, in einem regelmässigen Sonntagszuge die in der That in
höchster Vollendung ausgeführten Meisterstücke americanischer In-
genieure längs des steil ansteigenden Passes zu bewundern. Nach
dem, was ich in Lima von solchen Sonntagszügen erzählen hörte,
bezahlen sie indess um so weniger, da sich die Direction gegentheils
verpflichtet hält, die vornehme Gesellschaft, die ihr die Ehre des
Besuches schenkt, mit einem liberalen Frühstück zu tractiren. Ge-
naueres kann ich übrigens nicht mittheilen, da meine Zeit keine Be-
nutzung der mir zugegangenen Einladung erlaubte.
Damals begann indess bereits in Lima, besonders unter den
Kaufleuten^), die stets die besten Barometer- Anzeichen annähernder
Stürme besitzen, das Gefühl rege zu werden, dass nicht Alles in Ord-
nung sein dürfte, und die erschreckende Entwerthung des Papiergeldes
musste diese Warnung allerdings auch dem Tauben in 's Ohrschreien.
Zum Glück besass der damalige Präsident, Herr Manuel Pardo
Pardo, einiges Vertrauen, doch schien es auch dem besten Willen
unmöglich, die so masslos von den Vorgängern angehäuften Schulden
zu tilgen. Unter günstigen Verhältnissen hätte er gewiss Manches
zum Besten des Landes gethan, denn dass er für die wissenschaftliche
Aufgabe desselben Interesse hatte, ersah ich aus einem Gespräch, als
ich die Ehre hatte, ihm durch unseren Minister vorgestellt zu werden.
Um mich im Uebrigen indess nicht mit fremden Federn zu
schmücken, sei zur Nachricht für den Leser bemerkt, dass dieser
Excurs über die Eisenbahnen meist nach Hörensagen verfasst ist,
da mir keine Müsse blieb, mich selbst eingehender darum kümmern zu
können. Doch wird nach den bisherigen Schönfärbereien eine kurze
Betrachtung der Kehrseite nicht schaden, da Jedem die Widerlegung
und Berichtigung von Einzelheiten frei steht. Ist die Sache
pecuniär^) gesund, so empfiehlt sie sich an der Börse besser, als
*) Helms erwähnt eine ähnliche Geldkrisis im Jahre 1790, wobei die unberechen-
barsten Preisfluctuationen eingetreten seien (für denselben Artikel, ein Paar französischer
Seidenstrümpfe z. B., zwischen 40 — 6 Peso) und jeder Kaufmann ^ seines Vermögens
in dem Werth der Waaren verloren habe. Die Haupteinnahmequelle in Peru bildete
stets das Zollhaus, aber ausserdem wurde in den 50 er Jahreu der jährliche Nettogewinn
aus dem Guano manchmal auf 20 Millionen Dollars angeschlagen, und damals waren
verschiedene der reichen Lager noch nicht in Angriff genommen.
*) Im Jahre 1873 giebt Hutchinson den damaligen Status und fährt dann fort:
With these data to calculate upon, we arrive at the result that there are now in
Peru, lines traced -~'^ -ate length of 2979 English miles. and a total vaiue of
SPIEL. 59
durch Bücher, und brauchen etwaige Angriffe derselben nicht gross
beachtet zu werden.
Von dem traurigen Zustand der Cours-Verhältnisse hatte ich
leider Gelegenheit, mich selbst überzeugen zu müssen, als ich bei
meiner Abreise von Peru den Procentverlust in Umwechselung des
Papiergeldes gegen Silber hinzunehmen hatte.
Sollte noch einmal ein unverhoffter Schatz in den Naturreich-
thümern des Landes angeschlagen werden, so möge man sich wenig-
stens die bisherigen Erfahrungen zur Warnung dienen lassen und
dahin streben die begangenen Versehen wieder gut zu machen.
Der eingewurzelte Hang der spanisch-creolischen Rasse zu ris-
kanten Hazafdspielen macht alle Massnahmen der Regierung gegen
die Spielhäuser illusorisch, und hat auch alle Schichten der Bevöl-
kerung ergriffen, in der völlige Hingabe an das Lotto, deren Billet-
hausirer man auf jeden Schritt und Tritt begegnet. Leider indess
bewahren ja auch civilisirte Regierungen die verderbliche Lotterie,
obwohl doch kein grosses Rechnungstalent erforderlich ist, um zu er-
kennen, dass die directe P2innahme des Staates demselben in der Geld-
vergeudung seiner Angehörigen') und der Zerrüttung geregelter Er-
383,250,000 solcs, or 71,671,875 1., so that tt) every lenscjuare miles, and for each thou-
sand inhabitants, there is one English mile of line. To the araount above stated ought
to be added the sum of 85,800,000 «wies, or 16,087,500 I. spcnt chiefly upon water-works,
bcsidcs the immense sums required fortheramifications of some railways, for which Mr. Mciggs
has also contracted and which cannot be quoted at less than 125,000,000 soles, or
23,437,500 1. Im Ganzen Hessen sich also in runder Summe sagen 100 Millionen Lstr. oder
1800 Millionen Mark nnd würde dann jede englische Meile einer noch weit geringeren
Zahl als looo Einwohner zur East fallen. Zu diesen 1000 gehört keine unbeträchtliche
Zahl, deren Jahreseinkommen, wie Squier /.eigt, etwa 12- -20 Dollar beträgt, also viel-
leicht (mit Zulage gerechnet) 70 Mark, so dass sich das Gesammtvermögen bei looo auf
70,000 Mark oder wenn man will 100,000 Mark und etwas darüber normiren würde,
vielleicht auf 120,000 Mark, und der letztere Fall würde sie dann ungefähr befähigen,
sich das Vergnügen und die nationale Genugthuung zu verschaffen, unter Aufopferung
ihrer gesammten Habe eine englische Meile Wegestrecke mit Eisenbahnschienen zu be-
legen und deren IJefahrung, oder zunächst das Flüssigmachen der Cielder dafür (aus neu zu
entdeckenden Minen etwaj, des Weiteren abzuwarten, wenn sie dann in der Zwischenzeit
nicht als pfenniglos Hunger» gestorben sein sollten, und die Bauten naturgemäss längst
wieder verfallen.
*) Eine Anstalt, welche vom Uebersparen abhält, die Gewinnsucht aufregt und bis
zu einem mächtigen Hange steigert-, die Spielenden durch das Trugbild eines leicht zu
erlangenden Keichthums vom unverdrossenen Fleiss abhält und viele Familien der Armuth
oder der Lnretllichkeit und Sittenverderbniss Preis giebt , wird durch ihre Einträglichkeit
keineswegs gerechtfertigt (Röscher). Die auf die Congiaria und missilia der Römer zu-
rückgeführte IvOtterie , die ihre Ausbildung in den an die aus der Wahlurne gezogenen
Senatoren-Namen angeschlossenen Weltcomptoire (nach Genuo) erhielt, wurde in Deutsch-
land (nach der holländischen Waarcnlotterie Osnabrück's) mit der Stadtlotterie Hamburg's
60 NACH CHILE.
werbsverhältnisse hundertfach und tausendfach im Grossen und
Ganzen wieder verloren geht.
Die deutsche Bevölkerung ist eine ziemlich beträchtliche und
neben Engländern gehören die angesehensten und geachtetsten
Kaufmannshäuser unserer Nation an. Darunter besonders das alt
etablirte der Herrn Gildemeister & Co., deren beide Chefs, Herr Gil-
demeister und Sattler ich für die zur Erreichung meiner Zwecke ge-
währte Unterstützung zu besonderem Danke verpflichtet bleibe.
Ebenso dem in diesem Geschäft arbeitenden Herrn Ludwig, der mir
in vielen Einzelheiten der Beschafifung und Verpackung der Gegen-
stände Hülfe leistete.
m
Ausserdem lernte ich einige Landsleute im deutschen Club
kennen, der mit einer guten Bibliothek versehen ist, und unter den
deutschen Lehrern, die von der peruanischen Regierung berufen und
in verschiedene Schulen des Landes vertheilt sind, die Herren
Director Contze und Dr. Veiten.
Nachdem es mir möglich gewesen war, durch Auffindung der
halbvergessenen Sammlung Ferreyro's eine Reihe der feineren Thon-
gefös.se altperuanischer Technik, die es bei den damals grade exor-
bitanten Liebhaberpreisen auf andere Weise zu erlangen schwer ge-
wesen wäre, für die Sammlung d^s Museums zu sichern und einige
andere Alterthümer (darunter eines der in voller Farbenschönheit*) er-
haltenen Wappenhemde, von denen nur einige Exemplare gefunden
sind) hinzuzuerwerben, beschloss ich zunächst einen Ausflug durch
Ecuador, denn obwohl man mir davon abrieth, weil dieses Land für
völlig baar an antiquarischen Resten gilt, musste mich doch gerade
diese Seltenheit derselben um so mehr bestimmen, wenigstens das
aufzufinden, was etwa vorhanden sein möchte, und so die hier bisher
in den Sammlungen empfundene Lücke wo möglich, einigermassen
wenigstens, auszufüllen.
Am 21. Juli in Callao auf dem Dampfer Bolivia eingeschifft,
gelangten wir am 23. Juli nach Payta am Fusse von Sandklippen an
(1614) eingeführt (s. Bender). Das Lotto do Genova, wie alle öffentliclien Spielan-
stalten wurde in England 1806 aufgehoben , in Frankreich 1838. In einigen deutschen
Ländern sind die Lotterie-Einnehmer zugleich die Traumbuch-Verkäufer und bekunden
damit handgreiflich, wohin das Lotto gehört" (Wuttke).
>) Die Kunst Baumwollenzeuge ohne Beeinträchtigung des Gewebes mit festen Far-
ben zu behandeln, sollen die Spanier in Amerika gelernt haben, doch kam sie in Europa
erst ein Jahrhundert später zur Ausbildung. Manche derartige Kunstgeheimnisse wären
(wie es heisst) nicht bekannt geworden und mit der alten Cultur zu Grunde gegangen
sein, Clavigero rechnet unter diejenigen Erfindungen der Mexicaner, ,,die ihren Namen
zu verewigen verdienen" die Kunst ,,mit unauslöschlichen Farben zu färben".
REGENLüSIGKEIT. 61
sandig abfallender Küste mit zackigen Hügeln, ein trüber Anblick fiir
aen, der über Panama von Europa kommend, und noch in Bewun-
derung der üppig reichen Vegetation Guayaquil's in Ecuador, diesen
Hafen, als den ersten Perus anläuft.
Die Regenlosigkeit der peruanischen Küste, worüber bereits
Cieza de Leon') grübelte, ist vielfach Gegenstand meteorologischer
Erörterungen gewesen, und während Raymondi sie local der hohen
Erwärmung des Meereslittoral zuschreiben will, hat man sie sonst,
da auch die Solstitial-Regen fehlen, mit allgemeinen Processen in
Verbindung bringen zu müssen geglaubt, zunächst mit dem atlan-
tischen Passat^).
') Bei dem Nebeneinander der hohen Gebirge und tiefer Küstenthäler schliesst Cieza
de Leon dass die ersteren den Regen anzögen, ohne den letzteren davon abzulassen.
') The south-east trade-winds in the Atlantic Ocean first strike the water on the
coast of Africa. Travelling to the north -west, they blow obliquely across the ocean tili
they reach the coast of Brazil. By this time they are heavily laden with vapour, which
they continue to bear along across the continent depositing it, as they go, and supplying
with it the sources of the Rio de la Plata and the southern Iributaries of the Amazon.
Finally they reach the snow-capped Andes , and here is rung froui ihem the List particle
of moisture that that very low temperature can extract. Reaching the summit of that
ränge, they now tumble down as cool and dry winds on the Pacific slopes beyond.
Meeting with no evaporating surface, and with to temperature colder than to which they
were subjectcd on the mountain-tops , they reach the ocean before they again become
charged with fresh vapour and l)efore, therefore, they havc any, which the Peruvian
climate can extract. The last they had to spare was deposited as snow on the tops of
the Cordillerasc (Maury). Sicher ist, dass der Passat die Andenkelte überweht, selbst da,
wo deren mittlere Höhe 12,000 Fuss erreicht, denn er ist es, welcher, nachdem er der
Ostseite Regen und Waldung zugeführt hat, die Westseite Überhin fallend, und trocken
unter sich lassend, erst viele Meilen weiterhm das Meer wieder berührt (s. Mtihr>). Bei
Coquimbo wird die Küste Südamerica's welche am Cap Hom durch einen östlich gerichteten
Strom umkreist wird, vom Humboldt-Strom getroffen, der bis zum Cap Blanco sie begleitet
und erkältend wirkt, wie der Golfstrom erwärmend in Europa. Erst jenseits der Brücke
des kalten Stromes trifft der Schiffer.auf dem Meere wieder eine Regenzone in den Passaten des
Pacific. Wenn der, der Theorie nach, als aus der Polar-Region zurückkehrende, in abwärts
neigender Richtung zum Aequator hinwehende Luftstrom des Passate's nach der Ablenkung
auf das Festland wieder zur Höhe dcf Cordillere aufsteigen sollte, wird die Erklärung
zugleich die Schwängerung mit Wassergehalt, berücksichtigen müssen , der nicht nur an
den Quellflüssen des Marafion abgesetzt wird, sondern schon in der ganzen Weite seines
regenreichen Laufes. Da auf dem Plateau der Cordillere Ecuador's neben den nicht feh-
lenden Winden aus Westen die östlichen vorwalten sollen, so könnte hier eine Abglei-
chung gegeben sein, zwischen schwer erkalteter Luft, die in den Thälern in die Wasser-
gebietc der grossen Ströme widerweht , und dem dadurch in höheren Schichten verur-
sachten Gegenstrom, doch wird erst eine Reihe meteorologischer Stationen in diese
Windrichtungen, die vielfach local modificirt werden, ein Gesetz erkennen lassen. Die
gleichmässigc Begleitung der wärmestrahlendcn Küste durch einen kühlen Südwind, neben
62 NACH CHILE.
Am 25. Juli sahen wir die grüne Küste der Insel Puna (Isla de
Santiago) mit niedrigen Erhebungen, und das Pueblo de Puna, von
der Stätte der alten Stadt verlegt. Auf dieser, zur Zeit der Er-
oberung als Piratensitz gefürchteten Insel sind die Indianer jetzt ver-
schwunden*). Bei Pizzaro's Landung zählten sich 20,000, im Census
von 1734 nur 96, die bald darauf nach Machala versetzt wurden.
Zwischen zwei grünen Spitzen fuhren wir aus dem (bis Tumbcz
an der Grenze Perus erstreckten) Golf von Guayaquil (Calanta) in
den Fluss ein und folgten den Windungen der bis zum Wasser mit
Vegetation bedeckten Ufern, die sich zeitweis in wiesenartigen Unter-
brechungen lichteten. Hügel erschienen aus der Ferne und in der
geöffneten Umgebung lag am Fusse waldiger Höhen Guayaquil 2), der
Hafen Ecuadors (nach dem Häuptling Guayas genannt). Nach Zer-
störungen der 1533 in der Bay von Charapoto erbauten Stadt, legte
Orellana (1537) eine andere an der Westseite des Flusses an, und
diese wurde später nach dem Platze verlegt, der den Namen Ciudad
vieja empfing, als das jetzige Guayaquil (1793) gegründet wurde.
Die Spanier unterhielten in Guayaquil ihre Arsenale und bauten
dort, aus dem Holz der Umgebung, die Schiffe für ihre am Pacific
gelegenen Colonien.
Herr Consul Bunge hatte die P^'reundlichkeit, mich vom Dampfer
abzuholen und unter seinem gastlichen Dache aufzunehmen, im Kreise
einer liebenswürdigen F*amilie, wo die munter spielenden Kinder in
Sprache und Aussehen die Zeichen der deutschen Herkunft unter
dem fremden Himmel treu bewahrt hatten.
Unter meinen dortigen Bekanntschaften nenne ich vor Allem die
des Dr. Destruyes, der sich schon länger mit anthropologischen
Studien beschäftigt hatte und mir gütigst einen Theil seiner Samm-
lungen (meist aus dem früheren Sitze der Huancavilcas) überliess,
dann die des Herrn Dr. Wolf, eines aus der Jesuiten - Gesellschaft
ausgetretenen Naturforschers, anerkannter Befähigung, der bereits
einige wissenschaftliche Forschungsreisen in Ecuador unternommen
dem Wasserstrom, findet zun.äcl)st in der Richtung der Cordillere ihre bestätigende Deu-
tune, und der Austausch zwischen warmem Land und kaltem Meer mag hier ein Aus-
gleichungsniveau im Luftraum herstellen, neben welchem an beiden Seiten Regen nieder-
fallen, ohne es zu berühren.
') Von den zu Smith's Zeit auf 8000 berechneten Indianern Powatano's, waren nach
Jefferson (1787) nur 100 121 in den Pamunkies übrig.
2) St. Jacobus de Guayaquil alio nomine ab Ilispanis appellatur La Culeta. (de Lact).
JESUITEN. 63
hatte und sich auf eine weitere nach den Gallapagos- Inseln damals
vorbereitete.
Der Präsident Garcia Moreno hatte bereits seit mehreren Jahren
jesuitische Lehrer, unter denen sich zum Theil ganz tüchtige Kräfte
finden, zu sich berufen, und da dieser Orden, neben den dreien der
übrigen, noch das vierte Gelübde unbedingten Gehorsams gegen
den Papst angenommen hat, musste seine Anwesenheit dazu bei-
tragen, die Lehre von der Weltherrschaft der Urbs Eterna wieder
eindringlicher zu predigen.
So hatte auch bereits der die Republik mit autokratischer Hand
lenkende Jesuitenzögling einen frommen Staatsstreich verübt, und
das seiner Hut anvertraute Land aus eigener Machtvollkommenheit
dem päpstlichen Vater in Rom geschenkt, an „Seine Heiligkeit, deren
Machtvollkommenheit sich über die ganze Welt erstreckt, Gläubige
und Ungläubige zusammenbegriffen" (Su Santidad, como Sucesor de
San Pedro, y que tiene poder sobre todo el mundo, que comprehende
Fieles y Infieles). So wuchs mit Ausdehnung der Herrschaft auch
der äussere Glanz.
Nachdem Gregor VII. der Tiarra eine Krone hinzugefügt, wurde
sie unter Benedict XII. verdoppelt, unter Urban V. verdreifacht, so
dass mit diesen drei Kronen') geschmückt Sixtus IV. (und Nicolaus III.)
keinen Anstand nahm, alle Neffen der Päpste für römische Pompei
zu erklären, und dann Santarella unter Urban VIII. unbedenklich den
Beweis zu liefern vermochte, dass die Päpste die (nach Regino)
bereits von Nicolaus I. gezähmten Fürsten, die Könige und Kaiser,
wegen Ungehorsam (unter der von Innocenz III. sich vindicirten
Gerichtsbarkeit) absetzen könnten und ihre Reiche-) fortgeben. Wie
*) ,,t>ie Tausendkünstlerin oder Hexenmeisterin, die Frau des Obristen Caziken,
hatte auf dem Kopfe eine dreifach gekrönte Päbstliche Cron, doch nicht köstlich, son-
dern auss Stroh geflochten. Lass mir dieses widerum ein Affenspiel des höllischen Affen's
sein" (am Uruguay) 1691, Mai 20. (R. P. A. Sepp, ,,der Societät Jesu Priester").
') Wie in so vielen ähnlichen Fällen einer Aufstachelung zur Empörung, empfahl
Pachal II. dem Grafen von Flandern den Krieg gegen den häeretischen Kaiser als verdienst-
volles Werk zur Sündenvergebung. Bonifacius VII., der in seiner Bulle das Recht in
Anspruch nahm, Reiche zu geben und zu nehmen, als Richter der Könige, heisst ,,un
tison infernal de discorde de tout monde chrestien", und zu solchen Brandstiftern, die von
der Halbinsel aus Europa für Jahrhunderte hindurch im Kriegszustand hielten, gehört
auch Innocenz X., der, als man nach dreissig Jahren der Greuel und Verwüstung auf
den verheerten Gefilden des Nordens Frieden schloss, denselben vom schwelgerischen Rom
aus, jenseits der Alpen, für nichtig erklären wollte und Fortsetzung der Todtschlägereien
befahl, weil die päpstlichen Rechte beeinträchtigt seien. ,,Die langen Kriege zwischen der
64 NACH CHILE.
musste es da nicht einem armen Präsidenten bange werden, dem
ohnedies seine kurze Wahlzeit jeden Augenblick durch eine Revo-
lution abgeschnitten werden konnte und dem es widerstrebte, sich
mit dem Vertheidiger im Nebenlande, Francisco de Paula G. VigiP),
dem mit Excommunication ausgezeichneten Geistlichen, zu verbün-
den, zumal der ganze Continent von dem Papst, der darüber bereits
bei der Entdeckung verfügt hatte, als Eigenthum betrachtet werden
mochte. Unter solchen Prädilectionen dachte man dann wohl nicht*
an „cette foule*) de papes, vomis de l'enfer^), capables d'aneantir
la foi catholtque" (s. Llorente), worunter die heilige Luitgard die
Seele Innocenz' III. in Höllenflammen brennen sah, die heilige Bri-
gitta Clemens VI. als Seelenmörder offenbart hörte, Dantes*) poetisch
erhellter Blick in Clemens V. den Wolf erkennt, der die Lämmer
vom Wege der Seligkeit fortscheucht, statt sie hinzulenken, und die
Volkstradition Sixtus V. für seine Unthaten vom Teufel erstickt
sein lässt.
Und es war noch gar Mancherlei, was diese von Cardinaltugenden^)
wussten in Rom, wo man näher ^) war und deutlicher sah, als im
entfernten Escuador. Alles indess passirte mit der Begeisterung
Tiara und der Krone hatten das Reich in unbeschreibliches Elend gestürzt, die Wuih
der Partheien hatte alle Kreise der Gesellschaft mit unnatürlichem Hass, Zwist und
Schuld erfüllt" (s. Gregorovius).
*) Defensa de la antoridad de los gobiemos contra las pretensiones de la Curia
Komana (1852), Lima.
') ,,l^ie lange Reihe der Päpste, welche von Sergius 111. bis auf Benedict VIIl. (905 —
1024) fast ohne Ausnahme Geschöpfe oder Opfer des schändlichsten Rachegeistes und
grösstcntheils selbst die verworfensten Menschen waren , mit äusscrster Frechheit alle
Frevel übend" (Theiner). Dazu kamen dann gegenseitige Fehlbarkeitszeugnisse wie
(von Formosus nicht zu reden) zwischen Johann XVII. und Nicolaus Ul. und bei all den
Schismen in der Dreizahl oder Vierzahl der Unfehlbaren.
') In Dante's Hölle wohnen bereits drei Päpste, Nicolaus III, Bonifaz VIII. und
Clemens V.
*) In einer kleinen Blumenlese, aus der sich für die römischen Pilger ein Bouquet
binden Hesse, erscheinen (unter Beiseitlassung der früheren Blüthen, die etwas gar zu stark
duften) Paul II., Clemens IV., Innocent VIII., u. s. w. mit unehelichen Kindern, Paul III.
im Concubinat mit seiner unehelichen Schwester, Alexander VI. mit Catharine Vanoci,
Innocenz X. mit seiner Schwägerin Olympia Maldachini, Julius IL, als hellenischer
Liebhaberei ergeben, während Sixtus IV., dies (nach Wesel von Groningen) auf die heissen
Sommermonate beschränkte , Julius IIL aber vom Erzbischof von Benevent rühmend fiir
das besungen wurde, wessetwegeu die Pasquinaden den Pajisl und seinen geliebten Cardinal
mit Jupiter und Ganymed verglichen. ,,Mit Sergius III. beginnt die römische Porno-
kratie, er selbst war ein Buhle der Marozio, Johann ein Geliebter der älteren Theodora"
(f 928), dann Johann XII. und seines Gleichen (s. Retteberg).
*) In Rom und Nachbarschaft (wie Gerson bemerkt) war der Papst zum Gespött,
(da die Propheten eben allzu selten in ihrem Vaterlande gelten).
ORTHODOXIE. 65
durch den heiligen Geist^), wenn derselbe auch etwa nur aus Rom
im Postsack geschickt wurde, wie nach dem Concil von Trient
(s. Vargas). Das würde ohnedem seinen Präcedenzfall finden in der
morgenländischen Kirche, wo der in Ketten von Kairo nach Abyssi-
nien geschickte Patriarch seine noch^ entfernter lebenden Geistlichen
mit aufgeblasenen Schläuchen ordiniren liess. Bei den Chutukten
sucht man die Inspiration in Würfeln oder Loosen, wenn sie nicht, wie
bei rothen und gelben Bergpriestern Tibet's, im Lallen der Kinder
redeten. Wie weit die Geheimnisse in Lhassa, wo Huc und Gäbet nur
satanische^) Nachäfiung sahen, mit den römischen inverwandschaftlicher
Beziehung stehen, darüber könnte die Infallibilität am Besten ent-
scheiden, und von ihr ist dann kein weiterer Appell, denn „wenn
die Kirche eine Lehre, die in einem wissenschaftlichen System aus-
gesprochen ist, verwirft, so hat ihre Entscheidung infallible Gewiss
heit und schliesst die Erwiederung aus, dass sie den objectiven Sinn
derselben in ihrem wissenschaftlichen Zusammenhange nicht richtig auf-
gefasst hat". So gesprochen im Jahre 1869 (s. Zoll). Nach Anseimus von
Canterbury (f 1 109) darf die Vernunft nur gebraucht werden, um die
Puncte des römisch-katholischen Kirchenglaubens zu erläutern und
zu vertheidigen, nie jedoch, um sie zu bezweifeln oder zu bestreiten.
Schwierig ist dabei das gegenseitige Anathematisiren') der Un-
fehlbaren*) zu verstehen, wenn sie von Rom und Avignon ihre Blitze
gegen einander schleuderten, oder die Nachfolger ihre Vorgänger
(wie den Leichnam des Papstes Formosus) ausgraben und als nach-
träglich Excommunicirte beschimpfen Hessen. Zuweilen drehte sich
indess der Spiess um und kamen die Vorgänger als rächende Ge-
spenster auf ihre Nachfolger zurück, wie Papst Sabinianus, der Tra-
') La vie d'un Grand nombre de papes n H6 teile, que ce serait faire insulte au
.Saint Esprit, que de lui attribuer de Finfluence dans la choix de ces monstres de vice,
impos^s comme chefe de TEglise chretienne, so spricht ein Katholik.
^) Acosta beschuldigt Satan (den Vater der Lügen) die Beichte und andere christ-
liche Ceremonien unter den Indianern (Aroerica's) nachgeahmt zu haben. Hcrthold
(XIII. Jahrh.) nennt indess die Pfennigprediger (des Ablasses) „die liebsten Knechte des
Teufels" (s. Roskoflf).
•) Honorius T. (f 658) , der sich für die Monotlieleten erklärte , wurde von jedem
Nachfolger feierlich verflucht. Papst Liberius (f 366) ward durch seine arianische Ketzerei
verdächtig, Zosinius (f 418) durch die Hinneigung zur pelagianischen.
*) Der durch Zurückdatiren dazu gemacht wurde, denn während der Papst früher im
Grunde nur den Primat unter den Bischöfen beanspruchte und die Competenzstreitigkeiten
mit den oekumenischen Concilien in der Schwebe liess, gab ihm erst das fünfte Lateran-
concil (1517) plenam jurisdictionem, und dann die Ordensdisciplin der seit 1540 hinzu-
getretenen Jesuiten die bedingslone Infallibilitas ex cathedra.
Bastiaa: America- I- *^
G6 NACH CHILE.
dition zufolge, an den derben Maulschellen starb, die ihm der Geist
Gregors des Grossen versetzte. Wie sich Bellarmin und Tanner
(t 1632) über Sixtus V. Bulle in Betreff des unfehlbaren, aber fehler-
voll revidirten Textes der Vulgata abfinden könnten, bleibt Sache
ihrer Ausleger (die in Ecuador noch fehlen).
Eine Pferdebahn fuhrt an einigen, theilweis künstlichen Erd-
hügeln vorbei, nach den Mangle- Sümpfen von El Salado (Estero
Salado) an einem Meeresarm, der zu Seebädern benutzt wird. In
der Umgegend Guayaquil's sowie auf den vorliegenden Inseln sind
mehrfach Alterthümer gefunden, und im Dorfe Chongon wird die
Steinfigur eines Affen aufbewahrt, und von den Indianern, auf die
Plaza gestellt, mit einer Art Verehrung betrachtet. Ein dort sich
aufhaltender Deutscher, Herr Glogau, der sich mit den Bräuchen
der Indianer vertraut gemacht hatte und ihre Schwächen kannte,
meinte dieses Stück vielleicht erlangen zu können. In der Stadt
concentrirt sich das Leben, auf den Malecon längs des Quais,
während die übrigen Strassen nur wenig besucht werden und es
ihres Schmutzes wegen auch nicht verdienen. Unter den Arcaden
des Malecon sind die unteren Geschosse der vorwiegend aus Holz
gebauten Häuser für Läden oder Magazine eingerichtet, während das
obere Stockwerk zu Wohnungen dient. Ueberall findet man im
Innern Hängematten aufgehängt, und die Vorliebe daflir wird bei
der Plage der Mosquito's begünstigt, welche durch die Schaukelbe-
wegung einigermassen verscheucht werden mögen. Besonders lästig
sind sie in der Regenzeit des sog. Winters, wo nur die um Mittag
unter dem Namen Chanduy (weil über die Landspitze Chanduy hin-
wehend) einsetzende Brise fiir einige Stunden Erfrischung bringt.
Für meine Reise in das Innere wurde als erstes Ziel Quito aus-
ersehen und die Vorbereitung dazu getroffen, im Ankauf des Reit-
zeuges, der Proviantirung und sonstigen Ausrüstung, sowie in Enga-
girung eines Burschen, eines im Lande geborenen Negers, der früher
als Soldat gedient hatte und so in den meisten Provinzen herum-
gekommen war.
Am 27. Juli befuhr ich die, zwischen Waldungen auf hügeligen
Erhebungen angebauten, (und an ungestörten Stellen durch Crocodile
bewohnten) Ufer des (aus dem Zusammenfluss des Daule und Baba-
hoya gebildeten) Flusses^) Guayaquil oder Guayas auf dem Dampfer
^) Bei Dapper figurirl der Fluss ,,Aml)ato, welcher vom Gebirge Quito sehr schnäle
abschlisset". Der Fhiss Ambato in der jetzigen Provinz Leon, gehört bereits nach dem
atlantischen Meere.
noDECAs. 67
Ecuador, einem Nussschälchen, dessen obere Kajüte gerade über der
auf dem Decke befindlichen Maschine lag, so dass bei einer der hier
nicht allzu ungewöhnlichen Katastrophen den Passagieren die beste
Gelegenheit geboten war, sie zunächst an sich Zu verspüren. Gerade
an diesem Tage, war wieder der uns entgegenkommende Dampfer
Guayas, ein Stündchen ehe wir zusammentreffen sollten, in die Luft
geflogen, und bald stiessen wir auf die den Strom herabtreibenden
Trümmer, sowie auf die grässlich verstümmelten Opfer, die an Bord
genommen, dort, wie weit es die Umstände zuliessen, Verpflegung
fanden. Am Nachmittag landeten wir in ßabahoya oder (als Nieder-
lagerungsplatz) Caracoles (Bodegas), zwischen den auf Pfählen ge-
bauten Häusern, wo in einem leeren Raum mein Gepäck unterge-
bracht und so gilt es ging ein Bett hergerichtet wurde. Vor Allem
galt es nun mit Einem der Maulthiertreiber, die nach Ankunft aus
dem Innern und Ablieferung ihrer Ladung dort auf Rückfracht
warten, ein Abkommen zu treffen, aber, wie mir gerathen war, nur
bis zur nächsten Station, bis Gaduas, denn obwohl Bodegas für seine
Zucht berühmt ist, befinden sich die dort aus dem Innern ange-
kommenen Maulthiere meist im miserablen Zustande, weil durch die
vorangegangene Reise bereits abgetrieben, ohne dass ihnen genü-
gende Zeit zur Erholung gegönnt wird.
Wie ich von Herrn Estrada (dem kaufmännischen Agenten meiner
Freunde in Guayaquil) hörte, sind im benachbarten Lomas Thon-
gefässe mit Knochen und Kupfergeräthen beim Ausgraben gefunden
oder durch Ueberschwemmungen zerstört. Die umliegenden Ge-
wässer schwärmen mit Krokodilen, deren Jagd, seit der neuerlichen
Fabrikation wasserdichter Stiefel aus Crocodilhäuten in Nordamerika,
zu einem Industriezweig geworden ist, den ein deutscher Nimrod, den
ich in Guayquil traf, für sich auszubeuten dachte.
Am nächsten Morgen, — aber, wie vorauszusehen war, einige
Stunden später, als verabredet, — stellten sich vor meiner Thüre
zwei Sattel-Maulthiere ein (für mich und meinen Diener), sowie ein
Lastthier für das Gepäck, mit dem vom Eigenthümer beigegebenen
Arriero und wurde nun rasch Alles reisefertig gemacht.
Der Beginn des Weges ist sumpfig und in der Regenzeit für
Reitthierc ganz unpassirbar, so dass man dann nach dem Verlassen
des Dampfers in Bodegas die Flussfahrt in einem Bot bis Savaneta
fortsetzen muss.
Der Weg führt im Urwald, oder vielmehr der wuchernd ver-
schlungene Wald bildet den Weg, zwi.schen den Bäumen hin und
5*
68 NACH CHILE.
über die umgestürzten Stämme fort, wobei man bald darauf zu achten
hat, dass das Maulthier nicht einsinkt oder über die Hindernisse
stolpert, bald dass die überhängenden Zweige nicht in s Gesicht und
in die Augen stossen oder dass man sich nicht in den Schlingen der
Lianen verfängt. Als das dumpfig düstere Wald- ufid Buschland
lichter wurde, zeigte sich beim Oeflfnen desselben eine bewaldete
Bergkette, von Nebel umlagert. Vielfache Flusswindungen waren zu
passiren und dann führte der Weg an der Schlucht aufwärts, mit
Blicken in die Tiefe, wo der Strom rauscht, und empor nach den
von den verschiedenen Grünschattirungen des Waldes und der Lich-
tungen wechselnden Hügel, die sich um das Flussthal zusammen-
schlössen. Kleine Zuckeranpflanzungen trafen sich hier und da
um Pfahlhütten zerstreut, und das Guarape bildete einen erfrischen-
den Trank, so lange man die gerade keinen Appetit erweckende
Behandlungsweise nicht näher inspicirt hatte. Einen grossen Ver-
brauch im ganzen I.ande hat der in Kuchen verkaufte braune Roh-
zucker (Chancacca oder Panela), der als Zuthat beim Wassertrinken
betrachtet wird.
Der Weg führte im Zickzack die Thalwand aufwärts, unter Fluss-
übergängen, wobei das Zusammentreffen mit anderen Caravanen bei
der Enge des Weges einige Male Aufenthalt verursachte. Um 6 Uhr
langten wir in' Balsa-Tambo an, eine spärliche Ansiedlung mit dem
verfallenen Character aller dortigen Bauten, und ich Hess durch den
Führer in einem Hause der Plaza, wo schon viele Arriero sich mit
ihren Ladungen versammelt fanden, einigen Raum für mein Gepäck
schaffen. Auf der Gallerie des oberen Stockwerkes miethete ich in
dem einzigen Zimmer des Hauses von einer Aufwärterin, die von dem
Führer zur Bereitung eines Abendgerichtes engagirt war, ein Bett,
das ich mich freilich erst nach einigen Revisionen zu benutzen ent-
schliessen konnte und dann nur, weil ich mich von einem plötzlichen
Uebelbefinden befallen fühlte. Dasselbe war nach einigen Stunden
Schlaf verschwunden, hatte aber wahrscheinlich in den Ingredienzien der
zugerichteten Mahlzeit seine Ursache, und so beschränkte ich mich fer-
nerhin auf möglichst einfache und in ihrer Genuität zu prüfenden Gerichte.
Am nächsten Morgen (Juli 29.) wurde um 5V2 Uhr aufgebrochen
und längs der Schlucht emporgestiegen, mit dem Pisagua in der
Tiefe rauschend. Es ging aufwärts zu den von der Sonne beschie-
nenen Höhen, — Alles ringsum in frischer Feuchte, wie aus dem
Thau geboren, — und während des Ansteigens blickte man zurück auf
die bewaldet abfallende Schlucht, bis zu der (nach dem Meere er-
CHIMBORAZO. (59
Streckten) Ebene, die unter der Umhüllung der an den Abhängen
lagernden Nebel verschwand. Der Weg (hier eine Strasse, die von
der damaligen Regierung des Präsidenten Moreno in Bau ge-
nommen war), zieht sich hinauf an den Bergen, und von Tambu-
Loma zeigt ein Rückblick die parallel zu einander in der von ihnen
geschlossenen Thalschlucht auslaufenden Höhenzüge. Mit der Er-
reichung des Camino Real, wo man gerade eine „königliche Heerstrasse"
hätte vermuthen sollen, war es indess mit diesen Strassenbauten
schon vorbei, doch dafür entschädigte die Alpenlandschaft vor uns, und
hinter uns jenes Nebelland, das in seinen Lagerungen fortrollt über
den ungeheuren Abfall des Hochgebirges, bis sich am Horizont, ohne
weitere Unterscheidung, Wolken und Meer in einander mischen,
unter chaotischer Gährung das Sehfeld einhemmend.
Wir näherten uns jetzt einem jener Momente, die dem Reisen-
den zwar im Wechsel des Eindrucks gleich den übrigen flüchtig vor-
übergehen, die aber dann fiir Jahre oder für immer in der Erinne-
rung den Geist erhalten und beschäftigen. Es ist das der erste Blick
auf einen der schon lange im geistigen Auge gesehenen Plätze, deren
natürliches Bild sich jetzt mit dem der Gedanken vereinigen soll.
i\ls die letzte Windung des Weges, der uns das grosse Schauspiel
enthüllen musste, erreicht war, hielt ich unwillkürlich die Zügel des
Maulthieres für einen Augenblick an, um mich auf den ersten An-
blick des Chimborazo vorzubereiten, der dann in seiner ganzen
Majestät vor uiis lag. Bei der Eröffnung schweift der Blick zu ent-
fernten Berghalden, die in Färbungen verschiedenen Anbaues aus-
gelegt waren, und dahinter, auf dem Rücken einer zackigen Berg-
reihe, stieg der mächtige Schneekegel empor. Der Weg folgt längs
eines Hügels mit grünen Matten auf der einen Seite der Schlucht,
und dort genossen wir eine neue Variation der prächtigen Ansicht.
Eine in tiefer Buchtung vor dem Fu.sse niedergesenkte Mulde hebt
sich in weitem Abstand mit welligen Hügeln zu den Hochgebirgen
hinauf, die über einander emporsteigen, und auf der Basis dieser
grünen Masse, die mit ihrem Teppich die Tiefen und alle Höhen,
die obersten Gipfel ausgenommen, bekleidet, steigt der schneeige
Kuppeldom des Chimborazo in die glänzend reine Luft, unter der
Ueberwölbungdesstrahlenden und strahlend zurückgestrahlten Himmels.
Der Smaragden-Glanz der grünen Triften, die blendende Weisse der
Schneefelder, das Azur des blau prangenden Himmels combiniren
sich in dem goldig durchleuchtenden Lichte der Sonne zu einem
wunderbar überwältigenden Farbeneffekt.
70 NACH CHILE.
Nachdem wir auf schlüpfrigen Pfaden in das Dorf San Miguel
hinabgeritten und wieder angestiegen waren, zog sich der Weg an
den Abhängen von Berghügeln umher und gewährte den Niederblick
in das tiefe Thal, das mit den bunten Variationen verschiedenartiger
Kornfelder in lieblichen Auen das Zusammenspiel seiner wechselnden
Färbungen zu einem wohlthuenden Gesammteindruck vereinten. Das
Thal von Chimbo ist eins der fruchtbarsten und würde, ohne den
jetzigen Verfall, in einen völligen Garten verwandelt sein.
Wir hatten dann verschiedene Hügel, mit vielgestaltigen Erhebun-
gen, und ausgefüllten Thalabschnitten auf holprig gebrochenem Wege
zu übersteigen, und sahen schon seit länger die an steinigem Abhang
gelegene Bergstadt Guaranda vor uns, die uns die Ermüdung der
Thiere aber erst 7 Uhr Abends zu erreichen erlaubte.
In Guaranda fand sich ein Hotel, freilich ein solches nach ecua-
dorianischer Landesart, aber doch ein unter den Verhältnissen dorti-
ger Reisen sehr schätzbarer Luxus. Da ich einige Einführungs-
schreiben dorthin hatte, schickte ich dieselben durch meinen Diener
an die Adressen, und bereits am nächsten Morgen stellte sich Einer
dieser Herren vor, um mir mitzutheilen, dass er bereits auf dem Markt
den Ruf von meiner Ankunft durch die Stadt habe ergehen lassen
(correr la voz oder el grito, wie er sich ausdrückte).
Ich fühlte mich meinem neuen Freunde für diese Aufmerksam-
keit nicht gerade verbunden, denn in Folge derselben hatte ich eine
Anzahl von Besuche zu empfangen, und obwohl sich dadurch Ge-
legenheit geboten hätte, meine Erkundigungen über Alterthümer zu
vervielfachen, so zeigte sich doch bald, dass die Antworten sehr monoton
blieben, und nur Weniges in Erfahrung zu bringen sein würde. Ausser
einigen Kleinigkeiten, sah ich nur ein paar altspanische Gelasse aus
der früheren Zeit der Colonisation , die immerhin einiges Interesse
hatten und dem Uebrigen zugefügt werden konnten.
Guaranda, das sich schon bald nach Chimbo's Gründung (1534),
auf Kosten .dieses vergrösserte, liegt in der Höhe von 8450 Fuss an
einem bebauten, aber auf den Höhen kahlem Bergrücken, hinter
welchem sich das Schneehaupt des Chimborazo erhebt, und durch
die von ihm herabrasenden Winde werden mit täglicher Periodicität
die Strassen der Stadt gefegt. Am Vormittag brach ein solcher
Orkan los, der alle Fenster der Posada erzittern machte, und es sind
diese Schneestürme, die, der Erzählung nach, schon manchen Rei-
senden, Ross und Reiter, auf dem Wege über das Arenal in die Ab-
gründe geschleudert haben sollen. Es wird deshalb stets die Passage
GUARANDA. 71
am frühen Morgen angerathen, und ich hatte demgemäss meine An-
ordnungen getroffen. In den neuen Thieren, die meistens an dieser
Station, ein Hauptsitz der Arrieros, gewechselt werden, war ich dies-
mal glücklicher. Einer der Bürger, an den ich empfohlen war, hatte
zwei Pferde eines Gastfreundes in Verwahrung, mit dem Auftrage,
sie nach Ambate zurückzuschicken, und überliess sie mir für den ge-
wöhnlichen Miethspreis. Nachdem dann noch ein Pack - Maulthier
verschafft war, konnte ich diesmal für eigenen Gebrauch ein wohl-
gepflegtes Pferd aus der besseren Rasse Südamerica's besteigen, und
es war das kein geringer Genuss, nachdem man ein paar Tage auf
dem Rücken eines abgetriebenen und abgemagerten Postkleppefs
herumgestossen wurde.
Da die Zahl der durch die Verkündigung, auf dem Markte neu-
gierig Gemachten bedenklich wuchs und sich auch bereits Appli-
canten für Medicin darunter befanden, war ich froh, als wir am Nach-
mittage im Sattel sassen und die Stadt verlassen konnten. Uebcr
spärlich angebaute Bergmulden wurde, am Fusse des Ponga Loma,
die Hacienda Quino-Corral erreicht, d. h. eine einsame Hütte, als
letzter Vorposten auf dem bewohnten Boden. Da ein Betreten des
Innern aus verschiedenen Gründen nicht anzurathen war, leg^e ich
mich für ein paar Stunden, in den Poncho gehüllt, unter dem Vor-
dache nieder, Hess indess bereits um i Uhr Morgens bei Fackellicht
Alles zum Ausflug vorbereiten. In der Dunkelheit, die nur unvoll-
kommen den Aufbau des Terrains erkenn<^n Hess, zogen wir über
die von der Hochkette auslaufenden Bergrippen, auf- und absteigend,
und auf Holzbrücken über tief unter uns rauschende Flüsse. Jenseits
der Höhen erschien das Schneehaupt des Chimborazo, um wieder
zu verschwinden, bis nach dem Passiren des Rio de Panza, unter
Aufhören der Vegetation, der letzte Rücken zum Arenal hin über-
schritten wurde, an einem, im Rückblick das abfallende Gebirgsland
begreifenden Punkte. Unter den mit der Dämmerung aufsteigenden
Nebelmassen trat, beim Zerreissen derselben, der Schneeriese Chim-
borazo hervor, an dem die Wolkengeister gespenstisch vorüber-
streiften, und später begann die Vorderspitze des Gipfels, von den
Strahlen der Sonne getroffen, leuchtend zu erglänzen.
Nachdem wir dem Rio del Arenal über die steinige Hochfläche
gefolgt waren, bricht diese dann in unebenes Terrain nieder, und
man blickt in eine von Felsen umzogene Schlucht, in welcher aus
einer Grotte der Rio de Chorcra herabfällt.
Ohne Aufenthalt ritten wir an Tortillcras vorbei und weiter an
72 NACH CHILE.
Chuquipoyo, beides Holzverschläge zum Schutz der vom Unwetter
Ueberraschten, auch zum Uebernachten benutzte Häuser, in welchen
man indess ausser durchlöchertem Dach und Fach, Nichts findet, aus-
genommen, leicht begreiflich, gründlichst angehäuften Schmutz.
Doch würde das, bei den Nothfällen, die hier eintreten können,
nicht viel beachtet werden.
Von unserem hochgelegenen Standort blickten wir seitlich über
weite Landschaften hinweg, die in den vielgestaltigen Conturcn eines
perspectivischen Ueberblickiis prangten, mit dem Miniaiurbild der
fernen Stadt Riobamba in der Mitte, bis ein muldenförmiger An-
steig zu den äussersten Höhen das Gemälde umrahmt.
Indem der Weg allmählig wieder jenseits der Lava - Bedeckung
des Paramo von Sanancajas, niedrigere Elevationen erreichte, sahefi
wir wellige Thäler um uns wogen mit tief eingeschnittenen Fluss-
betten der von Hochgebirgswänden abströmenden Wasser.
Der spärliche Anbau mehrte sich, als wir von einem Flussbett
ansteigend, Mocha erreichten, jene in den Kämpfen der Cara sowohl,
wie in der Geschichte der Conquista vielgenannte Feste, und dann
erfreute sich das Auge der Gärten am Wege, der an malerischen
Schluchten windend umherfuhrte, bis Abends 5 Uhr Ambato in
einer Vertiefung zu unsern Füssen gescheu und damit auch erreicht
wurde.
Das jetzige Ambato, das durch seine Gärten und reinlichen
Strassen, einen freundlichen Eindruck macht, wurde dorthin von
der durch die Spanier am Flusse gegründeten Stadt verlegt, im
Jahre 1699. Seine einheimischen Bewohner, die Hambatos, welche
in die Stämme der Huapanti, Pillarus, Quisapinchas und Isambas zer-
fielen, wurden, bei dem Vordringen des 7. Schyri oder Königs (von
Quitu) bis Mocha den Caras unterworfen. Später theilten sie das
Schicksal dieser, unter die Herrschaft der Inca zu fallen, und eine
sandige Erhebung am Ende des Pueblo, wo vielfach alte Töpfer-
scherben angetroffen werden, führt noch jetzt den Namen Inga-Urcu.
Bei Ambato erkämpfte Atahualpa den Sieg über Atoco, Feldherr
seines Bruder's Huasco, wodurch ihm der Weg in die Länder seines
Rivalen geöffnet wurde, Der Gouverneur Mera, den ich aufsuchte,
besass den in diesem Lande seltenen Schatz einer Bibliothek, die in
spanischer Zeit kaum möglich gewesen sein würde, weil die Bücher
der Erlaubniss der Inquisition bedurften und erst der Censur der Cali-
ficadores vorzulegen waren. Die Plaza bot, da es gerade Markttag
war, einen belebten Anblick und hatten sich dort die Indianer aus
AMBATO. 73
der ganzen Umgebung in ihren verschiedenen Trachten zusammen-
gefunden. In der Posada wurde lange über das Miethen der Thiere
verhandelt, und da ich mir dieselben zur Prüfung auf dem Hofe vor-
fuhren Hess, gelang es mir, wenigstens für den eigenen Gebrauch, ein
frisches und feuriges Pferd auszusuchen, einen der bequemen Pass-
gänger dortiger Reitart, auf denen das Reisen eine Lust ist. Ausser-
dem war der Weg für ein Gebirgsland ausnehmend gut, da von dort
die von dem Präsidenten Moreno bis zur Hauptstadt angelegte
Chaussee beendet war, und auch bereits wöchentlich einmal (oder
zweimal) von einer Diligence befahren wurde.
Am Nachmittag (August i.) ritten wir fort, längs der Schlucht
über den unten hingewundenen Fluss Ambato (oder Hambato), und
dem Umblick wurde stete Unterhaltung gewährt durch die zerklüftete
Gegend, worauf er fiel, und ihre felsigen Terrassen, an deren be-
bauten Stellen die Färbung in verschiedenen Schattirungen wechselt.
Ueber den Fluss Cutuchi, der in einem tiefen Bette hinströmt,
fuhrt eine in Steinbogen erbaute Brücke. Seit dem Passiren der
Wasserscheide (zwischen dem j>acifischen und atlantischen Ocean)
auf dem Arenal des Chimborazo, fanden wir uns im Flussgebiet des
Maranon, indem die Ströme dieses Hochbecken's sich dorthin wenden,
unter dem Durchbrechen der Andeskette. Der auf dem Cotopaxi
entspringende Rio Gallo oder Pumacunchi vereinigt sich, nach Auf-
nahme des Tacunga oder Cutuchi und des Pillaro oder Ambato, unter
dem Namen Patate mit dem (durch den Rio Luto Riobamba's ver-
stärkten) Chambo und bildet dann, nach der Cascade von Agoyon
den als Pastassa bekannten Nebenfluss des Solimoes (oder Maranon).
Auf der Heerstrasse trieben sich eine Menge Indianer mit ihren
Frauen und Kindern umher, die grösstentheils betrunken, aus den
Sonntagsschenken in ihre Heimathsdörfer zurückkehrten. Doch war
die Trunkenheit keine lärmende, sondern dem unterwürfig ergebenen
Charaoter der Indianer gemäss , eine stillvergnügte, indem sie monoton
vor sich hinschwatzend im Trabe hinter einander herliefen und die
im Rausche Taumelnden und Stürzenden mit freundschaftlichsten
Dienstleistungen einander unterstützten. Besonders schien es Auf-
gabe der P>auen, ihre Ehemänner heimzuleiten, und suchten sie der-
selben oftmals mit einer, trotz des komischen, fast rührenden Zärt-
lichkeit gerecht zu werden.
Bereits zu Torquemada*s Zeit begannen die Indianer in Mexico,
wie die übrigen Stämme in America und Africa seit der Berührung
mit den Europäern, sich dem Laster der Trunkenheit zu ergeben,
74 NACH CHILE.
aber er weiss noch, dass dies früher nicht der Fall gewesen (en su
gentilidad no se emborrachaban) und die Begleiter Cortez fanden
sie noch als das „nüchternste Volk der Welt" (s. Ramusio). Von
einem Trunkenbold sagte man, wie Sahagun bemerkt, dass er „sein
Kaninchen" (statt den „Affen") habe (que aquel borracho era su conejo)
und der Rauschtrank wurde Centzontotochtli (400 Kaninchen) ge-
nannt, um die verschiedenen Arten zu zeigen, in welchen er sich bei
den unter dem Zeichen Umetochtli (dem dritten Hause in der zweiten
Constellation der Cemacatl) Geborenen manifestire. Gegen den Miss-
brauch spirituöser Getränke bestanden sehr strenge Gesetze, und
waren im Allgemeinen bei Festlichkeiten den Ueberdreissigjährigen
nur zwei Becher erlaubt (s. Zurita), wobei einzig in der Weinlese, wenn
unter Verehrung des Gottes Izquitecatl die Maguey - Pflanze zuerst
angebohrt wurde, für die Arbeiter (los que nuevamente horadaban
los magueyes y hacian vino nuevo) eine Ausnahme gemacht werden
mochte. Sonst konnte nur auf ärztliches Zeugniss hin, Kranken oder
der Stärkung Bedürftigen, wenn sie sich an die Behörde wandten,
ein freierer Gebrauch des Weins erlaubt werden, ebenso bei schwerer
Arbeit, oder (nach Ortega) den Soldaten auf einem Feldzug, doch
selten mehr als drei Becher (s. Zurita). Dagegen durften Sechzig-
jährige, um sich nach den Mühen eines langen Lebens zu erholen,
ungestraft trinken, und denen, die das siebzigste Jahr überschritten
hatten, war ein uneingeschränkter Gebrauch des Weins freigestellt,
dessen sie sich bis zur Sinnlosigkeit bedienen mochten, wie es in den
Bilder -Erklärungen zu den Tafeln des Codex Mendoza (b. Kings-
borough) ausgesprochen ist.
Bei einer Windung des Weges trat hinter der abschliessenden
Bergreihe der Schneekegel des Cotopaxi hervor, dieser bis tief herab
mit weissem Leichentuch umhüllte Gigante unter der Mannigfaltigkeit
der auf dem ccuadorianischen, oder äquatorialen Hochlande, thronen-
den Vulcane.
Die Häuser am Wege waren aus Rohr hergestellt, mit Lehm
bekleistert, oder aus rohen Steinen mit überhängendem Strohdach,
*
zuweilen hinter einem aufgemauerten Hofthor. Die Einfassungen der
Felder werden meist durch Gräben hergestellt, Agave oder Aloe
(Agave Americana) bezeichneten den klimatischen Character, oder die
Fruchtbäume in der tieferen Einsenkung Ambato's waren schon bald
nach Verlassen der Stadt verschwunden.
Beim Blick auf ein erweitertes Thal zeigte sich Latacunga oder
LATACUNGA. 75
Tacunga (San Viniente Martir de la Tacunga), wo wir in der Posada
(Hotel Bolivia) abstiegen.
Als ich am nächsten Morgen den Gouverneur San Miguel auf-
suchte, lud mich derselbe zum Frühstück ein, wo ich mit Padre
Menten zusammentraf, einem der vom Präsidenten für den Schul-
unterricht in's Land berufenen Jesuiten. Er zeigte mir im Colleg
(dem bei vormaliger Vertreibung der Jesuiten zur Disposition ge-
stellten Klostergebäude La Merced) ein physikalisches Laboratorium,
viele werthvolle Instrumente enthaltend, die durch einen im Auslande
(in Cuzco) verstorbenen Sohn Latacunga 's (Don Vincente Leon) seiner
Vaterstadt vermacht waren. Auch einige ausgegrabene Urnen mit
Bemalung fanden sich dort. Es war von dem Erblasser die Be-
stimmung getroffen, dass mit den für Errichtung der Bildungsanstalt
ausgesetzten 200,000 Pesos nicht nur Lehrstühle für Recht und Me-
dicin, sondern auch für Chemie und Physik einzurichten seien, und
auf Boussingault's Empfehlung wurde die Professur Cassola übertragen.
In dem alten Sitz der Llatancunga oder Llatan-cungas (Llacta-
cunga), von denen Villavicencio 16 Stämme aufzählt, werden grosse
Tempel nebst andern Gebäuden erwähnt, und erst nach längeren
Kämpfen gelang es den Scyris von Quito dieses Land zu unter-
werfen. Es wird mehrfach (auch in Dapper's Erzählung) von der
Verehrung eines goldenen Schafe's, also Lama's, gesprochen, und
wir hatten auf der Landstrasse diese Schaf - Kameele gesehen, frei-
lich nicht in den grossen Heerden peruanischer Lama's, son-
dern einzeln am Bändchen gefuhrt (nach Art der Alpacca), als
seltenes Hausthier. Da die Existenz der Llama als letzte Ressource
an das sonst fast nahrlose Ycho-Gras (Stipa Ichu) oder Xarave ge-
knüpft ist, kommen sie über die nördliche Verbreitung desselben
nicht vor, während im Süden auch die klimatischen Bedingungen
eine natürliche Schranke setzen. In der Gattung Auchenia tritt die
Wirkung der geographischen Provinz in ihren vicarirenden Schöpfungen
zu Tage, indem sie die Camele der alten Welt in der neuen vertritt,
ihren zoologischen Characteren nach aber zwischen den Familien
der Tylopoda, Cervina und Cavicornia schwankend bleibt, und so
in einem schematisirenden Genealogienbau allerlei Uebergänge simu-
liren könnte, während gerade diese Erscheinung mit einem bestimm-
ten typischen Ausdruck der Natur gestempelt ist. Wie die heerde-
weis gezähmten Lama (LIamcani oder Lastthier) den Kameelen ent-
sprechen , würden die nur beziehungsweise domesticirten Alpaca
(Allpaco oder Geschöpf des Landes) mit den Schafen oder Ziegen,
76 NACH CHILE.
die die Pampas durchschweifenden Guanuco mit den Antilopen oder
^ehen, die auf hohe Spitzen kletternden Vicuna mit den Gemsen ge-
wisse Analogien bieten. DieFossilen fanden sich beiWallace^) aufgezählt.
Nach dem Miethen neuer Thiere ritten wir um Mittag (August 2.)
über eine steinige Ebene, zu den Bergreihen erstreckt, zwischen
Felder hin, und bogen nach Mulalo ab, wo sich über die deutschen
Forscher, die Herren Reiss und Stübel, sowie über die Besteigung
des Cotopaxi durch den Ersteren, noch manche Traditionen erhalten
hatten. Eine neben dem Vulcan liegende Felsmasse führt die Be-
zeichnung Cabeza del Inca und soll in jenem Ausbruch des patrio-
tischen Vulcanes abgestürzt sein, der an dem Hinrichtungstage Ata-
hualpa's in Caxamarca seinen Zorn und seinen Schmerz bekundete.
Der steinigen Ebene weiter folgend, trafen wir auf einen, wegen roher
Eindrücke, als Fusstapfen des heiligen Bartholomäus verehrten Stein ^),
auf dem bunte Sträucher und Blumen als Gaben niedergelegt waren.
Dieser in einem bleiernen Sarg von Indien (ob aus dem östlichen
oder westlichen) nach den liparischen Inseln geschwommene Heilige
musste vaterländische Erinnerungen wecken, die ich den Landes-
kindern verschwieg, denn seine Reliquien liegen seit dem 9. Jahr-
hundert in Aachen „ein rechter Kramladen zu derlei Stampanei",
wie Mahler meinte. Dort finden sich auch „beide howe tuecher und
unser frawen hemd" (ofiOffOQioy.)
Ausserdem wurden die „Windeln des Heilandes" — die (nach
Claudius in Turin) nur „alte'* Windeln waren, aber nach den Apo-
cryphen doch jedenfalls (in Aegypten)') rein gewaschene, — oder
*) Jede Familie der Cainelidae bildet die Gattung Camelus (2 Arten), ,,eine hoch
characteristische Wüstenform der palae -arktischen Region von der Sahara bis zur Mon-
golei und dem Haikaisee. Auchenia (4 Arten) mit den Lamas und Alpaccas ist ebenso
characteristisch für die Berge und Wüsten des südlichen Theiles von Südamerica, zwei
Arten, die ganz domesticirt sind, bewohnen die pcruvianischen und bolivianischen Anden,
und zwei andere werden im wilden Zustande gefunden , die Vicufta auf den Anden in
Peru und Chile und der Guanaco auf den Ebenen von Patagonien und Tierra del fuego."
In den Postpliocän-Ablagerungen in Califomien hat man eine Auchenia gefunden und in
denen von Kansas eine Art der ausgestorbenen Gattung Proca*nelus (und diese mit den
lebenden Kamelen nahe verwandte Gattung war in der Pliocän- Periode sehr zahlreich).
In Südamerica wurde eine Art von Auchenia in den Höhlen von Brasilien gefunden, und
andere in den Pliocän -Ablagerungen der Pampas neben zwei ausgestorbenen Gattungen
Palaeolama und Camelothcrium (s. Wallace). Ein östlicher Doppclgänger ist der Vak.
') Die Fusstapfen des heiligen Bartholomäus werden vielfach in Südamerica gezeigt,
während Andere sie dem heiligen Thomas zuschrieben, und auch St. Antonius ist dort hin-
geführt, indem (nach Temple's Bericht) ein Felsenriss bei Potosi dem ihm nachstellenden
Teufel zugeschrieben wird (wie ähnliches an indischer Coromandelküste bei der Flucht
des heiligen Thomas). Divus Bartholomaeus praedicavit Evangelium Sancti Matthaei Tndiis
iis, qui dicuntur Fortunati (liieronymus), auf einem Hall)wcgchaus nach America.
') An heiligen Bnmnen ist sonst in Palästina kein Mangel, wie sich (ausser Ain
RELIQUIEN. 77
(wofür sie 1548 galten) die „Josephshosen", die „Chaussettes Saint
Joseph" des Pilger's Philippe von Vigneuelles, in Aachen's Reliquien-
schatz gezeigt. „Wer sie siehet erlangt viell Vergebung seiner Sün-
den" (Bartholomäus Sastrowen).
Floss vermuthet in der bei Claudius von Turin, jenem „häretisch
gesinnten" Bilderstürmer, vorkommenden Bezeichnung „alte Windeln"
einen Seitenhieb auf die „damals schon im Aachener Hofe vorhande-
nen, von Constantinopei empfangenen Windeln des Herrn zu er-
kennen", so dass damit diese Reliquien der Zeit Karl des Kahlen
glücklich gesichert wären.
So lange die Genuität solches Cultus für Millionen und Milliarden
gegenwärtiger nicht nur, sondern hingegangener und kommender
Geschlechter, bei einem ihre Geschicke im Jenseits bedingenden
Glauben mitspricht, so lange können die Details nicht scharf genug
weiter detaillirt werden, und mögen hoffentlich bald die Reliquien
selbst aus dem Halbdunkel ihrer Heiligenschreine hervortreten und
sich allen Proben chemischer und physicalischer Untersuchung unter-
werfen, um daraus dann um so verklärter hervorzugehen, (voraus-
gesetzt, dass etwas dabei übrig bleibt). Das in Purificationen ver-
narrte Heidenthum hielt die Berührung der Todten iür verunreinigend,
und während der diocletianischen Verfolgung warf man (nach Euse-
bius) die Gebeine der Märtyrer, um sie dem Cultus der Christen zu
entziehen, ins Meer, aber, wie Basilius ausführt, sind die im alten
Bunde unreinen Leichenkörper im neuen mit heiligender Gnade
durchdrungen, und schon die Gebeine des heiligen Ignatius wurden
„als unschätzbare Kleinodien" von Rom nach Antiochien gebracht
von jenen Christen, die Vigilius (4. Jahrhundert) als cinerarios und
idolatros zu bezeichnen wagt, aber freilich dafür vom heiligen Hiero-
nymus seinen Text gelesen erhält. Da Iür liefert der peruanische
Mumien - Cultus (in den Malqui) belehrende Parallelen. Nicht nur
dass bei den Fossilien und Aehnlichem sc nderbare Sachen zusammen-
gesammelt scheinen, sondern in den, die technischen^) Fertigkeiten ver-
Miriam in Jerusalem) bei Ain Charim der Bnmnen Mariae findet, den sie l)ei ihrem Be-
suche Elisabeth's benutzte, sowie der Jesu- und Maria -Brunnen bei Nazareth , aus dem
Jesus, als er seinen Wasserkrug zerbrach, das Wasser seiner Mutter in dem Schurztuchc
zutrug (s. Sanutus). Die Kaiserin Helena Hess deshalb steinerne Gefässe verfertigen,
,,das Vieh zu tränken und Leinwand auszuwaschen."
*) Auch die Spiritualisten könnten dies bedenken. Auf der Pacific-Railroad erzählte
mir einer der Mitpassagierc , dass er «selbst ein Stück des Gewandes in Händen gehabt,
das einer (oder eine) der ,,Spirits" unter seine Freunde vertheilt hätte. Als ich auf mein
Fragen hörte, dass dieses Zeug durch Matcrialisirung der Aethcratmosphäre gebildet sei,
78 NACH CHILE.
schiedenster Art damaliger Erde- und Himmelbewohner illustrirendeii
Ueberbleibseln versprechen die Reliquien bei sorgsamer Durch-
forschung eine Menge interessanter Belehrung, sobald ihre Aechtheit
beglaubigt ist, und mit Recht traf deshalb schon Gregor M. Vor-
sichtsmassregeln, als griechische Mönche bei der Kirche des heiligen
Paulus Todtengebeine als Reliquien ausgruben. Dem heiligen Martin
von Tours wurde es bei seinen Zweifeln im Gebet enthüllt, dass die
bisher als heilig betrachteten Gebeine in einer rivalisirenden Kirche
nur die eines Strassenräubers seien, doch scheinen später solche In-
dicationen gefehlt zu haben, als sich während der Kreuzzüge eine
derartige Fluth gefälschter Reliquien, besonders aus Constantinopcl
ergoss, dass das vierte Lateran -Concil sich (1215) zu seinen Verord-
nungen veranlasst sah (quod quidem Sanctorum reliquias exponunt
venales). Später freilich lohnte es sich nicht mehr der Mühe der
Fälschung, seitdem man den Schatz der Katacomben entdeckte, aus
dem sie fiir jede Nachfrage acht zu haben waren, denn da sich nach
der Inschrift am Eingang der Katacomben in der Kirche St. Sebas-
tian dort 174,000 heilige Märtyrer bestattet finden, werden sich die
Knochen und Knöchelchen wohl nicht sobald erschöpfen.
Auch in Lima standen Reliquien feil, wie Schmarda erzählt und
zugleich bemerkt, dass ihm „zwar nicht, wie dem Commodore Wilkes,
die Schädel der Erzbischöfe zum Kauf angeboten'', dass es indess,
wie er nicht zweifle, dem Sacristan „keine Mühe gekostet hätte,
einige neue oder wenigstens in partibus zu ernennen." Von manchen
Heiligen wurden so viel Köpfe gezeigt, wie das Ungeheuer Lernäon
gehabt hatte (nach Hurter's Ausdruck).
Eine besonders feine Distinctionsgabe (die indess auch un-christ-
lichen Priestern nicht fehlt) wird für den Taxationswerth der Reli-
quien erfordert. „Das Kreuz, an welchem der Erlöser gestorben,
wird höher geachtet, als dasjenige, an welchem Petrus gelitten",
lehrt Habert, aber es käme ferner auf die genaueren Verhältniss-
werthe des Hypodulischen an zum allgemeinen Cultus duliae (der
Heiligen und Engel), wie andererseits die heilige Jungfrau im Cultus
rieth ich dem im Gcistenerkehr bewanderten \'ankee, wenn ihm wieder derartiges unter
die Hände käme, es nicht loszulassen, sondern einem Physiker zu übergeben, der es
durch Analyse auf den Lichtäther weitep fiir die Wissenschaft würde verwerthen können.
Nach dem, W3s ich indess später persönlich in einer solchen Geistersitzung zu er-
leben halte , glaube ich kaum , dass meine Ermahnung gefruchtet haben wird. Die von
Ammanius Marcellinus (in Bezug auf Theodosius) erwähnte Tischbefragung, die auch Ten-
tullian bekannt war (s. l.ecanu), erinnert in vielen Einzelnheiten genau an die noch iu
China übliche (wie bei sibirischen Schamanen).
p
CALLO. 79
hyperduliae zur Auszeichnung darüber erhoben wird, nnd der Cultus
latriae für den deus in pyxide reservirt bleibt. Hinsichtlich der theo-
logischen Ansicht, „das Kreuz Christi sei mit latreutischen Cult zu
verehren", macht Bellarmin „auf die grosse Gefahr aufmerksam, der
man sich aussetze, wenn man das Volk so belehre. Diejenigen, sagt
er, welche dieser Meinung beipflichten, sind genöthigt, sich so feiner
Distinctionen zu bedienen, welche kaum sie selbst, geschweige denn
das Volk recht verstehn" (s. Kerker). Wohl hat er recht, der weise
Mann. Aber wenn man nun diese feinen Distinctionen des Cultus
latriae, duliae und hyperduliae (oder auch hypoduliae) auf den Fetisch-
dienst des Neger's übertrüge, so würde hier ebenfalls wohl das ge-
meine Volk nichts „recht verstehen", der scholastische Tüftler aber mit
Leichtigkeit eine Deutung finden, die es ziemlich gleichgültig Hesse, ob
man den Fetischdienst ") Reliquiensdienst nennen wollte, oder umgekehrt
diesen jenen. So bleibt es doch wohl besser, sich hier dem ge-
heimnissvollen Dunkel des Unverständlichen zu beugen und einer
durch Inspiration erleuchteten Priesterweisheit, welche allein würdig
sein wird, solche Mysterien zu ergründen.
In Südamerica hat man dies mit richtigem Tact herausgefühlt,
wie sich aus vielfachen Mittheilungen der dadurch überraschten Rei-
senden schliessen lässt. So erzählt Coreal, (oder doch Pseudo-Coreal),
er sei mehrfach Ohrenzeuge davon gewesen, dass die Peruaner ihren
Kindern Schweigen anbefohlen, wenn ihnen von diesen religiöse
Fragen vorgelegt wurden, indem sie ihnen sagten: „Nimm dich in
Acht, dass du nicht wieder so Etwas fragst, sonst könnte dich der
Teufel wegholen. Solche Dinge darf nur der Pfaffe wissen, denn er
besitzt die Macht, den Teufel fortzutreiben"^), (wenn er ihn nämlich
sollte holen wollen).
Von dem heiligen Stein gelangten wir nach der Hacienda des
Sertor Comejo am Fuss des (Panecillo) Cerro de Callo*) (oder Pachu-
.sala) im künstlichen Ausbau (der Tradition nach).
Hier steht jenes seit Ulloa's Zeit vielfach beschriebene Monu--
^J Wir sind nicht so thöricht, sagte ein Mexicaner zu Zuazo, die mit Hand ge-
machten Figuren fiir Gölter zu halten, aber wir verehren in ihnen die Sonne, den Mond
und die Pbneten (s. C'arli). In Voruba heisst das Götzenbild : Alaybawi, oder Vermittler
mit dem höchsten Wesen, dem auch als Mawu bei den Eweem nur durch Fürsprache
genaht wird.
*) Garde - toi bien de nie demander cela une autrefois , de peur qoe le diable ne
t'emporte. 11 n'y a que le Padre qui doive savoir ces choses, parcequ'il a le pouvoir de
chasser le diable.
') Velasco nennt unter den Latacunga bewohnenden Stämmen die (^nllas und CallcK.
so NACH CHILE.
ment, das jetzt in der Hacienda San Agostin de Gallo als Magazin-
schuppen, bei Dr. Reiss' Besuch als „corrales de puercos" (Schweine-
stall) benutzt wurde. Die Mauern, mit oben verschmälerten Thüren
und Nischen (Hoco) im Innern, sind a^s jenen an dem verbreiterten
Ende convexen Steinen gebaut, welche die Inca- Werke (wie manche
alt-etruskische Bauten) charakterisiren (in der rustificirenden Manier).
Cieza de Leon spricht mit Bewunderung von dem Anblick, den diese
Monumente zu* seiner Zeit noch darboten, und erwähnt die Nischen
als zur Aufbewahrung goldener Schafe (Lama's) bestimmt.
Im Hügel des Cerro de Gallo soll sich eine jetzt verlorene Thür
mit Bemalung finden und an die Stelle neuerer Ausgrabungen wur-
den frühere Gärten der Inca von dem Volksglauben hinverlegt. Doch
bleibt es sehr zweifelhaft, ob Menschenkunst mit dieser Aufrichtung
etwas zu thun hat, da das Fundament jedenfalls, wie bei der P>'ra-
mide Gholula's, natürlich ist.
Da die Besichtigung uns länger, als berechnet, verweilen Hess,
gelangten wir erst spät Abends auf einen in der Dunkelheit nicht
sehr bequemen Pfade nach dem allein stehenden Tambo von Tiupullo,
früher der Lieblingsplatz der Strassenräuber, um dort den Reisenden
nach Quito oder nach Guayaquil aufzulauern (wie zu Osculati's Zeil).
Das Zimmer des Tambo war bereits mit Reisenden von verschie-
denen Richtungen her gefüllt, und darunter traf ich einen deutschen
Jesuiten, Pater Dressler, der für den Unterricht in der Zoologie an-
gestellt war und sich dieser Wissenschaft in dem noch so vielfache
Ausbeute versprechendem Lande mit Kifer und Erfolg gewid-
met hatte.
Das Ameublement des Raumes bestand, neben einigen wackligen
Stühlen, in einem langen Tisch und zwei Iceren Bettgestellen. An
dem ersten wurde das Abendessen, bei dem es ausser dem landes-
üblichen Locro (dem Ghupe Peru's entsprechend) allerdings nicht viel
gab, eingenommen, die beiden letzteren wurden von den Eingebo-
.renen mit so natürlicher Höflichkeit den beiden Fremden, dem Pater
und mir, überlassen, dass man sich nicht weigern konnte. Die übrige
Gesellschaft lagerte in ihren Decken auf der Erde, oder auf dem
Tisch, doch auch dann gut zugedeckt, da die Nacht empfindlich kalt
war. auf einer Höhe von 11,500 Fuss. An Heizung ist nirgends zu
denken, da das spärliche Brennmaterial aus Gras zusammengesucht
werden muss, während in Peru wenigstens noch die Dunghaufen der
Lama, welche für ihre Kothentleerungen bestimmte Stellen benutzen,
einigermassen aushelfen (wie Kameelkoth in der Steppe und Wüste).
TfUPUT.LO. 81
Schwierig ist schon das Kochen, wegen des zu frühen Siedens des
Wassers und auch* der Brennspiritus, den ich einige Zeit bei mir
führte, gab wenig Wärme und war langsam im Entzünden.
Auf dem Bergrand des Despablado (auch schon Paramo genannt)
in,Tiupullo schliesst sich einer jener Nudo (Knoten), die sich in der
Aequatorialgegend vervielfältigen. In den zerrissenen Felsinseln der
Magellanstrasse aus dem* Meere aufsteigend, streift das südamerica-
nische Rückengebirge in zwei, und auch drei, Ketten durch Chile und
breitet sich dann in Bolivien zu dem nach Osten vorgeschobenen
Hochwall aus, der zur Scheidung der Wasser zwischen dem Maranon
und Parana beiträgt. Auf der Puna des Titicaca-See's scheiden sich
dann bestimmter jene beiden Bergmauern, die an der Aenderung der
Küste bei Arica^) theilnehmend, als Cordillere im Westen und Andes
im Osten, neben einander herlaufen, die Sierra Peru's zwischen sich
einschliessend, besonders deutlich in dem Nudo von Vilcanota bis
zu dem Nudo von Pasco. Weiter nördlich kommen mit dem Zutritt
von Küstenketten (wie die, welche dem Rio Santa seine zeitweis
nördliche Richtung anweiset) transversale Complicationen vor, bis
sich mit dem Zusammenschluss bei Loja das System der Querjoche
bildet, das in seinen Knoten das Vulcanland Ecuador's in einer Suc-
cession von eingesenkten Hochthälern durchschneidet. In dem
Zwiebelgebirge von Pastos gliedert sich dann die Drei- oder Vier-
theilung der columbischen Andes-Cordillere, die mit ihrem einen
Zweige nach Osten hinüberstrebt, zur Erreichung der Sierra nevada
bei Santa-Martha (oder doch zur Einhaltung der Richtung dorthin),
mit dem andern im Choco erstirbt, und mit den beiden mittleren
(von denen der sog. centrale die Flusstheile des Cauca und Magda-
lena bis zu ihrer Zusammenmündung trennt) sich in dem Berggewirre
Antioquia's in einander schlingt, gleichsam den Endpunct des Gebirgs-
zuges, der, bei der schon am Atrato statthabenden Möglichkeit für
eine Wasserverbindung der beiden Oceane, eines directen Anschlusses
an die, dann allmählig wieder auf den Isthmus aufsteigenden, Höhen
ermangelt und nur theoretisch bis zum nördlichen Felsgebirge fort-
gesetzt werden kann.
Die neue Richtung, welche der columbische Cordillere nimmt,
ist gewissermassen in dem Nudo von Tiopullo voraus angedeutet,
oder wenn man will, bereits in der westlichen Vulcan-Region des
') Bei Arica verwandelt die Küste ihr nordsüdliches Streichen in ein nordwestliches,
und daran nimmt (wie Humboldt bemerkt) nicht nur die westliche, sondern auch die
östliche Gebirgskette Thcil.
Bastian: America« I. ^
82 NACH CHILE.
Chimborazo. Ungefähr auf gleicher Höhe mit der Punta Parina, dem
entferntest in den Pacific auslaufenden Vorgebirge Südamerica's und
dem Endpunct des von Chile heraufreichenden oder (in der Auf-
fassung der südlichen Hemisphäre) hinabreichenden Wüstenstriches,
verändert der Maranon in seiner grossen Beuge die bis dahin nörd-
liche Richtung in eine östliche, und nachdem sich die auf eine Linie
zusammengedrängte Cordillere im Nudo von Savanilla wieder ent-
faltet hat, beginnen sich bald die Wasseradern zu sammeln, die
(neben den Küstenabflüssen zwischen Tumbez und Naranjal) zur
Bildung des weiten Wasserbassin's im Golfe von Guayaquil beitragen,
vom Azuay bis Chimborazo. Jenseits des Chimborazo und Carihu-
airazo zieht sich dann der grosse Vulcanring umher, der (während
der Sungai noch im Osten thätig ist) zu verschiedenen Zeiten er-
loschenen Krater (des Altar, Tunguragua, Cotopaxi, Corazon, Iliniza,
Pichineha, Antisana bis zum Cayambe), zwischen denen der Nudo
von Tiupullo eine Wand vorschiebt, welche die Wasserläufe, die sich an
der (durch eine zwischengedrängte Kette getrennteren) Küste wieder
auf ein geringes Mass reduciren, nördlicher sendet (im Gegensatz zu
den südlichen Abläufen in dem Golfe von Guayaquil). Quito liegt
bereits, durch den aus Chillogallo und Magdalena mit den Abflüssen
von Cantera und Sanguna gebildeten Machängara und Rio de San
Pedro, im Flussgebiet des Esmeraldas, und zugleich dem des Napo
nahe gerückt, aber durch die Kette Guamane von seiner Quelle ge-
trennt, während man sich diesseits von Tiupullo für den Osten noch
im Flussgebiet des Pastassa findet, der gleich dem (im Oyacache auch
vom Cayambe nnd Pisambilla genährten) Napo, seine Quelle
dem hier als Vormauer dienendem Cotopaxi entnimmt, auf wel-
chem auch der in den Fällen des Salto durchbrechenden Rio
Pedegral (als der entfernteste Zweig des Esmeraldas) seinen Ursprung
findet. Der aus Pisambilla und Cayambe zusammengeflossene San
Francisco vereinigt sich nach Aufnahme des Quijos und Cozanga als
Coca mit dem Napo.
Am Morgen (August 3.), ehe noch der Tag graute, ritten wir
in einer grösseren Gesellschaft, meist Kaufleute, aus Quito, die von
Guayaquil, oder von Lima über Guayaquil, nach ihrer Heimath zu-
rückkehrten. Es wurde aufgebrochenem Terrain eine öde Hochfläche
passirt, bis zur Niedersenkung in die Ebene von Machachi mit be-
gleitenden Bergreihen. Dann zieht sich der Weg aufwärts zum mul-
denartigen Abschluss eines in Wiesen und Gebüsch grün schimmernden
CUESTA DE LA ROSA. 83
Thaies mit den Windungen tief eingeschnittener Flussbetten mit
überhängender Vegetation.
In einer Berglandschaft liegt Tambillo, wo zum Frühstück ge-
rastet wurde. Vom Cotopaxi an hatten jetzt die berühmten Vulcane
Ecuadors im Gesichtskreis gestanden, Ilinisa und Ruminagui, mit
den legendenhaften Mythen über den alten Kriegerfürsten des Inca-
heeres, Cayambi, dann Pichincha.
Es blieb noch die Cuesta de la Rosa zu ersteigen, einst ein
als gefahrlichster gefürchteter Weg, der jetzt durch Strassen-
bauten verbessert ist, und besonders dieses Eintrittspasses zur Haupt-
stadt wegen, soll es noch im Anfang des Jahrhunderts in Quito
Brauch gewesen sein, dass, wenn ein Kaufmann sich zu dem Unter-
nehmen einer Reise nach Guayaquil zu entschliessen hatte, er vorher
sein Testament zu machen und sein Haus in Ordnung zu bringet
pflegte.
Von der Höhe konnten Seitenblicke auf ein in Bergreihen ein-
gefasstes Thal geworfen werden, und dann eröffnete sich weiterhin
die Aussicht auf entfernte Bergspitzen, während am Ende der von
der Wand des Pichincha umzogenen Gebirgsfläche hinter dem
Kegelchen des Panecillo auf dem Abhänge Quito liegt (S. Francisco
de Quito).
Eine Brücke (des Rio Machängara^)) überschreitend, fanden wir
uns, bald nach Mittag, in den Strassen der Stadt und nahmen Logis
im Hotel franc&.
Nachdem ich unter unseren Landsleuten mit dem Kaufmanns-
haus der Herren Woodhouse und Küsell, mit Herrn Architecten
Schmidt, der mir vielfach behülflich war, Herrn Witte u. A. m. bekannt
geworden war, traf ich an der Wirthshaustafel mit dem belgischen
Consul de Ville zusammen, der sich schon länger mit archäologischen
Studien beschäftigte, sowie mit einigen Franzosen, meist direct oder
indirect zur Legation gehörig. Eine deutsche Gesandtschaft fand
sich nicht, da die diplomatische Vertretung mit der peruanischen
verbunden war, weshalb auch Herr Dr. Lührssen bereits Quito zur
Uebergabe seiner Accreditive, im Jahre vorher persönlich be-
sucht hatte.
Zu den Bekanntschaften, die ich machte, gehörte die des eng-
*) El Machängara sc compone de las vertientes de Chillogallo, Magdalena y de los
riachuelos de la Cantera y Sangufia, que nacen del Pichincha, atraviesan la ciudad de Quito
para reunirse al Machängara, cl que con los nombres de Santa Rosa Güapulo y Cum-
bayä continua hasta desaguar en el Tumbaco (des Esmeraldas).
6*
34 NAril CTTTLK.
lischen Ministers, Herrn Hamilton, der eine hochgelegene Villa mit
herrlicher Aussicht bewohnte (und aus dem Nachlass des dort verstor-
benen Ministers der Vereinigten Staaten einige Alterthümer besass).
sowie eines in der Legacion angestellten Schweden, Herr L. Sed-
jeström, der sich mit naturwissenschaftlichen Studien beschäftigte,
dann die einheimischen Gelehrten Dr. Herrera, Dr. Cevallos u. A. m.,
sowie einige der Jesuiten-Lehrer im Collegium , darunter den deut-
.schen Padre Schumacher.
Von Alterthümern wusste man nicht viel, und Sammlungen
.schienen kaum zu existiren. Als eine im Privatbesitz befindliche,
wurde nur die eines Herrn Xavier Velasco genannt, der indess ab-
wesend war. Meine Ankäufe waren deshalb nicht sehr ausgedehnt.
In der Stadt selbst haben sich keine der alten Monumente er-
halten, an denen Cuzco, die ältere Incastadt, so reich ist, und nur
an einigen Stellen schwache Erinnerungen. In dem La Tola genann-
ten Hügel, am Fusse der Quebrada findet sich eine spitzbogenartig
ausgewölbte Höhle (mit Löchern früherer Balken), von der eine
Seitenöffnung ausläuft, als die den Inca zugeschriebene Sala de las
armas (Waffensaal). An dem Abhänge dieses, von der Strasse überzo-
genen, Hügel's wurden zwei aus dem Felsen rund ausgehöhlte Brunnen
(in der Oeffnung mit halbrunden Steinen umlegt), von denen der eine
ganz, der andere halb verschüttet ist, als Cuba de los Incas be-
zeichnet. Die Kirche St. Catalina, auf hügeliger Erhebung in der
unteren Stadt, steht auf dem Platz des Klosterhauses der Sonnen-
jungfrauen, und früher waren an derselben zwei Steine, mit den Bil-
dern der Sonne und des Mondes, eingemauert. Nach dem Heraus-
nehmen, während einer Reparatur, wurden sie nach dem Colleg der
Jesuiten geschafft, und dort, wie Dr. Herrera mir mittheilte, später
zerbrochen. Auf meinen Wunsch wurden einige Nachsuchungen für
die Stücke angestellt, aber ohne Erfolg.
Dass so Weniges in Quito die Architektonik der Incas anzeigt,
hat zunächst seinen Grund in der kurzen Dauer ihrer dortigen Herr-
schaft, und dann in der Benutzung der vorhandenen Steine zum
Kirchenbau. Unter letzterem Vorwande soll Ampudia die alten Ge-
bäude systematisch haben abtragen lassen, bis zum letzten Stein, in
der Hoffnung Schätze zu finden, die besonders in den Fundamenten
vermuthet wurden.
Der Mondtempel wird nach der niedrigen Höhenwölbung von
San Juan verlegt, während der Sonnentempel auf dem Kegel des
Panecillo (Javiroc), ausserhalb der Stadt, gestanden haben soll. Auf
PANECILLO. 35
der Spitze desselben trifft man allerlei Reste verfallenen Mauerwerks,
meist von spanischen Befestigungsarbeiten herrührend. In der Aus-
sicht von dort enthüllt sich die grossartige Lage Quitos, von der
man unten, oder gar innerhalb der Stadt, nur wenig gewahr wird.
Wenn man den Rücken gegen die in einer Vielfachheit zackiger Er-
hebungen aufstrebende Wand des Pichincha*) wendet, schweift der
Blick über die, am Abfall von Schluchten umzogene, Stadt, und eine
wellige Fläche jenseits, zu dem fernen Cayambi, dem auf dem
Aequator emporsteigenden Vulcan, von dem sich am Horizont die
Cordillere mit ihren Schneehäuptern herumzieht, bis dann über eine
näher tretende Berghalde der ' mächtige Cotopaxi hervortritt und
weiterhin, hinter dem Muldenthal von Chillogalli, der zackige Ilinisa
sich wieder dem Pichincha anschliesst, mit Sara-Urcu, Antisana, Tun-
guragua, Altar oder Capac-Urcu u. s. w. in den Kreis eingeschlossen.
De Quito al cielo, heisst es im Sprichwort dieser hochgelegenen
Stadt, als ob man dem Himmel dort bereits näher wäre, ähnlich wie
in Indien Benares, wo man die Niederungen des Ganges hinter sich
hat, als Halbwegehaus zum Himmel gilt, wegen seiner Heiligkeit.
„Etliche unserer Leute meinten, dass sie nur einen Steinwurf weit vom
Himmel wären", bemerkt Wafer, als von den Barkadeers (Baranca bei
St. Martha) die hohen Berge überklettert wurden.
Bei der Rückkehr zur Stadt betrat ich, unter gelegentlichen
Vorwänden, einige der ärmlichen Hütten der Cholos (oder Gente de
Bayeta') am Fusse des Panecillo, um über die Umgebung mit den
Indianern Gespräche anzuknüpfen, die freilich, bei der Scheuheit der-
selben, immer schwierig im Beginn, und, bei ihrer Beschränktheit,
meist resultatlos am Ende sind. So wurde ich auch hier durch mein
Fragen (und das Wenige, was ich darauf zur Antwort bekam), nicht
viel klüger, bemerkte aber doch, als ich während des Anzündens
') Neben dem Rucu-Pichincha oder dem Alten, wird der Huahua-Pichincha oder der
Junge unterschieden, während in Guatemala (nach Mexico*« Analogie) mit Hua-hua (oder
Huc-huc) wieder das Alter bezeichnet wird (und gua weit verbreitet ist). Quito is built
on what raay he called a ledge of the volcanic mountain of Pichincha at an elevation of
9528 feet above the level of the sea (Jameson). Reiss und Sttibel geben 2850 Meter
Höhe.
') Als Bezeichnung für die Gemeinen, da sich auch, nachdem die Phrase ,,Todo
blanco es caballero", politisch seine Bedeutung verloren haben sollte, doch neue Rang-
unterschiede bildeten, wie in den adlig hervorragenden Mantuanos Venezuela's, während
die durch päpstliches Decret in die Rechte einer ,, gente de razon" zugelassenen Indianer
unter sich wieder das Ansehen des Caciazgo respecliren. Üie Gente distinguida und
Gente de Pueblo unterscheiden sich durch die Stiefel.
86 NACH CHILE.
einer Cigarette unter einem dieser halbdunkelen Dachüberhänge um-
herspähte, zwischen den Kochgeräthen ein Gefäss etwas abweichen-
der Form, das sich bei näherem Besehen in der That als ein antikes
ergab, und beim Abreiben des Schmutzes auch Omamentirung er-
kennen Hess. Auf meine Erkundigung hörte ich, dass es beim Kar-
toffelgraben gefunden war, und liess ich mich dann zu der Stelle
führen, gerade am Aufgang zum Panecillo. An sich war das Gefäss
von keiner Bedeutung, da ich bereits eine grössere Zahl weit kost-
barerer erworben hatte, aber sein Interesse lag darin, auf, dem Platze
des Sonnentempels gefunden zu sein, und erregte es deshalb auch
Aufsehen unter den Archäologen Quitos, die. bis dahin unterlassen
hatten, Ausgrabungen auf dem Panecillo anzustellen. Vielleicht würde
ich mich daran versucht haben, wenn nicht aus anderen Gründen
meine Abreise zu beschleunigen gewesen wäre.
Aehnlich der Jungfrau von Düna im Amt Herzberg (s. Wächter)
lebt im Panecillo, nach der Volkssage, innerhalb eines Palastes eine
Jungfrau, die einen armen Bauer, der einst zum Schutz vor Regen
unter einen Felsen geflüchtet war, einlud, sie in den Berg zu begleiten,
und ihm dort einen Maiskolben schenkte, der sich beim Nachhause-
kommen in Gold verwandelte, da man sich hier im wirklichen Gold-
land fand, während in den nur unedle Metalle producirenden Län-
dern, solche Feengeschenke, die aus Gold schienen, sich später in
Kohle oder Sand venvandeln. Nach Bollaert bedeutet Yavira (der Name
des Panecillo in der Inca-Zeit) Jungfrau (nach darischem Dialect).
Die Stadt ist von Quebraden durchsetzt, in welchen bei den
Regen die Wasser des Pichincha hinströmen. Die Strassen laufen
auf und ab, und sind, obwohl seit 1863 gepflastert, nicht von grösster
Reinlichheit. Hassaurek nennt Quito „one of the filthiest') capitals
in Christendom" und giebt über die Schmutzereien vielerlei Details,
die jeder Reisende in Südamerica vermehren könnte, wenn sich der
Ekel ihrer Beschreibung überwinden Hesse. Die aus Adobes ge-
bauten Häuser mit doppeltem Dach (wegen der Platzregen) sind meist
im oberen Stockwerk bewohnt, während der untere von Läden oder
Wohnungslöchern eingenommen wird. Die Kostbarkeit des Glases
in Folge des schwierigen Transportes bedingt an sich die Dunkel-
J) Dazu trägt bei „the want of water-closels and privies which are not considered
as neccssary fixtures of private residences", und in solcher Hinsicht beklagt Hill auch in
Arequipa den „want of common delicacy even in the fair sex". Die spanische Bevölke-
rung wird so durch die Indianer beschämt, denn die Häuser (in Yucatan): tenian una
portezilla alras para el servicio necessario (Landä).
QUITO. 87
heit, selbst in den besseren Räumen. Die Hausthüren, neben wel-
chen der Huasicama oder Portier logirt, sind meistens hoch, damit
man beritten hineingelangen kann, und im Innern finden sich Höfe
oder Corral, sowie mitunter Gärten, welche in den Klöstern eine
grössere Ausdehnung zu besitzen pflegen.
Während der spanischen Herrschaft wurden unter dem allgemei-
nen Monopol des Mutterlandes diejenigen Fabrikzweige, die den Colo-
nien erlaubt blieben, in Quito concentrirt, das so zum Sitz der In-
dustrie gemacht wurde, und auch der schönen Künste durch Ein-
richtung von Kunstschulen. In vielen Kirchen Südamerica's findet
man Gemälde aus Quito, und noch jetzt producirt dort die Maler-
familie der Sala s.
Am berühmtesten war der Maler Miguel de Santiago (neben
Samaniego, Cortez, Solis) und unter den Bildhauern wird besonders
Bernardo Legardo genannt. Manche Manufacturen, wie Teppiche
und Aehnliches, werden auch gegenwärtig bis in die Nebenländcr
verfuhrt. Die Eifersucht des Mutterlandes liess es indess selbst bei
den begünstigten Ausnahmen nie zur ruhigen Entwicklung kommen.
Als der Graf von CasaGiron in Otavalo die Wollenfabrikation einge-
führt hatte, musste er auf Befehl der Regierung die in s Land ge-
brachten Maschinerien wieder zerstören und die von Spanien gehol-
ten Arbeiter dorthin zurückschicken. Um Rivalisirungen der Colo-
nien zu verhindern, verboten die Spanier den Weinbau in Quito, des
an der peruanischen Küste betriebenen wegen, und die Silbergruben
Neu-Granada's blieben unbenutzt zum Besten derer von Mexico
(s. Lallement). Nach F. Hall wurde im Jahre 1810 der jährliche
Werth der in den Provinzen von Quito, Cuenca, Casanare, Guayaquil,
Tunja, Socorro und Pamplona hergestellten Manufacturen auf einen
Werth von 5 Millionen Dollars berechnet.
Bischof Calama, der die Escuela de la Concordia leitete (1789),
erkannte den Zustand des Landes, der noch nicht den Luxus der
schönen Künste erlaubte, sondern zunächst eine Verbesserung der
täglichen Lebensbedürfnisse verlangte, und setzte eine Prämie auf
Herstellung eines geniessbaren Brodes, (obwohl noch jetzt nur das
„pan frances" dafür gilt). Sein Secretär Xavier begründete die erste
Zeitschrift Quitos im Jahre 1792.
Die Indianer Quito 's gehören zu den Quichua Redenden, wie sie
auch im Allgemeinen den Charactfer der Sierra-Rasse tragen. Ein-
zeln, aber nur zu bestimmten Jahreszeiten; kommen Vertreter der
wilden Stämme aus den Missionen am Napo zum Verkauf ihrer
88 NACH CHII>E.
Landeserzeugnisse nach der Hauptstadt, und von ihnen rühren auch
die eingeschrumpften Indianerköpfe ^ deren Bereitungsart von Ürton
beschrieben ist.
Wie Padre Boetzker mir mittheilte, bewahren die Colorados oder
Yumbos in St. Domingo die alte Sitte, die Nasenspitze zu durch-
bohren und sie durch einen Dorn offen zu halten. Der in dem
Hause, welches verlassen wird, begrabene Todte wird durch einen
Faden mit den aufgestellten Speisen und Getränken in Rapport ge-
setzt, bis die Verfaulung des Leichnams anzeigt, dass die Seele die
Brücke in's Jenseits passirt hat. Stevenson fand silberne Haarnetze
und sonstigen Silberschmuck bei den Colorados in Gebrauch (i8io).
Die Indianer in Zambuja (bei Quito) .tragen langes Haar (wie in
Cucnca) und (statt der Hosen) ein Hemdenschurz. In Zaupulo
(zwischen Quito und Ibarra) hat sich eine Indianerfamilie erhalten,
deren Haupt jede Berührung mit den übrigen Indianern vermeidet,
weil er sich von den alten Caziken abstammend meint.
Die Geschichte Quitos geht noch vor der Ankunft der Cara
auf frühere Perioden zurück und erhielt ihren vollen Glanz mit dem
Einzüge Huayna-Capacs, durch dessen Begünstigung dann die neue
Hauptstadt rasch zur Rivalin des stolzen Cuzco emporwuchs. Wäh-
rend dieser alte Stammessitz der Inca's, durch Huascars Gefangen-
schaft gelähmt, fast widerstandslos, nach dem gegen Atahualpo
gewagten Handstreich, in die Hände der Spanier fiel, wurde die Ent-
scheidung über das von jener Dynastie gestiftete Reich in den Län
dem Quitos ausgekämpft.
Als Sebastian de Benalcazar, von Pizarro zum Gouverneur von
St. Miguel (Piura) eingesetzt, auf dem Feldzuge gegen Quito nach
Zoropalta (im Land der Palta's) gekommen war, stiess er auf den Inca-
Fürsten Chiaquitinta (Chia-Quitinta), den die in Quito befehligenden
Generäle Yrruminavi (nach derCatastrophe in Caxamarca dorthin geeilt)
und Zopegopagua mit einem Beobachtungscorps am Heerwege
stationirt hatten. Nachdem der dort crfochtene Sieg die Spanier in den
Besitz von Tumebamba (und die Bundesgenossenschaft der Canar)
gesetzt hatte, war eine zweite Schlacht in Teocaxas zu liefern, und
die Indianer zogen sich dann unter kurzem Widerstände in die erst
bei Ambato und dann bei Tacunga aufgeworfenen Befestigungen vor
den von Riobamba heranrückenden Spaniern nach Quito zurück, das
Yrruminavi nach Verbrennung der königlichen Schlösser verliess,
worauf Benalcazar von Panzaleo dort einzog und mit Hülfe der ver-
bündeten Canares einen nächtlichen Angriff Vrruminavi's (der durch
unter(;ang des inca-reiches. 89
die Yanaconas in der Stadt von der Entfernung des auf seinen Streif-
zug ausgesandten Pacheco unterrichtet war) zurückschlug. Yrruminavi
flüchtete in die Berge von Yumtfo, wurde aber, nachdem Zopezo-
pagua sich mit Quijigalimba und den übrigen Feldherren auf Ampu-
dia's Aufforderung hin unterworfen hatte, durch Valle in seinem Ver-
steck aufgefunden und von Benalcazar hingerichtet.
In der Zwischenzeit hatte nochmals der General Quizquiz aus
verschiedenen Mitimaes ein Heer um sich gesammelt und besonders
aus den in dem Blutbade am See Yaguarcocha übrig gebliebenen
Guamaraconas (von Carangue, Otabalo, Cayambe und Umgegend),
indem er ihnen im Falle des Sieges über die Spanier die Rückgabe
der ihnen von Huayna-Capac, zur Strafe ihres Aufstandes, entzogenen
Ländereien ihrer Heimath versprach.
Nachdem Quizquiz den auf Cuzco beabsichtigten Angriff, bei der
dortigen Anwesenheit Franzisco Pizarro's nicht auszuführen gewagt,
und auch den Ueberfall der von Roxas in Xauxa befehligten Spanier
fehlgeschlagen gesehen hatte, beschloss er (in Begleitung des von
ihm gekrönten Inca Huayna-Palcon) den Kriegsschauplatz nach Quito
zu verlegen, traf aber (von Soto verfolgt) auf dem Wege dahin mit
dem von seiner Zusammenkunft mit Pedro de Alvarado (aus Guate-
mala) zurückkehrenden Almagro zusammen, der in Canar seinen An-
zug hörend , die von Zota - Urco geführte Vorhut bei Chaparas zer-
sprengte und später (in der Fortsetzung seiner Reise nach Piura)
noch ein durch die Ueberzahl der Indianer für die Spanier gefahr-
liches Gefecht mit der Nachhut zu bestehen hatte, während Quizquiz
mit dem Gros der Armee von seiner bisherigen Route ablenkend,
sich über den See von Colta nach Riobamba zu ziehen suchte.
Dort wurde ihm indess der Weg durch Benalcazar abgeschnitten,
wodurch in seinem Lager eine allgemeine Entmuthigung hervor-
gerufen wurde, und als Quizquiz im Kriegsrath nichtsdestoweniger
zur Fortsetzung des Widerstandes ermahnte, wurde er im darüber
entstehenden Streite vom Inca selbst niedergestossen. Dieser suchte
Zuflucht bei seinem Onkel Cachulima (Don Marcos Duchicela) in
Cacha und das letzte Heer der Epoche des Inca -Reichs zerstreute
sich dann nach allen Richtungen, so dass Benalcazar seinen Erobe-
rungszug nach Norden fortsetzen konnte.
Schon am Tage nach meiner Ankunft hatte ich mich in den
Regierungspalast begeben, um eine Audienz bei dem Präsidenten
nachzusuchen, wurde dann aber von demselben sogleich, ohne wei-
tere Ceremonien, in sein Arbeitszimmer zugelassen. Die bedeutsame
90 NACH CHILE.
Stelle, die dieser Mann in der neueren Geschichte Ecuadors gespielt
hat, ist bekannt, und gleich beim ersten Zusammentreffen gewann
man den Eindruck einer tiefer angelegten Persönlichkeit, die bei der
sonstigen Oberflächlichkeit des geistigen Lebens um so durchgrei-
fender und nachhaltiger auf dasselbe einwirken musste. Durch die
in Paris verlebten Studienjahre zum Verständniss der in der Wissen-
schaft gestellten Aufgaben geführt, blieb er auch nach seiner Rück-
kehr der ernstlichen Arbeit treu, und Humboldt konnte rühmend
seines Namens unter denen der wissenschaftlichen Ersteiger des
Pichencha Erwähnung thun (1844 mit dem Ingenieur Wisse und 1857
mit dem um die Botanik Ecuador's verdienten Professor Jameson).
Als dann im Wechsellauf der politischen Verhältnisse die höchste
Gewalt im Staat in seine Hand gelegt war, glaubte er sich zur Re-
form des ihm anvertrauten Volkes berufen, und nahm es dann aller-
dings mit den Mitteln, die zu solchem Zwecke führen konnten, nicht
allzu genau, so dass mehr Menschenblut geflossen sein soll, als er-
forderlich gewesen wäre. Wie so häufig ihre Zeit überragende Cha-
ractere, fühlte auch er sich ein Werkzeug in höherer Hand, und als
gläubiger Bekenner der katholischen Kirche musste er in ihr ge-
nügende Elemente finden, um den Fanatismus zu dem Extrem zu
treiben, wodurch sein republicanisches Land jenem Papst geschenkt
wurde, der schon früher darüber verfugt hatte, als er die Erde
zwischen seine königlichen Söhne theilte. Hieran schloss sich die
Berufung der Jesuiten als Lehrer, welche, da man besonders aus
Deutschland einige verhältnissmässig gut vorbereitete Gelehrte schickte,
eine Zeit lang unter den südamericanischen Verhältnissen gewiss
ganz nützlich hätten wirken können, und auch ohne grossen Schaden,
da sich die Auswüchse des Principe's später von selbst an dem
Widerstände des in seiner Uebermacht bereits genugsam documen-
tirten Zeitgeistes gebrochen haben würden. Ausserdem wandte sich
der practische Sinn Garcia Moreno's besonders den materiellen
Interessen des Landes zu und für ihre Hebung wurde verständiger
Weise zunächst der Wegebau in Förderung genommen. Dass auch
hier wieder Missgriffe vorkamen, lehrt die ecuadorianische Eisen-
bahn ohne Anfang und Ende, aber die erlangten Erfolge wird Nie-
mand verkennen, der auf der gegenwärtigen Reise nach Quito die
letzte Hälfte des Weges mit früheren Beschreibungen vergleicht.
Der Präsident ging bei unserer Unterredung nicht ohne Interesse
auf die dargelegten Pläne ein, er versprach mir jeden Schutz und
Förderung selbstständiger Arbeiten, (die ich damals besonders am
GARCIA MORENO. 91
See Yaguarcocha zu unternehmen beabsichtigte) durch die Regie-
rungsbeamten, und obwohl zunächst die naturwissenschaftliche Seite des
Unterrichts bei dem niederen Bildungsgrad des Landes in Förderung
genommen werden müsse, bewahre er doch die Hoffnung, auch bald
an die Gründung eines archäologischen oder ethnologischen Museum's
denken zu können, und dann solle Anordnung geti-offen werden, dass
die Doubletten systematischer Ausgrabungen dem Berliner Museum
abzugeben sein würden, gegen von dort geleistete Aequivalente.
Die schönen Hoffnungen, die dadurch erregt waren, überlebten
leider kaum 24 Stunden. Am folgenden Tage schon, um dieselbe
Stunde, in der ich eine Audienz gehabt hatte, wurde Garcia Moreno
von Mörderhand getroffen, und es ist bezeichnend für das südameri-
canische Leben, dass die — den Präsidenten der Republik — in seinem
Palast, — inmitten der Hauptstadt, — auf dem Marktplatze derselben, ~
um die Mittagsstunde, — nicht mordenden, sondern im Wuthgrimm ge-
mächlich zerfetzenden und zerfleischenden Meuchler ruhig und unauf-
gehalten sich entfernen konnten , bis sie erst viele Tage oder Wochen
später, der Eine hier und der Andere da, aufgespürt wurden. Nur
Einer von den Dreien, der in noch nicht gesättigtem Rachedurst
nochmals nach dem Verwundeten umkehrte, wurde an Ort und Stelle
von den Soldaten ergriffen.
Der Schreckensauflauf durch die Strassen gab uns Kunde von
dem, was vorgegangen, und das Unglaubliche, und plötzlich Un-
erwartete desselben, füllte die ganze Stadt mit rathloser Panik. Die
Kaufleute beeilten sich ihre Läden zu schliessen, alle Häuser wurden
verbarricadirt und verrammelt, die Strassen wurden von Truppen
besetzt, aber ohne bestimmte Ordre darüber, wer als Freund und
wer als Feind anzusehen. Man sprach von einer weit verzweigten
Verschwörung, die jeden Augenblick im offenen Aufstand losbrechen
würde, aber Nfemand wusste von woher oder gegen wen. In Gar-
cia Moreno's Autokratie war eben die gesammte Staatsgewalt ver-
körpert gewesen, und mit ihm war nun der Kopf gefallen, ohne dass
die Glieder wussten, wem gehorchen, oder für wen arbeiten.
Die verstümmelte Leiche war in die Cathedrale gebracht, wo
ich sie bei Einlass in die Zimmer der anschliessenden Wohnung auf
dem Boden ausröchelnd liegen fand, von Aerzten umgeben, deren
Sorge hier keine Hülfe mehr leisten konnte.
Angstvolle Spannung lagerte über der Stadt. Nur Wenige wag-
ten sich auf die Strassen, da überall die Posten anriefen, und weder
über Frage noch Antwort etwas Festes vereinbart war. Nur die
92 NACH CHILE.
Blutlachen auf dem Markt waren von Menschenhaufen umgeben,
und manche Thräne wurde vergossen dir den „Padre de la Patria."
In den anderen Provinzen des Reichs hörte ich später freilich den
Abgeschiedenen mit sehr verschiedenen Epitheten belegen, je nach
der Parteistellung. Jedenfalls ist das Leben Garcia Moreno's von
grausigen Blutspuren ^) befleckt, die sich nicht wegwaschen lassen,
aber andererseits erhebt ihn seine Uneigennützigkeit in Geldangelegen-
heiten so hoch über den Pfuhl americanischer Corruption, die auch
die heiligsten Interessen des Landes unbedenklich selbstsüchtigen
Zwecken zu opfern bereit ist, dass der Werth der dadurch dem Ge-
meindewesen erwachsenen Vortheile, vielleicht die Schwere persön-
licher Verbrechen einigermassen aufwiegen mag.
Am folgenden Tage wurden die Leichenfeierlichkeiten abgehalten
und Vorbereitungen getroffen, den Commandanten Campos Santos
zu erschiessen, den man complicirt glaubte.
Ueber die Hauptstadt wurde der Kriegszustand verhängt, und
man berieth darüber, sich auf eine Belagerung gefasst zu machen, da
das Gerücht umlief von einem Pronunciamento in Guayaquil und dem
Anzug der dadurch zu den Waffen Gerufenen. Guayaquil ist ge-
wöhnlich der Centralheerd der dortigen Revolutionen, wie es sich
auch bei der Constituirung des alten Columbia eine Zeitlang davon
getrennt und selbstständig hielt.
Unter solchen Umständen hielt ich es nicht für angezeigt, meinen
Aufenthalt in der Hauptstadt zu verlängern oder die Reise nach
Norden fortzusetzen, da diese Localfehden zu geringes Interesse ge-
währten, um sich ihrerwegen des Zeitverlustes eines Einschlusses
auszusetzen, der, wenn er vielleicht auch weniger Risico bot, als das
Leben auf der Landstrasse, doch zugleich auch weniger Unabhängig-
keit, sich in die jedesmalige Lage nach der vortheilhaftesten Seite
zu schicken.
Der Entschluss der Abreise war indess leichter gefasst, als aus-
geführt, da sämmtliche Thiere für militairische Zwecke bereits requi-
rirt waren, und auch kein Schritt ausserhalb der Stadt, ohne Pass-
erlaubniss, gethan werden durfte. Die letztere erwirkte ich mir ohne
Schwierigkeit von dem Stadtgouverneur, und derselbe hatte auch
die Freundlichkeit, mir die erforderlichen Reit- und Lastthiere zu-
zusagen. Doch war er selbst nicht Herr genug der Situation, um
dieses Versprechen ohne Weiteres auszuführen, und ich hatte nun
1) Siehe darüber Einiges bei Hassaurek. Four years among Spanish • Americans,
(Lgmlon l868) S. 226—234.
HKLAr,F.RrN(;szrsTAM,>. 93
eine lästige Zeit davon, in den Bureau's umherzuwandern, und wenn
bei meiner Rückkehr die eben ausgefertigten Befehle schon contre-
mandirt waren, den Gegenbefehl nochmals gegenbefehlen zu lassen.
Wie ein Unglück selten allein kommt, so auch hier, denn als
ich eines Morgens erwachte, sah ich mich vergebens nach meinem
Burschen und dem Caffee um, und als auch die Frühstückszeit ohne
ihn herankam, begann ich über sein Schicksal zu grübeln, bis ich
durch indirecte Nachricht soweit beruhigt wurde, dass er sich an
einem gesicherten Platze finde, nämlich im Gefängniss. Als alter
Soldat hatte er mit einem andern Veteran die Erinnerungen an den
gefeierten Präsidenten, unter dessen Fahnen sie manchen Feldzug
mitgemacht hatten, durch Chicha oder Branntwein aufgefrischt, und
als die daraus erwachsenden Differenzen zu thätlichen wurden, hatte
man ihn, wie er mir später erklärte, ungerechter Weise (vir den An-
stifter gehalten, und ohne Weiteres ihn eingesteckt, anstatt des Kar-
nikePs, welches an Allem Schuld gewesen. Wie sich das verhalten
mochte, war mir ziemlich gleichgültig, da die Umständlichkeit der
Reclamationen dieselbe blieb, bis ich ihn am Abend wieder zu meiner
Verfügung hatte. Dass man ihn überhaupt losliess und nicht so-
gleich zum Soldaten einkleidete, hatte er seinem Dienst bei einem
Fremden zu verdanken, da diese während der Revolution eine Art
privilegirter Person bildet, und die fremden Wohnhäuser, besonders
die der Consulate, in Zeiten der Gefahr gleichsam Asyle bilden, die
von allen Partheien respectirt werden, weil bei den rascTien Um-
schlägen des Glücksrades jede davon profitiren mag. Allerdings
fehlte in Quito damals eine deutsche Vertretung, doch wurde der
vom Auswärtigen Amt in Berlin ausgestellte Pass im vollsten Masse
respectirt.
Bald nach der erwirkten Loslassung des Burschen wurde es auch
möglich, die benöthigten Thiere zu erlangen, die ich dann in einem
Hofe des Wirthshauses einschliessen Hess, um sie am nächsten Tage
fertig zu haben. Meine deutschen Freunde begleiteten mich eine
Strecke Weg, bis zur Hacienda Arcadia, von wo sie nach einem
Abschiedstrunk nach der Stadt zurückritten. Ich blieb mit einem
jungen Americaner, Herrn Bunce, der sich nach Guayaquil begab,
Nachts in Machachi, wo es uns bei der Anfiillung des Quartiers mit
Offizieren wegen des Truppendurchzugs einige Mühe kostete, Bett-
gelegenheit zu finden.
Am nächsten Tage (August 1 1 .) trennten wir uns auf dem Wege
nach Latacunga, da ich mich vorher nach Gallo begab, um einen der
94 NACH CHILK.
Incasteine, ungefähr grade eine Maulthierlast, mitzunehmen. Meine
Ankunft auf der Hacienda rief, wie ich leicht bemerkte, keine ge-
ringe Aufregung hervor, und die Ursache wurde mir später erklär-
Hch, da die dort von mir angetroffene Gutsherrin eine nahe Ver-
wandte des in die Ermordung des Präsidenten verwickelten Cornejo
war, der kurze Zeit darauf in einem Versteck in der Nähe gefunden
und zur Erschiessung nach Quito gebracht wurde.
In Latacunga, wo ich die Nacht verblieb, erhielt ich einige
Stücke, die m^n (wie mir gesagt wurde) eigentlich für die Welt-
ausstellung in Philadelphia gesammelt hätte, aber in besonderer Ab-
sendung zu befördern keine Gelegenheit finden würde. Im Dorf San
Miguel, wo ich am andern Tage nach Alterthümern fragte, empfing ich
die bereits häufig gehörte Antwort, es sei allerdings Mancherlei gefun-
den, aber im Laufe der Zeit zerbrochen oder sonst verloren gegangen.
Den weiteren Weg nach Ambato legte ich unter Schwierigkeiten
zurück, da das Pferd meines Burschen ermüdete, so dass er nicht
mitkommen konnte, der Arriero aber, in Folge des Antreffens eines
Bekannten, gleichfalls unsichtbar wurde, so dass ich mich mit dem
Lastthier allein fand, und bei den auf diesen unebenen Landstrassen
sich in steten Wiederholungen benöthigenden Neuschnürungen des
Gepäckes, so gut es jedesmal ging, den Einen oder Andern der Vor-
überkommenden zu Hülfe rufen musste. Beim Eintritt in die Vor-
strassen nahm ich einen Führer, der das ermüdete Thier bis an die
Posada zog und auch das meinige war nur mühsam bis dahin fortzu-
bringen, da man in Quito bei den staatlich vorliegenden Bedürfnissen
nicht wählerisch hatte sein dürfen, und nehmen müssen, was sich bot.
Ich machte dort die Bekanntschaft des gerade durchreisenden Maler
Salas und sah beim Spaziergang durch die Stadt ein grünes Steinbeil
von einem Weber als Beschwerer benutzt. Es wurden dann neue Thiere
für die Reise nach Riobamba gemiethet und am 17. August begab
ich mich zum Nachtquartier nach Mocha, wo sich die Wege nach
Guayaquil und Riobamba trennen.
Ich hatte jetzt einen neuen Plan zu entwerfen gehabt. Obwohl
die Entfernung aus der Hauptstadt, so lange der Weg noch offen
stand, rathsam erschienen war, konnte ich mich doch schwer ent-
schliessen, Ecuador überhaupt schon zu verlassen, ehe ich Weiteres
vom Lande gesehen hatte. Die archäologische Ausbeute, die unter
Moreno's Zusagen vielleicht eine glänzende hätte werden können, war
bis dahin gering, wenn auch immerhin reicher, als man mir in Lima
zugedacht hatte, wo mir einer der bedeutendsten Sammler noch am
ALTERTHÜMER. 95
Tage meiner Abreise sagen Hess, den Besuch Ecuadors würde ich
besser sparen, da es eine Viaje ä la China, eine nutzlose Reise in's
Blaue, sein würde. Diese Meinung schien eine gewisse Berechtigung
zu haben, da was bisher von ecuadorianischen Alterthümern im All-
gemeinen bekannt geworden war, keine grosse Bedeutung besass.
Eine gewisse Ausnahme mochte indess für die Umgegend von Cuenca
gelten dürfen, in dessen Nähe (in Chordelcg) auch vor einiger Zeit
der damals von Houzey beschriebene Tresor de Cuenca zu Tage ge-
fordert war. Von einem andern, ein Jahr vor meiner Ankunft ge-
machten Funde, hatte ich bereits in Guayaquil gehört. Man sollte
bei einer Ausgrabung im Bezirk von Azogues 3000 grosse Bronce-
Aexte gefunden haben, die dadurch besonders merkwürdig waren> dass
sie eine Mannigfaltigkeit figurativer Ornamentik trugen, eine Art
Wappenzeichen, die, während sie. in Mexico (im Anschluss an die
dortige Bilderschrift) ähnlich vorkommen, in Südamerica zu den
Seltenheiten gehören. Ein Paar dieser Aexte, die nach Guayaquil
gelangt waren, hatte ich dort gesehen, und andere sporadisch auf
meiner Reise, indess keine erwerben können, theils wegen der Ab-
neigung der Eigenthümer, in deren Hände sie gelangt waren, diese
Seltenheit zu verkaufen, theils wegen des hohen Preises, der dafür
verlangt wurde. In meinem Besitz fand sich nur ein einziges Stück,
dass mir Dr. Wolf überlassen hatte, aus dreien, die ihm geschenkt
worden.
Es lag so allerdings einige Veranlassung vor, Cuenca zu be-
suchen, auf der andern Seite jedoch auch mancherlei Bedenken. Die
Wege nach und von Cuenca gehören zu den bösesten in Ecuador,
und von meinem damaligen Standort war die Uebersteigung des
Paramo von Azuay zu unternehmen, dessen Passage gerade in
der damaligen Jahreszeit für eine ungünstige gilt. Zugleich würde
die Reise nicht nur eine kostspielige, sondern noch eine zeitraubende
gewesen sein, und mit der Zeit hatte ich bei der Kürze meines Ur-
laubes von Allem zu geizen. Dann kam aber noch der weitere
Zweifel hinzu, ob sie nicht vielleicht auch eine vergebliche sein
möchte, denn nach den mir zugegangenen Angaben sollten die Aexte
bereits verschwunden sein, da man sie als Kupfer eingeschmolzen
und so verwerthet hätte.
Nach längeren Ueberlegungen hin und her, konnte ich es indess
schliesslich nicht über's Herz bringen, diese Angelegenheit ohne
weitere Untersuchung zu lassen, und hielt mich verpflichtet. Näheres,
soweit noch möglich, darüber festzustellen. Jedenfalls sollte das
96
NArri imi.E.
nächste 7.iel das auf dem Wege gelegene Riobamba sein, eine Tage-
reise von Mocha.
Die kleine Fonda in Mocha enthielt nur ein enges Zimmerchen
dessen Raum um so beschränkter wurde, da bald noch andere Rei-
sende mit einer Senorita anlangten, um gleichfalls Nachtquartier zu
machen, so dass man sich behelfen musste, so gut es eben ging.
Die Umgegend würde bei genügender Müsse eine archäologische
Untersuchung wahrscheinlich belohnen, da der Platz ein sehr alter
•st, und schon in der Geschichte der Scyri als eine vielfach um-
kämpfte Feste erwähnt wird, in dem von Pachanlicas, Pasates Peli-
leos, Queros und Tisaleos bewohnten Lande (s. Velasco). Jetzt ist
es em ärmliches Dorf, gleich den übrigen, doch der natürlichen Lage
nach eme strategisch wichtige Position.
Der Ort liegt am Abhang. einer Bergkette, über welche die
Schneekegel des Carihuairazo, des in Volkslegenden bearbeiteten
Vulcankraters und des Chimborazo herüberblicken, während nach
der Seite des Abfalles hin, vom Marktplatz, zugleich der des Tungu-
ragua sichtbar ist. t
^" ^7. Umfassung der Kirche bemerkte ich einige Säulen-Cäpi-
K fi' AvT'' ,f ''""^*' ^'^ •"^" •"'■- ^gte. von tinem auf den Feldern
befindlichen Platz, wo an gleicher Stelle viereckig .schräg behauene
Sterne zu Tage standen, welche zur Fundamentirung der Häuser be-
num wurden. Viel mehr liess sich, als ich mich spät am Nach-
mittag dorthin begab, nach den Erzählungen nicht ausmachen
. Am frühen und wolkig trüben Morgen verliessen wir das Dorf
unter zunehmendem Regen, und gelangten auf einem schlüpfrig durch
Bergschluchten führenden Weg an die Stelle des Paramo. wo sich
der Weg nach Guaranda von dem nach Riobamba abzweigt, die
Richtung des letzteren einschlagend. Der von Ambato mitgegebene
I eos em.es sich so stupide und unbrauchbar, dass ich nach allerlei
ärgerlichen Auftritten schliesslich froh war. ihn nicht mehr zu sehen
W eniger Zufriedenheit gewährte dies meinem Burschen, dem jetzt die
Sorge des Lastthier's allein auflag, und da dasselbe zugleich weil
aus dem von den Militärbeamten nicht beanspruchten Ausschuks ge-
liefert, kaum aus der Stelle konnte, blieb mir schliesslich nichts
ubng, als es selbst in's Schlepptau zu nehmen und treiben zu lassen
oder es nachher an den Schwanz des Pferdes, auf dem der Bursche
ntt, zu binden, und meinerseits das Vorwärtstreiben zu übernehmen
Nur so umgingen wir die Unbequemlichkeit, auf der Strasse liegen
zu bleiben. Für eine Strecke Weges schloss sich mir ein Reisender
RIOBAMBA. 97
an, der von der Hacienda de Leyta bei Patate kam und von
mancherlei Ausgrabungen erzählte, die dort gemacht seien.
Nachdem sich der Blick auf das Hochthal Riobamba's geöffnet
hatte, erreichten wir auf welligen Abfällen die zerstreuten. Häuser
des in öder Verlassenheit fast menschenleeren Dorfes San Andres.
Selbst auf der Plaza war kaum ein lebendes Wesen zu sehen,, und
erst nach längeren Verhandlungen, wobei wir uns allmälig gezwungen
sahen, Entschuldigungen oder selbst Verweigerungen einfach zu
ignoriren, gelang es schliesslich, die Thiere auf einem Hof einzu-
stellen und einige Andeutungen über die Richtnng zu erhalten, in
welcher Nachsuchungen fiir Futter vorgenommen werden konnten. •
Nach dem Oeffnen einer Cognac- Flasche und unter den Wölk-
chen des Cigarren - Rauches machte ich den alten, und von siecher
Gebrechlichkeit an seinen Sitz gefesselten Patriarchen des Hauses,
etwas zuthunlicher, so dass er einige Notizen über Ausgrabungen bei
Guano und Lican, sowie in der Hacienda von Patate zu liefern im
Stande war, und selbst zu längeren Erzählungen bereit gewesen wäre,
wenn es mich interessirt hätte , über die Revolutipnskriege, an denen
er, in ansehnlicher Zahl, persönlich Theil genommen. Einzelnheiten
zu hören.
Schon beim Eintritt in San Andres hatte ich am Wege einige
sculptirte Steine herumliegen sehen, und einer derselben, mit einem
Löwen darauf, (dem oft variirten Wappen Leons) war der den Kirch-
hof umziehenden Mauer angefügt, von einer andern Ecke des Ter-
rain's dorthin geschafft. Aehnliche waren als Thürpfosten bei einem
Privathause benutzt, und zeigte einer darunter einen Bewaffneten mit
Schild und Speer, ein anderer den Kopf eines Puma, andere
Affen u. s. w.
Ueber steinige Sandhügel mit spärlicher Vegetation, senkte sich
der zwischen Cactushecken verlaufende Weg in die von Bergreihen
umzogenen Thalebenen Riobamba's (oder Bolivar's) hinab, wo ich
mir in der Casa Posada ein Zimmer einräumen liess und in der nahe
gelegenen Fonda die Mahlzeiten einnahm.
Durch meine Empfehlungsbriefe an einige Kaufleute, besonders
Herrn F. Pojol, konnte ich mich rasch über alles Nöthige orientiren
und die Ueberzeugung gewinnen, dass Riobamba nicht viel Aus-
sichten fiir meine Zwecke bieten würde. Man hatte mir von der
Alterthumssammlung eines dortigen Privatgelehrten gesprochen, doch
fand sich derselbe abwesend, unter Mitnehmung der Zimmerschlüssel,
so dass mir die zurückgebliebenen Damen keinen Zugang verschaffen
Bastian : America. I <
98 NACH ClfH.E.
konnten. Dieses Verfehlen von Persönlichkeiten, auf welche ich be-
sonders gerechnet hatte, wiederholte sich mehrfach im Verlaufe
meiner Reise durch Ecuador, weil gerade während der Saison, in
welcher man den Aufenthalt in der Stadt mit dem auf einem Land-
sitze zu vertauschen pflegt.
Herr J. A. Coronel gab mir Nachricht von dem (auch sonst er-
wähnten) Inca-Weg bei Lican, der längs des Abschnittes der Berge
zu sehen. Bei Pantus sei aus flachen Steinen eine Plattform der
Inca aufgemauert. Er war früher im Besitz von mancherlei Alter-
thümern gewesen, die sich aber durch gelegentliche Geschenke ver-
zettelt hatten. Oftmals wurde mir von den neuen Bekanntschaften, die
ich machte, gesagt, dass sie erst im vorigen Jahre ihre allmählig
angehäuften Sammlungen dem Padre Rencoret überlassen hätten , der
während seines längeren A\ifenthalts in Ecuador das ganze Land ab-
gesucht hatte, um eine würdige Repräsentation der ecuadorianischen
Alterthümer für die chilenische Weltausstellung herzustellen. Da
diese dadurch unter Prof. Philippi gelang^ sein werden, den Director
des Museum's in Santiago so ist dagegen nichts zu sagen; gegen
die gedankenlose Verschenkung der Alterthumsfunde jedoch, als
hübsche Spielereien aus Privatfreundschaft oder gar aus Galanterie,
habe ich mich oftmals in meinen Gesprächen mit den Landeskindern
ereifert, und ihnen das Verbrechen darzulegen gesucht, welches
sie dcidurch an der Wissenschaft begingen. Sie gaben dann in der
Mehrzahl reuig ihr Unrecht zu, und versprachen, mit Ausnahme
der im Egoismus allzu Verstockten, künftige Besserung, sahen auch
die Bedeutung grosser Centralsammlungen für das vergleichende
Studium ein, und erklärten sich, bei dem Mangel eigener National-
institute, gerne bereit, die Reliquien ihrer Vergangenheit in den euro-
päischen zu deponiren. Ob diese guten Vorsätze nachhaltiger sein
werden, bleibt freilich dahin gestellt. Ein Beispiel ist mir leider schon
bekannt geworden, wo sie den Weg in der entgegengesetzten Richtung
gepflastert zu haben scheinen, und würde ich dem Thäter den wohl-
verdienten Strafort, den er sich dadurch gewählt hat, gerne gönnen,
wenn nicht vielleicht dieser Fall als ein, Zurückfallen unter die Macht
alter Gewohnheiten auf einige Milderung Anspruch machen könnte.
Im Uebrigen haben sich bereits mancherlei erfreuliche Wirkun-
gen gezeigt, die der americanischen Alterthumskunde in verschiedener
Weise zu Gute gekommen sind.
Das jetzige Riobamba ist eine neue Anlage. Einige sculptirte
Steine auf dem Markt waren von der Trümmerstätte des alten, das
PURUM A. 09
in dem durch seinen Namen bekannten Erdbeben zu Grunde ging,
dorthin gebracht und gehörten der spanischen Zeit an.
Der Hauptsitz der Puruha fand sich in Caja oder Caja-bamba
und dort vollzog sich die Vermählung, um die Königsgeschlechter
der Scyri Quito's und der Duchicela's (Duchi-Cela's) Liri-Bamba's zu
einigem Der Stamm der letzteren hatte sich, wie unter der Usur-
pation der Inca, auch unter der spanischen für einige Zeit noch rein
zu halten gesucht, und lebt gegenwärtig in den Nachkommen Juan
Duchicela's durch Einheirathungen fort. Ich besuchte in dem jen-
seits des Flusses Chibuga gelegenen Dorfe Yaruci das Haus des
Francisco Xavier Mayacela (Maya-Cela) und erhielt dort einige Fa-
milienlisten vorgelegt, erfuhr ind6ss zugleich, dass unsere deutschen
Reisenden, die Herren Dr. Reiss und Stübel bereits eine Einsicht in
sämmtliche der noch vorhandenen Documente genommen und wäh-
rend ihres längeren Aufenthalts die ihnen wissenswerth erscheinenden
Aufzeichnungen zu machen Gelegenheit gehabt hatten. Die Existenz
der historischen Manuscripte, von welchen Humboldt in Riobamba
sprechen hörte, wird von Caldas in Zweifel gezogen, doch erzählt
noch nach ihm Stevenson, dass er in Riobamba einen alten Caciken
getroffen habe, „a descendant of the Huasta-puncay, the ancient lord
of the surrounding country."
Von dem Thurm des Jesuiten-Kollegium, auf welchen mich Pater
Dressler, den ich dort wieder antraf, hinaufführte, genoss ich das
grossartig prachtvolle Diorama von Riobamba, das Boussingault in
dem schneeigen Kranze seiner Vulcane und den wechselnden Schau-
spielen meteorologischer Processe so eindrucksvoll beschreibt. Auf
das Günstige der Atmosphäre Riobamba's für astrortemische Beob-
achtungen hat G. Jones aufmerksam gemacht. Der Menschenschlag
von Riobamba oder Ricbamba (punto de pasar) gilt für klein und
besonders in Chambo (am Fusse des Altar) sollen sich die, Omo-
tos genannten. Zwerghaften finden. Aehnlich wird der Menschen-
schlag bei Popayan als ein vorwiegend kleiner beschrieben.
In der Umgebung Riobamba's werden Erntelieder gesungen zur
Feier der Indianerin Lorenza, welche, wild und muthig, bei dem
Indianeraufstand (vor 40 Jahren) aus den geweihten Gefässen der
Kirche Chicha getrunken.
Bei ihrem Aufstand im Jahre 1871 erhoben die Indianer von
Yaruquis einen der Ihrigen als König auf den Thron, bis er von den
Truppen gefangen und füsilirt wurde. Der Name Yaruqui kommt
von der Garnison der Caras aus Yaruqui (bei Quito), welche von den
7*
100 NACH CHILE.
Scyri, bei ihrer Eroberung dorthin verlegt wurde, neben Riobamba
oder Riobamba, dessen Name von Lic (auch Liribamba) erklärt wird,
als einer Poststation gehörig, wo sich die Bote so beim Uebertragen
ihrer Mittheilung zugerufen: Lic (nimm Du). In Riobamba fanden
die Verhandlungen statt, durch welche Alvarado*) seine in Guatemala
gemachte Ausrüstung durch Almagro an Pizarro überliess und seine
Ansprüche auf die Goldländer gegen goldene Baarzahlung verkaufte.
Riobamba oder Liri-bamba war der alte Sitz der Puruhas, die
den Dienst des Con bewahrt hatte, jenes als knochenloses Gespenst
an der Küste Perus umhergehenden Urgottes, der dort vor dem
ihm, bald aus Süden, bald aus Norden (aber jeden&lls von den
Chimu) entgegentretenden Pachacamac verschwand. Seine Erinne-
rung hatte sich in dem Cultus der peruanischen Laren oder Conopen
(Con-Tici-Viracocha's) bewahrt, und gleich dem ägyptischen Canopus
wurde Con von den Puruha (s. Velasco)^) in Krugform dargestellt,
oder als ein Topf mit Menschenkopf, dessen geöffneter Mund nach
Oben gerichtet gewesen, um das Blut der Menschenopfer zu ver-
schhngen, bis die Scyri -Könige von Quito diesen Brauch durch ihre
Verbote abgeschafft hätten. Ebenso die barbarische Sitte die Erst-
geburt den Göttern darzubringen und ihre getrockneten Leichen
dann in einer Vase aus Metall oder Stein im Hause zu bewahren.
Die frühere Stadt wird mit der Lage des jetzigen Lican auf der
Mesa von Tapi, in Verbindung gesetzt, eine alte Poststation der
Inca, wo noch jetzt vorzugsweise die sonst in der Umgegend seltene
Lama-Zucht^) betrieben wird.
Die Post wurde von den Spaniern im Inca -Reich in einem sehr
geordneten Zustande angetroffen, und neben den für die Rast der
Reisenden bestimmten Tambo fanden sich Botenhäuser (Chasqui-
huasi), für die Postillone oder Läufer zum Wechseln. Diese würden
also gewissermassen den Mutationen an den römischen Strassen ent-
sprochen haben, wie jene den Mansionen. Prescott macht darauf
*) Bei Alvarado's Zuge von Puerto-Viejo nach Riobamba ,,lloviöles muchos dias cenija,
que lan^aba el Volcan del Quito" (Gomara).
') Une idolc d'argile, qui repr^sentait seulement la t^te d'un horame. Celle-ci *avait
absolument la fonne d'une mannite, la bouche et les levres ^taient sur le sommet de la
töte, et c'est par lä qu'on versait le sang des sacrifices, dont on frottait aussi la face de
l'idole , qui repr^sentait le dieu de la guerre ou de la vengence. On lui immolait les
prisonniers que Ton avait faits h la guerre, mais les Scyris abolirent cette cofitume
(s. Tcmaux-Compans).
') £n este pueblo se tienen muchas manadas de Runa-llamas, que les sirven como de
* piaras para el transporte de cargas y aun para cabalgarlos.
»
POST. 101
aufmerksam, dass die Posteinrichtung, deren früheste Spuren, ausser
im alten China, sich in Persien fänden, in America bei „two barba-
rian nations" (Peruaner und Mexicaner) im Gebrauch gewesen, ehe
sie bei den civilisirten Nationen Europas einen Platz gefunden.
Als die erste geordnete Postanstalt im mittelalterlichen Europa
wird die nach den Vorgängen der Pariser Universität von Ludwig XI.
eingerichtete angesehen. In Deutschland hatte man sich von den
durch die Handelsinteressen hervorgerufenen (und durch die Hansa-
Städte geforderten Botenzügen Fontego's (von Venedig aus) abge
sehen, mit den Metzgerposten zu behelfen, bis Maximilian I. den
spanischen Adligen Baptist von Taxis die Erlaubniäs zur Post zwischen
Brüssel und Wien ertheilte (1516) und sein Enkel Leonhard (als Frei-
herr von Turn und Taxis) erhielt 'dann von Karl V. (1543) die
später zur Reichspost führende Ermächtigung eines niederländischen
General-Postmeister's, worauf 1 597 der Titel eines kaiserlichen Gene-
ralpostmeisters im deutschen Reiche verliehen wurde. England's
mächtige Briefpost hat gegenwärtig seine Metropole in einen täg-
lichen Contact mit dem fernsten Theile des Erdballs eingesponnen,
aber es ist ein junges Institut, dessen Anfänge nicht über die Zeit
KarPs I. hinausliegen.
Beim Abschiede von Riobamba hatte ich wieder einen vollen
Kelch ärgerlicher Verbitterung zu leeren, wie er dem Reisenden in
Südamerica bei jedem neuen Abschnitt seines Weges neu kredenzt
wird, aus der landesbräuchlichen Zeitverachtung und unbedachten
Wortbrüchigkeit gemischt. Nachdem mir bisher auf den verschie-
denen Stationen die erwünschte und geforderte Pünktlichkeit trotz
aller angewendeten Cautelen fast jedesmal durch die schlüpfrige Unzu-
verlässigkeit der Versicherungen entschlüpft war, hatte ich mir vor-
genommen, diesmal den Apparat so umständlich anzulegen, dass
keine Masche offen bleiben sollte.
Da der Besitzer der Posada selbst die Lieferung der Thiere an-
bot, nahm ich wiederholte und umständliche Rücksprache mit ihm
über die Entfernung des Potrero, wo sie sich fänden, über die Mög-
lichkeit des Verlaufenseins und wie dann Ersatz zu schaflfen, über
die Mozo's welche die Thiere einzufangen und zu bringen hätten, wo
sie zu treffen und aus welchen Gründen sie verfehlt werden könnten,
über den Zustand des Packapparates, soweit er nicht von mir ge-
liefert war, über die auf dem Wege zur Stadt vorzusehenden
Zwischenfälle, und alle übrigen Chancen, nach deren sämmtliche
gründlichste Erwägung eine Stunde am Abend für die Ankunft des
102 NACH CHILE.
Train fixirt \iiirde. Vor meinen Augen bestieg mein Wirth sein
Pferd, um in eigener Person die Absendung zu überwachen, und noch
seine letzten Worte schwollen mit Betheuerungen und Schwüren, wie
man sie, ohne bis zum gerichtlichen Eide zu gehen, nicht heiliger
und feierlicher erwarten kann.
Die festgesetzte Stunde kam, die Thiere aber nicht, auch die aka-
demische Viertelstunde wurde zugegeben ohne ein Resultat zu äussern.
Bei Umfrage im Hause hiess es, dass die Thiere sich vielleicht in
der Dunkelheit etwas verspätet hätten, aber gleich da sein würden.
Stunde auf Stunde verfloss. Als ich neue Botschaft schickte, wurde
Mittemacht als äusserster Termin gesetzt. Da ich vor steigendem
Unwillen bereits keine Ruhe fand, erwartete ich Mittemacht, und
legte mich dann, das nutzlose Wachen zu sparen, nieder, nachdem
man auf mein Drängen versprochen hatte, Boten abzuschicken und
auch bereits abgeschickt haben wollte. Als ich nach kurzem Schlaf
noch vor dem Tagesgrauen erwachte, war Alles leer, wie vorher.
Ich weckte den Burschen und liess ihn Lärm machen, erhielt indess
zur Antwort, dass der Bote der Thiere angetroffen und schon mit
der Nachricht zurück wäre, dass sie unterwegs und jeden Augenblick
zu erwarten seien. Es begann zu lichten, die schönste Zeit flir
Packen und Rüsten, aber freilich unter der Vorbedingung der Thiere.
Der Morgen kam, die Sonne ging auf, Stunde schwand auf Stunde,
der halbe Vormittag war hingegangen und schon machte sich die
nahende Mittagsgluth fühlbar, als man endlicK das lang erwartete
Getrampel hörte und nun die halb ermüdet anlangenden Thiere ohne
weitere Rasl^zu packen und satteln hatte, um eine Tagereise anzu-
treten, die sie schon zur Hälfte wenigstens hätten hinter sich haben
sollen.
Leider konnte ich meinem Zorn nicht seinen vollen und legitimen
Ausdruck geben, da mein Herr Wirth, durch Vorschiebung dringen-
der Geschäfte sich klüglich aus dem Bereich hielt, und dafür die
bessere Hälfte in die Bresche trat.
Da sich diese sehr bald, als meine Worte nicht sanft und süss
genug klangen, in das Noli me tangere weiblicher Unschuld und weib-
lich hülfloser Schwäche hüllte, so blieb nichts übrig, als die Lippen
zusammen zu beissen und in den Sattel zu springen, um wenigstens
vom Tage zu retten, was noch übrig war.
Wir ritten einen Abhang an Hügeln aufwärts, dann hinab zu
St. Luis und wieder empor, wo uns ein Rückblick von oben ein ge-
:Schlossenes Thal zeigte, mit seinen Höhen in den verschiedenen Fär-
r •
ALAUSI. 103
bungen des Anbaues spielend. Lieber wellige Hügelerhebungen
führte uns ein schlüpfrig gebrochener Weg, den dei* gleichzeitige
Regen nicht verbesserte, besonders auf den sumpfig durchlöcherten
Wiesen.
Als wir am Nachmittag zu dem Fluss Gamote hinabkamen, liess
ich diesseits einen kurzen Halt zur Fütterung machen, dem am an-
deren Ufer gelegenen Pueblo gegenüber, und ohne dieses zu be-
rühren.
Für eine kleine Strecke waren wir der mit Hinblick auf die neue
Eisenbahn (gleich dieser ohne Anfangs- noch Endpunct) gebaute
Chaussee (Carretera) gefolgt, bogen dann aber links von derselben
ab, auf sandige Hügel hinaus. Eih längs den Schluchten hinlaufen-
der Weg fiel zum Bette des Flusses Tortillas hinab, und stieg steil
an der andern Seite wieder auf, um sich dann aufs Neue an steiler
Bergwand emporzuwinden, am Rande tiefer Abgründe. Der Mond
war aufgegangen, doch ist sein leicht täuschendes Licht nur wenig
nutzbar, auf derartigen Pfaden, wo jeder Fusstritt Beachtung erfor-
dert, und schon ein loser Stein die Reise zum unzeitigen Ende brin-
gen konnte. Eine freiwillige Unterbrechung, bei der uns die Aus-
wahl des Platzes blieb, schien mir deshalb vorzuziehen, und als ich
bei einer kleinen Erweiterung des Weges in einer Einbuchtung des-
selben eine Art von Felsüberdachung gewahrte, liess ich dort ab-
satteln und noch einige Steine für das Nachtlager zusammentragen,
das indess dem gegen Morgen auPs Neue fallenden Regen theilweis
ausgesetzt blieb.
Desto früher wkren wir auf den Beinen, die gekoppelten Thiere
zu satteln und packen, und während das vor sich ging, kamen in
der Dämmerung ein paar verdächtige Kerle herangeschlichen, die
wahrscheinlich die Anzeichen eines Lagers bemerkt hatten, aber als
sie uns bewafihet sahen, mit der Miene ehrlicher Reisender vorüber-
zogen. Der Weg bewahrte denselben Character der Schluchtenwin-
dungen und nach den steinigen Abfällen bei Ticsan blickten wir in
den engen Thalkessel von Alausi, das wir früh am Morgen er-
reichten.
Dieser Ort soll der Absicht nach mit einer Station beglückt
werden, bei dem Eisenbahnbau von Milagro, den man übrigens be-
gonnen hat, ausser noch den Hafen zu kennen, für den er eigentlich
bestimmt sein wird. Da es sich um- ein „Milagro" handelt, mag Alles
gut gehen, sonst müsste Einem, beim Anblick solcher Berge und
der Recapitulation ihrer geologischen Structur, der Gedanke an
104 NACH CHILE.
Eisenbahnen etwas spanisch klingen, selbst in diesen spanischen Län-
dern. Wenn ausserdem in der That eine Eisenbahn zwischen der
Provinz Manabi und Pichincha, und eine andere am Rio Yaguatschi
projectirt sein sollte, so würde das nur beweisen, dass ein Vertrauen
auf übernatürliche Wunder zur Missachtung und Verhöhnung der in
den Naturgesetzen niedergeschriebenen Lehren bethört hätte. Bauen
freilich wird sich mit der jetzigen Vervollkommnung der Technik so
ziemlich Alles lassen, wenn man die Schätze Peru's zur Verfügung
hat, und, nota bene, wenn man sie vergeuden will, wie es geschehen
ist. Aber hier ist wohl die Frage nach dem Cui Bono an ihrem
Platz, für jeden, der Mühe hat, die Vergeudung als Selbstzweck zu
verstehen. Und das wird, ausser dem engen Kreis der Betheiligten
selbst. Niemanden leicht sein.
Da es in dem Dorfe weder Posada oder Fonda noch Tambo
gab (den Spcculanten auf die neue Eisenbahnstation und etwaige
Restauration also noch freie Bahn gelassen ist), so sprach ich in dem
Convent des Cura vor, und wurde von den freundlichen, alten Herren,
mit einem Frühstück, so gut es das Topfglück eben gab, nach
Kräften bewirthet.
Auf dem von dem Hofe sichtbaren Cerro deutete man nahe der
höchsten Spitze einige Unebenheiten an, bei denen sich Stufenbauten
unterscheiden lassen sollten, und Einer der Besucher wollte ausser-
dem eine viereckige Plattform aufgemauert gefunden haben, mit drei
Vertiefungen in regelmässigen Entfernungen von einander.
Meine Verhandlungen über das Miethen von Thieren drohten
sich in die Länge zu ziehen, da die nächste Station eine weite und
eine der schwierigsten war, bei welcher erst in Caffar mit einiger
Zuverlässigkeit auf einen Wechsel gerechnet werden durfte. Da ich
indess meine Pässe bei dem Jefe politico zur Geltung brachte, und
an den Miethsforderungen nicht allzu viel mäkelte , gelang es mir in
der That bis Mittag das neue Relais zu erlangen, und zwar gute,
starke Thiere. wie es deren für die Passage über den Azuay bedarf,
welche ohne solche Garantie zu unternehmen ein grosses Risico
sein würde.
Nachdem die Bergwand hinter Alausi erklommen war, fanden
wir uns zwischen dichten Nebelwänden, die sich erst mit der Sen-
kung des Weges wieder lichteten, als dieser durch Einzäunungen
nach dem Dorfe Gualasco führte. Beim Durchreiten der Strassen
hörte ich mehrere Male den Warnungsruf vor dem Paramo, er sei
„Bravo", sehr wild und zornig, doch galt diese Vorsichtsmahnung wohl
PUMALLACTA» 105
mehr dem bekannten oder verwandten Führer aus dortiger Nachbar-
schaft, als den Fremden, um die man sich nicht viel zu kümmern
pflegt.
Unter einem, theilweis von dem Sonnenschein durchbrochenen
Nebeldache, das sich von Hügel zu Hügel spannte, mussten wir
nochmals zu dem tief eingeschnittenen Fluss hinab, um ihn zu kreuzen,
und uns dann von der andern Seite wieder steil in die Höhe arbeiten,
bis wellige Flächen nach dem Dorfe Pumallacta führten, wo vor Haus
(oder Hütte) des Teniente Halt gemacht wurde, neben welchem es
überhaupt kaum noch einige Hütten, und jedenfalls keine anderen
Häuser, gab.
Da noch ein Stündchen Tageslicht blieb, Hess ich in Folge
einiger, noch gerade in Zeit, auf mein Fragen erhaltene Mittheilungen
das bereits abgesattelte Maulthier wieder aufzäumen und ritt mit dem
Führer nach dem Cerro de Pucara, wo sich am Abfall zum Thal
aufgemauerte Stufenbauten, zum Theil mit Spuren rother Bemalung,
zeigen, und auf der obersten Plattform, die nach der andern Seite
schroff* abgeschnitten ist, eine halbrunde Böschung. Es wird sich
hier also um jene Festung (Pucara) handeln, die mehrfach in den
Feldzügen der Inca gegen die Canar und Scyri ihre P^rwähnung fin-
det und welche die Volkssage durch einen unterirdischen Gang mit
den Bauten von Inga Pirca verbindet, doch Hess die einbrechende
Dunkelheit nichts weiter erkennen, und hatten wir trotz der F'ührung
einige Schwierigkeit, über das unwegsame Terrain den richtigen Pfad
zu der allein stehenden Wohnung zurück zu finden.
Den Abend verbrachte ich im Gespräch mit dem Teniente, in
dem, neben seiner F'amilie, mich (mit Diener, Peon und Gepäck) be-
herbergenden Raum. Er wusste Mancherlei aus der Umgegend zu
erzählen und besonders wurde die am nächsten Tage bevorstehende
Passage des Paramo von Azuay besprochen. Die Wetteranzeichen
waren in den letzten Tagen nicht die besten gewesen und überhaupt
die Jahreszeit eine ungünstige. Da mein sonst sehr erfahrener
Bursche den Azuay nur einmal vor langen Jahren in früher Jugend
passirt hatte, wurde gerathen zu dem von Alausi mitgebrachten
Ariero noch einen Führer hinzuzunehmen, und bald stellte sich ein
Dorfbewohner oder (im F"alle das Dorf etwa gar nicht existirte) ein
benachbarter Hüttner ein, der als mit ausgezeichneten Eigenschaften
für den beabsichtigten Zweck begabt, geschildert wurde, und als
Erstes die Hälfte des ausbedungenen Lohnes zum Vorschuss nahm.
Ich Hess ihn gleich bei uns bleiben, und legte mich nun für einen
106 NACH CHILE.
Augenblick nieder, um Alles frühzeitig in Gang zu haben, da ich
bei der Nähe von Achupallas gerne einen vorherigen Abstecher
dahin gemacht hätte. Ich schickte deshalb den Diener und Peon
mit dem Packthier direct nach der Richtung des Azuay voraus, um
an der Quebrada de las tres Cruzes, einer durch drei aufgepflanzte
Kreuze kenntlichen Spitze, auf uns zu warten, und begab mich mit
dem Führer, über den Abfall am Fusse des Kammes, zunächst nach
Achupallas, wo wir ungefähr mit Tageslicht eintrafen.
Die an dem Bergesrand vorspringende Plattform trägt, wie einst
den Sonnentempel, so jetzt die Kirche, vor der behauene Steine
herumlagen und in deren Mauern alte Pfeiler sich eingefugt fanden.
An der schroffen Plattform herabsteigend, traf ich in der That die
Quelle, von welcher Villavicencio redet, von den Ausflussröhren mit
Steinlöwen und steinernen Eidechsen war indess nichts mehr zu sehen.
Viel Auskunft war nicht zu erhalten. Es trieben sich nur ein paar
Halbindianer umher, die noch halbverschlafen durch das Ungewöhn-
liche einer Fremdenerscheinung herbeigezogen waren, und die von
weissen Steinen (oder Marmor) redeten, die im Boden vergraben
lägen, sowie von Figuren, die man beim Ausgraben gefunden, aber
zerschlagen hätte.
Da uns eine beschwerliche Tagesarbeit bevorstand, durfte dies
Gespräch nicht länger ausgedehnt werden, zumal «ohne einige Unter-
suchungen (und die Zeit dazu) nichts Vernünftiges zu erlangen ge-
wesen wäre.
Auf den früheren Weg zurückkehrend, begannen wir nun die
Höhen zu ersteigen, die zu dem Eingang der Hochgebirgsschlucht
führten, aus welcher eisige Winde hervorbrachen, während darüber
eine graue Nebelbank hinjagte. Es sah schon so aus, als ob wir
den Paramo etwas bravo, wild und zornig, finden würden. Der Pfad,
mitunter ein schlammiger Moor-Weg, schlängelt sich längs des Ab-
hanges hin, über der tief gesenkten Schlucht und unterhalb des an
schroffen Felsen abfallenden Kammes von Culalu, während mir auf
der Bergwand an der anderen Seite ein gradliniger Streifen, als der
alte Weg angedeutet wurde. Wiederholt erscholl das Gebrüll der
wilden Ochsen, ihr Schnauben und Gestampf, und wird, wenn sich
in solcher Stimmung findend, ihr Begegnen lieber gemieden, zumal
auf schmalen Wegen. Sie selbst schienen sich als frei zu betrachten,
stehen aber unter gewissen Eigenthumsrechten , die von demjenigen
geltend gemacht werden können, der dazu im Stande ist.
An dem zum Rendezvous bestimmten Platze war von meinen
AZUAY. 107
Thiere nichts zu sehen, da die Directionen missverstanden waren.
Doch trafen wir sie etwas weiter hin, unter dem Anstcig zur Spitze,
und hatten sich Bursche und Peon in ihre Poncho und sonstigen
Decken gehüllt, zwischen Steinen verkrochen, um einigen Schutz
gegen die Kälte ^) zu finden, die dort herrscht. •
Der Führer legte uns die Frage vor, welchen der beiden Wege
wir zu nehmen wünschten, den oberen oder den unteren, und konnte
ihm darauf natürlich nur geantwortet werden, dass dfese Frage seiner
eigenen Beurtheilung überlassen bleiben müsste. Nach längerer
Ueberlegung meinte er dann, dass der untere Weg nach dem mehr-
tägigen Regen zu Sumpfig sein würde, um ihn begehen zu können,
und dass nichts übrig bleiben möchte, als den oberen Weg zu wählen,
den über das Cuchillo (Mes.sergrat), eine Entscheidung, die bei einiger
Erfahrung unter den schlechten Wetteranzeichen nicht hätte getroffen
werden sollen, was ich beim Zurückkommen vom Rathhaus wusste,
nicht aber freilich vorher, so dass ich damals nichts einzuwenden hatte.
Wo die Schlucht sich schliesst, wird der Kamm überschritten,
neben einem die drei Kreuze (QuinzaCruz) tragenden Steinhügel und
dann bildete den Weg eine öde Hochebene, rings umzogen von weiss
bereiften Kämmen. Wir waren noch nicht lange darüber fortgezogen,
als sich zu dem kalten Wind, der Mark und Bein durchdrang, ein
Schneegestöber gesellte, das bald dichter, bald lockrer fiel, während
der Wind zum wüthenden Sturm anwuchs. An vielen Stellen lag
der Schnee so tief aufgehäuft, dass die Maulthiere einsanken und
und nur mit Mühe wieder hervorgearbeitet werden konnten, und da
der heulende Orkan jedes gesprochene Wort abschnitt, zugleich auch
die mit treibenden Schneeflocken gefüllte Luft die Umsicht erschwerte,
hätten wir (lir gegenseitige Hülfsleistungen möglichst dicht zusammen-
halten müssen, ohne dies indess bei der Schwierigkeit des Weges
in der wünsch enswerthen Weise ausfuhren zu können. Bei dem
wiederholten Stürzen der Thiere riss bald hier, bald da ein Riemen
im Geschirr, und von den sorgloser verwahrten Theilen des Gepäckes
wurden einige von dem Sturmwind über die Schneefelder fortgerissen,
unter welchen Verlusten ich besonders den meines Regenmantels
bedauerte. Doch war jetzt keine Zeit zum Verzuge, wir mussten
*) Aqui comienza ta travesia de lo quc propiamente se llama Paramo de Azuay, en esta
elevaciou se coire ya el riesgo de las nevadas tan temidas y tan teribtes para el viajero
de^graciado que tenga la sucrte de experimentar alguna. Cuantos infelices han sido vic-
timas del frio en estos lugares! (Caldas). Humboldt bestimmt den höchsten Punct des
Assuay-Passes, wo der Weg Über die Ladcra de CadUid führt, auf mehr «ils 14,500 Fuss.
108 NACH CHILE.
voran, ehe die Thiere zunehmende Zeichen von Ermüdung zeigen
würden, denn damit wäre ein kritischer Moment eingetreten.
So ging es fort über diese ödesten der Oeden im hohen Luft-
meere, das die Schneestürme aufwühlten und im tobenden Unwetter
durchpeitschen. Bei momentanem Aufhellen blickten wir hier und
da durch die Oeffnungen der auf der Schneefläche hervorstehenden
Kämme auf ferne Hochgebirge, die sich in todter Majestät umher-
erstreckten, und als wir uns mehr dem Rande des offenen und weiten
Plateau näherten, konnten wir mitunter nach Abwärts die eine oder
andere Windung des unteren Weges erspähen, der auf einem niedri-
gen Niveau, und also weit geschützter, hinlief. '
Nach vielfachen Mühen wurde schliesslich der Plateaurand er-
reicht, und erblickten wir nun unten vor uns ein eingeschlossenes
Wiesenthal mit einer Lagune, zu welcher sich in wunderlichen Schlän-
gelungen der deshalb „Culebrillas" genannte Fluss hinwand. Der Ab-
steig war ziemlich steil und nun geriethen wir auf das sumpfige
Terrain (der Sümpfe vonPujol späterhin), auf welchem es genauer Local-
kenntnisse bedurfte, um die gefahrlichen Stellen zu meiden. Dass der
vermeintliche Führer auch hier unbrauchbar war, zeigte sich bald,
denn er führte uns so tief in den Morast hinein, dass wir uns ge-
zwungen sahen, die Thiere^ als den einzigen Ort festen Fusstrittes,
auf glatte Steinhügel zu lenken, die es unmöglich war zu ersteigen.
Dabei gerieth das Meinige, so gut es sich auch bis dahin bewährt
hatte, in*s Stürzen, und indem mein langer Pelz, den ich für die Kälte
auf dem Paramo umgehängt hatte, rasches Abspringen verhinderte,
kam ich unter dem Thier zu liegen, das sich, weil auf der Neigungs-
fläche des steilen Hügels gefallen, noch einmal nach unten über-
schlug.
Jeder war mit Rettung seines eigenen Thieres und eigener
Person auf dem bodenlosen Moorboden so sehr in Anspruch ge-
nommen, dass es einige Zeit dauerte, bis Hülfe kam, und konnte
diese, bei der Verwickelung der langen Sporen in das Riemenzeug,
erst nach der Absattlung des noch auf der Erde liegenden Maul
thieres geleistet werden, um mich von der aufliegenden Last zu be-
freien. Als ich mich los fühlte, machte ich Bewegungsversuche, und
wagte, als diese gelungen, die Glieder zu strecken und die Gelenke
in Armen und Beinen zu versuchen. Da zu meiner Zufriedenheit
Alles heil geblieben schien, bestieg ich das neu gesattelte Thier,
berieth aber jetzt mit meinem Burschen über die Fortsetzung des
CULEBRILT.AS. 109
Weges, da ich der bisherigen Führung nicht länger Lust verspürte,
mich anzuvertrauen.
Glücklicher Weise machte ungefähr zur selben Zeit eine, Pferde
zum Verkauf führende, Karavane aus dem unteren Weg des Azuay
ihre Erscheinung auf der Wiesenfläche des Culebrilla's, an der sich
beide Wege vereinigen. Da diese aus erfahrenen Reisenden bestand,
welche bereits zu verschiedenen Malen auf dem Her- und Hinwege
nach Loja den Azuay überstiegen hatten, so hielten wir uns zu ihnen
und kamen so ohne weiteren ernstlichen Unfall über den trügerischen
Wiesengrund hinweg.
Die sonderbaren Figuren des Culebrillas boten viele Unterhal-
tung, und man hat selbst gemeint Buchstaben herauslesen zu können,
und also eine künstliche Anlage, während sie die natürliche Folge
der in dieser Thalrundung mangelnden Niveaudifferenz sein werden,
indem der Fluss gleichsam zweifelnd schwankt, ob er in den See
zurücklaufen soll oder einige Tropfen nach dem Naranjal (zum Golf
von Guayaquil) abträufeln lasse.
Auf einer Erhöhung neben der Lagune, in welche der Culebrillas
mündet, stehen die m einem Rechteck aus aufgeschichteten Steinen
gebildeten Mauern, die unter dem Namen der Paredones bekannt
sind (auch als Labyrinth beschrieben) und worauf die unter den fol-
genden Morästen in ihren Resten erhaltene Strasse führt.
Dr. Reiss,*) der auf seinen sorgfältigen Untersuchungen die Loca-
lität des Azuay besser, als seine Vorgänger, kennen gelernt hat, be-
merkt, dass die den Inca zugeschriebene Calzada sich darauf redu-
cirt, dass der Weg dort durch die unregelmässige Oberfläche der
alten Lava gebildet ist, ohne Anzeichen von Pflasterung und Cement-
>) El grau conjunto de cerros, llamados ,,E1 Azuay" se componen de rocas anli-
guas, de csquitas p6rfiros, dioritas etc. en el norte, de areniscos en el sur, las cuales
estän cubiertas por una formacion volcanica. Las esquitas y areniscas, las ultimas muchas
veces desarrolladas como conglomeratos (Nagel- fluhe), que se encuentran en position
casi vertical y alineadas en direccion del sür al norte, se ven descubiertas en las lomas
y quebradas hasta 3600 y 3800 metros de altura. De alla hasta las cüspides no se en-
cuentra sino lavas en la parte del sur, brechas en la del norte y tobas, lavas y aglo-
meratos atravesados por (ilones en el cenlro de la serrania. Las brechas de traquita y
las tobas de piedra pomez se estienden muy 16jos al rededor del Azuay, formando capas
gruesas en los pdramos de Zula, descendiendo al oeste hdcia la region de los bosques,
y Ilenan tambien toda la liovft del rio Molobog cerca de Caflar, de tal manera que
muchas veces es dificil reconocer la verdadera estnictura geolögica del terrcno. Me pa-
rece que las erupciones cerca de Ticsan se puedan interpretar ' como la vanguardia del
gran centro volcänico del Azuay, y talvez pertenezcan h. la misma categoria los depösitos
de tobas y brechas traquiticas de Deleg, de Sidcay y de Turi cerca de Cucnca. Aus
Dr. Reiss' Briefe an den Präsidenten (Quito 1873).
110 NACH CHILE.
Bekleidung. Schmarda bemerkt von diesem Platz: „Hier sind die
Ruinen eines grossen Steinhaus aus der Incazeit, eine Art Hospiz,
welches den Beweis liefert, wie sehr die Regierung der Incas an
Staatsweisheit und Humanität der gegenwärtigen Verwaltung der
herrschenden Bevölkerung überlegen war, diese lässt die alten Her-
bergen aus der Incazeit verfallen, statt jährlich lo oder 20 Thaler
auf ihre Reparatur zu verwenden; man lässt die Wanderer, die bei
schlechtem Wetter den Assuai passiren müssen, ruhig verunglücken;
vom Schneesturm verwehen und erfrieren." Die Höhe des Passes
wird von ihm zu 13,640 P. F. bestimmt.
An dem See vorbei hebt sich der Weg über Haidehügel, die
indess noch vielfach von sumpfigen Wiesenflächen unterbrochen sind.
Dann öffnet sich der Blick auf das anstrebende Muldenthal von Inga-
Pirca, in welchem hier und da kleine Flecken grünen Anbaues zer-
streut erscheinen. Ueber Abfälle zieht sich der Weg hinab auf das
vom Fluss Silante durchströmte Hügelthal, geräth aber bald wieder
auf ein lehmig gebrochenes Terrain, auf welchem die Thiere oftmals
bis an den Gurt einsanken. Nach dem Ueberschreiten einer Rasen-
brücke, steigt der glitscherige Weg empor nach der Hacienda, welche
den Ruinen von Inga Pirca angebaut ist und welche ich, der Nähe
dieser Monumente wegen, der von meinen Begleitern gewählten,
zum Quartier vorzog, da die Nacht schon nahe war.
Das Inga-Pirca genannte und in der feinen Steinfiigung der Inca
(ohne erkennbaren Mörtel) aufgerichtete Gebäude (von paralelopipe-
dischen Steinen) steht in kahnartiger Form, und von Doppelmauer
umgeben, auf einem schroff" abfallenden Hügel, in zwei Stockwerken,
die Fenster-Einschnitte, Thüren und Balkensetzungen zeigend. Neue
Räumlichkeiten sind hineingebaut, und damals wurde diese monu-
mentale Reliquie als Schweinestall benutzt.
Auf einem nahe gelegenen Hügel findet sich, unter dem Namen
Inga Chungana eine Aushöhlung von Stein, mit geschwungenen
Verzierungen auf der Oberfläche. Von dem über den schroflTen Ab-
fall hervorstehenden Sitz, unter dessen Wölbung sich ein zweiter
findet, geniesst man eines romantischen Einblickes in das Bergthal
des Gulanza. Die auch dir Spielzwecke erklärte Rundung ist aus
dem lebenden Fels herausgearbeitet, oder vielmehr der Hügelfels ist
von der oberen Spitze bis auf diese schmale Rundung abgetragen,
im Anschluss an die natürliche Grundlage, wie in den Teocalli
Mexico's, gewissermassen eine zögernde Vorstufe, ehe der Mensch
selbsständig freie Bauten, mit künstlich dafür zubereitetem Material,
INGA-PIR.CA. 111
ZU entwerfen verstand. Die weiten Aussenwerke, die in ihren Trüm-
mern zn verfolgen sind, scheinen (als die sog. Festung von Caiiar)
beide Denkmäler, als Wohnung und Gartensitz (sowie den Tempel
mit dem Sonnenbild) umschlossen zu haben.
Als ich mit einbrechender Dunkelheit meinen Weg nach der Ha-
cienda, wo der Bursche mit^ den Thieren gelassen war, zurücksuchte,
fühlte ich einigermassen das Bedürfniss des Ausruhens und in Folge
der durch den Fall noch zerschlagenen Glieder von etwas Pflege.
Doch sah ich auf den ersten Blick, dass darauf nicht zu rechnen
sein würde.
Zu essen gab es, wie gewöhnlich, nichts, und obwohl man sich
darein allmählig zu schicken anfing, war es doch diesmal besonders
hart, da wir den ganzen Tag, von bald nach Mittemacht an, schwer
gearbeitet hatten, und auch schon die letzten drei Tage, seit der
Abreise von Riobamba, keine eigentlich regelmässige Mahlzeit er-
halten hatten, das bescheidene Frühstück in Alausi vielleicht aus-
genoYnmen.
Da der Mensch indess ein Wenig aus der Erinnerung zu zehren
vermag, und Phantasie-Begabtere sich, wie es heisst, mit Hoffnungen
mästen können, so mochte bei uns das Fasten noch hingehen, wäh-
rend es für die armen Maulthiere um so trauriger gewesen wäre.
Ich liess deshalb auch nicht nach, bis es auf fortgesetztes Andrängen
gelang, wenigstens ein paar Mundvoll für jedes zu erhalten.
Mit dem Nachtquartier war es ebenfalls schlimm bestellt. Der
ganze bewohnbare Raum des Hauses beschränkte sich auf ein mittel-
grosses Lehmzimmer, wie sie sich in den landesüblichen Hütten fin-
den, ohne Fenster, und nur mit niedriger Thür. In der Mitte, etwas
nach der einen Seite gerückt, stand das breite Bett, in welchem das
Ehepaar mit der ganzen Kinderbrut zusammenschlief; sonst aber fand
sich, ausser einer schmalen Lehm-Estrade an der einen Wand, kein
überflüssiges Möbel im Zimmer. Dass Alles von Schmutz starrte,
wusste ich im Voraus, musste es indess zu meinem Leidwesen beim
Anzünden einer Kerze noch deutlich vor mir sehen, während es mir
bei Tage durch das fensterlose Halbdunkel wohlwollender verhüllt
gewesen wäre.
Da das Nachtlager auf der Erde und in solcher Atmosphäre
nicht zu schwelgerischen Träumereien aufforderte, so war ich am
nächsten Morgen (August 19.) um so eher auf, und konnte die Zeit
bis zum Aufpacken der Thiere benutzen, um in der Quebrada am ,
Fluss, unterhalb des Inga-Pirca, das Inti-huaca genannte Denkmal* zu i
112 NACH CHILE.
besichtigen, indem auf einem schroff anstehenden Felsen zwei con-
centrische Kreise (der äusserste Ring roth, der mittlere gelb und ein
weisser in der Mitte) das Bild*) der Sonne darstellen, ein einge-
buchtetes mit Punkten das des Mondes. An einem neben einer Grotte
gelegenen Fels weiter unten findet sich ein ähnliches Sonnenbild,
und an einem anschliessenden Fels ein anderes mit dickerem Rand.
Dies Sonnenbild soll wunderbarer Weise hervorgetreten sein, als
Topa Yupanqui sich den Grenzen des Conchoconda von Lican
näherte, und die Priester der Inca begrüssten die Erscheinung des
göttlichen Stammvater's ihres Fürsten als eine siegverheissende Vor-
hersagung.
Als Topa-Yupanqui seine Rüstungen begann, sass Hualcopo auf
dem Throne der Duchicela, deren Dynastie seit dem Vermählungs-
bunde unter dem letzten Scyri mit der Quitos verschmolzen war.
Den Oberbefehl der Truppen führte Epiclachima, der Bruder des
Königs, der bei dem Vordringen des während seines Lagers in
Cailar verstärkten Inca von Tiquizambi auf Teocaxas zurückging,
und dort an den Grenzfestungen der Puruha eine Schlacht anbot, in
der die überlegene Kriegskunst der Inca den Sieg davon trug. Nach
vergeblichen Versuchen, Liribamba zu vertheidigen, sah sich Hual-
copo zum Rückzug nach Mocha gezwungen. Dort jedoch gelang es
Calicuchima, Epiclachima's Sohn, der an Stelle ^ seines gefallenen
Vaters mit der Feldhermwürde bekleidet war, alle Angriffe zurück-
zuweisen, so dass Capac-Yupanqui fiir das geeignetste hielt, sich mit
den soweiten Erfolgen seiner Eroberung zu begnügen und zum
triumphirenden Einzug nach Cuzco zurückzukehren. Nach den vor-
übergehenden Vortheilen^ welche Cacha (Nachfolger seines Vaters
Hualcopo) für kurze Zeit über die von den Peruanern zurückgelassenen
Garnisonen erlangte, wurde dann die Eroberung des Landes durch
Huayna-Capac vollendet.
Der Eigenthümer (oder Verwalter) der Hacienda, auf welcher
diese Felsbilder liegen, zeigte ein äusserst scheues und ablehnendes
Wesen, entweder weil er meinte, dass ich die von ihm (nach der
Ansicht seiner Nachbarn) ausgegrabenen Schätze aufspüren wollte,
oder dass ich selbst solche ausgraben und ihn also durch die Con-
currenz berauben wolle. Es kostete mich einige Mühe, bis ich ihn
kirre machte, doch war er beim Abschiede schon so weit gezähmt,
um mir ein paar der dort gefundenen Stücke zu überlassen, freilich
l , *) Humboldt erwähnt noch undeutliche Umrisse von Augen und Mund , die mit
•einem melallischeu Werkzeug später hinzugefügt scheinen.
MÖRTEL. 113
keine von besonderer Bedeutung, aber doch durch die Localität des
Fundortes interessante.
Inga - Pirca liegt auf einem von der Hügelkette nach Nordost
schroff, nach Westen (und Süden) in Vorsprüngen abfallenden Fels,
der auf halber Höhe mit einer Mauer aufgebaut ist, auf welcher sich
eine höhere Terrasse findet mit einem länglich runden Bollwerk (am
Fels angebaut) aus frei zusammengefugten Quadersteinen, und von
demselben erstreckt sich weiter eine Mauer mit Nischen, sowie eine •
andere mit Erhebungen, auf niedrigem Abfall. Auch in der nahe
gelegenen Hacienda findet sich altes Mauerwerk, zum Theil aus
grossen Steinen, als Fundament angebaut. Auf dem Bollwerk stehen
die Reste anderer Mauerwände, denen ein neues Gebäude, (eine
frühere Capellc, die später zum Schweinestall benutzt wurde) zuge-
fugt ist, und in ihm finden sich zwei Fenster, zwei Nischen -Ein-
schnitte, und Thüröffnungen, nach Oben verengt, sowie aus den
Wänden hervorstehend, Stein-Vorsprünge. Der Blick ist über die
Hügelwellen auf die Berge von Canar, gerichtet, jenseits der vom
Fluss Silante durchströmten Schlucht. Auf der obersten Terrasse
führen von beiden Seiten in Höhlungsnischen Treppen zum darauf
errichteten Gebäude. Die Fensternischen in der Mauer des Vor-
sprungs sind inwendig mit rothem Mörtel belegt, der gegen Osten
gerichtet in der Morgensonne schimmert.
Seit Ulöa's und Humboldts Zeit sind sie mehrfach beschrieben
worden, und jedesmal unter den Veränderungen, die der Zahn der
Zeit im Aussehen hinzugenagt hatte. Neuerdings hat sich Herr Dr.
Reiss, auf seiner in Verbindung mit der Dr. StübeFs eine Neugestal-
tung der Ansichten über Südamerica versprechenden Reise längere
Zeit dort aufgehalten, und wird wohl bald eine detaillirte Beschrei-
bung ermöglichen.
Den bei der genauen Zusammenfligung der Steine über das
Vorhandensein von Mörtel in den Inca- Bauten angeregten Zweifel
hat Humboldt im bejahenden Sinne entschieden, und zugleich auf
ein aus Asphalt hergestellten aufmerksam gemacht, neben dem von
ihm in Inga - Pirca (Inga-Pillca) untersuchten, der mit Säuren braust.
Dit Bausteine (aus Trapp-Porphyr) sind parallelipedisch behauen,
mit convexer Oberfläche (schräg an den Rändern), rustificirt nach
Art des Bugnato in Italien. Die Höhe der Thüren, um den Eintritt;
auf Schultersänften zu gestatten, bedingt dann, der erforderlichen
Festigkeit wegen, die Einwärtsneigung nach Oben.
Bei der Rückkehr zum Quartier fand ich Alles fertig stehen, so
Bastian: America. {. Ö
114 I^KRU CNI) ECUADOR.
dass wir noch bei guter Zeit aufbrechen konnten. Nach dem Passiren
des Flusses Silante, steigt der Weg längs des Ufers empor, und
zieht sich dann fort über ein gebrochenes Hügelland.
Da nach mehrtägigem Fasten für Thier und Mensch eine ge-
wisse Berechtigung zur Frühstücksrast vorlag, Hess ich mich diesmal,
auf die wiederholten Anspielungen meiner Begleiter dazu bestimmen,
als ich gegen Mittag in der Umgegend allerlei sonderbare Baulich-
keiten hervorragen sah, über die ich gerne Auskunft gehabt hätte.
Ich ritt deshalb nach einem Pachthaus zu, und Hess meine Thiere
auf dem Hof einstellen, obwohl mir die dort geschäftige Hausfrau
auf mein Ansuchen um Herberge jedenfalls nicht mit Ja geantwortet
hätte. Meinem Diener ihre Besänftigung, sowie die Besorgung des
Frühstücks, soweit MateriaHen dazu vorhanden, überlassend, begab
ich mich nach dem Chordeloma genannten Hügel, dessen Bauten
sich als Festungswerke erwiesen, die zum Theil an den natürlichen
Fels anschlössen. Am Schlussbau stieg man auf breiten Stufen empor,
und der Eingang zu diesem führte durch zwei Steinplatten. Aehn-
liche Steinplatten und gerillte Steine, sowie aus losen Steinen auf-
geschichtete Mauern, fanden sich an verschiedenen Stellen der Ober-
fläche. Auch das Haus, in dem wir abgestiegen waren, stand auf
einem alten Unterbau, aus welchem grosse Steinplatten hervorragten.
Daneben zeigten sfch breite Stufen eingeschnitten, ujid an der andern
Seite verschiedenen Nischen und Ausholungen, theils mit Steinsitzen,
theils zu Bädern.
Ein Umblick zeigte, dass sich in der Umgegend noch mehr
solche Reste finden müssten, so dass eine archäologische Aufnahme
angezeigt wäre, ohne welche es schwer sein würde, sich über die
Bestimmung dieser Werke und ihren Zusammenhang unter einander
klar zu werden. In der Nähe dort beschreibt Alcedo ein befestigtes
Tempelschloss (bei Cahar) mit Gängen und Nischen, worüber ich bei
meinem raschen Durchritt keine weitere Auskunft erlangen konnte,
da ich Niemand dafür Fähigen antraf.
Sobald die Thiere abgefressen hatten, wurde gesattelt und ge-
packt, und über den AbfaU steiniger Hügel gelangten wir zum Rio
Grande, auf die Strasse nach Canar einlenkend. Wälirend der Weg
mit spärlicher Vegetation bedeckte Steinhügel hinanstieg, erblickten
wir, vor höheren Bergreihen, am Abhang bebauter Hügel die
Stadt Cafiar oder Hatun- Canar, mit drei hohen Erdhügeln, gerade
vor dem Eintritt, Nario, Pie de Nario und Suculoma genannten, die
auf natürlicher Felsgrundlage ruhen, während sich Anbauten unter-
TANAR. 115
scheiden, sowie Schichtungen loser Erde, unter Einschlüssen von
Grabhügeln.
Obwohl Canar als Villa figurirt und zu den ältesten Ortschaften
von Südamerica gehört, hatte es doch noch kein Wirthshaus ent-
wickelt, aber andererseits die Gastfreiheit, die sonst solchen Mangel
ersetzt, verloren, wie es schien. Obwohl ich meinen Diener zu allen
Behörden und Autoritäten des Orts umherschickte, hatte ich doch
mit meinem Zuge auf dem offenen Markt zu halten, und als dann
mein Bote nur mit Ausreden der Abwesenden, oder abwesend Gemel-
deten, zurückkam, sprach ich im Vertrauen auf St. Julianus Hospi-
tator, den Schutzpatron der Heiligen (aus dem 9. Jahrhundert), meine
Ansicht über diesen Empfang so deutlich aus, dass schliesslich Einige
der Umstehenden hervortraten, und mich nach dem Hause des Gouver-
neur brachten, der, obwohl die Kleinheit desselben eine Aufnahme nicht
erlaubte, mir ein gegenüberliegendes leeres Zimmer zum Abpacken ver-
schaffte, und mich am Nachmittage auch mit einigen Bürgern bekannt
machte, von denen ich verschiedene sehr interessante Gegenstände
aus den dortigen Funden erwerben konnte. Als die bisherigen Thiere
zu verabschieden waren und mit dem Führer von Pumallacta zurück-
kehren sollten, wollte mein Diener dem letzteren nicht nur nicht
seinen Lohn ausbezahlt, sondern ihn selbst zur Bestrafung gezogen
wissen. Schon am Wege war er nach der Rücksprache mit den
Leuten der Karavane, mit der wir einige Stunden zusammenreisten,
zu der Behauptung gekommen, dass der Führer uns absichtlich den
gefahrlicheren Weg über den Aznay geführt hätte, um uns beim
Ermüden der Thiere im Schnee stecken zu lassen, und dann am
nächsten Tage die Leichen zu berauben. Aber pflegte er höhnisch
triumphirend zu schliessen, „das Bürschchen hat nicht gewusst, mit
wem er zu thun hat, mit einem alten Krieger - Veteran gleich mir
anzubinden, er wusste nicht, was wir für Kerls sind.'' Der Beschul-
digte antwortete auf Alles das, sehr kleinlaut und timide, und schien
in der That überrascht, als ich ihm den Rest seines bedungenen
Lohnes auszahlte. Noch erstaunter würde darüber wahrscheinlich
ein Indianer gewesen sein, über deren Behandlung eigenthümliche
Principien gelten. Als die bei Culebrillos eingetroffenen Reisenden
von meinem Gepäckverlust auf der Höhe des Azuay hörten, bestanden
sie als dem Brauch gemäss darauf, dass der Indianer, trotz des fort-
dauernd drohenden Himmel's zurückgeschickt werden müsse, um
die Sachen zu suchen, und als ich ihn später mit einer ähnlichen Nach-
suchung beauftragte, von der er ohne Resultat zurückkam, wäre es für
116 PERU INI) ECrADOK.
Alle selbstverständlich gewesen, dassihm der Verlust hätte abgezogen
werden sollen. Als ich ihn voll bezahlte, schien das ein Bruch des
Herkommen's zu sein. Die Schuld des Führer's lag übrigens im Grunde
wahrscheinlich nur darin, dass er sich nicht sicher genug gefühlt
hatte, in den Sümpfen des unteren Weges den Pfad zu finden, und
uns deshalb über die Höhen führte, obwohl es eigentlich bereits
zu spät^) am Vormittag war.
Noch in der Dunkelheit liess ich packen, so dass wir bei Tages-
anbruch unterwegs waren (August 20.). Ueber sumpfige Moorflächen
ging es aufwärts, an dem Bach Yoripongo mit Wassergefällen; die
Luft füllte sich mit Reifnebel und der schlüpfrige Weg erforderte
stete Vorsicht. Hohe Bergketten stiegen in der Ferne auf, als wir
auf allerlei Umwegen, um auf dem schlammigen Sumpfboden festere
Bodenstellen zu finden, den Bach Curikinga erreichten, dessen Brücke
indess zerbrochen war, so dass wieder eine neue Richtung einge-
schlagen werden musste. Wir geriethen auf morastige Wiesen-
flächen, wo ebenfalls die Brücke sich in so verfallenem Zustand fand,
dass wir uns nicht hinaufwagen konnten. Dichte Nebel stiegen aus
den Thälem auf, uns entgegenwehend und Alles in nasse Schleier
hüllend. Die beständig einsinkenden Thiere begannen zu stürzen,
wenn sie in ihren gewaltsamen Sprüngen, eine Fussunterlage zu
finden, diese verfehlten, und das Lastthier fand sich einige Male in
so bedenklicher Lage, dass wir fast schon die Hoffnung aufgegeben
hatten, es wieder herauszuziehen und auf die Beine zu bringen.
Glücklicherweise fanden sie sich in guter Condition und war auch
der indianische Führer ein zuverlässiger, mit den Pfaden von Jugend
auf vertraut. Bei niedrigen Büschen, am Abhang nach dem Thal,
begann der Absteig des Bueste, von dem man mir bereits in Rio-
bamba gesprochen hatte. Im Allgemeinen wird in Ecuador nicht
viel gereist, und in der einen Provinz wenig von den andern (die Haupt-
strassen ausgenommen) gewusst, wenn ich indess hin und wieder
Reisende traf, die durch Canar gekommen, so warnte man mich vor
den dortigen Wegen. Der Absteig des Bueste war indess noch als
der bessere genannt, unter den zweien, die gewählt werden konnten
^) Caldas bemerkt, dass man spätestens um 5 Uhr morgens von Puma-Llacta aufzu*
brechen und bei etwaiger Verspätung die Reise zum nächsten Tage zu verschieben habe,
da bei vorgerückter Tageszeit auf dem Asuay : se corre el riesgo de una nevada, meteoro
que ha sido funesto a muchos (la nieve ö yelo que cubre al viajero for todas partes y
que le embaraza el paso sumergiendole las m.os vezes hasta mas arriha de la rodilla, cl
viento glacial que le azota y gela con furor, la oscuridad causada por la niebla, le opri-
men, le yelan, le entorpecen los movimientos, Ic cansan y muchos vcces le hacen pcrecer).
AZOGIES. 117
(im Vergleich mit dem Absteig von Moloboc), so dass man mir ge-
naue Directionen gegeben hatte, wie er zu verfolgen sei. Hier kommt
dann leicht der Gedanke, wie, wenn es so mit dem guten Weg bestellt
ist, wie es dann um den schlechteren aussehen mag. Doch wird
freilich, nach späteren Beschreibungen, zwischen beiden kein grosser
Unterschied bleiben, und lässt sich das Beiwort schlecht nicht viel
varriiren, ausser etwa nach der Jahreszeit und dem Stand des Wetter's,
in welchem der Reisende sich über solchen Grund fortbewegt hat
Schon 1804 spricht Caldas von dem „Paso de Bueste, celebre por sus
peligros.'' — Ueber kahle Höhen mit vereinzelten Bäumen knorrigen
Stammes ging es hinab, und öffnete sich dabei der Blick in eine zwischen
Berggruppen gestreckte Thalschlucht, mit hoher Kette dahinter.
Wir hatten hier die Wasserscheide zwischen pacifischen und atlanti-
schen Meere passirt, indem die Höhen von Canar noch entferntere
Quellen für den Golf von Guayaquil liefern, der Fluss Burgay (Galoe
oder Biblian) aber, zu welchem jetzt heruntergestiegen wurde, bereits
zum Wassergebict des Paute gehört, der sich als Santiago mit dem
Maranon vereinigt. Zur Bildung des Guyaquil-Flusses tragen bei: der
Daule vom Nudo de Sandomo, der Babahoyo mit dem Rio de Cristal
und San Miguel, der Baba von Mocha, der Palenque mit dem Rio
Alausi, der Yaguachi mit dem Guaranda, und der Golf füllt sich von
Chanduy (oder Mondragon) bis Tumbez. Theils an trockenen Stellen
des steinigen Flussbettes, theils neben demselben erreichten wir die
Ortschaft Biblian, und kamen dann längs einer Schlucht an den Galoe
in der Thalumgrenzung, in welcher Azogues (im Thal von Yun-
guilla) liegt.
Ich hielt auf der Plaza, die, weil gerade Markttag, mit Käufern
und Verkäufern gefüllt war, und da es auch in dieser Hauptstadt der
Provinz kein Gasthaus gab, schickte ich meinen Burschen aus, ein
Zimmer zu miethen. Zugleich hatte ich ihm einen Empfehlungsbrief
mitgegeben, den ich für den Kaufmann, Herrn Vincente Aguilar, bei
mir führte, und bald machte dieser seine Erscheinung, um mich in
seiner Wohnung, am andern Ende des Fleckens zu accommodiren.
Solche Gastfreundschaft ist bei den Nothfällen, in welche man ge-
rathen mag, immer dankbar anzunehmen, obwohl ich es sonst vor-
zuziehen pflegte, mir irgend einen Raum, so gut, oder vielmehr so
schlecht er' sein mag, leer machen zu lassen und dafür zu zahlen,
indem man dann nach Belieben wirthschaften kann. Herr Aguilar
konnte mir nur sein Comptoir - Zimmer anweisen, wo Papiere und
Kisten ein wenig auf die Seite geschoben wurden. Ausserdem be-
118 PERU UND ECUADOR.
stand das für dortige Verhältnisse ganz ansehnliche Haus neben der
umlaufenden Veranda nur aus def grossen Sala, und daneben einigen
Gemächern für Frauen und Kinder, sowie die Küche. Da mein Haus-
wirth des Markttages wegen in das Geschäft seines Laden*s, in der
Nähe der Plaza, zurückzukehren hatte, blieb ich mit den Frauen
allein, und da sich diese einem plötzlich hineingeschneiten Wild-
fremdem gegenüber in ungelenker (und unter dem dortigen Stillleben
leicht erklärlicher) Verlegenheit fanden, hatte die Einleitung eines
Modus vivendi seine Umstände. Schon die Beschaffung einer Wasch-
schüssel erforderte Zeit, und all die umständlichen Reinigungsopera-
tionen, die nach einem Ritt, wie wir ihn so eben zurückgelegt hatten,
zum dringenden Bedürfniss werden, liessen sich nur unter Schwierig-
keiten vornehmen. Im Uebrigen war die Familie sehr liebenswürdig,
nicht nur Herr Aguilar, sondern auch seine Frau Gemahlin und die
Uebrigen der weiblichen Mitglieder, nachdem wir bei Tisch ver-
trauter geworden.
Meine erste Frage war nun nach den Bronce-Aexten, das Haupt-
ziel, das mich zu dieser dornenvollen Reise von Riobamba her ver-
lockt hatte. Mein Wirth erinnerte sich, von dem früheren Funde
gehört zu haben, wusste auch Mancherlei von Ausgrabungen bei
Mangang und Cujitambo, sowie von den Alterthümern Guapang's,
konnte mir aber über den eigentlichen Gegenstand meiner Wünsche
keine weitere Auskunft geben. Die Eigcnthümerin des Terrains, wo-
her die Aexte stammten, war ihm freilich bekannt, doch glaubte er
gewiss zu sein, dass sie sich bei ihr nicht mehr fänden. So zeigte
es sich auch, als wir diese (Senora Natividad) noch am Nachmittage
aufsuchten. Sie bestätigte die Zahl von circa 3CXX), die ihr gebracht
seien, hatte aber Alles für altes Kupier verkauft, und kein eüiziges
Stück mehr in Händen.
Wir wanderten so am Abend und am nächsten Tage in der
Stadt umher, von Laden zu Laden, wo die Stadtneuigkeiten venti-
lirt wurden, trafen auch den Einen oder Andern, der die Aexte ge-
sehen, aber, wenn er selbst davon besessen, sie zum Einschmelzen
hingegeben hatte. Das war schlechter Trost, noch schlechter, als
die Wege, die zurückgelegt waren, um in solcher Enttäuschung zu
enden.
In der Zwischenzeit konnte ich einige Kleinigkeiten erwerben
und erhielt ein paar hübsche Sammlungsobjecte durch Herrn A. Que-
vedo, den Geschäfts -Compagnon Herrn Aguilar's, der eine F'inca in
der Nähe der Stadt bewohnte.
BRONZE-AEXTE. 119
Die Erkundigungen über die Bronce - Aexte gingen unterdessen
fort. Man schickte uns von Pontius zu Pilatus, aber ohne Erfolg.
Mein Gastfreund wusste keinen weiteren Rath, ebenso wenig seine
andern Bekannten, die er für etwaige Auskunft herbeigezogen hatte,
und so sassen wir im Hause eines derselben beisammen, um nochmals
aus den hier und da bemerkten Spuren die Wegesrichtung zusammen-
zustellen, in welcher die Aexte zur schliesslichen Ruhe gewandert
sein könnten. Für die meisten war es der Schmelzofen gewesen,
darüber konnte kein Zweifel sein, doch mochte ich nicht die letzte
Hoffnung aufgeben, dass nicht vielleicht einzelne gerettet sein möchten.
Unter dem Hin- und Herreden und Erwägungen verschiedener
Art, fiel es dem Hausherrn ein, dass sein Partner, der sich damals
von Azogues abwesend fand, vor längerer Zeit in altem Kupfer ge-
macht hätte, und meinte er etwas derartiges in einer Kiste gesehen
zu haben, die in einer Ecke stand. Dieselbe war verschlossen, doch
übernahm er auf mein Drängen die Verantwortlichkeit, sie zu öffnen,
und — siehe da, der lang gesuchte Schatz lag vor uns. Zwar nicht
3000 an Zahl, sondern etwa nur 300, doch noch genug, meine Be-
dürfnisse zu befriedigen, da ich bei der Durchsicht zwischen 60 und
70 mit Emblemen verschiedener Formen darunter fand, und nun alle
diese zusammenlegte. Zwar konnte ich sie, ohne den Consens des
Eigenthümer's, noch nicht in definitiven Besitz nehmen, doch sagte
mir Herr Aguilar zu, dass er Alles in Ordnung bringen würde, und
da er selbst in dringenden Geschäftsangelegenheiten nach Cuenca zu
reisen hatte, beschloss ich, ihn dahin zu begleiten. Bronce -Gegen-
stände waren früher aus Peru nur wenig bekannt, und Humboldt er-
wähnt als grosser Seltenheit eines bei Vilcabamba gefundenen Bronce-
Meissel's, den er erwerben und nach Europa bringen konnte, um ihn
von Vauquelin analysiren zu lassen. Der von Godin mitgebrachte
war durch Maurepas dem Graf Caylus zur Untersuchung übergeben.
Azogues (nach seinen Quecksilberminen von Huaischun benannt)
hat neuerdings commercielle Bedeutung gewonnen, durch die Ver-
fertigung der feinen Strohhüte, die unter dem Namen von Panama-
Hüten in den europäischen Handel kommen, und hat diese Industrie
gegenwärtig in verschiedenen Plätzen Wurzel geschlagen, in Peru in
Catacaos, in Columbien in Aguades,, während sie sich ursprünglich von
Manavi (an der nördlichen Küste Ecuadors) verbreitet zu haben
scheint. Im Uebrigen fliesst das Leben in diesen Binnenplätzen der
Cordillere in einförmigster Weise dahin, und wenn man auf die er-
eignisslose Geschichte der letzten Jahrhunderte unter der spanischen
120 J'KRU rsi) KcrADOR.
Colonialregierung zurückblickt, kann der indolent gleichgültige Cha-
racter, der sich in der Bevölkerung (en el seno de estas espesas
tinieblas, wie Caldas sagt) herausgebildet hat, kein Wunder nehmen.
Nachdem die erste Generation, zum Theil noch gleichzeitig mit der
energischen Rasse der Conquistadores, dahin gegangen war, fehlte
ihren Epigonen je'de Fühlung mit der grossen Welt, und in diesen
abgelegenen Thälem der Cordillere rollten für sie Jahrzehnte und
Jahrhunderte in monotoner Eintönigkeit dahin, durch kein wichtigeres
Ereigniss unterbrochen, als dann und dann vielleicht den Namens-
wechsel eines Vicekönig*s oder Gouverneur\s. Erst das den Globus
erschütternde Erdbeben, das mit der französischen Revolution am
Ende des vorigen Jahrhundert's ausbrach, machte sich auch in den
Bergwinkeln Südamerica's fühlbar, und es ist leicht verständlich, wie
die so unmotivirt aus ihrer Lethargie Aufgerüttelten, jetzt den rich-
tigen Massstab der Beurtheilung verloren haben, und nun ihre inneren
Zwiste ungebührlich ihrer Wichtigkeit nach vergrössern, obwohl diese
für sie schliesslich auch die grössere Wichtigkeit haben.
Der 23. August war zur Abreise bestimmt, die indess bis nach
dem Frühstück verschoben blieb. Wir ritten über die hügligen Vor-
sprünge im Thal des Azogues - Flusses mit grünen Ebenen an dem
steinigen Bette. Ueber Erhebungen ging es aufwärts, bis wir in das
Thal des Machangara gelangten. Beim Abschneiden der Windungen
desselben führte steiler Ansteig zu kahlen Höhen, von denen der
Blick am Horizont Bergketten aufsteigen sah und vor ihnen Cuenca,
in sein Thal gebettet. Nach mehrfachem Auf und Nieder zeigte
sich das längs des Flusses von Bäumen beschattete Thal des Machan-
gara, von ineinander geschobenen Bergreihen abfallend. Nach Passi-
ren einer Brücke fanden wir auch dem steinigen Boden Anpflan-
zungen abgewonnen und betraten am Nachmittag die Stadt, wo das
Hotel Columbiano Logis bot.
Cuenca (Santa Ana de Cuenca) hat einen guten Namen in der
americanischen Archäologie, da dort wiederholt reiche, und durch
ihren Metallvorrath zugleich kostbare, Funde gemacht sind. Das
letztere hat indess meist zu ihrer Zerstörung beigetragen, so dass
man im Ganzen mehr von ihnen gehört, als gesehen hat. Ich traf
in Don Garcia Moreno einen der dabei thätigen, der sein bedeutendes
Vermögen, das als eines angesehenen Kaufmannes dortiger Verhält-
nisse, durch Gold- und Silberfunde gemacht haben sollte, — in solchem
Fall eine der seltenen Ausnahmen in der Lotterie, wo die über-
wiegende Mehrzahl Nieten zieht.
TOMEBAMBA. 121
Er sprach von Sammlungen, die er vor Jahren nach Europa ge-
sandt, aus denen er indess, sei es in Folge der Unzuverlässigkeit der
Agenten, sei es durch die Schwierigkeiten der Correspondenz oder aus
anderen Gründen, nicht den erwarteten Vortheil gezogen, und über
deren schliesslichen Verbleib ein fester Anhalt fehlte. Damals hatte
er wenig mehr in seinem Besitz, doch konnte ich noch einige werth-
volle Stücke von ihm kaufen, die wahrscheinlich ihres verlockenden
Feingehaltes wegen nicht mehr lange der Zerstörung entgangen
wären, der sie theilweise bereits anheimgefallen waren.
Eine interessante Bekanntschaft machte ich dann in einem jungen
Gelehrten, Don Juan Matavello, der bereits mit dem Padre Rencoret
für archäologische Zwecke verkehrt hatte. Vor Kurzem war ein
höchst bemerkenswerthes Fundstück in seine Hände gelangt, eine
Holztafel mit dem Plan einer Stadt, die für das berühmte Tomc-
bamba erklärt wurde, weil an einer Localität gefunden, wohin man
diese vielgesuchte Residenz der Inca versetzen zu müssen glaubte.
Der Fundort lag südlich von Cuenca auf dem Wege nach Loja,
während Andere Cuenca selbst mit Tomebamba identificiren oder es
auch nördlich ansetzen. Bei dem Umfang, der dem alten Tome-
bamba in den Beschreibungen gegeben wird, konnte der angetroffene
Grundriss immer nur ein Abschnitt des befestigten Theiles repräsen-
tiren, doch bleibt er merkwürdig genug, besonders' auch durch die
zugefügten F"iguren, so dass ich um ein Modell bat, welches Herr
Matavello auch die Freundlichkeit hatte, in den Dimensionen des
Orginales für mich anfertigen zu lassen. Das letztere wünschte er
noch einige Zeit zu bewahren, da es gerade beabsichtigt w^r, eine
Gesellschaft für archäologische und ethnologische Bestrebungen zu
bilden, und konnte ich ihn in diesem löblichen Vorsatz natürlich nur
bestärken. Herr Oberst Taylor, der sich bereits zu Seemann's Zeit
(1845) ^^ Cuenca befand, war damals leider zeitweilig abwesend, Hess
mir indess später, in Folge der eingeleiteten Correspondenz, ein
werthvolles Geschenk aus seiner Sammlung zugehen.
Innerhalb des von Gil Raminez Davilos (1537) im Thal von
Bamba gegründeten Cuenca finden sich keine Alterthumsreste, doch
sprach mir Herr Matavello von einigen vor den Thoren und be-
gleitete er mich, nebst einem seiner Freunde, auf einer Excursion.
Vom Abhang der Stadt (an derPuente dos Vadios) blickt man auf das
Thal des Ejido, mit vier Flüssen (Yanuncay, Machangara, Baßos undMata-
dero oder Tumebamba), zwischen den Anpflanzungen und von Bergreihen
begränzt. Wenn man jenseits der Brücke de los Santos dem Flusse Mata-
122 PERU UM) ECUADOR.
dero bis zu dem Puma-Pongo genannten Orte folgt, sieht man auf der
andern Seite einen aus Stein und Mörtel gefertigten Ausbau des alten
Brückenpfeilers. Dann leitet durch Chaguar chiribana der Weg auf-
wärts, am Hügel Gapal, zur Hacienda de las Monjas, wo sich
weiterhin Reste des alten Weges (aus eingesetzten Steinen) unter-
scheiden, mit einem Blick auf das in Bäumen und Anpflanzungen
wechselnde Thal des Ejido, von Wasserstreifen durchschnitten, bis
jenseits Cuenca's hohe Bergketten aufsteigen.
Als Einer der gegenwärtig noch thätigsten Grabsucher wurde
mir Don Antonio Serrano genannt, der schon zu verschiedenen Malen
grosse Vermögen gemacht, aber sie im fortgesetzten Probiren und
Sondiren auch wieder verloren haben mochte. Er schien besonders
mit jenem, vor einigen Jahren grosses Aufsehen erregenden, Schatz
von Chordeleg verknüpft, und da er sich gerade wieder an dieser
Localität, auf seinen Arbeitsfeldern beschäftigt fand, beschloss ich ein
paar Tage zuzugeben, um ihn dort aufzusuchen.
Seihst in einer Stadt wie Cuenca hatte es Schwierigkeit, auf
kurze Notiz die gewünschten Pferde zu bekommen, und da ich so
am Morgen nur ein Pferd vorfand, hatte ich meinen Diener zurück-
zulassen und wurde von dem Führer zu Fuss begleitet, was indess
bei dem gleichmässig raschen Lauf der Indianer, bei nicht allzu lan-
gen Strecken, keinen Aufenthalt verursachte. Die Schwierigkeit der
Reitthierbeschafi"ung an solchen Orten, wo Jeder wenigstens eines,
wenn nicht mehrere, besitzt, liegt eben in dieser Häufigkeit und Ge-
wöhnlichkeit, weil dadurch (von den vereinzelten Fällen eines frem-
den Durchreisenden abgesehen) niemals die Anfrage zum Miethen
gestellt wird, und also, bei mangelndem Bedürfniss, auch Nichts dafiir
vorgesehen ist. Das im Stalle gehaltene Pferd kann Keiner weg-
geben (ausser etwa für einen kurzen Ritt innerhalb der Stadt), da er
es jeden Augenblick selbst zu benutzen haben mag und es für sol-
chen Zweck eben in seinem Stalle hat. Die übrigen Thiere finden
sich in den Weiden der Fincas oder auf den Portreros, oft in weiter
Entfernung, und sollen sich dort entweder fiir eine bevorstehende
Reise ausruhen, oder zum Verkauf aufgefüttert werden. Sie sind also
Handelsobjecte, über die sich verhandeln lässt, und wenn man dem-
gemäss mit einem Arriero ein landesübliches Abkommen trifft, dass
er in 8 oder 14 Tagen eine solche Zahl von Thieren für solche
Zwecke zu liefern hat, so wird man im Durchschnitt wahrscheinlich
ganz gut bedient sein. Kommt man aber als Reisender heute in
einen Ort an, um morgen mit frischen Thieren weiter zu reisen, so
CHORDELEG. 123
setzt es eine Menge der ermüdensten Laufereien, und vorausgesetzt,
dass man überhaupt erlangt, was man sucht, so bleibt es jedenfalls
immer nur ein Glückszufall, wenn die Thicre diensttüchtig sind.
Diesmal, wo die bereits gemachten Bekanntschaften in der Be-
schaffung gehoMen, konnte ich über das Pferd nicht klagen, und so
legte ich rasch die erste Strecke des Weges zurück, über den be-
reits aus der Herreise bekannten Grund. An der Confluenz der
Flüsse von Cuenca und Azogues wurde der nach Azogues weiter
führende Weg verlassen, und betrat ich eine wilde Schlucht, in wel-
cher ein enger Reitpfad an steilem Abhang, auf- und absteigend,
über dem in der Tiefe schäumenden Flussbette hinführte. Mit dem
am Moloboc entspringenden Azogues als Chictitay vereinigt, geht
der Matadero durch die Boca del Pan in den Paute über und ver-
einigt sich dann mit dem Rio Zamora, als Santiago, dem Maraßon
zufliessend.
Eine Brücke führte zu der anderen Seite, und nach einem An-
steig fiel der Blick auf ein geschlossenes Thal, in welchem der Ritt
über einige Erhebungen nach dem Dorfe Gualesco brachte, wo ich
mein Pferd zum Füttern einstellte, um einen der dortigen Gutsbesitzer,
an den ich empfohlen war, aufzusuchen. Da ich ihn nicht antraf,
ritt ich ohne weiteren Aufenthalt, mit einem neuen F'ührer, über die
zwischenliegendcn Hügel nach dem am Abhang beginnenden Dorfe
Chordeleg und zur Wohnung des genannten Serrano.
Nur sein Söhnchen war zu Haus, der mir indess Futter für das
Pferd besorgte und einen Arbeiter mitgab, um seinen Vater auf dem
Felde aufzusuchen. Igh fand ihn am Rande einer tiefen Grube, in
welcher schon seit mehreren Tagen ein halbes Dutzend Tagelöhner
beschäftigt war, ohne indess bis so weit die gewünschte Schicht erreicht
zu haben, und nach den während meiner Anwesenheit vorgenom-
menen Erdprüfurigen schien es zweifelhaft, ob sie dort überhaupt
angeschlagen werden würde. Wenn nicht, so war eben anderswo
einzustechen, das Terrain, das man mir zeigte, war noch ausgedehnt
und weit genug. Herr Serrano machte mich zugleich auf die mit
Steinen stufenartig ausgelegte F'estung auf dem Hügel Llaver (des
Flusses Tungohuaicu) aufmerksam, und gegenüber Chauninchi mit
dem Fluss St. Barbara, wo dies paarweise Vorkommen ein vielfach
wiederkehrender Zug scheint.
Da es bereits zu dämmern begann, wurde das Tagewerk des
Schatzgrabens geschlossen, und begab ich mich mit Don Antonio
nach seiner Behausung, wo wir beim Nachtessen und nach demselben
124 PERU UND ECUADOR.
Allerlei über Huacas, und was dazu gehörte, plaudern konnten. Es
machte den Mund wässern, von all' den Herrlichkeiten zu hören, die
in seiner langen Laufbahn als Metallspürer ihm durch die Hände
gegangen war. Leider war indess Alles zum Tiegel prädestinirt ge-
wesen, und so Nichts mehr übrig, ausser einigen, für ihn sehr arme
Brocken, die sich aber für eine Sammlung noch so werthvoll er-
wiesen, dass ich gerne den verlangten Preis dafür zahlte.
Die Anhäufung der Alterthümer in Chordeleg mag vielleicht
auf einen Rückzug der vor den Spaniern fliehenden Indianerfürsten
in das abgelegene Paute-Thal deuten, wo sie eine Zeit lang, als un-
beachtet, in Sicherheit blieben. Noch gehen geheimnissvolle Sagen
um über die Höhle von Guagua-suma bei Jadan (zwischen Paute und
Cucnca), wo die Geister der alten Könige erschienen und in Orakeln
befragt seien, und wo noch lange Menschenblut in traditionellen
Opfern geflossen, bis in den Beginn des XIX. Jahrhunderts. Ebenso
führt der Supay-Urcu (Fels des Supay) bei Paute auf den besonders
unter Huayna-Capac verbreiteten Dienst dieser Gottesmacht. Velasco
erzählt von einer Cultusstätte des Dämon SupayUrcay bei Cuenca,
wo die Indianer zur Erntezeit Kinder geopfert hätten, und seien diese
blutigen Riten so eingewurzelt gewesen, dass weder die Könige von
Quito, noch der Kaiser von Cusco, noch der Papst von Rom (durch
die Spanier) sie auszurotten vermocht hätten.
Die Ausgrabungen von Chordeleg begannen 1855, als bei der
P'undamentirung eines Hauses auf der Plaza Stücke Gold gefunden
wurden, die, weil von den Indianern nicht geschätzt, Kindern zum
Spiel dienten. Besonders reich waren die Ergebnisse im Jahre
1861—69, wo 14 grosse Huacas geöff*net wurden, die bis 8 Aroben
und 125 Pfd. Gold geliefert haben .sollen. Die Gräber sind aus
Schichtungen von Erde und Steinkreisen, wobei sich in einer Höh-
lung der grösseren die Leiche des vornehmsten Todten findet,
der im vollen Goldschmuck (mit gold und silberbelegten Stäben) vor
der Nische sitze, während um ihm eine Zahl von Leichen (bis 50)
mit den Füssen gegen ihn gelagert seien. Jeder mit seiner Goldkrone
(und Feder) auf dem Haupt, sowie mit goldenen Ornamenten. Da-
neben finden sich Steinsachen und Töpferwaaren, sowie Fingerringe.
Die Goldkronen waren mit Stroh ausgefüttert, und zwischen diesem
und dem. Metall trafen sich die Reste der Federn, die darüber hin-
wogten.
Von den Ausgrabungen bei Cuenca war der fünfte Theil an die
Regierung für das colegio nacional eingezogen und Serrano
CUENCA. 125
hätte bei einzelnen Gelegenheiten bis zu einer Arroba Gold, als sein
Schuldtheil, bezahlt. Sehr schöne Goldfunde, die ich in der Privat-
sammlung des Herrn Espantoso in Lima gesehen hatte, stammen, wie
ich seitdem aus ihrer nur unvollkommen erhaltenen Geschichte
schliessen mochte, der Mehrzahl nach von Chordeleg.
Zeitig am Vormittag nahm ich Abschied von meinem neuen
Bekannten, der mir für künftighin auch die Museen zu bedenken ver-
sprach und ritt über Gualaseo nach Cuenca zurück, wo ich im Laufe
des Nachmittags ankam, diesmal ohne Führer, der nicht hatte folgen
können, so dass ich ihm den noch übrigen Lohn in einem Hause
der Strasse zurückliess, um ihm den Rest des Weges zu sparen.
Cuenca bildet gewissermassen den Rivalen Quitos im südlichen
Ecuador, und in Folge dieser Partheistellung wurde früher den als
Morlacos*) bezeichneten Bewohnern Mancherlei vorgeworfen.
Um für meine Weiterreise gute Thiere zu erhalten, hatte ich
gleich am Tage nach meiner Ankunft in Cuenca mit einem mir
empfohlenen Arriero Rücksprache genommen, und als sich in der
Kürze des Termins Schwierigkeiten zu bieten schienen, diese durch
entsprechende Preiserhöhung zu überwinden gesucht. Die Thiere
kamen deshalb ziemlich zur ausbedungenen Zeit, gleichzeitig mit
ihnen aber auch die Bronze- Aexte von Azogues, deren Absendung
ich Don Vincente Agiular, als er von Cuenca nach Azogues zurück-
gekehrt war, nochmals besonders an s Herz gelegt hatte. So erfreut
ich über ihre Ankunft war, so erschrak ich doch nicht wenig über
das Risico, dem sie ausgesetzt gewesen, da die Säcke, worin
man sie aufgenäht, unterwegs geplatzt waren, und der arme
Indianer, der allein mit seinem Maulthier zwischen dem umher-
gestreuten Inhalt auf der Landstrasse gestanden, die grösste Mühe
gehabt haben musste, dieses Eigenthum eines europäischen Instituts
in Sicherheit zu bringen. Ich hatte die Reisethiere schon am Abend
in die Herberge bringen lassen, damit am Morgen Alles bereit sei,
und nachdem noch für ein anderes Thier geschickt war» wurde ein
Theil der Nacht mit dem sorgfältigen Einwickeln und Verpacken
dieser antiquarischen Werthstücke verbracht. Ich erhielt während-
dem Abschiedsbesuche der Herren Moreno, Moscovo, Matavello und
Anderer, die mir während meines Aufenthaltes in Cuenca freundliche
Unterstützung meiner Zwecke gewährt hatten, und damit fortzufahren
versprachen.
*) El Morlaco, nacido en el seno de las tinieblas de su patria, se cree el ser mas
ImpoTtante del universo y mira con desprecio cuantos Ic rodean (18O4).
120 PERU UM) ECLADOR.
Mit alledem verzögerte sich der Aufbruch bis Sonnenaufgang,
wann wir uns endlich in Bewegung setzen konnten. Doch trat bald
ein neuer Aufenthalt ein, indem ich kaum nach dem Verlassen der
Stadt in den Kästen desjenigen Maulthieres, welches die in Azogues
erworbenen Thongefässe trug, ein verdächtiges Klappern hörte, und
deshalb auf der nächsten Wiese Halt machen liess, um auch diese,
bei der Nachsendung allzu oberflächlich oder eilig, wie es schien,
eingesetzten Gefässe einer gründlichen Umpackung zu unterziehen,
wie es ihre gebrechliche Natur erforderte. Das scheint sehr leicht
gesagt nicht nur, sondern theoretisch genommen, auch gethan,
schwieriger dagegen in der Praxis auf einer Wiese in den Land-
strassen Ecuadors wenn man selbst sich erst die Kisten machen
muss und jeder Nagel, sofern sich in den umliegenden Hütten über-
haupt einer auftreiben lässt, ziemlich mit Gold aufzuwiegen hat. Da-
bei war ich in F'olge der eingetretenen Verspätungen sehr pressirt
in der Zeit, um den Hafen Naranjal noch am Abfahrtstage zu errei-
chen, weil ein Verfehlen desselben gleich acht Tage gekostet haben
würde, oder eine Geldverschwendung in Beschaffung einer Privat-
gelegenheit. Der Weg nach Naranjal war aber noch weit und um
so weiter, weil, wie allgemein bekannt, unter den schlechten in Ecua-
dor einer der schlechtesten.
Anfangs ging Alles allerdings schön und glatt, da wir durch die
Ebene einer neu gebauten Chaussee folgten , welche indess mit der
durch die Natur des Bodens schon gebotenen Strasse auch ihrerseits
aufhörte, als wir aus der Ebene in eine dunkle Thalschlucht ein-
lenkten an der Seite des unter Waldungen hinfliessenden Matadero.
Unter allmähliger Hebung des Weges gelangten wir auf Moorflächen
zwischen kahlen Bergen, und im mühsamen An- und Absteigen waren
die gebrochenen Kämme derselben zu passiren. Nebelmassen schweif-
ten vorüber und lagerten um die Gipfel geballt, den Horizont in
nächster Nähe umdüsternd, während beim Verschieben der grau
wogenden Massen, schneebereifte Höhen uns entgegenstarrten. Trü-
gerisches Moosgrund streckte sich zwischen Wasserbächen und
Teichen, und wo sich die gesuchten Steine am Wege fanden, erfor-
derte ihre schlüpfrige Glätte sorgsame Vorsicht selbst für den er-
probten Fusstritt des Maulthieres.
Dann begann der Ansteig zum Rücken des Caja de Quinoa
(12,885 F. hoch), und in schauerlich-grauser Oede wieder starrte
ringsum uns diese im Todr\sschweigen verstummte Natur, die durch
ihr Hineinragen in erkältende Luftregionen den traulich heimischen
* PARAMO. 127
Character der warmen Mutter Erde zu verlieren beginnt. Nur auf
der Wasserwüste des weiten Meeres kann ein ähnliches Gefühl gänz-
licher Verlassenheit beschleichen, wie es unter der Luftwüste des
Paramo bisweilen beengt.
Auf dem weichen Moosgrund den Weg prüfend, fiel der Blick
beim Aufschau auf eine wildgebrochene Umgebung zwischen den in
Teiche verwandelten Flächen. Vor uns stand eine Nebelwand aufge-
richtet, bei deren hier und da schwankender Vertheilung wir Berge
emporsteigen sahen und Seen am Abhänge gelagert. Eisig fühlte
die Luft, eisiger durchdrang der Wind, und bei den ermüdeten Thie-
ren kam häufigeres Hinstürzen vor, als mir für meine theuren Schätze
geheuer schien. Allmählig begann sich der Weg zu senken zum Rio
de Padre machei oder Miguel, und zwischen stellenweisem Busch-
werk*) von Quinua-Bäumen (mit knorrigem Stamm) gelangten wir
beim Dunkelwerden nach dem Tambo Contra Yerba, eines jener
grauenhaften Schmutzlöcher, das ich vielleicht trotz der niedrigen
Temperatur zu betreten Anstand genommen haben würde, wenn
nicht der mit der Nacht einbrechende Sturm in seinem Wüthen und
Toben Niemanden in seinem Bereich dulden zu wollen schien. Es
wurde, als ich das Gespräch darauf brachte, alter Indianerwege er-
wähnt, wie sie sich neben dem Pass von Surucocha finden sollen.
Mit dem kalten Morgen kam die Schwierigkeit die Thiere zu
finden, die sich verlaufen hatten, oder vielmehr, da sie nach der
gestrigen Anstrengung zum Laufen wenig Lust verspüren mochten,
bei der spärlichen Nahrung ihren Weidegrund weiter ausgedehnt
hatten, als von den Mozos berechnet war. Ob nun so oder so, jeden-
falls ging kostbare Zeit verloren, so dass wir erst nach Sonnenauf-
gang in Bewegung waren. Bei frühzeitig beabsichtigtem Aufbruch
ist es stets rathsam, die Thiere nicht im Portrero frei zu lassen, son-
dern neben dem Hause angebunden zu futtern, doch war das hier
unmöglich gewesen, weil es kein Futter zu kaufen gab. Der Tambo
(d. h. die Tambo genannte Hütte) gehörte dem Staat, War indess von
der Eigenthümerin eines nahen Corrals bewohnt, welche diese Er-
laubniss wahrscheinlich mit der Bedingung erlangt hatte, den Reisen-
den die ihnen bei der Kost nöthige Unterstützung zu gewähren. Sie
hatte aber nichts hinzu gebracht, als Schmutz, ohne je an Reinigung
>) An der Westseite der westlichen CordiUere von Ecuador bildet Polylepis lanugi-
nosa den höchsten Gürtel der stammbildenden Holzpflanzen (s. Griesinger) und die Bäume
verkrüppeln dort zu Buschsträuchen, im Gegensatz zu dem hohen Wald des Ostens.
128 PERU UNI) FXUADOR.
ZU denken, wohl aber zugleich den an sich beschrankten Raum noch
mehr zu beengen.
Das Tagewerk begann mit einem Moosgrund, dessen Passage
in der Hauptsache darin bestand, dass die Thiere in Sprüngen über
die umherliegenden Felssteine zu gelangen suchten. Jenseits des
Cerro sollten sich Reste eines alten Weges finden, der der Inca zu-
geschrieben wurde. Dann hatten wir zum Rio Miguel hinabzusteigen
und folgte eine bedeckte Schlucht, bei deren Oeffnen sich MoUetura
mit einigen Anpflanzungen, an der Seite der niedrigeren zwischen
zwei Bergreihen liegend zeigte.
Wir trafen zahlreiche Schafheerden am Wege, die auch für die
Schiffe in Naranjal bestimmt waren, und einer der Hirten sprach mir
im Vorübergehen von der grossen Kälte, die . am Tage vorher auf
dem Paramo geherrscht und ihn fast getödtet hätte. Derartiges habe
er, so lange er droben weide, noch selten verspürt. Bei der dort spär-
lichen Bekleidung ist es dem durch dichtere Verzärtelten überhaupt
schwer begreiflich, wie diese Heerdenhüter da oben aushalten.
Ueber hügelige Vorsprünge gelangte der Weg in eine Schlucht
und zog sich dann in schmalen Windungen oben an dem steilen Ab-
hang hin. Man sah die dünne Linie in ihrer Länge vor sich, aber an
einigen Stellen gänzlich verwischt, dort nämlich, wo ein Bergsturz
den Weg nivellirt hatte. Wie da hinüber zu kommen sein würde,
war abzuwarten, und ich fand dann, dass es auf losem Geröll zu ge-
schehen hatte, wo ich manchmal selbst nach dem Absteigen, nicht
ohne Bedenken blieb. Glücklicherweise waren solch kitzliche Puncte
nicht zu breit, und ausserdem kam uns das Nichtsein des Verkehrs
auf dieser ecuadorischen Landstrasse zu Gute, da das Begegnen einer
beladenen Caravane auf solchen Pfaden im Kampfe um die Existenz
einen Rechtsfall, oder wohl Kriegsfall, constituirt haben würde.
Die Schlucht endete in einen Wald (mit Podocarpus-Bäumen
vorwiegend) bis zu dem auf offenem Terrain angelegten Molletura,
wo wir das spärliche Nachtmahl der Thiere mit besserer Fütterung
auffüllten. Auch war eins der Lastthiere, das sich den Wegen nicht
gewachsen zeigte, durch ein anderes zu ersetzen, was nach einiger
Zeit und unter Ansprache der Behörden, soweit solche in diesem
Indianerdorfe vorhanden waren, noch am Nachmittag gelang.
Es lag jetzt ein steiler Aufgang vor uns, und dann zogen wir
durch Wald über die Höhen eines Bergrückens, gegenüber einem
ähnlichen, an dessen anderer Seite sich Gebäude aus der Inca-Zeit,
wie mir gesagt wurde, finden sollten.
(lIAt.APUl). 121)
Mit einem Absteig, zum Theil eng zwischen Felsblöckcn in
schmaler Rinne, kamen wir auf die Wiesen von Yerba buena, wo an
den dort befindlichen Baulichkeiten gerastet wurde.
Am andern Morgen (August 31.) liess ich früh Alles in Bereit-
schaft setzen, da uns hier der Niedergang zur Küste bevorstand, in
der übelberüchtigten Bajada von Chalapud, die zwar seit Kurzem an
einigen Stellen verlegt war, ohne sich indessen gerade viel verbessert
zu haben, so dass sie noch jetzt heissen kann (wie bei Villavicencio) „el
terrible y molestoso descenso de Chalaput". Auch Seemann beschreibt
den „grässlichen Zustand der Strasse von Naranjal'* (auf seiner Reise
von Cuenca dorthin), und als Cieza de Leon das Innere bereis'te
fehlte noch jede Verbindung Tomebatiiba's mit der Küste, so dass
man, um dahin zu gelangen, den Weg über St. Miguel (de Piura)
einschlagen musste.
Während des beschwerlichen Absteigs erhielten wir eine freie
Aussicht auf die in grüner Decke hinunter fallenden Hügel, bis auf
ein nebliges Meer,- das den Anblick des salzigen^ oder des Wasser-
Oceans, welcher dort liegen musste, verdeckte.
Der Koth, den wir bis dahin durchwatet oder in Steinsprüngen
vermieden hatten, verlor sich allmählig, und wir fanden uns im
Walde auf einem staubigen Weg, wo unser Thierzug lästige Wolken
aufwirbelte, so dass man die Spitze zu halten hatte. Beim Vor-
handensein von Wasser, das wir hier und da unter uns hervorquellen
hörten, würde sich das Terrain wahrscheinlich fruchtbar zeigen, doch
war es der Dürre wegen, und wie es hiess, auch der tödtlichen
Krankheitsluft wegen, unbewohnt. In der seitlichen Thalschlucht
sollten sich indess die verfallenen Reste von Wasserleitungen und
sonst alten Gebäuden finden (in der Quebrada Tunga). Wir folgten
den streichenden Bergreihen nach Abwärts und versanken mit der
tieferen Senkung des Weges bald wieder in Koth, während uns die
Luft mit einem nassen Nebelmantel umhüllte. Noch weiter unten
verwandelte sich der Nebel in sprühenden Regen, und hier würde
der natürliche Weg ein so völlig unwegsamer gewesen sein, dass man
sich genöthigt gesehen hatte, einige der grundlosesten Stellen mit
rohen Steinen zu pflastern, freilich in einer selbst für Maulthiere
halsbrechenden Weise, da mit der einmaligen Anlage die Pflicht er-
füllt schien und an Restauration nicht gedacht worden war. Wir hatten
uns in den engen Zwischenräumen unter den Steinblöcken hinzu-
zwängen, die manchmal mit biegsamen Zweigstämmen überlegt waren,
und fanden uns dann in einem dichten Wald, wo die überhängenden
Bastian: America. I. ^
130 PERU UNI) ECUADOR.
Schlingpflanzen den Weg versperrten, und zu durchhauen, oder zu
verbiegen waren (am Rio Pescado). Die Thiere patschten in Schlamm-
wasser, am Rio Naranjal, bis zum Dorfe Molleturu-urcu, von wo
buschige Anpflanzungen nach Naranjal führten. Ein Einwohner des
Orts, mit dem wir die letzte Tagereise zusammen gemacht hatten,
nahm uns in sein (gleich den übrigen , auf Pfählen gebautes) Haus
auf, und liess ich mich zunächst zu einem nahe liegenden Weiher
fuhren, um ein Bad zu nehmen, was bei der geringen Tiefe des
Wassers allerdings etwas mühsam war. Der Fluss Naranjal „antes se
llamaba Suya, asfcomo la tribu, que habitaba este pais" (Villavicencio).
Der Rio Sua (oder Suya) mündet zwischen dem Rio Atacamez und
Rio Plätanos (im Norden).
Naranjal ist der (in einiger Entfernung vom Meere, am F^lusse
aufwärts, gelegene) Hafen von Cuenca, und in der Hauptsache des
südlichen Ecuador überhaupt, um die Communication mit Guayaquil
zu unterhalten. Naranjas oder Orangen gab es indess nicht, und
obwohl andere Früchte dort wachsen sollten, war es auch diese
'. * .
schwierig in ausgiebiger Quantität zu erhalten, da sie Jeder nur
zum eigenen Gebrauch zog, und in so geringer Menge, dass die reifen
beim täglichen Nachwuchs gleich vom Haume fortgegessen wurden.
Die Ueberfahrten nach Guayaquil werden durch die landesüblichen
Chata, oder Kähne plumper Construction, besorgt, die für den schma-
len Fluss zu gross, dir die See aber viel zu unbeholfen sind, um die
geringste Störung des in den meisten . Monaten freilich ruhigen
Wetters ertragen zu können. Der grösseren Sicherheit wegen, um bei
Unglücksfällen gegenseitige Hülfe leisten zu können, fährt immer die
ganze F*lotte zusammen aus, und zwar an dem ein Mal in der Woche
dafür bestimmten Tage. Wer sich ihnen nicht anzuvertrauen wagte,
hätte in Guayaquil ein Dampf boot zu chartern, was indess nicht nur
bedeutende Kosten verursacht haben würde, sondern in diesem F'alle
auch, weil vorher nach Guayaquil zu schreiben gewesen wäre, be-
dauerlichen Zeitverlust, der in solcher mit Malaria geschwängerten
Atmosphäre ein doppelt lästiger gewesen wäre.
Nachdem ich mit dem in Naranjal wohnendem Capitän eines der
Kähne, der besonders als das für Passagiere erster Klasse einge-
richtete Staatsschiff" gerühmt wurde, wegen einer Passage verhan-
delt, hatte, liess ich am nächsten Morgen wieder aufpacken, um
die Strecke bis zum Hafen zurückzulegen. Wir ritten durch Busch-
wald mit zerstreuten Häusern, und links am Wege stand, dicht über-
wachsen, ein halb künstlicher Hügel, El Cerrito genannt, (von cler
EixscuiFFUxr:. 131
•
Form der Tola), wo mitunter kleine Funde gemacht sein sollten.
Vorbei an Mate, wo in der Regenzeit die Einschiffung auf kleinen
Canoes statt hat, gelängten wir durch offene Gegend, mit verein-
zelten Bäumen, nach Reveira, wo wir die Fahrzeuge, das Postboot
an der Spitze, längs des Ufers liegen sahen. Jedes denselben hatte
seine Flagge ausgesteckt, und es herrschte eine ähnliche (wenn auch
durch südamericanische Schlaffheit gemilderte) Concurrenz, um Passa-
giere zu fangen, wie mir aus früherer Zeit von den Missisippi-
Steamern im Gedächtniss war. Mein Bursche würdigte diese Appli-
canten kaum einer Antwort, um sich sogleich an Bord des Schnell-
segler A* zu begeben, der sich auch etwas grösser zeigte, als die
übrigen. Die ,,Superior Accommodations" beschränkten sich indess auf
eine sog. Ramada, d. h. einen Verschlag auf dem Deck, wo man
hineinzukriechen die Berechtigung hatte, und dann einen überdachten
Dielenboden zur Ausbreitung des Bettes disponibel besass. Bei den
nicht überspannten Ansprüchen dortiger Reisen hätte das auch ganz
gut ausgereicht, für 2 oder 3 Passagiere. Unglücklicherweise schien
es aber in Naranzal zum guten Ton zu gehören, dass Jeder, der auf
höhere Bildung Anspruch machte, in dieser identischen Chata seine
Passage zu nehmen hatte, so dass im Laufe des Vormittags eine
Reisegesellschaft nach der andern anlangte, und sich bald das Zehn-
fache der Zahl zusammenfand, für welche Platz gewesen wäre. Als
ich zu merken anfing, wie die Sache ablaufen würde, war es für eine
Aenderung zu spät geworden, indem man sich bereits überall zur
Abfahrt fertig machte, und zugleich die Auswahl unter den übrigen
Kähnen zweifelhaft blieb, da über jeden derselben die eine oder
andere seine Sicherheit, verdächtigende, Bemerkung gemacht wurde.
Ausserdem hätte ich mich auch nicht gern von meinem Gepäck ge-
trennt, das im Unterraum verstaut war, und so Hess sich nur darauf
Bedacht nehmen, den von meinem Bett occupirten Raum, für den
ich, als Erster, den P^ckplatz zu wählen die Freiheit gehabt hatte,
durch das Umherstcllen meiner Siebensachen soweit zu verbreitern,
als es mit einiger Zulässigkeit geschehen konnte. Zu diesen für das
Fahrzeug eigentlich schon zu zahlreichen Cajüts - Reisenden (der
Mehrzahl nach des weiblichen Geschlechts, aus einer Reihe älterer
und jüngerer DamenJ kam dann aber noch ein Haufen von Deck-
passagieren, mei.st ungewaschene und ungekämmte Indianer der Puna,
deren Schaafhcerden, einige Hundert an Zahl, auf dem schmalen
Deck so eng zusammengepfercht standen, dass eine Passage vom
Steuer zum Bug, kaum anders, als über ihre Rücken möglich war,
9*
132 PERV UND ECIADOU.
Am Nachmittag war schliesslich Alles bereit und setzten sich
die Schiffe in Bewegung. Nächst auf das Postboot, das klein und
leicht allen voraneilte, folgte unser Fregattkahn, so dass ich wieder
Vertrauen zu ihm fasste. Die Freude dauerte indess nicht lange,
denn ungelenk und plump wie er war, hatte er sich bald bei einer
der Flusswindungen am Ufer festgerannt, so dass wir die übrigen
Kähne sämmtlich an uns vorbeipassiren sahen, und nur noch ihre
freundlichen Grüsse, auf Wiedersehen in Guayaquil, entgegennehmen
konnten. Die Arbeiten der Matrosen waren durch die Decküber-
füllung natürlich sehr erschwert, und indem wir so das Vergnügen
des Aufsitzens noch einige Male genossen, fing es schon an zu
dunkeln, als die Mündung des Naranjal-Flusses erreicht wurde.
Unser alter Kasten fing an in seinen Bewegungen etwas Leben
zu zeigen, so dass die Aengstlichen und Zarteren, die in diesen Län-
dern indess ebensowohl, oder mehr, dem unzarten Geschlecht ange-
hören mögen, sich in ihrer Positur fiir die Seekrankheit vorzubereiten
begannen, deren Symptome unser enges Zusammenwohnen nicht
eben zu verschönern versprachen. Ich war aus meinem Verschlag
emporgetaucht, und stand neben dem Capitän am Steuer, der dabei
war, sein breites Segel hissen zu lassen, das mit einer steifen Brise
gefüllt, uns rasch von dem niedrigen Ufer in das dunkle Nachtmeer
hinaustrieb. Eben hatte ich ihn zu der schnellen Reise beglück-
wünscht, die uns dieser günstige Wind versprach, als über die Deck-
ladungen in heftigster Eile ein Schiffer herbeigeklettert kam, der
ihm ein paar Worte zurief, die mir entgingen, da ich nicht darauf
achtete. Ich hörte nur „Que desgracia", mit einer Verwünschungs-
formel, aus dem Munde des Capitäns, der das Steuer festband und
mir dann aus den Augen verschwunden war. Als ich mich um-
blickte, sah ich meinen Diener mit entsetzter Miene auf mich zu-
kommen, und mir mit gedämpfter Stimme sagen: „Herr, stecken Sie
rasch ihr Geld zu sich, das Schiff ist voll Wasser und wird gleich
sinken." Wenn so, dann konnte Geld hier nicht viel helfen, und
weit mehr kam es mir ohnedem auf die Sammlungen an.
Die Schreckensbotschaft flog durch das Schiff, und nun brach
das wildeste Geheul und Schreien aus unter Anrufung der Jungfrau
und aller Heiligen, so viel ihrer den christlichen Olymp bewohnen.
Die Vernünftigeren riefen wenigstens nur „Socorro, Socorro", mit der
ganzen Kraft ihrer Lungen, obwohl auch das unvernünftig genug
war, da wir uns allein fanden auf dieser Wasserwüste, und die Be-
gleitschiffe alle längst aus Sicht gekommen waren. Eine wilde Stimme
SCHIFFBRUCH. 133
bot looo Pesos für ein Boot, wohl die eines Repiiblicaner's, der kein
Königreich zu vergeben hatte. Das einzige kleine Canoe war ausser-
dem von dem Capitän in Anspruch genommen, der sich entfernte,
um Hülfe zu bringen.
Wir fanden uns bereits in der Mitte des Golfs, und der dunkle
Streif der Küste war kaum noch bei der schwachen Nachthelle in
der Entfernung zu erkennen. Dabei schwankte das Schiff unter
seinen Segeln mit angebundenem Steuer ohne Leitung umher, wäh-
rend es doch das Erste sein musste, die Richtung ;iach dem Lande
zu nehmen.
Alles schien aber den Kopf verloren zu haben, nirgends ein
Commando, weder Befehl noch Gehorsam, und es war nur mit Mühe,
dass ich das Schift in der Richtung nach dem Lande bringen Hess,
mit einem Mann am Steuer. Meinen Burschen hatte ich nach vorne
geschickt, zu sehen, wie es mit den Pumpen stände, und war es ihm
wirklich gelungen, die wenigen Schiffer zum Ausschöpfen zu ver-
anlassen. Die Uebrigen sangen im Chorus Litaneien und Jammer-
lieder, ohne dass jemand dachte, Hand anzulegen.
Als wir die Planken in der Cajute fortnahmen, stand auch dort
schon der ganze Raum voll Wasser. Vorne, wo das Schiff tiefer
lag, war es fast schon übergelaufen, und wankend schwankende Be-
wegungen, die man dann und wann unter den Füssen fühlte, machten
einen sehr verdächtigen Eindruck, als Vorboten des Niedergehens.
Die Damen lagen meist in Stupor. Einige der jüngeren hatten sich ver-
zweiflungsvoll zusammengedrängt, und verlangten von mir, dass ich
die Führung übernehme, wozu ich mich in keiner Weise befähigt
halten konnte. Ich forderte sie aber auf, beim Ausschöpfen mitzu-
helfen, da die Rettung davon abhängen würde. Sie waren auch
sogleich dazu bereit, und indem mein Bursche mit einem der Schiffer
hinabsprang, wo ihnen das Wasser bereits an das Kinne reichte,
bildete sich eine Kette, um nun mit Töpfen, Schaalen, Kannen und
allerlei sonderbaren Geräthen, die gerade bei der Hand waren, das
Ausschöpfen zu beginnen.
Von den männlichen Passagieren stellte sich keiner ein, sie Hessen
aber, wenn die Gebete unterbrochen wurden, aller Art Vorschläge
laut werden, mit oder ohne Sinn, und da ich als einen derselben
hörte, die Ladung über Bord zu werfen, rieth ich ihnen, zunächst
mit den Schaafen auf Deck zu beginnen, da diese sich vielleicht
noch durch Schwimmen retten könnten. Doch fehlte ihnen dazu
ebensowohl die Energie, wie einer Aufforderung zur Mithülfe zu
134 PERU UNI) ECIADOR.
folgen. Da sie aber auf das Project der Flntladung zurückkommen
konnten, und dann die Bronze -Aexte ihrer Schwere wegen, wohl
zuerst zum Opfer gefallen wären, Hess ich mir von meinem Burschen
die beiden Packete aus dem Wasser in dem Unterraum, in dem er
stand, heraufreichen, und legte sie in der Kajüte neben mich, meinen
Revolver in den Gürtel steckend.
Da der frische Wind fortdauerte, verkürzte sich die Entfernung
zum Lande und sahen wir die Umrisse desselben etwas deutlicher
hervortreten. Das Wasser auch, das anfangs trotz alles Schöpfens,
eher zu, als abzunehmen schien, fing an sich um ein Weniges zu
vermindern, als das Schiff allmählig zum Festsitzen kam. Noch aber
stand es fast mannshoch, und die Mädchen, die tüchtig gearbeitet
hatten, waren erschöpft. Ich goss den nächsten Eimer über die ihre
Kirchenlieder Fortplärrenden aus, wodurch sie etwas ernüchtert
wurden. Einer, der in seiner kalten Puna wohl nie die Wohlthat
des Wassers am Körper verspürt hatte, kam, wie ein nasser Pudel
herbeigeschlichen, und sagte: „Si, Seiior, somos brutos", um dann
einen Schöpfer aufzunehmen, und soviel er es verstand, sein Mög-
lichstes zu thun. Andere folgten dann seinem Beispiel, und so konnte
die Kette im Gang gehalten werden.
Der Kahn sass jetzt in der That fest, obwohl in beträchtlicher
Entfernung vom Lande, und da sich die Zahl der Arbeiter vermehrte,
konnten wir hoffen, das Wasser allmählig zu vermindern. Doch blieb
soweit die Ursache dieses Schiffbruches unbekannt, da der Leck
noch nicht gefunden war, und bei der in einigen Stunden zu erwar-
tenden Rückkehr der Fluth würden wir mit dem Flottwerden auch
wieder voll gelaufen sein. Was wir in unbestimmter Abgrenzung
auf der Wasserfläche vor uns sahen, war überdies nicht etwa das
F'estland, auch noch nicht einmal die in Mosquito-Wolken gehüllten
Baumlabyrinthe einer der unbewohnten Mangrove-Inseln oder Insel-
Moräste im Golfe von Guayaquil, sondern nur die über das Wasser
hervorragenden Verästelungen meerumflossener Gehölze. Davon
trennte uns jedoch ein weites Schlammmeer unter einer Wasserdeckc,
über welche man sich weder schwimmend, noch gehend hätte fort-
bewegen können. Als einige der Schiffer, ziuii Aufsuchen der be-
schädigten Stelle, über Bord sprangen, geriethen sie gleich bis über
die Brust in diesen Morast, und hatten Mühe, durch Anhalten vor
dem Versinken bewahrt zu werden.
Mitternacht war vorüber, und es vergingen einige Stunden in
gespannter Erwartung, wobei uns freilich die Schöpfarbeit in ununter-
DIE HEILIGEN. 135
brochcncr Thätigkeit hielt. Endlich ertönte ein Freudenruf. Der
Leck war gefunden. Jetzt galt es ihn zu verstopfen und an beiden
Seiten mit Blech zu verschlagen, woflir geliefert wurde, was an Zinn-
dosen da war.
Damit fanden wir uns für den Augenblick in relativer Sicherheit,
und konnten jetzt die Situation klar legen. Was man fand, war
unter dem Wasserrande ein dickes Loch, so breit, dass der Zimmer-
mann seinen Arm durchgesteckt hatte. Wahrscheinlich hatte sich
der morsche Kahn beim Festsitzen im Fluss einen Baumstamm ein-
gerannt, und als auf der See mit dem Setzon des Segel's die Be-
wegung begann, hatten sich die Fugen gelös't, so dass das Wasser
in Strömen eingestürzt war. Niemand hatte es gemerkt oder sich
darum bekümmert. Mein Bursche war von seinem Schlafnachbar
darauf aufmerksam gemacht, dass sich Wasser im Schiff finde, und
als er die Planken aufliob, fand sich der ganze Raum schon voll.
Er gab dann den Allarm und war nachher der Einzige unter den
Passagieren, der thätig eingriff und den übrigen in das Gewissen
redete. Als Alles vorbei war, zeigte er mir das auf der Brust ge-
tragene Bild der Virgen del Quinche, die ihn diesmal, wie in allen
Gefahren, beschützt habe, und diese nachträgliche Schmeichelei
konnte ihm gerne gegönnt werden, da sein gesunder Menschen-
verstand in der Zeit wirklicher Gefahr zunächst auf die eigenen
Fäuste vertraut hatte. Das Bild^) machte übrigens Eindruck auf die
Mitpassagiere; diese Jungfrau ist die anerkannte Schutzgöttin der
Hauptstadt, und wenn Quito sich von einem aussergewöhnlichen
Unfall bedroht meint, beeilt man sich, die aufgeputzte Puppe in
Procession dorthin zu bringen.
Am Morgen kam der Capitän mit zwei leeren Kähnen, um seine
durchnässte Ladung, die besonders aus Cacao bestand, darin über-
zunehmen uncf zum Trocknen nach Naranjal zurückzuschicken. Wir
wagten uns, von der Fluth gehoben, wieder ins Meer hinaus, hielten
jetzt aber vorsichtig den Wasserstand im Auge. Am Mittag wurde
zwischen Inseln geankert, bis zum Wenden der F^luth, und dann an
*) Wer indes>> in Folge solchen Präcetlcnzfalles auf Amulette zu vertrauen geneigt
sein sollte, thut wohl, auf die Substanz derselben Rücksicht zu nehmen, da davon die
Heilkräftigkeit , wi^ bei den Indulgenzen , abhängen kann: Les indulgences ne peuvcnt
etre allachöes a une image de papier ou de carlon, ni ä une peinture sur toilc, ni aux
croix, crucifix, statuettes ou medailles de plomb, d'ctain, ou de tout autre mati^re, qui
puisse facilement se briser ou se d^truire. Durch ein päpstliches Decret vom 14. Mai
1853 wurden übrigens Medaillen u. s. w. von Eisen erlaubt (quoique prohib^s jusqu'ä
ce joar.) Die Ganga Africa's ziehen Hörn oder Leder vor.
136 PERU INI) ECUADOR.
der Insel Mondra^as vorbei (die gelegentlich von Mangreiros zum
Holzsammeln an gelichteten Stellen bewohnt wird), liefen wir in den
Guayaquil-Fluss ein und erreichten spät Abends den Werft.
Nachdem ich mit der freundlichen Hülfe Herrn Bunge's die mit-
gebrachten Sammlungen für die Uebersend*ung nach Europa hatte
verpacken können, schiffte ich mich (Septbr. 4.), zur Rückkehr nach
Peru, auf dem Dampfer Arequipa ein, in dessen Capitän, Herrn Cham-
bers, ich einen mit der Küste sehr wohl vertrauten Mann kennen
lernte, der auch für die Alterthümer derselben schätzenswerthes
Interesse besass.'
Wir liefen zunächst eine niedrige Küste an, die, mit Hügeln in
der Entfernung, sich hinter einem sandigen Streif in grüner F'ärbung
zeigte, der Landungsplatz des am Flusse gelegenen Tumbez, des
Rivalen Puna's, noch zu Pizarro's Zeit. Die in der Nähe befindlichen
Petroleum -Quellen finden neuerdings ihre Ausfuhr.
Dann folgte die öde Wüste Payta's, wo ich landete (Septbr. 7.)
und in dem Handelshause Higginson & Comp, durch den Sohn des
abwesenden Herrn Blacker aufgenommen wurde. Dieser, als der
beste an der Küste Perus betrachtete, Hafen wird durch den jetzigen
Bau der Eisenbahn wohl weitere Belebung empfangen, obwohl die
Lebensbedürfnisse meist, sowie das Wasser, von Colan am Achira-
F'luss zu bringen sind. Da es in meiner Absicht lag, einige der
Küstenplätze zu besuchen, war mein nächstes Ziel Piura, wohin ich
noch denselben Abend (7 Uhr) mit dem Correo (Chasquero oder
Postillon) abreis'te. Vereinzelte Buschpflanzen bemerkten sich im
Sande, durch den wir nach dem Halbwegshaus des Tambo ritten,
wo einige Stunden, bis nach Mitternacht, gerastet wurde. Zwischen
Sandbergen (mit krüppeligen Algoroba - Bäumen hier und da) ge-
langten wir auf eine niedrige Höhe, von der wir vor uns Piura zwischen
grünen Streifen liegen sahen, und durch die grade mit dem Morgen
erwachende Stadt reitend, in dem an der Plaza gelegenen Hotel ab-
stiegen.
Diese Stadt gehört zu denen, in welchen von der Regierung
deutsche Lehrer placirt sind, und als ich sie im Gymnasium auf-
suchte, fand ich sie im Schlafrock und mit Pfeife, nach alter deutscher
Art, zusamqiensitzen. Herr Director Arndts war mir freundlich im
Ankauf von Alterthümern behülflich, und ebenso der schon länger
dort als Arzt ansässige Dr. Reusche.
Diese (von der Landung in Tumbez abgesehen) älteste der
Peruanischen Städte wurde von Pizarro 1531 in der Ebene von Tar-
PIURA. 137
i^asala') gegründet, und später nach dem jetzigen Platz wegen der
gesunden Luft verlegt, welche die Stadt noch jetzt zum Kurort für
Kranke macht, besonders syphilitische, zu deren Heilung (nach der
Volksansicht) das Flusswasser beitragen soll, weil durch Sassaparilla-
Pflanzen hinrieselnd. Der völlige Mangel an Regen, wenigstens, wie
man meint, für siebenjährige Perioden, hat der Bauart aus Adobe
oder sonnengetrockneten Ziegeln, schwere Strohdächer zugefügt, die
freilich, wenn dann wieder einer der ausnahmsweisen Güsse fallt,
rasch demolirt sind. Meistens werden die Häuser nur aus einem mit
Lehm und Kalk überkleisterteri Fachgerüst hergestellt, so dass bei
heftigem Regen Alles als aufgelöster Schmutz weggespült werden muss.
Die Fruchtbarkeit der dortigen Gegend lässt sich besonders für
Baumwolle verwerthen, die daselbst einheimisch auch ohne Kultur
wächst, und schon zur Inca-Zeit, oder auch vor derselben, verarbeitet
wurde.
Als Pizarro an der Küste landete, wurde eine wirksame Hülfe
gefunden, nicht nur in der Rivalität der Prätendenten, sondern auch
(wie von Cortez in Mexico) in den Nationalitäten des Reiches, indem
das erst neuerdings unterworfene Land das auferlegte Joch um so
unwilliger ertrug, weil noch die Leiden des Bruderkrieges hinzukamen.
So hatte der Häuptling in Pavor (bei Piura) allerlei Klagen über
die Unterdrückungen durch Atabalipa's V^ater und auch der Häupt-
ling von Zaran war zu einem Bündniss mit den Spaniern geneigt,
soweit ihm nicht die Garnison der Inca in der (auf dem Wege nach
Caxamalca gelegenen) PY'stung Caxa, wo dem Gouverneur Tribut
einzuliefern war, im Zaum hielt, ähnlich wie die Totonaken, aus F'urcht
vor den aztekischen Garnisonen nur in verstohlener Weise mit dem
spanischen Lager zu verhandeln wagten.
Beim Ausbruche des Bruderkrieges erklärten sich Chalcuchima
(Chaliquichiana), Aclagualpa, Virimanavi, Zopecopagua, Quizquiz, Ynca-
hualpec und Ruminaui, die alten Feldherren aus den Feldzügen
Huayna Capacs, für Atahualpa, während das Heer Huascar's anfangs
') Am Rio Tuiicaranii licss Pizarro den Caciken von Almotaxe und die Edlen von
I.achira verbrennen (weil sie die Christen zu tödten bcahsichtigten) und -gründete dann
San Miguel bei Tangarara , am Rio Chira , nach Zarata, oder im Thal von Targasala.
(hit<!o lässt Pi/arro, nach \'erbrennung des Caziken Amolape (wegen der Tö<ltung der
gelandeten Spanier) auf dem Wege nach Chincha weiter ziehend , die Stadt St. Miguel
im Lande des Caziken Tangarala gründen und nach Ilerrera wurde die Ansiedelung von
Tumlxz nach St. Miguel in die Landschaft Chita bei Tangarala verlegt. Wie Xeres
^gt. wurde St. Miguel bei Puechio, am Flu-s Turicarama, gegründet im Gebiet des
Caziken von Tangarara,
138 PERU UNI) ECUADOR.
durch den General Atoco befehligt wurde, und als dieser gefallen
war, durch Huancauque und Incaroque. In Xauxa befehligte Curam-
bayo (zu Pizarro's Zeit) und Chialiquichiana (im Heer der Spanier),
in Quito Zopezopagua (oder Yrruminavi) und Chiaquitinta.
Die tropische Natur, die in' Ecuador die Küste bekleidet, be-
ginnt bei Tumbez zu verschwinden, und Piura liegt bereits in jenem
grossen Wüstenstrich, der sich bis nach Araucanien erstreckt, nur
längs der Flüsse von Oasen durchbrochen. Eine der grössten dieser
Oasen ist diejenige, in welcher Piura liegt, aber sie grenzt wieder
an die grösste der peruanischen Wüsfen, den Despoblado de Sechura.
Derselbe ist in den Augen der Dortigen mit allen möglichen, theils
wirklichen, theils imaginären Schrecken gefüllt, und wenn er deshalb
von jeher von den Reisenden möglichst gemieden wurde, so sind sie
noch um so mehr jetzt dazu geneigt, wo die Küstendampfer die
Umgehung erleichtern. In diesem Fall zeigten die Fahrlisten jedoch
so ungünstige Daten, dass ich für den nächsten Dampfer von Payta
nach den Zwischenhäfen des Südens, über acht Tage in Piura hätte
verweilen müssen, und da ich zu solch liberaler Disposition über
meine Zeit keine volle Berechtigung fühlte, war ich eher zu dem
Wüstenritt geneigt. Da sich derselbe aus verschiedenen Gründen
nur mit Hülfe der Behörden ausführen lassen konnte, wandte ich
mich deshalb an den Präfect, der anfangs versuchte, mir den Ge-
danken auszureden, aber als ich dabei blieb, die nöthigen Befehle
erliess. Eis giebt noch einen zweiten Weg nach Lambaycque, der
sich (als der Rodeo bekannt), durch das bewohnte Land am Rande
der Wüste umherzieht (über* Olmos) aber weil beträchtlich weiter,
mehr Tage in Anspruch nimmt.
Nachdem ein Bote nach Sechura ausgeschickt war, ritt ich mit
dem für mich gemiethetcn Arriero bald nach Mittag von Piura ab
(9. Septbr.). Nach Passiren der Brücke des P^lusses führte uns ein
grün eingefasster Sandweg, später von offenem Wald umstanden,
nach dem Flecken Catacaos, ein wohlhabender durch den Industrie-
fleiss seiner Bewohner, die sowohl durch ihre Töpferarbeit (auch
Imitationen oder F*alsificationenen der älteren), wie durch die Stroh-
hutfabrikation aus Jipijape oder Porto-Rico (Carludovica palmata) be-
kannt sind, und selbst oft weitere Handelsreisen unternehmen. Dieser
Arbeitszweig ist jetzt in verschiedenen Plätzen Südamerica's angepflanzt,
und auch die Nachahmung der Huaca hat mehrfache Concurrenz,
indem als andere Fabrikplätze Cascas (bei Ascopc) und San Paolo
(bei San Pedro) genannt werden. Im Anfang des Jahrhunderts be-
SECHURA. 139
schreibt Stevenson die Verfertigung von Strohhüten bei Huacho aus
feinem Schilf, oder Mocora der bei Lambayeque wachsenden Palme.
Die folgende Gegend repräsentirte ein eigenthümliches Gemisch
von Wüste und Anbau. Der Boden war mit leichtem Sand bedeckt,
auf dem aber noch vielfach, und oft in bedeutender Ausdehnung,
Bäume in dünn gelichteten Waldstellen zusammenstanden, und überall
sah man von Lehmmauern umgebene Chacras, die allerdings von
Aussen einen verfallenen Eindruck machten, die aber dennoch Pflan-
zungen einschlössen, welche in periodischer Bewässerung, meistens
künstlicher, gepflegt wurden. Nach dem Dunkelwerden gelangten
wir an eine Brücke, die beim Betreten so zu wanken begann, dass
es erst längerer Untersuchung des Führers bedurfte, die Art des
Hinüberkommen's zu prüfen, und an einigen unbewohnten Chacras
vorbei, erreichten wir mit dem Fluss Sechura auch den gleichnamigen
Flecken. Dort lag Alles schon im Schlaf und irrten wir längere
Zeit in den ausgestorbenen Strassen umher, bis uns^ein halbver-
steckter Lichtschein nach einer Branntweinhöhle führte, wo ein paar
Indianer eben beim letzten Glase waren, aber gerade noch Selbst-
direction genug besassen, uns nach dem Hause des Gouverneur's zu
führen. Nach Anpochen und Nennung des Namens, wurden wir ge-
beten etwas zu warten, und dann kam der Gouverneur, der sich
wieder angekleidet hatte, selbst hervor, um mich nach meinem Logis
zu führen. Vom Präfecten benachrichtigt, hatte er sein Nachtlager
in dem von ihm (nach Landessitte) gehaltenem Laden aufgeschlagen,
sein ganzes Haus aber zu meinem Empfange ausgeräumt, unten ^en
Esssaal und oben ein ganz niedlich möblirtes Balkon - Zimmer mit
anstosscndem Schlafgemach. Nachdem er mir noch einen Soldaten
zur Bedienung gelassen, da mein Arriero zurückkehrte, sagten wir
uns gute Nacht, da, wie ich hörte, für die Weiterreise bereits Vor-
bereitungen getroffen waren.
Am nächsten Morgen machte mich der Gouverneur mit dem
Führer bekannt, zu dem er einen mit dem Wege wohl vertrauten
Beamten bestimmt hatte, und dieser erschien dann auch am Mittag
mit den Mauleseln, grossen, starken Thieren, \yie sie dort speciell für
diese Wüstenreise gezogen werden. Mit geringeren dürfte man sie
nicht zu unternehmen wagen, da hier über 30 Leguas wasserloses
Gebiet vorliegt, das in einem Zuge ohne Aufenthalt zu kreuzen ist,
und wem, nachdem er sich in diese verdorrte und glühende Sand-
wüste einmal hineinbegeben hat, dort seine Thiere ermüden sollten,
dem würde es schwierig sein, wieder heraus zu gelangen. Hierüber
140 PERU UND ECUADOR.
schien ein Vorrath abenteuerlicher Geschichten auf Lager, sowie über
das Irregehen in diesem pfadloscn Meer, wo die Dünen oder Meda-
nos, statt Landmarken abzugeben, viehnehr durch ihre steten Ver-
setzungen die Verführung zu Täuschungen vermehren. Eine andere
Gefahr liegt in den aus Zambos oder anderen Mulattenvariationen
zusammengesetzten Banditen-Banden, die sich, wie in den meisten
Küstenprovinzen Peru 's, so auch in der von Piura umhertreiben, und
sich mit der Wüste selbst zwar nichts zu schaffen machen, aber oft-
mals an den Ausgängen derselben, nach den bewohnten Ansiedlun-
gen zu, wo sie ihre Schlupflöcher haben, lauern mögen. Der Gou-
verneur hatte deshalb Anfangs auch an eine Escorte gedacht, die
aber viel Umständlichkeiten, und vor Allem Zeitverlust bedingt haben
würde. So schien es besser, sich mit der Bewaffnung des F'ührers
zu begnügen. Scchura*) lag früher näher am Meer (bei der Punta de
la Aguja) und seine Bewohner werden noch von AIcedo (Will. Jhrhdt.)
als eigenartige Rasse beschrieben, die ihren besonderen Dialect
sprach. In der Yunga- Sprache (mit Plinbegriff der der Chimu in
Truxillo) wurde der nördliche Dialect (Sek genannt) in Sechura ge-
sprochen. Von Pativilca bis Chilca bei Pisco war die Mochica-Sprache
verbreitet, gemischt mit der alten Sprache Chinchasuyu's, die sich
südlich von Pisco erhielt.
Der Einfluss der geographischen Provinz, zunächst für den phy-
sischen Habitus, tritt besonders prägnant bei den Bewohnern der
höhen Bergländer Südamerika's hervor, indem in ihnen unter den
Tropen Elevationen^) erreicht werden können, welche anderswo schon
längst unzugänglich sind, und sich also dort schlagender, als es anderswo
möglich sein könnte, der klimatische^) Unterschied hervorhebt. In-
dem hier die verschiedenen Zonen oft nur auf wenige Stunden Ent-
') Da der Fluss Sechura einen Theil des Jahres austrocknet, bilden die Anwohner für
ihren Gebrauch die Casimbas genannten Reservoirs (s. Soldan).
2) Caldas zieht seinen ,,tennino superior i. dondc ha llevado al hombre la cultura y los
ganados" genannte Linie bei einer Elevation von 4900 varas castellanas sobre el mar (um!
5320 als Ende der Pflanzen).
') Los que han nacido en la basa de la cordillera padecen cuando suben rdpida-
mente ä sus faldos. Cuando un habitante por ejemplo , de las orillas del Magdalena
sube d la esplanada de Bogota, siente que sus orinas se aumentan y necesita evacuarlas
con frecuencia , los labios se le secan hasta el punto de mudar la piel de estas partes
delicadas, los ojos se le enciendan, la nariz distila aburidantcmente y una sed arJliente
Ic obliga a beber las aguas heladas de estas regiones. Caldas berechnet das Lufige wicht
an der Küste für den Indianer auf 35,604 Pfd. und an der Grenze bewohnbarer Höht
auf 13,857 Pfd. weniger.
INDIANER. 141
fcrnung auseinander liegen, zieht die Gefahr^) des Acclimatisations-
proccsses und der daraus drohenden Krisis einer, wenn nicht tödtlichen,
doch in chronische Schwäche verlaufenden, Krankheit ) eine Barriere,
die bei den Incas in der Auswahl ihrer Mitimaes volle Beachtung fand.
In der untersetzten Figur mit überwiegendem Rumpftheil und
verhältnissmässig kürzeren Gliedmassen tritt der breite Brustkasten^),
als durch das Athmen in verdünnter Luft, welche der, für eine ge-
ringere Elevation normalen, Lunge asthmatische Beschwerden bereitet,
nothwendig bedingt, besonders in den äquatorialen Hochländern Süd-
Amerika's hervor, wo die geographische Lage das Anstreben eines
erhabenen Niveaus ermöglicht, wogegen bei den die zum Maranon ab-
fallenden, Thäler der Andes bewohnenden Indianern^) sich schon bald
die Anfänge der lang und hager schmächtigen Figur bemerkbar zu
machen beginnen, wie sie in den Rothhäuten am ^ausgeprägtesten
vorliegt, und ebenso (wie in verstärktem Masse in Patagonien) bei
den Araucanern erkennbar ist. Die nördlichen Indianer-Reste am
westlichen Abhänge der Cordillere werden eher kurz beschrieben,
aber fleischig, wogegen die ähnliche Figur bei den Quechua mehr
durch das Knochengerüst bedingt ist. Es wird damit gesagt sein,
dass auf dem zu beschränkten Territorial der westlichen Flächen
ebenso wenig, wie ein selbssständig bestimmt botanisch-geographischer
Typus, auch kein anthropologischer einen selbstständigen Ausdruck
gefunden hat, und dass also nur von dem Hochlande hinabgestreckte
*) Die Hewohner sind ,,re(luits a la residence sedentaire par la crainte des malheurs,
qui pourraient cruellement les altendre, sils couraient apr^s d'autres lieux" bemerkt Jour-
danet, und so spricht auch aus den einheimischen Traditionen überall die Anhänglichkeit
an die Scholle des Mutterbodens hervor.
') Andererseits können bei bereits vorhandener Störung diese Verhältnisse zur nor-
malen Herstellung benutzt werden , wie in den von den Schwindsüchtigen Lima's be-
nutzten Luftbädern der Sierra. Auch dies war bereits den alten Eingeborenen bekannt,
indem Herrera mittheilt, dass in Mexico Kranke zum Klimawechsel nach den an Michoacan
grenzenden Provinzen geschickt wurden. Doit waren von der Regierung Hospitäler er-
baut, die mit Revenuen dotirt waren, so dass die Armen (nach Las Casas) unentgeltlich
behandelt wurden, und die angestellten Aerzte hatten sich einem Examen zu unterwerfen
(s. Bustamente).
*) Dr. Bennett (in Cuzco) had examined the lungs of Indians of the Sierra afler
decease, and had found them of considerably greater volume, than those of the people of
the lower country (s. S. Hall).
*) Die Indianer (Guatemalas) dilT^rent beaucoup suivant les climats oü ils vivenl,
ceux de la tierra fria sont petits, trapus, bien membres, susceptibles de grandes fatigues
et tr^s adonn^s h Tivrognerie, tandls que ceux de la tierra caliente sont'grands, maigres,
paresseux et encore plus sensibles k l'attrait des boissons alcoholiques (Dollfuss).
142 PERU UM) ECUADOR.
Zweige angetroffen werden, die sich unter der veränderten Umge
bung neu modificirt haben.
Anthropologisch haben die Quechuas und Verwandte bei d'Or-
bigny ihre Beschreibung gefunden (die Chibchas bei Uricoechea),
und sie ergeben sich daraus im Allgemeinen dem Medium, in wel-
chem sie leben, gemäss, als Brustmenschen, während Lallemant die
Botocuden (am Muucuri) als Bauchmenschen bezeichnet, der Rumpf
auffallend „gross im Verhältniss zu den Extremitäten, und besonders
der Bauch entwickelt". Ebenso bei den von ähnlichem Milieu ab-
hängigen Negern, wo die noch regsamere Functionii;ung der Eebcr
in der pigmentirten Hautschicht eine weitere Completirung erhal-
ten hat.
So liegt es in der Natur der Sache, dass die Neger auf den für
sie schwieriger, bewohnbaren Ilochterrassen Südamerika's fast gänz-
lich fehlen, während sie sich in den Ebenen der Küste sehr wohl
befinden,' und auf den mittleren Höhen in einer Vielfachheit von
Mischlingen die Abgleichung eines modus vivendi gefunden haben.
Für die Einwirkung der klimatisch-geographischen Umgebung
zur allmähligen Acclimatisation sind die Beobachtungen an den Hüh-
nern beachtenswerth, die auf dem Hochlande Bogota's einige Gene-
rationen gebrauchten, bis sie sich in der Legezeit accommodirt hatten,
und ebenso in Cuzco anfangs beständig ausgestorben sein würden,
wenn nicht erneuert, wie Garcilasso de la Vega erzählt.
In Mexico dagegen, also in Nordamerika (wo Flora und Fauna
dem europäischen Character näher steht), vermehrten sie sich anfangs
auf einem für ihre Existenz jungfräulichen Boden (wie der Waizen bei
erster Einführung in Californien) in solchen Massen, dass Motolinia
die zu den Märkten führenden Wege mit ihnen voll fand (los cami-
nos llenos de los, que van cargados de ellas en sus jaules ligeras),
und hörte, dass auf den fünftägigen Märkten von Tepcacac (Tepeaca)
jedesmal (und ebenso auf dem von Acapetlayocan) Ceciquipilii (que
quiere decir, 8000 aves) verkauft wurden, und dass die grössere Quan-
tität Geflügel sei, zwar auch einheimisches (gallos y gallinas de
Tierra oder Puter), aber vorzugsweise „gallinas y pollos de Castilla",
und zwar trotz der Epidemie, welche (wie oft im Beginn solcher
Ueberproduction) grosse Mengen im Jahre 1539 weggerafft habe, in-
dem damals in manchen Häusern bis 500 Hühner gestorben seien
und Kapaune bis 200 (que en esta tierra no hacen capones ä doce-
nas, mas ä cientos).
Miscnuxc;KN.
143
Je nach der halben oder ganzen Acclimatisation oder dem in
den Kreuzungen eingeleiteten Gemiseh findet sich eine bunte Farben-
scala in der americanischen Menschenrasse.
In Peru werden unterschieden :
Chinos von Indianern und Negerinnen,
Quarterons von Weissen und Mulattinnen,
Quinterons von Weissen und Quarteroninncn,
Zambo-Negro von Neger und Mulattinnen,
Mulatto-Oscuro von Negern und Mestizin,
Zambo-Chino von Neger und Chino,
Chino-oscuro von Indianer und Mulattin,
Mezti/o C'laro von Indianer und Mestizin,
Chino-Cholo von Indianer und Chino,
. Zambo-C'laro von Indianer und Zambo,
Zambo von Mulatten und Zambo,
Quatralvo von Spanier und Mestizin,
Tresalvo von Mestizen und Indianerin stammend,
oder (nach Stevenson):
(,' o I o u r.
F a t h e r.
M o t h e r.
European.
European
Creole
Creole
White
Indian
Indian
White
White
Mestiso
Mestiso
White
Mestiso
Mestiso
White
Negro
Negro
White
White
Mulatto
Mulatlo
White
White
Quarteron
Quarteron
White
White
Quinteron
Negro
Indian
Indian
Negro
Negro
Mulatto
Mulatto
Negro
Negro
Zambo
Zambo
Negro
Negro
Chino
Chino
Negro
Negro
Negro
White
White
% White, ^j, Indian — Fair
\ White, % Indian
White-often very Fair
White-but rather Sallow
Sallow-ofteu Hght Hair
% White, \ Negro — often Fair
% White, % Negro — dark copper
% White, \ Negro — Fair
Children.
Creole
Oeolo
Mestiso
Mestiso
Creole
Creole
Creole
Mulatto
Zambo
Quarteron
Mulatto
Quinteron
Quarteron
Creole
Chino
Chino
Zambo
Zambo
Zambo
Zambo
Zambo-chino *Vi6 Negro, */,, Indian
Zambo-chino ^/^ Negro, % Indian
Negro
% White, % Negro — Tawny ,
% White, \ Negro — very Fair
% White, \ Negro — Tawny
White-light Eyes, fair Hair
% ^>g^o, % Indian
\ Negro, % Indian
% Negro, % White
% Negro, % White
'Vi6 Negro, Vis ^^*^»^e — I^^r^
^« Negro, \ White
Aus Guatemala giebt Thompson folgende Liste:
Mestisa aus Spanier und Indianerin
Castisa aus Spanier und Mestisa-Frau
Espauola aus Castiso und .Spanierin
Mulatto aus Neger und Spanierin
Morisco aus Spanier und Mulattin
Albina aus Morisco und Spanierin
Tomatras aus Albino und Spanierin
144 I'ERU INI) KCIADOR.
Tente-en-el-aire aus 'l\)riiafras und Spanierin
Iajxo aus Neger und Indianerin
C'aribujo aus Lovo und Indianerin
Harsino aus Coyote und Mulattin
Grifo aus Lovo und Negerin
Albarazado aus Coyote und Indianerin
Chanisa aus Indianer and Mcsii/in
Mechino aus Coyote untl Lova
Aus der argentinischen RepulWik hesnerkt de Mdussy :
l^s degres de nietis*;age du blanc avec le noir dans le bassin de la Plata se classml
ainsi (nous prenons pour type l'union du l)lanc avec la femme de couleur, ce qui est le
cas le plus commun):
I««* degre. — Blanc \ , . , ,» i % ^^ sang africain, ou negre.
^- ! produisint le mulatre I f , ^ ! *^
Negresse J | Ji de sang europeen , ou caucasien.
2c degre. — Blanc ] , . , I i d«^ ^ang noir.
^ ,, ,* } produisent le quarteron I ? ,
Molatressel l i "<^ sa"ß caucasien.
3« degre. — Blanc 1 , • „ ( V **« ^^^S "**«''•
^ \ |)roduisenl 1 oclavon { - ,
QuarteronneJ l ^ de sang caucasien.
ae degr^. — Blanc \ , . , , , 1 Vie *^«^ ^^^R noir.
^ ** ^^ > produisent un blanc { ''" ,
OctavonneJ | '7,5 de sang caucasien.
Au <iuatrienie degr^, les traces du sang du noir ne sont plus reconnaissables, excepte
dans quelques cas excptionels ou Ton retrouve chez les enfants provenant de l'union du
blanc et de l'octavon, tantot des cheveux un peu crepus, tantöt le teint basane, tantot
(juelque cho.sc de l'odeur propre ä la race africaine. ()n cn voil aussi de rares exemples
chcz des individus qui n'ont que Ysa ^*^ ^^^S "^'''*
Les m^tis resultant du melange de sang caucasien avec le sang Indien se rapprochent
plus vite du type blanc. Ainsi:
ler degrc. — Blanc I produisent le Chino f J^ sang Indien.
Indienne | ou Cholo \ ^ sang caucasien.
\ produisent le sang- t
2« degr^. — Blanc I '^ .. I J sang Indien.
* China "^^»'^' "^'"'"^' ^^-^'' I % sang caucasien.
J (^hino ou Cholo (
\t degre. — Blanc ] , . , , , , ( X ^ang indien.
"^ *• - , . . \ produisent le blanc :,
Melisse J \ ^ sang caucasien.
II est presque impossible de reconnattre chez le metis du troisieine degre le J^ de
sang indien, qui coule dans ses veines, car il a tout ä fait l'apparence caucisienne ; seulc-
ment il est remarquable par le noir de la prunelle et de la chevelure, et quelque chose
d'un peu ardent dans le teint; bcaucoup d'Europeens presentent d'ailleurs le m^me aspect.
Die Mutalos Cambahiyos (bei Puerto Yiejo) nacieron de mezcla de negros y negros
cimarroncs con los Indios.
Von Mulatten unter einander, Mestizen u. s. w. entstehen die Tenles-en-el-ayre (in
der Luft Schwebenden), weil weder Schwarzen noch Weissen sic)i nähernd
Der Trigcnio entsteht aus Weissen mit Mestizen,
Der Qualrogenio aus Weissen und Trigenio u. s. w.,
Der Weisse mit Mulattin giebt den Terceron,
Der Weisse mit Tercerona den Quarteron u. s. w.
Sprösslinge reiner Rasse zwischen Negern (in America) geben die Chinos (s. Mühlcn-
pfordl) in Mexico.. Aus dem Mulatten oder Mestizen mit einer weissen Frau (ebenso
dem Quinteron mit einer Qualcrona), entsteht der Salto -atras (weil zu den Farbigen
zurückgehend).
KREUZUNGEN. 145
Der Peruaner nennt deii Geruch des Europäer Pezunna, des Indianer Posco, des
Neger Grajo.
Von Terceron y^ulata, sowie von Quarteron und Terceron kommt der Tente-en-
e!-aire (porque ni salian a blancos, ni retrodeciam d negros ö indios), dazu von Quarte-
rones mit Negern der salto - atrds (porque daban un paso hacia la raza negra de que
venian) in Columbia (J. Acosta).
Der Mulatte stammt von Weissen und Neger,
Mamelucos von Weissen und Indianer,
Cafuzos von Indianer und Neger,
Curibocos von Cafuzos und Indianer,
Xibaros von Cafuzos und Neger,
Cabaclos als angesessene Indianer (in Brasilien).
Im Norden der argentinischen Republik wurden zur spanischen Zeit die Mestizen als
Cholos bezeichnet, im Süden als Chinos (s. de Moussy). In den argentinischen Städten
wird die Hirtenbevülkerung der Pampas als Gau.cbos (gatchu oder Gefährte) bezeichnet,
mais , en r^alite, ce nom ne doit s'appliquer qu'aux vagabonds (s. de Moussy). Als
torrespondirendes Element findet Darwin den Guasos in Chile.
Criollo: Nombre que se da d los hijos de padrcs europaeos, nacidos en America
(el hijo de padres europaeos nacido en America), auch: el negro que no es bozal.
Bozal : El negro recien llegado de su pais (vom Zwangs- Zaum benannt.)
Ladino: El que sabe otra lengua 6 lenguas ademas de la suya, Sagaz, advertido
Se dice del indio criado en las poblaciones grandes, que ha aprendido algun oficio y
sabe el castellano (in America), als: Epiteto que antiguamente se apiicaba al romance
6 castellano antigua (El megro ö negra, que ya esta baslante instniido, hablando y enten-
diendo suficientemcnte el castellano in Cuba),
Baqueano: perito (in America), prdctico de los caminos, abgeleitet von
Baguear (naut.), segeln mit Wind und Strömung.
Wo die Mischung so eigenthümlich wird, dass sie weder Anhaltspuncte fUr den Neger
noch für den Indianertypus zulässt, gebraucht der Volksmund die Bezeichnung ,,no l'en-
ticnde" (ich verstehe dich nicht) in Honduras (s. Scherzer).
In Mexico unterscheiden sich Gachupones oder Chapetones (spanischer Herkunft),
Creolen (als von spanischen Eltern im Lande geboren), Lepero (Indianer der Städte),
Kanchero (Ackerbauer), Vaquero (Viehzüchter) unter den Hacendados. Von Indianer-
siämmen zählt Brantz Mayer circa 150 auf (und ähnlich Mühlenpfordt). Die Spanier
hiessen (in Mexico) Gachupines oder Pferde-Menschen (s. Mühlenpfordt). Sonst früher
aus Achtung, jetzt zur Schmach, Godos.
Obwohl es in dem Worte Creole ausgesprochen liegt und durch dasselbe ausgespro-
chen wird, dass mit ihm die einheimisch im Lande Geborenen bezeichnet werden sollen,
so dass es auch seine Anwendung auf Neger oder die Nachkommen importirter Haus-
thiere finden kann, beschränkte sich die specifische Bedeutung (weniger freilich in Brasi-
lien) in der Mischungsterminologie doch auf die in den Colonien geborenen Kinder der
Europäer und deren Abkommenschaft, da es für diese während des Kampfes gegen
die herrschenden Fremden zum Partei wort wurde, welches nach Erkämpfung des Sieges
allerdings nicht absichtlich festzuhalten gesucht wird , da die früher anklebende Neben-
deutung der Unterordnung noch nicht völlig abgestreift ist. So erklärt Robertson Creoles
als ,,descendants of Europeans settled in America" (als unterschieden von den Cha-
pctones).
Die Creolen (in Amerika von spanischen Eltern Geborenen) gründeten den Charpe-
toncs gegenüber (die siqh auf die Stellung ihrer Familie am Hofe von Madrid stützten)
ihren Stolz auf die Abstammung von den ersten Eroberem (I^allement). Mit der dritten
Generation gingen die Mestizen , mit der fünften die Mulatten durch Verwischung der
Merkmale in die Creolen über (in Columbien).
Bastian: America. I. I^
140 VV\<V INI) E( HAnou.
Los que vuljjamicntc se llaman CViollos (in Iioj^ota) Iiahlnn cl {«liomri I'^p.inol c*»rt
nias puere/a castellana, (juc todos los dcmas <lc las Indias (ricdrahita).
Neben den Casta»; (gemischter Ab-^tammung) nennt Clavigero aJs Si^lme der in Ame-
rika scsshaften Europäer (Asialer und Afrikaner) CrioUos oder Creolen , obwohl ,, diese
Benennung eigentlich nur solchen Nachkommen von Europäern gehört, deren Blut nicht
mit amerikanischem, asiatischem und afrikaniscliem vennischt ist".
Notandum est discrimen inter Indos et Indianos, nam hi sunt (juidem nati in India,
sed a parentibus Europaeis, vel saltem ab illis oriundi et pleri^ue ab Hispanis, Indi autem
sunt prognati et oriundi a meris Americanis, wird aus Chile g*'^agt. Doch hat man, seit
dem Gebrauch der Bezeichnung Creole, es be«^uemer gefunden, die Bewohner Amerika'«
(und <lcs westlichen Indien) als Indianer von den Indiem des östlichen (und eigentlichen)
Indien zu unterscheiden.
Die Kopfentstellungen der Peruaner, die nach den Provinzen
wechselten, als Cayta-uma, Palta-uma u. s. w. von Gosse jedoch in zwei
Typen zusärnmengefasst werden, haben (seit Pentlandt's, Castelnau's,
Ruschenberger\s,Pöppig's u. A. craniologischen Beiträgen) vielfältige Be-
handlung erfahren und (wie in Tahiti) Deutungen ihres (zunächst auf
die am Körper geübte Ziersucht, gleich dem Tättowiren, Durchbohrun-
gen u. s. w., zurückführenden) Zweckes. Pachacuti behauptet, dass
von Inca Manco Capac das Kopfpressen der Kinder eingeführt sei,
um seine Unterthanen thöricht und schwach, (und also unterwürfiger)
zu machen, und dass Lloque Yupanqui eine neue Form angeordnet
habe. Nach d'Orbigny dagegen gingen die herrschenden Inca aus den
durch ihre avarischen Köpfe bekannten Aymaraes der peruanisch-
bolivischen Sierra hervor, indem er die abgeplatteten Köpfe, die
neben den natürlichen in den Gräbern am Titicaca gefunden wurden,
auf jene bezieht, und in Polynesien dachte man, je nach der Model-
lirung, Staatsmänner oder Krieger zu erzeugen, während Beobach-
tungen bei den Chinook jeden Einfluss auf die Function des Gehirns
läugnen. Auch Forbes meint, dass die verlängert ausgedrückten
Schädel in den Gruben der Aymares den Fürsten gehört hätten. Bei
den von Bibra an der Algodonbay gefundenen Skeletten der Aymara
waren nicht nur die männlichen, sondern auch die weiblichen Schädel
abgeplattet. In Nicaragua presste man (auf Anweisung der Götter)
die Köpfe der Kinder zwischen Bretter, um sie für die zu tragenden
Lasten zu stärken (s. Oviedo).
Da das Profil von vor-incaischen Statuen im Aymara-Lande nicht
die Abplattung zeigt, wohl aber einen langohrigen Schädel, so setzt
d'Orbigny den Ursprung jener Sitte in die Herrschaft der (die Ohren-
verlängerung als Ehrenzeichen gewährenden) Incas, von denen Yahuar
Huacac die Provinz Carangas (13. Jahrhrdt.) eroberte. Die Unregel-
SCHÄDEL. 147
mässigkeiten auf den Schädeln^) der Chinchas (an der peruanischen
Küste) scheinen Folge von Familienzeichen (oder Rangzeichen), da
sie sich in nahe liegenden Huacas (Begräbnissplätzen) ganz verschie-
den finden.
Blake unterscheidet neben der brachycephalischen Rasse (in Peru)
eine dolicephalische (die Aymaras). Der von Squier in den Chulpas
der Collas (beim Titicaca-See) gefundene Schädel ist (nach Davis) bra-
chycephalisch. Morton schreibt den Dolychocephalismus der Inca nur
der künstlichen Entstellung zu. Eine Reihe von Messungen ist von
Virchow gegeben, in den Abhandlungen der anthropologischen
Gesellschaft Berlin's. S. Zeitschrift für Ethnologie (1877). D'Or-
bigny theilt die südamericanischen Menschen in die ando-peruvianische
Rasse (mit Peruanern, Antisiern, Araucanern), die pampaische (mit den
Pampas, Chiquitos, Moxos) und die Brasilo-Guaranische (mit Gua-
rani und Botocuden), obwohl dabei die localen Schläge, die hier
gerade im Anschluss an die klimatisch-geographischen Bedingungen
des Milieu bedeutsam sind, an verschiedenen Stellen durch einander
gewürfelt werden.
Nach Torquemada war die Art der durch Binden (wie durch
die Ammen Frankreichs oder im mittelalterlichen Genua) hervorge-
brachte Kopfentstellung in den verschiedenen Theilen Peru's wech-
selnd, oft in Form eines Hammer's oder eines Schiffes, und besonders
„de la hechura y forma de una coroga 6 de un mortero de barro,
muy empinado y alto. Cieza beschreibt die künstlich entstellten
Köpfe der Collas^) als lang und hinten flach.
*) Der abgeflachte Occipitalknochen der peruanischen Schädel (der äusserer Pressung
zugeschrieben wird) , wurde von Rivero auch an einem (nach d'Outrepont siebenmona-
tigen) Fötus aus einer schwangeren Mumie in der Höhle von Huichay (bei Tarma) ge-
funden. In den peruanischen Kindern beginnt das (in den ersten Monaten getrennte)
Os interparietale, von dem 4. oder 5. Monate an, mit der Umgebung zu verwachsen.
(Rivero). The largeness of size, regularity of shape and position of the interparietal bo-
nes distinguish them from the ossa Wormiana and seem to confirm the opinion, that the
ancient Peruvian skuUs are peculiar and mark a distinct and lower type of Organization
(s. Rivero's und Tschudi's Alterthümer in Hawkes üebersetzung). Die Huancas finden
sich in den Departements von Jussin und Ayacucho (und soll die Kopfentstellung auch bei
mumificirten Embryos beobachtet sein). Bei Tschudi dienen die Huancas, mit Chinchas
und Aymaraes, zu seiner Dreitheilung. Von den, Aucas (Abgetrennte) genannnten,
Flachköpfen (oder auch Langköpfen) wird gesagt, dass sie sich während der Herrschaft
der Quichua von den Rundköpfen geschieden gehalten hätten, um ihre Unabhängigkeit zu
bewahren. Das Material über den Inca-Knochen ist neuerdings vermehrt.
') Los Collas y Puquinas y otras naciones de Indios usan formar las cabe^as de los
nifios en diversas figuras con mucha supersticion , lang (chucu) oder breit an der Stirn
(Palrohoma). Die von den Cossibos oder Conibos (s. Castelnau) befolgte Abplattungs-
• 10*
148 PERU UND. ECUADOR.
Zur Herstellung werden im Allgemeinen, wie im nördlichen
Amerika und Ostasien ebenso, Holzbretter gedient haben, zwischen
denen der Kopf des Kindes*), in der Wiegenbefestigung desselben ein-
geschnürt wurde.
Den Peruanern, welche verschiedene Kopfformen (Caito, Oma,
Ogalla) hervorzubringen pflegten, wurde dies durch eine Synode (1585)
verboten, bemerkt Meyen, und gegen das Abflachen der Köpfe unter
den Collas waren im Besonderen die Ordenanzen des Vizekönigs
Toledo gerichtet.
Für den gegenwärtigen Stand der peruanischen Schädelfrage
sind neben den Arbeiten von Bernard Davis, die von Witson, Wy-
man, Warren, sowie, im Anschluss an die vom Cönsul Hutschinson
der Anthropogical Society of Great Britain and Ireland (1873) einge-
schickten Schädel, die dort durch Busk eingeleiteten Besprechungen
zu vergleichen, während die nach Berlin gelangten Schädel ihre Be-
handlung durch Virchow (s. Sitzungsberichte der anthropologischen
Gesellschaft) erhalten haben.
In der Nachbarschaft Peru's fand sich die Kopfentstellung zu-
nächst bei den durch Tupac Yupanqui |s. Garcilasso de la Vega)
unterworfenen Cafiari, die deshalb Palta huma (Palta-uma) oder
Kopfflacher genannt wurden und mit den Paltas bei Loxa grenzten,
von denen ebenfalls ein Pressen des Kindeskopfes zwischen Brettern
erwähnt wird.
Bei den Caras in Quito (s. Velasco) herrschte (wie bei den
Caraiben) eine ähnliche Sitte und ebenso bei den ihnen verwandten
Caragues oder Mantas (bei Manta), den (namensähnlichen) Caranga
(westlich von Oruro), die neben der Abflachung der Schädel auch
die Ohrverlängerung übten.
Im Cauca-Thal wird, ausser der Kopfabplattung der Pijaos und
der Chancos (zwischea Cali und Anserma) von einer zwischen An-
serma und Quinbaya geübten Entstellung des Kopfes durch aufge-
bundene Bretter gesprochen (s. Cieza de Leon), und am Magda-
methodc von Manta (qui consistait h. aplatir la lete d'avant en arri^re, de moniere ä pro-
duire un front haut et large et qii'on d^signait par le nom d'Oina) war von den Inca
impos^e aux enfants mdles des populations, ou ils recrutaient leurs arm^es (s. Gosse).
*) En muchas partes usan los Indios apretar la cabega de la criatura con dos ta-
blillas una en la frente y otra en el cerebro, con que la dexan ancha por ambas partes
y llaman palta ulma, otros usan muchas supersticiones quando trasquilan el cabello k sus
hijos la primera vez 6 quando les cortan las ufias, haziendo grande fiesta y ofreciendoles
plala, oro, ropa y otras cosas, creyendo que con esso les dan Ventura, sagt Montenegro
(Bischof von Quito).
KOPFENTSTELLUNG. 149
lenenthal stellten (nach de Torres) die Panches eine breite Stirn her
durch zwei Bretter, welche hinten und vorne festgebunden wurden,
während ihnen Piedrahita für solchen Gebrauch noch die Coyaimas
und Natagaimas zur Seite stellt.
In Cumana kennt Herrera eine Kopfverbreiterung, und Gomara er-
zählt, dass man dort den Kopf der Kinder zwischen baumwollene
Kissen gepresst habe, um das Gesicht zu erweitern (para ensanchar
la cara). Simon dagegen spricht von Brettern: Desde ninos con
unas tablillas ponenla la cabega muy ancha por detras y por delante.
Caulin lässt die Mato- Matos am See Cabiya (des Orenoco) die Köpfe
entstellen, und nach Simon fand sich Abplattung des Kopfes, vorn
und hinten, bei den den Caraiben verwandten Stämmen der Chesi-
goto, Pargoto, Pilagoto.
In der Pampa del Sacramento, wo die Indianer die Haarknoten
mit Federn, die Gelenke mit Schnüren schmückten, wird neben einer
Durchbohrung von Kinn und Nasenknorpel (zur Einfügung von Zier-
rathen) eine Abplattung des Kindeskopfes erwähnt, und zwar vorne
(nach Oben) und hinten, „um dem Mond zu gleichen, wenn er voll
ist". Die Conibos (bei Loreto) flachen den Kopf „de manera que la
frente huye y la cabeza se alarga mucho por atras" (Raymondi).
Bei den Cayiri (von Ceara) gilt die Bezeichnung Cabeza-chata
(s. Macedo) und die Omaguas (am Maranon) mit länglich flachen
Köpfen, por artificio (s. Berredo) heissen bei ihren Nachbarn Cam-
pevas (Plattköpfe) oder Cambebas (Canga oder Acanga-apeba).
In Yucatan findet sich auf den 5culpturen die zurückfliehende
Stirn, und im westlichen Nordamerica haben besonders die (auch
ihres Jargons wegen bemerkenswerthen) Chinook Aufmerksamkeit
gefunden. Im Osten wird bei den Choctaw eine Kopfentstellung er-
wähnt, und (nach Pattie) wohnen am Bighorn, der in den Platte-Fluss
fällt, die Tschopunish (Plattköpfe) genannten Indianerstämme. Zu
Soto's Zeit wurde die Kopfentstellung bei den Natchez geübt, und in
Chicora (am Cabo Santa Helena und Jordan) wird von einer künst-
lichen Vcrkrüppelung der Caziken-Kinder geredet (wie anderswo von
Ausreckung zu Riesenlänge).
Als wir die erste Neigung der Sonne abwartend, kurz nach
Mittag von Sechura aufbrachen, geriethen wir noch innerhalb des
Dorfes in Noth. Am Ende desselben, hart am Rande der Wüste,
die dort beginnt, steht die durch ihren hohen Thurm von weithin
sichtbare Kirche, und an der Mauer hatten sich solche Berge von
15<J l'KRr IM) ECUADOR.
weissem Flugsand aufgehäuft, dass unsere Thiere darin versanken,
und nur mit Mühe wieder hervorgearbeitet werden konnten. Dann
kamen wir auf harten Steingrund, weil der beständig von Süden
blasende Wind den Sand in die halbwinkelförmigen Medanos oder
Dünen zusammengeweht hat, die überall hervorstehen, aber durch
den häufigen Wechsel ihre Stellung und Lage auch den effahrenen
Führer irre leiten können. Rechtshin erstreckte sich die Fläche zum
Meer, das nicht mehr sichtbar, und nur an einzelnen Stellen durch
unbestimmtes Flimmern am Horizont, unter der niedergehenden
Sonne, angedeutet war, während in weiter Ferne die Spitze der
Punta Aguda auslief Auf der linken Seite beschränkte die Uneben-
heit des Bodens das Auge, das nach allen Richtungen in eine stumme
Einöde hinausblickte. Die Sonne tauchte in vollem Glänze ihre Kugel
unter, und dann setzten wir unsern Weg beim Sternenlicht fort, bis
wir, Abends 9 Uhr, die erste Raststation, la Parada de los Medanos,
erreichten, wo wir in einer Sandmulde lagerten, und den Thieren
etwas von dem mitgeführten Futter vorwarfen. Ein Lastthier war
zum Tragen desselben, sowie einiger Provisionen und des Wasser's
zu unserem Getränk mitgenommen, während die Maulesel desselben
für mehr als 48 Stunden völlig entbehren mussten. Aus der Um-
gegend dieser Dünenstation wurden verschiedene Spukgeschichten
erzählt, von umgehenden Geistern, die in dem dort in der Nähe, der
Sage nach, sichtbaren Mauerwerk Schätze hüteten, sowie über die
Erscheinung von Fabelthieren, die sich auf die verwilderten Pferde
und t)sel, sowie die aus ihnen* gekreuzten Maulthiere (caballos, mulos
y burros silvestres) beziehen mochten, die dort existiren und von
ausgekratzten Knollen (una rayz llamada Yuca del Monte) leben sollen
Eine in der Nähe befindliche Huaca, aus" weissem Sand aufgesetzt,
die Huaca der Medana blanca, gilt für verzaubert, da jedes lebende
Wesen, das in ihren Bereich gelangt, ob Mensch oder Thier, unfehlbar
zu Grunde gehe. Der Halte-Stationen finden sich drei am Wege, und
für jede ist die Rastzeit von i — 2 Stunden genau bestimmt, damit
die Thiere in dem ertragungsfähigen Zeiträume der Wasserentbehrung
und Futterbeschränkung hindurchgelangen. So waren wir um 10 Uhr
wieder im Sattel und setzten die ganze Nacht unsern Ritt fort, im
einförmig ausgreifenden Trabe, bis wir am andern Morgen einen
Klumpen verkrüppelten Gebüsches vor uns sahen, an der zweiten
Station, dem sog. Cabo verde, ungefähr der Hälfte des Weges und
der einzigen Stelle, wo eine Spur verdorrter Vegetation sichtbar ist.
CABO VERDE. 151
Im Boden wird sich also Wasser^) finden, doch tritt es nirgends
hervor, und stillten wir so den Durst durch eine der mitgenommenen
Wassermelonen, die sich in der Umgegend von Payta und Sechura in
vorzüglicher Güte finden.
Als in Sechura von der Unsicherheit des Weges geredet wurde
und von den umherstreifenden Vagabunden, die in früherer Zeit oft
schon in der Umgebung von Cabo verde auf der Lauer lagen, sprach
der Führer von einer Caravanc von Kaufleuten aus Catacaos, die
auf dem Wege zur Messe in Monsefu seien, und am Morgen unseres
Abreisetages aufgebrochen waren. Er hatte gehofft, sie noch einzu-
holen und trafen wir sie auch in der That hier in Cabo verde, aber
nachdem sie ihren Ruhetermin bereits beendet hatten und wieder beim
Anschirren waren. Indem wir dagegen unsern Thieren erst ihre Rast
zu gönnen hatten, und die Zeit hier, wie gesagt, den Entfernungen
gemäss knapp berechnet werden muss, so war eine gegenseitige
Accommodation nicht möglich^ und blieben wir allein zurück. Als
die Sonne höher stieg, sattelten wir mit ihr, und folgten ihrem Tages-
lauf, da sie bei dem ungehinderten Horizont, in der, braungraue
Erde und blaugraue Luft, umziehenden Kreislinie in jedem Tritte
sichtbar war, und uns mit der vollen Wärmegluth ihrer Strahlen
überschüttete. Zugleich aber wehte uns ein ununterbrochener Wind-
strom aus Süden entgegen, und zwar ein, trotz der heissen Luft-
schicht um uns, so eisiger, so in das Mark dringender, dass ich mich
hier, nicht fern vom Aequator und auf dem Niveau des Meeres, un-
willkührlich an gewisse Empfindungen aus meiner sibirischen Winter-
reise erinnert fühlte. In einförmiger Monotonie währte die Wüste fort,
aus Sand oder Kies, und hier und da den gebleichten Knochen der
umgekommenen Thiere und ihrer Skelette. An einer Stelle sah ich
einige Pfeilerstummel, die, wie der Führer sagte, aus der Zeit „del
Rey" herrührten, als der Weg abgesteckt gewesen. Auch Kreuze
wurden ausgedeutet, an Plätzen, wo Reisende durch die Banditen
ermordet worden. Mit Sonnenuntergang ^ erreichten wir die Parada
de los Callejones, und sahen am Ende der weiten F'läche vor uns
ein paar schwarze Punkte sich herumbewegen, die mir der Führer
als Wagen aus Morone erklärte, welche das am Meeresstrandc ge-
wonnene Salz fortschafften, wie dort auch Pottasche aus dem Lito-
Kraute bereitet wird (nach Soldan).
*) Prosopis siliquastrum wurde von Philipp! seihst inmitten der Wüste von Atacama
an vereinzelten Stellen hier und da getroffen, auf Befeuchtung durch einen unterirdischen
Quellcnlauf deutend.
152 PERU UNI) FXUAPOK.
Die Rast auf dem nackten Erdboden war wegen der Kälte des
Windes, gegen den wir nur in dem Aufstapeln des Gepäcks einen
kleinen Schutz gewinnen konnten, so wenig eine Erholung, dass ich
zum baldigsten Aufbruch trieb, nachdem die Pflicht gegen die Thiere
erfüllt war.
So dunkelte eine andere Nacht über unsern Sätteln, aber wäh-
rend der Character der Wüste in der Hauptsache derselbe bleiben
mochte, war meine Auffassung desselben, wenigstens in der zweiten
Hälfte, nach Mitternacht, eine wesentlich verschiedene.
Ich ritt wie in einer Gespensterwelt dahin, vor mir erhoben sich
mächtige Terrassen, die in Riesenstufen über einander aufstiegen,
und beim Annähern zurückwichen, sich höher und höher aufbauend.
Auf ihnen wechselten in Phantasmagorien gigantische Pilaster, die in
Pyramidenthürmen geneigt und quer überdeckt standen. Es waren
nicht die Säulen und Kuppeldome, wie ich sie bei einem ähnlichen
Ragl, während eines Nachtrittes in Syrien, um mich gesehen hatte,
sondern gleichsam eine, in der Luft zwischen Himmel und Erde auf-
gerichtete, und den ganzen Raum erfüllende Theaterbühne mit
Coulissen - Reihen an beiden Seiten. Das durch die längere Ent-
behrung des Schlafes ermüdete Auge hatte das Vermögen verloren,
selbst wenn ich beim Erwachen aus dem Halbschlaf es aufmerksam
darauf richtete, genauer zu unterscheiden, und construirte sich so
bei mangelnder Accomodation aus verschwimmenden Eindrücken
diese phantastische Scenerie, die den an sich weiten Horizont in
nächste Nähe rückte, ohne dass er zu erreichen war. Trotz dieses
Traums, der die Sinne umfing, erinnerte mich doch zuweilen das
Sicherheitsgefühl auf den Weg zu achten, und einige Male, wenn
mir die von den sich ziemlich selbst überlasscnen Thieren gefolgte
Richtung unsicher zu werden schien, rüttelte ich einen Führer auf,
der dann aber gleichfalls bald wieder auf dem Sattel einnickte. Am
sichersten orientirt man sich für das Allgemeine nach dem Winde,
der immer in derselben Richtung, und, wie wir reisten, entgegen in
das Gesicht weht.
Morgens, etwa 3 Uhr, sahen wir Buschwerk am Wege und dann
die Corral oder Potrero's des beim Fluss Pozuelos*) gelegenen
*) Nach Alcedo (der die Entfernung der Wüste von Sechura bis Morrope au!
40 leguas oder bis zum Rio de Pozuelos auf 32 Icguas angiebt) los que no son muy
präcticos en este desierto se exponen a gran riesgo siempre que se parnn a descansar o
que duermen, porque luego no conocen el Camino y una vcz perdida la direccion es un
milagro de la providencia que no perezcan de hambre y sed, de que se cuentan rauchos
exemplares (XVIII. Jahrhundert). Die Orientirung geschieht ausser durch die Windrich-
BANDITEN. 153
Dorfes Motupe oder Morope, wo wir die Thiere in einen derselben,
in welchen verschiedene Arrieros lagerten, hineintrieben, ohne sonst
Jemand zu sehen oder von Jemand gesehen zu sein, was uns bei der
in diesem Dorfe für die Strassenräuber geübten Spionage ganz recht war.
Als wir eben nach Auftreibung einigen Futters für die getränkten
Thiere uns auf die Poncho zum Schlaf hinwarfen, ritten die zwölf Kaufleute
aus Catacaos an uns vorbei. Alle stattlich bewaffnet und auf Angriffe
vorbereitet. Wir hätten uns gern angeschlossen, doch wollte die
Natur ihr Recht haben, für die Thiere sowohl, wie für uns.
So tief indessen auch der Schlaf war, in welchen ich verfiel, so
musste ich ihn doch bereits nach etwa ijj Stunden abschütteln, da
mich der Führer mit der Nachricht weckte, dass eine andere Kara-
wane im Aufbruch begriffen sei, und dass er bei der Unsicherheit des
Weges dringend riethe, diese Gelegenheit nicht vorübergehen zu
lassen. Ich hätte mich allerdings im Nothfall mit meinem Regierungs-
papier im Laufe des Tages an die Behörden zur Beschaffung einer Escorte
wenden können, aber da man in solchen Spitzbubennestern nie weiss,
wie weit die Beauftragten selbst wieder mit den Plünderbanden unter
einer Decke spielen, und da ich jedenfalls eine beträchtliche Zeit bis
zur Erreichung eines derartigen Zweckes hätte opfern müssen, so
bequemte ich mich lieber wieder zum Aufsteigen und Fortreiten.
Die Karawane, mit der wir zogen, sah allerdings gerade nicht
so aus, als ob sie uns viel Schutz gewähren könnte, da sie solchen
wohl eher von uns erwarten mochte. Es war eine beträchtliche Zahl
von Eseln und Maulthieren, die besonders mit getrockneten Fischen
beladen, nach der Messe von Monsefu reisten, und die, wenn sie
eine werthvollcre Ladung geführt, gewiss grade zur Anlockung der
Räuber gedient haben würden. Da der Führer jedoch einige Be-
kannte, wie ich sah, unter den Arrieros hatte, so Hess sich seine
Absicht verstehen, und wollte ich keine Einwendungen machen.
Der sandige Character des Weges dauerte zwar fort, doch war
die Umgebung mit Büschen bedeckt, und auch nach dem Meere zu
endete die Fläche in den gebirgigen Ausläufern der vorspringenden
Caps. In der Ferne zeigten sich Anzeichen der Ansiedelungen in
der Umgebung Lambayeqüc's, als plötzlich auf der Seite des Weges
zwei Schüsse fielen, die eine grosse Verwirrung in die Karawane
brachten. Die besser Berittenen sprengten im vollen Lauf der Stadt
tuiig im Allgemeinen, auch durch das Riechen des Sandes, der, wenn mit Mist gemischt,
den Pfad der Maulthiere anzeigt, (und Nachts nach den Sternen , besonders der Richtung
des südlichen Kreuzes, das auch über die Stunden Angaben zulasst).
154 PERU TNI) ECUADOR.
ZU, unter dem Vorwand wahrscheinlich, Hülfe zu holen, (oder sonst
bester Absicht, wie zu ihrer Ehre angenommen werden mag), die
andern mit Eseln, Maulthieren, Frauen und Kindern drängten sich
im Knäuel zusammen, und wussten nicht, ob vorwärts oder zurück.
Ein paar der Arriero's hielten aber Stand, gut oder schlecht, wie sie
gerade bewaffnet waren, und da auch mein Führer seine Doppelbüchse
in Bereitschaft setzte, zu der meinerseits ein ffaar Revolver kamen, so
hielten es die Banditen^), als sie beim Näherkommen die Gegenwart
von Fremden erkannten und so Bewaffnung voraussetzen konnten,
für besser, den Zug unbelästigt zu lassen, und verschwanden nach
ein paar Reiterschwenkungen wieder hinter den Büschen, aus denen
sie hervorgetaucht waren.
leh liess indess jetzt mein Thier, das sich trotz der langen Tour
noch überraschend frisch zeigte, rüstig vorangehen, und nachdem
wir den Fluss Lambayeque passirt hatten, betraten wir an einigen
verfallenen Alterthumsresten vorüber die ebenso verfallenen Strassen
der Stadt, und nahmen Logis im Hotel. Da ich hier den Terminus
an der Küsten - Eisenbahn erreicht hatte, verabschiedete ich den
Führer, der seine* Aufgabe ganz zur Zufriedenheit ausgeführt hatte.
Die Rasse dieser Maulthiere von Sechura ist eine sehr bemerkens-
werthe, und es bleibt erstaunlich, wie rasch und aus welch' (ver-
hältnissmässig) beschränktem Bedürfnisse schon, sich hier eine feste
Specialität hervorgebildet und fixirt hat. Vor dem Abgang von
Sechura (am Sonnabend) waren die Thiere bis zum letzten Augen-
blick gut gefüttert, getränkt und gebadet worden. Was sie am
Wege frassen, war kaum der Rede werth, zu trinken hatten sie
nichts, und dennoch sah ich Montag, vor dem Betreten Morope's,
dem ersten Ort, wo es wieder Wasser gab, das eine der Maulthiere
(vielleicht bei der Witterung der Feuchtigkeit) reichlich und wieder-
holt stallen. Auch sahen sie bei der Ankunft in Lambayeque durch-
aus nicht sehr abgefallen aus, sondern noch ziemlich rund und glatt.
Nachdem ich ein kurzes Frühstück eingenommen, begab ich
mich den ziemlich langen Weg zurück nach den alten Bauten, die
ausserhalb der Stadt bemerkt waren. Sie bestehen aus Luftziegeln
und zeigen eine beträchtliche Ausdehnung, sind aber an vielen Stellen
*) Ihr Vorhandensein scheint eine altberechtigte Eigenihünilichkeit grade auf diestr
Wegestrecke, da schon Stevenson während der Reise von Lambayeque nach Mcrope be-
merkt: The read between these towns is often frequented by robbers who are gcnerally
nmaway slaves, Simarones, who lurk among the low brushwood on the roadsidc and
attack the passengers (1807).
LAMBAYEQUE. • 155
unter dem angewehten Sande begraben. Neben den hohen Mauern
des Hauptgebäudes liegt eine Gräberstätte, wo Knochen und Töpfe
■gefunden sind. Die Vorbauten auf einem nahegelegenen Hügel ent-
hielten Nischenthüren und Dachreste aus Schilfstroh, und man blickte
von dort, über die Aussenwerke, auf das in einiger Entfernung be-
merkbare Meer hinaus. Rothe Bemalung Hess sich hier und da auf
dem Mörtel erkennen. Diese Lambayeque angehörigen Monumente
verknüpfen sich dadurch mit der für die alte Geschichte Peru's be-
deutungsvollen Landung Naymlap's und seines Gefolges, (worüber
Weiteres im Geschichtlichen des zweiten Theils).
Da um die Mittagszeit auf diesem verbrannten Boden die Sonnen-
gluth mit doppelter Schwere lastete, hielt ich nach den zwei durch-
wachsen Nächten ein längeres Exponiren nicht für rathsam und kehrte
nach dem Hotel zurück, um das Gepäck für die Abreise am Nach-
mittag zu ordnen.
Früher lag Lambayeque der Küste, und seinem Hafen San Jose,
näher, es erlangte aber erst bei seiner Versetzung grössere Bedeu-
tung, als sich die Bewohner des 1586 ausgeplünderten Miraflores
oder Saiia (Santiago de Saiia de Miraflores) dorthin zogen. Wie
diese einst durch ihren Wohlstand und Ansehnlichkeit an der Küste
den ersten Rang einnehmende Stadt unter wiederholten Zerstörungen
durch Naturereignisse litt, so wurde auch Lambayeque davon be-
troffen, und bei meiner Anwesenheit lag noch die halbe Stadt in
Trümmern, in Folge der letzten Ueberschwemmungen ihres Flusses.
Die vorübergehende Blüthe dieser Stadt im Anfang des Jahrhundert's
verdankte sie der dortigen Etablirung des Königlichen Tabakmonopols.
In der Nähe sind mancherlei Funde gemacht worden, so eine
Urne aus Gold bei La Pava, wo sich die Anlagen früherer Dörfer
unterscheidcp, Goldsachen in der Huaca Rachada (bei Chipang), und
dergleichen wurden durch periodischeRcgen in dem fast trocknen Fluss-
bett des Rio de la Leche ausgewaschen bei Montope (zwischen Lam-
bayeque und Olmos).
Die Eisenbahn führte durch eine in Anbau und Gebüsch (mit
Algarroba - Bäumen (Prosopis) wechselnde Ebene nach Chiclayo, wo
ich in der Posada ein Unterkommen fand, und am nächsten Morgen
den deutschen Plantagenbesitzer, Herrn Sohlfs, aufsuchte, der in der
Nähe bedeutende Zückerpflanzungen und Raffinerien besitzt. Durch
ihn wurde ich dann mit dem Subpräfectcn (bei Abwesenheit des
Präfecten) bekannt, und konnte während meines dortigen Verweilen s
einige Kleinigkeiten erwerben. Die Umgegend scheint ziemlich reich
156 PERU UNI) ECUADOR.
an Alterthümern, da, wie mir gesagt wurde, solche mitunter an
Markttagen von den Indianern zur Stadt gebracht werden. In den
Aufzügen der Indianer wird, neben der Trommel, die Chirimiya ge-
nannte Flöte alter Form gespielt, meist durch Bleibelegung verziert,
wie früher durch Gold und Silber. Auch die (in den Gräbern aus
Stein-Material gefundene) Pansflöte ist noch in Gebrauch, besonders
in Ecuador, und sieht man sie für augenblickliche Benutzung von den
Indianern aus dem überall gebotenen Rohr angefertigt. An manchen
der Häuser waren Baumzweige ausgesteckt, zum Zeichen, dass es
frische Chicha gab.
An einigen Theilen Peru s haben die Indianer eine Abneigung
gegen die Ausgrabung von Alterthümern oder gestatten sich die-
selbe doch nur an bestimmten Jahrestagen, vornehmlich denen hoher
Feste (als Gründonnerstag, Charfreitag u. s. w.). Besonders ist auch
das Fest des Schutzheiligen*) dazu auserschcn, wie sich auf ihn über-
haupt alle Interessen im Leben der kleinen Ortschaften concentriren
und von ihm zugleich wieder alle Interessen absorbirt werden, auch
die der weltlicher Gesinnten.
Die von dem Indianer am Festtage des Heiligen an die Cura
zu zahlenden Contributioncn verschlingen ungefähr den ganzen Er-
werb seiner Familie während eines Jahres, bemerkt UUoa aus Peru,
indem ihre Höhe den Zwang bedingt „para cntregar al fin del afio
todo lo que han podido acquerir". Der Weltgeistlichc kaufte damals
das Curat meistbietend um den höchsten Preis, der dann durch die
Indianer wieder zu zahlen war, „lo que sc da por cada curato son
sumas tan crecidas, que se hace increibles'' (UUoa). Es werden einige
Items aus den für die Begräbnisskosten aufgestellten Rechnungen
mitgetheilt, die nach geltendem Usus (oder Abusus) jedes Mal in
solcher Weise taxirt waren, um durch ihr Total sich mit dem Ganzen
der Erbschaft zu decken und diese zu amortisiren, so dass den Erben
weitere Sorgen und Processe gespart waren.
In Lima hatten (im vorigen Jahrhundert) die heiligen Vermächt:
') Wie in Ecuador nimmt er activen Anlheil an den Festen. As soon as the dance
commenced , two of the mcn took the apostle on their Shoulders %nd made him join in
the dance , passing through all its figures and variations. Even in the circle - dance the
Saint merrily participated , and when the word was given to wheel about (damos una
vuelta), his carriers, who could not tum round with their load, without breaking up the
circle , danced backwards (s. Hassaurek). Das Concil von Gangra (4. Jahrhundert) ana-
thematisirt bereits diejenigen, welche die Feste der Märtyrer (natalitia) verachten Sollten,
doch glichen sie oft mehr den ,, christlichen Satumalien", wie Hurler die Narrens- (und
Esels)-Festc nennt.
ABLASS. 157
nissc (zum Schaden der Verwandten, der Gläubiger und der Armen,
wie hinzugefügt wird) die Kirchen') Lima's so bereichert, „qu'il
ne reste presque plus de biens ä fond aux gens du monde, la nature
de leurs biens est r^duit aux effets mobiliers" (Frezier). Ako aus
lauter- und rein -religiösem Egoismus für das eigene Seelenheil, be-
raubte man die verarmenden Verwandten des Mittels für das ihrige
zu wirken, denn „hujus modi gratiae et dispensationes non conce-
duntur pauperibus, quia non sunt, ideo non possunt consolari" (am
Schlüsse der Taxenbestimmungen für den Kauf des Ablasses). Schon
Columbus feiert in seinen Briefen die Macht des Goldes, um selbst
das Paradies zu erkaufen, und „ecce volant" (die Seelen)*), rief Bern-
hard Samson beim Verkauf jedes Ablasszettel's (s. Ammann), die
bei Tetzel alle Sünden vergeben, ,.non solum commissa, sed etiam
committenda*' (von den durch Butterbriefe zu Sühnenden aufwärts bis
zu jenen höchsten, die in Emanuel Sa's und Franciscus Toletus'
jesuitischer Moral bereits vergeben sind).
Die Geistlichen, denen diese für das Jenseits eingezahlten Schätze
ihrem Niessbrauch nach zunächst zu Gute kamen, waren für die
Colonien in Spanien aus solchem Ausschuss oder (hier besser) Aus-
wurf) der europäischen Klöster recrutirt (s. Barry), dass die Capitäne
*) Lima puss<^'dant 190^000 habitants, compte 7oeglises(celafait une^glise pourayoohabi-
ants). Pour en avoir autant ä Paris, il nous cn faudrait 700. Or, en comptant tout, 6glises,
chapelles, temples, synagogues, nous en avons 88, soit une par 21,500 habitants (Carrey).
•) Nach 5k)lis y Valenguela hatten die Jesuiten den Indianern Bogota's gelehrt: ,,es
scycn zwei Götter, einer der Reichen, der andere der Armen, jener sei viel mächtiger,
als dieser,"
•) Summa (juidem cura notavi ac comperi maximam parlem vestrum quotcunque in
Indiam venistis, tales esse, ui non dico, caelum atque Angeli, sed terra et daemones ipsi vos
exosos invisosque habeant ; schrieb Bischof Lopez de Zunegua den americanischen Geistlichen
(1552). Die Schilderung des Hischof Ratherius von den Geistlichen seiner Zeit (in
Europa) ist indess nicht viel besser (X. Jahrhundert). According to the testimony of
the most zealous catholics, many of the regulär clergy in the Spanish Settlements
arc not only destitute of the virtues becoming their profession, but regardless of that
cxtcmal decorum and respect for the opinion of mankind which presenre a semblance of
worth , wbere the reality is wanting (Robertson), Benzoni hörte von dem damaligen
Obcrrichter Guatemala's, man müsse den König bitten, keine Priester wieder nach Ame-
rica zu schicken propter flagitia corum et intemperantissimas libidines (XVI. Jahrhundert).
Man versteht leicht den Einfluss solcher Beispiele auf die Indianer, ,,animas tan tiemas
y blandas, como la cera blanca, para imprimir en ellas el sello de cualquiera doctrina
catolica ö erronea y qualesquier costumbres, buenas ö malas, que les enseflaren" (Torque-
mada). Those of the clergy of Bogota , who choose , live in open adultery (Stewart).
Die Priester (in Cuzco) ,,give the example of irregulär domestic habits, by the greater
part of thcra keeping an ama or housekeepcr" (s. Hall). Das Verhältniss der Geistlich-
keiten unter den Weissen, sowie unter den Indianern war, mit Ausnahme der ersten Zeit
der späteren Missionen entwürdigend für die Kirche (sagt Kortkamp). llie priests in Lima
158 PERU UND ECUADOU.
in Cadiz lieber ihre Abreise um einen Monat verschoben, damit sie
sich der Pflicht entzogen, sie mitzunehmen (1820). Thomas Gage er-
zählt aus eigener Erfahrung, wie die Missionäre für die Colonien von
Spanien bei Gläsern des guten Weins von Xeres recrutirt wurden
(1625). Es schien „instituto peculiar en aquellos eclesiasticos el
sobresalir ä todos los demas en las pervertidas costumbres de su
desarreglada vida" (die besondere der Aufgabe dieser peruanischen
Geistlichen, allen Uebrigen in den schlechten Beispielen eines wüsten
Lebenswandels voranzugehen) und Tschudi kannte einen Pfarrer in
Huacho, der 20 Maitressen hielt und ihnen aus seinen Einkünften
Monatsgehalte zahlte. Nach Terey trifft man häufig den Cura mit
einem ganzen Haufen angeblich verwais'ter Neffen und Nichten um
sich, die Kinder eines hypothesirten Bruders in Südamerica. Im
Ganzen gilt es den Gemeindegliedern noch als das geringere Uebel,
wenn der Pfarrer seine Köchin oder sonstige Haushälterin als Con-
cubine hält, weil sie dann eher ihre eigenen Frauen, schon gegen-
seitiger Eifersucht wegen, garantirt glauben. Auch den Yucatanesen
ist der Usus oder Abusus der Hermanas politicas oder companeras
(vulgo Köchinnen) nicht unlieb und macht, wie Stephens bemerkt,
den Dorfpfarrer eher populär, „as it is supposed to give him settled
habits."
Um der aus der Ehelosigkeit der Priester entspringenden Sitten-
losigkeit entgegenzutreten, ist von manchen Seiten die Aufhebung
des Cölibate's urgirt, wie für Peru von Vigil in seinen Streitschriften,
und unter Maria Theresia hatten manche Gemeinden in Mähren ver-
heirathete Seelsorger verlangt, um ihre Ehefrauen gegen Angriffe
zu sichern. Doch würde dadurch der Gehorsam in den Reihen des
päpstlichen Heeres erschüttert werden können. „Wenn man den
GeistHchen die Ehe gestattet, so ist die römische päpstliche Hierarchie
zerstört, das Ansehen und die Hoheit des römischen Bischofs ver-
loren, denn verheirathete Geistliche werden durch das Band der Frauen
und Kinder an den Staat gefesselt und hören auf, Anhänger des
römischen Stuhls zu sein", wie der Cardinal Staatssecretär Pallavicini
bei den Berathungen über die Priesterehe bemerkte (unter Pius VI.)
Wegen des Unwesens der Büsserinnen in der Kirche hatte der
are disgusting. Many have I seen absolutely drunk in the street and I only wish this
was the worst thing, I had to say of them (s. Brand). Tratando de recojerme, nie
dijo el cura si queria tomase conmigo el lecho su bellisima hija. Me asegurö que no
habia tenido otra comunicacion que con mi compafiero en caso igual, so erzählt Manuel
•Mxs seinen Erlebnissen auf der peruanischen Sierra (18 12).
^ V« •
COELlüAT. ' 1Ö9
Patriarch Nektarius die Poenitentiarien aufgehoben, aber von den
Klöstern Perus erzählt Ulloa: las mugeres hacen officios de los legos
(Frauen dienen als Laienbrüder), und mochten so die subintroductae
(instaaxim oder äyan^rai) oder extraneae (dilectae oder ascititiae)
ersetzen, als keusche Jungfrauen, die mit ehelosen Geistlichen in
einem Bette schliefen, weil auch unter den Flammen unverletzt blei-
bend, nach des strengeren Cyprian's Urtheil dagegen Dinge dabei
treibend, die sich selbst einer maieutikischen Untersuchung entzögen
(s. Theiner). Als einst der heilige F>anciscus und die heilige Clara
(in der Kirche von Asei) zusammen beteten, loderten die Flammen
ihrer Liebe ^) so heiss, dass sie aus den Fenstern hervorschlugen, und
schon die Spritzen herbeieilten. So zu sehen an einem Kirchen-
Gemälde Quito's (s. Hassaurek). Bei Picart findet sich (nach anderer
Version) die genauere Beschreibung dieses Ereignisses, wie „Madame
Sainte Ciaire" entra pour diner bei St. Franciscus, und wie sich die
beiden Heiligen während des Tischgespräches^) erhitzten.
Bei Barry 's Anwesenheit in Peru (1820) feierte ein Prior die Ge-
burt eines Sohnes mit seiner Concubipe mehrere Tage lang mit
„Banquetes, Fandangos, Fuegos artificiales y otros diversiones", und
solch' lustigen Lebens giebt es genug in den Conventen. Der katho-
lische Clerus^) in den Staaten Südamerica's handelt so, als ob der
Dienst der Unzucht ihm vorzugsweise obliege und er dem freilich
nicht minder verdorbenen Laien mit seinem Beispiel vorleuchten
müsse (bemerkt Theiner).
Es war ein eigenthümliches Verhängnis^, dass gerade damals^),
als der durch die Jubiläen (eine christliche Auflage des jüdischen
') Gleichsam (fiXTQ<i) xai tto^^ yvrrofityot (Theodoret).
') On trouve ici fort ordinaire, que les religieux aillent assez souvent visiter les reli-
gieuses, qui ont embrasse le m^me ordre, passant une partie du jour ä goutcr leur musique
et ä manger leurs confitures, bemerkt Billaud-Varennes aus Mexico (1817). I^ie ameri-
canischen Klöster dienten zugleich als Freudenhäuser (nach Schepeler).
*) Sacerdotes modern i sunt angeli incubi per luxuriam (s, Holkot). Nach Normann
nahmen die Geistlichen in Vucatan an allen festlichen Ausschweifungen eifrigsten
Antheil.
-•) Bereits die Synode von Magon (585) hatte Geldopfer gegen die Bürde der Sünde
empfohlen, und später steigerten sich die Geldeintreibungen von Rom in solcher Weise, dass,
wie Bernhard von Clair\'eaux an Papst Eugen 111. schrieb, seine Legaten die französische
Kirche schlimmer als die Magyaren geplündert hätten. Besonders aus Anlass der Kreuz-
züge erwiesen sich als ergiebige Einnahmequelle die Crusado-Bullen, die noch in Ame-
rica alle zwei Jahre zur Erlaubniss der Fastenspeisen ausgegeben wurden, aber die von
Papst Martin IV von den Gläubigen Europa's aus Vorwand eines Kreuzzuges erhaltenen
Summen wurden zum Besten seines Freundes Karl von Anjou im Kriege gegen Arragonien
verwandt. Urban II. erliess zu Clermont in Bezug auf die Kreuzzüge Plenar-Indulgenzen,
160 PERU UND ECUADOR.
Jobel oder Jobble)^) gesteigerte Ablassschwindel das ganze Institut
der katholischen Kirche in eine auf das Jenseits trassirende Wechsel-
bank*) verwandelt und der pecuniäre Gewinn im Seelenschacher zum
einzigen Zielpunct gemacht war, die Goldländer America's entdeckt und
also gleich mit aller Art Indulgenzpapicren überschwemmt wurden, mit
jenen Bullen, welche Jovellanos bezeichnet, als periodische Veröffent-
lichungen höchsten Preises, geringsten Werthes, undeutlichsten Druckes
und schlechtesten Papiers (die Wenige lesen und Niemand versteht,
Alle aber kaufen). Welch' ein plötzlicher Umschlag für die Indianer,
die bisher in ihrer düsteren und melancholischen Religion die gering-
sten Vergehen mit Blutentziehungen und peinigenden Kasteiungen
gebüsst hatten, und die jetzt die schärfsten Vergehen mit ein paar
Groschen^) abkaufen konnten, sofern man sie ihnen gelassen.
So ist es nicht zu verwundern, wenn wir diejenigen Conquiata-
dores und ersten Missionäre, die das Land noch in seinem ursprüng-
Gregor VI. fiir den Kirchenbau, Gregor VII. dagegen, um den Krieg gegen den Kaiser
Heinrich IV. in Gang zu halten. Papst Johann XVI. inventa les cannonisations pour mul-
tiph'er leS richesses de son Iresor (s. Llorente) , und bei dem Veq>achten des Ablassver-
triebts an Kaufleute entstanden solch schreienden Missbräuche, dass sich selbst der
träge Reichstag (1522) zu Beschwerden veranlasst sah.
*) Nachdem in Folge eines zufallig auftauchenden Volksaberglaubens im Jahre 1299
(s. Cajetanus) die Jubelfeier 1300 (durch Bonifaz VIII) eingeführt war, wurde sie bald
als so profitabel erkannt, dass Clements VI., dem der hundertjährige Zwischenraum zu
lang schien, eine neue für 1350 verkündete, Urban VI. die Berechnung nach der Lebens-
dauer Christi für alle 33 Jahre wünschte, und Paul II. einen 25jährigen Cyclus festsetzte.
Als Karl VI. im Jahre 1400 wegen des damals wüthenden Krieges den Besuch Rom's
verbot, half sich Bonifaz IX. mit einem Nachjubiläum , und erleichterte den Ankauf des
Ablasses dadurch, dass er den an der Pilgerschaft verhinderten für den dritten Thoil der
Reisekosten in's Haus geschickt wurde. In Clemens VII. zur Feier des Jubeljahres er-
lassenen Bulle wurde den Engeln des Paradieses der Befehl ertheilt, d.iss sie die Seelen der
auf der Reise Sterbenden, ohne Ansehen der Person, und ohne im Fegefeuer eine Station
zu machen, direct in das Paradies zu führen hätten. ,,Was der Papst immer vermeint
zur V^ermehrung seines Reichs, Ansehens, weltlicher Pracht, fleischlichen Wollüsten dien-
lich; wann er seine Blutsverwandten bereichem, Krieg führen wolle u. s. w., dieses Alles
und noch mehr, hat er vermittelst Ablass's zu erwerben getrachtet" (s. Hattinger).
') Der Religionsstifter selbst sollte palästinensischer Handelsspeculation gefolgt
sein: Clement V. assure, que Jesus-Christ, comme un bon pfere, a araass^ un tresor inlini
qu'il a confi^ k Saint-Pierre et ä ses successeurs , pour ötre distribu(§ aux fid^les (s. Bou-
vier). Que Ic. indulgcnces s'appliquent par mani^re de paünent#aux fidMes, qui vivent
encore, rien n'est plus Evident, puisque l'Eglise tire de son tresor et offre pour eux un
prix tr^s-capable d'^teindre leurs dettes, et que ce prix ayant une fois etö accept^ de
Dieu, comme il l'a ^t6, on ne peut dire, qu'il pardonne k titre graluite (Collet). Die
Uebersetzung des Wortes Poenitentia durch Busse (Ersatz) beweist bereits, wie Kurtz be-
merkt, die frühe Verflachung des Begriffs.
•) ' verführerisch ist es da nicht, seines Heiles immer wieder auf's
J*Jeue ' d doch ein heilloses Leben zu führen (bemerkt Hase).
MORAL. 161
liehen Zustand gesehen, schon wenige Jahre nach der Besitznahme
über den Verfall^) der früheren Ordnung und Gesittung klagen^) hören
und die vorher zur Civilisation') heranreifenden Indianer jetzt rasch
in thierische Stumpfheit verfallen sahen.
Im Lob der natürlichen Moral*) welche die Indianer in ihren ur-
*) Habemos destruido con nuestro mal ejcmplo gente de tanto goviemo como eran
estos naturales, y tan quitados de cometer delitos ny excesos, sagt in seinem Testament
(1559) ^cr Letzte der Conquistadores (Antonio de la Calancha).
') Die Ursache, dass die guten Sitten der Indianer verloren gingen, war (nach Padre
Fray Torribio) el haberse sujetado i los Espafioles. Por que desde entonces comien^ k
no haber aquel concierto y policia y justicia, que antes solian tener entre ellos. Und
ausserdem bemerkt Torquemada : Crecieron estos reinos, asi en gente, como en autoridad,
hasta la entrada de nuestros Espafioles, que descaeciö y se disminuyö en todo. In
Vucatan, wie Landa bemerkt, glaubte man, dass die Frauen tugendhaft gewesen, ehe die
Spanier gekommen seien, und dass sie darin Recht hätten (tenian razon), segun los vie-
jos aora Uoran (quel aveu pour un ev^que, setzt Brasseur hinzu). Siendo Gentiles y
paganos, nos dan ejemplo, si ejemplos deben tomarse de cosas moralmente virtuosas,
sagt beim Rückblick auf die politischen Institutionen (in Mexico) Torquemada, von den
Indianern, die dagegen zu dieser Zeit, ,,criados entre gente espafiola y entre la immen-
sidad de sus opresiones y trabajos ya es la gente mas apocada de! Mundo. Bischof
Garces von Tlascala rühmt in seinem Briefe an P^pst Paul III. die guten Anlagen und
Fähigkeiten der Indianer, paribus paria, rationis optimae compotes sunt et integri sensus
ac capitis, sed insuper nostratibus pueri istorum et vigore spiritus, et sensuum vivacitate
dcxteriore in omni agibili el intelligibili praestantiores reperiuntur. Las Casas rühmt die
Gelehrigkeit der Indianer auch in den moralischen und speculativen Wissenschaften, sowie
die Klugheit in ihrer politischen Regierung (s. Clavigero), und Zumarraga nennt sie
massig, sinnreich und talentvoll (1531). Wie der Bischof Zumarragua erzählt, wandten
ihm die Alten unter den Indianern bei seinen Bekehrungsversuche ein, dass sie vor dem
Christenthum glücklicher und besser gewesen. ,,Die heutigen Mexicaner, bemerkt Clavi-
gero, sind den alten nicht mehr gleich, sowie die jetzigen Griechen wenig ähnliches mit
denen aus den Zeiten des Plato und Pericles haben". Als der Bischof Basiidas in Coro
einem Indianer einige Schurkereien vorwarf, antwortete ihm derselbe, dass er ja Christ
werden wolle (me voy haciendo chripstiano) , und Oviedo setzt hinzu, dass er beab-
sichtigt habe, damit auszudrücken, er wolle jetzt ein Schurke werden, gleich den Christen
(oder Spaniern). Un homme, qui se sent charge des crimes, se croit ensuite en bien
rcconcilie, avec l'^glise, lorsqu'il apr^s avoir entendu la sainte messe, il a eu l'hon-
neur de baiser la robe de St. Franyois ou la manche d'un Dominicain, qu'il re-
commence k nouveaux frais ses injustice avec la mSme impunit^, bemerkt Coreal aus
Lima (1666).
*) Draper stimmt Carli bei, ,,dass zur Zeit der Eroberung der sittliche Mensch in Peru
dem Europäer überlegen gewesen" und bemerkt hinsichtlich der americanischen Men-
schenopfer (als Theil einer religiösen Feierlichkeit und unbefleckt durch Leidenschaft):
,,Es gab kein Schauspiel auf dem americanischen Continent, über welches ein recht-
schaffener Mensch so tief für sein Geschlecht hätte erröthen können, als das im west-
lichen Europa dargebotene, wenn der Ketzer, dem das Geständnbs durch die Tortur er-
presst war, in einem ärmellosen Kleide mit darauf gemalten Bildern abscheulicher Bedeu-
tung zu seinem Pfahle schritt" (in den Auto-da-f6's). Sans doute l'homme moral flu P^rou
^tait infiniment plus perfectionn^ que l'Europeen (meint Carli).
*) Es verdad, que en tiempo de su gentilidad no mentian, como aora en su Chri-
Bastiao: America. L ^^
162 PERU UND ECUADOR.
sprünglichen Verhältnissen geleitet hatte, vereinigen sich die Entdecker
Mexico's und Peru's, dass aber solche Tugenden der Heiden in der
Werthabschätzung höchstens als glänzende Laster zu gelten haben,
darüber haben sich, (seit Lactantius) gewiegte Autoritäten bereits ge-
einigt, und mitunter wurde den Indianern sogar das Uebermass ihrer
Tugendhaftigkeit vorgeworfen, da sie nicht einmal etwas zu beichten*)
hätten, und deshalb tückischer Weise den Beichtvater der Möglich-
keit beraubten, den Kauf eines Ablasszettels anzuempfehlen.
Ohne Einkünfte würde aber die Kirche ihre kostbaren Institute
nicht aufrecht halten können, und deshalb blühte sie nie mehr, als
wenn das Ablassgeschäft in Flor stand.
Freilich soll nach Mariana auch in Rom gerade beim Jubeljahr
(1500) die Sittenverderbniss grösser gewesen sein, als je, aber dort
verstand m^ wenigstens die Lehre Thomas von Aquino über den
Thesaurus supererogationis perfectorum oder meritorum superabun-
dantium, und konnte seine Unerschöpflichkeit herausrechnen, wenn
Albert M. und Alexander von Haies zusammenstimmten, dass bereits
ein Blutstropfen für das Total der Sündenvergebungen genügt haben
würde, und jetzt noch der ganze Ueberschuss der Heiligen und Mär-
tyrer^) hinzukomme.
stiantsmo mienten tanto, que apenas sahen los mas decir la verdad, bemerkt Padre Fray
Toribio von den Indianern, welche als Erklärung angaben: ,,que como la cntrada de los
Espafloles y las guerras, que les sohrevinieron, dieron tan gran baibön k la tierra, perdieron
en muchas cosas el rigor de su justitia, el castigo y orden politico, que guardaban» y
como les faltö la jurisdicion, que antes tenian, no podian reprimir los vicios, que ja de
golpe se iban introduciendo, por lo cual, ni podian castigar los mentirosos, ni otros nin-
gunos pecados, que tn su gentilidad tenian por graves y dignos de castigo, y que como
la gente comun se hallö lihertada, y no sujeta h. estos rigores, soltö el freno al vicio y
corriö tras la soltura, sin temor ni miedo" (s. Torquemada). Das Taufwasscr machte in-
dess Alles wieder gut. Die Aufzählung aller der von Chlodwig unter den Greueln seiner
Zeit begangenen Schandthaten, schliesst Gregor von Tours mit dem Satze, dass ,,Golt
täglich seine Feinde vor ihm niederstreckte und seine Herrschaft vergrösserte , weil er
rechten Herzens vor ihm wandelte und that, was in seinen Augen wohlgefällig war".
Loebell vermuthct bei dieser erstaunlichen Folgerung eine Verschreibung des Manuscripts,
(da es noch nicht ein Versehen des Setzers sein konnte). Doch wird das Gehirn des frän-
kischen Mönchs den Zusammenhang wohl verdaut haben.
*) Viele Indianer fanden sich (wie Torquemada klagt) de tanta simplicidad y pure^a
de alma, que no sahen pecar, tanto que los confesores, con algunos de ellos, se hallan
mas embara^ades, que con grandes pecadorcs, buscando alguna materia de pecado, por
donde les puedan dar el beneficio de la absolucion (und die Kundschaft für den Verkauf
der Ablasszettel zu vermehren).
•)^ufficiat Martyri, propria delicta purgasse, meint der Kirchenpfeiler Tertullian,
aber (tröstet sich die Orthodoxie) ,,alors il etait cngag6 dans les erreurs de Montan
(s. Bouvier) und (nach Thomas von Aquino) multum operibus poenitentiae supereroga-
•»*am debitorum suorum (die Heiligen).
STELLVERTRETUNG. 163
Wenn indess Rom sehr wohl, wie in Petrarca's^) Schriften, mit
Babylon verglichen werden mag, würde die Sittenverderbniss doch
bereits in der reinigenden Kraft der dortigen Atmosphäre ihre natür-
liche Läuterung finden, und wer etwa ein Uebriges thun wollte,
brauchte nur den von Bonifacius VIII. für die Beter in der St. Petrus-
Kirche (1300) ertheilten Ablass für ein Geringes zu erkaufen, non
solum plcnam, sed longiorem, imo plenissimam omnium suorum ve-
niam peccatorum. Damit war dann Satanas mit allen seinen Heer-
schaaren ein billiges Fallbein gestellt, und sie mussten wohl auf den
leckeren Bissen verzichten, so sehr ihnen auch zum Verschlingen des-
selben der Mund bereits gewässert haben mochte, zumal die schlechte
Erfahrung mit Hrowitha's Vicomte Theophilus (bei Rutebeuf zur
Witzigung dienen musste.
Es war im Einklang mit dem sanften und liebevollen Character
der höchsten Kirchenfürsten, diese Gnaden, zu deren Ertheilung sie
Vollmacht besassen, dem armen Menschengeschlecht möglichst oft
zuzuwenden.
Eine frühere Beschränkung auf 100 Jahre war von Alexander VI.
zu Gunsten der heiligen Anna auf 30,000 Jahre verlängert, und ausser
dem Jubeljahr - Ablass des XIII. Jahrhunderts blieb noch die Wahl
zwischen dem Fortiuncula-Ablass der Franciscaner oder dem Rosen-
kranz-Ablass der Dominicaner, die sich in der Reclame möglichst
überboten.
Noch bequemer war es in früherer Zeit, als sich der Ablass so-
gar durch Stellvertretung gewinnen Hess (wie in China ein reicher
Verbrecher einen Substituten zum Kopfabschlagenlassen vorschieben
kann), und von einem fränkischen Grossen wird berichtet, dass er
die vorgeschriebene Busse einer siebenjährigen Fastenzeit durch drei-
tägiges Fasten von 120 Vasallen erledigte. Andere Redemptionen
(im Abkauf) gab es die Fülle. Zunächst hatten die Büssungsvor-
schriften in Theodorus' Liber poenitentialis zu Regino's von Prym
Taxirung der Redemptionen geführt, und daraus folgten die weiteren
Milderungen in den Indulgenzen von selbst, wobei, leicht erklärlich,
die Geldabfindungen sich für die, welche sie leisten konnten, am be-
quemsten boten, und für die Annehmer leider als die vortheil-
haftesten und deshalb willkommensten.
') Veritas ibi dementia est, abstinentia* vero rusticitas, pudicitia probrum ingcns
(Petrarca) am römisfhen Hof in Avignon (dem Babylon an der Rhone). Nach Vincente
Pazos ist die katholische Religion in den spanischen Colonien nur ,,ei]ie Masse abergläu-
bischer Ceremonien und das Werkzeug für Geiz und Unterdrückung".
164 PERU UND FXUADOR.
Obwohl die volle Vergebung der Sünden, die von Gregor VI.
bereits. angedeutet war, ihre eigentliche Ausbildung^) erst später unter
Urban IL fand, so trat, sie, nach ihrem ganzen Nachdruck, bereits in
den Segnungen hervor, die Anselmo von Lucca, Gregors VII. Legat,
denen verhiess, die im meineidigen Treuebruch das Schwert gegen
Heinrich IV. zücken würden, den Kaiser des heiligen römischen
Reiche's, und König der deutschen Stämme, deren nationale Ent-
wicklung in jahrhundertelangem Siechthum durch diesen ultramon-
tanen Krebsschaden des Papstthum's zerfressen wurde. Dieser
Kirche gegenüber gilt noch heute das von Voltaire missverständ-
licherweise auf die Religion angewandte Wort: „Ecrasez l'infame."
Und einem Deutschen muss ein solcher Stossseufzer selbst noch mehr
aus vollem Herzen kommen, als dem Franzosen, dessen Geschichte
doch wenigstens für eine Zeitlang durch die nationale Reaction der
gallicanischen Kirche vom ultramontanen Alp erleichtert war, wie
den Niederländern die Unabhängigkeit der Utrechter Kirche zu Gute
gekommen ist.
„Das Uebermass des Strafleiden's bei den Heiligen (die in einem
Masse leiden und dulden mussten, wie es als zeitliche Strafe für ihre
Sünden nicht angemessen war) kann Anderen zugewendet wecden",
und „aus dem so gebildeten Gemeingut schöpft also die Kirche,
wenn sie für Lebende und Gestorbene, wenn sie entweder einen
theilweisen oder einen vollständigen Ablass ertheilt, wenn sie ihn
unbedingt oder nur unter gewissen Bedingungen zur Anwendung
bringt", lehrt Möhler, und Bouvier: „Die Kirche (in Verleihung der
Ablässe) zahlet der Gerechtigkeit Gottes den Preis, welchen wir Ihm
wegen der Sünden schulden, und übt zugleich einen Act der geist-
lichen Gerichtsbarkeit aus, indem mittelst ihrer Gewalt der Schatz
der Kirche aufgeschlossen und das Band der persönlichen Strafe ge-
lös't wird, durch Substitution der Strafe eines Andern." Nach Wil-
helm von Segnelay dagegen (dem Bischof von Auxerre) „verspricht
die Kirche durch die Ablässe Vieles, was Gott nicht erfüllen werde",
indem es nur darauf ankäme, die Menschen durch eine Art frommen
Betrug zu guten Werken anzureizen (s. Schröckh»).
') Das Glaubensverlangen an die Ablässe war begründet auf die Entscheidung des
Concils von Tricnt, die ,,indulgentiarum usum christiano populo maxime salutarem, et
sacrorum Conciliorum auctoritate probatum in Ecclesia retinendum esse docet et praecipit,
eosque anathemate damnat, qui aut inutiles esse asserunt, vel eas concedendi in Ecclesia
potestatem esse negant." Qui donc os^rait pr^ferer son jugement, ou les opinions diver-
gentes des h^r^tiques modernes h cette d^finition pr^cise d'un Concile oecum^nique (1S55).
BULLEN. 165
Besonders herrschten einige Controversen darüber, ob der Papst
ebenso frei und ungehindert über das Jenseits verfügen könne , wie
der Beherrscher des unterhimmlischen Reiches in Beforderuug oder
Degradü*ung seiner nach dem Oberhimmel verzogenen Mandarinen-
seelen, und kam dafür zunächst das Purgatorium üi Betracht.
Die Ansichten über diesen etwas intriguanten Punkt bleiben in-
dess bis heutzutage ) getheilt.
Von den in Süd- America verkauften Bullen vergab the „general
bull for the living or of the holy Crusade" (s. Stevenson) Gottesläste-
rung, milderte die Fasten beschränkungen und befreite von Gelübden
(exepting those which would contribute lucre to the church by her
fulfilment). The price of this precious paper varied according to
the rank of the sinful purchaser (und wurde den Armen billiger ab-
gegeben). The Bull of composition or accommodation is monstrous,
for it gives to the possessor of stolen^) property a quiet conscience
and absolute possession, on condition, that he has stolen it evading
the punishment applicable by law, that he knows not the person,
whom he has robbed or defrauded and that the knowledge of this
accommodating bull did not induce him to commit the theft. Neben
„the bull of lacticimos or milk food" (um solche Leckerbissen am
Fasttage zu erlauben) fand sich dann „the Bull for the dead (a kind
of safe conduct to paradise)."
Vollmer zählt unter den in Lima verkauften Bullen besonders
auf: die Kreuzigungsbulle (die von allen Gelübden und Eiden dis-
pensire, ausser denen, welche zum Vortheil der Kirche gethan sind),
') Les ames des fid^les, dctenues dans le purgatoire, quoique appartenant a Töglise,
ne sont plus sous la Jurisdiction ecclesiastique . le Pape et Ics öv^qucs ne pcuvent donc,
cn vertu de leur autorile divin les delier directement de leurs pechös ou de la peine düe
a leuis Peches. Par consequent ils ne peuvent faire, que les indulgences leur soient appli-
quees per modum absolutionis , cumme aux vivants, mais sculcment per modum solutio-
nis et suffragii (1855). Es blcilU nun eine unentschiedene Frage, ob Gott aus Gerechtig-
keit gezwungen ist (s. Ferraris) die Erlösung zuzugestehen, oder ob dies zum Theil von
seinem guten Willen abhängig bleibt (nach Billuart), und bei solchen Zweifeln ist es
immer möglich, dass die Seele im Fegefeuer ,,peut encore avoir besoin de notrc assistance"
(«lass man also besser fortfahrt, noch ftir weitere Messen zu zahlen). Holton hörte in
der Kirche Las Nicves (in Bogota) ein Ave sprechen für den Gründer derselben, wenn
er sich noch im Fegefeuer finden sollte (after a terrible roasting of near 300 years).
Nach Angeli (von Toumay) finden sich die Seelen im Fegefeuer unter der Gerichtsbarkeit
des Papstes (1476) und sind also auf seinen Ablass zu entlassen.
•) Personas veridicas y competcntes rae informaron que todo ratero que no espera
absolucion en cl confesonario de su propia Cura, ä menos que no restituya lo hurtado,
halla en Chinquinquird quien le remita el pecado, 'medianle un tributo a la Virjen. Es-
traflo modo de haccr cömplice y encubridora a la inocentc imdjenl La pluma se resiste
a trazar las consecuencias lamentables, que sc deducen de talcs abusos (1853).
1G6 PERU UND ECUADOR.
die Bulle de Laticinios (die am Fasttage andere Speisen zu essen
erlaube und alle Gewissensscrupel vollkommen beschwichtige), die
Bulle für die Todten (eine Eintrittskarte in den Himmel, eine Contre-
marke, ein Entlassungsschein aus dem Fegefeuer) und die Compo-
sitionsbulle, die „dem menschlichen Geist die höchste Ehre macht",
denn sie „sichert nämlich dem Diebe, Räuber, Raubmörder den
völlig rechtmässigen Besitz des geraubten Eigenthum's unter der Be-
dingung, sich für den zehnten Theil des Werthes eine solche Com-
positionsbulle zu kaufen, es darf indessen Niemand mehr, als zwanzig
solcher Bullen wöchentlich nehmen" (1819).
In Chiclayo führte mich Herr Sohlfs in die Häuser einiger
Bürger, die zuweilen Interesse für Aufbewahrung von Alterthümern
bewiesen hatten, und ausserdem lernte ich einen Deutschen kennen,
der einige Zeit auf den Guano - Inseln gelebt hatte, und mir lieber-
bleibsel dort gemachter Sammlungen überlassen konnte.
Mit Herrn Brosse, der im Geschäft des Herrn Sohlfs beschäftigt
war, ritt ich über eine theilweis angebaute Ebene und dann über
eine Sandfläche mit Buschgrün, an den Paredones genannten Lehm-
mauern (auf einem Hügel) vorbei nach San Jose, einem wegen starker
Dünung des brandenden Meeres nur in Flössen Landung erlaubenden
Hafen, gleich vielen an der peruanischen Küste. Von dort begaben
wir uns über eine theilweis buschige Sandfläche, an der Huaca del
Mirador vorbei, nach der Huaca del Chotun (Chatuna) mit rückwärts
geneigten Adobe-Mauern. Ein Rundweg führt zu der, Hauseinthei-
lungen zeigenden, Plattform, wo die Schilfstöcke der Dächer (oder
der untern Etage) hervorstecken. Der Blick fällt über die mit Busch-
grün überzogene Sandfläche auf das Meer und seitlich auf eine Ebene
mit den parallelen Mauerreihen der in niedrigen Mauerresten hervor-
stechenden Dörfer, die von der Festung ausliefen.
Als wir bei der Rückkehr über San Jose den von dort mit-
genommenen Führer zu rasch entliessen, waren wir nahe daran, bei
der täuschenden Einförmigkeit der Umgebung in die Irre zu gehen,
da der Weg trotz der Localkenntniss meines Begleiter's schon ver-
loren war, wie una noch eben vor Sonnenuntergang die Orientirung
von einer Anhöhe zeigte. In den Einzäunungen tritt oft die Maguey
auf, eine in ihren verschiedene Theilen (Fasern, Blätter, Stamm u. s. w.)
sehr nutzbar zu verwendenden Pflanze, obwohl sie sich in Peru zu
der in Mexico üblichen Pulque - Bereitung nicht eignen soll oder,
wegen der Gewöhnung an Chicha, nicht dafür gezogen wird. Die
MONSEFL\ 167
«
Cacteen (wie Griesingcr bemerkt) bilden „das bedeutendste Verbin-
dungsglied zwischen den mexicanischen und peruanischen Anden
und neben den grossen aufrechten Cereen (C. peruvianus) fehlen als
zweite Form der Succulenten auch die Agaven nicht", dagegen ent-
behrt Südamerica des mexicanischen „Gürtel von Nadelhölzern'*, der
an der Isla de Pina's (von Westindien) am Meeresrande auftritt. Im
südlichen Chili (in Chiloc) zieht sich der Wald von Nadelhölzern
und antarctischen Buchen bis zum Feuerlande hin.
Am nächsten Vormittag fuhr ich mit der Eisenbahn über die Sta-
tion Monsefu, wo das Fest des Don Cautivo (des Herrn Gefangenen,
als passenden Heiligen für die Landstreicher) gefeiert wurde, durch
Buschwerk und Anbau nach Eten, von wo man auf den Cerro am
Meere blickt neben dem dort gelegenen Puerto de Eten.
Herr Sohlfs hatte mir ein Empfehlungsschreiben an einen dort
seit lange ansässigen Kaufmann gegeben, Don Valentyn Castro, durch
den ich Auskunft über die durch den Zauberstab der Hypothese
mit den Chinesen zusammengebrachten Indianer von Eten zu erhalten
hoffte. Er nahm mich gern als Gastfreund auf, bemerkte mir aber so-
gleich, dass es bei dem verschlossenen Characterder Indianer, und bei
der allgemeinen Abgeneigtheit, über ihre Besonderheiten zu sprechen,
schwer sein wurde, meinen Zweck in der Kürze zu erreichen, zumal
damals der mit dem Messfest von Monsefu verbundene Jahrmarkt
fast die ganze Bevölkerung dorthin gezogen hatte, so dass der
Ort nahezu menschenleer stand.
Da ich meinen Aufenthalt bis zum andern Mittag ausdehnte,
gelang es mir indess, aus ein paar in den Vormittagsstunden er-
haschten Gelegenheiten ein kurzes Vocabularium zu erhalten, das
Herr Sohlfs bei gebotener Gelegenheit zu vervollständigen versprach.
Die Traditionen der Ansiedler deuten auf die Abfahrt von Sechura
als sie in der Morgenfrühe an dieser, deshalb Eten, genannten Küste
landeten, und damals sollen alle die dort umherliegenden Orte durch
Dialectverschicdenheiten vereinzelt, und dasJdiom von Monsefu noch
bis vor Kurzem in einigen Resten erhalten gewesen sein. UUoa
spricht noch von verschiedenen Sprachen, die in Sechura^) und den
Valles geredet wurde.
Wahrscheinlich war der hinter der grossen Wüste gelegene Be-
zirk bei dem nördlichen Feldzug der Inca unangerührt liegen ge-
lassen und so auch von der centralen Sprachreinigung nicht betroffen
*J Von Sechura auch Alcedo: Ilablan un idioma distinlo de los dcmas dcl Peru (1788).
168 PERU UNI) ECUADOR.
wordea, während die Sprache der Chimu sich bei der Conquista
schon im Zersetzungszustand durch das Quechua fand, und ähnlich
die der übrigen im heissen Lande als Yunga einbegriffenen Stämme.
Der letzte Greis, der noch den Dialect von Monsefu verstand,
soll vor einigen 20 Jahren gestorben sein und ebenso gilt der Dia-
lect von Sechura für verloren, obwohl in den Begrüssungsformeln
noch einige Worte aus ihm, wie es heisst, sich erhalten finden.
Von der letzten Einwanderung nach Eten, deren Bewohner ur-
sprünglich von Tumbez stammen und dort in Folge von Krankheits-
fallen ausgewandert sein wollen, wird gesagt, dass sie aus Sechura
gekommen, und als die Emigranten, in der Sandwüste von Recke
und Monsefu verloren, vergeblich an die dortigen Indianer sich um Hülfe
gewandt, während ihnen solche von den Franciscanern Chiclayo's ge-
währt wurde, die dadurch die Besorgung der kirchlichen Functionen
erhielten, bis ein Curat begründet wurde.
Die erste Ansiedlung Eteng's (donde amanecera) oder Eten s lag
am Meere, bei der „Capilla del Milagro", wo in der Hostie ein Christus-
bild erschien, und in der Nähe finden sich die Las Campanas ge-
nannten Glocken, mit Löchern, wie sie von den Engeln mit ihren
Klöpfeln geschlagen wurden.
Neben Resten der alten Tracht (der sog. Capuz bei den Frauen)
und neben der besonderen Sprache, bewahren sich in Eten einige
Gebräuche, die nach der den Missionairen geläufigen Weise mit denen
der Juden verglichen werden, wie Uebernahme der Wittwe beim Tode
des Bruders durch den Schwager u. s. w.
Früher war es Sitte, beim Eintritt in das Haus, während der Aus-
sprechung des Grusses die Augen niederzuschlagen, mit vorgebeug-
tem Haupt, damit die Frauen, wenn gegenwärtig, Zeit hätten, sich
zurückzuziehen, ehe das Gespräch begann. In ähnlicher Weise war
ein strenges Vermeiden der Frauen in den canarischen Inseln gebo-
ten (s. de la Pena), und wer eine Frau auf einsamem Wege traf,
musste ausweichen und einen anderen Pfad einschlagen, oder sich
für ihren Vorbeigang in ein Versteck stellen, da es mit dem Tode
bestraft wurde, wenn er mit ihr zusammen gefunden wurde.
Bei einer Hochzeit in Eten sitzt die Frau, ohne indess selbst zu
essen, zwischen den Eingeladenen, während der Bräutigam keinen
Sitz nehmen darf, sondern, um aufzuwarten, neben dem Tisch
steht.
ETEN. 169
Was sich unier den in Folge der Fcsieszeit ungünstigen Verhältnissen eines kurzen
Besuches von der Sprache dieses Ortes, wo man allen derartigen Fragen m^Uchst aus-
zuweichen suchte, niederzeich Den Hess , beschrankt sich auf das Folgende. Die zum Theil
bedeutenden Abweichungen rühren wahrscheinlich davon her, weil ich bei der geringen
Zahl der Auszufragenden, Jeden zu Hülfe nahm, und mitunter auch spanische Peruaner,
die ^-ielleicht nur den Jargon gaben, durch welchen sie sich mit den Eingeborenen ver*
Ntändigten, doch schien es besser, vorläufig nichts zu ändern, bis ich das durch Herrn
Sohlfs freundlich in Aussicht gestellte Vocabularium , wofür ich ein Schema zurückliess,
erhalten haben werde.
Sol: Cheang.
Mond: Rem.
Estrella: Tsi.
Mar: Nin (El-nln) oder Ning.
Piedra: Pong.
Agua: Hchi (Hchais).
Fuego: Ochh.
Sal: Gchrupu (Opel) oder Chrüp.
Hombre: Xjovel.
Muger: Metschenko (Mctscherre).
Padre: Erf (Nievel), Abb.
Madre: Minieng (äng).
Hermano: Mitso.
Hermana: Tschanka.
Ojo: Tassack.
Orejas: Meden.
Cabeza: Chätz.
Cabello: Sak.
Dientes: Utzan.
Mano: Metzan.
Brazo: Oken.
Boca: Sap.
Nariz: Fon.
Lengua: Aetz.
Puerta: Karr.
Casa: Anik.
Olla: Palja (paya).
Palo: Püp.
Cuchara : Chhim.
Maiz : Mang.
Cama: Chadick.
Huevo: Melju.
Gallina Nyain (nyan).
Pata: tuiz.
Hilo: Pap.
Concha: Tschaiya,
Comida: Hchyonkick.
Negro: Fag (chafka).
Blanco: Zikku (tsekku), zikuyo.
Rubro: Cuchh (cucho).
Viento: Küza.
Mucho viento: Peflang küza.
Hay mucha luna: Penang tchi riem.
170 PERU UND ECUADOR.
Da me sal: Metang gchnipu.
Da me agua; Mctang hchd (inetang tu hchä).
No hay agua: Tanchki hchä (tangcsta chha).
Hay agua: Tschi nang hchd.
Donde hay agua: Ininki rao hchd (Inin chi hchd).
No tiene: Tain pesta.
IJama este muchacho: Chipko tocho.
Como le Ilamas: Emmis pochh (eminjun pockh tocho).
Ha comido Ud: Akus phelno (phcnno).
Todavia no hc comido: Tästing phenno.
Pero comer^ esta tarde: Me chena (cena) phono (phenno).
Quieres comer: Taslock phennon. ,
Esta maöana ya he comido: Unman phunno (phenno).
Ya he comido: Ackinn phenno (akuin phenno).
Voy a comer: Istaper moin phenno.
Vengo a comer: Tanol phenno.
No como : Manan tjang phenno.
Ponga la mesa: Phötän.
Ayer: Pelen.
Llegar^ mafiana : Tanta nyesma.
Comer^ esta tarde: Ilschang man narra.
La iglesia es mas grande que la casa : Uctz son bchi iglc^ia tschuzan tschi mongang.
Ponga la cuchara sobre la cama: Metang ai chim ilang chadick.
Donde has puesto la cuchara: Inis noko ai chim.
Quema mucho el sol: Peftang tscheb chheang.
Mucho calor: Peüang ochh.
Mucho Uueve : Peflang nam.
Ilave frio: Peftang tschaan (peöang as kützo).
Ven paraca: Tanan men (tanan men pen).
Anda vete: Anche (anche aien pen).
Anda ligero: Anche mickerr,
Traigame el caballo: Tan cochh (metanaia cochh).
Traigame la comida: Metan hchyonkik.
Traiga el cuchillo: Metan (metang) ai cuchillo.
Quieres beberagua: Taslock man hchd (lokes manem hchd).
Ya bebi: Akin man.
Que traes: Itchis mit.
Cuanto vale: Ichiug pochh.
Teh: no.
Ah: si.
La olla se quebrö, matang paiya.
Da la olla a este hombre: pikang paya nyovel. *
Da la cuchara a esta mujer: picker nai chim ai metscherr.
Dedonde eres: iningchi (inchis chi).
Soy de Eten: kanang chi Eten.
De donde vienes : inis tscha chcm (inschis sta) , enschusta.
A donde vas: inis tück.
Hay mucha gente: kanang chi nasiob njovel (peöang chi njovcl).
No hay gente: tanchi njovel.
No hay: tan ichiste.
Hablaste con este hombre: akis muilke ay njovel.
Has visto mi compafiero 'tassack mi Ischankas).
SPRACHLICHES. 171
No hc visto: T.inyack (tanyack eshto
Va voy: angum lück.
Va a dormir: autschis syadit.
Va he dormido: anin tsyat.
No he dormido: tan tsyat.
Va a dormir: amotschi tschyadas.
Vamos pronto, ya es tarde: Amotsch mikerr anang närem.
\'amos: amotsch.
Me daele mucho la cabeza: peüang r6menchätz.
Vengo de la casa: inschista ennäkschit niesne (enäkitsch).
Voy a la casa: istapi emiäkem.
Cuando llegaste: inchyangas ter.
Liego ahora: tschukri inta.
He llegado ayer: peli nin tel.
Llegar^ maftana: nyesma intassi.
No ha llegado todavia: tostin ta.
Que has hecho: eches noko.
Porque has hecho; egmes no ko Ischo.
No puedo hacerlo: tain no keste noko.
Voy cn brcve: istapi mikerr.
Vaestä: anangchi.
Hay : kanang chi.
Mocho: nahyoffer.
No csti: ämes.
No esta aqui : tan lo kcsta men,
A quien pertenece esta bestia: ining tschi mo chhoch (koch), inyung su chhoch.
Pertenccc a mi padre: kanangtschi mi uievel.
Es la bestia de mi hermano: tschang keyo chhoch.
Menkong aio: bota esto.
ßota esta arcna: navyock arena.
Hay mucha arena: kanang tschi nasyoffer arena.
Hay mucho pescado: kanang tschi nanyoff tjyak.
Pescado salado: tjyak pärr.
Va es cocido el pescado: anung tschi aya tjyak.
El mar es bravo: kanang tschi ning.
Como esta el mar: emmen tschi ning.
Abre la puerta: otkang kerr (ohtkang karr).
Cierra la puerta: napang kerr (karr).
Encienda la vela: chebkun vela.
Sabcs el castellano: kapcs kan el castellan [capaz del casiillano].
No s6, tain ka: (pesta kan).
De noche: akan näschim.
De tarde: akan narcm.
De maftana: akan unam.
Mia casa: min yang.
Tuya casa: czin yang.
Vo: mom,
Vos: zan«
Bosca: singan.
No parece: tannyock esto.
Ponga la olla sobre la mesa: follon mesa nang paiya.
Pooga la oUa debajo la mesa: follon paiya mesan seka.
172 PERU UND ECUADOR.
El agua es buena, pefta mo chhä,
El agua no es buena , tang esta zupa mo chhä.
Camino, künno.
Donde esta el Camino, ennjuna mo kunno.
El Camino es derecho, tirkinam mo kunno.
Muy cerca, menana.
Muy lejos, sietena.
Conoces este hombre, tsahames mun nyovel.
No conozco, tain tschameste.
Hilo blanco, zikuyo püp.
Ililo Colorado, cucho pup.
Techo, tschap.
Ufia, mädie.
Vaca, fahk.
Paja, faij.
Ilueso, chotti.
l.eiia, fatschka.
Flaco, cötschike.
Enfermo, ulang.
Grande, uhzscht.
Bueno, penjo (pefto^.
Malo, ätestott,
trabajar, lokankab.
Maiz, man.
Guava, ohzit.
Camote, open.
Yuca, err.
Frijole, päckke.
Aji, ähpp.
chicha, qüützcho.
Came, contro.
Unnik, i
äput 2
sopit 3
nopit 4
igmets (egmels) 5
tscheiza 6
niete 7
changes (chhänges) 8
tap 9
tschetsche 10
10 pesos, nasop (napong).
Cuantos caballos tiene Ud: Iske tschipa kochh.
Tengo 10 caballos, tschinpa napon kochh.
Tengo II (onze) caballso, tschinpo onze kockh.
Nasop, 10
I^ksop, 20
Tsoksop, 30
Noksop, 40
Igmetsop, 50
Sutsasop, 60
Nietesop, 70
STROHHÜTE. iTö
Ollanges sop 80
Tapes sop, 90
Xapacher, 100
Pachpacher, 200
Sok pacher, 300
Nok pacher 400
Igmets pacher, 500
Tzeitza pacher, 600
Niete pacher, 700
Hay pacher, 800
Tapacher, 900
Napach, looo
Xa patakon, i peso
Aput patakon, 2 pesos
Aput patacon nok real, 20
Sopit patakon zeitze real, 30.
Die provincielle Tracht der Bewohner von Eten beginnt sich
zu verlieren, doch sind unter ihnen einige industrielle Gewerbege-
sckicklichkeiten bewahrt, wozu besonders die Anfertigung der Stroh-
hüte gehört. Die ordinären Strohhüte in Eten und Monsefu heissen
Machitos, die feineren Calagualas, Siete-quinces, Huambrilos u. s. w.
Auch Cigarrentaschen (und Aehnliches) werden aus dem gleichen
Material gefertigt. Die Jipijape (Carludovica palmata) wächst be-
sonders an der nördlichen Küste, und es sind die unentfalteten Wedef,
die das Material zu den Strohhüten liefern. Auf dem Hochlande
verfertigt man sie auch aus zerschlitzten Palmblättern nach Entfer-
nung der Blattrippen (und trocknendem Aufrollen).
Als der Train auf der Rückkehr durch Monsefu passirte, ging
das Kirchenfest noch ebenso lärmend fort, wie auf der Hinfahrt, da
es eben mehrere Tage währt. Die unverschämte Verwegenheit der
durch solche Gelegenheiten herbeigezogenen Banditen zeigt sich
darin, dass sie trotz der von Monsefu zusammengedrängten Menschen-
menge in der vorigen Nacht eine Karavane auf dem Wege von dort
nach Eten beraubten, und hörten wir es dort von einem Boten, der
am Morgen früh angejagt kam, um ärztliche Hülfe zu suchen. Uebri-
gens kam zu gleicher Zeit in Chiclayo selbst, auf offener Strasse,
ein Raubanfall vor. Aus den unruhigen Mulatten von Lambayeque
und Chiclayo wird besonders die peruanische Cavallerie recrutirt, und
die die ganze Küste mehr oder weniger infestirenden Banditen, die
früher auch den Weg von Callao nach der Hauptstadt zu einem un-
sicheren machten, bestehen besonders aus den von Negern abstam-
menden Mischungen, während dem Indianer die nöthige Energie fehlt,
wenn nicht in Massen vorhanden.
174 PERU UND FXUADOR.
Bei der Rückkehr nach Chiclayo machte ich mit Herrn Brosse
einen andern Ausflug nach der Zucker-Hacienda Pomalco, hinter
welcher sich die Erhebungen der Huaca de la Cria hinziehen, mit
einem Blick auf die Huaca Boro. In den Ausgrabungen finden sich
Adobe, sowie Stroh der Dächer, und wurde auch von Goldfiguren
gesprochen. Herr Schutt von Chiclayo, der längere Zeit als Agent
auf den Maccabi-Inseln gewohnt, machte mir interessante Mittheilun-
gen über die dort unter den Guano angetroffenen Gegenstände.
Am 17. September begab ich mich zur Einschiffung nach dem
Hafen von Eten. Es war der letzte Eisenbahnzug, der sich ohne-
dem durch die Festgäste von Monsefu am Wege verspätete, und so
erst nach dem Dunkelwerden in der Endstation ankam, für die ich
der einzige Passagier war.
Beim Aussteigen in den Sand erhaschte ich gerade noch den
letzten der verschwindenden Schaffner, um mich über die Richtung
zu Orientiren, wo unter den Hütten, die in einiger Entfernung zu
liegen schienen, die Posada zu suchen wäre. Dieselbe war ver-
schlossen, gleich allen übrigen, und nur aus den Ritzen schimmerte
etwas Licht. Als nach wiederholtem Pochen geöffnet wurde, mass
mich der Wirth von Kopf bis zu Fuss und schien zweifelhaft über
den späten Gast. Er Hess mich schliesslich mit meinem Gepäck ein,
ereiferte sich aber höchlichst über die Zumuthung, dass er noch ein
Abendessen liefern sollte, obwohl sich meine Ansprüche nur bis zu
zwei weich gekochten Eiern verstiegen hatten. Mit Sonnenuntergang
schien dort nachtschlafende Zeit an der Tagesordnung.
Am nächsten Morgen begab ich mich zu dem Eisenbahndirector,
an den ich eine Empfehlung hatte, und traf unter den Angestellten
einige deutsche Landsleute, die mir versprachen, die dort mitunter
vorkommenden Alterthümer im Auge behalten zu wollen.
Am Cerro de Eten liegen auf theilweis ht)hler Unterlage zwei
mit Löchern (welche als Fingergrifie der Engel erklärt werden) ver-
sehene Steine, die beim Anschlagen klingen, und als piedras de cam-
panas^) vom Himmel gebracht sein sollen. Man blickte von dort
über die sandige und grüne Ebene zum Meer, neben vereinzelten
Hügeln in der Entfernung, und weiterhin, auf die Capilla del Mila-
1) £1 aüo de 1649 sucedi6 el prodigio autenticado de aparecer en la hostia de la
custodia un hermoso niilo, que viö todo el Pueblo; en su immediacion hay dos piedras
grandes desiguales, que tocandolos con otra pequefia tienen el sonido de una campana,
wird von dem (in Folge der durch den Wind geänderten Dünen) verlegten Pueblo von
Eten bemerkt (s. Alcedo).
PACASMAYO. 175
gro, wo die Pilgrimfathers der Etenser gelandet sein sollen, ehe sie
raubend nach ihrer jetzigen Ansiedlung zogen.
Auch in Eten herrscht jene die Communication mit der Küste
erschwerende Dünung, die die Verwendung der Balsas oder Flösse
nothwendig macht, während der einzelne Indianer auch die Caballitos
oder Potrillos gebraucht, in Rückwärtskrümmung zusammengebun-
dene Schilf-Pferdchen (aus Totora). Von ihnen standen verschiedene
längs des Strandes angelehnt, um zu trocknen. Die Balsas benutzen
für An- und Abfahrt die nach den Tageszeiten wechselnden Wind-
richtungen oder Fluthströmungen, lassen sich indess auph durch das
Zwischenstecken der, Garuas genannten, Planken in den Fugen der
Flossbalken einigermassen steuern und lenken.
Die Einschiffung geschah (seit der kürzlichen Herstellung des
Hafens) auf einer weit in's Meer hinauslaufenden Werft, wo man auf
einem Stuhl durch eine Maschine in's Boot hinabgelassen wurde,
um an Bord des Dampfers geführt zu werden (Steamer Santiajo).
Noch bei Nacht ankerten wir vor Pacasmayo und am andern
Morgen (September 19.) begab ich mich ans Land, um den Laden
des Herrn Gayburu aufzusuchen. Die sandige Küste zeigte verein-
zelte Hügel in der Entfernung, unter denen sich künstlich abge-
plattete bemerken.
Pacasmaya war zum Endpunct der Eisenbahn nach Cajamorca be-
stimmt, und hat man dieselbe auch in der Ebene, sowie für den ersten An-
steig bis St. Magdalena ausgeführt, aber gerade, wo die Terrain-
schwierigkeiten beginnen, liegen gelassen. Auf diesem Wege nach
Cajamorca, dem durch Atahualpa's Gefangennehmung bekanntem Be-
gräbnissplatz der altperuanischen Geschichte, sollen sich vielerlei
Fekinschriften finden, -die bei Hutschinson abgebildet sind, am Yonam-
Pass des Flusses Jejetepeque.
Meinem Wunsch, sogleich Thiere zur Weiterbeförderung zu er-
halten, konnte nur unvollkommen entsprochen werden, indem sich
neben einem Pferde nichts anderes auftreiben liess als ein Esel. Da
ich indess den grösseren Theil meines Gepäckes vorangeschickt hatte,
liess sich der Rest zwischen dem Esel und dem noch dem Reitthier
Zufügbaren theilen, während der Führer (oder Eseltreiber), wie er es
auch gewohnt war, die Reise zu Fuss zu machen hatte.
Wir überschritten eine kiesige Ebene, die sich später mit Grün
bekleidete, und passirten von Sand angewehte Hügel, hinter denen
sumpfige Niederungen lagen auf dem Wege nach San Pedro. Es
fand sich keine eigentliche Posada oder (in der Landesbezeichnung)
176 PERU UND FXUADOR.
Hotel, sondern nur ein Cafe, wo sich die Schlafaccommodation nach
den Umständen schickte. Den Abend verbrachte ich bei dem ita-
lienischen Kaufmann Arigoni, der mich zu Tisch eingeladen hatte
und manches über dortige Ausgrabungen erzählen konnte. Auch be-
schaffte er einen ihm bekannten Arriero, um über die Weitereise zu
verhandeln. Die Umgebung San Pedro's galt früher für eine der
reichsten in denValles, und aus ihr wurde Lima besonders mit Korn
versorgt, bis nach dem Erdbeben von 1687 jene Unfruchtbarkeit ein-
trat, die das Absenden der Schiffe aus Callac nach Chile,, der künf-
tigen Kornkammer, veranlasste und so den ersten Grund zum Wohl-
stand dieses Landes legte.
Bis am nächsten Morgen (September 20.) die neu gemietheten
Thiere fertig standen, kamen wir schon etwas spät in den Vor-
mittag hinein, und passirten dann eine steinige Sandebene mit Hügel
auslaufen umzogen. Die Gegend begann für eine Zeit lang wieder
den Character der Wüste anzunehmen. Halbkreisförmige Sanddünen
standen umher, und an verschiedenen Stellen zeigten sich einge-
steckte Pfähle zur Wegerichtung. In der Ferne erschien das Meer,
mit dem Cerro de Malabrigo, und dann gelangten wir durch Anbau
und Busch am Nachmittage nach dem Dorfe Pachang, wo kurze Rast
zum Füttern gemacht wurde. Nach einer bebauten Gegend mit kah-
len Hügeln in Isolirungen, passirten wir durch eine Hügelschlucht
(Cerro prieto) mit festungsartigen Huaca auf den Ausläufern. Auf
sandiger Ebene mit grüner Decke kamen wir an Hacienden vorüber,
und dann führte uns, bald nach Sonnenuntergang, ein Sandweg im
Busch zu der Hacienda Facalä, wo ich in der grossen Halle des
Hauses den von meiner Ankunft bereits unterrichteten Plantagenbe-
sitzer, Herrn Julius Pflücker, mit seinem Personal, gerade beim Abend-
essen fand, das mir nach unserem Ritt sehr willkommen kam.
Dem Wohnhaus gegenüber lag auf dem kleinen Hügel von
St. Jose eine alte Lehmfestung, und von dort blickt man über die
Ebene, mit den weiten Zuckerpflanzungen dieser und umliegender
Hacienden. Die Raffinerie-Gebäude finden sich neben dem Wohn-
haus und ebenso die Lagerungsräume mit den Wohnungen für die
Arbeiter. Die grösste der Plantagen in diesem fruchtbaren Thal
von Chicama gehört Herr Albrecht, gleichfalls ein Deutscher, an den
ich ein Einführungschreiben mitführte, aber ihn leider verfehlte, so dass
ich keine Gelegenheit hatte, die den Beschreibungen nach sehr um-
fangreichen Anlagen zu sehen. Der Betrieb dieser Plantagen erfor-
dert eine grosse Capitalanlage, schon bei der ersten Begründung.
KÜSTENWEG. 177
Bei dem Mangel an Wagen und Transportmitteln, soll die Heran-
schaffung der schweren Maschinen während der wenigen Meilen vom
Hafen oft mehr kosten, als die ganze Fracht von England heraus,
um das Cap Hörn herum, eine Seereise von vielen Monaten.
Beim Morgenritt durch die Hacienda zeigte mir Herr Pflücker
einen isolirten Diorithügel, auf welchem Ausgrabungen gemacht
waren. Als wir dann an das Ende der Hacienda Facalä gelangten,
wo sie mit der Hacienda St. Clara zusammenstösst, war die Schei-
dungslinie eine Strecke lang durch altes Gemäuer bezeichnet, das,
wie sich ergab, zu den Baulichkeiten an dem Kü.stenwege der Inca
gehört hatte. Es finden sich viereckige Einschlüsse an einem zum
Theil über dem Boden erhöhten und von zwei Lehmwänden einge-
schlossenem Weg, auf dessen einem Theil die Mauer der jetzigen
Felder errichtet ist, wogegen er sich beim Eintritt in den Busch,
seinem Laufe nach verfolgen lässt. Die Wände sind aus Adobe-
Klumpen, mit der Hand geformt, aufgeführt, in Kanten auslaufend
(trapezoidförmig). Den Beschreibungen den Chronisten nach, war
dieser Weg von beiden Seiten mit Bäumen beschattet.
Am Nachmittag ritt ich mit dem englischen Ingenieur, der für
die Maschinerien der Zuckerbereitung angestellt ist, nach dem Flecken
Ascope, wo ein deutscher Arzt, Dr. Schumann, prSicticirt. Auf dem
Rückweg sahen wir jetzt trocken liegende Bewässerungscanäle aus
der alten Zeit, am Abhänge eines Steinhügels auf einer durch Adobe
aufgeführten Terrasse mit verschiedenen Bauresten. Durch das aus-
gedehnte Bewässerungsnetz soll früher das ganze Thal in einen
blühenden Garten verwandelt sein, wogegen die jetzt wieder in Gang
gesetzten Irrigationsanstalten so spärlich sind, dass beständig Rechts-
streitigkeiten zwischen benachbarten Hacienden über die Ansprüche
zur Verwendung des Wassers auf ihren Feldern und sonstiger Be-
nutzung vorkommen. Viele Theile dieses Sara genannten Districts
der Thäler (von Piura bis Truxillo) bleiben so in der Hauptsache auf die
Thaubefruchtung durch die Garua hingewiesen. Die Zuckerplantagen
dieses Thaies sind jetzt mit der besten Art DampfMaschinerie aus
Europa versehen, obwohl der Transport wie gesagt, sehr kostbar zu
stehen kommt. Noch im Anfang dieses Jahrhunderts waren Wasserräder
eine Seltenheit, und zeigte man in Haura das in der Hacienda der
Jesuiten zum Zerkleinern des Zuckerrohrs benutzte, als das erste, das
in Peru ausgeführt worden (s. Stevenson). Ursprünglich wurde das
einheimische Zuckerrohr (Creolla) angebaut, bis sich das tahitische,
das 1806 in Guayaquil eingeführt war, weiter verbreitete.
Bastian: America. L 12
178 PKRU UNI) FXUADOR.
Da Herr Pflücker in geschäftlichen Angelegenheiten nach Tru-
xillo gerufen war, ritten wir durch die Zuckerpflanzungen an verschie-
denen Stadien der Reife, und dann über trockenes Land nach der
Eisenbahnstation Kaseaga, hätten dort aber so lange auf den Zug
warten müssen, dass wir den Ritt fortsetzend, das steinige Bett des
in der damaligen Jahreszeit in grosser Breite trocken liegenden
Flusses Chicama (zwischen den Bergen Yulcaguanca und Yana-
guanca in Huamachuco entspringend) kreuzten, und in dem gleich-
namigen Dorf Chicama in einer von Chinesen gehaltenen Fonda
frühstückten. Am Nachmittag war die Ladung der Güterwagen be-
endet, und fuhren wir durch eine Sandebene, worin zerstreute Huacas
in verfallenen Gebäuden sichtbar sind. Nach der Piedra gorda zeig-
ten sich aus rohen Steinen aufgerichtete Erhebungen, theils als alte
Assequien oder Bewässerungsläufe, theils als frühere Wege der
vergangenen Zeit, «nd in der Ferne erblickte man Huanchaco, den
Hafen Truxillo's. Durch Busch und dann Anbau erreichten wir die
Eisenbahnstation Truxillos, wo wir unser Gepäck nach dem Hotel
schickten und auf dem Wege dahin in einer von Chinesen eingerich-
teten Restauration zu Abend assen.
Truxillo wurde von Pizarro in dem mächtigsten der Küstenreiche,
dem der Chimu gegründet, neben der Hauptstadt dieses Volkes, und
noch jetzt finden sich die ausgedehnten Ruinen derselben zwischen
Truxillo und Huanchaco.
Von einigen Bürgern, mit welchen ich durch Herrn Pflücker be-
kannt geworden war, wurde eine Parthie arrangirt, die sich am Vor-
mittag zusammenfand. Nach Verlassen des Stadtthores kamen wir
am Dorfe Mansiche vorbei, auf die (in Salpeterausschwitzungen das
Getränktsein mit organischen Stoffen beweisende) Ebene von Chan-
chan ^) mit vielfachen Hügelresten der alten Bebauung. Man er-
kannte die früheren Felder mit den Zeichen der Berieselung und
den Spuren der Sequien, die dazu gedient hatten. Nach einem
hohen Lehmgebäude beginnen, an Strassen und Plätzen, die Trümmer
der Häuser, zum Theil in Complexen, und hat man an verschie-
denen Stellen, auf der einen Seite den Blick auf die See, auf der
andern auf den Cerro von Mochi, auf dessen Vorhügel sich Ueber-
bleibsel eines Sonnentempels finden. An der durch die Auffindung
des Pesce chico berühmten Huaca de Toledo oder Llomayoahan
(Tomayoahuan) vorbei, kehrten wir (nach kurzer Rast unterwegs) nach
^) Der Ortsname Chan-chan findet sich bei Valdivien in Chile (s, Stevenson), im
Lande der Cafiar u. a. O.
CHAXCHAK. 179
Truxillo zurück, nachdem wir, so viel es die Zeit erlaubte, die ver-
schiedenen Quartiere dieser alten Stadt durchritten hatten.
Bei der Rückkehr lenkten wir in eine Schenkhütte neben dem
Wege zu einer Art Piknik ein, wobei es sich um den beissenden
Aji und die seinen Brand auf der Zunge löschende Chicha handelte.
Umgeben sind die Ruinen von Chanchan (bei Mansiche) durch
verfallene Festungen (aus Adobe, in bogigen Quer- und Spitzlagen
durch Lehm überzogen), an welche sich die Reste viereckiger Häuser
anschliessen, bald von Strassen durchzogen, bald auf Plätzen zusam-
mengehäuft oder dieselben umgebend. Die Einschlüsse finden sich
innerhalb einer Mauer (Lehmbau auf Grundlage roher Steine), dann
auch in zwei Mauern (wobei die äussere aus Adobe, die innere, mit
einer Thür, aus Lehm und Steinen hergestellt ist) oder in drei
Mauern (das Centrum von einer aus Lehm und Steinen zusammen-
gesetzten Plattform gebildet, und mit unterirdischen Gängen durch-
brochen). Die Lehmmauem, an Schilfstöcke gelehnt, neigen pyra-
midalisch nach Innen, und auf engen Plätzen unterscheidet sich das
Stroh früherer Dächer. Die Wände einiger Häuser zeigen in Lehm
dreieckige Form, oder ovale Durchbrechung (nach Art der von
Columbarien) und in andern finden sich viereckige Nischen aus Lehm
über Schilfstöcken gebildet. Freie Plätze dienten zum Theil dem
früheren Anbau (mit Spuren der Berieselung), während andere (an der
Aushöhlung durch Steinlagen umgebene) Wasser-Reservoirs erkennen
lassen. Die Wände einiger Häuser sind in parallelen Linien auf Lehm
verziert, zwischen welchen sich verschiedentlich gezackte Ornamen-
tirungen zeigen, und andere blätterartig. In einem weiten Gebäuderest
(mit Stufen an der Seite), aus welchem im oberen Geschoss die
glatten Innenwände der Zimmer stehen geblieben sind, (neben einer
Terrasse), finden sich an der Aussenwand vielfache Verzierungen auf
dem Lehm, strahlen- und sternförmig. Vor der Stadt stehen (im
Dreieck zu einander) die Huaca de Toledo (deren Ausgrabung dem
Staat 80,000 Pesos als Fünftel*) zahlte), die Huaca de la Esperanza
und die Huaca de la Concha. Der Weg nach Huanchaco (dessen
Kirche im Ruinenfelde sichtbar ist) durchschneidet die Trümmerstätte
bei der Capilla de San Jose. Neben gebrannten Ziegeln trifft man
1) Oder nach anderen Berechnungen noch weit mehr. Durch Gutieirez de Toledo
wurde 1566 als Fünftel 85547 Castellanos de oro (Lst. 222,422) und femer 47,020 Casiel-
lanos de oro (I.st. 122,252) im Jahre 1592 in die Staatskasse aus den Huaca's bei
Truxillo gezahlt (s. Markham).
12*
180 P^KV UND KCUADOk.
an einer Stelle auf eine Schlackenanhäufung und an vielen Plätzen
sind Ausgrabungen begonnen.
Der* erste Eindruck dieser Ruinen ist der eines labyrinthischen
Durcheinander, und wird deshalb leicht auch als solcher wiederge-
geben. Erst Squier's vielwöchentliche und sorgsame Aufnahmen wer-
den einigen Anhalt Hefern, eine Klärung in dieses Gewirr zu bringen.
Zu meinen Bekanntschaften in Truxillo gehörte u. A. Herr O'Do-
novan, der eine kleine Privatsammlung besitzt, und Herr Torribio
Polo, damals Secretair der Prefectur, mit linguistischen Arbeiten be-
schäftigt, sowie Herr Barera, der im Besitz des im Correo Peruano
beschriebenen Figurenstücks ist, das für ein Museum gesichert wer-
den sollte.
Ausserdem traf ich mit einem der bekanntesten Huaceros Peru 's
zusammen, mit dem Oberst La Rosa von Truxillo, der sich seit 1833
mit solchen Schatznachguchungen beschäftigt, besonders in Aufspü-
rung des Pesce grand'e, worüber indianische Traditionen Andeutun-
gen gegeben haben sollten, nachdem die Schatzkammer des Idol
Pesce-chico (kleinen Fisches) gefunden war.
Wenn sich auch nur ein Zehntel des von ihm Erzählten bewahrheiten
sollte, so muss er zu Zeiten im Golde gewühlt haben, fand sich damals
indess wieder verarmt, obwohl noch voll von weiteren Plänen. Gold- und
Silberfunde waren sogleich in klingende Münze verwandelt und so
für. immer verschwunden, aber auch von all' den übrigen Alterthums-
schätzen, die trotz seiner gleichgültigen Beschreibung die Aufmerk-
samkeit spannen mussten, war nichts mehr in seinem Besitz.
Er hatte sie mit vollen Händen nach allen Seiten verschenkt und
jede Spur schien verloren. Als ich wiederholt mein Bedauern dar-
über aussprach, schien es ihm schliesslich selbst leid zu werden, und
eines Vormittags ging er mit mir bei allen seinen Freunden umher,
die er in guten Tagen so reichlich bedacht hatte. Doch war nichts
mehr zu machen, der Zwischenraum der Jahre hatte Alles verwischt,
und das Examen endete stets in derselben Weise, dass die Sachen
entweder zerbrochen oder verloren gegangen seien. Bald hatte man
sie weiter verschenkt, bald beim Umzüge oder der Rückkehr von
einer Reise vermisst, am gewöhnlichsten aber waren sie den Kindern
zum Spielzeug gegeben, und dann nicht mehr gesehen. Unsere
Visiten waren völlig erfolglos, doch konnte ich andere Gegenstände
in Truxillo erwerben, und einige mir von La Rosa gegebene Andeu-
tungen befähigten mich später, bei der Rückkehr nach Lima, den
Rest einer von ihm vor 10 Jahren dorthin geschickten Sammlung
TRUXILLO. 181
unter altem Gerumpel auf dem Boden eines Hauses wieder aufzu-
finden und grossentheils anzukaufen. Dazu gehörten verzierte Holz-
stöcke, die der Angabe nach bei dem Aufdecken der Huacas (zuge-
mauerten Häusern der Vornehmen) in den Händen sder am Eingang
stehenden Indianer angetroffen waren. Die imieren Wände der Zimmer
seien mit Ornamenten ausgelegt gewesen, und an den Wänden hätten
Prunksitze gestanden, sowie Holzfiguren von Affen zwischen den
Pfeilern. Der Goldschmuck fand sich der Hauptsache nach an den
Skeletten selbst.
Die Alterthümer von Truxillo gehören zu den beliebtesten, und
mit Recht, da die Chimu in künstlerischer Fertigkeit hervorgeragt
haben müssen. Ich machte deshalb den Oberst darauf aufmerksam,
dass bei dem neuerdings, in Peru selbst bereits, regeren Interesse,
auch in den Alterthumsstücken unedlen Materiale's Geldwerth stäke,
und daiss er am besten thun werde, mit den Museen in Verbindung
zu treten. Der in den letzten Jahren durch das Sammeln einiger
Amateurs sehr hoch hinaufgetriebene Preis seltener Stücke in Lima
hat auch bereits zu Fälschungen Anlass gegeben, nicht nur zu der von
Urnen, die ich in den Läden Payta's zu einem festen Marktpreis den
Matrosen als acht verkaufen sah, sondern auch von Bronzegüssen.
Ich wurde darauf bei der Durchsicht einer Privatsammlung in Lima
aufmerksam, und den dadurch erhaltenen Directionen folgend, ge-
langte ich in die am Stierplatz Truxillo's gelegene Werkstatt, aus
welcher diese Productionen hervorgingen.
Auch bei einem Besuche Moche's, auf der nach dem Hafen Sa-
laverry weiter gehenden Eisenbahn, konnten einige Kleinigkeiten er-
worben und Nachrichten über Ausgrabungen erhalten werden.
Truxillo (Lima en miniature, also ein Klein -Paris oder Klein-
Lima, wie es der Peruaner nennt) hat seit seiner Gründung einen aristo-
kratischen Character bewahrt, auch dann noch, als das Ritterliche in
die Auffassung Don Quijote's überspielen musste, und hat selbst jetzt,
trotz der revolutionären Umwälzung, noch nicht ganz mit ihm ge-
brochen. Documente werden nicht, weil vergilbt, als werthlos be-
trachtet, und manche Häuser tragen die Wappenzeichen über dem
Thore. Unter den besseren Gebäuden hat besonders das des Herrn
Iterrigui peruanischen Ruf, und scheinen darin grosse Kosten verbaut
zu sein. Von dem platten Dach desselben konnte ich in die Gassen
des von hohen Mauern umgebenen Nonnenkloster's blicken, das allein
noch in der Stadt erhalten ist, aber in der Zahl seiner Insassinnen
sehr reducirt. Ausserdem genoss man eines Ueberblickes über die
182 PERU UND F.CUADOR.
grüne Ebene von Truxillo bis zum Meere, mit Huaman zwischen
Salaverry und Huanchaco, und auf der andern Seite zu den in iso
lirten Höhen emporstrebenden Bergen, wo am Fusse des jetzigen
Cerro del Sol (vor dem höheren Cerro del Mochi) die halbkreis-
förmig ausgebuchtete Ruine des Sonnentempel's aufsteigt, während
seitlich, nach dem Strande zu, die zerstreuten Trümmerstätten von
Chanchan hervorstehen.
Nach längeren Verhandlungen mit dem Maestre de posta, die
noch durch Herrn Pflücker, vor seiner Rückreise nach Chicama, ein-
geleitet waren, hoffte ich schliesslich ein befriedigendes Abkommen
mit ihm getroffen zu haben und fixirte den Tag der Abreise (Sep-
tember 27.). Dass die Thiere statt vor Sonnenaufgang, nach dem-
selben eintrafen, war aller Versprechungen ungeachtet, kaum anders
erwartet worden, dass aber ein dem Aussehen nach ganz passables
Reitpferd sich, ehe ich das freie Feld erreichte, als hinkend erwies,
konnte durch alle Entschuldigungen und Erklärungen des Führers
nicht wegdisputirt werden. Vor den Küstendampfern war der Land-
weg von Truxillo nach Lima sehr frequentirt. Im Anfang des Jahr-
hunderts noch wurde die Reise oft auf Literas gemacht, an zwei
Maulthieren befestigten Sänften.
Ueber Mochi gelangten wir an die Küste bei Salaverry, und
nachdem der vorspringende Cerro am Strande überstiegen war, auf
eine Sandebene mit Dünen. In der Feme erschien der Cerro von
Guanape und die gleichnamigen Inseln. An sandig bewehten Hügeln
vorüber erreichten wir zwischen Kuppengebüschen und Cactuspflan-
zungen den aus Quellen am Berge Izquiocda und den Pedernales
entspringenden Fluss Viru, wo sich aus der buschigen Sandebenc
in der Ferne gezackte Hügelketten zeigten und von einer höheren
Bergreihe isolirte Höhenspitzen.
In Viru (San Pedro de Viru) sprach ich bei Don Manuel La
Portilla vor, dem Arzte des Platzes, der bei meiner Ankunft mit
einer Elle hinter dem Ladentische stand, da er nach Landessitte ein
solches Kleingeschäft mit seinem andern verband. Wir haus'ten am
Nachmittag ganz gemüthlich zusammen, assen mit einander auf dem
Ladentisch, und genossen später, vor der Thür sitzend, die Abend-
kühle bei Cigarren oder Cigaretten und Chicha, bis ich mich dann
auf Geheiss meines Wirthes in seinem Gemach hinter dem Laden
zur Ruhe legen musste, während er, ich weiss nicht wo, geschlafen
haben mag.
In Viru sind manch' interessante Gegenstände gefunden und ver-
VIRU. 183
schiedene der Hiiaceros in Truxillo waren dort gleichfalls thätig ge-
wesen. Einer derselben erzählte mir, in einem Grabe Federspulen
mit Läusen angetroffen zu haben, was auf den von Garcilasso de la
Vega (und ähnlich in Mechoacan) erwähnten Tribut Bezug haben
könnte. Doch ist gerade Viru und Truxillo das Land der Blattläuse
(Pilcay im Quechua) in den zur spanischen Zeit aus Mexico erneuerten
Cochenille - Pflanzungen , die jetzt überall in Folge der chemischen
Farbenmischungen in Verfall sind. Bei manchen der Zeuge aus den
Huaca scheint das Roth mit Cochenille aufgetragen. Die drei Thäler
(oder Oasen) von Viru, Chimu und Chicama galten, als Los Valles,
für den fruchtbarsten Theil Peru's, bis das Erdbeben von 1687 diesen
Character verändert hätte. In der Capelle der Hacienda St. Ilde-
fonso (in der Nähe von Viru) wurde eine im Haut - Relief verzierte
Steinschale aufbewahrt, die (in einer Huaca gefunden) jetzt zum
Weihwasser benutzt wird. In einigen der Huacas bei Viru hat man
neben den Alterthümern altspanische Münzen gefunden und Kreuze
zwischen gemischt (aus der ersten Zeit der Conquista).
Einige wollen von Viru den Namen Peru's ableiten, während
hier zunächst an das Darien benachbarte Biruqueta (und wenn man
will, den Fluss Biru) zu denken ist. Bei den Botocuden findet sich
Viru (iir den sonst in Brasilien als Ava (der polynesischen Kava ähn-
lich) bezeichneten Rauschtrank.
Am nächsten Morgen war, mit der Unterstützung meines Wirthes,
der die Länge der bevorstehenden Tagereise kannte. Alles prompt
in Ordnung, so dass wir rechtzeitig fortkamen. Er hatte mir selbst
einen leihweisen Ersatz meines hinkenden Gaules angeboten, doch
lehnte ich dieses Opfer, sich seines einzigen Reitpferdes zu berauben,
dankend ab. Wir ritten über Sand dahin, zwischen Gebüsch, und
dann auf sandiger Ebene, mit stellenweis grünem Ueberzug, bis zum
Hügel von Chao. Dort bog der Weg ab, durch steinige Höhen mit
Sand, in eine trostlos öde und zugleich wilde Scenerie führend, als
wir diese vom Winde gleichsam in verschiedene Richtungen ge-
jagten Steinhügel vor uns sahen, theils vom flatternden Sandmantel
umweht, theils nach Abwerfen dieses, nackt und kahl. Nachdem
wir einen Blick aufs Meer gewonnen, näherten wir uns dem Strande,
und fanden unter Büschen hervorquellendes Wasser in der Hacienda
Chao, wo die Gewinnung von Holzkohlen aus dem Gestrüpp be-
trieben wird.
Nachdem wir eine Strecke an dem bei der Ebbe harten Strande
längs der Brandung, hingeritten waren, wurde wieder einwärts nach
184 PERU UND ECUADOR.
den Hügeln abgebogen. Dort stand uns ein beschwerlicher, und für
die in dem Sande versinkenden Thiere ermüdender Aufsteig durch
Dünenhügel (los Cocombas) bevor, und dann trieben wir zur Eile
auf einer flachen Ebene von Steinsand, seitlich vom hier und da
am Horizonte sichtbaren Meere, um die in weiter Ferne halbkreis-
förmig begrenzende Hügelkette noch bei Tageslicht zu erreichen.
Im Vergleich mit früheren Erkundigungen war mir bereits seit
einiger Zeit die Richtung, der wir folgten, zweifelhaft vorgekommen
und hatte ich den Führer wiederholt darauf aufmerksam gemacht,
der indess bei seiner Ansicht beharrte, bis er schliesslich den un-
richtigen Weg eingestehen musste, so dass aus der Rectification ein
bei dem Heranrücken des Abenddunkel's desto unangenehmerer Zeit-
verlust erwuchs. In der Nähe der Hügelkette sahen wir ein paar
Schuppen, die zur Salzbereitung benutzt wurden, und lagen die bunt-
gefärbten Salzstücke überall auf der Ebene, die nach dem Meere zu
grüne Färbung zeigte. Beim Ansteig öffnete sich zwischen kahlen
Hügeln der Blick auf eine überwachsene Fläche, die sich bis zu der
Hügelkette von Santa erstreckte, und seitlich war die Insel Cor-
covas, vor dem Cerro des Puerto de Santa, sichtbar.
Die Sonne war schon untergegangen als wir die Hacienda Gua-
dalupite erreichten, wo man mich für mein Nachfragen an das Herren-
haus verwies. Dort fand ich indess Niemand vor, als einen andern
Fremden, einen Rechtsanwalt aus Lima, der sich Geschäfte halber,
wie es schien, auf dem Gute aufhielt. Da er gerade beim Abend-
essen war, lud er mich zur Theilnahme ein, und dann suchten wir
uns in den verschiedenen Stuben, die alle offen standen, diejenigen
Plätze aus, die am besten für die Nachtruhe convenirtcn.
Am nächsten Morgen wurde der Aufbruch verzögert, weil der
sog. Chimbador zu erwarten war, nämlich der Führer über die
Furten des Santa - Flusses , diesmal ein Chinese. Man bedient sich
zu diesem Zweck einer besonderen Rasse hochbeiniger Pferde, die
ebenfalls als Chimbadores^) bezeichnet werden, und ab wir durch
Büsche, die Ufer des Flusses erreicht hatten, setzte ich mich, wie
es verlangt wurde, auf die Kruppe des hohen Pferdes hinter den auf
*) Chimbador ist (nach Veigl) ein peruanisches Wort (Chimba, oder das entgegen-
gesetzte Ufer des Flusses, wie chimbani, tibersetzen), mit spanischer Endung (s. Murr).
Here Indi'ans constantly attend with horses to guide travellers across the rapids, keeping
a horse on each side of them, the Upper one to break the force of the current of the
river and the other to support the traveller's horse, in case it should be unable to
resist the stream or should stumble ovcr the large roUing stones at the bottom, bemerkt
Proctor bei der Passage des Santa.
SANTA. 185
der Hacienda zugetheilten Führer. Da ich indess beim Erreichen
der ersten Sandbank bereits gemerkt hatte, dass dieser Fluss nicht
so gross von andern verschieden sei, um solcher Umständlichkeiten
zu bedürfen, so liess ich mir mein eigenes Pferd bringen und voll-
endete auf ihm den Uebergang. Dieser grösste der peruanischen
Küstenflüsse strömt in einem breiten Bette und wird, wenn von der
Regenzeit gefüllt, allerdings die vollste Vorsicht des Reisenden be-
anspruchen. Cieza de Leon traf bei seiner Durchreise dort Balsas
oder Flösse zur Ueberfahrt und 1795 legte man eine Strickbrücke
an, die aber durch das Anschwellen des Flusses 1806 fortgerissen
wurde. Wie Laet von Reisenden hörte (im XVII. Jahrb.), wurden
kürbisartige Früchte für die Flösse zusammengebunden und diese
dann durcTi voranschwimmende Eingeborene gelenkt. Die Umgegend
bietet manche Reminiscenzen aus der Geschichte der Inca und ist
noch reich an alterthümlichen Resten.
Ein sandiger Weg durch Pflanzungen führte nach Santa (Santa
Maria de la Parilla), wo ich beim Hause des Gouverneurs vorritt,
und in dessen Abwesenheit von seiner Frau aufgenommen wurde.
Nachdem ich den Führer der Hacienda entlassen, kam es zu
einigen Diflerenzen mit dem von Truxillo mitgebrachten Arriero, der
unter der Drohung der Rückkehr, bereits geleistete Zahlungen noch-
mals verlangte und sich für solche Erpressung aus den Strassen Santa's
einige Vagabunden hinzugesellte. Da diese indess nicht den Eindruck
machten, den er erwartet haben mochte, so bequemte er sich schliess-
lich zum Weitergehen. Zwischen Hecken gelangten wir an die
Küste, und kehrten nach kurzer Einwärtsbiegung, an Ranchas (los
Cocos) vorüber, durch eine Hügelöffhung zu ihr zurück, im Gasthaus
von Chimbote absteigend, wo ich zunächst durch den Wirth die
gekreuzte Unterschrift des Arriero auf der Empfangsbescheinigung
als Zeugen bestätigen liess.
In der Nähe Chimbote's liegen Spuren alter Bauten an ver-
schiedenen Stellen, und die dort gemachten Funde wurden besonders
von den americanischen Ingenieuren monopolisirt, die für den Bau
der Eisenbahn durch das Santa-Thal angestellt sind. Ihre Bekannt-
schaft war um so interessanter, da ich bei der Gelegenheit diese
Privatsammlungen besichtigen konnte.
In Chimbote finden sich die Leichen theils in liegender, theils
in hockender Position, und wurden bei den ersten Grabhügeln bessere
Arbeiten angetroffen (von feinem Thon). Meistens sind neun Töpfe
gestellt, einer am Kopf und vier zu jeder Seite. An einigen Orten
186 PERU UNI) FXUADOR.
haben sich kopflose Skelette angetroffen, (wie ähnlich auf den Guano-
Inseln), in anderen Köpfe allein liegend. In den Mund waren oftmals
Kupferstücke gesteckt, durch deren Zerfall der Knochen danngefärbt er-
scheint. Auch dieChibchas legten den Todten den Obolus desCharon in
den Mund, und russische Popen verliehen Pässe an den heiligen Petrus.
In Huaca Tambo (bei Chimbote) ist auf steilem Felshügel ein
grosser Stein placirt für Signale und ähnliche Zwecke auf dem Wege
nach Huaraz oder dem nach Santa.
Der Dampfer Santiago, auf dem ich mich einschiffte (Octbr. i.)
lief in die geschlossene Bucht von Samanco ein, dann (nach fels-
hüglicher Küste) in Puerto de Casma (Felsspitze und Dünen mit
Hügel dahinter), und (nach sandbeWehten Hügeln) in Huarmey (Gu-
armey) oder Huallmi an gehobener Küste (durch seine Chicha be-
rühmt). Nach dem Berühren von Supe und Huacho wurde Callao
erreicht und dann mit Lima wieder das Hotel del Comercio.
In Lima vorgefundene Schreiben aus Berlin mussten mich be-
stimmen, von weiteren Reisen in Peru, wie sie besonders für das
südliche Hochland in Ueberlegung gezogen waren, abzusehen, und auch
der anfanglich beabsichtigte Besuch der bis zum December währenden
Ausstellung in Santiago wurde aufgegeben, weil nach den in den
Zeitungen enthaltenen Berichten, die südamericanische Ethnologie
nicht in derjenigen Ausdehnung vertreten schien, um bei der sonst
beschränkten Zeit ein solches Opfer für dieselbe zu rechtfertigen, auch
ausserdem Dr. Philippi's dortige Anwesenheit die Möglichkeit gab,
das Nöthige in Correspondenzen zu besprechen.
Ich entwarf deshalb den Plan zu einem Besuche Columbia's, über
dessen ursprüngliche Bewohnerschaft, so häufig sie auch in den
Annalen der Eroberung erwähnt wird, neuere Nachrichten nur wenig
geliefert sind, und von deren alter Cultur, die z. B. bei den Chibchas
in jeder Weise der Aufmerksamkeit und des Studiums würdig ist, in
den Museen bis dahin fast alle Repräsentationen fehlen. Sollte dieser
Mangel in ihrer Seltenheit überhaupt begründet gewesen sein, so
hätte sich mit einer flüchtigen Durchreise zwar nicht mehr machen
lassen, als bei Sachverständigen Interesse für Sammlungen zu er-
wecken und für die spätere Vermehrung derselben Einleitung zu
treffen. Indessen haben einige günstige Verhältnisse es möglich ge-
macht, bei der Anwesenheit dort, nach beiden Richtungen hin thätig
sein zu können und werthvolle Erwerbungen zurückzubringen.
Vorher beschloss ich noch in der Kürze von Lima aus den Sitz
der Chincha zu besuchen, deren Name« "'• pi^-^'^'^'s Zeit, längs der
CHINCHA. 187
ganzen Küste gehört wurde, während er sich später oft in der allgemeinen
Bezeichnung als Yungas (für die Bewohner heisser Tiefländer) verlor.
Am 6. October schiffte ich mich deshalb in Callao auf dem
Dampfer Quito ein, und am nächsten Morgen lagen wir vor Cerro
Azul, (dem Hafen Canetes) neben einem Hügel an vorspringendem
Punkt der Küste mit hinteren Höhenreihen. Dort stand jene impo-
sante Festung, welche selbst bei den sonst nur auf Zerstören be-
dachten Eroberern einen solchen Eindruck zurückliess, dass die Vice-
könige eine Zeit lang eine Garnison besoldeten, um sie im Status quo
zu erhalten, später indess die Demolirung anordneten, um das Mate-
rial für den Aufbau des Castells von Callao zu verwenden.
Längs einer gehobenen Küste ankerten wir am Mittag vor Tambo
del Morro, in einer mit Hügeln durchzogenen Ebene. Nach dem
Landen engagirte ich einen Platz in dem am Nachmittag abgehenden
Omnibus und sahen wir an der Seite des Weges verschiedene Huaca s
auf den umherstehenden Erdhügeln mit oftmals glattem Mauerwerk
an der Aussenseite.
Durch eine bebaute Ebene gelangten wir nach dem theilweis
verlassenen Flecken von Chincha baja und dann zwischen den Lehm-
raauern der Anpflanzungen nach Chincha alta.
Eine eigentliche Posada fand sich nicht, sondern nur ein Billard-
Zimmer, in dem man zu Essen erhalten konnte. Da der Wirth indess
ein Deutscher war, so that er ein übriges und nahm mich am Abend
mit nach seiner Wohnung, wo mir ein Zimmer für die Nacht ein-
geräumt wurde. Hätte ich nach etwaiger Anwesenheit gewisser
leichtfüssiger Insecten gefragt, würde er mir wahrscheinlich zu ant-
worten gehabt haben, wie Proctor's Wirth in der Sierra auf desfallsige
Erkundigung: Si Senor, macho y hembra! Denn sie waren da, nicht
nur Männchen und Weibehen, sondern auch die ganze Jugend. Am be-
rüchtigtsten in diesem Punkte gilt Bogota, obwohl ich in meinem dort
begünstigten Logis nicht viel verspürte. Abt Röchalmus empfiehlt das
Kreuzeszeichen gegen Flohbisse, da sie von den Teufeln herrührten
(1270 p.d.), doch scheint es für uns Schwachgläubige seine Kraft verloren
zu haben.
Bei den Silberschmieden Chincha's Hessen sich einige Erwerbungen
machen, die sonst für die Münze bestimmt gewesen sein würden.
Wie Mexico den Europäern unter der von den Acolhua her-
geleiteten Bezeichnung Culhua, wurde Peru den Europäern zuerst in
einer an die Chincha angeschlossenen Bezeichnung bekannt, die sich
bei den Inca zur Nennung ihrer nördlichen Provinz, als
188 PERU UNI) ECUADOR.
Chincha-suyu erweitert hatte. Pizarro suchte auf seiner ersten Reise
vorzudringen bis Chinchama,„develck een landt isnietverre van Panama."
Früher hatte er Caspar de Morales auf seiner Entdeckungsfahrt begleitet
bei dem Besuche des Flusse's, wo der Cacique Biru oder Biruquete
angetroffen wurde. Von all diesen Ländern am australischen Meere
hatte Baiboa im Namen der spanischen Monarchen Besitz ergriffen,
„so lange die Welt dauere und bis zum jüngsten Gericht aller sterb-
lichen Geschlechter."
In Caiiete wurde der erste Weizen angepflanzt, der durch Dona
Maria Escobar (1540) in Lima eingeführt und unter die Colonisten
vertheilt war. Don Francisco Carabantes brachte den Weinstock aus
den Canarien (s. Cordova) und Don Antonio de Rivera Ableger der
Olive aus Sevilla, die er in einem ummauerten Garten bei Lima pflanzte
und durch eine eigends dafür bestimmte Wache von Negern hüten
Hess. Dennoch war in einer Nacht einer der Schösslinge verschwunden,
und wie sich später ergab, nach Chile gebracht worden, stellte sich aber
nach einiger Zeit wieder auf dem ursprünglichen Besitzthum ein, als in
einer Veröffentlichung, die durch alle Provinzen circulirte, die Rückgabe
des Gestohlenen bei Strafe der Excommunication anbefohlen wurde.
In Quito wurde Getreide zuerst durch den Mönch Rixo^) aus-
gesäet, und der Topf, worin es gebracht war, in dem dortigen Francis-
canerkloster aufbewahrt, wohl eine der verehrungswürdigsten Reliquien,
die die Kirche je aufzuweisen hatte, da sie doch wenigstens eine
Bedeutung hat, und zwar eine eminent practische. Jedenfalls würde
ich sie für meine Person dem Blutbehälter des heiligen Stephan, den
Speuss-Kasten und sonstigen Reliquarien vorziehen.
Am nächsten Morgen fuhr ich nach Tambo del Morro in dem
Omnibus zurück, einem nicht gerade in elastischen Federn hängenden
Stuhlwagen, der bei dem Rütteln auf dem unebenen Wege Stösse
^nach allen Richtungen versetzte und die eng zusammengepferchten
Passagiere über einander warf. Die Erfahreneren kannten bereits die
halbrechenden Stellen des Weges, und riefen bei Annäherung ah die-
selben ihre Warnung aus, so dass man sich bei halbschwebendem
Anhängen an Decken oder Wände des Kasten's in solche Position
setzen konnte, dass der Stoss weniger lebensgefährlich verlief.
Bei der Einschiffung am Tambo del Morro war die Dünung
wilder, als am Tage zuvor, und die Abfahrt erforderte besondere
*) The vase is still shown in which Father Rixi brought the first whcat from Europe,
it was sown in what is now the San Francisco Plaza , the chief market - place of the
city (Orton). •
BRANDUNG. 189
Vorsicht. Trotzdem wurden wir innerhalb der Brandung einige Male
von den Wellen überschüttet, so dass ich nass an Kleidern und Ge-
päck an Bord des Dampfers gelangte und dort dem Stewart die
Sachen zum Trocknen übergeben musste. Noch schlimmer erging
es dem Passagier eines zweiten Bootes, der von der rollenden See
in Schrecken gesetzt, so eiligst die Treppe des Dampfer's hinauf-
kletterte, dass ihm dabei seine Seitentasche in's Meer fiel, die der
Angabe nach circa 30,000 Pesos enthielt. Auf die versprochene Be-
lohnung begannen längs des Schiffes Haak -Versuche, die bei dem
steten Wechsel der Position und der Tiefe des Wassers eigentlich
hoffnungslos schienen, aber, als mit Eifer fortgesetzt, schliesslich
doch den versunkenen Schatz heraufförderten. Die Matrosen be-
anspruchten aber jetzt die Procente der Salvage, und als nur der ver-
sprochene Preis von 50 Pesos ausgezahlt wurde, warf der Finder,
ohne sie eines Blickes zu würdigen, die Handvoll Scheine über Bord.
Im gleichen Augenblick sprangen von allen Seiten die Bootleute und
die auf den Verkaufsböten befindlichen Jungen ins Wasser, um aufzu-
fischen, was oben schwamm, während der Eigenthümer, um sich
dem auf Deck ausbrechenden Tumult zu entziehen, in das Boot, das
ihn gebracht hatte, zurückeilte, und nun zwar auf der Rückfahrt zum
zweiten Mal die Gefahr der Brandung zu passiren hatte.
Bei der Einschiffung in den der Dünung ausgesetzten Küsten-
plätzen wird man meist auf dem Rücken (oder den Schultern) eines
Negers an die ausserhalb der Strandbrecher gehaltenen Böte ge-
tragen, und die Mannschaft dieser beobachtet dann die, in periodischer
Dreizahl gewöhnlich, einrollenden Wogen, um eine günstige Gelegen-
heit zu benutzen, damit der Punkt, wo sie beim Aufstossen am
Meeresgrund zu branden beginnen, rasch passirt werde, ehe die
nachfolgende Schwellung das (dann dem Umwerfen ausgesetzte Boot)
erfasst. Ebenso wird bei der Landungsfahrt, im Meer am Aussenrande
der Brandung, ein günstiger Zeitpunkt abgewartet, ehe sich die Boots-
leute hineinwagen.
Am nächsten Tage war ich in Callao und bald darauf in Lima
zurück, wo in den freundlich zur Disposition gestellten Magazin-
räumen der Herren Gildemeister & Co. die Verpackung der soweit
gesammelten Gegenstände vorgenommen werden konnte, während
ich zugleich die Zeit benutzte, um mit einigen der Privatsammler
Rücksprache über etwaigen späteren Doubletten-Austausch zu treffen.
Auch mit der zur Förderung der Künste niedergesetzten Commission,
wurde ein Uebereinkommen getroffen, und der Kaiserliche Minister-
190 PERU UNI) ECUADOR.
Resident, Herr Dr. Luerssen, hatte die Güte, die Fortführung dieser
Verhandlungen zu übernehmen. Auch wurde ich durch ihn mit ver-
schiedenen Pepsönh'chkeiten bekannt, die in einer oder andern Weise
mit den Zwecken meiner Reise in Beziehung treten konnten, folgte
auch mitunter den ergangenen Einladungen, ohne indess mit den
gesellschaftlichen Verhältnissen in nähere Berührung zu kommen.
Hinsichtlich der Demoralisation in Lima ist viel geschrieben worden,
und liegt sie so sehr in den financiell anomalen Verhältnissen dieser
Stadt begründet, dass bei den davon Ergriffenen zum Theil mildernde
Umstände mitwalten dürften, und denen, die sich frei gehalten, um
so grössere Ehre gebührt. Ueber die sittliche Corruption zu ur-
theilen, muss längerer Erfahrung überlassen bleiben, da mir weder
meine kurze Zeit noch meine Neigung erlaubt^, genaueren Einblick
in diese ephemer socialen Verhältnisse zu suchen. Soweit meine
eigene Bekanntschaft geht, würde ich jede Verdächtigung der Damen
in Lima für ebenso ungerechtfertigt halten, wie in der alten Welt,
aber vielleicht sind sie auch im Allgemeinen besser als ihr Ruf, und
das Zweifelhafte desselben mehr einer Reminiscenz aus der koketti-
schen Tracht*) der Saya und Manta zuzuschreiben. Inwiefern sich
bei der raschen Durchreise des Inneren das eheliche Leben zu be-
obachten Gelegenheit bot, war gerade den Frauen jede Achtung zu
zollen, indem sie in der Stille ihrer häuslichen Wirthschaftlichkeit
lebten, und dennoch, von ihrer Zurückgezogenheit aus, das ganze
Familienwesen zu ordnen und zu lenken schienen. Stevenson, dem sein
langer Aufenthalt in Peru ein gutes Recht zur Beurtheilung seiner
Zeit sichert, erklärt, „that conjugal and paternal affection, filial piety,
beneficence, generosity, good nature and hospitality are the inmates
of almost every house " (in Lima).
Die Frau repräsentirt die stabilere, die passive und weniger zu
activer Thätigkeit geneigte Hälfte der Gesellschaft, und wie Cicero
zutreffend beobachtet hatte, dass sich altvaterische Redensarten länger
im Munde der Frauen erhalten, so auch bei ihnen Reminiscenzen in
Sitten und Gebräuchen der guten alten Zeit. Während eines Sta-
diums der Verkümmerung, eines Sinken's des Socialzustandes ge-
winnen sie deshalb an Präponderanz^) über ihre in haltloser Depra-
vation zusammenbrechenden Gefährten männUcher Seite, und üben
') Die Tracht der Tapadas wurde in Spanien seit 1586 durch verschiedene Edicte
verboten (weil Liebesabenthcuer begünstigend), erhielt sich jedoch in den Colonien.
') The ladies of Lima, who are certainly a superior race of beings to the males,
are in this cily^of vice and enervation the principal actoi^ (s. Procter).
AMAZONEN. 191
dann oft, wenn auch hinter den Coulissen verbleibend, einen heil-
samen Einfluss auf die Verkehrsstimmung aus, weil den raschen Nieder-
gang verzögernd, so dass Zeit und Gelegenheit gegeben ist zu neuer
Sammlung und Vorbereitung zu Reformen. Dass in ganz America
das weibliche Geschlecht eine gewisse Hegemonie beansprucht, ist
leicht ersichtlich, und obwohl sich dieselbe in den anglosächsischcn
Ländern Nordamerica's aus den bereits zu Tage getretenen Wir-
kungen keineswegs wünschenswerth , oder gar empfehlenswerth be-
weist, sondern dort vielmehr baldigste Beschneidung erheischen
wird, so verdient sie dagegen in den romanischen Colonien diejenige
Pflege, die sie, in Folge ihrer Superiorität eben, auch bereits empfängt.
Bereits vor der europäischen Einwanderung fanden sich manche
Züge eines Mutterrechtes in verschiedenen Theilen America s, auch
in den nördlichen vielfach hervortretend, besonders deutlich aber in
den südlichen und dort durch mythisch - traditionelle Ausmalungen
erweitert.
Seit Orellana bei seiner Entdeckungsfahrt auf dem Süsswasser-
mcer Südamerica's von den mit dem Häuptling Apuria kämpfenden
Coniapuyara (hohen Damen) gehört, und der Maranon mit dem Namen
des Amazonas auftrat, wurde der Glaube an das Weiberland befestigt
bei der Besetzung des Hochlandes Cundinamarca, wo sich bis zur
spanischen Zeit gynaikokratische Vorrechte erhalten hatten.
In Bogota hörte*) Quesada von der Frauen - Nation (der Ama-
zonen), wo die Sklaven nur bis zum Schwängern behalten und die Söhne
den Vätern zurückgeschickt wurden (s. Oviedo). Dagegen wären die
Töchter behalten und grossgezogen worden.
Zur Aufsuchung dieses jenseits des Gebirgskammes gelegenen
Landes entsendete er seinen Bruder zunächst nach dem Gebiet von
Menza, wo der viel besprochene Tempel der Sonne stand. Doch
hatte die Expedition unverrichteter Sache zurückzukehren, da ihr die
hohen Berge, wie Antonio de Lebrixa bemerkt, den Weg verlegten,
so dass sie nicht an ihr Ziel gelangen konnte. Indess erhält auf Feder-
mann's Zuge das Thal von Vararida die Bezeichnung: El valle de
las Damas, „welches zu teutsch das frawen thal gchaissen ist" (Kiflf
haber). '
Als Rio de las mugeres, von Frauen umwohnt, wird zu Guz-
') De Ulla nascion de mugeres (s. Oviedo) que de eiert os csclavos que compran se
empreflan (und den Sohn dem nach dem Beischlaf losgelassenen Vater schicken, die
Tochter aufziehen). Die Mugeres amagonas (am Rio de Santa Martha) wurden regiert
per una mager sefiora (Jaravita genannt).
192 PERU UNI) ECUADOR.
mans Zeit der Fbss Zapuatlan genannt (s. Herrera), und Ribeiro
hörte (1541) von den Amazonen bei den Urtuses, Baraza bei den
Tapacures, Condamine, vom Häuptling Pacorilha unterrichtet, am
Cuchivara, und fand er unter den Topayos die grünen Steine, die
von der Mündung des Cayame, dem Sitz der Amazonen, gekommen.
Die Königin der Amazonen wurde Quabimilla genannt, quod
ipsorum lingua aureum caelum significat (s. Apollonius) oder Jarativa
(zu Perez Zeit) und (nach Oviedo) herrschte die Amazonenfürstin
Conori am Maranon über die Caciquen Rapio, Toronoy, Yag^uarayo,
Topayo, Quenyuco und Chipayo. Nach Gomara war die Insel jener
Amazonenkönigin Guanomilla (cielo de oro) oder Quabimilla dem
Häuptling Leuchen Golma in Chile unterworfen. Von St. Miguel de
Neveri bis zum Wohnsitz des Caciquen Chapachauru in Temeurem
finden sich an der Küste viele Plätze*) unter Herrschaft von weib-
lichen Häuptlingen (besonders der einer von Frauen bedienten Oro-
comay) zur Zeit Hieronymo DortaFs (bei Paria). Ein weiblicher
Häuptling (oder eine Cazika) wurde 1534 am Flusse Zenu angetroffen.
Dicen que ai tierra, donde las mugercs reinan y mandan, schreibt
Gomara von den Chibchas.
Schmidel erzählt Ausführliches von den Gold- und Silbersachen
des Königs der Scherves am Rio Parabol, welche als Beute aus den
Kriegen mit den Amazonen heimgebracht wären, und diese mit dem
Reiche des Königs Jegnes benachbarten Amazonen sollten sich die
rechte Brust abbrennen und einige Male im Jahre von ihren Gatten
besucht werden.
Als solch glücklich Bevorzugte werden bei Acuna die Guacosis
oder Guacaras (am Cunuris) namhaft gemacht, bei Gilij die Vokearas,
die mit den, Aikeambenanoes genannten, Amazonen verkehrten, bei
Van Heuvel die Caraiben am Mariwin, und auch Columbus hatte an
der Bay von Samana über die östlich wohnenden Caraiben gehört,
von welchen die Frauen der Insel Matinino regelmässige Besuche
empfingen.
Gonzalo Lopez wollte im Dorfe Ciguatan (in Xalisco) Frauen
gefunden haben, die, als Amazonen, alle vier Monate zum Ge-
schwängertwerden von den Jünglingen der Umgegend besucht wür-
den, und dass sie, als Erwiederung der bewiesenen Gunstbezeu-
*) Donde las mugeres eran reynas 6 cacicas y seftoras absolutas, y mandan y gobier-
naii y no sus maridos, aunque los tengan (s. Oviedo). Die weissen Frauen, die am
Meeresarm wohnten (bei Aztatlan) wurden als Göttinnen angesehen (nach Guzman).
WAFKENHANDWERK. 193
gungen, die Felder während ihrer Anwesenheit zu bestellen, auch
später die etwa geborenen Knaben, wenn ihnen zugeschickt, bei sich
aufzunehmen hatten, wogegen die Töchter ihre Erziehung bei den
Müttern fanden (s. Oviedo).
Nach den Tapacuras wohnten die Amazonen östlich von Moxos
(s. Bazane), aber die Erkundigungen Raleigh's, welcher anfangs die
Amazonen südlich vom Maranon in Tobago placirte, führten sie später
nach Guayana, wo die Urisan oder Amazonen mit den Querin gren-
zen sollten (s. Glenn). Gilij hörte bei den Tamanaken von den
Aikeam benano (den allein lebenden Frauen) und nach den Macusi
wohnten die Amazonen an der Quelle des Mazeruni. Im Jahre 1726
werden sie am Iriyo bei Para angetroffen.
Die Cunhaetä imenu eyma (Frauen ohne Männer) finden sich
nach der Quelle des Rio Nhamunda (im Gebirge Icamaba oder Ica-
mava) verlegt, und (noch von Martins) werden die Ycamiaba oder
Amazonen am Rio Nhamunda, wo Orellana mit ihnen kämpfte, zu der
Horde der Sorimao unter den Omaguas gerechnet.
In der Hauptsache reduciren sich die Amazonensagen auf die
Theilnahme der Frauen an dem Waffenhandwerk der Männer bei
kriegerischen Horden, mitunter wird ihnen aber, gewissermassen in
einer Art Gegensatz zu den Frauenmännem, die überall in Nord-
und Südamerika mit einem Anstrich von Heiligkeit bekleidet erschei-
nen, der Character voa Männerfrauen beigelegt, in mehr neutraler
Geschlechtslosigkeit. So sagt Herrera, dass sich unter den Indianern
Brasilien's Frauen finden, die das Gelübde der Keuschheit übernom-
men hätten, und als Männer gekleidet in den Krieg zögen, und (nach
Oviedo) war in Nao oder Zamba^) (bei Cartagena oder Caramari) der
Brauch anerkannt, dass unverheirathete Frauen, die ihre Keuschheit
zu bewahren wünschten, Bogen und Pfeil aufnahmen und dann die
Männer auf ihren Kriegszügen begleiteten.
In Zeiten der Noth ergriffen auch die verheiratheten Frauen
die Waffen, um sich in Reih und Glied zu stellen, wie gegen Hojeda
(1509), gegen Benalcazar in Quito, in Cumana und bei Tupis (s. Her-
rera) oder gegen Soto bei Tula in Florida, wo auch in Mavila, dem
Sitz des mit Cofa kämpfenden Caziken Tascaluya, Frauen und
Männer in Kampfgenossenschaft lebten.
*) In Nao oder Zamba (zu Pedro de Heredia's Zeit) acostumbran las mugeres, que
no quieren casarse, traer arco (t flechas como los Indios, e van ä la guerra con ellos 6
guardan castidad (Oviedo). In den chinesischen Berichten grenzt das Frauenland mit Fusang.
Bastian: America. J. 1«^
194 PERU UND ECUADOR.
Belligerant haucl secus ac viri bemerkt De Laet von den J'rauen
der Waytaquases am Cap Frio.
Als Guzman nach dem Pueblo de Ziguatlan gelangte, „no se
hallo sino mujeres, y muy poco ö casi ningun varon," und da die
Frauen bei der Abwesenheit ihrer Männer auf einem Kriegszuge
bereit gewesen sein würden, persönlich Haus und Heerd zu verthei-
digen, so war der Name der Amazonenstadt bald fertig.
Hierfür gilt also Thevenot's Ausspruch: „II n'en est rien" mit den
Redereien von Amazonen am Maranon, wo sich die Frauen in Ab-
wesenheit ihrer Männer auf dem Fischfang gegen die Angriffe von
Flusspiraten zu wehren pflegten (wie es anderswo ebenso geschehen
würde, so lange der wilde Zustand noch keine Nervositäten zuge-
lassen hat).
Nach Ciguaton oder dem Lande der Frauen (m Lopez Zeit)
kamen die Jünglinge der Umgegend „quatro meses del ano ä dormir
con ellas,' aber Oviedo hörte später von Nuno de Guzman: „ques muy
grand mentira degir que son amagonas."
Dass diese Mythen in den socialen Verhältnissen Südamerika\s
einen natürlicheren Boden fanden als anderswo, zeigt, (wenn auch
manche Züge von den Spaniern aus ihren Schulerinnerungen hin-
sichtlich der pontischen Amazonen übertragen sind) ihr Wurzeln
auf einheimischer Grundlage aus den altperuanischen Traditionen.
Schon Zapalla, der Gegner des kriegerischen Cari von Coquimbo,
bekämpft im Collao die Amazonen, schon vor den Inca, aber zur Zeit
des Frieden stiftenden Viracocha, und der später geschichtliche
Viracocha schickt von Loxa aus eine Expedition zu den Cofanes,
um das Land der mit den Männern kämpfenden Frauen aufzu-
suchen.
Auf dem Feldzuge gegen Caravaya (s. Salcaymahua) war es
Tupac-Inca-Yupanqui beschieden (gleich einem zweiten Iskander) an
die Grenzen des Frauenlandes Huarmi-Auca zu gelangen und auf
den beschwerlichen Wegen der Andes bauten in Escay-oyas Affen
Rankenbrücken über die Flüsse, wie Hanuman und seine Gesellen
die Brücke über den Meeresarm für Rama.
Als die durch die Frauen der Quillaca in Harmi - Pucara
(Frauenfestung) besiegten Quichua von den Collas bedrängt wurden,
erlitten diese eine Niederlage gegen Tapac-Inca-Yupanqui, und Chuchi-
Capac mit seinen Häuptlingen flüchtete unter Frauenverkleidung in
die Provinz der Lupacas, wo sie indess (gleich den Huaca von Inti
UNIVERSITÄT. 195
u. A. m.) in die Gefangenschaft der Inca fielen und in den See von
Urcos geworfen wurden (s. Santa Cruz).
Bei Almagro's Expedition nach Chili erzählten die Indianer von
einem Flusslande, dass nur von Frauen bewohnt würde (nach Zarate).
Sie duldeten keine Männer unter sich, ausser zu gewissen Zeiten, um
Kinder von ihnen zu empfangen. Brächten sie Söhne ^) zur Welt, so
schickten sie dieselben ihren Vätern zu. Die Mädchen dagegen be-
hielten sie bei sich, um sie zu erziehen. Sie würden von einer Kö-
nigin, die den Namen Gabaymilla (Goldhimmel) führe, regiert und
ständen unter der Oberhoheit eines benachbarten Fürsten (s. Külb).
Orellana erfuhr von den Indianern am Maranon, dass einige Tage-
reisen weiter ein Land sich befände, das nur von Weibern bewohnt
werde. Sie verständen es trefflich Krieg zu führen und vertheidigten
sich tapfer gegen ihre Nachbaren (Zarate).
In Yucatan^) hörte Grijalva (nach Peter Martyr) von Amazonen,
„que havia Amagonas en ciertas islas" (s. Gomara), und Cordova kam
(15 17) von Cuba aus nach der Isla de Mugeres mit vielen Götzen
„de las diosas de aquella tierra, como Aixchel, Ixchebeliax, Ixbuni^,
Ixbunieta" (s. Landa). In dem „Punta de las Mugeres" genannten Vor-
gebirge Yucatan's fanden die Spanier, wie Garcia erzählt: „muchos
idolos, que parecian mugeres."
In Colima soll Sandoval von den Amazonen in Civatlan gehört
haben (s. Gomara), aber nach Herrera war es nur die Uebersetzung
dieses Namens Civatlan oder Cuatlan (lugar de mugeres), welche
Anlass gegeben habe zu den über eine reiche Amazonen-Insel jen-
seits Yucatan umlaufenden Erzählungen. ,
Guzman vermuthete die Amazonen jenseits Azatlan (1530), wäre
indess (nach Samano) auf dem Feldzuge gegen die Teuler Chichi-
mecas nach dem „Pueblo de las Amazonas" gekommen, zwischen Tepic
und Culiacan gelegen (wo es also die Liebhaber suchen könnten).
Bei einem Besuche Professor Raimondi's, der damals an seinem
Werke über Peru arbeitete, hatte ich Gelegenheit die Universität zu
sehen, in deren Nähe er lebt. An demselben Platz mit Bolivar's,
in München (gleich der Bogota's) gegossenen, Bronzestatue lag das
') Im Haine Anua oder Frauenland (auf Neu-Guinea) sollen (nach M'Farlanc) die
geborenen Knaben getödtet werden. Solo tienen un pecho (die Amazonen «südlich vom
Marafion).
') Punta y islas de Mugeres y Amagona;; (bei Cozumel) wurden so genannt, porque
vieron que estas mugeres destas islas ques dicho , eran todas ellas flecheras y pelean con
arcos, assi como los indios (s. Ovicdo).
13*
196 PERU UNI) ECUADOR.
frühere Gebäude der Inquisicion, das den Namen gab, der jetzt in
Plaza de la Independencia geändert ist.
Man hat mit Recht behauptet, dass die spanische Inquisition*)
besonders durch den Staat ausgenutzt wurde, und dass sie insofern
zum Theil den Character eines Staats instituts trug. Aber auch als
solches war sie einzig und allein unter den kirchlichen Lehren mög-
lich, und wenn die Päpste nachher mitunter in Opposition standen,
bezog sich das nur auf die befürchtete Beschränkung ihrer eigenen
Macht durch einen mächtigen Rivalen, und also auf Streitigkeiten
innerhalb der Kirche, so dass diese immer die ganze Verantwortung
für solchen Schandfleck der Civilisation zu tragen haben würde,
einen doppelt schändlichen, da eine edle und begabte Nation dadurch
veranlasst wurde, sich das Grab eigener Erniedrigung zu graben.
Jedoch besass dieses finstere Gerichtstribunal immerhin durch
seinen Reflex auf die Atmosphäre leichtfertiger Umgebung eine Art
sittlichen Hintergrund und war dort Angriffen ausgesetzt, weil man-
chen Ausschweifungen (der Geistlichkeit selbst) dadurch ein Zügel
angelegt wurde.
Si no fuera por la inquisicion, el confesionario seria un burdel
(sagt Villanueva). Die Mönche führten in Südamerika (wie Hamilton be-
merkt) „as dissolute a hfe in the new world as in the old. A fcw years
before a dominican friar seduced seven young girls at Bogota, to
whom he acted as father confessor. They were all pregnant nearly
at the same time." Auf Klage der Verwandten durch die Inquisition
nach Spanien geschickt, wusste er sich durch Bestechungen zu recht-
fertigen und konnte nach einem Kloster Cartagena's zurückkehren,
*) Neben dem römischen Slrafprozess , der auf dem Prinzip der Anklage gegründet
war, fiihrte Innocenz III. («J* 12 16) den inquisitorischen oder Untersuchungsprozess (bei
Zunahme der Ketzer, wie Waldenser, Albigenser u. s. w.) ein, woraus sich unter Bestä-
tigung Sixtus' IV. die spanische Staatsinquisition, besonders durch die Anusim oder Ma-
ranatha (Maranos) als Xuevos Chrislianos oder verkappte Juden veranlasst, herausbil-
dete (1478). Der 15 16 mit Juan Quevedo durch Ferdinand V. in Amerika vorbereiteten
Inquisition wurde durch Carl V. verboten, die getauften Indianer wegen Haeresie zu ver-
folgen (1538). Desto ärger wtithete man aber gegen die weissen Ketzer. Bischof
Loaysa in Lima hielt bereits im Voraus drei Auto-da-f(6 ab, ehe noch das Inquisiüons-
tribunal in Peru aufgeschlagen war (1569), und sein erstes Auto-da-f6 wurde 1573 durch
die Verbrennung eines französischen Haeretikers eingeweiht. La inquisicion vino cn 157 1,
y ya en 1574 hubo (en Mejico) un auto de f^, en que fueron quemadas cinco personas
(Pimentel), ohne die Verfolgung der noch heidnischen Indianer. Die Geistlichen sind all-
mächtig in Amerika (bemerkt Coreal), ,,de sorte que la plus grande h^resie et la plus
digne du feu, c'est de contredire leur volonte et de s'opposer h. leur scntiraens et ä leur
passions. Ce qui regarde les dölmuches n'est qu'une bagatelle. II est facile d'en avoir
rabsolution" (1666).
INQUISITION. 197
indem die Kirche absolvirte, wo das, wenigstens halb- weltliche Ge-
richt der Inquisition verurtheilt hatte, und ein ganz weltliches auf
das Strengste gestraft haben würde.
Als auch die „Iglesias de Ultramar" mit dem Institut der Inqui-
sition beglückt wurden, sahen sich die Indianer eine Zeit lang von
dieser Wohlthat ausgeschlossen, weil sie als Unmündige betrachtet
wurden, und nicht einmal des Verbrennens werth.
Philipp IL setzt 1571 Inquisitions-Tribunale ein, in Lima, Mexico
und Carthagena. Bald darauf erhielt auch die Flotte ihre besondere
Inquisition und dann folgte die des Heeres. Bei dem Autodafe Lima's
1639 wurden aus 72 Verurtheilten 11 verbrannt und i in efiigie, bei
dem von Cuenca (1654) aus 57 Verurtheilten 10 dem Feuertode über-
liefert.
Das erste Autodafe in Mexico*), bei dem einige Franzosen und Eng-
länder verbrannt wurden (1569), ward mit solchem Glanz gefeiert,
dass nur die Gegenwart des Hofes fehlte, wie man meinte, um dem
in Valladolid 1559 gleich zu kommen (s. Llorente).
Während des Unabhängigkeitskrieges brach das Tribunal vor der
Volksrache zusammen, aber Tschudi lernte noch 1842 in Lima einen
bejahrten Krüppel kennen, den die Inquisition in seinen jungen Jah-
ren auf die Folter gespannt und alle Gelenke im Körper ver-
renkt hatte.
Der während der schönen Tage der Guano Ausbeutung und der,
im Vertrauen auf sie und die Silberminen durch unumschränkten Cre-
dit ermöglichten, Geldanleihen in der vom Fett des Landes und
seiner Hoffnungen genährten Hauptstadt zusammenströmende Geld-
überfluss hat in Lima mancherlei Verschönerungen in Spaziergängen
und anderen Belustigungsplätzen hervorgerufen, sowie auch hygie-
nische Verbesserungen, obwohl die letzteren in geringerem Mass-
stabe, als wünsch enswerth wäre, und oft nicht ohne Opposition^) da-
*) Bei dem inexicanischen Au(o-da-fe 1579 wurde auch der irländische Literat Lamport
verbrannt, weil seine Schriften, wie es in der Verurtheilung heisst, Dinge enthielten, die
gegen die heilige Inquisition gerichtet seien.
') Ehe von dem Vice-König Abascal der neue Friedhof ausserhalb Lima's angelegt
war, all the dead were buried in the churches or rather placed in vaults, many of which
had wooden, trap-doors, opening in the (loors, and notwithstanding tHe plentiful use of
lime, the stench and othcr disgusting effects were sometimes almost insufferable (s. Steven-
son). Aber trotz dieser im dortigen Klima doppelten Gesundheitsschädlichkeiten bedurfte
es bei den Bigotten militärischen Zwanges zur Einführung der Reform. In Leon the
practice of burying in the churches has always prevailed, and is peri)etuated thiough the
influence of the priests, who derive a considerable fee from each burial. The consequence
198 PERU UND ECUADOR.
gegen. Doch werden die von der Natur begabten Bewohner dieser
Länder, seit sie durch die, von den Republiken decretirtc, Auf-
hebung der Klöster von dem schwersten Alp befreit sind, bald un-
behinderter im Geiste freier Entwickelung voranzuschreiten beginnen.
Das literarische Leben in Lima verlief sich so ziemlich in den
Spalten der Zeitungen und blieb der Hauptsache nach auf die Tages-
politik gerichtet. Zur Hebung des Unterrichts hat die Republik
Peru 's, gleich der Columbiens, fremde Lehrer eingeführt, während in
Ecuador die Jesuiten zurückberufen sind, deren frühere Wirksamkeit
innerhalb der Missionen in Südamerika noch erinnerlich bleibt und
als ihre Zeugen an manchen Plätzen umfangreiche Ruinen zurück-
gelassen hat.
Wie weit freilich über das damals erreichte Niveau weitere
Früchte zu erwarten gewesen, bleibt um so mehr dahin gestellt, weil
oft schon während der Anwesenheit der Gründer der V^erfall eintrat.
Dass die Vertreibung der Jesuiten im vorigen Jahrhundert grade
für Südamerica von tief eingreifenden Folgen gewesen, ist bekannt
und vielleicht lehrt jetzt ein neues Experiment, welchen Einfluss ihre
Restitution haben dürfte.
Obwohl die Jesuiten, als dem heiligen Stuhl geweihte Streiter, im
speciellen Dienste des Papstes in die Welt hinauszogen, wurden sie
doch, nach einem Jahrhundert der Probe bald diesem selbst unbequem.
Ihre Gefahr für jedes (ob politisches oder kirchliches) Gemeinwesen
lag eben darin, dass sie einen Staat im Staate bildeten, und zwar trat
dies um so bedenklicher hervor, weil sie durch ihre simulirte Unter-
ordnung unter das päpstliche Regiment das weltliche unterminiren
mussten. Als geschlossen organisirte Phalanx begannen sie bald
überall, mit der durch ihre Grundsätze gestatteten Unbedenklichkeit^)
der Mittel wähl, sich Monopole zu schaffen, für die geistigen Inter-
essen nicht nur, sondern auch für die wirthschaftlichen.
Durch die gute Verwaltung und grossen Gewinne der Hacienda „son
los padres de la Compania los que dan la ley (in Lima, Quito und ande-
ren Hauptstädten) sobre los precios" der Verkaufsartikel (schreibt Ulloa).
is, that the ground within and around the churches has become (if the term is ad-
missible) saturated with the dead (Squier).
*) In seinem' Briefe über ,,los buenos efectos producidos en su diöcesis por cl e^trafia-
niiento de los Jesu itas" schreibt der Bischof von Buenos - Ayres (al Conde de Aranda;:
Se han encontrado en poder de los Padres los aiitos originales, que para su beatifica-
cion y fidelidad, dolosamente formö en las llamadas Misiones su General D. Pedro Ce-
vallos, violentando y aterrando a los testigos (aun de graduacion) para que fimiasen fal-
samente (1767).
JE>UITEN. IW
Wenn das den übrigen Gesellschaftsklassen zum Stimulus gedient
hätte, und ebenso ihr unter festerer Aufsicht geregelteres Leben den
geistlichen Orden, so würden sie in diesen Einzelnfallen, wie auch
in anderen geschehen ist, anregend haben wirken können, obwohl
die Folgen schliesslich, als immer nur der egoistischen Tendenz
dienend, verderblich ausschlagen und desshalb abgeschnitten werden
mussten, wie es im Consensus der Staatsgcsellschaften im vorigen Jahr-
hundert erkannt worden.
Bei der drohenden Rückkehr dieses im Geheimen wirkenden
Orden's hat man nun in Südamerica vielfach geglaubt, ihn durch
einen andern Geheimorden bekämpfen zu müssen, nämlich den der
Freimaurer, ein sehr unglücklicher Gedanke jedenfalk, sowohl der
Vergleichungen wegen, die leicht provocirt werden, als weil man damit
den Gegnern eine Waffe in die Hand giebt, die von den Getroffenen,
zumal bei selbstwilliger Verpflichtung znm Stillschweigen, kaum parirt
werden kann.
Es beweist ein gänzliches Missverstehen der hier angezeigten
Taktik, wenn man einem in Dunkelheit wirkenden Intriguanten auf
seinem eigenen Felde dunkler Nacht entgegentreten zu müssen meint,
und wer hier dann mit ehrlichen Waffen kämpfen will, muss um so
sicherer dem unterliegen, der sich bei der Zweckheiligung der Mittel
kein Gewissen daraus macht, hinterrücks zu morden.
Der wahre Gegner des jesuitischen Glaubensfanatismus ist die induc-
tive Naturwissenschaft, die mit blanker Waffe gerüstet dasteht, am
hellen Tage des Sonnenscheines, der alle die dämonischen Gespenster,
wenn sie sich überhaupt aus ihren Verstecken hervoru'agen sollten,
rasch in seinem Glanz zerstreuen wird.
Wenn der des phantastischen Aufputzes mit salomonischen
Tempelomamenten entkleidete Freimaurerbund, in seinem Hervor-
gehen aus den Hüttenordnungen der Steinmetz • Bruderschaften und
sonstigen Bauhütten, in der historischen Entwickelung für einige
Stadien seiner Existenz, gleichzeitig mit dem der Rosenkreuzer, eine
gewisse Berechtigung nachweisen kann, so ist er doch jetzt längst
anachronistisch geworden, und droht überall in die Nichtigkeiten*) der
') Lais^ez nou^ aniuser avec ccs extravagances, puibjue cc u'est qu'une fantaisie, qui
n'offense personnc, (juellu quc Mjit M>n origioe cl son objet, bchrieb bei Benedict's XIV.
(t *75^) Kxcomraunication der Freimaurer, ihm ein zu diesen gehöriger Freund aus Neapel,
und der Pap*^t , der über den Hricf eine gute l.ache halte, antwortete seinem Freunde,
er brauche nicht bange zu scin^ ,,car surement il ne dess^cherait pas pour cela", comme
on pretend, qu'il cn arrivait autrefois a ccux , qui etaient excummunies (s. Llorente).
Wenn es so gefahrlich wäre, würde der l'apst auch etwas zu viel auf dem Gewissen haben.
200 PERU UND ECUADOR.
Oddfellow's und ihrer Consorten zu verlaufen, wenn auch gerade in
den noch jüngeren Verhältnissen der Vereinigten Staaten Momente
eintreten mögen, wo eine Vigilance-Comittee, gleich der, welche San
Francisco rettete, angezeigt sein mag, oder ein Kluxkux-Club sein
Wesen treiben mag. In Europa sind aber die, in Africa durch die
Existenz eines Purrah- oder Semo- Bundes characterisirten. Zustände,
wie sie im Mittelalter die Vehmgerichte hervorriefen, seit Jahrhun-
derten überwunden, und dass in unserer Zeit keine Geheimnisse mehr
verborgen gehalten werden können, wird der in diesen mysteriösen
Bund Eintretende bald erkennen, und die von Cato den Auguren
beigelegte Begrüssungsweise auch bei den Freimaurern vermuthen.
Obwohl aus eigener Erfahrung nur von drei Graden geredet werden
kann, dürfte doch auch der mit entsprechender Erleichterung der
Börse zum neunten oder dreissigsten der schottischen Grade Auf-
gestiegenen dem inomeiv nicht viel näher sein, als der sich der
Privilegien auf der neunten Stufe des Egbo-Ordens Erfreuende, und
wird kaum etwas hinzugelernt haben, wenn er sich nicht für Lord Der-
went-Water's stuartische Prätensionen interessirt. Gewiss ist nichts
leichter zu erfüllen, als das abgelegte Gelübde der Verschwiegenheit,
denn so sehr die Eingeweihten ihr Gedächtniss martern möchten,
sie würden nur gestehen können, dass es eben nichts zu gestehen gäbe,
und noch weniger Etwas zu enthüllen, ausser etwa liberale Sentenzen,
wie sie heutzutage Jeder im Munde führt, oder Proclamirung humaner
Grundsätze, die alle Ehre verdienen, aber nicht solch umständlichen
Apparates benöthigten. Vielleicht dürfte der Mehrzahl der, nach der
Ueberraschung durch die Einweihung, Entnüchterten das Wort
Lessing's auf der Zunge liegen, der, als befragt, ob er im Freimaurer-
bunde nichts Verdächtiges gefunden, in der Antwort meinte, dass er
dann doch wenigstens Etwas gefunden haben würde.
Der abgelebte Formelkram einer rasch vorübergegangenen und
von dem Umschwung des Zeitenrades längst fortgerissenen Epoche
vermag es nicht, die geeignete Waffe zu liefern, um mit der alten
und immer neu gehäuteten Schlange des Aberglaubens iu kämpfen,
die mit den aus der Nachtseite der Menschennatur gesogenen Glau-
bensdünsten ihre Opfer befangen hält.
Hier können nur die offenen und deutlichen Lehren der Wissen-
schaft das bannende Entscheidungswort sprechen, um den bösen
Spuk in seine Tiefe zurückzuscheuchen, und der freien Entwicke-
lung freie Bahn zu öffnen.
„Die Freimaurerei ist die Kunst, mit den durch die Vernunft zum
LEGUA. 201
Endzwecke der Menschheit gegebenen Gesetzen (deren Wissenschaft die
Moral bildet) durchaus übereinstimmende Handlungen hervorzubringen"
(nach Fessler), und zwar unabhängig von dem Unterschiede der Con-
fession, des Landes, des Ranges (unter symbolischen Gebräuchen,
die von den Handwerksmaurern und Steinmetzen entlehnt sind) in
der Bauhütte (nach den Grundsätzen des Christenthums) Humanität
fördernd (um die Bestimmung der Menschheit zu erreichen).
Für Alles das bedarf es keiner Geheimbündelei , sondern für die
Ziele der Menschheit ist ein gemeinsames Zusammenwirken auf der
Breite des in Arbeitstheilung errichteten Wissensgebäudes erforder-
lich, und selbst die in den Vordergrund geschobenen Wohlthätig-
keitszwecke verlieren, weil partielle, an sittlichem Werth, da jeder
als Nächster gelten muss, ob Freimaurer oder nicht. Wenn Zeit und
Lust für die Fortsetzung nichtssagender Ceremonien bleibt oderdieMög-
lichkeit, ihnen einen neuen Sinn zur Unterhaltung unterzuschieben,
wird die Fortexistenz des Freimaurerordens Niemand geniren, es ist
aber besonders für Südamerica rathsam, diese Bundesgenossenschaft
im Kampfe gegen die Kirche abzulehnen, da es sich hier um ernstere
Dinge handelt, und einen allzu gefährlichen Gegner, als dass es ge-
stattet wäre, mit ihm zu spielen.
Dass solcher Mysterienschleier zu selbstsüchtigen Zwecken,*) von
Unscrupulösen auch im schlechten Sinne, ausgenutzt werden kann,
versteht sich ohnedem von selbst, und so lange erden offenen Blick
behindert, bindet sich die freie Wissenschaft in der Bundschaft einen
Stein an's Bein, der dem Gegner dann eine Handhabe zu Angriffen
giebt, die, so ungerechtfertigt sie an sich auch seien, doch die Unein-
geweihten täuschen mögen.
Hinsichtlich der bei dem Schwankenden der peruanischen (oder
iiberhaupt südamericanischen) Legua oft in Betreff des Wegemaasse's
täuschenden Angaben der Reisenden über zurückgelegte Entfernun-
gen, bemerkt Raymondi (1874):
„Fast überall in Peru bedient man sich der Legua, um Entfer-
nungen anzugeben, aber man muss eingestehen, dass der Gebrauch
dieses Wortes ein sehr elastischer ist (es preciso confesar, que no
hay palabra mas eslästica que esta entre nos otros), da die Länge an
^) The first polittcal subject in order is the furious contest that for len ycars was
carried on between two political societies, known as ihe Escoces and Vorkinos (Scötch-
Frce-Masons and York-Free-Masons), whose secret organizations were eraployed for poli-
tical purposes by two rival paities (s. Wilson) in Jalapa , wo es (nach Suarez y Navairo)
zwischen den Generälen Bravo und Guerrero zum Kampf kam (1828).
202 PERU UND ECUADOR.
jedem Ort eine verschiedene sein mag. Im Allgemeinen wird sich
indess sagen lassen, dass die durchgängig gebrauchte Legua unge-
fähr, mehr oder weniger, fünf Kilometer entspricht, also Varas 5983).
In manchen Gegenden des Innern, auf sehr gebrochenem Terrain,
st die Legua meistens kürzer, und überschreitet selten, wie sich
sagen liesse, 4 Kilometer (Varas 4786). Im Uebrigen muss beachtet
werden, dass die Legua von Peru weniger ein Maass des Weges, als
ein zeitliches ist, und als solches wechselt seine Länge, je nachdem
man von einem flachen Lande redet, wo ein rasches Vorwärtsgehen
möglich ist, oder von einem gebirgigen, auf dem sich allerlei Hinder-
nisse in den Weg stellen. So lässt sich z. B. berechnen, dass man auf
guten Thieren jede Stunde zwei Leguasvon fünf Kilometer zurücklegen
mag, wenn es sich um die Küste handelt, und zwei Leguas von vier Kilo-
meter im Innern. Um diese gleichen Entfernungen im gewöhnlichen
Reisepass (al paso llano de Camino) auf Maulthieren zurückzulegen,
wird es gewöhnlich anderthalb Stunden bedürfen, d. h. etwa eine
Stunde für % Legua, mehr oder weniger, und auf schlechteren Thieren,
oder mit dem Gepäck auf'Lastthieren reisend, benöthigt man eine
Stunde für jede Legua von 5 oder 4 Kilometer, je nachdem die
Küste oder das Innere in Frage kommt.
Nach einigen Departamenta sind Beamte geschickt worden, um
die Oertlichkeiten auszumessen und die Routen festzustellen, und
diese haben, wie es scheint, geographische Leguas von 5,555 Meter
6666% Varas) gemessen, welche im Vergleich mit den gewöhnlich
gebrauchten sich als sehr lange ergeben und dies soll nach einer
bei den Bewohnern der von ihnen besuchten Plätze vorherrschenden
Ansicht, absichtlich geschehen sein, um die Meilengelder zu ver-
ringern, da jene Beamten im Auftrage der Regierung geschickt waren.
Allgemein gesprochen, macht man im Lande keinen Gebrauch
von diesen Itinerarien, und wenn von den durch die Regierungsbeamten
gemessenen Entfernungen gesprochen wird, so heisst es nicht einfach
Legua, sondern die (officiellen) Legua der Regierung (leguas del
Estado). Auch pflegt man solchen Leguas den Namen desjenigen
hinzuzusetzen, der sie gemessen hat. So z. B. heissen sie im Depar-
tamento de Amazonas die Leguas Aguilar s, in Ancachs kennt man
sie unter dem Namen Canas' leguas und im Departamento von Puno
werden sie bezeichnet als Castanon's leguas.
Hieraus geht hervor, dass das Wort Legua ^) in Peru eine sehr
*) La Legua cubana 6 provincial tiene 5CXX) Varas Cubanas ö 208^ Cordeles = 5^75 1
171 10 Varas Castellanas, 6 5075 Varas 6 Pulgadas, i Linea, ii Puntos 6 10,9824 Puntos
cocA. 203
unbestimmte Bedeutung hat, da es zwischen Entfernungen von 4000,
von 5000 und bis zu 5555 Meter schwanken mag.
Eine andere, sehr eigenthümliche Methode, Entfernungen zu
messen, und die von den Indianern einiger Theile Peru's verwandt
wird, wie z. B. in der Provinz Pataz, ist die nach Cocadas (Coca-Bissen).
Bekanntlich findet sich bei der Mehrzahl der peruanischen In-
dianer der Gebrauch, die Blätter der Coca (Erythroxylon Coca) zu
kauen, was ihnen als stärkendes Reizmittel dient, und sie befähigt,
körperliche Anstrengungen zu ertragen, ohne reichlicherer Ernährung
zu bedürfen.
Es ist dabei nun in Beachtung zu ziehen, dass die durch das
Kauen einiger Cocablätter gewährte Anregung in ihrer Wirkung für
einen umschriebenen Zeitraum fortdauert, und wenn das Coca-Kügel-
chen (AcuUico oder Prümchen), das im Mund gehalten wird, nicht
durch neue Blätter seinen Ersatz findet, so geht die Anregung vor-
über und gleichzeitig beginnen dann die körperlichen Kräfte zu
sinken. Diese Zeitdauer, während welcher die Aufregung anhält,
oder, besser gesagt, die Entfernung^), welche innerhalb dieses Zeit-
raumes zurückgelegt werden kann, bezeichnet dasjenige, was der
Indianer der Provinz Pataz unter dem Namen der Cocada begreift.
Aus dieser Auseinandersetzung folgt, dass die Cocada ein Maass
der Zeit ist, und nicht des Weges, wie es ebenso, nach dem oben
Gesagten, in manchen Fällen für die Legua gilt, und demgemäss
wird die zurückgelegte Entfernung eine sehr verschiedene sein, ob
in flacher Ebene, ohne irgend welche Hindernisse, oder in einem
gebrochenen Terrain mit Auf- und Absteig.
Als Resultat aus den während meiner Reise gemachten Beob-
achtungen, lässt sich ableiten, dass der Beginn der Anregung einige
(8 — ig) Minuten, nachdem die Cocablätter in den Mund eingeführt
Castellanos = 4242,3640650 Metros. V como la legua de 20 al grado ecuatorial com-
pone 6^*58,22366 Varas Cubanas, 75,1711 Varas Castellanas menor que la Icgua Kspafiola
de 6656,82 Varas Castellanas, ese grado imporla 131.164,47320 Varas Cubanas, eslo es,
caben en el 26,23289 Leguas Cubanas 6 26 Leguas Cubanas y cerca de \~~ 1 Legua
Cubana tiene 2,63235 Millas Ingleses La Legua Cubana cuadrada 43.402,78 Cordeies
cuadrados Cubanos = 133,95919 Caballerias. La Legua Corralera = 105,28067175 Ca-
ballerias = 0,78590975 de aquella Legua cuadrada Cubana. La Legua Ecuatorial cua-
drada 757361,69427521 Varas Castellanas mas que la Legua Cubana cuadrada de
25.757.361,69427521 Varas Castillanas cuadradas (Pichardo). La Legua de Corral 6 Cor-
ralera = 105,28067175 Caballerias (la quarta parte del Corral). Montoja setzt die Legua
ecuatorial , als 5565 m. (sonst 5564 ™' 5).
') Wie man in Westphalen nach einer Pfeife Tabak, oder dem Rauchen derselben
die Entfernungen angiebt.
204 PERU UND ECUADOR.
sind, anzusetzen ist, und dass sie, wenn man keine neuen Blätter zu-
fügt» 35 — 40 Minuten dauern wird. So würde die Cocada als ein
Zeitmass zu betrachten sein, das zwischen 35 — 40 Minuten schwankt,
und während welches, nach der Marschweise des beladenen Indianer's,
auf einem ebenen Terrain etwa 3 Kilometer zurücklegbar sind oder
höchstens 2 Kilometer beim Bergsteigen.
Während meiner Fussreisen zwischen der Ansiedelung Tayabambe
und dem Fluss Huallaga hatte ich Gelegenheit, das eben dargelegte
genauer zu beobachten. Ich kann hinzusetzen, dass die Indianer ihre
festen und bestimmten Plätzen haben, an welchen sie ausruhen und
die verbrauchte Coca durch neue ersetzen, und da sie hierfür immer
einen etwas offenen Platz wählen, oder die Höhe eines Hügel's, so
werden dadurch einige Cocada's länger, als andere. In solchen Fällen
sah ich sie im höchsten Grade der Erschöpfung an dem Ausruheplatz
ankommen, und bemerkte oftmals die äussersten Anstrengungen zur
Beschleunigung des Schrittes, um den genannten Ort zu erreichen,
wo sie sich dann mit der schweren Last niederfallen Hessen, und
einige Minuten gleichsam bewegungslos liegen blieben, ehe sie sich
wieder daran machten, ihr Lieblingskraut zu kauen. Es war dann
immer bewundernswerth zu sehen, wie, nach 8 — 10 Minuten einer
Labung von der Coca, sie sich neu belebt fühlten, oder, nach ihrer
Ausdrucksweise, gerüstet und befähigt, mit ihrer Last von vier Arro-
ben die Reise bis zur nächsten Cocada fortzusetzen, indem am Tage
6 — 8 Cocadas zurückgelegt wurden.'*
Die Coca, gleich all' den narkotischen Excitantien, die sich in
verschiedener Art auf der Erde im Gebrauch finden, wird durch ihre
Wirkung in Stählung der feinsten Federn des Körpers (im Nerven-
system) momentan raschere Erfolge zeigen, in der Dauer aber natür-
lich die Maschine um so gründlicher verbrauchen, da sich diese
normal nur durch die in grösserer Masse zugeführten Nahrungsmittel
des Feuermaterials bei langsamer und regelmässiger Verbrennung im
Stande erhalten lässt.
COLUMBIEN.
Auf dem Dampfer Arequipa (15. October) eingeschifft, berührten
wir am 15. October Payta, passirten Nachts Punta Parina, dann Cap
Blanco unter Eintritt einer wärmeren Temperatur, wofür Humboldt
als botanischen uud klimatischen Wendepunkt den Hügel Amotape
zwischen Punta Parina und Cap Blanco ansieht, und gelangten nach
Einlaufen in Tumbez und Passiren der zwischen den Flüssen Tumbez,
und Santa Rosa (am Rio Ana-capa) liegenden Grenze Peru's und
Ecuadors, am folgenden Tage nach Guayaquil (16. October). Die
an mehreren Berührungspuncten , besonders in den Andesländem,
zweifelhafte Grenze zwischen Ecuador und Peru hat sich nach dem
Uli possidetis vom Jahre 18 10 zu ergeben. An der Küste kann der
nördliche Zweig des Tumbez-Flusses dafür angenommen werden.
Als Pizarro nach seinen Kämpfen beim Pueblo Quemada, wo später
Almagro den Verhau (Palenque) zerstörte (gegen Verlust seines Auges),
nachChicama gekommen war und durch den ihn dort nach seinem Umher-
kreuzen erreichenden Almagro von der Entdeckung des Rio San Juan
(Patia) gehört hatte , führten die Fahrten des von ihnen ausgeschick-
ten Piloten Bartholomäus de Ruyz (jenseits der Flüsse San Juan und
Cartagena) über die bewohnte Isla de Gallo nach der Bay von San
Mateo*) und dann, nachdem bei Coaque (der Fluss Cuaque, auch als
Name des Bergzuges) das Handelsfloss aus Tumbez angetroffen war,
nach der Punta de Pasaos (unter dem Aequator) an den Mündungen der
Quiximies (Cojimies)*) genannten Flüsse bei Cap San Francisco.
») Das Cabo San Mateo liegt östlich von Manta.
') Die Ortschaften Cojimies (Cuagues , Camarares u. s. w.) an dem vor den Inseln
Cojimies ausmündenden flusse Cojimies gehören zum Canton Montechristi in der Provinz
Manavi' (s. Villavicencio).
206 COLUMBIEN.
Nachdem Pizarro über die Isla de Gallo zur Bay von San Mateo ge-
folgt war, drang er dort erst bis Jacamez*) und nach der Umkehr
aufs Neue bis TerapuUa vor^), wandte sich darauf aber nach der
Isla de Gallo zurück, wo sich die Indianer vor den Fremden auf das
Festland zurückzogen. Mit den dreizehn Gefährten, die nach der
Rückberufung durch Juan Tafur, bei Pizarro verblieben, begab er
sich später, der grösseren Sicherheit wegen, nach der Isla Gorgona
(San Felipe), bis Bartolomäus de Ruyz Verstärkungen aus Panama
herbeiführte und dann die Fahrt bis Tumbez fortgesetzt wurde.
In Guayaquil (wo ich mich von den Bekanntschaften meines
früheren Besuches jetzt verabschiedete), verweilten wir bis zum Mor-
gen des 18. October, wann wir Puna passirten und in der Ferneden
Morro erblickten. Die Küste erstreckt sich niedrig, mit einiger Vege-
tation, vor schwach gehobenen Reihen welliger Hügel in der Ferne.
Das Land fiel dann aus Sicht, und als wir wieder näher kamen, er-
blickten wir an niedriger Küste die hügelig gestreckte Erhebung von
Punta Santa Elena, dem Landungsplatz der Giganten, wo sie ihre
Brunnen') gruben und dann durch Himmelsfeuer vernichtet wurden.
Eine schwach gehobene Küste zieht sich umher bis Balasuta.
Bei Punta Elena und sonst in der Umgegend Guayaquil's werden
die Strohhüte von den ganzen Strohhalmen geflochten, in Catacaos
(in Peru) von getheilten (nach Kochen in Schwefel), wie in Eten in
natürlicher Färbung (und auch von Rohr) nebst Cigarrentaschen.
Vorzugsweise werden die Strohhüte in Manavi gefertigt, und das
beste Stroh wächst bei Punta Elena, wo man die feinen Strohhüte
nur bei Nacht arbeitet. Vor etwa 30 Jahren begann die Ausfuhr
des Strohes nach Catacaos, später nach Eten und dann nach Azo-
gues (in Columbien nach Aguadas).
Am nächsten Morgen erschienen geschwungene Hügel an der
Küste, während wir uns zwischen diesen und der Insel Plata befan-
den, dann weisse Klippen mit grünschwarzer Decke, und die Punta
San Lorenzo mit detachirten Felsen. Wir begleiteten ein schwach
*) Unter den Vorgebirgen an der Mündung des Ksmeraldsis bis zum Cap San Fran-
cisco wird James (zwischen Sua und Tortugas) mit Punta-gorda und Galera aufgezahlt.
Der Rio Chones , der mit dem Tosagua verbunden , in die Bay von Caraccas mündet,
nimmt in der Höhe von Zama die Flüsse Platanos, Chagualü und Mosquitos auf.
') Pulla bezeichnet Nebelgewölk, wie inTuc-Pulla (arena como nieblina).
') Das Wasser der jetzigen Brunnen gilt für ausnehmend gesund, und wie Villa-
vicencio bemerkt, werden die Leute dort sehr alt. Hacen una vida larga , pasando regu-
larmente de 80 aiios (so konnten sie wohl zu Riesen auswachsen).
MANTA. 207
geneigtes Hügelklippenland bis Punta San Mateo, und dann eine ge-
brochene Tafelebene, der zackige Hügel folgten. Im Rückgrund lag
Monte Christo, nach Zerstörung der alten Seestadt angelegt, und wir
ankerten vor dem jetzt Manta genannten Hafen. Die gestrüppartig
bewachsene Küste hebt sich zu niedrigen Hügelzügen, und an dem
Fusse des Zackenhügels dahinter erscheinen die Häuser Monte-Christo's,
während seitlich in der Feme der Cerro de Hojas sichtbar ist, der
alte Rathssitz der Cara, deren Steinsessel jetzt zum Theil nach
Europa transportirt sind, um in den Museen aufbewahrt zu werden.
Neben den Steinsesseln wurden sculpirte Stfeine gefunden, mit Figu-
ren und Schlangen umgeben, und eine interessante Series steinerner
Alterthümer von dort, die, zum ersten Mal die eigenthümliche Cultur
der Caras in einiger Mannigfaltigkeit zu repräsentiren vermögen, sind
in Folge der damals eingeleiteten Beziehungen in der Zwischenzeit in
das Museum Berlin's gelangt.
Beim Landen in Manta führte uns ein Spaziergang, ausserhalb
der sich aufwärts ziehenden Häuser des Ortes, zwischen Gestrüpp
und Cactus über wellige Kugelerhebungen mit niedrigen Erdhügeln,
aus Steinen an der Spitze aufgebaut, mit Reihen längs gestellter
Steinen. Aus Manta antigua (mit der Hauptstadt Cancebi), wo Rui-
nen von Steinhäusern übrig geblieben sein sollen, fand sich am Hause
des Herrn Calderon im Hafen eine Steinfigur*), ein doppelköpfiges
Thier vorstellend, für den Gebrauch als Trommel.
Am nächsten Morgen liefen wir in die Bay^) von Caraccas (Bahia
de San Antonio de Caracas) ein, eine weite Bucht von Klippenhügeln um-
zogen. Wir landeten an der Ortschaft Caraccas oder Caraquis, auf
einer Sandfläche am Fusse kuppiger Hügel, von denen sich eine Höhen-
reihe umherzieht, gegenüber dem Ausfluss des Chones-Flusses. Vom
Cerrito, einem Kuppenhügel hinter dem Dorf, blickt man auf das
Aestuarium des Flusses zwischen Hügelreihen, und jenseits des vor-
springenden Punctes auf das Meer an der Bucht. Nach der Volks-
tradition hätte früher in der Bay von Caraquis eine grosse Stadt ge-
standen, die vom Meer verschlungen*) wurde, und besonders in der
'} Von den Ri$^sen von Punta Elena ,,siehel man noch jetzund etliche steinerne
Bildsäulen ausserhalb I*uerto Viejo" l)emerkl Dapper, und dass Juan Holvius damoch
jjesucht (nach W'eitfliet).
'j In der Bay von Caraccas wc bad a fine view of the gigantic Chimborazo, towering
in awful majcsty , with his snow-crowned summit far ahove the clouds, erzählt Morrell.
Kin solcher Anblick ist selbst in («uayaouil selten, ausser an begünstigten Tagen.
•) AIcedo bemerkt vc»n der Bahia de C'araqucs (bei Cabo Pasao): ,,en ella hubo un
pueblo que tenia el mismo nombre, aiyas niinas permanecen".
208 COMJMBIEN.
Morgendämmerung wird noch mitunter der Klang der versunkenen
Glocken gehört und fernes Singen (indem sich in Folge des Regens eine
Aushöhlung gebildet haben mag, die dröhnt). Bei der Rückkehr an
Bord erlitten wir längeren Aufenthalt durch Reissen der Ketten, mit
denen der kleine Hülfs- Dampfer die Ladungskähne zu schleppen
hatte.
Das Cap Pasaos bildete nach Unterwerfung der dortigen Stämme
(der Pasaos) die nördliche Grenze des Incareichs an der Küste (unter
Huayna-Capac). Die Bay von Caranguis (Caraquis) gilt als der Lan-
dungsplatz der Caras, die unter ihrem Häuptling Caran auf Balsas
(Flössen) dort angekommen seien und die Vorbereitungen trafen,
um die alte Dynastie der Quitus auf dem Hochlande zu stürzen.
Am folgenden Tage (October 21.) zeigte sich eine hohe Küste,
die, mit einer höheren Linie aufgesetzt, zur Punta Galera ablief.
Nach vor einander geschobenen Hügelzügen bei Atacames (mit der
Cabo San Francisco) zog sich die Küste an einer weiten Bucht
herum bis Punta Verde, die Mündung des Esmeraldasflusses (seitlich
vom Cap Gordo) an einer Oeffnung zwischen dem, hinter Sandland
aufsteigenden, Hügeln einschliessend. Der in Quito's alter Geschichte
classische Strom windet sich zwischen grün bewaldeten Hügeln her-
vor, mit vorgeschobenen Kuppelhöhen an der Mündung. Die Ort-
schaft (Limones) liegt am Fusse hoher Waldhügel mit Häusern auf
einer Sandbank hinter der grünen Insel im Fluss. Am Nachmittag
trat Regen ein, der auch die Nacht fortdauerte.
Die Provinz Esmeraldas mit der Hauptstadt San Mateo de Es-
meraldas ist auffälliger Weise beständig im Dunkel geblieben, ob-
wohl man theoretisch urtheilend, denken sollte, dass gerade sie vor-
zugsweise Beachtung verdiene, weil so zu sagen die natürliche
Commuftication der schon in ihrem Flussgebiet gelegenen Hauptstadt
mit dem Meere bildend. Es scheinen hier einige besondere Hinder-
nisse vorzuliegen, denn an Versuchen hat es im Ganzen nicht gefehlt,
die natürlichen Schätze dieser Provinz zur Würdigung zu bringen,
wie durch Pablo Durango Delgadillo 1621, durch Franzisco Perez
Menacho 1626 und ebenso Vicentio Justinian Menacho, durch Her-
nando de Soto Calderon 17 13 und (1746) besonders durch Pedro
Maldonado y Sotomayor (der Begleiter Condamine's) „el ilustre Qui-
teno Maldonado", und wurden bei dem letzteren bedeutende Erfolge
verzeichnet, die indess sein frühzeitiger Tod verhindert hat, zu dauern-
den zu machen.
Eine directe Strasse nach Quito wurde von einer englischen
ESMERALDAS. 209
Geselkchaft (Ecuador Land-Company) beabsichtigt, die ihre Arbeiten am
Pailon begann, mit Anlegung einer Niederlassung in San Lorenzo (in der
Nähe der Goldlager von Barbacoas, Playa de Oro und Wimbi).
Die vom Baron de Carondelet nach La Tola vorgeschlagene Strasse
wurde zwar in Angriff genommen, aber liegen gelassen, da sich der
Fluss la Tola als Seeschiffen unzugänglich bewies. Bei La Tola in der
Nähe des Pailon, neben Punta Verde (wo am San-Jago-Fluss die be-
sonderssprachigen Cayapos leben), werden, in Tolitos genannten
Erdhügeln Alterthümer gefunden. Der Esmeraldas^) führt seinen
Namen von den Smaragden, aber bei der dortigen Anwesenheit
Stevenson's wagten die Indianer nicht die alten Gruben aufzusuchen,
weil sie durch einen Donnerblitzc speienden Drachen bewacht
würden.
Ein interessantes Alterthumsstück, eine Goldmaske mit Silber-
belegung nach Aussen, hatte ich bereits früher aus den Anschwem-
mungen bei Esmeraldas zu erwerben Gelegenheit gehabt, und auch
durch den Atacamez werden in der Regenzeit alterthümliche Funde
ausgewaschen, besonders thönerne.
Die Erwerbung der erwähnten Antiquität war der Begünstigung
durch glücklichen Zufall zu danken. Als ich bei meinem ersten Aufent-
halt in Guayaquil über Alterthumsfunde Erkundigungen einzog, wurde
mir von einer versilberten Goldmaske geredet, die vor vielen Jahren
von P^smeraldas nach Guayaquil gebracht sei und zu dem Merkwür-
digsten gehöre, was jemals angetroffen worden. Wo sie sich zur
Zeit befände, wusste damals keiner der in Guayaquil Befragten,
obwohl verschiedene sich erinnerten, sie noch vor nicht allzu langer
Zeit gesehen zu haben.
Auf der Reise nach Quito war gleichzeitig mit mir in Guaranda
1) Der Esmeraldas bildet sich aus der Vereinigung des (luaillabamba mit dem (wie
Stevenson sagt) bei Tacunga entspringenden Rio Blanco und in den letzteren fliesst der
Piti, dessen Schiflfbarkeit auf dem Wege von Quito her zu benutzen wäre. Seine fernsten
Quellen entnimmt der Esmeraldas aus dem Cotopaxi in dem Rio Pedegral, der als
Salto in Wasserfallen die Bergwand des Rumiftaguy und Sincholagua durchbricht,
den auf dem letzteren entspringenden Rio Sincholagua aufnehmend (als Rio Tita)
und dann mit dem aus dem llinisa und Chisinche (unter dem Namen Machachi)
zusammengeflossenen San }*edro (vom Nudo de Tiupullo her) verbunden, als Guangapolo,
der nach der Vereinigung mit dem Rio de la Alcantarilla, als Tumbaco (den Zufluss des
Machdngara empfangend) mit den Wassern des Guaillabamba dessen Namen empfangt,
und dieser bildet dann (in der Nähe des Puerto de Quito oder Canigüe) mit dem durch
den Toachi (aus den Bergen von Moreta) vergrosserten Rio Blanco , der Confluenz des
Tofo (von San Juan Urcu) und des Chaloya (am Pichincha entspringend), den Esmeraldas
(s. Villavicencio).
Bastian: America. I. 1*»
210 COLUMBIEK.
ein auf der Reise nach Guyaquil begriffener Herr eingetroffen, der
zwar in einem andern Hotel wohnte, mich indess aufsuchte, weil von
der Ankunft eines Europäers hörend. Um den Besuch möglichst zu
verwerthen, brachte ich das Gespräch auf einheimische Alterthums-
funde und kam dabei auch auf die silberne Goldmarke zu sprechen.
Mein Reisegefährte kannte sie und konnte mir nach einigem Umher-
kramen in seinem Gedächtnisskasten auch den Namen desjenigen
nennen, bei dem er sie zuletzt gesehen, und zwar in Guayaquil. Da
er sich jetzt dorthin begab, bat ich ihn um vorläufige Nachforschun-
gen, und nahm diese selbst auf, als ich nach einem Besuche Quitos
über Cuenca nach Guayaquil zurückgekehrt war.
Doch schien nicht viel Hoffnung, zu reüssiren. Meine Freunde
des Landes Hessen nichts unversucht, weder Polizei, noch Post, noch
Börse, soweit sie vorhanden, um die gewünschte Adresse auszu-
machen und fanden schliesslich auch das entlegene Haus, in welchem
der mir Genannte vor einigen Jahren zuletzt gewohnt hatte. Indess
war er, wie es bereits als Vermuthung ausgesprochen war, aus dem-
selben fort und verschwunden, und zwar, verschiedener Gründe
wegen, ohne Rücklassung .seiner Adresse. So schien die Sache aus-
sichtslos, denn obwohl dieselben Gründe auch voraussetzen Hessen,
dass das gesuchte Werthstück nicht mehr als todtes Capital in seinen
Händen sein würde, blieben doch alle Umfragen bei den Gold- und
Silberschmieden der Stadt, wo es hätte versetzt sein können, ohne
P>folg, und ich hatte meinerseits nach Peru abzureisen.
Als ich nach einigen Monaten von dort zurückkehrte, und mich
auf dem Wege nach Columbien an Bord des englischen Dampfers
Arequipa fand, unterhielt ich mich eines Tages mit dem denselben
führenden Capitän Chambers über die Alterthumskunde Ecuadors,
für welche er durch seinen längeren Aufenthalt an der Küste, und bei
seiner Ansässigkeit nach der Verheirathung in Guayaquil, ein warmes
Interesse gewonnen hatte. Er erzählte mir von verschiedenen Fun-
den, die er theils gesehen, theils besessen, und darunter von einem,
der durch seine Provenienz von P^smeraldas meine Aufmerksamkeit
erregte. Da er sich noch in seinem Besitz befand, in seinem Hause
in Guayaquil, versprach er ihn mir bei unserem Anlaufen dort zu zei-
gen, und obwohl wir uns am Lande verfehlten, brachte er ihn an
Bord. Dort erkannte ich nun, (woran ich bei der ersten Beschreibung
kaum recht gedacht hatte), in dem mir gezeigten Stück die lang ge-
suchte (joldmaske und hatte Gelegenheit, sie in Müsse zu bewun-
dern. Damit war sie freilich noch nicht mein Eigen und mit passio-
TCMACO. 211
nirten Sammlern ist es in Betreff solcher Unica nicht immer leicht
zu verhandeln. Einige Tage gingen noch mit Plänkeleien hin, doch
war glücklicherweise das Object mit uns auf dem Schiff, und als wir
Buenaventura erreichten, war der Kauf bereits abgeschlossen, so dass
ich diese durch Capitän Chambers gerettete Reliquie der Cara den
andern Sammlungsobjecten für das Museum zufügen konnte.
Am Morgen (October 22.) bemerkte sich in der Ferne waldiges
Land, sowie die niedrige Küste bei Punta Mangles und nach Um-
fahren der zwischen Waldvegetation, auf grünen Wiesenstrichen Pal-
men tragenden Insel del Morro, gelangten wir in den von dieser,
der Insel Viciosa, und der Insel Tumaco gebildeten Hafen von
Tumaco, auf einer niedrigen Insel zwischen Grün gelegen. Bei der
Landung fanden wir das Jungle-Gras sich bis an die Häuser erstrecken,
was den Verkehr auf eine Strasse beschränkte. Ein kleiner Dampfer
lag zur Abfahrt bereit nach dem 1610 angelegten Barbacaos an einem
Nebenfluss des Patia*) nördlich, während der Mina, der die Grenze
zwischen Ecuador und Columbien markirt, südlich hinter der Morro-
Insel mündet.
Nach Stevenson läuft dieser Fluss^) zwischen der Punta de
Manglares und Tumaco mit 9 Mündungen aus und Tumaco (called
Gorgona, which takes its name from that of the Cacique Gorgona^),
*) Der seinen Ursprung am S*>tarä fiiulende Patfa nimmt den auf dem Paramo de
Chimbalan entspringenden Pasio auf.
^) Zwischen der südlichen Mündung des Mira und des Santjago münden die Flüsse
Mataje, Chuirctas und San Pedro, zwischen Santjago und Esmeraldas die Flüsse San
Miguel (mit Zapallos, Vacu und Anzoles), Molinos, Ballenita, Lagartos, Ostiones, Verde
und Colopa, zwischen Esmeraldas und Chones die Flüsse Atacames, Sua, Platanos, Ga-
lera, Buche, Muisnc, Macha, Monipiche, Portete, Pedeniales, Daulc, Cojimies, Cuaque,
Camarones, Palmar, IJallena, Muchachos, Venado und Briseilo, zwischen Chones bis zur
Punta Santa Elena die Flüsse Pacoche, San Jose, San Lorenzo, Boca, Gallo, Salango,
Ayampe, Don Pancho, Manglar-alto und Valdivia. Dann folgt der Golf von Guayaquil
( Villa vicencio). Bei dem Rio Mira als Grenzfluss nimmt Ecuador die Mündung Tumaco,
Neu-Granada (oder Columbien) die Mündung Mangles in Anspruch. In Villavicencio's Dar-
stellung nimmt der Chota (oder der mit dem Pisco verbundene Rio Blanco) nach der Con-
fluenz mit dem Mira (neben dem Tumaco oder La Gorgomilla) den Namen dieses an
(zeitweis auch Concepcion und Cuajara heissend bis zum Durchbruch der Cordillere), und
nachdem dieser Mira sich am Desculgadcro in zwei Arme getheilt hat, läuft er mit sieben
Mündungen aus (por siete bocas).
•) Nach Benzoni fand Pizarro durch die Indianer des Festlandes vertrieben, die In-
sel Gorgona unbewohnt. Nach Velasco traf Pizarro, zum Esmeraldas kommend, zuerst
in der Bay von San Mateo die Anzeichen des Reichthums und geselliger Ordnung, die
er suchte, und zog sich von der Isla del Gallo, unter Erwartung von Verstärkungen,
später nach der Ciorgona genannten Insel zurück, die weiter im Meere lag. Gegen West-Süd-
NVcsten von Gorgona liegt die untere Insel Gallo, heissl es bei Dappcr (und so wechselnd).
14*
212 COLUMIUE?^.
who govcrned thc island on the first arrival of the Spaniards) liegt
an 3 Mündungen (Roca Grande, Rio Claro und Mira).
Unter strömendem Regen verlegten wir am Abend unseren
Ankerplatz jenseits der Barre am Morro, um dann bei Nacht die
Reise fortzusetzen.
Bei Stevensons Wanderung durch die dortigen Küstenvölker,
um die Strassenrichtung nach Quito festzustellen, besuchte er von
dem neu gebildeten Dorf der Cayapos (am Cayapas-Flusse) aus, die
noch unabhängigen Malabas am Rio St. Miguel (Nebenfluss des
Cayapas), die sich (mit einem dem Quichua ähnlichen Dialect) als
Nachkommen der Puncay von Quito bezeichneten, die frei geblieben,
als der Conchocando von Lican sich Yupanqui-Inca hätte unterwerfen
müssen. Nach Villavicencio reden die Cayapos und die Colorados
allerdings die Allgemeinsprache des Quichua, haben aber ausserdem
ihr besonderes Idiom bewahrt, weshalb er sie (die der „familia Cayapu"
und der „familia Colorados") getrennt hielt von der, neben denQuitus, die
Lojanos, Caiiazes, Puruhas, Tacungas, Imbaburenos, Cotacachos ein-
schliessenden „familia Quitus", zu welcher noch die Yumbos (als Napos,
Canelos, Santo Domingo de los Colorados, Intags, Nanegales, Gualeas)
hinzugerechnet werden (in der Bezeichnungsweise den Yungas Boliviens
entsprechend, wogegen in Peru der Name westlicher verwandt wurde).
Nachdem der Missionar Estevan (1598) die Indianer in Esmeraldas
in Ansiedlungen vereinigt, war dort eine Goldmine aufgefunden und
bearbeitet worden, bis der Aufstand der Wilden die Stadt San Miguel
zerstörte. Nach Villavicencio wurde das Goldlager um Quininde
durch Resavala aufgefunden.
Die Beschwerden einer Reise durch den Unvald an dieser
Küste können bei Gerstäcker nachgelesen werden, und hier (in den
nördlichen^) und noch unzugänglicheren Strichen) war es, wo Pizarro
manches Jahr hindurch unter Leiden und Mühseligkeiten jeder Art
mit seinen Gefährten das kümmerlichste Dasein führte, aber aufrecht
gehalten durch die aus unbestimmter nur und schwankender, aber
prophetisch lautender Kunde geschöpften Hoffnungen auf das Gold-
land im Süden. Als sich eines Tages in dem durch seinen Namen
die Lage kennzeichnenden Puerto de Hambre, die ausgehungerten
und in zerrissenen Kleidern verlumpten Spanier wieder verzweiflungs-
voll durch das 4icht verschlungene Untergebüsch drängten, ob sie
*) Als sie die Bucht San Malhco erreichten, glaubten sie vielmehr Alles schon über-
standen und sich am Ziel ihrer Wünsche.
ZOLLHAUS. 213
nicht etwa eine menschliche Lichtung finden würden, gelang es ihnen
nach unsäglichen Strapazen bei einer kleinen Anpflanzung herauszu-
kommen, wo sie gierig über den ärmlichen Vorrath an Lebensmitteln
als ihre Beute herfielen. Die ihnen zuschauenden Indianer hatten sie,
halb verwundert, halb mitleidig gefi*ag^, wie der Chronist \) mittheilt,
warum sie denn nicht säeten und ernteten, statt sich so umherzutrei-
ben, um fi*emdes Eigenthum zu rauben, und all' diese Mühe und Ar-
beit auszustehen? Als man in Mexico erstaunt war, weshalb so wenig
Leute so viel Gold nöthig hätten, erklärte Cortez den Gesandten
Montezuma's, dass seine Soldaten an einer in Spanien grassirenden
Herzkrankheit litten, für welche es kein anderes Heilmittel gäbe, als
Gold, und dass sie deshalb, dorthin gekommen, um möglichst baldige
und reichliche Einlieferung dieser Arznei nachsuchten. Von den In-
dianern bemerkt dagegen Davila ausdrücklich, dass sie von der
Krankheit der Habsucht frei gewesen (libros de la enfermedad de la
codicia) und freigebigsten Sinnes (son inclinadissimos ä ser liberales).
Am Morgen in der Nähe der auswärts gelegenen Insel Gor-
gona*), wo Pizarro (wie auf der Isla de Gallo), in leidensvollen
Prüfungstagen für sein gewagtes Unternehmen gestählt wurde, war
das Land aus Sicht, bis in der Ferne vereinzelt niedrige Erhebungen
erschienen am Cabo de Baco, mit umherziehender Küste. Weisse
Klippen fielen, mit Grün bestreift, bis in das Wasser über, und nach
dem Fels St. Paul öffnete sich in weiter Bucht, dicht bewachsen,
der Hafen Buenaventura, mit der Ortschaft zwischen Büschen, seitlich
von der Mündung des Daguas.
Die Landung sowohl im Canoe, wie das Warten, in dem ver-
fallenen Schuppen der Douane, auf die Revision des Gepäcks, dann
der Transport dieses nach dem Laden des Herrn Rodas und weiter
nach dem mir in einem unbewohnten Hause angewiesenen Zimmer
M Porque (fragten sie) no >embraban y cogiaii , sin andar tomando los bastimentos
a gcnos, passando tanto trabajo (s. Heirera).
5) En la Costa de Barbacoas estan las islas de Gorgona y Tumaco, siendo la ultima
poblada (Mosquera). Die der Insel Gorgona gegenüber liegende Küste zieht sich über
die Punta de Manglares nach dem Ancon de Sardinas (bei den Mündungen des Mira) und
jenseits des Rio Santjago nach der Day San Mateo bis Cap San Francisco, zwischen
welchem und dem Cap Pasaos die (Vaiximies genannten Flüsse münden. Die Bahia del
Pailon liegt in dem Golf des Ancon de Sardinas zwischen der südlichen Mündung des
Mira und der Mündung des Rio Santjago , der sich nach Aufnahme der Flüsse Bogota
und Cachavi, sowie des (auf den Bergen von Cotocachi entspringenden) Cayapas (mit den
Indianern Cayapos) in die Arme des Tola und Pailon (welcher den Zweig Poza abgiebt)
scheidet.
214 COLUMIUEN.
— Alles das gewährte zur Landeskelintniss beitragende Illustrationen,
deren Annehmlichkeiten aber freilich durch den ununterbrochenen
Regen sehr verwässert wurden. Buenaventura ist das Land des
Regens, und im Gegensatz zu Piura, wo oft in sieben Jahren kein
Tropfen fällt, mögen für Buenaventura manche sieben Jahre oder
mehr dahin gehen, ohne einen völlig trockenen Tag. Alles triefet
und träuft, und giesst und fliesst, im platschenden Regen von Oben,
und patschend im unten aufgewühlten Koth. Die Einwohner be-
trachten selbst den Regen als das Palladium ihrer Stadt, indem er
durch die Wucht seiner Wassermassen alle Schädlichkeiten fortspüle,
jedes Ungeziefer, wie Scorpione, Centipeden und sonst kriechendes
Gewürm mit sich fortreisse, und eine radicale Klärung bewirke, von
der allerdings der Schmutz zurückbleibt. Bei nur kurzem Ausbleiben
des Regens fülle sich die Luft in diesem Malaria-Kessel gleich so mit
tödtlichem Dunst, dass kein Leben darunter bestehen bleiben
könne.
Man hatte mir in einem leerstehenden Hause die obere Etage
zur Disposition gestellt, die ich auf einer baufälligen Treppe ohne
Unfall erklomm, und nun neben einem langen Corridor mit allerlei
Winkeln und Ecken, über ein halbes Dutzend grosse Zimmer vor
mir hatte, mit halb oder ganz ausgehängten Thüren, und im Uebri-
gen rattenkahl, ohne jedes bewegliche Möbel. Indess war der Raum,
wie ich bald ausfand, nicht gerade allzu gross, da die Zahl der wirk-
lich trockenen Stellen, wo der Regen weder in Strömen, noch auch
in Tropfen fiel, sich als eine sehr reducirte zeigte, so dass ich mein
Gepäck demgemäss zu vertheilen hatte. Da ich mich noch nicht
wieder in Marschordnung befand und auch noch ohne Diener, dessen
Mitnahme auf dem Dampf boot nur unnöthige Kosten verursacht
haben würde, so fand ich mich auf eigene Bedienung hingewiesen,
und suchte für das Abendessen so gut es ging einen Ersatz zu
simuliren, da der draussen prasselnde Regen nicht dazu einlud, in
den dunklen und schlüpfrigen Strassen nach einer Fonda umherzu-
suchen.
Obwohl der Kaufmann, dem ich empfohlen war, durch seine
ihm einmal monatlich von der Dampferpost zugehende Correspon-
denz in Anspruch genommen war, schickte er mir doch am andern
Morgen einen Bootsmann, um über die Fahrt auf dem Daguas zu
verhandeln, die (der Fluth wegen) für den Abend festgesetzt wurde,
um bei Nacht die Strecke bis Cordova zurückzulegen, und von dort
die Landreise nach dem C — ' * " ^mnnen.
BLENAVENTURA. 215
Am Tage, nachdem ich die wasserdichte Vernähung des Ge-
päckes beaufsichtigt hatte, trieb ich mich, so viel es der Regen er-
laubte, in dem Ort umher, der auf dem unebenen Grunde dieser Insel
hier und da treppenartig aufsteigt
Buenaventura wurde von Juan Ladrillo angelegt für Pascual
d'Andagoya, von dem es mit seinen anderen Ansprüchen cedirt wer-
den musste. Als Cieza de Leon auf seiner Reise durch das Hoch-
land in Cali venveilte, hörte er von diesem einsamen Hafen am
Meere, wo sich auf Anordnung des Cabildo 5 — 6 Personen aufhalten
mussten, und mit den Kosten der Kaufleute unterhalten wurden, um
bei Ankunft der Schiffe aus Mexico oder Nicaragua Nachricht geben
zu können. Die Indianerdörfer waren dann verpflichtet eine Anzahl
Träger an die Küste herabzusenden und die Güterlasten auf den für
Saumthiere nicht passirbaren Wegen nach Cali schaffen zu lassen.
Vaca de Castro suchte den versteckten Hafen umsonst, obwohl er
auf einem Felsen Segelweisungen eingehauen fand, und wurde erst
durch ein zu der Expedition Andagoya's gehörendes Schiff, das er
auf dem Meere antraf, orientirt. Nachdem Andagoya bei seinen
Verhandlungen im Kloster Cali oder Lile mit Benalcazar über ihre
gegenseitigen Rechtstitel, durch den Abfall seiner Leute der Gefan>
genschaft überliefert war, blieb später nur der Hafen Buenaventura
in seinem Regierungsbezirk und was er weiter bis Sanct Matheo und
Catacamez colonisirte (s. Oviedo). Der von Pascal de Andagoya
zurückgelassene Gouverneur Payo Romero wurde in dem Aufstand
des Caciquen Tamayo gctödtet und die Ansiedlung im Hafen Buena-
ventura zerstört, bis durch Johan de Andagoya (Sohn des Pascal de
Andagoya) wieder hergestellt. Im Jahre 1821 wurden während des
Krieges Befestigungen^) angelegt.
Nach Sonnenuntergang stellte sich der Bootsmann ein, um das
Transferiren des Gepäckes vorzunehmen. Er war allein, da seine
übrigen Collegen sich des Festtages wegen in ihren Branntwein-
spelunkcn, oder sonst unzurechnungsfähig, finden mochten, und so be-
*) Unc douzaine de cases peuplces de negres et de muldtcs, une casemc gardee
par onze soldats, Irois pi^ces de canons comme batterie, 1a maison de gouverneur , construite
tle meme, que Celle de la douane en paille et en bambous, sur une petite ilc
iiomm^e Kascakral (Cascajal), couverte d'herbes, d'^pines, de fange, de seq>cns et de cra-
patids, voilä San-Buenavcntura (Mollien) 1823. Im Jahre 1826 wurde Buenaventura zum
Freihafen erklärt. Im vorigen Jahrhundert war Buenaventura un pequeflo pueblo, que
solo subsiste por razon de las embarcaciones que Uegan h cl, porque es de muy mal
tcmperamento y de dificil entrada, y el camino de tierra a la ciudad de Cali tan äspero,
que solo sc hace en hombros de Indios, por las inaccesihles montaüas (Alcedo).
216 COLUMHIEN.
gleitete ich ihn für jede Ladung mit einem Licht die dunkle Treppe
hinunter, bis er in dem Regen der dunkleren Strassen mit seiner
Tracht verschwand. Als ich zuletzt folgen wollte, gerieth ich in ein
unrichtiges der zum Lehmufer des Flusses hinabführenden Parallel-
Gässchen, und hatte lange unter dem Platzregen zu suchen, da sich
weder eine Menschenseele auf den Strassen, noch Böte der Boots-
leute an den Landungsplätzen fanden. Das von ihm gemiethete
Fahrzeug war, nach der Form der auf dem Daguas gebrauchten,
ein ausgehöhltes Canoe, mit einem niedrigen, am Morgen aus Stroh
hergestellten, Regendach am einen Ende, unter welches ich sogleich
hinunterkroch, um die halb liegende, halb sitzende Stellung einzu-
nehmen, die der enge Raum allein erlaubte. Der Bootsmann hatte
sich für einen letzten Abschiedstrunk wieder entfernt, und nur einen
kleinen Knaben zurückgelassen, der, als ich ihn ungeduldig über den
Verzug zum Aufsuchen fortschickte, so lange wegblieb, dass ich
mich schon gefasst machte, die Nacht in diesem von Oben und von
Unten schwimmenden Bett am Ufer festgebunden zu verbringen, da
ich durch die Hut des darin befindlichen Gepäckes an eigener Ent-
fernung verhindert wa^.
Als ich aus dieser Ungewissheit noch eben rechtzeitig erlös't
worden war, fuhren wir längs waldiger Vorsprüngen durch die Bay, die
etwas bewegter war, als für meine Nussschaale zuträglich schien, und
dann durch einen engen Canal zwischen hohen Büschen in die Mün-
dung des Daguas ein, wo uns zu beiden Seiten eine dichte Vegeta-
tion begleitete. Das Boot wurde über die Stromschnellen fortgestakt,
wobei es besonderer Vorsicht bedurfte, die herabtreibenden Baum-
stämme zu vermeiden. Oft auch war bei niedrigem Wasser das Fahr-
zeug zu schieben oder fortzuziehen, wofür sich der Bootsmann von
dem mitgenommenen Knaben helfen Hess, und wenn wir dann unter
den Büschen des Ufer's hinstreiften, fuhren wieder die spitzen Bambus
durch das Dach der Ramada, so dass schon die Aufmerksamkeit
darauf den Schlaf verhindert haben würde.
Als durch das Gebüsch ein schwaches Licht das Vorhandensein
eines Hauses am Ufer anzeigte, dachte der Bootsmann dort Halt zu
machen, was ich nicht zuliess. Als wir indess einige Zeit nach
Mitternacht an einem zweiten Hause vorbeikamen, war er, ehe ich
es verhindern konnte, am Ufer verschwunden, und ich genoss nun
in einem festgebundenen Canoe eine Variation des einförmigen Re-
gensgeräusches durch gelegentliches Gesumme der Tanzmusik, bei
der sich der Bootsmann tnit andern seines Berufes, von seiner Nacht-
DAGUAS. 217
arbeit erholte. Da ich auch dies Mal das Canoc, des Gepäckes wegen,
nicht verlassen konnte, und der dem Jochen nachgesandte Knabe
seinerseits Unterhaltng fand, blieb nichts übrig, als mit Schüssen
Lärm zu schlagen, bis der Bootsmann es schliesslich gerathen fand,
sich wieder einzufinden und die Stangenarbeit fortzusetzen.
Beim Morgengrauen, Grau in Grau, schoss der Fluss über Steine,
aber zwischen denselben erspähete mein Navarche manche Sandbank,
die ihm ein einladendes Plätzcjien zum Frühstück schien, so dass ich
ihm wiederholt und eindringlich meine Absicht auszudrücken hatte,
diese unerquickliche Regenfahrt bald möglichst und ohne weiteren
Aufenthalt zu vollenden, wie es beim ,Uebereinkommen über die
Nachttour auch zur Bedingung gestellt war.
So langten wir noch ziemlich zeitig am Vormittage in Cordova
an, wo das Gepäck einen schlüpfrigen Klippenabfall hinaufzuschaffen
und dann nach der Ansiedelung zu bringen war, einem Hütten-Com-
plex auf einem Platz, in düsterer Lichtung des Waldes. Das war der
mit dem Ausbau des Weges, stationsweis allmählig vorwärtsgeschobene
Terminus der Landreise aus dem Innern, wo aber die anlangenden
Arrieros wegen des gänzlichen Mangels an Futter immer nur ein
paar Stunden verweilten, um ihre durch die Spärlichkeit desselben
längs des Weges bereits halbverhungerten Thiere nicht völlig auf-
zureiben. Da hier, wie in verschiedenen Theilen des südlichen und
centralen America , die Telegraphen den (Posten und) Wegen voran-
gegangen sind, so kann man auch von Buenaventura einen solchen
benutzen, um Nachricht von dem Reserviren der nöthigen Trans-
portmittel zu geben. Bei meiner Anwesenheit im Hafen konnte
das, des Sonntag's wegen, nicht geschehen, und so sah ich auch
gerade die letzten Karavanen auf ihrem Rückweg verschwinden, als
ich den Ort betrat, und musste mich nun, bis neue ankommen sollten,
auf Warten vorbereiten, indem ich ein durch den Agenten des Kauf-
mannes in Buenaventura verschafftes Haus, oder vielmehr einen
Zimmerverschlag an der Strasse, bezog. Früher war der Endpunkt
der Landreise am Daguas (von Kali aus) in Juntas gewesen, und sind
die Leiden der damaligen Bootfahrt bis Buenaventura bei Mollien
nachzulesen. Seit der zunehmenden Tabaks - Ausfuhr von Palmyra,
der Rivalin Kali's im Cauca-Thal, hatte man die Verlängerung des
Landweg's bis zum Hafen projectirt, kam aber nur bis zu anderen
Stationen, abwärts von Juntas, längs des Daguas. und die gegenwärtig
letzte derselben reprägentirt dieses Cordova, eine um so ephemerere
Gründung, da sie auch dem Princip nach nur ephemer sein soll.
218 COLl'MBIEN.
Alles roch nach Fieber, wie es bei so frischen Ausrodungen im
regengeschwängerten Urwald nicht anders sein kann, und wie es das
Aussehen nicht nur, sondern auch die Klagen der wenigen Bewohner
auf diesen Kodcn bestätigten. Die Hauptzahl derselben bestand in
den Beamten des dortigen Zollhauses, dessen Bedeutung hier mitten im
Lande mir erst durch den Aufenthalt bei Revision des Gepäcks ver-
ständlich wurde, da ich vielleicht sonst noch ein Arrangement mit
einem der im Abzug begriffenen Arrieros hätte machen können.
Glücklichen\'eise langte gegen Abend ein anderer an, und so traurig
seine Thiere auch aussahen, so blieb doch keine Wahl, als sie zu
miethen, und die Abreise festzusetzen für den Moment, wo er nach
dem Wiedereröffnen des Zollhauses am nächsten Morgen die For-
malitäten für die von ihm abgelieferte Ladung erfüllt haben würde.
Meinerseits konnte ich nichts zur Beschleunigung thun, da in diesen
Ländern höchstens die in der Central -Hauptstadt verschafften Pässe
einigen Eindruck machen, und auch sie meist nur einen geringen.
Einer der Zolloffiziere half mir indess, aus dankbar anzuerkennenden
Privatrücksichten, mit ein Paar Sporen aus, die ich mitzubringen ver-
gessen und in ganz Cordova nicht aufzutreiben fand, obwohl ich ohne
solche mein reducirtes Maulthier wahrscheinlich schon nicht von der
Plaza Cordova 's fortgebracht hätte, geschweige denn längs des Weges.
Mit alledem war ein Theil des Morgens hingegangen, bis ich es
besteigen konnte, um mit dem Arriero, und einem Lastthier für das
nöthige Gepäck, die Reise anzutreten, während der Rest meiner
Sachen mit der von den Maulthiertreibern nachgeführten Karavanc
in Kali zu empfangen war.
Wir stiegen am P'luss empor und dann durch eine Lichtung, mit
hohem Urwald darüber, und hohem Urwald in Abgründen nieder-
fallend. Von dem hingewundenen Weg öffnete sich der Blick auf
die Wasser des Daguas, als wir Sucre erreichten, die nur noch von
einzelnen Individuen bewohnte Bodegas (oder Stapelort) vor Anlage
von Cordova. Längs des Daguas lief dann der Weg durch Urwald
fort, und zeigte hier und da den reissend strömenden P'luss in seinen
Hervorwindungen aus dicht bewaldetem Hochgebirge. Zwischen
Bergzügen von Wald gelangten wir nach Pureto, der jetzt gleichfalls
verlassenen Bodega, die der Anlage von Sucre vorhergegangen war.
Wie bisher, den Aufsteig am rechten Ufer des Daguas verfolgend,
passirten wir den Neh^nfln«;«; Vibora, dann Pina, während uns vor-
springende Bergzüg bedeckt, entgegentraten. Es zeig-
ten sich die Wassei >altillo und dann die noch brau-
V
JUTTAS. 219
Sender dahinstürzenden des Salto, wo früher die Böte zu entladen
und die Waaren über Land zu schaffen waren, als noch die
Fiussfahrt^) bei Juntas begann, oberhalb welches Punktes jede Bc-
schiffung unmöglich ist. Das Pueblo Junta liegt auf einem insel-
artigen Vorsprung an der Conflucnz des Pepito und Daguas, und
man sieht dort den alten Weg über die Berge emporsteigen. Wir
wandten uns nach dem neuen Weg, längs des Daguas hin, der auf
einer Holzbrücke, unter Zahlung von Brückengeld, überschritten wird.
Der Weg windet sich am Abgrund, unter welchem der Daguas
schäumend dahinbraus't, und zieht sich bei der Schlucht von Limen-
cita, wo ein vereinzeltes Waldhaus den Wildpark der Natur zum
reizenden Gärtchen umgeschaffen hatte, in Bergthäler hinein, mit
Abfällen zum Fluss.
Da sich die Dunkelheit bereits hinabgesenkt hatte, wurden die
engen Weg- Windungen bei dem ungesicherten Tritt der ermüdeten
Thiere störend, und kam uns deshalb das Licht ganz willkommen,
das aus der einsamen Ansiedelung von Naranjo herüberschimmerte.
In der Veranda des Haupthauses sass die Familie von Grossmutter
bis Enkel beisammen, und wies dem Arriero Platz für die Thiere
an, während für Gepäck und Nachtlager eine Ecke des Zimmer's
eingeräumt wurde.
Während die Familienglieder vor dem Niederlegen eine Jagd in
ihren Kleidungsstücken anstellten, wurde ich von ihnen wohlmeinend
und ohne Umschweife vor den nächtlichen Besuchen gewarnt, denen
sie vorzubeugen suchten, und sparte ich deshalb nicht das mitge-
führte Inscctenpulver.
Gesprächsweise hörte ich von ausgegrabenen Urnen, sowie Pfun-
den von Steinäxten, und war mir von den letzteren auch durch die
Wegearbeiter bei Sucre erzählt. Indess hatte man aus den Ersteren
Nichts des Aufbewahren's werth gehalten, und auch von den letzte-
ren waren damals keine vorhanden, so dass ich nur eine Adresse in
Buenaventura zurücklassen konnte, bei der sie bei späterer Gelegen-
heit abgeliefert werden könnten, wenn das Gedächtniss bis soweit
vorhalten würde.
Die Strassenbauten hatten am Anfang des Tagesmarsches Wände
*) La navigation du haut Dagua est difficile et dangercuse. La vie du voyageur y
depend souvent d'un cri, d'un gestc, d'un coup d'oeil du Boga, qui, de rarri^re, commande
la manoeuvre (s. Saffray). Im XVII. Jahrhundert hatten sich die Kaufleute auf dem
Wege von Cali nach Buenaventura durch die Indianer hindurchzukämpfen unter einer
Regierungscscorte (s. Coreal).
220 COLUMBIExV.
von roth mergligem Thon blosgelegt, oft auf grauschiefrigem Lehm
mit Abdrücken von Pflanzen, und dann standen splintrig fasrige Felsen
vor, mit durchsetzenden Gängen von Dioritschiefer. Deshayes unter-
scheidet am unteren Daguas vier Thonschichten, eine rothe, grün-
liche, gräuliche und graue, die, auf Sandunterlage ruhend, nach-
einander verschwinden, während der Porphyr und die Quarzblöcke des
Flusses das anstehende Gebirge kennen lehren. Den von Thon-
schiefer bedeckten Porphyr bei Juntas hielt er dem Syenit ent-
sprechend, der in Peru auf granitischer Basis ruhend erkannt ist.
Im Gegensatz zu den kahlen Höhen Perus deutet dieses dicke Thon-
polster am Westabhange Columbien's einen characteristischen Unter-
schied an, indessen einen aus der geringeren Elevation und der
feuchten Atmosphäre leicht erklärbaren.
Am nächsten Morgen zog sich der Weg über den Daguas hin,
zwischen, einander entgegen, schrofi" vorspringenden Bergmassen, (am
Rande einer derselben, grün bedeckt mit vereinzelten Bäumen), bis
zum Austritt in die, vor einer Bergwand, abfallende Wellenebene
zwischen dem Litako und Daguas, an der Abzweigung des directen
Weges nach Palmyra. Wir folgten dem nach Cali, einem Aufsteig,
und dann hinab zum Daguas, der verschiedentlich gekreuzt wurde.
Auf schmalen Wegen zogen wir oberhalb des Flusses hin, und dann
über Berghalden, an dem Pueblo Pereheira seitlich vorüber, bei der
Quebrada Honda.
Nach dem Passiren des Flusses Platanal erschienen schroffe Ab-
hänge, die sich unter den Coloritnüancirungen von Blutroth bis
Orangegelb an den Unebenheiten der grünen Decke in bunten Far-
benmassen abmalten. Die Stille wurde nur durch den grellen Pfiff
des Eisenbahnpfeifer's unterbrochen, der freilich in dieser Unwegsam-
keit noch lange auf die Ankunft des prophetisch verkündeten Feuer-
rosses zu warten haben wird.
Aus dem Koth lehmiger Wege gelangten wir auf eine wellige
Hochebene, der Blick auf die zur Montana Tocota auslaufende Berg-
wald fallend, mit bewaldetem Rücken.
Bei dem Ermüden der Thiere hatte der Arriero mit mir ge-
wechselt, konnte aber bald das so übernommene auch seinerseits
nicht weiterbringen und hatte sich zum Fussmarsch zu bequemen.
Als wir deshalb in dieser Einöde (bei Semita) an einer kleinen Wege-
hütte vorüberkamen, wurde dort am Nachmittage Halt gemacht, ob-
wohl es mit den Provisionen für die Thiere sehr spärlich aussah,
und die für die Menschen sich auf Null reducirten. Am Fusse einer
Cauca-thal. 221
schroffen Quebrada floss der Daguas, zu dem ich auf schlüpfrigen
Pfaden hinunterzugleiten suchte, wurde jedoch dabei vom Regen über-
rascht, der uns in dem Schmutzloch der Behausung zusammenpferchte.
Am Morgen (October 28.) lag keine Verführung zum Rasten vor,
obwohl sich die Thiere mit der kärglichen Kost nur wenig erholt
hatten. Durch eine wellig und kuppig gehobene Ebene, grün besprenkelt
mit den Flecken von Busch und einzelnem Anbau, hoben wir uns
zu einer rückwärts geneigten Bergwand empor, die sich bewaldet
umherzog. Nach dem Passiren des Daguas und der mit Pflan-
zungen verbundenen Häuser von Tocota, stiegen wir auf rothem Pfad
(an den kothigeren Stellen theilweis roh gepflastert) zum bewaldeten
Gipfel empor, der von Nebelwolken umhängt war. Auf dem Kamm
ging es im Walde fort, mit Niedersteig an den zum Daguas fliessen-
den Bächen von San Antonio, die auf der letzten Gräte der Wasser-
scheide entspringen, und dann aufsteigend zu dieser, mit einem Rück-
blick über bewaldete Höhenrücken.
Bei der nächsten Windung des Weges blickt man über waldig
abwärts rollende Berggehänge, auf eine fern in der Tiefe unter weiter
Mächtigkeit gebreitete Ebene, aus deren ununterbrochenem Grün
flimmernde Wasserbecken hervorschimmern, und, jenseits derselben,
auf eine in unübersehbarem Zuge ansteigenden Hochgebirgswand,
auf ihren Höhen eine wolkige Nebelwand tragend. Es ist dies das
Thal des grossen Cauca - Flusses , der in seinem, die Mitte durch-
theilenden, Laufe zwar durch überragende Ufer verdeckt wird, seine
das fruchtbare Grün erzeugende Gegenwart aber in den ausgetretenen
Seen -Erweiterungen bezeugt, und der den Horizont abschneidende
Riesenwall redet von der centralen Cordillere, die den Lauf des
Cauca von dem seines Zwillingsstromes, dem Magdalena, und dem
Thal derselben, scheidet.
An den Ausläufern der Bergwand, (mit einer, parallel in Ein- und
Ausbuchtungen folgenden, gegenüber), windet sich der Weg abwärts,
und am Fusse der Quebrada fliesst der Vacatal, der, mit dem Santa-
Rosa verbunden, in den Cali mündet, einen Nebenfluss des Cauca.
Nach kurzer Frühstücksrast bei einem Hause an einer Quelle
(Montanuelo), sassen wir wieder auf, um uns von den Thieren, so
weit sie sich durch diese kurze Ruhe dazu gestärkt hatten, weiter
tragen zu lassen. An den in schroffen Schwingungen abfallenden
Bergen zieht sich der Weg hin, und dann auf einen Ausläufer zwi-
schen den Flüssen Vacatal und Kali zu beiden Seiten unten, mit dem
Blick auf die Ebene, worin, am P*usse der Vorberge, Cadi liegt,
222 COLÜMBIEN.
während Palmyra in der Mitte der weiten Fläche erkennbar ist. Das
Herabsteigen fortsetzend, passirten wir den Fluss Cali auf einer Fürth,
oberhalb der Brücke, und konnten dann im Hotel Columbia in Cali
(Santiago de Cali) die müden Thiere ihrer Bürde entledigen.
Ausser einem dort ansässigen Deutschen, Herrn Price (oder
Preuss), der ein americanisches Kaufmannsgeschäft mit Laden be-
treibt, lernte ich dort durch einen mitgebrachten Empfehlungsbrief
den Gutsbesitzer Don Ricardo Rengifo kennen, von dem ich einige
interessante Alterthumsstücke erhielt, sowie den Arzt, Dr. Vincente
Uribe, der lange im Choco gelebt hatte und mir Mittheilung der dort
gesammelten Vocabularien versprach. Im Verfolg anderer Bekannt-
schaften wurde durch Don Francisco Valencia eine Tour durch die
Umgegend arrangirt, wofür mir Herr Price mit seinem Pferde aus-
half Am linken Ufer des Cali hin stiegen wir an den Berghügeln
aufwärts auf dem zur Hacienda La Paz führendem Wege. Von dort
schauten wir auf die weite Thalfläche des Cauca zurück, in wech-
selnder Mannigfaltigkeit den Raum bis zur jenseitigen Bergwand mit
parkartigen Baumgruppen, mit Wiesen und Anpflanzungen füllend,
zwischen denen Lagunen hervorblickten, sowie hie und da der Wasser-
faden des gewundenen Flusses. In den auf den Weideflächen gra-
senden Heerden trugen die Kälber am Halse schwere Lederringe
mit Zacken, zum Schutz gegen die Condore, welche die schwächeren
mit ihrem Niederstossen bedrohen.
Hinter dem ersten Bergrücken gelangten wir auf eine abfallende
Ebene (las Huacas), wo mehrfach Ausgrabungen gemacht waren und
noöh Topfscherben umherlagen. An einigen Stellen fanden sich
Reste im Kreis gestellter Steine, und aus einer benachbarten Quebrada
brachte einer der Begleiter Bruchstücke von Steingeräthen herauf.
Die von den Conquistadores bei Cali angetroffenen Gorrones sind ausge-
storben, doch haben aus ihnen die Stämme von Cajamarca bei Ro-
danilla (zwischen Cali und Cartago) einige Worte ihrer Sprache be-
wahrt (Gorron, der Fisch). Bei ihnen, wie bei den meisten der be-
nachbarten Stämme wird der Gebrauch von Nasenringen (Caricuris)
erwähnt. Die alten Thonfiguren zeigen zugleich die über den Mund
herabfallenden Nasenringe, wie sie aus Gold gefertigt von den Frauen
in Darien (s. Cullen) noch getragen werden (1865). Diese Sitte der
Quillucinga (oder Metallnasen) scheint auch durch das Magdalenenthal
verbreitet gewesen zu .sein, da sie sich an den Tunjas der Chibchas
gleichfalls erkennen lässt.
TT„i ^jj^ Loma del Tablazon, die Reste aus rohen Steinen auf-
CALL 223
geworfener Befestigungen auf den Gipfelhöhen zeigte, ritten wir nach
der hoch über Cali hängenden Loma de las Cruces, wo man eine
malerische Aussicht auf das Thal des Cauca geniesst, über die zu
Füssen liegende Stadt hinweg. Ein nahe gelegenes Landhaus, die
Finca de las Limones. gab Gelegenheit, einige Directionen über dor-
tige Alterthümer zu erhalten, und der Verwalter begleitete uns nach
dem sog. Piedra de Ataud oder Sargstein. In einem geschlossenen
Bergthal liegt neben einem Waldbach ein cyclopischer Bau aus
grossen Längssteinen, mit stufenartigen Einschnitten, circa 12 Fuss
lang und 6 Fuss hoch, ursprünglich etwa 12 Fuss breit, mit Ein-
schluss der von Schätzesuchern durch Pulver abgesprengten Stücke.
Der oberste Stein ist mit dreieckiger Kante zwei anderen eingesetzt,
und durch eisenartiges Cement verbunden.
In der benachbarten Finca des Herrn Payon fand sich eine neu
ausgegrabene Huaca, eine Höhlung mit einer Vertiefung im Innern,
worin eine mit Knochen gefüllte Tinaja angetroffen war, 7 Fuss im
Umfang, sowie einige kleinere.
Auf dem Rückweg sahen wir in der Quebrada de Vacatal eine in
den Hügel eingearbeitete Höhle mit gerundetem Eingang, und kamen
von dort am Abend nach Cali zurück. Nach ihrem jetzigen Platz wurde
diese im Anschluss an Benalcazar s Vorbereitungen für seinen Ent-
deckungszug (1537) gegründete Stadt (en los estados deCalamboz) durch
Miguel Lopez verlegt (beim Thal von Lile). In der Nähe hatte der
Häuptling Petecuy seinen Sitz, dessen Wohnungshalle Reihen ausge-
stopfter Menschenkörper, wie sie auf dem Isthmus gefunden wurden,
einschloss, und aus ihnen redeten, wie Cieza de Leon mittheilt, die
einfahrenden Dämone.
Von den Alterthümern im Cauca-Thal ist nur wenig bekannt,
und relativ, im Ganzen genommen, wahrscheinlich auch nur wenig
vorhanden. Weder Mollien noch Holton') geben ausführlichere Mit-
theilungen und auch Hamilton deutet bei seinen Erwähnungen als
Seltenheit darauf hin. Indess Hess sich schliesslich doch, trotz eines
raschen Durchrittes mancherlei erwerben und hörte ich zugleich an
verschiedenen Plätzen von ausgedehnten Funden, die sich damals aller-
dings alle schon zerstreut und verloren hatten. Vielleicht tragen
^) Holton sah one of tliosc curious Indian graves, called a guaca (in der Hacienda
l>ci Vijes). Sonie arc simple scjuare pils excavated in the ground covered over ftrst with
logs and ihen with earth. Others have side excavations in them and very oftcn small
passages running from onc to anothcr (1853).
224 COLUMßlEN.
die gepflogenen Gespräche dazu bei, dass bei künftigen Gelegen-
heiten auch ihr archäologischer Werth Berücksichtigung findet.
Das von mir in Cali bewohnte Hotel war in dem südamericani-
schen Character eines Caravanserai mit Restauration, indessen eines
der besseren dieser Classe und unter der Leitung einiger Damen, die
in verwandtschaftlichen Verhältnissen zu dem verdienstvollen Bota-
niker Triana standen. Sie gehörten der Familie Caicedo an, die vor
den letzten Verwüstungen der Bürgerkriege sich im Besitz weiter
Landgüter befand, noch zur Zeit, als Holton dort reis'te, der vielfach
der genossenen Gastfreundschaft zu erwähnen Anlass hat. Die jun-
gen Mädchen, die den Lesern seines Buches bekannt sind, fand ich
im vorgerückten Alter wieder, und nicht mehr in der romantischen
Halbwilderniss einer Columbianischen Hacienda, sondern in Küche und
Vorrathskammer eines in die beengenden Stadt-Atmosphäre mitein
geschlossenen Gasthauses.
Für einige Tage ging es in demselben sehr lebendig zu. Eine
umherreisende Seiltänzerbande hatte dort neben mir ihr Quartier
aufgeschlagen, und brachte die Tage mit Einüben von Probestücken
zu und mit Aufstecken der für Befestigung der Seile dienenden
Stangen, bis dann eines Abends die durch emphatische Placate an-
gezeigte Function Statt hatte, zu der sich die Honoratioren der Stadt
auf ihren Plätzen einfanden.
Da das von mir occupirte Zimmer einen guten Besichtigungs-
punct abgab, wurden mir dort von meinen neuen Bekannten andere
zugefügt, mit denen sich Allerlei über Land und Leute besprechen
liess, freilich über die von mir als Thema bevorzugte Vorge-
schichte nicht so viel, wie ich gewünscht hätte. Eher liessen sich
noch abgerissene Notizen über den Chocö erlangen, da die Anziehung
der dort vermutheten Goldbergwerke für Einige stark genug ge-
wesen war, am sie über die Barriere des unnahbaren Klimas hin-
wegzuheben.
Wie erzählt wurde, sollte eine mit Zeichen beschriebene Rolle
(aus Baumrinde) nebst einem Goldring und sonstigen Goldsachen einst
bei Santa Rosa, am Flusse Cali, ausgewaschen sein, aber später
dem Indianer, der sie nach der Stadt zu bringen hatte, verloren ge-
gangen und nicht wieder aufzufinden gewesen sein.
Den von Hamilton gegebenen Bericht über die in den Bergen
von Cucuana bei dem Paramo von Baragal (1824) geöffnete Huaca,
mit geschmückten Skeletten, hörte ich durch den Sohn des Dr. de la
FUNDE. 225
Roche, der die Autorität dafür bildet, bestätigen, als ich ihn in Mc-
dellin aufsuchte, wo er damals als Arzt practisirte.
Ausserdem wurden mancherlei Funde ^) erwähnt.
Die sonstigen Vergnügungen der Stadt beschränkten sich in der
Hauptsache auf Hahnenkämpfe , deren hohes Schauhaus neben dem
schattigen Prater stand, der jenseits des Flusses zum öffentlichen
Belustigungsplatz diente, soweit für eine solche in diesen Ländern
Bedürfniss vorliegt.
*) In Agua sucia (bei Kali) 6ndet sich La Piedra del Sol, ein Stein mit dem Zeichen
der Sonne und des Mondes, sowie der Sterne. Auf der Loma del Tablazon und der
Loma de las Cruces (bei Cali) finden sich Spuren von Befestigung. In den Huacas von
La Paz (bei Call) finden sich Gräber. In der Quebrada des Vacotal am FIuss Rosa
(Nebcnfluss des Cali) findet sich in einem Hügel eine von den Indianern gearbeitete
Höhle. Im früheren Gebiet des Caciquen Ambimbe unter den Vumbos (zwischen Cali
und Cartago) wurde eine Huaca geöffnet. In Guengue (am rechten Ufer des Cauca)
finden sich Huacas in Form viereckiger Kasten , 12 Fuss tief, und darunter schliesst ein
Stein die Oeffnung zum Eingang des Saales, wo die Leichen sich gegenüber in Stein-
särgen liegen, in der Nähe von Palmyra, wo andere Huaca bei la Ruysa (bei La Flo-
rida) aufgedeckt sind, in welchen ein schräger Eingang zu dem Gewöll)e hinabgeht, wo
der Todte auf der Erde liegt. In den Huacas von Las Pavas (am Cauca) finden sich
grosse Thonkrüge mit Knochen gefüllt. In einer Huaca von St. Rosa wurde eine grosse
Tinaja gefunden, mit den Knochen des Leichnams duin, ebenso vergoldete Barren aus
Thon. Bei Santa Rosa finden sich Huacas mit einem langen Eingang, von dem in ver-
schiedenen Punkten Wege auslaufen , zu den Behältern der Todten , im Kreuz zu ein-
ander. In der Loma de agua sucia (bei Cali) sind Steinäxte gefunden (neben Thon-
sachen). In den Huacas von Naranjal (bei Manizales) fand sich die Figur von Indiane-
rinnen im dünnen Goldkleid, das mit Figuren verziert war. Bei Manizales enthielten
einige Huacas dünne Goldbleche, die über die Lippen gelegt waren. In den Huacas
bei Arayo wurde fein Steinkasten angetroffen , den Todten enthaltend, während die Töpfe
längs der Wand aufgestellt waren. In Salado bei Tocatä (zwischen Kali und Cordova)
finden sich Huacas in verschiedenen Abtheilungen, welche die ausgestreckten l>eichname
enthalten. Bei Vuaceri (zwischen Buga und Palmyra) ist in den Huacas eine weibliche
Steinfigur gefunden. In Masamoras, zwischen Popayan und Bolivar, enthielt eine Huaca
kreuzweis darüber gelegte Steine, Auf den Höhen um Buga sind indianische Vasen aus-
gegraben. In Burilla (bei Tulua) finden sich Spuren alter Salzminen in der centralen Cor-
diUere und daneben Höhlen zum Bewohnen (mit Küchengeräthen aus Thon). In den
Huacas in Pcüalasco (in Tolima) sind unter einem Gewölbe ein mit Strohdach gedecktes
Haas, und die Leichname darin angetroffen, sowie mitunter Sessel aus Thon. In Jen
Anschwellungen des Rio San Juan de Mico wurden oft durch Auswaschung der Huacas
Thonstücke, Mörtel u. dergl. herabgeführt. In V'asano am rechten Ufer dts Cauca (zwi-
schen Cali und Cartago) sind Huacas in Zimmerabtheilungen (mit Tinajones an den
Wänden) ausgegraben. In den Huacas bei Tulua fanden sich Muschelarmrmge und gol-
dener Nasenschmuck, sowie thöneme Idole mit Goldstaub gefüllt. In Las Pavas (zwischen
Palmyra und Cordova) sind in den Höhlungen der Huacas Thonsachen gefunden, oft
grosse Tinajones. Beim Graben für den Bau eines Hauses in Palmyra kamen Thonsachen
zu Tage. In Agua clara (bei Palmyra) finden sich Huacas. In St. Barbara (bei Pal-
myra) stiess man auf Tinajoncs und Reibsteine. In Socha (bei Chicamocha) finden sich
Säulenstücke (mit Gesichtern). In Jamundi (vom Häuptling Amundi genannt) oder
Chamundi (zwischen Cali und Popayan) sind Alterthümer gefunden.
Bastian : America. I. 15
226 COLUMBIEN.
Das schönste und gesundeste Vergnügen wurde jedenfalls durch
ein tägliches Bad in den frisch strömenden Wassern des Cali ge-
boten, wenn eine passende Stelle in nicht zu weiter Entfernung ge-
funden war.
Einer meiner gefälligen Bekannten schleppte mich nach der
Kirche de la Merced, um mir ein steinernes, jetzt übermaltes, Bild
der Jungfrau zu zeigen mit dem eine Frucht haltenden Säugling auf
dem Arm, als Virgen de los Remedios, deren syrische Reminiscenzen
auch im Buddhismus ihre Analogien finden. Diese, die geschlitzten
Augen der Indianer zeigende Figur war, wie auf dem daneben hängen-
den Bilde abgemalt, an den Ufern des Daguas gefunden, und zwar
an einer Stelle, (dem sog. Queremal), welche allein die gegen ner-
vöse Krankheiten verwandte Quereme - Blume (Thibaudia Quereme)
erzeugen sollte, von der indess nichts vorräthig war. Im XVIII. Jahr-
hundert nach Cali gebracht, verschwand das Idol, weil es wahr-
scheinlich an dem, diesem Gelichter auch in Indien eigenem, Heim-
weh litt, das gleich der Herzkrankheit von Cortez' Soldaten nur
durch Gold kurirbar zu sein pflegt. Da sich diese Remedios vor-
räthig fanden oder doch auftreiben Hessen, wurde es in feierlicher
Procession nach Cali zurückgebracht, wo es jetzt von den Bürgern, als
theuer erkauftes Gut, mit um so höherem Stolze ihr Eigen genannt
wird. Die Quere-me (Liebe-mich) Blume dient zugleich für Vergiss-
meinnichtsgaben und wird gern von den einheimischen Dichter-
talenten besungen.
Für die von Cali aus beabsichtigte Route war die Jahreszeit keine
besonders günstige, xdoch musste sie genommen werden, wie sie sich
bot, da ein Warten kaum dienlich gewesen wäre, und schon bei der
Zeitbeschränkung nicht in Frage kommen konnte.
Wenn man in Südamerica einen Verano (Sommer) und einen In-
vierno (Winter) unterscheidet, so versteht man unter dem ersteren die
trockene (und windige) Zeit, unter dem letzteren die Zeit der Regen,
und schiebt oft noch (der kleinen Regenzeit entsprechend) ein Invier-
nillo (Winterchen) ein. Die Folge der Jahreszeiten bedingt sich, wie
überall, durch die geographische, in diesen mächtigen Erhebungs-
massen aber auch zugleich durch die topographische Lagerung des
Ortes, da bis hoch in die Luftregionen hinauf die sonst regelmässigen
und gleichartigen Strömungsrichtungen eine Ablenkung erfahren
mögen, und so den aus allgemein meteorologischen Bedingungen
er\varteten Umlauf der Erscheinungen local durchbrechen.
In Columbien fällt für das Caucathal die trockene Zeit in die
JAHRESZEIT. 227
Monate März — Mai und December — Februar, der Regen in die Mo-
nate Juni — August und September — November, und ungefähr ähnlich
in Bogota, obwohl auf dortiger Sabana fast beständig Hinneigung
zu Regen zu erwarten ist. In der Zeit von Juni bis August sind die
Paramo der dort herrschenden Stürme wegen gefürchtet. In Antio
quia fällt in den nach dem Choco gerichteten Wäldern Regen im
Mai — August, sowie im September — November, in den nach dem
Cauca zu liegenden im April — Juni, sowie im August und ferner
im September — November.
„Im Allgemeinen fällt (für Columbien) die Regenzeit in das Solsti-
tium des Juni und die trockene Zeit in das des December. Auf dem
Isthmus findet sich die gleiche Unterscheidung zwischen trockener
und regnerischer Zeit, aber es lässt sich behaupten, dass die trockene
Jahreszeit erst 20 Tage nach dem Solstiz des December beginnt
und 20 Tage vor dem des Juni sein Ende erreicht, so dass die regne-
rische Zeit die trockene an Länge übertrifft. An der ganzen Küste
des Pacific, von Cupica bis an die südliche Grenze der Republik,
sowie im Innern des Choco, im südlichen und nördlichen Darien bis
Portobelo, fehlt die trockene Zeit gänzlich, indem das ganze Jahr
hindurch Regen fällt" (s. Mosquera^).
Da sich aus verschiedenen Ueberlegungen Palmyra als der ge-
eignete Ort erwies, die Reise durch Columbien vorzubereiten, brach
ich am Novbr. 4. mit Miethsthieren dorthin auf Auf einer Ebene mit
Busch und Anpflanzungen hatten wir durch stehendes Wasser zu pat-
schen, das aus den Ueberschwemmungen des Cauca zurückgeblieben
war, und erreichten dann die niedrigen Ufer dieses Flusses, wo uns
eine Strickfahre an das andere Ufer beförderte. Dort ritten wir über
einen durch zähen Morast lästigen Weg^) und längs Baumstämme, die
darüber lagen, durch einen gestrüppartigen Wald, in welchem nur
in weiten Intervallen eine halbvermoderte Umzäunung an der Seite
>) Pucde fijarse que desde 260 Metros de altura sobre el nivel del Mar, hasta 3100,
estan divididas las cstaciones como dejamos espuesto, pero, de 3100 Metros h los mayores
alturas conocidas, succde todo lo contrario. Cuando domina la estacion scca en aquellas
lugares, las g^andes alturas estdn cubiertas de nubes y hay grandes temporales acom-
pafiados de granizo, y es la ^poca en que hay crescientes de los rios que bajan de las
cordilleras y sc aumentan las nieves perpetuas de las cordilleras nevadas y en los licmpos
de la estacion pluviosa las cordilleras estän secas, no hay temporales y el frio es mas
moderado. In Peru herrscht oft entgegengesetzte Jahreszeit in einzelnen Provinzen.
^) Some of the worst roads in the world on account of mud (zwischen Palmira und
Kali). Its desperate character might at once be known by seeing Pontederia azurea grow-
ing therc (s. Holton).
15*
228 COLUMBIEK.
Anpflanzungen andeuten sollte, (ob nun frühere oder erst beabsich-
tigte), und passirten mit Matten bedeckte Brückenstege über den
Fluss Machal, der in den Cauca einmündet. Kurz darauf zeigte sich
ein Theil des Gepäckes verloren gegangen, so dass sich der Führer
auf die Suche zu begeben hatte, während ich seine Rückkehr bei
einem einzeln stehenden Hause erwartete. Nachdem dann der Wald
häufiger von Anpflanzungen unterbrochen war, traten wir ins Freie
auf eine v^on Heerden belebte Wiese, deren grüne Fläche in die
Ferne hinanwellte zum begrenzenden Bergzug und an der unteren
Hälfte desselben hinauf.
In Palmyra fand ich das ganze Hotel durch eine reisende Theater-
gesellschaft in Anspruch genommen, und wurde des weiteren Suchen's
durch die freundliche Aufnahme der deutschen Kaufleute der Firma
Blume & Co. überhoben. Drei Brüder führen dies, besonders die
Palmyra - Tabake vertreibende Geschäft, und sie überliessen mir die
höhere Etage des Comptoirhauscs, die leer und unbenutzt stand, da
sie für ihre Familien besondere Wohnungen gewählt hatten. Herr
Max Blum bewohnte mit Frau und Kindern ein Landhaus vor der
Stadt, und begleitete ich ihn dahin am Sonnabend, um den nächsten
Tag mit seiner Familie zu verbringen. In der Nähe dieser Hacienda
Beringo wurde bei Agua clara ein welliger Grund mit Huacas ange-
zeigt, und war überhaupt mancherlei in der Nähe von Palmyra ge-
funden, so dass ich einige kleine Erwerbungen machen konnte.
Mehrere der dortigen Kaufleute hatten mit den wilden Stämmen
in den Bergwildnissen um Popayan verkehrt, und kannten Verschie-
denes von dort gefundenen Alterthümern. In der Nähe Popayan's
soll vor Kurzem eine grosse Steinfigur ausgegraben sein, die man
nach der Stadt zu schaffen suchte, aber auf halbem Wege liegen
lassen musste.
Die Coconucos von Puraze (bei Popayan) reden besondere
Sprache und auch bei den Stämmen*) um Paniquita (bei Popayan)
ist ihre eigene Sprache erhalten.
') Bei Mocoa am Putumayo wohnen die Andaquies. Zwischen dem Quindiu und
lbagu6 haben sich, in die Wälder zurückgezogen, Indianer erhalten, und so in den Beiden
des oberen Calima. Die (im Sammeln der China - Rinde unterstützenden) Vuambia (saco
de fique) oder Silvia (bei Popayan mit Silviones und Tortoraes) sprechen gleiche Sprache,
wie die Indianer von Pitayon und die Indianer von Imbi6. Die Sprache der Silvianos
(bei Popayan) ist von der der wilden Paezes verschieden: fucgo, ippin; blanco, guass,
viejo, penche; cabeza, huete; pelado, topio. Die Lengua Jeona wird swischen Putumayo
und Caquetd gesprochen , und ausserdem als Jeona ein Nebenfluss des Xingu bezeichnet
(Zeona).
PALMYRA. 229
Nachdem der für meine Reise durch Columbien zu entwerfende
Plan vielfach besprochen und das Für und Wider der zu wählenden
Transportmittel hin und her erwogen war, schien es am gerathensten,
da ich mich zunächst nach Antioquia begeben wollte, Thiere zu
kaufen, statt am Wege von gemietheten abhängig zu bleiben.
Für den Ankauf wurden Sachverständige aller Art zu Rathe
gezogen, und auch ein Diener war empfohlen, der indcss am Vor-
abend der Reise durch einen Armbruch invalide wurde, und durch
einen andern ersetzt werden musste. Nachdem dann die Einzeln-
heiten des Sattelzeuges und der Geschirre stückweis zusammengesucht
und componirt waren, nachdem die Provisionen mit sonstigem Zubehör
gekauft und der wasserdichte Schutz vorgesehen war, konnte ich
am Nachmittag des i6. November Palmyra verlassen, um die Nacht
in der CafTeeplantage der Hacienda St. Rita zu verbringen, ^unter
gastfreundlicher Aufnahme durch den deutschen Besitzer derselben,
Herrn S. Eider. Von ihm erhielt ich die erste Kunde über die
glückliche Beschiffung des Putumayo, da ihm gerade ein Zeitungs-
blatt aus Rio Janeiro mit einem Bericht darüber zugegangen war.
Die Grenzstreitigkeiten der spanischen Republiken unter einander
bewegen sich auf Grund der früheren Jurisdictionen des Vicekönig-
thums, oder, unter dem anfangs ungetheilten der Präsidentschaften
innerhalb desselben, und ausserdem liegen sie sämmtlich im Process
mit Brasilien, wobei auf die Controversen zwischen Spaniern und Por-
tugiesen, sowie die damals abgeschlossenen Verträge zurückgegriffen,
und im Allgemeinen das Uti possidetis vom Jahre 1810 als Besitz-
titel gesetzt und verlangt wird. Lange kümmerte man sich wenig
um die noch für keinen Besitzer nutzbaren Länder und erst die Ent-
wicklung der Dampfschifffahrt auf dem Maranon hat die Aufmerk-
samkeit wieder darauf hingelenkt, besonders in Columbien, das be-
droht ist durch das rührige Vordringen der (americanischen) Portu-
giesen von allen seinen Ausmündungspunkten in das Süsswassermeer,
und also von jedem Hafen abgeschnitten zu werden.
Schon im vorigen Jahrhundert waren die Portugiesen 1771 bis
Iza am Putumayo vorgedrungen, wurden aber durch den Vertrag von
Ildefonso wieder bis zur Westmündung des Yupurä zurückgewiesen
(1777), und in dem Vertrag von Badajoz (1801) suchte man der
Grenze noch mehr Genauigkeit zu geben. Doch wurden bald wieder
brasilische Raubfahrten auf dem Putumayo verzeichnet, um die In-
dianer als Sklaven fortzuführen und die Sassaparilla- Sucher setzten den
Rio Yaguas als Grenze (1853), wie solche an der Confluenz des
230 COLUMBIEX.
Yaguas mit dem Putumayo 1859 offiziell festzustellen gesucht wurde.
Der Dampfer Para befuhr bis Bello Jardin am Putumayo. Die Co-
mision demarcadora del Brasil con cl Peru fixirte die Grenze ^) in
Guequi am Putumayo (1869), während die colombische Regierung
den ganzen Lauf des Putumayo in Anspruch nimmt, und an der Boca
del Urari (Nebenfluss des Iza). Ueber Dr. Reiss' Antheil an der
jetzigen Eröffnung des Putumayo für den China-Export hat derselbe
in den . Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin,
selbst berichtet (1877).
Mit dem Aufbruch am nächsten Morgen (November 16.) lag
mein Weg für die folgenden Tage am rechten Ufer des Caucaflusses,
wo Buschwald mit Anpflanzungen und Wiesen wechselten, zwischen
den aus dem begleitenden Bergwall herabströmenden Nebenflüssen,
die nach einander (mit dem Nimapurut und Maima beginnend) zu
passircn waren, mitunter nicht ohne Schwierigkeiten, da sie mit der
einsetzenden Regenzeit zu schwellen begannen. Manche derselben
verlangen deshalb auch jährlich ihre Opfer, und als wir jenseits des
Pueblo Cerrito, vor welchem ein Markt abgehalten wurde, den Fluss
Las Huavas durchritten, bemerkte mir mein Bursche: „Este rico ahoga
mucha gente." Er war durch vielfache Reisen im Lande, theils als
Arriero, theils als Diener, mit jedem Weg und Steg wohl vertraut,
in sein jetziges Engagement indess, da es sich um rasche Gewinnung
eines Ersatzmannes gehandelt hatte, etwas improvisirt eingetreten,
da er so eben erst von einer schweren Krankheit genesen war. Er
fühlte sich noch immer ziemlich unwohl, und nachdem wir das Pueblo
^) Nach Erörterung der früheren Verträge sucht Otero nachzuweisen: el derecho que
assiste a Columbia para reclamar del Imperio, como linea divisoria entre los dos paises,
la que partiendo del punto del rio Vavari en donde haya de terminar la linea Este-Oesie
que se trace desdc la confluencia del Guapore i del Mamorö, el Vavari Aguas abajo
hasta el Amaz6nas, este en todo su curso hasta la boca mas occidental del Vu-
purd, (jue (salvo la rectificacion del caso) llamarcmos cl brazo Avatiparand. Siguc
este brazo hasta el Caquetd o Yupurd, y remonta sus aguas hasta donde recibe el
desague de la laguna Maraki, por la cual continua la linea en direccion al Norte
hasta el Rio Negro, frente a la desembocadura del Cababuri. Sigue por el Rio
Ncgro hasta la union del Casiquiare, i este en todo su curso hasta donde se des-
))rendc del Orinoco (1869). Villa vicencio (seflalando la alta cadena de montaüas que
componen la cordillera del Putumayo como limite entro las dos republicas del Ecuador
y Nueva Granada) bemerkt über Ecuador's Grenzen mit Peru : Si la Cedula de 1802 ha
dado derechos aparentes al Peru para pretender la propriedad de Quizos y Mainas, no
sc los dd, ni aun en apariencia siquiera, sobre los terrenos de Canelos y Gualaquiza
(1860). Am Rio Zamora und Bobonaza (bis zur Confluenz mit dem Pastassa) waren der
Englischen Gesellschaft Landes-Cessionen gemacht (wie am Pailon, in Atacamez und bei
Molleturo).
BUGA. 231
Sonzo, wo sich an einem niedrigen Höhenzug mit Thalbuchtungen
die beiden Arme des Sonzoflusses vereinigten, passirt hatten, musste
zu seiner Erholung in einem Hause am Wege eine längere Rast ge-
währt werden, so dass mich ein solcher Beginn der Reise etwas
bedenklich machte. Doch stellte sich seine Gesundheit an den fol-
genden Tagen wieder her und hat für den Rest der Reise keine fer-
neren Hindernisse in den Weg gelegt.
Bis zu seinem Eintritt in die verengenden Gebirge Antioquien's
(abwärts von Cartago) bewahrt das Caucathal von Palmyra an (und
noch von oberhalb) überall seine mächtige Breite. Wir ritten in der
Mitte zwischen der mittleren Cordillere rechts und dem rechten Ufer
des Cauca zur Linken, durch den Abfall der mit den niederströmen-
den Bächen durchsetzten Ebene hin, und sahen dabei in weiter Ent-
fernung am anderen Ufer den begleitenden Zug der Küsten-Cordillere.
Diese trat deutlicher hervor bei der Einmündung des Buga-Flusses
(Rio de las Piedras), wo sich auch auf unserer Seite das Terrain
durch Annäherung des rechten Gebirgszuges in Unebenheiten zer-
bricht.
In Buga, wo sich eine Brücke in Bau befand, waren die Zimmer
des sog. Hotel, wenn überhaupt vorhanden, besetzt und fand ich
deshalb Aufnahme bei einem Geschäftsfreund meiner Bekannten in
Palmyra, bei Don Juan de Dios Restrepo, bei dem ich, da er aus
Antioquia stammte und seine Gemahlin aus Bogota, Manches über
beide Provinzen hörte. Wir waren auf dieser ersten Tagereise be-
reits von Regenschauern überrascht, den Vorboten der nassen Jahres-
zeit, die das Reisen im Caucathal durch Austreten der Flüsse zu er-
schweren drohte.
Buga (Guadalaxara de Buga) wurde 1 570 durch Alvaro. de Mcn-
doza gegründet und einige Zeit lang als Nueva Galicia bezeichnet,
wegen der vielen Gallegos, die sich dort niedergelassen hatten.
Da es noch allerlei nachträgliche Besorgungen gab, konnten wir
erst am Mittag (November 17.) die Weiterreise antreten. Auf ge-
brochenem Terrain kamen wir in Quebraden, und dann durch Busch
und eingezäunten Wald an den Sanchon-seco-Fluss , (wo auf der
Höhenkette und grünen Hügelkuppen die Häuser des Pueblo Todos
los Santos zerstreut lagen), dann an den Fluss San Pedro. Rechts
zogen sich waldige Hügel her, von der Cordillere auslaufend, mit
geöffneten Stellen, links breiteten sich Wiesen mit Wald umsäumt,
auf der Niedemeigung zum Cauca, und auf dem andern Ufer des-
232 COLUMBIEN.
selben erschien in der Ferne die westliche Cordillere, grün an den
Abhängen und die Höhen blau duftig umflort.
Nach einigen Häusern am Wege, wo Erfrischungen in dem
Landesgetränk der Chicha verkauft wurden, nahm uns ein morastiger
Wald auf mit verfallenen Brückenstegen, bis wir am Abend den Fluss
Tulua erreichten. In dem gleichnamigen Pueblo war für Fremde nichts
vorgesehen und hatten wir eine Zeit lang in den Strassen umherzu-
wandern, bis es möglich war ein Zimmer zu miethen, von einer da-
neben wohnenden Frau, die zugleich die Bereitung eines Abendessens
übernahm. Durch Besuche, die sich einstellten, hörte ich Manches
über die in dortiger Gegend, besonders bei Vasano, gefundenen Alter-
thümer und konnte einige Kleinigkeiten erwerben. Hier war der
Sitz des Häuptlings Calarcä zur Zeit der Conquista.
Nachts fiel ein heftiger Platzregen, der bis zum Morgen an-
dauerte.
Der Aufbruch wurde möglichst früh in's Werk gesetzt und
passirten wir auf einer Rohrbrücke den Fluss Tulua. Ueber eine
grüne Ebene mit Waldsäumen ging es fort, dann an welligen Hügel-
ketten über den Fluss Morales, und durch morastigen Wald zum
Fluss La Valeta. Hinter dem Pueblo St. Vincente fanden wir uns in
einer parkartigen Waldlandschaft. Dort rundeten die Mango ihre
laubigen Kuppeldome, gleich den Mangoe-coves in Indien, dort, die
indische Banyane ersetzend, streckte die mächtige Seiva (Bombax
ceiva) ihre weiten ästigen Arme, dort hüllten sich die Tamarinden
«
in dichtes Laubgezweig, während aus dem der Orangen die Früchte
hervorglühten, schlanke Palmen aufstrebten, das Zuckerrohr im
lachenden Grün schimmerte, die breiten Blätter junger Bananen durch
Frische erfreuten und hoch der Mais in den Feldern emporstand.
An leicht gezackter Hügelkette mit grüner Bewaldung gelangten
wir zu den erhöhten Ufern des Buga-la-grande, und am welligen
Hügelabhang öffnete sich dann der Blick über abfallendes Waldgrün
zur westlichen Cordillere, wo Ortschaften sichtbar waren.
Während des Frühstücks in einem Landhaus bei dem Pueblo
Buga-la-Grande, kehrte dort ein Kirchenhausirer ein. Heilige im
Kasten tragend, die er gegen entsprechende Remuneration der Be-
wunderung und Verehrung ausstellte. Scherzer erzählt aus Nicaragua
von der bemalten Holzfigur eines Santo, „die in einen Kuhsack
(Zurron) wohlverpackt von Dorf zu Dorf wanderte, und von dem
„Heiligenbesitzer'' gegen Geld oder Geschenke sehen gelassen wurde,
„wie die Savoyardenknaben ihre vierbeinigen Künstler von Ort zu
WIRTEL. 233
Ort tragen". Der von Desmontes (in Costa Rica) „für baare fünf
Pesos" angekaufte St. Caralampius gab sein erstes Heiligendebüt
unter der Schnapsbewirthung der Indianer durch den Klausner, der
das Geschäft zu etabliren dachte.
Am Fluss El Overo kamen wir zum gleichnamigen Dorf, dessen
Kirche malerisch in einer Anpflanzung von Pappelweiden lag, über
welcher die Arme der dazwischen wachsenden Seiva sich ausbrei-
teten. Daneben zeigte sich Cana fistule mit hängenden Luftwurzeln
und vielblättrige Quassimo.
Beim Fluss Morales kamen wir über das aus früherem Anbau
in die Verwilderung zurückgefallene Territorium der Hacienda La
Paila, und folgte ein dichter Wald, der durch Räubereien berüchtigt
war. Ein paar Männer mit Doppelflinten, die uns entgegen kamen,
waren auf der Jagd nach einem Tieger begriffen, der sich in der Um-
gegend gezeigt und die Heerden angefallen hatte. Die Rohrbrücke
über den Fluss La Paila war nicht zu benutzen, so dass wir einen
Umweg zu machen halten, eine Fürth aufzusuchen.
In einer Wildniss von Guajava-Bäumen führte uns der Weg über
Schlamm und kiesigen Mergel zum Fluss Las Canas, wo durch die
grüne Ebene Hügelkuppen sich zerstreut zeigten.
Auf einer Anhöhe lag ein Hüttenhaus mit dem Annex^ einer
kleinen Zucker-Trapiche, und dort, wo ein Blick über die von dem
Hintergrund der Cordillere zum Cauca abfallende Waldebene gewährt
war, schlugen wir unser Nachtquartier auf, nachdem ich den Fluss
zu einem Bad benutzt hatte. In der schmutzigen und dunkelen Stube
war die ganze Familie beisammen, die weiblichen Mitglieder meist
damit beschäftigt Baumwolle zu Fäden zu drehen, mit Beihülfe von
Wirtein aus Holz oder Thon, die überall gemacht werden. Mitunter
sah ich auch die verzierten Thonwirtel, die in Huacas gefunden
waren, dazu benutzt, (und konnte sie dann meist eintauschen), oder
Wirtel aus Stein, wobei man mir auf mein dahin zielendes Fragen
erwiederte, dass diese alten Steinwirtel allerdings die brauchbareren
seien, aber „quien haria el agujero?"
Da die Wände voll von Wanzen krabbelten, und deshalb ein
Niederlegen auf den Bänken nicht rathsam schien, Hess ich mein
Gepäck in der Mitte des Zimmers aufbauen, um die Decken darüber
auszubreiten. Es wurde viel von Tiegern gesprochen, für welche
man Fallen gestellt hatte, und fast von jedem der hier in kurzen
Entfernungen folgenden Flüsse die eine oder andere Geschichte über
die in diesem oder dem vorigen Jahre dort Ertrunkenen erzählt.
234 COLUMBIEN.
Während der ganzenNacht klatschte der Regen auf das Dach hernieder.
Die Häuser sind meist mit überhängendem Dach gebaut, alsTapia, einem
viereckigen Bretterkasten mit hineingestampftem Lehm vergleichbar.
Der nächste Morgen (19. November) führte uns auf gebrochenen
Grund, mit einem Blick auf kuppige Hügelketten und Ebenen da-
hinter, dann über sumpfige Wiesen durch Wald. In der Quebrada
Honda waren die Thiere vom Burschen an der Hand zu führen, um
den Tritt zu prüfen. Einem unebenen Wege folgend, sahen wir von .
einer niedrigen Erhöhung die ganze Gegend weithin mit Wasser-
teichen bedeckt, aus den Ueberschwemmungen der durch Regen ge-
wachsenen Bäche in der Quebrada honda. Da wir von einem Vorüber-
ziehenden hörten, dass ein Umgehen nicht möglich sei, Hessen wir
uns die besten Stellen des Ueberganges andeuten und steuerten
darauf los. Wir waren indess noch nicht weit in das Wasser hinein-
gekommen, als die Thiere in etwas alarmirender Weise einzusinken
begannen, bis an den Bug und darüber, so dass ich, um trockene
Füsse zu retten, die Beine kreuzweis über den Sattel legte, während
dieser Operation aber, bei einem neuen Sturz des Thieres, hcrunter-
kollerte, und nun alle Kleider so durchnässt hatte, dass ich unter dem
nächsten Baum zum Umkleiden halten und das Gepäck öffnen lassen
musste. Als dieser trockene Grund erreicht war, fanden wir uns in
einer zerstreuten Ansiedlung (Pueblo Victoria) mit vereinzelten Land-
oder Bauernhäusern, die in ihren Gehegen umherstanden, und be-
gaben uns nach derjenigen Wohnung, welche uns als die des Corregidor
angezeigt wurde. Dort erhielten wir die unangenehme Nachricht,
dass an ein Weiterkommen zunächst nicht zu denken sei, indem der
San Juan del Mico, einer der gefährlichsten Flüsse des Weges, von
dessen Tücke bereits zu verschiedenen Malen geredet war, so ange-
schwollen sei, um selbst die Weiterbeförderung der Post unmöglich
gemacht zu haben. Der Correo (Postillon) lag bereits seit dem vorigen
Tage dort im Quartier, und obwohl er am Vormittag mit einem landes-
kundigen Führer mehrmals abzugehen versuchte, nur auf dem Reit-
thier ohne weiteres Gepäck, sahen wir ihn doch am Abend erfolg-
los zurückkommen. So musste man sich schon darin ergeben. Im
Laufe des Tages langten noch andere Passagiere an, die sich eben-
falls zum Halt gezwungen sahen, und das Gespräch drehte sich natür-
lich besonders um unser Hinderniss. Man schalt auf die Regierung,
die das Land ohne Wege und Brücken verkommen lasse, und machte
sich das bei dem Mico am fühlbarsten, da an dem Platz, wo wir
den, mitunter ein Aufenthalt von 3 — 3 Wochen eintreten
FLÜSSE. 235 '
konnte. Die verschiedenen Opfer wurden aufgezählt, die das Wag-
niss der Passage über den Mico in der Regenzeit bereits mit dem
Leben bezahlt hatten, und wurde darunter ein Elephantenführer ge-
nannt, der mit seiner Menagerie von Bogota gekommen. An das
Ertrinken eines Engländers im Flusse Honda knüpfte sich eine län-
gere Erzählung, da sein Leichnam mit einer Geldkatze um den Leib
später abwärts aufgefunden sei, und die plötzliche Wohlhabenheit
eines der dortigen Gutsherren solchem Umstände zugeschrieben
wurde.
Da am nächsten Morgen (November 22.) das Wetter ein besseres
Aussehen annahm, machten wir uns auf den Weg und gelangten
zwischen Hügelkuppen an die schroffe Schlucht, in welcher der Mico
hinströmt. Um für die Führung des Thieres bei dem starken Fall
des Wassers und der Unsicherheit des Bodens festen Sitz zu behal-
ten, mussten Schuhe und Strümpfe ausgezogen und die Beinkleider
aufgestreift werden, da auch hier das Wasser bis über die Steigbügel
reichte, doch fand man sich dann am anderen Ufer wieder in trocke-
nem Zeug. Die frühere Brücke über diesen FIuss war eingefallen.
Auf den sumpfigen Wiesen, die sich anschlössen, fanden sich
noch einige Teiche von ähnlicher Tiefe, so dass ich mich ein paar
Mal auf das höhere Pferd eines Mitreisenden setzte, um die Lästig-
keit des Kleiderwechsels zu sparen. Im Dorfe Naranjo oder Obando
frühstückten wir beim Cura, Herrn Basilio Bueno, der einige Lieb-
haberei für Alterthümer besass, und Manches darüber wu.sste. Er
stellte mir ein junges Mädchen als seine Tochter vor, was mich in
sofern einigermassen überraschte, weil ich zwar schon sonst in Süd-
Amerika, besonders in Peru, nicht nur eine, sondern auch ein Dutzend
Töchter im Hause des Herrn Pfarrer kennen gelernt, sie aber dann
als Nichten eingeführt gehört hatte. Hier lag der Fall indess so,
dass er früher verheirathet gewesen, und erst als Wittwer ordi-
nirt war.
Der Weg folgte am Fusse welliger Vorberge aus der mittleren
Cordillere, die sich herumzieht, mit zeitweiligem Blick auf die west-
liche Cordillere, jenseits des bewaldeten Thals, das zum Cauca ab-
fällt. Der Fluss Sancha Guanavana war von einer bedeckten Brücke
überspannt. Durch Wald gelangten wir auf sumpfige Wiesen mit
tiefen Wasserlachen, und dann an eine Brücke, die sich in ihrem
brokfälligen Zustand nur zu Fuss passiren liess, während der Bursche
durch die Fürth watete, die Thiere nach sich ziehend. Der Weg
war so schlecht, dass man nach allen Richtungen hin für festen
236 COLÜMBIEN.
Auftritt hatte suchen müssen, und dabei auch das Privateigenthum
nicht respcctiren können, so dass die Umzäunungen einer Hacienda
an verschiedenen Stellen zerbrochen waren, um über ihre Trümmer
wieder auf die Hauptstrasse zu gelangen. Zwischen welligen Kuppen
mit dichtgrünem Anbau lag das Dorf Saragossa, und um dasselbe
wölbten sich dunkle Waldlauben, über welche die rothen "Blumen
des BoboBaumes, der die Cacao-Pflanzungen beschattet, hervorleuch-
teten, während die Gartenanlagen an den Häusern von Palmen und
Bananen geschmückt wurden. Ueber Wiesen und wogend schwellen-
den Erhebungen ging es weiter in freundlicher Umgebung. An
einem Fels am Wege bemerkte ich Nischen, deren Zweck mir un-
verständlich war, bis ich hörte, dass der Stein wegen seines salpetri-
gen Gehaltes von dem Vieh ausgeleckt wurde.
Beim Hervorwinden des Weges zwischen den Felswänden zweier
Höhen, öffnet sich der Blick auf eine von Wiesenhügeln umzogene La-
gune, hinter welcher die weissen Häuser Cartago's im Waldgrün ein-
gebettet liegen, während die in der Ferne dunkelnden Berge der
westlichen Cordillere (jenseits des Cauca) den Horizont abschliessen.
In den Strassen angelangt, lenkten wir unsere Thiere nach dem
Gasthaus, hörten aber von der Wirthin, dass sie nur eine Fonda halte,
d. h. eine Restauration zum Speisen, während die eigentliche Posada
zum Logiren seit einiger Zeit eingegangen sei und keine andere
existire. Ich wartete also dort, bis mein Bursche, der in der Stadt
umhergefragt hatte, ein Zimmer zu miethen, mit der Nachricht zu-
rückkam, das er ein ganzes Haus gefunden habe, das wir noch den
Abend bezogen, selbstverständlich ohne Ameublement, aber, was
wichtiger war, mit einem bequemen Stall, um unsere Thiere für
einige Tage zu verpflegen, da sie sich bereits sehr angegriffen zeig-
ten. Wie ich später hörte, stand dieses in seinen zwei Etagen sehr ver-
fallene Haus deshalb leer, da es für nicht geheuer galt. Die früheren
Bewohner hatten es verlassen, weil durch Erscheinungen erschreckt,
und seitdem wusste man, dass es dort umging. Andere, die mit der
magischen Wissenschaft vertraut waren, hatten sich daran gemacht,
diesem Spuk auf dem Grund zu gehen, da er auf Schätze*) deute,
und solche sollten denn dort auch heimlich ausgegraben sein. Aus
weiteren Enthüllungen erfuhr ich, dass es mit rothem Licht brenne,
wo Gold, mit blauem, wo Silber vergraben sei. Letztere Farbe ist
auch den deutschen Schatzgräbern bekannt (s. Wuttke).
' ^) Almost every old house in Bogota is said '^' ' ^ treasures taken out
pr lo have Ihcni remaining still in their walls (Sf
CARTAGO. 237
In den Huacas^) bei Cartago ist ein goldener Nasenschmuck ge-
funden worden, der über den Mund herabhing, und daneben ein
goldener Brustschmuck, zweimal durchbohrt für die Befestigung.
An Arme und Beine, sowie um den Gürtel, waren Goldringe gelegt.
Die Huacas wurden in verschiedener Weise beschrieben : In einer
Huaca von La Paz (bei Cartago) führten von dem Eingangssaal mit
glatt abgeschliffenen Wänden verschiedene Thüren (viereckig und
gebogen), mit Verzierungs - Guirlanden umgeben, in di^ Begräbniss-
räume, wo die Leichen neben einander ausgestreckt lagen, mit den
Köpfen auf einer niedrigen Erdbank. An den Seiten standen die
Töpfe aufgereiht, daneben der Stein zum Mahlen (mit dem Griffstein)
und die Steinbeile. Die Todten waren mit Goldschmuck (an Nase,
Ohren, Armen, Beinen und Gürtel) verziert. Die elastisch ineinander
gedrehten Goldringe Hessen sich nach dem Aufwickeln wieder zu-
sammenfügen. Die Knochen sind meistens weich, erhärten aber in
der Luft. Die Thüren waren theils durch Steine, theils durch Schilf
geschlossen. In den Huacas von Las Piedras (bei Cartago) führten
verschiedene Thüren (zum Theil mit Steinen geschlossen) in die Be-
gräbnissräume, und und um jede Thür zog sich eine Reihe wechselnd
zusammengesetzter Zeichen in rother und gelber Farbe.
Bei Honda (zwischen Buga und Cartago) erkennt man die Hua-
cas durch eine Einsenkung der Erde. In der Tiefe von lo — 12 Fuss
findet sich ein Saal (etwa 20 Fuss lang und breit), aus welchem
Stufen zu einer in nur rohem Stil gebildeten Thür führen, die den Saal
mit Rückschlag schliesst. Nach den Anzeichen der Zähne, zerfallener
Knochen u. s. w. lag der Todte in der Mitte, die Steinäxte, Töpfe
(zum Theil mit Chicha gefüllt) neben sich, während in die Ecken
Figuren aus Thon gestellt werden und in die Nischen Goldsachen.
In der Hacienda de las Piedras (bei Cartago) finden sich in den
Huacas neben Menschenschädeln die Knochen von Mastodonten nieder-
gelegt. In einigen der Huacas von Las Piedras (bei Cartago) sind
Reste gelber Erde gefunden, die zum Färben benutzt wurde, und an
^) Aus den Huacas von Jericö wurde mir ein Schneckengehäuse von Kupfer gezeigt
und andere Funde waren in den Iluacas von Bartholo (bei Pacora) gemacht. In Ham-
roondi (zwischen Cali und Popayan) sind Huacas ausgegraben und ebenso in Dapa (l^ei
Cali). Die Huacas bei Naranjo enthalten verschiedene Abtheilungen, und in der innersten
derselben sind die I-eichen auf die Erdegelcgt, In einigen sind Seemuscheln gefunden (auch
bei Manizales). In manchen der (oft mit bearbeiteten Steinen ausgelegten) Huacas (bei
Cartago Viejo) ist der Gang mit altcmircnden Seiten-Nischen besetzt. In einigen der Hua-
-^s bei Cartago hat man eiserne Hufeisen gefunden (als Beutestücke aus spanischer Zeit).
238 COLUMBIEN.
der Thür des inneren Gemaches (in einer Huaca) fand Heraclio
Ochoa aus Cartago eine Figur, die ich mir von ihm hinzeichnen liess,
und die eine Aehnlichkeit mit den Calenderzeichen der Chibchas er-
gab. In der Huaca von Saragossa sind die Thüren von dem Hauptsaal
zu den Nebenzimmern mitHolz gestützt. Oft sollen sich gegen lOoSchä-
del zusammen finden. Der Thon der Figuren ist mit Gold ge-
backen, das sich ausschlämmen lässt. Aehnliches wird von den Thon-
gefässen Yucatan's gesagt, und giebt den Grund ab, weshalb auch
in diesen einfachen, und doch für ihren Zweck wichtigen Gegen-
ständen die Alterthumswissenschaft durch Zerstörung Raub erleidet.
Zu meinen Bekanntschaften in Cartago gehörte Herr Elias Rodri-
guez, Manuel Estrada, Elias Renteria u. A. m., von denen ich
zum Theil interessante Alterthümer erwerben konnte, die ich, in
eine Kiste verpackt, an die Herren Blum in Palmyra abgehen liess,
um mit den dort zurückgebliebenen nach Europa verschifft zu werden.
Das von Jorge Robledo (1540) unter dem Schutze seines Hei-
ligen gegründete Cartago lag zwischen den Flüssen Otun und Quin-
diu, wurde aber in Folge der Einfälle der Pijaos und Pimaes nach
der jetzigen Stelle am Rio de la Vieja verlegt, nach der dort ihres
Schmuckes von den Soldaten beraubten Greisin benannt. Karsten
hat durch die von ihm aufgefundenen Versteinerungen den geolo-
gischen Character dieses früheren Süsswasserbeckens festgestellt,
das er durch die Aufstauung der Wasser oberhalb Anserma ent-
stehen lässt.
Dort und in der Umgegend haben sich noch allerlei Erzählungen
von wilden Indianerstämmen erhalten, die sich nach den schwer zu-
gänglichen Gipfeln der seitlichen Cordilleren zurückgezogen hätten,
und in der Tradition hat der Name der Pijaos einen gewissen
Schrecken für die Ansiedler bewahrt. Der Häuptling der Quinchias
(zwischen Anserma und Cartama) bewohnte (zu Badillo's Zeit) „un
fuerte y espacioso cercado, todo el coronado de las cabezas de los
hombres'' (Piedrahita).
Am Rio de la Vieja (bei Cartago) kommen öfterer, wie es heisst,
oberhalb der äussersten Ansiedelung, Maiz und andere Spuren der
indianischen Ansiedelungen an der Quelle zu Tage. Das Innere der
westlichen Cordillere gilt von Indianern bewohnt, da am Oberlauf
der Flüsse mitunter Wurzeln und andere Spuren von Ansiedelungen zu
Tage treten. In den verlassenen Salzminen des Pailon (zwischen
Buga und Cartago) kommen gelegentlich Indianer (der mittleren Cor-
dillere) herab, um die ^en Hunde zu tödten und etwa
INDIANER. 239
herumliegende Werkzeuge zu stehlen. In den Wildnissen der west-
lichen Cordillere bei Vasono werden dorthin zurückgezogene Indianer
vermuthet, indem sich ihre Spuren am Wege finden, und Jäger mit-
unter den Ton von Glocken gehört haben wollen, aus dem Besitz
ihrer früheren Herrin, Luysa de Espada, unter welcher sie in An-
siedelungen zusammenwohnten. In Folge der Einfalle der wilden
Pijaos wurde Cartago Viejo nach dem jetzigen Platz Cartagos ver-
legt. In der westlichen Cordillere dort finden sich die Pijaos,
als Menschenfresser. In diesen an verschiedenen Punkten spukenden
Pijaos sind auch wohl die als riesig beschriebenen Chancos auf-
gegangen, die zu Cieza's Zeit die Wege zwischen Kali und Anzerma
(anzer oder Salz) oder Santa Ana de los Caballeros unsicher machten.
Die gegenwärtig in der Umgegend von San Agostin angetroffenen
Andaquies scheinen von einem wilden Einfall herzurühren, durch
welchen die Halbcivilisation, von der die Steindenkmale zeugen, zer-
stört wurde, und diese werden jetzt mit abergläubischer Scheu be-
trachtet. In der Nähe von Timana (bei San Agostin) finden sich (nach
der Tradition) Gebäude von Thieren getragen, und der Besucher dort
muss stillschweigend kommen und fortgehen, weil lautes Reden Un-
gewitter herbeizieht. Das Mauerwerk besteht aus einer fremden
Steinart, die künstlich zusammengesetzt sein sollen (wie ähnliche Mei^
nungen in Assam und sonst umlaufen). Die im Dorf wohnenden
Indianer reden ihre eigene Sprache. Die bereits von Codazzi be-
schriebenen Monumente von San Agostin haben kürzlich durch
Dr. Stübel eine genauere Aufnahme gefunden.
Ich hielt meinen Burschen zu möglichster Pflege der Thiere an,
im täglichen Baden und guter Fütterung, und hatten sie auch be-
ständig die Krippe mit Mais oder geschlagenen Zuckerrohrstücken
voll, schienen sich indess nur langsam zu erholen.
Doch konnte ich mir keinen längeren Aufenthalt erlauben, und
wurde deshalb am Morgen (Novbr. 26.) die Weiterreise angetreten.
Ausserhalb der Stadt, der sich Cacao-Pflanzungen unter den sie über-
schattenden^) Bäumen anschlössen, passirten wir den Rio de la Vieja
auf einer Barkenbrücke und stiegen dann an einem buschigen Hügel
empor, wo ein seitlicher Niederblick auf die bewaldeten Ebenen des
Caucathales fiel mit der Cordillere jenseits. Der Wald stand im
Blumenflor, und wir schauten auf ein bewaldetes Muldenthal, von
^) Die die Cacao - Pflanzungen beschattenden Baume werden im Guatemaltekischen
(s. Brasseur) Muh genannt (madres de cacao).
240 ' COLUMBIEN.
dem Rio de la Vieja durchschlängelt, während darüber hinaus die
Spitze des Quindiu (der gewöhnliche Passweg nach Bogota) hervor-
ragte.
Am Pueblo Cerrito vorbei, führte der breite Weg durch Wald
über das wellige Plateau der Hügelkuppen, von denen in der Ferne
der leicht gezackte Bergzug des Cuchillo de Loza aufsteigt. Aus
dem Busch der kantig gefächerten Cafia bravä gelangten wir auf ein
offenes Plateau, am Pueblo Chicero. Ein weites Berg^heater erschloss
sich, nach vorne mit dem Cuchillo de Loza, von dem sich auf der
einen Seite die westliche Cordillere am Horizont umherzieht, wäh-
rend auf der andern langgestreckte Bergzüge zum Quindiu streifen.
Unterhalb Cartago's beginnt die Einengung des Cauca zu jenem
Schluchtenbette, in welchem er durch das Gebirgsland Antioquia
hinströmt.
Der Weg folgte durch Wald, der sich zu den waldigen Vor-
hügeln des Cuchillo de Loza forterstreckt, und später wurden seitlich
liegende Ansiedelungen passirt. Wir ritten längs einer hochbewal-
deten Bergschlucht, aus welcher das Rauschen des Rio Hotun (eines
Nebenflusses des Cauca) herauftönte, und dann lag eine Berglandschaft
mit zusammenschliessenden Höhenwäldern vor uns.
Nachdem wir zum Fluss San Juan hinab und auf der anderen
Seite wieder aufwärts gestiegea waren, wurde das auf einer Hügel-
kuppe gelegene Pueblo Pereira oder Cartago viejo erreicht, an dem
bewaldeten Berge des Cuchillo, über welchem der weisse Kegel des
Paramo de Ruyz aufsteigt, während hinter einem dunkeln Hoch-
gebirge, das sich zum Paramo del Quindiu fortsetzt, der scheeige
Paramo St. Isabel in Zacken darüber hervorsteht.
Wir fanden ein Unterkommen im Hause des Wenceslaus Gallego,
dessen damals allein anwesende Schwester die Wirthschaft führte.
Nach der Strasse zu war mit dem Hause ein kleiner Laden ver-
bunden, und der dortige Ladentisch bildete mein Bett während unserer
Anwesenheit. Das in Cartago den meinigen hinzugefügte Lastthier,
anstelle des nach Palmyra zurückgesandten, wurden mit einer Gelegen-
heit an den Eigenthümer besorgt.
Diese ganze Gegend des bis dahin nur von Nare aus geöffneten
Antioquia bildete eine unzugängliche Waldwildniss, ehe die in jüngster
Zeit rapide zunehmende Bevölkerung die Barriere hier (wie an der
andern Seite nach dem Zenu) durchbrach und in die Provinz des
Caucathales abzuströmen begann. Auf dem Wege dahin blieben
etappenweis Colonisten zurück, und so besiedelte sich allmählig ein
fELSZEICIIEN. 241
zur Zeit der Conquista bereits dichter bevölkertes Land, das dann kurz
nach den ersten spanischen Gründungen von den diesein einem 'plötz-
lichen Aufstande zerstörenden Indianern verlassen und so in die Oede
des aufwachsenden Waldes verkehrt war. Als nun neuerdings wieder
eine Einwanderung begann, stiess man nicht nur auf die Fundamente
spanischer Städte, wie in Cartago viejo (dem alten Cartago, das dem
jetzigen vorherging), sondern auch auf die Alterthümer der ursprüng-
lichen Eingeborenen, welche dann bald von den Nachgrabungen der
Schatzgräber ausgebeutet wurden. Einer der thätigsten von Cartago
viejo war Don Manuel Pereira gewesen, von welchem der Ort selbst
den Namen Pereira (aus Dankbarkeit für die von ihm zugefügten
Verschönerungen) angenommen hatte, und obwohl dieser selbst sich
damals in Bogota befand, traf ich doch einige der in seiner Schule
gebildeten Nachfolger. Von diesen gab mir Jose Maria Gallego
mancherlei Aufschluss über die Lage der (auch hier Huacas ge-
nannten) Grabstätten, von denen ich eine bis zu dem unteren Schluss-
stein aufgraben liess, bei dessen Wegnahme sich das Innere mit
Wasser gefüllt zeigte. Verschiedene Ergebnisse der früheren Aus-
grabungen konnten von ihm und Anderen erworben werden.
Durch die Bekanntschaft des Schulmeisters, Don Jesus Hormasa,
wurde ich auf das Vorhandensein von Felsinschriften in der Umge-
gend aufmerksam gemacht, und er selbst erbot sich als Begleiter, um
sie mit einem Führer aufzusuchen. Auf sumpfigem Weg stiegen wir
einen Hügel des Pueblo zum Fluss hinab, der (nach Zurückschicken
der Thiere) hoch über seinem brausenden Bette unter den Schwan
kungen einer in weiten Maschen geöffneten Rohrbrücke passirt wer-
den muss, zu welcher man erst an einem Rohrgeländer empor zu klet-
tern hat.
Nach dem Erklimmen der bewaldeten Hügel an der andern
Seite auf einem steilen Sumpfweg, gingen wir über eine im neuen
Ausroden geschaffene Lichtung fort, meistens über den auf einander
liegenden Baumstämmen balancirend. Als wir den Abhang nieder-
zusteigen hatten, fehlte jeder Weg, der erst mit* der Machete durch
den verschlungenen Wald zu öffnen war, bis zu der Quebrada de las
Frias, wo in dem Rio Hotun mit Zeichen bemeisselte Steine lagen, die
indess erst nach der Entkleidung zum Baden genügend untersucht
werden konnten, um sie zu copiren. Es schien eine Art Landkarte,
die für Orientirung über die Lage der in den Bergthälern zerstreuten
Dörfer, hier an die Fürth (wo in alter Zeit der Weg vorüber gegan-
gen sein wird) gestellt war. Der einfallende Regen beschleunigte
Bastian: America. I. 16
242 COLUMBIEK.
unsern Rückweg, ohne indess freilich den schon genügend sumpfigen
Weg zu verbessern.
Unter den Huaceros von Cartago vicjo hat sich eine bestimmte
Terminologie gebildet über die verschiedenen Formen der Huacas
und so unterscheidet man: Cajones (tief und schmal), Resbalon (mit
schrägem Eingang), Embudo (trichterförmig), Tajo abierto (nach
unten erweiterter Eingang), Quadra (rechteckig), Cancöl (mit hölzer-
ner Wandbekleidung), Tambor (rund und tief).
Auch hier wurde von nächtlichen Geräuschen erzählt, die auf
Plätzen gehört werden, wo Schätze begraben lägen, und Bäume ge-
zeigt, neben denen, um sie anzudeuten, rothe oder blaue Lichter
(die Zeichen des Goldes oder Silbers) gesehen seien.
Vielfach ist die Meinung verbreitet, dass die Indianer Columbiens
die Mischung der Bronze nicht gekannt, und so das Kupfer nur mit Gold
in einer Art von Tumbago zusammengearbeitet hätten, weswegen (in
Folge solcher Schlussziehung) daraus hergestellte Gefässe als beim
Ausschmelzen belohnend vermuthet und deshalb zerstört wurden, ähnlich
wie der Thon der Gefässe (was ebenso in Yucatan geglaubt wird) mit
Golderde gemengt sein sollte. Daneben geben die Künsteleien der Vasen,
bald mit doppeltem Boden, um das eingegossene Wasser verschwin-
den zu lassen, bald pfeifend, als Sibladores u. s. w. Anlass zu
allerlei Muthmassungen. Für Bereitung der schwarzen Parbe, die
auch zum Bemalen des Körpers (mit der rothen verwandt) wird, dient
die Chague genannte Frucht. In Murri werden im Flusse Stücke
von Conundrum (Tibi genannt) gefunden, hart genug zum Stein-
schneiden, und die Sattler von Medellin benutzen sie zum Schleifen
von Messern (wie R. White mittheilte).
In den Huacas von Cartago viejo gehen von dem Eintrittssaal
Thüren (durch Steine geschlossen) zu verschiedenen! Nebenräumen
aus, in welchen der Todte liegt, glücklichen Falles mit Goldringen,
Goldgürtel und goldenem Brustschmuck. Die in den Tinajones ent-
haltenden Knochen sind gebrannt, und vor derThür finden sich Kohlen.
Die Caziken, wenn man auf ihr Grab stösst, tragen neben Nasenring
und Ohrenplatten (sowie Brustschmuck) eine goldene Krone (nach der
Erzählung). In einer Huaca bei Cartago viejo soll sich ein drei-
fach geschliffener Dolchdegen aus Gold gefunden haben.
In den Huacas von Naranjo trifft man gelegentlich die Goldfigur
des Huacuco genannten Fisches, der unter den Steinen lebt, sowie
durchlöcherte Smaragden. Der goldene Nasenschmuck hat die Form
eines Halbmondes. Von den baumwollenen Geweben sind einzelne
AUSGRABUNGEN. 243
Reste zu erkennen. Die kleinen Thongefässe zeigen verschiedenar-
tige Formen der Nachahmung.
Cartago viejo wurde in dem von dem Caziken Tacrumbi be-
herrschten Gebiet von Quinbaya oder Kimbaye (wie auch jetzt eine
Localität zwischen Cerrito und Cartago Viejo heisst) gegründet, zur Zeit
Robledo's, der den Rest der geflüchteten Bewohner bei Las Estan-
cias (zwischen Buga und '^^ulua) niederhauen Hess. Von den bei
dem späteren Einfall zur Zerstörung der spanischen Niederlassung
betheiligten Indianern^) ist während der jetzigen Erneuerung der
Kolonisation 'der letzte im Jahre 1871 gestorben und .soll ein Nach-
komme desselben noch in San Francisco (bei Cartago viejo) leben.
Die von den Spaniern angetroff*enen Indianer von Quinbaya
feierten bei ihren Tänzen in Heldengesängen die Thaten der Vor-
fahren, die in einer fernen Gegend zum Ruhm emporgestiegen
waren. Sie fanden sich als Eroberer auf einem fremden Boden,
über einer von ihnen unterjochten Völkerschicht, und neben ihnen war
bereits wieder ein weiter Grenzstrich wüst gelegt durch Yrrua, den
benachbarten Häuptling von Carrapa. Zugleich aber waren, wie
Cieza de Leon bemerkt, Spuren erhalten eines älteren und ursprüng-
lichen Stammes von Eingeborenen, welcher den neuerdings unterge-
gangenen Geschlechtern bereits lange vorhergegangen sein musste,
denn auf seinen Gräbern war bereits ein dichter Wald aufgeschossen
und wurzelten alternde Baumstämme. So hatte sich zur Zeit der
Conquista die Menschengeschichte, wie noch im Rückblick deutlich,
wenigstens viermal erneuert, wenn nicht in den Vorzeiten unzählbar
mehr, und jetzt begann die aus transmarinen Keimen eingepflanzte
Schöpfung der Spanier im XVI Jahrhundert. Sie erlebte kaum ihr
hundertjähriges Stiftungsfest, ehe nicht auch sie wieder unter die
aufwuchernde Wilderniss zurückgesunken war, und erst seit wenigen
Decennien hat die Axt nochmals auf's Neue begonnen die Wälder
zu lichten, um alle die nach ^einander hier begrabenen Ruinen dem
Tageslichte bloszulegen.
Eine zweite Ausgrabung, die angeboten wurde, des Zeitmangel's
wegen ablehnend, Hess ich die Abreise vorbereiten, und stiegen wir
am 28. November den morastigen Weg zum Hotun hinab, um den-
selben auf einer bedeckten Brücke zm passiren. Nach dem Ansteigen
') Als einige Reste der damals geredeten Sprache, wie sie in der Erinnerang ge-
blieben waren, gab man mir die folgenden: Terre, huevo; Tenremu, gallina; Termujina,
gallo; Mungua-puluma, Tucan; Vigi, venado; Camiand, comejo; Chirivalicha, como sc
va Ud. ; Huachi minangi, venga paracd.
16*
244 COLUMBIEK.
über bewaldete (oder zum Theil bebaute) Hügel, durchritten wir den
Fluss Fraile , und begannen dann den Ansteig des Cuchillo de Loza.
Der oftmals ganz unpassirbare Weg bot auch jetzt ^^ine Reihe
sumpfiger Stellen, welche die Maulthiere in stürzenden Sprüngen zu
passiren hatten, und das von mir gerittene misste bei einer solchen
Gelegenheit seinen Fusstritt und kam so plötzlich zu Fall, dass mir
kaum noch Zeit blieb, rasch aus dem Sattel zu springen.
Beim Rückblick längs der abfallenden Hügelketten schauten wir auf
bewaldete Höhenerstreckungen, von grünen Lichtungen unterbrochen,
bis zu der von der jenseitigen Cordillere* begrenzten Waldebene des
Cauca, worin ein Zweig des Quindiu, mit der Quelle der Vieja,
ausläuft (zwischen Cartago und Pereira, indem sich der Weg um die
Spitze herumwindet).
Der Aufsteig wurde durch Einsenkungen unterbrochen, und
dann folgte ein neues Ansteigen über Hügelkämme. Der Weg war
an Stellen derartig, dass ich das Reitthier durch den Burschen leiten
lassen musste, da der tiefe Sumpf ein Absteigen verbot. Wäh-
rend, in seitlichen Blicken bewaldete Bergzüge erschienen, die sich
an die dunkle Cordillere des Quindiu anlehnten, ging es im steten
Auf und Ab, bis zum Alto de las Cruces. Hier blieb schliesslich kein
Rath, als zu Fuss einen Pfad zu suchen, und das Reitthier dem Bur-
schen zu überlassen, um es in der einen oder anderen Weise aus
den Sumpflöchern herauszubringen, worin es festzustecken begann.
Sobald es einigermassen frei geworden war, sass ich wieder auf, da sich
der Wegf mit hphen Camellones gefüllt hatte, deren Zwischenräume
in Wasser schwammen. Auf der Höhe öffnete sich der Blick, jenseits
eines Berghügels (worin Santa Rosa liegt) über Kuppen niedriger
Höhenzüge bis in die Ferne, wo neblig die Cordillere von Neira an-
steigt. Nach dem Niedergang zum Rio frio, folgten wir einem stei-
nigen Weg, passirten den zwischen Felsen brausenden Rio Frio auf
einer bedeckten Brücke und stiegen 'dann zu Santa Rosa empor,
wo mir Don Luis Maria Buritica sein an dem Festtage nicht benutztes
Gerichtsbureau zum Absteigequartier überliess. Aus dort stattge-
habten Ausgrabungen Hessen sich einige Erwerbungen von Bürgern
der Stadt machen.
St. Rosa de Cabal liegt an dem Umzüge der vom Wege nach
Manizales auf einer Abflachung durchschnittenen Hügelkette, und über
den Höhenkuppen der andern Seite erscheint, hinter der Cordilleren-
ketfe, der schneeige Krater des Ruyz, woran sich der Kamm St. Rosa
' m Zusammenhang mit dem Paramo St. Isabel.
% t'
I
GRABSTEINE. 245
Bei frühem Aufbruch am nächsten Morgeoi (29. November) kamen
wir zwischen Busch und Anbau zum Fluss Italia und dann an einem
steilen Abhang in Sumpflöcher hinein, wo die Thiere zu stolpern
und stürzen begannen. Dann fanden wir uns zwischen Hügeln innerhalb
einer in wechselnder Mannigfaltigkeit gewandelten Pflanzenwelt, und es
war ein lieblicher Morgen, der um uns tagte. In den Strahlen der über die
Berge hervortretenden Sonne zitterte im schillernden Grün ein thau-
gefeuchtetes Blättergeflimmer rings umher, in einem mit dem Kamm
des Ruyz neben dem Hochgebirgsgrat abgerundeten Horizont,
während auf der anderen Seite vielgestaltige Hügelkuppen, gruppen-
weis, mit ihren unter und durch einander geschobenen Reihen, in einem
Ocean von Grün emporstiegen, fortgesetzt bis zu jenem Kamm des
Hochgebirges, der neben den scljneeigen Längskanten des Ruyz in
der Luftgrenze den Kreisabschluss bildete.
Der nächste Fluss wurde an einer Fürth passirt, neben der für
Fussgänger bestimmten Brücke, und dann zog sich der Weg auf-
wärts mit einem Seitenblick auf breite Bergtreppen, die sich in flachen
Plateaus zum Hochgebirge erhoben. Beim Niederwenden zum Rio
Campo alegre und der bedeckten Brücke darüber, ritten wir auf
grünen Wiesen zwischen Wald und dem Fluss entlang, (der nach der
Verbindung "mit dem Rio Clara in den Cauca einmündet). Viel-
gestaltige Hügel hoben sich um uns empor in den geschwungenen
Faltungen ihrer grünen Decke und an den Abfällen derselben lagen
Häuser angeklebt. Als wir die Höhe von St. Barbara erreichten,
schweifte die Umschau über ein in . grünen Wäldern aufragendes
Bergland, während sich neblig am fernen Horizonte die Cordillere
von Anserma abzeichnete (am andern Ufer des Cauca).
An dem Haus, wo wir zur Fütterung rasteten, waren grosse
riachsteine umhergestellt, von einer benachbarten Huaca hergebracht,
deren verschiedene in dortiger Gegend aufgedeckt waren.
In Stufenwindungen ging der Aufsteig fort, mit linkem Seiten-
blick auf eine hinwellende Welt von Bergthälern, während rechts be-
waldete Hügelhöhen her\^ortraten. Nachdem wir über den F'luss
St. Julian längs einer Fürth passirt waren, gelangten wir auf eine Platte
bewaldeter Hügelkuppen und stiegen dann weiter empor. Von der
Spitze öffnete sich nach vorne hin der Blick über hingestreckte Berg-
länder und in der Ferne standen im Einschnitt grüner Berge die
Mamas des Cauca hervor. Dann senkten wir uns zum Rio Claro
grande hinab, der beim Hervorwindcn aus enger Bergschlucht durch
eine Brücke überspannt war, und auf der andern Seite ging es aufs
246 COLUMHIEX.
Neue aufwärts. Links zeigte der Blick tief gefaltete Hügelfurchen in
Waldungen umhüllt, jenseits welcher sich Bergthäler bis zum nebli-
gen Horizonte fortstreckten, während rechts bewaldete Gebirgshöhen
hervortraten. Die Antioquener beschreiben die Wege ihres Landes,
indem sie die fünf Finger aufrecht in die Höhe heben, besagend,
dass Alles Hügel und Thal sei. Besondere Lästigkeit kommt hinzu
durch die beständig erforderliche Wiederordnung des Sattelzeugs,
obwohl dasselbe am Maulthier durch Riemen über Brust und Hinter-
bein möglichst befestigt zu werden pflegt.
Ein wiederholter Auf- und Absteig folgte, der uns auf ein offenes
Plateau brachte (von Royo), von wo wir Manizalcs auf glattem Hügel-
kopf vor uns liegen sahen, aber noch durch tiefe Bergquebraden
von uns getrennt. Da zugleich Rejjen eintrat, und die Thiere kaum
vorwärts zu bringen waren, hielt ich an einem alleinstehenden Hause,
um dort die Nacht zu verbringen. Es war das eines Ansiedler's in
dem dortigen Waldland, und am Abend kam ein Nachbar beih ihm
zu schlafen, der am Tage auf der Rozeria (Lichtung) seines neuen
Wohnplatzes gearbeitet hatte, aber denselben, weil erst kürzlich einge-
wandert, noch nicht zur Behausung hatte einrichten können. Vor
der Thür war ein Pfad durch den vom Regen überschwemmten Hof
mit flachen Steinen gepflastert, die einer in der Nähe geöffneten
Huaca entnommen waren. Für das Abendessen wurde der Bursche
von der Hausfrau unterstützt und Nachts der Tisch zur Bettstelle
hergerichtet. Der Aufbruch am nächsten Morgen (Novbr. 30.) führte
uns zunächst hinab zum Fluss Arroyo, der in den Chinchina fällt.
Nach einem Aufsteig längs bewaldeter Hügelkuppen ging es abwärts
zum Pueblo Aldea, auf plattenförmigem Vorsprung gelegen, und dann
in die Tiefe, auf steilem und schlüpfrigem Pfad, an den Fluss Chin-
china, der von einer bedeckten Brücke überspannt war. Darauf be-
gann der Ansteig zur Höhe des Hügels, an dessen Fuss er floss,
und zeigte uns dabei ein Rückblick den im Anbau ausgelegten
Hügelabhang des Fleckens Aldea, an dessen Fusse der vom Hoch-
gebirge her durch grüne Berghalden herabströmende Chinchina sich
herumwnndet, um nach Verbindung mit dem Rio St. Clara grande und
St. Julian in denCauca zu münden. Der Aufsteig setzte sich unter wieder-
holten Einsenkungen des Weges fort, /um Plateau hinaufgewunden,
bis in die Strassen von Manizales, wo wir im Hotel Bogota abstiegen.
Hier war nun ein temporärer Halt zu machen, da sich die Un-
fähigkeit der Thiere, die Reise in ihrem damaligen Zustande fortzu-
setzen, unzweifelhaft herausstellte. Bei dem von hier beabsichtigten
MANIZALES. 247
Besuche Medellin*s hatte ich anfangs daran gedacht, von dort über
Nare weiter zu gehen, um mich dann für Bogota einzuschiffen. Da
ich aber vor der Unsicherheit der Dampfbootfahrten auf dem Mag-
dalena, besonders in damaliger Jahreszeit gewarnt wurde, weil ich
das Risico wochen- oder monatelangen Warten's in Nare laufen
konnte, zog ich vor bei der Landreisc zu bleiben, die die Disposition
über die Zeit besser in der Hand lässt, und beschloss deshalb, von
Medellin auf Manizales zurückzukehren, um dann den Paramo des
Ruyz nach St. Ana im Magdalenenthal zu kreuzen. So Hess sich
auch eine entsprechende Disposition über die Thiere treffen, indem
ich dieselben in Pflege und Kost bis zu meiner Rückkehr nach Mani-
zales zurücklassen konnte, die. Hin- und Herreise nach Medellin aber
mit gemietheten Thieren ausführen.
Zu den ersten, die ich dort (in Manizales) aufsuchte, gehörte
der Cura Joaquim Baena, von dessen Interesse für die Alterthümer
des Landes mir bereits gesprochen war. Auch fa nd ich in der That
in seinem Besitz eine kleine Sammlung, die bereitwillig dem Museum
überlassen wurde, und erhielt ausserdem mancherlei Notizen für
fernere Direction. Dazu gehörte eine Mittheilung über Felsinschriften
bei Aldea, weshalb ich am andern Tage dorthin zurückritt, und ob-
wohl ich von dem Cura des Ortes keine Auskunft erhalten konnte,
doch durch einen von der Possession des Jesus Maria Salazar mit-
genommenen Führer Steinplatten, die aus Huacas stammten, antraf,
und nach längerem Suchen auch die Quebrada, in welche wir, unter
Eröffnen des Weges niederstiegen, und an dem unter einem Gebüsch
liegenden Stein die Zeichen copiren konnten, von welchem der Name
„Quebrada de los Hieroglyphos " entnommen ist. Nach einem Bad an
der Brücke des Chinchina kehrten wir dann am Nachmittag nach
Manizales zurück. An einem andern Tage begab ich mich mit eini-
gen der dort gemachten Bekanntschaften nach einer Hacienda (in
der Quebrada del Perro) am Abfall zum Chinchina -Fluss, wo auf
einem säulenartigen Bergfels sich eine Höhle findet, zu der wir an
der steilen Wand durch Anhängen an Gebüsch oder Stein hinaufzu-
klettern hatten. Sie soll früher als Opferhöhe gedient haben, und
ist unter dem Namen El Tesoro (der Schatz) bekannt, den man
durch Ausgrabungen dort gesucht hat, manche der geologischen
Gestaltungen durch die Phantasie zu künstlichem Bauwerk umbildend.
Während im Magdalenenthal und auf seinen Höhen die Fels-
schriften meist mit rother Farbe aufgemalt sind, zeigen sich die des
Caucathales eingegraben und sie kommen an verschiedenen Stellen
248 COLUMBIEN.
vor, wie bei Caramanta am Cauca, in Mico (bei Tiritibi), in San
Francisco (bei Cartago viejo), im Berg des Morron (sowie in der
Quebrada del Rio Frio), bei Sumara (am Rio Sucio), in Santa Rosa
(bei Filadelfia) , in La CastiHa (bei^Kali). In Sasaima auch findet sich ein
mit Zeichenfiguren beschriebener Stein, und als dort Ausgrabungen
gemacht wurden, soll man unter denselben auf eine urnenartige Erd-
aushöhlung gestossen sein, mit einer lebendigen Kröte darin aufge-
schlossen (wie sonst in Stein).
Von der Platte, auf welcher die Häuser von Manizales he-
gen, bückt man nach verschiedenen Seiten auf bewaldete Hügel-
thälcr, mit mannigfachem Anbau geöffnet. Dem Lauf des Flusses
Chinchina zugewandt, sieht man unten auf einer niedrigen Terrasse
Aldea vor sich liegen, und die die Thälcr umschliessenden Hügel
fallen in vielfachen Einbuchtungen ab von den zu Hochgebirgen auf-
steigenden Bergen, über welche der schneeige Kamm des Ruys
herüberschaut, neben einer weissbedeckten Savanna, auf deren an-
derer Seite der Paramo von Isabel aufsteigt.
Der Pfarrer Baena konnte mir mancherlei Mittheilungen machen,
über die nach dem Chocö zu lebenden Indianerstämmc, unter welchen
er in verschiedenen Orten functionirt hatte, und da ich bei den fast
täglichen Besuchen in seinem Hause näher mit ihm in Berührung
kam, that es wohl, hier einen Geistlichen kennen zu lernen, wie
sie der katholischen Kirche America's nur häufiger zu wünschen
wären, ein Mann voll Sanftmuth und Milde, der aber dennoch in
seinem Aeussern die Würde seines Amtes in anspruchsloser Weise
wahrte. Eine Sinecure sind bei der weiten Ausdehnung der Diöcesen
diese Pfarrstellen nicht, wenn sich der Inhaber seine Pflichten ange-
legen sein lässt, in drei- oder viermaligem Messelesen am Tage, in
dem Besuchen der Kranken und Verscheidenden, in den Berathungen
der in den verschiedensten Lebensangelegenheiten zu jeder Tages-
zeit seine Wohnung Aufsuchenden. Sein Haus war auch von dem
weiblichen Anhang frei, der sonst in diesen Ländern beim Eintritt
in die Convente sogleich die Uebertretung einer freiwillig über-
nommenen Pflicht beweis't, und der Pfarrer lebte nur mit seiner alten
Mutter zusammen, einer guten und lieben Frau, die rüstig unter den
dienenden Dirnen im Hause wirthschaftete, und den Trostbedürf-
tigen bei Abwesenheit ihres Sohnes theilnehmcnde Tirleichterung ge-
währte oder die Anliegen durch ihre Fürsprache erleichterte. Auch
sie war gerne bereit, mir Allerlei über die Indianergebräuche, die
sie in Begleitung ihres Sohnes auf seinen verschiedenen Pfarren,
GEWITTER. 249
kennen gelernt hatte, zu erzählen, und Weiteres wurde mir durch
Vermittelung einiger Verwandten versprochen, die sich noch auf ge-
nauerer Kenntniss bedürftigen Localitäten fanden.
In der Kirche liegt ein grosser Stein, flach und glatt, und mit
Löchern zwischen regelmässig gezogenen Linien (aus einer Huaca
dorthin gebracht). Der Thurm der Kirche zeigt einen Riss von dem
Tage des Erdbeben's in Cucutä, bei welchem auch die Thür durch
einen Blitzstrahl getroffen wurde. Es scheint also hier die in Cauca
gerühmte Wunderkraft zu fehlen. Beim Wiederaufbau Caloto's (nach
der Zerstörung durch die Paezes) wurde seine Glocke dadurch be-
rühmt, dass sie durch ihren Klang Gewitter zertheile, und so wurden
über das ganze Land, bis nach Quito hin (zu Ulloas Zeit) aus dor-
tigen Metallstücken gemachte Glöckchen^ als Amulette gegen Blitz-
schlag getragen.
Im Uebrigen schützt die heilige Barbara^) (die Heilige der Ka-
nonen) gegen Blitzstrahl, und genicsst, wenn auch nicht unbedingtes,
doch mehr Vertrauen, als St. Migdio^), welch unglückseliger Heiliger
mit der Abwehrung der Erdbeben beauftragt ist, aber in diesen
Vulcanländern so wiederholt und so eclatant seine Unfähigkeit docu-
mentirt hat, dass er in tiefen Misscredit gefallen ist. Vielleicht wäre es
an der Zeit in massgebenden Kreisen diesen bedauerlichen Stand
der Dinge in ernstliche Erwägung zu ziehen, und aus der Legenda
aurea einen Heiligen, der sein Fach gründlich versteht, an die Stelle^)
*) Auf dem Altarbild ihres Tempels zu Ferrara wird St. Barbara (Schutzpatronin des
Kriegerstandes) von Martyr-Jungfrauen im Himmel empfangen (als Walkyren)
') Wahrscheinlich St. Emygdius oder St. Emydius, der Bischof von Ascoli (f 303
p. d.), der die Erde segnend dargestellt wird, um Erdbeben zu verhüten.
*) Ein Fräcedtnzfall liegt vor: denn der peiuanische Congress unter der Präsident-
schaft Toppe-Taglcs (nachdem Bolivar die Conspiration Riva-Aguero's unterdrückt hatte)
,,made a great and niost important reform by cbanging the patron saint of the armics,
because they had not been successful under the old one" (s. Proctor). Als mitwirkende
Ursache bei dem aus Leo des Isaurier beschränktem Menschenverstände entsprungenen
Ikonoklasmus bezeichnet Draper, neben dem Spott der siegreichen Mohamedaner, ,,dic
entdeckte Unfähigkeit dieser Wunder wirkenden Götzen und Fetische, ihre Anbeter oder
sich selbst gegen einen ungläubigen Feind zu schützen" (so dass das gegen die Götter-
statuen der Heiden gerichtete Lieblingsargument sich jetzt gegen seine Erfinder wandte).
Indess musste es nur an Ausdauer oder an Glauben gefehlt haben , denn dass sonst die
Heiligen gezwungen werden konnten, das ihnen von den Menschen AufA-legte auszu-
führen (in Segenssprüchen, wie ihre Gegner in Beschwörungsformeln), wusste bereits
Gregor von Tt)urs. und die dadurch unterrichteten Stadtbewohner hielten ihren heiligen
St. Martin gut in Ordnung, da ihm für einen Wiederholungsfall der bewiesenen Lässig-
keit oder Widersetzlichkeit l>ereits Degradirung oder selbst Amtsentsetzung notificirt war.
In Cuzco verehrt nun le Christ des tremblements de tcrre (une statue de bois «rnoe de
longs cheveux denou<is et dune ja<iuette blanche a la grecque) le pallad ium de la ville
(s, Carrey). In Guatemala verliess man sich eine Zeit lang zum Schutze gegen ?>dbeben
250 COLUMBIEN.
ZU setzen, um für alF das Gold und Silber, das aus Südamerica
in den Religionsschatz geflossen ist, jetzt endlich auch einmal einen
reellen Gegendienst zu leisten. Früher hätte das, trotz der von der
Synode Frankfurt a. M. auferlegten Beschränkung (794 p. d.) kaum
grosse Umstände gemacht, indem sich selbst ein frommer Hund zum
Heiligen creiren Hess, in dem als Märtyrer und Kinderheiligen ange-
rufenen St. Guinefortis von Lyon, und die an eine starke Dosis ge-
wöhnten Mönche von Lixinux würden (1170) kaum grosse Schwie-
rigkeit gefunden haben, einen oder andern der in den trunkenen Prü-
geleien ihres Refectorium*s Erschlagenen als Heiligen zu suppliren.
Jetzt freilich hat sich der heilige Stuhl die Heiligsprechung als Reser-
vatrecht vorbehalten, doch wird sich auch mit ihm vielleicht reden
lassen und zunächst mit dem Advocatus diaboli^), um es mit dem
Examen nicht allzu genau zu nehmen.
„Erst Papst Alexander III. nahm das ausschliessliche Privilegium
der Heiligsprechung für seinen Stuhl in Anspruch und eröffnete hier-
mit zugleich eine reichlich fliessende Quelle für die Einkünfte der
römischen Curie. Die Canonisation einer fürstlichen Person wurde
auf 100,000 Thaler taxirt, gewöhnlich kostete eine Heiligsprechung
70,000 Gulden" (s. Roskoff), also ein etwas theures Vergnügen, das
zugleich der Ruhe des Todes beraubte, um neue Plackereien, und
oftmals unvernünftige genug, aufzuerlegen.
In Südamerica jedoch finden sich schon im eigenen Lande*), weisse
besonders auf St. Sebastian. Im Kloster San Francisco (in Lima) wurde die Figur der
heiligen Jungfrau gezeigt, di^ bei Beginn des Erdbebens (1630) tumed ils face towards
the grand altar of thc church, cast its eyes upon ihe box, in which the host rests and
holding up its hands, implored the divine mercy which was granted by the cessation/of
the shocks (s. Hall). In der Oberpfalz hilft der Colomani - Segen St. Coloman's (mit
St. Kilian) gegen Gewitter.
*) Da bei der auf die Beatification folgenden Canonisation der Propiotor fidei von
Amtswegen Bedenken zu erheben hat, wird er Advocatus diaboli genannt und die spä-
teren Bedenken erhalten von dem, advocatus dei genanntem, Ceremonienmeister ihre Be-
seitigung. Bei den für die Beatification erforderlichen Wundem werden drei Klassen unter-
schieden, supra naturam , contra naturam und praeter naturam (also Unnatur in jeder
Form). Die erste Heiligsprechung fand durch Johann XI. (993 p. d.) auf dem latera-
nischen Concil statt, in dem heiligen Ulrich, Bischof von Augsburg.
*) Ce que je remportai de plus pr^cieux de cette capitale fut un os du Corps de
de Saint-Rose de Lima, dont le Cure de Saint-S^bastien, un des plus distingues pour la
vertu et pour la naissance, me fit present, ayant conjointement avec les Rev^rens P^res Do-
minicains une partie consid^rable du Corps de la Sainte. Je le priai, en me faisant ce
präsent, de me donner un certificat, comme cet os 6tait veritablement de la Sainte, ce qu'il
m'accorda et fut confirOle par une attestation de trois Notaires. Je Tai apport6 k Paris dans
un reliquaire d'or enrichi d'emeraudes et donnc a M. Languet, ancien Cure de Saint-Sul-
ERDBEBEN. 251
nicht nur, sondern (wie der Neger St. Martin de Poras in Lima) auch
schwarze Retter in derNoth, und Guatemala verdankte (i7io)dieRettung
bei dem Ausbruch des Vulcans seinem Bischof (Maurus de Lareategui).
„Dieser ergriff nämlich das heilige Tabernakel, zog damit vor die
Stadt, wandte sich zum tobenden Feuerberg, herrschte ihm zu, dass
er inne halten und verstummen solle und ertheilte ihm seinen Segen.
Auf diese Stimme und auf dieses Zeichen begannen die Flammen
alsbald sich zurückzubiegen, verschwanden dann vollends, erloschen,
und Guatemala war gerettet" (s. Balluffi).
Im Grunde war dies durchaus kein so starkes Stück, da Calixtus III.
selbst einen Cometen (1456) zu exorcisiren vermochte, und unglaub-
lich konnte es den einheimischen Gelehrten auch nicht gerade klin-
gen, denn: „Estos curas, nacidos y muchos de ellos envejecidos en los
bosques de Cuenca, oyeron por la primera vez los nombres de
astronomia y botanica", als Caldas dort durchreiste (1804).
Uebrigens gab es unter den Indianern in Südamerika einen
Magier, der noch viel mehr verstand, als unser HerrPapst^), nämlich
Obera, der Priesterhäuptling der Guaranis. Als in seinem Himmels-
bereich ein Comet erschien, begnügte er sich nicht, ihn nutzlos weg-
zufluchen, sondern er bannte dieses Ungeheuer in seinen Dienst, und
hetzte ihn gegen seine Feinde, die Spanier. Wer war nun wol der
Klügere von den beiden? Sonst stimmte die Ansicht über die Co-
meten überein, „porque estos Indios (tambien como nostros los
Castellanos) conocen de ellos, significar hambres, pestilencias y guerras"
(Torquemada).
Dagegen legte der Erzbischof von Bogota (wie Stewart hörte)
die Erdbeben den Judios (oder Protestanten) zur Last (wie die
Indianer früher ihrem Chibchacum). Als der Gewaltigste erweis t sich
der heilige San Franciscus, der den göttlichen Beschlüssen offen zu
trotzen wagt: „St. Frangois preserve le Monde de la foudre, que
pice (de la Blanchardi^re). Im Sanetuarium dieser heiligen Rosa (in Lima) wurden (bis
180$) ein Paar Würfel gezeigt , mit welchen Christus in höchsteigener Person sie durch
ein Spiel zu unterhalten sich bemühte, wenn sie durch Fasten und Gebet zu ermüden be-
gann (so dass auch die Hazardspieler ein schützendes Prototyp vorschieben konnten).
*) Lorsque nos Papes pr^tendaient encore a l'infallibilit^ , ils ne proposaient pas a
la foi des fid^les un moindre miracle que celui qu'admettent les Thibetains en faveur de
leur Archipretre. II est egal de croire qu'un homme ne saurait se tromper, ou de croire
que dieu daignc successivement inspirer a plusieurs hommes une meme volonte, une m^me
inlenüon (1772). Gott ist überall, ausser in Rom, wo er seinen Statthalter hat (s.igt das
Volkswort).
_fi.
252 COLUMBIEN.
J. Christ lance dessus, en le couvrant de son cordon", abgebildet zu
sehen bei Picart (1734)-
Maui, der Heros der Maori, macht kürzeren Process und dreht
dem Unterweltsgott einen Arm ab, so dass er die Erde nicht mehr
so stark erschüttern kann, und wenn der brasilische Apostel Paye-
Sume über die wilden Thiere herrschte, die ihm, wie Orpheus, ge-
horchten, so scheint er die Sache besser angefasst zu haben, als die
Kirche von Lausanne, die nicht einmal mit Würmern und Engerlingen
fertig werden konnte, denn obwohl nach rechtskräftigem Verhör,
unter Bestellung eines Vertheidigers, feierlichst ausgewiesen (s. Horst),
soll sich dieses Geschmeiss doch wenig daran gekehrt haben.
Mehr Vertrauen dürften Reliquien verdienen,' wenn sie sich so gut
bewähren, wie die gegenUngewitter empfohlenen Mctallstücke. Bei der
erwähnten Zerstörung Caloto's (1641) durch die mit Pijaos verbundenen
Paezes, versuchten die Indianer vergeblich die Kirchenglocke in
Stücke zu schlagen und stürzten sie dann aus Aerger in einen Ab-
grund hinab, „desde donde, es fama alli, la oyeron tocar siempre que
habiä tempestad, la que se deshacia al instante. Y habiendo vuelta
a reedificar la ciudad a poca distancia, sacaron aquella campana,
hicieron otra con parte de su metal, y conservan el resto como ac-
creditada reliquia contra tempestades, en una arca de dos llaves, de
las cuales ticne una el cura y otra el obispo de Popayan, repar-
tiendo pedacitos de ella para incluirlos por lenguetas en otras cam
panitas pequenas (s. Alcedo). Nach Missionair Velasco vergoss die
Glocke Blut, als die Indianer darauf losschlugen.
Diese von den Indianern misshandeltc Glocke von Caloto ergab also
durch die steigende Nachfrage eine so reiche Einnahme, dass man (wie
gesagt) für angezeigt fand, den Schatz der wunderthätigen Splitter un-
ter zwei Schlüsseln zu bewahren, deren einen der Pfarrer bewahrte,
den anderen der Bischof von Popayan.
Solch' heilkräftigen Zauber, wie er sich hier aus einem künstlich
gemischten System ergiebt, dem reinigenden Metallklang der Alchy-
misten, und der theologischen Vorstellung von der Wirksamkeit
kirchlicher Weihe, sucht der Obiah-Mann*) oder sonstige Ganga durch
*) Selbst schwarz, oder seinem schwarzen Ciegner gegenüber, je nachdem sich die
schwarze oder weisse Magie (die Goetie oder Theurgie) in der Farben-Idiosyncrasie des
durch Eigennutz geblendeten Auges malt. ,,Man könnte sagen, die Zauberei sei das ille-
gitime Wunder, das Wunder die legitime Zauberei, die Legitimität aber ist so relativ,
wie die Orthodoxie" (wie Soldan meint). ,,Alle Zauberei kommt aus der Brunst und aus
dem Hasse, und damit heilt man auch", erklärte ein Piache (s. von Martius). Dafür kann
die siebeute Frage im Hex^nhammer verglichen wcrdjn.
OIX)CKENKLAXG. 253
subjective Phantasien, um dem Fetisch einen Grigrih einzufügen,
der für seine Zwecke dann ebenso wirksam schützt. Die Wirksam-
keit des Glockentones in Verscheuchung der Dämone^), wozu das
Sistrum der Iris sowohl, wie das Gebetsrad der Lamaisten ein ent-
sprechendes Analogon bilden, leitet sich in seinen einfachen Formen
zurück auf das Schwirr-Instrument^) der Australier oder die durch
ganz America weit verbreitete Maraka oder Zauber-Rassel. Aus solchen
Anfängen lässt sich Mancherlei erlernen, und wie der moderne Spiri-
tismus, der im alten China schon längst bekannt war, im Westen der
Hauptsache nach den indianischen Medawin oder Zitterhütten des
Jossak^ed (oder südlicher des Boyez) zu verdanken ist, so könnte die
(von Schwager) in Innocenz* VIII. Bulle (1484 p. d.) gesuchte Quelle
des Hexenwesen's, — wenn sich auch in der Vauderie (dem Vaudoux
Hayti's) oder der Waldenserei vor dem Tribunal von Arras (1460),
in den Processen von Trier (1239 — 40), in dem von Toulouse (1275),
in dem Verfahren gegen die Templer u. s. w. Vorläufer finden lassen, —
ihre volle Strömung in dem Malleus Maleficarum (1487 p. d.) doch
vielleicht erst durch die Kenntnisse erhalten haben, die damals durch
die portugiesischen Entdeckungsfahrten aus dem afrikanischen Feti-
schismus geschöpft wurden. Dabei erhielt dann das von dem
Neger in seiner naiven Beschränktheit nur unklar über das Treiben
des Endoxe Vermuthete und Gefürchtete in jenen lateinischen Docu-
menten, unter entsprechender Vermehrung der Scheiterhaufen für
die Menschenopfer, seine wissenschaftlich-methodische Durchbildung,
und wie Manches sich auch jetzt noch aus Africa lernen liesse, das
bezeugt jener englische Bischof, der in Unkenntniss der auf seiner
hochkirchlichen Erziehungsanstalt ausgeschlossenen Bücher der Tü-
binger Schule über ihre Grundzüge erst von seinen Zöglingen in den
Kaffer-Missionen zu unterrichten war.
Anfangs war es der Teufel, der überall spukte, auch im Bauch ')
•
*) Dass sie auch in den Ungewiltem umherfahren, weiss man in allen fünf Erdthei-
len. Sprenger erörtert in seinem 15. Capitel die Frage, wie die Hexen ,, Hagel und
Gewitter erregen und Blitze auf Menschen und Vieh herabzubringen pflegen".
') Neben den heiligen und mitunter (s. Salvado) auch erblichen Magensteinen, wobei das
Gehörte zugleich für orakelhafte Ausdeutung dienen kann, wie in ApoUo's wahrsagendem
Klapperstein, durch den, in den Händen geschwungen, •Helenos, Laomedon's Sohn , den
Atreiden den Tag von Troja* s Eroberung prophezeite.
') Als der Novize, der dem Abt zuhört, erwähnt, dass es in seinem Bauche während
des Schreiten's geknurrt habe, ruft Richalmus: Ah, das thnn sie (die Teufel) mir täglich
an (s. Roskoff ). Da der Novize auf die Frage, weshalb er nicht , wie gewöhnlich
gegessen, antwortet, dass er voll und satt gewesen, warnt ihn der Abt: sich in
Acht zu nehmen, dass sich die Teufel, wie er gehört, gegen ihn verschworen haben,
254 COLUMBIEN.
oder in den verzogenen Mundwinkeln. Da man indess trotz aller
Bannungsformeln ihn nicht zu erwischen vermocht hatte, hielt man
sich später Heber an Sündenböcke von Fleisch und Blut, die sicht-
bar und fühlbar verbrannt werden konnten, indem man die Theorie
aufstellte, dass der Teufel sich eines Werkzeuges zu bedienen habe,
dem er die Kraft, durch Berührung zu schädigen, mittheile. Doch
Hess man auch wieder zu, dass sich die Teufel durch Luftverdichtung
einen Körper bilden könnten, ähnlich wie innerhalb des Spiritismus
die Secten-Ansicht von der Materialisation Geltung erlangt hat.
Manizales, gleich den meisten Gründungen in Antioquia, .macht
einen freundlicheren und betriebsameren Eindruck, als man sonst in
Südamerika zu erhalten gewohnt ist, wie überhaupt der Antioquener
eine grössere Thätigkeit entwickelt und oft in Ecuador und Peru
angetroffen wird, als Ladenbesitzer, Kaufmann, Gastwirth u. s. w.
Wegen ihres handelsbeflissenen (freilich auch händelsüchtigen) Cha-
racter's hält man sie in der Hauptsache von den durch die Inqui-
sition bekehrten Juden stammend, die von Spanien nach den Colonien
geschafft wurden, und meist, wie es heisst, in diesem sonst gemie-
denen Bergland ihren Aufenthalt angewiesen erhielten.
In der Umgegend von Manizales liegen noch Indianer-Inseln zer-
streut, auf dem ganzen Wege zum Chocö, wo sie sich in grösseren
Mengen zusammenschliessen. Auf verschiedenen Punkten werden
Alterthümer gefunden, so in Naranjal (bei Manizales), wo die ein-
zelnen FamiHen verschiedene Dialecte reden.
Die Indianer bei Andes (in der Montaiia des Choco) tragen einen
Federschurz und verzieren sich das Haar mit Blumen und Federn.
Neben d^m Nasenschmuck stecken sie runde CyHnder (glänzender
Oberfläche) in die durchbohrten Ohrläppchen. Auf der Brust sind
sie quer, an den Armen längsstreifig bemalt (in verschiedenen Farben)
und auch auf den Backen.
Die Sprache dieser Indianer bei Andes wurde von denjenigen in
Manizales, die sie gehört hatten, mit Vogelgezwitscher vergHchen
(wie in Africa). In den Sabanas der Montaiia zwischen Chocö und
ihm die Speise zu entziehen, una auf die Einwendung des Novizen, dass er doch nicht
mit vollem Bauche essen könne, erklärt ihm Richalmus weiter: ,,Das bewirken sie (diese
Teufel), auch mir haben sie oft den Bauch gross gemacht, den Mund mit Schleim ge-
füllt und auf alle Weise den Appetit geraubt, bis ich mich vor Tische mit Weihwasser
sprengte". Das Alles steht im schönsten Küchenlatein zu lesen aus dem XUL Jahrhun-
dert. Bereits früher erzählt Gregor Tourensis von einem Salat, worin der Teufel steckt,
den die damit beschäftigte Nonne unversehens mitass.
CHoco. 255
Santa Rosa sollen sich behaarte Indianer finden. Die Indianer des
Chocö theilen das Jahr in zwei Carrä nach dem jährlich zweinlaligen
Blühen der Carrä genannten Leguminose (alle 6 Monate). Wenn sich
die Indianer von Chami und aus Darien beim Fest in Quibdo zu-
sammenfinden, tauschen sie die Mädchen zum Verheirathen aus. Im
Choco wird die Frau auf Probe genommen. Die Frauen gebären
im Wasser (im Choco) und bedienen dann den Ehemann (nach dem
Bade). Bei der Geburt eines Kindes unter den Indianern in Po-
payan steht die Frau vom Bette auf, um den Mann, der sich hinein-
legt, zu bedienen (und mit Hühnersuppe zu pflegen), und so kehren
vielfach Gebräuche der Couvade in Südamerica wieder.
Die ihre Zähne schwärzenden Indianer des Chocö tragen einen
Nasenring, dessen Platte über den Mund herabfällt. Der Todte
wird mit seinem Schutzthier begraben. Im Choco kaut man die
Frucht der Chontadura Palme, um daraus Chicha zu bereiten.
Die Indianer des Chocö präpariren das Gift für Blasrohrpfeile
aus drei F'roscharten (einer rothen, gelben und schwarzen), die im
Moos, mit bedeckten Händen gesammelt, und dann durchstochen über
Feuer auf einem Kessel gedreht werden, um die dicke Flüssigkeit,
die ausschwitzt, abzuwinden. Die Pfeile sind an beiden Enden spitz
und werden an dem, dem vergifteten entgegengesetzten Ende, mit
Moos umwunden, um die Oeffnung zu füllen. Für die aus der Palme
Carmana verfertigten Blasröhre (Ugu) wird d^ Froschgift (Basu-
nearä) gefertigt, indem der Frosch (Basu) mit aufgespaltenem Munde
gereizt wird, um die Drüsen zur Absonderung zu bringen, (und so
verschiedene Bereitungsweisen oder Erzählungen darüber).
Die Embara bede (Muttersprache) genannte Sprache^) wird von
San Juan bis zum Atrato (und unter den Cunas von St. Blas) ge-
redet, und die Dialecte des Chocö stammen davon ab, mit Aus-
nahme des selbstständigen Dialecte'« von Noaima (unter Toadasitos,
Chaimies, Andagada u^ s. w.). Näheres über die sprachlichen Ver-
hältnisse ist in einem von Dr. Vincente Uribe in der Zeitschrift für
Ethnologie veröflfentlichten Aufsatz mitgetheilt (1876).
') Antomia heisst der (böse) Gott ; Caperai der Dämon ; Chaibalas, die Zauberpriester
im Chocö; Pichia, Sonne; Uanta, Mond; Cancaüa, Sterne; Joro, Erde; Naün, Wind;
Tibischua, Feuer; Pania (Vania), Wasser, (Namburi am Rio Verde); Aba, i; Om^, 2;
Ompe, 3; Quimane, 4; Chuä somd, 5; Chua aba, 6; Ome chua soma, 10 (2 x 5); Ki-
mane chua soma, 20 (4 x 5) u. s. w. Der San Juan in Chocö heisst To-schuruma oder
Rio (to) grande (schuruma) ; Atrato (to oder FUjss). Am (^uito-Fluss (linker Nebenfluss
des Atrato) ündet sich (über den Isthmus von San Paulo) Landverbindung mit San Paulo
256 CiMX'MBIEX.
Im Cauca - Thal sind die zur Zeit der Conquista angetroffenen
Indianerstämme verschwunden, im Magdalenenthal haben sich Reste
nur in einzelnen Schluchten erhalten, besonders am rechten Ufer
(bei Opon und Carare), sowie unter Verlust der Sprache auf den
Hochflächen. Zersprengte Trümmer finden sich in der mittleren Cor-
dillere zurückgezogen (oft unter dem allgemeinen Namen der Pijaos).
Im Chocö leben die Stämme grösstentheils noch wild, haben
sich indess gleichfalls sehr an Zahl vermindert. Als die von den
Jesuiten (1654) im Choco organisirten Missionen Privatleuten über-
lassen waren und die Indianer zum Arbeiten in den Minen gezwungen
wurden, entschlossen sie sich zur Auswanderung, und waren eines
Tages plötzlich verschwunden, so dass Negersklaven eingeführt
werden mussten (Velasco).
Nachdem ich mit dem Arriero Rudolfo Velez über das Zurück-
bleiben meiner Thiere und Miethen neuer ein Uebereinkommen ge-
troffen, war ich am Nachmittag des 3. December zur Abreise fertig.
Nach einem Absteig zum Fluss Olintia, ging der Weg auf und nieder
über mannigfaltige Hügelkuppen unter grüner Decke, mit zerstreuten
Häusern an den Strassen.
Nach dem Passiren des Flusses Aguila und dann des Flusses
Vacaica, neben einer seitlichen Bergwand mit Wald, erhoben wir
uns aufwärts zum Pueblo rico, wo in dem Hause des Prospero Velez,
eines der mir genannten Schätzesucher, nach Alterthümem gefragt
wurde. Vor uns sahen wir gebrochenes Hügelland, mit Neira in
einer Thalmulde, während seitlich sich die Cordillere des Chocö hin-
zieht. Gegen Abend langten wir in Neira an und suchten in dem
Hause des Cura Morin ein Nachtquartier nach.
am San Juan, und Humboldt hat die in früheren Kriegszeiten hergestellte Communication
zwischen den beiden Meeren erörtert, während eine neue Aufnahme für das IVoject eines
von Seeschiffen befahrenen Canal's von Selfridge geschehen ist. Die zwischen Cartago
und Marmato wohnenden Chamie reden eine besondere Sprache : Mochana, tigre: tägerah,
g.illina; intschitragan, tossino (manteca); pilschango, escoba, (in der Sprache von Chami).
Stämme der Chamie (des Choco) strecken sich an die Grenze Antioquia's. Bei Caflas
gordas in Antioipiia finden sich Indianer mit besonderer Sprache (und so bei Nomana).
Los indigenas del Estado de .\nti04uia se componian de tres naciones principales, los
Catios, los Nutabes, y los Tahamies. Los primeros moraban al occidente del Cauca;
los segundos, sobre el mdrgen derecho del rio, ocupaban la parte central del Estado,
y los Ultimos se extendian por el Oriente y sur. Los Vamccies, tribu tstablecida häcia
Zaragoza, presentaban tambien algunos rasgos particulares (Posada Arango). Chocö ist
genannt nach dem Ruf der Waldtaube. Bei Toasita (am Choc6) finden sich Indianer
besonderer Sprache (in verschiedenen Stämmen), und ebenso an der Mündimg des Dagua
bei Buena Ventura, wohin die wilden Bogacs in Canoes kommen^ (als Bogas),
ARANZAZO. 257
Am nächsten Morgen ritten wir über gebrochenes Hügelland,
und nach dem Passiren der Brücke über den Fluss Tapia ging es
auf und nieder. Vom Fluss Cervata stiegen wir zu den Kalkfelsen
des Alto de Cardon hinan, und die Erhebung setzt sich auch jenseits
des Flusses Chinchojo fort, wo uns Reisende begegneten, die durch
Shlero's im Rückensessel getragen wurden. Mit dem Blick auf weit-
hin streichendes Bergland, gelangten wir nach Muela, wo zur Fütte-
rung gerastet wurde, und dort erblickten wir Salamina auf einem
Vorsprung seiner Bergwand gelegen. Nach manchem Auf und Nieder
wurde der Fluss Aranzazo passirt, um dann den steilen Ansteig
zum Pueblo Aranzazo zu erklimmen. Jenseits grüner Schluchten
schweift der Blick über ein Gewoge von Bergwäldern bis zu der
blauen ,Cordillere des Westens am Horizont. Auf und ab, und dann
hinunter in die Bajada von Manzanillo. Abseitens der Strasse fan-
den wir nach einigem Suchen das uns ausgedeutete Haus des Scho-
lastico Velez, der sich den Pfad seines Hofes mit Steinen aus den
Huacas gepflastert hatte, von denen einer ein Menschengesicht zeigte
und die Umrisse der Figur. Nachdem wir den Fluss Pichinche
passirt hatten, und einen neuen Ansteig begannen, erwies sich das
eine Maulthier, das schon die letzte Hälfte des Tages schwer weiter
zu bringen gewesen, völlig unfähig, einen andern Schritt zu thun, so
dass es ganz ledig gelassen werden musste. Nur mit Mühe gelang
es uns, in dieser menschenleeren Gegend und unter der einbrechen-
den Dämmerung Zeichen von Bewohnung in nicht allzu weiter Ent-
fernung ausfindig zu machen, und das erste beste Haus, das wir
trafen, musste als Nachtquartier gewählt werden. Leider traf diese
Wahl die schlechteste von Allen, eine enge, von Schmutz starrende
Hütte, voll ungewaschener Kinder, und schon für die regelmässige
Zahl der Bewohner viel zu klein. Wenigstens gelang es mir durch
eine Belohnung einen Trunk frischen Wassers in einem Bambus-
Rohr aus dem Flusse zu erhalten, denn da derselbe am Fusse eines
tiefen Abfalles floss, begnügten sich die Eingeborenen lieber mit
dem Wasser der nächsten Pfütze. Um die Annehmlichkeiten voll
zu machen, brach bei Nacht ein Gewitter aus, so dass der heftig
fallende Regen die Communication mit der freien Luft noch mehr
abschnitt.
Am nächsten Morgen, da das Maulthier einigermassen herge-
stellt schien, waren wir so früh wie möglich auf den Beinen, um
über Hügel zum Fluss Pozito hinabzufallen, auf einem zwischen zwei
Abgründen, am Kamme h ingeschlängelten Wege. Dann folgte ein
Bastian: America. I. 17
258 COLUMBIEN.
steiler Aufsteig und der Rückblick zeigte hohe Bergwälder, über
welche in der Ferne der Grat des Ruyz mit seiner Kuppel her-
überschaute. Auf der Höhe entlang gelangten wir nach dem Alto
de Palma, wo die Strasse nach Bogota gekreuzt wird, und dann
hinab nach Salamina, von einer Wand hoher Bergwälder (jenseits einer
Schlucht) umzogen. Die Ladung voraussendend, erkundigte Ich
mich auf dem Markte nach der Wohnung des Eladio Gomez, die
ich in einer der Strassen auffand, aber bei der Abwesenheit des
Häusherrn, die gewünschte Auskunft über Alterthümer nur unvoll-
kommen erhalten konnte. Als ich beim Absteig das Lastthier ein-
holte, fand ich dasselbe bereits wieder auf das Aeusserste reducirt
und den Burschen im Kampfe mit seiner Störrigkeit. Nachdem wir
den Fluss Frisolero in einer Schlucht passirt, zogen wir über Hügel
und dann hinab zum Fluss San Lorenzo oder Pozo, wo ich mich,
während Fütterung der Thiere in einem dort für Assistenz der Rei-
senden gelegenen Hause, durch ein Bad erquickte. Aus Pozo hat
sich bei Cieza de Leon die Bemerkung erhalten, dass die Köpfe der
Idole Leichenschädeln geglichen hätten (wie ähnlich auf den Sculp-
turen von St. Lucia de Cotzmalguapan). Im Lande der aus Arma
stammenden Indianer von Pozo, die unter dem Häuptling Pimaraque
siegreiche Kriege mit den Paucüres (unter dem Häuptling Timana)
und den Carrapas geführt hatten, fand Robledo Festungen aus
Gaduas (Bambus- Verhaue) und ein der aufgehenden Sohne gegen-
übergestelltes Holzbild, dem allwöchentlich ein vorher im Käfig ge-
mästeter Gefangener geopfert wurde (s. Piedrahita).
In Robledo s Briefen (1545) stellt er den kriegerischen Indianern
von Pozo die verträglichen und reinlichen von Anserma gegenüber. Die
Caziken, gravitätischen Auftreten's und langsam bedachtsamer Rede,
seien auf den Schultern ihrer Unterthanen getragen worden und
hätten Dubio genannte Stühle mit sich geführt [ähnlich den Bari
am Weissen Nil], um sich darauf zu setzen, oder in Ermangelung
solcher auf die Kniee der Frauen, von denen sie stets begleitet
waren (quando le falta el duho y no se le traen, asientase en las
rodillas de una de aquellas sus mugeres). Nasenringe werden als
Schmuck erwähnt (s. Oviedo).
In den Huacas in Salamina soll sich mitunter ein goldenes Tisch-
chen mit goldenem Stuhl, auf welchem die Goldfigur des Caziken
sitzt, finden, mit einem Hund an einer Seite und einem hühnerartigen
Vogel an der andern. In den Huacas von Salamina sind Thon-
AGUADA. 259
stücke angetroffen mit dem Plan der Huaca, ihren Gängen nach (mit
Nebenverzweigungen).
Am Nachmittag begann ein steiler Aufsteig, den ich zu Fuss
zurücklegte, da das Reitthier beladen worden war, um das Lastthier
zu erleichtern. Der Blick über die Schlucht des Flusses Pozo traf
am Ausgang derselben auf blaue Berge vor einer Einbuchtung,
innerhalb welcher Marmato liegt. Unter den Windungen des Weges
öffnete sich ein Rückblick auf Waldberge jenseits der Schlucht, mit
Salamina auf Bergespitze. Der durch das Licht des aufgegangenen
Mondes erhellte Weg wand sich auf dem Kamm noch höher empor,
bis zum Alto de las Collas, wo wir in einem an der Strasse allein-
stehenden Hause, das mit einem Laden zum Verkauf von Reise-
bedürfnissen verbunden war, Aufnahme für die Nacht fanden, und
nach dem Abendessen nicht lange auf den Schlaf zu warten brauch-
ten. Doch hatte ich noch vorher von meinem Burschen die Opera-
tion der Ausziehung einer Nigua aus der Fusssohle vornehmen
zu lassen, übrigens der einzigen dieser Sandflöhe, durch die ich hier
in America, oder bei meinem letzten Besuche in Africa, wo sie eine
allgemeine Plage schienen, belästigt worden bin. Wahrscheinlich
schützt ein stetes Tragen dünner Wollstrümpfe.
Am nächsten Morgen folgten wir über den Kamm weiter, und dann
abwärts in eine langgestreckte Thalmulde, von Nebel umweht. Nach
dem Durchreiten des Fleckens Pacora ging es auf und nieder, bis
hinab zum Fluss Pacora unter dichtem Regen.
Ein Aufsteig führte uns in die Quebrada del forno empor, und
höher zum Alto de Loza. Ueber den Kamm ging es auf und ab in win-
denden Travesias; der lehmige Morastweg war in Cajones unterbrochen
und wir kamen nur langsam aus der Stelle. Mit dem Niederblick
auf wellige Waldberge erschauten wir zwischen grünen Wiesen-
mulden Aguada, das am Nachmittag erreicht wurde. Vor der
Stadt fanden wir Aufnahme in dem Hause Domingo Echeverry's,
der daselbst an der Strasse lebt, den des Weges ziehenden Reisen-
den wohlbekannt, und gerne mit ihnen über die Neuigkeiten aus
der Fremde redend. Es war dort ein belebter Durchgangspunkt,
und zogen mehrfach auch Auswandererfamilien vorüber, die Frau mit
dem Hausgeräth und den Kindern, der Mann mit den Ackerbau-
Instrumenten und dem Beil, um sich im Walde seine neue Heimath
zu öffnen.
Das Nächste war nun über das Weiterkommen zu berathen, da
bei der Unbrauchbarkeit des Lastthieres ein anderes gemiethet
17*
260 COLUMBIEX.
werden musste. Ich begab mich deshalb noch vor Abend mit dem
Burschen nach der Stadt, um mit dem Einen oder Andern der mir
angezeichneten Pferdebesitzer Rücksprache zu nehmen. Da war in-
dess stets dieselbe Antwort, dass ein Fertigstellen bis zum nächsten
Morgen unmöglich sei, und dass ich einige Tage zu warten haben
würde. Um solchen Zeitverlust zu vermeiden, gelang es mir endlich
bei Einem durchzusetzen, dass noch bei Nacht ein Bote nach dem
Potrero geschickt wurde, damit das Thier rechtzeitig anlange , doch
konnte es nicht für den ganzen Weg nach Medellin gegeben werden,
sondern nur bis zur nächsten Station, so dass mir die nicht gerade
angenehme Aussicht auf nochmalige Wiederholung dieser Mieths-
weitläufigkeiten eröffnet wurde.
Am nächsten Morgen war das Thier auch wirklich da, aber mit
so frischen Wunden (in Folge früherer Bepackung), dass ich mich
nicht entschliessen konnte, esbeladen zu lassen, und auf meine nach-
drücklichen Vorstellungen einen Ersatz durch Stellung eines für andere
Zwecke bestimmten Thiereserlangte, so dass wir uns noch am Vor-
mittag auf den Weg machenkonnten.
Aguades ist ein betriebsamer Ort, der einen wohlhabenden Ein-
druck macht und sich rasch entwickelt hat. Die Strohhüte Antio-
quia's werden besonders in Aguades gefertigt, und die feinsten der-
selben, aber weniger dauerhaften (weil von gesiedetem Stroh) in Bu-
ritica bei Sopetra. Vor Einführung der Strohhutfabrikation in
(Aguada) Aguades (1855), wurde sie hauptsächlich in Dörfern am
Cauca geübt.
Am Hügel hin ging es dann hinab, mit welliger Fortsetzung in's
Thal, aufsteigenden Nebeln entgegen. Am Wege begegneten wir
einer Caravane von Auswanderern, einige Pferde vor sich hertreibend
und die Kinder in Sesseln tragend. Weiter abwärts standen wir an
der Schlucht des Rio de Arma, wo ein Bergu'all vor tritt, und aut
den Vorbergen zieht sich an steiler Wand der Weg zum Alte de
Purima hinauf Seitlich fällt der Blick, beim Ausgang des Fluss-
bettes, durch die Oeffnung auf fortstreichende Berge, zwischen denen
einige Windungen des Cauca in der Entfernung sichtbar sind.
Auf steilem Weg zwischen Abgründen stiegen wir hinab in die
enge und heisse Thalschlucht des Rio de Arma, die wir mit den
Maulthieren der dort zusammentreffenden, und von den beschwerlichen
Wegen an beiden Seiten einen Ruheplatz suchenden, Caravanen o-e-
füllt fanden, sowie mit Treibern und Arrieros das kleine Haus an
der Brücke. Der Weg nach dem jetzt fast ganz unbewohnten Arma,
RIO DE ARMA. 261
eine der ältesten, und einst der stolzesten, Gründungen in diesem
Lande, soll seit einiger Zeit, wie ich in Avejoral hörte, durch Erd-
rutschungen fast verschüttet und im höchsten Grade lebensgefährlich
sein (bis eine Reparatur vorgenommen werden sollte). Nach dem
Caciquen Pipinvtam, dessen Goldgefässe stets nur einmal benutzt
wurden, ist der Cerro bei Arma benannt. Das alte Arma fand sich
bei Las Tapias (bei Neira).
Bei Robledo's Durchzug erhielt die „Loma de los Armados"
ihren Namen von den auf ihr in goldener Rüstung gesehenen Krie-
gern. Von dort waren die Eroberer der umliegenden Striche aus-
gezogen, die sich in Pozo und Nachbarschaft festgesetzt hatten, un-
ter den Verwandten der Indianer von Pacora (Paucura), wo im Be-
zirk des Häuptling's Pimaua ein der Sonne geweihtes Idol verehrt
wurde. Auch in Arma wird jener wüsten Menschenfresserei erwähnt,
die Cieza de Leon in Caramanta (im Lande des Häuptlings Cau-
roma) und allen Nebenländern getroffen haben will, und die in ihrer
Ausmalung alles Aehnliche übertrifft, da sie sich Glicht nur auf das
Mästen der Gefangenen beschränkte, oder der mit ihnen grossgezo-
genen Kinder, sondern bis zu dem in Afrika bei den Anziko erwähn-
ten Menschenfleischverkauf auf den Märkten fortgeschritten sein soll
und noch weiter. Ein befreundeter Cazike, der die Spanier besuchte,
habe drei junge Frauenzimmer mit sich geführt, die ihm das Bett be-
reiteten, zwei als Matraze und das dritte als Kopfkissen. Nachdem sie
dann diesem Zwecke bis zum Morgen genügt, seien sie ausserdem
noch zu Provisionen bestimmt gewesen, oder doch die Eine dafür,
um nämlich zum Frühstück zu dienen. So könnte die Anthropophagie-
Witterei in der Vorgeschichte hier nach Behagen ihre volle Sättigung
finden, wenn sie sich auf die gleichzeitigen Chronisten zu stützen beliebt.
Am andern Ufer des Rio de Arma begann aus der Sohle des
Thals ein steiler Ansteig, und dann bei einer Windung in die Höhe
folgt der Weg über einen Bergkessel, an Häusern in pflanzlichem An-
bau vorüber, während auf der anderen Seite aus schroffer Felswand
ein Wasserfall herabstürzt.
Nach manchem Auf und Nieder machten wir Halt in der Be-
sitzung des Eufrasio Echeverry, dessen Tochter (eine Verwandte
unseres Wirthes in Aguadas und durch ihn empfohlen) anwesend
war. Der Balcon an der Rückseite des Hauses hing in der Luft
über einer welligen Bergschlucht und das Rauschen der dort hervor-
quellenden Wasser wiegte uns bald in Schlaf. Einige Kleinigkeiten
aus umliegenden Huacas hatten vorher erworben werden können.
262 COLUMBIEN.
Der frühe Autbruch am nächsten Morgen (December 8.) führte
zum steilen Ansteig auf schlüpfrigen Pfaden, mit Blicken auf die
längs der Bergschlucht bis in die Tiefe des Abgrundes hinabstür-
zenden Gewässer. Der Weg stieg an und ab, bis Avejoral erreicht
war, auf welliger Ebene gelegen an einer Bergerhöhung. Dort war
das Pferd zu übergeben an eine angezeigte Adresse', und es blieben
nun die Verhandlungen über Miethcn eines neuen Thieres, wodurch
wir mit allerlei Umständlichkeiten und Störungen, aus der Unzuver-
lässigkeit der Zusagen, bis Nachmittag hingehalten wurden.
Ich benutzte die Zeit um einige der dortigen Einwohner aufzu-
suchen, Francisco Villegas, Lucio Restrepo , Eniilio Arango, von
denen sich P>werbungen machen Hessen, und wanderte dann in den
Strassen umher, deren Häuser weisse Tüllflaggen aushängen hatten,
zur Festes-Feier der unbefleckten Empfängniss.
An solchem Tage findet sich, im Bewusstsein der ihr zugedach-
ten Hauptrolle, die junge Damenwelt in besonderer Aufgewecktheit
und Regsamkeit, alle die Senoritas, Dofia Concepcion und Dofta Incarna-
cion und sämmtliche Maria's selbstverständlich, da es mit den Beicht-
vätern, den Padres oder Fratres, Mancherlei zu erörtern^) gibt und unter
ihrer Hülfe, wenn sie zum Studiren überhaupt Gelegenheit gehabt
hätten, die ganze Reihe der einsichtigen Controversen von den Ebio-
niten^) bis aufScotus und ferner, in den jungfräulichen Gehirnen sich
durchsiebten Hessen.
^) Holton fand in Bogota ,,the perpctual virginity of Mary" a delicate point to dis-
cuss, und fügt hinzu: ,,Decency forbids my quoting the words in which this doctrinc is
taught in the child's catechism". Um indess solche Wunden zu heilen, bleibt leider
nichts übrig, als sie in aller ihrer Scheusslichkeit offen zu legen. Mögen sie die Augen
Erwachsener, wenn es nicht anders geht, beleidigen, wenn dadurch erreicht werden kann,
dass wenigstens nicht der reine Kindessinn bereits fürs ganze Leben vergiftet werde. Inder
Absicht eine Illustration zu liefern über die Wirkung des Catholicismus auf die americanische
Gesellschaft fand Hall diese Aufgabe ,,at once revolting and ungracious", so dass er davon
abstand, um das Risico zu meiden, ,,of shocking the feelings of many, who may
agree with nie in thinking, that it is scarcely possible to treat such a subject in detail
(and by delails alone can it be done effectually) without a painful degree of indelicacy."
Ein so tief sitzender Krebsschaden verlangt indess starke Mittei und beim Bedecken mit
Schönpflästerchen schwärt die Wunde um so tiefer nach Innen weiter.
3} Die Ebioniten stellten die Unversehrtheit der Jungfrauschaft Mariae schon in der
Empfängniss und Geburt (ante partum et in partu) in Abrede, Eudoxius und Eunomins
nur nach der Geburt (post partum), während sie die Antidikomarianiten nach der Geburt
noch ehelichen Umgang pflegen Hessen (postquam genuit salvatorem, copulata est viro),
und Jovinian (magister luxuriae) bestritt die Würde der Virginität überhaupt. Die Kirche
lehrt dagegen; virgo concepit, virgo peperit, virgo post partum illibata permansit als
(iH7i(<Q(^iyog (seit 553 p. d.) und bei Ignatius heisst diese Jungfrauschaft und Geburt
AVEJORAL. 263
Alles das hat dazu beizutragen, um den reinen Glauben zu
läutern in der Mystik der katholischen Kirche, bei welcher neuer-
dings besonders „die Anbetung des heiligen Herzens Jesu*) und die
Mariae ,,eiD dem Teufel verborgenes Geheimniss" (und so wohl allen Anatomen und
(iynäkologen). Cyrill Alex, in seinen Quaestiones ix rrjg doy^itaat^g navonhng hat aus-
führlich erörtert: cur non christiparam sanctam Virginem existimare debemus, sed deipa-
ra^, und die heilige Anna ergäbe sich dann als Grossmutter, so dass wir auch hierin vor
den Rothhäuten des blinden lleidenthums nicht zurückzustehen brauchten, schon ohne den
Teufel und seine CJrossmutter mitzurechnen. Bei den Huronen wurde neben dem Schöpfer-
gotte Yoscaha (oder Ataouacan) seuie Grossmutter Ataensig verehrt (s. Sagard). Nach-
dem Scotus die Empfängniss als unbefleckte angedeutet, und die Pariser Universität sich
dorthin geneigt, wurde sie auch vom Concil (1439) angenommen, aber wie Bandelli nach
der Disputation (1481) erklärte, müsse nicht der 8. Dezember, der Tag der Samen-
mischung , der doch nicht unbefleckt sein könne, sondern , da die Seele erst 80 Tage
nach erfolgtem Beischlaf m die Frucht gegossen wird, der 25. Februar gefeiert werden.
Der 8. Dezember war durch neunmonatliches Zurückrechnen vom vermeintlichen Geburts-
tag gefunden (8. September). Dennoch aber verbot die Bulle des Papstes die Lehre von
der unbefleckten Empfängniss Ketzerei zu nennen, und bald wurde dann vielmehr jeder Zweifel
schon zur Ketzerei (eines .\ntidicomarianiten). L'Abbe l'Avocat (biblioth^caire de la Sor-
bonne) convient, que les F^ranciscains ont puise dans l'Alcoran le dogme de l'immaculöe
Conccpcion, dont les anciens Chretiens n'ont en aucun soup^on (,,Mahomet est le plus
ancien auteur, qui ai fait mention de l'immaculee Concepcion de laVierge"). Nach der
in der katholischen Theologie herrschenden Meinung (des Creatinismus) erschaff"! Gott zu
jeder Erzeugung (in dem Empfängniss zur Befruchtung) eine Seele, und verbindet sie
mit dem Fötus, ob aber im ersten Moment seines Daseins oder erst nach einer bestimm-
ten Zeit, (bei früher üblicher Annahme von 40 Tagen), darüber schwankt diese geistliche
Naturkunde. Wenn femer nun die Erbsünde zunächst die Seele betriff"!, so ist nach einem
römischen, auf die Constitution Alexanders VIL (1661) gestellten Dafürhalten mit der
Empfängniss Mariae der Moment gemeint , wo die von Gott geschaffene Seele dem Körper
eingegossen wird (Perrone : primo illo instanti , quo anima B. M. Virginis a deo crcata
et in corpore infusa est), und dieses, wieder nach einer römischen Bezeichnung als con-
ceptio passiva von der blos leiblichen Empfängniss als der conceptio activa (im neueren
Sinne) unterschieden, gewährt eine Handhabe, um sich der grossen mittelalterlichen
Gegcn-Autoritäten durch die Ausrede zu entledigen, sie hätten gamicht gemeint, was die
Kirche unter der conceptio immaculata verstehe (s. K, Hase). Nach Einigen wurde durch
ein Wunder des heiligen Geistes die Reinigung am I^eib des Zeugenden vorgenommen,
nach Anderen lag sie darin, ,,dass der heilige Geist im Momente nach der Empfängniss
das gelöste und befruchtete Ei, ein durchsichtiges Bläschen, den Keim des künfiigen
Menschen von der Erbsünde reinigte", und führt das Dogma zu Anderem (was ,, unter
roheren Völkern zarte Scheu ungedacht lässt"). Mit der Reliquie von Sacromonte, 11a-
mado de Valparaiso (bei Granada) wurde das Manuscript des heiligen Caecilius gefun-
den, die unbefleckte Empfängniss bezeugend (1588), und trotz der Nachweise für Unzu-
verlässigkeit wurde in Clemens Bulle (1708) das Fest der Empfängniss zum unbefleck-
ten. Im Jahre II39 wurde die Empfängniss Mariae gefeiert, ut honoretur et conceplus,
<iui honorandum praeivit partum. Quoniam si ille non praecessisset, nee Lste esset qui
honoratur (obgleich der heilige Bernhardt meint, wenn das so fortginge: et de avis et
pfX>avis id ipsum posset pro simili causa quilibet flagitare, et sie tenderetur in inflnituni et
festomm non esset numerus). Und wozu?
*) Die Verehrung des heiligen Herzens Jesu (seit Margaret Alaquoque vom heiligen
Stuhl approbirt) liegt in folgendem Satz des Concil von Vienne ausgesprochen : Dei Ver-
264 COLUMBIEN.
innige Verehrung^) der unbefleckten Jungfrau Maria" in Betracht kom-
men. Vielleicht findet mancher in den Ausdrücken, wie Dideron
in einigen Bildern, „un mani^re hardie d'exprimer la divine con-
cepcion'*, besonders, wenn es sich um einen Drauf- und Drein-
schlägcr^) gleich dem alten Damianus') handelt, vielleicht stösst
auch der Jurist auf Widersprüche, in Betreff* der ehelichen An-
sprüche Robertos von Citeaux (IQ89), von Tanchelin (f 1124) nicht zu
reden, oder was bedenklicher scheinen dürfte, Arzt und Anatom auf
unmassgebliche Zweifel, aber „die wissenschaftliche Forschung hat
sich fortwährend an der Kirche zu orientiren, denn die Vernunft
kann in ihren Forschungen irren, die Offenbarung aber wird durch
das infallible Lehramt der Kirche stets von jedem Irrthum rein be-
wahrt und unfehlbar richtig verkündet" (Zobl.) Die himmlischen In-
spirationen filtrirten ohne Verunreinigung durch ein irdisches Gefäss,
so unsauber dasselbe auch sein mochte, wie ebenfalls ein Johann von
Salisbury, als gehorsamer Sohn der Kirche, mit solch' physikalisch-
biologischem Wunder seine Gewissensscrupel beschwichtigen mochte,
wenn er nach freimüthiger Aufzählung all' der Unsittlichkeiten im
Leben der Päpste mit dem Ausrufe abschloss: „Deinen Lehren will
ich folgen, o heiliger Vater, nicht jedoch deinen Thaten!"
bum pro omnium operanda salute non solum affigi criici et in ea mori voluit , sed etiam
emisso jam spiritu perforari lancca sustinuit latus suum, ut exinde profluentibus undis
aquae et sanguinis formarclur unica et imraaculata ac sancta virgo matcr ecclesia, conjiix
Christi, sicut de latere primi hominis soporati Eva sibi in conjugem est formata. Es er-
innert das einigermassen an die antillische Genesis, nach deren Lehren die erste Frau aus
dem Eitervva^ser einer Beingeschwulst am Ersten Mann geschaffen wurde.
*) Als die Synode von Pisloja ,,die Verehrung des heiligen Herzens Jesu als eine
neue, irrthümliche oder wenigstens gefährliche Andacht" tadelte, weil durch dieselbe die
Menschheit Jesu getrennt von seiner Gottheit angebetet werde, wies Papst Pius VI. (in
seiner Bulle) diese Vorwürfe gegen den vom apostolischen Stuhl approbirten Cultus zu-
rück, und erklärte, ,,dass der Menschheit Jesu zwar nicht ihrer selbst wegen, wohl aber
wegen ihrer hypostatischen Vereinigung mit der göttlichen Natur des Logos eine und die-
selbe Anbetung, wie dem menschgewordenen Sohne Gottes zu erweisen sei". Solche
Hypostasien haben wohl bereits Manchen zur Apostasie getrieben.
*j Dieser seinen Beichttöchlern die Kuihenhiebe nicht bei Dutzenden sondern zu
Hunderten applicirende Schuldespot, dereine dieser Schülerinnen die Apostolicorum verbc-
rum disciplinam bis zu einer Busse von lOO Jahren steigern liess, hielt sich doch für den
auserwählien Liebling der Himmelskönigin, obwohl sie, wie er meinte, mit Gott Vater
weit weniger Umstände mache, denn sie tritt vor ihn ,,non soUmi rogans sed impcrans,
domina, non ancilla."
*) Missus est ergo angclus Gabriel a deo ad virginem, tjuae jMjstquam ei locutub est,
sensit deum suis illapsum visceribus . (erzählt der heilige Damian), nachdem Gott, durch die
Schönheit der Jungfrau in Liebe zu ihr entbrannt , in einem himmlischen Convent den
Engeln die bevorstehende Fleischwerdung verkündet , und an den Engel Gabriel einen
Brief geschickt.
CONXEPCIOX. 265
Die infallibeln Aussprüche werden hier ohnedem noch durch
die Offenbarungen der heiligen Brigitta*) gestützt, die von den Con-
cilien zu Constanz und Basel anerkannt sind, und dies genüge dem-
jenigen, welchem dasDecret von 1854 anachronistisch erscheinen sollte.
Bei den heissblütigen Südländerinnen hat diese Lehre immer in
besonderer Gunst gestanden, und aus Galanterie für sie dann wieder
mancher Spanier den Degen zu Ehren der Unbefleckten gezückt.
In Lima galt schon im vorigen Jahrhundert Maria als solche, „desde
el primero instante de su ser natural" (absque labe concepta), und
in Folge der Bemühungen von Kapuzinern und Jesuiten um „Vimma-
culee conception", bemerkt damals Frezier: „on en fait mention au
commencement de toutes les actions, meme lesplus indifferents", wie
auch anderswo, bereits beim gleichgültigsten Gruss.
Man setzte Alles daran, diese wunderbare Lehre möglichst tief
dem Gemüthe einzuprägen, und wunderbar in der That muss sie
sein, wenn sie der Moral zu Gute kommen sollte, da sonst ein Cui
*) Die heilige Brigitta erhielt bei der Erscheinung der Gottesmutter die Offenbarung:
,,Es ist Wahrheit, dass ich empfangen bin ohne Erbsünde", wogegen der heiligen Ca-
tharina von Siena offenbart wurde, dass erst nach der Empföngniss der heilige Geist die
Jungfrau vom Makel der Erbsünde gereinigt habe. Pius IX. declarirte: Doctrinam, quae
tenet, beatissiraam Virginem Mariam in primo instanti suae conceptionis fuisse singulari
omnipotent is dei graiia et privilegio, intuitu meritorum Christi Jesu salvatoris humani
generis ab omni originalii culpae labe praeservatam immunem, esse a deo revelatam atque
idcirco *ab omnibus fidelibus firmiter cunstanterque credendam (1854) am Fest der unbe-
fleckten Emi)fängniss Mariae. Bei den unberechenbaren Vortheilen eines Glaubens
daran, mochte auch das Unglaubliche geglaubt werden. In der gewöhnlichen Schablone
der Marienlegenden kommen eine Menge Geschichten vor, wie Roskoff bemerkt, ,,in
welchen Maria Diebe und andere Taugenichtse begünstigt und Mirakel wirkt, nur weil
jene ihrer eingedenk waren", und aus solchen Legenden, die durch die Dogmen des
Cultus gestützt werden , gestaltet sich der Gottesdienst des Volkes mit dem Massstabe
für seine Moral.
£1 demonico esta muy mal
Y no tiene mejoria,
Porque no puede disturbar
La devocion de Maria
so sang man in Lima, aber diese Frömmigkeit erscheint (meint Frezier) Irop melde de vices
et de sensnalitd; ,,d'ailleurs ils vivent tous dans une forte presomption de leur salut, fonde/
sur la protection de la Vierge et des Sainls, qu'ils croyent meriter par quel<iues exercices
de Confrairie, dans lesquelles les Meines les ont associez." Indess trotz dieser Auswahl
himmlischer Protection wurde auch zugleich die schwarze Kunst requirirt und die Frauen
Lima's trugen die Higa (Hand mit ausgestrecktem Daumen), damit das böse Auge ihrer
Schönheit nicht schade (s. Frezier). Dieselbe Beobachtung findet sich bei Coreal. Nelle
strade vedi vagare , passeggiare , affaccendarsi preti , frati d'ogni ordine, d'ogni colorc
c foggia di vcstiario, a cappe nere, bianche, beati, beato di N. S. del Cannine, monachc,
cappuccine ed un sine fine di Ürdini (Osculati) in Quito (1854). Das diebische und mörde-
rische Gesindel in Rom ist am meisten fromm und kirchlich (heisst es bei Mundt.)
266 COLUMBIEN.
bono? sehr nahe läge und der beschränkte Laienverstand nicht nur
keinen Nutzen, sondern eitel Corruption darin sehen möchte. Bereits
bei der ersten Einführung des Festes warnte Bernhard von Clair-
veaux vor den vielfachen Verwicklungen, die, wenn man auf die
Ascendenten zurückzugehen hätte, bei dieser Lehre drohen würden,
und sie haben sich auch bei der heiligen Anna^) bereits so gehäuft,
dass man sich bis jetzt nicht weiter gewagt hat. In America be-
sonders scheint man die Subtilitäten dieses Dogmas zur Schärfung
des Verstandes, für den es sonst weiter Nichts zu thun gab, ge-
eignet gehalten zu haben, und als Thomas Gage im XVII. Jahr-
hundert in den theologischen Lehrstuhl der Universität Guatemala's
eingeführt wurde, um in Betreff der Geburt der heiligen Jungfrau
die Ansicht Thomas von Aquino gegen Juarez und seine Anhänger
zu vertheidigen, nahm diese These, wie er bemerkt, für mehrere
Jahre hindurch die volle Aufmerksamkeit des Publicum's in An
Spruch. Besonders picant müssen diese Erörterungen über die
jTQoyoytxij dficcQua oder urviÄerliche^) Sünde (s. N. Cabasilas) und
was dazu gehört, in Peru gewesen sein, wo sich die Lebensweise
der Geistlichen, wie Ulloa auseinandersetzt, nur insofern von der der
verheiratheten') Laien unterschied, dass sie nicht an eine Frau ge-
bunden waren, sondern die Concubinen beliebig wechseln konnten, und
*) Gerson besingt ,,la genealogie compliquee des trois mariages de Sainfre Anne
avec Joachim, Cleophas et Salomas, eile eut de ces trois ^poux les trois Maries qui €pou-
serent Joseph, Alph^e et Zdbedee." Auf Le F^vre's Abhandlung de Una ex tribus Maria
und Agrippa's Annae Monogamia etc. ,,les sorbonistes prirent feu pour la defense de la
Trinuba et Tiipara" (und Beda de nepotibus B. Annae). Le culte de Sainte Anne a ete
regle en 1584 par une bulle de Gregoire XIII. (s. Lichtenberger). Welcher Muth der
Kirche all' diesen Complicationen, und den aus den apocryphischen Nebenkindem Maria's
drohenden, in das Gesicht zu sehen! und wohl lässt sich die Frage wiederholen: Cui bono?
Leo X. soll allerdings aufrichtig eingestanden haben , wozu die Fabeleien , wie er sie
nannte, gut seien. Auch liess sich so der Grossmutler Lillis (bei Schemberk) eine gleich-
werthige entgegenstellen.
3) Ohne Schaam (perdida enteramente la verguenza y el rubor) nahmen die Geist-
lichen Peru's irgend welche Frauen zu sich, die ihnen beliebten, ,,y aun parece que esta
causa en ellos efectos mas considerables , no conteniendose su viciosa inclinacion dentro
de los limites de una mediana relaxacion, sino pasando al extremo de la disolucion y del
escändalo, y excediendo en todo a los seglares mas desarreglados y menos contenidos",
so spricht nicht etwa ein Protestant oder ein Pamphletenschreiber, sondern ein spanischer
Suatsbeamter, an die Regierung seines Landes einen Bericht übersendend, um durch den
StaatssecreUir vorgelegt zu werden ,,a S. M. C. El Seüor Don Fernando VI."
2) In dem scandalösen Treiben der peruanischen Geistlichen war am Schlimmsten
das der Mönche, indem ,,sus ideas de honor y decencia estdn reducidas h limites muy
estrecha^" (s. Barry). Die Klöster ,,son en Mejico un pantano de comipcion" (Manuel
del Rivero).
LAS CEJAS. 267
dass ihre Kinder keinen Taufschein vorzeigen konnten (XVIII. Jahr-
hundert).
Kurz vor Sonnenuntergang brachen wir auf, einen Pferdejungen
als Peon mit uns führend, trotz welches Anwesenheit aber schon
gleich ausserhalb des Flecken's Aufenthalt entstand, da das Pferd
eine Gelegenheit am Wege benutzte, umzukehren und im Carriere
die Richtung nach seinem alten Futterplatz einschlug. Mit ein-
brechender Dunkelheit passirten wir die Quebrada de las Yeguas
und geriethen auf einen zerklüfteten Weg, wo die Unsicherheit des
Mondlichtes den Fortgang nicht rathsam machte. Wir klopften des-
halb die Bewohner eines an der Strasse gelegenen Hauses heraus
(bei las Toldas), und richteten uns dort, wie es eben ging, für die
Nacht ein, die Thiere im Hofe zusammengekoppelt haltend.
Bei Kerzenlicht wurde gesattelt, so gut und so rasch es im
fallenden Regen sich machen Hess, und der erste Dämmerungsschein
erwartet, um unsern Marsch fortzusetzen (Decbr. 9.). Ueber Hügel,
unter mehrfachem Aufenthalt durch Reparaturen des zerreissenden
Sattelzeugs, kamen wir an eine enge Schlucht am Fluss Las Dantas
und dann an den mit diesem vor seiner Mündung in den Cauca ver-
bundenen Fluss St. Catalina. Die Vegetation zeigte eine besondere
Physiognomie in den starr aufstehenden und gerade niederfallenden
Blättern der. Pflanzen.
Ueber Hügelreihen und wellige Flächen mit den Flüssen Vuelle,
dem steinigen Bett des Las Piedras und dem Pantanillo gelangten
wir durch ein Felsenthor an der Wasserscheide, in das Flussgebiet
des Rio Negro, der sich als Nare mit dem Magdalena vereinigt.
Getrennte Hügelketten durchschnitten den Horizont und dann blick-
ten wir auf eine im hellen Grün der Wiesen und dem Dunkel der
Wälder schattirte Ebene, von niedrig streifenden Bergketten umzogen.
Nach fernerem Aufsteig zur Anhöhe, ritten wir in die Ebene
hinab, und den Fluss Hondita passirend, nach Las Cejas am Fusse
einer Hügelkette, vor dem abgelös'ten Ausläufer derselben.
Nachdem die Thiere dort in der Casa posada eingestellt waren, galt
es für uns, lange Wege zu machen nach den Potreros der ausser-
halb des Fleckens wohnenden Arriero's, und mit diesen ebenso lange
Unterhandlungen, um noch vor Ablauf des Tages zum Abschluss
zu kommen. Bei der Rückkehr nach dem Gasthaus, fand ich das-
selbe mit einer lärmenden Gesellschaft junger Brauseköpfe gefüllt,
die ihr Gelage, wie ich hörte, bereits seit mehreren Tagen und
Nächten fortsetzten, und in unbedachtester Weise durch Hof und
268 CO LUMBIEN.
Vorzimmer auf ihren Pferden umhersprengten, wobei ihnen die durch
mein Gepäck neu hinzugekommenen Hindernisse eine besonders be
liebte Zielscheibe zu bilden schienen. Da es sich um eine halbsinn-
lose Trunkenheit handelte, schien mir ein völliges Ignoriren der
bessere Plan, und machte ich nur die Wirthin darauf aufmerksam,
dass ich bei etwaigen Beschädigungen Ersatz verlangen würde. Die-
selbe besass auch noch genügenden Einfluss, ein ernstliches Zu-
sammentreffen zu verhindern.
Erst spät am Nachmittag konnten wir die Reise fortsetzen, durch
eine angebaute Ebene und dann durch Buschwald. Unter den gra-
senden Heerden bemerkte ich Kälber mit einem Ring in der Nase,
um sie am Saugen zu hindern- Mit Mondschein ging es weiter
durch das Pueblo San Antonio hindurch, und dann abwärts zum Fluss
Vuelle, bis wir nach Passiren der Brücke desselben die Stadt Rio
Negro betraten, wo einige Nachtschwärmer auf der Strasse uns noch
den Weg nach der Casa posada angeben konnten. Auf dem Hofe
derselben, um welchen die Logirzimmer herumliefen, fand sich der
für Hahnenkämpfe benutzte Circus (Gallchisco),
Rio -Negro (Rionegro y Nare) wurde im Jahre 1545 gegründet
und gewann besonders bei der Verlegung von Santiago de Arma
Zuwachs seiner Bevölkerung, unter Entwickelung des Handels auf der
Wasserstrasse des Magdalena über Nare.
Geldangelegenheiten zu ordnen, hatte ich dort am nächsten
Morgen einen Kaufmann aufzusuchen, so dass sich die Abreise etwas
verzögerte. Dann zogen wir über die Wellenausbreitung der mit
Flüssen durchschnittenen Ebene, oft durch Stellen schwarzen Moor-
grundes unterbrochen. Jenseits derselben blieb die dreifache Hügel-
kette de los Tambores (primera, segunda, tercera), die über die
Wasserscheide in das Flussgebiet des Cauca zurückführt, zu über-
schreiten, mit Depressionen dazwischen, wo am Wege die violette
Mirabeüa ihre Blumen entfaltete. Von der Höhe San Ignazio (bei
Santa Elena) blickten wir auf die Breite des von der hohen Berg-
kette (die den Cauca abschneidet) eingefassten Längsthals, das in grüne
Beete getheilt, von dem blinkenden Wasserstreifen des Rio Medellin
durchwunden wird, und in der Mitte der Fläche auf die mit ihren
Strassen und Plätzen sichtbare Stadt Medellin, in blühende Gärten
eingebettet, gleich einem Juwel im strahlenden Smaragdenglanz und
majestätischer Umfassung.
Wir betraten einen gewundenen Absteig, oft mit tiefem Nicder-
fall, wo die Strassenbauten Felsblöcke umhergeschleudert hatten,
MEDELLlX. 269
aber dennoch tiefe Schlammstellen zurückgelassen, von denen die uns
entgegenkommenden oder an den seitlich hervorbrechenden Quellen
sich reinigenden Männer und Frauen die Spuren an ihren Beinen bis
über das Knie trugen, und durch die auch unsere Maulthiere keine ge-
ringe Mühe hatten hindurchzukommen. Am Wege trafen wir die Trans-
porte einiger Maschinenstücke, die für den in Medellin beabsichtigten
Bau einer Münze bestimmt waren. Mehr als dreissig Träger waren
mit langen Bambussltöcken dabei beschäftigt, und der Transport von
Nare sollte bereits mehrere Monate gedauert haben.
Ein gerader Weg leitete dann hinab in die Ebene, wo wir die
Strasse mehrfach durch die zwischen den Umzäunungen der seitlichen
Potrero's eingefügten Thore gehemmt fanden, die es von dem
Reisenden erwartet wird, nach dem Oeffnen sorgfältig wieder zu-
schliessen. In Medellin nahm ich im Hotel Medellin Logis und ver-
abschiedete das Miethspferd, um dann über die Thierfrage in Betreff
der Rückreise Entscheidung zu treffen.
Unter den verschiedenen Bekanntschaften, die ich dort zu machen
Gelegenheit hatte, ist zunächst die des Herrn Robert White zu nennen,
eines englischen Ingenieurs, der damals in der Verwaltung verschiedener
Minen beschäftigt war und meinen Zwecken vielfach förderlich ent-
gegengekommen ist. Dann besichtigte ich die Privatsammlung des
Herrn Leocardio Arango, von dem ich einige interessante Erwerbungen
machen konnte, ebenso geschenksweise von Herrn Manuel Uribe Angel,
und bei sonst gebotener Gelegenheit. Einige Objecte aus den Hua-
cas finden sich in dem Museum*) des Zeughauses, wohin ich von
dem deutschen Consul begleitet wurde, der mich auch bei dem Prä-
sidenten des Staates, Herrn Ricaredo de Villa einführte. Aus einem
Privatbesitz wurde mir eine eigenthümliche Goldfigur mit Visir^)
gezeigt, die damals nicht käuflich war, und in der kleinen Sammlung
des Herrn Daniel Botero sah ich ein interessantes Stück in einer
kleinen Goldfigur menschlicher Gestalt mit rüsselartiger Nasenver-
längerung, die bei Amalfi gefunden war. Leider schien der Besitzer
eher geneigt, dieses in seinen Augen mehr niedliche, als wichtige
Stücklein seinem Schwesterchen als Spielzeug zu überlassen, statt es
*) In Betulia (nördlich von Carolina) wurde ein (im Museum Medellin's aufbewahrter)
Mammuth-Zahu auf unterirdischem Steinpflaster, neben einer Wasserleitung zur Salzberei-
tung, gefunden (wie Robert White gehört hatte).
') Visire werden mehrfach erwähnt, besonders bei Grijalva's Zuge, der ein solches
(aus Holz mit Goldplatten) auf der Insel St. Lazarus erhielt, ein anderes (mit Edel-
steinen auf dem Nasenschutz) in Mexico und bei San Juan , ebenso derartiges Colon
(nach Alfons de UUoa) vom Caziken Evacanayavi.
270 COLUMBIKN.
in einem Museum zu deponiren. Da ich ihn indcss vor meiner Ab-
reise wenigstens so weit bringen konnte, eine sorgfaltige Aufbewah-
rung zu versprechen, besinnt er sich vielleicht noch eines Besseren
und hat mir der Consul versprochen, die Sache im Auge zu behalten,
oder jedenfalls eine Abzeichnung zu besorgen, da die für den Ab-
schiedsbesuch am letzten Tage bestimmte Schlussbesprechung mit
dem Eigenthümer durch dessen Abwesenheit unmöglich geworden war.
Da es mir wünschenswerth schien, von den vielfachen Resten
eingeborener Stämme in den verschiedenen Provinzen sprachliche
Notizen, ehe die Möglichkeit dafür verloren gegangen, zu erhalten, liess
ich in Zusammenstellung der hauptsächlichsten Worte ein Vocabu-
larium im Spanischen, mit offenem Raum für Hinzufügung, drucken,
um es besonders unter die Cura des Landes zu vertheilen. Dr. Andres
Posada Arango sagte mir seine Hülfe dafür zu, und auch mit Dr. Vin-
cente Laroche konnte ich darüber reden. Einige wurden bereits bei
meiner Anwesenheit verschickt, und die Sammlungsobjecte für das
Museum verpackte ich in Kisten, die es der Consul übernahm, nach
Baranquilla zu senden, um dann nach Europa verschifft zu werden.
Mit einem Sohn des verstorbenen Ingenieur Greiff, der mehrfach im
Atrato-Gebiet, in den seit der Conquista wenig mehr genannten Berg-
zügen von Abibe gereis't hatte, suchte ich Einleitungen zu treffen,
wenn ausser den veröffentlichten Karten etwa noch Manuscripte vor-
handen seien, diese zur Benutzung zu erhalten.
Die Abura (Aburra), von denen das Thal Medellin's bewohnt
war, verschwanden in der ersten Zeit der Conquista, zum Theil, wie
es heisst, im Selbstmord^) durch Erhängen, während ihr auf Ameisen
(Habura) bezüglicher Name (als Myrmidonen) grosse Mengen (oder
Erdabkunft) anzuzeigen scheint.
Im Valle de San Bartolome (oder Aburra) „ahorcaronse algunos
de los naturales" (aus Furcht vor den Spaniern) en la entrada de
Texelo y en los alojamientos de Robledo (s. Piedrahita).
Benzoni erwähnt das Selbsterhängen der Indianer (mit ihren
*) Quando entramos cn este valle de Aburra fue tanto cl aborresciiniento que nos
tomaron los naturales dcl, que ellos y sus mugeres se ahorcavan de sus cabellos 6 de
los maures de los arboles y aullando con gemidos lastismeros dexaban alH los cuerpos y
abaxaban las animas ä los infiemos. Daraus macht die Uebersetzung (der für America in
dankenswerther Weise thätigen Hackluyt Society): When we entered thisvalley of Aburra,
the detestation we conceived for the natives was such, that we hung them and their
women'to the boughs of trees with their hair, and amidst grievous moans we left their
bodies there, while their souls went down to hell. Das wäre doch etwas zu arg filr den
guten Cieza de Leon, der, wenn auch von den Fehlem seiner Zeit nicht frei, lange
nicht zu den Schlimmsten gehörte.
ABITRRA. 271
Haaren an Bäume) aus Santa Martha (um den Bedrückungen der
Spanier zu entgehen). In einigen Theilen Mexico's flohen bei An-
kunft der Spanier die Indianer in die Berge (porque entendian, que
era acabado el Mundo y que todas las Generaciones avian de perecer),
weil sie meinten, dass es mit der Welt zu Ende sei, und dass das
Menschengeschlecht zu Grunde zu gehen hätte (wie es sich für ihre
Geschichtsperiode auch erfüllte).
In der Umgegend sind mancherlei Altcrthümer bekannt gewor-
den: In Fronteiro finden sich Erdhaufen über den Gräbern und in Murri
sind diese mit einem Kranze Palmen umpflanzt. Ebenso erhob man
am Fluss Sinu Erdhaufen über die Gräber, wie in der Cordillere del
Choco. In Savanaleta brava (bei Fredonia) wurde eine Romana aus
Gold (neben Steinchen) zum Goldwägen in den Huacas gefunden, und
eine Vase in Menschenfigur, die Arme in Froschbeine auslaufend.
Dort suchte man den Tititiribi (Schatz) der Indianer. In den
Huacas von Porto Rico führen zu den goldreichen Niederlagen
Stufen hinüber und Goldhütchen wurden in den Huacas von Enfeme-
nina (beim Alto de Morron) gefunden. Andere Huaca wurden im
Cerro St. Rita bei St. Domingo ausgegraben. In St. Barbara fanden
sich Huacas mit einem Kasteii aus glattem Stein seitlich und oben,
wie auch die Thür von einem solchen geschlossen. Die Beisetzung
wird verschieden beschrieben. Bei Malfi (am Force) finden sich Reste
der von den Indianern bearbeiteten Goldminen; als Patia (mit For-
men) bei Medellin. In Savaleta brava (bei Fredonia) soll der für
eine kleine Hand berechnete Bronzegriff" eines (stählernen) Dolch-
schwertes gefunden sein. Manches trägt schon spanischen Einfluss.
In Caxamarca an dem in den Rio Rupa (Nebenfluss des Cauca) mün-
denden Agua de Rey, wegen der Güte seines Wassers so benannt,
sind die Indianer erst vor Kurzem, bis auf wenige Nachkommen,
verschwunden (auf dem Wege von Roldanilla nach dem Choco).
Die Gründung der Stadt Medellin (1674) knüpfte sich an das
Dorf Ana, welches bereits in dem von Luis Tejedo entdeckten Thal
*
von Aburra bestand, wo 1541 San Bartolome erbaut war. Bei der
republicanischen Umgestaltung Columbien's wurde der Regierungssitz
der Provinz Antioquia von Santa F^ de Antioquia, wo der Bischofs-
sitz verblieb, nach Medellin verlegt.
Unter der ungestört gleichartigen, des klimatischen Wechsel ent-
behrenden Natur jener von der übrigen Welt isolirten Hochebenen
Südamerica's gleiten die Tage in ebenmässigem Flusse dahin. Man
erhebt sich mit der Sonne, man fühlt die Stunden in der zunehmenden
212 COLUMßlEX.
Hitze, dann in der Abnahme derselben, und man wünscht sich wieder
die Buenas noches, wenn die Abendglocke den Tagesschluss verkündet.
Zweimal am Tage erschallt dieser zur Andacht rufende Ton. Be-
sonders frappirend ist der Eindruck auf dem rührigen Markt einer
grossen Stadt am Morgen, wo, während die Monstranz bei der Messe
erhoben wird, mit dem ersten Glockenanschlag alles irdische Treiben
unterbrochen ist, die Rede im Munde stockt, der Wandrer still steht,
der Arbeiter anhält, das ganze Land gleichsam von einem Zauber-
schlage getroffen scheint, ohne Laut, ohne Bewegung, mit entblösstem
Haupt oder auf den Knieen die Lösung des Bannes durch das dritte
Geläut erwartend. Es lägen hierin die Keime zu einem feierlich
erhabenen Cultus, der aber durch die Alltagsroutine in frivoler Gleich-
gültigkeit, unter den zur Gewohnheit gewordenen Formen, abgeleiert
wird und bei der Verworrenheit naturwidrig verquickter Vorstellun-
gen, wenn man dem Gedankengang auf den Grund geht, auch nie
darauf hoffen kann, sich in einem Selbstheilungsprocess zu verjüngen.
Die in America strengere Beobachtung dieser Abendmessen mag
durch Anschluss an frühere Gebräuche unterstützt sein, wie sie z. B.
in Mexico bestanden zu haben scheinen. „In dem Götzenhause des
Abgottes Quetzalcoatlh's verrichteten die Woche hindurch vier
Priester den Götzendienst. Diese schlugen, wenn die Sonne unter-
ging, eine grosse Trummel, welche weit über die Stadt klung. Hier-
auf packte sich ein Jeder geschwinde nach Hause, Thüren und
Fenster wurden zugeschlossen. Alles ward plötzlich so stille, als
wenn nirgend Menschen wohnten. „In der Frühstunde rührte man
eben dieselbe Trummel, und alsdann mochten die Reisenden erst
wegziehen. Auf dem inwendigen Platze des Götzenhauses stund ein
erhobenes Schaugerüste, da zur bestimmten Festzeit die Schauspieler
sich sehen Hessen, und etliche ahrtige kurtzweilige Spiele vorstelleten.
Zuweilen stelleten sie sich, als wenn sie stumm, taub, blind, lahm,
höckericht oder auf andere Weise gebrechlich waren, und bähten
den Abgott um Genäsung. Zuweilen waren sie angetahn als Schlan-
gen, Nattern, Krokodillen oder anderen verschlingenden Thieren und
fochten mit einander'* (Dapper). „Ein Jeder treibet wunderseltsame
Possen. Dieser spielet den blinden Mann, jener den Kröpeler, der
Eine stellet sich taub, der Andere machet einen schiefen Mund" (beim
Tanz der Nicaraguer) unter dem Trinken von Kakavata (aus Kakao).
Aus solchen Schauspielen der Gebrechlichen im Tempel ergab sich
dann leicht die miraculeuse Heilung, innerhalb des geweihten
Bezirkes.
ITAGUI. 273
Die von Manisales mitgebrachten Thiere hatte ich nach der Wei-
sung des dortigen Arriero seinem Verwandten Antonio Maria Velez
in Itagui übergeben, und ich besprach nun mit ihm die Rückreise,
unter dringender Vorstellung über die Nothwendigkeit guter Thiere,
damit sich nicht die Beschwerden und Verzögerungen der Hinreise
wiederholten. Der Mund floss so sehr von schönsten Versprechungen
über, und der Betheuerungen waren so viele, dass ich, da auch meine
Freunde ernstlich mitgeredet hatten, nochmals wieder Vertrauen zu
fassen begann, aber freilich bei der ersten Ansicht der ins Hote
geschickten Thiere bald darin schwankend werden musste.
Da ich Itagui auf meinem Wege zu passiren hatte, brach ich in
Begleitung von Herrn H. White (Bruder des Ingenieurs) am Morgen
des festgesetzten Tages auf, um durch ein fruchtbares Thal im
blühendsten Anblick längs kuppig gewellter Hügelkuppen den Flecken
Envejado zu erreichen. Dort sandte ich den als Führer mitgenom-
menen Peon nach dem Potrero des Arriero und erlangte auch ein
anderes Thier im Austausch, das sich allerdings jedoch schliesslich
um nichts besser erwies und das mir schon insofern unlieb war, weil
man statt des verlangten Maulesel's ein Pferd untergeschoben hatte.
Doch hier, wie immer, sprach die Zeit mit und die Furcht vor un-
nützem Aufenthalt in's Unbestimmte. Mit dem Beschlagen und sonsti-
gen Vorbereitungen ging mehr Zeit hin, als für das Frühstück nöthig
gewesen, und nachdem ich dann von meinem Begleiter, der nach
Medellin zurückkehrte, Abschied genommen, trat ich mit einem
Diener und dem aus Manisales ausserdem engagirten Führer die Reise
an, die diesmal den Weg auf dem andern Ufer des Cauca wählen
sollte, auf dem linken Ufer, während das rechte zur Herreise be-
nutzt war.
Wir ritten durch ein von Bergketten geschlossenes Thal, mit
Anbau in voller Vegetation an den Abhängen und stiegen dann auf
Hügeln empor. Der über ein steiniges Bett brausende Fluss Aburra
wurde, bei seinem Hervorwinden aus den Höhen, auf einer Brücke
passirt. Zwischen grünen Hügeln, buschig bekränzt, gelangten wir
nach dem Pueblo Laveria, wo wir uns den Durchritt erst frei machen
lassen mussten, da die Plaza durch Pallisaden geschlossen war, für
die am Nachmittag erwarteten Stierkämpfe.
Im steinigen Flussbett des Aburra ging es fort und dann einen
lehmigen Weg mit Camellones aufwärts zu kuppig gewellten Hügel-
strecken, Sumpfteiche umgehend oder durchwatend. Steil, auf stufen-
artigem Absätze, im Waldgebirge emporsteigend, an der Seite einer
Bastian: America. I. *^
274 COLUMBIEN.
schroffen Schlucht, in welcher der Salina, der Mina und andere
Quellflüsse des Aburra ihre Wasser brausend hinabstürzten, blickten
wir von der Höhe nieder auf ein in Bergketten zerfallendes Waldland,
durch welches sich der Rio Miel, Nebenfluss des Garzo (in den Rio
Negro mündend) seine Bahn bricht. Von dort wandten wir uns
rechts hin auf die Höhen, wo in der Ferne die Ketten des Cauca
hervortraten, und in der Caseria des Alto de San Miguel wurde die
Nacht verbracht, eine bei der Elevation, in der wir uns fanden, kalte
und ausserdem stürmisch wilde.
Noch beim Mondschein wurde gesattelt, um mit Tagesgrauen
auf dem Weg zu sein. Wir ritten über einen Höhenkamm, von dem
der San Miguel tief unten in seitlicher Schlucht zum Cauca hinab-
stürmte, und mit den Blicken verfolgten sich abwärts streifende Berg-
reihen bis zu der über dem Cauca lagernden Nebelwolke, während
jenseits die Wand der Cordillere am Choco den Horizont abschliesst.
Auf sandigem Weg ging es auf und nieder, und Teiche machten
•Ausweichen nöthig. Seitlich zeigte sich Fredonia auf einem Hügel-
kamm, am Fusse der schräg geneigte Kegel des Cerro Bravo, nach
rechts hin, und auf der linken Seite windet sich zwischen tiefen
Bergschluchten der Rio de las Piedras, der nach seiner Vereinigung
mit dem Vuelle zum Cauca fliesst. An der quer vorgelagerten Hügel-
kette gelangten wir auf den Kamm zum Pueblo St. Barbara. Hier
sandte ich meinen Diener über Avejoral den früheren Weg nach
Manisales zurück, um an allen den Puncten, wo ich auf der Herreise
für Sammlungen Aufträge gegeben, die Resultate einzuziehen und
die Rechnungen zu berichtigen. Meinerseits folgte ich mit dem von
Medellin engagirten Führer der neu gewählten Richtung, über einen
gewundenen Hügelkamm, im wechselnden An- und Absteig hinrei-
tend. Rechts bricht durch den Fuss tiefer Schluchten der Vuelle
seinen Weg, links fallen die streifenden Bergzüge in eine grün wellige
Ebene ab, aus der die Windungen des Rio Poblanco erscheinen, und
in der Ferne aus der Ebene, unterhalb der Cordillere von Chocö,
einzelne Puncte des Cauca hervorschauen. Zum Hügel Condorcillo
aufsteigend, fanden wir uns in grünbrauner Haide- Vegetation und
rasteten zur Fütterung in einem Haus des Alto.
Dann ging es fort über den Kamm, mit seitHchem Niederblick
auf das in hellem und dunklem Grün wellende Thal des Cauca auf
.seinem linken Ufer, während sich seine Wasser am rechten längs des
Bergwalles schlängelnd hinziehen. Zum Zwischenthal des Sitio Viejo
hinübergelangt, zogen wir aufwärts längs des Hügelkammes herum,
FARALLONES. 275
und stiegen dann an dem schroff zur Mitte der Höhe abfallenden
Felsberg der Ventana nieder, während auf der anderen Seite der
gedoppelte Fels der Faredones (mit einer Ausbuchtung dazwischen)
von der jenseitigen Bergu'and absteht. Ueber wellige Erhebungen,
mit Sumpfstrecken unterbrochen, senkten wir uns tiefer durch dichte
Vegetation und bei steigender Gluthhitze der Mittagssonne in der
Niederung. So gelangten wir zum Cauca, der sich reissend aus den
Bergen hervorwälzt und die in der Mitte gelegene Insel Cosunuta
umrippelt. Der von Cali (und oberhalb) bis Cartago in breiter Ge-
mächlichkeit das weite Thal durchwindende Cauca, nimmt mit der
felsigen Vermauerung beim Eintritt in Antioquia den Character eines
mächtigen Bergstromes an und verliert seine Schiffbarkeit. Nur an
wenigen Stellen wird auf dieser Strecke seines Laufes die Ueberfahrt
gewagt; einer dieser Fährplätze, der von Caramanta, findet sich hier,
bei den Farallones (oder Mamas), und auf unser Zeichen kam nach
einiger Zeit das Canoe vom jenseitigen Ufer herüber, mit dem Strome
herabtreibend. Als die Einschiffung vorbereitet wurde, zeigte sich
das Lastthier, das bereits während des ganzen Tages schwer fortzu-
bringen gewesen, so matt und krank, dass es nicht gewagt werden
durfte, mit ihm den starken Strom zu durchschwimmen. Ich sah
mich deshalb zur Rückkehr nach einem in der Nähe gelegenen Hause
gezwungen, wo man uns Aufnahme gewährte. Vor dem Abendessen
begab ich mich für ein Bad zum Rio Poblanco, der aus engem Thal
in den Cauca mündet. Dieser tritt dort aus der Enge hervor,
zwischen dem Felsberg der Ventana und dem doppelgipfligen Hügel
der Farallones, die Insel Mocha umkreisend, und das linke Ufer durch
seine Strömung unterwaschend. Als bei meiner Rückkehr die Haus-
genossen von dem Bad im Rio Poblanco hörten, bekreuzten sie sich,
denn sein Wasser werde ängstlich gemieden, weil Fieber zeugend.
Solcher Weisheitssprüche laufen viele um. In Peru meint man, dass,
wer von der Küste aus die Sierra besuche, sich acht Tage lang
weder Hand noch Gesicht waschen dürfe. Da nun (bei meiner ersten
Reise) einem solchen Zustand jeder andere vorzuziehen schien, verletzte
ich diese Vorschrift und erregte dadurch nicht geringes Entsetzen
unter den Gläubigen. Um das Wasser zu vermeiden, wird überhaupt
gern jede Entschuldigung hervorgesucht, so dass das Waschen*)
*) For weeks to gether the most respectable inhabitants never wash their bands,
faces or teeth and the sligtbest sickness seines as a pretext for delaying the Operation,
bemerkt Dünn in Guatemala (1827). In Ecuador (s. Ilassaurek) it is generally believed
that washing one's face with cold water will produce wclling, fever and rheumatism.
18*
276 COLCMRIFA.
überall nur sparsam geübt wird. Ich hatte die Gewohnheit, so oft
wir auf der Reise zu einem Halt kamen, mir als erstes ein paar
Schaalen oder Gläser kaltes Wasser über den Kopf zu giessen, und
konnte sicher darauf rechnen, ebenso oft Tag für Tag den erschreck-
ten Ausruf zu hören: No Hace daflo? (wird es nicht schaden?), so
dass ich immer die Antwort vorräthig hielt. Auch über die Speisen
herrschen allerlei Vorurtheile, und oft betreffen diese gerade die ge-
sundesten, wie die Bananen. Allerdings kommt es auch bei ihnen
nicht nur auf die Sorte, sondern darauf an, zu wissen, wie und wann
man sie zu essen hat, und sind die Fasern sowohl zu entfernen, wie
die innere Saamenschicht (wenn nicht schon durch die Cultur ent-
' fernt) übrig zu lassen. Einige Ueberlegung lehrt Alles dergleichen
leicht. „Washing my face created much speculation at the village of
Las Minas," erzählt Darwin, der Gefahr lief, wegen solch mahomeda-
nischer Reinigungen für einen Türken gehalten zu werden, nach der
herrschenden Ansicht, dass alle Haeretiker als Türken zu betrachten
seien (that all hereticks are Turcs). Wo im Caucasus Bezirke der
Christen und Mohamedaner zusammenstossen , suchen die Ersteren
oft einen Ehrenpunkt darin, recht viel Schweinefleisch zu essen und
viel Wein zu trinken, dagegen selten oder nie zu waschen, um sich
so durch positive sowohl, wie negative Beweise von den Mohame-
danern zu unterscheiden. Ebenso betrachteten die Missionaire in
Mexico die vielfach von der früheren Religion vorgeschriebenen
Waschungen mit verdächtigem Auge, und auch in Indien wurde
oft gegen das Baden gepredigt, da der durch das Taufwasser Be-
netzte sich später um den Schmutz des Körpers nicht viel zu küm-
mern brauche, wofür die mitunter als Schweinepriester bezeichneten
Priester oder Mönche mit gutem Beispiel vorangingen.
Obwohl das Pferd am nächsten Morgen noch schwach auf den Beinen
war, schien ein längerer Aufenthalt doch nichts zu frommen. W-ir brach-
ten deshalb das Gepäck in das Canoe, während die an der Leine ge-
haltenen Thiere seitlich daneben herzuschwimmen hatten. Das Fähr-
boot wurde erst längs des Ufer's den Fluss hinaufgebracht, weit ober-
halb der am andern Ufer zur Landung bestimmten Stelle, und dann
steuerten wir in den offenen Fluss hinaus, wo wir bald von der Ge-
walt der Strömung gefasst, mit reissender Geschwindigkeit abwärts
trieben, indem die Bootleute alle ihre Kräfte anstrengten, sich wäh-
renddem dem Ufer mehr und mehr zu nähern, so dass wir schliess-
lich an einem Vorsprung darauf stossen mussten. Die Thiere waren
aus dem Zappeln ins Schwimmen übergegangen, da sie das Boot
FÄHRE. 277
mit sich führte, hatten aber so mühsam gegen die Wucht des
Wassers zu kämpfen, dass es zum Thcil von der geschickten Lei-
tung des Arriero abhängig blieb, um den Kopf oben zu behalten.
Das Pferd begann bereits Wasser zu schlucken, und wenn die Ohren
nass werden, hiess es, ist das Thier verloren. Solche Verluste er-
eignen sich dort so häufig, dass sich über den Ersatz bei Mieths-
thieren ein bestimmter RechtsUsus festgesetzt hat.
Am jenseitigen Ufer ging es erst längs des Cauca und dann
weiter in die Höhe. Beim Rückblick zeigte sich das untere Thal
des Cauca mit Wellenbergen durchzogen, und zwischen den Fa-
rallones steht der Kamm des Espinal hervor.
Wir ritten über einen schmalen Pfad am Abgrunde hin, als das
Lastthier in's Stürzen kam, und ehe es verhindert werden konnte,
die Tiefe hinabrollte. Hier war guter Rath theuer. Ich schickte
den Burschen hinab, die Localität zu exploriren, und er rief mir von
Unten herauf, dass das Thier noch am Leben sei und zunächst von
seiner Ladung befreit werden müsse. Da ein Ochsentreiber des
Weges kam, hielt ich ihn an, uns Hülfe zu leisten, und so wurden
erst die Stücke des Gepäckes, dann aber auch das Pferd herauf-
gebracht, und zwar heil an seinen Gliedern, wogegen alle aussen am
Gepäck angebundenen Gegenstände zertrümmert waren, und sich
dasselbe von den zerbrechlichen Sachen des Innern vermuthen Hess.
Bei solchen Gelegenheiten denkt man an die Strohumhüllungen, mit
denen die alten Conquistadores auf den von ihnen passirten Berg-
pfaden, wo jetzt kein Pferd mehr durchkommen würde, die ihrigen
einzuwickeln gehabt hätten, um bei den gefährlichen Neigungen sie
hinabgleiten zu lassen. Die Indianer gebrauchen noch jetzt für per-
sönliche Benutzung die sogenannten Strohpferde, um rasch am Ab-
hänge herabzukommen.
Unter vorsichtiger Fortsetzung des Weges wechselten wir im
An- und Absteig, mit einem Blick auf muldenartige Einbuchtung,
die zu der Cordillere des Choco hingewendet sich erhebt. Auf
Waldpfaden ging es weiter, und mitunter war eine breitere Oeffnung
ausgehauen. Hier und da stand eine Rohrhütte am Wege, wo man
die Vorbereitung des Strohs betrieb für die Hutfabrication. Beim
Aufsteig öffnete sich der Blick auf ineinander geschobene Höhen-
züge, mit dem Rücktritt des Cafton von Arma (jenseits des Cauca),
links dagegen auf den oben bewaldeten Cordillerenzug des Choco,
während an den Abhängen der Wald mit grünen Oeffnungcn unter-
brochen ist.
278 COLUMBIEN.
Ueber Erhebungen weiterziehend, rasteten wir in einem allein-
stehenden Hause, und da sich das Lastthier völlig aufgebraucht
zeigte, Hess ich das Reitthier bepacken, und setzte den Weg zu Fuss
fort, nur beim Passiren nasser Stellen das mit dem Sattel belegte
Lastthier benutzend. Beim Aufsteig öffnete sich der Blick auf die
in einander streichenden Bergreihen von Avejoral und Aguades (am
andern Ufer des Cauca), während der Paramo in Sonzon das Berg-
Panorama abschliesst. Im Wald windet sich der Weg, und auf der
Cordillere des Choco springen die Quellen des Chantano, der unter-
halb des Paso von Caramanta in den Cauca mündet. Zwischen
engen Wänden ging es auf lehmigen Wegen vorwärts, und nach dem
Aufsteig im Wald hatten wir langen Travesias zu folgen, bis wir
erst nach Einbruch der Dunkelheit die einsame Hütte auf dem Alto
de Obispo erreichten, wo die Kälte die Bewohner beständig innerhalb
des engen Raumes der vier Wände zusammenzuhalten schien, nach
den auf solch' stete Benutzung führenden Schmutzablagerungen zu
urthcilen.
Am nächsten Morgen war mir das Beladen des Lastthieres nicht
ohne Bedenken, doch blieb in dieser Einöde keine andere Wahl. Die
Wege, wie zum Theil schon am Tage vorher, waren schlimmer Art auf
diesen Berggräten. Wir ritten, den Abgrund entlang, am Rand des Wald-
gebirges hin, und der Blick traf die jenseitigen Berge auf der andern
Seite des Cauca, mit der Wand der Wasserscheide (nach dem Magda-
lena zu) die Ferne begrenzend. Ich ritt voran, und als ich eine beson-
ders gefährliche Stelle passirte, die mit glitschigen Steinen schräg ab-
gleitete, rief ich dem Burschen, der mit dem Lastthier folgte, die
Warnung zu, Vorsicht zu üben. Kaum hatte ich mich aber im Sattel
wieder zurecht gesetzt, als ich einen Schrei hinter mir hörte, den
Ruf „Patron, Patron!" und beim Umblicken das Lastthier über dem
Abgrund schweben sah, nur durch den niederhockenden Peon an
dem Gurte des Packapparates noch gehalten. Ehe es mir möglich
war, auf dem engen Wege, zwischen steiler Wand und tiefer Schlucht,
zu wenden, hörte ich bereits das Gepolter des im Niederrollen die
Bäume brechenden Pferdes, und als wir am Rande standen und in
die dunkle Tiefe hinabschauten, wiederholte sich das Krachen noch-
mals in drei Absätzen, die wahrscheinlich die Punkte bezeichneten,
wo ein momentaner Aufenthalt statt hatte durch Büsche, die dann
gleichfalls dem Gewicht nachgaben , so dass der Körper weiterrutschte.
Die Vorwürfe, die ich dem Burschen machte, halfen jetzt nicht.
Zwar hatte er, wie ich gesehen, sich im letzten Augenblick alle
CARAMAXTA. 279
Mühe gegeben, das Thier zu halten, aber er hätte besser gethan,
dem Fall überhaupt vorzubeugen, was vielleicht bei grösserer Sorg-
falt möglich gewesen wäre. Die Schlucht fiel mit solcher Schroff-
heit ab, dass wir nirgends die Möglichkeit sahen, hinunterzuklettem,
und die Büsche, mit denen sie bewachsen war, verhinderte das Hinab-
sehen, so dass wir über die Lage des Thieres keine Gewissheit hatten.
Bis zum nächsten Dorfe, mehrere Stunden entfernt, fanden sich in
dieser völlig unbewohnten Gegend weder Haus noch Ansiedelung, so
dass auf keine Hülfe zu rechnen gewesen wäre, wenn sie uns nicht
durch einen unverhofften Zufall, und zwar in der geeignetsten Weise,
die sich wünschen Hess, in einer Parthie Waldarbeiter geboten wäre,
die gerade im richtigen Augenblick des Weges vorüberzogen. Anfangs
hielten sie es für unmöglich. Etwas zu thun, Hessen sich jedoch durch
die versprochene Belohnung bewegen, *einen Versuch zu machen.
Da sie die Gegend kannten, ermöglichten sie an einer etwas ent-
fernten Stelle das Niedersteigen in die Schlucht, und als sie uns, beim
Anlangen in der Tiefe, aus derselben zuriefen, waren ihre Stimmen
noch eben verständlich. Mit den Machetes wurde eine freiere Bahn
geöffnet, auf welcher unter grossen Anstrengungen die Gepäckstücke
hinaufgeschleift wurden, und nach mehrstündiger Arbeit schliesslich
auch das Pferd, indessen mehr todt, als lebendig. In der Zwischen-
zeit hatte sich ein Knabe zu uns gefunden, der aus einer irgendwo
in der Umgebung gelegenen Alpenwirthschaft auf einem Pony Käse
nach der nächsten Ansiedelung führte, und ich veranlasste ihn. den
Käse auf seinen Rücken zu nehmen, und mir das Thier für mein
Gepäck zu überlassen. Alle mitgcfuhrten Thongeräthe der Samm-
lungen, wie sich später beim Auspacken zeigte, waren selbstverständ-
lich zertrümmert, wenn überhaupt noch welche aus dem Sturz vom
vorigen Tage übrig geblieben waren. Einer der Arbeiter wurde be-
zahlt, um neben dem Pferde am Wege zu bleiben, und es, wenn aus-
führbar, nach einer, La Triste genannten, Manga (oder Potrero, dort
herum), zu schaffen, wo es, im Falle die Verletzungen zu überleben
wären, durch den Peon bei seiner Rückkehr nach Medellin wieder
mitgenommen werden sollte.
Wir setzten dann unsere Reise auf dem schlüpfrigen, und häufig
sumpfigen Randweg fort, unter beständigem Auf und Ab, mit einem
Niederblick auf zerklüftete Reihen der jenseits des Cauca aufsteigen-
den Waldberge, bis zu der gleichmässiger fortlaufenden Wand des
Wasserscheidegebirges, an dessen Kante der Gletscher des Ruys
hervorragte. Beim Absteig sahen wir Caramanta (nicht Benalcazar's
280 COLUMBIEN.
Gründung nach einem in der Conquista berühmten Namen) auf Hügel-
wellen liegen, von dunkeln Bergwäldern umschlossen, und rasteten
dort in einem Laden, um das an Geschirr und Packzeug angerichtete
Unheil, so gut es anging, wieder auszubessern. Es war dies ein in
trauriger Waldöde verlassenster Platz, wo nur einzeln mitunter eine
schlaffe Menschenseele über die todte Plaza hinschlich, und ich er-
kannte bald die Schwierigkeiten, die sich hier dem Miethen eines neuen
Thieres entgegenstellen würden. Erst nach längerem Suchen fand
ich ein Individuum, in welchem genug Speculationsgeist steckte, um
sich der Sache überhaupt anzunehmen, und dann war ich natürlich
so ganz in seine Hand gegeben, dass ich nur froh sein musste, eine
Möglichkeit zu sehen, den' drohenden Zeitverlust mit irgend welchen
Geldopfern abkaufen zu können.
Gegen meine anfängliche Erwartung konnten wir in Folge der
gemachten Anstrengungen bereits am Nachmittage aufbrechen, und
stiegen in einer Waldschlucht zum Rio Caila hinab, dann über kuppige
Waldhügel zum Rio Arquio weiter ziehend. Im Aufsteig, längs des
Rio Mona, gelangten wir zum Alto de Taiza, wo für die Nacht
Schicht gemacht werden musste. In der Nähe des Hauses fand ich
einen hohen Punkt, der eine gute Umsicht gewährte. Ueber Mulden,
in Waldberge eingesenkt, schaut man auf das vom Rio Supia (neben
dem gleichnamigen Pueblo) durchflossene Thal (in Umbria oder
Umbiä), das auf der einen Seite der Morro von Marmato (Cruz de la
Leche) abschliesst, auf der andern die mit gesägten Sierra - Gipfeln
eingeschnittene Bergkette des Rio Sucio, hinter welcher sich der
hohe Bergwall der Cordillere von San Juan (jenseits Chami) erhebt,
während in der Mitte der Blick über vereinzelte Höhen bis zu den
Bergen jenseits des Cauca reicht. Von einem benachbarten Gipfel
sah man Avejoral und Sonzon auf ihren Höhen, nach der einen Seite
bis zu den Bergen von Ceja, und nach der andern die Wölbung bis
zum Cerro del Oso (bei Cartago viejo), während der Ruyz durch
den Morro des Cruz de la Leche verdeckt wurde, und in der Tiefe
eine Linie des hingewundenen Cauca erkennbar ist. Am Abend
wurden die drei Strassen nach den Bergwerken von Marmato discu-
tirt, deren jede aber in solcher Accumulation negativer Annehmlich-
keiten zu schwelgen schien, dass ich die Entscheidung darüber dem
Peon und dem ausserdem engagirten Führer überliess. Die bequemste
wäre wohl die durch das Thal des Supia gewesen, doch bedingte
sie einen so zeitraubenden Umweg, dass ich nicht dazu rathen wollte.
Die Supias fand Vadillo (1537) als zahlreichen Stamm, in obere und
MARMATO. 281
untere getheilt, von denen jetzt nur der Name in der Ansiedelung
übrig ist. Supia lieferte früher (wie auch Marmato) reiche Gold-
gewinnung aus porphyritischem Syenit.
Die Schichtensysteme von Kalk- und Thonschiefer am Nord-
rande des Gebirges von Antioquia werden von Karsten in ihren
Lagerungsverhältnissen denen der Kalke von Bogota parallelisirt.
Die Goldminen Cuyr-cuyr in Caramanta suchend, sow^ie das Feder-
haus (Buhio de las plumas) und den Tempel Trabuco (halb Gold,
halb Stein), wovon die Indianer Buritica's erzählt hatten (todo {u6
burla, w^ie Oviedo zufügt), kam Vadillo nach der Ansiedlung Biru
neben dem von Benalcazar als Anserina bezeichneten Ort (nach einem
Fisch). Als er nach Cali gelangte, bewies er den dortigen Spaniern,
dass sie nicht, wie sie meinten, am Rio Darien wohnten, sondern am
Rio St. Martha (dem Cauca, der sich, mit dem Magdalena oder Santa
Martha verbindet).
Ueber die Lage des alten Caramenta, das in der Vorgeschichte
mit einem gewissen Glänze genannt wird, herrschen verschiedene
Angaben. Wie die Volkssage umläuft, ging es durch den Ueber-
muth seiner Bewohner zu Grunde. Ein Händler aus Quito habe
dort ein prächtiges Zeugstück, wie es nur selten in die abgelegenen
Plätze des Innern gelangte, zum Verkauf angeboten, und obwohl
der Cura es für sich und zum Schmucke der Kirche gewünscht,
hätten es ihm die reichen und gottlosen Laien nicht gegönnt. So
sei über diese „Corte de una manta" ein Streit ausgebrochen, und
in demselben der Gottesmann ertränkt, indem man ihn in ein Boot
ausgesetzt, das bei Antioquia gefunden wurde. Als natürliche Folge
traf himmlische Strafe (in Form von Erdbeben) das sündige Nest,
und so liegt es jetzt verödet und am Verscheiden. Die Virgen de
las Armas wurden von dem unheiligen Grunde nach Rio Negro
gebracht.
Der Aufstieg am nächsten Morgen brachte uns auf kaum passir^
baren Wegen zum Cuchillo (dem Grätenkamm oder Messer) der Cruz
de la Leche und dann geriethen wir zwischen dem Höhenwald in
Sümpfe und ein solches Gewirr umgestürzter oder halbverfaulter Baum-
stämme, das oft weites Ausweichen, unter Oeffnen eines neuen Pfades,
sofern es die abfallende Schlucht erlaubte, erforderlich war. Wenn
die feuchte Nebelschicht, die uns einhüllte, den Durchblick erlaubte,
schauten wir von Wald auf Wald, Wald am Berg und Wald im Thal,
vor uns und zurück. Als wir die Häuser von San Jorge erreichten, sahen
wir den am Rande des Bergkessels umhergezogenen Weg, oder viel-
282 COLUMBIEN.
mehr an manchen Stellen sahen wir ihn nicht, weil unter Erdrutschen
verschwimden, und konnten nur theoretisch in Gedanken die Linie
verfolgen, bis zu den an fast frei schwebenden Unebenheiten ange-
klebten Häusern des Bergwerksortes Marmato, auf einem nicht nur
durch die Natur, sondern auch durch die Minenarbeit des Menschen
unterwühlten Terrain. Herr Carl Greiffenstcin, ein deutscher Hütten-
mann, nahm mich freundlich in den Kreis seiner Familie auf, so dass
ich wieder in reinlicher Stube ausruhen konnte und zugleich den
seltenen Genuss einer Bibliothek zur Disposition hatte. Eis war das
um so gemüthlicher in Folge der halb weihnächtigen Stimmung,
die sich von dem deutschen Vater auch über die eingeborene Mutter
und die spanisch redenden Kinder verbreitet hatte. Neben dem
Director der Gruben, Herrn Hoskin, und einem seit vielen Jahren
dort beschäftigten Deutschen. Herrn Gärtner, lernte ich einige der
ansässigen Landeskinder kennen, von denen ich Mittheilungen über
dortige Alterthümer und Aussicht auf Beschaffung derselben erhielt.
Da das mitgebrachte Lastthier nach Caramanta zurückzuschicken
war, begannen hier aufs Neue die Schwierigkeiten des Miethens,
und obwohl mir meine Landsleutc eine Adresse verschafften und selbst
die Verhandlungen möglichst eifrig betrieben, fehlte doch am Mor-
gen die am Abend vorher versprochene Beschaffung, und ging der
erste Theil des \'ormittags mit Botschaften hin, bis das Erforder-
liche zusanunen war. Auch der in Medellin engagirte Bursche, der
wahrscheinlich das Beste aus der Situation zu machen gedachte,
kehrte eine unverschämte Seite heraus, so dass es einige Mühe
kostete, ihm seinen Standpunkt klar zu machen, obwohl das vor-
sichtiger, als eigentlich meine Neigung war. geschehen musste, da
ich noch für einige Tage, weil ausserhalb der eigentlichen Heer-
strasse, ziemlich auf ihn angewiesen blieb.
Wir ritten längs der Felswand und dann abwärts, auf engen
Pfaden, wo es bei einer uns für die Bergwerke entgegenkommenden
Caravane von Lastthieren lange Deliberation über das Ausweichen
gab. Prächtige Blumen schmückten die Bäume am Wege und in
einer kleinen Zuckerpflanzung fanden wir Guarapo zur Erfrischung.
Nach An- und Absteig durch Quebraden erblickten wir die Streifen
des Cauca am Fusse der jenseitigen Berge und erreichten seine Ufer
beim Paso de Mona, wo der zwischen Felsen eingeengte (und etwas
unterhalb durch eine Tarabita überspannte) Strom brausend hin-
strömte. Das zur Ueberfahrt bestimmte Canoe war so broktällig und
voll Wasser, dass wir die Thicrc nur einzeln passiren konnten, und
FILADELFIA. 283
das Sattelthier begann im Ankämpfen gegen das reissende Gewässer
zu ermüden, glücklicherweise schon dem Lande nahe, so dass es ein
rascher Griff an den Ohren noch über der Oberfläche hielt, bis
es Boden unter den Füssen fühlte.
Nachdem Alles hinübergeschafft, kreuzte ich in der letzten Fahrt
des Canoe, und fand dort den Burschen gemüthlich unter einem
schattigen Baum campiren, die Thiere dagegen, die er hüten sollte,
in der Wildniss des Waldes irre gegangen.
Da der von Marmato bis dahin mitgegebene Führer noch bei
mir war, nahm ich seine Hülfe für das Wiederauffinden in Anspruch,
was sich nach einigem Zeitverlust auch ermöglichte, und cntliess ihn
dann, nachdem er uns die weitere Direction über den beim Erstei-
gen der Uferberge zu verfolgenden Pfad gegeben. Dennoch hatte
mein Bursche denselben bald verloren, und wir würden uns schwer
orientirt haben, ohne das Auffinden einer Hütte, wo die gegebene In-
formation allerdings eine spärliche war. Ich erreichte freilich, dass die
dort allein anwesende Frau eines ihrer Kinder mitgab, doch wagte das-
selbe nur aus der Ferne uns zu folgen, Erklärungen zucufend, die sich
schwer verstanden. Indess kamen wir soweit, unter den Trocha's oder
Waldwegen einen deutlichem Pfad vor uns zu sehen, und gelangten,
unter gelegentlichen Rückblicken auf den Cauca zwischen seinen engen
Bergwänden, nach dem Alto de Palmas, und weiter entlang der Höhe,
mit der Umschau auf zerstückelte Berge, nach dem Alto de Tam-
bor, wo man uns bei dem Herannahen der Nacht gerne Quartier
gab, besonders in Erinnerung an einen zu den Minen Marmato's
gehörigen Engländer, der in Folge eines Falles auf diesen hals-
brechenden Wegen mehrere Monate in dem dortigen Hause ver-
pflegt war, bis zur Heilung eines Beinbruches. Es bot sich hier
eine freie Aussicht auf die Bergreihen jenseits des Cauca, die den
Lauf des Rio Sucio abschneiden.
Beim Aufbruch am Morgen ritten wir jenseits der Höhen in
grünen Bergfaltungen nieder, von Quebraden mit Wasserbächen
unterbrochen. Bei der Abzweigung des Weges nach Salamina (auf
welcher Strasse die Producte der Minen Marmato's nach dem Mag-
dalenenthal geführt werden), sahen wir Filadelfia vor uns, auf einer
Berghöhe unter dem Kamm gelegen. Der Weg ging zum Flusse
Masire nieder, von hoher Bambusbrücke (für FussgängerJ überwölbt,
aber dann beim Wieder-Aufwärtssteigen verloren wir ihn, und hatten
längere Zeit darnach zu suchen. Beim Treiben des Lastthiers er-
hielt ich von demselben einen Schlag ans Bein, der indess glück-
284 COLUMBIEN.
licherweise durch den Riemen des Steigbügels aufgefangen war, und
so keine Folgen von Bedeutung hatte. Nach mehrfachem Auf und
Nieder fanden wir den Ansteig nach Filadelfia und erreichten es um
Mittag. Von Don Juan Borranecha, einem Gastfreund Herrn GreifTen-
steins in Marmato, wurde uns während des Füttems der Thiere ein
Frühstück vorgesetzt, und hörte ich einiges über dortige Alterthums-
funde. In der Kirche sah ich zwei Steinkufen aufbewahrt, die aus
den Gräbern dorthin gebracht waren.
Durch die Fürsorge unseres Wirthes konnten wir uns einem
Reisenden anschliessen, der eine Strecke desselben Weges zog und
soweit seine Führung anbot, denn bei dem Mangel einer eigentlichen
Heerstrasse erforderte es hier genaue Localkenntniss, sich unter den
undeutlichen Waldpfaden zu orientiren. Nach manchem Auf und
Nieder gelangten wir zur Quebrada honda und hatten dann einen
schroffen Ansteig, wo an einigen Stellen die Geschichten der von
dort hinabgestürzten Thiere erzählt u-urden. Auf der Höhe fort-
reitend, fanden wir uns plötzlich, ohne es zwischen der Gras -Vege-
tation bemerkt zu haben, auf einer schmalen Felsbrücke mit jähem
Abfall zu beiden Seiten, wo kürzliche Regen das Erdreich so weit
weggewaschen hatten, um kaum Raum für den Auftritt zu lassen.
Unter dem Blick auf Berghöhen, gelangten wir mit Sonnenuntergang
nach dem Alto de Morron, wo in einer der zerstreuten Hütten Nacht-
quartier gemacht wurde. Beim Gespräch über Alterthümer oder
Huacas wurde Mancherlei gezeigt, und Einige der gerade Anwesen-
den begaben sich nach ihren umherliegenden Wohnungen, von denen
sie in der Nacht mit kleinen Objecten einer oder anderer Art zu-
rückkehrten, die sich erwerben Hessen.
Am nächsten Morgen waren wir mit der ersten Dämmerung
unterwegs und zogen abwärts über Hügel. Neben dem Fluss Tarea
findet sich das Etablissement des Salado, wohin das Salzwasser eines
Bergflusses in Bambusröhren geleitet wird, lieber Waldhügel reitend,
blickten wir auf ein zerbrochenes Bergland, stiegen dann nieder zum
Flusse Tupia und wieder aufwärts. Nachdem wir die Abzweigung
des Weges von Neira nach Aranjajo passirt hatten, gelangten wir
am Vormittag nach Neira, und fanden uns wieder auf dem sog. Camino
real, dessen Bezeichnung man jetzt aus den Vergleichungen besser
verstand. Nach einem Frühstück mit dem dortigen Arzt, Dr. Alejandro
Londoftez, stellte ich Erkundigungen über die bei meiner Herreise
gegebenen Aufträge an, hörte indess, dass mein Diener bereits
durchpassirt war und Alles erledigt hatte. Einiges konnte nach-
ELVTKA. 285
träglich noch hinzu erworben werden, und als ich am Nachmittag
die vorige Strasse wieder zurücklegte, kamen mir aus verschiedenen
der Häuser die Leute mit Alterthümern entgegen, die sie in der
Zwischenzeit gesammelt hatten. Andere versprachen, die ihrigen
nach Manisales zu bringen. Noch vor Abend fand ich mich dort,
und Wieder in meinem früheren Zimmer des Hotel Colombia, wo
sich mein Diener mit den von ihm mitgebrechten Sachen bereits
vorfand.
Nachdem das Bisherige zusammengelegt und der nöthige Ver-
packungsapparat aufgetrieben war, wurden einige Kästen gefüllt,
für deren theil weisen Transport ich einen Lastträger miethete, auf
dessen Rücken sie nach dortigen Erfahrungen sicherer ruhen würden,
als auf dem eines Lastthieres.
Meine Maulesel schienen sich etwas erholt zu haben, obwohl
nicht in dem Maasse, wie es wünschenswerth gewesen wäre. Doch
konnte ihnen keine weitere Müsse gegönnt werden, und nachdem
ich noch die fehlenden für den Kistentransport (ausser dem durch
den Peon zu besorgenden) hinzugemiethet, wurde Alles für die
Weiterreise vorbereitet.
Wie immer am ersten Tage, verzögerte sich der Aufbruch
(Dec. 30.), so dass wir erst nach Sonnenaufgang die Stadt verlassen
konnten, um über wellige Hügel den Alto del Ferro zu erreichen.
Von dort fanden wir uns in Waldhügeln, am Rande von Waldbergen
und mit Waldhöhen ringsum. Es war uns gerade noch ein Nieder-
blick in ein grünes Hügelthal gegönnt, als sich Wolken auf den
Gipfeln sammelten und Nebel in den Thälern. Im Aufsteigen durch
das Waldgebirge führte uns ein enger Felsenweg am Abgrunde hin,
und unter vielfachen Windungen setzte sich der Ansteig unter strömen-
dem Regen fort nach Elvira, einem zur Zollerhebung für den zu er-
bauenden Weg dort hingesetzten Stationshaus, auf kalter Höhe gelegen
(des Alto de Arena). So gut es ging, wurde die Ladung zusammen-
gestellt und Schutz gegen den Regen (und die Kälte) in der Nacht ge-
troffen. Bei dem gänzlichen Mangel an Futter, mussten die Thiere leider,
gegen meinen Wunsch, zum Weiden frei gelassen werden, und ging
dadurch am nächsten Morgen, wo ich frühzeitigst aufzubrechen dachte,
kostbare Zeit durch das Suchen derselben verloren. Dass es im
Uebrigen nichts für die leibliche Verpflegung gab, verstand sich
nach den bisherigen Erfahrungen eigentlich von selbst, obwohl man
es bei dieser zum besonderen Besten der Reisenden, oder doch für
286 COLUMBIEK.
ihre Besteuerung, angelegten Station vielleicht anders hätte erwarten
können. Indess pflegt das auf solchen Reisen die geringste Sorge
zu machen, da man bald zur Einsicht kommt, dass es sich beim
Essen im Grunde nur um allerlei Angewohnheiten handelt, die, wenn
man sich dadurch gebunden glaubt, lästig werden, die aber ebenso
leicht und ohne Schwierigkeit abgelegt werden können. Um dem
Körper seinen Unterhalt zu geben, genügt weit weniger, als man
gewöhnlich meint, und das Benöthigte wird meistens in der einen
oder anderen Weise aus den landesüblichen Nahrungsmitteln zu
wählen sein, in den südamerikanischen Ländern am besten in der
Chocolate. Davon lässt sich für Wochen und Monate existiren,
etwa, wenn es zu haben wäre, unter Zusatz in der Schaale gekoch-
ter Eier, (da eine andere, und jede künstliche, Bereitung aus ver-
.schiedenen Gesichtspunkten bedenklich ist) oder gelegentlich einer
Mazamorra, einer Art Maisgrütze, die den Feinschmeckern freilich
keine Variation bietet, aber nahrhaft ist. Ich zog sie stets den Ge-
backen oder sonstigen Gerichten vor, und auch bei uns, wo in Privat-
häusem die Küchen überA\'acht werden mögen, wäre eine genauere In-
spection der Bäckereien empfindsamen Naturen nicht anzurathen. Ich
beneidete oft in meinen indischen Erinnerungen die Bramanen, die
an den Ufern eines klaren Stromes von ihren frisch gebadeten
Frauen oder Töchtern den Reis frisch gewaschen in frischem und
und reinem Wasser in frisch gespülten Töpfen jedesmal für augen-
blicklichen Gebrauch zubereitet erhielten, und solche Erinnerungen
wirkten besonders mächtig in dem Dunkel schmutziger Hütten, wo
glücklicherA\'eise diese Dunkelheit wenigstens verbietet, zu sehen,
was im Dunkeln zusammengemischt wird, das Wie und das Worin.
Doch ist es nicht gerade da am Schlimmsten, wo man deutliche
Warnung erhält, um sich vorsehen zu können, während unter schein-
bar eleganter Decke V^ieles vor sich geht, was man besser nicht
ausdenkt. Bei den luxuriös gekünstelten Mahlzeiten der grossen
Dampfer (und so im kleinerem Styl auf den kleinen) gehört es zur
Etiqette, dass bei jedem Gang Teller und Besteck längs der ganzen
Tafel gewechselt wird, und wenn man nicht wohl begreifen kann, wie
bei der auf jedem Schiffe (besonders bei schlechtem Wetter) unaus-
bleiblichen Beschränkung des Raumes und des reinen Wassers, alle
diese Sachen beständig gewaschen und abgetrocknet werden, so
brauchte man nur an heissen Tagen einen Blick auf die schweiss-
triefenden Kellner zu werfen, die mit der Serviette auf dem Rücken
RUY2. 287
•
jetzt heimlich die Stirn und dann offen das Messer und die Gabel
abwischen. Hätte man die einmal bereits rein gegessenen Teller lieber
behalten, so würde das für sehr unschicklich gegolten haben, und
ebenso beklagte sich die auf guten Ton Anspruch machende Klasse von
Passagieren (bei einer Fahrt) über die Rücksichtslosigkeit der Verwal-
tung, ihnen papierne Servietten vorzulegen, obwohl dieselben doch
gewiss fiir die Schiffsverhältnisse sehr angemessen waren, viel
hundertmal reinlicher, da immer neu, als die hundertmal gewasche-
nen und nie reinen Leinwand-Servietten.
In Ecuador ist das stehende Gericht die Locro genannte Kar-
toffelsuppe, die der Chupe (Zuppa oder Suppe) Peru's entspricht,
und dort oftmals, gerade nicht für weitere Verbesserung, aus ge-
frorenen Kartoffeln hergestellt wird. Dann bleiben die Kleister-
klumpen um so fester für den Geschmack des Indianers, der in diesem
Gericht überhaupt nur im Wasser abgekochte Kartoffeln sucht und
die Flüssigkeit der Wärme wegen mitisst. Rationeller scheint die
fast durchgängige Abneigung gegen Milch, da diese thierische Ab-
sonderung für den Magen des Erwachsenen schwerlich die in der
Diätetik gerühmten Vorzüge besitzt, jedenfalls nicht auf Reisen.
Wenn es der Zustand der Thiere erlaubte, ging ich den ganzen
Tag bis zum Halt am Abend fort, nachdem ich mir beim Aufbruch,
während des Packens, mit Brennspiritus (so lange derselbe währte),
rasch eine Tasse Caffee angefertigt hatte, und wenn meine Begleiter nach
einem weiteren Frühstück verlangten, so liess ich sie sich ihren Antheil
aus demVorrath in die Tasche stecken, um während des Marsches
davon zu zehren. Im nüchternen Zustand erträgt man die Mittags-
hitze besser und kann sich dann vor dem Schlafengehen pflegen.
Mit dem Lastträger der, noch durch den Burschen zu ordnen-
den, Maulthierladung vorangehend, gelangten wir am nächsten Morgen
bei allmäligem Anstieg in einen gestrüppartigen Wald, mit knorrigen
Zwergbäumen, die gleich den Steinen mit einer Moosdecke über-
zogen waren. Feuchtkalte Nebel wogten in der Luft, mit gelegent-
lich sonnigem Durchblick, und der ganze Abfall ringsum war mit
Nebel gefüllt wie durch einen herabhängenden Vorhang, bei dessen
zeitweisem Zerreissen das Schneedach des Ruys, an dessen Fusse
wir hinritten, geisterhaft herüber grauete.
Durch Haidebinsenaufmuldigen Flächen (schneeig und bereift) kamen
wir auf moorigen Grund, wo Aeste zum brückenartigen Uebergang, gelegt
waren, und dann auf eine Moorhaide, von welligem Wald begrenzt. So
waren wir über die Wasserscheide zwischen Cauca und Magdalena
288 COLUMBIEN.
fortgekommen, und erreichten die Quebrada des Sinca, ein Neben-
fluss (gleich a'ndern Bächen am Wege) des Aguacatal, der zum Mag-
dalena fliesst. Vor uns stieg der gezackte Berg des Cerro bravo
auf und wir ritten dann in einen Bergkessel hinein zwischen einer
wunderbar gestalteten Scenerie von Waldfelsen in der Form von
Säulen, Thürmen, Wänden u. s. w. in der Quebrada der Cajones, an
einem Nebenfluss des Guali, der in den Magdalena« mündet. Auch hier
waren alle Bäume mit Mooslagen bekleidet, wodurch die Staffage
weiter ausgefüllt wurde. Der mit dem Tolima durch die schnee-
bedeckte Hochebene des Herveo (Erve) verbundene Ruyz beschliesst
als letzter im Norden die Vulcanreihe der mittleren Cordillere und
auf ihn kommt Granit und Gneiss zum Anstehen.
Der Peon war auf dem Wege zurückgeblieben und langte bei
der einzeln stehenden Gebirgshütte der Cajones, wo wir zum Füttern
kurze Rast gemacht, erst an, als wir bereits zum Aufbruch fertig
waren, so dass er für einige Ruhe zurü<;kgelassen werden musste,
um nachzukommen.
Durch einen Waldweg (jenseits der Quebrada de letras) ritten
wir über Bergrücken zwischen Abgründen, am Alto de Jolumbar,
und folgten einem gewundenen Absteig, der mit felsigen Stellen
durchbrochen längs der Tiefe hinlief Als der Abend herannahte,
dichtete der Nebel um uns her, und ich dachte deshalb, als wir das
erste Haus am Wege erreichten (des Morron) dort Halt zu machen.
Da der beschränkte Platz indess bereits durch andere Reisende occu-
pirt war, und uns der nächste Wohnplatz so nahe beschrieben wurde,
dass wir ihn mit den letzten Resten des Tageslichtes noch erreichen
zu können glaubten, gingen wir weiter, fanden aber bald, dass wir
uns in den Entfernungen, die stets in beliebigster Weise angegeben
werden, getäuscht hatten. Nachdem die Sonne untergegangen war
und der Nebel schwerer geworden, tappten wir aufs Gerathewohl,
dem Instinct der Thiere überiassen, über den holprig abfallenden
Weg dahin, nur aus verschiedenen Anzeichen merkend, dass wir uns,
am Rande einer tiefen Schlucht befanden. Wenn die Felswand auf
der anderen Seite mitunter zurücktrat, hemmte der Wald in der
Dunkelheit jede Umsicht, so dass wir zweifelhaft blieben, wo der
Wohnplatz gelegen sei, oder ob wir ihn nicht bereits passirt seien.
Ein verfallenes Thür Gehege am Wege bemerkend, schickte ich den
Burschen zum Orientiren aus, doch kam er nach längerem Suchen
mit der Nachricht zurück, dass es sich nur um einen verlassenen
Potrero handle, und von menschlichen Spuren nichts zu sehen sei.
INDIANER-WEGE. 289
Es war bereits finster, als wir das einzelne Haus von Biscocho er-
reichten, wo man indess bereitwillig das Nöthige fertig machte, da-
mit wir diese Sylvesternacht dort verbringen könnten. Noch wäh-
rend derselben erhielt ich durch einen des Weges kommenden
Wanderer die Nachricht, dass mein Peon mit den Kisten krank am
Wege liegen geblieben sei, und galt es nun vor Allem durch Geld-
angebote einen an ihn abzuschickenden Gehülfen zu finden.
Am nächsten Morgen war weder der Lastträger noch der Bote
angekommen, so dass die Stunden in der Frühe mit Warten ver-
loren gingen. Un.ser Wirth stammte aus Antioquia, woher viele Co-
lonisten (auch die von St. Domingo und Soledad) nach dem Staat
Tolima gekommen, in welchem wir uns (seit der Quebrada de letras)
befanden. Das Haus lag über einer steilen Schlucht die (unter einem
Blick auf jenseitige Bergwand) zu dem in der Tiefe brausenden
Aguacatel hinabfällt.
Als der Peon anlangte, war er so abgemattet und erschöpft, dass
ich einen andern für den Weiter- Transport der Kisten zu engagiren
hatte, und unter allmähliger Klärung der nassen Nebelschichten,
setzten wir den Weg fort, der uns durch den Bergwald führte, bald
an einer, und mitunter auch an beiden Seiten durch eine Schlucht
begleitet Nach vielfachem Auf und Nieder erreichten wir Sole,
dad auf einem Bergabfall, zu dem weissgraue Nebel aus den Thälern
emporstiegen. Wir ritten rasch hindurch, hatten aber ausserhalb
längere Zeit zu warten, da der neue Peon auf dem dort gerade ab-
gehaltenen Markt allerlei Geschäfte abmachen zu müssen glaubte.
Im Absteig durch Bergwald gelangten wir in das enge Xhal des
Guali , von hohen Waldbergen umzogen, und passirten über eine
Brücke. Beim steilen Aufsteig hatten wir einen Rückblick auf die
Bergwaldthälcr des Guali, und jenseits der Höhe lag auf einer Fläche
St. Domingo, wo uns die Erschöpfung der Thiere, von denen der
die Kisten tragende Maulesel bereits einen für den Inhalt gefährlichen
Sturz gethan hatte, am Nachmittage schon zum Bleiben zwang.
Von einer Hügelspitze hinter dem Hause, worin ich mich ein-
quartiert hatte , blickte man längs der Vorberge des von dem neblig
umhüllten Ruyz herumgezogenen Cafton des Guali durch eine, auf der
andern Seite vom Cerro de Caisales geschlossene, Oeffnung in die
fernen Ebenen des Magdalena und auf die Höhen von Gaduas jen-
seits. An der Seite des Hügels markirte sich aus demselben abge-
schnitten ein alter Indianer- Weg, der von den Höhen vom Ruyz (und
weiter vom Cauca herkommen und in seinem Fortgehen bis zum
Bastian: America. I- 1«^
29i) COLUMHIEX.
Cerro de Carrisales verfolgbar sein soll. Cieza de Leon erwähnt
alter Strassen, die von dem Thal von Abura für Handelsverbindun-
gen nach Osten gegangen seien, und in den mit Anbau bedeckten
Hügeln von Picara (zwischen Pacora und Cartago) war jenseits der
östlichen Cordillere das fruchtbare Thal von Arbi durch den Ver-
kehr bekannt.
Im Paramo St Isabel trifft man tief eingeschnittene Canalones,
als alte Pfade der Indianer, wie sie auch vomQuindiu zumCauca führen,
und werden jene von der Volk.ssage der Donna Maria la Parda zuge-
schrieben, der traditionellen Erbauerin der Kathedrale von Bogota, die
in einer Kutsche fahrend, mit solchem Reichthum der Heerden ge-
rei.s't, dass beim einmaligen Durchzug sich die Wege öffneten, die
besonders in der Richtung auf Salados (zur Salzgewinnung) und den
Minen (mit Metallgruben) kenntlich sind. In der Cordillere zwischen
Manisales und Honda gelten die Linien der alten Wege durch die
Indianer eingetreten. Ausserdem finden sich solch alte Wege (tief
eingeschnittener Canalones) auf dem Paramo del Ruyz (am Wege
von Manizales nach Ambalema), auf dem Paramo del Herveo (am
Wege von Salamina nach Honda), und auf dem Paramo von Agua-
catal von Soledad über Fresno (statt über St. Domingo) nach St. Ana
(und Honda). Am Alto de Carisales (zwischen St. Domingo und
St. Ana) haben sich Spuren alter Wege (die jetzigen kreuzend) er-
halten. Bei Tamesas (jenseits des Cauca) finden sich Reste in Fels
gehauener Wege. Die Canalones auf der hohen Cordillere beim Salado
der Hacienda de Paila, (von Palomina, der sie mit demGelde der Indianer
gekauft, auf seinen Mayordomo, den Colorado Caicedo übergegangen),
werden (in neugebildeter Sage) derDoftaLuisaP2spada zugeschrieben, die
vom Choco gekommen, um ihren Gefährten Palomina zu suchen. In
der Nähe des Salado findet sich ein in der Ferne glänzender (aber
beim Näherkommen verschwindender) Fels, unter welchem Palomina
seine Schätze (als die der Indianer) vergraben haben soll. Am PMusse
Hotun bei Cartago viejo treffen sich Canellones der Indianer in der
Richtung des Paramo von St. Isabel nach Anserma. Auf der Höhe
von Cartago viejo erkennen sich die Spuren alter Niederlassung
durch die Reihen der Trümmer und Reste der dorthin führenden
Wege. Die Umgebung von San Agostin zeigt die Spuren alter Be-
ackerung und gezogener Gräben in der Nähe der Ruinen. Bei Bo-
gota fanden sich Reste alter Strassen (1729), que iban a Subya, Chia
y Tenjo, y otros en el Nuevo Reino, que parecian calgadas (Gar-
cia). Als die Spanier zuerst bei Opon auf das Hochland gelangten,
SANTA ANA. 21)1
„toparon muchos caminos quc atravesaban de unas partes a otras"
(Oviedo).
Am nächsten Morgen (Januar 2.) waren wir früh auf den Beinen,
und ritten über den Sattel zwischen Waldhöhen, durch seitliche Oeflf-
nungen zwischen den Bäumen zurückblickend, wo der Rio Bomilla
seine Wasser zum Magdalena abführt und jenseits der Schlucht des
Guali die breite Schneewand des Ruys mit weissem Glanz auf gelbem
Felsen lagert, die auf ihren im Waldesgrün dunkelnden Vorbergen
ruhen. Der Weg ging zur Quebrada de Vejuco hinab, und wieder
aufwärts, wo mitunter über tiefe Abgründe geworfene Baumstämme
einen glitschrigen Pfad bildeten, an kurzen Wendungen auf schmalem
Räume mit keiner oder eingefallener Brüstung.
Beim Fortgang zum Cerro Carrisales sprach ich an einem ab-
seits gelegenen Hause vor, wo man mir die alte Strasse der Indianer
zeigte, welche den jetzigen Weg schneidet, und sich durch den Wald
verfolgen lässt. Mit einem Blick auf welliges Waldland ritten wir
über schmale Bergsattel mit abfallenden Waldschluchten, hinter denen
Hochgebirge anstanden. Als die Höhe erreicht war, schaute man
über die Vorberge auf welliges Waldland herab, das unter phantastisch
hervorstehenden Formgestaltungen der Gesteine zur Ebene des mäch-
tigen Magdalena fortrollt und sich dort in dem Sonnenbrand der weiten
Fläche aufzulösen schien. Zum Cerro de ovejas hinabkommend, übersahen
wir jenseits des waldigen Vorlandes eine offene Gegend mit Fels-
höhen, hinter denen der Magdalena fliesst, während sich in der Ferne
bis zum Quindiu hohe Gebirge unter ihrer Nebeldecke erheben.
Nach kurzer Rast zur Fütterung ritten wir in Waldbergen weiter
auf engem Weg, durch tiefe Schluchten gewunden. An dem Stations-
haus zur Revision des Wegegeldes erkannten wir auf der andern
Seite des Guali den Minenplatz Fresno. Nach manchem Auf und
Nieder auf Wegen, die durch Viehthore gesperrt waren, gelangten
wir auf buschig offene Hügel mit einem Niederblick in angebaute
Thalsenkungen. Von der Höhe übersah man eine weite Ausdehnung
flacher Berge, die in sanften Absenkungen zum Thal des durch vor-
stehende Felsreihen verborgenen Magdalena abfallen, in dessen
Fläche sich stellenweis braune Savannen ausbreiten, während jenseits
eine hohe Cordillere aufsteigt, hinter verschiedentlich gestalteten
Bergreihen. Das auf einer Hügelfläche gelegene Santa-Ana wurde
bei weiterm Absteig gegen Abend erreicht, und ein Kaufmann räumte
uns einen Theil seines ausserhalb der Stadt (neben dem Potrero für
die Thiere) gelegenen Waarenmagazins aus, damit wir darin hausen
19*
292 rOLUMBTEN.
und, so gut es ging, für die Nacht wohnlich einrichten konnten. Als
ich mich zum Essen in einer Fonda nach dem Flecken begab, lernte ich
dort den englischen Minenbesitzer, Herrn Powers, kennen, der mir in
seinem Hause eine kleine Sammlung von Alterthümem zeigte, für
die er sowohl, wie seine Frau, ein anerkennenswerthes Interesse
besitzt.
Bald nach Mitternacht weckte ich meine Leute, aber eins der
Maulthiere hatte sich in der Manga verlaufen, und konnte erst bei
Anbruch des Tageslichtes gefunden werden. Gleichzeitig machte
sich ein prasselndes Donnergerausch aus der Ferne hörbar, der
Niedersturz eines Regensturmes in dem Walde, und obwohl wir noch
trocken packen und autbrechen konnten, waren wir doch bald am
Wege von demselben erreicht. Durch gebrochenes Terrain ging es
vorwärts, buschig bewaldet mit Anbau, und dann über einen Fels-
grat abwärts zu dem in den Magdalena fliessenden Guamo, dessen
geschwollene Wasser in der Fürth bis über den Steigbügel reichten.
Wir ritten über eine Binsen-Ebene zwischen flachen Hügelhöhen,
Buschwaldung mit Anbau tragend, zu einer gezackten Felsreihe hin,
mit sparsamem Grün. Nach venschiedentlichem Durchwaten des
Guamo in seinen Windungen, rasteten wir in dem Weghause La
Guardia, wo sich die Strasse nach Mariquita abzweigt.
Dieser unter dem Namen San Sebastian del Oro im Lande des
Häuptlings Marqueta durch Francisco Pedroso (1550) gegründete
und im Jahre 1553 nach der Ebene von Guali verlegte Ort (der
Begräbnissplatz Ximenez de Quesada's) war einst durch den Reichthum
seiner Goldgruben (wie Santa Ana durch Silberminen) ein weit be-
rühmter. Jetzt soll er sich im tiefen Verfall befinden und schon im
vorigen Jahrhundert wird bemerkt: „Ha vcnido a mucha decadcncia
ja ciudad, que cra antes la mas opulenta y de mas riqueza, quo
habia en el reyno".
Am Mittag ritten wir über eine in hcisser Sonncngluth brennende
P^l)ene, von sanft abfallenden Höhenreihen auf der einen, von
phantastisch gezackten Felsgipfeln auf der andern Seite umgeben,
mit spärlichen Streifen von Buschland. Ohne Schutz gegen die ab-
prallenden Strahlen streckte sich die Weite der offenen Savannen
zwischen zwei Hügelketten bei der Quebrada Badillo, und in wun-
derbar seltsamen Formen zauberten sich aus den Felsen Thürme,
Kuppen und Festungen hervor, mit senkrechten Mauern abfallend,
oder im zackigen Zinnenkranz emporstarrend.
Bei spärlicher Buschvegetation führte uns ein steiniger Sandweg
HONDA. 293
durch das verdorrte Gestrüpp. Zwischen zwei gegen einander ge
schobenen Felsreihen liegt vor dem dahinter erhobenen Hochgebirge
in der Tiefe Honda (San Bartolom^ de Honda), während seitlich
eine Barranca klafft, in deren Mitte der Guali strömt.
Am Nachmittag hatten wir uns in dem Hotel von Honda instal-
lirt und ging ich über die Brücke des Guali, um ausserhalb der Stadt
einen passenden Platz zum Baden aufzufinden. Der Guali rauscht
über Kicslager zwischen felsigen Ufern zu seiner Confluenz mit dem
Magdalena, dessen breiter Wasserstreif an einem terrassenartigen
Vorsprung, unter der Felshöhe des Ufers, aus den Bergen her-
vortritt.
An der Wirthstafcl in Honda lernte ich den schon seit längerer
Zeit dort ansässigen Deutschen, Herrn Weckbecker, kennen, der mir
freundlich seine Unterstützung anbot, um die mitgebrachten Kisten nach
Europa zu befördern, da gerade an dem Landungsplatz Bodegas
(unterhalb Honda) ein Dampf boot für die Thalfahrt nach Baranquilla
fertig lag.
W^ir ritten so am andern Morgen auf ebenem Wege am Ufer
hin nach dem Landungsplatz, wo der, auf dem andern Ufer sichtbaren
Station Bodegas gegenüber, der Dampfer Bolivar im Flusse lag, und der
Capitän Duncan sagte mir freundlichst vorsichtige Behandlung der
übernommenen Kisten zu, deren Einschiffung ich dann überwachte.
Von Herrn Treffrey in Honda, einem Engländer, der viele Jahre
hindurch an verschiedenen der dortigen Minenplätzen betheiligt war,
erhielt ich verschiedentliche Auskunft über die zu Zeiten von ihm ge-
sammelten Alterthümer.
Herr Weckbecker hatte den Versuch gemacht, den Magdalena
oberhalb Honda, das eigentlich als das Ende der Beschiffung gilt,
befahren zu lassen, und ein kleines Dampfboot war in der That bis
Neiva gelangt, freilich nicht ohne Ueberwindung vieler Schwierig-
keiten. Bei meinem zweiten Besuche in Honda war das Dampfboot
(Feldmarschall Moltke) gerade von Neyva zurückgekehrt und lag
oberhalb der Wasserschnelle, die es im Beisein der für dieses Schau-
spiel versammelten Bewohnerschaft glücklich passirte, um dann bei
der Bodega anzulegen. Als die drei Eroberer, Quesada, Benal-
cazar und Federmann von Bogota an den spanischen Hof zu reisen
beschlossen, begaben sie sich über Anapoyma und Tocayma nach
Guataqui (im Lande der Panches), wo die Brigantinen gebaut waren,
und schifften sich dort ein. Als sie auf ihrer Fahrt durch das Ge-
räusch des Falles von der Verengung bei Honda benachrichtigt
•^M CilLlMBIKX.
wurden, lit-ssLn sie das Gepäck über Land schatten, bis sie auf der
keine weiteren Hindernisse bietenden Stelle, die zur Anlage des
künftigen Hafen's bestimmt wurde, die Wasserfahrt fortsetzten. Die
Hohe Hondas betragt (nach Boussingault) 636 Fuss.
Mein Bursche hatte zwar gern die abgemagerten Thiere sich einige
Tage im Klee von Honda auffüttern lassen, aber ein solcher Reich-
thum von Zeit stand mir nicht zur Verfugung und ging es am
Januar 6. wieder fort. Gleich ausserhalb der Stadt hatten wir die
Quebrada seca zu passircn, die trotz ihres Namens voll Wasser stand.
Mein Bursche, der für die Bergwcgc Antioquia's das Fussgchcn vor-
gewogen hatte und auch hier noch, um seinen Gehalt zu verbessern,
auf das Reiten verzichtete, wollte sie auf dem Lastthier passircn, fiel
aber mitten drin ins Wasser hinein, was ihn in Folge des Gelächters der
Zusehenden in eine so ärgerliche Laune setzte, dass er bald darauf
mit den Wegebeamten in Streit gerieth, den ich zu schlichten hatte.
Am Ufer des Magdalena waren die Thiere abzupacken, um neben
dem Canoe übergeschwemmt zu werden, und an der andern Seite
Wurden sie dann aufs Neue bepackt.
DerWeg führt Anfangs längs desMagdalena hin, der dort zwischen
gen fliesst, mit theilweis steilem Abfall, und steigt dann auf buschi-
Bergcn Hügeln an, mit Rückblick durch den Wald auf die Bergländer
jenseits des Magdalena. Im allmähligen Ansteigen, mit dem Blumen-
baum der Mataraton am Wege blühend, gelangten wir nach der Ha-
cienda Las Cruces, gerade um die Mittagszeit, wo eine Rast, beson-
Thiere, wünschenswerth war. Auf unser Anfragen nach
lie Thür indess geschlossen, und wurde uns notificirt,
ilie des Hausherrn abwesend sei und es Nichts gäbe,
impfang war an sich kein ungewöhnlicher, doch schien
smaligen Falle nicht angebracht, da auf diesem frcquen-
von dem Ausschitfungsplatz Honda nach der Haupt-
ntische Hacienda Las Cruces von den Baedeckern des
>liche Raststation angegeben war, und so Hess ich mich
/eiteres abweisen. Nach einigen Intriguen mit dem
lal, dessen weibliche Schwächen mein Bursche herauszu-
erreichten wir schliesslich auch das Gewünschte, und
igleich möglich, mich der prächtigen Aussicht zu freuen,
der am Abfall gelegenen Gartenbrüstung der Hacienda
eiten Hinblick überschaute man, in der Tiefe unten, den
gdalena, von neblig fernen Hochgebirgen durch die
äsend, bis die von den Seiten begleitenden Berge sich
MAGDAT.EXA. 295
ZU der Verengung bei Honda zusammendrängten, und jenseits stan-
den vielfach gestaltete Höhenreihen hervor.
Wir setzten dann den Aufsteig am Bergabhang fort, und auf der
grösseren Erhebung goss sich das Bild in einen neuen Rahmen, in-
dem wir über herabwallende Bergwellen auf das flache Thal des
Magdalena blickten, mit niedrig geöffneten Bergreihen an der anderen
Seite, bis zu dem, im Nebel dunkelnden, Hochgebirge, wo an klaren
Tagen der Schnee des Tolima sichtbar ist.
Der Weg von Honda bis Bogota, der (obwohl nach der Haupt-
stadt des Landes führend) in fast 300jährigem friedlichen Besitz ein
, »blosser Wasserriss" geblieben war, eine ,, Kluft", in der bisweilen
nicht zwei Maulthiere sich begegnen konnten, entstand rasch, (wie
Humboldt bemerkt) während eines blutigen Bürgerkrieges, denn „als
die Spanier wieder auf einige Zeit in den Besitz von Neu-Granada
kamen, liessen sie, um die militärische Communication zu erleichtern
und in Folge einer grausamen politischen Reaction, den Weg von
Honda nach Bogota durch Sträflinge aus der republicanischen Parthei
enveitern und ausbessern" (1816).
Jenseits des Alto del Salto ^) ritten wir durch ein gezacktes Fels-
thor und schauten dann nieder in ein wellig gebrochenes Thal mit dem
Flecken Gaduas am Fusse der jenseits schliessenden Bergkette, dessen
Anblick indess bei der nächsten Windung wieder verschwand. Der
Weg schlängelte sich auf Hügelpfaden durch eine parkartige Garten-
gegend, deren nicht geringste Empfehlung in der Stille und Menschen-
leere lag. Die ungestörte Meditation, mit dem beständigen Wechsel
neuer Anregungen aus der geographischen Umgebung auf einem
historischen Hintergrund, bildet den höchsten. Genuss solcher Reisen,
unter gleichzeitiger Befreiung von voreilig unreifen Fragern und
nothgedrungen frühzeitiger Antwort, wie es im täglichen Verkehr
bedingt liegt.
Beim Niedersteigen gelangten wir in die Ebene des Flusses
Guadelal, ein Nebenfluss des Rio Negro, der in den Magdalena fällt.
') Die Höhe des Alto de Sargenio wini angegeben auf: 1676,1 Meter (nach Hum-
boldt), 1372.9 Meter (nach Lewy), 1401,2 M. (nach Mosquera); die des Alto del Trigo
auf: 1943,3 M. (nach Lewy), 1871,1 M. (nach Mosquera); des Alto de Roble auf:
2763,46 M. (nach Humboldt), 2767,9 M. (nach Lewy); dann Facatativa zu: 2630 M.
(nach Lewy), 2590 M. (nach Mosquera); femer Villeta zu: 1083,6 M. (nach Humboldt),
837,5 M. (nach Lewy), 790,83 M. (nach Mosquera), 839 M. (nach Perez) und Gaduas
zu: 1149,9 M. (nach Humboldt), 1008,6 M. (nach Mosquera), 995,7 M. (nach Lewy),
1026 M. (nach Perez).
2V)() COLI MBIEN.
und verbrachten, im Angesicht von Gaduas, die Nacht in einem
Hause in der Nähe der Brücke, da es für die Fütterung der Thiere
vortheihaft geachtet wurde, ausserhalb der Stadt zu bleiben. Allzu
häufig mochte solche Vorliebe für das Landleben dort nicht sein,
denn nach der Rechnung^), die mir mein Hauswirth, oder vielmehr
die Frau Hauswirthin, am nächsten Morgen präsentirte, schien sie
sich durch den Einen Reisenden, der bei ihr hängen geblieben war,
für alle die übrigen entschädigen zu wollen, die vorbei zu ziehen
pflegten.
Gaduas führt den Namen von der den Bambus ersetzenden
Gaduas latifolia (Bambusa latifolia y Gadua), die in ihren Wachsthum
weite Strecken zu bedecken pflegt. Die Seltenheit der Blüthe hat
Mutis diese niemals und Caldas nur ein oder zwei Mal finden lassen.
Holton war glücklicher, übersieht indess, indem er sich für den allein
so bevorzugten Botaniker hält, dass sie von Humboldt bereits am
Casiquiare und im Caucathal angetroff'en war.
Beim frühen Aufbruch ritten wir durch die leeren Strassen von
Gaduas, während die Stadt noch im Schlafe lag, und begannen auf
der andern Seite die Höhe zu ersteigen. Nachdem sich der Weg
in eine Schlucht nieder gewandt, erhob er sich aufs Neue, während
aus den Thälern unter uns Nebel emporstiegen. An der Seite des
Berges blickten wir in ein hügelig gebroches Thal, von dunkelen
Hochgebirgen eingeengt. Jenseits der Quebrada San Pedro über-
schritten wir einen Hügelvorsprung und sahen dann in der Tiefe das
schmal eingeengte Thal von Villeta vor uns, am Fusse hoher Berg-
züge, einst der Sitz der mit den wilden Panches grenzenden Colimas
(Verwandte der Muzos).
Bald waren wir unten und fanden in der Restauration des Hotels
einen weiss gedeckten Tisch, mit Couverts und Zubehör belegt.
Auch Weinflaschen standen umher, halbe und gan2e, die indess, trotz
der zierlichen Etiquetten berühmter Bordeaux-Firmen , lieber unbe-
rührt gelassen wurden, nicht nur des Preises wegen, sondern auch
bei den Zweifeln über einen für den Export präparirten Inhalt.
') Squier beschreibt sein Nachtlager in Chuluncayani auf der nackten Erde (innocent
uf briish or broom) mit Futter für die Maullhicre, sowie Chupe (Kartoffelsuppe) und zwei
Kücken mit einer Flasche Brandy zum Nachtessen, ,,for which our enterprisinjj host char-
{;cd me sixty-four dollars. There was no charge for bedding and lights, for these we
supplied ourselves". Dafür war indess die Kartoffelsuppe auch weniger dünn als gewöhn-
lich, und den Brandy würde man anderswo für keinen Preis haben kaufen können, weil
überhaupt nicht vorhanden.
FACATATIVA. 21)7
Am Nachmittag zogen wir durch die Ebene am Fluss Samakotc,
der, da die Brücke zerbrochen war, in einer Fürth gekreuzt wurde.
Beim Aufsteig an buschigen Höhen gelangten wir vom Alto de Sa-
litre, mit Hinblick auf schluchtenzerklüftete Berge, zum Alto de Gasan
und dann, auf dem Kamm Bergkuppen übersteigend, nach Agua larga,
wo wir in der Bodega Aufnahme fanden, unter einem Gewirr von
Lastthieren und Karren, da sich hier der Terminus (oder der Anfang)
der Fahrstrasse von Bogota findet. Bis dahin hatten wir auf dem
Wege von Honda herauf noch mehrfach Lastträger angetroffen,
Männer und Frauen, keuchend unter ihren Lasten, die der Gebrech:
lichkeit oder ihres Umfanges wegen nicht auf den Rücken von
Thieren transportirt werden konnten. Grössere Möbelstücke für Bo-
gota, Piano, Spiegel u. s. w. erfordern stets einen ganzen Gang
von Arbeitern zur Fortschaffung.
Beim Aufbruch am nächsten Morgen folgten wir den Empor-
windungen der Fahrstrasse, verliessen sie aber für einen kürzeren
Durchschnitt, um erst später darauf zurückzukehren. Vor uns stieg
im schroffen und mächtigen Abfall die auf ihren Böschungen mit
Wald bekleidete Felswand des Ccrradero auf, gleichsam als Pfeiler-
stützen des Plateaubecken, die (bei dem Durchbruch nach der ande-
ren Seite) abgeflossenen Seen tragend. Unter allmähligem Aufstei-
gen zogen wir über grüne Hügelwellenrücken mit Busch, und beim
Herauswinden des Weges nach Abwärts, sieht man die weite P'läche
der Sabana von Bogota vor sich, mit vereinzelten Höhen, zwischen
welchen Facatativa liegt. Nebel verhüllten die weitere Aussicht,
während uns ein ebener Weg über die Bodega Mazanas nach Faca-
tativa brachte, in das Hotel Cordova.
Mit einem Führer begab ich mich nach dem Cerro de las Cuevas, um
die Piedras pintadas zu suchen, an dem Abhang umher liegende Fels-
blöcke, auf denen mit rother Farbe die verschiedenen Figurenzeichen
aufgemalt sind. Mitunter werden durch Ueberhang Höhlen gebildet
(in dem hier vorwaltenden Sandstein), und auf einem der Steine findet
sich eine tiefe Wasserkufe. Von der Höhe blickt man über die freie
Ebene, bis der ferne Horizont von den Bergen Montserrat und Gua-
delupe, an deren Fusse Bogota liegt, geschlossen wird. Jenseits des
Flusses von F'acatativa, ein Nebenfluss des Bogota (der in den Magdalena
mündet), finden sich auf dem Cerro de animas umhergestreute Fels-
blöcke, und einer derselben (mit einer Wasserkufc und abgleitender
Aushöhlung auf der Oberfläche) zeigte an verschiedenen Stellen
Spuren rother F'arbe (von ausgeriebenen Figuren). Eine daneben
298 COIA'MHIEN.
gebaute Hütte war von den Bewohnern verlassen worden, da sie
durch unterirdische Getöse geschreckt wurden, die sich, trotz der dort
eingekratzten Kreuze, nicht hatten bannen lassen. Vielleicht die ruhe-
losen Seelen, von denen der Cerro den Namen hat. Das von India-
nern verwandte Roth aus Bixa"(s. Piedrahita) wurde im Anfang der
Conquista auch von den Spaniern zum Schreiben der Briefe benutzt,
wie bei dem von I^zaro Fönte aus Pasto an Quesada gesandten.
Der letzte Zipa flüchtete vor den Spaniern nach Facatativa, wo neben
der dortigen Grenzfestung seine Spuren verloren gingen, bis man die
.halbver\veste Leiche später in einem Dickicht fand.
Von Facatativa kann man sich die Bequemlichkeit einer Dili-
gence bis zur Hauptstadt gewähren, doch kam es mir schliesslich, für
diesen einen Tag mehr, nicht darauf an, zumal ein solcher im Lande
ungewohnter Luxus auch mit etwas ungewöhnlichen Preisen zu er-
kaufen ist.
Wir sattelten deshalb und packten am nächsten Morgen mit der
Sonne, und störenderweise auch mit dem Regen, der uns den Vor-
mittag hindurch begleitete. Auf der angebauten Ebene, von kahlen
Höhen eingefasst, erreichten wir Quatro Esquinas, wo sich vier
Strassen kreuzen, die von Mesa nach Funza, der alten Hauptstadt
des Zipa, und die von Facatativa nach Bogota.
Von dort ging der Weg auf sumpfigen Wiesen (dem Rückstand
der entleerten Seen in der Erniedrigung der Mitte) zwischen Feldern
zum Rio del Puente Grande, und hier begann man Bogota deutlicher am
Fuss dunkler Berge zu erkennen. Durch Anbau mit Häusern passir-
ten wir die Lagune von Fontibon, mit dem Blick auf Bogota, das
sich der Bergreihe angelagert, hin- und hinaufzieht. Ein mit Bäumen
eingefasster Weg führte uns dann zur Hauptstadt, wo ich im Hotel
frances abstieg, aber auf die freundliche Einladung des deutschen
Ministerresidenten, Herrn von Gramatzki, am nächsten Tage nach
seiner Wohnung umzog.
** Durch den Gesandtschaftssecretair, Herrn Harassowitz, war ich
bald über die Verhältnisse in Bogota, sowie die dortigen Samm-
lungen orientirt, und konnte den Ankauf der grössten derselben, Herrn
Gonzalo Ramos gehörig, effectuiren.
Mehrfach fand man in den Gräbern der Chibchas^) Mumien mit
*) En una historia del Orden de Santo Domingo, impresa a fines del Siglo XVII.,
menciona el historiador como merilo grande de uno de los misioneros, cl haber des-
cubierto varios dcposilos ocultos de idolos, mantas pintadas, y ,,olros objetos, apro-
BOGOTA. 299
Kupfer- oder Qoldstücken im Munde, und mitunter auf der Mumie
die Figur eines durchschnittenen Frosches, indem als Zeichen der
Freundschaft die andere Hälfte von dem Gefährten für sein Begräbniss
bewahrt ward. In Gausa (bei Gambita) fanden sich unterirdische
Aushöhlungen^), in denen Thongefässe mit Figuren angetroffen sind.
In der Hacienda de Gomez (früher Vergara's) in Casa blanca (bei
Bogota) ist eine Höhle ^) aufgedeckt worden, aus der astronomische
Zeichen beschrieben wurden.
Die Indianer Cundinamarca s, die Nachkommen der alten Chibchas,
haben, wenn auch an ihrem physischen Habitus noch erkennbar, im
Uebrigen in dem jetzt gesunkenen Zustande die meisten ihrer Eigen-
thümlichkeiten verloren. Sie werden, als Bewohner hochgelegener
Gegenden, von denen des tiefen Magdalenenthals als Moscas (Muys-
cas) bezeichnet, ähnlich wie in Peru der Name der Quichua (von
dem in kälteren Strichen wachsenden Stroh) nicht nur dem speciell
so bezeichneten Stamm, sondern überhaupt den Serranos der Sierra
beigelegt wurde.
Wie in Cuzco würde in Bogota die Temperatur^), bei dem grossen
Unterschied, sobald sich die Sonne zum Untergang neigt, Abends ein
Feuer recht wohl erwünscht machen, aber die Einheimischen ziehen
vor, sich in ihre Mäntel zu hüllen, und so die Stunden bis zum Zu-
bettegehen zu verbringen. Mollien meint, es geschähe, weil man die
geheizte Luft für gesundheitsschädlich hielte, aber wenn auch vielleicht
piados al culto del diablo," y quemandolo todo, ardiendo en la hoguera multitud de cargas
de ,,embelecos y hechizerias," dice el fraile, cuando eran sin duda preciosidades inoccntes
ö por Ventura los archivos historicos de los Chibchas (s. Ancizar).
*) In dem Cerro von Tequisa wurde durch Ausgrabungen eine Höhle gefunden mit
Leichen und Grabbeigaben. Auf dem Cerro von Cota wurden beim Regen Sachen von
Gold und Kupfer ausgewaschen. In der Lagune von Fuquene findet sich ein Stein, auf
welchem Zeichen eingegraben sind. In Guachantiva wurde ein Steindolch (in Gräbern)
gefunden. In einem Hause bei Chibota tjaf man steinernes Geräth. In einem Grabe bei
Leiva wurde eine verzierte Macana aus Holz (mit Widerhaken) gefunden (von Velez in
Anüoquia).
*) Mumien wurden bei Bogota (in Höhlungen) gefunden , sowie bei Tunja u. s. w.
In einer Höhle am rechten Ufer des Magdalena, zwischen Nare und Buenavista (am
linken Ufer) sind in künstlichen Räumen Thonfiguren gefunden worden, eine, wie erklärt
wurde, mit einem Elephantenrüssel , eine andere mit Tapirkopf u. s. w. Zwischen der
Mündung des Fusagasuga und Rio Bogota sind in einer Höhle bei Peflaliza Bilder der
Sonne in einer Höhle gefunden. In Labranza (bei Soachi) sind alte Thon- und Stein-
sachen angetrofen.
•) ,,Man verlässt ein Klima von 27 ^y" mittlerer Temperatur und steigt in eine Zone
von I4®,j" aus der tierra caliente des Magdalena- Stromes in die tierra fria der Llanura
de Bogota", bemerkt Humboldt, der die mittlere Wärme von Quito ll®,j R. (120,3 nach
Boussingault) fand, ,,das ist fast die mittlere Wärme von Rom" (und ähnlich Bogota's).
3(K) COLUMBIEN.
eine solche Erklärung zum Vorwande benutzt wird, liegt der natürliche
Grund zunächst in der Sparsamkeit des Feuermaterials*) in nächster
Nähe, uncl der Indolenz, es aus der Ferne zu beschaffen. Ausserdem
ist selbstverständlich, dass der Gebrauch der (z. B. in Pasco üblichen)
Braseros leicht gefährlich werden kann unter Verschluss der Thüren,
wie bei dem Tode der spanischen Officiere, wodurch im Beginne
des Bürgerkrieges die Zerstörung von Reyes herbeigeführt wurde.
Die jährliche Mittel wärme von Bogota bei 8 130 Fuss Höhe und
4^ 36' Breite ist die jährliche Mittelwärme von Rom, wie Humboldt
bemerkt, und auf solche aus Kreuzung der physikalischen Verhält-
nisse ergebenen Mitteln werden, ihrer geographischen Umgebung
nach, die ethnologischen Typen für die historischen Weiterwirkungen
zu begründen sein.
Unter den in Bogota befindlichen Gebäuden ist man, neben der
Sternwarte^), besonders stolz auf die Kathedrale, weil der Riss zu
derselben von einem nationalen Architecten entworfen wurde, und so
hat sich hier an die Persönlichkeit der reichen Wohlthäterin, die
besonders die Geldmittel geliefert habe, ein Sagenkreis ankristalli-
sirt, der ihren Namen auch in den entfernteren Provinzen bekannt
gemacht, und dabei moderne Vorfälle mit den ältesten Traditionen
des Landes in einander verwoben hat. Eine solche Mythjsirung
wurde durch die tragischen Schicksale der Kathedrale- selbst er-
leichtert. Der erste Bau stürzte zusammen, gerade als er vollendet
war, am Abend vor der Einweihung. An der zweiten Construction
wurde von 1572 bis 1770 gebaut, ohne sie der Vollendung näher zu
bringen, ebensowenig wurde mit der Fortsetzung 1790 gefördert
oder der späteren 1797, und im Jahre 1805 ward auf Befehl des
Vicekönigs das Gebäude geschlossen, das bereits drohende Zeichen
baldigen Zusammensturzes zeigte. Im Jahre 1807 ging man an den
Abbruch, und als dann die neue Cathedralc projectirt wurde, erlitt
auch sie durch den Tod des Architecten Domingo Petrez (181 1) Ver-
zögerung und kam erst im Jahre 1823 zu Ende.
Der Grundstein der Kathedrale (in Bogota) wurde durch Juan
') The only fire places in thc cily are in the Bisliop's palace and in that of the
güvernnicnl. A short tinie after one of ihcse cumfortable fixturcs hacl been erected, the
occupant of the house died. The good people atlributed his death to the the fire -place
(in Bogota), und macht der Mangel von Kaminzügen bei Gebrauch der Kohlenbecken
allerdings Vorsicht nöthig.
') Dieses auf Mutis' Anregung 1802 — 1803 erbaute Observatorium (cl mas clevado
cn el mundo) wurde von Caldas auf 2636,412 M. Höhe bestimmt.
KATHEDRALE. 'AM
de los Barrios (den ersten Erzbischof) gelegt, und seit Zapata de
Cardenas ist sie mit dem Kopf der heiligen Elisabeth, Königin von
Ungarn bereichert worden (Ja cabeza de Santa lsabel, reyna, de
Hungria), es esta gloriosa Santa patrona de todo el reyno por voto
especial de las ciudades (r. Piedrahita).
Neben dem englischen Minister, Herrn Bunch, einem langjährigen
Residenten, lernte ich den Kaufmann Herrn Benedix Koppel kennen,
sowie seinen Compagnon, Herrn Schrader, der sich gerade von
seinem Aufenthalt aus Bucaramanga zum Besuch in Bogota fand,
dann den Bankdirector, Herrn Salomon Koppel, und unter den Ein-
gebornen den mir von Cartago vicjo her bereits dem Namen nach
bekannten Herrn Percira, sowie einen jungen Gelehrten, Herrn Saenz,
der manche Auskunft zu geben vermochte, und Herrn Rulino Cuervo,
in dessen wohl ausgestatteter Bibliothek sich auch deutsche Bücher
fanden, und in dessen Sammlung jene kostbaren Aiterthümer, die
jetzt das königliche Museum schmücken, in der öffentlichen Biblio-
thek konnte ich die noch ungedruckten Manuscripte der späteren
Bände von den Werken Padre Simons consultiren und erhielt durch
den Bibliothekar, Herrn Malo, überhaupt jede Erleichterung. Ebenso
wurde mir solche für etwaige Reisen durch den Präsidenten ver-
sprochen, bei dem ich durch unscrn Minister vorgestellt war.
In Bogota (Bacata), das vor der Conquista nur den gelegent-
lichen Landsitz des in Funzha rcsidirendcn Fürsten bildete, trifll man
keine anderen Aiterthümer als die aus der ersten und ältesten Zeit
der spanischen Ansiedlung auf diesem Boden. Vor dem Thore je-
doch, jenseits der Brücke Arango, findet sich (zu Chamisera ge-
hörig) eine wellenförmige Erhebung des Terrains, als künstliche
Hügel, in denen Schädel gefunden sind (wie auch sonst auf der Sabana).
Im Hinblick aufCaldas und seinen Lehrer, den gleichsam natura-
lisirten Mutis, auf den Botaniker Triana, auf Mosquera und seinen
Gegner, den um sein tragisches Ende vielbetrauerten Arboledo, auf
den Maler Gregorio Vasques Ceballos (Anfang des XVII. Jahrhun-
' " " beanspruchte Titel eines Neu-
unter relativer Vergleichnng mit
ca, eine ähnliche Rechtfertigung
:n. Herrn Ancizar, dessen inter-
grinacion de Alpha" (por las pro-
n cn 1850 — 51) mir später die
konnte ich bei seiner damaligen
3()2 COLUMBIEN.
Abwesenheit leider nicht treffen. Herr Uricoechea, der Verfasser
der Antiguedades Nueva-Granadinas, fand sich in Europa.
Bogota wurde auf der Stelle des Pueblo Teusaquillo oder Thybza-
quillo (1538) gegründet, nachdem Quesada am Flusse Sabandija mit
Benalcazar zusammengetroffen und vonPasco Nachricht bezüglich Feder-
manns eingetroffen war, der über Pascote nach Sumapaz gezogen.
Sein Ausgangspunkt war Coro gewesen und das jahrelange Umher-
irren in jenen undurchdringlichen Bergwäldern hatte seinen Truppen
nur Thierfelle zur Bekleidung gelassen, während Benalcazar's Beglei-
ter aus Quito in dem üppigen Gewände der reichen Beute Perus
erschienen, und ihnen Quesada gegenüberstand, mit den Resten jener
stolzen Ritterschaft, die sich unter Lugo nach St. Martha eingeschifft
hatte. Nachdem die drei Geistlichen^) die blutige Entscheidung,
worauf man sich bereits vorbereitet, verhindert, begaben sich die
Feldherren zusammen nach Guataqui zur Einschiffung (mit Land-
transport über Honda), uni ihre Sache dem Kaiser vorzulegen.
Die bisher nur wenig beachtete Cultur der Chibchas^) kann für
') En cada cual de los tres campos avia el mismo numero de combatientes , ni uno
mas ni menos, que fue a ciento y setenta y tres, un clerigo, y un religioso, con la
diferencia de qae el religioso del canipo de Quesada era de Santo Domingo, el de Fedre-
man Agustino y el de Benalcazar <le la Merced (s. Piedrahita). Ternan a grand maravilla
juntarse gente de tres gobernaciones , como la del Piru 6 Venezuela y Sancta Marta, en
una parte tan lexos de la mar, assi de la del Sur, como de la del Norte. Plega ä
Nuestro Sefior sea para mas servicio suyo de Vuestra Magestad (heisst es in dem offi-
ciellen Bericht der Zeitgenossen).
') Die Eingesässene (die man Mexas nennet) bewohnen zwo Landschaften, nähmlich
Bogota und Tunia. Eine jede derselben erkante (vor der Spanier Ankunft) ihren eignen
Herren. Das Mannsvolck ist wohlgebildet: und die Frauen seynd Ahrtiger von Ange-
sicht (auch nicht so schwartz) als irgend andere in der nachbahrschaft. Sie tragen weisse
(schwartze) und vielfarbige Baumwollene Mäntel : etliche auch eckichte Mützen vol Baum-
wollener Bluhmen. Die Luft alhier ist so gemässiget, dass man wenig unterscheid zwi-
schen Sommer und Winter findet. Die Heuser seynd aus Bretem zusammen gefilget und
mit langem Stroh gedeckt. Die vornehmste Speise bestehet aus Mais und Kassavi. Der
Mais wachset alhier an einem Schilfrohr in Kornähren. In iederAhre stecken gemeinig-
lich siebenhundert Kömer. Man pflantzet diese Frucht in eine warme und feuchte Erde.
Wan ein Scheffel ausgesäet worden , ämtet man gemeiniglich dreyhundert wieder ein.
Doch der Mais ist unterschiedlich : grober, und feiner, den man Moroche nennet. Das
Blat zusamt dem Rohre giebet ein gesundes Futter vor die Pferde. Die Zubereitung der
gemeldten Indischen Speise oder des Brohtes der Indier geschiehet auf unterschiedliche
Weise. Etliche kochen sie im Wasser gahr : andere brahten oder rösten sie in der Asche
oder mahlen die Maiskörner zu mahle : welches sie zum Teige knähten ; daraus man als-
dan Brähtscln (Krängel, Kuchen, Tahrten) und Zweygebackenes machet. Auch lassen
etliche den Mais im Wasser weichen (und gahren) zu einem Geträncke, welches die
Trunckenschaft veruhrsachet. Sonsten gebrauchen sie auch Kassavi , aus der Wurtzel
Juka zubereitet: Diese Wurtzel (welche gross und dicke zu seyn pfleget) wird in stücken
zerschnitten und geraspet, oder klein zerrieben; und dieses zerriebene zuletzt ausgepresset,
CIIIBCIIAS. 303
das vergleichende Studium menschlicher Gesellschaftsgeschrchte als
eine der wichtigsten bezeichet werden, da sich in ihr eine Menge
archaistisch primitiver Züge erhalten haben^ die in einer wechsel-
volleren Geschichtsbewegung rasch verloren zu gehen pflegen, hier
aber in Folge der fast völligen Abgeschlossenheit bewahrt blieben.
Für das königliche Priesterthum von Sogamoso, für die Stellung des
Zaque als Kronfeldherrn, für den Aulschwung seines Rivalen in Bo-
gota finden sich vielfache Analogien in Africa, Polynesien, Asien
und hier besonders in Japan, wo die von Joritomo begründete Würde
vorübergehend einen Doppelgänger zur Seite hatte, und vorüber-
gehend auch der Mikado selbst in das Schisma eines südlichen und
westlichen Hofes (Nan-tsjo und Fok-tsjo) gespalten war. In Ausverfol-
gung solcher Parallelen gewinnen dann die local hervortretenden
Differenzen einen doppelten Werth, und muss die, im Anschluss an die
polare Disposition (wie bei Kamschadalen und Eskimo hervortretend)
zum Humor geneigte Anlage der Japaner in ihrer insularen Isolirung eine
auf ähnlichem Hintergrund und unter gleichem Grund ton gerade in ihrer
Verschiedenheit von dem melancholischen Character der Serranos^)
instructive Färbung hervorrufen. Solch' düstere Stimmung durch-
zieht überall die Vorgeschichte des alten America's, und wie der
König Tenochtitlan's an seinem Krönungstage mit Todtengewändern
bekleidet wurde, so sangen dem Fürsten Bogotas an seinem Fest
die das symbolische Netz führenden Greise von der Hinfälligkeit
alles Irdischen^), und wenn wieder von Inca Roca') (bei Vega) seine Kla-
und von seinem Safte (der ein tödtliches Gift ist) entlediget, also dass <yn pUtter Küche
daraus wird. Aber man findet auch eine Ahrt der Wurtzel Juka, welche kein solches
(iift oder keine solche schädliche Feuchtigkeit bey sich hat. Diese kan man lange zeit
bewahren, also dass sie gesund bleibet, und ihren guhten geschmack unverändert behält.
Ja sie leben auch ferner von der Wurtzel Jomas, und den sogenannten Rüben Kubias,
als auch von allerley Wildbrät Vögeln (und Fischen), welche in den Flüssen und Meeren
überflüssig gefangen werden (s. Dapper). Huncahua, Fürst derMuyscas in Hunca oder Tunza,
unterwarf die Umgegend von Opon zu den Grassteppen von San Juan de los Llanos.
') How different must be the Constitution of the minds of these women, from that
of their fair sex in the Pacific Islands, where all is gaiety, good humour and indifTerencc
aboot the fulure, bemerkt Hill, als er (trotz aller Bemühungen seinerseits und denen
eines scherzhaften Landsmannes, den starren Gesichtern der Mädchen und Frauen auf
lem Markte Puno's einen freundllichen Zug abzugewinnen) quitted the market without
having the pleasurc of seeing one of them smile.
*) Unser Leben fliegt flüchtig dahin in dieser Weh, rasch ist es vorüber, gleich
jener kurzen Spanne des Sonnenscheins, in welchem man sich in kalter Winterszeit er-
wärmen mag (no tencmos vida permaneciente en este mundo , y es tan breve como el
rato, que uno se pone al Sol, en tiempo de frio, para calentarsc) heisst es in mexica-
nischcr Todtenklage (mit angelsächsischer Analogie).
*) Vom Inca Mayta - Capac erzählt Santa Cruz , dass ihn während der Dauer des
304 roiA'MBIEN.
gen über die Vergänglichkeit des Lebens erhalten sind, so war es
auch in Tezcuco ein gekrönter Dichter, der nach diesem alten
Menschenleid die Weise seiner Elegien*) stimmte.
Y los gustos de esta vida
Sus riquezas y mandos son prestados
Son sustancia fingida
Con apariencias solo matizados.
Der Zaque herrschte über proselenitische Arcadier in dem Berg-
lande Tunja's und erkannte in dem, den jedesmaligen Wahlact der
Kurfürsten beeinflussenden, Papst von Sogomoso den Stellvertreter
des Prophetengottes, der Zipa dagegen hatte nach seinem Streit mit
dem Ggatavita manche der priesterköniglichen Ehren für sich selbst
beansprucht, so das er nicht nur sein heiliges Angesicht^) gemeiner
Beschauung entzog, sondern auch die bei dem römischen Flamen
sowohl, wie sonst religiösen Persönlichkeiten beobachtete Aufbewah-
rung seiner Abfalle durchführen liess. Der Speichel Atahualpas von
Peru wurde von einer Hofdame mit einem weissen Tuche aufgefan-
gen, wie ähnlich früher am Hofe des Micado, und wenn der Bogota
ausspuckte, oder sich räusperte, war gleich ein Hof bedienter zur
Hand, damit diese geheiligte Substanz*) nicht in den Schmutz der
Capac-Raymi-Festes liefe Schwermuth erfasst habe, dass seine Augen nur auf den Tod
hingerichtet gewesen, von dem der Schlaf ein tägliches Bild sei mit der Wiederkehr der
Nacht, die im unveränderten Umlauf auf den Tag folge, wie der Tod dem Leben. Den
Sinncsfr^uden entsagend, sei er vom Thron herabgestiegen, um (gleich dem Kaiser eines
von niemals setzender Sonne beschienenen Reiches), sein Leben unter harten Kasteiungen
im Kloster zu beschliessen, (nach einem in buddhistischen Reichen häufigen Vorgang).
') Die vier Gedichte , die vom König Ne/ahualcoyotl erhalten sind , wurden von
Ixtlilxochitl aus dem Aztekischen in's Spanische übersetzt . sollen indess (nach Granados
y Galvez) ursprünglich im (^tomitischen geschrieben sein. Ausserdem hal>e er zu Ehren
des Schöpfergottes, dem eine nennst öckige Pyramiden - Pagode errichtet war, 60 Hymnen
(oder Psalmen) verfasst, die, wie Clavigero erwähnt, auch noch bei den Spaniern in
hoher Schätzung standen. Bezeichnend ist es, dass dieser königliche Psalmensänger an
derselben Schwäche litt, die unter der Verherrlichung seines Rivalen in Zion zu ver-
schwinden pflegt. Durch die Reize der jungen Azcaxochiil mit dem Liebespfeil ge-
troffen, wusste er das durch ihre Vermählung gebotene Hinderniss <ladurch wegzuräumen,
dass ihr Ehegatte, der altvenliente Offizier Temictzin, auf dem nächsten Feldzug in Folge
insgeheim gegebener Befehle verschwand und als todt betrauert werden musste, nach
En<le der Trauerzeit aber eine Hochzeit gefeiert werden konnte, um das Land mit dem
Thronerben Nezahualpilli zu beschenken. So hätte auch hier eine Veranlassung /u
klösterlichen Kasteiungen gefunden werden können.
') Ebensowenig durfte dem Inca von Angesicht zu Angesicht geredet werden, wie
Pizarro erzählt, und ,,no le miraban b, la cara" (bei mexicanischen Königen).
') Quando tosia 6 hagia sefial de escopir, luego los caciques y mas principales scfio-
res indios que ccrca del estaban, alongaban los bragos tendiendo pueslo sobre ellos un
PRÜFUNGEX. 305
Erde falle. Noch weiter trieben es andere Stämme^), ähnlich wie
sich gewisse Reliquien des Dalai Lama der Verehrung bewahren,
und andere Koprolithen^) sogar fanden sich in den Heiligenschreinen
katholischer Kirchen.
Die Vorbereitungen zum Herrscherdienst waren sehr schwer,
da der zum Nachfolger designirte Prinz mehrere Jahre in der Ab-
geschlossenheit eines Kloster s zuzubringen hatte, um sich dort unter
Büssungen und Fasten 3) (strenger, als im buddhistischen Khyoung)
zu kasteien. Die Krönung selbst war mit allerlei erschwerenden
Umständen verknüpft, in einigen Fürstenthümern Mexicos sogar mit
Beschimpfung am letzten Tage, der als der Thronerhebung vorher-
gehend, noch Licenz dafür gab, wie es ähnlich im Herzogthum
Kärnthen sowohl, wie unter den Kingships am Gabun vorkam.
Der in solchen Austeritäten erzogene Fürst liess gleiche dann
wieder seine Untergebenen empfinden, und die für ein Kronamt an-
gemeldeten Candidaten mussten sich erst einer gefährlichen Prüfung
unterziehen, um ihre Befähigung darzuthun. Unbekleidet vor dem
Rath abgelebter Graubärte aufgestellt, wurden ihnen die schönsten der
Bayadcren im schmucklos reinen Gewände der Eva vorgeführt, die
unter verführerischen Lockungen vor ihnen tanzten, — wie Mara's Toch-
ter vor den zu des ascetischen Siva's Ehren gepeinigten Eremiten (oder
wie es die rachsüchtige Tochter der' Herodias vor Johannes Baptista
versucht zu haben scheint), — und das leiseste Anzeichen*) eines Reizes
zu sinnlicher Regung erklärte sie für unwürdig als Richter des Volkes
muy delgado y rico velo 6 toalla blanca, en que escopitssc y ellos postrados ö de ro-
dillas res^ibian ac^uella saliva, quel Bogota despedia 6 alcangaba, como una cosa santa
y preciossa, pero no miraban en esse tiempo en la cara del Bogota, sino volvian la ca-
bega 6 otra parte, hasta que avia escopido aquel grand principe (Oviedo).
*) Bei den Guaicanes herrschte der Brauch, que quand leurs caciques fönt leur neces-
sitez, ceux qui sont autour de lui tendent la main pour recevoir cette ordure (s. Coreal).
') Duo stercora asini a diutumitate temporis in lapides conversa, quo Christus vectus
est in Hierosolymam , ex itinere isto ab eo rejecta , obtuUt Beckae Priorissae in Fretels-
heim (bei Leibnitz).
') Dabei galt um so weniger eine Stellvertretung oder Ausnahme zu Gunsten hoher
Geburt (wie etwa bei den Türken, wo der Sultan am Raniadhan - Fest einen frommen
Moslim für sich fasten lassen mag), da gegenthcils Verbrechen und jede Uebertretung
der Religionspflicht um so härter bestraft wurde, je höher der Angeklagte in der Gesell-
schafts - Scala stand , da er sich um so weniger durch Abweichung vom Tugendwege
hätte erniedrigen sollen.
♦) Statt solcher Demonstratio ad oculos begnügt man sich in Rom mit mündlicher
Beantwortung jener vier Fragen, welche es die Praxis angezeigt hatte, dem Bischof vor-
zulegen, ehe seine Ordination gestattet war (s. Mabillon).
Bastian: America. I. 20
306 COLUMBIEN.
ZU fungiren und unpartheiisch über kitzliche Rechtsfragen zu ent-
scheiden.
Als Fürsprecher bei dem Himmel, um seine Gunst in richtiger
Regelung der Jahreszeiten, dem sündigen Lande zu erhalten, galten
unschuldige Kinder, und solche wurden von reisenden Kaufleuten in
einem fernen Walddorf aus einer (durch die gastliche Aufnahme des
einst dort durchgezogenen Propheten) dafür privilegirten Familie
aufgekauft und zum Verhandeln in die verschiedenen Provinzen ver-
führt, um dort als Mojas in dem Tempel, unter halbgöttlichen Ehren,
aufgezogen zu werden. Wenn dann im Aufwachsen die ersten
Zeichen der Pubertät hervortraten, wurden sie als Guesa oder Weg
(der Eingangspforte zum Himmel) geopfert, der Gott dem Gott, und
ihr Platz durch andere der heiligen Kindlein ersetzt. Für Alles
das finden sich, unter der einen oder andern Verkleidung, Analogien
in sämmtlichen Theilen der Welt, wo immer religiöse Gefühlsstre-
bungen zu theologischen Dogmen ausgetüpfelt sind, und schon bei
den Naturstämmen liegen die Keime für dasjenige, was bei einge-
schlagenen Irrwegen, oft unter . grausigen Entstellungen aus über-
künstelten Culturvölkern später entgegentritt.
Durch die am Berge aufsteigenden Strassen Bogota's gelangt man
ausserhalb der Stadt zur Capella de Egypto (unter dem Kloster auf
dem Guadelupe, neben Montserrat^) und von dort blickt man jen-
seits der Stadt über die Savana bis zu den umziehenden Randgebir-
gen. Auch von verschiedenen Theilen der Stadt geniesst man, bald
im weiteren, bald im engeren Umfange, das ähnliche Schauspiel, ynd
von den Fenstern der Gesandtschaft hatten wir gerade den schneeigen
Kegel des Tolina*) vor uns, durch die Kuppen des Paramo de Ruyz
mit der gestreckten Mesa de Herveo^) oder Erveo verbunden, so oft
sie sich an klaren Tagen am Horizont abzeichnet.
*) Die Capelle dieses Berges (521 M. über Bogota) ist nach der heiligen des Berges
bei Barcelona genannt und auch Guadelupe hat ausser auf diesem Berge (3255 M. oder,
über Bogota, 610 M.) viele Ableger in America gelassen. Das Fest U. L. F. von Gua-
delupe ist Patrocinium für das ganze ehemals spanische Südamerica (von dem Wallfahrts-
ort bei Mexico). Das Bild von Xueslra Sefiora de Guadelupe .(h*^^ Guadelupia oder
Aquae Lupiae in Estremadura) war während der Pest von Gregor III. in seinen eigenen
Händen bei der IVozession umhergetragen und dann dem Erzbischof Leander von Sevilla
überschickt, während der saracenischen Zeit aber von einem Priester in einem Marmor-
Grabe verborgen gehalten, bis es dort später von Hirten wieder aufgefunden wurde.
') Es zeigte sich dann am Horizont Bogota's ,,la Gran Sierra nevada de Quindio." La
masa conica de Tolima la termina por el Sur, y la Mesa del Herveo por el norte. Entre
estas dos montafias estd el paramo de Ruiz, que no esotra cosa que una sierra erizada ue
puntas diferentes y caprichosas, de las cuales unas tocan el termino inferior de la nieve,
otras lo pasan, y en fin otras no llegan ä el (s. Caldas),
•) Etwa Hervidero (wie der Hervidei^ '''» t^'«^«*« \n Nicaragua).
suACiii. 307
Der Character eines alten Seebeckens, das auf dieser Hoch-
terrasse lagerte, bekundet sich überall und die Mythe lässt die Ent-
wässerung (eine Analogie zu Mandjusri's') Schwerthieb) durch Bochica
geschehen, an dem Wasserfall von Tequendama, den ich in den
ersten Tagen meines Aufenthalts besuchte.
Wir ritten durch die von Randgebirgen umzogene Savana, über
die niedrigen Wellungen kahler Hügelerhebungen, an deren näherem
Zusammentritt Suachi (der Fundort der Mastodonten-Knochen) liegt.
An Wasserlachen führt der Weg über ein unebenes Terrain mit
Mergelbänken, und sahen wir dann ein im niedrigen Hügelkranz
geschlossenes Thal mit abfallender Neigung (nach Fusagasuga zu),
wo wir bei der Venta der Puente grande unsere Thiere einstellten.
Zu meinem nicht geringen Erstaunen bemerkte ich bald, dass hier
an Ort und Stelle dieser grösste Löwe Bogota's, der es über den
ganzen Globus berühmt gemacht hat, kaum recht bekannt war,
wenigstens nicht als ein solcher. Wie ich nachher hörte, gehen die
Besuche, die sich in der Hauptsache auf einzelne Sonntagsparthien
aus Bogota beschränken, von Suachi aus, wo allerdings einige Vor-
bereitungen für die Besichtigung getroffen sein sollen, hier in dieser
noch näher liegenden Venta schien man indess nicht recht zu ver-
stehen, um was es sich bei meiner Absicht handle.
Als ich von dem Wasserfall sprach und wiederholt den Namen
Tequendama nannte, meinte ßiner der Beisteher schliesslich zu be-
greifen, auf was ich hinauswolle, und bot seine Führung an, der ich
folgte. Wir gingen über die Felder auf eine der Venta gerade
gegenüber liegende Schlucht zu, woraus eine ungeheure Dampf-
wolke emporstieg, in welcher ich bereits die heissen Dünste der
Tiefthäler vermuthct hatte, mit denen durch den Absturz des
Wasserfalles eine directe Communication zu der kälteren Luft des
Hochplateau's geöffnet ist.
Als wir nun an den Fuss dieser Schlucht gelangten, brachte mich
der Führer zu einem Wasserbache, den man aufgedämmt hatte, um
das Rad einer Zuckermühle zutreiben, und das war sein Wasserfall,
der meiner Bewunderung, und grö.sserer Verwunderung, frei gestellt
wurde. Indess lag doch bereits ein Zusammenhang mit meinem Ziele
vor, denn die Hacienda dieser Zuckerfabrikanten hiess, wie sich auf
meine Erkundigungen ergab, Tequendama, musste also in näherer
Beziehung zu dem Wasserfalle stehen. Als ich mich genauer über
') Als christliche Analogie dieses Bodhisatwa würde sich St. Majolus ergeben, der
durch sein Gebet ein Sumpfinnd austrocknete.
20*
308 COLLTMIHEN.
das Terrain orientirt hatte, fand ich, hier die Confluenz der beiden
Flüsse vor mir zu haben, den Bogota und den Agua Clara, durch
welche der Durchbruch hergestellt ist, und ich konnte» so den Eintritt
der aus der Hochebene gesammelten Gewässer bis zu ihrem Eintritt
in die in Wolkendampf gehüllte Schlucht verfolgen. Da die schon
späte Stunde Weiteres nicht erlaubte, besichtigte ich die übrigen
Theile der Hacienda und traf dabei mit den Eigenthümern derselben
zusammen, von denen ich genauere Nachweisung über den besten
Weg zum Fall erhielt.
Als wir am nächsten Morgen die Thiere fertig machten, langte
bei unserem Wegehaus eine Truppendivision an, die in der Nacht
von Bogota abmarschirt war und nach kurzem Aufenthalt nach Fu-
gasuga weiter ging, um eine dort ausgebrochene Revolution zu unter-
drücken. Der Führer, den wir noch am Abend vorher engagirt
hatten, hielt sich Anfangs verborgen, um nicht etwa von den Sol-
daten aufgegriffen zu werden, schloss sich uns aber auf dem Wege
an, und zeigte sich besser informirt, als der gestrige.
Jenseits der Hacienda stiegen wir an dem Rio de Aguas ciaras
auf, (an dem nach Mesita in Tierra caliente führenden Weg), und dann
hinab zum Rio de Bogota, längs der Ufer folgend, und unter ge-
legentlichen Absenkungen emporgehoben. Nach dem Eintritt in den
Hügelauschnitt fliesst der, vorher träge, Fluss theils ruhiger, theils
in Wasserschnellen, durch ein enges Schluchtenthal, zwischen den
anfangs kahlen, dann mit Wald bestandenen Hügeln, an welchen
schroffe Felsen anstehen, und Felsblöcke auf den Abhängen umher-
liegen. Jenseits zeigen sich höhere Felsenberge, und an verschiedenen
Stellen schieben sich schroffe Felswände vor. Nach einer Einengung
zwischen Felshügeln, wo der Fluss unter uns in Cascaden über Fels-
gesteine braus't, gewinnt das Thal wieder einige Breite , bis eine neue
Verengerung folgt, bei welcher sich ein Sumpfpfad (neben dort bear-
beiteten Kohlengruben) seitlich 'abzweigt, und dann in den Wald
leitet, wo das Getöse des Wasserfalles aus der Ferne hörbar wird.
Ein enger Weg führte stellcnweis am Abgrund hin, und da mein
Sattelthier unterwegs ein Hufeisen verloren hatte, kam es viel-
fach ins Glitschen. Doch war es bald mit dem Reiten überhaupt
vorbei. Nachdem die Maulesel auf einem morastigen Wiesen-
fleck zurückgelassen waren, begannen wir zu Fuss das steile Abstei-
gen, meist zwischen Gebüsch, dann über durcheinander geworfene
Felsblöcke, bei deren steilem Abfall sich ein kleiner Vorsprung bietet,
mit einem freien Blick auf den majestätischen Wasserfall gegenüber.
TEQUENUAMA. 309
Aus einer niedrigen Walderhebung sieht man über sich den Fluss-
streifen hervortreten , der dann zwischen drei Felszacken auf eine
niedrige Terrasse fällt, und von ihr, in eine Schaummasse aufgelöst,
gigantischen Lakenfaltungen vergleichbar, in den durch eine unter-
brochen steile Felswand gebildeten Abgrund hinabstürzt, wo er in der
Tiefe, aus welcher der Wassergischt sprühend wieder aufspritzt, sich
in den Windungen seines zwischen Felsen eingeengten Weiterflusses
hier und da aus der düsteren Vegetation hindurch erkennen lässt. Die
früher in masslosen Uebertreibungen angegebene Höhe des Falles
wurde durch die Messungen von Gros und Acosta (1840) zu 449 Fuss
bestimmt, ziemlich übereinstimmend mit den Angaben Humboldt's,
der in dem die horizontalen Schichten des Kalkstein s (neben dem
auf Thonunterlagen ruhenden Sandstein) durchbrechendem Querthal
eine geologische Grundlage der an den Wasserfall geknüpften Mythen
andeutet.
Bei der Rückkehr öffnete sich der zur Umkränzung der Rand-
berge schweifende Blick, auf die, bis zu den Erhebungen von Suachi,
angebaute Savana, durch welche der Rio de Bogota in scharfen Win-
dungen hinfliesst und darauf, an die Hügelreihen gelangt, sich erst eine
Zeit lang längs dieser hinzieht, bis er, Felsgestein umströmend, in den
Ausschnitt eintritt und dort für seine weiteren Schicksale verschwindet.
Die Communication Bogotas mit der Küste ist eine umständ-
liche. Entweder muss der lästige und langwierige Weg gewählt
werden, den ich vom Pacific heraufkam, (und der allerdings für einen
Punct in dem Richtweg durch den Quindiu abgekürzt werden kann),
oder man ist auf die Dampfschifffahrt von Honda bis zum atlan-
tischen Meere hingewiesen. Diese ist allerdings ein grosser Gewinn
im Vergleich zu den früheren Bootfahrten, die, den Fluss aufwärts,
noch zu Humboldt's Zeit zwei Monate oder mehr in Anspruch neh-
men mochten, bleibt indess immer eine unzuverlässige, denn auch jetzt
mag bei ungünstigem Wasserstande ein Monat, und selbst der zweite,
darauf hingehen, während, wenn Alles nach Wunsch abläuft, die
Thalfahrt in einer Woche oder weniger zurückgelegt werden kann.
Das Dampfboot, welches ich bei Honda traf, hatte damals bereits
einige Wochen mit Warten auf die Abfahrt verloren, und wurde
dann noch für ein paar Wochen länger festgehalten. Man findet sich
deshalb bei der Abreise von Bogota stets in der quälenden Unge-
wissheit, ob man nicht vielleicht in Honda die kostbarste Zeit zu
verlieren haben werde, obwohl dann bei dieser Thalfahrt im Nothfall
wenigstens der Ausweg bleibt, ein Boot zu miethen, mit dem man
den Fluss abwärts keinen grossen Aufenthalt zu fürchten haben wird.
310 ' COLLMBIEN.
wenn Alles regelmässig geht. Auf dem Papiere sind die Abfahrts-
zeiten der Dampfschiffe für bestimmte Tage angesetzt, und da mir
bis zum nächsten noch einige Zeit in Bogota zur Verfügung blieb,
beschloss ich einen Besuch in Tunja, dem classischen Fürstensitzc
der alten Chibcha's, als Residenz des Zaque.
Da ich meinen Burschen, dessen Landeskenntniss in Bogota (oder
schon vorher, beim Ausritt aus Antioquia) zu Ende war, für seine
Rückkehr nach Palmyra verabschiedet hatte, nahm ich einen neuen
Führer an, in Gestalt eines alten Postboten, von dem sich also vor-
aussetzen liess, dass er jeden Steg und Weg auf dem vielfach von
ihm durchstrichenen Terrain kennen würde.
Nachdem mit Hülfe Herrn Harassowitz' Alles vorbereitet war,
ritt ich um Mittag (Januar 31.) von dem Hause des Herrn Ministers
ab, und zwar mit Maulthieren, denn obwohl man sich der strengen
Etiquette Bogota's gemäss, auf solchen innerhalb der Stadt eigentlich
nicht sehen lassen darf, hielt ich mich als Fremder doch weniger
daran gebunden, zumal auch Nebenstrassen gewählt werden konnten.
In den wirklichen Bergländern Südamerica's weiss man das Maulthier
vollauf zu würdigen, und steht es auch dem Geldpreise nach, bei
bester Qualität, in höherer Schätzung als ein Pferd, da nun aber die
nächste Umgebung Bogotas eine Ebene ist, auf der die Cockneys ihren
Sonntagsritt zu Pferde machen können, blicken sie bereits wieder ver-
ächtlich auf das dem nützlichen Esel näher stehende Maulthier hinab.
Jenseits der Stadt zogen wir durch die baumgrüne Sabana mit
den Höhenzügen ihrer Randberge, die sich vor uns in einander, oder
doch näher zusammenschoben. Nach dem Passiren des Rio Patin,
ein Nebenfluss des Sopo, der in den Bogota mündet, sahen wir rechts
den Weg nach Guatavita*) abbiegen und an dem Randgebirge empor-
steigen, das diesen heiligen See auf seinen Gipfeln trägt, aus dem sich
die für die geographische Entdeckung Südamerica's so folgenreiche
Mythe vom Eldorado über ungeheure Femen verbreitet hat. Etwas
niedriger liegt die Lagune von Suesca, die beim Anschwellen durch
die Quebrada von Tibusaneque in den Funzha abfliesst.
Der vorspringende Punct des Tocar wurde zwischen zerstieuten
*) En la Tacunga tomö Luis Da^a un Indio Esirangcro, que dixo scr de una gran
Provincia, Uamada Cundirumarca, sujeta a un Poderoso Stüor, que tuvo dos Afios pasa-
dos una gran Batalla con cicrtos Vecinos buyos, muy valientcs, llamada> los Chicas, que
|)or haverle puesto en mucho aprieto, havia embiado a este y h otros mensageros a pedir
ayuda h. Atahualpa, und nach der Gefangennahme dieses in Caxamalca war er mit Vrm-
minavi nach Quito gekommen (s. Herrera). Die vom Guatavita mit den Chibchas (Chi-
cas) geführten Kriege sind aus der Ueberlieferung im El Camero bekannt (durch Fresle).
CHOCONTA. 311
Felsblöcken überschritten, und links erschien Chia, (der Stammesheerd
der Fürstcnfamilic des Zipa), am jenseitigen Randgebirge. Die Le-
guas sind hier kilometrisch abgesteckt und bedeutend kürzer als in
Antioquia, wie sich auch mit Ecuador und Peru vielerlei Verschieden-
heiten finden. An der Brücke del Comun, über den Sopo in der
Ebene, zieht sich ein steinig sandiger Weg über die Ausläufer des
Randgebirges, längs bebauter Höhen, und bei dem Hervortreten des
Wallfahrtsortes Chipaquira in der Ferne gelangten wir, an Wasser-
lachen vorbei nach dem Wegehaus am Puente del Sopo, das zum
Nachtquartier ausersehen war. Der Sopo, einer der Quellzuflüsse
des Rio de Funza (oder Bogota), wird in der Mythologie der Chib-
chas unter denjenigen Berggewässern genannt, welche Chibchacum
anschwellen lässt, um die Säbana mit der Wasserfluth zu bedecken.
Am nächsten Morgen passirten wir die Brücke, unter welcher
der Sopon braust, und ritten dann über eine flachgewölbte Sabana
längs der Höhen, in welche die Kranzgebirge mit verschiedenen Reihen
ausliefen. Am Rande hin gelangten wir zu den Dörfern Tupo-Zipa
und später Altan-Zipa, mit Gruppen von Kuppelhügeln, dann über
die bebuschte Steinhöhe des Alto de la Laja in ein umschlossenes
Thal niedersteigend. Sequila liegt rechts am Fusse der Berge, wäh-
rend links, jenseits der Ebene, Suesca an ihrem Rande erscheint,
einst eine viel umstrittene Mark (in den Kämpfen der Rivalstaaten
um die Hegemonie).
Durch die in engem Kreis umschlossene Säbana erreichten wir
die Brücke des Hato-viejo und stiegen an dem Abschluss auf, über
nackte Berge mit spärlichem Grün. Ueber wellige Erhebungen zur
Höhe gelangend, blickte man zurück in das Thalbecken, während
vor uns zackige Gebirgsreihen emporstiegen. In ein enges Thal
niedersteigend, trafen wir aufs Neue den Rio Hatoviejo und folgten
längs der schmalen Niederung an den Hügeln dem Wege, der bei
einer Windung in den Flecken Choconta eintritt, die in den Feld-
zügen der Zipa und Zaque vielgenannte Festung.
Nach einer Rast in der dortigen Posada ritten wir über theilweis
bebaute Ebenen, die wellig fortrollten zu kahlen Hügeln, und dann
ansteigend, entlang dem Flussbett des Hato viejo.
Der Bursche hatte mir bereits mehrfach sein Bedenken über die
Sicherheit des Weges geäussert, und bald nach dem Ausritt aus der
Posada, wo allerlei Verhandlungen vorgegangen waren, wurden wir
ausserhalb der Stadt durch eine Parthie Berittener überholt, die
mitten zwischen uns hindurchjagten, bei der Rückkehr die Thiere
312 COLUMBIEX.
nochmals auseinanderschoben, und dann an einem Trinkhause am
Wege anhielten, um sich für Weiteres zu stärken. Ich nahm das
Aussehen an, als ob ich in dem Benehmen nichts Auffälliges be-
merkte, und nur als bei einer neuen Carambolage einer der Ritter
mit mir in persönliche Berührung kam, deutete ich mit ein paar
gleichgültig, aber entschieden gesprochenen Worten darauf hin, dass
es mir lieber sein würde, wenn wir die geeignete Distanz hielten.
Wir fanden die Gesellschaft noch einige Male an einsamen Stellen des
Weges auf uns warten, wo sie uns vorbei passiren Hessen, um dann
wieder voran zu reiten, und da es besser schien, die Dunkelheit zu ver-
meiden, kehrte ich beim Herannahen derselben in einem Wegehause, dem
Pucblo Hato viejo gegenüber ein, um dort die Nacht zu verbringen.
Mala gente, mi amo, sagte der Bursche, der sich sehr zufrieden
zeigte, dass die Sache ohne weitere Zuspitzung verlaufen wäre, da
diese zum Theil bekannten Rowdies, aus kleinen Landbesitzern der
Umgebung, es darauf angelegt haben konnten, einen Streit zu pro-
vociren, unter dessen Entschuldigung, und dann im Wortwechsel ge-
steigertem Muth, sie eine beiläufige Gelegenheit zur Bereicherung und
einem Raube hätten finden können, an dessen gewerblicher Ausübung
sie sich noch durch Gewissenszweife im Ehrenpuncte behindert fühlen
mochten. Vielleicht wurden sie auch durch das Gepäck enttäuscht,
das sie beim wiederholten Vorüberreiten ihren Inspectionen unterzogen,
da ich darauf hielt, ihm stets ein unscheinbares Aeussere zu geben,
und diesmal ohnedem der grössere Theil in Bogota geblieben war.
Die Beschaffung des Futters bot an dem gewählten Rastplatz
einige Schwierigkeit und ausserdem musste ein Reitthier in Cur ge-
nommen werden, das an dem einen Fusse, in Folge von Hufspal-
tungen, zu lahmen begann.
Am nächsten Morgen (Februar 2.) fanden wir uns mit dem
Frühesten auf dem Wege, längs des Rio Hato-viejo und dann an den
Höhen ansteigend, mit einem Blick auf verworfene Hügel, hinter
welchen das dreizackige Gebirge von Tumieque (neben Pesca) sich
erhebt. Längs des Flusses Las Pilas, ein Nebenfluss des Hato-viejo
gelangten wir auf kahle Hügel mit hervorstehenden Steinen zwischen
Grün. Der Ansteig ging fort über wellige Höhen, zwischen Busch
und Gestrüpp mit Haidekraut, zum Paramo von Ventaquemada. Jenseits
erschien in der FemeBoyaca (Bolivar sRuhm verkündend) und, in der an
der Bergwand heraufgezogenenThalhöhlung das Pueblo Ventaquemada.
Abwärts längs einer hinstreifenden Berg\vand mit zackigen
Spitzen, erreichten wir den Fluss Albarazin, der durch den Upia
15EGUÄBNISS. 313
zum Mcta flicsst, so dass hier die Wasserscheide zwischen Magda-
lena und Orinoco gekreuzt war.
Nach Einschlagen eines Richtweges über einen alten Pfad, der
jedoch theilweis durch Verhaue unwegsam gemacht war, kehrten wir
zu der Strasse zurück, und stiegen durch schräg geneigte Ein-
schnitte in den Felsen hinab, zum Flecken Ventaquemada , wo wir
die Casa de assistencia indcss geschlossen fanden, da der Eigenthü-
mer derselben der Messe beiwohnte, und die Functionen ihn noch
längere Zeit entfernt halten konnten. Wir gingen deshalb weiter zu
einem Landhause ausserhalb, um Futter für die Thiere zu finden,
Auf offener Bahre wurde, im langen Zuge seiner Verwandten und
Freunde ein Todter vorbei getragen, um in der Kirche des Ortes
eingesargt und beigesetzt zu werden.
Bei einem früheren Aufenthalt in Peru bemerkte ich den Ge-
brauch in einer Franlciscaner-Kapuze zu begraben, der vielleicht auch
jetzt noch bestehen mag, da er in der katholischen Kirche alt ist,
und obwohl durch das Cohcil von Basel beseitigt, in Südamerica von
den zahlreichen Klöstern der Franciscaner-Mönche es erneuert wurde ,
um ihre Beichtkinder in's Paradies einzuschmuggeln*). Im Grundeist
es nicht St. Peter, der in seiner Thürdienststelle dadurch getäuscht
wird, sondern St. Franciscus selber, der, wenn er seinen jährlichen
Besuch im Fegefeuer abstattet, alle die er in grauen Mönchskutten
liegen sieht, für die Seinigen hält und mit sich fort nimmt. St. Peter
weiss wahrscheinlich nichts von diesem frommen Betrug, weil er mit
seinem, im Dienste Rom's stehenden Schlüssel, schwerlich auf die
von einem Bettelmönchorden ausgehende Anordnung hin sich zum
Oeffnen verstehen würde. Im Uebrigen scheint es verständiger, sich
in dem, dem Ordensgeneral der Carmeliter (Simon Stock) übergebenem,
Obergewand der heiligen Jungfrau (deren Hemd und Unterkleid in
Aachen ausgehängt ist), begraben zu lassen, da man dann wenigerlange
(eine Woche blos) zu warten braucht, als bei dem jährlich nur einmal
wiederholten Besuch des heiligen Franciscus. Der Preisunterschied wird
kaum ein erheblicher sein, und es kann sich nur aus der geistlichen
Indolenz erklären, dass man sich selbst über ähnliche, das gesammte
Schicksal der Zukunft betreffende Fragen nicht genauer unterrichtet
und Einige sogar 6cxx) Pesos zahlen, um sich in Lima hinter dem
^) Morientes in profcssione et habitq Ordinis Minorum ultra annum, non passuros in
poenis Purgatorii , quoniam B. Franciscus ex divino privilegio quotannis ad Purgatorium
descendit, suosque omnes ad Coelum dedudt (XII. Jahrhundert), durch das Concil von
Basel ausgemerzt (aber in Peru wieder erneuert).
314 COLUMBIEN.
Altar bei den Augustinern begraben zu lassen, während doch schwer-
lich aus den Actenstücken eine Bulle aufzustöbern sein wird, um
hierfür im jüngsten Gericht als Document angeführt zu werden. Da-
gegen hat für das Scapulier bereits der Unfehlbzre gesprochen.
Nach der Bulla sabbatina (Johann s XXII.) befreit die heilige Jung-
frau alle die, welche ihr Scapulier (des Ordens zum Berge Carmel)
getragen, am Samstag nach ihrem Tode aus dem Fegefeuer, und
Bouvicr, der früher die Aechtheit dieser Bulle anzweifelte, hält es
für seine Pflicht, dasjenige zu widerrufen, was in den ersten beiden
Ausgaben des Werkes über diesen Punkt gesagt sei (1844).
Bouvier dürfte im Ganzen als eine gute Autorität anzusehen sein,
da sein Werk bereits 1838 in der siebenten Originalausgabe (von den
Nachdrücken abgesehen) erschienen ist, und er könnte also denen
zum Studium empfohlen werden, die sich über diese Gegenstände
vor einem Besuche Südamerica's zu unterrichten wünschen sollten.
Es herrscht dort, wie schon der rege Ablasshandel beweisst, eine
im Allgemeinen stricte Frömmigkeit und so verlangt man auch von
dem leichtfertigen Fremden einige Decenz. Wenn das die Erhebung
der Monstranz in der Messe begleitende Läuten gehört wird, fällt
Alles, im Haus oder der Strasse, auf die Kniee, oder entblösst
wenigstens das Haupt. Da das letztere an warmen Tagen auch sonst
häufig ein Bedürfniss ist, pflegte ich dieses in Quito immer besonders
zu jener Zeit zu empfinden, um zwei Zwecke zu vereinigen. Wenn
es sich indess nicht rasch genug fühlbar machte, habe ich mitunter
das grollende Murren einer auf dem Strassenpflaster koieenden Bet-
schwester über den Ketzer anhören müssen.
«
Im vorigen Jahrhundert gab man solchen Namen der Ketzer*)
oder Häretiker in Cuenca „ä tous ceux qui ne portent pas une Rosaire
pendu au col" (s. Condamine), und da bei der Ermordung des französi-
schen Chirurgen Seniergues bereits die ominösen Rufe gehört wurden,
hätten sie leicht zu der weiteren seiner gelehrten CoUegen führen
können, die (obwohl gute Katholiken) keine Rosenkränze getragen zu
haben scheinen. Da wäre Nuestra Sefiora del Rosario anzurufen ge-
wesen, die Nebenbuhlerin*) von Nuestra Sefiora de las Mercedes und
*) ,,Wer zu Rom nur kein KeUer ist, dem schaden allda kein Sünden", heisst es im
Volksmund (Leistner), aber anders in Clemargis' Liber de comipto ecclesiae statu (1414).
*) Blutiger war die Rivalität in Mexico zwischen Unserer lieben Frau der Remedios
und Unserer lieben Frau von Guadelupe, die auf den Fahnen der Godos und Patrioten in
der Schlacht einander entgegen getragen wurden. Dagegen erschien die heilige Jungfrau
von Guapulo bei ihrem Fest in Quito in der Uniform des General-Capitain's, zu welcher
Würde sie von dem König von Spanien (seit der Bitlschrift 1797) ernannt war.
ROSENKRANZ. 315
Nucstra Seftora dcl Socorro im Streit um den Vortritt bei der Fun-
cion im Jahre 1643 0^^ Santiago).
Hinsichtlich des Materials sind die Bestimmungen ziemlich genau,
doch bleibt manche Auswahl. Nach dem Beeret der Congregation
(1820) dürfen Rosenkränze aus leicht zerstörbarem Stoff nicht bene-
dicirt werden, wohl aber, wenn aus festen Glas- und Crystallkörnern,
wogegen in Rom gläserne und crystallene Rosenkränze, wenn auch aus
compacter Masse, nicht zur Benediction vorgelegt werden dürfen (1844).
Ist man dann mit dem Rosenkranz einmal vertraut geworden, so
kann man ihn noch zu mancherlei Dingen benutzen und die Limefiier
zählten in allen Dingen und bei jedem Vorhaben auf den Rosen-
kranz, — „cette pieuse invention de Saint Dominique Guzman, laquelle
ils croyent descendue du ciel", — selbst, wie Frezier zufügt: „aussi
pour la reussite de leurs intrigues amoureuses." So wird sich die kleine
Auslage für dieses bei der vielfachen Concurrenz ziemlich billige
Möbel schon bezahlt machen, besonders bei der nachgiebigen Sym-
pathie der peruanischen Geistlichkeit*). Nach dem Heiligenkalendcr
reichen ohnedem die Liebeleien über die Erde hinaus. Nicht nur
wurde der heilige Hermann (Praemonstratehser) durch einen Engel
mit Maria vermählt, sondern auch die heilige Godeberta (f 700 p. d.)
mit Christus durch den Ring des heiligen Eligius und (nach Petrus
de Natalibus) Catharina AI.
Eine besondere Aufsicht erfordern die, während der Kreuzzüge
aus dem Orient nach Europa gekommenen, Rosenkränze schon ihrer
verdächtigen Herkunft wegen, da sie sich zurückverfolgen lassen
bis zu jenem Lhassa, wo nach dem durch persönlichen Einblick ge-
schärften Urtheil französischer Missionäre der böse Feind sein
äffisches Possenspiel mit dem heiligen Papstthum treibt. Und auch
innerhalb der Heerde selbst scheint es gerade in den den Rosen-
kranz und seinen Ablass betreffenden Fragen unter jenen Vexirmasken
zu spuken, in welchen nur das geübte Auge den Teufel von dem
als heilig Approbirten zu unterscheiden vermag, und ergiebt sich
*) ,,La raayor parte de los desordenes ö todos los que ce cometen en los fandangos
disolutos" in Peru fanden ihre Urheberschaft in den Geistlichen bei Anwesenheit Ulloa's,
der es desshalb auffallig finden darf, ,,no solo el que las personas de un estado como cl
religioso concurran inconsideramente a los escandolos de los reglares, mas t^ue sean ellos
los que en aquella manera los inventan, y los que dan la norma a los demas para tener
una vida tan perdida y desastrada." Den Grund findet er in der Heiligkeit der Kirche,
die nicht durch weltliche Gerichtsbarkeit verletzt werden darf, in ,,la confianza pues y la
ibertad de que ninguna justicia tendrd atrevimiento para entrar en estas casas" (die in
Bordelle verwandelte Häuser der Geistlichen). Fiamma dal ciel su le tue treccia piovc,
Petrarca's (über den päpstlichen Hof in Avignon).
316 COLUMBIEN.
dafür Manches in den Streitigkeiten der Dominikaner mit den Fran-
ciscanern, die ihre Schutzpatrone') immer höher und höher zu schieben
wusstcn: Gelobet sei die heilige Dreifaltigkeit — die uns den heiligen
Ablass geit Jesus, Maria, Franciscus (bei Cochem).
Während und nach dem Frühstück sprachen Reisende oder
Nachbarn in dem Hause vor, und wurde gesprächsweise manche
Notiz über die Alterthümer der Umgegend erlangt, besonders in
Betreff der Ramiriqui's, der ältesten Hauptstadt des Landes, nach
deren an dem Berge angedeuteten Lageort ein directer Weg von
Ventaquemada fuhrt.
Beim Aufbruch stiegen wir empor mit seitlichem Blick auf die
fernen Berghalden Turmeque's (einst eine Markgrafschaft des Zaquc
gegen den angrenzenden Zipa) und passirtcn in aufgewirbelten Staub-
wolken den Alto de la tierra negra. Gegenüber dringt der Einblick
in geöffnete Bergreihen, in der Ferne von nebliger Hochwand be-
grenzt, während davor eine steile Gebirgswand sich in der Quere
zwischenschiebt, ihre Quellen zum Meta sendend.
Von welliger Hochebene stiegen wir hinab zum Rio Boyaca,
welcher auf einer Brücke überschrittene Nebenfluss des Meta mit
seinen Wassern ein zerklüftetes Thal durchbricht. Aufsteigend
wenden wir uns um schroffe Felshügelspitzen und dann über Hügel-
abfälle hinab. Beim neuen Aufsteigen kreuzten wir den rechtshin
abgezweigten Seitenweg nach Sogamoso (dem altgeheiligten Priester-
sitz) und gelangten neben moosig -grünen Höhenreihen nach dem
Paramo Casedon.
Den Windungen des Weges auf der Höhe folgend, öffnete sich
bei einer Biegung desselben der Blick auf ein flaches Steinthal, in
muldenförmiger Höhlung, wo in der Ferne Tunja sichtbar wurde.
Von dem Bach Moral, der mit dem Gallinazo vereinigt zum
Rio de Sogamoso fliesst (also in dem Wassergebiet des Magdalena),
windet sich der Weg an den Bergen abwärts, hin nach Tunja am
steinigen Hügelabhang.
An der Plaza lag die Casa de assistencia y posada, wo wir ab-
stiegen und suchte ich noch denselben Abend den deutschen Lehrer,
Herrn Holtschick auf, den Director der Escuela normal, durch den
ich mit Herrn Martin Guerra bekannt wurde. Derselbe erklarte mir die
Lage seines Hauses, als in dem Umfang des einst von dem Zaque be-
*) Qoand il n'y aurait que le livrc appele des Conformites de Li vic de S. Fraui^ois
i U vic de Jesus Christ qui en feist foy, il est toai evident, que le diable (s, Badios)
diese Nachahmung hen'orgenifcii hat ^inn Aujranus Frdn>:>.\:r.oniai .
ALTERTHÜMER. 317
wohnten Palastes fallend, dessen Haupttheil den Platz begriffen hatte,
auf welchem jetzt die in der Nähe liegende Cathedrale steht. Don
Martin Guerra war im Besitz der von Herrn Manuel del Castillo an
ihn übergegangenen Sammlung von Alterthümern der Chibchas, die
es mir nach längeren Unterhandlungen mit ihm, während meines
Aufenthaltes in Tunja, möglich war, für das Museum zu er
werben.
Nachdem ich am folgenden Tage dem Präsidenten des Staates,
Don Juan del Carmen Rodriguez, meine Papiere präsentirt hatte, wurde
ich von Herrn Holtschik und einem seiner Freunde, dem in der
Landesgeschichte wohl bewanderten Advocaten, Herrn Ricardo Mon-
ray, auf einem Ausfluge begleitet, für den mir ein Pferd geliehen
wurde, um meine Thiere ungestörter dem Ausruhen zu überlassen.
Ausserhalb der Stadt, auf dem Hügel, an welchem sie liegt,
finden sich auf einer abfallenden Felsplatte zwei kissenartige Steine
(los Cojines genannt) in runder Form, mit oben glatt abgeschrägter
Seite hervorgearbeitet, und nach Osten gerichtet. Sie gelten als
Betplätze, in der Richtung von Sogamoso,^) für den Zaque und sein
Königsgemahl, und sollen, nach Andern, auch zu Kindesopfern und
dem Blutsprengen unter den Strahlen der aufgehenden Sonne benutzt
worden sein.
Am Hügel ansteigend, von dessen Höhe wir auf das Thal zurück-
blickten, fand sich jenseits desselben, seitlich im Wege, ein Stein mit
rothen Figurenzeichen bemalt (an der Strasse nach Leiva). Weiter-
hin am Fusse eines steinigen Hügel's (Cafiada verde), liegt ein roh
für Säulenanfertigung behauener Felsstein, neben einem glatten, und
sonstigen Spuren von Bearbeitung zeigen sich an den dortigen Blocken.
*) In der Nähe des Flusses Ramiriqui finden sich verarbeitete Säulen (vigas del
diablo), die der Teufel dort gelassen, weil er die in einer Nacht zu bauende BrUcke (wie
übernommen warj nicht bis zum Hahnenschrei hatte vollenden können. In der Nähe der
Ruinen bei Leiva wurde am Eingang eines Grabes ein Indianer, mit einer Keule in der
Hand, sitzend gefunden, während im Innern eine Frau mit Kind begraben lag. Zwischen
Chiquinquiid und Saboya findet sich in einem abgeschlossenen Thal ein Steinweg, der
zu einem aus rohen Steinen künstlich aufgeführten Hügel führt, auf welchem Goldkrönen
und sonstige Alterthümer gefunden seien. Zwischen Ramiriqui und Viracacha findet
sich ein mit Zeichen beschriebener Stein , sowie bei Sutepelado ein roth beschriebener
u. a. a. O. Bei Nachgrabungen auf dem Tempclplatz von Sogamoso sind Holz und
Kohlen angetroffen. In der Nähe des heiligen Quelles, in welchem der Oberpriester (von
Sogamoso) badete, fand sich (bei den Ausgrabungen des Cura Rueda) ein Stück des
Tempel's in hartem Holz (ähnlich dem der Macana). Dem Nacken der Leichen in den
Gräbern in Sora war ein Napf mit Kohlen untergestellt. Sogamoso hiess von Alters her
Moniquira, wie der jetzt Infiemito genannte Platz zwischen Leiva und Moniquirä, wo
Steine zum Tempelbau hergerichtet wurden. Die Säulen Leiva's beschreibt Velez.
318 COLUMBIEK.
Von dort erscheint in ferner Gebirgslandschaft zwischen zwei
Höhenreihen der nebh'g hervorschauende Pik von Ibague, der den
heiligen See gleichen Namen's (jetzt der See von San. Pedro) trägt,
aus dem Bachue hervorgegangen, die Urmutter des Menschen-
geschlechts für die Chibchas. Neben dem See San Pedro sollen
sich noch zwei kleinere finden, die den Namen Ibague bewahren,
und wie Herr Monray, der in jüngeren Jahren einmal hinaufgeklom-
men, erzählte, scheint der obere See in einerSteinbeckenform den Gipfel
des Berges zu füllen. Selbst kühne Jäger nähern sich nur zögernd
dieser Stelle, die in ödester Stille in die höheren Schichten der Luft-
region emporragend, durch den Eindruck unbestimmt geisterhafter
Scheu unentweiht bleibt und doppelt gefürchtet, wenn die um den
Gipfel zusammengeballten Wolken in schreckhaften Gewittern her-
vorbrechen. Man darf die schweigende*) Luft dort nicht durch
Menschenrede unterbrechen, da schon ein Laut die Geister der Un-
wetter herbeirufen mag, und wenn man in das in Todtenstarre
ruhende Wasser einen Stein wirft, entstehen entsetzliche Hagelwetter,
noch mehr, wenn gar ein Schuss abgefeuert wird. Im See Tota
erschien der Teufel in Gestalt eines schwarzen Fisches (walfisch-
artig), von Andreas de Vargas gesehen (s. Piedrahita).
Wir hielten uns so lange auf, dass der Weg in der Dunkelheit
über das Felsgestein zurückzufinden war, bis uns die aus der Tiefe,
freilich nur vereinzelt, hervorleuchtenden Lichter Tunja's dorthin führten.
Am nächsten Tage begab ich mich mit Herrn Holtschik nach
dem Fusse des Vorhügel's derjenigen Höhe, auf welcher Tunja liegt,
und dort, durch eine überbrückte Quebrada, die zu der Zerklüftung
des Nuevo Mundo führt, abgetrennt, findet sich im Thal eine Sumpf-
• stelle, als Ueberrest des Pozo Donato, mit einem Abfluss nach dem
tiefem Theil des schräg geneigten Thaies, durch welches (in der
Nähe der jenseitigen Hügel) der Rio de las Gailinazas hinfliesst, mit
dem sich (an dem Pozo Donato vorüberfliessend) der Rio de la Vega
vereinigt, um den Sogamoso zu bilden.
An den (nach dem spanischen Besitzer später benannten) Pozo
Donato knüpft sich die einheimische Legende von der Verschüttung
der Chicha durch die, vor der Strafe ihrer Mutter mit dem in
Schwesterehe verbundenen Priester, Fliehende, und Hunsahua, der
älteste Heroen - Name der Chibchas führt, so zu den älteren Laches
>) ,, Unter der Haupt^udt Quito siedet und scheumct im Table Chilo ein Brunnen-
wasser, nachdem ein Mensch heller oder leiser reilet, und wan man ganli stille M:hweigel,
bleibet es unbeweglich stehen" (Dapper).
TUNJA. 319
hinüber, die ihren Cultus den Steinen zuwandten, und demnach vor
Allem solch heiligen Versteinerungen, wie sie hier statt hatten.
In Erinnerung an seine alten Cultusplätze ist Tunja auf eine neue
Auffrischung derselben bedacht gewesen, und so prangt auf einer
Höhe neben der Stadt eine Capelle der Virgen von Chiquinquira.
Wie diese Doppelgängerin dorthin gekommen und ob sie das Recht
dortiger Existenz besitzt, unbeschadet der Wirksamkeit des Origi-
nales, ist bereits mehrfach Gegenstand eines gelehrten Streites zwi-
schen den in Hagiologie und Teratologie Bewanderten gewesen.
Nach der vorwiegenden Ansicht scheint die heilige Madonna
von Chiquinquira ihre nicht mehr in der guten alten Zeit (gleich
dem unverwüstlichen in Aachen) angefertigten Gewänder so faden-
scheinig gefunden zu haben, dass eine totale Umkleidung geziemend
erschien. Da sich eine solche nicht gut öffentlich vornehmen liess,
habe man insgeheim das Bild in das Haus eines in Tunja sesshaften
Künstlers gebracht, der in der abgelegenen Strasse einer entfernten
Vorstadt wohnte und so mit der Jungfrau dort ungestört wirth-
schaften konnte. Damit indess in der Zwischenzeit der goldene
Strom der Pilgerfahrten nicht abreissen möge, habe man ein trüge-
risches Ebenbild*) an die leere Stelle des Altars gesetzt, unbeküm-
mert um das Seelenheil derer, die nun durch heidnische Verehrung
eines todten Holzes in den höllischen Abgrund sanken, statt in den
Armen der Göttermutter emporgetragen zu werden. Die Strafe blieb
nicht aus, denn das Bild in Tunja begann zu jungen, und für den
gewissenhaften Kritiker ist jetzt bei der künstlerisch hergestellten
Aehnlichkeit guter Rath theuer. Ob sich also in Chiquinquira das
ächte Original findet, oder das von dem Restaurator in Tunja ange-
fertigte Duplicat oder etwa das anfängliche Duplicat, und ob man
nicht vielleicht in Tunja das Original behalten, oder sich mit dem
Duplicat des Restaurators begnügte, als bei Rückgabe des Originals
das in Chiquinquira bereits eindressirte Duplicat entgegengenommen,
und ob das Original sich überhaupt an einem der beiden Orte, und
dann an welchem ? findet oder auch vielleicht an beiden, was für die
Wunder der Ubiquität ja Kinderspiel wäre, oder ob es sich etwa an
keinem der beiden finde, und anderswo! — oder nirgends, oder überall, —
alles das sind feingesponnene Fragen, die noch manchen Scharfsinn
abstumpfen mögen, und bis dahin wird es für die Gläubigen rathsam
*) Una pintura, que se encontro muy nialtratada en un paxar el afio 1586 por una
devota muger, llamacla Maria Ramirez, y sin haberla retocacio, colocö a renovarse (Alcedo).
Dies stimmt nicht mit andern Darstellungen.
320 COMiMRIEN.
sein, um sicher zu gehen, an beiden Orten Verehrung darzubringen,
oder noch besser, und auch bequemer freilich, an keinem von beiden.
Für actenmässige Darstellung kann ich hier übrigens nicht aufkom-
men, da ich nur aus der Erinnerung erzähle. Beim Zurückgehen auf
Namen heisst es, dass Antonio de Santana, der auf dem von Que-
sada erhaltenen Lande in der Nähe eines alten Tempels (wie es
auch bei dem peruanischen Pilgerort Copacabana geschah) die
Kirche Chiquinquira's baute, dem in Tunja lebenden Maler Narvaez
Auftrag zum Malen^) eines Jungfrauenbildes^) gegeben, und als dieses
abgeblasst geworden, trat plötzlich, während Santana's Nichte betend
davor knieete (im Jahre 1586) jene Restauration ein, welche auf Ver-
anlassung der Dominicaner Bogotas von dem Erzbischof Zapata de
Cardenas als Mirakel') bestätigt wurde, und an der Kirche ist seitdem
(bis 1823) fortgebaut.
Vom Pozo Donato ziehen sich sumpfige Stellen aufwärts bis zu
der in lauwarmem Wasser fliessenden, und mit einer Bade-Einrichtung
versehenen Fuente oder Quelle am Fusse der um Tunja herum-
geschlungenen Hügelkette.
In der Ferne blickt man auf die Umrisse einer wildromantischen
Gebirgslandschaft, die das heilige Thal von Sogamoso in sich birgt,
angelehnt an die Gebirgswand, welche die Wasserscheide des Ori-
noko abschneidet.
Dort liegt, auf einer selten genahten Höhe, da die gespenstisch
in der Einsamkeit verdünnter Luftschichten schweifenden Schrecken
gefürchtet werden, das weite Wasserbecken des Tota-See\s, dessen
*) Cochrane horte eine andere Darstellung, dass nämlich die Hütte der Indianerin, welche
das Bild der Jungfrau von dieser seihst erhalten, durch einen Sturm zerstört wurde, und
dass sich darauf der Pfarrer sogleich dahinhegeben ,,and with rauch trouble rescued the
sacred relic, piecemcal, from the ruins; no sooner wtre the diffcrent pieces deposited near
each other, than they flew togcther in a miraculous nianner and fornied a perfect picture
as before."
') Das Bild der Jungfrau in Cluadalupe wurde in einer Matte vom Himmel herab-
gereicht und durch den Indianer Juan Diego dem Bischof Juan de Zumarragua übergeben.
Das in der Abtei des heiligen Remigiiis (seit Chiodowig's Krönung) verwahrte Gel war
(nach Casaneus) durch eine Taube in einem Fläschchen vom Himmel gebracht.
') I^rga informacion se hizo de este milagro, por örden del Arzobispo Don Prai
Luis Zapata de Cardenas (über die Erneuerung des von Alonso de Narvaez gemalten
Bildes). Da die Papiere von Ancizar in Bogota (185 1) gesehen wurden, sind sie vielleicht in
dortigen Archiven noch zu finden und könnten von demjenigen aufgesucht werden, der
sein Seelenheil in Chiquinquira riskiren will. Es wird dort indess vor Bauernfängern
gewarnt, vor vagabundirenden Priestern, die den Reisenden am Wege abfangen, ,,cle-
rigos sueltos 6 curas errantes, que caen sobre Chiquinquira como gorriones sobrc semen-
teras (a recojer de los peregrinos el dinero)."
SOGAMOSO. 321
Grösse zu beschreiben, erzählt wird, dass zwei feurige muthige Rosse,
die in Folge einer Wette von entgegengesetzten Punkten losgelassen
seien, sich im Laufe desselben Tages nicht getroffen hätten.
Aus dem Tota-See fliesst auf der durch den Paramo von Gacha-
ncque und den Paramo de Pefla negra (bis zum Paramo de las
Cruces) gebildeten Wasserscheide der Upia zum Meta, und somit
zum Orinoco, während die übrigen Seenbecken durch den Suarez
oder Sogamoso zum Magdalena entleert wurden. In der Nähe von
Iza (bei Sogamoso) soll sich ausnahmsweise ein warmer Fleck finden,
wo Platanen wachsen (in der sonst kalten Umgebung), in Folge vul-
canischer Erhebungen und dadurch ausgebrochener warmer Quellen,
die das Klima milderten.
Als die Spanier oder Ochies, nachdem sie den kriegerischen
Suamos aus Iraca vertrieben, sich dem durch wunderbare Propheten-
P>scheinungen geheiligtem Tempel von Sogamoso näherten, dem
Sitz eines alten Priesterkönigthums, nach Art Melchisedeck's, gingen
auch' diese Gebäude (gleich denen Delphi 's beim Einfall der Gallier)
unter ihren beutelustigen Händen bald in Flammen^) auf, und in
diesen verbrannte, wie Acosta erzählt, der alte Xeque „6 sacerdote
con larga barba cana", und ähnlich hatte Cortez auf seinem Zuge
nach Honduras in den Tempeln die bei dem Flüchten der Bevölke-
rung allein zurückgebliebenen Priester angetroffen, die entschlossen
waren, mit ihren Göttern zu sterben, und die Ankunft jener gefürch-
teten Fremden erwarteten, wie die römischen Senatoren die Horden
des Brennus.
Darwin bei der Lagoa Marica von einer alten Sklavin erzählen
hörend, die auf der Flucht durch die Verfolger entdeckt, sich
durch den Herabsturz in einen Abgrund zerschmetterte, fügt hinzu:
„In a Roman matron this would have bcen called the noble love of
freedom, in a poor negress it is merely brutal obstinacy."
Unter den vom Hohenpriester Sogamoso's zur Wahl des Zaque
bestellten Kurfürsten führte der Herrscher von Tundama den Vorsitz,
>) Der Brand des Tempel's in Sogamoso dauerte wegen der Härte des Holzes fünf
Jahre :
V en cste tiempo nunca faltö humo
En el compäs y sitio donde estava,
und da kein anderer Schriftsleller widerspräche, müsse er, meint Piedrahita, darin Castella-
nos glauben, wegen seiner Zuverlässigkeit (mucho lo dcfiende su buen credito). Los
cimentaban sobre esclavos vivos (die Holzpfeiler des Tempel's), wie Juan Vasquez gehört
hatte (nach einer weit verbreiteten Sitte). Es prueba de la sumptuosa machina deste
famoso templo, el que todos los historiadores assegnran, que durö cinco afios entre sus
maderas el fuego (Zamora).
Bastian: America, t. 21
322 COLUMBIEN.
und dieser mit den Goatas, Chitagotos, Serinzas und Tobacicas ver-
bündet, suchte (1539) einige Zeit den Spaniern Widerstand zu leisten.
Nach dem Unterliegen bezahlte er allerdings um so theurer, da
beim Goldauswägen der Abkaufssumme, Maldonado — nicht zufrieden,
wie Brennus „seinen ehernen Degen in die Schale der Gerechtigkeit"
zu werfen, ausserdem — mit dem zum Zertrümmern der Metallgeschirre
dienenden Hammer so hart das Haupt seines Gegners traf, dass er
todt auf dem Platze blieb.
In Tunja, dem Geiste einer alten Königsstadt würdig, herrscht
acht aristokratischer Ton, und auch jetzt in der Republik prangen
noch manche Häuser über ihren Thüren mit dem Steinwappen, die
der König Spaniens seinen treuen Vasallen verliehen. In Colum-
bien, oder, nach der früheren Ausdrucksweise, in dem „Reyno de la
Nueva Granada" hat sich das Blut der eigentlichen Conquistadores
mehr, als in den andern spanischen Ländern America 's rein und un-
verfälscht erhalten, oder ist doch genauer in alle seine Abträufe-
lungen verfolgt, so dass die auf den Listen der mit Ximenes und
Quesada, mit Federmann und mit Benalcazar Eingetretenen basirenden
Generalogien dicke Folianten füllen, die oft die einzige und einst
die beliebteste, Lecture im Lande bildeten. Es wurde dies durch
manche Gründe erleichtert, die sich aus der Besitznahme des Landes
und der Art der Ansiedelungen, dann auch durch die einförmige Abge-
schlossenheit erklären und besonders in Vergleichung hervortreten.
In Chita (in Suata) finden sich (am Resguardo de Chita) einige
Indianer, die, als schlank und wohlgebaut (mit gebogener Nase) sich
von den (kleinen) Indianern Tunja's (mit vorstehenden Backenknochen
und breiten Schultern) unterscheiden, den Anordnungen ihres Häupt-
ling's aus ein^r heimlich verehrten Familie folgend.
Das Reich des Zipa in Bogota war bereits vor den Spaniern
gefallen, während diesen die Existenz Tunja 's noch immer unbekannt
blieb, denn die als Führer dienenden Indianer wussten sie von dieser
heiligen Hauptstadt fern zu halten, so dass sie Wochen lang in ihrer
Nähe umherzogen, ohne sie zu Gesicht zu bekommen. Erst der
Verrath des Häuptlings von Baganique, der die Hinrichtung seines
Vaters zu rächen dachte, leitete sie auf die richtige Spur, und als
sie dann eines Nachmittags, wie Piedrahita erzählt, die in den Strahlen
der am westlichen Himmel niedersteigenden Sonne glitzernden Dächer
der Paläste und Tempel^) erschauten, eilten sie im Sturmschritt vor-
*) En qiie pendientes laminns de oro liruiiido, repercutian sus rcsplaiulorcs , y cosno
ZAQUE. 323
wärts, die reiche Beute zu sichern. Vergebens versuchte der Zaque
Quimuinchatecha sie durch Geschenke bringende Gesandte aufzu-
halten, sie beschleunigten den Lauf, erstürmten den Palast, und be
mächtigten sich des im Kreise seiner Grossen thronenden Königs (este
principe, hombre corpulento y anciano y de mirada feroz) *), den, wie
bemerkt wird, sein Körperumfang an der Flucht verhinderte, so dass
er gleich einer Termitenkönigin inmitten seines Baues (einer in laby-
rinthischen Gängen angelegten Wohnung), ergriffen wurde. Wie in
diesen abgelegenen Bergthälern, fand sich ebenso auf den vereinzelten
Inseln Polynesiens, in dem als Atua vergötterten Priesterkönige, solche
Beleibtheit, und im Unterschiede von den schlankeren Araucanern,
neigten auch die Indianer der nördlichen Küste zur Fettleibigkeit,
wie Stevenson bei denen Perus bemerkt: it is common saying, that
a jolly person is „tan gordo como un cacique."
Nachdem die zur Verteidigung ihres Herrscher's zusammen-
gedrängten Edlen niedergemetzelt waren, ging es an's Plündern und
die Beute erwies sich so reich, dass die Spanier ein zweites Peru^)
angetroffen zu haben meinten.
An die Alterthümer von Tunja schliessen sich zunächst die des
benachbarten Ramiriqui'), wo steinerne Säulenpfeiler erwähnt werden,
und neuerdings sollen in Sogamoso Unterbauten des Tempels ent-
deckt sein. Meine durch die vorläufig fixirte Abfahrtszeit des
Dampfers in Honda umschriebene Zeit erlaubte mir keine weiteren
Explorationen auf diesem für die Geschichtskenntniss der Chibcha
schätzereichen Gebiet, und ich konnte mir nur die Zugabe eines
cslavan juntas, tocandose con el ayre las unas ä las otras, formaban la mejor musica,
que hasta entönces avia sonado h. oidos de \o9, Espaüoles (Zamora).
^) Hallandose impossibilitado de poder la persona por sus pies, ni por los agenos,
respecto de su mucha corpulencia. In Quito (wie Hassaurek bemerkt) corpulency is very
frcquent among women, but very rare among men. Caqongi, der von Nufio de Guzman
verbrannte König von Mechoacan (dessen Asche die Indianer heimlich in die Berge ent-
führten) wurde genannt : Pero Panga, porque era gruesso (s. Oviedo).
*) Quantas veces salian con alguna (presea), vueltos a Quesada le repetian: ,,Peni»
Peru, Scflor General, que otro Caxamarca hemos encontrado" (Piedrahita).
*) Nachdem die Caziken in Sogamozo und in Ramiriqui oder Tunja die Männer aus
gelber Erde, die Frauen aus hohlstengligen Pflanzen geschaffen, befahl der Sogamoso
seinem Neffen in Ramiriqui (zum Lichtgeben) als Sonne zum Himmel zu steigen, und
folgte (da es noch nicht genug schien) selbst als Mond für die Nacht. Zum Andenken
wurde in Sogamoso das Fest Huan gefeiert, mit trauernden Gesängen über die Ver-
gänglichkeit des Lebens und Ungewissheit der Zukunft , worauf das allgemeine Klagen
und Weinen durch die von den Caziken mit Rauschtränk^n zur Tröstung angestellten
Festlichkeiten in Freude verwandelt wurden (s. Simon).
21*
324 COLUMBIEN.
etwas weiteren Rückweges erlauben, auf dem sich die Monumente
von Leiva kurz berühren Hessen.
Anfangs dachte ich den Weg dorthin durch das Thal von Iguaque
(Ibague) zu nehmen, das sich mit romantischen Reizen geschmückt,
am Fusse des den Pik tragenden Gebirgszuges hinwinden soll,
leider aber nahmen die in unerwarteten Einzelnheiten sich häufenden
Schwierigkeiten in der Verpackung der gekauften Sammlung, mit
den sonst hinzugekommenen Erwerbungen, einen Tag mehr Zeit in
Anspruch, als berechnet war, und ich sah mich bereits gezwungen,
genau nach Tagen zu zählen.
Nachdem deshalb die wohlverwahrten Kisten einigen Last-
trägem zum Transport nach Bogota übergeben waren, schlug ich (am
Febr. 6.) den directen Weg nach Leiva ein, und wurde für den Anfang
desselben durch Herrn Holtschik begleitet. Ueber steinige Höhen
ritten wir hinab zu einem von Felshügeln umzogenen Thal, das sich
zu der Ebene des Tocaita und Sameia erweitert, und rasteten um
Mittag in Sora, im Hause eines Bekannten meines Begleiters, der
dann hier Abschied nahm, um nach Tunja zurückzukehren.
Am Nachmittag folgte der Weg über steinige Höhen, unter
seitHchem Niederblick in die Ebene, verlief indess mitunter so un-
deutlich, dass wir ihn verfehlten, und uns erst durch Erkundigungen
wieder ins Geleis setzen lassen mussten.
An den Abhängen der auslaufenden Höhen, und vorüber an
felshüglig begrenzten Ebenen jenseits, gelangten wir zum Salchiva-
Fluss und seinen durch das Wasser warmer Quellen zerlöcherten
Steinen. In dem steinigen Bergland, das wir dann betraten, blickte
man von der Höhe auf das von Felshügeln umzogene Thal des
Klosters Candelaria, zu Randhöhen auslaufend, an denen, unter
steilerem Gebirge, Leiva liegt oder La Villa {Villa de Leiva).
Es fand sich dort, von Hotel nicht zu reden, weder eine Posada,
noch Fonda, noch Venta, selbst keine Casa de assistencia, und die
Einwohner schienen ebenso wenig geneigt oder gewohnt, Fremde
aufzunehmen, und da wegen des Feiertags die Behörden in ihren
Amtsstuben nicht zu finden waren, der Cura aber seinerseits wieder in
Anspruch genommen, so gelangte ich erst nach langem Parlamentiren
unter Dach und Fach in einem Hause der Plaza, denn die von einem
Freunde mitgegebenen Empfehlungen konnten, wegen Abwesenheit
auf Reisen, nicht ihrer Adresse präsentirt werden.
Nach meiner Einrichtung suchte ich dann den Cura auf, den ich
auf dem Balcon des Conventes mit ein paar Collegen, die zum Besuche
LEIVA. 325
gekommen waren, gerade den Abendsegen murmelnd fand, was eine
gemessene Zeit in Anspruch nahm, und obwohl es unter den dreien
in ziemlich jovialer Weise abgemacht zu werden schien, doch nicht
wohl unterbrochen werden durfte. Nachher hatten wir indess ein
ganz anregendes Gespräch, da der Pfarrer gerade in der Nähe von
Iguaque längere Zeit angestellt gewesen, und so mancherlei darüber
wusste.
Am Ende der steilen Bergwand, an welcher Leiva liegt, schneidet
sich der die Lagune San Pedro tragende Cerro von Iguaque ab,
dessen gleichnamiger Quellbach in den Moniquira fallt, und dieser
in den Satchika, einen Zweigarm des Suarez, des mit dem Sogamoso
vereinigten Nebenfluss des Magdalena.
Im Privatbesitz (des Herrn Pedro Ferro) sah ich eine bei dem
See von Iguaque gefundene Goldfigur, die eine Frau (mit vorstehender
Nase) ein Kind auf dem rechten Arm haltend, darstellte, also gleich-
sam Bachue mit dem dreijährigen Knaben. Die anfangliche Aus-
sicht auf Ankauf wurde durch die spätere Abwesenheit des Eigen-
thümers wieder verschoben, und bleibt nur die Hoffnung, dass dieses
durch seinen P^undort interessante (sonst den bekannten Tunjas ähn-
liche) Stück in den noch fortgesetzten Verhandlungen gesichert
werden möge. Einige kleinere Ankäufe von Gold- und Silbersachen
konnte ich bei einem Goldschmied oder Platero (Silberschmied)
ausführen, dem sie zum Einschmelzen übergeben waren, darunter
auch ein paar in den Gräbern gefundene Smaragden, welcher in
seinen Beziehungen zum Cultus der grünen Steine für die ameri-
canischc Archäologie bedeutungsvoller Edelstein in reichhaltigster
Menge aus den Minen der Muzos*), schon in alter Zeit, gewonnen
wurde. Da in einigen Flüssen Antioquias Conundrum gefunden
werden soll, der (als Rubin) alle Steine (ausser dem Diamant) ritzt,
wäre das Schleifen erklärbar.
Am andern Tage kam Herr Ricardo Monray, seinem mir in
Tunja gegebenen Versprechen gemäss, nach Leiva herüber und mit
einem von dem Cura gestellten Führer folgten wir der nach Moni-
quira fuhrenden Strasse, abwärts durch ein steiniges Thal, das an
*) Levy, who analysed with great care the Emeralds from the Muzo mines of New-
Granada, found that they contained an organic matter, a simple combination of carbaret
of hydrogen , and that the intensity of the color depended apon the amount of this
organic matter, contained in the Emerald (Streeter). In Klaprotb's Analyse findet sich
neben Kiesel und Thon ein Eisen-Oxyd und Chrom- Veibindung (ausser organischem Bc-
standtheil). Condamine fragt, wie die Peruaner verstanden, ,,arrondir et polir des emeraudes
et les percer de deux trous coniques, diametralement oppos^s sur un axe commun"?
326 COLVMBTEN.
einer Höhenwand aufgestreckt, von niedrigen Erhebungslinien durch-
zogen \nrd , hinter welchen der Fluss Iguaque (oder Tibito) fliesst.
Von dem bisherigen Wege ablenkend, durchritten wir den Fluss von
Leiva, und stiessen auf umherliegende Steinblöcke, die zur Verarbei-
tung gedient hatten. Auf einem gerade abgeernteten Kornfeld, bei der
El Infiernito genannten Stelle, fanden sich in die Erde eingerammte und
an der Spitze abgebrochene Pfeiler in Reihen neben einander. In der
ersten Reihe stehen 21 Steine (i^ Fuss von einander), dann folgt eine
Oeffnung (6 Fuss breit) und weiterhin eine Reihe von 7 Steinen.
Ihnen gegenüber in 28 F'uss Entfernung stehen 10 Steine und dann
in verschiedenen Zwischenräumen 5 Steine. Weiterhin fanden sich
auf dem Boden halbcylindrische Steinblöcke (10 14 Fuss lang)
mit einem umlaufenden Einschnitt an dem einen Ende, um die beim
Ziehen (zum Hinschleppen nach dem Bauplatz des Tempels*)) ver-
wandten Stricke umzuschlingen (wie an fortgeschleiften Baumstämmen
durch Einkerbung), und für die Befestigung derselben sind zugleich
Aushöhlungen der Länge nach sichtbar. Die umfassende Rille
findet sich am dicken Ende, während die Steine nach Unten hin
spitziger zulaufen. Eine grössere Anzahl härterer Steine, die zum
Abschlagen tauglich sind, ^^aIrden in der Nachbarschaft umherliegend
angetroffen. Eine ähnliche Steinanordnung findet sich jenseits des
Baches Moniquira und von dort ist das gleichnamige Pueblo an einem
I^ängsabfall des Thaies in einiger Entfernung sichtbar. Gegenüber
erhebt sich, neben der Bergwand Leivas, der Pik von Iguaque, und
die beiden Steinreihen liegen in der Richtung desselben, sowie, bei
fernerer Verlängerung darüber hinaus, in der von Sogamoso.
In der Nähe von Casa blanca (zwischen Tunja und Leiva) werden
(am Abhänge des Cerro von Ibaque) die Las Pulpitas genannten Fel-
sen erwähnt, neben einem Stein, der in eine Doppelthür (mit einer
*) Nachdem der Prophet in Sogamoso (in Tmi;a) verschwunden war, verbreitete sich
die Vorhersaguug, da>s eine Jungfrau durch die Strahlen der Sonne in Guacheta empfan-
gen würde, und als sich deshalb die beiden Töchter des Fürsten den Sonnenstrahlen
aussetzten, fühlte sich die Kine geschwängert und gebar einen grünen Stein, der in ihpcm
Busen bewahrt, sich in ein Kind verwandelte,, das später als Garanchacha zum Cariken
von Ciuachcta erliobtn wurde. Von dem Hohenpriester in Sogamoso als Sohn der Sonne
begrüsst und gefeiert, vertriel) Garanchacha den Caci<]uen von Ramiriqui und schlug seine
Residenz in Tunja auf, wo er durch einen geschwänzten Herold bedient wurde (s. Simon).
Auf Garanchacha, der seinem Vater einen Sonnentempel bauen wollte, folgte der Cazike
Queminchatocha. Als der von der Jungfrau in Ciacheta gebome Huaca (Götterstein) sich
in einen Menschen verwandelte, usurpirte dieser (als Garanchacha) die Macht des Zaque in
Hunsa und baute seinem Vater (der Sonne) aus Stein (s. Acosta) einen Tempel, dessen
unvollendete Anfänge bei Leiva gezeigt werden.
SEENABFLUSS. 327
Säule in der Mitte) ausgearbeitet ist, indem zugleich in der einen
Höhlung eine Thür durch die Mittelwand führt.
Auf der Rückkehr fand sich einer der Felsen am Wege mit
rothen Zeichen beschrieben. Der ganze Boden ist dicht mit Ver-
steinerungen verschiedener Art bestreut und sah man besonders unter
den Ammonitenformen*) einige durch Grösse und Erhaltung ausge-
zeichnete Exemplare. Wie die Ammoniten schliesst die Kalkfor-
mation die Smaragden Muzo's ein, die dort im bergmännischen Be-
triebe gewonnen werden. Die geographische Configuration ruft auch
hier die geologische Katastrophe zurück. Ueber dem alten Seenbecken^)
Tunja's erhoben sich die von Chivata und Soraca. Der See von Toca
wurde in den Tunja's entleert, der dann über Paipa zum Sogamoso
floss, wo der Durchbruch bei Gameza Statt hatte. Der ältere See
von Leiva (mit dem See von Fuquene communicirend) brach, den Aus-
fluss des See's von Samaca aufnehmend nach dem Saravita oder
Suarez durch, und mit diesem Erguss der Wasser in den Magdalena
bereitete sich das auftrocknende Land für die Bewohnbarkeit.
In Leiva angekommen, besichtigte ich die runden Steinsäulen,
welche unter Zufügung von Posteil und Capital längs der zu der casa
de las Capellanias gehörigen Halle in der Zwölfzahl aufgestellt sind,
von den Ruinen von Moniquira dorthin gebracht. Einige andere
finden sich in Privathäusern eingefügt (und im Kloster Ecce-homo).
Mit Moniquira verknüpfen sich die Traditionen des alten Todten-
cultus, und die Steindenkmäler dort führen auf die Sage von dem
begonnenen Bau des Sonnentempels durch Garanchacha, den von
einer Jungfrau geborenen Sonnensohn, der für eine Zeit lang den
Thron des Zaque in Hunsa usurpirte.
Am folgenden Morgen erfrischte ich mich durch ein Bad in der
Quebrada la Colorada und weiter oberhalb an dem Pozo de la Vieja,
wo man, mit Leiva unterhalb zu Füssen, das Thal überblickt, findet
sich ein mit Figuren eingegrabener Stein.
Im Laufe des Vormittags Hess ich zum Aufbruch fertig machen
und folgten wir abwärts dem Thal entlang zum Fluss Satchica. Stei-
*) Die Versteinerungen aus der jungen Kreide-Epoche gleichen denen der europäischen
Gault-Schichten, und zeigen sich characteristisch durch die Polythalamien-Reste , wie die
ältere Kreide, von Karsten in zwei Unterabtheilungen geschieden, durch die Mannigfal-
tigkeit der Cephalopoda.
') Echando una ojea<la a la provincia liniitrofe de Tunja , se viene en conocimiento
tle <|ue en clla, conio en la de Tundama, existia un sistema de lagos a mayor altura,
c<mtenidos por harreras, cjuc en cierta ^poca fueron necesivamente ronipicndose hasta der-
ramar el ultimo sobre el de Sogamoso por Paipa (nach Codazzi),
328 COLl'MBIEN.
nige Hügel mit sj^arlichem Grün umzogen das in zerstreuten Bäumen
bestandete Thal und jenseits des Flusses Suta kamen wir zum gleich-
namigen Pueblo, wo ein Markt von Töpfer\^'aaren Statt hatte. Uebcr
Höhen gelangten wir weiter zum Fluss St. Barbara, dessen Wasser
beim Durchwaten der Fuhrt bis an den Sattel reichten, und jenseits
des Dorfes Tinjaca ging es längs des Flusses La Candelaria fort. An
dem durch Rundgebirge gebildeten Schluss des Thaies liegt Rariqui
und dann wurde der Fluss Salado passirt. Aufsteigend an steiniger
Höhe, blickten wir zurück in ein wellig gebrochenes Thal, und hatten
dann im Regen einen schlüpfrigen Weg zu passiren, auf welchem die
Thiere vielfach ins Gleiten kamen. Als der Gipfel erreicht war,
traten in kühner Gestaltung schräg durchsetzende f^elswändc ent-
gegen, gleichsam fliegend und schwebend, und unter der Abzwei-
gung des Weges nach Chiquinquira wurde der Aufsteig fortgesetzt.
Robles mit gelb trocknen Blättern zwischen Grün begleiteten den
Weg und rothe Blumen in dem feinstrahligen Laub der Pegalosa.
Wir durchritten einen Wald hügeliger Berggipfel und rechts fiel der
Seitenblick auf ein von Gebirgsvorsprüngen umschlossenes Thal mit
dem, den (mit dem Rio de Moniquira zu vereinigenden Suarez aussen-
denden) See Fuquene, durch die Höhen von Samacä (bei Ubate) von
dem früheren Funzha's getrennt.
Auf der winkligen Brücke der Quebrada Honda fand eine Be-
gegnung mit Lastthieren statt, bei der das Ausweichen manchen
Machtgriff erforderte. Teichlachen mit tiefem Wasserstande machten
den an sich schlechten Weg noch schwerer, und mein Reitthier zeigte
sich völlig erschöpft, so dass ich umsatteln lassen musste auf ein
anderes, das durch das Zufussgehen des Führers dafür frisch ge-
halten war. Der Mond war aufgegangen und bei seinem Schein
setzten wir unsere Strasse fort, bis in ein hochumschlossenes Thal
unter grün dunkelnder Bekleidung, wo wir in der Casa de a>sistencia
des Fueblo Gacheta Aufnahme verlangten. Diese wurde auch gewährt,
dagegen hatte die Beschaflfung des Futters seine Schwierigkeiten, da
bei der späten Stunde alle Verkaufsschuppen leer standen, so dass
mancherlei künstliche Auskunftsmittel zu ersinnen waren, den armen
Thieren das Fasten zu versüssen, (besonders durch Chancacca).
Der Aufbruch am nächsten Morgen früh führte uns durch das Thal
zum Hügeldurchschnitt und dann wieder m eine frische Fläche von Piks
umzogen. Ueber Hügclvorsprünge her\'ortretend, erblickten wir seit-
lich ein g^n gedecktes Thal, mit graden Gräben quadratisch durch-
zogen, und gelangten dann in die Ebene hinab, unterhalb eines iso-
PIKGER. 329
lirten Hügels, bis nach Ubate weiter am Fuss der begrenzenden
Hügelkette, wo wir im Hotel Americano rastend, den Thieren die
halbe Hungercur der vorigen Nacht zu ersetzen suchten.
Gegen Mittag ging es weiter durch eine Ebene, die sich von
Hügeln umschlossen, zum Bergthal verengte, von einem Felsenkranz
zinnenartig gekrönt. Jenseits des Dorfes Sutamacho gelangten wir auf
Höhenflächen und durch den Fluss Sutapelado, der bei Zusammen-
bruch der Brücke in einer Fürth passirt wurde, nach dem gleich-
namigen Pueblo. Der Regen vermehrte so die Schlüpfrigkeit des
Weges, dass ich bei dem steten Gleiten der Thiere das von mir ge-
rittene eine Strecke lang führen lassen musste.
Aufwärts steigend blickten wir auf eine wellige Einsenkung von
einer Höhe, jenseits welcher Tausa (Suta-Tausa) liegt. Abbiegend
links nach Boquera, folgte der Weg längs kühn streifender Berg-
gipfel, die dann in einen Felsrand abfallen, worunter Waldbäche
rauschen. Ueber Hochebenen ging es fort, zwischen Steinblöcken auf
dem grünen Boden, oberhalb welches Nebelwolken streifen, und dann
öffnete sich der Blick auf ein fortschweifendes Thal, mit seitlichem
Hügelhöhen, vom W^olkenflor überhängt, während gegenüber der
breite Hügel von Nemocodom, mit der Ortschaft am Fusse, her-
vortritt.
Nachdem ich zur Erholung des Reitthieres hatte umsatteln lassen
müssen, begannen wir den Absteig, über Hügel fortwindend, zur Casa
blanca am Fuss. *
In Manchen der Begegnenden erkannten sich Pilger für Chi-
quinquira und zwar vorwiegend, wie es schien, junge Pärchen, die
allerdings, besonders auf der schönen Seite, etwas trübselig drein-
schauten, da sie von den schlimmen Wegen wohl erzählen gehört,
aber sie noch nicht erprobt gehabt haben mochten, bis die rauhe Wirk-
lichkeit herantrat, und die Zugabe des bösen Wetters, die hätte erspart
werden können, natürlich lieber nicht mit in Rechnung gezogen worden
war. Nach Allem wird es ihnen indess nur zu Gute gekommen sein, da
in Folge solcher Leiden und Strapazen die Verdienste der Pilgerfahrt
in desto höherer Taxirung in's Credito geschrieben sein müssen.
Im Allgemeinen allerdings führt die römische Geistlichkeit auf Erden
nicht so genau Buch von Soll und Haben, wie die des Dalai-Lama
und sonst buddhistische über Bun und Bab, aber bei den epuranischen
Verwaltern des Thesaurus überschüssiger Einnahmen wird man derarti-
ges doch voraussetzen müssen, zumal bereits Versuche gemacht sind,
den Capitalvorrath zu berechnen, nach dem Taxationswerth jedes von
33() COLUMBIEN.
den Contribuenten vergossenen Blutstropfen unter Entwerfung einer
Scala für die Tugendhandlungen. Wie viele solcher bei unseren
jungen Pilgern und Pilgerinnen auf dem Wege nach Chiquinquira
hinzukommen werden, mag ungewiss bleiben, und was kommt es
auf ein paar Schulden mehr oder weniger an, wo die ganze Schaar
der frommen Heiligen es sich sauer werden lässt, die Bilanz in Ord-
nung zu halten.
In Bogota wird Alles nach strenger Etiquette reg^lirt und dazu (wie
man sagt) gehört unter den Bestimmungen des Cour d'amour, dass ein
Ritter seine Dame nur dann auf Reisen mitnehmen darf, wenn er sich
verpflichtet, sie, die Jungfrau, zur heiligen Jungfrau in Chiquinquira zu
führen. Wie gern wird deshalb diese Pilgerfahrt unternommen, die in so
eindringlicher Weise das Angenehme mit dem Nützlichen verbindet,
und wie sehr wird Nächstenliebe gelehrt, in den 8- 14 Tagen, wo
man einzig und allein auf gegenseitigen Liebesdienst und Hülfe-
leistungen angewiesen ist, bei den Fährlichkeiten einsamer Wege, in
den eng zusammenführenden Nachtquartieren, und besonders in den für
Alles vorbereiteten Pilgerhäusem des heiligen Wallfahrtsortes, dessen
Atmosphäre sehr reinigend wirken muss. Hiermit soll indess nicht -
selbst wenn, wie oft (auch in Rom nach Cato's Bemerkung) bei civi-
Msirten und uncivilisfrten Stämmen den Unverheiratheten grössere
Licenz gewährt sei ein Schatten auf die Frauenwelt Bogota's ge-
worfen werden, da eine rasche Durchreise nicht zu generalisirendem
Urtheil über sociale Verhältnisse berechtigt.. Im Allgemeinen giebt
die Haltung des weiblichen Geschlechts im Innern dieser südamerica-
nischen Länder wenig Anlass daran zu mäkeln und auch von der
Hauptstadt Ecuador's bemerkt Hassaurek, that there is less immo-
rality in Quito, than in any other capital. Ein gleiches Lob (worüber
Steuart freilich anderer Ansicht ist) wird von Hamilton (1825) Bogota
gezollt, und über Lima liegt Stevenson's günstiges Urtheil vor, von
mehr (oder doch gleich viel) Gewicht vielleicht, als das der oft ober-
flächlichen Tadler.
Chiquinquira ist in der Nähe eines in Trümmer liegenden Indianer-
tempels gebaut, wo neben Schädel und Knochen, gelegentlich auch
alter Schmuck gefunden wird, an der Seite des Loma de los Ahor-
cados, und dieser Name scheint (wie bei Pativilca) auf die Verehrung
des, Odin (dem Gott der Erhängten) verwandten, Luftgeistes Supay
zu führen, der (wie Cieza de Leon bemerkt) von Kali bis Chile
Opfer empfing. Die Virgen von Chiquinquira und die Virgen del
Carmen werden als „Hermanitas" oder Schwesterchen (die letztere die
ZIPAQUIRA. 331
jüngere) betrachtet, und als dritte schliesst die Virgen von Mongui
diese jungfräuliche Trinität (der Grazien). In Bogota wird besonders
die Virgen von Montserrat hochgehalten, die beim Mangel an Regen
nach der Hauptstadt gebracht und dort in Procession herumgeführt
wird. Wie es sich im Grunde mit dieser Ubiquität der Jungfrau *) ver-
hält, scheint im Uebrigen eine noch ungelöste Frage in dem katho-
lischen Cultus, wenn sie nicht vielleicht durch die Präcendenzfälle
der Heiligen entschieden ist.
Durch die Ebene fortreitend, passirten wir den Fluss Pedregal
und kamen dann, nach einigen An- und Absteigen, auf einen schlüpf-
rigen Weg mit engen Erdbrücken, auf denen die Thiere schwer
festen Fuss fassten. Dadurch wurden manche Ausweichungen be-
dingt, und da der bewölkte Mond nur beschränkte Umsicht ge-
stattete, verlor der Führer die Richtung, so dass wir Mühe hatten,
uns in der Nacht zurecht zu fragen und Zipaquira zu erreichen.
Nachdem ich mir im Hotel ein Zimmer hatte geben lassen, traf
ich mit Herrn Harassowitz zusammen, der in Geschäften von Bogota
herüber gekommen war und mir über die während meiner Abwesen-
heit vorgefallenen Ereignisse Mittheilung machen konnte.
Am Morgen besuchte ich die an einem Hügel hinter der Stadt
gelegenen Salzwerke, die grosse Einnahmequelle Columbiens, und
betrat, nach Besichtigung des Eindampfverfahrens, einige Schachten.
Das Steinsalz (von Zipaquira) kommt stets als Hangendes eines
schwarzen thonigcn Kalkes am Fusse hoher senkrechter Abstürze ge-
schichteterGesteine der Kreide vor, deren Schachtenköpfe in einem Halb-
kreis der Salzbank zugewendet sind (Karsten).Von Buch rechnet das Stein-
salz und die Gypse der Mina de Rute von Zipaquira zur Kreidegruppe.
Die Steinsalz-Niederlage von Zipaquira wird mit Gyps und Salz-
thon auf 700 Fuss Mächtigkeit angesetzt (bei Humboldt). „Auf
fast gleicher Höhe gehen Steinsalz-Flöze zu Tage aus bei Enemocon,
westlich von Gachansipa und bei San Juan zwischen Sesquiler und
Chaleche, ja tief am entgegen gesetzten östlichen Abfall der Cor-
dillere von Bogota, gegen die Provincia de los Llanos hin, finden
sich Salzthon und reines Steinsalz bei Chamesa**.
') Wilson (1855) fühlte die Indignation ,,at being iniposed upon by a counicrfcil"
(a child's doli, covered with paste jewel) in der CapcUe der Virgen de los Remedios, die
mit den Spaniern, deren Schutzpatronin sie im Unabhängigkeitskriege gebildet hatte, ge-
flüchtet war vor ihrer die Aufständischen schützenden Kivahn, der Virgen de Guadalupe
(in Mexico), von Benedict XIV. als acht bestätigt, auf die Autorität des Peon Juan Diego,
und dieser (wie der Berichterstatter meint) probably was an habitual liar, yet when he
bears testiraony to a miracle, he is presumed to speak the truth.
332 COLIMHIEX.
Auf dem Salzhandcl aus diesen Ladern begründete sich die
Superioritat des Reiches der Chibchas. und die weiten Beziehungen,
die dort eingeleitet waren.
Den am Opon-Flusse gefundenen Spuren des Salzes nachgehend,
gelangten die Spanier über Cipaquira nach Bogota, und in Pasca
hörte Ouesada von den Goldminen Xc\*\a's. deren Producte gegen
Salz ausgetauscht wurden fs. CKnedo). Im Abfall nach dem Ama-
zonenthal hatte dann das Salz zu Anknüpfungen bis nach den perua-
nischen Flüssen geführt.
Am Vormittag liess ich die Thiere zurüsten. da der mir angebotene
Wagen auf sich warten liess, und zogen wir des von jetzt ab ebenen
Weges durch die Sabana weiter, an gipfligen Bergen hin, und unter ihren
Kuppen oder Spitzen. In Caxica*) war der Cura, an den ich einen
Brief mitführte, abwesend, und begaben wir uns deshalb auf einem
Feldweg nach Chia, wo ich die Thiere einstellte, und dann die
beiden Cura dort aufsuchte, von denen sich einige interessante Gegen-
stände erwerben Hessen, darunter die Goldfigur eines Bogen und
Pfeil führenden Kriegers. Auch wurde mir versprochen, dass zum
Besten der Alterthumskunde ein Aufruf von den Kanzeln geschehen
solle, unter der Empfehlung, die Sammlungen durch die deutsche
Gesandtschaft in Bogota dem Berliner Museum einzuschicken. Ob
diese schönen Versprechungen über die Worte hinausgekommen
sind, habe ich seitdem keine Gelegenheit gehabt, beurtheilen zu
können, mochte aber auf alle Falle daran erinnert haben.
Ein auf dem Curat gegebener Ortskundiger brachte mich in der
Nähe des Fleckens zu einem Ackerfeld, wo ein kreisförmiger Erd-
aufwurf, unter dem Namen Tau bekannt, die Stätte des finüheren
Fürstenpalastes anzeigen soll, oder, wie Andere meinen, den Circus
der feierlichen Spiele bei der Weihe des inChia residirenden Dauphin.*)
Ich begab mich dann mit meinem Burschen durch die Felder nach
der Puente del comun. wo wir auf den bei der Hinreise bereits
zurückgelegten Weg wieder einlenkten.
*) Bei Caxka wurde Quesada von den Tnippcn dts Zipa abgegriffen, , Jlevando por
fta y bukdera U momia de nno de sus \-alienies guerrcros" (^s. Acosu"*.
*) Nacbdem der in Bogota residirende Tbusquesusa, gegen den der Fürst von Chia
bei den Spaniern seine Anspröcbe geltend machte, von Tocoiavita (FacaUtiva) fliehoKi,
gcstofbcn war, bemächtigte sich Saquesa, der Sohn des früher als Feldherr befehligoidcn
Fanten von Chia, der Krone und knüpfte mit Qucseda Verhandlungen an . obwohl auch
er als Usurpator galt, wahrend der von der Schwerter des letzten legitimen Königs m
Cbia geborene Sohn als der rcchimäs^ge Erbe betrachtet wurde (s, Touion).
GESCHENK. 333
Gerade als wir dort anlangten, setzte mit Sonnenuntergang ein
strömender Regen ein, doch lag mir daran Bogota, bei dem Vielen,
was es dort vor der Abreise noch zu thun gab, möglichst bald zu
erreichen, und so ritten wir in die bewölkte Sabana hinein, bis es
sich später in der Nacht aufklärte, und Bogota in vollem Mondschein
erreicht wurde.
Bei der späten Nachtstunde hatte ich mir im Hotel Americano,
da das andere besetzt war, ein Zimmer geben lassen, wurde aber
am nächsten Tage von unserem Minister mit der früheren Herzlich-
keit unter seinem gastlichen Dache aufgenommen.
Es lag mir nun vor Allem ob, die von Tunja bald nach mir
eintreffendenKisten oder sonstigen Gegenstände (unter denen die für be-
sondere Sorgfalt frei in der Hand zu tragenden indess gerade zer-
brochen waren) für den Transport nach Europa fertig zu stellen, und
ebenso die in Bogota gemachten Ankäufe zu verpacken. Ich übergab
sodann die ganze Zahl der Kisten dem Pächter der Post, um sie
rechtzeitig für den Abgang des Dampfschiffes in Honda dort abzu-
liefern.
Am Tage vor meiner Abreise veranstaltete der Minister eine
tertullia literaria, einen literarischen Cirkel, bei der sich die Spitzen
der Behörden und der Gelehrtenwelt Bogotas zusammenfand. Ich
hielt eine kurze Ansprache, in welcher ich auf die Bedeutung der
altamericanischen Alterthümer, und besonders auf die wenig gekann-
ten Columbien's hinwies, und dies fand so guten Boden, dass man noch
denselben Abend zur Bildung einer anthropologischen oder archaeo-
logischen Gesellschaft schreiten wollte, ohne dass ich nachträglich
erfahren habe, ob diese Absicht zur Ausführung gekommen ist.
Einen directen Erfolg konnte ich indess verzeichnen, in dem hoch-
sinnigen Entschluss des Herrn Rufino Cuervo, der nach dem Vor-
trage zu mir kam, um mir seine kostbaren Alterthumsschätze, wofür
er alle meine Kaufvorschläge bis dahin zurückgewiesen hatte, für
das königliche Museum als Geschenk anzubieten. Und da sie in der
Zwischenzeit, in der Hauptsache heil und unversehrt, angelangt sind,
bleiben sie der Wissenschaft gesichert.
Nach dem Frühstück am i6. Februar nahm ich mit freund-
lichem Dank für die gewährte Förderung meiner Zwecke von dem
Herrn Minister Abschied und setzte mich, zur Abreise aus Colum-
bien, mit meinem Zuge in Bewegung.
Wir verbrachten die Nacht in Facatativä, die folgende (Febr. 17.)
am Alto del Trigo, den wir freilich erst in dunkler Nacht erreichten,
334 COLUMBIEN.
und fanden uns am Abend darauf, bald nach Einbruch der Dunkel-
heit, in Pescaderia, dem Honda gegenüberliegenden Fischerdorf
(Febr. i8.).
Am folgenden Morgen (Febr. 19.) begab ich mich nach der Bodega
de Bogota, und dann an Bord des in der Mitte des Flusses ankern-
den Dampf boots (Venquoechea), um mit dem Capitän (Bradford) eine
Passage zu arrangiren. Er theilte mir mit, dass er nur noch auf die
Post und die Regierungsdepeschen aus Bogota warte, um dann so-
gleich Dampf und fertig zu machen, da der Wasserstand augenblick-
lich ein günstiger sei, aber in der jetzigen Jahreszeit für seine Dauer
kein Vertrauen einflösse, so dass er ängstlich fühle, wegzukommen.
Am liebsten wäre ich gleich auf dem Dampfboot geblieben,
hielt ich es für besser, um sofort die unverzügliche Verschiffung
der zu erwartenden Kisten besorgen zu können, ans Land zurück-
zukehren. Dort in der Bodega war indess, wie ich jetzt sah, auch
nicht die mindeste Vorbereitung für Fremdenaufnahme getroffen,
obwohl dieser Platz als der Hafen Bogota's für Europa zu betrachten ist.
Die unteren Räume der Bodegas waren Magazine, die einfach abge-
schlossen werden, ohne einen Wächter da zu lassen, und die einzige
Person, die im ganzen Ort wohnte, war der Telegraphist, der ein
kleines Zimmer über dem Magazin besass, indess gerade im Begriff
war, auch dieses abzuschliessen, und sich am Sonnabend Abend für
den Sonntag, und bis Montag früh, nach Honda zu begeben. Glück-
licherweise konnte ich noch eben mit ihm Rücksprache nehmen, dass
er mir sein Zimmer überliess, denn ausserdem fand sich nur in einer
abseits gelegenen Hütte ein altes Weib, das den durchkommenden
Arrieros und Bootsleuten Schnaps verkaufte. Sie war halbtaub oder
altersschwach und aus natürlicher Trägheit jeder Verführung unzu-
gänglich, um sie durch glänzendes Metall für irgend welche Hülfe
zu gewinnen. So war ich auf mich allein angewiesen, da die Boots-
leute nach dem andern Ufer zurückgekehrt waren, und mein Bursche
mit den Thieren (ausser einem, das ich etwaiger Fälle wegen, für
mich zurückbehalten) nach Pescaderia, um sie dort in's Futter zu
stellen.
Als am nächsten Morgen die Kisten aus Bogota noch nicht an-
gekommen waren, trieb es mich nach Pescaderia, wo indess noch
jede Nachricht über die Post fehlte, und dann nach Bodegas zurück-
gekehrt, ging der Vormittag mit Warten hin, während sich auf dem
DampferdieVoybereitungszeichen zur Abreise erkennen Hessen. Endlich
gegen Mittag zeigten sich die ersten Maulthiere des Correo, und jetzt hiess
EINSCHIFFUNG. 335
es in unter der in übereilter Confusion durcheinander geworfenen La-
dung die betreffenden Kisten zusammenzusuchen, und ohne dass für
Geld und gute Worte in dem allgemeinen Wirrwarr die geeigneten
Leute zu gewinnen waren, au ihre Hinschaffung zum Ufer und, nach
dem Niederlassen an dem steilen Abhang, ihre Einschiffung zu achten.
Auch über die Canoe hatte man keine Verfügung, da sie nur für
Anordnung des Correo und zu seiner Verfügung sich pflichtgemäss
eingefunden hatten. Die ersten, in welche man meine Kiste noch mit
hinein schaffen wollten, waren bereits so überladen, dass ich auf das'
ernstlichste dagegen protestiren musste, um diesem Risico des Unter-
sinkens auf dem reissend strömenden Fluss vorzubeugen. Zum Glück
kam bald darauf der am Wege aufgehaltene Leiter der Carawane
an, der in Bogota mit besonderer Instruction für die Hut dieser als
Staatseigenthum unter dem Namen der Gesandtschaft verzeichneten
Gegenstände versehen war, und der mir nun, so gut es sich machen
Hess, die wünschenswerthe Unterstützung gewährte. Jedenfalls musste
Alles rasch und ohne Aufenthalt vor sich gehen, da der Dampfer
nicht länger warten wollte, und fühlte jch mich nicht wenig erleich-
tert, als ich sämmtliche Kisten neben mir auf dem Deck sah. In
meiner Freude verabschiedete ich auch ohne Verzug den Burschen,
dem ihm über seinen Lohn gegebenen Geschenk ein weiteres bei-
fügend, und gleich darauf war der Dampfer in Bewegung. Erst als
ich in der Kajüte jetzt etwas zur Ruhe kam, sah ich, dass eine
Menge Sachen aus meinem Privatgepäck in der Eile am Lande zurück-
gelassen waren, darunter einige, die ich schwer vermisste, weil
schwer zu ersetzen, wie den besseren meiner Revolver. Indess konnte
ich im Ganzen froh sein, da.ss noch Alles so abgelaufen war, und
nichts Wichtigeres zu Grunde gegangen, was, als wir mit den Kisten
auf unserem zerbrechlichen Canoe von der Gewalt der Strömung
gefasst, ein paar Steinplatten zutrieben, die zwischen dem Ufer und
dem Ankerplatz des Dampfers lagen, möglich genug gewesen wäre.
Die Maulthiere, für die, wie immer in solchen Fällen, bei der bevor-
stehenden Abreise keine Aussicht des Verkaufen's^) gegeben war,
wurden nach Bogota zurückgeschickt, wo mir Herr Harassowitz
freundlich versprochen hatte, sich ihrer anzunehmen.
*) Indem ihm ftir seine vor wenigen Monaten gekauften Maulthiere weniger, als das
Drittel des Kostenpreises geboten wurde, und auch sonst, machte Scherzer auf seinen america-
nischen Reisen die ,, kostspielige Erfahrung, dass in den Augen des Eingeborenen Alles,
dessen er sich entledigen will, nutzlos ist, während das Unbedeutendste, was er anzu-
kaufen wünscht, einen unschätzbaren Werth hat."
336 COLUMBIKK.
Nach einigen Stunden Fahrt legten wir Abends in Conejo an,
wo neben Holz auch Ladung eingenommen und die Nacht ver-
bracht wurde.
Der Capitain suchte am folgenden Morgen (Febr. 21.) die Ab-
fahrt zu beschleunigen, da sich die Anzeichen des fallenden Wassers
mehrten und wir gerne noch vorher über die seichteren Stellen hin-
weggekommen wären.
Diese Dampfer des Magdalena sind im Allgemeinen nach dem
Princip und dem Styl der auf dem Mississippi fahrenden gebaut,
mit einem oberen Deck, wo sich die Cajüten finden, die Maschinen
darunter und das Steuerhaus darüber. Da man ein Badezimmer
nebst allen Waschapparaten zur Disposition hatte, und das aus der
Mitte des breiten Stromes geschöpfte Wasser, wenn auch lau und
muddig, doch ohne Schaden in beliebiger Quantität zu trinken war,
so gab die Hitze, die bei der Ablesung vom Thermometer er-
schreckt haben würde, keine weitere Belästigung, sondern eher Unter-
haltung, in der Genugthuung, .sie erfolgreich bekämpfen zu können.
Wie in der Bauart, kommen diese Dampfer auf dem Magdalena
denen des Mississippi in der Zahl der Unfälle nahe, und der In-
genieur unseres Schiffes, wie sich aus einem Gespräch ergab, hatte
sich bereits auf vier, der Capitain aut drei verunglückten Schiffen
gefunden, bei denen sie stets nur durch einen Glückszufall entkom-
men waren; einmal aus Feuer, ein anderes Mal beim Umschlagen,
beim Sinken, Auffliegen u. s. w. Solche Missgeschicke haben der
dortigen Dampfschifffahrt seit ihrem Beginne angehaftet, und Stewart
erzählt aus dem Jahre 1836, dass der damalige Monopolist Elvers
wahrscheinlich sein Vorrecht verlieren dürfte, da es ihm, bei Unter-
gang seiner zwei Dampfer, nicht möglich sein würde, den über-
nommenen Verpflichtungen bis 1837 nachzukommen. Die Fahrt war
zu der Zeit noch mit Champas oder(wie Stewart vorzog) mit Bongas zu
machen und ist über die Aergernisse mit den Bogas bei ihm zu
lesen. Thomson befuhr den obcm Magdalena mit Balsas von Neiva
bis Honda oder vielmehr bis Fusagasuga, um dort die Landreise
nach Bogota zu beginnen (1825).
Zwischen bewaldeten Ufern, über welche blaue Berge herüber-
blickten, gelangten wir nach dem Ausfluss des Rio Negro, und dann
am vorspringenden Ufer vorbei, (mit den Sonnplätzen der Crocodile
am Strande), nach Fluss Miel, sowie Abends bis Velasquez zur
Holzeinnahme.
Am folgenden Morgen kamen wir bei dem gesunkenen Wasser-
EISENBAHNPROJECTE. 337
standq auf einer Sandbank zum Festsitzen (bei Gaimital) und hatten
uns mehrere Stunden abzuarbeiten. Nachts blieben wir in der Mün-
dung des mit weissen Wassern fliessenden Nar^, bei der Bodegas
oder dem Hafenort (eine Reihe halbverfallner Hütten) fiir das den
Fkiss weiter aufwärts gelegene Dorf, der hauptsächlichste (und
früher der einzige) Eintritt in den Staat Antioquia.
Bei der Reise in der Provinz Antioquia erscheint der steil herab-
fallende Narefluss wie eine beschwerliche Leiter, auf der man von dem
Ufer des niedrigen, heissen und feuchten Magdalenenfluss auf die hohen,
gemässigten und frischen Gegenden in den Cordilleras de las Andes
hinaufsteigt, bemerkt Gosselmann, der die Landtour von der Bodega
bei Juntas und der Confluenz des Rio Verde und Nare begann (1825).
Die Saumthierstrasse nach Antioquia vom Nare wurde 1806 -1809
angelegt, doch reiste Gosselmann wieder mit Silleros. Jetzt kann der
ganze Weg ohne besondere Schwierigkeit zu Maulthier gemacht
werden.
Nachdem ein Canoe, auf welches wir bereits in Conejo gewartet
hatten, mit den letzten Regierungsdepeschen eingetroffen war, wurde
am Vormittag weiter gedampft, an Angostura vorüber. Das Wasser
wurde sehr seicht, und ankerten wir an einer Sandbank, um ringsumher
zu lothen (bei Garrapata). Viele Baumstümpfe trieben im] Strom,
die besonders die Nachtfahrt verbieten. Nachdem wir am Remolero
grande angelegt hatten, wo die Eisenbahnlinie für Medellin projectirt
wird, fuhren wir zu einem Holzplatz und verblieben dort die Nacht.
Man hat bei dieser Eisenbahn Antioquia's besonders im Auge ge-
habt, den Fluss an einer Stelle zu treffen, von wo die Schifffahrt
bereits möglichst frei bliebe, und mit ähnlichem Gesichtspunkt hat.
man am andern Ufer den Terminus für die Eisenbahn in Bogota
ausgewählt. Bei der letzteren schienen die Ingenieure sonderbarer
Weise geneigt, den Bau auf der Sabana von Bogota zu beginnen, wo
allerdings keine Schwierigkeiten vorliegen, aber eben deshalb auch die
noch beschränkten Verkehrsverhältnisse keiner Damplbeschleunigung
bedürfen, indem damit nichts Neues hinzugefügt werden könnte.
Man würde allerdings dort jede neu vollendete Meile in der
Hauptstadt ausposaunen können und auch für die Direction grössere
Bequemlichkeiten gefunden haben, als in den miasmatischen Urwäl-
dern am Flussufer, aber diesen wäre schliesslich doch immer zu trotzen
gewesen, wenn sich überhaupt ein practisches Resultat ergeben
sollte, und wenn man dort den Anfang machte, würde die vollendete
Strecke der Ei.senbahn selbst die Materialien fiir den Bau weiter
Bastian: America* I- 22
338 COLUMBIEN.
befördert haben, wo^^ej^cn ein vorheriger Transport auf den bis-
herigen Wegen des Landes bis Bogota, um sie dort erst zu benutzen,
wahrscheinlich durch das Unberechenbare der darin verursachten
Kosten fast das Ganze des soweit angesammelten Materials ver-
schlungen hätte, noch ehe der erste Spatenstich geschehen wäre.
Am nächsten Morgen (Febr. 24.) kamen wir auf einer Sandbank
zum Aufsitzen, und obwohl wir uns durch Auslegen des Ankers
befreiten, kamen wir, trotz des Lothens in dem Canal, aufs Neue
zum Festrennen bei Murrillo, dem F^ndpunkt eines früheren Weges
nach Remedio. Nach Passiren des verlassenen Puerto Berrio nahm
uns wieder eine Sandbank in ihre Arme auf, so dass wir die Nacht
dort zu verweilen hatten.
Am näch.sten Morgen (Febr. 25.) gingen die Bemühungen
weiter, flott zu werden, und da das Feuermaterial ausging, war erst
ein Boot nach dem nächsten Holzplatz am Ufer zu schicken. Die
An.strengungcn der Maschine befreiten uns für einen Augenblick,
doch Sassen wir bald wieder in der Mitte des Flusses und hatten
uns dort für die Nacht einzurichten.
Der folgende Tag (I^^ebr. 26.) brachte eine Fortsetzung der auf
Loskommen gerichteten Abqiiälungen. Das Dampfschiff arbeitete
sich etwas näher zum Ufer, um dort die Stricke zum Abziehen um
Bäume zu legen, doch brachen viele dieser Stützen. Da das Wasser
fortfuhr zu fallen, wurde dem Capitain die Lage bedenklich, und
.schickte er zurück nach Rcmolino, um ein Canoe zu miethen, das
längs des Dampf boots gehalten werde, um im Falle fortgesetzten
Aufenthaltes, die Mail darin einzuschiffen und abzusenden. Auch
mir war diese Verzögerung sehr unangenehm, da ich zu einem be-
stimmten Tage in Baranquilla eintreffen musste, um den Post-
dampfer nicht zu verfehlen, indem ein derartiges Zu.spät dann einen
ferneren Aufenthalt von 14 Tagen involvirt haben würde. Ebenso
hatte ein anderer der Passagiere, ein F2ngländer, Herr Rouquette, auf
die Benutzung des nächsten Dampfers gerechnet, und so schlug ich
ihm vor, uns gleichfalls nach einem Canoe umzusehen, damit wir
nicht die Zeit mit nutzlosem Warten verlören. Ich besprach mit
dem Stewart des Schiffes den Ankauf von Provi.sionen , die freilich
nicht im Ueberfluss vorhanden waren, und packte einige Kleinig-
keiten zu.sammen, um, wenn die Absendung des Canoe mit der
Po.st beschlossen würde, auch meinerseits fertig zu sein.
Ciegen Abend waren wir genügend befreit, um den Holzplatz
CARARE. 339
San Antonio erreichen zu können, bei Bartholomea, und ergingen
wir uns dort etwas im Walde, soweit Pfade vorhanden.
Am folgenden Morgen (Febr. 27.) wurde hin und her gekreuzt
den Canal zu finden, und gelangten wir nach der Mündung des Rio
Carare mit gleichnamigem Pueblo, das in dem Project der Eisenbahn
von Bogota zum Endpunkt bestimmt ist.
Hier konnten wir uns in relativ freierem Fahrwasser denken,
während jeder Aufstoss oberhalb unter Umständen ein wochenlanges
Festsitzen mit sich ziehen mochte.
Während der Fluss in majestätischer Breite durch tropischen
Urwald dahinströmte, sahen wir die Mündung des unter dem höheren
Ufer hervorwindenden Flusses Opon bei einem vorspringenden Punkt
mit Bäumen. Dieser Anblick hatte einst für die Entdeckung der
hinter und über uns liegenden Hochlande entschieden, als San Martin
den bereits cntmuthigten und durch Krankheit decimirten Gefährten
Quesadas die Freudenbotschaft seiner Entdeckung brachte, wie es
Castilla besingt.
Wir erreichten dann Baranca Bermejo oder Puerto Santander,
aufwärts am Rio La Colorada gelegen, die Bodega dagegen am Mag-
dalena, an dem früheren Weg nach Bucaramanga.
Als wir landeten, um uns die Ansiedlung anzusehen, fanden wir
dort das ausgelassene Treiben des Carnevals, das sich indess, neben
einigem Aufputz, in der Hauptsache durch ein gegenseitiges Wasser-
begiessen Luft machte (besonders unter den Mulatten).
Die in die Stämme am Carare und Opon getheilten Tepunas,
die, verschiedene Dialecte redend, in den Wäldern leben, befahren
diese Flüsse, auch am Ufer des Magdalena mitunter streifend, und
um sie zu vermeiden, halten sich die Canoes auf dem Magdalena,
in ihren Thal- und Bergfahrten, meist am andern Ufer. Aus der in
die Dialecte des Opon und Carare zerfallenden Sprache der Tepunas
wurde mir das Wort Tali für den Cayman mitgetheilt. Wenn diese
Wilden einen Feind getödtet haben, so sollen sie ihn, wie gesagt
wird, mit ihren Pfeilen bespicken, und so zur Warnung am Wege
liegen las.sen.
An der Mündung des Sogamoso-Flusses legten wir an der Bodega
de Sogamoso an, und bei dort eingeleiteten Gesprächen über Alter-
thümer hörte ich, dass an der Flussbank mitunter Töpfe gefunden
werden, und auf dem nahe gelegenen Campo viejo steinerne Pfeilspitzen.
Beim Weiterfahren stiessen wir aufs Neue auf, konnten indess
noch einen Holzplatz erreichen, die Nacht zu verbringen.
22*
340 COLUMBIEN.
Bei der Abfahrt am nächsten Morgen (Febr. 28.) liefen wir auf,
und kostete es manche Anstrengungen, bis das Schiff abgezogen
war. Wir hielten uns so dicht am Ufer, dass die Baumzweige aufs
Deck reichten, und schickten ein Canoe aus zum Lothen. In der
Ferne erschienen die blauen Berge Antioquia's über den niedrigen
Wald herüber. Vorüber an San Pablo (dem früheren Hafenort An-
tioquia's im Thale Nore) kamen wir zum Flu.ss Cisnotera, und dann
nach Patulia, wo in bunter Bemalung zur Feier des Carnevals ge-
tanzt wurde. Die Berge Bolivars erschienen auf der andern Seite,
und dann zeigte der Wald mitunter offene Stellen, wogegen er sich
nach der Mündung des Lebrija, bei der Bodega de Soto, wieder
buschig herabdrängte, während die Berge Ocafla's in wolkiger Ferne
sichtbar wurden. Vom Holzplatz Ceilateo gelangten wir im Mond-
scheine nach dem Puerto nacional, wo der Flecken selbst indess
zurück liegt.
Am Morgen aufbrechend (Febr. 29.), fuhren wir zwischen Wald
und buschigem Ufer, aus denen sich der Fluss Tamalameque hervor-
wand, während vorn der Ccrro de Bacca hervorstand, und sich der
Strom durch fischende Wasservögel belebte. Von hier, an dem
nach dem gefangenen Häuptling Tamalameque genannten Flusse,
schlug Alfinger die Richtung nach dem Innern ein, in welcher er
nach dem Thal von Chinacota geführt wurde, wo ihn seine Soldaten
zu begraben hatten.
In diesen Niederungen hatten die Mosquito zugenommen und
scheint es hier ebenso wenig Hülfe gegen sie zu geben, wie anderswo.
Als der officielle Heilige für dieses Amt wird der heilige Marcus,
Bischof von Arethusa (f 362 p. d.) aufgestellt sein, da er sein Mar-
tyrium unter Mücken und Fliegen erlitt, doch bleibt dies, oder jeden-
falls doch das Wirksame seiner Anrufung, in der Praxis zweifelhaft,
wie selbst in der Orthodoxie Best-Beschlagene seufzend eingestanden.
Am Pueblo blanco und dem Berg Media luna vorüber, wurden
die Auseinanderzweigungen des Flusses oder Canal nach Mompas
angedeutet. Bei dem buschig niedrigen Ufer am Cafton de Sobo,
sind Felsen unter Wasser zu vermeiden (bei Juana Sanchez) und
dann erreichten wir das Pueblo Atiho, wo Carnevalstänzer an Bord
kamen, um Geschenke zu erhalten. Der Fluss wand sich zwischen
flachen Inseln, mit Busch und Bäumen und von Wasser bedeckten
Felsen (bei Conchitas). Zwischen zwei Landabschnitten tritt der
Rio Perico hervor und am linken Ufer erhebt sich der Hügel Guaya-
vol, wo wir bei einem nahen Holzplatz anlegten.
CONFLÜENZ. 341
Bei der Weiterfahrt fanden wir uns zwischen Inseln und gesenkter
Umgebung. Um niedrigen Erdvorsprung herumbiegend , tritt der
Cauca dem aus dem Magdalena kommenden Cafton de Lobo von
Vorne entgegen, und geht, eine kleine Seitenausbuchtung nach Rechts
zurückwerfend, aus einer weiten Wasserfläche mit Strudeln linkswärts
(oder rechts vom Lobo aus) als Cauca weiter (um sich bei Tocoloa
mit dem bei Mompos vorüberfliessenden Arm des Magdalena zu ver-
einigen), indenf die Flüsse im rechten Winkel zusammentreten.
Zwischen Inseln gelangten wir nach Magangue, wo (wie bereits
an den übrigen Plätzen) die für dort bestimmte Post abgegeben
wurde, im Austausch gegen die mitzuführende. Bei Nacht gelangten
wir nach Albajcda, wo Musik herüberschalltc und der Carnevals-
tanz mit Lichtern fortgesetzt wurde. Der Fluss zeigte hier be-
trächtliche Breite, und die Nähe der See machte sich im unruhigen
Wetter, mit gelegentlichen Squalls, bemerkbar, so däss wir für den
Rest der Nacht ans Ufer legten. Bei der Boca de Tacalao läuft
der Magdalena (von Mompos) mit breiten Streifen in eine Wasser-
erweiterung aus.
Am nächsten Morgen (März i.) gelangten wir nach Sambranon
mit spärlich bewachsenen Sandhügeln, liefen aber dann wieder auf
und brachen die Steuerkette, so dass zur Herstellung der neuen das
Land gesucht werden musste. In der Flusserweiterung bei Calamar
zweigt sich ein Canal für directe SchiflTahrt nach Cartagena ab.
Die Zahl der Passagiere vermehrte sich hier beträchtlich, wie wir
deren auch bereits an anderen Stationen aufgenommen.
Nach der Holzstation bei Santa Rita traten die Ufer zurück,
und sahen wir eine weite Wasserfläche vor uns. Gegen Abend
wuchs die Stärke des Windes, es wehte fast wie auf offener See,
und die Wellen gingen beständig über unser niedriges Unterdeck.
In der Dunkelheit bemerkte man mir undeutlich in der Ferne einige •
Streifen , die die niedrigen Küstenlinien andeuteten. Da die Haus-
maschinen dieser Dampf boote mit ihrem flachen Tiefgang eben nicht
für stürmisches VV^ctter vorbereitet sind, waren wir ganz zufrieden,
als plötzlich Wogen und Wind nachliessen, und wir uns in dem
engen Canal fest stecken fanden, der nach Baranquilla fuhrt. Da
ein anderes Schiff" vor uns lag, und bei dem schmalen Raum ein
Passiren nicht möglich war, hatten wir dorjt die Nacht zu verbleiben
und konnten uns erst am nächsten Morgen an die Werft von Baran-
quilla (Baranca del Malambo) hinarbeiten.
342 COLUMBIEN. ^*
Nachdem ich mein Gepäck nach dem Hotel Colombiano trans-
ferirt hatte, begab ich ^lich zu dem deutschen Consul, Herrn Merkel,
um mit ihm das Nöthige über die Verschiffung der an Bord befind-
lichen Kisten zu besprechen und die angekauften Goldsachen, die
ich persönlich mitgebracht hatte, im Besonderen zu verpacken. Durch
die Freundlichkeit desselben wurde Alles aufs Beste besorgt. Bei
ihm traf ich einen am Zenuflusse^) ansässigen Landbesitzer, der mir
in dieser interessanten, aber seit Hercdia's reicher Ausbeute fast ver-
gessenen Localität die Alterthumskunde zu beachten versprach, und auch
in Betreff von Santa Martha konnte Einiges mit Herrn Consul Merkel, der
dort Geschäftsfreunde besass, beredet werden. Die Sierra, die an
klaren Tagen völlig sichtbar sein soll, erkannte sich damals nur in
undeutlichen Umrissen in der Ferne. „Im neuen Continent wurde der
ewige Schnee der Tropen-Region zuerst in dem Gebirge von Citarma
(Nevados de Santa Marta) gesehen, neun Jahre nach Columbus erster
Entdeckung und zwar von Rodrigo de Bastidas. Diese Erscheinung
machte grosses Aufsehen und Petrus Martyr de Anghicra ahndete
schon, dass die untere Grenze des ewigen Schnee's umgekehrt mit
der Breite an Höhe zunehmen müsse" (A. von Humboldt).
Bei Santa Martha, von wo sich die Herrschaft der Tayronas
(am Rio San Diego), mit der von Garcia de Lerma (1530) zerstörten
Hauptstadf Posigueica (San Pedro), über die Urabaes Cartagena's
(bis Darien) erstreckte, glichen die den kriegerischen Guajiros be-
nachbarten Chiquimilas den Chocoes Antioquia's (s. Piedrahita). Pedro
de Lerma brachte grosse Goldbeute aus dem Valle de Tayrona
(que es grande y rico) in kalter Sierra (s. Hcrrera), wie Bastidas
von Bonda (zwischen Santa Martha und Bondigua). Den Bondas
waren die Bodiguas und Jeribocas verbündet (nach Alccdo). „Die
Indianer von Santa Marta waren in unterschiedlichen Künsten be-
, rühmt. Sonderlich wissen sie baumwollene Tücher mit Bildwerken
von Tiegertieren, Leuen und Adlern überaus zierlich zu machen. Die
Wände ihrer Heuser seynd mit vielerley Farben übermahlet, und der
Boden ist mit Matten aus Binsen sehr artig geflochten belegt"
(Dapper).
Der nächste Tag konnte zu einigen Aufbesserungen der durch
die lange Landreise etwas in Anspruch genommenen Ausrüstung ver-
*) In Tatabe wohnten die Guaka und 7xm\. ,, Dahin man von allen Enden her die
Leichen zu führen und köstlich zu l)ej;raben pflegte. .Aus diesen Gräbern oder Grab-
mählern bekahmen nachmals die Spanier so überaus viel und köstliche Schätze, dass sie
nicht zu schätzen waren" (Dapper).
^ MÜNDUNG. 343
wandt werden, und am folgenden Morgen (März 4.) führte uns die
Eisenbahn durch sandiges Strauchland, und spärlich bewachsene
Sandhügel, nach dem Hafen ^) Savanilla, oder vielmehr (da das Pueblo
seitlich bleibt) zunächst nach dem Zollhaus (im Puerto Salgar), von
wo die Sachen dann zum Einschiffungsplatz zu transportiren waren.
Da ausser dem englischen Dampfer der Royal Mail (Parä), auf wel-
chem ich meine Passage zu nehmen hatte, noch der französische Post-
dampfer zur Abfahrt fertig lag, und das Boot die Passagiere beider
führte, unter erstem Anlaufen an letzteren, hatte man die Augen auf-
zuhalten, dass in der Verwirrung der Gepäckstücke und der eiligen
Abmachung, keine Verwechselung vorkam. Einige der meinigen
erhaschte ich gerade noch zur rechten Zeit, um sie bei mir zu be
halten, bis wir uns an Bord des Parä befanden.
*) Davis landete nn den Barkadeers (Baranka) am Mngdalcnenfluss (1702).
DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
Am nächsten Morgen kreuzten w'if einige Zeit vor der stolzen
Bay Cartagena's ^), um dort Passagiere und Post aufzunehmen und ge-
langten am folgenden nach dem durch die beim Landen entgegen-
tretende Statue seinen Namen als Colon verkündenden Aspinwall,
von wo ich mich am Morgen darauf mit der (bei meiner früheren
Durchreise erst halb vollendeten) Eisenbahn nach Panama begab, und
dort durch die Freundlichkeit des Herrn Consul Lunar in den, meinem
Hotel gegenüber liegenden Club eingeführt, durch die Bibliothek
desselben mir über die Tage des Wartens bis zum Abgang des
americanischen Dampfers forthelfen konnte, auch Gelegenheit hatte,
mit dem Deutschen, Herrn O. Wirsing, Rücksprache über etwa aus
der Umgegend von David zu erwerbende Alterthümer zu nehmen,
sowie über die von Veragua und Chiriqui, mit gleichzeitiger Rück-
sicht auf dortige Felsinschriften und deren Copien.
Auf der Hochebene von Veraguas wurden Alterthumsreste der
Dorachos gefunden, die in dem (californischen) Suchen nach Gold
meistens freilich, ehe sie archäologisch bekannt wurden, zu Grunde
gegangen sind. In Chiriqui lieferten die Gräber von Bugaba Gold-
und Kupferfiguren, Goldschmuck die bei Bugabita, und ähnlich den am
Golfe dulce, die Gräber bei Bogueron, während von den Gräbern des
Boquete am Vulcan von Chiriqui Töpfergeschirr zu Tage gefördert
wurde. Bei Calderas in Veraguas findet sich eine Piedra pintada, mit
Figuren beschrieben (und Aehnliches auf den Inseln des Golfs von
Panama).
Die mit den Häuptlingen Penonome, Rota, Core u. s. w. in die
Berge geflüchteten Indianer von Panama wurden im Falle fortge-
*) Carthagena gehörte unter den Städten America's zu den durch ein Tribunal der
Inquisition beglückten und diests in Madrid zur Verschönerung fürstlicher Hochzeiten (wie
1632 und 1680) benutzte Institut, hätte von Rechts wegen noch jetzt zu bestehen, dj.
(nach Lamnier) die Aufhebung in Spanien eine ungültige ist , weil ohne Genehmigung
des Papstes erfolgt (1860). Jure et virtualiter tribunal illud extare adhuc censendum.
PANAMA. 345
setzten Widerstandes von dem Könige bei Felipe Gutierre's Colo-
nisirung in Sklaverei gegeben, und unter den Verfolgungen gingen
Alle zu Grunde (y asi todos perecieron). Bei der fortdauernden
Widersetzlichkeit der Indianer in Veragua kamen die Ansiedler in
grosse Noth „creciö la hambre y la desventura llegö ä lo extremo
que podia, porque acabado de comer los perros, y los caballos,
quando no se hallaba algun Indio que comer, huvo algunos, que ma-
taron un christiano enfermo, y se le comieron". Colon war dagegen,
auf seinem Wege vom Cap Gracias-a-dios (im Lande Zerabora) nach
Retrete zum Namen Puerto de Bastimento veranlasst worden, wegen
„la abundancia de viveres y las sementeras de maiz, que se veian en
las islas y en la costa firme".
Herrera bemerkt von den im Schnitzwerk und Malereien ge-
schickten Indianern von Panama, dass sie den Dämon Tabira (Tuyra*)
in den Antillen) verehrt und ihre Tänze, Riten und religiösen Cere-
monien denen der Antillen geglichen*) hätten. Columbus erwähnt
Kupferve^'arbeitung und das Gold wurde besonders aus den Minen
von Cana gewonnen, welche die Spanier seit 1615 verwildern Hessen,
damit sie nicht länger die Buccaneer und Flibustiers herbeizögen.
Die Leichen der verstorbenen Häuptlinge wurden am Feuer ge-
trocknet und um dem nachfolgden Neffen zu huldigen, küsste
man ihm die Füsse während er im Bette lag (besaban los pies
al Hijo 6 Sobrino, que heredaba, estando en la cama). Auch
dieses hätte (per anticipationem) als vom Widersacher ge-
lehrte Nachäffung römischer Sitte gelten können, als Höh-
nung der Pontifen, deren heilige Füsse seit Nicolas I. den Hul-
digungskuss der Gläubigen empfingen, denn als der florentinische
Gesandte den seit Monaten bettlägrigen Papst besuchte (Innocenz VII.),
wurde ihm gnädigst die Gnade gestattet, den aus den Schweissdecken
entgegengestreckten Fuss küssen zu dürfen. Noch inbrünstiger ist
die Labung des frommen Indianers, wenn er das Fusswasser
*) Der Tuyra-Fluss (Rio Danen) entspringt auf dem Altos de Aspave, el punto de
intenscccion de la cordillere terciaria, que viene de Baudö, jünger, als die Serrania del
Darien, so dass vor der Erhebung jener, die Wasser des Atlantic und Pacific communi-
cirten , und der Isthmus dann als Insel geblieben , oder, wenn mit Costa-Rica bereits
zusammenhängend, als Halbmsel (s. Codazzi). In ähnlicher Weise deutet die Ebene von
Tehuanttpec den früheren Zusammenfluss der beiden Meere an zwischen dem bei Jucillan
gesenkten Gebirge von Oaxaca und dem bei Tonala gesenkten (oder ansteigenden) von
Chiapas, und dann den Hochplateau's Guatemala's.
') Los bailes, ritos y religion parecian mucho h. los de la Espaliola y Cuba (havia
muchos brujos, que chupaban las criatunis por el ombligo).
346 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
seines brah manischen Vater's hinuntertrinkt, um die Flecken der sün-
digen Seele rein zu waschen. In der Ethnologie ergiebt sich als der
psychologische Grund solch* weit verbreiteter Fussverehrung die Vor-
stellung, dass der bereits im Himmel weilende Gott-Heilige als letzte
Beziehung zur irdischen Welt nur seinen Fussabdruck zurückgelassen
habe, weshalb man solche auch überall als Prophetenwerk den Steinen
eingedrückt findet (auf dem Oelberg Jerusalem's wie auf Adam's
Pic, und in America durchweg).
Nachdem Baiboa in Yaviza am Tuyra zuerst im Golf San Miguel
die Südscc betreten, wurde in der Nähe der von Diego de Albites
und Pedro de Gusman angetroffenen Fischerhütte, wo sich die India-
ner zum Fang der (dann in Blättern gedörrten) Fische^) neben Netzen
aus Agavefasern, auch der Angeln (ausSchildkrötenschaalen hergestellt)
dienten, von Pedro Arias Davila (1518) am Fusse des Hügels Ancon,
bedas von dem atlantischen Meere nach dem pacifischen verlegte Pa-
nama gegründet, nach Uebertragung der Kathedrale aus Antigua del
Darien (1519) zur Ciudad erhoben (1521), und besonders durch die
Bewohner jener Ansiedlung, sowie Acla's (an der Mündung des Agla-
monte oder Caledonia) bevölkert. Nach Morgans Streifzug (1670)
erhielt es durch Fernandez de Cordova seine neue Lage, durch Me-
cado de Villacosta seine Befestigungen, während die Panama-vieja's
in Ruinen geblieben ist.
Seinen Aufschwung verdankte Panama der Entdeckung Peru's,
dessen Reichthümer einen ununterbrochenen Menschenschwarm über
Chagres (San Lorenzo de Chagre) herbeizogen, trotz der entsetz-
lichen Mortalität, welche innerhalb 30 Jahren 40,000 Spanier ihr Grab
auf dem Isthmus finden Hess.
Nach fester Etablirung der umliegenden Colonien, sowie nach
Gewöhnung an den südlichen Seeweg, würde Panama in Bedeutungs-
losigkeit zurückgesunken sein, wenn es nicht durch die goldenen
Botschaften aus Californien, denen bald die aus Australien folgten,
zu einem neuen Tageswerk erweckt worden wäre.
Mein ursprünglicher Plan war gewesen, mich mit dem englischen
Postdampfer nach Greytown zu begeben, um dann die Reise durch
Nicaragua zu unternehmen. Doch rieth man mir, in Colon sowohl,
wie nachher in Panama davon ab, da in der damaligen Jahreszeit
die grössere Wahrscheinlichkeit vorliege, dass die Landung tmmög-
>) Die Aguja genannten Nadclfische wurden in grossen Zügen von Haien bei Panama
auf den Strand gejagt und gefischt zur bestimmten Jahreszeit (s. Oviedo).
COSTA RICA. 347
lieh sei, und ich dann dem Dampfer nach St. Thomas hätte folgen
müssen. Bei der Abfahrt von Colon, dessen ungesunde Atmosphäre
ich jedenfalls während der Liegetage des Dampfers zur Ladung ver-
meiden wollte, war/ ich noch unbestimmt, und als ich auf der Eisen-
bahnverwaltung meinen Fall vorlegte, traf man im Hinblick auf den
wissenschaftlichen Zweck der Reise, die Einrichtung, dass mir, im
Fall der Rückkehr, die Erleichterungen eines Retour-Billets zu Gute
kommen sollten. Für die paar Stunden Eisenbahn waren nach der
regelmässigen Preisliste 25 Dollar zu zahlen, also für Hin und Zurück
5oDoliar, das (mir zu 2 sDollar angerechnete)Retourbillct kostete dagegen
nur loDollar, und wenn ich zurückgekommen wäre, wollte man 15 Dollar
wieder herausgeben, so dass ich dann die doppelte Fahrt für weniger als
den halben Preis der einfachen gemacht haben würde, und für ein
Fünftel der eigentlichen. Im Allgemeinen ist solche Ermässigung
nur für die in Panama und Colon Ansässige bestimmt, die häufig
den Weg zurückzulegen haben, während für die durchreisenden
Fremden der hohe Ansatz festgehalten wird, und auch jede kleine
Nebenausgabe hier auf dem Isthmus enorm aufläuft, da Alles nur
darauf berechnet ist, den durchfliessenden Strom auszubeuten.
Am II. März brachte uns ein Tug an Bord des Costa Rica, (des
americanischen Dampfers der Pacific Küste) wo wir mitten in der Nacht
anlangend, uns möglichst rasch in der engagirten Kajüte installirten.
Der Ankerplatz findet sich bei den alten Perlen-Inseln, in der Nähe
des jetzt als Vcrgnügungsplatz benutzten Taboga's, einst das Besitz-
thum Hernafido's de Luque, des Kirchenlehrers (und clerigo presby-
ter(5), der für den Licentiaten Gasper de Espinosa mit Pizarro und
Almagro das Triumvirat abschloss, „para descubrir y conquistar las
tierras y provincfas de los reinos Uamados del Peru '.
Die Abfahrt zögerte nicht lange und am nächsten Morgen sahen
wir die Küste bei Punta Mala in hüglichen Bergreihen übereinander-
geschoben, am folgenden (März 13.) Inseln und getrennte Höhen-
züge vom Golfe dulce.
An streifenden Höhen hinfahrend, sahen wir (März 14.) in weiter
Bay sandige Küstenflächen (mit Buschwald) vor zurückweichenden
Zügen und ankerten am Puerto Puntas Arenas, dem Hafen der
Hauptstadt Costa -Rica 's, wo ich mit dem Vertreter des deutschen
Consulates, Herrn Rohrmoser, Einiges dortige Sammlungen Be-
treffende, worüber bereits correspondirt worden war, besprechen
konnte. Unter den centralamericanischen Republiken hat Costa-Rica
einen stetigeren Aufschwung genommen (wie Chile unter den süd-
348 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
americanischen). Unter den Spaniern dagegen wurde diese „Costa
de los Contrastes" wenig beachtet, als ein nutzloses Land, dem sein
(veränderter) Name, wie Juarros meint, aus Ironie gegeben sei, oder
zur Anlockung, • wie Erics grünes Land in Grönland der Isländern.
Die als frühere Anwohner des Golfs von Nicoya genannten Orotifter
wiesen in ihren Verwandtschaften nach Nicaragua.
Die Nicoya-Bucht wurde von Espinosa entdeckt mit dem ersten
der in der Südsee (auf der Perleninsel Panama 's) gebauten Schiffe.
Niedrigeren Küstenreihen mit unterbrochener Erhebung unregel-
mässiger Zackung folgten wir am März 15. Nachdem der breit vor-
springende Point Helena passirt ist, erweitert sich die Salinas-Bay
und jenseits einer niedrigen Höhenreihe steigt der Kegel des Vul-
can's von Ometepec ^) auf. Wir ankerten im Golf von Papagayo'), in
der Bay von San Juan del Sur, die sich mit Strauchhügcln, hinter
schmalen Sandstreifen in der Mitte, halbkreisförmig umherzieht, nach
der Spitze zu schroff abfallend. Hier gewissennassen liegt der von
der Natur beabsichtigte Durchbruch des Isthmus in den Seen Nica-
raguas ausgedrückt, und der im ununterbrochenen Strom uns vom
Land her entgegen- (also gleichsam vom Atlantic herüber) wehende
Sturmwind zeigt, dass an dieser Stelle die sonst von der Cordillere
gebildete Scheidung der beiden Meere (wenigstens in ihrem atmo.sphä-
rischen Theile) fehlt, und auch die See bemerkte sich in dieser be-
schränkten Localität bewegt und aufgeregt, im auffälligen Gegensatz
zu dem glatten Spiegel, den wir vorher und später durchfahren.
Solche Constanz der Windrichtung könnte ebenso, wie der Golf-
strom, zu jener Stauung des Wassers beitragen, wodurch die bei
Projecten über die Durchstechung des Isthmus von Corinth sowohl,
*j Er liegt auf der gleichnamigen Insel im See Nicaiagua, wie wesilich davon der Vulcan
Mombacho und zwischen dem See Nicaragua und dem Managua-See der ZwillingsvulcanNindiri
oder Masaya In Sicht des letzteren vermieden es die spanischen Seeleute der Entdeckungs-
^eit zu ankern , da sie auf ihm Teufel kämpfen sahen , die den Schiffen allerlei Schliche
spielten, die Anker lös'ten, die Taue zerschnitten und andere den ,,Spirit's" geläufige
Albernheiten trieben. Der Padre Frai Toribio Motilinia , der Apostel Mexico's (el Apos-
tolico Varon) stützte sich auf Gregor M,, um den Vulcan in Masaya, als Eingang zum
Höllenfeuer, zu beweisen, nach Analogie des Aetna in Sicilien, denn dort hatte (nach
Francisco de Mayroncs) ein frommer Eremit mit eigenen Augen gesehen , wie der ost-
gothische König Theodorich, nackt und unbeschuht, die Hände auf dem Rücken zu-
sammengebunden, vom Papst Johannes und dem Schwiegersohn Boelius' herbeigefiihrt
war, um in den glühenden Mund von Mongibel hinabgestürzt zu werden.
') Die Papagayos genannten Landwinde sind trocken, im Unterschied von den, Chu-
basco genannten Gewitterstürmen, sowie den, schwere Brandung verursachenden, Tempo-
rales oder Regen winden.
CORINTO. 349
wie des Isthmus von Suez, geäusserten Ansichten von verschie-
dener Niveaudifferenz der Meere (hier in einem Höherstehen des
atlantischen) veranlasst wurden.^) Bei San Juan, Nacascolo u. s. w.
wurde der bereits von den alten Chronisten erwähnte Fang^) der
(tyrischen) Purpurschnecke betrieben, zur Färbung des Hilo morado
durch Ausdrücken des Saftes aus dem Schalthier (s. Baily). Bei
Diriamba fanden sich Anpflanzungen von Maulbeerbäumen zur Ein-
richtung der Seidenzucht.
Nach dem Entladen wurden die Anker gelichtet, und folgten
wir niedrigen Kuppelerhebungen der mit, oft schroff abfallenden,
Stfauchhügeln einwärts streifenden Küste, unter weisslich umflortem
Himmel, in welchem sich, aus einer helleren Schicht hervorragend,
der dunkle Umriss des Omotepec, von leicht vorgelagerten Wölkchen
umkränzt, heraushebt.
Am nächsten Morgen zeigte sich die Küste in Kuppen zerfallen,
und aus kurzem Bergrücken stieg mit scharf abgeschnittenem Krater
der Vulcan Chinandega empor. Eine felsige Spitze umfahrend, wur-
den wir von der Bay aufgenommen, an welcher Corinto auf einer
Insel liegt. Bei einem Besuch am Lande wurde leider durch die
Krankheit des Herrn, an den ich empfohlen war, die beabsichtigte
Rücksprache unmöglich und die Kürze unseres Aufenthaltes ver-
*) Wird neben dem vermutheten Sinken der Küste in der südlichen Magellanstrasse
der Aufbau der ihätigen Vulcane im centralen Isthmus in Betracht gezogen » so würden
mit dieser geologischen Theorie auch die Projecte für DOrchstechung der Meerenge zu
rechnen haben. Für den in Nicaragua« als den scheinbar empfehlenswerthest vorgeschla-
genen Weg würde es zur Schiff barm ach ung des San Juan (neben andern Operationen)
der Sprengung und Wegräumung der Felsen an den Stromschnellen bedürfen , und die
Möglichkeit, oder selbst der dauernde Nutzen solcher Vornahmen bliebe in Frage gestellt,
wenn die Massen von Homblendegestein sich als die Resultate einer stetig fortdauern-
den Hebungserscheinung ergeben sollten. Baily filhrt den Fall einer spanischen Brigan-
tine an, die im Jahr 1648 den Fluss von Carthagena nach Granada, hinaufgefahren war,
aber bei der beabsichtigten Rückkehr das Fahrwasser verschlossen fand, und nach mehr-
jährigem Warten in Granada, wohin sie zurückgebracht worden war, auseinander ge-
nommen werden musste. Gage's Mittheilung, worauf Scherzer bei Squier's Citat anspielt,
könnte sich deshalb auf eine frühere Zeit beziehen, zumal in nautischer Terminologie die
Bedeutung des durch die Namen Ausgedrückten gewechselt hat. Der Erste, der den
aus der Lagune Granada's (in Nicaragua) in das Nordmeer auslaufenden Fluss befuhr,
war (wie Torquemada) erwähnt ,,el Capitan Calero, el cual se atreviö y se metiö en una
fragata, que es una fusta, como vergantin pequeiio, y con estas navegan aquellas lagunas
y el rio (dann entdeckte sich der Desaguadero) Creese que la mar del Sur estä mas alta,
que la mar del Norte (weil der Abfluss nach diesem Statt habe).
') Suelen andar ballenas por aquella costa (von Nicaragua) zur Zeit der Entdeckung
(«5. Herrera).
350 DER ISTHML'S UND GUATEMALA.
hinderte weitere Schritte. Realejo (de la Concepcion oder de la Posses-
ston) bildete den alten Hafen Leons, oder im Besonderen Chinandeg's,
(3 Leguas entfernt), liegt aber selbst noch i Legua von dem Aus-
schififungsplatz (früher Puerto de Realejo)') neben dem Hafen Nagius-
colo. „Ausser dem (vom Seestrande entfernt) an dem Estero gleichen Na-
mens gelegenen Ort bezeichnet Realejo auch zugleich die an dessen
Ausmündung durch zwei vorliegende Inseln gebildete Hafenbucht'*
(Rcichardt). Der Hafen wird durch die Mündungen der Flüsse Rea-
lejo und Telica gebildet, mit zwei Einfahrten um den Nord- oder
Südrand der Insel Cardon. In dem Nord-Creek, der nach Realejo
führt, ankern stromaufwärts die Schiffe neben der Aseradores- oder
Corinto Insel vor der Ansiedelung Corinto. Der Vulcan Viejo dient
als Landmarke. Vom Monotomba am Managua - See verfolgt sich
die Vulcanreihe in Axusco, Las Pilas, Orota, Telica, Santa-Clara bis
zum Viejo.
Bei der Abfahrt wurden wir von einem flachen Küstenstreif be-
gleitet, an welchem der Chinandega zwischen niedrigen Bergkuppen
isolirter Gruppen aufsteigt, und weiterhin erscheint eine niedrig ein-
gekerbte Höhenreihe. Dann, nach einem Abfall, sieht man, hinter
braunen Sandhügeln, breit den seit seinem Ausbruch*) 1835 weithin
gefürchteten Vulcan Coseguina aufsteigen, während sich in der Ferne,
über einem offenen Landstrich, der Umriss des Vulcan's Conchagua
abmarkirt. In gleichmässig flacher Erhebung, schroff abfallend,
streckt sich die schwach begrünte Küste fort bis zur Spitze des
Coseguina- Point, und dann folgten wir einer steil abstürzenden
Küstenwand mit dem Vulcan Chinandega dahinter. Vorne zeigt sich
als Rundhügel die Tiegcrinsel von Amapala und daneben in gleicher
Reihe die Inseln Conchaguita und Manguera, bis auswärts der Vul-
can von Conchagua, mit sattelförmigem Eindruck, vorspringt, und
mit freistehenden Klippen die Felsinsel der Farallones aufsteigt.
Von Chinandagua (in Nicaragua) öffnet sich der weite Golf der
von Niflo (auf Gonzalez'') Expedition) entdeckten Fonseca-Bay), um
*) Von den zwei Zugängen des Hafens in Realejo bemerkt Torquemada: por la un.i
entran los que van de la Nueva Espafia al Peru, y salen por la otra. AI contrario es de
los que vienen del Peru. Es wurden dort viele Schiffe gel)aut, da man damals (1540)
statt nach Tonnen, nach Pferden zählte (como en Espana cuentan por toneles, acd cuen.
tan por caballos).
') Bis Mexico und Vucatan verspürt und selbst in Jamaica und Bogota fühlbar.
^) Gil Gon/.ales Davila (rcconocio cl golfo de Papagayos, Nicaragua, la Posesion,
la Bahia de Eonseca) benannte die Bay von P'onseca nach dem Bischof und die Insel
Petronilla ,,por una Sobrina suya" (Herrera).
AMAPALA. 351
den sich in nebliger Feme die Küste von Honduras herumzieht, bis
sich die Rundhüjg^elinsel von Amapala vorlegt, während seitlich die
Insel von Conchaguita dem Conchagua (auf dem Festlande San Sal-
vador s) vorangeschoben steht, und der Vulcan San Miguel ein un-
deutlich schwankendes Rückbild projicirt. Wir fuhren vorüber an
den bewaldeten Höhenzügen von Conchaguila und der anstossenden
Inseln, dann an Amapala's braunem Fels mit zerstreutem Grün, und
um die Spitze zum Ankerplatz vor der Ansiedelung, wobei wir, in
dieser geschlossenen Bay mit gezackten Inseln, den Conchagua dar-
über vorstehen sahen, während aus nebliger Ferne der Vulcan San
Miguel herüberblickte. Abends begab ich mich mit einigen Passa-
gieren ans Land, doch bemerkten wir, da gerade die Kriegserklä-
rung Guatemalas erfolgt war, so umständlich militärische Vorberei-
tungen, dass es besser schien, sich ihren Weitläufigkeiten zu ent-
ziehen, zumal der Sohn des feindlichen Präsidenten, der sich unter
den Passagieren des Dampf bootes fand, zu unserer Bootparthie ge-
hörte. Uebcr Einiges erhielt ich Auskunft durch den deutschen
Kaufmann, Herrn Jühl, der uns nach unserer Rückkehr an Bort dort
besuchte.
Am Morgen fuhren wir zwischen der Insel Conchaguita und dem
Conchagua nach La Union (dem Hafen St. Miguels) hinüber, an der
geschwungen abfallenden Küste. Der dort für die Hauptstadt lan-
dende General Delgado, der über die Alterthümer der Inseln in der
Bay (auch über die der Insel Monotambito am See Managua)
Mancherlei berichtete, übernahm die Besorgung eines Briefes an den
Consul. Das frühere Vice-Consulat des Hafens fand ich beim Landen
dort aufgelös't. Auf der Halbinsel San Lorenzo in der Bay von Fonseca
sollen sich Steinfiguren der Indianer häufiger finden, und auch Indianer-
Inseln haben sich erhalten, wie unter dem im Dorfe Conchagua ge-
redeten Idiom. Dialectisch wechselt (wie zwischen Cuzco und Quito)
o und u zwischen Nicaragua und San Salvador, wie yol und yul
(für Herz). Hinsichtlich der Alterthümer Nicaragua*s (nica oder Wasser
in San Salvador) hörte ich von dem Capitän des Dampfers, dass
er einen americanischen Bevollmächtigten für die Weltausstellung in
Philadelphia herausgebracht habe, um auf den Inseln der Seen die
Arbeiten Squier's fortzuführen.
Die hervorstehenden Inselhügel, den runden Amapala s und den
.sattelförmigen Sacatc's einschliessend, i.st die Bay von der mit
vereinzelten Kuppen und gezackten Erhebungen wechselnden Küste
in der Ferne un\zogen.
352 DER ISTHMIS UNI) (ilATEMALA.
Die Isla de Tigre ist (nach Dollfuss) ein alter Vulcan, der geo-
graphisch und geologisch mit dem Vulcan von Conchagua in Be
Ziehung steht. Politisch gehört die dem Puerto de Tempisque in der
Estera Real gegenüberliegende Tiger-Insel (und der Freihafen Ama-
pala auf ihr) mit Sacate grande, Guegucnsi, Exposicion iDisposicion)
zu Honduras, wie Conchaguita und die Neben - Inseln {Manguera.
Perez und Punta Sacate) zu San Salvador (innerhalb der Bay von
Fonseca). Unter den verschiedenen Projectcn zur Durchstechung
des Isthmus würde sich das von Honduras, wenn sonst die Terrain-
sch\n*erigkeiten eine Möglichkeit der Ausführung gegeben hätten,
dadurch empfohlen haben, dass es an der pacifischen Seite in der
Bay von Fonseca einen guten Hafen besass, und dieser wurde dann
auch in den Argumenten auf das gründlichste ausgebeutet. Nicara-
gua besitzt den südlichen, Honduras den östlichen, San Salvador
den nördlichen Theil des nördlich durch den Vulcan Conchagua,
südlich durch den Vulcan Coseguina begrenzten Golfes von Fonseca
oder der Fonseca- Bay.
Die Lander Nicaragua s wurden bei der ersten Entdeckung dicht
bevölkert angetroffen, und voll Indianer, aber schon zwölf Jahre
später „estaban muy disminuidos por la mucha priesa. que se havian
dado en hacer esclavos, por el grande interes, que de ello remetaba
ä los govemadores, ä los ministros, y a todos. traiendo quince 6
veinte caravelas, que no hacian otra cosa, que cargar esclavos y
llevarlos ä vender ä otras partes" (s. Herrera). Allerdings hatte
schon Isabelle viele Bestimmungen zu Gunsten der Indianer getroffen,
und ihre VersklaN'ung wurde in den königlichen Gesetzen in ver-
schiedenen Paragraphen verboten. Doch blieb der Deutung über
den Namen der Canibalen oder Cariben*), die sammt und sonders
rechtlich für Sklaven erklärt \*'urden, viel freien Spielraum (da ihr
anthropologisches Kopfmass*) damals noch weniger festgestellt war,
als jetzt) und auch in den für besondere Expeditionen ausgefertigten
') FocTon dados por esclavos y «beides, para que los pudiessen matar, catiTar y
robar (los Caribes de Caribana).
') Nach neuesten Listen 80 Breite und 74 Höhe (zu 100 iJmge). Uebrigens hat
sich fÄr die vielgeschmahten Cariben auch bereits einige Ehrenrettung gefunden , dcrzu-
folge sie ,,als ein unverdorbener Volksstamm mit besseren Regungen" erkannt wurden.
So mögen sich die Caraiben des XV'. Jahrhunderts auf den Aniillen an ihren Namens-
TcUem des XIX. in Guayana ein Muster nehmen, obwohl Herrera auch von diesen
(X\l. Jahrhunderts) sagt: AI I-evante de la isla de la Trinidad y Rio de San Juan de
las Amazonas, estä la provincia de los Indios Aruacas, porte de ellos Caribes, y todo«
belicosos, que no estin pacißcos (von Figueroa in Unterscheidung von den Goados als
ZUNGENFERTIGKEIT. 353
Instructionen, wie in den vom Bischof von Burgos an Pedrarias mit-
gegebenen, worin es heisst, däss man den Indianern zwei, drei oder
mehrere Male die Wohlthaten darlegen sollte, die sie unter der
Regierung Sr. Katholischen Majestät geniessen würden, wogegen sie,
wenn Widerstand zeigend, der Sklaverei verfallen sein würden. Dies
wäre zu geschehen durch „Castellanos, que sabian la lengua", wie
dies jedoch in neu zu entdeckenden Ländern fremdsprachiger*) Stämme
ausgeführt und die Sprachfertigkeit in neuen Zungen verlangt wer-
den sollte, wird nicht dabei gesagt. Doch möchte sich auch dafür
Rath finden. „Die Gabe in fremden*) Sprachen zu reden und dies
Gesprochene zu verdolmetschen" fällt (für römische Orthodoxie)
in die achte Klasse der xaqUsiAoxa und Wärter stellt es als „gewiss"
hin, dass „auch Sündern Charismen mitgetheilt werden können" (1850).
Insofern hätte für die spanischen Sünder nichts im Wege gestanden,
Cariben definirt, in der allgemeinen Confusion ,,sobre saber, quales eran Caribes y quales
no"). Torquemada erklärt Cariben von Carith (occursus ignis) und ihre Sprachen, als
,,Hebraico corrompido". In Georg Hom's punischer Welt gehören die Cariben, als Cani-
bale, zum Geschlecht der Hanibale, oder umgekehrt.
*) The hrst missionaries, in their ardor to make proselytes, admitted the people of
America into the Christian church, without previous Instruction in the doctrines of religion
and even before they themselves had acquired such knowledge of the Indian language,
as to be able to ex piain to the natives the mysteries of faith or the precepts of duty.
Resting upon a subtile distinction in scholastic theology , between that degrec of assent,
which is founded on a complete knowledge and conviction of duty, and that which may
be yielded, when both these arc imperfect, they adopted this stränge practice, no less in-
consistent with the spirit of a religion, which addresses itself to tbe understanding of
men, than repugnant to the dictates of reason (s. Robertson). Als Boscana den Califor-
niem lehrte durch den süssen Nameu von Jesus und Maria den Teufel zu vertreiben, sagte
der Häuptling einer Rancheria: ,,Sce how this padre cheats us. Who believes that the
devil will leave us, by the sign of the cross. If it were to be done by dancing, as autho-
rized by Chinigchinich, he would depart, but that he will do so, by the means, which
he says, I do not believe" (s. Robinson). In seiner (dem Consistorialpräsidenten Paul
von Fuchs) dedicirten Predigt spricht Christian Colhard (in Müncheberg) ,,vom Exor-
cismo bei der heiligen Taufe, dass so oft er solchen ratione officii gebrauchen müsse,
ihm allezeit Furcht und Zittern darüber angekommen" (1698).
') ,, Ausdrücklich wird in den Canonisationsacten neben den vielen andern Wundem,
die Gott durch Xavier wirkte, auf glaubwürdig beschworene Zeugnisse hin die ihm ver-
liehene Sprachengabe hervorgehoben, die sich in mannigfacher Weise äusserte, bald so,
dass er die zur Predigt nöthige Sprachej wunderbar schnell erlernte, bald so, dass er die
Sprache mancher Völker so zierlich und fertig sprach, als wäre er bei ihnen geboren und
erzogen worden, bald dass er mehrere Sprachen, ohne sie erlernt zu haben, redete, bald,
dass wenn Leute verschiedener Nationen zugleich ihn predigen hörten. Jeder in seiner
Sprache ihn verstand" (Schrödl). Mitunter muss die Sprache beim Predigen des Evan-
geliums unwesentlich gewesen, und so vom heiligen Augustin erachtet sein, als er sie
sah: ,,multos homines ac mulieres capita non habentes" (vidimus et in inferioribus parti-
bus Ethiopiae homines unum oculum tantum in fronte habentes). So vermehrt sich das
Capitel der glaubensstärkenden ,,Incredibilia."
BastUn: America. I. ^
354 DER ISTHMUS l'XD GUATEMALA.
zumal, wenn sie heilige Männer von dem Schlage Franciscus Xavier s
mit sich führten, (doch selten vom reellen Gehalt dieses Letzteren).
Ausserdem scheint in diesen, manchmal wohl etwas seltsamen
Sprachen, das christliche Lehrsystem verschiedentlich verstanden zu
sein, wenn sich, von chinesischen Taiping abgesehen, nach den
wunderlichen Propheten^) schliessen lässt, die unter Odjibway, Karen,
Maori und sonst vielfach aufstanden, wie auch in Grönland.
Die (grönländische) Prophetin Maria Magdalene gründete mit
ihrem (Jesus genannten) Ehemann Habakkuk die halbchristliche Secte
am Fjord von Kangerdlugmatsiak (1790). Hexen ^) wurden getödtet
und Tänze um die Gräber abgehalten unter Küssen (s. Rink). In der
Mission der Herrenhuter von Frederiksdal erhob sich (1753) der Pro-
phet Mathaeus (der nach einem Anfall von Schwermuth in die Ein-
samkeit getrieben) sich Gabriel nannte und nach der Unterhaltung
mit dem Heiland Gebetversammlungen abhielt, wo man sich die
Hände zerschnitt, das Blut zu saugen.
An falschen Heiligen, vor denen bereits St. Augustin ^) warnt,
hat es bekanntlich nie gefehlt, und die Unterscheidung war häufig
^) The Corpus Christi (Texas) Ranchero (of January 12.) has the following Statement:
,,Great excitement exists at the present time among de Mexicans in the western Texas
and indeed among many Americans occasioned by the report, that a Saint has myste-
riously appeared in Mexico, at some point, near Carmargo, who possesses the power to
feed thousands of peeple with two or three tortillos, each gctting all he can eat, eures
all diseases, flesh is heir to, restores sight to the blind, in fact perfonns all sorts of mira-
cles. He says that he will be killed in Mexico and requests that his murderer may not
be punished. Apparently but 16 or 17 years of age, he has a gfeat beard of patriarchal
lenght and as an evidence that he is no impostor, it is reported, that Gen. Vidaurri
has him clearly shaven and then told him, if he was really a man of God, as he pro-
fessed, to cause his beard to reappear upon his face. The Saint requested his interro-
gator to turn his back for a few moments what he did, and after muttering a prayer and
going through some mysterious ceremony, his face was covered with beard the same,
as before" (Boston Journal, Febr. 18., 1861. Eine weitere Illustration könnte der
Pietismus deutscher Colonien liefern, gegen dessen fanatische Excesse das brasilianische
Militär auszurücken hatte, und leider so Manches in der Heimath, ohne in der Feme zu
suchen.
') Nach Loos sind die Hexenprozesse eine neu erfundene Alchymie, um aus Menschen-
blut Gold und Silber zu machen (durch Confiscation der Güter und Kopfgeld an die
Hexenrichter). Nach Spee hungert die Inquisition nach den Verurtheilungen der Hexen,
,,als die Brocken, davon sie eine fette Suppe essen wollte." Nach Agrippa war oft
persönliche Steuer zu zahlen, um nicht vor das Gericht gezogen zu werden. Au lieu de
Taute], sur lequel les prßtres de Vitzilipuzli ^gorgeoient des hommes, les dominicains ^1^-
vferent des buchers, c'^toit toujours les m^me sacril^ges, les mömes abominations sous
une autre forme (Paw).
') Wie oft zuchtlose Soldaten von Privatpersonen, durch Fälschungen kaiserlicher
Vollmachten, Lieferungen erpressten, so konnten schlechte Christen den Namen Christi dazu
DER ANTI-PAPST. 355
um so misslicher, weil die Missionaire, wenn sie auch überall ohne
Schwierigkeit listigen Teufelsspuk ^) oder doch den Widersacher ihres
heiligen Papstthums^) herauswitterten, doch für sich selbst den neuen
Eindrücken im fremden Lande nicht immer ganz unzugänglich waren,
und übernatürliche Kräfte^) in ihren Gegnern anefkennen mochten,
wenn sie auch als Katholiken nicht, gleich protestantischen Missio-
nairen*) (Africa's), sich durch die Schrifterklärung der Wilden hätten
beeinflussen lassen.
missbrauchen, von den Mächten oder Engeln, die im Besitz der Wundergabe seien, von
ihnen selbst zu verrichtende Wunder zu erpressen, meint Augustin, so dass das entschei-
dende Merkmal eines Wunders also in dem Zweck des Thaumaturgen ruht (als göttliches,
wenn zu Ehren Gottes). Bischof Alexander folgert die Ewigkeit des Sohnes (als Xoyog)
daraus, dass der Vater sonst aloyog gewesen sein würde.
*) Ximenes (Pfarrer von Santo-Tomas Chichicastenango) sah in dem Popul Vuh (der
Quiche) ,,une agence diabolique qui aurait travesti ä dessein, dans la cosmogonie quichee,
le r^cit des livres saints" (s. Brasseur de Bourbonog).
') Das indess selbst nicht immer Farbe bekannte : Papst Liberius (•]• 366) trat zum
Arianismus Über (um den Gegenpapst Felix II. zu beseitigen), Zosimus billigte die pela-
gianische Ketzerei, bis er sie verdammte (^ 418), Papst Symmachus (•]• 514) stritt gegen
Laurentius' Anklagen, Vigilius (-j- 555) wechselte die Ansicht (nach politischen Um-
ständen), Honorius I. (-J* 638), der sich für die Monotheleten erklärte, wurde von jedem Nach-
folger feierlich verflucht, Sergius I. (•}• 701) wurde Papst durch Bestechungen, die Päpsten
Johanna ward eingeschoben als Johann VIII (-J* 882) zwischen Leo IV («j* 855) und Bene-
dict m (858), der Leichnam des Formosus (-J* 896) ward durch seinen Nachfolger Bonifaz VI,
ausgegraben und beschimpft, Bonifaz VII. entfloh mit Kirchenraub nach Constantinopel,
t 983), Sylvester III. Gegenpapst des schändlichen Benedict IX. (•}• 1059), verkaufte
seine Ansprüche an Gregor VI. Nimis diu illuserunt credulitati orbis christiani Pseudo-
Isidori decretales (s. Theiner).
•) Während einer Dürre in Martinique fragte ein Negerknabe (von 9 — 10 Jahren) die
ihn erziehenden Missionaire ,,s'ils vouloient une grosse ou une petite pluye, les assurant,
qu'il la ferait venir sur le champ. Cette proposition ötonna ^trangement nos P^res, ils
consulterent entre eux, et enfin la curiosit^ l'emportant sur la raison, ils consentirent que
l'enfant, qui n'^toit pas encore baptis^, fit venir une petite pluye sur leur jardin (der
durch Keimen von drei Orangen herbeigezogen wurde). Les P^res Temple Rosi^, Bpur-
not et Fraisse, Religieux de notre Ordre etoient pr^sens, quand cette pluie tomba et
avoient vu toutes les ceremonies (les deux premiers encore vivans en cette ann^e 1718).
Le P^re Temple demeure au couvent de Ntmes et le P^re Rosi6 h. la Martinique aussi
bien que le N^gre (erzählt Labat, der einen Neger blutig peitschen und mit Pfeffer
waschen liess, weil er einem Kranken den am 4. Tage einzutretenden Tod vorhergesagt,
wie es geschah). Un n^gre convaincu d'^tre sorcier et de faire parier une petite figure
de terre, fut condamne par la Justice de l'Isle h. 6tre brul^ vif (nachdem er noch vorher
auf Herrn Vanbel's Wunsch mit Erlaubniss des Richters einen Stock hatte reden lassen).
*) Mayhew hörte von Ninigret (Häuptling der Narraganset) ,,that so long the English
conld not agree among themselves, what religion was, it ill became them to teach others"
(s. Drake). In der Kathedrale von Notre-Dame wurde im November 1793 ^*^ Courte-
sane Maillard durch Heber und seine Genossen auf den Hochaltar erhoben, als Göttin
der Vernunft, und im April 1802 wurde eben dort die Wiederherstellung der katholischen
Religion gefeiert.
23*
356 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
Als Gabriel de Roxas von Diego Lopez de Salcedo zur Ent-
deckung des Isthmus ausgeschickt wurde, erhielt er als seine In-
struction den Indianern zu verkünden, dass der Gott, der diq Men-
schen geschaffen, für ihre Vereinigung die Kirche eingerichtet und
„dexö ä un hombre, llamado San Pedro, con su poder" (ab seinen
Stellvertreter). Y que este San Pedro estableciö reyes en el uni-
verso, los cuales havian estado y estaban debajo de la obediencia,
y amparo de la iglesia, y que despues de su muerte, havian suce-
dido pontifices, ä quien habia quedado su poder, und dass Einer
von diesen die Länder der dortigen Götzendiener den „Catolicos
Reyes de Castilla y de Leon" geschenkt habe, und dass, wenn sie
nicht gehorchen wollten, nachdem Alles gehörig erklärt sei (por las
mas sufficientes lenguas), mit aller Strenge zu ihrer Bestrafung vor-
gegangen würde (s. Herrera). So waren die Lehren des america-
nischen*) Kirchenrechtes.
Nach Pedro Pizarro forderte ein (später auf dem Bischofssitze
fortwüthender) Mönch in Caxamarca den Sonnensohn zur Unterwerfung
auf, indem ihn der (künftige) Marquis(der frühere Schweinejunge)*) dann
als Bruder behandeln und in seinem eigenen Lande beschützen würde.
Man fühlte um so weniger Scrupel in America etwas unbedenk-
lich vorzugehen, da den Spaniern eine Zeit lang zweifelhaft blieb,
ob sie es dort überhaupt mit Menschen zu thun hätten, denn die
geographische Unkenntniss gestattete noch nicht die kühnen See-
fahrten in kühneren Hypothesen zu ent^^'erfen, um Adams oder
Noah's erste Nachkommen über die Wüste des Ocean's zu führen,
^ind gegen die Zulassung von zwei Adam, einen für jede Atmosphäre,
wie es Theophrastus Paracelsus meinte, lagen orthodoxe Bedenken
vor. So blieb die Natur dieser Antipoden eine firagliche, und es
') Auf des Bachillcr Enciso Noüfication, dass er beauftragt sei, ihre Unterwerfung
entgegenxunehinen, antworteten die Caiiken \-on Zenu: „que el Papa daba que no era suio'
y que el rey, que pedia y tomaba la merced, debia de ser algun loco» pues pedia lo que
era de otros, que fuese ü lomarlo" (Herrera). Eine ähnliche Verwunderung erwähut Ben-
zoni bei Atahualpa, der auf Valverde'^ Auseinandersetiung geantwortet habe, dass der
Papst ein Thor sein müsse, n\it solcher Freigebigkeit firemdes Eigenthum wegzuschenken.
Die Statthalterschaft des Papstes wurde von St, Cyrill erklärt, der in Alexandrien die
Mönche zu offener Rebellion bewaffnete (die Zahl der Heiligen mit dem heiligen Thau-
luasius bereichernd) und för die Mutter Gottes auf den Rauber>Synoden gegen Nestorius
kämpfte.
*) His prindpal occnpation was that of a s^ineherd (s. Prescott), was sich dann in
der Volkssage weiter Yerandcm vermochte, mamö una puerca dertos dias (s. Gomora).
PiiaiTo's Unkenntniss im Schreiben veranlasste den Inca zu Zeichen der Missaditung, die
seinen Tod beschleunigt haben sollen.
THEILUNG DER ERDE. 357
bedurfte einer ausdrüeklichen Bestimmung durch Paul III., dass man
die Indianer als wirkliche Menschen (utpote veros homines) anzu-
sehen habe, während sie bis dahin (wie Pauw meint) nur als eine
Art von Satyrn oder grosser Affen gegolten hätten, und so das feh-
lende Mittelglied für eine in der damaligen Volksschule einzuführende
Descendenzlehre ebenso trefflich ergänzt haben würden, wie es bei
dringenden Zeitbedürfnissen, unter den schwarzen Sklaven in den
südlichen Staaten derjenigen Union gesucht wurde, deren begründende
Constitution bereits für alle Menschen Freiheit und Rechtsgleichheit
proclamirt hatte. Es blieb noch die Hinterthür einer durch die Farbe
gekennzeichneten Inferiorität der Rassen, oder in den spanischen
Colonien die Ausschliessung der Eingeborenen von der Rangklasse
der gente de razon^) (oder der Blancos).
There is not in the history of mankind any thing more singular
or extravagant (bemerkt Robertson), als die Form, unter welcher
Ojeda und Nicuessa, nach Berathung von Spaniens vornehmsten
Geistlichen und Rechtskundigen, autorisirt wurden, von den dem König
durch den Papst geschenkten*) Ländern America's Besitz zu
nehmen (1509).
In diesem Document wird den Indianern America's die notarielle
Mittheilung gemacht, dass nachdem die von einem Mann und einer
Frau stammenden Menschen sich über die Erde verbreitet und viele
Völker gebildet, Gott (Dios nuestro Seflor) die Aufsicht darüber
einem gewissen Jemand gegeben, der sich San Pedro genannt habe
(a uno, que fue llamado San Pedro) und ihn, als den Herrn und
Meister, zum Haupt des Menschengeschlechtes gemacht habe, damit
^) On ne prit pas d'abord les Americains pour des hommes, mais pour des Orang-
Outangs, pour de grands singes, qu'on pouvoit d^truirc sans remords et sans reproche. En6n,
pour ajouler le ridicule aux calamit^s de cc temps, un Papc fit une Bulle originale, dans
laquelle il declara qu'ayant envi6 de fonder des ^v^ch^s dans les plus riches contr^es de
r Amerique , il plaisait a lat et au Saint - Esprit de reconnottre les Americains pour des
hommes v6ritables ; de sorte que dans cette decision d'un Italien, les habitans du nouveau
Monde seroient encorc maintenaut, aux yeux des fidelles une race d'animaux equivoques.
II n'y a pas d'exemple d'une pareille decision, depuis que ce globe est habit^ par des
signes et par des hommes. (VIII. Jahrh.)
') Ob Portugal oder Spanien war durch die Linie nicht immer leicht zu bestimmen.
„La cual linea diste de cada una de las islas que vulgarmeute dicen de los Azores e
Cabo verde cien leguas hacia el Occidente y Mediodia" und habe, nach ihrer Scheidung
an Spanien oder an Portugal alle Länder zu geben, die sich 1493 nicht im christlichen Besitz
fanden. Alexandre VI. (ce Pretre si m^prisable) ,, forma le projet ctrange de fair couronncr
un de S€s bdtards Empereur de l'Allemagne" und schenkte, um für dieses Project Hülfe
zu erhalten, die ,,Barbaros novi orbis, quos Indos vocant" an Spanien (s. Pauw).
358 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
ihm Alles diene und unterwürfig sei (diöle ä todo el mundo a su
servicio). Diesen hat man Papst (Papa) genannt, was sagen will*),
der wunderbar Höchste, der Vater, der Schutzherr (que quiere decir
admirable mayor, padre y Guardador). Einer von diesen Höchsten
im Weltall (Superior del Universo) habe nun alle Inseln und Fest-
lande im Ocean dem katholischen Könige von Castilla zum Geschenk
gemacht (hizo donacion de estas islas y Tierra-firme del Mar Oceano
a los catölicos reyes de Castilla) und es wäre den Bewohnern dort
deshalb anzurathen, sich ohne Verzug den Befehlen der Kirche und
des von derselben bestätigten Königs zu unterwerfen, da sie dann
auf gnädige Behandlung hoffen dürften, wogegen wenn nicht, mit
Feuer und Schwert gegen sie gewüthet*) werden würde.
Eine ähnliche Aufforderung richtete Gil Gonzalez Davila an den
Häuptling von Nicaragua, der erstaunt herbeieilte, diese Fremden zu
sehen, über welche er sich bei dem Dolmetscher erkundigte, ob sie
vom Himmel gekommen, oder mit den Wolken niedergefahren, oder
etwa herabgeflogen. Er legte dann folgende Fragen den Spaniern
vor: Ob sie etwas von einer Fluth wüssten, von welcher die Erde
überschwemmt gewesen, und ob eine zweite zu erwarten stünde?
Ob die Erde dadurch untergehen würde, dass sie sich umkehre, oder
dass der Himmel herabfalle? Wann und wie Sonne und Mond ihr
Licht verlieren würden und ihren Umlauf beenden? Femer erkun-
digte er sich nach der Ursache der Dunkelheit bei Nacht, und der
der Kälte, jene zwei Mängel in der Natur, da es doch besser schiene,
wenn es immer hell und immer warm wäre? In welcher Weise der
Gott der Christen, der Himmel und Sonne geschaffen, zu verehren
sei, wie sie es mit den andern Göttern hielten, denen des Meeres,
der Erde, der Menschen, wie mit den Herren der fliegenden Vögel,
der schwimmenden Fische, und aller übrigen Dinge in der Welt?
*) Auf welcher Etymologie die Elite der spanischen Geistlichen und Juristen bei
dieser Worterklärung basirt, wird nicht gesagt, der Profane weiss nichts davon. Pabst a
papa, quod cujusdam j^atemitatis nomen est (vom nanag der Kinder). ,,Zu Rostock
nannte man die Pennale Half-Papen (halbe Studenten), denn Papen hiess man in frühe-
ren Zeiten alle Studenten" (später als Schimpfwort). T^y TtQo^ityo^ivofuror fiiy "Artt»'
virngoy dt xiij^ym ndnay (Diod.).
*) Yo entrare poderosamente contra vosotros, y vos hare guerra por todas las partes
y maneras, que yo pudiere, y vos sujetar^ al jugo y obediencia de la Iglesia, y de su
Magestad, y tomar^ vuestras mugeres y hijos y los hare Esclavos, y como tales los ven-
derö y dispondrö de ellos, como su Magestad mandare, y vos tomar6 vuestros bienes y
vos hare todos los males y dafios que pudiere, also ungefähr dieselbe Mission, in
welcher die Kinder Israel durch ihren ,,eyfrigen" Gott mit den fetten Ländern der Ka-
nanäer beschenkt wurden.
PLUTONISMUS. 359
Woher denn eigentlich die Seelen kämen? und weshalb sie den
Körper schon nach so kurzer Lebenszeit zu verlassen hätten, da sie
doch unsterblich seien ? Dann stellte er eine Frage darüber, ob der
heilige Vater in Rom, der Stellvertreter Christus, des christlichen
Gottes, dem Tode unterworfen bliebe, und ob der Kaiser, der König
Castilien's, von dem so Grosses erzählt würde, sterblich sei? Und
wozu diese paar Menschen soviel Gold nöthig hätten? (y para
que tan pocos hombres, querian tanto oro). Die Spanier, fügt Her-
rera hinzu, waren nicht wenig erstaunt, solche Worte aus dem
Munde eines Barbaren zu hören (un hombre, medio desnudo, Bar-
baro, y sin letras), aber der Anführer dieses Streifcorps, der ein ver-
ständiger Mann war (que era discreto) hatte für Alles eine Antworte
und genügte diesem wissbegierigen Frager so gut, dass derselbe sich
zufrieden gab. Als er nach Panama zurückkehrte, hatte er 512,524
Pesos zusammengerafft, doch war das Gold von keinem besonders
feinen Gehalt (Oro baxo), wie der gewissenhafte Chronist nicht unterlässt,
besonders zu erwähnen. Um diese Mängel der Natur zu verbessern, hätten
die Spanier gerne den Vulcan von Masaya ausgeschöpft, denn wie
sie die forschungsliebenden Indianer belehrten, rührten die Donner-
geräusche desselben von dem geschmolzenen Golde her, das darin
kochte, während die Heiden eine alte und runzliche Teufelsköchin darin
hausen^) glaubten. Der Missionär der Expedition (Frai Blas Iniesta,
de la orden de Santo Domingo), der auf Davila's bestem Pferde
(con el mejor caballo) zum Predigen in den Dörfern umherzog, be-
nutzte deshalb die Gelegenheit, eine lange Kette anfertigen zu lassen
(150 Bragas), und liess sich diese auf den Crater hinaufschlcppcn.
Leider erwies sie sich zu kurz, so dass der von der Hitze abgc-
schmolzene Metallhafen'), der daran gehängt war, herunterfiel, und
sie, minus desselben und ohne ihr Gold, wieder in das Lager zurück-
*) Er antwortete (nach Gomara) ,,lo mas filosoficamente» quepudo", so philosophisch
es ihm möglich war. Wie viel Philosophie dieser brave Kriegsmann gehabt haben mag,
oder ob Überhaupt, bleibt dahin gestellt, aber wohl besser gar keine Philosophie, als die
himverzwickte damaliger Scholastik. Augustin basirt die Forderung, an Christum zu
glauben, auf das Unglaubliche, ,,denn jam ergo tria sunt incredibilia , quac tamcn facta
sunt" und noch viel mehr : ecce tot incredibilia tribus illis incredibilibus addimus, und so
könnte man das Unglaubliche am Christenthum auch wohl zugeben. Omne, quod non
est ex fidc, peccatum est.
') Durch das Ungeheuer Typhon (als Comct in Aegypten) in der Sonne ange-
griffen, entzündete ihn Jupiter durch die geschleuderten Pfeile und stürzte über ihn den
Aetna, qui ex eo adhuc ardere dicitur (s. Hygin). Aehnlich erklärt Orelie I. seinen Araucancm.
*) Oviedo, der mehrere Capitcl der (infiemo deMassaya) Hölle von Massaya widmet,
erzählt den Versuch der Goldausschöpfung, durch einen Kessel, von Pedro Ruyz.
360 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
zukehren hatten, „bien espantados" (voll Furcht und Schrecken). Mit
dieser ersten Leccion in der Naturlehre durch die Jünger des gött-
lichen Stellvertreters in Rom wird sich der Fürst von Nicaragua
auch wohl zufrieden gegeben haben und weiteres Fragen für über-
flüssig erachtet.
Ausserdem hatten die Eingeborenen bald andere Sachen von
den Spaniern zu lernen, worin diese besser bewandert waren. Als
Martin Estete von Pedrarias Davila zur Besiedelung des Desaguadero
(in Nicaragua) abgeschickt wurde, nahm er von Granada die Sklaven-
ketten mit, die dort unter drei Schlüsseln in einer Kiste verwahrt
wurden, um einzuschmieden , wen ihm beliebe (por herrar muchos a
SU voluntad). Die zu Lastträgern gepressten Indianer wurden in
einen Gang zusammengekettet, und wenn Einer ermüdete, so half
man sich über die Unbequemlichkeit, die ganze Reihe aufzulösen,
damit hinweg, dass man ihm den Kopf abhieb, so dass der Rumpf
herausfiel (por no quitarle el Argollo, le quitaron la cabeza); wie es
auch auf den Expedicionen in Venezuela vorgekommen sein soll.
Aus Verzweiflung- enthielten sich die Indianer Nicaragua's Jahre lang
ihrer Frauen, um keine Sklaven für die Fremden zu gebären (para
• que no pariesen esclavos para los Castellanos). Die Väter und Brüder
der von Lopez de Salcedo in die Sklaverei Geführten flüchteten (in
Nicaragua) in das Waldgebirge, um dort Hungers zu sterben (adonde
se consumian de hambre). Weiteres bei Las Casas, der indess in
seinem entschuldbaren Eifer des Guten vielleicht etwas zu Viel thut.
Die chilenischen Indianer beklagten sich, dass man ihnen das
Christenthum bringe, um sie zu Sklaven zu machen, wie Coreal be-
merkt, indem er zufügt: „il me semble que cela est assez v^ritable."
Als der Italiener Hieronymus Benzo auf die Klagen des Häuptling's
in Nicaragua über die Bedrückungen der Christen erwiderte, dass
sich auch gute Spanier darunter finden möchten, antwortete er, dass
er unter ihnen „niemahls andere, als böse Buben gekennet" (s. Dapi>er).
Unter der einheimischen Regierung Nicaragua's wurden Diebe
zu Sklavendiensten verurtheilt, die sie so lange zu leisten hatten, bis
der Schaden gut gemacht war, und in Peru fehlte die Sklaverei^)
*) Von den Sklaven Mexico's bemerkt CUvigero: ,,In Ansehung der die Sklaven
betreffenden Gesetze verdienen die Mcxicaner den Vprzug vor den culüviitesten Nationen
des alten, und vielleicht auch des heuügen Europa. Vergleichen wir die Mexikanischen
Gesetze mit der Römer, Lacedimonier und anderer bekannter Völker ihren, so finden
wir in den letzten eine zurückschreckende Barbarei, in den ersteren Menschlichkeit und
Rücksicht auf die Gesetze der Natur. Was verräth mehr menschliche Gesinnungen, als
Ge>ctze, welche den Kindern der Sklaven die Freiheit zusprechen;* welche den Sklaven
SKLAVEN. 361
ganz, wie Velasco gegen Robertson behauptet, indem die Kriegs-
gefangenen für öffentliche Zwecke, Mitimaes zu auswechselnder Co-
lonisation, verwandt wurden.
Neben den aus Kriegsgefangenschaft oder durch Verurtheilung
wegen Verbrechen Versklavten bestand in Mexico das auch in Siam
und an der Goldküste (ebenso unter den Kimbunda in den Fuka x>der
Hafuku) bekannte Institut der Pfand'sklaverei, das sich in Mexico
auf den HuehuetlatlacoUi (alte Dienstweise) genannten Rechtsbrauch
begründet, indem sich verschiedene Familien vereinigen mochten,
einen Sklaven zu liefern, den sie seinem Herrn „lebendig" zu er-
halten hatten, und bei Dienstuntauglichkeit, in Krankheitsiallen
oder beim Tode durch einen andern zu ersetzen hatten. Auch konn-
ten sie nach einer bestimmten Zeit ein anderes Familienglied an die
Stelle des früheren substituiren, und wenn der Herr so einen frischen
Sklaven als Ersatz für den durch die bisherige Dienstzeit bereits
Angegriffenen erhielt, pflegte er dann noch eine besondere Gratifi-
cation der ursprünglichen Kaufsumme zuzulegen. In Zeiten der Be-
drängniss, besonders während einer Hungersnoth, die auch in Rajpu-
tana die Ursache freiwilliger Versklavung zu sein pflegte, vermehrte
sich seitens der Bedürftigen das Angebot zu Sklavendiensten bei
den Wohlhabenden und Begüterten, und nahm mitunter solchen
Umfang an, dass Regierungsmassregeln nöthig wurden, um dagegen
ein Eigenthum an ihren Gutem, und was sie durch ihren Fleiss verdienen, einräumen;
welche vom Herrn fordern, seinen Sklaven menschlich, und nicht wie das Vieh, zu be-
handeln; welche ihm kein Recht über sein Leben gaben, ja ihm nicht einmal erlaubten,
!>olchen auf dem Markte zu verkaufen, wenn er nicht auf gehörige Weise bewies, dass
der Sklave nicht zu bessern und zu gebrauchen wäre. Wie ganz anders waren die römi-
schen Gesetze beschaffen. Sie räumten den Herren die grösste Gewalt ein, so dass ihnen
nicht nur alles Eigenthum der Sklaven gehörte , sondern dass sie auch Macht über ihr
L^ben hatten und ihnen solches nehmen konnten, wenn es ihnen beliebte. Sie durften
die Sklaven auf das Unmenschlichste behandeln, sie mit grausamen Martern belegen, und
was die harte Denkungsart dieser Nation noch mehr verräth, so erweiterten sie auf der
einen Seite die Gewalt der Herren immer mehr, und schränkten auf der andern das ein,
was die Sklaven einigermassen begünstigte. Das Gesetz Fufia Caninia erlaubte den
Herren nur eine gewisse Anzahl Sklaven frei zu lassen. Das Silanianische Gesetz ver-
ordnete, dass, wenn ein Herr umgebracht ward, alle in dessen Hause, oder an jedem
Orte in der Nähe, wo sie seine Stimme hören konnten, befindlichen Sklaven hingerichtet
werden sollten. Ward er auf einer Reise erschlagen, so kostete es allen bei ihm befind-
lichen Sklaven, und auch denen, welche die Flucht nahmen, das Leben, ihre Unschuld
mochte noch so sehr am Tage liegen. Das Aquilische Gesetz machte keinen Unterschied,
ob man einen Sklaven oder ein Stück Vieh verwundete. So weit ging die Barbarei der
gesitteten Römer. Die Gesetze der Lacedämonier waren nichts menschlicher, denn ein
Sklave hatte keine gesetzmässige Hülfe wider den, der ihn beleidigte." (1789).
362 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
einzuschreiten. So sah sich der König Nezahualpilli von Tezcuco
veranlasst, ein Gesetz zu erlassen, wodurch Alle diejenigen, die in
der Nothzeit des Jahres 1505 — 1506 vom Hungerstode bedroht, das
Sklavenjoch übernommen hatten, wieder in Freiheit gesetzt wurden,
und ähnlich wird (bei Sahag^n) von Montezuma erzählt, dass er Alle
die edlen Familien Angehörigen, die sich während der unter seiner
Regierung ausgebrochenen Hungersnoth, um das Leben zu fristen,
in den Sklavenstand begeben hatten, aus eigenen Mitteln, zum Theil
für den doppelten Preis, loskaufen*) Hess, durch die von dem Ge-
richtshof Tlacxitlan eingesetzten Beamten.
Auch die unter anderen Titeln erworbenen Sklaven standen
unter dem Schutz der Gesetze, und so lange keine Anschuldigung
durch schlechtes Betragen vorlag, durfte sie ihr Herr nicht beliebig
verkaufen, ausser, wenn er nachweisen konnte, dass ihn seine zer-
rütteten Vermögensumstände zu solchem Schritte zwängen.
Wenn sich Spieler (wie bei alten Germanen) als Sklaven (in
Mexico) verkauften (s. Duran), oder Huren, um sich den benöthigten
Schmuck zu verschaffen, so brauchten sie sich erst ein Jahr nach-
dem sie die Vorschusssumme erhalten hatten, zum Dienst zu stellen,
indem sie in der Zwischenzeit eben Gelegenheit behielten, zum Ver-
such, die zum Zurückzahlen (oder Wiederfreikauf) benöthigten Sum-
men durch ihr Gewerbe sich zu verschaffen. Nach Camargo waren
die Gemeinen (Macehuales) froh, für einen Edlen (in Mexico) zu
arbeiten, wenn sie sich dadurch dessen Schutz sicherten, was inso-
fern an Vorkommnisse unter dem Feudalwesen erinnert, weil in Tlas-
cala und Tenuchtitlan ähnliche Verhältnisse bestanden, wie sie zur
Ausbildung jenes im mittelalterlichen Europa führten, obwohl die
feinere Ausbildung, wie überall, sich nach den localen Bedingungen
characteristisch differenciiren musste.
Wie die (von den Chololtecas stammenden) Nicoyas oder Mangues
in der Sierra des Innern, wohnten die Nicaraguas (zu den Mexicanem
Anahuac s gehörig) nach der Küste des Südens zu (bei Torquemada).
Aus ihren alten Wohnsitzen (zwischen Xoconochco oder Soconusco und
Tehuantepec*) wurden sie durch die Tyrannei der sie überziehenden
*) Mandö a sus vasallus, que juntasen todos los esclavos hidalgos, que se habian
comprado, luego el seüor mandö dar h sus dueüos, d cada uno su paga ö sus dones
(fue la paga doble del precio que habian dado).
') Mit Abzweigung nach Chiapa, während Remesal die Verwandschaft durch Ein-
wanderung der Nicaraguer nach Chiapa herstellt.
BEVÖLKERUNG 363
•
Olmecas (die als ihre alten Feinde aus Mexico gefolgt waren) ver-
trieben und brachen auf Rath ihrer Priesterfürsten heimlich auf,
Quauhtemallan (unter Verweilung bei Escuintla)^) durchziehend, wo
der in Cholulteca oder Chorotega sterbende Prophet die von dem
Zorn der Götter betroffenen Nicoyer voranziehen liess, den Olmecas
künftige Wohnsitze am Golf von Lucar bei der Insel Chira bis zu
dem (auch Casitren, Orotifla und Chorote einschliessenden) Bezirk
von Nicoya (wo nach der Sitte Panuco 's Lippenpflöcke getragen wur-
den) anweisend und den Nicaraguas Ansiedlungen am Süsswassersee.
In Quauhtemallan (Guatemala), wo sie Pipiles (Junker oder Infanten)
genannt wurden, siedelten sie sich in den Ortschaften, „que llaman
los Egalcos" (la maior y mejor huerta^) y mas abundante y rica de
Cacao y algodon), im „Pueblo de Mictlany el de Yzcuintlan" u. A. m.
Ein Theil dieser Auswanderer drang bis zum nördlichen Mt;er
vor. Vom Desaguadero (wo ein mexicanischer Dialect geredet ward)
bis nach Nombre de Dios'), und dann zur Aufsuchung des Südwasser-
sees zurückkehrend*), fanden sie denselben jedoch von den Nicoyas
besiedelt, die ihnen die Niederlassung an der benachbarten Lagune
von Leon (Xolotlan der Pipiles oder Nagarando der Mangnes^)
empfohlen. Mit diesen Wohnplätzen auf die Dauer aber nicht zu-
frieden, wandten sie sich aufs Neue nach Nicaragua und nahmen
durch verrätherischen Ueberfall Besitz von dem Lande, indem sie die
Nicoya's vertrieben.
Aus dieser Darstellung geht hervor, dass die von der (azte-
kisch) Mexicanischcn als eigenthümlich verschiedene Cultur der
Guatemala durchziehenden Cholutecas sich mit den Nicoyas (Mangnes
*) Eine Wiederholung des zwischen Tonala und Tuxtia gelegenen Exuintla, auf dem
Wege von Tehuantepec (und dem Flusse Guasocualco) nach Guatemala gelegen.
') Don Pedro de las Huertas(in Guatemala).
') Colon fand das Land bei Puerto Bello (bis Nombre de dios) bei zahlreichen An-
siedelungen als Garten ausgelegt. Als indess Nicuesa unter den Chuchurries bei Nombre
de dios (mit der Chuchurra - Sprache) eine Festung baute , hörten die (vergeblich seine
Vertreibung versuchenden) Indianer auf, das Land zu bebauen, und zogen sich in das
Innere zurück, so dass ein Theil der Ansiedler Hungers starb (s. Herrera). Davila zog
die Ansiedler in Acla (an der Mündung des Aglamonte oder Caledonia) nach Nombre
de dios (in Panama).
*) Cutatura, Fürst von Pariz (Parita), der die (mit den Nata in Veragua kämpfen-
den) Riesen (tättowirten Körj>ers) von Escoria (que se preciaban de Caballeros y Valien-
tes) besiegt hatte, trieb die von Nicaragua (bis Tubrabä) einfallenden Menschenfresser
nach der Meeresküste zurück (s. Herrera). Valientes und Ramas werden zwischen Punta
Gorda und der Lagua von Chiriqui (Aburema) erwähnt.
*) Dr. Berendt fand Ueberbleibsel der Mangue oder Chorotega (mit den Chapaneca
verwandt) in den indianischen Ansiedlungen an den Seen von Masayo und Apoyo.
364 DER ISTHMl S UND GUATEMALA. '
oder Mangues) oder Managuas (Omaguas in weiteren Wandlungen)
verknüpft, während aus den späteren Nachwanderungen aus Mexico,
die ältesten bereits mit den angetroffenen Besitzern des Landes in
eine Art verwandtschaftliches Verhältniss getreten waren, das sie an-
fangs ihren ursprünglichen Verwandten, die nachher ankamen, fremd
entgegentreten Hess, obwohl sich dann ein gemeinsamer Bund wieder-
herstellten im feindlichen Gegensatz zu eingeborenen Stämmen.
Nach Herrera hatten die in Folge einer Dürre nach Nicaragua
ausgewanderten Mexicaner die mexicanischen Riten und Bücher ein-
geführt, da diese sich nur bei den Choroteken fanden, die sich auch
in ihren Opfer - Ceremonien von den übrigen Stämmen Nicaraguas
unterschieden. Neben dem Orotifia oder (nach Oviedo) Orotiflaruba
und dem Chontal (der rohen Serranos), sowie dem Mexicanischen,
nennt er als die älteste, und geachtetste (gewissennassen officielle
oder heilige) Sprache das Corobici, das hauptsächlich in Chuloteca
geredet wurde , so dass sich hier also noch eine Choluteca - Sprache
zufügen Hesse, um die Fünfzahl voll zu machen, während Gomara
das Coribici, als die geachtetste, das Chorotega, als die älteste und
einheimische Sprache aufführt, neben dem uncultivirten Chontal,
dem Orotifta oder Mama und dem weitverbreiteten Mexicanisch.
Hält man unter Identificirung der Chorotegen und Choluteken
ihre frühere Einwanderung fest, so könnten sie bei der Niederlassung
unter autochthonen Coribici^) die dadurch gebildete Mischsprache
(während der Rest der ursprüngHchen Sprache nur für Sacral-Zwecke
verbleiben mochte) als die einheimische (späteren Zuwanderungen
gegenüber) haben gelten lassen, wie es in bestimmten Districten für
die Chontalen der Berge und die als Mama auf Guatemala weisen-
den Orotifta gelten mochte. Die Mexicaner selbst hätten dann nach-
her bei ihren Ansiedelungen im Lande der Chorotegen theilweis
diese Namen auch für sich angenommen (ähnHch den nebeneinander
herlaufenden Bezeichnungen der nicht auf Wales beschränkten Britten
und Anglo- Sachsen in Gross-Britannien oder England), wobei freilich
schon die (Chorotegen oder) Choluteken, als in ihrer Auswanderung
der Zeit der Tolteken noch näher, die von diesen erst auf die Azteken
übergegangenen Bücher in archaistischeren Formen mitgebracht
haben würden.
*) In Coro - Bici (VL\i oder Vitzi) kann wieder die weitreichende Bezeichnung der
Victoli ru Olmecas (und Mixtecas) liegen (durch Itza u. s. w.), während Coro seine süd-
liche Affinitäten findet. In Xayarit (Jalisco's) wurde das Cora (oder Ateacari) geredet.
PHILOI^OPHIE. 365
Neben den aztekisch redenden Niquires nennt Squier den Dia-
lect der Choluteken, und mit diesem den dirischen, nagrandinischen,
orotinischen und chondalischen. In Chontal (chontalli oder Fremder)
liegt die allgemeine Bezeichnung des Barbarischen (wie in Popoluca),
besonders gegenüber den Nahoas oder deutlich Redenden. Nach
Fröbel sind die zu den Lencas gehörigen Walwas (am Rio Mico)
zu den Chontales zu rechnen. Nach Levy gehören die Pantasma
und Rama zur Nachkommenschaft der alten Chontales, die Poyas,
Toakas, Wawas, Toonglas zu den Xicaques (in Honduras), die
Carca, Siquia, Ulua zu den Caribsi Nicaraguas (als Smoos).
Als im Auftrage des Gouverneurs Pedrarias Davila der Mönch
(vom Orden de la Merced) Francisco de Bobadilla in Begleitung des
Schreibers Bartolomäus Perez (unter Hülfe von drei Dolmetschern)
einer Versammlung von dreizehn Häuptlingen, Vornehmen und
Priestern (trege caciques 6 principales 6 padres 6 sacerdotes de
aquellos infernales templos) über die Herkunft der Landesbewohner
befragte, hörte er, dass ihre Vorfahren aus dem Westen gekommen,
von den Ticomega und Maguatega genannten Ländern, von wo sie,
weil durch die Eroberungsvölker bedrückt, ausgewandert seien. In
verschiedenen Orten wurde ein Examen über die religiösen An-
sichten angestellt, und die Antworten finden sich bei Fernandez de
Oviedo y Vald& erhalten (s. Amador de los Rios).
Die Teotes (Götter) waren die Vorfahren (in Nicaragua) und die im
Kriege Gefallenen gingen, um ihnen zu dienen, zur Sonne, die in den
Häusern Sterbenden dagegen unter die Erde, während in der Säugezeit
sterbende Kinder, ehe sie Mais gegessen, in den Häusern der Eltern
wieder auflebten (s. Oviedo) als noch nicht an das Irdische durch
Nahrung gefesselt, weshalb (nach dem Verzehren solcher) die Götter
Tonga's (wie die Byamma) nicht zurückkehren konnten.
Nicht die Leiber lebten fort, wie Bobadilla in Nicaragua hörte,
sondern der aus dem Munde hervorgehende Athemhauch (yulio*))
und, wenn man sage, dass das Herz fortdaure, so sei damit die das
Herz belebende Kraft gemeint (no va el coragon, mas va aquello,
que les hage ä ellos estar vivos, y ido aquello, se queda el cuerpo
muerto). Der Körper verfault in der Erde, aber das Herz geht nach
oben (wurde von dem Greis Coyevet hinzugefügt), und mit solchem
*) Yulio (ques el dnima) del bueno va arriba con los dioses, y la del malo va debaxo
de la tierra, hörte Bobadilla von Astochimal (in Nicaragua).
366 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
Herzen ist die Lebenskraft^) gemeint (que aquel coragon que va es
el que los tiene vivos, e salido aquel, se mueren), und ebenso
Astochimal : „No va el coragon, sino aquello, que aca los tenia vivos
y el ayre que les sale por la boca, que llaman yulio", nicht dagegen
das Körperliche (aca veo los huesos y podrir la came).
Für den künftigen Aufenthalt der Seelen werden auch in Mexico
verschiedene Plätze angenommen, einige gingen zur Unterwelt (al
infiemo oder der Hölle), andere zum Himmel (al cielo), andere zum
Paradies (al Paraiso) und in dem, was sie von der Hölle sagten,
hatten sie recht (en decir que iban al infiemo, decian verdad), fugt
Torquemada hinzu, denn alle ungetauften Heiden hätten zur Hölle
zu gehen, ewige Strafen zu leiden für immer und immer (iban al
infiemo ä padecer penas ctemas, a siempre). „Wann man die Sache
recht erwäget, so fordert eben die Liebe Gottes, die Er gegen sich
selbst heget, die ewige Verdammniss des ungläubigen Sünders"
(Fresenius). Nach Hülsemann sind nicht nur die unmündigen Kinder,
sondem schon die Embryonen verdammt. Die Supralapsarier, indem
sie die Vorherbestimmung zur Sünde bekämpften, setzten den Rath-
schluss der Verdammung schon vor den Sündenfall.
Von diesen zu unerbittlich für alle Ewigkeit fortdauernden Qualen
consignirten Indianern bemerkt Torquemada an einer andern Stelle,
dass sie ihrer Natur nach von solcher Einfachheit^) und Seelenrein-
^) Aus solchen Vorstellungen , wie aus ähnlichen , an sich unschuldigen , auch
im Christenthura , z. B. im Kloster von Carrhes (s. Assamann.) und sonst, wucher-
ten die blutigen Riten der Menschenopfer hervor, indem in den, aus fanatischer Parthei-
sucht die sanfteren Lehren Quetzalcoatl's bekämpfen, den Sccten priesterliche Aberweis-
heit plausibel zu machen wusste, dass es menschlicherseits geeignet schiene, den die
Natur durchwaltenden Elementarmächten zu Hülfe zu kommen, und sie mit erneuernder
Zufuhr von Lebenskraft zu nähren, die, als im Herzen concentrirt, am wirksamsten aus
den Herzen von Menschen zu gewinnen sei, (und Hessen sich besonders die der Feinde
empfehlen). Augustin bemerkt, dass das Fleisch des (nach Origenes Ausdruck) geschlach-
teten Menschensohnes zu essen, dem Uneingeweihten als ein verbrecherisches Gebot er-
scheinen möchte. So bezeichnet Averroes die Religion der Christen (neben der schweini-
schen des Islam und der kindischen der Juden) als eine unmögliche, weil sie das an-
beteten, was sie ässen. Ecquem tam amenten esse putas, qui illud, quo vescatur, deum
credat esse, bemerkt Cicero über die Feste der Ceres und Bachus (als Getreide und Wein),
aber nach dem Pater Lescalopier ist es eine ausserordentliche Weisheit, dasjenige zu essen,
was man für einen Gott hält. Nos stulti propter Christum (s. Bayle), Mensch i. d. Gtsch.
lli. in. S. i6i. Eucharistiae nostrae umbram quandam et simulachrum hatte der Teufel
in Cuzco eingeführt (nach Joseph a Costa), bei einer (das Trinken des Eideswassers in
Siam durch Essen eines geweihten Teiges ersetzenden) Ceremonie, während in Mexico der
religiöse Character vorwaltete (beim Geniessen des Gottes Tlacahuepancuexcoch).
*) De tanta simplicidad y purega de Alma, que no saber pecar, tanto que los con-
fesores , con algunos de ellos , se hallan mas embaragados , que con otros grandes peca-
MYTHOLOGIE. 367
heit gewesen, dass die Missionaire in der Beichte ihre Noth mit
ihnen gehabt hätten, da in der That Nichts zum Beichten vorgelegen
hätte, weil sie keine Sünde begangen. Und wenn sie sich in solcher
Weise nichts derartiges zu erinnern vermochten, so sei das nicht
etwa Stumpfsinn oder Unwissenheit gewesen, da sie im Uebrigen
recht gut Rechenschaft abzulegen gewusst hätten. So war erst die
Krankheit hervorzurufen, um das Heilmittel verwendbar zu machen.
Der Franciscaner Marcus de Xlicia nennt die Peruaner sanft, nach-
giebig, friedlich, die den Spaniern auf das liebevollste und ehr-
erbietigste entgegengekommen seien, aber dennoch die grausamste
Behandlung erfahren hätten. Nach Ondegardo hatten die Spanier^)
in vier Jahren mehr zu Grunde gerichtet, als die Inca in 400 auf-
gebaut.
Unter dem Himmel verstanden die kriegerischen Azteken das
Sonnenhaus, nach welcher Walhalla die in der Schlacht Gefallenen
von der Walkyre Teoyaomiqui getragen wurden, um in schimmern-
dem Waffenschmuck, und Erzesklang im Schildertanz, die Sonne auf
ihrer Morgenbahn zu begleiten, bis zum Zenith, wo ihnen von
Westen her mit Tanz und Gesang die Seelen der im Kindbett Ver-
storbenen^) begegneten, so dass sie also, gleich Odin s Söhnen oder
den Rittern an Phra-In 's Tafelrunde, ein fröhlicheres Dasein führten,
als die Seelen der hellenischen Heroen, zu jammervollen Schatten-
Existenz im Hades (oder Niflheim) verbannt.
Die christlichen Missionaire in America fühlten sich besonders
verletzt durch diesen, schon von Tertullian in so drastischer Weise
dores , buscando alguna materia de pecado , por donde les puedan dar el beneficio de la
absolucion. Y esto no por torpega 6 ignorancia, porque dan muy buena cuenta.
1) Me parexe, se puede afiimar, que hideron mas dafto los espadoles en solos
quatro aflos, quel Ynga en quatrocientos , porque la tomaron sin Horden, wie früher
(auch besonders für die Heerden) beobachtet (1571).
') Nachdem jene Feen dann die Begleitung der Sonne zur abendlichen Ruhe Über-
nommen, wurde sie von den Todtenseelen im nächtlichen Schweigen auf einer Bahre
durch das Dunkel der Unterwelt (Mictlan) getragen, um am nächsten Morgen wieder
emporzusteigen, neu vejjüngt im vollen Glanz des Kriegerschmuckes strahlend. Auch die
schottischen Feen haben mit dem Kindergebären zu thun, da sie, den ihnen selbst zuge-
stossenen Unfall abzuwenden, andern Wöchnerinnen beistehen. In Mexico war dieses
Geschäft der Artemis als Ilithyia oder der Juno als Lucina im Besonderen der Göttin
Yoalticitl (Ticitl oder Hebamme) tibertragen. ,,Herr Swinden, Doctor in der Theologie
und Prediger in der Kirche zu Curton", spricht seine Ansicht dahin aus, dass der Sonnen-
körper ,, wirklich das Geföngniss ist, darin der Teufel geworfen worden und in welchem
seine Engel und er gepeinigt werden" und stützt sich hierfür darauf , dass an ,, unterschied-
lichen Orten dunkele Flecken, welche wie Höhlen oder Löcher aussehen" (durch ein
grosses Telescop im Jahre 1635 in Rom) entdeckt wurden.
368 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
bekämpften Unglauben hinsichtlich der Auferstehung des Fleisches, die
auch dem von Baker interpellirten Negerhäuptling nicht in den Kopf
wollte, und, wie Torquemada bemerkt, hatten sie als frühere Lehrer
dafür die Athener (por primeros maestros k los Atenienses), die ihrer-
seits wieder von den Stoikern und Epicuräem bethört*) seien.
Auch über andere Puncte esoterischer Doctrin hätten die hei-
ligen Männer Europas und America's auf gleicher Plattform colle-
gialische Argumentation pflegen können. Wie überall hielt man
in America ebenfalls das Allerheiligste des Tempels den Profanen
(besonders selbstverständlich den Ungläubigen) unnahbar verschlossen,
doch konnte ein derartiges Gesetz den Spaniern gegenüber natürlich
nicht in Geltung gehalten werden. Als solche in Hayti einmal
(erzählt Herrera)*) in den inneren Räumen einer Capelle umherspa-
zierten, fanden sie eine künstliche Sprachvorrichtung, mittelst welcher
der Cacique im Namen der Zemes oder Idole durch Orakel zum Volk
redete, und erzürnt über diesen Betrug, hätten sie die Maschine in
Stücke zerbrochen. Als der Cacique dieses zu seinem Schrecken
bemerkte, beschwor er die Spanier ja nichts davon seinen Unter-
thanen zu verrathen, denn ohne diesen Kunstgriff würde es ihm un-
möglich sein, sie in Ordnung zu halten (que no le dixesen ä los In-
dios, porque con aquella astucia los tenia en obediencia). Sehr
ähnlich müsste wohl die theologische Antwort in Neapel ausfallen,
wenn eine Entschuldigung dafür verlangt würde , dass noch im Jahre
1877 die italienische Regierung durch Kanonensalven und Aufziehen
der Nationalflagge das Wunder des heiligen Januarius zu bestätigen
hatte. Also „tout comme chez nous", wenn man Grosses mit
*) Este mal sentimiento , que tenian estos, de esta verdad tan derta y averiguada,
les nacia del error de los Estoicos y Epicureos, que tenian por burla la resurreccion de
los cuerpos, el cual ycrro y ceguera confiesan Hormcio, Lucano, Seneca y Piaton (s. Tor-
quemada). Ueber ähnliche Contraverse neuerer Missionaire siehe: Der Mensch in der
Geschichte, Bd. II., S. 313 (Leipzig 1S60). Auf den sechsten ,,Eanwurff gegen die
Wahre Auferstehung der Todtcn als Wiederherstellung aller Leiber derer Menschen" ant-
wortet Frisch: ,, Magere und ausgezehrte Leute können wieder dick und fleischigt werden.
Sterben sie mager und dürre, so haben sie nicht weniger in der ^Auferstehung zu hoffen,
als die dicken und fetten, denn beyde bekommen ihren L'rstoff als ihren eigenen Leib
wieder und nichts mehr oder weniger. Alles Fremde fault w^" (1748).
') Era hecho artifidosamente , porque la estatua era hueca, y por detris tenia un
cafka hueca, como una cerbatana, que salia a un rincon de la iglesia, que estaba ador-
nada, y encubierta con verdura, adonde se escondia la persona, que por aquella caila
hablaba, lo que el Cacique queria, que el Cemi dixere, y conociendo los Castellanos este
engafto, le despedazoron, y viendo el Cacique descubierto el secreto, con grande instancia
TOg6 £ los Castellanos, que no lo dixesen i. los Indios, porque con aquella astucia los
tenia en obediencia (Herrera).
6()TZEK/ 369
... . - ^ ,■•1,
Kleinem vergleichen will, aber was den kleinen Kindern erlaubt sein'
mag, sollten die aufgewachsenen Grossen nicht mehr ernstlich'
treiben.
Als Bobadilla den Indianern Nicaragua's erklärt hatte, dass, wenn
sie gute Christen geworden seien, Gott (Nuestro Seftor y la gloriosa*
Virgen Santa Maria) stets zur rechten Zeit regnen*) lassen würde (llo-
veria ä sus tiempos y les daria buenos temporales), Hessen sie sich*
taufen und erhielten Heiligenbilder, wobei ihnen nach den Beschlüssen
des Concil von Constanz, die Unterschiede ^) der Hagiolatrie und Idola-
trie erklärt wurden (wie „en el concilio de Constanga fueron aprobadas"),
und Oviedo erzählt unter den zur Bekräftigung des neuen Glaubens
dienenden Wundem, dass ein Spanier, der bei einem Maskenspiel
zwischen Mohren und Christen, die Damen aufgefordert habe, da Alles
Scherz sei, sich auf die Seite der Mohren zu schlagen, sogleich vom
Pferde gestürzt und gestorben sei. Die Moral solcher Festspiele hat
ein neuer Reisender in Centralamerica nach einem von ihm gesehenen
erzählt. Jener auf ganz besondere Veranstaltung des höheren Straf-
gottes (tantaene animis coelestibus irae) in der Stadt Leon in Nica-
ragua im Jahre 1538 vom Pferde zu Tode geworfene Spötter hiess
Andreas de Garavito und war ihm der Umzug aus Mahomet's Para-
dies (wie Nicaragua genannt wurde) nach seinem neuen Logis, bei
der Nähe des „Infierno" de Massaya, bequem gemacht.
Als während des Colloquiums Bobadilla die Indianer fragen Hess,
ob ihre Götter stürben, antworteten sie verwundert, wie sie denn
sterben^) könnten, da sie doch Götter seien? (Dios es, como avia de
morir?) und auf die weiteren Erkundigungen, woher die Götter ge-
kommen seien, erklärten sie sich unfähig darüber etwas zu wissen
>) Dies Argument wurde um so besser verstanden, da man in Mexico bereits den
(auch in Africa bekannten) Brauch adoptirt hatte , den König bei seiner Thronbesteigung
schwören zu lassen, dass er während seiner Regierung gehörig regnen lassen wolle, und
das Land vor Ueberschwemmung schützen (s. Carli). Als Regenmacher waren unter den
Heiligen besonders St. Isidorus und St. Desideratus bewährt gefunden.
') paraque no se repressentasse en los mdios aquel error de los griegos, wie Oviedo
zufflgt, der für das Genauere auf die Definitionen hinweist, im Besonderen auf die
Werke des Bienaventurado Santo Antonio de Floren^ia (Buch-, Capitel- und Paragraphen-
Zahl, wenn die Neophyten in Nicaragua nachschlagen wollten). Das Concil von Trient
traf genauere Unterscheidungen zwischen adorare und venerare (wie sonst zwischen
laji^Kt und öovXta).
•) Auf Vincente Valverde's Predigt soll Atahualpa mit dem Hinweis auf Pachacamac's
Schöpfung aus dem Nichts geantwortet haben, hinzufügend: Vous autres Espagnols
croiös tant qu'il vous plaira, en Jesus Christ, qui est mort, h ce que vous dites, crucifi^;
pour moi, je sais que le Soleil ne meurt pas (s. Coreal).
Bastian: America. I. ^
/
t
370 DER ISTHMUS UNI) (UIATEMALA.
(no lo sabemos ni alcancamos). Der über dieses „Ignoramus" der
in der Nacht des Heidenthums Befangenen bekümmerte Mönch be-
gann dann seine Predigt aus der Schrift, wobei er ihnen (wie Oviedo
bebierlct) Alles das sagte, wodurch sie für den neuen Glauben ge-
wonnen werden könnten (las cosas que le paresciö que les debia
decir mas para los atraer a nuestra sancta fee cathölica). Der Erfolg^
war um so mehr gesichert, da die Indianer im vollen Gefühl mensch-
licher Unwissenheit, die fremden Teotes oder Halbgötter (wie die
Spanier genannt wurden) selbst um Auskunft gebeten, und wenn sie
Bobadilla 's Fragen nicht beantworteten, von ihm ihre eigenen Zweifel
gelöst wünschten (degidnos vos, Padre, el como y lo demas).
Was die Spanier hier als neuen, und ihnen eigenthümlichen Ge-
brauch, einführten (costumbre que introdujeron los Espaftoles en la
conquista, sagt Oviedo) war das sogenannte „Aperrear"^) nämlich der
Gebrauch, die Eingeborenen den Hunden vorzuwerfen (echar ä
perros), um sie bei lebendigem Leibe zerfleischen zu lassen, und
hierfür erhielten solche Hunde Antheil an Sold und Beute, gleich
den übrigen Soldaten, oder wenn sie sich besonders brav bewiesen,
auch gleich den Offizieren (no solo ä la de los so Idados, sino tam-
bien a la de los oficiales aun capitanes).
„Mit Wehmuth möchte ich sagen, bemerkt man, wie systema-
tisch zu Werke gegangen wurde, alle Keime des Guten und Edlen
in dem Volke Mexico's, welches Fähigkeiten zu Allem besass, in
welchem sich Gelehrigkeit und Sanftmuth paarten, nach und nach
zu ersticken, um es auf jene Stufe herabzuziehen, auf welcher es zur
Sklaverei geeignet war. Statt ihrer von den Vätern angeerbten
Götzen^) gab man ihnen neue aus Holz geschnitzte Heiligenbilder,
ohne dass man sie den wahren Gott kennen lehrte" (s. Heller).
There is less crime in an Indian camp of 500 souls than there
*) Im ,,Diccionario national de la lengua Caslillana", findet sicherklärt: ».Aperrear",
echar a alguno ä los perros braves, para que le maten y despedacen, dazu: ,,aperreamiento",
o accion y efecto de aperrear, »^aperreador", que aperrea, ,,aperreado" etc. Die gegen die
Indianer verwandten Canes Alanos (s. Angleria) waren früher von den Alanen gegen
die Spanier gebraucht (bemerkt Pauw).
') Als die Missionaire in Mechoacan die Idole der Fischerei wegnahmen und ver-
brannten, hörten die Indianer auf, Fische zu liefern, weil sie dieselben, der Hülfe ihrer
Schutzgötter beraubt, jetzt nicht mehr in das Netz zu locken vermöchten, und von selbst
hineinzugehen seien diese Wasserbewohner zu klug. Man rieth ihnen indess wohlmeinend,
es zunächst mit dem Kreuz, das die guten Padre's zu gewähren geneigt seien , nochmals
zu versuchen, weil sie sonst ein schwereres Kreuz, von ihren politischen Machthabem auf-
erlegt, zu tragen haben würden. Das gab Stoff für Kreuzfragen.
Missionen. 371
IS In a civilized village of but half that numberj bemerkt Al. Ross
(unter den Stämmen von Columbia).
Der zerrüttende Einfluss, den das unbedachte Predigen der für
andere Verhältnisse und andere Völker modificirten*) Dogmen orien-
talischer Religion auf die Eingeboreneil vielfach ausübte, machte sich
in America besonders in den vorher bereits civilisiften Staaten be-
merklich, wo die gesammte Klasse der Gebildeten, in det Verquickung
der Religion und Wissenschaft, als Gegner der neuen Lehfe • be-
trachtet und unter harten Verfolgungen möglichst ausgerottet wurdö,
wie es auch schon bei den unter einfacheren Verhältnissen lebenden
Stämmen^) geschah. Aus dem Mexicaner und Peruaner, wie wir jetzt
ihn finden, kann man nicht auf die alte Cultur zurückschliessen, so
wenig') oder weniger, wie aus dem heutigen Griechen oder Römer
auf seine classischen Vorfahren. II n'y a plus de Piaton dans Athenes,
ni de Cic^ron dans Rome (Voltaire).
Bei der Abfahrt passirten wir Berginseln und die vom hohen
Rücken auslaufende Spitze des Festlandes, um dann einer in gezackt
streifenden Berghügeln schweifenden Küste zu folgen, mit dem als
grossartigen Kegel aufsteigenden Vulcan St. Miguel (2153 M. hoch)
herüberblickend.
Am nächsten Morgen (März 18.) in einem offenen Landstrich, in
') Toraarsuk, who by the Gfeenlanders, was considered as the supreme being, on
whom they were dependent for any supematural aid, and in whose abodes in the depth
of the earth all those persons , who ha<k striven and suffered for the benefit of their
fcllow men should find a happy existence after death, was transformed into the Christian
devil, and those spirits over whom he ruled, and whom he assigned to the angakoks
as their guardian spirits, were presented as his subordinate demons. Consequently, their
ideas conceming good and evil, recompense and punishment after death, were liable in
some measure to be tumed topsy-turvy (s. Rink). Das verwirrt auch die Neophyten in
China u. a. O.
') On account of the amalgamation of religious observances with the social customs
and laws, totally subverting the anthority of the angakoks was the same as abolishing
the only institntion that could be considered to represent appointed magistrates and law-
givers (s. Rink). The dass of angakoks comprised the most eminent persons, both as
regards intellectual abilities, personal courage, and dexterity in pursuing the national trade
(und wenn gelegentlich ihre Autorität missbrauchend, zeigen diese Priester der Esquimaux
,, nothing distinguishing them from ony other naüon").
') Father Le Jeune, answering in one of his letters the objections made to the pro-
spect of Converting and civilizing the Indians, says, that it was admitted on all hands,
that they were superior in intellect to the French peasantry of that time, bemerkt Gallatin,
der von eben diesen Indianern America' s zufügt: ,,They have exhibited repeated proofs of
intellectual powers apparently very superior to those of the African, and not very inferior
to those of the European race".
24-
372 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
welchem der breite Vulcan von Sanct Vincent (2400 M.) ansteht,
sahen wir an einem schmalen Küstenstreif die Forterstreckung hinter
einander aufsteigender Bergreihen, in deren letzter, neben einem
breiten Bergrücken, der spitzige Vulcan von San Salvador (2300 M.)
sich erhebt. Zwischen La Union und La Libertad war 1853 (als
Hafen San Vit^cente's) La Concordia geöffnet.
Nachdem wir vor La Libertad (dem directen Hafen der Haupt-
stadt San Salvador 's, aber nur als offene Rhede benutzbar), am Fusse
welliger Strauchhügel geankert, folgten wir einem in Felshügeln zer
klüfteten Uferland an der Balsam-Küste. Breite Bergrücken schauten
über, neben dem Isalco und dann sahen wir die Spitze Ayacutla's
in niedriger Buschgegend gelegen, während dahinter der breite Vulcan
von St. Ana und Sonsonate (mit dem Vulcan von Naranjo), und
weiterhin der Vulcan von Isalco sichtbar ist, dessen Entstehung
(gleich dem von Jorullo) in das vorige Jahrhundert (1770) fällt
(1825 M. hoch). Bailey, der 1834 einen noch lebenden Augenzeugen
traf, setzt die Erhebung des Vulcan's zwischen 1750 — 1760 (des Jo-
rullo 1759). Dagegen hörte Stephens (1841) eine andere Erzählung
von einer Erinnerung aus den Knabenjahren, dass die Hebung des
Vulcan's Izalco seit 1798 begonnen habe.
Als ich am nächsten Morgen in Acajutla landete (in einem Stuhl
am hohen Muello heraufgezogen), bot sich dort unter einem hervor-
rieselnden Wasserquellchen eine Gelegenheit zum Bade. Acajutla,
durch Alvarado 1534 entdeckt, bildet den Hafen Sonsonate's. Da der
von Sonsonate exportirte Balsafi während der spanischen Colonial-
regierung zunächst nach Lima verschifft werden musste, und erst
von dort aus in den Handel Europa's gelangte, figurirte er auf dem
Markt als „peruanischer Balsam".
Am folgenden Tage (Mai 20.) ankerten wir vor San lose de Gua-
temala (oder Zapote) und nach dem Ueberstehen der Zollformalitäten
hatte ich Zeit zu einem (durch den feinen Schwarzsand freilich be-
schwerlichen) Bade in der Brandung des Meeres, ehe ich mich
gegen Mittag in der von dem, Hotel betitelten, Holzschuppen ab-
gehenden Diligence einpferchte, die bis auf den letzten Platz, gleich
ihren Beiwagen, besetzt war.
Der alte Hafen Guatemala's war Istapa, wo Alvarado 1534 bis
1539 seine Flotten baute. Doch ging der Handel meist über Son-
sonate. Die Ausfuhr bestand zur spanischen Zeit in Indigo (und
Cochenille), wobei Einfuhr von Waaren nu% bis zur Höhe jener ge-
stattet war (s. Thompson), um die Handelsbilanz nach damaligen
EXUINTLA. 373
Theorien zu erhalten. Im Jahre 1827 suchte man den Puerto de
Independencia zu öffnen neben dem Fischerdorf Raudal an der Mün-
dung des Michatoyat.
Der Stille Ocean ist, soweit er die Ufer von Guatemala bespült,
von einer unabsehbar einförmigen aber schmalen Düne begrenzt,
hinter welcher sich zahllose, von Krokodilen bevölkerte Sümpfe von
Brackwasser ausdehnen (Bernouilli).
In dem schwarzsandigen Gestrüpp- Wald , den wir durchfuhren,
waren wir bald in eine dichte Wolke Staub gehüllt, und wurden um
so länger darin aufgehalten, weil Hindernisse des Weges, wie quer-
über gefallene Baumstämme, häufig ein Umfahren derselben benö-
thigten. Bei einem Brunnen am Wege wurden Pferde gewechselt und
ebenso in dem Hüttencomplex von Naranjo, jenseits welches sich
Lichtungen zeigten und im engeren Theil der Strasse trafen wir
Ochsenkarren, die mit Caffee beladen zum Hafen zogen, für das
Ausweichen warten. Eine weitere Station zum Pferdewechsel bildete
der Flecken Masagua*) und hinter dem Rio Virgen war an offener
Stelle über den Bäumen ein ferner Bergzug sichtbar. Erst nach An-
bruch der Nacht erreichten wir unter allmähligem Ansteigen Escuintla
oder (mexicanisch) Izintepeque (La Concepcion Escuintla), wo wir in
dem Hotel bereits erwartet wurden. Die Elevation ist 1380 F. oder
(s. DoUfuss) 442 M. über dem Meer.
Beim Aufbruch am Morgen (Mai 21.) sahen wir in einer durch
ihre Heiterkeit erfrischend anregenden Atmosphäre den spitzigen
Vulcan de Agua (3753 M.) neben dem doppelspitzigen und mit reifi-
gen Schneeflächen überzogenen Vulcan del Fuego (4001 M.) vor uns,
von welchen beiden Gipfeln sich seitwärts in geschwungenen Er-
hebungen eine Bergreihe hinzieht.
Den Ansteig jenseits einer Quebrada fortsetzend, gewannen wir den
Rückblick auf den Hügelkreis der an der Höhe auslaufenden Senkungen,
über die Ebene zum Meere abfallend. Wir fanden uns dann zwischen
grünen Kuppenhügeln bei San Pedro Martyr (563 M.) und von dem
Ansteig em Fusse des Vulcan del Agua zog sich der Weg in Win-
dungen aufwärts. Seitlich stürzte der Wasserfall des Rio Micatayo,
der als Rio de Villalobos den See von Amatitlan durchfliesst, in zwei
Absätzen brausend in die Tiefe, in seinen Cascaden ein Miniaturbild
des Durchbruchs von Tequendama wiederholend.
') A small village built in a circle cut out of the wood; it like the resl has its de-
cayed church and boasts its miraculous image, sagt Dünn von IVfasagua.
374 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
Von dort durchfuhren wir eine gewellte Ebene, bis zu einem
niederen Höhenzug, über welchem die abgeschnittene Kegelspitze
des Vulcan Pacaya (2550 M.) überblickte. Ein starker Windstrom
blies uns entgegen, der besonders zu gewissen Tageszeiten als con-
stanter gilt, aus dem Eintritt der kalten Höhenluft in die über der
Ebene erwärmten Schichten der Atmosphäre.
Am PuebloPalin (1144M. hoch) vorbei, und Cocote-Bäumen mit
Blüthen an blattlosen Zweigen, senkten wir uns in die Ebene abwärts,
durch breite Berghügel windend, neben dem Flusse Micatayo, der aus
dem See Amatitlan abfliessend, bei Istapa (dem San Jose vorangehen-
den Hafen der Spanier) ins Meer mündet. Mit einem Rückblick aut
den Vulcan Pacaya in 3 Kratern, traten wir in eine flache Ebene hinaus,
die mit ihrem grünen Anbau an braunkahlem Höhenzug lehnte, und
seitlich glitzerte der See (von Amatitlan). Zwischen Lehmmauem, welche
die Cactus-Pflanzungen (Cactus opuntia) für die Cochenille abschnitten,
und Spuren warmer Quellen, fuhren wir zum Pueblo von Amatitlan
(1189 M.), wo in dem Hotel das Frühstück bereit stand. Auch
konnte ich den Aufenthalt benutzen unter den dortigen Alterthümem
einige der in dem See gefundenen Thongefässe zu erwerben.
Im XVII. Jahrhundert war die Umgegend von Amatitlan (San
Christobal de Amatitlan) in dem an Indigo -Pflanzungen fruchtbaren
Bezirk von Izquinta oder Izquintepeque (Elscuintla) einem der reichsten
im Lande, und deshalb, wie Thomas Gage erzählt, als fette Pfründe
von den Pfarramts-Candidaten umworben. Später begann sie unter dem
allgemeinen Niedergang der Colonien gleichfalls zu verarmen, und
erhielt einen neuen Aufschwung erst durch die Cultur der Cochenille*),
deren aus Oajaca auf Cactusblättem geschickte Insecten (1817) durch
die Sociedad patriotica (oder economica) an die Nopaleros zu An-
pflanzungen vertheilt wurden, zunächst bei Alt-Guatemala, wo indess
(nach Baily) die Nopalcultur bereits 181 1 begonnen haben soll. Jetzt
fangt dieser Erwerbszweig bereits wieder an, wie überall zu ver-
welken, vor der fortgehenden Vervielfältigung chemischer Farben-
erfindungen. Früher >\-urde Amatitlan während der Saison von der
Hauptstadt als Badeort besucht, doch g^lt das Klima wegen des
wechselnden Wasserstandes am See für ungesund, und den eigent-
lichen Badeort, das Baden-Baden für die Modewelt Guatemalas,
bildet Escuintla, wo es früher der gute Ton verlangte, die Tempo-
') Auf Cuba bezeichnet Guagua (Cochenille) .,cosa que no cue:»ta dinero ni trabajo 6
de precio bäritisimo" (Pichardo).
AMATITLAN. 375
radas zu verbringen. Im vorigen Jahrhundert bezog sich der haupt-
sächlichste Anbau von Guatemala auf den Indigo, „superior in quality
to that of any province in India" (Robertson), und ausserdem war der
Cacao^) Guatemalas berühmt.
Baily rühmt den centralamericanischen Tabak und nennt als die
besten Sorten, die dem cubanischen gleich geachtet werden, den von
Ystepeque und Tepetetan in Salvador, sowie dem von Gracias in Hon-
duras und von Gualan in Guatemala. Der Saft des Zuckerrohrs wurde
vor Einführung der verbesserten Fabriken meist nur zur ordinairen Rapa-
dura verarbeitet (di Chancacca des Südens). Eine grosse Ausdehnung
begann neuerdings die Kaffeepflanzung in Guatemala zu nehmen.
Erst 1818 wurde der Kaffeebau in Mexico für den Export betrieben
(unter Vermehrung der Pflanzungen von Orizaba und Cordoba), wie
1817 in Brasilien. Juarros spricht, bei Amatitlan, von der Chapuli ge-
nannten Heuschreckenart, aus der sich Pflanzen züchten lassen, ähn-
lich den thierisch-pflanzlichen Metamorphosen Sibiriens (und mehrfach
sonst im Descendenzglauben des Volkswitz) ^). Wie Münster, bestätigt
Aldrovandus (und Beauvais) die Erzeugung der Bernacles-Vögel (Anser
arboreus)aus Bäumen (als Mittelglieder in den Bestiarien des X. Jahr-
hunderts).
.Amatitlan, (auch bei Tepic in Mexico), wird als die Stadt der
Bücher erklärt, und in Yucatan wurden die Analtet (Holzbände)
genannten Bücher aus der Rinde des Baumes Amatl gefertigt
(s. Brasseur), also als Charta corticea oder ^vXoxccQttoy (in der dop-
pelten Bedeutung von über). Landa spricht von der Wurzel eines
Baumes, die das Material für diese im Zickzack zusammengelegte
Faltenbücher lieferte (escrivian de una parte y de otra, a colunas,
segun eran los pliegues).
Wie Clavigero meint, sei die Erfindung des Papieres in America
älter, als in Aegypten, von wo sie nach Europa gekommen, und
wenn man die für Abfassung des Teoamoxtli (des heiligen Sanges
oder Götterbuches) unter der Regierung Ixtlilcuechahuac (f 817 p. d.
*) Von den Cacao - Sorten , el de la costa del Sur del estado de Guatemala era el
quo bervia para el gasto de la casa real de Espaiia (s. Montufar). La niayor riqueza,
que esta govemacion tenia y tiene es de Cacao, porque ai niucho y muy bueno, y es la
principal moneda, que por toda esta Nueva EspaÜa se trata, bemerkt Tortiuemada von
Quauhtemallan (Guatemala).
') News beschreibt den absterbenden Baobab, als aus dem angesammelten Regen
Wasser gewährenden Baum (im Bararetta - Lande der Galla), wie auC Ferro vom Wasser
sprudelnden Baum geredet wurde. Tesseraud (15 14) betitelt sein 11. und 12. Capitel :
,,des arbres des quels les oiseaux naissent et les bleds croissent".
376 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
oder selbst 660 p. d.) verwandte Chronologie zulassen würde, gäbe sie
allerdings ein früheres Datum, als der Gebrauch des Leinwand-
oder Baumwollen- Papieres im mittelalterlichen Europa, wo für die
Fabrication erst die mit China*) eingeleiteten Beziehungen folgen-
reich geworden scheinen (zum Ersatz anderer Papyros-Substitute).
Betancourt spricht von den Geschichtsbüchern (Texamatl) der
Mexicaner, ebenso Lorenzana und (bei den Zapoteken) Burgoa, wie
auch Sahagun, Las Casas, Ixtlilxochitl u. A. m. der einheimischen
Bibliotheken erwähnen, und Torquemada eines Bibliothekars*) für Ord-
nung derselben. Das Tonomalatl genannte Buch begriff das mexi-
canische Rituel und in Yucatan führt Herrera, ausserdem, auf die
Pflanzen- und Thierkunde bezügliche Bücher an. Doch wurden die-
selben dort ebenso den Flammen geopfert, wie auf dem Marktplatz
Tlaltaloloco's durch den Erzbischof Juan de Zumarragua, der sich
bereits als Hexen Verfolger in Biscaya auf solche Auto-do-f6's*) einge-
übt hatte. Dafür erfreute er die fromme Welt mit dem Bilde der
heiligen Jungfrau von Guadeloupe, die ihm durch den Indianer Juan
Diego als im Himmel gemalt und in eine, dort gleichfalls verfertigte,
Matte eingewickelt überbracht worden war, und in diesem Geister-
*) Nachdem die Bereitung des in Samarcand (704 p. d.) zur Kenntniss gekonunenen
Baumwollenpapier^ durch Joseph Amru bei den Arabern eingeführt war« kam es allmählig
in Europa in Gebrauch, bis im XIV. Jahrhundert das Linnenpapier an die Stelle trat
und 1390 p. d. die erste Papiermühle bei Nürnberg angelegt wurde.
>) Ein königlicher Beamter tenia a su cargo todas las cosas, que escrivian k manera
de HistoriaSf y cuidaba mucho de los Cronistas que k su modo y en pintura, las histori-
aban, notando el dia, el Mes y el Aüo (En estos ponian los hechos y batallas de los
reinos, las genealogias de los reies, y cosas notables de la republica, y todo andaba por
mucha cuenta y orden).
*) Great quantities of these manuscripts were treasured up in the country (bei der
Ankunft der Spanier in Mexico). The ürst archbishop of Mexico, Don Juan de Zumar-
raga — a name that should be «as immortal as that of Omar — collected these paintings
from every quarter, especially from Tezcuco, the most cultivated capital in Anahuac and
the great depository of the national archives. He then caused them to be piled up in a
,,mountain-heap", as it is called by the Spanlard themselves, in the market place of Tlate-
lolco, and reduced them all to ashes. His greater contryman, Archbishop Ximenes, had
celebrated a similar auto-da-fö of Arabic manuscripts in Granada , some 20 years bcfore.
Never did fanaticism achieve two more signal triumphs (s. Prescott. Nach der Bücher-
Vernichtung des Papstes Gregorius (qui fit bruler les oeuvres de Cic^ron et de Tite-Live,
pour emp^cher qu'on n'apprit k bien parier Latin) ne resta-t-il en Europe qu' un seul
manuscript tr^s-mutil6 de Tite-Live et un seul des Histoires de Corneille Tacite, qu'on
a retrouv^ en Westphalie (Pauw). Tippoo befahl, die canaresische Literatur in Mysore
zu verbrennen. Ninus Hess (nach den Armeniern) viele Bücher verbrennen, damit die
Annalen nur von ihm sprächen. Eine Bücher-Vernichtung aus politischen Gründen (wie
in China) ist sowohl aus der Geschichte Peru's (wo pergamentartige Verarbeitung der
der Felle erwähnt wird) wie aus der mexicanischen bekannt.
PAR A DIESBLÜMEN. 377
Seher liegt vielleicht eine Confusion der Volkssage mit Juan von
Tarequato, dem, als erstem Indianer, die Fürsprache des Erzbischofes
die Aufnahme in ein Kloster verschaffte, obwohl er dort nicht über
das Noviziat hinauskam (oder mit dem eine Zeit lang im Kloster
von Tlascala wohnenden Indianer Diego de Paredes).
Die Kirche Unserer Lieben Frau von Guadelupe^) schloss sich
an den alten Tempel der Tonantzin an (Unserer Mutter, im Mexi-
canischen), einer von Sahagun mit Eva^) identificirten Weibgottheit,
der Mutter der Zwillinge (s. Gama), die oft mit der (auch in männ-
lichen Wandlungen erscheinenden) Centeotl (der Korngottheit bei den
Totonaken) oder Chicomecoatl in Beziehung gesetzt wird, sonst
aber mit Cioacatl oder Civa-Coatl, der Schlangenfrau, zusammenfällt.
Nach Clavigero begnügte sich Centeotl oder Tonacajohua (Sie, die
uns erhält) mit den Opfern von Wachteln und jungen Hasen, sowie
von Tauben (dem begünstigten Vogel der Aphrodite und Semiramis
sowohl, wie Siva' und Paravati's), und ausserdem werden bei ihr, neben
den gewöhnlichen Räucherungen, Blumen erwähnt. So beglaubigte
jener Juan Diego seine himmlische Sendung bei dem Erzbischof
zunächst auch dadurch, dass er ihm ein Bouquet Blumen') über-
brachte, wie in der damaligen Jahreszeit auf Erden nicht vorkamen.
Man scheint versäuint zu haben, sie in ein Herbarium einzulegen, so
dass dem Botaniker die Gelegenheit verloren ging, auf die Klima-
tologie des Paradieses Schlüsse zu ziehen, und hätte jene Matte
ihren Platz m einem ethnologischen Museum gefunden, würde sie
') Die Jungfrauen von Guadelupe und Remedios commandirten in feindlichen Lagern
die Anneen im (mexicanischen) Unabhängigkeitskriege gegen einander. Nuestra Seilora
de los Desemparados (in Valencia) wurde während des französischen Krieges zum
Generalissimus ernannt.
*) Se llama Civacoatl, que quiere decir muger de culebra, y tambien la llamaban
Tonantzin que quiere decir Nuestra Madre. En estas dos cosas parece que esta diosa es
nuestra madre Eva, la cual fu^ engafiada de la culebra (de noche voceaba y bramaba
en el aire). Sainte-Rose de Lima (la Vierge m^re de Dieu lui ajouta un sumom, ordon*
nant qu'elle s'appelldt de Sainte-Marie) merita ensuite d'entendre de J^sus-Christ lui-m£me
CCS paroles: ,,Rose de mon coeur, soyez mon ^pouse" (Adrien de Riancey).
•) En Mexico el verdadero Dios tenia templo aparto y adonde ahora esta Nuestra
Seilora de Guadalupe que es Tepeyäcac (esto es lugar junto al cerro, el cual se llamaba
Tonan 6 de nuestra madre) habia templo sobre el cerillo dedicado k la Tzenteotenäntzin,
(la apreciable madre Nantzin, que estä en el cerro tepeti, es la madre del verdadero
Dios Tzenteotl) und die Heiligkeit des Ortes war eine solche, dass kein Indianer an
diesem Hügel vorüberging, ,,sin subir k ofrecer en su ara los flores, que por alli podia
haber" (Bustamente). Nachdem die Dominicaner in Te{>eacac die Götzenbilder zerstört
hatten, wurde dort ein Kloster der Franciscaner erbaut, wodurch diese Stadt das ältere
Quanhtinchan Überflügehe. Tepeaca war 1460 von den Mexicanem erbaut, intriguirte aber
vielfach mitChoIula, obwohl es 1488, wahrscheinlich ausRivalität der Tempel, in Streit geriet h.
378 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
als Muster der im Empyreuma geübten Industrie für die Kunst-
industrie ein eigenthümliches Interesse gewährt haben.
Bei Gelegenheit Centeotl's, als nordamericanischer Emtegottheit,
bemerkt ClaWgero:
„Die Römer verehrten ausser der Göttin Ceres, noch ein Heer
von anderen Gottheiten, die blos für ihre Felder sorgten. ^ Gegen
zw'anzigen war die Fürsorge für die Kinder und ihre Erziehung, und
verschiedenen die Zeugung und Geburt der Kinder empfohlen.*)
Sollte man sich wohl einbilden, dass sie blos zur Bewachung ihrer
Thüren Götter nöthig zu haben glaubten? Gleichwohl war Forculus
über die Pfosten, Cama über die Angeln, und Limentinus über die
Schwelle gesetzt. „Konnte denn", ruft der heilige Augustin aus,
„Forculus nicht zugleich die Thüren, die Angel und die Schwellen
bewachen.^" So schwach war die Macht der Götter in den Augen
der Römer. Schon die einigen beigelegten Namen zeigen zur Genüge
die elenden Begriffe, die ihre Anbeter von ihnen hegten. Kann
man sich unwürdigere Benennungen einer Gottheit denken als Jupiter
Pistor, Venus Calva, Pecunia, Caca, Subigus und Cloacina? Sollte
man wohl glauben, dass eine vom Könige Tatius bei dem vor-
nehmsten Abzug aller Unreinigkeiten in Rom errichtete Statue zu
einer Göttin, Namens Cloacina, erhoben ward: Dies war gewiss ein
*) ,»Seja sorgte für das neugcsäete Korn, Proserpina für das eben ausgekeimte, Nodo-
tus für die Knoten des Halmes, Voluiina für die Knospen , Patelana für das Ausbrechen
der Blätter, Flora für die Blumen, Sege.sta für das neue Korn, Lacturcia für das Kom
in der Milch , Matuta für da> reife Getreide, Tutanus oder Tutilina für tlas Getreide auf
dem Botlen. Dazu müssen wir vor allen Dingen noch den G^lt Sicrculius setzen, welcher
für das Düngen der Felder sorgte, tlcn IViapus, welcl.er e> gegen die Vögel schützte, den
Kuligo, welcher die Inscclen abhielte, und die Nymphen Napaeae [der Waldweiden],
welche den nährenden Saft de> Getreide» in Obhut nahmen." D.uu die .Vnalogien aus
mexicanischen und anderen Feriae messium.
^) Die Göttin Opis stand dem Kinde m der Geburt bey, Vaticanus öflfnete den
Mund zum Schreyen, Levana hob es vom Boden auf, Cunina bewachte die Wiege, Car-
menta kündigte sein Schicksal an, Fortuna schüute es bei allen Zufallen, Rumina leitete
die Warzen der mütterlichen Brust in des Kindes Mund, Potina sorgte für sein Trinken,
Kduca für den Brev, Faveniia wischte ihm den Geifer vom Munde ab, Venilia erfüllte
seine Wünsche, Volupia beforderte sein Vergnügen, Agenoria bewachte seine Bewegun-
gen, Stiroula machte es thäiig und gewandt, Strenua (Strenia am Neujahr) herzhaft,
Numeria lehrte es die Zahlen. Camoena das hingen, Consus gab ihm guten Raih, Senica
Eatschliessung , luventas sorgte für seine Jugend, imd Fortuna Barbata hatte das Ge-
schäft, acht zu haben, dass denn Mannbaren die Haare wuchsen. Die Göttin Tlaclquiani
(comedora de cosas sucias) oder Tlaculieuil (Izcuina oder Vzstuiname) galt, unter dem
Namen Tiacapan, als Aellesie der vier Schwestern (neben Teicu . Tlaco, Xucotzin), die
sich beauftragt fanden (in Mexic.>) mit den ver^chicilenc-i Akten ,.de las cosas camalcs"
(und so in anderen Dingen).
WÖCHNERIN. 379
Gespötte mit ihrer Religion, und machte die eigentlichen Götter,,
welche sie verehrten, verächtlich."
Die Schwangeren wurden (in Mexico) unter den Schutz des
Gottes der Bäder (Xuchicaltzin) gestellt, die Gebärenden unter die
Gottheiten Cioacoatl, Quilaztli u. A. m.. Neugeborene*) (denen der
Tonalpouhqui das Horoscop stellte) unter die Göttin Chalchihuitlicue
(es zu tragen), sowie die Göttin der Wiege (Yoalticitl) und den
Nachtgott Yoaltecutli (in den Schlaf zu lullen), während Luylaztli
das Waschen, Chicomecoat das Füttern besorgte, und für Anderes,
was sich bei kleinen Kindern nöthig zeigte, die Götter oder Göt-
tinnen Yacuviztli und Jamamialitzli u. A. m. bereit standen.
Bei Torquemada fehlt der Bericht über Guadelupe^) in dem
') Varro's dii certi, die durch Indigitiren angerufen und später in ihren Functionen
auf die dii selecti beschränkt wurden, begannen mit den Gottheiten des Embryo, als:
Janus Consivius, (aditum aperit recipiendo semini), Satumus a satu, (quod pcrtineat Sa-
tumus ad semina), Liber, (quod mares in coeundo per ejus beneficium emissis seminibus
liberentur) et Libera (hoc idem in feminis agere), Alemona, dea alendi in utero fetus„
Fluonia (sanguinis fluorem in conceptu retinet), Vitumnus et Sentinus (quorum alter vitam,.
alter sensus puerperio largiuntur), Nona und Decima, a sollicitioribus mensis, Parca oder
Partula, quae partum gobemat, Diespiter, qui partum perducat ad diem, Lucina, quae a
paturientibus invocctur, Postverta (periculi deprecandi gratia), Numeria u. s. w. Dann
Opis (opem ferat nascentibus, excipiendo eos sinu terrae), Vaticanus (in vagitu os aperiat),
Cunina, . (cunas tuetur), Rumina (propter rumam), Ossipaga u. s. w. Nach den Gott-
heiten des späteren Lebensalters folgten die Götter und Göttinnen der einzelnen Beschäf-
tigungen, Gewerbe u. s. w. Dementsprechend könnte Sahagun mit mexicanischer Gelehr-
samkeit aufwarten.
') Cerca de los montes hay tres o cuatro lugares donde solian hacer muy solerones
sacrificios, y que venian ä ellos de muy lejas tierras. El uno de estos es aqui en Mexico,
donde estä un montecillo que se llama Tepeacac, y los espaöoles Uaman Tepeaquilla, y
ahora se Uama Ntrd. StA, de Guadalupe. En este lugar tenian un templo dedicado a
la madre de los dioses que Ilamaban Tonantzin, quiere decir nuestra madre: alli hacian
muchos sacrifidos a honra de esta diosa, y venian d ellos de muy lejas tierras, hasta de
mas de veinte leguas de todas ^stas comarcas de Mexico, y traian muchas ofrendas:
venian hombres, mugeres, mozos y mozas ä estas fiestas: era grande el concurso de
gente en estos dias, y todos decian; vamos ä la fiesta de Tonantzin. Agora que estä
alli edificada la iglesia de Ntrd. Snd. de Guadelupe, tambien la llaman Tonantzin, to-
mada ocasion de los predicädores , que ä Nträ. Srd. la Madre de Dios la Ilamaban To-
nantzin. De donde haya nacido esta fundacion de ^sta Tonantzin, no se sabe de cierto ;
pero lo que sabemos verdaderamente es, que el vocablo significa de su primera imposi-
cion, ä aquella Tonantzin antigua, y es cosa que se debia remediar, porque el propio
nombre de la Madre de Dios sefiora nuestra , no es Tonantzin , sino Dios , y nantzin.
Parece esta invencion satänica para paliar la idolatria bajo la equivocacion de ^ste nombre
Tonantzin, y vienen ahora d visitar d esta Tonantzin de muy lejos, tanto como de antes;
la cual devocion tambien es sospechosa, porque en todas partes hay muchas iglesias de
Ntra. Sra. y no van d ellas; y vienen de lejas tierras d ^sta Tonantzin, como antigua-
mente. El segimdo lugar donde habia antiguamente muchos sacrificios, d los cuales ve-
nian de lejas tierras, es cerca de la sierra de Tlaxcala, donde habia un templo que se
llamaba Toci , en cl cual concurian gran multitud de gente , d la celebridad de esta
380 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
Leben Zumarraga's, obwohl er es bis zum Ende beschreibt, und
selbst bis zur Wiederöffnung des Sarges durch Alonso de Nava, wobei
diesem und seinen Begleitern beim Anblick der Leiche mit lang ge-
wachsenem Bart ihre eigenen Haare zu Berge standen (se les ericie-
ron y levantaron los cabellos de la cabega), obwohl sie dennoch eine
Reliquie zu entwenden wagten, nämlich einen Goldring, der wunder-
barerweise zu schwitzen begann. Im Uebrigen weiss er von vielen
Visionen, mit denen Indianer begnadigt wurden, da sie reich an der
heiligen Einfalt (esta simplicidad santa) seien, wie sie das unschul-
dige Kindesalter (la edad inocente de los Niilos) beglücke. Bald
sahen sie den Gekreuzigten im grossen Glanz, bald auf der
Hostie eine glänzende Kindesfig^r, bald die Thore des Himmels
offen mit vielem Schönen darin (por la parte de dentro avia cosas
de grandisima hermosura). Der Indianer Miguel de San Geronimo
von Azcapuzalco hatte, als er auf seinem Boot über den See nach
Xuchimilco fuhr, die Erscheinung einer Himmelsfrau, welche, nach-
dem sie die Stadt wegen ihrer Sünden mit Untergang bedroht hatte, in
einem Wirbelwind und Wasser-Hose (sit venia verbi) verschwand (1576).
Frai Geronimo de Mendieta empfing (1588) in Tlascala durch
eine alte Indianerin in jenem vorgerückten Alter, in welchem die
üesta Toci, que quicre decir nuestra abuela y por otro nombre tzapotlalnanque, que
quiere decir la diosa de los temaxcales, y de las medicinas, y despues acd, edificaron
alU una iglesia de Stä. Ana, donde ahora hay monasterio, y religiosos de nuestro P. San
Francisco, y los naturales le llaman Toci , y concurren h dicha fiesta, de mas de cuarenta
leguas, y llaman asi k Std. Ana, tomando ocasion de los predicadores que dicen, que
porque Stä. Ana es abuela de Jesucristo, es tambien nuestra abuela de todos los cristia«
nos; y asi la han llamado y llaman en el pülpito Toci, qüe quiere decir nuestra abuela,
y todas las gentes, que vienen como antiguamente 4 la fiesta de Toci, vienen so color
de Stä. Ana; pero como el vocablo es equivoco y tienen respecto ä lo. antiguo, mas se
cree que vienen por lo antiguo que por lo modemo, y asi tambien en ^ste lugar, parece
estar la idolatria paliada; porque venir tanta gente y de tan lejos sin haber hecbo Stä.
Ana alli milagros algunos, mas parece que es el Toci antiguo que no St&. Ana; y en
öste aüo de 1576, la pestilencia que hay, de allf comenzö y dicen que ya no hay gente
ninguna alli: parece misterio el haber comenzado el castigo donde comenzö el delito de
la paliacion de la idolatria, debajo el nombre de Std Ana. £1 tercer lugar donde habia
antiguamente muchos sacrificios, ä los cuales venian de lejas tierras, ^s a la raiz del
volcän, en un pueblo que se llama Tianquizmanalco (S. Juan). Hacian en ^ste lugar gran
fiesta, a honra del dios que se llamaba Telpuchtli, que es Tezcatlipuca ; y como d los
predicadores oyeron decir, que S. Juan Evangelista fue virgen, y el tal en su lengua se
llama Telpuchtli, tomaron ocasion de hacer aquella fiesta como la solian hacer antigua-
mente paliada, debajo del nombre de S. Juan Telpuchtli como suena por defuera; pero
h honra del Tepuchtli antiguo que es Tezcatlipuca, porque S. Juan alU ningimos mila-
gros hd hecho, ni hay porque acudir mas allf, que d aljuna otra parte donde tiene igle-
sia, Vienen d esta fiesta el dia de hoy, gran <:antidad de |;ente de muy lejas tierras, y
KINDERLALLEN. 381
Menschen wieder kindisch werden (en la cansada vej^z vuelven los
hombres casi al estado de la Niftez), verschiedene Offenbarungen,
die sie von kleinen Mädchen (una nifta de lo aAos, otra nifta, ihre
Nichte, von 9 Jahren u. s. w.) mitgetheilt erhalten, und der Chronist
freut sich hinzufügen zu können, dass jener fromme Mönch dem
Geschwätz von Kindern und alten Weibern vollsten Glauben ge-
schenkt habe, als ob ein Engel vom Himmel gesprochen (entero
credito, como si lo dixero un angel del" Cielo).
Der gewissenhafte Geschichtsschreiber führt nur diese wohlbegrün-
deten (bien examinada) und durch glaubhafte Personen (personas co-
nocidas) bestätigten Wunder auf, denn sonst Hesse sich ein dickes
Buch vollschreiben (un volumen tan grande como esta historia in
3 FoHobänden), und so folgt gleich ein ganzes Capitel voll von
Hostien-Spuk. In dem ersten Fall darunter war von dem königlichen
Notar, Stephan von Coto, am 6. December 1591 in der Stadt Huexo-
zinco eine gerichtliche Aussage des Fray Miguel de Estivaliz vor
Zeugen aufgenommen, dass er nämlich vor einigen 40 Jahren, als er
mit der Wachskerze dabei gestanden, gesehen habe, wie dem Messe
lesenden Priester (Frai Pedro de Reina) in Zinzonza (einem Dorfe
Mechoacan's) die Hostie auf die Erde gefallen, aber wunderbarer-
traen muchas ofrendas: en cuanto a esto es semejante ä lo antiguo, aunque no se hacen
los sacrificios y crueldades que antiguamente se hacian; y haber hecbo esta paliacion en
estos lugares ya dichos, estoy bien certificado de un opuiion, que no lo hacen por amor
de los idolos, sino por amor de la avaiicia y del fausto; porque las ofrendas que solian
ofrecer no se pierdan, ni la gloria del fausto que recibian en que fuesen visitados estos
lugares de gentes estrailas muchas, y de lejas tierras; y la devocion que östa gente
tomö antiguamente, de venir a visitar estos lugares ^s, porque como. estos montes son
se&alados en producir de si nubes que Uueven por ciertas partes, antiguamente las gentes
que residian en aquellas tierras donde riegan estas nubes que se forman en ^stas sierras,
advirtiendo que aquel beuefido de la pluvia les viene de aquellos montes, tuvi^ronse
por obligados de ir ä visitar aquellos lugares, y hacer gradas k aquella divinidad que
allf residia, que enviaba el agua, y Uevar sus ofrendas en agradedmiento del benefido
que alU recibian ; y asi los moradores de aquellas tierras, que eran regadas con las nubes
de aquellos montes, persuadidos 6 amonestados de los dcmonios 6 de sus Sätrapas, to-
maron por costumbre y devocion, de venir k visitar aquellos montes cada afio, en la
fiesta que alli estaba dedicada: en Mexico, en la fiesta de Cioacoatl, que tambien la
llaman Tonantnn, en Tlaxcala en la fiesta de Toci, y en Tianquizmanalco en la de
Tezcatlipuca; y porque 6sta costumbre no la perdiesen los pueblos que gozaban de ella,
persuadieron ä aquellas provincias ä que viniesen como solian, porque ya tenian To-
nantzin, Tocitzin, y Altepuchtli, que esteriormente suena ö les hä hecho sonar, ä Std,
Maria, i Std. Ana, y ä S. Juan Eyangelista ö Bautista; y en lo interior de la gente
populär que alli viene, esti^ claro que no es sino lo antiguo; y asi no es mi parecer que
les impidan la venida ni la ofrenda; pero si lo ^s, que los desengafien del error que
padecen, dindolos ä entender, que aquellos dias que alli vienen es la falsedad antigua,
y que no ^s aquello conforme i, lo antiguo, (Sahagun).
382^ DER ISTHMUS UXÜ GUATEMALA.
weise in dell Mund derjenigen Indianerin geflogen sei, für welche
diese Dosis bestimmt gewesen (el la havia visto ir por el aire ä la
boca de dicha Indiana). Dies wurde als lautere Wahrheit befunden
und so ratiffcirt (es la verdad, y en ella se afirma y ratifica), und
da der mit so^lch heiligen Sachen beschäftigte Mönch von der pro-
fanen Schreibekunst nichts verstand, unterzeichneten für ihn drei
Zeugen, darunter der spanische Richter des District s (juez repartidor
de los Indios d'e el Valle de Atlixco).
Daran schliesst sich die schreckliche Erzählung von einer India-
nerin von Apozol, der, weil sie im Affect ihre schlechtere Hälfte
zum Teufel*) gewünscht, dieser in der Gestalt eines kurz vorher Ver-
storbenen erschien und ihr ein Eisen um die Kehle geschmiedet
habe (un hierro por la garganta), um ihre Seele festzuhalten und
*) Im Deccmber 1877 «"ählt die „Nürnb. Pr." folgende Geschichte : In dem bayeri-
schen Marktflecken Abbach befindet sich eine kranke ^ blödsinnige Schuhmachersfrau.
Man war der Anschauung, die yrau sei vom Teufel besessen, und gegen den war in dem
Gnadenorte Mettenbuch gewi: \S Hülfe zu finden , dort muss er ausgetrieben werden. So
reiste man vorige Woche, am 21. November, mit dieser Frau nach dem Gnadenorte. In
Metten angelangt, begaben sie* sich in das Kloster, woselbst die Frau von Herrn Pfarrer P.
Anglhuber benedicirt wurde, ^^ach der Segnung setzte man den Weg nach dem Gnaden-
orte selbst fort. An demselben, angekommen, wurde nun ein Schauspiel aufgeführt, wie
es betrübender nicht gedacht v /tfden kann. Die unglückliche Frau , welche sich gewei-
gert hatte, den Ort zu besuche tkf wurde von den beiden Personen, die sie begleiteten,
ihrem Ehemann und einer Ein ^ohnerin von Abbach und von dem am Wallfahrtsorte be-
schäftigten Tagelöhner Gerstl 1 nit Gewalt und unter schweren Misshandlungen in die dort
befmdliche hölzerne Capelle g sbracht. Vor dem Altar sollte nun der Teufel aus der
Frau ausgetrieben und ihre Finger, welche in Folge mehrjähriger Krankheit krampfhaft
eingezogen waren, ausgestrec!d und damit ein Wunder vollzogen werden, das den Ruf
Mettenbuch's hell strahlen liess über den Marpingen's. Unter den grässlichsten Schmerzen
und beispiellosen Hülferufen worden der Frau nun von dem Tagelöhner Gerstl die Finger
der rechten, von der Einwohnerin von Abbach die Finger der linken Hand ausgestreckt,
während der Ehemann die Gemarterte .Hielt. Die Finger sind allerdings gestreckt und
gerade, aber gebrochen in den Gelen kei 1. Nicht achtend der qualvollen Leiden , wurde
nun, da der Teufel noch nicht gewichen war, die arme Frau unter erneuten körperlichen
Misshandlungen an den Gnadenbrunnen g «schleppt, und da sie sich weigerte, von dem
schmutzigen Wasser zu trinken, wurde ihr durch den Tagelöhner Gersd mit einem Stücke
Holz der Mund aufgespreizt und ihr dann \ nsa. dem Wasser eingegossen. Ueber und über
mit Blut bedeckt, wurde sie wiederholt in d » Capelle geschleppt. Man wollte sie zwin-
gen, zu beten. Nachdem sie dies zu thun sich geweigert, schlug und stiess man sie
erneut, bis sie ein rettender Engel in Gestalt ciaes Polizeiorgancs , des Gemeindedieners
von Metten, aus den Krallen der Unmenschen befreite. Während des Vorfalles war eine
grosse Menschenmenge anwesend und betete fi**" die vom Teufel Besessene. Der Ehe-
mann hat schliesslich die Sache in Abbach do ch zur Anzeige gebracht und die Unter-
suchung ist bereits eingeleitet. Der praktische Arzt Dr. Faltermaier dortselbst lässt der
Misshandelten ärztliche Hülfe angcdeihcn. Die Beschreibung eines Exorcismus in aller
Form Rechten's, lege artis, (vom 23. April 1877) findet sich in No. 296 — 298 der Berliner
Zeitung Germania (Dec. 1877), von erbaulichen B. ^crkungen begleitet.
LA CilM)An (lUATEMALA. 383
für sich zu nehmen (Ilevar su alma), so dass man vom Himmel eine
Deputation schöner Knaben (que excedian en hermosura ä los hijos
de Espafla) abschicken musste mit einem grossen Kreuz (una cruz
muy grande y resplandeciente) in Procession getragen, um sie zu
befreien, wie es durch den schönsten der Knaben, mit einem Buch
in der Hand, geschah (le quitö aquel hierro que el demonio le
avia clavado, y luego desapareciö toda aquella Vision). Das an-
schliessende Capitel enthält Berichte von Todtenseelen, die in ihren
Körper zurückkehrten, das nächste von Erscheinungen Verstorbener
und andere Gespenstergeschichten^), so dass die christlichen Missionäre
den Heiden Erbauliches^) genug zu erzählen hatten (und der Mangel
an Leihbibliotheken mit schauerlichen Subscriptionsheften kaum gefühlt
sein wird).
Bei der Weiterfahrt stiegen wir einen Hügelzug empor, unter
einem Niederblick auf das in Beeten ausgelegte Thal mit engem
Ausgang, während in einem Winkel zwischen Berghügeln der See
am Ende des begrenzenden Hügelzuges glänzt. Ueber eine gewellte
Hochebene stiegen wir eine gebrochene Niederung hinab (bei Villa
nueva) und fanden uns dann zwischen steinig sandigen Hügeln mit
brauner Vegetation.
Als wir das Flussbett des Varna durchfuhren, kamen uns
deutsche Landsleute entgegen, die in Guatemala die telegraphisch
vom Hafen gemeldete Passagierliste gelesen hatten und niich jetzt
in ihre Kalesche aufnahmen, die der Diligence voraufeilte. Im raschen
Fortgang über die hingebreitete Fläche gewannen wir bald den An-
blick Guatemalas, in der Ebene an niedriger Höhenreihe gelegen,
und konnten im Hotel den Reisestaub abbaden.
Durch freundliche Unterstützung des Kaufmanns, Herrn Lehnhoff
(von der Firma Hockmeyer & Co.) vermochte ich mich bald über die
dortigen Alterthümer zu orientiren, die sich hier und da in Privathän-
den befanden, und von denen auch der Händler Morales früher einige
*) Im Jahre 1728 ,, machte ein Kobold zu Wulkow viel Aufsehen, indem er Würste,
Schinken und andere essbare Dinge zum Schornstein hinausführte, worüber umständliche
Berichte nach Hofe gesandt werden mussten, und zeitige Geistliche bewiesen aus der hei-
ligen Schrift, ausErasmus Francisci höllischem Proteus (u. s. w.), dass die Kobolde ,,certae
species spectrorum" wären, die durch Gottes Zulassung erscheinen, und sodann fromme
Christen weidlich ängstigen und quälen konnten" (König).
•) Was ist freilich Alles das, aus tempi passati, gegen die Beschämung, welche unser
armes Vaterland des XIX. Jahrhunderts durch die dilarimenta''puerilia Marpingen's und
Dietrichswalde's in Folge pfäffischer Verdummung erlitten hat. Tantum religio potuit
suadere malorum.
384 DEK ISTHMUS UND GUATEMALA.
besessen. Interessante Stücke enthält die Sammlung in dem Museum
der 1795 gestifteten Economica (Sociedad economica de amigos del
pais de Guatemala) oder Sociedad patriotica, wo ich durch Herrn
Juan Rodriguez eingeführt, und mit dem Secrtär, Herrn Batres, be-
kannt gemacht wurde, sowie später mit dem Director. Durch
gleiche Vermittlung erhielt ich auch Zutritt zu der Universitäts-
bibliothek und die Benutzung derselben. Aeltere Manuscripte fanden
sich in den Händen Herrn Juan Gavarrete's, der sie mir bereitwillig
zur Disposition stellte, und in dem Gespräche mit ihm sowohl, wie
mit seinem Bruder, Herrn F. Gavarrete, stellte ich einen Plan zur
Bereistmg des Landes fest, damals noch in der Hoffnung, auf der-
selben, in Folge der abgeschickten Telegramme, mit Herrn
Dr. Berendt, der sich in Coban aufhielt, auf dem Wege zusammenzu-
treffen.
Der frühere Klostergarten in dem jetzigen Gebäude der Univer-
sität sollte durch einen dort angestellten Schweden, Herrn Boehn-
stroem, in einen botanischen Garten umgewandelt werden, war aber,
in Folge der geringen Unterstützung aus den öffentlichen Fonds,
noch weit von dem Anspruch auf einen solchen Namen entfernt.
Eine solche Vernachlässigung frappirt um so mehr in den centralen
Ländern Nordamerica's, wo die Natur selbst gewissermassen alle Er-
leichterungen für den anzustrebenden Zweck an die Hand giebt, und
wo Bernal Diaz de Castillo bereits mit Entzücken und Verwunderung
von den prächtigen Gärten *) redet, die er neben den Landsitzen der
Grossen angelegt fand, mit Nutz- und Zierpflanzen nicht nur, sondern
zugleich mit Heilkräutern versehen. Carli meint deshalb auch, dass
Europa die Idee der botanischen Gärten, von denen er den ersten 1 545
in Padua angelegt nennt (oder früher schon in Salerno), von den
Mexicanem entlehnt habe, und ebenso gingen diese in den zoolo-
gischen Gärten voran, wie die von Cortez beschriebenen Vogelhäuser
>) Neben den Gärten von Mexico und Tezcuco waren besonders die von Iztalapan
und Huaxtepec berühmt, in Quadraten ausgelegt, die von Gängen in Spalieren durch-
schnitten, Fischweiher einschlössen. ,,£ine unglaubliche Menge von Bäumen und Pflanzen
aller Art wurden hier in einer gewissen Ordnung gepflanzt und aufgezogen, in gewissen
Kntfemungen standen auch kleine Lusthäuser. Man sah hier eine ansehnliche Sammlung
nus fremden Ländern gebrachter Gewächse. Die Spanier erhielten diese Gärten viele
J.ihre lang und pflegten allerlei dem Klima angemessene Arzneikräuter darin zum Ge-
brauch des dort angelegten Hospitals" (in Huaxtepec). The torches were applied (s. Pres-
cott) an Montezuma's Vogelhaus (152 1), und auf der Brandstätte wurde ein Franciscaner-
Kloster erbaut
MOUXDs. 385
in Montezuma's^) Pallaste beweisen, und die Menagerie wilder Thiere^)
die bei den Höfen mexicanischer Könige sowohl, wie bei den peru-
anischen in Cuzco geschildert werden (im Anschluss an classische
Aviarien und Piscinen).
Herr Baron du Theil, der bereits für Brasseur de Bourbourg
thätig gewesen, machte mir Mittheilungen über Alterthumsfunde auf
seinen Besitzungen, und einige alte Steinfiguren, die aus umliegenden
Hacienden nach der Stadt gebracht waren, fanden sich im Hofe des
Museums, sowie an Strassenecken aulgestellt.
WerthvoU war mir zugleich die Bekanntschaft des nordameri-
canischen Ministers, Herrn Williamson, der sich bereits mit Erfor-
schung der einheimischen Alterthümer beschäftigt hatte, besonders
in Betreff der Tumulus', die man ausserhalb Guatemala, auf dem
Wege nach Mixo trifft, und in denen gelegentliche Funde gemacht
sind. Von dort sieht man den Kegel des Vulcan del Agua in der
Mitte, auf der einen Seite den Vulcan von Pacaya, mit zwei kleinen
Spitzen zwischen Höhen, und auf der anderen den Vulcan del fuego
in zweifachem Doppelkegel. Guatemala la Nueva oder Santjago de
Guatemala liegt 5060 F. hoch in einem angenehm frischen Klima und
durchsichtiger Atmosphäre und wurde von den durch die Natur aus Alt-
Guatemala Vertriebenen in dem Valle de las Vacas erbaut,, wo Bar-
reda im Jahre 1529 das erste Vieh aus Cuba eingeführt hatte.
Auf der nahe gelegenen Haciendä de Naranjo findet sich neben
zwei kleinen Erdhügeln in länglicher Vertiefung (an zwei Stellen) ein
Cafetal. Im Portrero, auf der Plaza de Montezuma (oder der Piedra
parada) findet sich vor einem Erdhügel (nach Osten gerichtet) ein
Stein mit durchreichendem Loch und Rinne zum Abfluss, neben
einem eingekerbten, und weiterhin einem schräg geneigten. In einiger
Entfernung gegenüber steht eine in Zwischenräumen unterbrochene
Reihe von 5 rohen Felsblöcken und dahinter (nach einem gestreckten
Hügel zu) eine Gruppe länglich hoher Steine in sechseckiger Gestalt.
Herr Williamson hatte Zeichnung und Beschreibung vorbereitet.
Ausserdem wurden in der Nähe die Steinruinen von St. Miguel
de Pitapa, und die der Plaza de Montezuma bei Naranjo erwähnt.
Von der letzteren wurde ein sechsseitiger Stein, hoch und schmal,
*) Die ausführliche Beschreibung in Cortez' Briefen, besonders Segunda corta-rtlacion
de Heman Cortez' al Emperador, fecha en Segura de la Sierra ä 30 de Oclubrc de 1520
(S. 110 — III in Gayangos' Ausgabe).
') Die wilden Thiere der Menagerien erschienen den Spaniern als ,,cosas infernales",
da das Gebrüll der Löwen und Tiger, sowie das Hissen der Schlangen für sie einen Höllen-
spectakel bildete (era gnma oirlo y parecia infierno).
Bastian: America* I. ^
386 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
nach der Hauptstadt gebracht und findet sich an einer Strassenecke
aufgestellt. Eine Steinfigur mit Ohrverzierungen, die aus der
Hacienda del Incenso stammt, steht bei der Kirche der Escuela del
Christo, an einer Ecke des Vorhofes. In den Mogotes genannten
Erdhügeln zwischen Guatemala und Mixco, sind bei Nachgrabungen
Reibsteine und Kupferschaalen zum Vorschein gekommen, sowie ver-
brannte Kohlen.
Während meines Aufenthaltes wurde ich in einigen der dortigen
Club's eingeführt, in deren einem die überwiegende Mehrzahl von
Deutschen gebildet wurde, und die Stiftung Herrn Rohrmoser zu
danken war, dessen schon länger im Lande ansässiger Vater manche
Mittheilungen über dasselbe machen konnte.
Für die Landreise hatte ich mich aufs Neue zu equipiren, da es
sich nicht verlohnt haben würde, die frühere Ausrüstung, auf Dampfer
und Eisenbahn, unter Frachtzahlungen, mitzuführen. Doch brauchte
sie diesmal in weniger umfassender Weise gemacht zu werden, weil
nur für die letzte und kürzere Tour bestimmt. Statt eines Kaufes
der Thiere genügte diesmal ein Miethen derselben, und hatte Herr
Lehnhoff zugleich die Güte, mir ein bequemes Reitpferd aus seinen
Stallungen für eignen Gebrauch zu überlassen. Auch das Sattelzeug
erhielt ich in einigen Stücken leihweis, und konnte zugleich bei den
abhanden gekommenen Waffen, die man wenigstens der Etiquette
wegen mitzuführen hat, neuen Ankauf dadurch vermeiden , dass mir
ein anderer Revolver für die Reise zur Verfügung gestellt wurde.
Die von dem früheren Präsidenten Carrera angelegte Fahrstrasse
erlaubte eine Verbindung der Hauptstadt mit Quetzaltenango durch
eine Diligence, doch würde mich dieser Weg, der ohnedem ein zeit-
raubender ist, von meiner Richtung abgeführt haben, so dass ich bei
dem Reitthiere zu verbleiben vorzog.
Nachdem Alles vorbereitet war, ritt ich am Morgen des Mai 29.
vom Hotel ab, mit Führer und Lastthier, und zugleich ein Reitthier
zum Wechsel mit mir führend. Durch die eingebuchtete Ebene (mit
Erdhügeln an der Seite) gelangten wir zu der begrenzenden Höhen-
kette, an deren Abhang Mixco liegt. Beim Ansteig blickt man
auf den Vulcan von Pacaya mit vier Spitzen (die beiden mittleren
eingesenkt) und daneben die Vulcane des Wassers und Feuer's.
Nach dem Hinaufklettern der steilen Strasse im Pueblo Mixo,
kamen wir in Buschwald und ritten dann über welligen Grund mit Wiesen
über die Höhen gebreitet, auf längsstreifende Bergreihen, in spitzigen
Erhebungen, blickend. Beim Dorf St. Jago die Brücke über den
CHIMALTENANGO. 387
dortigen Fluss passirend, gelangten wir in wellig gebrochenes Land
mit kuppelartigen Erhebungen und ritten xiann durch ofifen zerstreu-
ten Wald, in welchem Pino-Bäume ihren Harzgeruch der (an der Isla
de Pinos^) das Meer erreichenden) Fichten verbreiteten. Locale
Wirbelwinde zogen in ihren Trichtern Staub und abgefallene Blätter
empor. In einer Mulde lag das Dorf Sumpareo und bei einer Po-
sada, ausserhalb desselben, rasteten wir für Fütterung der Thiere
während des Frühstücks.
Am Nachmittag durchritten wir eine gebrochene Gegend mit
Barrankas und dann hügelige Parks, abwärts steigend in eine Ebene,
deren umgrenzende Bergreihe sich von dem Vulcan Antigua in
Höhen umherzieht und später niedrig auflöst. In der Fläche liegt
Chimaltenango (campo de los escudos), wo wir in dem Hotel der
t)iligenz, die hier die Verbindung mit der Hauptstadt (bis Quetzal-
tenango) unterhält, abstiegen (6100 F. hoch).
Die niedrige Erhöhung der Kirche findet sich nach den dort
abfliessenden Bächen auf der Wasserscheide zwischen Pacific und
Atlantic, durch den in den Matagua mündenden Piscaya zum erste-
ren, durch den Guacalate zum letzteren.
Chimalcan oder Chamalcan, der in der geheiligten Fledermaus
(der Zotziles) erscheinende Gott der Cakchiquel, erhielt Opfer von
Katzen, als Symbol der Nacht, neben blutigen Dornen und Weih-
rauch. Unter den Thon-Idolen der Chibchas findet sich die Fleder-
maus in Paaren.
Beim frühen Aufbruch am nächsten Morgen (Mai 30.) ritten wir
durch Ebenen, dann am Höhenzug aufwärts steigend und an den Ab-
hängen von Hügeln hin, die in Flächen verlaufen. Blumen blühten
an dem von feinblättriger Vegetation geschmückten Wege. Im hüge-
ligen Bergland erblickt man drei Erdhaufen neben Trümmerresten,
die als alte Befestigungen galten. Durch Schluchten abwärts kamen
wir beim Flusse Xeia zur Molina Helvetia oder Schweizer-Mühle,
wo ich gastliche Aufnahme bei Herrn Alfred Bleuler fand, der dort
für ein Exportgeschäft Waizen mahlen lässt. Der Fluss strömt durch
ein Waldthal, an dessen Seite eine bewaldete Bergwand emporrragt, auf
welcher mir die Ruinen von Ochertinamit (ciudad de antes) oder Pati-
namit angegeben wurden, das königliche (oder Tecpan-) Guatemala.
Mit einem von Herrn Bleuler gegebenen Führer begann ich den
Ansteig, dann über buschig bewaldete Ebene folgend zwischen seit-
lichen Tumuli mit Steinhaufen. Bei der Abzweigung der Strasse
wurde der Bursche mit dem Gepäck nach Tecpan-Guatemala voran-
^) Pinus occidentalis, dann Pinus hirtella und Pinus religiosa.
25*
38H DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
geschickt, während ich mit dem Führer in die Schlucht hinabstieg,
zu einem Flüsschen in der Tiefe, und dann aufwärts an der Berg-
wand, in einem gewundenen Weg, eng ausgeschnitten aus dem Fels,
als Theil der Aussenbefestigungcn der alten Stadt. Auf der flachen
Höhe, die von einem waldigen Höhenkranz umgeben war, und an
einer Seite von hinter einander aufsteigenden Waldbergen, fanden
sich aus Steinen aufgeschüttete Tumuli, oft auch in Reihen verfolg-
bar. Von dem höchsten derselben, der Stätte des früheren Palastes,
überblickt man den Bergwald in jetzt wild öder Gegend. An eini-
gen Blöcken Hess sich die Behauung erkennen und mit Ornamenten
sculptirte Steine lagen auf dem Platz, wo der Tempel gestanden haben
soll. Bei mehreren der Hausreste bemerkte man zu beiden Seiten, und
auch davor, Ausschnitte, die als Gräber gedient, und die (grösstentheils
verschütteten) Wände waren mit breiten Kalkplatten belegt gewesen.
Im alten Tecpan-Guatemala, auf der von den Cakchiquel unter
Baquahol (dem Gegner Hacavitz s) in Besitz genommenen Oertlichkeit
von Iximche, befestigte sich Jiutemal oder Xiutemal (der Eponym
Guatemalas) in seinen Kriegen mit Acxoquauh, dem Könige der
Zutugiles, bis er durch den Tod seines Vaters Acxopal auf den
Thron Utatlan's berufen, das bisherige Reich seinem Sohne überliess.
Nachdem wir das umliegende Terrain bis zum Herannahen der
Dämmerung zu Fuss durchschritten , begaben wir uns zu den angebun-
denen Thieren zurück und dann auf die Strasse, die unsjdurchgebrochenen
Hügelgrund nach (dem jetzigen) Tecpan-Guatemala führte, am Fusse
hoher Waldgebirge gelegen. Ich traf durch den Burschen im Wirths-
haus das Nöthige vorbereitet, fand es aber zu spät für eine genauere
Besichtigung der Kirche, in welcher aus früheren Berichten von dort
vorhandenen Alterthümern gesprochen wird. Einiges dahingehörige
sah ich auf dem Hof eines Privathauses liegen , dessen Eigenthümer
indess verreist war, so dass sich keine weitere Auskunft erlangen
liess, als dass die Steine von den Ruinen des Pueblo viejo oder Pati-
namit (Ochertinamit oder Pueblo de antes) kämen. Im Besonderen
wurde darunter ein steinerner Löwe (oder Puma) genannt, im
Besitz des Herrn Pantaleon Galindo. Ausserdem sprach man von
einer dort gefundenen Steinmaske, die bei Nacht geredet, sowie
von den in einer Baranka versunkenen Glocken, deren Töne noch mit-
unter heraufklängen (dem Orakelstein u. s. w.).
Die Bezeichnung Ocher-Tinamit meint die Stadt (Tinamit) von
Alters her (ocher). In der Umgegend liegt das alte Mixo, von
wo das jetzige (bei der Hauptstadt) besiedelt wurde.
LÖSS. 389
Unter seinen Ruinen (bei St. Martin de Xilotepeque) findet sich
der Rest eines Tempels mit Nischen in den Wanden (und Stein-
figuren umherliegend). Die Mauern sind mit einer Kalkmasse zu-
sammengefügt, die aus dem Mahlen der Bausteine selbst herge-
stellt ist. In St. Martin de Xilotepeque sollen Bücher in den alten
Zeichen der Kachiquel- Sprache erhalten sein, besonders Uebersetzun-
gcn der heiligen Schrift, die in der Osterwoche von Einem der
Indianer gelesen werden. In der Umgegend wird ausserdem noch von
mancherlei Alterthümern*) gesprochen.
Am Morgen (May 31.) wurde möglichst früh Alles in Bereitschaft
gesetzt. Wir ritten durch eine Ebene am Fusse von Waldhügeln
hin, aufwärts und dann hinab in ein gebrochenes Muldenthal mit
Santa Apollonia. Aufsteigend blickten wir auf eine jenseitige Berg-
wand und stiegen dann abwärts in offene Waldebenen.
Nach dem Passiren des Flusses der Hacienda Vieja führte uns
auf gebrochener Fläche der Weg durch den Fluss Garrache. Dann
aufwärts über Kuppelhügel und hinab in ein enges Waldthal. An
basteienartigen Höhen mit welligem Abfall wurde der Rio de los
Trapiches (neben vereinzelten Zuckerpflanzungen) erreicht, und dann
an schroff blendenden Wänden über Thonboden^) emporgestiegen.
*) Bei Mixco antiguo sollen sich alle Höhlen finden, die von den Indianern verbor-
gen gehalten werden. Am Vulcan de sieta orejas bei Quetzaltenango finden sich die
Grundmauern eines Quiche-Palastes und wurde dort neben anderen Alterthümern eine
Knochenflöte angetroffen. In Malacatang bei Huehuetenango trifft man Reste alter Woh-
nungen aus Stein, neben Erdhaufen. In Soloma (zwischen Comitan und Huehuetenango
finden sich Reste alter Steinlempel (beim Pueblo San Juan Ixoy), sowie glasirte Steine bei
San Matheo (und auch bei San Miguel). In Zagucalpa (bei Santa Cruz de Quichö) fin-
den sich alte Ruinen.^ In der Hacienda St. Augustin ist eine Goldkugel mit Flügeln ge-
funden. Steinfiguren sind in Carmona am Vulcan del agua (bei Antigua) zu Tage ge-
kommen. Zwischen San Pedro und Chimaltenango wurden Steinfiguren ausgegraben
(darunter Frauen mit Schlangen). In der Nähe von St. Luis findet sich aus Stein gear-
beitet die Figur eines Indianers, auf den ein Tiger heranspringt. Bei Chocolä trifft man
den Boden mit Obsidiansplittem und zerbrochenen Steinspitzen bestreut. In der Plaza de
Montezuma bei Naranjo (in der Nähe Guatemala's) finden sich aufrechte Steine zwischen
künstlichen Hügeln. In St. Thomas de Chichicaste liegen unter Erdhaufen Alterthümer
begraben. In Zaacalpa sieht man mit Blumen, Zweigen u. s. w. verzierte Steine, aus der
Zeit der Indianer, späteren Bauten an Kirchen oder Brücken eingemauert, und ist (zwischen
Santa Cruz de Quichc und Coban) die Steinfigur eines Mannes mit Vogel gefunden. Bei
St. Cruz Balanga steht ein mit Zeichen figurirter Stein. In Panebach (adentro de la piedra) sind
mancherlei Alterthümer hervorgefördert (zwischen Godines und Patzun). Bei Techinpatchc
liegen alte Erdhügel mit GrSbem. In der Hacienda von Quirigua bei Istapa finden sich Reste
alter Gebäude und Götzen aus Stein. Die Monolithen von Quirigua tragen Hieroglyphen.
Im Pueblo viejo, sowie sonst am See von Amatitlan, wurden Alterthi^mer gefunden.
') Les argiles jauues prennent un developement Enorme dans la belle plaine de Santa
390 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
Meiner Begleitung etwas voraus geritten, rief ich einige vorüber
kommende Indianer herbei, um an Ordnung des verschobenen Sattel-
zeuges zu helfen. Doch verstanden sie sichtlich nichts davon und
hatten sich auch nur zögernd genähert, da sich hier, wie auch in einigen
abgelegenen Thälern Südamerica's, noch eine Art Furcht*) vor dem
fremden Thiere erhalten hat, welche nicht zu verwischen, im Anfang
der Conquista der Verkauf von Pferden und Maulthieren an die
Indianer bei Todesstrafe verboten war. Besser hatten sich dagegen
die energischen Indianer des Südens damit abgefunden, die sie
bald zu gebrauchen wussten^).
Wie Benzoni bemerkt, war es zu seiner Zeit ein geläufiger
Spruch, dass nicht die christliche Ritterlichkeit, nicht ihre Artillerie,
die Armbrust, die Schwerter und Lanzen aus schneidendem Stahl
oder sonstige Vorzüge der Bewaffnung, die Indianer bezwungen
haben, sondern das Pferd und der Schrecken, den es cingeflösst.
Bei verschiedenen Gelegenheiten wird in den Annalen erwähnt, wie
die Pferde im Ausschlagen und Beissen ihre Herren im Kampf
unterstützten oder durch furchtlosen Anlauf die Verhaue einrannten.
In dem Wald auf der Höhe erreichten wir um Mittag ein ein-
.sames Haus (San Francisco), wo zur Fütterung Halt gemacht wer-
den konnte. Mein Bursche hätte diesen gerne zur Nachtrast ver-
längert, da es ihm bedenklich schien, die Indianerdörfer vor uns, wo
man jedem Fremden abgeneigt sei, spät am Tage zu passiren, und
schützte er auch die Ermüdung der Thiere vor. Doch konnte ich
mir eine solche Zeitverschwendung nicht erlauben.
Wir setzten den Weg durch die Waldfläche fort, mit dem Blick
aul den Kamm belaubter Berge, und durchritten dann eine Ebene
Cruz de Quich^ (2018 mdtres) et persistent dans les cnvirons avec une teile intensitc,
qu'elles opposent un obstacle sdrieux aux investigations gcologiques dans le puissant ressaut
montagneux qui söpare ce plateau de celui de Totonikapam (Dollfus).
^) On a et^ plus de quarante ans au Perou sans pouvoir, ni par promesses cngagcr
les Peruviens h. ferrer les chevaux, ils n'oseraient les approcher de cinquante pas et plu-
sieurs tombazent en faiblesse en les voyant de loin , bemerkt Paw , indem er damit die
von den Römern rascher überwundene P'urcht vor den lucanischen Ochsen (boves lucae)
oder Elephanten vergleicht.
^) Als die Querandis die Spanier unter Mendoca überfielen, ,,ataban los Caballos con
ciertos la^os que llevaban" (Herrera). Ebenso wagten die Vucatanesen zu trotzen und
die Indianer waren von grosser Stärke , porque huvo tal , rjuc andando un Castellanu
corricndo con su caballo a media rienda, le asiö de la piern^y le detuvo, como si fuera
un carnero (s. Herrera). Auch die Chiapaneken gewöhnten sich bald an die Pferde (sowie
an ihre Zucht), Das 1537 in Buenos- Ayres eingeführte Pferd fand sich 1580 bereite
an der Magellanstrasse.
SANTA CRUZ. 391
mit welligen Erhebungen, später auf gebrochenen Grund gelangend,
und mittelst einer Brücke über die dortige Barranca. Durch eine in
welligen Hügeln rollende Hochebene hinreitend, passirten wir seitlich
Chicastenango*), wo die Indianer auf ihren Milpas noch in alten
Traditionen leben, und gelangten, nachdem wir in einer Barranca
nieder und auf der andern Seite wieder emporgestiegen, mit An-
bruch der Dunkelheit nach Santa Cruz de Quich^. Das dortige
Wirthshaus war seit einiger Zeit eingegangen und als ich mich an
den Stellvertreter des abwesenden Jefe politico wandte, wies er
mich in das Haus seiner Schwester, wo ich in Folge solch' officieller
Anordnung das schmutzige^) und dunkle Erdloch, das allein als
Fremdenzimmer zur Disposition stand, acceptiren und bei meiner
Abreise mit höheren Preisen bezahlen musste, als sie in einem Hotel
ersten Ranges gefordert worden wären. Dienstfertig hatte mir die Haus-
wirthin die Zubereitung einer Abendmahlzeit offerirt, und kam diese in
That zu Stande: in einer Wassersuppe, einem auf dem kleinen Teller
noch kleiner verschwindenden Stück getrockneten Salzfleisches und
einem gekochten Ei bestehend, auf einem ungehobelten Holztisch ^)
servirt, minus Messer, Gabel und Löffel, von welchen Utensilien
der Hausstand auch nur die letztern auf gestelltes Verlangen nach-
zuliefern vermochte, und da der Rest ohnedem überflüssig war, Hess
ich mein Besteck in dem Vorrathskoffier und machte den Burschen dem-
selben nur die genügenden Materialien entnehmen, um zu der früheren
Chocolade-Diät zurückzukehren. Als Nationalgerichte treten in Gua-
temala bereits (wie in Mexico) die Frijoles oder Bohnen auf, zum
Unterschied der südamericanischen Kartoffel in Locro und Chupe.
Der von dem Magistrat verlangte Führer stellte sich am Vor-
mittag ein und ritt ich mit ihm fort, den Burschen für die Pflege
*) Chichicastenango (Chuvi-La) heisst der Ort (co) bei (tenan) dem Chichicaztli-
Baum.
') Der Boden, wie meistens aus gestampftem Lehm, und wenn Clavigero den Mexi-
canern die Erfindung vindicirt, auf dem Boden des Hauses ein Estrich zu schlagen, (indem
die Europäer dies, seiner Meinung nach, erst von jenen gelernt hätten), so würden es ihre
Nachkommen in America wieder vergessen haben.
•) Also keine fortschrittliche Entwicklung auf diesem Boden, wo schon die mit dem
alten Heros Votan verknüpfte Civilisation von der Einführung von Tafeldecken, Schüsseln,
Handtüchern u. s. w. redet (s. Cabrera). Im Allgemeinen wird dergleichen von den
Reisenden weder erwartet noch' vermisst werden , aber hier befand ich mich in der alten
Hauptstadt und in einem auf officielle Empfehlung von der Regierung angewiesenem
Logis. Nach Carli hatten die Europäer den Gebrauch von Wärmschüsseln unter den
Tafelgerichten in Mexico, sowie das Kochen in kleinen Oefen statt auf offenen Heerden,
in Peru gelernt, indem die dortigen Frauen die spanischen unterrichtet hätten.
y92 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
der Thiere zurücklassend. Jenseits der Stadt auf einem in Barrancas
durchschnittenem Grunde liegen die Ruinen von Utatlan (Bazac oder los
Edificios) in aufgethürmtem Festungsgemäuer, zwischen dem terrassen-
artiggeschmälerte Gebäude aus Erde und Stein aufsteigen. Die verschie-
denen Platform sind von tiefgeschnittenen Barranken umzogen und ein
enger Weg fuhrt ab und auf, von einer zur andern. Die centralen Pyra-
miden-Ruinen umschliessen einen mit Platten bedeckten Raum, und
daneben unterscheiden sich die Abschnitte der Häuser mit Steinen
und Kalkmasse aufgeführt, oder aus regelmässig (länglich) behauenen
Steinen (tuffartig). Andere sind aus schmalen Schiefern zusammen-
geschichtet. Der Umblick umfasst die kahl fortwellende Hochebene
von der umziehenden Bergkette her. Einige Kleinigkeiten wurden
auf dem Trümmerplatz gefunden, und andere Stücke konnte ich bei
der Rückkehr nach Santa Cruz kaufen. Wenn schon in Galindo's
Beschreibung die grossartigen Schilderungen Fuente's (bei Juarros)
sehr abgeschwächt sind, so hatten sich auch seit Stevensons Besuche
die Ruinen noch mehr verändert, obwohl ihr Umfang immer noch
Manches der früheren Bedeutung erkennen lässt. Vieles jst bei dem
Aufbau in den umliegenden Ansiedlungen verwendet, so dass von
der „El Resguardo" genannten Festung sowohl, wie vom „El Sacrifica-
torio" oder Opfertempel, und von den „maravillosos edificios de cal
y canto" (s. Las Casas) nicht mehr viel übrig ist.
In der Vorgeschichte Gumarcaah's') (der Platz verdorrter Schilfe)
oder Utatlan (Utitlan), wohin durch Copichoch, Tamub's Sohn, das Pal-
ladium des schwarzen Steines (in irisch-gälischen Analogien) gebracht
wurde, spielt der Name des in die Reihe der vergötterten Propheten ein-
tretenden Priesterfürsten Gucumatz. Die spätere Königsreihe beginnt
mit Acxopil (Acxopal), dem Sohn des auf der Wanderung verstorbenen
Patriarchen Nimaquiche, und ihm folgte sein Sohn Jiutemal, der bis
dahin, als Erbprinz, in Tecpan- Guatemala residirt hatte. Als Be-
gründer des Quiche- Reiches durch die Ausdehnung seiner weiteren
P>oberungen wird im Popul-Vuh der Heldenkönig Quicab gefeiert.
Die Versuche der mexicanischen Könige, in Guatemala festen
Fuss zu fassen, begannen (nach Juarros) mit Ahuitzotl, der durch
seine spionirenden Gesandtschaften Intriguen anzuspinnen suchte.
Bald schon liefen unheilkündende Vorhersagungen des dafür mit
seinem Leben büssenden Seher durch das Land, düstere Zeichen
^) Gumarcaah wird auch erklärt als unter dem liiminel (call) ausgebreitet (mah)
mit CO oder gu (folgend).
UTATLAN. 393
schreckten am Himmel und auf der Erde, Feuerkugeln rollten durch
die Luft, pestilentische Epidemieen rafften die Bewohner dahin, und
dann rückte Alvarada, bereits im Bunde mit den verrätherischen
Cakchiquel, vor die Hauptstadt der Quich& (1524), die dann das
Loos der übrigen America's theilte. Von dem, was die ersten Ent-
decker und Eroberer, als Augenzeugen, dort und in Mexico, sahen,
und uns in ihren Beschreibungen*) hinterlassen haben, ist jetzt kaum
*) „Bevor ich nun aber anfange, von dieser grossen Stadt, und anderen, die ich
bereits zuvor genannt, das Einzelne zu berichten, scheint es mir, dass, zum
bessern V'erständniss, vorab etwas über die örtliche Lage des Landes Mexico gesagt
werden muss, wo diese grosse Stadt nebst einigen anderen, deren ich erwähnt, und zu-
gleich die grösste Herrlichkeit dieses Muteczuma sich befindet Es ist nun diese besagte
Provinz rund, und ganz umgeben von hohem und rauhem Gebirge ; und das in der Mitte
liegende Thal hat etwa siebenzig Leguas im Umkreise; und im besagten Tbale sind
zwei Landseeen , welche es beinahe einneliroen , denn ein Umkreis von mehr als fünfzig
Leguas wird mit Kähnen beschifft. Und eine dieser beiden Lagunen ist von süssem
Wasser, die andere grössere aber von Salzwasser. Beide sind an einer Seite durch eine
kleine Kette sehr hoher, mitten im Thale befindlicher Hügel von einander getrennt, ver-
einigen sich aber endlich M'ieder in ein&ro engen Thale, welches zwischen diesen Hügeln
und dem Hochgebirge sich erstreckt, und etwa einen Armbrustschuss breit sein mag;
und zwischen beiden I^gunen und den daran gelegenen Städten und anderen Ortschaften,
verkehren die Leute in Kähnen zu Wasser, ohne eines Landweges bedürftig zu sein,
l'nd weil die grosse gesalzene Lagune steigt und fallt, in regelmässiger Fluth und Ebbe,
wie das Meer, so treten bei jeder Fluth ihre Gewässer zur andern süssen hinüber, wie
ein gewalliger Strom , und folglich bei jeder Ebbezeit die süsse zur gesalzenen. Die
Hauptstadt Temixtitan aber liegt in diesem gesalzenen Landsee, und von jedem End-
punkte des Festlandes bis zum Körper der besagten Stadt, von welcher Seite man auch
kommen möge, sind es allemal zwei Leguas. Sie hat vier Eingänge, alle auf Stein-
dämmen zugänglich, welche von Menschenhand gemacht, und etwa zwei Reiterlanzen
breit sind. Die Stadt ist so gross wie Sevilla und Cordova; ihre Strassen, ich rede
hier von den Hauptstrassen, sind sehr breit und sehr gerade, und einige der letzteren,
j^owie alle übrigen, sind zur Hälfte fester Boden, und zur andern Hälfte Wasser, wo die
Kähne gehen; und alle Strassen sind in grösseren Zwischenräumen durchschnitten, so
dass zwischen ihnen eine Wasser\erbindung stattfindet; und alle diese Durchschnitte,
deren einige sehr breit sind , haben ihre Brücken , aus grossen und starken zusammen-
gefügten Balken sehr wohl verfertigt, und dergestalt, dass zehn Reiter in Fronte hinüber
ziehen können. Und da ich einsah, dass, wenn die Eingeborenen dieser Stadt uns irgend
einen Verrath spielen wollten , es ihnen dazu nicht an Vorschub fehlte , sintemalen auf
solche Weise, wie ich gesagt, die Stadt gebaut war, und sie nur die Brücken der Zu-
gänge abzuwerfen brauchten, um uns Hungers sterben zu lassen, ohne dass uns möglich
gewesen wäre, an's Festland zu gelangen : so Hess ich gleich nach meinem Einmarsch in
besagte Stadt in grosser Eile vier Brigantinen erbauen, und bekam sie in sehr kurzer
Zeit fertig, also dass damit dreihundert Mann und alle Pferde, so oft es uns gefiel, zum
Festlande übergesetzt werden mochten. Es hat diese Stadt viele öffentliche Plätze, wo
beständig Markt gehalten wird, und allerlei Handel im Kaufen und Verkaufen. Dann hat
sie auch einen anderen öffentlichen Platz, so gross wie zweimal ganz Salamanca, ganz in
der Runde mit Säulenhallen umgeben, wo täglich über sechszigtausend Seelen sich beisammen
finden, Käufer und V^erkäufer, so an Provisionen und Lebensmitteln, wie an Kleinodien
394 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
nur ein schwacher Schatten noch zu erkennen, wofür man Cortez
Bericht an den Kaiser über den Verkehr und das Treiben im
alten Tenochtitlan vergleichen mag.
von Gold und Silber, Blech, Messing, Knochen, Muscheln, Hummerschalen und Federn;
auch verkauft man Werksteine, behauene und unbehauene, Kalk- und Ziegelsteine, Bau-
holz zugerichtet und roh, in allerlei Gestalten. Auch ist da eine Jägerstrasse, wo alle
Vögelgeschlechter feil sind, die das Land erzeugt, als Hühner, Rebhühner, Wachteln,
wilde Enten, Fliegenschnäppei , Wasserhühner, Turteltauben, Holztauben, kleine Rohr-
vögelein, Papageien, Geier, Adler, Falken, Sperber und Weihen, und von einigen dieser
Raubvögel verkauft man auch die Bälge mit Gefieder, Kopf, Schnabel und Klauen daran.
Man verkauft Kaninchen, Hasen, Hirsche und kleine Hunde, welche verschnitten und
zur Verspeisung aufgemästet sind. Es giebt eine Baumgärtnerstrasse, wo alle im Lande
erzeugten heilkräftigen Wurzeln und Kräuter sich beisammen finden. Es giebt Häuser
wie Apotheken, wo man bereitete Arzeneien verkauft, sowol Tränke, als Salben und
Pflaster; es giebt Häuser wie Barbierstuben, wo die Köpfe gewaschen und geschoren
werden; es giebt Häuser, wo man fiir Geld Essen und Trinken verabreicht. Es giebt
Leute wie die, so man in Kastilien Ganapanes nennt, zum Lasttragen. Man verkauft viel
Holz, Kohlen, thöneme Kohlenpfannen und Matten von sehr verschiedener Art, theils
Schlafmatten, theils feinere zu Sitz- oder Fussdecken in Sälen und Zimmern. Es giebt
alle Arten der daselbst vorfindlichen Gartengewächse, besonders Zwiebeln, Porre, Knoblauch,
Gartenkresse, Brunnenkresse, Borretsch, Sauerampfer, Karden und Artischoken. Es giebt
Früchte vielerlei Art, darunter auch Kirschen und Pflaumen, den spanischen ähnlich. Man
verkauft Bienenhonig und Wachs; auch einen Syrup aus der Maisstaude, honigartig und
süss, wie der des Zuckkerrohrs ; auch den süssen Saft einer Pflanze, welche man hier
und anderswo Maguey nennt , und derselbe ist besser als eingemachter Most , und aus
derselben Pflanze bereiten sie Zucker und Wein und verkaufen Beides. Auch steht ziini
Verkaufe mannigfaltiges Baumwollengespinnst in Gebinden von allen Farben, — man
glaubt sich auf den Seidenwaaren-Markt von Granada versetzt ; aber Alles ist in grösseren
Massen vorhanden. Man verkauft Malerfarben, so viele es nur in Spanien giebt und von
so vortrefl'licher Schattirung als irgendwo. Man verkauft Wildhäute mit und ohne Haar,
weiss und verschiedenartig gefärbt ; man verkauft viel Fayence und von ganz vorzüglicher
Güte; man verkauft irdenes Geschirr, grosses und kleines, Krüge, Töpfe und Fliesen,
und andere unendliche Arten von Töpferwaaren , alle aus einem ganz besonderen Thon
verfertigt und alle, oder doch die meisten, glasirt und bemalt. Man verkauft Mais in
Körnern und in Broden, und derselbe übertrifft an KömerfuUe wie an Geschmack den
aller übrigen Inseln und Festländer. Man verkauft Pasteten von Geflügel und Torten
von Fischen. Man verkauft viele frische und gesalzene Fische, roh und zugerichtet.
Man verkauft Eier von Hühnern, Enten und allen den andern Vögeln, die ich genannt,
in grosser Menge; auch Kuchen aus Eiern gebacken. Kurz, man verkauft auf besagten
Märkten alle Gegenstände, die sich irgend auf der ganzen Erde finden, und es sind deren
so viele und von solchen Eigenschaften, dass, um nicht weitläufig zu werden, und audi,
weil sie nicht alle meinem Gedächtnis^se gegenwärtig sind, und von vielen ich nicht ein-
mal den Namen kenne, sie lieber unangeführt bleiben. Jede Gattung Waaren stellt in
ihrer besonderen Strasse feil , ohne dass irgend andere Waaren sich dabei einmischen
dürfen, und hierin wird scharfe Ordnung gehalten. Alles wird nach Zahl und Maass ver-
kauft; aber nach dem Gewichte hat man bis jetzt wenigstens noch nichts verkaufen ge-
sehen. Auf diesem Platze steht ein sehr schönes Haus, gleichwie ein Rathhaus, wo stet>
zehn bis zwölf Personen sitzen, welche Richter sind und alle auf besagtem Markte vor-
kommende Fälle und Sachen entscheiden und die Verbrecher bestrafen lassen. Auch
QUICHES. 395
t
Für die in Guatemala bestandenen Reiche wird eine Art auf-
rückender Thronfolge erwähnt, von der sich auch sonst Spuren finden.
Des Königs Bruder galt als Kronprinz, schon bei Lebzeiten des
giebt es noch andere Personen auf dem Platze , welche beständig unter dem Volke her-
umgehen, Acht haben und auf Alles, was, und auf das Maass womit, man verkauft ; imd
einiges habe ich zerbrochen gesehen, weil es falsch erfunden wurde. Es giebt in dieser
grossen Stadt viele Moscheen oder Götzentempel von sehr schöner Bauart für die ver-
schiedenen Sprengel oder Quartiere derselben, und in den vornehmsten befinden sich reli-
giöse Personen von ihrer Secte. welche beständig darin wohnen , und für welche , ausser
dem Räume für die Götzenbilder, sehr schöne Zimmer eingerichtet sind. Alle diese Reli-
giösen gehen schwarz bekleidet und verschneiden weder, noch kämmen ihr Haar von der
Zeit ihres Eintrittes an, bis sie wieder herauskommen ; und alle Söhne angesehener Fami-
lien, sowohl des Herren- als ehrbaren Bürgerstandes, treten in diesen Religiousberuf und
dessen Tracht, von ihrem siebenten oder achten Jahre an, bis man sie wieder heraus-
nimmt, um sie zu verhcirathen ; und dies begiebt sich mehr bei den Erstgeborenen, wel-
chen die Erbschaft der Häuser zusteht, als bei den anderen. Keine Gemeinschaft mit
Weibern ist ihnen gestattet, und kein Weib darf die besagten gottesdienstlichen Häuser
betreten. Sie enthalten sich des Genusses gewisser Lebensmittel, und zwar vorzugsweise
zu gewissen Zeiten des Jahres; und unter diesen Moscheen giebt es Eine, welche die vor-
nehmste ist, deren Grösse und Einzelheiten keine menschliche Zunge zu beschreiben ver-
mag; denn sie ist so gross, dass innerhalb ihres ganz von hoher Mauer umzogenen Um-
kreises sehr gut eine Stadt für fünfhundert Einwohner gebaut werden könnte. Im Innern
dieses Umkreises, und rund um denselben , hat sie sehr anständige Zimmer , Säle und
Corridors, wo die Religiösen wohnen und sich aufhalten. Man findet auch daselbst wol
vierzig Thürme, sehr hoch und wohlgearbeitet, in deren grösstem man fünfzig Stufen bis
zu seinem Mittelpunkte hinansteigt , und der Hauptthurm ist höher als der Tburm der
Kathedrale von Sevilla. Sie sind so gut gearbeitet, so in Mauer- wie in Holzwerk, dass
sie nirgends könnten besser gemacht oder gearbeitet werden ; denn die ganze Mauerarbeit
im Innern der Kapellen , wo die Götzenbilder stehn , ist mit Arabesken verziert und
der Plafond mit Stukkaturarbeit; und alles Holzwerk mit Mauerarbeit überzogen, und
sehr bemalt mit allerlei Ungeheuern und sonstigen Gestalten und Kunstwerken. Alle
diese Thürme sind Begräbnissplätze grosser Herren; und die darin befindlichen Ka-
pellen sind jede dem besonderen Götzen geweiht , zu welchem jeder derselben
seine Andacht verrichtet. Im Innern dieser grossen Moschee befinden sich drei
Säle , wo die Hauptgötzenbilder aufgestellt sind , von erstaunenswürdiger Grösse
und Höhe, und mit vielen Zierrathen und Figuren künstlich ausgemeisselt , sowol
in Stein- als Holzarbeit; und innerhalb dieser Säle sind wiederum andere Kapellen mit
sehr kleinen Eingangsthüren und inwendig ganz ohne Beleuchtung; und hier dürfen sich
nur jene Religiösen aufhalten, und auch diese nicht alle; und es stehen hier Brustbilder
und Gestalten der Götzen, obgleich, wie schon erwähnt, auch ausserhalb viele befindlich.
Die vornehmsten dieser Götzenbilder, und auf welche sie am meisten Glauben und Ver-
trauen setzen, warf ich von ihren Postamenten, und Hess sie die Treppen hinabstürzen, und
die Kapellen reinigen, wo sie gewesen waren: denn selbige waren alle voll des bei den
Opfern vergossenen Blutes; und ich liess die Bilder Unserer Lieben Frau und anderer
Heiligen darin aufstellen, worüber der besagte Muteczuma und die Eingebomen sich nicht
wenig betrübten; und zuerst sagten sie mir, ich möge es nicht thun: denn, wenn man
es in den Gemeinden erführe, würden diese gegen mich aufstehen, weil sie dafür hielten,
dasss diese Götzen ihnen alle zeitlichen Güter gewährten, und wenn man sie misshandeln
Hesse, sich darob erzürnen, und ihnen nichts mehr geben, und die Früchte ihnen auf dem
Lande verdorren machen Mürden, dass alles Volk vor Hunger sterbe". So Cortez m sei-
nem Briefe (s. Koppe).
396 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
Königs (Ahau - Apop) die Stelle eines (siamesischen) Nebenkönig 's
(Ahau Ahpop Camha) einnehmend. Nach ihm soll der Sohn des
Ersten Königs, also sein Neffe, das Erbrecht (als Nim Chocoh Cawek)
besessen haben, und dann (als sein eigener Sohn) dessen Vetter
(als Ahau Ah Tohil). Hinsichtlich der Cakchiquel werden zugleich
zwei königliche Geschlechter vermerkt, die umschichtig den Thron
besetzten.
Bei den Chibchas*) hatte sich das Priesterkönigthum *) (wie in
Meroe und Cochin) durch eine Reaction der weltlichen Macht (was
am deutlichsten in der Stellung des Zipa zum Guatavita hervortritt)
gespalten, obwohl neben dem Schwertfiirsten (wie in Japan) die
Gestalt des Priesterkönigs bewahrt wurde, aber nur in ihrer priester-
lichen Bedeutung.
In Mexico, wo sich unter den Tolteken (wenigstens bis zum
König Metl) das Priesterkönigthum als solches bewahrte, wurde es bei
den Azteken (ähnlich wie bei Hebräern) als eine durch die politischen
Verhältnisse bedingte Concession des Priesterstandes betrachtet, wenn
dieser neben sich die Existenz eines Königs gestattet hatte.
Während so in Tlacopan und auch in Tezcuco, wie überhaupt
unter den (wandernden) Chichimekenstämmen (deren Dynastien dort
bei der Eroberung eingesetzt worden), die früher nur dem Tapfersten
(oder dem beim Ausbruch eines Krieges gerade Geeignetsten) über
tragene Fürsten würde zu einer erblichen geworden war, blieb sie in
Tenochtitlan eine wählbare, und meistens wurde der Hohepriester
(Mexicatl-Teohuatzin oder Teotecuhtli), der bereits die Würde eines
Oberfeldherrn (Tlacochcalcatl) bekleidet hatte, zum König eingesetzt,
während der toltekische TiteP) des (ßafftXsvg oder) Topiltzin (als eines
Priesterkönig*s) unter den Azteken nur zur Bezeichnung eines hierarchi-
*) Der Zipa trat dem Zaque (neben dem Sogamoso) gegenüber, wie dem Sei-i-teis
Shogun (als Kronfeldhemi des Mikado) der Hojo. Die Hojo-Familie verhält sich zu den
Minamoto, wie die Kujiwara zum Kaiserhaus (nach dem Guaichi) bis zur Eroberung
Kamakura's durch Niita Voshisada (1333 p. d.) Le dicen Bogolä, que es como de^ir
Soldan, 6 Preste Johan 6 Emperador 6 el Supremo titulo (Oviedo). The Ariki (priest
and chieQ corresponding to the King, possessed both spiritual and temporal power
(Thomson) in Polynesien.
') Majorum haec erat consuctudo, ut rex esset etiam sacerdos et pontifex (Servius);
wie (bei Virgil) Rex Anius (und sacerdos) oder (bei Jornandes) der gothische König Co-
monc (et rex illis et pontifex).
•) Wie der Dienst des Rex mit Janus in Rom, verknüpfte er sich in Tula mit dem
alten Gott Tlaloc. Der Fürst von Coro galt als Schöpfer und Herr der Welt (wie die
rcguli in Africa).
SUCCESSION. . 397
schenRanges (als rex sacrificulus) ^) verblieb. In Aricia fand sich (priester-
lich) der Rex Nemorensis (s. Sueton), und ähnlich im südlichen Indien.
Wie in Bogota der Thronfolger vorher als Dauphin in Chia zu
herrschen hatte, mussten die Fürsten in Huexotzingo (Tlascala und
Cholula) vor ihrer Installirung den Grad eines Tecuitli (Tecuhtli)
durchgangen sein. Der älteste Sohn des Fürsten (Tlatoani) hiess
Tlatopilzintli und die übrigen Prinzen Tlatoque.
Dies in geschichtlichen Zeiten meist, nur für den nächsten Nach-
folger (den Kronprinzen) erkennbare System zeigt sich unter archai-
stischen Verhältnissen complicirter ausgebildet*), wie in Guatemala
und auf den Palau-Inseln (auch in 'Mexico).
In Tezcuco hatte sich aus den durch Eroberung eingesetzten
Dynastien der Chichimeken, deren verdienstvolle Krieger von Xolotl
mit Landschenkungen belehnt waren, eine Analogie des Feudalstaats
herausgebildet, und die oft Tlatoani betitelten Fürsten waren neben der
dem Könige schuldigen Huldigung (einer Kommandirung in der Vasalli-
tät) zu bestimmten Heeresstellungen verpflichtet, besassen sonst aber
Immunitäts-Rechte. Wie im fränkischen Reich machte sich auch hier
bald die Nothwendigkeit centraler Einigung geltend und es wurde nicht
nur eine Art HofadeP) aus den Ministerialen gebildet, sondern König
Techotlalatzin (Techotlala) von Tezcuco (wo seine Gesetze später von
Nechahualcayotl wieder hergestellt wurden), wusste zugleich die
') Bei Dionysius tritt der Rex sacrificiorum oder sacrorum (Rex sacrificulus oder
Rex sacriücus) als liQuty ßuaUtig auf. Der Opferköuig (oder Königpriester) opferte an
den Agonalitn dem Janus einen Widder. Der Mico oder König (in geheimnissvoller
Weise erwählt) galt (bei den Muskogulgee) als Repräsentant des Grossen Geistes (s. Bat-
ram). Neben ihm steht der Kriegsfürst und über den Priestern der Oberpriester (über die
Elemente gebietend).
') Bei den Matalcingos, von denen (bei der mexicanischen Eroberung) die Bewohner
von Conacantepec nach Tlaulan in Mechoacan flohen, herrschte eine aufrückende Reihen-
folge, als Erster Tlatuan , dann : el segundo, que se llamaba Tlacatecatl, y en lugar de
este entraba el tercero que se llamaba Tiacuxcalcail , y en lugar de este, nombraban
hijo ö hermano del primero , que era mas digno y suüciente para ello (Herrera). Der
für Jahre des Nothwachses in Magazinen verwahrte Tribut der Ortschaften oder Cal-
pules wurde von den Tequitlatos genannten Beamten eingeliefert (aus den öffentlichen
lündereien und Jagdgründen).
•) Im königlichen Palast (in Mexico) fand sich der Hueycalpixqui als Verwalter des
Tributes, der Achcauhtli, als Aufseher über das Heer, der Hueyaminqui oder Oberjäger-
meistcr u. s. w. (s.Torquemada). Die über die Ortschaften gesetzten Beamten oder Tecuhtli,
(unter dem Hueycalpix(|ui) berichteten nach dem Palast durch die Boten Tlayacanque oder
Tequitlatoque und hatten ihre Aufrage ausgeführt durch Gerichtsdiener oder Topileque.
Schuhe wurden im Palast nur vom König und seinem Vertreter Tlacaclel getragen
(nach Duran).
398 • DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
Macht der Grossen durch eine Abtrennung^) der Gerichtsbarkeit
vom Landbesitz zu brechen. Wie in Cuzco, war auch in Mexico
das Princip zur Geltung gekommen, dass die vornehmsten der Va-
sallenfürsten periodisch in der Hauptstadt^) zu wohnen hatten, ähn-
lich wie der Taikun von den Daimio die Erbauung von Schlössern
in Yeddo zur zeitweiligen Residenz verlangt hatte.
Neben den zur Zeit der Eroberung^) belehnten Fürsten, deren
damals unter feudalen Verpflichtungen erhaltene Beneficien dir sie
im Laufe der Zeit oftmals zum unbeschränkten Allodial besitz wurde
(als Erbländereien oder Tlatocamilli), gingen die Landverleihungen
bei der Ausdehnung des Reiches fort, und es mochten auch nach
der Art der römischen Beneficien an Veteranen, oder sonst Verdiente,
Landesschenkungen gemacht werden. Neben den Tecuhtli oder Pilli
genossen die Wittwen, Waisen (und sonst Bedürftige) Befreiung von
Steuerzahlung. Die Tac-Tecutzin oder Teutles genannten Herren
hatten den Niessbrauch der ihnen für Lebenszeit (von den Tlatoque.s)
verliehenen Güter und unter ihnen geboten die Tec-cuttli oder Tecuhtli
(aus der Klasseder Pilli oder Adeligen) über die Vasallen*) oder Tec-calli.
*) Die Tlatoani oder Fürsten Tezcuco's waren zu gewissen Huldigungen und Krieg-
gestellung dem Könige verbunden, sonst aber unabhängig. Techotlalatzin bildete aus
einem Theil derselben einen Rath, der stets in Tezcuco verweilen musste (unter vier
höchsten Würdenträgern) und nachdem er dann das Reich nach einer neuen Ordnung in
Provinzen eingetheilt hatte (wodurch die alten Fürstenthtimer zerrissen wurden), versetzte
er Colonisten aus der einen nach der andern, welche ihrem ursprünglichen Herrn unter-
thänig blieben, aber auf dem Lande eines Fremden. Die über Vasallen gebietenden
Fürsten (ohne Hoheitsrechte) hiessen Tlacahua (neben dem Tlatoani oder Souverän).
Zum Bruch des Feudalsystems im Chichimeken - Reich und Kräftigung der Centralisation
theilte dieser Kaiser Techotl oder Techotlalatzin (wie von Andern erzählt wird) die
Fürstenthümer nach einem andern Plan in Provinzen unter Gouverneure und versetzte
Colonisten mit Beibehaltung ihrer Abhängigkeit von dem früheren Herrn. Dadurch
wurde der Aufstand Tezozomocs in Azcapozalco gegen seinen Nachfolger Ixtlilxochitl
hervorgerufen, und nach dem Siege errichtete derselbe sieben unabhängige Königreiche
mit sich selbst an der Spitze, führte aber dann selbst den Despotismus durch Tribut-
erhebung ein, bis unter seinem Sohn Maxtla (auf den Bruder Tayauh folgend) Nezahual-
coyotl (Sohn Ixtlilxochitl's) Reich und Thron wiedergewann.
') Todos los seflores de la tierra que eran vasallos de Montezuma tenian casa en la
cibdad e residian en ella cierto tiempo del aflo (s. Oviedo).
•) In Tlascala war das Land bei der ersten Besitznahme vertheilt worden, indem
jeder Tecuhtli (Adelige) von dem ihm zugefallenen Teccalli oder Pilcalli den besten
'ITieil für eigenen Gebrauch reservirte, und den Rest unter die Leute seines Gefolges
(Teixhuihuan oder Enkel des Herrenhauses) vertheilte, gegen die Verpflichtung, das
Herrenhaus in Stand zu halten.
*) Die Tec-calli genannten Vasallen zahlten dem Tec-tecutzin oder Landherm Tribut,
und die Calpullec oder Chinancallec bearbeiteten (ausser dem an den Staat be-
zahlten Tribut) ein Stück Land für ihre Herren. Die Adeligen konnten ihre durch Leib-
FEUDALISMUS. 399
Wie anderswo fanden die Könige Mexico's ihren Vortheil darin,
neben dem erblichen Landadel ein persönlich^) verpflichtetes Gefolge
zu pflegen, und dazu eigneten sich besonders die jüngeren Söhne
der Fürsten, welche (bei dem Majorat) ohne ein bestimmtes Besitz-
thum den Rang von Pipiltzin (oder Infanten) besassen und keine
Abneigung zeigen mochten, in den Stand höriger Ministeriales
überzutreten, für die Anziehungen des Hof lebens ihre Freiheit be-
schränkend.
Ebenso wurden die für kriegerische Verdienste zum Rang der
Tec-quivac Erhobenen (und deshalb von Tributzahlung Befreiten) zu
Dienstleistungen im Palast herangezogen.
Mitunter mögen solche Ministerialen von dem Könige, um gegen
seine übermüthigen Barone, die ihn nur als einen primus inter pares
betrachteten, ein Gegengewicht zu gewinnen, besonders aus der
Klasse der den Eingebornen näher stehenden Grossen genommen
sein, und wenn gesagt wird, dass die Häuptlinge zweiten Ranges am
mexicanischen Hofe Otomie's (Otomites) geheissen, so würde das
etwa in Analogie zur Stellung des sächsischen Adels am nor-
mannischen Hofe Englands zu nehmen sein.
Das für das Feudalwesen (in seiner specifischen Bedeutung
innerhalb der europäischen Geschichte^)) characteristisch Eigenthüm-
liche liegt in dem durch die geschichtlichen Ereignisse bedingten
eigene bebauten Länder (Pillalli) meist verkaufen (obwohl nicht an Macehuales oder
Gemeine), aber nicht die von dem Fürsten als Lehn empfangenen, welche auf den
ältesten Sohn tibergingen, beim Aussterben jedoch zurückfielen. Die Pillalli oder Erb-
länder der Edlen wurden bei der Thronbesteigung durch den neuen König bestätigt.
Hassaurek erwähnt neben der Ama de Llaves oder Schlüsselhalterin (wie ähnlich an
der Loango- Küste) des Institutes der Longas oder Guambras, als indianischer Kinder,
die in den Häusern zum Dienststande aufgezogen wurden (Guifiazhiscas, wenn von
frühester Jugend an) in Ecuador.
*) Die Tecpanpouhqui oder Tecpantlaca genannten Ländereien gehörten den zum
Unterhalt der fürstlichen Schlösser und Gärten Verpflichteten , die , wenn aus ihrer Zahl
eine Familie ausstarb, dieselbe durch eine andere ersetzen konnten , ausserdem noch zur
persönlichen Begleitung des Herren verpflichtet (s. Torquemada).
') Im Allgemeinen findet sich in den mexicanischen Staatseinrichtungen viel Aehn-
liches mit dem Feudal wesen, aber die Einzelheiten (wie Prescott bemerkt) ,,fall far short
of that harmonious System of reciprocal service and protection, which embraced, in uice
gradation, every order of a feudal monarchy" (in Europa). Die (in Christoph's Feudal-
monarchie auf Hayti) den (an höhere Officiere und Regierungsbeamte) als Lehen
übertragenen Zuckersiedereien und Pflanzungen beigegebenen Arbeiter durften nur mit
ausdrücklicher Erlaubniss und mit Pass versehen, die Besitzung verlassen (s. Jordan).
Die Güter waren entweder allodiale und erblich, oder zufallige Güter, mit Bedienung des
Reich's verbunden (in Mexico), die Lehnsvasallen galten als Glebae addicti (s. Carli).
400 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
* •
Einpflanzen germanischer Brauchssitten auf einen bereits von einem
römischen Rechtsgerüst überbauten Boden halbwilder Stämme.
Wenn die dem Herzog näher stehenden Mannen des Gefolges*}
mit Landschenkungen belohnt wurden, so schlössen sich diese am
nächsten an die bereits den römischen Veteranen ertheilten Bene-
ficien an, und verbanden sich dann mit Vasallität, die, wie eine
orientalische Tributzahlung, auch in römischer Clientel mitredend,
durch gegenseitige Kommendirung das Feudum begründete, während
die, früher Steuerfreiheit bei römischem Fiscalgut ausdrückende,
Immunität, später nicht nur dem Staat zufallende Abgaben, sondern
auch Ausübung staatlicher Rechte (in der Gerichtsbarkeit) betraf,
zumal in Folge des Beispiels, wenn ganze Staaten in das Verhältniss
der Vasallität eintraten.
In Frankreich waren es besonders die normannischen Verleihun-
gen, welche die Unabhängigkeit auch der übrigen bedingten, und in
der Ertheilung der Aemter an Lehnsleute bildete sich die Vor-
.stellung von einem Feudalstaat heraus, einem „regime feodale et
seigneuriale."
Auf die rechtliche Ausbildung in Deutschland (bis zum sächsi-
schen Lehnrecht) übten besonders die Beziehungen mit Italien Ein-
fluss, wo sich am Sitze römischer Juri.sprudenz die durch die ger-
manischen Eroberer unter halber Zerstörung veränderten Staatsein-
richtungen im longobardischen Lehnrecht wieder restaurirten.
Was der Historiker gewohnt ist (ohne besondere Rücksicht auf
die etymologische Erklärung) als Feudal wesen^) zu bezeichnen,
bildet eine jener Phasen in der Entwicklungsgeschichte eines Volkes,
*) Durch den Bogucra genannten Gebrauch erhielt der Fürstensohn (bei den
Bechuanas) die gleichaltrigen Knaben zum Gefolge (s. Livingstune). Bei den Guana sind
die in derselben Nacht mit dem Sohn des Caziken geborenen Knaben von diesem künftig
abhängig und nicht von ihrem Vater (s. Azara). So vielfach in Indien und sonst.
') Die Kamharas (von Kasson ausgewandert) eroberten Kaarta (eine erbliche
Monarchie). On y remarque une sorte de vasselage hi^rarchique qui rappeile la f^odalite
du moyen dge, ainsi les captifs du roi ressemblent parfaitement aux leudes ou fid^les de
nos rois de la premi^re et de la seconde race , ils commandent les arm^es et president
eux m^mes des captifs, lesquels en possödent aussi. Von den Nicht*Mohamedanem wird
ein mit Grisgris gefüllter Topf (Canari) verehrt. Bei den JolofT hängt der Damel fiir
Kriegsdien.ste von den Thiedo ab (als Ungläubigen neben den Marabuten). ,,In England
ist alles Privatgrundvermögen (real property) Lehen (fee oder tcnement), und auch die
französischen Könige machten das Princip geltend , in dem Satz nul terre sans seigneur,
eine seigneurie directe et universelle de la couronne behauptend, eine der in einem he«
sonderen Enverbgrund oder Besitznahme begründeten Ausnahmen der Lehnfreiheit (franc-
aleu), welcher Boden dann als Sonnenlehen aufgefasst wurde" (während sich ein solches
in Mexico wieder mit priesterlichen Ansprüchen verknüpfte).
TOTONICAPAM. 401
■ «
die unter bestimmten Verhältnissen stets in der einen oder anderen
Weise wiederkehren wird, und jedesmal dann geprägt mit dem
eigenartigen Stempel der geographisch -historischen Umgebung. So
verkehrt es deshalb sein würde, das europäische Feudalthum in
Africa und America im Einzelnen wiederfinden zu wollen, da jeder
Continent, wie in seinen übrigen Schöpfungen auch in denen des
Volksgeistes selbstständig dasteht, so unrichtig würde es andererseits
sein, wenn es auch seinen allgemeinen Umrissen nach nicht zuge-
lassen werden sollte, da vielmehr gerade in der Vergleichung der
DiflFerenzen, unter welchen die Erscheinungen eines einheitlichen
Wachsthumsprocesses die Menschen unter verschiedenen Klimaten
auch verschieden färben, der ethnologischen Forschung erst die Ernte
fruchtbringender Resultate ermöglicht werden kann.
Mit frühem Morgen (April 2.) ritten wir durch die noch schla-
fende Stadt, und dann auf hügeligen Ebenen dahin. Zwischen
Kuppenhügeln liegt das Dorf Patzile und der Weg führt über den
Rio Agua tibia, der zum Chicoy fliesst. Zwischen Wald in kuppigen
Hochbergen aufsteigend, zogen wir längs des Randes und darauf über
die Cuesta de Papas. Es folgte das Niedersteigen in ein enges
Muldenthal und dann ein Auf und Nieder zwischen Bergwäldern.
Man findet sich hier auf der Wasserscheide, zwischen dem atlan-
tischen und pacifischen Meere mit dem See von Atitlan, indem in
den Letzteren diejenigen Wasser vom Hochplateau Totonacipan's
fallen, die nicht zum Atlantic fliessen, während auf dem von Quet-
zaltenango neben den zum Atlantic gewendeten Quellflüssen andere
in den Pacific abfallen. Ein Beamter aus Santa Cruz, der desselben
Weges zog, hatte sich zu mir gesellt und ritten wir im Gespräch
unserem Burschen voraus, geriethen aber im Kreuzweg auf falsche
Fährte, und hatten in dieser Oede lange auf ein menschliches Wesen
zu warten, um wieder berichtigt zu werden.
Die Indianer in dortiger Umgegend haben sich oft wiedersätz-
lich gezeigt, (auch bei Dollfuss' Anwesenheit in Santa-Cruz de Quich^
drohte ein Aufstand gegen die Ladinos), und sie berühren sich mit
den Mames von Huehuetenango, einem helleren Menschenschlag als
die Quiches, welche bei ihrer Zuwanderung diese Eingeborenen vor-
fanden. Die (gleich denen von Chiquimula) mit ihren Heerden im
Sommer auf den Höhen umherziehenden Indianer, Weizen säend,
kommen im Winter tiefer herab, Mais zu pflanzen (und auch Weizen).
Im Norden des Departem^aji^ von Huehuetenango vereinigen sich
Bastian: America. I. 26
402 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
beim See Tazalcuapa der Rio de la Pasion und der Lacandon, um
den, alte Ruinenplätze bewässernden, Fluss Usumacinta zu bilden, im
Land der noch halbwilden Lacandones^), die sich in den Grenzen
Vera Paz's durch Feten erstrecken, die Hauptstadt Flores umgebend
bis nach Yucatan. An einigen Orten sollen noch steinerne Ffeil-
spitzen im Gebrauch sein. In den erbitterten Partheikriegen (die
man selbst Rassenkriege nennen zu müssen geglaubt hat) zwischen
Morazan und (dem Ladino) Carrera fand die Farthei der Serviles,
den Liberalen gegenüber, einen treuen Helfer an den Geistlichen,
welche die Indianer der Altos zu fanatisiren wussten.
Vom Fluss Facanabuch ging es aufwärts, und von der Höhe
blickten wir auf ein enges Thal in kurz gebrochenen Abschnitten,
mit Totonicapam am Fusse des auf einer Platte aufsteigenden Berges
von Quetzaltenango , während darüber hinaus eine unregelmässig ge-
hobene Ebene sich in der Ferne verliert, wo blaues Hochgebirge
erscheint. Hinabgewendet gelangten wir nach Totonicapam (San
Miguel Totonicapam), an eine kuppelig schwellende Hügelwand ge-
lehnt, mit weiter Bergwand umzogen. (8730 F. H.).
Nachdem ich mich in dem Hotel eingerichtet hatte, begab ich
mich zum Einziehen einiger Erkundigungen zum Jefe politico, und
da derselbe verreist war, zum Cura, den ich gerade am Schluss des
Mittagessens beim Dessert fand in einem aus Lieblichkeit und Schön-
heit geschlungenen Kreise junger Frauen oder Jungfrauen, die zärt-
lich um ihn bemüht, die schönsten Früchte für seinen Teller aus-
suchten oder zubereiteten und mit musikalischen Klängen die Zeit
des Sonntagsnachmittags beflügelten.
Seiner jovialen Aufforderung zum längeren Verweilen konnte
ich nicht folgen, da ich noch vor dem Abendessen in einem Bade
den Reisestaub abzuwaschen hatte, und mich dafür nach dem Fusse
des Hügelabhanges ausserhalb der Stadt begab, wo heisse und
warme, zum Theil auch schwefelhaltige, Quellen neben einander
hervorsprudeln, und dort in den für öffentliche und private Bäder
*) Die unabhängigen Lacandones an der Grenze des (mexicanischen) Yucatan's er-
schweren oft die Comunication mit der (jetzt in Guatemala eingesetzten) Regierung von
Peten. Im Handel mit den wilden Lacandones binden die Indianer Nachts einen Hund
an einen Baum , und finden am nächsten Morgen , an dessen Stelle , Chile baja , aber
stets im gekochten Zustand, da die Eingeborenen die frische Ausfuhr zum Ansäen
anderswo vermeiden wollten. Die Lacandones leben (in einzelnen Familien, von denen
zuweilen mehrere unter einem gleichen Häuptling stehen) von Jagd oder Fischfang und
pflanzen au einigen Orten , die sie dinn nach der Jahreszeit auf ihren Wanderungen be-
suchen, um zu ernten.
OLINTEPEQUE. 403
angelegten Räumen in verschiedenen Temperaturgraden gemischt
werden.
In Totonicapam findet sich einige Fabrikthätigkeit^ besonders
die Verfertigung der Jerga genannten Wollenstoffe und die musika-
lischer Instrumente, wie ähnlich in Quetzaltenango.
Die in Totonicapam ansässigen Nachkommen der Tlascalaner
hielten sich früher, unter ihrem Vorrecht des Cazicazgo (als
Adlige) von Verheirathungen mit den Gemeinen (Masagan) fern,
und üben gegenwärtig besonders Handwerke aus, als Tischler,
Weber, Schuster u. s. w. Diese, mit den Spaniern nach Totonicapam
gekommenen, Tlascalaner, die im Laufe der Zeit ihre mexicanische
Sprache durch das Quich^ ersetzt haben, wurden allein unter den
Indianern zum Kriegsdienst zugelassen, und bewahrten ausserdem ver-
schiedene Privilegien. Zur Zeit der Quiche-Monarchy bildete Totoni-
capan die Grenzfestung derselben in den Kriegen mit den Zutugiles
(und Pipiles), in welchen damals schon das mexicanische Element
seinen Einfluss auf die Geschichte Guatemalas äusserte).
Mit zeitigem Aufbruch ritten wir in einen Thalkessel hinab und
über Vorsprünge der Hügelterrassen. Der Blick begriff" ein rundes
Thal und den Lauf seines Flusses, von zackig schwellenden Berg-
reihen umzogen, in deren Mitte der kuglige Vulcan von Quetzaltenango
sich emporhebt. Ins Thal niedersteigend, passirten wir über eine
Brücke nach Salcaja, wo ich die Zeit der Fütterung zur Besichtigung
einiger nahe gelegenen Ruinen benutzte und interessante Fund-
stücke dortiger Ausgrabungen ankaufen konnte. Dann dem Weg
über Hügelgrund durch Felder folgend, schlugen wir längs des
F*lusses Chiquichel (Rio de Sangre) den Weg nach ülintepeque ein,
am Fussc kahler Höhen. Der Cura war abwesend und das weib-
liche Personal im Convent schien nicht zur Gastlichkeit geneigt,
doch nahm ich mir die Freiheit, die Thiere angebunden dort zu
lassen, bis ich meine Gänge ausgerichtet hatte. Dieselben galten
dem Auffinden einer communicationsfähigen Persönlichkeit, aber in
diesem ausgestorbenen Ort blieb keine Wahl, als mich in das Ca-
bilde zu begeben, wo ich den Herrn Secretario mit den Alcalden
dec Indianer antraf. Jede meiner, einige Punkte der Alterthümer
und Traditionen betreffenden, F" ragen erhielt, in Quiche verdol-
metscht, in diesem würdigen Senatus ihre gemessene Erwägung , so
abgemessen, langsam und feierlich, dass ich bei den durch die Kunst
des Uebersetzens oder durch die Kunstlosigkeit^ des Denkens zur
einfachsten Nullität reducirten Antworten, für besser fand, meine
26*
404 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
Examination einzustellen und mein Pferd wieder aufzäumen zu
lassen.
Jenseits des Flusses gelangten wir auf nackt welligen Grund
nach Quetzaltenango, der Hauptstadt der Altos (8130 F. h.) am
Fusse des Vorplateau's, auf dem der Vulcart steht, und nach einigem
Auf und Nieder trabten wir durch die Strassen der Stadt, von einem
der sog. Hotels zum andern, bis wir unser Kämmerchen fanden.
Quetzaltenango, nach dem Quetzal - Vogel (Pharomacrus mocinno)
genannt (der sich auch in Quetzalcohuatls' Namen findet), oder Nima-
Amag (Xeluha oder XelahunQuieh) wurde gleichzeitig- mit Huehue-
tenango (Zakuleu) durch die Quich6 - Könige Quicab und Cavizimah
den Mames entrissen. Der Cerro Quemado wird gewöhnlich als der
Vulcan de Quetzaltenango bezeichnet (31 10 M.) und neben ihm er-
hebt sich der Vulcan de St. Maria (3500 M.).
Neben dem Jefe Politico, Herrn Manuel Aparicio, lernte ich
den Cura Gonzalez kennen, einen alten Bekannten Doctor Berendt's,
und der im Lande verheirathete Deutsche, Herr Ernst Viergatz be-
gleitete mich am nächsten Tage auf meiner Tour in der Umgegend.
Ueber die Vorberge des Vulcan La Quemada (mit einem Rück-
blick auf das Thal von Quetzaltenango) gelangten wir in die Thal-
senkung des am Fuss des Vulcan Zuftil gelegenen Dorfes Almalungo,
wo für die heissen Quellen eine Badeanstalt hergerichtet ist. Dann
^windet sich der Weg weiter zwischen Bergwänden, bis zur Thal-
senkung des Sunil (Zuftil), und in seinem neben der Kirche gelegenen
Hause wurden wir gastlich von dem Cura Santjago empfangen.
Nach gebotenen Erfrischungen gab er Auftrag, sein Reitthier zu
bringen, um uns zu begleiten und erklärte beim Durchreiten des
Dorfes die kurzen, nur bis ans Knie reichenden Kleidertrachten der
Indianer aus der Legende der aus Rom gekommenen Heiligen, der
Mutter und Schutzpatronin St. Catharina, die beim Durchwaten des
Flusses sich wegen des geschwollenen Wassers hoch aufzuschürzen
hatte.
In Sunil darf auf Antrag der indianischen Alcalden von der Re-
gierung kein^) Branntwein verkauft werden, und ebenso ist inAtitlan
nur Wein zulässig für den, der ihn bezahlen kann, während sich die
Uebrigen mit dem einheimischen Chicha begnügen.
*) Die Muskogulgee mit ihren Verbündeten (den Tschoktah, Tschikasah und Tschi-
saken) machen es zum ersten und dringendsten Artikel in ihren Verträgen mit den Weissen,
dass keine Art geistiger Getränke in ihre Städte gebracht werden sollten (s. Batram).
NAGÜALISMUS. 405
An der Bergwand aufsteigend, Hessen wir die Pferde zurück*,
und eine über dem Thal von Sunil hängende Kuppe erklimmend,
blickten wir in dieses nieder, aus welchem in einer Schlucht der
Fluss Samala ausfliesst (mit dem Arm von Olintepeque später ver-
einigt). Auf der Höhe (eines Tabaltjich oder adoratorio) fanden wir
unter einer Höhlung von Thonscherben einen Aschenhaufen aufge-
schüttet, und daneben lagen umhergestreut die Calabassenhälften, in
denen der an festlichen Tagen dort verbrannte Copal *) verkauft wird.
Nachdem die Aquich (Bruyo) oder Zauberer (von denen auch die
Rechnung des 20monatlichen Jahres im Calender zu führen ist),
die Anrufungen der Gottheiten, deren Formeln sich in geheimen
Schulen fortpflanzen, gemacht haben, dient das Verbrennen am Un-
glückstage dazu, um den Feinden Schaden zu thun, am Glückstage,
um Segen (reiche Ernten, Gesundheit u. s. w.) zu erlangen. Im
ersten Fall wird dann das neben dem Aschenhaufen aufgepflanzte
Kreuz verkehrt in die Erde gesteckt, und erklärte der Cura, obwohl
selbst indianischer Abstammung und mit Sprache und Sitte wohl ver-
traut, seine Unfähigkeit, die Mischung heidnischer und christlicher
Ceremonien^) abzuschaffen. Ich ersuchte ihn, wenn an diesem Status
quo einmal nichts zu ändern wäre, ihn wenigstens zum Besten der
Ethnologie zu verwerthen, durch Artikel für unsere Zeitschrift, sowie
Bereicherung der Sammlungen, und sagte er das bereitwillig zu,
indem Herr Viergatz die Vermittlung übernehmen wollte.
Die (Aquich) Aquichl (als Adivinadores oderSacchurin) wahrsagen
bunten mit Bohnen , auf welche sie durch kleine Oefihungen blicken
unter Anzünden voh Kerzen, und brennende Kerzen dienen bei allen
Ceremonien der Indianer, da die Kerzen zu denjenigen der von Spaniern
eingeführten Neuigkeiten gehörten, welche ihnen besonders impo-
nirten. Der zum Weihrauch verbrannte Copal kommt zwischen zwei
Hälften einer Calabasse von der Küste. Wenn die Sachurin oder
Wahrsager bei Verlusten befragt werden, erkennen sie aus Steinen
oder anderen Zeichen, wo sich das verlaufene Thier oder das gestoh-
lene Gut befindet.
*) Der Gouverneur Tcuhtlille beräucherte Cortez und die Spanier mit Copal auf
Kohlenbecken, eine Ceremonie, die ,,no se hacia, sino a los que reconocian por dieses"
(s. Torquemada).
*) Concurren ä idolotrar (die Indianer Peru's) en los Mochaderos (en el alto de los
cerros) unter Steinhaufen (UUoa). Betancourt bezeichnete (zu Benzo^i's Zeit) die Indianer
Guatemala's, veteri suae Idolathae pertinacissime esse affixos.
406 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
In St. Maria Tecung, oder Tecong (vom alten König Tecum
benannt), zwischen Quetzaltenango und dem Cerro de los encuentros,
findet sich auf dem Berge ein Pyramidenstein, an dessen Fuss die
Indianer ihre Idole zur Verehrung ausstellen und in Krankheitsfällen
Weihrauch spenden, worauf der an dem heiligen Stein hervortretende
Schweiss Gewährung anzeigt. Ebenso werden alte Gebräuche der
Quich6 bei St. Maria Icanul (bei Sunil) geübt. In Paramo, in der
Nähe von Chimaltenango verbrennen die Indianer Copal neben einer
dort befindlichen Steinfigur, die eine Frau auf der einen, eine Kröte
auf der andern Seite darstellt. In St. Catharina de Istavacan, bei
Quetzaltenango) werden Adoratorios mit Idolen erwähnt.
An solchen auf Höhenspitzen gelegenen Adoratorios oder Ver-
ehrungsplätzen, welche Tabaltzich (lugar donde se oye la palabra)
genannt werden, sprechen (wie bemerkt) dieAquich oder Zauberpriester
unter Verbrennen von Copal ihre Weiheformeln, an glücklichen
Tagen zum Segen, an unglücklichen zum Fluch.
Im Nagualismus, von dem sich in Guatemala viele Spuren erhal-
ten haben, wurde der Name des Kindes nach Thier-Erscheinungen
oder aufgezeichneten Thierfiguren gewählt, auch nach Fussstapfen
in frisch gestreutem Sand^), wenn nicht (s. Burgoa) durch die Seher-
■
kraft des Priesters. Dem nach Fasten in der Einsamkeit schlafenden
Indianer (s. Honduras) wurde im Traum das Thier enthüllt, das ihn
als Nagual zum Schutz begleiten würde (s. Herrera), wie der Totem
den nördlichen Indianern.
Den Dominicanern gegenüber, welche die einheimische Bezeich-
nungsweise beibehalten wollten, wurde für Gott das Wort Dios im
Mexicanischen von den Franciscanern eingeführt, die ebenso erbittert
kämpften, wie neuerdings chinesische Missionaire über Shangti, Tien,
Shin oder Jehovah auf dem Schlachtfeld des Chinese Repository.
Man hielt die mexicanischen Heiden für so beschränkt , dass es erst
eines besonderen Decrete's bedurfte, ihnen die Zulassung unter „Entes
Racionales" zu verschaffen, und noch Pauw spricht ihrer Sprache die
Fähigkeit ab, metaphysische oder moralische Begriffe auszudrücken.
Dagegen behauptet Clavigero, dass gerade für metaphysische Aus-
drücke das Mexicanische eine der geeignetsten Sprachen sei und
') The use of a medium (für orakulare Befragung) is employed either in a temple or
in a private house, in some respects analogous to spirit-rapping, as practiced in the Uni-
ted-States and Great Britain (bei den Chinesen). Dabei erwähnt Doolittle ,,the use
of a pen writing on sand (indem die Gabel oder Feder von zwei Assistenten gehalten
werde).
IIEIDENTHUM. 407
mit Leichtigkeit Abstracta bilde, „wovon man weder im Hebräischen,
noch im Lateinischen, Griechischen, Französischen, Italienischen,
Spanischen und Portugiesischen gleichbedeutender Wörter kenne".
Er giebt dafür einige Uebersetzungen, für Wesenheit (Jelitzli), Be-
griff (Ixaxilitzli), (iedanke (TIanemilitzli), HoffrfUng (Netemachilitzli);
Persönlichkeit (Tlacojotl von Tlacatl oder Person), Dreieinigkeit (Jeiti-
liztli oder Dreiheit) u. A. m., uud die Variationen für Teotl (Gott
oder Deus) oder Teojotl (Gottheit) treffen sich mit verschiedenen
Vermehrungen auch in anderen Quellen, wie Ipalnemoani : Er, durch
welchen wir leben (der Lebensgeber), Amacicacaconi, der Unbegreif-
liche, Cemcacjeni, der Ewige, Tloque-Nahuaque, der, welcher Alles
in sich selbst hat (der Allumfassende), Cenhuelitini, der Allmäch-
tige u. s. w. Nach Boturini's Meinung <lürfte sich das von ihm ge-
lernte Mexicanische in Feinheit und Erhabenheit der Ausdrucksweise
mit jeder der ihm ausserdem geläufigen Sprachen (Lateinisch, Italienisch,
Französisch, Spanisch) nicht nur messen können, sondern sie selbst über-
treffen. Ebensowenig fehlt es dem Quichua an Lobredern, der
„highly cultivated language" der Inca. Die Zahlwörter werden im
Mexicanischen bis 48 Millionen angegeben, Caltonzonxiquipilli
(6cco X 8000), und im Quichua zählt Holguin bis 90 Billionen, erklärt
es aber für fähig, auch jede höhere Zahl des Spanischen auszu-
drücken, bis Pantac hunu (Pantakhac hunu oder Pantakhachic hunu)'
oder (patta, Anhäufung) Allpattiu hunu (pantani, irren oder ver-
wirren), das Unendliche oder Unzählige (numero infinito y innume-
rable, y que hace desatinar 6 turbarse al que lo quiere contar).
Nihil (im Chilenischen) wird durch disjunctive Gegenfrage ausge-
drückt (chem-no), mit chem (quid) und no (etwa numne) oder chcm
no rume (ein Nirgendnicht).
Die von den Spaniern als Brujos (Hexenmeister) bezeichneten
Aquich, welche kleine Steinfiguren als Idole bewahren, führen bei
den Quiches die erwähnte Calenderrechnung nach 20 Monaten, beson-
ders für den Zweck, die guten und bösen Tage zu kennen. In Honduras
bezeichnete man das Jahr ab Joalar (cosa que va pasando), und in
Nicaragua den aus dem Munde des Sterbenden entschwebenden
Seelenhauch als Jule (eines Tatagatah). Bei den Zotugil, von denen
Gott unter dem Namen Juanno oder Diego Martin verehrt wird, bil-
den Dienstag und Sonnabend die günstigen Tage. Juanno gilt als
Gott des Reichthum's, wogegen Diego Martin, der Gott der Berge,
im Vulcane wohnt.
408 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
Nach den Pferden zurückgekehrt, wurde der eng am Bergabhang
schlängelnde Weg weiter verfolgt, und an verschiedenen Stellen der
Schlucht (an deren gegenüberliegender Wand ein Wasserfall herab-
stürzt) sahen wir weissen Dampf aufsteigen (neben dem vom Brennen
ties Monte herrührenden Rauch). Auf der anderen Seite des Kammes
mussten wir die Pferde verlassen, um zu Fuss zu einem Bach hinab-
zuklettern, und dort fanden wir uns auf schweflig verbranntem Grund,
wo aus verschiedenen Höhlungen heisser Dampf aufsteigt mit
Schwefelablagerungen und Niederschlägen, die Luft mit Schwefel-
geruch der Sulfataren schwängernd. Aus einem Erdloch, wo
zwischen Steinen heisses Wasser sprudelt und siedet, drangen dichte
Dampfwirbel hervor, und weiterhin erhoben sich dampfige Wolken
auf verschiedenen Stellen des Grundes, von dem man auf die Rück-
wand des Volcan Quemado blickte.
Bei der Rückkehr nach Sunil verabschiedeten wir uns von dem
Pfarrer, der in hoher Achtung bei den Indianern zu stehen schien
und in seiner Behandlung derselben einen günstigen Eindruck machte,
wie überhaupt die meisten Pfarrer, mit welchen ich hier oder da in
persönliche Berührung gekommen, sich ihren Beruf, soweit der kurze
Verkehr ein Urtheil erlaubte, angelegen sein Hessen. Sie zeig-
ten sich meist anspruchslos und wieviel die beschränkte Er-
ziehung zuliess, unterrichtet, von natürlicher Milde und Güte
im Verkehr. Auch Stephens stellt seinen Bekanntschaften ein
gutes Zeugniss aus, und sind die zum Theil auf sie, (und be-
sonders freilich auf die früheren Klostermönche), durch solche,
die durch längeren Aufenthalt im Lande besser mit demselben be-
kannt sein mussten, in alter und neuer Zeit gehäuften Beschuldigun-
gen demnach mehr den corrumpirenden Lehren der Hierarchie, der
sie angehörten, zuzuschreiben, als dem nationalen Character, der zu der
dem autochthonen Americanerthum eigenen Nachgiebigkeit neigt,
dadurch aber freilich auch, ohne selbstständige Willenskraft, leicht
in jeder Richtung geleitet oder verleitet werden kann.
Als wir über Almalonga Abends wieder in Quetzaltenango an-
langten, wurden dort die Kriegsnachrichten discutirt, die aus dem
Feldzuge gegen San Salvador angelangt waren.
Ein während der Nacht im Wirthshaus, wo wir lagerten, einge-
tretener Todesfall hielt die Zimmernachbarn wach, so dass der zeitig
beschlossene Aufbruch beschleunigt werden konnte. Beim Abreiten
sah ich Musikanten anlangen, so dass es sich wahrscheinHch um ein
NASATENANGO. 409
Kiftd^) handelte und die bei solchen Gelegenheiten, auch in Süd-
america. gewöhnlichen Gebräuche.
In der Ebene umfing uns, von dem Vulcan St. Maria Quetzal-
tenango geschlossen, ein Thalkessel von massiv gigantischen Formen,
und duftig schimmerte die Luft um die Bergeshöhen. Ein Felsthor
durchreitend, blickten wir auf eine Hochgebirgsschlucht, zwischen
den Vulcanen des Cerro quemado und St. Maria's auslaufend, bis
hin zu der in weiter Ferne dunstig verschleierten Ebene, und auf
Bergwegen ging es dann hinab. Einigeinder Stadt vergessene Gegen-
stände, deren Fehlen jetzt erst bemerkt wurde, benöthigte die Rück-
sendung des Burschen, während ich mich einer des Weges ziehenden
Caravane anschloss. Jenseits des Pueblo Santa Maria (neben dem
Vulcan Sunil) kamen wir an den Fluss Samala und passirten ihn
auf Brücken, unter denen das Wasser über Klippen schäumte. Viele
Indianer fanden sich am Wege mit Früchten und Töpferwaaren,
nach den Märkten der Küste ziehend. Von den reisenden Frauen
wurden einige getragen. Wir passirten das Pueblo Patio Bola und
dann manches Auf und Nieder im buschigen Wald, wo der Bursche
uns wieder einholte. Vom Dorf San Francisco führte ein Buschweg
nach Mazatenango (Ort des Wildes oder der wilden Katzen), und
dort einige Fragen nach dem Gasthaus.
Als' ich noch am Nachmittage die nahegelegene Hacienda Herrn
Gering s besuchte, fand ich dort eine deutsche Familie, und zum
Besuch Herrn G. Kanter ausSt. Luiz, der mich einlud, ihn am folgen-
den Tage nach Retaluleu zu begleiten.
Nach einem Bad brach ich am Vormittag mit Herrn Kanter auf
und folgten wir einem buschigen Weg mit seitlichem Anbau zwischen
Bäumen. An der Brücke bei Chitalong war ein schwarzer Stein mit
abgeplattetem Gesicht aufgestellt, und auch sonst sind ähnliche
Sculpturen dort gefunden. Ueber den Fluss Samala kamen wir, an
dem Indianerdorf San Sebastian vorbei, aus dem Wald auf ebenem
Weg bis Retaluleu.
*) Bei der Bestattung eines jung verstorbenen Kindes bemerkt Saflfray in Columbien:
On ne vient pas a un deuil, mais a une f^te. La mort, en faisant un vide, a laiss^ une
joie. II y a un enfant de moins, un ange de plus. La m^re elle-mSme, dit-on (chose
difficile ä croire tant eile est contraire a. la nature) ne pleure pas. Ich habe (bei frühe-
rem Aufenthalt in Peru) diese trotz all* ihrer Anstrengungen die Thränen nicht er-
stickende Mutter und die Festgenossen so lange durch Darbringung der Brant Weingläser
aufgeheitert gesehen , bis sie sinnlos auf das Bett fielen , und erst nach dem Erwachen
aus dem Rausch, wenn sie sich allein fanden, der Erleichterung im Schmerze nachgeben
konnten.
410 DER ISTHMUS UNI) GUATEMALA.
Während die Indianer von St. Catarina mit denen zwischen
Sololä und Quetzaltenango zusammenhängen, haben sich die Indianer
von San Sebastian an die Küste erstreckt, bis nach „Retaluleu" oder
(für sie) das „Ende der Welt." Die Männer tragen einen carrirten
Schurz, die Frauen einen Umschlag ohne Brustbedeckung. Am
Jahresfeste wird die Figur des heiligen Sebastian aus dem gleich-
namigen Dorfc nach der Kirche von Santa Catarina gebracht, um
mit der dortigen Heiligen^) eine Nacht zu verbringen (im Lectister-
nium). Aehnlieh besuchen sich bei ihren Festen in Lima die Hei-
ligen St. Francisco und St. Domingo, in der Procession ihrer Geist-
lichen auf der Plaza mayor zusammentreffend, (und solche Gegen-
seitigkeit bestand im alten Mexico zwischen Quetzalcoatl in Cholula
und Camaxtli in Tlascala).
Bei Tempsky's Anwesenheit in Santa Catarina (wo sich der Ge-
brauch heisser Dampfbäder erhalten fand) hörte er noch den Pfarrer
Don Vincente von Kindesopfern reden, die ins Geheim dem heiligen
Felsen dargebracht würden (1858).
In St. Luis wurden (wie in der Umgebung) manche halbheidni-
sche Gebräuche fortgeübt, und Einer der dortigen Indianer hielt
einen schlangenartigen Stein, der in einem Grabe gefunden worden,
als seinen Hühnergott, um das Eierlegen zu vermehren, indem er
ihm Copal verbrennt. Bei den Festtagen in Atitlan beladen sich
die verschiedenen Indianer mit den einzelnen Heiligenbildern und
laufen um die Wette, worauf die Feier mit einer Prügelei schliesst.
Die Indianer*) Guatemalas nennen sich selbst Och-Intis (Wir, die
Indianer), und bezeichnen die Fremden als Cashlaguinal (gente blanca)
oder (Ahau) Achau (Vornehmer oder Patron).
Jede Familie der Quich^ besitzt ihren Nagual oder (schützenden)
Talisman, der meist mit dem zum Beschwören dienenden Kich-bal
(kleine Figuren aus Stein oder Thon) durch einen Bindfaden zu-
zusammengewickelt ist. Sollte ein Fremder dieses Palladium sehen,
so verliert es seine Macht, und die Familie wird von einer Reihe
von Unglücksfällen betroffen werden. Jeder zufällig am Wege ge-
fundene Gegenstand (oder ein Stück desselben) kann zur Herstellung
eines Nagual dienen, oder demselben hinzugebunden werden.
*) „Wo immer sich die Heiligen in den Strassen begegnen, hält man still und lässt
sie sich gegenseitig umarmen", bemerkt Wagner von dem ,, grossen Spaziergang der Hei-
ligen" in den Strassen von San Salvador.
*) In Mexico wurde der Rang nach der Annäherung zum Weissen abgeschätzt (in
der Colonialzeit) und durch das Decret ,,que se tenga por blanco" wurde der Inhaber
aller Vorrechte und Exemtionen (fueros) der wirklich Weissen theilhaft (s. Mühlenfordt).
RETALULEU. 411
Im Nagualismus wird für das Kind bei der Namensgebung zum
Schutzgeist ein Thier ausgewählt, gleich dem im Totem der nörd-
lichen Indianer vertretenen, und wie Gage bemerkt, betrachtete
man in Guatemala in besonderer Verehrung die in Begleitung eines
Thieres dargestellten Heiligen, da die Indianer in diesen eine Be-
stätigung ihres eigenen Glaubens zu finden meinten, also den hei-
ligen Dominicus mit seinem Hunde, den heiligen Antonius mit Schwein,
St. Hieronymus mit dem Löwen, St. Marcus mit Stier, St. Johannes
mit Adler u. s. w.
Nördlich von Quiche setzen die Indianer der Gottheit der Berge
auf einem Stein im Walde Nahrung hin (Brod, Chocolate u. s. w.
unter Beifügung einer Serviette) und betrachten es als ein glück-
verheissendes Zeichen, wenn davon beim Wiederkommen aufgezehrt
ist, wie es manchmal durch vorüberkommende Reisende oder durch
Jäger, die in abgelegenen Gegenden herumschweifen, geschieht.
Bei Bestattungen geben die Quiche's dem Todten neben seinen
Geräthschaften auch Geld mit, um das Leben im Jenseits fortzusetzen.
Die Anrufungen der Gottheit geschehen auf dem Cuyup oder
Berg (Gott oder Herz der Berge), und neben der als Catate (unser
Vater) angerufenen Sonne (Kijch) wenden sich die Quichd für Ver-
mehrung ihrer Ernten oder Heerden an den Gott Canil, sowie sie in
einem Sternbild den Gott (des Reichthums) Unpaz quahuach be-
wahren. Die Zutugiles, welche die Sonne (als San Bernardino) durch
Handkuss verehren, bezeichnen die Gottheit als Nimachavual, sagen
indess auch: Kanema chavual ri ichh, die Sonne ist unser Gott. Bei
Mondfinsternissen wird gelärmt und geklagt, unter flehenden Bitten,
dass das Gestirn nicht untergehen, sondern zurückkommen möge.
Jammernd, dass der Mond oder Ikt (Chatith oder unsere Urahnin)
sie verlassen und verschwinden werde, suchen die Indianer ihm
durch ihr Getöse bei seinem Kampfe mit der Sonne zu Hülfe zu
kommen.
In Retalhuleu oder Retaluleu, dem Haupt - Emporium der Costa
Grande (und westlicher der Costa-Cuca) mit dem Hafen Champerico,
konnte ich Herrn Dr. Bernouilli kennen lernen, der durch seine Ar-
beiten über Guatemala bereits bekannt ist und die Freundlichkeit
hatte, mir einen Theil seiner Sammlungen zu überlassen. Auch
Herrn Kanter's Güte vermehrte die meinigen, indem er einen Boten
nach seiner Plantage in St. Luiz schickte, um die von ihm dort auf-
bewahrten holen zu lassen und mir zu übergeben. Hierdurch und
in der Bekanntschaft einiger anderer Landsleute verzögerte sich der
412 DER ISTHMUS UNI) GUATEMALA.
Aufenthalt in Retaluleu, so dass mein Bursche für sich und mich
den Rückweg nach Mazatenaitgo bei Nacht zu finden hatte.
Der Aufschwung dieser Theile Guatemala's datirt seit dem Be-
ginn des Kafifeebaues in Centralamerica, der bald eine rasche Aus-
breitung gewann. In Costa-Rica wurde der Kaffee zuerst unter dem
Präsidenten Carillo durch Wallerstein eingeführt (1834), und mit
dieser Kaffeecultur ist Costa -Rica unter den mittleren Republiken
der „reichste Staat" geworden (bemerkt v. Bülow), während es sonst
diesen Namen nur spottweise geführt.
Nach Zahlung einer etwas überraschenden Rechnung, die bei
der standhaften Unsichtbarkeit des Wirthcs sich der Rectificirung
entzog, setzten wir uns früh Morgens in Bewegung, auf buschigem
Waldweg, am Dorf San Pablo und seiner Kirchenruine vorbei, her-
nieder zum Fluss Istacapa, (zwischen schroffer Baranca fliessend), über
die Brücke und aufwärts dann in üppiger Tropennatur. Das um uns
entfaltete Panorama schloss im Halbkreis eine umherziehende Berg-
kette, vom Vulcan Quetzaltenango's in Erniedrigungen abgesenkt
und weiterhin aufsteigend zum Vulcan von Atitlan.
Als ich, um im Bach zu waschen, während des Tränkens meines
Pferdes absteigend, dasselbe von einem nebenstehenden Indianer
halten lassen wollte, fürchtete sich derselbe den Zügel anzufassen,
und der hinzukommende Bursche lachte darüber, da die Indianer
mit Pferden nicht umzugehen wüssten. Als sie in der ersten Zeit der
Eroberung die Pferde am Zügel blutig schäumen sahen, wurden sie
in ihrer Ansicht bestärkt, dass sie Menschen frässen und Cortez' in
Peten zurückgelassenes Pferd wurde dort, als Gottheit, mit Gold-
darbringungen statt des Futters, zu Tode verehrt. Auch hielt man
Reiter und Pferd als Centaur zusammengewachsen, wie Torquemada
sagt, man habe in Xocotla geglaubt, „que los caballos y hombres,
que iban caballeros en ellos, eran una misma cosa." In Arma wurden
die Indianer von den Spaniern Robledo's angewiesen, Goldschmuck in
das Tränkwasser der Pferde zu legen, um ihren Durst besser zu stillen
(s. Piedrahita), und Cortez forderte die Indianer Cempoala s auf, ihm
möglichst viel Gold*) zu bringen, als die beste Arznei, um die Herz-
') Esto es vcrdad, que muchos de los Indios resabidos, estuvieron con Animo de
tener al Oro por dios, pues con tanto cuidado lo buscavan y guardavan los Hijos del
Sol, que asi llamavan k los Espailoles (s. Torquemada). Als der Häuptling Hayati auf
Cuba von der Ankunft der Spanier hörte, Hess er ein mit Gold gefülltes Körbchen durch
die Areitos (Tänze) seiner Indianer verehren, als Gott der Fremden. Die Spanier in
Peru, aus der Verblendung durch das Gold (ca el oro ciega el sentido) han tenido dobla-
PANAX. V 41
f}
krankheit zu lindern, an welcher seine Soldaten litten. Die Erfin-
dungen, durch welche die ersten Spanier Wege überwanden, welche
jetzt für Pferde oder selbst Maulthiere unpassirbar scheinen, werden
mehrfach beschrieben, und mitunter liessen sie dieselben mit Stroh-
unterlagen oder Umwindungen Abgründe hinabgleiten, ähnlich wie
sie noch jetzt von den Indianern für sich selbst bei Choachi ge-
braucht werden. Pedro de Candia liess in den peruanischen Andes
aus Schlingpflanzen dicke Stricke (largas maromas) verfertigen und
dieselben an Bäumen befestigen, um die Pferde steile Feken^) hinauf-
zuziehen (s. Herrera), und auf dem Wege nach Honduras suchte
Cortez das Einsinken der Pferde in die Moräste durch Unterbinden
von Aesten und Baumzweigen zu verhindern.
An Erdhügeln vorbei, beim Vulcan San Pedro, gelangten wir
nach Chocolä oder Chatulul („Bei der grossen Zapote"), der Hacienda
Herrn Jose Gariolas, der wohl bewandert in den Alterthümern der
Umgebung, durch seine Unterhaltung beim Frühstück nicht nur,
sondern durch verschiedene Mittheilungen, den Anspruch auf ver-
bindliche Dankaussprechung bei dem Abschiednehmen am Nach-
mittag hatte. Es liegen hier einige Erdhügel in der Nähe und
mancherlei Gegenstände waren gefunden worden. Die ganze Gegend
dort ist mit Steinplittern besäet, ähnlich wie Strecken im Caucathal
(bisCarthago) mit Obsidianabsprengungen, die ayautschi(Todtensteine)
genannt werden, und" nach Dr. Reiss aus Abschwemmungen von den
durch ihn und Dr. Stübel aufgefundenen Obsidianen bei Popayan her-
rühren.
Um die, zum Besuch der Plantage verlassene, Strasse wieder zu
erreichen, verwies man uns auf einen vor Jahren geöffneten Waldweg,
der indess bereits wieder so sehr verwachsen war, dass es uns nicht
geringe Mühe machte, zwischen den undeutlichen Pfaden die Orienti-
rung zu halten und zum Fluss Agualate zu gelangen. Von dort aufwärts
steigend, rasteten wir für die Nacht in einer Finca am Wege, und
sab ich Panan jenseits des Flusses liegen, den ich für ein Bad auf-
suchte.
(los corazones y lenguas, por lo cual nunca decian verdad, sino cuando hallaban malida.
Corrompian los hombres con dineros para jurar falsedades, acusaban unos h otra mali-
ciosaroente por mandar, por baber, por venganza, por envidia y aun por su pasatiempo,
mataban por justicia sin justicia, y todo por ser ricos (s. Gomara).
*) Aviendo arribado a las sierras de Abide necessitö tal vez para el transito de los
cavallos de fabricar andenes 6 estacadas boladas en las laderas de un elevado picacho
(s. Picdrahita) bei Badillo's Zug.
414 DER If;THMU<; UND GUATEMALA.
Ein unter den dort abzulehnenden Arbeitern während der Nacht
ausgebrochener Streit begünstigte durch seinen Lärm den frühen
Aufbruch am Morgen (April i.).
Nach Durchreiten des Flusses Panan, sowie des gleichnamigen
Ortes, zog sich der Weg durch eine Ebene, mit den Vulcanen von
San Pedro und Atitlan gegenüber. Im Auf und Nieder gelangten
wir, manchmal auf treppenartigen Absätzen, zu einer Flussschlucht,
in üppiger Tropen -Vegetation. Nachdem ich des sicherern Trittes
wegen, das Maulthier bestiegen, begann durch Wald ein steiler Auf-
steig, der oft fa.st senkrecht an der Bergwand hing. An einigen
Stellen des Weges waren treppenartig Holzsprossen eingelegt, um
den Thieren überhaupt zu ermöglichen, dort Fuss zu fassen. Seitlich
fiel der Niederblick in eine Hochwaldsschlucht, aus der Nebel herauf-
zogen. Nach einer Wendung des Weges sahen wir, längs des Vul-
can's von Atitlan und .seiner abfallenden Bergschluchten, auf die
weite Wasserfläche des Sees hinab, der jenseits der Ebene von
hohen Bergwänden in auslaufenden Winkeln umschlossen liegt und
sich auf der andern Seite mit Landzungen in nicht übersehbarer Ferne
verliert. Absteigend durchritten wir die P^bene und gelangten über
steinige Strauchhügel nach Atitlan, wo ich, nach Consultirung mit
dem Jefe politico, ein Quartier in dem an der Plaza (der Kirche
gegenüber) gelegenem Cabilde nahm, an dessen Veranda, mit langen
Stäben in der Hand, die Häupter der Indianer in schweigender Linie
dasassen, gleich neben dem Gefängniss, um dort die vor ihnen über-
wiesenen Missethäter ohne weiteren Zwischenfall einzuspunden. Nur
wenige von ihnen radebrechten ein Paar Worte spanisch, und
folgen die Indianer dort noch ziemlich ungestört ihren alten Tra-
ditionen. Selbst für die religiösen Feste hat der Cura, wie er mir
später beim Bekanntwerden mittheilte, wenig Einfluss über die-
selben.
Auf meine Frage nach der Stätte der alten Hauptstadt, wo
noch Ruinen sichtbar sein sollen, zeigte man sich sehr verschlossen,
und hätte es wahrscheinlich mehrerer Tage bedurft, das Eis zu brechen.
Doch sollen manche der bearbeiteten Steine, die zum Unterbau der
Häuser von Atitlan verwandt wurden, von diesen am Vulcan ge-
legenen „Casas Viejas'* gebracht sein. Bei Atitlan, dem früheren Sitz
der Tecpan- Atitlan oder Zutugiles, berührten sich diese und die Cak-
chiquel, mit welchen und den Quich& sie bereits bei der Einwande-
rung verbunden waren.
In seiner Gründung geht Atitlan auf Abah zurück, der Stadt
ATITLAN. 415
der Cakchiquel, von denen, bei dem Fortzug der Uebrigen, die
Ah-Tziquinihayi oder die mit den Zotzilen (oder Cakchiquel) ver-
schwägerten Zutugilen zurückblieben, während, als erster König
dieser, Acxiquat genannt wird, Sohn des Acxopil, der seinem die
Einwanderung der verbündeten Stämme leitendem Vater Nima-Quiche
gefolgt war. Später entbrannte dann der Krieg um die schöne
Prinzessin Hamai-Uleu, die „irdische Rose", die an den Gestaden des
Sees aufgeblüht war. Fuentes macht die mythische Königin Atit
zur Stammmutter aller edlen Familien Guatemala's (vielleicht in An-
knüpfung an die Sonne).
Die Sprachen Guatemala's haben in Ximenes und später in Brasseur de Bourbourg ihre
Ile rbeiter gefunden, so dass hier nureinige Aufzeichnungen folgen (besonders aus dem Zutugil):
Tzivanik, escribir
Ackomanik, pintar
Chress, verde.
Chress-azul, azid (bei spanischer Unterscheidung).
Chrass, morado.
Kang, amarillo').
Sak'), blanco.
Kk, negro.
Kachh, cielo.
Tzi*), perro.
Kichh-tzi, perros.
Kichh, raucho.
Chat, mazorka.
Ichin, mais (ixim im Focoman).
Kinak, frijoles.
' Cakul, legumbres.
Achich, calla.
Kab, panela.
Caco, cacao.
Sük, tobaco.
Tubul, zapote.
Tschob, pina.
Karr, pescado.
Ajin, lagarto.
Utzilak ichh, dia buena
Izell ichh, dia mala
Chuna, afio.
Chatith, nuestra abuela (luna).
Ak*), fuego \
Ya, agua l bei Tecpan.
Ichh*) (Sonne) )
*) Nib (in Rabinal) das Gelb zum Färben der Töpferei (s. Brasseur de Bourbourg).
>) Zak, cosa blanca (bei Bourbourg).
*) Tsi im Poconchi oder Pocoman (nKch Gage), wie Chi (bei Chichimeken).
*) Brasseur de Bourbourg giebt Gag, Feuer, Ha (Ya im Cakchiquel) Wasser, Gih,
Sonne im guatemaltekischen Vocabular.
*) Qvih im Pocoman (s. Gage).
416 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
Kiri, adios (im Cachiquel).
Chihuahnica numans, adios SeÜora (hei Ciudad vieja).
Panacachel (Panjachel), en el palo podrido (am See von Atillan).
Man ca v*il-tah, ich sehe nicht (in ZufÜgung von tah).
Die Negationen im Quichc sind ma , man , mana (manan im Quechua) und mani
(nach Gage) im Pocoman.
SachmaloD, huevo.
Ahk, gallina (acach im Pocoman).
Mama, gallo.
Chuti Ahk, pollo.
Kiech, caballo (qveh im Pocoman).
Boie , buey (in Entlehnung).
Vakish, vaca (,, ,, ).
Akch, cochon (ak im guatemaltekischen Vocahular ßourbourg's).
Mozef, niebla.
Sutz, nube.
Tschumil, estrella.
Kabrakan, teiremoto.
Kokolohai, tnieno^).
Kojopäh, rayo.
Saktukuhn, remolino.
Tschejoch he il ichk kerei ikh, la luna peleando con el sol, eclipse de la luna*),
bei den Zutugiles, von Sutxa oder Blumen (im Mexicanischen) benannt.
Quichi quui ri weg, donde estä el camino').
Atush ubi rejah, que (como) se llama este rio (ri-jah).
Paz u biri, cual es su nombre deste.
Vech (vichin im Cakchiquel) mein (im Quichö).
Avecha (avichin im ,, dein ( ,, ,, ).
Rech (richin im »> ) sein ( ,, ,, ).
Die in den Gräbern gefundenen Idole von Stein oder Thon heissen Achlaval (bei
den Zutugiles).
Der Name der Tzutuhil (Zutigil) wird auch erklärt von Tzut (Netz), als Fischer, oder
von Tjutuh (Maisblume) und hil (wachsen) und (bei Brasseur) als ,,flor de las naciones."
Cakchiquel flihrt auf Cak (roth), chi (drinnen) und quel (Stein), als die Anwohner
des rothen Steines oder die dem rothen Stein Entsprungenen.
Quiche*) (viele Bäume) sind mit Waldmenschen tibersetzt.
Cabahuil ist (im Quichö) Name der Gottheit , Xecach (debajo del cielo) die Bezeich-
nung für die Erde (auch ,,el mundo").
Die Wilden (Barbaren) empfangen den allgemeinen Namen Chicop (wie sonst
Chontal oder Popolocas).
Brasseur giebt, in seiner auf Ximenes gegründeten Grammatik der Quiche, die Zahl-
wörter folgendermaassen :
hun, cab, (caib), ox (oxib), cah (cahib), oo (oob), vakakib, vukub, vahxakib, beleb
12 3 4 5 6789
(beleheb), lahuh, hulahuh, huvinak.
10 II 20
') Zah, tonner, Zahloh, sillonner l'öclair im Guamaltekischen (s. Bourbourg).
') Iq, luna im Guamaltekischen (bei Bourbourg).
•) Bey (im Cakchiquel und Tzutuhil) Be (im Quichi), Weg.
*) El Quiche se distingue mas del Cakchiquel, que este del Tzutuhil (s. Bour))ourg).
WASSERELEMENT. 41 7
Stephens dagejijen , nach einer von dem Pfarrer in Santa Cruz de Quichc gelieferten
Copie, als:
hun, quieb, dxib , quieheb, hoob, uacacguil, venib , uahxalquib, beleheb, lahuh,
1234567 8 9 10
hulahiih, huuinax.
II 20
Sehr mannigfaltig ist der (iebrauch der Nunieral- Anhänge (wie sie in den hinter-
in«!! sehen Sprachen vorkommen und sonst).
Vom Puebia Atitlan, hinter welchen sich der gleichnamige Vul-
can (3572 M.) erhebt, blickt man auf die Ausbuchtung des Sees
am Fusse des Vulcan San Pedro (2500 M.). An den mit Seegras
beschwemmten Ufern lagen zwischen umhergeworfenen Felsgeröllen
breite Canoc zum Fischen mit Reusen vorbereitet. Hinter gezackten
Vorbergen, an deren Fusse (über dem See) das Pueblo ruht, steigen
die Vulcane von Atitlan und St. Barbara auf, während gegenüber
der Vulcan San Pedro schroff in die See abfällt. Das Wasser^), weil
noch nicht gelothet, gilt für unergründlich tief und war auf den aqj
Ufer eingebuchteten Stellen mit schlammigen Excretionen bedeckt.
Nach der heiligen Schöpfungssage der Quiche schwebte am
Anfang der Dinge Gucumatz mit seinen Göttergefährten (als Elohim)
über der grünen Exsudation der Seengewässer (gleichsam dem
Meeresfette oder Viracocha)*). Nach Ondegardo bildeten die Peruaner
aus dem auf den Flüssen schwimmenden Wasserschaum, aus dem im
Hause zusammengekehrten Staub, aus Unkräutern und sonstigem
Unrath eine Opferform, von welcher sie räucherten bei der Geburt
eines Kindes, damit das Neugeborene wachsen und gedeihen möge,
mit derjenigen Kraft, durch welche alle jene nutzlosen Dinge von
selbst entständen, ohne von den Menschen gepflegt zu sein, und
sogar gegen deren Wunsch und Willen^).
Bei dem See von Atitlan wird ein unterirdischer Abfluss (im Vul-
can von Atitlan) vermuthet. Als Quellenflüssen bilden der Sukuvalja,
Sichaja, Kichajä, Liboyä, Kakä, Lutiyä den Rio Madre vieja und der
Rio Navaluate nimmt die Nebenflüsse Rio bravo, San Francisco und
Rio del Rancho auf.
*) Foledo giebt dem See von Atitlan eine Tiefe von 1800 Fuss. Su estension es de
18 miilas y su mayor anchura de 9. Su elevacion sobre el nivel del mar 5300 pies.
') Die Corinthier waren aus Erdschwämmen entstanden, corpora vulgarunt pluvialibus
edita fungis (Ovid).
') Manyfestaron , que cogian basura de casa de la que barrian y espuma del rrio y
algunas yerbas silvestres , y que esto les davan ciertos sahumerios , diciendo , que ansi
como todo aquello cre^e sin entcnder en ello nadie, e aunque a todos les pese, que
ansi crezca aquel nyilo (im Thal von Yucay).
Bastian: Amerka. I. 2<
420 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
Commandanten Don Pedro de Anda über den morgigen Besuch der
Alterthünner, von denen sich einige Proben bereits in seinem Hause
fanden, zunächst den Fluss Santiago aufsuchte, um Staub und Sonnen-
durchhitzung abzubaden
Am nächsten Morgen sah ich nun diese wunderbaren Alter-
thümer vor mir, von denen ich in Guatemala gelegentlich, besonders
durch Herrn Juan Gavarrete, der an der im Jahre 1866 dir ihre Er-
forschung niedergesetzten Commission Theil genommen, hatte
sprechen hören. Obwohl meine Erwartunng dadurch einigermassen
gespannt war, wurde sie durch die Wirklichkeit übertroffen, indem
es kaum begreiflich war, dass Alterthumsschätze solcher Bedeutung,
seit ihrer Entdeckung im Jahre 1858 den wissenschaftlichen Kreisen
Europas unbekannt geblieben, obwohl in der Nähe einer Verkehrs-
strasse gelegen. Ihre Erhaltung soweit war besonders Don Pedro
de Anda zu verdanken, der sich auch in jeder Weise zur Verfügung
stellte, um meiner Absicht, sie für das Berliner Museum zu ver-
werthen, seine Unterstützung zu geben. Von seiner Hacienda Peor-
es-nada, wo die sculptirten Steintafeln über einander lagen, ritten
wir zu den gigantischen Steinfiguren - Kolossen auf Los Tarros und
kreuzten am Nachmittag den Fluss Pantaleon, die gleichnamige Ha-
cienda Herrn Herrera's zu besuchen, wo die dort gefundenen Stein-
köpfe aufgestellt waren (s. Zeitschrift für Ethnologie, Jahag. 1876).
Nachdem ich das Nöthige mit Herrn Pedro de Anda für einen
zweiten Besuch bei der bevorstehenden Rückkehr nach der Küste
besprochen hatte , Hess ich am Abend Alles vorbereiten, um gegen
Ende der Nacht aufbrechen zu können.
Das Total der von meiner Hauswirthin aufgestellten Rechnung
wich so sehr von demjenigen ab, was ich mir ungefähr aus den im
Voraus getroffenen Stipulationen zusammen addirt hatte, dass ich sie
um Specificirung der einzelnen Posten ersuchte, und als sie, nach
einigen Ausflüchten, sich dazu herbei liess, ergab sich auch eine
niedrigere Zahl als die richtige. Trotzdem meinte sie ganz unbe-
troffen, dass die Summe so sei, wie ursprünglich angegeben, hatte sich
aber allerdings mit der durch die Berechnung bestimmten zu begnü-
gen, da ich ihr ebenso kühl auseinandersetzte, dass nach Ansicht der
nicht in St. Lucia Wohnenden das Ganze mit der Summe der Theile
übereinzustimmen habe, und dass in solchen Fällen die Entscheidung
in demjenigen läge, der das Geld zahle. So gab sie sich auch als
Empfängerin zufrieden, und verlor kein weiteres Wort über das
Missverständniss, am Wenigsten etwa eines der Entschuldigung.
ALTERTHÜMER. 421
Die ersten Stein-Monumente St. Lucia's wurden auf der Hacienda
los Tarros gefunden, im Jahre 1858 bei St Juan Perdido, und gingen
dort wieder, durch Aufwachsen des Monte verloren, dann 1863 ^^^
auf der Hacienda Peor-es-Nada und ebenso andere daselbst 1864, später
1873 die der Hacienda Pantaleon, sowie neue auf der Hacienda Los
Tarros, und bei der jetzt stetig wachsenden Ausbreitung der Kaffee-
Cultur über die tierras baldias wird noch Mancherlei zu erwarten sein.
Die Sculpturen auf den Steinen von St. Lucia sind meist in einem
verhältnissmässigen Bas-Relief, während, wenn aber oben die Gottheit
darauf dargestellt ist, diese im vollen Haut-Relief erscheint.
Von den in der Umgegend aufgedeckten Alterthümem finden sich
einige in dem Hause des Commandanten Pedro de Anda, von der
Hacienda Los Tarros dorthin gebracht, besonders grosse Steinköpfe
mit rüsselartig verlängerter Schnauze, und einige mit aushängenden
Augen. In der Hacienda Los Tarros stehen noch an der Stelle, wo
sie angetroffen (etwa 20 Schritte von einander entfernt), zwei Stein-
büsten, mit ernst nieder blickendem Gesicht über Brustverzierungen
und in einem turbanartigen Kopfschmuck mit seitlichen Federn
nach oben auslaufend, während sich eine dicke Quaste (mit Eingriff)
von Oben niederbeugt. Quer über den Stirnschmuck ist ein Schädel
gestellt. Hinten an der Figur findet sich ein Steinvorsatz, mit dem
sie an der Wand eingefügt war (7 — 8 Fuss hoch). Ringsum zeigen
sich leichte Anschwellungen des Terrains und Erderhebungen über
dem darunter liegenden Tempel aufgeschüttet.
In der Hacienda Peor-es-nada liegen übereinander geworfen (und
zum Theil stellenweis verstümmelt) längliche Steinplatten mit Haut-
Relief-Ausarbeitungen. Auf der einen hebt ein Indianer (mit einer
Quaste am linken Bein), der einen Löwen oder Puma durchbohrt
hat, die Hand zu der in Meditation sitzenden Gottheit (als Gesicht
mit Kopfschmuck und Brustverzierung) empor, welche die rechte
Hand auf die Brust gelegt, die linke niederhängend hat. Auf einer
anderen trägt die Menschenfigur einen Kopf an der Seite eines
Skelettes und die Gottheit lässt beide Arme niederhängen, mit den
Fingern zum Greifen ausgespreizt. Auf einem zerbrochenen Stein
hat die Gottheit die Arme über die Brust gekreuzt, und erscheinen
unter ihr Krebs und Fisch. Auf einem andern Bruchstück findet
sich ein Zwerg neben einem Skelett. Eine andere Platte zeigt
ein auf der Erde liegendes Skelett, das die Hände emporstreckt,
während von oben eine Hand herabgereicht wird. An der Seite
finden sich 10 Kugeln mit eingeschlossenen Hieroglyphen, die ver-
422 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
wischt sind. Auf einem Stein wird scheinbar eine mit ausgespreizten
Armen befestigte Menschenfigur von einem Adler mit geöffnetem
Schnabel zerhackt, in Wirklichkeit aber in diesem von ihm ge-
tragen.
Vor dem Hause des Commandanten liegt (von Peor-es-nada dorthin
gebracht) eine Steinplatte mit einem Indianer, der eine Leitertreppe
emporklettert, und in die Wand des Hauses ist ein Steinkopf (mit
doppeltem Ohrschmuck) nachtraglich eingemauert.
Im Hof der Hacienda Pantaleon finden sich 6 Steinköpfe, mit
bandartigem Kopfschmuck und gebogenen Nasen in breiten Nüstern.
Zwei tragen die Runzeln des Alters. Eine hat ein Auge ausge-
stossen herabhängen, eine andere (mit ausfallender Zunge) beide,
und sie zeigen das Ansehen von Greisinnen. Ausserdem findet sich
ein Eidechsenkopf-Stein. Diese Figuren wurden in einem Po-
trero angetroffen, zu 3 und 3 einander gegenübergestellt (als ob einen
Gang darstellend) zu 8 Varas Entfernung von einander, während der
trennende Zwischenraum in Front, von Reihe, zu Reihe 10 Voros
mass.
Die gegenwärtig bei St. Lucia befindlichen Indianer gehören zu
den Cakchiquel. Sie sind jedoch erst nach der Entvölkerung, die in
Folge pestartiger Krankheiten am Ende des vorigen Jahrhunderts
eintrat, dorthin gewandert, indem sie sich von den benachbarten
Hochlanden herabzogen. In der Umgegend von Amatitlan^), dem
Verbreitungsort der Bücher oder doch des Papiers, haben sich Reste
selbstständiger Dialecte erhalten. Thomas Gage erlernte dort das
Poconchi oder (nach Hervas) „la lengua Pocomana," und erwähnt dabei,
dass die Pfarrer sich Grammatiken und Wörterbücher anzufertigen
pflegten, aber sie geheim hielten für eignen Gebrauch, um das Mono-
pol, die Indianer auszubeuten, für sich zu bewahren. Auch jetzt
steht es noch misslich mit der Erlernung der Indianersprache, da
hier nicht wie im Tupi oder Quechua die Bequemlichkeit einer len-
guageral geboten ist, und an der Universität findet sich kein Lehr-
stuhl dafür. Doch weiss man sich zu helfen:
Wenn der Pfarrer in Guatemala die Sprache der Indianer nicht
versteht, überlässt er die Beichte dem Sacristan, der ihn dann über
die aufzuerlegenden Pönitenzen, wenn etwas besonderes vorkommen
sollte, befragt, und werden in der Hauptsache nur drei Fragen ge-
1) Amatitlan (mexicanisch) significa ciudad de letras porqiie en ella acostumbraban
sus naturales grabar en cortezas de arboles y enviarlas h gran distancia (Alcedo).
ALOTENANGO. 423
stellt, als in die Confession einzuschliessen, nämlich über Raub oder
Mord, über Hurerei und über den Glauben an Gott.
Nachdem wir (April 12.) den Fluss Pantaleon passirt hatten, mit
dem Vulcan de Agua im fernen Nebel und dem schroff geschnitte-
nen Felsblock des Pefion seitlich, gelangten wir auf eine geneigte
Ebene, mit Felssteinen bestreut. In einem engen Heckenwege (zwi-
schen den Hacienden) jagten uns ein paar wild gewordene Ochsen
mit den verfolgenden Reitern im Carriere hinter ihnen, die sie soeben
seitlich aus dem Felde herangetrieben hatten, in einer Staubwolke
entgegen, so dass mein Pferd kaum noch durch einen seitlichen Satz
in die Einhegung dem Spiessen entging. Die Begleitung mit dem
Packthier war glücklicherweise noch eine Strecke an breiter Stelle
zurück, sonst wäre Alles übergerannt worden.
Aufwärts durch Wald, überschritten wir grüne Hügelhalden mit
Bächen, und stiegen dann in Waldbcrgen empor, die am Hochgebirge
lehnten. Der Blick traf auf die breite Seite des Vulcan de agua,
mit geschwungenen Linien zu der Depression auslaufend, hinter wel-
cher das alte Guatemala oder la Antigua (1546 M.) liegt, während
auf der andern Seite der niedrigere der beiden Berge, die den Vul-
can de fuego zusammensetzen (VA Hijo genannt), unter Aussendung
einer Bergreihe zur Um^hliessung der Hügelebene mit gebreiteter
Wand vortritt, dahinter dagegen der höhere (El Tata) überschaut.
Der seine Activität länger bewahrende Kegel bildet den eigentlichen
Vulcan de fuego (3670 M. hoch) neben dem Vulcan von Acatenango
(4150 M. hoch), als Pico mayor (höhere Spitze) des Vulcan de
fuego oder Padre del Vulcan bekannt.
An Alotenango vorüber, am Fusse des Vulcan de Agua, folgten
wir dahin, mit dem Blick auf Antigua vor den Höhen. Zur Fütte-
rung wurde gerastet in Ciudad vieja, an der Abdachung des Vulcan
de Agua gelegen, während rückwärts sich der Doppelgipfel des
jüngeren Vulcan de fuego zeigte und der ältere mit seiner Spitze
neben einer geschwungenen Erhebung seitlich herüberragt. Beim
Weiterritt bhckten wir von der Plaza (mit alter Kirche) auf die ge-
schwungen abfallende Fläche bis zu den begrenzenden Berghügeln,
an deren Fusse La Antigua sichtbar ist. In der Finca Potreria fanden
sich rohe Wandbauten, von der ersten Capelle, welche die Spanier
in Guatemala bauten, sowie ein steinerner Wasserbehälter mit Röhren-
steinen, und die Figur eines steinernen Löwen. Das Indianerdorf Almo-
424 DER ISTHMUS UND (lUATEMALA.
longo ^) (wrc jetzt die Bäder genannt werden) oder Tezacualpa liegt
am Abhänge des Vulcan de Agua. Durch angebaute Ebenen rei-
tend, sahen wir, während seitlich in einer Thalmündung Duete zwi
sehen Teichen erschien, vor uns Antigua (Santjago de los Caballeros
oder Sanct Jacobus de Guatemala) am Fusse der Hügelberge, die
das Thal zwischen den Vulcanen umziehen, und zwischen den ver-
fallenen Ueberresten von Häusern und Kirchen, (redende Zeugen auf
diesem Boden der Erdbeben), gelangten wir in den bewohnteren
Theil um die Plaza, und zu dem Hotel La Paz. Herrn Otto Bleuler
aufsuchend (Besitzer der durch seinen Bruder geleiteten Mühle),
lernte ich den Jefe politico und einige andere Herren kennen, und
konnte Einiges zu den Alterthümern Gehöriges erwerben.
Dieses Alt - Guatemala, der Spielball so vielfacher Naturcata-
strophen im Laufe seiner kurzen Geschichte, liegt eingebettet zwi-
schen den beiden bald durch Wasser, bald durch Feuer Verheerung
sendenden Bergen, und man blickt seitlich auf den breit aufsteigen-
den Vulcan de Agua mit vielfarbigen Schichtungen, je nach derfi
Streifen des Anbaues oder der \yaldung, während unter Nebelwolken
in der Ferne die Umrisse des Vulcan de fuego erscheinen (neben
dem Vulcan von Acatenango). Es ist ein pomphaft grossartiges
Bild, das diese beiden Riesenkegel darbieten, die hier, isolirt von ein-
ander, auf der runden Ebene anstehen, in einer mit der Massen-
haftigkeit der südamericanischen allerdings" nicht vergleichbaren Cor-
dillere, aber dafür die von Nacktheit starrenden Höhen jener, in
milderer Natur, mit den geschwungenen Linien eines bunten Garten-
gewandes bekleidet. In Folge dieser prächtigen Lage ist La An-
tigua, trotz air der Schrecken, von denen es bedroht wird, doch nie
entvölkert worden, und wenn auch verschärfte Regierungsbefehle
wiederholte Auswanderungen erzwangen, ist dennoch jetzt der Rest
der „Los Incorregibles," wie sie genannt werden, zurückgeblieben.
Der Anblick des Vulcan de Agua gestaltet sich um so zauber-
hafter, weil man in einem Augenaufschlagc, so zu sagen, die ge-
sammten Zonen der Erde, von den Palmen bis zu den Fichten, mit
wechselndem Anbau dazwischen, an der Breitseite seines Abhanges
übergreift, und die neben einander geschlungenen Gürtel umwehen
den Pyramiden-Koloss mit einem malerischen Teppich wundervollster
Kunst.
*) Das älteste Santiago , in welchem Beatrice de la Cueba , die Wittwe des Erobe-
rer's Alvarado, ihr in den Volkssagon gespenstisch ausgemaltes Ende fand, wurde (nach
Kemesal) in derNäheAlmolonga's (einer nach der Wasserquelle benannten Ansiedelung) erbaut.
VULCANE. 425
In seinem Namen Huhnapu^) bewahrt der Vulcan de Agua Er-
innerungen an die mythischen Traditionen, die noch über die halb-
historischen Einwanderungssagen der Quichö hinausgehen. Der Vul-
can de St. Maria heisst Yaxcamul oder Gagxamul (im Anschluss an
den Götter-Dämon Guagaavitz oder Hacavitz).
Obwohl der Vulcan de Agua nicht bis ganz an die Schneelinie
reicht, wissen doch die Indianer von St. Maria die kalten Monate
zu benutzen, um auf der Neveria des Vulcan de Agua (3500 M.
hoch), den zu Reif condensirten Dunst als Schneeklumpen in Stroh
verpackt nach der Stadt zu transportiren und dort zu verkaufen.
Die Schneelinic liegt in Mexico zwi.schen 44CO — 4500. M. und würde
also in Central-America (s. Dollfuss) noch etwas höher anzusetzen sein.
Da jetzt die Semana Santa über diesem frommen Lande ange-
brochen war, durfte nach strenger alter Sitte vom Gründonnerstag,
IG Uhr Vormittags, bis nach den Osterfeiertagen kein Reitthier be-
stiegen werden, und würde jeder Reiseweg nach einem so warmen
Platz geführt haben, dass mein Bursche nicht aus der Stelle zu
bringen war. Ich musste mich so für die beiden Feiertage darin
ergeben, behielt mir aber jedenfalls, für Sonnabend Freiheit des Han-
delns vor, um dann nach Guatemala durchzuschlüpfen, und dort den
Rest der beiden Gefangnisstage abzusitzen.
Um das Herz zur Andacht zu stimmen, wurde die erhebende
Feier am Donnerstag eingeleitet durch ein schnarrendes Gerassel,
dem ähnlich, mit welchem früher die Nachtwächter auf ihren melan-
cholischen Wegen das Schnarchen der Schlafenden zu begleiten
pflegten, (denn hierdurch waren die an den Trauertagen verpönten
Glockentöne zu ersetzen), und gleichzeitig sah man an Laternenpfählen
und Fenstern die zerlumpten Puppen des aufgehängten Judas flattern,
an welch' unglücklichem Schacherjuden sich die bittere Rachsucht
christlicher Liebe jetzt seit 1800 Jahren noch immer nicht voll ge-
sättigt hat. Dies gab dem Volke Stoff" für den Rest des Tages zu
spottender Verhöhnung und allerlei Possenspiel, unter welchen durch
den Zweck geheiligten Formen das zum Himmel hingerichtete Ge-
müth seinem dunkeln Sehnen Luft machte und vorbereitet wurde
auf die ergreifenden Scenen am folgenden Tage, die nationalen
Feste) durch ganz Südamerica.
^) Chi-Kak-Hunahpu oder Am Feuer Hunahpu's (eines Blasroh rschiesser's).
') The people of Quito, who have nothing to do and nothing to see, look upon the
charch as a theatre or concert - room , (wo am Charfreitage in einer Puppenkomödie die
Passion vorgeführt wird).
426 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
An ihm waren die Strassen mit Fichtennadeln bestreut, und über
sie zog sie hin, die von den Spitzen der Priesterschaft geleitete Proces-
sion. Voran St. Isidor, eine menschengrosse Holzfigur im neu geschnei-
derten Anzug unter einem Baldachin, dann die heilige Veronica, schwarz
gekleidet nach dem Zuschnitt derjenigen Mode, welche in dem durch
die Entfernung entschuldbarer Weise verspäteten Guatemala noch
als die neueste der Pariser Balldamen galt. Und hinter ihr, was
wird dort von den unter der Last keuchenden Indianern getragen?
eine traurige Jammerfigur in jeder Beziehung, jämmerlich roh in
Menschengrösse aus Holz geschnitzt, und jammervoll anzusehen, denn
nackt bis auf einen schmalen Schurz wird der Rücken mit scharfen
Geissein zerfleischt, und von den rothen Striemen über die magern
und gebeugten Rippen tropft dick das Blut*). Dass hier der hypo-
katastasirte Schöpfer des Himmels und der Erde vor den Augen vor-
überzieht, wird derjenige verstehen, der in das, für das Werk eines
Trunkenen erklärte, Glaubensbekenntniss eingeschult, unter den scharf-
splitternden Deductionen der Scholastiker seinen Menschenverstand
zusammenzuhalten fähig ist, der unvorbereitete Reisende wird bei den
ärmsten Naturvölkern, so tief er auch hinabsteigen mag, eine relativ
ähnliche Incongruenz zwischen der Weltanschauung^) und der Per-
sonificirung der in ihr waltenden Ursächlichkeit weder finden noch
erwarten. Vielleicht überzeugt ihn indess die folgende Figur, „El Senor
de la caida" (Jesus mit dem Kreuz fallend), der Kreuzträger nach ihm
vorüberziehend, oder die vermummten Centurionen, die dazwischen
marschiren, die Soldaten im Gefolge und das monotonisch seine
Lieder plärrende Volk, ohne ein Wort davon zu verstehen.
Einige Stunden waren zur Erholung und Stärkung gegönnt, bis
dann die Nachmittagsprocession unter dem herablachenden Himmel
ihre Herrlichkeiten entfaltete. Von Oben schienen sie nicht ge-
^) Stepbens beschreibt die Kreuzesabnahme in der Kirche Quetzaltenango's am Char-
freitagfest: ,, Der Anblick der Figur ist grauenvoll, Blut rieselt von den Wangen herab,
ihre Arme und Beine waren beweglich , und an der Seite war eine klaffende Wunde mit
einem langsam ausfliessenden Blutstrom zu sehen." Das in der Procession zu Payta ge-
tragene Bild der heiligen Jungfrau zeigte sich (an der Stelle der von Anson's Matrosen
versetzten Wunde) ,,with a patch of red wax on the neck" (A. Smith).
') At the very feet of glorious Chimborazo and Pinchincha, we see a nalion bowing
down to litlle images of the rudest sculpture (in Quito). The great thoughts of God
written all over the Andes are unable to lift this proud capital out of the mud and mire
of mediaeval ignorance and superstition. The established religion is the narrowest and
most intolerant form of Romanism (s. Orton). Üecolampadius schreibt im Capito über
den Risus paschalis, als Missbrauch der römischen Fastenprediger (1518), wodurch dies
Auferstehungsfest in ein ,, höchst pöbelhaftes Possenspiel" verwandelt wurde (s. Wirz).
PROCESSION. 427
kommen, diese schwarzen Engel, die mit Kreuzen voranliefen, und mit
Kreuzesbildern folgten ihnen Vermummte unter hohen Spitzhüten, die
Vorstellung und Maskerade mit' der Erinnerung an die geheiligten
Auto-da-fe verbindend. Dann wurde ein gläserner Sarg einhergetra-
gen mit einem Leichnam darin, denn der grosse Pan war gestorben,
oder vielmehr Dionysius, der in den Mysterien wieder erweckt
werden sollte. Und wie damals die Frauen zu klagen pflegten, so
Maria mit ihren Betschwestern,*) welche Lichter tragend dahin wankten,
in mehr traurigem, als trauerndem Gejodel. Das Gerattel nahm be-
denkliche Dimensionen für das Trommelfell an, und auf der Balustrade
einer der Kirchen sah ich eine schreckenerregende Maschine, die mit
Hebelbäumen und Radwindungen arbeitete, und ganz das Aussehen
hatte, geneigt zu sein, bei Populärerwerden der Dampfmaschinen in
Guatemala diese Erfindung zunächst für solch' heiligen Zweck zu
benutzen, damit man in höheren Regionen ja dies heilige Schnarren
in den Strassen des frommen Antigua vernehme.
Mein Gedanke stand nur dahin, aus diesem, durch das Ueber-
maass^) seiner Gotthingabe für einen in der Orthodoxie nicht ganz
Gefestigten etwas beengendem, Nest möglichst bald fortzukommen,
und da zwei dortige Deutsche gleichfalls gerne während der Fest-
tage die Hauptstadt besucht hätten, beriethen wir heimlich einen
Plan, wie wir uns im Stillen während der Nacht aus der Stadt
hinausschleichen möchten, und dann die Fährnisse des Weges in
bewaffneter Dreizahl riskiren. Die Volksansicht opponirte sich
dem Reisen, wie gesagt, bis nach den Osterfeiertagen, aber selbst
officiell war es verboten von Donnerstag um lo Uhr Vormittags
bis zum Glorialäuten um lo Uhr am Sonnabend, und da wir
beim gehorsamen Verschieben der Abreise bis zum Vormittag,
dann wieder von dem Pöbel aufgehalten worden wären, blieb als
einziger Ausweg, die Flucht unter dem Schutze der Dunkelheit.
Möge uns diese Sünde verziehen werden. Doch schien auch unter
^) In der Procession (der heiligen Jungfrau) sah Brand ,,scenes shocking to human
nature" (in Lima). The priesis are singing psalms and 1 have seen them in many of
their processions absolutely drunk , while singing thcir psalms, and between every verse
laughing and talking and even with their arms round the waists of the females (öffent-
liche Dirnen, die Weihrauch trugen) 1827.
') Although loath to ridicule any thing that may, however distant, be connected
with religion , even the ceremonius pari of it, I could nevcr view this in any other light,
tbaii an ecclesiastical puppet-show , a disgraceful piece of mummery, bemerkt Stevenson
Ton den religiösen Proccssionen (Quito' s).
428 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
den Gläubigen all' dieser heilige Apparat nicht gerade entsündigend
zu wirken.
Als ich noch voll des Eindruckes von all dem Wunderlichen,
das ich gesehen, mich wieder weltlichen Geschäften zuwandte, und
von meinem Wirthe die Rechnung einforderte, erschien dieselbe,
von der Haushälterin überbracht, in einer laconischen Zahl, aber
um das Doppelte höher gegriffen, als ich beim Eintritt in mein Lot^is,
aus den jüngsten Erfahrungen gewitzigt, ausgemacht hatte. Ich erlaubte
mir, die einzelnen Posten mit den angesetzten Preisen herzunennen
und den Wirth, unter Erinnerung daran, um eine Revision der Rech-
nung zu ersuchen. Dieselbe erschien dann nach einiger Zeit in einer
zweiten Form, in specificirter Aufzahlung und meinem Anschlage
genau entsprechend. FAnc weitere Erklärung über die frühere Diffe-
renz war nicht beigefügt. Als ich während der Bezahlung fragte,
wie es käme, dass man anfangs den doppelten Betrag verlangt habe,
meinte das allbereite Mädchen für Alles, darauf käme es weiter
nicht an, der Herr Wirth sei vorher etwas verschlafen gewesen.
Wahrscheinlich hatte er sich in der Messandacht zu sehr angestrengt.
Doch da es auch mir darauf nicht weiter ankommen konnte, seitdem
ich mein Recht gewahrt, und eine neue Illustration des Volks-
characters^) gewonnen hatte, quälte ich weder mich, noch das Wirths-
personal mit weiteren Fragen, und schlummerte ein Wenig auf einem
Stuhl, um bei dem verabredeten Zeichen fertig zu sein. Unsere
Pferde ziehend, kamen wir auch glücklich, obwohl einmal von einem
halb schlaftrunkenen Wächter angerufen, zum Thor hinaus, und fanden
uns bei Anbruch der Dämmerung bereits weit von der Stadt im Freien,
durch Hügel hinwindend und dann über die Ebene galloppirend, um
Guatemala noch am Morgen zu erreichen.
Guatemala zerfällt gegenwärtig in siebzehn Departements (s. F.
Gavarrete) :
Amatitlan mit der Hauptstadt Amatitlan (14® 28' 39" Lat. N. und 90*^ 37' 50" Lg. \V.)
oder La Ciudad de .Viuatitlaii.
Chiquimula ,, ,, ,, La Ciudad de Chi(iuimula (140 54' 10" Lat. N. und
89^ 32' 17" l'Ong. W.).
Chimaltenango ,, ,, ,, La Villa de Chimaltenango (14O38' 19" Lat. N. und
90O 49' 30" Long. \V.).
Escuintla ,, n m I-a Villa de Escuintla (14® 16' 46" Lat. N. und 90 «
47' 48" Long. W.).
>) Hall weist in Columbien hin auf die ,,absence uf that inoral Stimulus, which under
the name of honor and character, forces every respectable individual of European society
to a linc of conduct conformable with bis Situation" (und die daraus folgende Gleich-
gültigkeit gegen Lüge und Betrug).
ANTIGUA. 429
fJuatemala mit der Hauptstadt La ciiidad de Guatemala (14** 37' 30" Lat. N. und
90O 30' 47" Long. W.).
Iluehuetenango ,, ,, ,, La Villa de Huehuetenango (i5<*28' 15" Lat. N, und
91 0 36' 50" Long. W. u. S.).
Izabal ,, ,. ,, El Pueblo de Izabal (15O 24' Lat. N. u. 89O 9' Lg.W.).
Jutiapa ,, ,, ,, La Villa de Jutiapa (i4<* 14' Lat. N. und 89 • 50'
40'' Long. W.).
Pcten .11. n La ciudad de Flores {ly^ 9' 47" Lat. N. und 90 •>
04' 52" Long. W.).
Quezaltenango ,, ,, ,, La ciudad de Quezaltenango oder Xuluha (14^ 15' 32"
Lat. N. und 91*^ 34' 20" Long. W.).
Sacatepequez ,, ,, ,, Antigua (14® 32' 58" Lat. N. und 90** 44' 5" Long.
W.) oder La ciudad Antigua de Guatemala.
Suchitepequez ,, ,, ,, La Villa de Mazatenango (14O 30' 42" Lat. N. und
90O 33' 40" Long. W.).
San Marens ,, ,, ,, La Villa de San Marcos oder El Barrio (El Pueblo
de San Pedro Sacatepequez).
Santa Rosa .> n .. La Villa de Santa Rosa (an der Quelle des Rio de
los Esclavos).
Solola ,, ,, ,, La Villa SoloU (14O 46' 54" Lat. N. und 91 <> 12'
14" Long. W.).
Totonicapam ,, ,, ,, Totonicapam (14® 58' 18" Lat. N. u. 9i<*2i' 45" Long.
W.) oder La C'iudad de San Miguel Totonicapam.
Verapaz ,, ,, ,, La Ciudad de Snlamd (15O 17' 10" Lat. N. und
90O 24' 47" Long. W.).
und neuerdings wurden nach Regierungsbeschluss 3 weitere Departements zugefügt:
Zacapa (aus Chiquimula abgezweigt), Quich^ (aus bisherigen Theilen Solold's und Toto-
ntcapam's zusammniengeselzt) und Jalapa (innerhalb lutiapa's).
Nachdem ich die mitgebrachten Sammlungs -Gegenstände unter
Herrn Lehnhoffs freundHcher Beihülfe verpackt und mit Herrn
Williamson Ansichten über die einheimische Alterthumserforschung
ausgetauscht hatte, nahm ich mit dem deutschen Ingenieur, Herrn
Au, Verfertiger der neuesten Karte Guatemalas, Rücksprache über
die in St. Lucia beabsichtigten Arbeiten und brach zur Rückkehr
dahin am Nachmittag des 22. April auf.
Die gemietheten Thiere waren diesmal so elend, dass auf halbem
Wege eins der Maulthiere stecken blieb, und nur nach völligem
Entladen mühsam weiter geschleppt werden konnte, so dass wir
erst nach Anbruch der Dunkelheit Antigua erreichten, wo ich dies-
mal das Hotel del Comercio wählte. Noch am Abend suchte ich
die vor der Stadt gelegene Hacienda der Herren Herrera auf, wo
mir einige Alterthümer versprochen waren, und dann mit einem
Empfehlungsbriefe Herrn Lehnhoffs, den deutschen Plantagenbesitzer,
Herrn Wyld, der mir die weiteren Directionen für die zu verfolgende
Strasse gab. Die Beleuchtung war spärlich, als wir Nachts durch die
Stadt nach dem Wirthshause zurückkehrten, doch fand sich an einer
430 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
Ecken der Plaza eine Verkäuferin mit einem Kohlenfeuer sitzend, um
für etwaig Verirrte ein Glas Tibio (aus Chocolade und Mais) warm
zu halten. Kalt bildet diese Mischung das Tiste^), dessen Präparat
in Pulver verkauft und auf Reisen mitgefiihrt wird.
Am nächsten Morgen gelangten wir über Ciudad vieja m die
Ebene von Dueflas, und erhielten in der Hacienda des Herrn Wyld
ein Ersatzthier, sowie einen Führer. Der mir bereits aus Guatemala
bekannte Herr Zinza, mit dem ich zusammentraf, führte mich über
den aus der Schlammüberschwemmung in dem Erdbeben von 1874
zurückgelassenen Sand, als sich längs der damals vom Vulcan Aca-
tenango (neben dem Vulcan de fuego) niedergestreckten Baranca
ein. Bäume entwurzelnder und Felssteine fortrollender, Schlamm-
strom niedergoss, indem die auf den Bergrippen teichartig ange-
sammelten Wasser-Reservoirs durch die Erschütterung ausbrachen
und den bei der regelmässigen Regenzeit von der Baranca gehöhlten
Weg ausfüllten. Aehnlich wurde, bald nach der Gründung, Ciudad
vieja ^) in jenem Schlammwasser- Ausbruch des Vulcan de Agua zer-
stört, in welchem Alvarado's Wittwe, die noch jetzt in den Sagen
umgehende Landesbeherrscherin Beatrice, ihr Leben verlor.
Nach einem Frühstück mit Herrn Zinza in seinem dortigen Land-
haus, folgten wir dem Weg durch den Bergwald, dann zwischen
Baumgruppen am Vulcan aufsteigend. An schroffen Bergwänden
treten zersplitterte Felsmassen hervor und bei weiterer Erhebung
zeigt sich (bei der Hacienda Caldera) eine von steilen Bergwänden
in grüner Runde umzogene Thalebene. Das Aufwärtsgehen fort-
setzend, fiel der Blick in ein tiefes Längsthal, in welches Bergreihen
auslaufen, während am jenseitigen Abschluss Hochgebirge aufsteigen.
Abwärts folgten wir über gebrochenem Grund nach Acatenango,
wo der Führer allerlei Gründe für zeitweise Entfernung vorbrachte,
die indess bei Gewährung der Erlaubniss vermuthlich, wie zu fürch-
ten stand, eine definitive geworden sein würde, so dass ich ihn auf
seinem Geschäftswege, um Alpargates (Sandalen) und Anderes in
^) Das Tejate (oder Teste) genannte Erfrischungsgetränk kann (nach Bustamente)
nur von dem Cacao blanco Soconusco's bereitet werden , während der Cacao Guayaquil
erst durch Mischung mit Sand dazu vorbereitet werden müsste,
') Die Indianer von Ciudad vieja reden eine mexicanische Mischung. Alotenango
wurde durch Indianer von Panacachel colonisirt, so dass die Sprache abweicht von der
ihrer Nachbarn. In Mixco wird eine Mischung des Quiche mit Mexicanischem und der
Mayasprache geredet. Das Pocoman, das in Palin und Umgegend geredet wird (in Mixco
mit Mexicanischem vermischt) ist ein dem Mam verwandter Dialect.
ACATENANGO. 431
den Läden zu kaufen, zu begleiten vorzog und seine für den bevor-
stehenden Abendweg werthe Person nicht aus den Augen h'ess.
Der Ort war voll von Indianern, die sich dort für ein Fest vor-
bereiteten und ihre Heiligen suchten. Dieselben sollten bei dem
Cura deponirt sein, in einem Schuppen hinter der Kirche, wo ihre
Holzpuppen*) im Gerumpel durch einander liegen, manche minus eines
Armes oder Beines, eines Ohrs, der Nase, wenn nicht des Kopfes,
den sie, gleich dem heiligen Dionysius, bequemer in der Hand
tragen mochten. Wenn dann der Festtag eines der Dörfer heran-
kommt, wird, nach Zahlung der soweit fälligen Wohnungsmiethe, der
Schutzheilige^) hervorgesucht und dem Alcalden überliefert, um nach
aufgeputzter Toilette in lärmender Procession^) und unter Liebko-
sungen aller Art nach dem Dorfe getragen zu werden.
Die meisten Feste sind obligatorisch und in Ecuador waren die
Cura's früher für ihren Unterhalt in der Hauptsache auf die „fiestas
forzadas' hingewiesen, wie in Peru auf die Camaricos genannten
Geschenke.
') Deus enim ligneus, rogi fortasse vel infelicis stipitis portio suspenditur , caeditur,
dolatur, runcinatur (Minucius Felix). Am Meisten gesucht war in Mexico (XVIII. Jhrdt.)
,,eine Bulle, vermöge deren ein Jeder, der fremde Gtiter besitzt, ohne es zu wissen,
sicher, ruhig und mit gutem Gewissen das Eigenthum davon behält, wenn er von 30 Du-
catcn 12 Realen abgiebt" (s. Baumgarten). Money will purchase absolution for any
crime, and worship (as in other Catholic countries) instead pf being directed to the Deity,
is addressed to the images, with which the churches are fiUed, bemerkt Proctor aus Lima
(1823). Das IIo-Tschi (Feuerpapier) wird in Ablasszetteln verbrannt (in China).
'j Nachdem die Indianer (Peru's) vom Cura die Figur des Heiligen zur Feier des
Festes erhalten, ,,rimage est portöe triomphalement au Heu de la r^union oü eile sert h la
fois de protection divine et d'indulgence pleni^re pour les ivresses qui se commettent.
A chaque verre bu en commun, les convives portent d'abord la sant^ du saint, en elevant
leur verre de son cot^, apres quoi, ils boivent sans remords comme sans mesure" (Carrey).
,,Zum Besten der armen Seelen im Fegefeuer wurde in den Klöstern der Charitäts-Becher
fleissig geleert" (m der Schweiz). In Rom ist kein' grössere Sund, denn arm sein (nach
dem Volksspruch).
') Die Procession zu Ehren des Schutzheiligen des Ortes bildet den Stolz des India-
ners und den Prüfstein seines religiösen Characters, bemerkt Stephens in Mixco (1841). Die
Geistlichen (in Mexico) beobachteten eifrig äusserliche Andachtshandlungen, ,,aber an
Pflichten, die aus der Sittenlehre fliessen, wird wenig gedacht. Mit Nachdruck empfiehlt
man eine hochgetriebene Verehrung der Heiligen , die den Orden , welche sie gestiftet
haben, otler die sie für ihre Schutzpatrone ausgeben, viel einbringt. Dieses giebt ihnen
grösstentheils den Stoff zu ihren Predigten , deren Absicht mehr ist , die Leute zu einer
dummen Bewunderung der Wunderwerke , als zu einer Nachahmung des frommen Wan-
dels solcher Heiligen zu ermuntern" (Jenyns). The priests once or twice a year dress the
Image of the Jewish maiden in tawdry attire , put a tinsel crown on her head and call
her the Molhcr of God and the Queen of Heaven and the people fall down and worship
(Duffield) in Lima (1873).
432 DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
Im XVII. Jahrhundert verhielt es sich in Guatemala ebenso, wie
Gage erzählt, dass nämlich die Pfarrer die Bilder der Heiligen in der
Kirche bewahrten, und wenn die Zeit des Festes für einen derselben
herangekommen, die damit beauftragten Indianer benachrichtigten, unter
der Drohung, wenn die schuldige Zahlung nicht einliefe, einen solch'
unnützen Heiligen aus der Kirche hinauszuwerfen, um nicht den Platz
unnöthigerweise beansprucht zu haben. Das Bild vererbte sich beim
Tode des Verehrer's nebst all' den Verpflichtungen, die daran ge
knüpft waren, in der Familie, und wenn das ganze Geschlecht aus-
sterben sollte, so machte der Pfarrer der Gemeinde Mittheilung dar-
über, unter der Zufügung, dass man sich jetzt genöthigt sehen würde,
das Bild dieses Heiligen zu entfernen. Dies pflegte grossen Schrecken
hervorzurufen, da man dann den Zorn des Heiligen in Unglücks-
fällen, die das Dorf treffen würden, fürchtete, und nachdem man ihn
durch ein besonders glänzendes Fest zunächst zu versöhnen gesucht
und wegen des unschicklichen Aussterbens seine Erbfamilie um Ver-
zeihung gebeten hatte, wurde dann ein anderes Familienhaupt be-
.stimmt, die Unterhaltung dieses Heiligen für künftighin zu unterneh-
men, nachdem er vorher ausserdem an die Pfarre den Kaufpreis des
Bildes und seines Schmuckes ausgezahlt hatte.
Hinsichtlich dieser frommen Kirchendiener, fügt aber dann die-
selbe Autorität hinzu, dass ihnen die einfachsten Glaubensartikel des
Christenthum's völlig unbekannt*) gewesen seien, und dass man auf
keine Frage in Betreff der Dogmen eine directe Antwort erhalte, son-
dern immer nur die unterwürfige, dass es sich wohl so verhalten würde,
wie der Herr Pfarrer meine.
In die Schaustücke der katholischen Ceremonien mischt sich
leicht verständlich eine Menge heidnischer^) Erinnerungen ein, be-
*) Gada Cura tiene un Indio ciego deslinado para decir la doclrina a los demas, die
dabei dann nicht mehr lernen, als ,,hicieran los papagayos si se les enseöara" (m l*eni),
und die ganze Sorge der Curas selbst ,,consiste en que ninguno dexe de llevar el pequeüo
regalilo que le pertenece" (XVII. Jahrhdt.). In Mexico, wie Zavala bemerkt, war der
Catechismus Ripalda's, ,,der blinden Gehorsam gegen Könige und Papst lehrte" die
Grundlage der Religion für die Indianer, die sonst weiter nichts davon verstanden
(nur auf das Wort des Missionärs schwörend , der sie mit Hülfe der Soldaten bekehrt
hatte).
') So color de celebrar la fiesta de la circuncision de Nuestro Seöor renuevan sus
Ritos y Antiguedades Gentilicias (in Honduras), die sich mit der Einführung einer geord-
neten Regierung verknüpfte (in der Wahl der Häuptlinge und Richter). Hall beschreibt
die kirchliche Comödic (religious spectacle), bei der sich die Figuren der Heiligen,
San Franciscus und San Domingo auf dem Marktplatz Cuzco's zur Begrüssung zärtlich
umarmen und küssen, und bemerkt, dass die Scenc so. packend gewesen, dass Frauen .ins
COFRADIAS. 433
sonders in Cuzco und Umgebung (in Peru), doch auch in anderen
Provinzen. Stevenson hörte von dem Cura in Corongo, da&s bei der
Jahresprocession St. Peters der Heilige im vollen Laufe nach der
Kirche getragen würde, dass aber die Indianer bereit ständen, ihn
mit einem Steinregen zu überschütten, um, zum guten Omen für die
Fruchtbarkeit des Jahres, den Kopf abzuwerfen, und dass um diesen
dann zwischen den Partheien aus zwei Stadtvierteln ein Handgemenge
entstünde, um ihn auf einer hohen Stange im Triumph fortzutragen,
und als Schutz gegen Gewitterschlag über den Häusern aufzu-
stecken.
Gegenwärtig besitzen die verschiedenen Confradias der Indianer
jede ihren Heiligen als Patron des der Kirche zugehörigen Landes,
und der Cura trägt Sorge, ihre hölzernen Ebenbilder nicht aus den Hän-
den zu lassen, um durch diesen Besitz das Recht auf Zahlung zu
begründen. Sie werden deshalb nur während der Festeszeit gegen
Quittung verabfolgt, und müssen pünktlich, wenn der Termin abge-
laufen ist, in ihr Gefangniss zurückgebracht werden. Thomas Gage
zählt in seinen Curaten Mixco und Pinola die Confraderien^) auf, in
welchen namentlich sowohl, wie bei den Hauptfesten, er seine Zahlung für
Messelesen (auch zum Besten der Seelen*) im Fegefeuer)') empfing, näm-
Rührung geweint hätten, aber (fahrt er fort), so ill understood was all that passed by a
great part of the population , that they even thought that the saints , instead of embras-
ing, actually ibught. Bei einer anderen Procession der heiligen Jungfrau trug das von
ihr auf dem Arme gehaltene Kind Jesus ,,a veritable cocked hat (set upon the head in
the Same manner as that worn by the late Emperor Napoleon)". Cochrane wohnte der
llahnenmesse bei (in Columbien): When the curate commences the service, the people
Imitate and mock his gesture, tone of voice and manner of readiug, make all kinds of
noise, shouting , bawling, hooting and imitating the crowing of the cock, with every
possible exertion of the lungs (1825), als Reminiscenzen aus christlichem Mittelalter.
*) On fait remonter l'origine des confreries, prises en general, jusqu'a Numa Pompi-
lius (s. Bouvier), aber die erste in der christlichen Kirche ,,est celle du Gonfalon, ^tablie
a Rom sous le pontificat de Clement V." (1267). Las confraderias y hermandades in Lima
beliefen sich im Jahre 1793 auf die Zahl von 20 (s. Unanue). A Rabinal et dans quel-
ques autres bourgades de la langue quichee, le titre qui d^signe le mayordomo ou chef
de confr^rie est Cahauixel, de cahau, p^re, comme les femmes, qui ont la pr^sidence
dans les confreries de leur sexe s'intitulent Chuchuxel, de chuch, m^re (s. Brasseur). So-
bald die Geistlichen ihre Pfarre antreten ,,aplican lo general todo su conato en hacer can-
daV, zu welchem Zweck ,,uuo de sus arbitrios consiste en las hermandades, y son tantas
las que forman en cada pueblo, que las iglesias estan Uenas de Santos por todas partes
y cada uno tiene la correspondiente hermandad" (in Peru).
') Despues de haber sacado los curas toda la utilidad, que les ha sido posible de
los Indios, hacen lo mismo con las Indias y Cholas (in Peru). Los medios que buscan
aquellos para enriquecerse, y que aunque con sentimiento vamos h. refirir, podrän ofender
OS oidos y hsu:er titubear el concepto, no siendo facil el que se puedan creer (UUoa).
Bastian: America* L ^
434 . DER ISTHMUS UND GUATEMALA.
lieh: die Cofradia der Jungfrau, des Rosenkranzes der Jungfrau, des wah-
ren KreuÄes, des heiligen Nicolas von Tolentin, des heiligen Blasius,
des heiligen Hyacinthus u. s. w. Dazu kamen die Einnahmen aus der
Praxis der Heiligenbilder, von denen sich i8 in Mixco und 20 in
Pinola fanden; und nun das regelmässige Gehalt von den Alcalden, sowie
die obigen Geschenke dazu addirt, rechnete er seine Jahreseinnahme
auf mehr als 2000 spanische Thaler, während ihm sein Unterhalt in
Kleidung und Wein vom Kloster der Hauptstadt geliefert wurde,
und ebenso, selbstverständlich, die Wohnung.
Da er sich bereits an andern Punkten seines Tagebuches ganz
offen und ungescheut dahin ausgesprochen hat, dass es ihm bei
seinen kirchlichen Functionen in America nur darauf angekommen
sei, möglichst viel (und möglichst rasch) Geld*) zusammenzuscharren,
für seine Rückkehr nach Europa, so nimmt er auch hier kein Blatt
vor den Mund, und erzählt mit völliger Unbedenklichkeit (weil in
keiner Weise gegen seine Zeitanschauung verstossend), dass er nach
den Satzungen seines Klosters allerdings verpflichtet gewesen sein
würde, den Ueberschuss an dieses abzuliefern, dass er indess vorher
die Rechnungen seiner Vorgänger durchgesehen, und da er in diesen
nur eine Summe von 400 Thalern angegeben gefunden, er seiner-
seits ein übriges gethan, und dem Kloster grossmüthig 450 Thalcr
bewilligt habe. Da er nicht, gleich seinen Collegen, das Geld im
Spiel darauf setzte, und überhaupt, wie aus vielen Zügen hervorgeht,
zu den verständigeren und gesetzteren Naturen der damaligen Geist-
lichkeit gehörte, so hatte er (der zur Armuth verpflichtete Kloster-
,,E1 Inventar nuevos derechos es entre ellos una ciencia tspcculaliva" , bemerkt M. de
Vidaurrc von der peruanisclien Geistlichkeit (1823).
') L'Eglise accorde des indulgences applicables aux morts, donc eile croit que les
morts peuvent ^tre soulag^s par ce moyen. Cette raison seule suftirait pour opörer en
nous une enti^re conviction, car vouloir contesier ce que lEglise croit au pratique de
VUnivers, serait le comble de folie, so argumentirt man im Jahre 1855 (und unter dem
heutigen Bilde vom ,,L'Univers"). Die Indulgenzen für die Verstorbenen wurden zuerst
durch Johann Vlll. gewährt, für die im heiligen Kriege Gefallenen (878 p. d.) d. h.
heilig, weil für die Kirche geführt. Beim Hinaufrutschen der Scala Santa erhielt man für
jede Stufe neun Jahre Ablass, und Pius VIT. bewilligte für diesen Ablass ,,anche applicare
alle anime del Purgatorio". Communis scntentia Theologorum est , verum et proprium
esse ignem ejusdem speciei cum nostro elementar! (s. Bellarmin), das Fegefeuer (seit mit
Gregor's M. Hülfe flehende Seelen von dort erschienen). Nach Sanct Basilius entbehrt das
höllische Feuer der Leuchtkraft, brennt aber dafür um so ärger. In Mexico mussten
manche Bullen ,,von Jedermann gekauft und in bestimmten Zeiträumen erneuert werden,
bei Strafe des Verlustes gewisser Rechte und Vortheile." ,, So konnte z.B., wer die ,,Bula
de Confesion" nicht bcsass, keine Absolution auf dem Todtenbette erhalten, sein letzter
Wille ward ungültig, sein Vermögen wurde vom Fiscus eingezogen" (s. Mühlenpfordt).
PKAFFENGELD. 435
bruder) bei seiner Abreise ein Sümmchen von mehr als 9000 spa-
nische Dollar guten Silbers zusammen, neben seinen Thieren und
sonstiger Reise-Ausrüstung. „Als ich nun Alles, was ich verkaufen
wollte, zu Gelde gemacht, befand ich, dass ich 9CO0 Stück von
echten Spanischen Geldes beisammen hatte" (wovon 4000 Kronen in
Perlen und Edelseine umgesetzt wurden).
Indess gesteht er selbst, dass es ihm nur durch besondere Zuneigung
des Himmels gelungen sei, diesen Reichthum in so kurzer Zeit zu
erwerben, denn gleich beim Antritt seiner Pfarre seien drei Jahre
auf einander gefolgt, wie er sie sich günstiger nicht hätte wünschen
können. Diese günstigen Jahre, für welche sich der treue Seelenhirt
dem Himmel zu besonderem Danke verpflichtet hielt, war die fol-
genden: i) eine Plage mit Heuschrecken*), die seinen Pfarrkindern
alle ihre Pflanzungen mit Stumpf und Stiel rattenkahl auffrassen,
2) eine epidemische Krankheit, welche die Eingepfarrten familienweise
hinraffte; 3) unzeitiger Platzregen und stete Ungewitter, wodurch
jede Aussicht auf die Ernte gestört wurde. Während nun aber das
Land unter diesen Leiden seufzte, während die Hinterbliebenen
trauernd ihre abgeschiedenen Verwandten bejammerten, während die
Noth in jedem Hause wohnte, während dieser verzweiflungsvollen Jahre,
heisst es dann wörtlich weiter: „machte der Geistliche die besten Ge-
schäfte", niemals zahlte der geängstigte Indianer pünktlicher, niemals
zeigten sich die Confraderien verschwenderischer in ihren Geschenken,
niemals war eifrigere Nachfrage nach den Schutzheiligen, niemals
gab es mehr Messen, Begräbnisse und hinterher, um Wiederbevölke-
rung zu beschleunigen, mehr Heirathen, niemals also rollten die
schweren Dollars, soviel ihrer unter der allgemeinen Armuth noch
übrig waren, in den Seckel des Pfarrers. „Dergestalt brachte mir
ihre Andacht noch viel mehr Geld ein, als sonst", bemerkt Thomas
Gage. Der durch diese unbefangen freimüthigen Enthüllungen ge-
währte Einblick in ein System, das Jahrhunderte lang auf dem katho-
lischen America gelastet hat, bedarf keines Commentars, und dieser
würde um so entsetzlicher ausfallen, weil, wie gesagt, der ohne Rück-
halt Geständige jedenfalls (wie aus beiläufig zerstreuten Notizen seiner
Aufzeichnungen klar erkennbar ist) noch zu den besseren seiner
Klasse gehörte. Als er später durch Piraten des zusammengescharr-
*) Die Mönche Peru's ,,y fourmillent comme autant de sauterelles, qui s'engraissent
du revenu de la terre" (s. Coreal). Auf Heusehrecken verstand sich am Besten St. Theo-
dorus und wurde er dafür als Specialität betrachtet.
436 t)£R IStHMUS UKD GUATEMALA.
ten Mammon's wieder verlustig ward, erkennt er selbst an, dass un-
recht Gut nicht gedeihe und beklagt seine Ausbeutung der Indianer.
Auch mag das zu seiner späteren Bekehrung beigetragen haben.
Dünn (in reflecting on the degraded and corrupt State, to which
the church has arrived in these parts) versuchte (1821) die Bibeln und
Testamente der „British and foreign Bible Society", und die Publica-
tionen der „Spanish Translation Society" in Guatemala zu vertheilen,
aber „there existed no demand for such books", und ebenso wenig
schienen Resultate zu erwarten von den „Spanish tracts, published
by the Religious tract Society in London", obwohl er (wie zugefügt wird)
„could dispose of any number of these productions". Nicht anders in
China, wo die christlichen Tractätchen den buddhistischen Concurrenz
machen, mit um so weniger Erfolg, als sie weder ip der Vertraut-
heit des Gedankenkreises, noch der Behandlung einer fremden
Sprache zu rivalisiren vermögen, und so durchschnittlich keinen Ein-
fluss haben, wenn nicht etwa einen missverständlichen, gleich dem,
der die Taiping-Revolution hervorrief.
Der Protestantismus, zunächst die anglikanische Auffassung des-
selben, enthält nur wenig Elemente, um auf die Eingeborenen ferner und
fremder Welttheile einzuwirken, und hat sich in manchen Punkten bereits
zu sehr überlebt, um selbst die Näherstehenden erwärmen zu können
Bei einem der auf dem englischen Seedampfer abgehaltenen Sonn-
tagsgottesdienste ^) wurde nach Abhaspeln der episcopalischen Gebetfor-
meln (an denen die Puritaner bekanntlich viel zu purificiren finden),
ein Psalm gelesen, der gleich den übrigen, seinen poetisch schätzba-
ren Werth hatte, indess mit seiner Begeisterung für Zion, für dessen
Mauern und Paläste, für die fröhlichen Töchter, für die vorüber-
ziehenden Könige schwerlich viel Sympathie fand bei solchen der
Zuhörer, in deren Herzen jener Name und jene Ereignisse keine
patriotischen Gefühle zu zünden vermögten, zumal den Meisten wohl
auch die Autopsie der Localität fehlte. Ausserdem wurde mitge-
theilt, dass Schiffe im Ostwind zerbrächen, was die anwesenden See-
leute genauer präcisirt haben würden, und was ohnedem bei dem
damals wehenden Passat etwas in den Wind geredet war. Dann
wurden zwei lange Capitel aus dem Buche der Könige verlesen,
worin (neben einem durch ethnologische Analogien interessanten Pfeil-
^) Unter stricter Beobachtung des englischen Sabbath , dessen Ruhe in unserer fiebe-
risch überstürzten Zeit um so unerlässlicher scheint und gewissermassen ihre Geltung mit
derselben Noth wendigkeit beansprucht, die das rührige Handels volle der palästinensischen
Küstenlande zu ihrer Anerkennung gezwungen haben mochte.
BAUL. 437
Orakel) mit minutiöser Umständlichkeit allerlei Katzbalgereien er-
zählt wurden zwischen Joas, Joahas, dem Sohn Jehu's, Amasia und
andern Untugendhelden, deren Thaten auch im Buche der Chronica
verzeichnet sein sollten und, vor soviel tausend Jahren, im Lande
Israel für die speciell Interessirten ihren Leitartikel werth gewesen
sein würden, aber auf der Reise von Europa nach America im
XIX. Jahrhundert doch etwas gleichgültig erschienen. Den Schluss
machten (da der vorgeschriebene Tagestext keine Auswahl zuliess),
einige Wundergeschichten, wie 5000 Mann, Weiber und Kinder
ungerechnet, mit fünf Broden und zwei Fischen gespeis't seien, und
dass es möglich gewesen, auf dem Wasser zu gehen, beides ganz
hübsche Allegorien für Fälle, die auf langen Seereisen*) vorkommen
mögen, aber schwerlich solche, wie sie zu seiner Andacht von dem-
jenigen werden gewählt werden, der sich dem erhebenden Schau-
spiel des Ocean's hingab, den wir durchfuhren, oder Nachts zu seiner
Umwölbung des ewigen Sternenhimmel emporblickend, — „den gestirn-
ten Himmel droben und das moralische Gesetz im Innern", nach Kant's
Worten — den Klängen sphärischer Harmonien im kosmischen Gesetzes-
walten 'lauschte. Nur in einer mit den Resultaten des Wissens ein-
heitlichen Weltanschauung werden wir die mit dem Zusammenbruch
Glaubens-Dogmen wankenden Stützen neu aufrichten können, um das
immer gleiche und nie gestillte Sehnen der trostbedürftigen Menschen-
brust nicht ohne Hoffnung zu lassen.
Nachdem meine Begleiter sich in Alotenango mit ihren dortigen
Bekannten abgefunden hatten, zogen wir über auslaufende Berghügel
weiter , in eine tiefe Schlucht (mit einem Bach am Grunde) hinab-
steigend und dann empor an der andern Seite. Die locale Tracht
der Indianer war vorne kurz (über dem Knie abgeschnitten) und hinten
lang bis zu den Waden herabhängend. Ueber gebrochene Hügel im
Bergland gelangten wir nach San Pedro Pocacap, wo ich den Burschen
nach dem Cabilde schickte, um ein Logis angewiesen zu erhalten,
für welches man das alleinstehende Schulgebäude auswählte. Nachdem
*) Für den einen Fall bieten jetzt die, von den eingeborenen Begleitern des Reisen-
den oft noch mit argwöhnischer Scheu betrachteten, Lebensmittel in concentrirter Präpa-
rationsfonn einigen Ersatz, und für den andern früher die Sciopeden (s. de Xivrey), ,,wann
sy komment auff das mör, so lauffent sy mit trucken fiiss so behend als auff dem gras
oder herten erdireich".
438 DER ISTHMUS UNI-) GUATEMALA.
wir uns dort eingerichtet und niedergelegt, fühlten wir uns kurz nach
Mitternacht durch das Schütteln eines Erdbebens geweckt.
Früh wurde gesattelt (April 24). Ein weisses Wölkchen lagerte
auf dem Vulcan de fuego, als wir einen bergigen Waldweg dahin-
ritten. Jenseits von Thalschluchten wurde (zu verschiedenen Malen)
der Fluss Pantaleon am Fusse schroff abfallender Felsen passirt, und
dann trafen wir im Hügelland einen Stein mit Jaguar - Gesicht am
Wege, und eine, einer Erhebung jenseits entsprechende, Vertiefung.
Den Fluss Chatulia auf glatten Steinen passirend, gelangten wir zur
Hacienda Baul, wo ich aus den verschiedenen Funden (auch von Mahl-
steinen und anderen Alterthümern) interessante Thongefässe erhielt
und nach Santa Lucia mitnahm. Dort richtete mich Pedro de Anda
in seinem Hause ein, so dass ich mit ihm, und dem in Deutschland
erzogenen Herrn Vergilio Paez, die nöthigen Arbeiten in Betreff der
Alterthümer besprechen konnte, besonders als am nächsten Tage
auch Herr Au eintraf, und seine Zeichnungen begann.
Während der ersten Nacht meines Aufenthaltes brach ein furcht-
bares Gewitter los, von dem das Haus erzitterte, und auch später
fielen noch Regengüsse. Gerade die dortige Localität soll Von der
Gewaltsamkeit meteorologischer Processe bedroht sein, und dann, wie
immer, besonders bei dem Wechsel der Jahreszeiten.
St. Lucia ist auf der einen Seite von dem Vulcan von Atitlan,
auf der andern von den Vulcanen del agua und del fuego umzogen,
und die Communication dieses, in Folge der Ausdehnung der Kaffee-
pflanzungen gegründeten, Ortes mit der Landstrasse geschieht am
nächsten über Escuintla (in der Richtung zur Hauptstadt).
Bei meinem Aufbruch (April 27.) folgten wir auf Waldwegen,
über den Rio Pantaleon (und andere Bäche) bis zum Rio Don Garcia
und dann weiter nach dem Pueblo Masagua, auf der bereits mit der
Diligence in der andern Richtung zurückgelegten Strasse, die Nacht
in Naranjo verbringend.
Den folgenden Morgen (April 28.) ritten wir zeitig aus, so dass
noch vor der Hitze, obwohl nicht ohne Staubwolken, San Jose erreicht
wurde, wo ich im Hotel abstieg, und bei den Herren Magee & Co.
einige Bestimmungen über die zu erwartenden Absendungen zurück-
lassen konnte. Ein Rcgiertingsdampfer kam mit VeKvundeten aus
dem Kriegsschauplatz in .San Salvador, (wo sich der Präsident Barrios
im Feldlager befand), und dann langte der Postdampfer Montana an,
auf dem ich mich (April 30.) zur Weiterreise einschiffte.
Nachdem wir am Mai 3. in der engumschlossenen Bay von Aca-
RÜCKKEHR. 439
pulco geankert waren und die Gelegenheit hatte benutzt werden können,
mit Herrn Droege, (von der Firma Oettling und Gehricke) dortige Er-
werbungen zu besprechen, wurde Mai 12. das Golden Gate durchfahren
und betrat ich wieder das seit meiner Anwesenheit 1853 beträchtlich
veränderte San Francisco, wo ich indess in Herrn Dr. Behr noch
einen alten Bekannten damaliger Zeit antraf.
Am 17. Mai begab ich mich mit dem Dampfer nach Donahue
und der mit Eisenbahn von dort nach Calistoga, um am folgenden
Tage in der Kutsche die Geyser zu besuchen und dann am nächsten
über Cloverdale mit der Eisenbahn nach Vallejo zurückzukehren
(und mit dem Dampfer nach San Francisco).
Der grossartige Durchschnitt des Continentes längs der Pacific
Railroad führte am 23. Mai über die Sierra nevada, darauf durch
das Humboldt -Plateau nach Ogden (Mai 25.), unter einem Besuch in
der City of the Latter Saints, (ein lehrreiches Beobachtungsobject
für die Entstehungsgeschichte der Offenbarungs-Religionen) , und
dann nach jener Station zurück (Mai 27.), um den Weg über die
Black Hills nach Omaha (Mai 29.) fortzusetzen, und über St. Louis
nach Philadelphia, wo ich in der Nacht des 31. Mai ankam, also
etwa ein Jahr nach der Abfahrt von Europa.
Während der Besichtigung der Ausstellung, wo ich besonders
mit Herrn Dr. Rau das von den Smithsonian- Institution ausgestellte
Departement amcricanischer Prähistorie durchsah (einige für das
Museum eingeleitete Erwerbungen der freundlichen Besorgung
durch Herrn Consul Meyer überlassend), dann die Sammlungen
der Academie durchging und einer Sitzung ihrer Mitglieder bei-
wohnte, traf ich mit dem von Guatemala nach den Vereinigten Staa-
ten herübergekommenen Herrn Dr. Berendt zusammen, mit welchem
besten Kenner der central -americanischen Alterthümer nun die
Untersuchungen auf dem Ruinenfelde von St. Lucia eingehend be-
sprochen werden konnten, indem es möglich wurde diesen Gelehrten
zu bestimmen, seine Thätigkeit den dortigen Monumenten zuwenden
zu wollen.
Nachdem ich mit ihm Washington und die Sammlungen der Smith-
sonian-Institution unter Director Henry undProf Baird besucht hatte, so-
wie in Begleitung von Dr.Bessels, die bei den Erforschern des Westens,
Dr. Hayden, Major Powellund LieutenantWheeler, aufgehäuften Mate-
rialien, begab ich mich nach New -York, wo ich (nach Benutzung
der dortigen Bibliotheken und Besichtigung des Park -Museums unter
Dr. Bickmore, sowie Beiwohnung einer Sitzung der Ethnologischen
44() DER ISTHMUS UNI) GUATEMALA.
Gesellschaft) durch die von Europa eingelaufenen Briefe zu einem
Besuche Westindiens veranlasst wurde.
Am I. Juli in San Juan auf Porto-Rico ankommend, unternahm
ich, durch Herrn Eiders mit den nöthigen Directionen versehen, eine Be-
sichtigungder Umgegend von Caguas (Juli 4.) und dortiger Alterthümer,
sowie der Höhle bei Truxillo Alto, befuhr dann (unter ^Erwerbung
von Museumsstücken) die Küste, mit Verweilen in Mayaguez, konnte
in-Portau-Prince mit dem Deutschen Consul, Herrn Dr. Glaser, über
die Alterthümer Hayti's (Juli 11.) Rücksprache nehmen, in Santjago
de Cuba (wo der damalige Stand der Rebellenfrage keine weiteren
Ausflüge gestattete) mit Herrn Consul Schumann über die dortigen, und
begab mich dann längs der Häfen der Südküste Cuba's nach Batabano
und mit der Eisenbahn nach Havana (Juli 19.). Bei der unheimlichen
Atmosphäre des gelben Fiebers, die in damaliger Jahreszeit über
dieser Stadt lagerte, beendete ich, so rasch es ging, meine dortigen
Geschäfte, (Juli 22.) und kehrte mit dem Dampfer nach New-York
zurück, wo ich mich, nach Befreiung aus der Quarantäne, (die Besor-
gung der eingeleiteten Erwerbungen, auf freundliches Entgegen-
kommen des Herrn Generalconsul Schumacher, in dessen Hände
lassend) im Dampfer Mosel (Aug. 5.) einschiffte, und über Southamp-
ton nach London begab, um nach Studien in der Bibliothek und (mit
freundlicher Unterstützung des Herrn Director Frank) in den Samm-
lungen des British Museum, den Heimweg nach Berlin anzutreten
(Ende August).
Diese Rückreise durch die Vereinigten Staaten, mit dem Be-
suche Utahs und dem Aufenthalte auf den Antillen, bleibt weiterer
Behandlung vorbehalten.
AUS RELIGION UND SITTE
DES ALTEN PERU.
Vor der» Zeit der Inca, die den Sonnencultus zur Geltung brach-
ten, wird unter den peruanischen Stämmen eines vielgestaltigen
Götzendienstes erwähnt, der sich wie immer mit allerlei Zauberwesen
verknüpft zeigt. Zu der Verehrung der Naturgegenstände, die sich
an die Traditionen über die Herkunft anschloss, kam die der Vor-
fahren, und ausserdem treten dann bestimmte Götterfiguren auf.
Die Carangues (bei Otavalo) verehrten (nach Garcilasso) Löwen
(Puma), Tiger (Jaguar) und Schlangen, dieChachapuyas neben Schlangen
den Condor, die Pumallacta die Puma, die Quitus Wildthiere und
Bäume, die Caftar Bäume und bunte Steine (neben dem Mond), die
Huancapafhpas (mit Canas und Colluas) Thiere, Felsen und Flüsse.
Verehrung grosser Schlangenbilder in Peru ermähnt Oviedo. Fische
waren längs der Küste, (von Truxillo bis Tarapaca) neben dem Meer
oder Mama-cocha (die Gottheit der Küste, wie das Gewitter der Sierra)
heilig, der Fuchs (des Tempels von Pachacamac) den Conchucos,
und bei der Tödtung wurden seinem Balg, der bekleidet aufgestellt
wurde, sühnende Opfer gebracht (wie dem Bären bei den Ostjäken).
Die Parianas genannten Flamingoes wurden als Schützer der Häuser
hochgehalten (wie anderswo Störche).
Auch Würmer und Insecten fanden mit Bäumen und Steinen
Verehrung in Manta, wo (ausser den Küstengottheiten des Meeres
und der Fische) ein Smaragd heilig galt (s. Benzoni), und nach
Garcilasso wurden diesem als Göttin verehrten Smaragd, Umifla ge-
nannt (bei Velasco), kleinere Smaragden als Töchter geopfert, wie
in Guamachuco die Priester in den gefundenen Steinen Kinder Cate-
quil's erkannten.
In Cac-Yavini (beim Desaguadero) bildete ein conischer Hügel
das Heiligthum, anderswo Seen, Flüsse oder Quellen, und aus
solchen redeten die Hapi-fiuftus (Dämone), seit sie von Manco Capac
444 RELIGION UND SITTE.
den verschiedenen Stämmen als ihre Pacariscas oder Ursprünge an-
gewiesen waren.
Daraus ergeben sich leicht die Schutzgottheiten der Stämme,
die in Steinthürmen , als Marka, verwahrt wurden und die zum
sicheren Zurückhalten in einem Korb (wie in Mexico in Bündeln)
aufbewahrten Idole wurden bekleidet, um je nach dem Geschlecht
von männlicher oder weiblicher Priesterschaft bedient zu werden.
In Capacuyo wurde der Dämon Cana-chuap-yauirca in dunkeln ^)
Gemächern angerufen (s. Santa Cruz) und die Caviftas hielten in
ihrem Tempel von Ausancata ein Idol der Gottheit in furcht-
barer Wandelung. Die Annäherung an völlige Menschenähnlich-
keit scheint (wie in Mexico bis zu allegorisirenden Verschnörke-
lungen) vermieden zu sein, indem die Figur auf dem Schlangen-
stein von Chavin (nach Raymondi) nur drei Finger hat (gleich den
Götzenbildern der Maori), die Figur des Gewandes aus Ancon 4
Finger.
Bei den Tempeln an der nördhchen Küste Peru's berichtet
Zarate die Aufstellung zweier Figuren als schwarzer Böcke. Bei den
Lupaca fanden sich (nach Bertonius) die Idole Ano Ano, Pachapaqui,
Ccapia, Huana Hatucachi u. s. w. Die Chincha hatten sich in Chincha-
camac ihren eigenen Schöpfer gebildet.
Sonst galt auch die Göttin Guagalmojon, als Ahnfrau, ^nd wurde
mit ihren 10 Kindern neben den Göttern Tantuzoro und Guarasgaide
verehrt, welche hufeisenförmigen Schmuck am Kinn trugen. Die
Cunas, aus Stöcken mit einem Gesicht gebildet, wurden um Schutz
der Kinder gebeten.
Gleich den Mumien der Incas wurden auch die von Heroen
(wie des Caxaparca und seines Sohnes Huaratana in Huahualla) ver-
ehrt. Die Huancas verehrten ihren Heros Huarivilca in einem Quell.
Der Huaca Huari in Quichumarca unterstützte beim Häuserbau.
Die Conopen^) führen in ihrer Form auf Ge^ichtsurnen (egyptischer
Canopen).
*) Der Dämon Orometua wohnte auf Tahiti neben dem Wharre no-te Orometua (oder
Häuser des bösen Orometua) genannten Kasten mit den Schädeln erschlagener Feinde
(nach Cook).
>) Saüacmama (in Chanca) tenia la forma de un linajon muy grande y se encon-
traba en medio de octo tinajones de igual figura, cercado de muchas linajas y cäntaros
y de dos llimpis de barro con que brindaban los Indios k la Huaca. Hallabase Uena
de chicha (s. Rivero). Der von den Huacas Besessene (in Parinacochas) wurde von
Krämpfen befallen.
CO^OPA. 445
Die die Lamas schützenden Göttinnen Pallasillu und Ynca-uillu
wurden in einer Sänfte getragen. Das Idol Huanacauri erhielt Ver-
ehrung als Ahn der Inca (auf seinem Hügel). Die Götzenfigur Chuqui-
yllayllapa war mit Canipo (Gold-Medaillen) geschmückt. Bei den
Huacas wurden Hatun-apu, Hualpa-huanatayuca und Apu-Allastu an-
gerufen.
Unter den Dixes (Amulettes) wurden die Opas^) genannten Idole
nach gebrechlichen und verkümmerten Menschen gebildet (s. Ulloa).
In Huarochiri wurden neben Huay-huay die Göttinnen Chupixa-
mor und Mamayoc verehrt, in Puna der Kriegsgott Tumpal, bei den
Conchucos der Gott Catequilla und die Waldgeister Huarclalla, deren
Stimmen gehört wurden, auch bei Tauca (nach Oliva) auf den
Kergen.
In Andahuaylas fand ein verstorbener Zauberer (als Conopa der
Huacanqui) Verehrung, indem er jährlich neu bekleidet und täglich
gespeist wurde (s. Arriaga) und ebenso in Uramarca. Beim Fest
Situa wurden die Götzen Chuquilla (des Donners) und Viracocha
nach ihren Tempeln in Puca-marca und Quichuar-lancha in Procession
getragen. Ati galt als Gott ungünstiger Omen und der Gott Maillar
strafte mit Lähmung diejenigen, die schlecht »von ihm sprachen.
Der Gott Acuchuccacque erhielt Opfer (in Guamachuco), wenn
Kinder oder Lama's in Zwillingen geboren wurden. Yupanqui stellte
für den Schöpfer eine Goldstatue mit erhobenem Arm auf (s. Molina).
Bei Cahacay wurden in einer Höhle zwischen Mumien drei Giganten
verehrt, und daneben fanden sich in einer andern Höhle Knochen
geopferter Lama mit Trompeten (in Peru).
Die alten Gräber der Riesen wurden als Huari verehrt. Im
Osten wurden Agan-Yamoc und Yagan-Yahicnac von den Peruanern
verehrt. Bei den Caras wird eines Heroen-Cultus Erwähnung gethan,
einer Verehrung der Halbgötter Pacha und Cacha. Der in Chili (neben
Mura-Poanta) verehrte Gott Pillan schwebte in den Lüften. Von
den neun Guacas (Huacas) oder Idolen von Guamachuco wurde, neben
Ulpillo, Pomacama, Caoquilca, Quingachuco, Nomadoi, Garacayoc,
Quanacatequil, Llaiguen, besonders Casipoma gefürchtet, und das als
*) Opo Geba Snoelat (de Opperherr der Menschen, die alles opschrift) hat (nach
den Halfoercn) die Insel Boeroe geschaffen (s. Willer). In Üpu (dem Unsichtbaren) ver-
ehrten die Mexicaner die höchste Gottheit. Mahopa or Mahopa-icüas is the equivalent in
the Hidatsa language for those terms in other Indian tongues, which are usually transla-
tcd ,,the Great Spirit". In this language it may be (figuratively perhaps) applied to the
Itakatetas or any thing eise of a very wonderful or sacred nature (s. Matthews).
446 KET.l(;iON UNI) SITTE.
Löwe (Puma) brüllende Idol Casipuma, dessen offenes Maul stets
Opfer verlangte (und so weit aufgeschlitzt war, um ganze Lamas zu
verschlingen), wurde von Huaynacapac auf seinen Kriegszügen mit-
geführt. Der Gott Paucar wurde als Papagei dargestellt. Als Inga
Roca den vom König Guacarrariia's verehrten Stein umstürzen Hess,
flog daraus der Dämon in Gestalt eines Papageies hervor (s. Monte-
sinos). Für Namen peruanischer Idole macht Ternaux-Compan fol-
gende Zusammenstellung: Huaulluto, Quicanlauto, Atahuanca, Apuxil-
lene, Huagnaxilliu, Huamancantac, Alecpang, Achcay, Yaromarca,
Apuyurac, Huaynayurac, Caxaparac, Churoquella, Catequilla, Chanca,
TauUoma, Chaupinamoc, Namacoya, Pariaccaca, Quenac, Huauri,
Huanchovilca, Humivilca, Mamayoc, Malbicayan, Sanumama, Sian,
Xampay etc.
Die Compa oder Larca-villana genannten Steine wurden in den
Wasserläufen vor der Aussaat verehrt und in den Pflanzungen die Chichic
oder Huanca (Chacrayoc oder Herr der Chacra) genannten Steine
zum Schutz der Landsitze (Chacra). Diese als Compas erscheinenden
Steine lieferten Wasser, die Mamateras (Cylindersteine) Maisärnten.
In jeder Ortschaft Perus fand sich der Stein ^) Guachecol als Schutz-
gott aufgestellt, und die den einzelnen Ayllos zukommenden Huacas
wurden als locale Schutzgötter in Marca-aparac oder Marcacacharao
(marcayoc oder marca-clarac) angesehen, zur Beschützung des Dorfes
(s. Arriaga). Zupay (Supay) wohnte im Centrum der Erde.
In Huaca*) lag der Eindruck des Wunderbaren ^), durch welchen
der Schneeberg bei Arequipa seine Verehrung erhielt, und ähnlich
bemerkt Garcilasso, dass, indem heilige und bewunderswürdige
Dinge Vilca genannt werden, dadurch dem von Cuzco aus gesehe-
nen Eisgipfel sein Namen Vilca-ftuta beigelegt sein, „Tout ce qui
*) Die auf den Anhöhen zur Verehrung zusammengelegten Steinhaufen (in Peru)
hiessen (s. Ulloa) Mochaderos (muchar oder Küssen). Suelen los Indios ofrecer maiz coca
y plumas de aves y echar las ojetas viejas y, quando no Ilevan otra cosa, piedras a las
cumbres (Montenegro). Mixcoa, Gott des Handels, wurde in Nicaragua durch Stein-
haufen (an Wegen und Plätzen) repräsentirt (Oviedo), wie Mercur oder Hermes. Die
Sonorer trugen während der Reise Steine auf Haufen am Wege, damit sie nicht ermüden
(s. Pfefferkorn). Und so entsprachen mongolische Oln> den Apachetas Peru's.
') Pichardo erklärt Guaca (in Cuba) ,,el hoyo subterräneo donde se de|X)sitan pla-
tanos u otros fnitos para que se maduran mas prontamente."
') Die Attigovautaner (nördlich von St. Lorenz) bezeichneten die Dämone als Oki
und ,,omnia quae communem rationem excedunt aut quae admirantur, eodem nomine" (s. de
Laet). Die Dämone bei den Manhatter (bei New-Vork) ,,suo idiomate Menutto vcl Me-
netto, et quicquid mirabile est et captum humanuni videtur superare, id similiter vocant
Menetto."
iiUACA. 447
ötait öxtraordinaire en son genre ötait regarde comme une divinitö"
(in Peru). Was immer das Uebrige an Schönheit übertraf, wurde in
Peru als Huaca verehrt (bemerkt Molina).
In Caxamalca de la Nasca wurde ein Sandhügel als Huaca ver-
ehrt, wegen „aquella maravilla de ser un cerro altissima de arena en
medio de otros muchos todos de pefla" (s. Acosta). In Lima ver-
ehrte man ein „Arbolazo deforme*', und ebenso wurden besonders ge-
staltete Steine oder Früchte verehrt, oder Wurzeln, wie die ausser-
gewöhnlichen') Kartoffelknollen, llallahuas genannt. Der Verehrung
alter Bäume ^) als Huaca (Guaca) erwähnt Acosta.
„Guaca') es lloro'*, weil man klagend in den Tempel eintrat (s. Za-
rate) und in Tumbez wurde das Idol des Tempels mit Weinen verehrt
(wie schon die Anrufungen in wehklagendem Ton geschahen), während
die Huaca ^) (Guaca) des Stammes auch die Bedeutung des Schöpfers
erhalten konnte. Quando invocan la Huaca la llaman Runap-camac
6 criador del hombre (s. Arriaga). lieber das Schwankende in dem
Ausdruck Huaca*) hat Garcilasso de la Vega sich des Weiteren aus-
gelassen. The nature gods are called Huaca and the ancestral dei-
ties Pacarina or Pacarisca. Nach Apolonius heissen die mit Figu-
ren bezeichneten Steine Huacas, die in den Tempeln statt der
Sonne verehrt wurden. Unter den Ursprüngen war in Peru der von
der Sonne, eines königlichen Suryavansa) der edelste, wie (in Japan)
Tensodaijin (und sein Stamm unter den Kami).
') Todas las cosas que parescian notables de fuentes y manantiales y puquios y pie-
dras ondas y valles y cumbres quellos llaman apachetas (1571). Die Brasilier begrüssen
Sonne und Mond mit Tch, the, als ob zu sagen, wie wunderbar (bemerkt Coreal).
*) Wenn die Indianer dem als Walleechu verehrten Baum nahe kamen, ,,they offer
their adorations by loud shouts" (und so beim ersten Anblick der Sierra). In Santa
Maria de Tule wurde eine heilige Cypresse wegen ihrer aussergewöhnlichen Form ver-
ehrt. In einem Baum (in Chiapa) wurden (beim Umhauen) viele Steine gefunden , als
Obsidianmcsser , die diesem (weil dort allein stehend) heiligen Baume geopfert waren
(s. Herrera), und so im heiligen Baume bei Tule zwischen Tlacolula bei Mitla und Oajaca.
*) Potiguara natio modum aliquem habet fascinandi eos quibus male volunt, ut mo-
riatur, faciendo magnam nassam, quam vocant Jequie guacu, atque hie modus fascinandi
dicitur ipsis Anhamombicoab (s. Marcgrav).
*) La orden por donde fundavan sus huacas, que ellos llamavan a las idolatrias, hera
porque decian, que todas criava el Sol, y que les dava madre por madre, que mostravan
a la tierra, porque decian que tenia madre, y tenian Ic echo su bulto y sus adoratorios,
y al fuego decian que tambien tenia madre y al mais y ^ las otras sementeras, y k las
ovejas y ganado, decian que tenian madre, y a la chicha, que el brevajc que ellos usan,
decian que el vinagre della hera la madre, y lo reverencavan y llamavan mama agua
madre el vinegar (in Peru) und so w. (s. Prescott). Aehnlich im astrologischen Einfluss
der Sterne.
*) Guaca war Bruder des von Atabex geborenen Gottes in Hayti (s. Torquemada).
448 RßLlGlOX UND SITTE.
Die Huacas erhielten an den, Zaman oder Cayart genannten,
Plätzen Verehrung. Der Villac oder Huaca-huan-rimac genannte Zauber-
priester sprach mit den Huaca, der Humumaxa wurde befragt. Der
Huaca Raurana (zwei Falken auf Stein eingegraben) wurde von den
Huaca-camayoc bedient. Wer von dem Huaca für seinen Priester oder
Vilca ausgewählt war, hatte sich durch Fasten vorzubereiten (s. Villa-
gomez). Apachita und Tocanca gehörten zu den heiligen Orten.
Chanca-Viracocha fand sich in Chuquichaca als Huaca, Atun-Vira-
cocha in Urcos, Apotin-Viracocha und Urusayua-Viracocha in Amay-
bamba, Chuqui-chanca-Viracocha in Huaypan. Mit der Laicas oder
Huacamochas (Umus) genannten Ceremonie wurden die Dämone ge-
sühnt. Bei der Ceremonie Hautuina (in Yauyos) wurden bunte Pulver
gegen die Huaca geblasen. Da Krankheit dem durch Vergehen
hervorgerufenen Zorn der Huaca oder Malqui zugeschrieben wurde,
galt das Beichten derselben (Hichoco) als Vorbedingung zur Heilung.
In Huahalla wurde (ab ein der Erde eingegrabener Riese) der
Huaca Huari oder Chani verehrt und mit gekauter Coca im Munde
gefüttert. De otra parte se sacaron dos cuerpos enteros y secos,
muy nombrados y respetados de todos, Uamados Caxaparac y su
hijo Huatatama, que estavan en sus Machays vestidos a uso de
guerra con mucha plumeria de diversos colores y otros ropajes
(s. Arriaga). Der Huaca ^) Libiac (Blitz) wurde dargestellt durch
*) Bei Hupa fand sich das Tempelhaus des Huaca Apu-Vurac (mit Trompete),
neben dem Huaca Achcay (s. Arriaga). In Quepas wurde der Huaca Huamantucos ver-
ehrt. Der Götze Mullu Cayan (in Cocha Libiac) sass auf einer Silberplatte, als Bruder
des Huaca Coto Tumac In Chinchas wurde dem Huaca von Usuy geopfert. In Chayna
war der Huaca Huasca Jusca mit seinen drei Söhnen Gegenstand des Cultus. Den
Huacas von Hunoyan wurde Menschenfleisch dargebracht. In Arauyac wurde ein verhei-
rathetes Huaca-Paar und Apu Xillin (Vater des Huayna Xillin) als Huaca del Ayllo
de Sopan verehrt (s. Arriaga). Die von den Zamana genannten Orten kommenden
Huacas erhielten an den Cayan genannten Plätzen ihren Cult. In Vauja wurde von den
Huancas in einem prächtigen Tempel Huarivilca verehrt. ,,In Peru pflegt man Coca zu
opfern, welches Kraut sie in hohem Werth hielten, Mays, welches ihr Korn ist, gefärbte
Federn, Chaquira, so sie Mollo nennen, Meerschilf, bisweilen auch Gold und Silber,
davon sie Bilder machen, so wie Thiergestalt sindt, item schöne Tücher von Cumbi, wol-
richend gewirckt Holtz; ordinari^ brannten sie Schmeer oder Talck" (s. Lintschotten). In
Quichumarca wurde Huari Huaca mit seinen beiden Brüdern verehrt (zum Hausbau Stärke
gewährend). Der Huaca von Llaxavilca hatte el un ojo major que el otro (bei den Cho-
chas). Der Huaca Safiumama (in Chanca) wurde innerhalb eines Haufens von Thonge-
fassen durch einen mit Chicha geftillten Topf repräsentirt (neben dem Huaca MamasaJku).
Der als Huaca verehrte Cacique Liviacanchorco war in einer Grotte bei San Christoval
de Rapaz gefunden, mit einem vom Inca geschenkten Hemde aus Cumbi oder Compi be-
kleidet (s. Arriaga). Bei dem Aufstande (1560) begeisterten die Huacas (in Peru) Men-
AYLLOS. 449
una piedra grande partida por medio con un Rayo (in Yamor oder
Tamor). Mit einer Kupfertrompetc wurde (in Chuquimarca) zur Ver-
ehrung des Huaca Quenac (ohne Arme und Beine) gerufen (s. Arriaga).
Bei Cahacay wurde Huaca Quenac Vilca verehrt. Huaina Yurac,
Sohn des Apu-Yurac, wurde (in Falke verwandelt) als Vorfahre ver-
ehrt (s. Arriaga).
Unter den heiligen Prototypen, die als Schutzgeister der Ayllos
den Geschlechtern vorstanden, hatten die Inca für sich den glän-
zendsten Naturgegenstand gewählt, die Sonne (wie Kaiser Julian), und
so traf Acuila auch am Marafton einen Häuptling, der als Kind der
Sonne, Nachts mit ihr über die Regierung berieth (also einen sonnen-
entsprossenen Inca im Embryo).
Während der Huaca im öffentlichen Cultus dem Dorfe angehörte,
war die erbliche Verehrung der Conopa') in der Familie geheim,
bemerkt Arriaga, und diese Conopa oder (in Cuzco) Chanca wurden
Huasi camayoc oder Hausgötter genannt. Wenn ein Indianer durch
besondere Veranlassung auf einen Gegenstand seine Aufmerksamkeit
fixirt hatte, (wenn dieser seiner Ideenassociation aus subjectiven oder
objectiven Gründen eingeprägt war), so weihte der Priester einen solchen
als seinen Conopa »besonders die Quicu genannten Steine oder(in der
Ebene) dicLacas genannten Kristalle. Diese durch Kristallstücke (Lacas)
oder Bezoarsteme (Quicu) dargestellten Conopas (Chancas oder Huasi-
camayoc) gingen im erblichen Besitz auf den ältesten Sohn über. Nach
Avila wurden die kleineren Idole (in Peru) Cononopa genannt. Ein
Jeder in Peru verehrt seinen Camac oder Schöpfer (bemerkt Arriaga),
dann zugleich als Schutzgeist (oder Totem). Unter den Conopas schützte
Zarap-conopa den Mais, (als Huantayzara beim Tanz Arihuay), Axo-
mama oder Papap-conopa die Kartoffeln, Quinua-mama den Quinua,
Coca-mama die Coca, Caullama (in Form von Lama) die Heer-
den u. s. w. Die als P>au ausgekleideten Puppen^) Zaramamas oder
sehen, epidemisch (s. Molina). ,,Beiin Bezahlen von Steuern und Bearbeiten der Minen
riefen die Indianer Huacas an, damit sie wohl zurückkehrten und von den Spaniern nicht
misshandelt würden."
*) Le culte des Kanopas (Kan, lumi^re astrale) etait le culte des sept planstes (chez
les Quichuas). Le dieu qu'ils nommaient (suivant Acosta) Llama Kanopa avait son
esprit dans le ciel (s. Lopez). Le culte etait confie ä une castc des nicdecins et des pretres,
appel^s Kayas ou KoUas. Brasseur bezieht die (penianischen) Canopen (aus Yucatan)
auf Con-op oder Con-ub (la puissance, qui souffle). Can (in Cukul-Can) bezeichnet
Schlange (wie Coatl mexicanisch).
*) Zaramamas son de tres maneras, y son las que sc quentan entre las cosas halladas
en los pueblos. La primera es una mufleca hecha de caiias de maiz, vestida como rauger
Bastian: America. I. ^^
450 RELIGION UND SITTE.
Cocamamas wurden als Mutter des Mais (und der Coca) verehrt. Die
bei der Ernte gefundenen Llallava (deux epis colles) wurden (als Doppel-
ähren) -heilig gehalten und besonders fruchtbares Erdreich erhielt als
Pacha-mama (terrc mere) seine Verehrung. Die Huancas (Steinklumpen)
unterstützten, als Schutzeigenthümer des Bodens, die Feldarbeiten.
Hipa-Huacan, Göttin des Mais, war in den Traditionen mit Ayar-
Ussu-Topa vermählt. Vieljähriger Mais wurde, als Huantazara oder
Ayrihuayzara durch Tänze gefeiert und dann zu Ehren Libiac's ver-
brannt. Besonders gefärbter Mais erhielt als Micsazara oder Matayr-
zara (Caullazara) seine Verehrung und nach rechts gedrehter, als
Piruazara (s. Arriaga). Neben Zaraconopa und Lama-conopa wurde
Micuy-Conopa zugesellt (und Quirquinchuce).
Die Huantas (Ayrigua oder Micsasara) oder Mamasara (Callao-
sara) genannten Aehren wurden bei der Ernte den Huaca geopfert
(s. Villagomez). Die Bezoare (lila) wurden für die Heerden verehrt,
die Curi als Zwillingsgötter (s. Calancha).
„Von ihrem Chacra oder Ackerland nehmen sie dess besten Mays,
legen dasselbe mit etlichen Ceremonien in ein Büschlein, Perua mit
Namen, bewachens drey Nacht, alss dann thun sie den Mays in die
köstliche Decke des Mantel, so sie haben, wenn es wol bereit wor-
den, betten sie den Perua an" (die Peruaner).
Von den geknoteten Wurzeln der Papas wurden Axomamas, als
Conopas gefertigt. Noch jetzt pflegen die Peruaner Korn in ver-
schiedener Farbe und besonderer Gestalt zur Weihe in die Nischen
con SU anaco y lliclla , y sus pos de plala y entienden, que como madre tiene virtud de
engendrar y parir mucho maiz. A este modo tienen tambien Cocamamas para aumento
de la Coca. Otras son de piedra labrada como choclos o mazorcas de maiz , con sus
granos relevados y de estas suelen tener muchas en lugar de Canopas. Otras son algunas
caiias fertiles de maiz, que con la fertilidad de la tierra dicron muchas mazorcas, y gran-
des, ö cuando salen dos mazorcas juntas y estas son las principales, Zaramamas, y asi
las reverencian como a madres del maiz, y a estas llaman tambien Huanijryzara o Ayri-
huayzara. A este tercer genero no le dan la adoracion, que a Huaca ni Conopa, sino
(^ue le tienen supersticiosamenle como cosa sagrada y colgando estas cafias con muchos cho-
clos de unos ramos de sauce bailen con ellas el bayle, que llaman Ayrihua, y acabado
el bayle, las queman y sacrifican a Libiac, para que les de buena cosecha. Con la
misma supersticion guardan las mazorcas del maiz, que salen muy pintadas, que llaman
Micsazara 6 Matayzara 6 Caullazara y otros que llaman Piruazara, que son otras mazorcas
en que van subicndo los granos no derechos, sino haziendo caracol. Kstds Micsazara ö
Piruazara ponen supersticiosaraente en los montones de maiz y en las Piruas (que son donde
guardan el maiz) paraque se las guarde, y el dia de las exhibiciones se Junta tanto de
estas mazprcas, que tienen bien que comer las mulas. La misma supersticion tienen con las
que llaman Axomamas, que son cuando salen algunas papas juntas, y las guardan para
tener buena cosecha de papas (in Peru).
MALQUI. 451
der Heiligen zu hängen (s. Rivero). Die Conopas von Llamas sind
meist ohne Füsse und im Rücken eingedrückt, um daraus Chicha bei
Opferung zu trinken. Die Peruaner verehrten leblose Gegenstände, in
deren jede die Sonne einen Geist eingeschlossen habe, der ihnen
Unterstützung im Leben gewähen könne (erklärt Coreal).
Die Gebeine der Vorfahren wurden in den Gräbern (Machays)
als Malquis oder (bei den Ebenenbewohnern) als Munaos verehrt
und bei den Inca erhielt die Pacarina (Geburtsdämmerung) als Ahn
des Stammes ihre Verehrung in der Mumie oder Malqui. Nachdem
den Huacas (in Cuzco) Verehrung (Mucha) dargebracht war, be.
grüsste der Candidat zur Ritterweihe die Mumien (s. Molina). Die
Huancas brachten den Malquis Homer und Geweihstücke ^) dar,
sowie Felle von Löwen, Füchsen, Gefässe, Kleider u. s. w. Arriaga
erwähnt der Verehrung dreier Riesen zwischen Mumien in einer
Höhle. Die Cara richteten neben den balsamirten Leichen in einer
Nische des Grabes ein incrustirtes Bild^) auf (nach Niza). Almeida
fand bei den Goyataca oder Tapuya (am Paraiba) ein menschliches
Skelett aufgestellt (s. Neuwied), nach dem in Darien herrschenden
Brauch (des Caucathals).
In Peru ergaben sich solche, die zum ausschweifenden Leben
geneigt waren, dem Dienste^) der Mumien (als der Verstorbenen),
indem die beglaubigten Hüter derselben in ihrem Namen alles Wün-
schenswerthe verlangen konnten, und' am Markttage wurden die
Mumien beim Fest umhergestellt, bis Huascar (weil der grösste Theil
des Landes schliesslich den Todten gehörte) die Mumien verbrennen
Hess (P. Pizarro).
*) In Honduras wurden die Knochen des gejagten Wildes in den Häusern aufbe-
wahrt, weil dieses fliehen würde, wenn man jene missachtele (s. Herrera). In Chiapa
wurde Vabalan oder Vahalan (neben Canamlum) als Erster der Schwarzen (oder Neger)
verehrt (s. PiÄeda).
') \^^e in Peru, ,,soo haddcn ook de Groote Heeren in Mexico altyd Afgods-Beelden,
welcke haeren Naem en gedaente voerden" (de Vries). Munaos hiessen die Mumien (in
der Ebene) und ,,Munaij quierc decir el querer, la voluntad o el amor, y Malqui es el
almacigo quo se hace sembrando, para transplantar lo que en el nace y significa tambien
Ig quc en el esta ya nacido para el mismo efecto, que es lo que ellos mas quieren esti-
mar" (auf der Sierra bei den Mumien) ,,Ciiyaspa, esto es, por el amor que les tienen", sorg-
ten die Peruaner für die Verstorbenen (s. Villagomcz). Unter den Techee (den an den
Gräbern schweifenden Gespensterseelen) wurden die (wie Orometua böse) Oromehouhouwe
durch Pfeifen verehrt (auf Tahiti).
*) Los Idolos estaban en aquel galpon grande de la casa del Sol, y cado idolo
destus tenia su servicio y gastos y mugeres, y en la casa del Sol le iban ä hacer reve-
rencia los que venian de su provincta (Ondegardo).
29*
452 RELIGION UND SITTE.
Von Sinchi-Roca wird gesagt, dass er den Dienst des Lingam
(Chutarpu) und Yoni (Huanarpu) eingeführt habe. Huacanqui oder
Cuian-Carumi, der Gott der Liebe ^), wurde mit bunten oder weissen
Steinen, als zwei sich umarmende Personen verehrt.
Die Klosterfrauen (in Peru) wurden getödtet, wenn .schwanger,
ausser wenn sie schwören konnten, „que la empreflö Pachacama, quo
es el Sol" (s. Gomara). Bei den Conchucos wurde eine schöne Jungfrau
dem Huaca vermählt, und diente als Priesterin, mit Bewahrung ihrer
Jungfrauschaft (s. Arriaga). „Virgo praeter caeteris formosissima"
wurde dem Idol Chancha oder Chanca angetraut und galt dann für
heilig (s. BruUius). Der im oberen Stockwerk des Hauses beim
Caziqen Gamaretus gebunden gehaltene Zemi Corocottus schwängerte
Frauen (in Hayti).
Die Sonnenjungfrauen Cuzco's bewohnten unter Mamacunas oder
Anacunas (Aufseherinnen) das Kloster Aclla-huasi, das nur dem Inca
zugänglich war. Nach Pedro Pizarro wurden für Sonnenjungfrauen
Mädchen auch aus niedern Ständen, der Schönheit wegen, ausgewählt,
und dann nicht fiir das Gelübde der Keuschheit.
Die Riesen Punta Elenas wurden durch Himmelszorn wegen
der unnatürlichen Laster vertilgt, die auch die Inca überall auszu-
rotten strebten. Auf dem Isthmus waren dieselben dagegen (zur
Zeit der Conquista) in vollem Schwung. Bei den Mayas führte der
Gott Chin (Cavil oder Maran) die Sodomiterei ein (nach Las
Casas).
Von dem durch den Blitz gefällten Stein weisser Farbe (schwarz
oder gelb) wurde in Form einer Umarmung der Götze Huacan-
qui oder Cuian-Casumi (Carumi) dargestellt, als der Huaca der Liebe.
Durch Cuyaspa (die Liebe, die ihnen bewahrt wird) wurden die Mal-
quis (Mumien) verehrt bei den Huancas, wo die Frauen bei Aussaat
die Erde als Mama-pacha Anbetung zollten.
Unfruchtbare Frauen opferten in Zeug gewickelte Steine oder
Huassa (in Caxatambo). Bei Ersteigen einer Höhe (Apachi) spuöken die
Peruaner auf den Stein Tocanca (Coca oder Maiz opfernd). In Colima
wurde ein höchstes Wesen (ohne Bilder) verehrt und eine Jungfrau,
*) Der Gott der Liebe sprach (in Peru) aus einem weissen, schwarzen oder gelben
Stein, auf dem zwei einander umarmende Personen sculptirt waren (s. Montesinos). In
der Nähe der (mit Tocuyo kämpfenden) Cayones fanden die Spanier (zu Alderete's
Zeiten) ein Haus, voll von Frauen, ,,cada quäl en su aposento acomodado para el exer-
gicio en que se ocupavan, que era de vender sus amores" (Simon).
MENSCHENBLUT. 453
von der die Menschen stammten; in Xalisco wurden dem Kindgott
PiltzinteoUi) Opfergaben dargebracht (in Mexico).
Obwohl mancherlei Angaben den Inca Menschenopfer^) zu-
schreiben, wird ihnen doch im Allgemeinen nachgerühmt, diese
(z. B. bei den Vilcas), sowie die Anbetung von Thier-Idolen, während
ihrer Eroberungen abgeschafft zu haben, und auch die Caras ver-
boten die dem Kriegsgott dargebrachten Menschenopfer in Liri-
bama, wie die Römer die blutigen Riten Cartago's milderten. In
Liribamba wurde ein Menschenkopf in Topfform verehrt, und wie
im vicarircnden Opfer Numa Pompilius den Menschenköpfen Kohl-
köpfe substituirte , so wurden an Stelle der früheren Menschenopfer
von den Peruanern (nach Gomara) den Todten hölzerne Bilder als
Diener mitgegeben, nach Art der symbolischen Grabbeigaben aus
Papier in China. Die Opfer, bei welchen Knaben mit Silber und
Gold begraben wurden, hiessen (nach Santa Cruz) Capaucha-cocuy
(zu Capas-Yupanqui's Zeit).
In Huanuco wurden dem Dämon Cataquilla Kriegsgefangene geopfert
(nach Zarate), in Tumbez Kinder (nach Xerez), in andern Tempeln dem
Supay (dem gefürchteten Diener Pachacamac's) , Mädchen den Hua-
raclla (in Tauca), munificirte F-eindesköpfe von den Passaos, Men-
schenherzen in Puna, wo die Gefangenen vor dem Kriegsgott Tum-
bol ausgeweidet wurden. Die Caranques brachten Kopf und Herz
ihrer Menschenopfer den Götzen dar. Sinchi-Roca Hess die gefan-
genen Cancha.s, nach Ausreisscn des Herzens, opfern, wie Montesinos
erzählt. In Motrip (zwischen Piura und Caxamarca) wurden monat-
lich die eigenen Kinder geopfert, um mit dem Blut die Idole und
Thürpfosten zu beschmieren (s. Oviedo). Als das Opfer einer Jungfrau
für den Dämon Supay*) an der Mündung des Vulcans unterlassen
war, wurde Arequipa mit Asche bedeckt, berichtet de Torres, und
so erzählen die mohamedanischen Legenden, dass das Ausbleiben
*) Wie Garcilasso de la Vega aus einem Briefe Blas Valeras' mittheill, haUe der Inca
zwar Thiere der Sonne geopfert, nie aber Menschen, wie l*olo (de Ondegardo) fälsch-
lich behauptete, wogegen dieser seine Nachricht darüber aus den Registern gezogen
haben will, und auch Sarmiento von Menschenopfern spricht, die Valverde jedoch in
Abrede stellt. ,,Mit der Macht und dem Glänze der Inca nahmen die Menschenopfer
bei ihren Begräbnissen zu, so dass bei dem letzten Guaynacapa, ,,por los registros se le
matavan mill personas de todas hedadeV (1571).
') Als zu Torres Zeit der Vulcan von Omale, llamado de Quinistaquilla, ausbrach,
schrieben die Indianer dies dem Zorn des Zopay (que asi Uaman a el diablo) zu , weil
das frühere Jungfrauenopfer unterblieben sei (lo que tomaran por remedio fue hechar
ochenta personas vivas dentro, para desenojar a su Idolo).
454 RELIGION UND SITTE.
der befruchtenden Nilüberschwemmung ^) gefürchtet sei, als man nicht
länger die Jungfrau ins Wasser versenkt habe. Im Allgemeinen
wird von Kinderopfern, besonders bei dem bösen Wesen, Supay, ge-
sprochen, doch (nach Cieza) waren im Tempel des Pachacamac nicht
nur Thiere, sondern auch Menschen geopfert worden.
Die Indianer von St. Miguel opfern in ihren Moscheen (Tempeln)
Kinder und Verwandte auf den Gräbern, und die zur Opferung Be-
stimmten drängten sich freiwillig dazu (erzählt Xerez), um der dafür
im Jenseits versprochenen Privilegien theilhaftig zu werden. Dem
Huacas Hunoyan wurde Menschenfleisch dargebracht, und den nörd-
lichen Canibalismus im Cauca-Thal schildert Cieza de Leon. Beim
Tode des Fürsten Acoya in Xauxa rettete sich ein Page, der mit
den übrigen Dienern geopfert werden sollte, zu den Spaniern, und
wie Herrera erzählt, flüchtete sich in Pirina (bei Cartagena) ein
Knabe zu den Spaniern,' weil man ihn mit dem Häuptling begraben
wollte. Garcilasso erwähnt der Opfer von Menschenherzen in Tum-
bez, wo Tiger und Löwen verehrt seien. Dem Virakocha wurden
Kinder geopfert, das Reich in Frieden zu erhalten und im Kriege
Hülfe zu gewähren (heisst es bei Dapper). Die Puruha opferten
die Erstgeborenen und bewahrten ihre Knochen in Gefässen, und
dass in einigen Provinzen Perus jeder Erstgeborne geopfert^) sei,
wird von Rivero ausgesagt. Bei Krankheit des Vaters wurde der
Sohn geopfert, damit sich die Gottheit mit ihm begnüge (sagt
Herrera).
«
Auch auf der Insel des Titicaca-See's, wo sich die Sonne ver-
borgen hatte, sollen neben Llama Menschen geopfert sein (s. J. de
*) Die Fruchtbarkeit desselben folgte aus den durch Typhon hineingeworfenen Ge-
schlechtstheilen des Osiris, wie das Meer nach Aufnahme des durch Saturn (Sohn des
Uranus) in seinem Vater entmannten Himmel die Aphrodite gebar.
2) Als die Conchucos genannten Caci(iuen -von Guanuco die Spanier in Truxillo
belagerten und die Gefangenen ihrem Gotte Cataquilla opferten , wurde Gomez von Alvarado
durch Pizarro zur Eroberung Guanuco's (Zarate) abgeschickt. Die Mochicas (zwischen Tum-
bez und Truxillo) hatten (neben Holzgötzen) die (Guatan genannten) Steingötter in den
liochgelegenen Tempeln , wo den geopferten Menschen da» Herz ausgerissen wurde
(s. Oviedo). Die Peruaner (zwischen Guacamba und Caxamalca) opferten jeden Monat
ihre eigenen Angehörigen und Kinder, bestrichen mit dem Blute derselben die Gesichter
der Götzen und die Thüren der Moscheen und sprengten davon auch auf die Gräber der
Verstorbenen. Die zur Opferung Bestimmten weihen sich gerne dem Tode, lachen,
tanzen und singen und verlangen selbst, nachdem sie erst weidlich getrunken haben,
dass man ihnen die Köpfe abschlnge (s. Xerez), Wenn der von den Bewohnern der Antis
(Andes) lebendig Gefressene sich während der Marter standhaft gezeigt hat, so werden
seine getrockneten Knochen auf einem Hügel ausgeset/.i und göttlich duich Opfer verehrt
Blas Valera).
KINDEROPFER. 455
Acosta) und (nach Ondegardo) wurden beim peruanischen Jahresfest
Jungfrauen geopfert.^) Nach Catari würde Guaynay von den in
Felle gekleideten Wilden an der Küste bei ihrem Feste geopfert sein,
wenn nicht durch Ciguar befreit. Santa Cruz spricht von den Kindes-
opfern Mango Capac's, bei denen das Blut ins Feuer gesprenkelt
sei, damit der Dampf zum Schöpfer des Himmels und der Erde
emporsteige, und (nach Herrera) soll bei der Krönung des Inca vor
der Statue Viracocha's em sechsjähriger Knabe geopfert sein. Der
Sonne Kinder opfernd, erhielten die Collas das Orakel ihres Tayta
(s. Salcamayhua). Beim Leichenbegängniss Guanacapa's (in Peru)
, »wurden über tausent Personen unterschiedlichen Alters und Standes
umbs Leben gebracht, allein auss der Ursach, auff dass sie ihm Ge-
sellschaft leisten und im anderen Leben dienen möchten" (s.Humberger).
Ccapac-Yupanqui, auf welchen Santa Cruz das Menschenblut-
opfer Arpay zurückführt, hätte für das Ccapac-cocha genannte Opfer
sich aus verschiedenen Provinzen des Reiches Knaben und Mädchen
liefern lassen, und Montesinos lässt Tupak-Yupanki, der den Auf-
*) Die (viehtreibenden) Einwohner (von Tuküman) halten jährlich ,,ein grosses Fest,
die Seelen ihrer Voreltern auszusöhnen. Zu dem ende bringen sie so viel Strausvogel,
als sie vor die Seelen zu opfern gedenken. Drey Tage lang währet das schwälgen und
sauffen , and am vierden wird das Haupt der schönesten Jungfrau , welche sich selbsten
frey willig zur Schlachtung anbietet , ümgetragen. Da beginnet ein icder ersch röcklich zu
lärmen und zu heulen. Doch diese Traurigkeit währet nicht länger, als eine stunde.
Dan sobald diese verlauffcn ist, folget auf das Weinen ein ausgelassenes Lachen: welches
meistentheils mit unterschiedlichen Mördereyen beschlossen wird. Diese gewohnheit gehet am
allermeisten unter den Mataranern im schwänge. Die Abiponer lauffen zur Sommerszeit
Muttemackt : aber im Winter bedekken sie sich mit Fellen. Den gantzen Leib bemablen
sie mit Flecken, dergestalt, dass sie aussehen wie die Tieger. Die Kahlheit achten sie
vor die höchste Schöhnheit : und kerben die Haut vol Wunden: in welche sie, gleichwie
durch die Nasenlöcher, Lippen, und Ohren, Strausfedem stecken. Dieselben, welche die
greulichste Peinigung mit geduld ertragen, halten sie vor halbe Götter, und tuhn ihnen
grosse Ehre an. Zu solcher Peinigung gebrauchen sie eyseme Pfriemen, und scharfe
Steine. Mit den Pfriemen durchpohren sie den gantzen Leib: und mit den Steinen ziehen
sie die Haut ab. Die Frauen stecken die Brust und das Angesicht vol Perlen: und
ziehen nicht mehr als zwey Kinder auf; dan alle die andern schlagen sie todt. Die
Planer haben keine Wohnungen, sondern schwärmen unter dem blauen Himmel herum.
Die Tobaer, welche Riesen seynd , reden eine zierliche Sprache. Aber ihre Grausamkeit
ist so gross, dass man ihres gleichen kaum findet. Einer von diesen Unmenschen,
Erouaka, schlachtete, im eintausend sechshundert und sieben und dreissigsten Jahre, seine
eigene Schwester, Ehefrau, Mutter und Kinder, und verzehrete sie. Wan sie einen
Kriegeszug tuhn wollen, brahten sie ihre eigene Töchter und Söhne, und nehmen sie
also zur Zerung mit sich auf den Weg. Wan iemand kranck wird, den scharren sie straks
lebendig in die Erde. Die Kaaguiarer wohnen in dichten und dicken Büschen, da ihre
Hütten von einander abgesondert liegen: und leben von den Würmern, Meusen, Ameissen,
Affen, Tiegem, und dann vom wilden Honige. Die meisten gehen buckelicht gekrümmel,
und alle mitemander mit Fellen bedeckt,"
456 RELIGION UNI) SITTE.
stand seines Bruders rutano-Uman unterdrückte, zur Abwendung
böser Omen neben Lama^) auch Knaben und Mädchen opfern. Aus
den Häuten der besiegten Collas soll Tupac-Yupanqui Trommeln
verfertigt haben, und wie Herrera erzählt, Hess Ynga-Yupangui nach
Besiegung der meuterischen Chancas die mit Asche und Stroh aus-
gestopften Körper in einem Gräbertempel (Cuzco's) aufstellen (wie
sich Aehnliches im Norden bis Darien findet). Der Kriegsgefangene
(der Huancas) wurde beim Opfer g(!rschunden (s. Cieza).
Als Topa Yupanqui auf Befragung des Orakels von Pachacamac
erfuhr, dass ihm die Opfer von Menschen und Schafen die liebsten
seien, wurden viele solcher dargebracht (s. Brullius). Wie Cieza
bemerkt, opferten die Vorfahren der Inca Blut von Lama und Men-
schen auf dem Hügel Huanacaure (bei Cuzco). Nach Acosta wurden
bei der Krönung des Inca 200 Knaben geopfert, durch Erdrosseln,
zum Theil auch durch Köpfen (und ebenso Jungfrauen der Klöster).
Bei den Thieropfern wurden (nach Herrera) von den Kriegern
die Herzen schwarzer Hammel geopfert, damit so die Herzen ihrer
Feinde verblichen, während in Mexico der Gottheit Menschenherzen
geweiht wurden, um durch das ihnen innewohnende Princip des
Lebens die aus jener das All durchwaltenden Naturkräfte stetig auf-
zufrischen.
Der Kopf des zu opfernden Thieres wurde von den Peruanern
bei der Anrede des jedesmaligen Gottes gegen die Sonne gerichtet.
Die Tarpuntaes genannten Priester verbrannten Thiere für den Gott
Haanacauri. In Huamachuaco (wo bunte Steine in den Huacas der
Schneehöhen verehrt wurden) wurden die Schafe und Lämmer (oder
Lama) zum Opfer abgehäutet (s. Cieza). Um den Inca gegen Ver-
giftung sicher zu stellen, wurden (nach Beobachtung von Fasten)
schwarze Hunde 2) (Apurucos) geopfert (und so bei Krankheit desselben).
In Jauja wurden Hunde (AUjo oder Allco) geopfert, w^ährend
das Prototyp dieser Thiergattung Verehrung erhielt- Die selte-
nen Vögel der Wüste bildeten ein geschätztes Opfer. In Chin-
^) Die Peruaner beobachteten bei denOpfeni die Karbender Lama, ,, solche mussten sein
nach den Zeiten und underschiedhchen Würkungeu" (de Bry).
2) Weil von den Hunden stammend, vermieden die Chepewäyer (Spitzröcke) den
Hund als Zugthier zu verwenden und beluden ihre Krauen. Die Ptoemphanac (Kunj) hatten
(nach Plinius) einen Hund zum Herrscher. Itzcuintli bezeichnet (im Mexicanischen) Hund,
wie Izcuintepotzotl oder buckligter (lepotzotli) Hund, eine verschieden von dem stummen
Hund Techichi (Steinhund von TetI oder Stein), eine Spielart des gemeinen Hundes, den
man in Anahuac Chichi nannte (s. Humboldt). Tschudi unterscheidet den (unbehaarten)
Canis Caraibicus (der sog. perrus chinos) und den Canis Ingae (in Mumiengräbein ge-
funden). Die Perros mudos hiessen (am Orinoco) Majos oder Auries (153$)«
DEIFICIRUNG. 457
chacocha wurden den Lagunen Urcococha und ChoclococKa, aus
denen die LIama hervorgegangen, solche Llama geopfert. Bunte Lama
wurden dem Donner (Chuquilla) für Wasser geopfert, weisse (für
Zeugung) der Sonne, braune (als guanaco) dem Viracocha (s. Acosta).
Der Kopf des geopferten Lama wurde nach Osten gerichtet. Am
Raymi-Fcst wurde ein schwarzes Lama (als heiliger Farbe) geopfer.
(s. Garcilasso). Arpay war das Opfer eines weissen Lama.
Das Schlachtenglück zu befragen, wurden F'ettklumpen verbrannt
Die Layccas, Umus, Canchas, Vallavicas, Contivicas, Canavicas und
Auzcovicas orakelten beim Opfer. Neben den Hulla -huisas, Cunti-
huisas, Caua-huisas prophezeiten die Canchüs, Carcas', Umus, Uscatus
und Huisas. Vor dem Krieg wurde in der Puna die Ceremonie Cus-
covigga oder Contevigga (Huallavigga oder Sapovigga) beobachtet.
Die Frage hinsichtlich der Menschenopfer wird flir Peru dahin
zu lösen sein, dass bei den eingeborenen Stämmen dort, wie anderswo,
Blutopfer jeder Art an der Tagesordnung waren, aber nach der
Unterwerfung unter die geordnetere Herrschaft der Inca gesetzliche
Beschränkung fanden, während bei diesen selbst die Ceremonien
eines Mysteriendienstes für besondere Fälle blutige Riten verlangten,
wobei zur Wirksamkeit des magischen Erfolges mitunter eine Ver-
längerung der Scala bis zur höchsten Stufe, der menschlichen selbst,
verlangt werden mochte, während die Mexicaner sogar bis zur Gott-
heit fortschritten. „Die Mexicaner pflegten dem Schlachtopfer die-
selben Kleider und Kennzeichen anzulegen, als der Gott trug, dem
sie geopfert werden sollten", (bemerkt Clavigero), und so fiel bei
dem Fest Tezcatlipoca's der ihn vorstellende^) Gefangene zum Opfer.
„Er ward bereits ein Jahr davor dazu ausgesucht, und trug die
ganze Zeit eben die Kleidung wie das Götzenbild, er durfte durch
die ganze Stadt, jedoch nicht ohne Begleitung einer starken Wache
gehen, und ward von Jedermann als das lebendige Bild des Gottes
angebetet. Zwanzig Tage vor dem Fest verheirathete man ihn an
vier schöne Mädchen, und fünf^) Tage zuvor gaben sie ihm präch-
^) When lie went abroad he was attended by a train of the royal pages, and as
he hahed in ihe strects lo play some favourite melody, the crowd prostrated themselves
before him and did hoinage as the representative of their deily (Prescolt).
*) Cinco dias antes de llegar ä la fiesta, donde habian de sacrificar d cste mancebo,
honrdbanle como d dios. El sefior se quedaba solo en su casa, y todos los de la cortc
le segnian y se hacian solemnes banqueles y areytos ö bailes, con muy ricos atavios.
Kl prinicr din le hacinn fiola en tl barrio «jue llaman Tecaninan; el scgundo donde se
guardaba la imagen de Ttzcallipoca: el tercero tu cl montecillo: el cuarto que se llama
458 RELIGION UND SITTE.
tigc Mahlzeiten, und erlaubten ihm alle Vergnügungen des Lebens.
Am Feste selbst ward er unter zahlreichem Gefolge zum Tempel
des Tezcatlipoca gebracht, ehe sie aber dahin gelangten, bekamen
seine Weiber den Abschied. Er begleitete den Götzen bei der Pro-
zession, und wenn die Stunde des Opfers da war, legte man ihn auf
den Altar, der Oberpriester öffnete ihm mit grosser Verehrung die
Brust, und riss das Herz heraus. Sein Körper ward nicht wie bei
andern Schlachtopfern die Treppe heruntergeworfen, sondern von
den Priestern hinunter getragen. Am Fusse des Tempels schlug
man ihm den Kopf herunter, und steckte ihn auf den Tzompantli
unter den übrigen Köpfen der Schlachtopfer des Gottes auf Seine
Beine und Arme wurden für die Tafeln der Grossen zubereitet.
Nach Vollendung des Opfers stellten die Jünglinge aus den Colle-
gien, und die beim Opfer gegenwärtig gewesenen Adelichen einen
grossen Tanz an."
Nach Sahagun wurde bei dem P'este des Monats Panquetzalitzli
das aus Samen und Teig mit dem Blut der Menschenopfer gekne
tete Bild des Gottes Vitzilopuchtli von den Priestern aus dem Tem-
pel nach ihren Wohnungen mitgenommen, um es dort beim Festes-
mahl zu verzehren (hacian convite con ella ä sus parientes y ä todos
los de SU barrio). Und diese Ceremonie wurde Teoqualo^) (das
Tepetzinco, qiie cslä en la laguna ilquioa, antlalpia , antlalcuya , micontlalpia, itoci. El
cuarto en otro montecillo (jue esla tambien en la laguna que se llama Tepepulco. Aca-
bada esta cuaita fiesta, ponianlo en una cauoa en que cl rey solia andar cubierta con su
loldo, y ton el d sus mugeres que le iban consolando, y parliendo de Tepepulco, nave-
gaban acia una parte que se llama tlapizcoaian que es cerca del canipo de Iztapalapan,
que vd dcia Chalco, donde estd un montecillo que se llama Acaquilpan, Olcoaltcpec: en
cbte lugar le dejaban sus mugeres y toda la otra gente, y se \olvian para la ciudad:
solomente le acompafiaban aquellos ocho pages que habian andado con el lodo el aiio:
Llevdbanlo luego a un Cü pequeilo y mal alifiado que estaba a orilla del Camino , y
fuera do poblado, distante de la ciudad una legua 6 casi. Llegado d las gradas del Cü,
tl mismo se sabia por ellas arriba, y en la primera grada hacia pedazos una de las
flautas conque habia taüiedo en el tiempo de prosperidad, en la segunda rompia otra , y
en la tercera otra, y asi las acababa todas subiendo por las gradas. Llegando ariba d
lo mas alto del Cü, estaban aparejados los Sdtrapas, que le habian de matar, y toma-
banle y echdbanle sobre el tajon de piedra, y teni^ndole por los pies y por los manos,
y por la cabeza, echado de espaldas sobre el tajon, el que tenia el cuchillo de piedra
metiasele por los pechos con un gran golpe, y torndndole d sacar, metia la mano por la
cortadura que babia hecho el cuchillo, y arrancdbanle el corazon que ofrecia luego al sei.
^) A rite analogous in some aspects to the Christian communion , was observed on
certain occasions thus in the 15 month a dough stalue of Huitzilopochtli was broken up
and distributed among the men, this ceremony was called Teoqualo, meaning in „the
god is eatcn" (H. Bancrofi). Lo recibian con gran reverencia, humiliacion y Idgrimas,
dicieudo, que comian la carne de su Dios (Veytia).
OBLATEN. 459
Kauen des Gottes) genannt. Nach Torquemada wurde das dabei
gesegnete Wasser von einem Gefass unter^) dem Altar (en una vasija
debajo del Altar) aufbewahrt, um es später für verschiedene Cere-
monien zum Gebrauch zu haben (se usaba de ella para bendecir, ö
consagrar al rey, quando se coronaba, y a los capitanes generales,
quando se avian de partir a hacer alguna guerra, les daban a beber
de ella, con ciertas ceremonias). Von dem heiligen Brodteig der
Totonaken^), der mit dem Herzblut von Kindern gemengt war,
mussten die Männer über 25 Jahre und die Frauen über 16 Jahre
alle 6 Monate Theil nehmen. Diese Masse wurde aufbewahrt, und
von Zeit zu Zeit mit neuem Blut menschlicher Schlachtopfer ange-
feuchtet. Auch beim Monatsfest Toxcatl verfertigten die mexicani-
schen Priester, nachdem sie die Repräsentanten Tezcatlipoca's ge-
opfert hatten, eine Teigfigur Huitzilopochtli's, die (s. Sahagun) mit
den Insignien des Gottes geschmückt und auf einer Sänfte in Pro-
cession getragen (ibanla Uevando como en andas), bis zum obersten
Stockwerk des Tempels hinaufgezogen und dort auf den Sessel des
Gottes gesetzt wurde, um später Opfer (von Wachteln) zu empfangen
und Räucherungen unter Schwenken der Censarien.
Beim peruanischen Raymifest wurde von den Sonnenjungfrauen
geheiligtes^) Brod gebacken, das neben dem ebenfalls in ihren
') In den CiLorUn schwebt das lialbmondförmige Gefass (die I.unula) oberhalb des
Altars. Aehnlichden tragbaren Kelujiiienbehähern(monstnim oder ostensorium) oderMonstran-
tia reliquiarum wähUe man ein Gefass (das m e:nem Cylinder von Kristall die Eucharistie
aufnehmen konnte) ,, als in Folge der Einführung der Fronleichnämsprocession (1264) ^^*^
üffentliche Aussetzung und Vorzeigung der bis ,, dahin gewöhnlich im Ciborium verborgenen
Eucharistie in Gebrauch kam" (,,maison Dieu" unter den französischen Synonymen) mit
der Pyxis odtr Theothtca (als Aptiiheca für die Häretiker). Das Tabemaculum gestato-
rium (Monstranz oder Ostcnsoriuni) muss nach Vorschrift der heihgen Congregation der
Gebräuche (16. Decbr. 1O49) benedicirt werden (vor dem Gebrauch). ,,Das Allerheiligste
ruht in demselben unter Glas oder Kristal auf einer halbmondförmigen Gabel (Lunula),
die gewöhnlich aus Silber und vergoldet ist, ja nach der Ansicht vieler Theologen min-
destens silbern und vergoldet sein muss, jedenfalls aber mit der Monstranz selbst bene-
dicirt wird."
^ Los Totonaques de tres en ires aüos mataban tres Nifios, sacabanles los coragones,
y de la sangre que de alli salia, y de cierta goma, que Ilaman Ulli, que sale de un Ar-
bol en golas blancns, y despnes sc buelve negra, como pez, y de ciertas semillas, \a%
primeras que salinn en una Huerta , que en sus Templos tenian, hacian una confeccion,
y mafa. Esta tenian por cosa sagrada, con orden, y precepto, que de seis en seis nteses
los Hombres de veinte y cinco Aüos avian de bolver d hacer la mesma ceremonia, y las
Mugeres de.diez y seis. Llamaban a esta masa Tayoliaytlaquiiil, que quiere decir: Man-
jar de nuestra vida.
') La hariiia ])ara esie pan, principalmcntc lo que el Inca y los de su sangre real
habian de comer, la molian y abniasaban las virger.e», cscogidas mugcrts del sol, y estas»
460 RELIGION UND SITTE.
Klöstern bereiteten Rauschtrank beim ceremonicllen Mal von den
Incas verzehrt wurde und Acosta sah darin eine satanische Nach-
ahmung^) des Sacramentes.
Das sog. Geheimniss des Altarsakramentes (s. Henno Am. Rhyn)
entwickelte sich aus den „schwärmerischen Ideen, welche das Christen-
thum mit der Vergöttlichung seines Stifter's in die europäische Welt
hineingetragen hat. Kein Glaubenssatz, wie dieser in seiner anthro-
pophagischen F*ormulirung vom Essen des Leibes und Trinken des
Blutes hat die Menschheit so sehr in Aufregung versetzt, und zwar
in eine Aufregung, welche soweit ging, dass blose ritualistische
Aenderungen in der Uebung dieses Geniessen's, wie z. B. der Wechsel
zwischen einer Gestalt und zweien solchen, sogar blutige Kriege und
Länderverheerungen hervorrufen konnte. Den Höhepunkt der Ver-
götterung eines Menschen nicht nur, sondern einer an dessen Stelle
tretenden, von Menschen gemachten Sache erreichte dieser aus krassem
Missverständniss entsprungene verhängnissvolle und fanatische Glau-
benssatz unter Innoncenz III., als das Niederwerfen vor der Hostie
und deren Aufbewahrung in prachtvollen Gehäusen und Behältnissen
(Monstranzen und Tabernakeln) aufkam." Bei Chrystomos wird das
%h)(Sia xaO^oXixi^ als „schauerliches Gastmahl" bezeichnet.
„Man muss sich hoch verwundern, dass der Teuffei, als ein
Fürst der Hoffart ein Fest zu Mexico angericht, welches sich mit
mismas guisaban loda la demas vianda de aquclla licsla; porque cl hanquele mas pareaa
que lo hacia el sol a sus hijob quc sus hijos ä cl, y por tanto guisaban las virgenes
comu mugeres (jue eran del sol. Para la demas genle comun amasaban el pau y guisa-
ban la comida olra infinidad de mugeres deputadas para csto. Empero el pan, aunque
era para la cumunidad, sc hacia con atcncion y cuidado de que a la nienos la harina la
tuviesen hecha doncellas, ponjue cstc pan lo tenian por cosa sngrada, no perniiliendo
comerse entre aüo sino en sola esia festividad; quc era fiesla de sus fiestas.
*) In the distribution of bread and wine at this high festival the orthodox Spaniards
who first canie into the country saw a strikmg resemblance to the Christian communion,
as in the practice of confession and penance (s. Prescott), sowie in Mexico (nach Mendieta)
auch in der Taufe, wobei die Göttin Chalchihuitlicue von der Hebamme angerufen wurde.
Die ganze Ceremonie findet sich umständlich bei Sahagun beschrieben , doch fehlt dabei
eine Aufklärung, wie es mit den Missgeburten gehalten wurde, worüber die Missionäre
Belehrung geben konnten. Hinsichtlich eines Monstrum gilt (im Catholicismus) die
Regel : „So viele Köpfe oder Brüste sind , so viel sind es Menschen" und so oft ist zu
taufen. Ist Gefahr im Verzuge, so sind die zwei oder noch mehr Menschen, aus denen
das Monstrum besteht, mit einander zu taufen. Lässt sich aber die Zahl der Köpfe der
Brüste nicht mit Bestimmtheit angeben, so ist der deutlich erkennbare Kopf oder die
deutlich erkennbare Brust zuerst unbedingt zu taufen, und hierauf der nicht deutlich
kennbare Kopf oder die nicht deutlich kennbare Brust bedingnissweise (Fr. X. Schmid).
,,Ahora otra vcz se purifica y se limpia, y otra vez le forma y engendra nuestra madre
Chalchivitlycue" hiess es in der Formel des mexicanischen Baptismus (bateo).
FEST. 461
dem Fest Corporis Christi vergleichet, solches aber stellt er also an :
die Mexicaner begiengen ihr vornembstes Fest dem Abgott Vitzli-
putzli zu Ehren im Monat Maio. Zween Tag für diesem Fest, kamen
die Jungfrawen, welche, wie zuvor gemelt, den Klosterfrawen gleich
waren, und sich im selben Tempel underhielten, zusammen, mahlten
eine grosse Summe Bledos oder Meyer Samen, so mit geröstem
Mays vermischet ist worden, kneteten es mit Honig, und machten
darnach auss demselben Teig ein Abgott so gross, als das Höltzern
Bild, setzten anstatt der Augen grüne, blawe und weisse Corallen,
anstatt der Zeen die Gran von Mays, ziereten es mit allem Gewandt
und Teppichen, wie oben erzehlt. Wenn er nun allerdiengs fertig
war, kamen die Herrn samptlich, brachten ein köstlich und schönes
Kleyd nach des Abgotts Tracht zugericht, zogen jm dasselbig an.
Nach dem diss geschehen, setzten sie ihn auff ein blawen Stuel, in
seine Senftte, dass man ihn auff den Schuldern tragen könnte. Da
nun der Tag des Festes erschiene, kamen vorgenannte Jungfrawen
eine Stund vor Tag mit weissen Kleidung angethan, und newen
Zierrathen umbgeben, auff diesen Tag wurden sie genennet Schwestern
des Gottes Vitzliputzli. Auch trugen sie Kräntze von geröstem oder
gequollenem Mays, und dicke Schnür umb ihre Hälss, auch hierauss
gemacht, welche biss under ihren lincken Arm reichten, ihr Ange-
sichter und Backen waren mit Färb angestrichen', und ihr Arm
von Elenbogen herab biss auff die Hand, waren mit allerhand
Psittichfedern gezieret. Auf diss Zierathen und Bekleyden nah-
men sie die Senffte dess Abgotts auff die Schulder und trugen
ihn an das Ort, da die Jüngling mit einem Gewand von schönen
Netzen bekleydet, und mit solchen Kräntzen wie die Jungfrawen ge-
krönet stunden. Alssbald sie mit dem Abgott herbeykamen, naheten
die Jüngling mit grosser Ehrerbietung herzu, nahmen die Senfft auf
ihre Schulder, trugen ihn biss an die underste Stuffe dess Tempels,
da sich die gantze Gemeinde für den Abgott demütiget, und beuget,
nahmen Erd vom Estrich, legten sie auff ihre Häupter, welches
bey ihn ein gemein Werck war auff den vornembsten Festen ihrer
Götter. Wenn diss Gepräng also geschehen, fing die gantze Ge-
mcindt in einer Procession an zuziehn, und solches so eilends, als
immer möglich, und begaben sich auff einen Berg, Chapultepec ge-
nannt, so ein Meyl wegs von der Stat Mexico läge, da geschähe
ein Vermahnung, und alssdann das Opffer. Nach solchem schieden
sie in aller Eyl von dannen, gingen auff ein Ort nit weit davon Atla-
462 RELIGION ÜKD SITTE.
cuiauaya genannt, da thäten sie noch eine Vermahnung. Daselbst
gingen sie fort auff einen Flecken, ein Mcyl wegs weiter gelegen,
so genannt ward Cuyoacan, da sie wider nach Mexico kehrten, ohn
dass sie einmal ruheten. Diese Reyss, wxlche umb vier Meylcn
lang wehrete, volnbrachten sie in drey oder vier Stunden, und nann-
ten solche Procession Ypaina Vitzliputzli, das ist, die eilende Reyss
Vitzliputzli. Wann sie wider heim kamen, und zu der understen
Treppen naheten, setzten sie den Sessef oder Sänffte nieder, namen
dicke, stercke Seyl, bunden solche an die Handhabe dess Sessels,
und zohen etliche oben, etliche schuhen unden fort, dass sie also
den Abgott mit der Sänfften biss oben auff den Tempel brachten:
Derhalben aber zohen sie jn hinauff, weil die Treppen schmal waren,
und die Stuffen hoch hinauff giengen, unnd sie jnen also auff den
Schultern nit hinauff bringen konnten. Under dess, dass man den
Abgott hinauff zohe, stund die gantze Gemeindt auff dem Platz mit
grosser Demuth und Forcht. So bald sie jn nun hinauffgebracht,
trug sie jm in ein Capellen von Rosen, welches hierzu erbawet wor-
den, von stund an kam diee Jüngling, unstrewtcn ringsherumb viel
Blumen von underschiedlichen Farben, dass sie den Tempel in- und
ausswendig damit erfiilleten. Nach diesem kamen die Jungfrawen in
jren vor erzehltem Habit und Kleydungen, brachten auss jrer Kam-
mer etliche Brätzelen so von geröstem Mays und dem Kraut Bledos
oder Meyer gemacht worden, eben von dem Teig, da der Abgott
von gebacken, von Gestalt waren sie wie grosse Bein, gaben solche
den Jünglingen, welche sie hinauff trugen und für den Abgott nieder-
legten, so viel, dass nichts mehr liegen mochte. Diese Brätzlen
nannte sie Fleisch und Bein Vitzliputzli. Da nun die Bein also lagen,
kamen die Eltesten, Priester, Leuiten und Kirchendiener ausser dem
Tempel, ein jeder nach seinem Alter und Ampt, und hielten ein
schöne Ordnung, ein jeglicher trug einen Schleier von Netze, so mit
vielen Farben und Stick werk gemacht, nach dem es eines jeden
Ampt erfordert. Sie hatten auch Kräntz auff ihren Häuptern und
ein Rey Schnür von Blumen umb ihre Hälse. Nach ihnen folgten
die Götter und Göttinen, so sie anbetteten, in underschiedlicher Ge-
stalt und Kleydung, wie zu vor Meldung geschehen. Wann sie sich
nun ordentlich zurings umbher vorangedeute Bretzel gesazt hatten,
machten sie viel Gepräng damit, sungen und spielten, und segneten
sie damit, blieben also Fleisch und Bein vorgemeldtes Abgotts, und
wurden geehrt, wie ihr Gott. . Von stund an kamen die, so Opffer
tXxze. 463
thäten, von den Menschen, und machtens also, wie vor diesem er-
zehlt worden.
Auff diese Zeit wurden allzeit mehr geopffert, als auff andern
Tagen, weil es ein so hohes Fest war. Als daz Opffer verricht,
kamen alle Jüngling und Jungfrawen auss dem Tempel, Gliedweiss
nach einander, also dass die Jüngling gegen über stunden, tantzten
und Sprüngen nach dem Trummenschlag dem Abgott zu Ehren, umb
dess willen sie dz Fest hielten. AufF den Gesang antworteten alle
Herrn, Eltesten und vornembsten dess Volck, tantzten rings umb sie
her, machten also zusammen einen hüpschen runden Tantz, wie sie
$onst zu thun pflegten: die Jüngling und Jungfrawen blieben allzeit
in der Mitt: die gantze Statt lieff an das Ort, da solches getrieben
ward, und sähe zu. Dieser Tag dess Abgotts Vitzliputzli ward durch
das gantze Land streng gehalten, niemand dorfft etwas essen, als
nur von dem Teig, davon der Abgott zugericht worden. Solch
Speiss aber musst man dess morgens frühe, wenn der Tag anbrach,
essen, und nichts darzu trinken, biss der Mittag für über käme. Da
einer diss Übertratte, hielt mans für ein Kirchenraub, und ein böses
Prognosticon. Wann diss Gepräng ^in End genommen, mochten sie
ander Ding essen. Unterdess, dass sie mit diesen Dingen umb-
giengen, verbargen sie den Kindern das Wasser, und warneten die,
so zu ihrem Verstand kommen, sie sollten kein Wasser trinken, da-
mit sie nit In Zorn Gottes fielen, und sterben müsten. Da nun all
diss Gepräng, Tantz und Opffer verrichtet ward, zogen sie die Kleyder
ab: die Priester und Obersten des Tempels, namen den Abgott von
Teig, zogen ihm seinen Habit ab, zerbrachen ihn, wie auch die
Bretzeln, so geweyhet waren, machten davoil viel Brocken, theilten
die auss, fiengen an den vornembsten an, darnach gaben sie es der
gantzen Gemeinde gross und klein, den Weibern so wol als den Män-
nern, wie man das Abendmahl pflegt ausszutheilen: Sie empfiengens
auch mit grosser Ehrerbietung, Forcht und Threnen, darüber man
sich verwundem muste. Sie sagten, sie essen Fleisch und Bein von
ihrem Gott, und hielten sich unwürdig, dass sie solcher Wolthaten
geniessen sollten. Die, so krank waren, Hessens durch einen andern
fordern, und ward ihnen mit grosser Ehr und Ernst gebracht. Alle,
die das Sacrament empfiengen, die hielt man dafür, dass sie den
Zehenten des Saamens davon der Abgott gemacht worden, bezahlten.
Nachdem nun das Abendmahl gehalten, stieg einer auss den Eltesten,
der in grossem Ansehen war, auff, prediget und verkündiget mit
heller Stimm ihr Gesetz und Gepräng. Wer wollt sich nit verwun-
464 RELIGION UNI) SITTK.
dern, dass der Teufifel so seltzame Practicken herfür suchet, dass er
nur angebetten würde, und solches alles aufif die Weiss, wie mans
bey den Christen hält. Daher man genugsamb spüren und abnem-
men mag, dass der Sathan, wie anfänglich erkläret, nichts anders
suchet, dann dass er Gott sein gebürend Ehr und Dienst entziehen,
und den Menschen in Unfall bringen möge, sintemal er anders nichts
ist, als ein Todtschläger, unsauber Geist und ein Vatter der Lügen."
(1597).
Zum Regenzauber stellte Inca Huaynacapac (als Oberpriester des
Dämon Zupay) auf einem Berg zwei Krüge stinkenden Wassers auf,
um die Dünste herbeizulocken und zu sammeln, wie der Basuto-
Häuptling in seinem Fetischhaus die mit dem Fruchtwasser der Ge-
bärenden» oder in Schwangerschaft Verstorbenen gefüllten Hörner.
Die Pflanzungen schützte man durch Aufstellen von Schildkröten-
schalen (Quirquinchuque) vor dem Betreten. Für Wahrsagungen
wurden Lunge und Herz der Opferthiere oder die Bewegungen abge-
rissener Spinnenbeine beobachtet, sowie der Vögelflug, das Zucken
von Muskeln u. s. w. Die Eingeweide von Eulen und Eidechsen
dienten zum Orakel. Die Calpariac weissagten aus aufgeblasenen
Lungen der Vögel und Schafe (s. Molina), die Virapiricue aus dem
Verbrennen von Fleisch (Bruststücke) und Coca, die Camascas aus
dem Donner, die Achicoc aus Dung, die Yacarcaes (in Huaro) aus
den mit Röhren (aus Messing, von Kupfer und Silber verfertigt) an-
geblasenem Feuer. Giftpflanzen fanden Verwendung in den Zauber-
Operationen. Den Häuptlingen gewährte der durch den Trank
Achuma erregte Rausch die Extase eines Sehers. Die Priester wür-
felten mit Steinchen, um die Bedeutung der Conopas (als Steine, Zeug-
stücke, Bezoare oder gurcu u. s. w.) zu bestimmen. Besonders ge-
formte Steine*) wurden als Schutzgötter oder (in Cuzco) Chancas
(Corropasques oder Huaymayoc) betrachtet. Ungünstige Omen
Wessen Ccalla - sana. Als HuaynaCapac in Quito den von einem
Boten im schwarzen Mantel gebrachten Kasten öfliiete, flogen
Schmetterlinge heraus, die Pest verbreitend.
Mit dem Schaf über dem rechten Arm blickten die Peruaner
1) Zum Orakeln erhielt Helenes von Apollo einen redenden Stein, der in den Händen
zu schwingen war, als Klapperstein (oder Thoneisenstein). Dem mit den Steinen Kentura
gefüllten Kürbis am Wohnsitz des Häuptlings (bei den Tapuijem) durfte nur unter Tabak-
rauchern oder mit Opfergaben genaht werden (s. Dapper). Zu Huanuco (mit Spuren
der alten Strasse) wohnten „etliche Wahrsager, welche aus dem Gestirne künftige Dinge
vorher zu sagen wussten" (Dapper).
(;i\\xo. 465
nach der Sonne „und murmelten in ihrem Munde bald diese, bald
jene Worte nach der unterscheidlichkeit der Farbe, denn im Falle es
graue Flecken hatte, redeten sie zu dem Chuquilla oder Donner,
wan es weis und kurtzhärig war, zu der Sonne, wan es aber rauch
war, zum Viracocha. In der Stadt Kusko ward der Sonne zu Ehren
alle Tage ein kurtzhaarichtes Schaf mit einem rohten Brustrokke
geopfert. Auch zündete man ein grosses Feuer an, welches die
Peruer Vibbakaronka nannten. Hierein warfen die Priester das Schaf,
mit etlichen Körben von Koka". Bei dem zur Siegerlangung dar-
gebrachten Opfern (Kazovicka und Sapovicka) warf man Vögel „in
die Flamme und ging mit runten ekkichten Steinen rund um dieselbe
herum. Auch brachte man gemahlte Schlangen, Leuen, Kröhten
und Tiegertiere getragen, und rief fort und fort mit lauter Stimme:
Usachum, gieb uns Siegl wie auch die Vernichtung der Feinde er-
beten wurde (s. Dapper).
Von Sallango oder Pisco wurden die von Seehunden bewohnten
Inseln besucht (s. Cieza). Den Huaca auf den Guano-Inseln^) wurde
in einem Boot Mais und Chicha zum Opfer gebracht, damit der
Dung wachse (s. Avendafio). Auf der heiligen Insel Santa-Clara (bei
Puna) fand Pizarro ein Steinbild mit Menschenköpf in zugespitzter
Form, sowie Gaben von Gold und Silber, Gewänder u. s. w. und in
den Tempeln der Insel La Plata (bei Puerto viejo) Silberstücke in Form
von Händen, Frauenbrüsten, Köpfen u. s. w. (als Votivdarbringungen).
Bei der Abfahrt von Huacha (für die Farrallones de Huaura)
wurde (aus den Balsas) Chicha zum Opfer auf die Küste gesprengt, „y
cuando llegavan a la isla adoravan a la Huaca Huamancantac como
el sefior de Huano, y le ofrecian las ofrendas, paraque les dexasse
tomar el Huano, y en llegando de buelta al puerto ayunavan dos
dias, y luego baylaban, cantavan y bevian" (Arriaga).
Die den Huacas dargebrachte Chicha hiess (in Chancay) Yale
oder (nach Villagomez) Tecti und fiir diesen Zweck fanden sich „muchos
vasos y vasijas de diferentes formas" (s. Arriaga). Bei den Botocuden
wurde aus gegohrenem Mais das Viru genannte Getränk bereitet.
Bei den Opfergesängen für die Huacas trugen die Peruaner „en la
cabega unas como mcdias lunas de plata que llaman Chacrahinca y
otras que llaman Huana (s. Arriaga).
*) Depuis plus de lOO ans on en charge tous les ans lo ou 12 navires pour en-
graisser les terres (tle Tarapacu) mit dem (luano der Insel Itpii«iiie, l»cnierkt Krezier (171 1),
und damit wurde in Arica der Aji gezogen.
Bastian: America. I. *^
466 RELKJION UND SITTE.
Bei den Callpactaricusum genannten Ceremonien wurden (nach dem
Fest) der Blutauslauf des Opferthieres beobachtet. Die als Opfer
dargebrachten Chaquiras (neben Federn und Meermuscheln) wurden
auf die Riesen Puerto viejo's zurückgeführt.
Nach Mexia wurden den Smaragden des Häuptlings von Manta
Opfer dargebracht (als Gott der Gesundheit). Bei Krankheiten
opferte man den Huacas und Vilcas der vier Provinzen. Auf den
Höhen wurde den Chupasitas geopfert. Wenn die Träger des Opfers
(Ccapacocha oder Cachahuaca) die Strasse zogen, durften weder sie
noch ihre heilige Bürde angeblickt werden. Beim Essen des Yahuar-
sancu (oder Blut-Brodes) wurden Gelübde abgelegt (beim Situa-Fest).
Die Mollo genannten Meermuscheln ^) wurden als Töchter des
Wassers den Quellen geopfert (s. Acosta). Das Fest Isuraymi wurde
(in Peru) des Regens wegen gefeiert (oder bei Epidemien).
Bei dem Contevicza (cuzcovizca) oder Hullavicza (Sopavicza) ge-
nannten Opfer der Vögel (aus der Puna) umschritten (in Peru) die
Priester (um die Kraft der feindlichen Guaca zu vermindern) das
Feuer, mit eckigen oder runden Steinen, auf denen Schlangen,
Löwen, Tiger und Kröten sculptirt waren, in der Hand, glücklichen
Erfolg (usachum) dfem Heere wünschend (s. Acosta).
Dem Gott Ataguju wurden (inGuamachuco) seine Opfer auf Pfeilern
dargebracht, und sonst wurden in Peru die Opfer (lir Regen auf Pfeilern
aufgesteckt, wie in Mexico die Menschenopfer für Tlaloc an Pfeilern
erschossen wurden. In Bogota stand vor jedem Tempel ein Pfeiler,
so dass dieser Anblick Quesada zu der Benennung als valle de las
alcazares veranlasste. Die Humaras genannten Gewänder wurden
den Huacas dargebracht (unter den feinen Zeugarten oder Churipi).
Der Erde (Pacha-mama oder Chuco-mama) wurde geopfert, um
Kräfte zu erhalten (aus dem natürlichen Boden, wie Antäus, und so
bei den Finnen). Die Sternschuppen wurden als Exquix und die
Plejaden als Chuchoc (in Guamachuco) durch Opfer verehrt, um gün-
stige Ernten zu sichern. Beim Pflanzungsfest wurden (in Lampa) die
Kartoffeln mit dem Blute des geopferten Lama besprengt (s. Marcos
Otaso). Der Fuchs*) erhielt Ehrenbezeigungen in Pachacamac und so
') Hacen unas cuentecillas de este Mullu (concha de la mar gruessa) y I.is ponen
a las Huacas (in Peru).
^) En el teniplo muy principal de Pachacama los Peruanos tenian una zorra en
grande estimacion, la quäl adoraban (s. Cieza).
WILDTHIERE. 467
in Guamachuco, wenn sein in Wittwenkleidung aufgestellter Balg
fetirt wurde.
Die wilden Thiere, Tiger ^) (Unze), Bär(Ursus frugilegus oderUcu-
mari), Schlange u. s. w. wurden verehrt, um nicht zu schaden, be-
sonders in ihren Sternbildern oder dem dort gedachten Urbild. In
Huarochiri wurde der Kopf des getödteten Löwen (Puma), weil vonConi-
raya für gute Botschaft gesegnet, bei Festlichkeiten geehrt und erhielt
Lama zum Opfer (s. Avila). Der Fuchsbalg wurde bekleidet umtanzt.
Getödtetes Wild erhielt Getränk eingegossen, damit die darüber
erfreute Seele ihre Brüder herbeilocke. Von Hathiacuri war sein im
Wettkampf besiegter Schwager in Wild verwandelt*), das anfangs
Menschen frass, später selbst gegessen wurde. Grosse Hirschgeweihe
wurden als Vicaos in Guamachuco verehrt. Raimondi erwähnt der
Auffindung einer Steinkiste mit Hirschgeweihstücken bei den Aus-
grabungen von Ancachs. Die Delawaren erzählen von dem Riesen-
Ochsen, der die Heerden zerstörte, bis ihn der Grosse Geist mit
seinem flitze in die Wilderniss jenseits der Seen vertrieb.
Der weisse Bärtige, Sume oder Paye-Tome, die Elemente und
wilden Thiere beherrschend, verschwand (von den Caboclos verfolgt)
in Brasilien. Während der Wasserbauten am See von Mexico fand
Enrique Martin (1604) mitten in einem hohen Berge einen in drei
Stücke zerbrochenen Elefantenzahn (aus der Fluth) und ausserdem
Riesenknochen (s. Simon). Die Pehuenches erklären die Muscheln
und Versteinerungen auf hohen Bergen daraus, weil ihre Vorfahren
bei der steigenden Fluth dorthin geflüchtet (s. Guzman).
Dass die von der Pampa del Sacramento nach der Sierra herauf-
kommenden Indianer die ersten Steine, die sie anträfen, verehrten,
erzählt Skinner, und ähnlich berichtet d'Orbigny aus Bolivien: Wenn
die Moxos sich dem Lande der Yuracares nähern, und die ersten
') Benzoni sah in Chiaropoto das Thonidol eines Tigers, sowie Vögel zum Opfer.
*) Der Ichet oder Zauberer der Koloschen läuft (beim Fest) in verschiedenen Thier-
odcr Menschenmasken um das Feuer (s. Erman), den Jek oder Geist sehend. Der durch
Jek Inspirirle lebt im Walde von der Kinde des Domstrauchs Nesamainik, bis die Fluss-
otter (deren Balg benutzt wird) ihre Zunge vorstreckt. Zum Göttersitz (des Jel) am Naas
Vordringende werden in ihren Masken versteinert. Die Jek (Geister) hat man sich durch
(ugendbafte Observanzen geneigt zu machen (s, Erman), wie Reinigkeit. Neugeborene,
die Muttermale oder andere Abnormitäten mit ihren Voreltern gemein haben, werden für
unigestaltete Wiedergeborene erklärt und durch den Namen bezeichnet. Durch Spalten
des grossen Fahrzeugs (nach der Fluth) wurden die Koloschen und Andersredenden ge-
schieden. Bei der Verl)rennung eines Vornehmen wird ein Kalgi getödtet. Der Ichet wurde
auf einem Pfahlgerüst im Walde (den Kopf mit Korbgeflecht bedeckt) l>eigesetzt.
30*
468 RELKilOX UND SITTE.
Steine, die in ihren Wohnsitzen gänzlich fehlen, erblicken, so ge-
rathen sie in Erstaunen und sammeln dieselben, wie Kostbarkeiten.
Die in Guamachuco aufgelesenen Steine wairden von den Priestern
als Kinder Catequil's erklärt und benannt. Dort wurde der Stein
Llaiguen für Regen angerufen. Bei den Caftares wird Verehrung
bunter Steine, besonders des Jaspis (s. Garcilasso) erwähnt (auch zu
schriftartigen Mittheilungen benutzt), in Huamachuco (bei Garcila.sso)
bunter Flusskiesel (als Sitz der Gottheiten). Steinhaufen hiessen
Cuzcos und aus den Usnus genannten Steinen wurden auf Feldzügen
(nach Santa Cruz) die Apachetas aufgerichtet (und auf Wanderungen
gegen Ermüdung)^). Auf hohen Uebergangspuncten der Strassen,
wo die Träger ausruhten, errichtete man (in Mexico) Steinhaufen
(s. Mendieta). Zu den Steinhügeln in Alaska fügte jeder Vorüber-
gehende einen Stein (zu Cooks Zeit). Auf den Wegen Nicaraguas
häufte man Steine für den Gott Bisteot (dios del hambre), um nicht
zu ermüden (s. Oviedo). Die Ottomaken stammten aus der Ver-
einigung von drei aufeinander gesetzten Steinen.
Weddell fand in der bolivianischen Cordillere eine Art Wiegen-
steine (pyramides de pierres vacillantes), die von den Indianern auf-
gerichtet waren, und wenn sie bei der Rückkehr durch den Wind
umgestürzt angetroffen wurden, als ein Wahrzeichen dienten der
von ihren Frauen begangenen Untreue. Der Pasca genannte Stein
wurde bei der Beichte gebraucht. Unfruchtbare Frauen opferten
einen eingewickelten Stein (Huassa). Hathiacuri (in Huarochiri) ver-
w^andelte seine ihren Gatten gegen ihn aufreizende Schwägerin in einen
Stein, die Füsse nach oben, den Kopf auf der Erde.
Die, wie die Landung in Lambayeque den Zug der Caras beglei-
tende Verehrung der Grünsteine ^), findet ihre Ausbreitung unter den
Chibchas. Umifta wurde als Gott der Gesundheit angerufen (in Manta).
Eindrücke heiliger Fusstapfen finden sich überall in Peru, Ecuador
Columbien, Brasilien zerstreut, und gelten, wie früher als Spuren der
^) In der Ceremonie, um Mawish (the spirit of fatigue) zu beseitigen, verschlucken
die Nez-Perc^s (unter Bädern) Splitter von Weidenholz. Bei den Tacanas am Maya-
tat^ werden (neben Idolen) Steinchen (in Säcken) verehrt.
') El sefior de Manta tenia una piedra de esmeralda de mucho grandeza y muy rica,
la quäl tuvieron y posseyeron sus antecessores por muy venerada y estimada y algunos dios
la ponian en publico y la adoravan y reverencian como si estuviera en ella encerrada al-"
guna deidad. Y como algun Indio e India estuviesse malo, despues de aver hccho sus
sacrificios, yban a hazar oracion a la piedra, a la quäl afirman, que hazian servicio de otras
piedras, haziendo entender el sacerdote que hablava con el demonio, que venia la salud
mediante aquellas ofrendas (nach Leon). Die S}>anier zerschlugen die Meisten der dort ge-
fundenen Edelsteine, da sie prüfen wollten, ob es nicht Glas sei.
SPEICHEL. 469
einheimischen Prophen, so später für die des heiligen Bartholomäus
oder Thomas, welch letzterer auch in Indien seine Tritte mit denen
Buddhas kreuzte, und in Ceylon zugleich mit Adam oder mit Mohamet,
dessen in Stein eingedrückter Fuss, von Mecca dorthin gebracht,
Torres bei Delhi sah. Chupantas (Chupasitas) war das Ausruhen beim
Ersteigen von Höhen (in Peru),
Die Rei.senden spuckten beim Ersteigen eines Hügels auf einen
Stein (Tocanca), um keinen Durst zu fühlen, und legten dem Stein-
haufen (Apachitas^)) einen Stein zu, um im Tragen erleichtert zu
werden (heisst es bei V^illagomez). Vor aufrechten Steinen (Ttoccanca)
auf einem Hügel, spuckten Rei.sende aus, damit es ihnen nicht an
Wasser fehle (sagt Blas d'Acosta). In Sonora legen Reisende Steine
auf Haufen am Wege, um nicht zu ermüden (s. Pfefferkorn).
Die Tapuyer (am Rio Grande bei Siara und Maragnana) orakel-
ten mit heiligen Steinen (Cehuterah), die sich (neben den Früchten
Titscheyouh) in der Geheimkiste des Fürsten fanden (s. Barlaeus).
Wie bei Xauxa fanden sich Huacanquicoycoylla (als redende Steine)
auf dem Wege nach Pachacamac (Santa Cruz).
An den Plätzen, wo sie entstanden, verehrten die Indianer die
dort zuerst Geborenen, die in Steine^) verwandelt waren, sonst auch
in P'alken, Condore, oder andere Vögel und Thiere (s. Molina).
Pacari-tampu war der Ursprung der Pacariscas oder Pacarimusca
(nach Salcamayhua). als der edelsten. Manco-Capac Hess zwischen
den drei F'enstern^) in der Mauer seines Geburtsplatzes zwei Bäume
^) Garcilasso erklärt ,,apachecta" (apachitas oder ^achetas) als den Dativ (apachccpa
im Gcnit.) des Part. Pres, apachec im Nom. (von apanl, ich trage, und apacbini, icli
lasse tragen). The phrase used by the Indians was ,,apachecta muchani", I give thanks,
that this has been carricd (s. Markham).
') Im auf der Reuse Glück zu erlangen wurden (in Canada) Tabaksopfer dem Stein-
fels Tsanhohi Arasta gebracht, der früher ein Mensch gewesen (s. Dapper).
') Aus der Höhle von Paucartambo (donde estd labrada antiquisimamente una ven-
lana de canteria arrimada ä un cerro, que fue antiguo adoratorio) gingen sieben Menschen
hervor. Von den Thälern Yncar und Xaquixaguana aus besiegten die Inca Cuzco's (nach
Eroberung von Andaguaylas) die Changas unter Usovilca. Nach Göhring los Pucapacuris
(oder Tuyuniris) fueron descendientes de los Indios que bajo el mando del inca Manco-
I f uallo se retiraron del Cuzco a la Montaüa (en los märgenes de Tono, Piftipiüi y Pilco-
pata ö Madre de Dios, hasta mas al Norte de la isla de la Muerte). Die Menschen
sind aus der Erde gewachsen (nach den Grönländern) und die Sterne aus aufgestiegenen
Menschen* (wegen irgend welcher Abenteuer) entstanden (roth oder weiss glänzend nach
der Speise). Beim Reisen lässt der Grönländer die Seele der Sicherheit wegen zu Hause
(im Heimweh). Die Grönländer unterscheiden den Schatten und Athem des Menschen in
doppelten Seelen (wie im Traum). Die Angekoks können eine beschädigte Seele aus-
bessern, eine verlorne zurückbringen und eine kranke mit einer frisclien , gesunden Seele
470 RELIGION UND SITTE.
bilden, als Embleme seiner Eltern (Apu-Tampu und Apacha-mama-
achi) mit, Wurzeln von Silber und Gold und goldenen Früchten (die
Nachkommenschaft bezeichnend.
Die (in Cuzco als Chancas bezeichneten) Corropasques oder Hua-
cimayoc (maitre de la maison) bestanden (aus Penaten) in Steinen,
die durch besondere Form die Aufmerksamkeit erregten (Oliva). Ueber
die gefundenen Conopas, die sich vererbten, würfelten die Priester
mit kleinen Steinen, um ihren Werth zu prüfen (in Peru).
Jeder kleine Stein oder Holzstück von besonderer Form wurde (wie
gesagt wird) von den Peruanern als Conopa oder Chanca verehrt und
mit seinem Eigenthümer begraben. Zuweilen waren sie von Metall in
menschlicher Form gebildet. Die geachtetsten Conopas waren die
Bezoar-Steine (Quicu) und kleine Quarzkristalle (Quispi oder Llaca).
Die Indianer betitelten solche von bemerkenswerthen Ereignissen
ihres Lebens her. So war Korn (Zara) der Ursprung verschiedener
Zarapa conopas. In der Gestalt von Kornähren geschnittene Steine
hiessen Zaramama, als bekleidete Puppen. Nach der Quinua und
der Coca wurden die Quinuamamas und Cocamamas gebildet, andere
von Llamas, Huanacas, Vicufias. Aus dem Siege der Inca über die
Changas erlangten sich die, Purunrunas genannten, Guancas (Huacas).
Als Pachacuti Ynga und Opangy seinem durch die Changas geschla-
genen Vater aus der Pucara (Festung) die Canas und Canches zu-
führte, hörte er von seiner Mutter in der vorwiegenden Verehrung
der Sonne in Cuzco die Ursache der Niederlage, und wurde auf
sein Hinwenden zum Schöpfergott durch himmlische Heerschaarcn
unterstützt.
Jede Familie Perus verehrte auf dem Acker einen Stein als
Huanca, Chichi oder Chacrayoc (Herr des Feldes) und die Compa
oder Larca-huillana in den Bewässerungscanälen (Arriaga). Neben
den Steinen zum Schutz der Chacras, stellten die Peruaner gegen
Diebe Schildkrötenschaalen auf Alguanacaure war in Stein verwan-
delt (in Peru).
von einem Hasen, Rennthier, Vogel oder jungen Kinde verwechseln (Cranz). Die Grön-
länder (besonders die Wittwen) erkennen abgeschiedene Seelen in Wiedergebornen. Die
Seelen sind bleich und weiss (nach den Angekok), nicht fassbar. Felslöcher führen zum
Sommeraufenthalt Tomgasuck's. Auf dem Wege rutscht die Seele einen rauhen Felsen
(blutig) hinab und würde (wenn in Winterstünnen zu Schaden kommend) den andern
,Tod sterben , wo nichts übrig bleibt , weshalb die Hinterbliebenen fünf Tage lang keine
geräuschvolle Arbeit verrichten dürfen. Die Seelen der Faulen steigen durch den Mond
auf zu dem Teich über dem Regenbogen (um im Nordlicht Ball zu spielen), von Erioer-
sortok aufgelauert. Tomgarsuk's (böse) Mutter wohnt unter dem Meere > (die Secthicre
zurückhaltend), von einem Hunde bewacht.
WAHRSAGER. 471
Unter den Umu (Laicca oder Chacha) oder (Auquilla) Auqui
(Vater der Alten) benannten Priestern (Yanapac oder Helfer) sprach
der Huacapcilca oder Huacapvillac mit (oder aus) dem Huaca, der
Malguipvilca mit dem Malqui, der Libiacpavillac mit dem Blitz, der
Punchaupvillac mit der Sonne, der Masca und Viha sorgten für die
Stammesgötter (Huaca oder Conopas), der Ancachic oder Ichuris
nahm die Beichte ab, der Asuac oder Accac bereitete die heilige
Chicha, der Moscoc legte Träume aus, der Pacharicuc oder Pachai-
catic (Pachacac) prophezeite aus Spinnen^) (und den Bewegungen
der Spinnen-Beine), der Hacaricuc aus Kaninchen blut, der Cuyricac
aus Cuyes ( — Schweinen), der Socyac durch Mais (s. Arriaga),
der Pichiuricuc aus Vögelflug, der Rapiac aus den Armmuskeln u. s. w.
Die Llayca genannten Wahrsager, deren Oberpriester von den Yauyu
stammte, prophezeiten aus den Gestirnen (s. Garcillasso), die Cal-
paricu aus der aufgeblasenen Lunge der Opferthiere, die Virapiricuc
aus dem verbrannten F*leisch, die Achicoc aus Schafdung (und Mais),
die Yacarcaes aus dem Feuer, die Camascas aus dem Donner, gegen
den sie schützten, und so in einer Mannigfaltigkeit, wie sie ähnlich
Cavazzi in Congo erwähnt. Die Camascas und Achicamayoc ent-
nahmen ihre Vorhersagungen, indem sie beobachteten, wie ihr mit
Coca-Saft gemischter Speichel beim Reiben zwischen Zeigefinger
und Daumen abfloss. Ausserdem dienten die Eingeweide der Eulen,
Eüdechsen u. s. w. fiir Prophezeiungen. In Huanuco fand sich der
Hauptsitz der Sterndeuter (s. Cieza). Um gute oder schlechte Absich-
ten ihrer Unterthanen zu prüfen, berauschten*) sich (wie Oliva erzählt)
die Häuptlinge mit dem Achuma genannten Getränk und erwarteten
die Visionen. Auch die Blödsinnigen (Opas) wurden (wie in moha-
medanischen Ländern) als Wahrsager befragt und (nach Ulloa) trugen
sie aus Metall oder Thon verfertigte P'iguren für Amulette. In
Guayana galten die Worte der Blödsinnigen als Orakel (s. Schom-
*) Pacharicuc (Pachacaruc) o Pachaauc adivinO por los pies de unas arafias, tjuc
Uaman Paccha y tambien Oroso, y son muy grandes y peludas (Villagomez), so dass
sich hier die Schöpfungsaufgabe Pachacanac's durch das Gewebe der Spinnen (wie in
Obcr-Guinca) erleichtert. In Chinchasuyu wurden zum Orakeln grosse Spinnen benutzt,
,,mctidas en unas ollas con cterta harina de que se sustentan." Ausserdem wurde aus
Heerdopfem orakelt und ,,myrar las asaduras de los Guys."
*) Acostumbraban los sacerdotes que hablaban con los Iluacas ö Mallquis, ponersc
en un estädo estatico, mediante una bebida narcötica, llamada Tonca, fabricada con el
fmto de una especie de Estramonio (Datura sanguinea) 6 Huacacacha, csto es yerba
de Huaca y en este estado recibian sus inspiraciones (s. Rivero). Bei den Caribcn be-
fragten die Boyez oder Zauberer vor dem Kriege tlas Orakel bei Festgelageu (bei «leiitn
die Germanen berathsehlagten).
472 RELIGION UND SITTE.
burgk). Als orakelnd galt die haarige Schlange Uscaguai (statt der
gefiederten Mexicos), die nach ihrer letzten Erscheinung (mit golde-
nem Glöckchen am Schwanz, als Symbol des Reichthums) zum
Himmel aufgestiegen war (gleich dem chinesischen Drachen). Die
Priester waren weiss gekleidet (nach Gomara). Bei der Caca-huachi
genannten Ceremonie dienten die als Huachi bezeichneten Stöcke
zum Losen (wie bei den Tartaren und vielfach sonst). Im Tempel
Pachacamac's wurden die Orakel Nachts ertheilt. Bei Oliva wahr-
sagen die Soncoyoc das günstige Geschick Quitos.
In Lile fuhr der Dämon Supay (Zopa) in die ausgestopften
Aschenkörper ein, um daraus zu reden (s. Cieza), und (nach Herrera)
hatten seine Orakel Credit von Lile (Kali) bis durch Peru, wo (wie
an andern Orten) von vielfachen Erscheinungen^) gesprochen wird.
Die Hapifluftus Achacalla, als Dämone, wurden vor Ankunft
der Propheten vertrieben (s. Santa -Cruz). Thonapa zerstörte das
weibliche Götzenbild auf dem Hügel Cacha-pucara. In Rimac-yuncas
erhielt der Dämon Aissa-villca Verehrung, neben Chusqüi-huaca und
Puma-huaca. In Capacuyo wurde der Huaca Cana-chuap-yauirca im
dunkeln Raum angerufen. Mayta-Capac zerstörte die Götzen Aysso-
vilca, Chinchay-cocha, den Huaca der Caftaris, den Vilcaftota, Putina,
Coropuna, Antapuca, Choquiracra und Chuquipillu.
Wie im classischen Alterthum hatten die Orakel P2influss auf die
Staatsactionen, und als die Priester aus den Eingeweiden der Opfer-
thiere erkannten, dass das in Cometen und Meteoren erscheinende Chilhi
(böse Geschick) sich gegen Peru erklärt habe, flüchtete die Fürsten-
Dynastie aus der mit Zerstörung durch die Barbaren bedrohten
Hauptstadt nach Tambo-Toco. Günstiger für das Staatswohl lauteten
die Orakel der Soncoyoc. Die Priester Titucussu hatten beim Sonnen-
opfer prophezeit, dass das Reich Tavantisuyu blühend fortbestehen
würde, so lange es sich unter einer Einzel-Herrschaft befände, und
dieser Spruch galt als das Orakel Yupanqui 's (Huayna's Vater), sorg-
sam aufbewahrt (in sibyllinischen Büchern) gleich dem omineusen Vira-
cocha's von den schaumgebornen Fremden. Der Prophet Chalco
verkündete Huayna Capac in Quito den bevorstehenden Untergang
des Reiches (s. Oliva). In dem von dem Propheten Viracocha ge-
führten Thier glaubte man die Pferde der Spanier wieder zu erkennen.
^) I^es sorciers des Yaguas pretendent ctre cn rapport avec le grand Esprit (Bayenlu),
([u'ils disent leur apparaitre dans le plus profund des buis sous la forme d'iin vieillard
(Castelnai).
ZAUIIERER. 473
In besonderem Ansehen stand vor Allem das Orakel Pachaca-
niac als das officicUe der Inca seit der Eroberung und deshalb in
aristocratischer Schätzung, neben dem für die Bedürfnisse des ge-
meinen Volkes beiseit gesetzten am Rimac. Mit (einer in Delphi er-
lernbaren) Doppelzüngigkeit verkündete es in den Kriegen Huascar's
diesem den Sieg, und ebenso Quizquiz, dem Feldherrn Atahualpas,
da der Feind den Fluss Ancoyacu nicht überschreiten werde, und
dieser Spruch, wie Santa- Cruz zufügt, fand dann ein gleichlautendes
Echo in allen Huacas des Landes.
Doch war dies schlüpfrige Terrain der Götterpfade auf Erden hier
so wenig, wie sonst, ein gefahrloses, und als Atahualpa in Caxamarca
in die Gefangenschaft der Fremden gefallen war, Hess er den Tempel-
wächter Pachacamac's, der ihm den Sieg gegen dieselben versprochen,
in Fesseln legen, um wenigstens jetzt seine Schätze zum Lösegeld
herbeizuschaffen. „Nun will ich sehen, ob dir der, welchen du deinen
Gott nennst, die Ketten abstreifen wird", habe er ihm zürnend zu-
gerufen (in Xeres Auffassungsweise). Als den Incas, die Land und
Volk zur Knechtschaft gezwupgen, national feindlich, prophezeite
Catequilla, der Gott der Conchucos, den Tod Topa Inca's (s. Arri-
aga), musste indess seine spätere Kühnheit für Huascar zu prophe-
zeien mit der Zerstörung büssen, welche Atahualpa über den Tempel
von Porcon aussprach. Der Kopf der zerbrochenen Figur wurde
jedoch aufs Neue in dem Heiligthum aufgestellt und fuhr fort Ver-
ehrung zu empfangen bis zum Jahre 1550. Aehnlich der Rivalität
indischer Mond- und Sonnen - Dynastien scheint sich auch hier der
Mond (Quilla) Cate-Quilla's in einen Gegensatz zur Sonne der Inca
zu stellen.
Bei den Opfern Kazkovicka undSapovicka wurden mit dem Stachel-
holz Gaulli (aus der Puna) Vögel verbrannt, wie Malereien von Schlan-
gen und wilden Thiercn, indem man (wie bemerkt) ausrief: Usachum
(gieb Sieg), und halbverhungerten Lama (Urku genannt) das Herz
ausschnitt, damit Virakocha so das Herz der Feinde zu nichte machen
möge. Vor der Aussaat sammelten die Priester durch Betteln Opfer-
gaben, die neben die Wasserleitungen gelegt wurden, damit sie reich-
lich spendeten.
Wie in jedem geordneten Staatsleben wurde der anfangs in einander
verschwimmende Character der Priester und Zauberer schärfer geschie-
den, und dann die letzteren als Canchus oder Ripnac-micuc (Runap-
micuc) gesetzlich verfolgt, als schädigende Hexenmeister oder Hexen.
Nächtlich umgehend (und in geheimen Zusammenkünften verschworen)
474 RELIGION UM) SITTE.
tödtcten (in der Ebene und an der Küste) die Zauberer als Blut-
sauger (durch Saugen am Nabel in den Antillen), um die Seelen zu
essen, nachdem die Hausbewohner durch narkotischen Dampf (wie
in Pegu) betäubt waren (s. Arriaga), während das Saugen auch (wie
überall sonst unter Naturvölkern) als Heiloperation benutzt wurde,
und dann hatte der Taqui genannte Tanz vorherzugehen. Die zu
Ehren Ataguju's (mit Sagadzabra und Vaungrabad) abgehaltenen
Tänze hiessen Taquimu (oder Taqui). Die Canchus oder Runap-micuc
(Ripnac-micuc) genannten Zauberer tödteten durch Beschwörungen.
Bei der Ceremonie Caruayquispina verbrannten die Zauberer Fett
(Vira), damit so die Seele des Feindes verzehrt würde (Viltagomez).
Als Klassen solcher Zauberpriester, die durch Topa - Inca mit
dem Steinigungstode bedroht wurden, nennt Balbao die Ayatapuc,
welche die Todten zum Reden zwangen, die Guacar- machi, welche
durch Beschwörungen den Guaca Aussprüche entlockten, die Ca-
viacoc, welche im Zustande der Trunkenheit um Orakel befragt
wurden, die Hachus oder Aillacos aus Maiskörnern und Thier-Excrc-
menten, die Hechecoc, aus Tabak pnd Coca weissagend, wie die
Virapircos aus dem Opferrauch, die" Calparicules aus den Eingeweiden
der Opferthiere, dann die Huacanqui, welche Talismane^) aus Kräutern
und Federn verfertigten, die Runatinguis, welche Liebestränke bö-
reiteten u. s. w. Für Herstellung solcher Liebestränke (Huacanquis
oder Manchucu) wurden Menschenhaare und Vogelfedern verwandt.
Mayta-Capac verfolgte die Zauberer Canchus, Umus, Layccas und
Huaca-muchas (s. Salcamayhua).
Von Sinchi-Roca, der unter Zerstörung der Huacas die priester-
liche Herrschaft beendete und die weltliche an die Stelle setzte, wird
berichtet, dass er die für Verfertigung von Liebestränken angegange-
nen Zauberer verbrennen Hess, und dass diese Strenge dadurch her-
vorgerufen sei, weil der Missbrauch mit solchen Philtern von den
Frauen so weit getrieben wurde, um oftmals bis zum Gattenmordc
zu führen. Um solchen Verirrungen vorzubeugen, hatten die Brah-
manen die Bestimmung des Suttee-Opfer's getroffen, während die Portu-
giesen in Goa vielfach (wie erzählt wird) darunter zu leiden hatten. Der
Zauber Tincuc wurde von Verliebten verwandt.
In Lampa trugen die Priester die Figur des Feindes als hohle
*) The piripiri or charms (of the Peruvian Indian) consisted of the Bezoar - stone
(biliary calculi of the Llama family), yairuvies or sniall black and red sceds, wom as prc-
vcntives, against cold and coiighs, loadslunc, wom by cither sex, to attract lovers and
keep off evil spirits (s. BoUaert).
ZWILLINGE. 475
Knochenfigur, mit Wachs verklebt, auf einem Stock (s. Marcos Otaso).
Die Caflas opferten im Tempel Acocagua.
Als ominös wurde (wie fast durchgehends) die Geburt von Zwil-
lingen (Chuchos oder Cuti) betrachtet, die, wenn jung sterbend, in
einem Topf unter dem Hause begraben wurden, als Zauberwerk
und ebenso erhielten die Chacpas oder Fussgeburten eine besondere
Beachtung. Wenn sie fortlebten und Kinder zeugten, wurden die
Söhne Masco und die Töchter Chachi genannt, (wie auch in Rom
sich der Name Caesar, als des durch den Kaiserschnitt ausgezogenen,
übertrug).
Erhängte wurden (nach Arriaga) vergöttert und angerufen (wie
der drei Nächte am windigen Baume hängende Wodan). Pest und
Krankheiten wurden durch Schmetterlinge verbreitet gedacht, indem
solche bei der Oeffnung des Kastens*) herausflogen, den HuaynaCapac
durch einen schwarzen Boten auf des Schöpfcr's Geheiss empfing.
In Carabuco (am See Chicuito) sollen die Spanier ein Kreuz gefun-
den haben (nach de Torres), wie ähnliches von Yucatan (wo es als
Symbol des Regens galt), Mechoacan und sonst erwähnt wird. Im
Nebel, um denselben zu zerstreuen, rattelten die Frauen der Sierra
mit ihren Brustnadeln, und bei klaren Tagen, um bedeckte Luft her-
beizuführen, wurde Asche in die Luft gestreut. Auf den Regenbogen
durfte man nicht mit den Fingern zeigen (wie im europäischen
Volksglauben nicht nach den Sternen), „entendiendo, que se moriran."
Der Häuptling von Tumbez goss Chicha in das ihm gezeigte Ge-
wehr der Spanier, um den Donnergott, der daraus redete, zu ver-
söhnen (s. Herrera). Quando salta alguna centella del fuego, echan
maiz 6 chicha para aplacar su enojo. Vor dem Krieg reiben sich
(in der Pampa del Sacramento) die Indianer die Augen mit rothem
Pfeffer, um besser zu sehen, und ebenso war eine Einreibung mit
Aji gebräuchlich, ehe die Brücke des Rio de la Baranca pasirt wurde,
um nicht von derselben herabzufallen. Um gegen das Ertrinken ge-
sichert zu sein, wurden die Flüsse in der Mayuchulla genannten
Ceremonie verehrt. Ehe der Name Supay's ausgesprochen wurde,
spie man auf die Erde (s. Garcilasso) und nach Avendaflo wurden
die Steine Ttoccanca (auf Bergeshöhen) von Reisenden durch Aus-
spucken verehrt, damit weder Hunger noch Durst gespürt werden
*) Die Beschwörerinnen in Japan reizen einen in Oic Erde eingegrabenen Hund,
um ihm dann den Kopf abzuschlagen, und diesen in einem Kasten für Zauberei zu be-
wahren (wie im ostindischen Archipelago die Schutzseele gereizt wird.)
476 RELIGION UND SITTE.
möge. Den Apachcc wurde, um im Tragen zu helfen, Gekautes
geopfert. In Cahacay finden sich zwischen Mumien Riesen ver-
ehrt (auch bei Huahalla). Auf den von den Peruanern heilig
gehaltenen Schneegipfeln (Razu) lagen die Wohnungen der riesigen
Urbewohner oder Huaris und Huari wurde als Gott der Stärke
verehrt (Arriaga). Ehe die Heiligthümer der Huacas angefasst wer-
den durften, mussten vorher die Hände ^) bedeckt werden.
Gegen die umherschweifenden Seelen gefallener Krieger (Quinta)
rief man (nach Avendafio) die Steine der Berggipfel (Hirca) an. Si
el fuego^) chispea dicen que las almas de sus antepasados padecen
sed y hambre, y echan en ehfuego maiz y chicha, papas etc. (in Peru).
Bei den Itonamas wurden dem Sterbenden von seinen Ver-
wandten Mund und Nase zugedrückt, damit der Tod nicht heraus-
komme und Andere desselben Hauses befalle (s. d'Orbigny). Bei
dcp Zaparos spukt der böse Mungia in den Wäldern. Die Guaranis
fürchten den bösen AAang (neben Verehrung des guten Tupa)^).
Wie Garcilasso erwähnt, meinten auch die Peruaner, dass die
Seeleii des Träumenden*) den Körper verlasse, um umherzuwandern
(gleich der Leipya Birma's und sonst),
P'ür die nach dem Tode hungrig und frierend herumschweifenden
Seelen setzten die Peruaner (nach Herrera) Speise und Trank hin,
die Körper als Mumien erhaltend.
Die Peruaner bewahrten Nägel und Haare in Mauerritzen, um
sie bei der Auferstehung wieder zu finden und würden auch gern
(nach Garcilasso) nur an einen Ort hingespuckt haben. Atahuaipo
fürchtete verbrannt zu werden, weil ihn dann sein Vater, die Sonne,
^) ,,Wann sie anbetten wolten, nahmen sie ein Ding in die Il.änd, welches wie ein
Ilandschuch sähe und hielten es empor" (die Peruaner).
') Als P'euergolt oder Cueealtzin (llama de fuego) hies Vxcocauhqui (Car-amnrilla)
oder Xiuhtecutli der Alte Gott (wie Agni der Vedas) oder Viveteutl (el dios anligiio).
') ,,Sie erkennen ein Wesen von einer unendlichen Güte und nennen es L'kcowma,
d. i. das grosse Haupt. Sie sehen es als den Urheber aller Güter an, die sie geniessen;
sie reden mit Ehrerbietung von ihm; sie singen sein Lob in einem Liede mit einem sehr
ernsthaften und sogar ziemlich harmonischen Tone : ihre Meynungen von dessen Wesen
aber sind so verworren , dass man nichts davon versteht. Sie erkennen auch noch ein
anderes Wesen , welches sie Witikka nennen und als die Quelle und das Werkzeug alles
IJösen ansehen. Sie fürchten sich sehr davor; man weiss aber nicht, ob sie ihm einigen
Dienst erweisen, es zu besänftigen. Sie sind sehr abergläubisch, und wenn sie auf ihren
Reisen ein Grab antreffen, so halten sie es für eine Anzeige einer unglücklichen IJegcben-
heit. Um solche abzuwenden, legen sie einen Stein auf das Grab und setzen ihren Weg
fort" (bei den N«)dwais der Hudsonsbay).
*) Der Kopf der Rokuro Kubi genannten Frauen vcrlässt im Traum den Körper,
nur durch einen dünnen Faden verbunden bleibend (in Japan).
OliERPRIESTER. 477
nicht wieder beleben könne (s. H. Pizarro). Als die Spanier beim
Oeffnen der Gräber die Knochen durch einander warfen, baten sie
die Indianer „que no lo hiciesen, por que juntos estuviesen al resus
citar" (Gomara).
Im orthodox geordneten Gottesdienste standen die Priester unter
dem Hohenpriester, als Villca-Umu oder (nach Torquemada) Villa-
oma, dessen Name als redender Prophet (villani oder sprechen)
erklärt wurde, und es findet sich auch unter den Umu die Priester-
klasse der Huillac-Umu (Villca-Umu) unterschieden, als mit Knochen-
figuren orakelnd, deren Oeffnung durch Wachs verschlossen war. Der
Huillca-Umu jedoch, als Hoherpriester der Sonne, stammte aus Inca-
Hlut. Als kirchlicher Aufscher war über die Tempel jeder Provinz
der Vilcacamayoc eingesetzt. Den Tempeln fanden sich für ihren
Unterhalt heilige Heerden zugewiesen, die (gleich den Sonnenrindern
des Helios) unverletzlich waren, und für deren Verwendung zum
Schlachten es eines besonderen Befehles des Königs bedurfte.
Pachacac hiessen die Ländereien der Huaca.
Im Besonderen diente unter den Priestern (Yanapac oder Helfer)
der Intip-huillac der Sonne (als Punchaupavillac mit der Sonne redend),
der Llipiacpa-huillac dem Blitz, der Huacap-huillac den Huaca (als
vergötterten Heroen), die Mallquip-huillac den Ahnen, die Macsa oder
Viha den Conopen (Schutzgötter). Der Schöpfergott wurde am
Situa-Fest von den Pilcoyaen bedient.
In Peru war ebenso wenig, und noch weniger, als in Mexico
(wo der Topiltzin doch bereits in den Rex sacrificulus zurückgetre-
ten war) das Priesterkönigthum^) zur völligen Spaltung gekommen
und die Verbindung der staatlichen und clericalen Gewalt tritt in der
für Huayna-Capac gebrauchten Bezeichnung eines Hohepriesters des
Supay hervor, obwohl (nach Baiboa) dieses Hohenpriesterthum in
dem mit dem Hofcultus verknüpften Zweig der Königsfamilie erblich
gewesen zu sein scheint, da bei der Krönung Huascar's durch den Hohen-
priester Chalco-Yupangui dessen Angehörigkeit zu der Familie des
Viracocha-Inga bemerkt wird. Manco-Capac II. setzte seinen Bruder
zum Oberpriester des lUatici-Viracocha ein (s. Montesinos). Durch
den vorgeschichtlichen Viracocha war Alco-Vilca als Priesterkönig
in Cuzco inthronisirt worden. Bei Santa Cruz ward Apu-Challcu-Yu-
panqui als Hoherpriester des Schöpfers Pachayachachic bezeichnet.
*) The Tucunas (on the left bank of the Amazon) lead a settletl agricultural life,
cach horde having a chief and a medicine-man or priest (s. Orton) wie hei den Azteken
(in AztlanJ.
478 RELKilOX UND SITTE.
In Guamachuco, wo der Oberpriester . Xulcamango mit der als
Adler erscheinenden Gottheit communicirte, waren es die Alcos ge-
nannten Priester, welche die Orakel Zupay's verkündeten, und in
Xauxa wurde Alcos (als Hund)^) verehrt. Nach Mufloz lag es dem
als Alcos bezeichneten Priester auf, nach Abnahme der Beichte
(ochas) ein Opferthier zu tödten, um bei ungünstigen Zeichen die
Busse zu bestimmen. In Caxatambo und Guailas wurde den Rapiac
(Aniac oder Socyac) oder Yanapac (Pachacac) genannten Zauber
priestern gebeichtet (heisst es bei de Villa-Gomez) Die Aucachu oder
(in Cuzco) Ichuris nahmen für die Macsa oder Viha die Beichte ab. In
Collasuyo hörten die Ychuri oder Ychuiri die Beichte (Strafe auf-
legend). Da Krankheit durch den Zorn der Huaca oder Malqui ver-
ursacht war, also zur Strafe für Vergehen, blieb ein Beichten
derselben die Vorbedingung zur Heilung (s. Villagomez).
Beim Sonnenopfer*) wurde das heilige Coca-Kraut von demHuillca-
Umu gekaut und neben den Sonnenpriestern erwähnt Molina der
Tarpuntaes genannten Priester, deren Pflicht es war, die Huacas mit
Speisegaben zu versehen. In Tarma mussten Priester ein Jahr lang
zum Besten der Gemeinde fasten (s. Cieza). Die Tarpuntaes genann-
ten Priester speisten die Huacas (auch der Sonne dienend). Die
Camay oc^) genannten Beamten verwalteten die Opfergaben der dioses
y Gucal (in Peru). Die Idolos Ygnacas besassen ein von Beamten (que
se llamaban Camayos) verwaltetes Besitzthum (in Peru). Neben dem
Sonnentempel auf den Inseln des See's von Callao wurde einem
grossen Fels geopfert, „che la chiamano Thichicasa" (s. Ramusio).
Mit Camayo (das Verborgene oder Dunkle) wurde die Schatzkammer
bezeichnet (s. Oviedo), wie ähnlich in Africa (und sonst) sich der Be-
griff des Thesaurus mit dem Magischen verbindet (nicht nur in den
Geheimbünden).
Als eine besondere Klasse wird die der an der Holzstatue Pa-
chacamac's dienenden Priester (Cushipata) erwähnt, die strengen Fastun-
gen ergeben waren, und der heiligste unter ihnen, der die Opfer zu
versehen hatte, erhielt dann wieder den Titel Villac-Umu (s. Velasco).
In weisse Kleider gekleidet hatten die Priester Fasten (unter Ent-
*) Cantico (wolfköpfig) wurde in einen Hund verwandelt (in Mexico). Im Wolf er-
kennen die Kolosches eine, Jeshl im Alter übertreffende, Gottheit.
') Beim Sonnenopfer wurde ein Schaf (Lama) in dem Vibbakaronka genannten Feuer
mit Koka verbrannt.
') ,,Camayoc" con nombres de oficios, cargos ö ocupaciones, dice habiles 6 indu*
striosos en ello, y significa el que tiene aquel oficio 6 cargo 6 ocupacion (liolguin).
HEILIGKEIT. 479
Haltung von Salz und Aji) zu üben, sowie Nachtwachen, und geissei-
ten sich mit Nesseln. Das gereihte Brod^) (von den Sonnenjungfrauen
bereitet) wurde mit dem Wein des Landes am Raymi-Fest gegessen.
„In Peni muss alles Volk zwen Tag lang fasten, auff das Fest Ytu,
das dann gross war, und dorffte zu der Zeit Niemand sein Weib be-
rühren, essen auch nichts, so mit Saltz oder Axi gekocht worden,
und truncken kein Chicao" (nach Lintschotten).
Der Candidat für die Priesterweihe muss ein Jahr (ohne Salz
und Aji) fasten und ohne seinen Körper mit den Händen zu berüh-
ren (so dass er Lausestöcke zu benutzen hatte).
Nach Gomara waren die peruanischen Priester, aus den Herzen
der Opfer weissagend^), weissgekleidet, und durften die Idole, mit
welchen sie in einer dem Volke unverständlichen Sprache redeten,
nur mit weissen Tüchern über den Händen berührt werden.
Die unter dem Apu-panaca genannten Beamten^) stehenden Sonnen-
jungfrauen zerfielen in die von Mamaconas beaufsichtigten Abtheilungen
der Guayruro, Yurac-Aclla und Paco-Aclla (in den Aclla-huasi).
Manco Capac war von Cuya Mama Oele Huaco begleitet (in Peru).
Mit Mama Seflora wird (in Cuba) die Grossmutter angeredet
(s. Pichardo).
Der heilige Boden des Tempelgrundes durfte erst nach Ablegung
der Schuhe betreten werden (s. Xeres), und von manchen Theilen
desselben waren die Profanen ganz ausgeschlossen, wie die Collas
überhaupt, als unrein, von ihrem Tempel in Copacabana, für dessen
Dienst die Incas eigene Colonisten, besonders Aymaraes, dorthin ge-
führt hatten (s. Ramos).
In der Form der Verehrung wiederholt sich eine Annäherung
an die Poppysma*) (wie ähnlich bei den Tupi'*)), und, wie Zarate
*) La communion se fasait sous deux esp^ces, c'est-ä-4ire avec la tancla ou cancn,
qui ^tait le pain, et avec l'aca ou ashua, qui ^tait le vin consacre au soleil, dans les plus
grands f^tCb, bemerkt Velasco aus Peru (s. Ternaux-Compans).
') Ilabent suos sortilegos seu sacrificulos , quos vocant Paie et Paj, hos consulunt
<le futuris (diis Tapuyer). Magos vocant Page, at Caraiba est illis potestas miracula pcr-
petrandi, quare Lusitanos, quia multa faciebant quae ipsorum captum superabant, Caraibns
appellabant (s. Marcgrav).
•) Die von den Müttern den mexicanischen Tempeln geweihten Mädchen standen
unter der Aufsicht des Tequacuilli (s. Sahagun).
*) El modo de hacer su oracion a sus dioses, era abrir las manos, y hazer cierto
<^nido con los labios , pidiendo lo que cada uno queria, ofreciendo sacrificio (Ilerrera) in
Peru. El modo de hacer oracion al Viracocha, al Sol y a las estrellas (y a las tlemas
Guacas) era uno mesmo, qu(/ es abrir las manos y hacer cierto sonido con los labios
(como quien besä) y pedir lo que cada uno queria y ofrecerle sacrificio (J. de Acosta).
*) Tupa se compone de la particnla admirativa ,,tu" y de la interrogacion ,,pa: ha!"
480 KELKUOX UNI) SITTE.
bemerkt, verbanden sich die Priester, bei der Annäherung an den
Sitz der Gottheit die Augen^) oder rissen sie sich selbst aus, so dass
darin die ausgedrückten Augen auf den Sculpturen von St. Lucia
Cotzamalguapan Erklärung finden könnte. Ebenso sagt Gomara, dass
sich die peruanischen Priester mitunter die Augen ausgedrückt hätten,
algunos se quiebran los ojos para semejante habla (de miedo, por-
que todos ellos se atapan los ojos quando hablan con el). Im
Tempel gab der Teufel den Priestern Antwort, welche dem Götzen-
bilde des Pachakama den Rücken zukehrten und mit gebogenem
Haupte nach der P>de zu allerhand schändliche Possen verübten"
(Dapper). Der Huaca Xampai wurde von einer Pricsterin befragt
und (nach Arriaga) musste der Dienst mit verschlossenen Augen
versehen werden, da die göttliche Wesenheit^) nicht sichtbar sei.
quien eres? als Name des guten Gottes bei den (>uarnnis, während der böse Aüang der
Vcrftdger der Seelen (ang) genannt wurde (s. Angelis). Vasconcellos erklärt Toba (im
Tupi) als Antlitz, das auch bei dem Könige der Chibchas (der nicht angeblickt werden
ilurfte) eine göttliche Heiligkeit bewahrte.
*) Bei dem Versöhnungsfest der Cahroc (in Nord-Californien) wird die Hauptperson (ak
Chareya) aus dem Walde, wohin sie sich zurückgezogen, durch einen an den Augen verbun-
denen Begleiter zurückgeführt (da ihn Niemand erblicken darf). Bei den Shoshones sab
man viele Kinäugige (s. Lawson) und so Cabeza de Vaca auf seiner Reise (bei einem Stamm).
'■*) Die Osagen (Ottoes, Omahas) nannten Gott: Wacondah ; die Nottaways: Quaker-
lunUe; die Winnebagoes: Mahahnah; die Vaneton: Wacatunca; dann Aghatt (bei den
Kskimaux); Nakchtultane (bei Kinai); Kitchf-Mänitu (bei Algonkin); Kijoulk (bei Mic-
mac); Pautaumomwoth (bei Mohicanern); Lawaneeu oder Lawancea (bei Mohawk);
Manhopa (bei Minnetaris); Ehopweh (bei C'atawbas); Oonalahnunghe (bei Cherokesen);
Hihsagita oder Himise (bei Mushkoghee); Aleksandiste tza (bei Natches); Thouwahot
(l)ei Pawnces); Nioh oder (Octon) Otcon (bei Onandagoes) ; Awaneeu (bei Senecas);
Neeyooh (bei Oneida^) ; Vacwuh nee yoh (bei Tuscaroras) ; Ogha (Oki) und Otkin war
allgemeiner Name der Gottheit (als Schüttler oder Erschütterer) bei den Irokesen (das
Obere im Himmel, als Garonhia) Die Häuptlinge am (iabun hiessen Oga. Gott findet
sich als: Manitu bei Algomjuin; Wakan bei Dacota (der Unbegreifliche); Esaugetuh
Emissee (Herr des Athem's) bei Creek; Onawleh l nggi (Aeltester der Winde) bei
Cherokces; Huhtoli (Sturm) bei C^hoctaw. Die Chippeways und Ottowas nannten den
Teufel: Matche manito und auch die Algonqum: Matche manitu; die Micmac: Manecton
Mohawks: ( )noosoolohnoo ; die Cherokees: Askino; die Nottoways: Otkum; die
Mohicaner: Utandau. Multos deos credunt, (juos Montöac appellant (in Virginien) mit
Idolen oder Kewas (Kewasowock im Plur.) in Tempeln oder Machicömuck, wo bestän-
«liges F'euer im Popogusso unterhalten wurde (1590). Michabo (Xanibojou) oder Mani-
bozho, als Culturheros der Algonkin, entsprach dem Josheka der Irokesen (Wasi der
Cherokees) und Tamoi der Cariben. Als von den durch eine Jungfrau (Tochter des
Mondes oder der Ataensic) gebornen Zwilinge (bei den Irokesen) Josheka seinen Brutler
Tawiscara verwundet, Hess er sich weit im Osten nieder, von woher die Sonne kommt
(s. Brebeuf). Manibozho oder Michabu (Messu) war Nationalheros der Algonquin. On
suppose que ce qu'ils nomment le Manitou Messie, a quelque rapport ä ce qu'ils ont oui
conter du Messie, et (jue tout leur Christianisme se borne lä (Pauw). Der grosse Geist
((ieber des Lebens) Hess am Pfeifensteinbruch (coteau des prairies) seine Funsabdrücke in
BEICHTE. 481
Die nach Copacabana gelangenden Pilger hatten bei Betreten
der heiligen Insel Titicaca vorher am Feste durch drei Thore zu
gehen, Pumapunco (das Thor des Puma), Kentipunco (das Thor
des Vogels), Pillcopunco (das Thor der Hoffnung), von Priestern
empfangen (s. Ramos).
Vor den Hauptfesten wurde gebeichtet, indem der Büssende,
nachdem er die vom Priester auf einen Stein gestreute Opferasche
in die Luft geblasen hatte, den Parca genannten Stein empfing, und
nach Waschung in einem Tincu (der Vereinigung zweier Bäche) bei
deren Priester eine Beichte ablegte, indem er demselben eine aus
rothem L^hm geknetete Kugel übergab, mit einem Cactus-Dom darin.
Nach Beendigung der Beichte durchstiess der Priester die Kugel,
Vogclgcstalt zurück. Die Erde wurde (nach den Chippewäh) vom Riesenvogel ge-
schaffen, dessen Flügel das Meer berührte, mit den Augen als Feuer, Blicken als Blitz,
Flügelschlag als Donner (mit der Schlange, als bösem Gegensatz). An der Hudson-Bay
wurde der aufgehenden Sonne entgegengeraucht. Nach den Winebago schuf der grosse
Oeist die Winde (als zwei Männer) und (als Frau) die Erde , die auf dem Rücken von
zwei Landthieren, vier Schlangen und dann auf einem Büffel befestigt wurde, um auf
ihm aus dem eigenen Leib Menschen zu bilden. Menabozhe oder Nanabuju (Neffe des
Menschengeschlechts) vertilgt die wilden Thiere, als Mittler des grossen Geistes. Zwei
Tauben fliegen (bei den Muscogee) über das Wasser, bis einen Strohhalm erspähend.
Heno, Gott des Regens; Galoh, Gott des Windes (bei Irokesen); Pauguk, Gott des
Todes (bei Odjibway) als Gerippe; Weeng, Gott des Schlafes (mit Keulen tragenden
Gnomen); Mudjekewis, Gott des Südwmdes. Die Gottheit Takuxhkanshkan wohnt (bei
den DacGtah) im heiligen Speer und Tomahawk (Donnerkeilen und Winden), in den in
der Schlacht Fallenden erfreut. Die Riesen Heyokah und Haokah helfen Verliebten.
Die Onktesi-Götter (als Riesenochsen) haben den Medicin-Tanz eingeführt. Oki (Obern),
als Götter der Powhatan (in Virginien); Nipoon-Oki, Sommergeist; Pipoon-Oki, Winter-
geist. Die untern Götter heissen (bei den Nottoway) quaker (qui-oki). Die Irokesen
beteten zum Himmel oder garonhia (gar oder oben). Neo (Grosser Geist) wohnt im
obem Raum; Atahocan ist Herr des Himmels; Tarenywagon (Michabu oder der grosse
Hase) bt der Hüter des Himmels; Agreskoe ist Gott des Krieges. Als Atahensic (Frau
des Himmels) geschaffen war, verliebte sich in sie einer der sieben Urmenschen und
durch Atahocan herabgeworfen, fiel sie auf eine Schildkröte und gebar den (guten) Inigorio
und (böse) Anti-Jnigorio. Von ihrer Tochter (als die Schildkröte sich zur Erde er-
weitert) wurden Voskeka und Thoitsaron (durch seinen Bruder getödtet) geboren, und
Atahentsic (der Mond) trat die Regierung an Yoskeka (die Sonne) ab (nach den Irokesen).
In Florida wurde der böse Geist (Toia) mehr als der gute (der sich nicht viel um die
Menschen kümmere) verehrt. Die Einwohner der Canarien nennen ihn Codro Aigny ; die
Brasilianer Aignan und Raagerre (den Teufel). Die Mayas hatten eine grosse Zahl von
Ku (Götter), richteten ihre Gebete aber oft an den einen Kue im Vocativ (s. Cogolludo).
Bei den Azteken heisst Gott: teotl; bei den Quichua: huaca; bei den Sioux: ogha; bei
den Esquimaux: aghatt (o Gott); bei den Otomi: okha (ukko); bei den Powhatan:
oki (der obere). Oghee-ma ist ein Häuptling im Algonquin. Huraka in lingua di questa
isola uuole dire propriamente fortuna tempestuosa molto eccessiva, per che en effetto non
e altro que un grandissime vento e pioggia insieme (Ovicdo) auf Hisponiola. Bei den
Quich^s bezeichnet Hurakan Gott. Der ungesehene Geist (als geistig) kümmerte sich nicht
um die Dinge iinten auf Erden (nach Joutel) 1664. Machee Monedo, böser Geist
Baitiaua: America. I. 31
482 RELIGION UND SITTE.
und wenn sie in zwei (statt in drei) Stücke auseinanderfiel, waf die
Beichte unvollständig gewesen und musste neu begonnen werden.
Als letzte Entscheidung musste eine Handvoll Mais in ein Gefass
gelegt werden, und durch die gerade Zahl beweisen, dass Alles
gestanden war. Es wurden dann neue Kleider angezogen, um die
Sünde in den alten zu lassen (s. Rivero).
Der Name Mocha für die, neben den die Beichte^) (Ocha)
abnehmenden Alcos erwähnten, Priester wird auf mochar (anbeten)
zurückgeführt, und in Upar fanden sich (statt der Piaches von
Cumana) die Mohanes^) genannten Zauberpriester (bei Herrera),
(Monedo oder Geist); Gichee Monedo, grosser Geist (Gott); Mectay weewin, Ceremonie
(der Grossen Medicin); Ozheewaywin, Einweihung; Maakudayweekon ya, der Priester
(der Mann in Schwäre); Jossakeed, Beschwörer; Ojeechangomau , Seele (Schatten);
Jeebyug aindahnakee-ewand, Geisterland; Inine, Mensch JMann), equa, Frau; Ogeeman,
Häuptling ; Ingoda , Stamm (totem , Clan) ; Geezhig , Himmel ; Geezin , Sonne ; Tibic
geezis , Nachtsonne (Mond) ; Geczis neebo , Ecclipse (todter Mond) ; Jeebyug neemeid
dewaud, Aurora borealis (Geistertanz); Jeeby emickunnah, Milchstrasse (Geisterpfad);
Nagwaugunayaub, Regenbogen (Schlingenstrick) ; Anung, Stein, im Algonkin der Ojibway
(Mc. Kenncy). Die Benennung der Gottheit ist bei den Musquake (Foxes), den Saukis,
Kickapus, Ojibuas und Krihs (Völkern der Algonkin oder Algischen Sprach<e), Manito,
bei den sieben Völkern des Dacota • Stammes Wakonda oder Wakanda (Neuwied). The
most prominent characteristic of the Dakota deities, is that which they express by the
Word Wakan. This word signifies, generally, any thing whieh a Dakota cannot com-
prehend. Whatever is wonderfui, mysterious, superhuman o supematural is wakan. The
generic name for gods is Tahuwakan (that which is wakan). The Dakota thcrefore sees
a god in every thing (Pond). The Dakotas denote the thunder; the voice of the Wakingan.
The nature of the Heyoka (god of the Dacotahs) is the opposite of nature. Tuk ux kanx
kan (that , which stirs) , an invisible and ubiquitous god of the Dacotahs , resides in the
consecrated spear and Tomahawk, in boulders and in the Four Winds (Pond). Die Crows
oder Absaraka (in Mountain-Crows und River-Crows zerfallend) verehren E-so-we-wat-se
als grossen Geist (s. Dunraven). In der Sprache der Krih oder Knistenaux heisst Gott
Keseh-mann-toh, bei den Snakes Herr des Lebens (Tivitsim-pohhacante), bei den Mandan
Herr der Erde (Ohmahanek-Numakschi), bei den Sauke's oder Sake's (Sacs) Bakeh
Manito (guter Geist), bei den Objibway: Kijäh-Manitto; bei den Dacota: Uakan-tanka
oder grosses (tanka) Göttliches, Wakan (das Unbegreifliche). Der erste Mensch heisst
Sziritsch (Wolf), oder Ihkochu (bei den Arikkaras), Gott Pahkatsch. Unter den Manitu
(Oki) verehrten die Algonkin das Göttliche im Kitchee- Manitu oder grossen (Kitchee
oder Gichy) Manitu. The Indians (in Georgia) had some Religion, believing aSupreme
Being, called Sotplycate (he who sitteth Above), who is in all places (Bokius). Die
Indianer Amerika's verehrten Loak-Ichto-hoolo-Aba (the great, beneficent, suprcme holy
spirit of fire) über den Wolken (Adair). Die Cherokee verehrten Hianequo (den grossen
Mann) als Gottheit (de Brahm). Bett-sen-nu-unli (derjenige durch den die Erde besteht)
heisst, als Gott (der Tinneh) Titie (Menschen vater) oder Nununtse (der Schöpfer).
') Antes las fiestas principales acusaban sus pyecados (los Peruanos) a los sacerdotes
(Aucauchic 6 Vchuris) y precedentemente ayunaban. An der Küste Peru's wurde vor
der Aussaat und vor dem Goldgraben gefastet. Bei der Beichte jeder Sünde zerrissen
die Vschusgris (Vchuris) zur Absolution einen Strick.
2) Die Peruaner conservaron el nombre de Santo Torn^, pues por eso ä nuestros
WASCHUNGEN. 483
während bei den Mo^as (nach de Torres) die Mojanes genann-
ten Greise orakelten und in der Pampa del Sacramento die
Moharis durch den Erd - Dämon (s. Skinner). Der (mit der Mo-
chica- Sprache) in Peru verbreitete Name Mocha bei Truxillo so-
wohl, wie auch bei Arica (und am Chimborazo), wiederholt sich
in Cinaloas Mochicauchi. Die von den Araucanern vom Festlande
vertriebenen Chilener (den Ucaos verwandt) flüchteten sich nach der
Insel Mocha bei Concepcion (s. Barlaeus). In Tarma, wie Cieza
mittheilt, wurde die Sonne, als Mocha verehrt, oder ihre Verehrung
so bezeichnet. Am Flusse Chuquimayu war Mocha Titel des Häupt-
lings (s. Herrera). Im Upar-Thal werden die Zauberärzte Mahones
genannt und bei den Cuicas (zwischen Tocujo und Truxillo) redete der
Priester oder Mohan (s. Simon) mit den Dämonen. Bei den Paezes
(am Paramo de las Papas) heissen die Zauberer Mohanes, „que son
ordinariamente algunos muy ancianos, que hazen vida extraordina-
riamente retirada y en parte escondida, donde gustan de ser consul-
tados" (Rodriguez). Bei den Indianern am Caqueta wurden die Pia-
chis mit einer Art abergläubischer Verehrung betrachtet (s. Codazzi).
Als Moanes hiessen die Priester (Perus) Paytumes. Die Priester der
Chibchas hiessen Mojas (nach Oviedo). In Carex fungirte der Mo-
han, als Zauberpriester, zwischen Calamar und Cartagena.
Zur Heilung von Krankheiten war die Beichte (Hichoco) erfor-
derlich, und so in vielen Theilen des südlichen sowohl, wie des nörd-
lichen und centralen America für leichte Geburt oder sonstige Reini-
gungen^).
Nachdem der Inca dem Vir^cocha gebeichtet hatte, wusch er
sich in einem Strome, zur Abwaschung (Opakuna)*) der Sünden,
damit diese fortgespült würden (sonst nahmen die Ychuris die Beichte
ab). Wie in den Badestuben wuschen sich die Peruaner (zur Sünden-
reinigung) in der Confluenz von Flüssen „damit sie vielleicht das
Bad der Wiedergebuhrt in der heyligen Taufe den Christen nach-
sacerdotes Ilamaron Paytumes 6 padres Tom^'s, aunque a los suyos llamaban Moanes
(s, Mier). Als Didymus wurde St. Thomas (Apostel de los Partes, und so der Chinesen
bis Indien) mit Quetzalcohuatl (Cocolcan oder Cozas) identiAcirt.
') Zu (religiöser) Reinigung begannen die livaros den Tag mit einem Brechmittel
(s. Villavicencio), wie im Norden. ,,Der Königsche empfieng sie mit seinen Trummen,
als sie in die Kirche kamen, gleich darauf stiessen sie ein lang stecklin in Rachen oder
Halss, damit bewegten sie sich zum undewen und kotzen, gaben hiemit jhrem Abgott
öffentlich zu verstehen, dass sie gar nichts böses noch arges heimlich in jhren Ifertzen
verborgen hctten", erzahlt Benzoni aus Hayti (s. de Bry).
') Bei der Opakuna genannten Flusswaschung (zur Fortspülung) beichtete <ler Inca
der Sonne, damit sie für seine Sünden von Viracocha Vergebung erbalte (wie erklärt wird).
31*
484 RELKIION UNI) SITTE.
äffen wollten" (s. Dapper). „Wann der Peruische Köni^^ krank lag,
mus'ten alle Peruer ihre begangenen Sünden und Misshandlungen
beichten". Bei ansteckenden Krankheiten (in Guiana) muss das Ober-
haupt des Stammes soviel Blut entziehen, um den Kranken zu be-
streichen (s. Baumann).
Obwohl in den heissen Küstengegenden abgewiesen, anderswo
auch (wie bei den Caftares) durch den (von den Botocuden als Tarü
verehrten) Mond^) zurückgeschoben, war der Dienst der Sonne in
Südamerica ein weit verbreiteter, bei den Puelches (s. Dobrizhoffer),
bei den, Blut des erlegten Wildes (wie die Assenipoils den Tabaks-
rauch) aufsendenden Aucaes (in Paraguay), bei den Juries und Dia-
guites (s. Charlevoix), bei den Chileniern, als Anti, in Tarma, als
Mocha, bei den Tobas im Chaco, bei den Chaymas, bei den Poro-
aucas oder Zamora (unter einander siedelnd) Loxa's (s. Herrera)
u. s. w. No adoran idolos sino al sol, bemerkt Valverde von den
Peruanern*) (zur Zeit der Conquista), wogegen Guzman sie Guayna-
capa und seinen Sohn Capac-Inga verehren lässt.
Der Sonnenursprung bekleidete die Dynastie mit einer Heilig-
keit (wie in Japan) und in Coro galt der Fürst als Schöpfer und
Herr der Welt (wie africanische Potentaten vielfach). In seiner
Apostasie hielt sich Julian im Besonderen von dem König Sonne
als seinem Vater beschützt.
Bei den Collas war Inti*) die Sonne*) und Paesa-mama der
*) Nach Champlain riefen die Indianer Mexico's bei ihren Festen den Mond an. In der
Sprache der Ges-Stärame bezeichnet Pütt die Sonne und den Mond (s. Martius).
*) Die Peruaner verehrten ,,al Viracocha y ä el Sol y Apachacama y Aguayna Cauri
Sereaguaca de los Yngas (unter den Huacas Vdolos).
- *) Im Chilenischen ist Antis : Sonne , Cuyen : Mond (s. Molina). Gott heisst Jaun-
gotcoa oder Herr Mond (Mond oder Goicoa) bei den Basken.
*) Auf dem Wege von Florida nach Culiacan traf Cabe9a de Vaca einen Indianer, der
den Schöpfer, Sonne, Mond und Sterne verehrte, und einen Eisennagel, den er am Halse
trug, von Himmelsleuten erhalten hatte, die auf dem Fluss gekommen, und dann mit
Lanzen und Schwertern nach dem Meere zurückkehrend, in dasselbe eintraten und später
über der Sonne gesehen wurden (Herrera). Wenn der Besitzer einer weissen Bisonhaut
bei den Mandans dieselbe dem Herren des Lebens opfern will (indem er sie an einer
Stange mit einem Maiskolben verfaulen lässt) geht er singend, in der Richtung des Sonnen-
laufs, um das Dorf. Die Opfer der Mandanen sind besonders an die Sonne gerichtet,
(Mahap - Mihnang - ga) den Herrn des Lebens. Im Monde lebt die Alte , die nie stirbt
(Neuwied). Vor einer weissen Bisonkuh herrschte eine Art von abergläubischer Furcht.
Begegnet ein Crow einer solchen, so richtet er wohl folgende Worte an die Sonne: ,,Ich
will sie dir (die Kuh) geben." Er sucht das Thier dann zu tödten, wenn es ihm mög-
lich ist, lässt sie aber unberührt liegen und sagt femer zu der Sonne: ,,Nimm sie dir,
sie gehört dein" (Neuwied). Die Floridaner hingen zur Verehnmg der Sonne eine aus-
TKINITÄT. 485
Mond, bei den Quechuas die Sonne Punchau ^) und der Mond Quilla.
Die neben der Steingottheit oder Alecpong und dem Meer (Ni) die
drei Sterne Pata (im Gürtel des Orion) verehrenden Indianer von
Pacasmayo hatten in ihrem Sian (Haus des Mondes) genannten
Tempel den Mond, als höchste Gottheit aufgestellt, denn er sei
mächtiger als die Sonne, weil nicht nur bei Nacht, sondern auch bei
Tage erscheinend, die letztere aber nur an diesem (s. Calancha).
Die drei Götter Apu-ynti, Churi-ynti und Yntip-huauque (Vater-
Sonne, Sohn-Sonne und Bruder-Sonne) wurden (nach Acosta), Chuqui-
ylla (am Titicaca-See) genannt (s. Calancha).
Wie Ynti der Sonnengott der Collas (mit Paesa-mama oder Mond),
Punchau der Inca (Quilla der Mond in Quechua) war, Huanacauri der
heiligste der Ahnengötter unter den Inca. In der Sprache der Ma-
chigangas (bei Paucartambo) giebt Göhring Sonne als Quienti (Mond,
als Casiri), was sich als Auge oder noqui (qui mit dem Präfix der
Glieder, wie notaguistosh, Kopf, nocrimai, Nase u. s. w.) des Tages
oder Lichts erklären liesse, wenn nicht als Enti oder Inti mit dem
präfigirten Qui (wie in Quipachi, die Erde, Quiemari, der Tapir u. s. w.).
Die Götzen Punchao - Inca (oder Sonne), Pachayachachi (der
Schöpfer in Menschenform) und Chuqui - yllayllapa (der Donnergott
mit verborgenem Gesicht) wurden bei dem Fest im Sonncntempel
(Curicancha oder Goldhaus) umhergeführt (s. Cuzco). Chao ist Vater^)
im Chilenischen (Sohn im Indochinesischen).
gestopfte Hirschhaut auf (s. Dapper). The Cherokees state, that a nuiiiber of beings were
engagcd in the creation. The Sun was made first. The intention of the Creators was,
that men should live always. But the Sun, when he passed over, told them, that therc
was not land enough and that people had better die. At lenght the daughter of the Sun,
who was with theni, was bitten by a snake and died. The Sun on his return , inquired
für her and was told that she was dead. He then consented, that human beings might
live always and told them to take a box and go where the spirit of his daifghter was
and bring it back to her body, charging them that when they got her spirit, they should
not open the box, until they had arrived , where her body was. However impelled by
curiosity they opened it, contrary to the injunction of the Sun and the spirit escaped, and
then the fate of all men was decided, that they must die (Payne).
') Chao, father, Pu-chao, the fathers.
') Las tres estatuas del Sol se Ilamaban Apointi, Churijnti y Intiquaoqui, t[ue quierc
dezir: El padre y senor Sol, el hijo Sol y el hermano Sol (Ilerrera) in Peru. Die drei-
köpfige Figur in Boyaca wurde auf den Propheten Soquenzua zurückgeführt (bei den
Chibchas). Nach Betanzos stand im Tempelhof zu Cuzco ein zuckerhutformiger Stein-
pfeiler, den das Volk verehrte, wie die Incas das Sonnenbild im Innern (s. Squier). Die
Säulen in der Nähe des Aeqiialors, worauf die Sonne sich senkrecht setzen konnte, waren
ihr die liebsten.
486 RELIGION UND SITTE.
Yuganqui Hess (nach Acosta) die Goldstatue IndijUapa anferti-
gen, die Sonne (Inti) und den Blitz (yllapa) darstellend. Inca Urcu
(Sohn des Viracocha) führte auf dem Feldzug gegen die Caviflas
(in dem er unterlag) die Statue Manco Capac's als siegverheissend mit
(s. Santa-Cruz). Das, Machis genannte , Goldbild Guainakava's (Huaina-
Capac's) wurde in Tukaja bewahrt (von wo Mango, Atahualpa s Bruder,
es zu holen versprochen). In dem Yuracrumi genannten Sonnentempcl
von Chuquipalpa erschien der Dämon auf dem weissen Stein der
Quelle (s. Brullius). Pachacuti Inca Yupanqui baute das AcUaguaci
genannte Kloster für die von den Matronen (Mama-cunas) gehüteten
Sonnenjungfrauen oder Acllas, die durch den Vorsteher (Appopa-
raca) auser^v-ählt wurden (s. Garcia). Dem Ticci - Capac - Viracocha-
Pachacyachachi wurde eine Jungfrau geweiht. Die Inca tranken^)
mit der Sonne, indem sie ein Goldgefäss halb füllten, und das in
der Hitze verdampfte Getränk, als von der Sonne genossen, an-
nahmen (s. Garcilasso). Nachdem der Inca der Sonne (für Vira-
cocha) gebeichtet hatte, spühlte er sich im fliessenden Wasser ab.
Die Verehrer rissen sich die Augenbrauen und Augenwimpern
aus, um sie der Sonne und dem Wind zu weihen^). Beim Sonnen-
opfer verstopften sich die Anwesenden die Nase. An der Küste
zwischen Piura (Chira) und Truxillo wurde bei der Sonne und der
Erde geschworen. Nach Gomara berührte der Peruaner beim Schwur
die Erde und blickte dann zur Sonne auf.
Sonst wurde es für unehrerbietig gehalten, die Sonne (wie in Bogota
auch den Fürsten) anzublicken, und es war der darauf bezüglich von
dem Hohenpriester ausgesprochene Tadel, der am Raymi-Fest die
skeptische Antwort Huayna Capac's von der über der Sonne zu ver-
muthenden Sonne der Sonnen hervorrief, während (nach Herrera)
schon Inga ■ Viracocha deshalb besonders zum Glauben an Ticevira-
cocha bekehrt sei, weil ihm die allzu unruhige Natur der Sonne ^)
mit der Würde eines hohen Herrn nicht vereinbar schien. Auch
^) Die Walirsagerinnen berauschten sich mit dem Chica-Traiik, worin das Kraut Vilka
gemischt war.
') Die Inca opferten beim Sonnenfest einen schwarzen Widder (nach Garcilasso) und
so der Toqui der Araucaner bei der durch die, Con genannten, Boten zusammengerufenen
Versammlung. Nach Gardiner opfern die Araucaner der Sonne als höchstem Wesen.
Whenever ihey eat or drink the three first morseis or drops are consecrated to the sun,
by throwing then upwards, bemerkt Graham von den Araucaniem.
') Um Sonne, Mond und Sterne aus der Kiste des Häuptlinges zu befreien, Hess
sich Jeshl (als Grashalm an das Trinkgeschirr gelehnt) von der Tochter desselben ver-
ECLIPSE. 487
von Yupanqui stehen Zweifel an der Gottheit der Sonne ver-
zeichnet.
Inga Viracocha, qui primus putatur Pachacamaco supremum
omnium dominium tribuisse, zweifelte an der Gottheit der Sonne
wegen ihrer steten Bewegung.
Bei Sonnenfinsternissen wurden silberne Idole ins Feuer ge-
worfen. Bei Mondfinsternissen rief man lärmend und klagend die
Mutter Mond (Mama-Quilla) an, nicht zu sterben, sondern zurückzukehren,
wie vielfach die Erneuerung ihrer Phasen als Unterpfand des Fort-
lebens gilt. So schützte auch hier der Mond (Quilla) die Gebärenden.
schlucken, um von ihr geboren zu werden und auf sein Schreien die Spielzeuge zu er-
halten, aus denen (beim Oeffncn des Deckels) die Himmelslichter fortflogen. Als Jeshl
den Deckel des in der Luft fortgetragenen Kastens mit der Sonne öflhete, ^wurden die
nach den Bergen und Wäldern laufenden Menschen in Thiere verwandelt. Ein unaus-
gebranntes Ilolzstück aus einer Insel im Meere forttragend, zerstreute Jeshl die auf die
Krde geworfene Kohle in Funken schlagende Steine. Aus dem Brunnen des Khanukh
(den er als den Mächtigeren erkannte) brachte Jeshl den Menschen das Wasser. Jeshl
verbreitete von der Charlotten-Insel den Samen von Pinus Douglasii (aus deren Holz die
Canots verfertigt werden) über die andern Inseln (s. Holmberg). Am Tage des Zauberns
müssen die Verwandten des Schamanen (bei den Koloschen) fasten und ihren Magen
durch ein Brechmittel reinigen. Die Ceris (im Norden Mexico's) begrüssten den neuen
Mond und verehrten die Sonne bei Auf- und Untergang. Wie der Mond stirbt, um
wiedergeboren zu werden, so wird die Seele des Menschen erneuert \Verden, hiess es im
CJesang der Califomier bei Monterey (Hottentotten, Eskimo u. s. w.) Bei den Apaches
war der Bär heilig, als er die entführte Princessin fand. Die von den Königen bis zum
Zenith und von den im Kindbett Gestorbenen abwärts begleitete Sonne wurde Nachts
durch die verwesenden Todten von Westen nach Osten getragen in der Unterwelt (bei
den Mexicanem. Ursprünglich hatte die Sonne nur Brüder, die wegen der Hitze vom
Coyote getödtet wurden, und ebenso die neun Brüder des Mondes wegen der Kälte (bei
den Shasta). Die Welt wurde geschaffen (nach den Shasta), indem der Riesen-Maulwurf
(Ididoe) die Erde emporhob. Der Regen kommt vom Weinen eines kranken Himmels-
bewohners (bei den Shasta). Der arme Knabe der Loucheux der (bei einer alten Frau
erz^>gen) in Hungersnoth - Zeiten heimlich Wild getödtet, stieg (weil verachtet) als Mann
zum Monde auf, wo er bei Jagd angerufen wird. Neben den Nantena oder Geistern
(der See, der Luft und der Erde) findet sich bei den Tinneh der gute Geist Tihugun
(ein alter Freund von Sonne und Mond) und der böse Chutsain, als Tod (s. Heame).
Shljam Shoa ist Hauptgott der Koniagas neben dem bösen Eyuk (Holmberg). Auf den
Aleuten (wo der Wunderkiesel oder Tkhimkee von der See ausgeworfen wird) hat der
Schöpfergott die irdischen Angelegenheiten den Kugan oder Geistern überlassen. Bei
den Thlinkeet trägt der Priester verschiedene Masken, je nach dem Gott, mit dem er
communicirt. Der Häuptling der Haidah, der als Taamish während der Fasten in der
Wildniss mit den Geistern (Nawlok) verkehrt hat, beisst den zuerst bei der Rückkehr
Begegneten. Beim Pflanzfest wurde der Sonne ein Wild geopfert (in Florida) imd so
bei den Dela waren (nach Loskiel). Nördlich von Florida liefen beim Toya - Fest die
dafür Bestimmten in den Wald, und kehrten (nach Fasten und Kasteiungeo) von dort
(nach drei Tagen) zu den klagenden und sich blutig verwundenden Frauen zurück, um mit
Jubel empfangen zu werden (nach Basanier). Die Priester oder Javas (Janiars oder Jao-
488 RELIGION UND SITTE.
Bei der Quillamhuafiun (la luna sc muere) oder Quillatutayan
(la luna se exurece) genannten Mondfinstemiss wurden die Hunde
geschlagen und die Trommel (in Peru). Bei Finsternissen der Sonne
oder des Mondes wurde das Fest Tyri gefeiert (mit Opfern von
Jungfrauen). Während des Mondwechsels wurde gefastet, und die
Klagen bei den Finsternissen beziehen sich in häufigen Wiederholun-
gen auf Schädigung desselben (durch Drachen u. s. w.), Verfol-
gung u. s. w. Die Flecken im Monde rührten von der Umarmung
eines Fuchses her (in Peru), bei den Hottentotten vom Zerkratzen
des Hasens.
Als Diener*) der Sonne walteten Chuqui-ylla, Cutu-ylla und Ynti-
ylla (der Blitz, der Donner^) und der Donnerkeil) in der Luft, als
Donnergott (Chuqui-yllayllapa). In der Sierra (Peru's) wird der Libiac
(Donnerkeil) oder Hillapa verehrt (bemerkt Arriaga). Ein vom Donner-
stein getroffenes Haus (in Peru) wurde zugeschlossen (s. Garcilasso).
Die drei Bilder der Sonne wurden Apointi, Cheruinti und Intiquao-
qui genannt, die drei Bilder des Donners Chuquilla, Catuilla und
nas) oderjaiias (Javiinas oder Jauas) wurden in den darüber verbrannten Häusern be-
graben (in Florida), die Häuptlinge unter einem Erdhaufen mit aufgelegter Muschel.
Neben dem Morcama diente das Timuquana (Timuaca oder Timuqua) oder Thimogora
als Verkehrssprache in Florida. Verschieden von der Verkehrssprache des Creek wurde
bei den Uchee das Savanuca gesprochen. Die Shawnees leiteten sich her von dem Su-
wannee-Fluss in Florida. Aus Zorn über die Laster der Menschen verbarg Gott für drei
Tage und drei Nächte sein Gesicht, und in der Dunkelheit (ohne Sonne und Mond)
wurden die Königreiche durch Erdbeben (unter Platzregen) zerstört, bis auf das Gebet
eines Häuptling's der Apachen die Sonne wieder erschien.
*) Blitz und Donner nannten sie die Vollstrecker der Gerechtigkeit der Sonne (in
Peru). Die Sterne hielten sie für Hoffräulein der Sonne (s. Baumann).
') Von Tupa (s. Marcgrav) nennen die Tapuyer den Donner Tupacununga (strepitum
factum a suprema excellentia) und den Blitz Tupaberaba (splendorem excellentiae). Die
Tapuyer zerfielen (nach Herckmann) in die Cariri (unter dem Häuptling Cerioukeiou),
die Caririvasu (unter dem Häuptling Carapato), die Cariri-jou und die Tarairyou (a Rio
Grande vensus Occidenten). Die Dorfbewohner hiessen Cariri bei den Tapuyem (s. Marc-
grav). The inhabitants of Sarayacu are divided into three distinct tribes, called Panos,
Omaguas and Yameos (Campas am obem Ucayali). Die Cashibos oder Callisecas wohnen
am Pachitea (die Lorenzos am Pozuzu). The Sencis occupy the country above Sarayacu
(landbauend). The Conibos, Shipebos, Setebos, Pirros, Remos and Amaguacas are the
vagabonds of the Ucayali (s. Hemdon). Gli Omagua (dice il P. Acu&a) richiamavano
anticamente Aguas, e questo nome sembra provenire dalla voce Quechua o Peruana Ahua,
che significa di fuori, pesch^ eglino abitavono fuori della provincia di Mainas (s. Hervas),
Scrive il Sig. Ab, Camafio, che Omagua proviene dalla voce Quechua Uma e della voce
Omagua Ava o Ahua che significa Uomo, poiche gli Americani comunemente si appro-
priano la voce significante Uomo, cosa i Chiquiti si danno il nome naqui iiofieis (Uomo),
i Luli si danno quello di Pele (uomo) ed i Peruano si chiamano Runa (uomo). Der
Karibe Kaona^^ gründete (nach Besiegung der Eingeborenen) das Ftirslenthum Maguana
auf Hayti.
REGENBOGEN. 489
Intillapa (s. Dapper). Nach den Krihs ist der Donner durch „einen
grossen Vogel bewirkt, den Einige wirkh'ch gesehen haben wollen".
Wer ohne zu sterben vom Blitzegetroffen wurde, war damit zum Priester
geweiht (in Peru), und ebenso Blödsinnige. In Tamor wurden denv
Blitz gespaltene Steine (Huaca Llipiac) geopfert. Im frühen Alter
sterbende Zwillinge |), von denen eins ein Kind des Donners war,
wurden in irdenen Töpfen als Chuchas oder Gutes verehrt, mit den
Füssen zuerst Geborene als Chacpas (in Peru).
Am Cap Augustin wurde der Donner als Tupana verehrt (Tor-
quemada). Zur bestimmten Zeit kamen aus der Ferne alte Zauberer
(mit orakelnder Calabasse daher, für deren Empfang die Wege ge-
fegt wurden (und die Frauen beichteten). Nicht nur besassen (gleich
dem Inca) die Tempel des Pachayachachi (Schöpfer, als Sonne), des
Donner (Hilcuylle) und der Erde (Pachamama) ihre heiligen Heer-
den, sondern auch die übrigen Capellen im Lande.
Den Regenbogen sehend, schlössen die Peruaner den Mund und
bedeckten ihn mit der Hand, weil, wenn sie die Zähne zeigten, diese
ausfallen würden (s. Garcilasso). Die Peruaner „betteten den Regen-
bogen an, welchen die Inga in ihrem Wappen führten, mit zwo aus-
gestreckten Schlangen" (nach Lintschotten). Bei den Flathead galt
der Regenbogen als ein für seine Beute niederblickender Blitz (s. Men-
garini). Auf dem Regenbogen in Sculpturen der Inca verschlangen
sich zwei Schlangen (in Drachenwindungen).
Neben dem Regenbogen (Ckuichi) wurde die Luft (Huayra),
das Feuer (nina), sowie das Gewitter (Uipiac oder illapi) als Elemen-
targottheiten verehrt (auf den Antillen die Stürme^).
Der Erde (Mamapacha) wurde Mais dargebracht (bei der Ernte),
das Meer (Mamacocha) wurde in den Cordilleras gegen die krank-
heitserzeugenden Dünste angerufen. Wenn die Serranos zum Meere
herabkommend, dasselbe erblickten, verehrten sie es durch Aus-
reissen der Augenbrauen, um gegen Krankheiten geschützt zu sein.
Nach Plutarch verabscheuten die Aegypter das Meer.
Der Planet Venus (Chasqui coyllur) galt als der Diener der
') Los nifios geinelos, si inorian en edad tema, los conservaban en ollas y los revc-
renciaban como a entes sagradas, pretendiendo que uno de ellos era hijo del rayo. Da-
ban al nombre de Chuchas ö Cutis a las cadaveres de estos infantes, y del iiiismo modo
conservaban h. los nifios que nacian de pi^s (Chacpas) cuando fallecian en edad tierra.
') Okopim (Gott der Luft) galt als der Stünne Erweckende (bei den Prcussen). In
der Provinz Carthaginis, wenn Piura den Leuthen einen Schrecken eynjagen will, dräwet
er jhnent er wolle Iluracan, das ist ein Gewitter, hervorbringen" (de Br)-).
490 RELIGION UNI) SITTE.
Sonne. Die PIcjadcn (Onccoy coyllur) wurden wegen ihres F^influsses
auf Krankheiten verehrt, las Hiadas por su accion en las sementcras
y las Munian mircuc coyllar, porque creian que esta estrella influyc
en algunos hombres de manera, que les hacia comer sus padres.
Nach den Omaguas üben die Plejaden (Seso-Sisytama) einen beson-
deren Einfluss auf die menschlichen Geschicke aus (s. v. Martius).
Bei den Diaguitas verwandelten sich die Seelen in Sterne und die
der Häuptlinge (die bei den Maori mit dem Sternen -Auge nieder-
blicken) in Planeten. Bei den Kaffe^n kämpfen die Heroen der alten
Helden in den Schlachtreihen (wie einst bei den Griechen).
Die von Francisco de Chaves Bei ihrem Angriff auf Trujillo be-
kämpften Conchucos trugen ein Götzenbild, dem Opfer gebracht
wurden, in ihrem Heere (s. Gomara), und so die Chibchas die Ske-
lette verstorbener Könige.
Under den Sternen ruffen sie an den Colca, welchen wir Ca-
brillas oder Geisslein nennen. Einem Stern gaben sie diss, dem an-
dern jenes Ampt, welche von denen angebettet wurden, die ihrer
Hülffe bcdurfften. Die Schafhierten opfferten einem Stern, welchen
sie Urcuchillay heissen, und gaben für, dass er ein Widder von
vielerley Farben wäre, welcher anders nichts thäte, als dass er dess
Viehes hütete. Man hält dafür, es sey dess Gestirns, welches die
Astrologi Lyram nennen. Sie ruffen auch sonst noch zween Stern
an, so hart dabey stehen, die sie Hatuchillay und Urcuchillay heissen
und geben für, dass es ein Schaf mit einem Lamb sey. Etliche ver-
ehren einen Stern, welchen sie Machacuay heissen, der über Schlan-
gen soll zu gebietten haben, vermeinen also von jenen unbeschädigt
zu bleiben. Einen Stern nennen sie Chuquichinchay, das ist Tyger-
thier, welches über die Tygerthiere, Beern und Löwen soll zu ge-
bieten haben. Sie hielten dafür es wäre kein Thier oder Vogel
auff Erden, der nicht ein gleichmässiges Ebenbild im Himmel hätte,
und .solcher solt in eben demselben Geschlecht die Generation und
Vermehrung fortbringen helfen, darumb sie dann mit unterschied-
lichen Sternen zu thun hatten, alss den sie Chacana, Topatatca,
Mamana, Mirco (Mirma), Miquiquiray nennen und andere dergleichen
mehr, also dass sie mit Piatone, da er de Ideis schreibet, überein-
stimmen (s. Lintschotten).
,Die bei Ataguju weilenden Plejaden oder Chuchoc wurden für
P>nten verehrt, die Sternschnuppen als Esquix.
Am Ürinoco wurde der Jahresanfang durch die Plejaden (Ukasu)
bestimmt (s. Gumilla). Die Töchter des Atlas wurden in die Pleja-
STERNE. 4yi
den und Hyaden verwandelt, und sein Sohn Hesperus, von einem
Berge durch Sturmwind fortgeführt, in den Abendstern (s. Diodor).
Die Tapuijer oder Kariner verehrten das Siebengestim \) (s. Dapper).
Nach den Pericues (mit dem Schöpfer Niparaya) waren die
Sterne (aus Metall) durch Purutabui gemacht und der Mond durch
Cucunumic (in Unter-Californien).
Die Cometen der Jahre 1823 und 1825 wurden von den durch
die mexicanische Unabhängigkeitserklärung aufgeregten Indianern, als
zu ihrer Befreiung erschienene Häuptlinge gedeutet (s. Boscana).
In den dem Donner und Blitz heiligen Häusern stellten die Cal-
chaquis (in Tucuman) Federstiele (mit Opferblut), die Caclla (Rostra)
genannten Kupferbilder des Idols als Amulette tragend. Auf Häuser
und Felder wurden blutige Federstiele gesteckt, zum Schutz gegen
Gewitter. Die Seelen der Vorfahren (curack) erschienen als Sterne,
und so die der Allppa-paco oder Alpaco (s. Angelis).
Chinigchinich^j als Tobet im Federschmuck tanzend, weihte die
Puplem (Priester), als Wissende der Geheimnisse mit der Tobet-
Kleidung ein, während die nicht zu tanzen Verstehenden Saorem
hiessen. Als er nach seiner Krankheit zu den Sternen aufgestiegen,
um von dort die californischen Playanos zu überwachen und ihnen
(zur nöthigen Strafe) Bären, Schlangen und Krankheiten zu senden,
wurde er Quaguar genannt.
Im Allgemeinen herrschte in Peru die Ansicht, dass die Todten
im Jenseits ihre Chacara oder Chacra (Landgüter) wiederfinden wür
den, weshalb man ihnen Alles für das jenseitige Leben Bedürftige
in das Grab mitgab. Nach den Chancas (in Andahuaylas) lebte die
Seele als Sonccon oder Herz (im Herzen) fort, und die Vorstellung,
den Sitz des Lebens im Herzen zu suchen, wie sie sich in Califor-
nien ausgeprägt findet, hat sich dann in Centralamerica mit dem
göttlichen Princip, als dem belebenden, durchdrungen. Bei den Cari-
ben wohnte die unsterbliche Seele im Herzen, während sich die
*) Imprimis venerantur Plejadum exortum (die TapuyerJ.
5) In den Vanquech oder Tempel des Chinigchinich (unter den Califoniiem) stellten
die Priester (Puplem) das mit Federn ausgestopfte Fell einer Coyate-Katze , der Pfeile aus
dem Halse her vorsteckten, und zeichneten zum Gottesdienst eine Figur auf die Erde, die
die Männer durch Springen , die Frauen durch Vemeigung verehrten (Boscana). Nach
den Befehlen Chinigchinichs wurde ein schlechtes Kind gctödtet und seine Eltern blieben
entehrt. Neben dem in Sterne verwandelten Schöpfer Uaui (auf dem Berge) verehren
die (den ersten Gegenstand als Tamanus oder Schutzgeist wählenden) Chinuk den Lehrer
des Fischfangs (Ilalupus) in Columbia.
492 RELIGION UND SITTE.
»
andern beiden Seelen (des Kopfes und der Arme) in Mapoya oder
Dämonc ver^\'andeIten (du Tertre).
In Chumbo (bei Tomebamba) wurde die Unsterblichkeit ge-
glaubt (nach Garcilasso), und „creian la immortalidad del Alma", sagt
Herrera von den Huanucos, die in Gewölben begruben. Nach Been-
digung des Todtenfestes gelangte die Seele ^) nach Zamay huasi
(casa de descanso).
In der Sierra gingen die Todten (nachdem sie eine schmale
Haarbrücke oder schwarze Hunde passirt hatten) nach Upa-masca
oder Ypa-marca (tierra muda o de los mudos), an der Küste (bei
Huacha) nach den Guano-Inseln, wohin sie durch die Tumi genannten
Seehunde gebracht wurden (s. ArriBga). Otros tienen por tradicion,
que las almas de los defuntos van donde estan us huacas. Die
Brücke, die die Seelen der Abiponer zu passiren hatten, wurde Tag
und Nacht von dem Gott Patutiso bewacht, und Hess es der beglci
tende Priester an Etwas fehlen, so wurden sie in den Fluss gestürzt
Bei denTobas oderMbocobis (mit dem Schöpfer Gdoapidolgate) er
steigen die Seelen den Himmel auf dem Baume Llagdigua (s. Guevara)
Die Cauinier (südlich von Cuzco) oder Cavifta (in Collasuyu) waren aus
einem Sumpft) entstanden, wohin die Seelen zurückkehrten, um dann
wiederum den Körper Neugeborener zu beleben (s.Vega), als CaviAas am
Vilcamayu-Fluss (mit dem Tempel Ausancata). Die im Tempel
Ausancata verehrenden Canches (bei Urcos) meinten, dass die Seelen
sich nach dem See ihres Ursprungs begäben, um in die Neugebo-
renen einzugehen (s. Cieza). Die Seelen der Tapuyer (in Brasilien) ver-
sammeln sich an einem See, wo sie ein Charon, als Fährmann, über-
schifft (s. Barlaeus). In Chanpanchita (westlich von Popayan) leben
*J Die Karen erkennen drei Seelen, während sonst die Vierzahl vorwaltet. Kinige
Metaphysikcr ausgenommen, lässt sich (nach Hume) von allen übrigen Menschen behaup-
ten, dass sie nichts als ein BUndel oder eine Sammlung verschiedener Vorstellungen sind,
die in raschester Schnelle auf einander folgen, in beständigem Fluss und Bewegung.
Nach Weiss ist nur dem Genie die Unsterblichkeit gesichert, während die gewöhnlichen
Seelen verschwinden (wie sie in Polynesien vom Alua gefressen werden). Unter den
Christen Hess nur Origenes die (heidnische) Praeexistenz der Seele zu , während man
^onst zwischen Creatinismus (die jedesmalige Schaffung durch Gott) und dem Traducia-
nismus (die Uebertragung von Eltern auf Kind) schwankte. Im (Gegensatz zu der Auf-
lösung der bei den Neuplatonikeni als Emanation betrachteten Seele in der Gottheit (bei
der Rückkehr) hielten die Christen die (nur durch Gnade unsterbliche) Seele zugleich an
die Auferstehung des Körpers gebunden.
') In der Oberpfalz müssen die armen Seelen als kleine schwarze Fische in dunkeln
Gewässern leben, sie kommen nur beim Mondenlicht an die ( )berfläche und können nicht
gefangen werden (nach Schönwerlh).
HERKUNFT. 493
die Häuptlinge wieder auf, und cjie Seelen der Todten beleben die
Neugeborenen (s. Cieza).
Die Herkunft aus heiligen Seen war weit verbreitet durch Süd-
america, und nach Art der den Peruanern angewiesenen Pariscas
lieisst es auch von den Moxos: „creianse hijos del lago, del bosque
6 de la orilla del reo, en que vivian '. Einige der Zapoteken stamm-
ten von Löwen oder anderen wilden Thieren, Einige von Bäumen,
Einige von Felsen (s. Burgoa). Je nach der Abstammung von
Thieren oder Pflanzen wurden die neun Dörfer der Moqui von der
Urmutter auf ihre Plätze gestellt, und beim Tode kehren die Seelen
in das Prototyp des Stammes zurück.
Nach den Minsi und Miamis wohnten ihre Vorfahren unter der
Wasseroberfläche, aus der auch die Anwohner am See Titicaca hervor-
gekommen, während die ersten Besiedler Guamachuco's durch ein,
mit göttlich verliehener Hacke geöfl'netes Loch ausderErde ausgegraben
waren. Manco-Capac (heisstes) kam bei Paccaritampa aus der Erde^)
(die Vorfahren in Mexico bei Aculma). Von Fischen stammten die
Collas, von Löwen die Chancas, von Vögeln und Thieren die Huanu-
cos, und in den Andes sprach man von der auch in Birma bekann-
ten Vorzeit, als noch die Thiere auf Erden geherrscht hätten (im
Anschluss an viele Schöpfungssagen der Rothhäute). Der Fuchs
spielt in Peru die dämonische Rolle, die ihm vom chinesischen und
japanesischen Aberglauben angewiesen wird (wie auch bei den India-
nern von Narganset).
Die Peruaner unterschieden den Himmel (der Guten) oder Hanan
Pacha (obere Welt), die Hurin Pacha (niedere Welt) und (im Mittel-
punkt der Erde) die Veu Pacha (Unterwelt) oder (als Aufenhalt der
Bösen) Cupaypa Huacin (Wohnort des Cupay oder Teufels) und
Ucupacha (Unterwelt).
Die mittlere ^) Welt oder Hurin-Pacha (zwischen Hananpacha und
und Ucu-Pacha) bezeichnet Garcilasso de la Vega (im buddhistischen
*) Die (wie die Chimus im Innern des Meeres) im Innern der Erde geschaffenen
I'ijaos kamen zwischen dem Fluss Cacarayma und dem Thal Anayma aus den Bergen
(wie die Chichimeken aus den Höhlen von Chicomoztoc),
') Nachdem der Gott Quaor die Erde auf den Rücken von sieben Riesen gelegt,
schuf er den Mann Tobohar und die Frau Pabavit. Der Schöpfer Niparaja wohnt im
Himmel (beiden Pericues), wo die Sterne (aus Metall) durch Pruutahui gefertigt sind, der
Mond durch Cucunuraic (s. Clavigero). Als die Navajos aus der Höhle her\'orgekommen,
wurden sie durch die Ucbermacht der wilden Thiere vermindert bis auf einen alten Mann,
eine alte Krau und ein Mädchen , das mit dem Sonnengott Kinder hervorbrachte. Nach
Guzman wurden /ahme Schlangen (unter Verehrung) in den Häusern aufgezogen (in
494 RELIGION ITND SITTE.
Sinne) als die Region der Geburten und Auflösungen. Die Guten gin-
gen nach dem Tode in Hanan-Pacha ein, um dort ruhiger Beschau-
lichkeit zu geniessen, während die Bösen in Veu-Pacha gequält wurden,
und für solche Auferstehung des Körpers^) (Alpaca-masca) oder Alpa-
camasca (belebte Erde) in Hanan-pacha, Hurin-pacha oder Veu-pacha,
je nach den die Transmigration bedingenden Verdiensten, bewahrten
die Peruaner die abgeschnittenen Nägel und Haare auf (wie ähnlich
einst im europäischen Norden). Von Inca-Roca, als er auf Befehl
Illatici's in der Höhle Chingana besucht wurde, wird bemerkt, dass
er auf einem mit Thieren und Vögeln sculptirten Stein zurückgelehnt
liegend, die Auferstehung^) gepredigt habe. Nach buddhistischer Dar-
stellungsweise wurde auch Are (der Moscos) liegend gedacht.
Culiacan). Die Opatas suchen die Eclipsen durch Geschrei und Gesticulationen zu ver-
treiben. Bei den Opatas erhielten Zwerge und Bucklige Verehrung. In Culiacan wurden
vom Blitz Erschlagene ohne Berührung unbegraben gelassen. Aus xoQyaxtjg oder
X((Qyayog {xfQavyog^ der Blitz) haben die Armenier den General des Chosroes zum M<ir-
der des Kaisers Carus gemacht unter dem Namen Gomag (s. Langlois). Die Erdkugel
ruht auf Stützen, die (weil morsch und krachend) längst umgefallen wären, wenn nicht
durch den Angekok ausgeflickt. Der Himmel dreht sich auf einem spitzen Berge. Beim
Regen laufen die Himmelsteiche Über. Im Blitze rasselt das Seehundfell , das zwei alte
Weiber strecken. Mädchen, die den Mond ansehen, werden von ihm beschmissen (und
schwanger). Malina von ihrem Bruder Anninga (dem sie das Gesicht berusste) verfolgt,
fuhr an den Himmel als Sonne (noch von dem Mond verfolgt). Nach dem letzten Viertel
fahrt Anninga (der Mond) auf den Seehundfang in seinem Hundeschlitten und kommt
fett als Vollmond wieder. Bei Finsternissen geht er in den Häusern (wo Alles versteckt
wird) umher (die Leute, welche nicht die Enthaltungsmassregeln beobachten, umzubrin-
gen), bis durch Lärm verscheucht. Bei Sonnenfinsternissen kneipen die Frauen in die
Ohren der Hunde, die durch Schreien zeigen, dass die Welt noch nicht zu Ende ist (und
weil älter als die Menschen, ein feineres Vorgefühl besitzen). In den schiessenden Ster-
nen reisen Seelen vom Himmel zur Hölle (s, Cranz). Auf das Kindesgrab wird ein Hund
gelegt, zur Fühnmg. Die Leiche wird durch besondere Oeffhung ausgetragen und von
einer Frau ein angezündeter Spahn hinterher geschwenkt. Die Wittwe hat unter offenem
Himmel eine Trauerkappe zu tragen. Die Angiak (Gespenster) werden von den Angekok
gefressen (in Grönland). Suivant les Outaouais, le Grand Li^vre (Michabou ou Ouisa-
ketchak) ^tait un homme d'une taille gigantesque, ne dans l'tle de Michillimakinak
(Makinac dans le lac Huron), et qui fabriqua les premiers rets k prendre le poisson sur
le modele de la toile tissee par l'arraign^e (Tailhan). Le Michipissy ou le grand tygre,
Appel($ ailleurs Michibissy ou Missibizi, etait invoqu^ par les Outaouais ou nations d'en
haut pour en obtenir une bonne pöche d'esturgeons.
^) Aya, cuerpo muerto (nach Holguin) oder (nach Domingo de S. Thomas) sepultur.1.
Alma (por la cual vivimos) findet sich im Quechua als Cama quenc (Camaynin) oder
Songo (s. Domingo de St. Thomas).
*) In Chuquisaca adorant idolum Tanga (Blocius). Animarum immortalitatem cre-
dunt, sed corporum resurrectionem desperant (Camaxamalcani). Bei den Tamanaken
nimmt Amalivaca das den Menschen gegebene V^ersprechen der Verjüngung (nach Art
sich häutender .Schlangen) wieder zurück, wegen des Zweifels einer Frau (wie ähnlich bei
Eskimo).
SYMBOLE. 495
Für die höllische Unterwelt fand sich noch der Ausdruck Pitusiray-
sanasiray womit (nach San ta-Cruz) die Befestigung einer Person auf einer
andern bezeichnet sei, wie es dem Bruder oder der Schwester Mango
Capac's bei Saftuc widerfahren. In Chicora am Cabo de Santa Elena
oder Jordan (in Florida) wurde der hinkende Gott Quxuga im Para-
diese verehrt, daneben (nach Herrera) die Hölle kalt gedacht
(während sie den Schotten im kalten Nebellande als warm geheizte
wohl gefiel). Auch den Musos erschien ihr Dämon hinkend (Herrera).
Jurupari oder Jerupai (der böse Dämon der Tupi) wird als der stolze
Hinkende erklärt (s. von Martius), wogegen Magalhaes die Ueber-
setzung auf Mond zurückfuhrt. Für die Inca war ein besonderer
Himmel reservirt, indem sie nach dem Tode in den im Meere unter
einer unbeweglichen Sonne liegenden Palast Manco Capac's .ein-
gingen.
Die auch in mexicanischer Weltanschauung aus dem Buddhismus
rcflectirten Züge wiederholen sich in Peru bei der Bemerkung Gar-
cilasso's über die Flüchtigkeit und Hinfälligkeit des Lebens, wie sie
von Inca-Roca, dem Verehrer Pachacamac's, erkannt sei, abgesehen
von dem Klosterleben, in das (wie bei den Chibchas gleichfalls) die
Fürsten eintraten oder sich zurückzogen. Beim Fest Capac-Raymi
(zu Ehren Viracocha • Pachayachachi's) klagte am Abend Mayta-
Capac , dass bald der Tod (und sein Bild , der Schlaf) wie auf den
Tag die Nacht, folge, und ergab sich in Toco-cachi strengem Fasten
(s. Santa -Cruz). Das Fest Huan in Sogamoso wurde mit Klagen
über die Vergänglichkeit des Leben's gefeiert (zur Betäubung im
Rausch beschlossen) und den Fürsten der Chibchas fanden sich bei
den Festen stets zwei Greise zur Seite, die ein Fischernetz tragend,
auf dem Choismia genannten Blasinstrument klagende Weisen spiel-
ten. In Tonapa s Namen Nipacachan (Tonapa Viracocha Nipacachan)
könnte ein buddhistisches Nipan (Nirana) gelesen werden. Bei ägyp-
tischen Festen erinnerte das Mumienskelett an den Tod. In Oajaca
wurde Piyetao-Piyexoo (der Nicht -Seiende) verehrt. Die Gottheit
Hometeutl (der Herr dreifacher Würden) residirte in Olomris oder
Zivenavich-Nepaniuhca (nach dem Commentator des Codex Vaticanus).
Um eine götzendienerische Versinnlichung der (nur in Gedanken
erreichbaren) Gottheiten möglichst zu vermeiden, wurde dieselbe
durch einen Ring, zwischen Sonne und Mond, dargestellt, oder durch
eine flache Goldplatte, welche Manco-Capac (nach Molina) anfertigen
Hess, um den Schöpfer des Himmels und der Erde zu symbolisiren.
Diese Goldplatte, oder ein dünnes Goldblatt ovalrunder F'orm, wurde
49ß RELIGION UND SITTE.
durch Mayta-Capac, den Verehrer Tica-ccapac's oder Caprichay's,
erneuert (s. Santa-Cruz), und über das aus feinem Goldblatt gefertigte
Schöpferbild, zwischen Sonne und Mond, wurden die Orcorara ge-
stellt, als drei sich gleiche Sterne. In der Huaca Chuquisaca's nennt
Acosta die Verehrung Tangatanga's^), als Dreieinigen, „un idolo, que
decian, que en uno eran tres y en tres uno" (s. Herrera), und Garci-
lasso erklärt diesen Namen mit Acatanca oder Mistroller, als (ägyp-
tischen) Scarabäus. Diese Gegenden waren von Viracochas Avatare
als Tucapa durchwandert, und spiegeln so Tucapacha, den unsicht-
bar^) im Himmel lebenden Schöpfergott der Tarasker (s. Salazar y
Olarte), der (nach Herrera) durch Aufblicken zum Himmel*) verehrt
wurde. Tenianle por haccedor de todas las cosas, que daba la vida
^) In Mechoacan wurden die Fische von der Göttin Xara-Tanga gehütet.
^) Das höchste Wesen (Guanupiglian) gebot (in Araucanien) über untergeordnete
Cieister (s. Ovalle).
>) Nach den Califomiem der Mission von St. Juan Capistrano vermählte sich der
Iliinmel mit seiner Schwester, die Erde, Steine, Pflanzen und Thiere zeugend und zuletzt
das belebte Wesen Ouiot (Boscana). Chinigchinich war den Serranos bekannt als Saor
aus der Zeit, wo er nicht tanzen konnte, als Quaguar, wenn er tanzte, und als Tobet,
indem er tanzend im Federschmuck zu den Sternen aufgehoben wurde. Nach den Playanos,
die sich im Thal von St. Juan Capistrano niederliessen , schuf der unsichtbare und all-
mächtige Nocuma die Welt, indem er sie durch den schwarzen Fels, Tosauh, festigte
und dann den ersten Indianer Ejoni aus der Erde rief, der mit seiner Frau Ae Ab-
kömmlinge zeugte, unter denen Siraut und Ycaiut ihren Sohn Ouiot (das Eingewurzelte)
nannten, ein Ungeheuer, das von Pubuna herkommend, wegen seiner Tyrannei vergiftet
wurde, worauf in späteren Zeiten gleichfalls (zu Pubuna) Ouiamot (Sohn von Tacu und
Auzar), als der Gott Chinigchinich erschien (Boscana). Als der grosse Geist (nachdem
er mit einem Stein ein Loch in den Himmel gebohrt) Eis und Schnee herabgeworfen,
auf die dadurch gebildeten Wolken heruntergestiegen war (die Bäume durch Einstecken
lies Fingers pflanzend), bildete er (als die Sonne den Schnee zu Bächen schmolz) aus
den lose umherfliegenden Blättern die Vögel, aus den lose umherfliegenden Splittern eines
zerschnittenen Stockes die Fische, aus den grossen die Thiere und aus dem dicken Ende
den Graubär, vor dessen wachsender Stärke er sich in den Wigwam des Mount Shasta
zurückzog (vom Heerdfeuer damals noch rauchend). Sein zur Beruhigung des ausbrechen-
den Sturmes auf das Dach geschickte Tochterkind wurde vom Sturm fortgeführt, durch
die Ahnfrau der (damals auf zwei Bemen gehenden und mit Keulen kämpfenden) Grau-
bären gefunden und mit deren Sohn vermählt, die Rasse der Menschen zeugend, während
der Grosse Geist (durch seinen Enkel von dem Aufenthalt der Tochter benachrichtigt)
aus dem Berg Shasta hervorkommend, seine Tochter fortfUhrte, und die Graubären ver-
fluchte, jetzt mit niedergesenktem Haupt auf vier Beinen zu gehn (obwohl sie im Kampfe
noch aufrecht stehn). Der Himmel (bei den Tupi) hiess Man (nach Hans Staden).
Den Riesen Jakke-elt-ini (dessen Kopf den Himmel fegt) tödtend, bedienten sich die
D^nes (Menschen) oder D^n^-dindjies seiner Leiche als Brücke (Petitot). Die fastenden
Priester oder Nakoi (Seher), die durch ihre Gesänge die Geister auf die Erde riefen,
nahmen die Beichte ab (bei den Dene-dindji^s). Die fleischliche Begattung bildet die
Sünde (F'tendi-koedeny^), Reinigung erlangend. Die Schlange (Nadudhi oder Natiwödi
PiRiiUA. 497
y la muertc, los Buenos y los malos temporales. In den Andes,
unter den Coca bauenden Indianern, soll ein Mächtigerer, als Sonne
und Mond, verehrt sein, als der Inca dorthin gelangte. Sonst stand
bei den Wilden der Andcsthäler der Cultus der wilden Thiere
in Kraft.
Die Alles (geistig^)) durchdringenden Himmelsgottheiten wurden
in Peru als Illatici-Viracocha verehrt und (nach Montesinos) ging
dieser Cultus auf den Gott Pirhua, als Illatici-Viracocha^) (bei den
Pirhuas) zurück. Von Sinchi Apusqui sei dann der Dienst Pirhuas
oder Illatici-Viracocha s (Pyrhua-Viracocha oder der ältere Viracocha)
als Huarma-Viracocha (der jüngere Viracocha) wiederhergestellt, und
so bahnt sich die Kette an bis zur Identificirung des Gottes mit
seinem Propheten, und der Vergötterung der Inca. Die Spanier galten
als Sendlinge des Pachayachachic Uiracocha (s. Salcamayhua).
Indem Pirhua, oder Stamm (Hua) der Sonnenhitze (Pir), das All mit
Rücksicht auf die PIrnte und Vorrathshäuser (Pillan ^) die Gottheit im
verursacht die Krankheiten (bei ihm D^ne-dindjies). Aus der Begattung der Schlange
(Klan) mit der ersten Frau oder Nachtfrau (Edhes oder Messigi) wurde eine Rasse von
Menschenfressern gezeugt. Zi'in oder Dzzin sind die Dämone (bei den D6nd-dindjies).
x\us dem Busen der Frau gingen die nagenden Ratten, aus dem Kopf die Mücken her-
vor (nach den Den^-dindjies). Die Trias der D^n^-dindjies (Vater, Mutter und einziger
Sohn) findet sich bei den Montagnards, als drei Riesen -Adler (Odelbal^ oder ()lbal6),
wovon Odclbale (der .Sohn) den durch die Fehler der Frau gefallenen Menschen unter
seinen Flügeln gegtn die Krallen des Vaters schützte (s. Petitot). Von der Triniiät (der
Peaux-de-Li^vre) wohnt der Vater (Inkfroin-Wetay) im südwestlichen Himmel (am Zenith),
die Mutter (Vakkena-Tchont-ini) im nordwestlichen (am Untergang), während der Sohn
den flimmel zwischen beiden durchläuft, seiner auf der Erde klagenden Schwester das
Feuer verschaffend (Petitot). Die Ilimmelsfrau ( Vakka - Tsi^ge oder Morgenroth) wird
bald nls weisser Schwan, bald als Moschusochse (Yakkay) dargestellt (bei Den^-dindjies).
Die Maus oder Tan (Kloung^ oder Gloune) ist der Todesgeist (bei D^n^-dindjiesJ. Beim
Jahresfest des Neumondes wurde geopfert (bei Dene-dindjies). Vor ihrer Auswanderung
aus dem Westen (nach dem Thal des Mackenzie) wohnten die D6n6-dindjics unter der
(mit Riesen oder Kodenc-tcho gemischten) Nation der Kfwi-detelli (Kahlköpfe). Die
Tinneh-Familie begreift die Gruppe am Mackenzie -Fluss (an der Hudson- Bay), die
Gruppe in Alaska, am Berg St. Elias und Kupferfluss, die Gruppe der Tacullies in Neu-
Caledonien, der Umpquas in Oregon und die Hoopahs in Califomien , sowie die Gruppe
der Apaches (in Arizona, Neu-Mexico und Nord-Mexico).
*) Pillan (Gott) deriva de Pulli o Pilii (la alma) y denota el espiritu por cxcellencia.
I>o Uaman tambien Guenu-pillan, el espiritu del cielo, Buta-gen , el gran Scr, Thalcave,
el Tonante, Vilvcniove, el crcador de todo, Vilpepilove, el Omnipotente, MoUgelu, el
Etcrno, Aonolu, el infinito etc. (s. Molina).
') Virhu significa estar echado en donde la particula seUala (Virhuua cuni , en el
campo) in Mechoacan (s. Lagunas).
') Nach Gay bezog sich Pillan (bei den Araucanem) auf die brennenden Vulcane
(verehrt wie in Hawaü). Neben Tupa (als Donner und Blitz) fand sich bei den Brasilia-
nern (nach Margg'rave) Pillon (als Alles regierender Luftgott), Marigiouna (der Todlen-
Bastian: America. L 32
498 • RELIGION UND SITTE.
Chilenischen^) und Pillotoas die Zaubergeister in Canada) bezeichnet
haben sollte, so ermöglieht sich die Incarnation der Gottheit in der
Leben spendenden Sonne und bei Baiboa geht die Bekennung Ticci-
Viracocha-Pachacamac s (Princip alles Guten und Schöpfer der Welt)
auf die Einführung des Sonnen -Cultus durch Inga-Yupanqui zurück.
Intipintin Ticcimoyoc Camac quiere decir imagen del hazedor del cielo
y tierra. Montesinos schreibt die Verbindung des Sonnendienstes mit
Illa-tiksi-Hiuracocha dem Inti-Capac zu, der den Aufstand der Anti-
huayllas gegen seinen Vater Sinchi-Cosque mit göttlicher Hülfe
unterdrückte. Bei Molina wird Tecsi-Viracocha als die unbegreif-
liche Gottheit (Aticsi-Viracocha) erklärt (in der Bezeichnungsweise
der Dacota), und nach Acosta erhielt Viracocha die Bezeichnung
Usapu (que es cosa admirable), als Pachacamac oder Pachayachachic
(Schöpfer des Himmels und der Erde). Nach Herrera wurden Vira-
cocha oder (bei Oviedo) Viracha (Schaumessohn) im Tempel Pacha-
geist), Maroua|)Ounle (der in Träumen erscheinende Ehegott, an die Beiwohnung erinnernd),
und den bösen Geistern (als Begleiter auf der Reise) wurden Pfahle aufgesteckt (für
Opfer).
') Vom (chilenischen) Abgölte Pillan, dem sie etliche Lieder, mit seltsamen gebähr-
den, zu ehren singen, glauben sie, dass er ein Geist sei, der aus der Luft bestünde, und
alle Sachen auf Erden beherrschete. Doch andere meinen, dass er der Donner sey , den
sie auch also zu nennen pflegen. Und darum ehren sie diesen Pillan, wan es donnert,
am allermeisten : dan da stecken sie einen Pfeil und ein steinernes Beil in die Erde, und
nehmen das Gewehr zur Hand, nicht anders als wan ein mächtiger Feind auf sie kähmc;
indem sie wähnen, dass sie, durch den Donner, vor der Spanier Ankunft, derer Grau-
samkeit ihnen ein Greuel ist, ge warnet würden. Sonsten nennen sie auch alle Helden
Pillan, und schreiben denselben Göttliche Ehre zu, Wan sie Tabak saugen, welches sie
fast allezeit zu tuhn pflegen, dan blasen sie den Rauch desselben, mit wunderseltsamen
gebährden, in die Luft, und schreyen: Empfange dieses, o Pillan. Ja wan sie aus irgend
einer Feldschlacht sieghaftig zu hause kommen, stecken sie das gemeldte steinerne Beil
in die Erde, stehen um dasselbe gewafnet her, sauffen so lange, bis sie vol und toi
seynd , und singen inzwischen , dem Pillan zu ehren , ihre Lieder Pawari. Mit den Ge-
fangen handeln sie auf eine gantz grausame weise. Diese fuhren sie zum Tantze, und
machen sich mit ihnen lustig und fröhlich. Aber wan das Spiel am besten ist, dan
hacken 'sie ihnen, mit einem Beile, den Kopf ein, und reissen ihnen das Hertz aus dem
Leibe; welches ein ieder halbwüthende mit den Zähnen zerbeisset. Auf eben dieselbe
weise verfahren sie mit den Strauchreubem , Dieben und Verräthem, wan sie dieselben
zur strafe ziehen wollen. Wer aber den vornehmsten unter ihnen viel vom Trancke
Chica verehren kann, der kauft sich von gemeldeter Strafe loss. Doch dieses kan die
Zauberer und Hexen keineswegs befreyen : welche mit alle dem , was sie besitzen , ohne
alle gnade, lebendig verbrannt werden. Sie haben keine Priester, oder andere dergleichen
Leute, welche des Gottesdienstes wahrnehmen. Nur dieselben, welche das Lied Pawari
am besten zu singen wissen, halten sie in hohen Ehren. Der zweyte Abgott Maruapeante
tuht ihnen, durch eingebung oder im Traume kund, wan sie eine Frau nehmen oder
beschlafen sollen. Aber dieses geschiehet nicht eher, als wan sie sich, zu seinen Ehren,
toi und vol gesotten, und ein Liedlein hergesungen haben (s. Dappcr).
ALLEGORIE. 499
cama s Opfer dargebracht, während von Hahuarhuakak erzählt wird,
dass bei der Beutetheilung nach dem Siege über die Chancas
alle Götter in ihren Tempeln (Sonne, Mond, Sterne*), Donner und
die übrigen Huacas) bedacht seien, ausgenommen Viracocha, der
als Schöpfer und Herr der Welt Nichts bedürfe. Inga Viracocha^)
(s. Brullius) „primus putatur Pachacamaco supremum omnium domi-
nium tribuisse". Apu-Challcu-Yupanqui fungirte als der Hohepriester
Pachayachachi's (s. Salcamäyhua).
Sinchi-Apusqui erneuerte die Verehrung Pirhuas unter dem
Namen Illatici-Huiracocha, als Huarma-Huiracocha (eines jüngeren
Epigonen), und Montesinos sieht in Huira (Vira) eine Entstellung
von Pirua (Einigung aller Dinge). Die Inca verehrten Pachayachachic-
Atun-Viracocha (sagt Molina). Der Schöpfer hiess Viracocha-pacha-
yachachi (Tica-ccapac oder Caprichay).
Den Schöpfergott in flacher Ringform symbolisirend, vernichtete
Ynca Manco Capac die Idole des Curaca Penao Ccapac, sowie den
Götzendiener Tocay-Capac (bemerkt Salcamäyhua). Die ovale Gold-
platte (Manco Capac's) als Emblem des Schöpfer s, wurde von Mayta
Capac in runder Ringform'*) zwischen Mond uhd Sonne gestellt, und
durch Huascar mit einer, die Sonne tragenden, Tafel ersetzt. Das Idol
Punchao im Sonnentempel Cuzco's trug auf der Stirn „eine Platte,
bei welcher man, wenn die Sonne darauf schien, eine zweite Sonne
zu sehen bekam" (s. Dapper). Die Hohenpriester Perus führen den
*) Ein Stamm der Pawnes opferte dem Morgensterne (Tc llenten) bei der Ernte
(Prichard).
') Nachdem Viracocha Inca in Characas die Unterwerfung Tucuman's oder Tucman's
entgegengenommen durch die von dem Reiche Chile berichtenden Gesandten, schickte
er einige Inca in ihrer Begleitung zurück, um die Gesetze seines Staates in der Heimath
einzuführen. Sein Sohn Pachacutec dehnte seine Herrschaft bis zur Sierra de San -Luis
aus, sowie über die Thäler der Provinzen von Salta, Catamarca und La Rioja, während
Yupanqui den Norden Chile's eroberte und den Pass der Cordillere von Mendoza öffnete,
worauf sich die Oberhoheit der Inca unter den ansässigen Stämmen der Andes- Thäler,
sowie des oberen Juramento und Dulce befestigte. Huayna capac verlängerte die Strasse
Quito's bis Copayapu (Copiapö) und in die Provinzen von Cuyu oder Cuyo, (wo der Weg
der Cumbre von Yupanqui geöffnet war). Während des spanischen Krieges mit den
Calchaquis (1655) wurde Bohorquez zum Inca erhoben und Oropezca Tupac Amaru wurde
in seinem Aufstand (1780) durch die Indianer der Provinzen von Jujuy und Salta unter-
stützt. Ces Souvenirs poussaient en 1817 et 1818 quelques Argentins partisans de la
monarchie i rechercher s'il ne restait pas quelque descendant direct ou indirect de la
noble famille des Incas, pour l'asseoir sur le tröne constitutionnel de la Plata (s. de
Moussy).
') Hostanes et formam veri Dei negat conspici posse et angelos veros sedi ejus dicit
assistere (s. Cyprianus).
32*
500 RELIGION UND SITTE.
Titel Villa-oma (bei Oviedo) oder Huillac-Uma, als das Haupt (Uma)
der Religion (huilca*) oder Vilca (das Heilige).
Mit der Verehrung des Viracocha wird (bei Herrera) die der
Sonne und des Donners verbunden und der Donnergott oder Intiil-
lapa (Catuilla oder Chuquilla) als Träger von Schleuder und Keule
dargestellt, während noch die Verehrung der Erde als Pachamama,
(Pathamama) oder Mamapacha, des Meeres, als Mamacocha, sowie
des Regenbogens und der Collca genannten Steine hinzukommt.
Als Diener Pachacamac's wurde die Sonne geehrt, durch deren
Strahlen Alles auf der Erde erzeugt wurde (s. Oliva), und dann wer-
den als Verehrungsgenstände genannt: die Sonne (Inti oder Punchao),
der Mond (Quilla), das Sternbild Oncoy (siete cabrillas), das Meer
(Mama-cocha) , die Erde (Mamapacha), die Quellen (Puquios), die
Flüsse (mit der Ceremonie Mayuchulla, um nicht beim Passiren zu
ertrinken), die hohen Berge, die Schneegipfel (Razu), die Geburts-
plätze (Pacarinas) und wüste Gegenden (s. Arriaga). In Collao wurde
der Mond (Quilla) als Pacsa-Mama angebetet. El principal a quien
adoraban, era el Viracocha Pachayachachic, que es el Criador del
mundo, y despues de 61 al Sol (in Peru), aber die Sonne ^) und übrigen
Huacas waren nur die Vermittler für' den Schöpfer (s. Acosta).
Auf Mango-Capac folgte sein Sohn Chinchi-Roca oder Inga-Roca,
neben dem Dienst des Pachacamac^) (der Gott seines Vaters) den der
Sonne (mit Klöstern unter seiner Schwester Achiolo) und des Mon-
des einführend (BruUius). Zur Verehrung der Sonne trat der Fürst
auf eine Brustwehr der Plattform ujid sprach mit gesenkten Augen
ein Gebet beim Sonnenaufgang (s. Benzoni). Dem Sonnenbilde (Apu-
punchau) war die Coya-facssa (der Sonne geweihte Jungfrau), zur
Begleitung zugewiesen.
Sinchi-Cosque, als Priester des Illatici-Viracocha fungirend, setzte
seine Brüder als Priester in dem neu erbauten Sonnentempel ein
(s. Montesinos). Ccapac-Yupanqui liess zur Taufe seines Sohnes
*) Im Chilenischen bezeichnet Huilli, septum animlineum, intra domum, ubi frumen-
tum fructus etc. adservant.
') Zu Cusco wurde die Sonne als Tecebiracoce als höchste Gottheit verehrt (s. Dapper).
Auf Yahuar-Huacac-Yupajaghe (Sohn des Mama-Cagua) folgte Viracocha. Die Stämme
am Pauhatan-Fluss (in Virginien) wurden von den Werowances (Viro-wances) genannten
Fürsten beherrscht.
') Garcilasso erklärt l*achacamac aus pacha (die Welt) und Camac (der Schöpfer),
als Part. Pres, von cama, zu l)eleben (camani, ich schaffe), el quäl verbo se deduce dcl
nombre Cama, que es anima (also die Welt-Seele).
ORAKEL. 501
Inca-Ruca durch Thonapa geweihtes Wasser aus dem Titicaca-See
holen (s. Salcamayhua), wie auch bei den Mexicanern (und Brah-
minen) der Taufe ähnliche Waschungen gebräuchlich waren.
Yupanqui erschien im Quell Susur-puquio sein Vater Viracocha-
Inca in Gestalt eines von Schlangen umringelten Mannes mit Löwen
auf den Schultern, als Bild der Sonne (s. Molina). Tupac-Cusi
Huallpa (Huascar) setzte am Titicaca ein Goldbild der Sonne, als Vira-
cocha Ynti auf (nach Salcamayhua). Chuchi-Capac, Fürst der Collas
verehrte den Huaca-Inti. In dem Sonncntempel am Titicaca erhielt
der Dämon Noacach Verehrung (wie Thevet meint). Nach Eroberung
einer Provinz Hessen die Inca das nach Cuzco gebrachte Landes-Idol
dort, im Sonnentempel aufgestellt, durch eine (aus d^m eigenen Lande
unterhaltene) Deputation der Eingeborenen, die täglich der Sonne
ihre Verehrung darzubringen hatten, bedienen.
Garcil^sso unterscheidet Rimac, als das Orakel der Yungas, oder
auch des gemeinen Volkes, (mit männlicher Bildsäule des sprechenden
Gottes) von dem Tempel Pachacamac (des Cuismancu), in dem nur
ein Geist angebetet sei, aber erst die Inca reinigten das Heiligthum
von dem Bilde des wegen seiner List und Klugheit, auch in Guama-
chuco (wie in Japan und China), geehrten Fuchses^) (Chelen im Chileni-
schen), sowie von dem in Menschengestalt mit Fischschwanz (wie
Oannes) dargestellten Fischgott, dem Ahnherrn des von Pachacamac
in den fernen Weiten des Meeres geschaffenen Geschlechtes der Chimus,
und bei ihnen sei Pachacamac (der Weltbeleber) als Pacho-urac (der
Welterhalter) verehrt. Wie Pachacamac (Hacedor del mundo) der Welt-
schöpfer und der [von Buddha durchleuchtete] Weltlehrer Pachaya-
chachic*) (Sabidor y el que entiende el mundo), wurde auch Vira-
cocha als Usapu (admirable) bezeichnet (Garcia). Der Dämon Pacha-
camac empfahl Huayna-Capä den Chimu höher zu verehren, als
Viracocha Pachayachachi (schreibt Salcamayhua).
Von Pachacutek wird erzählt, dass er nach der Besiegung Usco-
') Oder Füchsin. In Guaniachuco erhielt der in Wittwerkleidung aufgestellte Fuchs-
balg Opferdarbringungen (wie ähnlich der Bär in Sibirien). In Guayana wurde den ge-
tudtcten Thicren ein Trank eingegossen, damit die dadurch ergötzte Seele ihren Brüdern
von dieser guten Behandlung erzählen und sie veranlassen möge, nicht vor den Menschen
zu fliehen (s. Caulin). In Cumangota (s. Yangues) wird Demonio mit Yboro-quiamo über-
setzt (yboroco, zorro).
') Die Spanier (wie Garcilasso de la Vega bemerkt) erklärten (Pachagachacher) Pachaya-
chachec, als hacedor del Cielo (Pacharurac) , wogegen das Wort bedeute: eseöador del
mundo (el verbo ydcha significa aprendcr, pero afladiöndole esta silaba chi significa
enseftar).
502 RELIGION UND SITTE.
vilca's, des Häuptlings der Chancas, den vernachlässigten Dienst Pacha-
yachic's wieder aufgefrischt, und seine Verehrung der der Sonne
vorangestellt habe (s. Ondegardo), und während sich (nach Garcilasso)
der Dienst Pachacamacs aus dem Thal Cuismancu's, unter dessen
Vorfahren, in die umliegenden Länder verbreitet, lässt Baiboa die von
Topa-Yupanqui in Cuzco zusammenberufene Synode das Bekenntniss
des Ticci-ViracochaPachacamac aussprechen, dessen Ritual dann bei
der späteren Eroberung der Küste in dem dortigen Tempel Pacha-
camacs bereits vorgefunden worden.
Der Gottesdienst war dort ein besonders feierlicher. Der Name
(Pachacamac) durfte nur unter Verbeugungen ausgesprochen werden
und der Tempel war rückwärts schreitend zu betreten, worauf auf
die gestellten Fragen durch Pfeifen geantwortet wurde (s. Acosta).
Nach Cieza wurden die Priester, beim Betreten des Tempels von
Pachacamac von solchem Beben befallen, dass ihr Körper sichtbar
zitterte.
Im Umkreise des Tempels war nur den Fürsten ein Begräbniss-
platz gestattet oder dort sterbenden Pilgern, die in den Häusern am
Fusse des Tempels beherbergt wurden. Für die Pilgerfahrten nach
dem Tempel Pachacamac war der Weg auch zu Kriegszeiten unge-
hindert, als auf neutralem Gebiet (s. Velasco).
„Cama" significa „hasta" con nombres de lugar (ö persona),
como Hanac pachacama, hasta el cielo (s. Holguin). Mit Hanac (der
Obere) wird der Himmel (hanac-pacha) bezeichnet, während in Pacha
(die Erde oder dieWelt) zugleich der Begriff der Zeit ausgedrückt liegt.
Von Armatambo (dem Sitz des Häuptlings Trianchumbi) nach
Pachacamac^) gelangt, und einlogirt „en unos aposentos grandes", sah
Hernando Pizarro neben dem bemalten Holzidol in einem versteckten
Räume oder dunkler Nische des Tempels (s. Xerez) „ydolos de palo"
in grosser Zahl an den Hausthüren und auf den Strassen des (dem
Fürsten Taurichumbi gehörigen) Orts, der durch den Einsturz der
Befestigungsmauer und anderer Ruinen einen verfallenen Eindruck
machte (s. Oviedo).
') Este pueblo de Pachacamac es grand cosa 6 muy junto tiene a un porte del a par
dessa mezquita una casa en un ^erro bien obrada de cinco ^ercos 6 muros, e dicen los
Indios ques del Sol; hay asimesmo en el pueblo otras cosas muchas grandes. II Signore
di Noax, chiamato Alinchay, il Signor di Goarua, chiamato Guaxciapaiche , il Signor di
Saglicaimarca chiamato Yspilo (il Signor di Malache chiamato Lincoto) und andere
Fürsten der Umgegend, kamen mit Geschenken für Pizarro (nach Pachacamac). Die
Peruaner verehrten ohne Tempel bis zur Zeit Inca-Vupanqui's.
PACIIACAMAC. 503
Der Herr von Pachalcami führte die Spanier in ein wohlgebautes
und schönes Haus (nach Xerez), in welchem die Priester in einem
wohlverschlossenen, dunklen und stinkenden Saal einen aus Holz ge-
fertigten, sehr schmutzigen Götzen hatten. Diesen nannten sie ihren
Gott, der Alle erschaffen habe und erhalte und der auch alle Lebens-
mittel hervorbringe. Zu seinen Füssen lagen einige aus Gold be-
stehende Garben, die man ihm geopfert hatte (s. Külb). Um den
Vorhof des Tempels von Pachacamac zu betreten, bedurfte es eines
Fastens von 20 Tagen, um die Stufen zu ersteigen von einem Jahr,
und oben fanden dann die Fürsten den Hohenpriester mit verhülltem
Haupte dasitzen, und auf die an ihn gerichteten Fragen, antworteten
seine Dienerknaben, aus einem Nebenraume eintretend, wo sie die Dä-
mone befragt hatten (s. H. Pizarro)*).
Auch der Gott Uzorpillao bei Coriacocha wurde durch Pilger
besucht, doch durfte sich keiner der Profanen ihm nähern, sondern
nur der Priester, und selbst dieser würde durch seinen Anblick^) ge-
tödtet sein, wenn er sich nicht vorher strengen Fasten ergeben
(in Guamachuco).
Pacha^), als Welt im zeitlichen Verlauf, geht, wie in den Namen
des Gottes, in den der Propheten über, und trifft dann an der Küste
mit den auf den Con führenden Zusammensetzungen zusammen.
Zufolge der von Piura bis Arica geläufigen Tradition hatte Pacha-
camac, nach der Welt, Menschen geschaffen, einen Mann und eine
') Pizarro sah im Innern des Tempels von Pachacamac ein Ilolzidol und ,,per tutte
le strade di questa citta e sü le porte principali e d'intomo alla moschea erano moUi
idoH di legno" (s. Ramusio).
*) Die Indianer vom Orinoco spritzten den Jüngern Tabakssaft in die Augen, um die
heiligen Felsinschriften (Tehmeri) nicht anzusehen. Die Zeichen auf den Tellern hiessen
Woro (nach Schomburgk). Der Schöpfer (Agugukh) hatte (nach den Aleuten) die Ange-
legenheiten der Erde guten und bösen Geistern (Kugakh und Aglikajach) Überlassen. Wer
die Sonne lästerte , wurde mit Blindheit geschlagen , der Mond warf mit Steinen. Die
geschmähten Sterne mussten gezählt werden, bis zum Wahnsinn. Den geheiligten
Plätzen (Andaganach) durften sich Frauen und Jünglinge nicht nähern. In der höheren
Welt (Akadan kjuudakh) herrscht ewiger Tanz, in der Unterwelt (sitchugikh kjuudakh)
wohnen viel Menschen. Auf die unbewohnte Erde fielen vom Himmel zwei haarige
Wesen herab, die das erste Menschenpaar (ingatschagich) zeugten. Der auf der Insel
Junaska lebende Mann zeugte mit einer Frau auf Umnak die Aleuten. Der Zauberstein
TMihimkich wird von dem Meer angespült und ausserdem gebrauchen die Aleuten den
Zaubergürtel.
') Die Patagonier wurden von dem Pacha-Choni genannten Häuptling beherrscht
(1741). Die Patagonier sprachen von den riesigen Tiremenen im Lande Coin (1598).
Neben den Eskimo oder Innuit, unter der gewöhnlichen Grösse (s. Hayes) finden sich
die mitunter (nach Holmberg) fast riesigen Koniagas (besonders in der ^Igatschischen-
Bucht).
504 • RELIGION UND SITTE.
Frau, und als der erstere, aus Mangel an Nahrung, gestorben war,
wendete sich die letztere mit einem Gebet um Hülfe an die Sonne ^)
(s. Raymondi).
Con heisst bald der Sohn 'der Sonne (oder der Sonne und des
Mondes), bald der Schöpfer, sowie Vater der Sonne und der Sterne.
Nach Garcia schuf Con die Sonne und den Tag, den Mond, die Pla-
neten und übrigen Sterne.
Vom Norden kommend kürzte Con (ohne Knochen) die Wege
ab, die Berge erniedrigend und die Thäler erhebend (als Sohn der
Sonne), und schuf Menschen in der fruchtbaren Erde, die er später
aus Zorn in Sandwüsten verwandelte, obwohl aus Mitleid die Flüsse
lassend. Ihn verbannend, verwandelte seine Menschen der hinzu-
kommende Pachacamac in schwarze Meerkatzen und schuf ein neues
Menschengeschlecht, das ihn (als Sohn der Sonne und des Mondes)
im Schöpfer verehrte (s. Gomara).
Bei den Aht wandelt Chayher als knochenloses Fleischgespenst
umher. Den Acagchemcm (bei San Juan de Capistrano) erschien
Quiot in neuer Incarnation als Chinigchinig, FAne Beeren suchende
Frau gebar einem, in Jüngling verwandelten, Hund die Indianer (nach
den Athabasken), und dann ebnete eine Riesengestalt das ungefüge
Land, mit seinem Stabe Seen und Flüsse anzeichnend, und den Hund
zerreissend, um aus seinen zerrissenen Fellstücken die Vögel, aus
^) Compadecido el Sol le fecundö con un rayo de su luz, y le nacio un hijo, pero
indignado Pachacamac, porque la mujer se habia dirigido al Sol y no a el, matö al nifio
desmenuzandolo en pedazos. La madre se lamentaba al Sol para qiie vengase este
crimen, mas Pachacamac, ä fin de que nadie se qucjase oira vcz de falta de sustento y
no le negasen la adoracion debida , sembrö los dientes del difunto, y naciö el mayz,
sembr6 las costillas y huesos, y nacieron las yucas y otras frutas, de la came se produ-
jeron pepinos, pacaes. No contenta con esto la madre, clamö de nuevo al Sol y este le
pidiö, el ombligo de su hijo, del cual formö otro llamado Vichama 6 Villama, que se
Iiizo bellisimo manccbo, y ä imitacion de su padre se puso a correr el mundo. En su
ausencia Pachacamac matö ^ la mujer, que era ya vieja, y dividida en pequefios trozos,
la diö ä comer ä los gallinazos y cöndores, y dejö escondidos los huesos y cabellos en
la orilla del mar, creö hombres y mujeres que ^Doblasen el mundo, y nombrö curacas y
caciques que los gubemasen. Desesperado Vichama, porque se habia cscapado Pacha-
camac, ya dios invisible, pidiö i su padre el Sol que convirtiese en piedras h. los hom-
bres creados por Pachacamac. El castigo se ejecutö , pero como era injusto , quiso el
Sol repararlo, y no podiendo deshacer la conversion, determino divinizar a los curacas y
caciques poni^ndolos en el mar como peÄascos y cscollos, objetos que eran adorados en
la epoca imperial por los Indios citados. Viendo Vichama el mundo sin hombres pidiö
al Sol, que crease otros, y este le enviö ires huevos, uno de oro, otro de plata y otro
<le cobre. Del primero nacieron los curacas y nobles, del segundo las mugeres y del
tercero los plebeyos" (bei Calancha).
CON. 505
seinen zerrissenen Fleischstücken die Thiere, aus den in die Seen
geworfenen Eingeweiden die Fische zu schaffen (s. Hearne). Erst
nach dem Tödten des mit dem Haupt den Himmel berührenden
Riesen Yakke-eltini konnten die Tinneh über seinen Leib als Brücke
nach ihrer Erde gelangen, zu der bis dahin der Zugang ver-
schlossen war.
Nach Apollonius kam von Norden Sahacon (Sahagun) das frucht-
bare Land mit Dürre schlagend, und verschwand dann vor Pacha-
camac, als dem Mächtigeren. An der Küste (bei Manta) wurde Con,
als Suacon oder Hukkon verehrt. Con (im Chilenischen) wird als
„fidus amicus et familiaris" erklärt.
Bei 2amorra zieht sich Suganmorsak, der Prophet des Gottes
Con^), in die Höhlen des Westens zurück, am Meeresufer, und fügt
so ein Glied ein in die Reihe der Propheten Sogamoso's in Condi-
namarca oder Cundinamarca aus dem Westen oder Cont-ti (Conti-
suyu's).
Als Nationalgott der Puruhaes, die ihn als aufwärts gekehrtes
Mundgefass (zum Bluteinguss) verehrten, hatte sie Con aus dem
Norden auf dem Meere herbeigeführt, und die von der Küste ,dann
weiter in das Innere (bis Lliribamba) Gezogenen blieben von den
Wechselfällen ihrer zurückgebliebenen Stammesgenossen unberührt.
Als Con einem Mächtigeren weichen muss, betritt er bei Manta
sein über das Wasser ausgebreitetes Gewand und verschwindet, dar-
auf eingeschifft, am Horizonte des Meeres in der Form des Pro-
pheten (s. Velasco). Als Kriegsfürst dagegen zieht sich Con mit
seinem Volke in das Meer zurück (s. Garcia), dasselbe durchschreitend,
und diese nach Konkon (bei Lima) verlegte Katastrophe wirft er-
klärendes Licht auf die Versteinerungen bei Pachacamac, vor denen
Coniraya unverrichteter Sache zurückkehren muss. In seinem dorti-
gen Fabelkreis spielen, neben dem Fuchs, die VögeP) und andere
Thiere in wechselnden Rollen.
Nach der Fluth kam Con, Sohn der Sonne und des Mondes, aus
einem Lande im Norden nach Peru herübergeflogen, Thäler und
') Conani, amoncstar (conac, consejero) im Quichua (s. St. Thomas). Cana (cani, ser,
estar) bedeutet als Suffix das letzte oder das Ende; öuki (frei oder frisch sein) wird
(im Quechua gegeben als ,,andar con despoucho (wie es Con bei seiner Schöpfungs
Wanderung zugeschrieben wird). Neben dem Tempel des Himmelsherm Caddi oder Anjo
verehrten die Asinais den von ihm gesandten Knaben oder Coninicis (s. Uhde).
^) Durch den Rauch des (bösen) Can-nook wurde Yale, die weisse Himmelskrähe,
geschwärzt (bei den Clingats).
506 RELIGION UND SITTE.
Berge schaffend , aber dann die ihn beleidigenden Bewohner unter
Zerstreung der Wolken mit Dürre strafend, obwohl er ihnen aus
Mitleid einige Bäche des Gebirges Hess. Seine Verehrung dauerte
bis zu seinem Verschwinden vor dem mächtigerem Gotte Pachacama,
ebenfalls von Sonne und Mond erzeugt, der aus Süden kommend,
das frühere Menschengeschlecht in Affen, Papageien, Bären, Löwen
und andere Thiere oder Vögel verwandelte, das nachherige Ge-
schlecht der Peruaner schaffend. Suganmuxi (Su-Con-Moxi) Hess
seinen Fusseindruck bei Suache.
Der Schöpfuug geht (wie im Norden, in Polynesien u. s. w.)
die allgemeine Dunkelheit*) vorher, und erst als die Sonne aus
dem See von Titicaca hervorkam (s. Cieza), erschien das* erste
Licht. In solcher Dunkelheit liegen die Fragen über die erste
Schöpfung begraben, deren Lösung die mit Pia (nein) antwortenden
Papagos eingestanden, niemals gewagt zu haben (s. Pfefferkorn),
und auch die Mainas (nach Veigl) kümmerten sich nicht um den
ersten Urheber der Dinge. In Aneiteum dagegen hat Nugerain die
Insel aus dem Ocean aufgefischt, von ihm stammen die Natmases,
die sich in der Luft, auf Erden und Wasser finden.
»
Als Alles noch Nacht^) ohne Licht und Tag war, trat aus dem
See CoUa-Suyu's, der Herr Contice-Viracocha'*) hervor, die Sonne, den
Mond und die Sterne schaffend (schreibt Garcia).
*) In der sonnenlos chaotischen Welt liess Vale (die Krähe) nach Rücktritt der
Wasser und Vorkommen der Sonne unter viermonatlicher Theilung der Jahreszeit (wie
dem remonstrirenden Racoon durch seine vier Zehen unter Abreissen des Wassers gezeigt
wurde) aus dem Regenschauer (um sich ein Haus zu bauen) Menschen hervorgehen und
vermählte sich (nachdem er seine aus den Lachsen gefreite Frau, in Folge des Wett-
streites mit dem Baumstumpf, vertrieben) mit der Sonnentochter, deren Sohn seines
Grossvaters Wagen lenkend, denselben der Erde so nahe brachte , um die Vulcane (wie
Mount Baker) anzuzünden, bis sein Vater die Sache wieder in Ordnung setzte, und
dann (nachdem er in der Hütte des alten Häuptling Can-nook geschwärzt war) die sünd-
, haften Menschen durch die Fluth vertilgte, ausser den auf die Berghöhen Geflohenen,
die durch Hintersichwerfen von Steinen neue Menschen hervorriefen (s. Macfie). Im An-
fang war es ausstreckend, wie ein Spinngewebe, und der Erd- Prophet (Chiowatmahke)
flog als Schmetterling umher, die Menschen (durch Kneten des Lehm mit seinem Schweiss)
zu schaffen, unter welchen Szeukha (Sohn des Schöpfers) mit der aus des Adlers Raube
befreiten Frau die Hohocam zeugte, deren Verwandten, die Sivanos, die Casas grandes
erbauten (nach den Pirnas).
') Aus der Nacht (Po) treten die Götter Polynesiens hervor und der als Makunaima
(bei den Macusi) oder als Aluberi (bei den Arowaken) verehrte Äkawai oder Arowaak
der Cariben heisst, als Schöpfer der Welt, der bei Nacht Arbeitende (s. Schomburgk).
Neben Pillan wurde (in Chile) Maruapoante verehrt (sowie der böse Geist Alverey).
Neben dem Häuptling Nentoque wird beim Krieg der Apo-Curaca gewählt (in Chile).
2) Adoraban a dioscs como Viracocha y al Sol y a Guanaconci y a Pachacama (die
TIAHUANACO. 507
Dieser Schöpfergott, der in Tiahuanaco die Sonne schafft und
die Steinbilder belebt, nimmt dann die Form des weiter wandernden
Propheten an. Von den Canas (in Cacha) verfolgt und mit der
Steinigung bedroht, ruft Con-Tici-Viracocha himmlisches Feuer*) auf
sie herab, setzt in Cuzco den AUca-Veica (Alco-Vilca) als Herrscher ein
und zieht dann nach Puerto viejo, um sich dort über das Meer*) zu
entfernen.
Aus dem Meer aber war der Schaumgeborene entsprossen, ehe
er von der Sierra nach der Küste zurückkehrte.
Inga Viracocha (que vino a aquella tierra solo, sin que haya
memoria de donde) wurde als erster Fürst in Cuzco empfangen und
wegen seiner weisen Gesetze vergöttert, zum Herren erhoben (s. An
dagoya). Die Monumente von Tiahuanaco galten als die vorweltliche
Behausung 3) des Schöpfers in der Form Viracocha s.
Peruaner). Die Sonne in Hachaccuna wurde als Sohn Viracocha's verehrt (neben Guana-
caure). Die Peruaner verehrten y,k el Viracocha y a el Sol y a Quanacaure" (mit den
Quacas y Ydolos). Adoraban a el Sol y Aunaguaca, que le llaman Guaynacauri y a
otros Guacas (neben Viracocha). Das höchste Wesen (Acha-kanct) schickte (bei den
Araucanem), wie das Gute, auch das Böse.
*) Die Himmelsflanunen , wodurch die Riesen bei Punta Elena erschlagen wurden,
spalteten den Felsen, wohin sie flohen.
•) Zu den Nutka, bei denen (neben dem Schöpfer oder Quahootze) Matlose durch
seine Stürme schreckt, wurde der in einem kupfernen Canoe anlangende Prophet der
Auferstehung getödtet. Quauwteaht, der Schöpfer, lehrte die Aht die Verehrung der Ge-
stirne (neben dem Donnervogel oder Tootooch)* Die Okanagan am Columbia (bei denen
der gute Elemehumkillanwaist oder Skyappe und der böse Kisthsamah oder Chacha die
Luft durchstreifen) stammen von dem durch die lange Fahrt gebräunten Ehepaar, das sich
in einem Canoe rettete, als die Fürstin Scomalt den Sitz der Aufständischen von der
Insel der Weissen Männer (Samahtumicohoolah) abtrennte und den Wellen preisgab.
(Wenn die Flüsse die Pfosten der Erde untergraben haben folgt das Weltende oder
Itsowleigh). Da die Häuptlinge zu gross sind, um zu sterben, folgt Tod nur durch Zau-
berei, die zu strafen ist, bei den Chinuk (s. Parker). Die Keelalles heilen Krankheiten
und die Etaminuas öffnen der Seele den Weg in das Jenseits.
') Bei den Mojaves zwischen Rio Verde und Colorado (mit dem bösen Newathue)
weilte der Schöpfer Matevil in einer grossen Casa, bei deren Zusammenfall nach Osten
ziehend (Rückkehr versprechend). Nachdem die Riesen imter Wappeckquemow durch
Gottes Zorn vom Klamath vertrieben waren, wanderten die Califomier aus dem Nord-
westen zum Trinity-Fluss (s. Rosebourough). Nachdem der Muschelhaufen oder Kjökken-
mödding bei Crescent city (in Nord-Califomien) durch die sieben Hohgates, die in einem
Boot anlangten (hohe Häuser bauend) durch den Auswurf aufgerichtet war , wurden sie
(bei Einwanderung der Califomier) durch einen harpunirten Seelöwen beim Fischfang
fortgeschleppt und bilden die sieben Sterne am Himmel. Bei den Acagchemem wurden
^um Schmuck beim Federtanz die Geier oder Panes verehrt (als von Chinigchinich im
Gebirge in Vögel verwandelte Frauen). In der Meerenge von Santa Barbara wurden von
Cabrillo Pyramidenhäuser gesehen. Die Tahatens wohnten bei Crescent-city.
508 RELIGION UND SITTE.
In Guamachuco dagegen traf der Prophet auf härteren Unglau-
ben, und als Viracocha. den eine dort erhaltene Steinfigur mit kahlem
Kopf darstellt, wurde er vertrieben. Auch Viracocha's Erscheinung
im Tempel Ancocahua der Canchas am Vilcomayu verblieb in der
Erinnerung.
Der Tempel von Cacha war in Folge der in Chita erhaltenen
Offenbarung gebaut, als ein dachloser, und unter seinen labyrinthi-
schen Gängen (mit oberem Stockwerk) wurde in einer Capelle der
Platz gebildet, wo Inca Viracocha, als sich die Vision ihm näherte,
unter einem überhängenden Felsen niedergelegen.
Cieza verknüpft den von Tupac-Inca-Yupanqui bei Cacha erbauten
Tempel mit der feurigen Bestrafung der Canas in traditioneller In-
cinanderkettung.
Vor den Lehren des Propheten flohen die Dämone, und Tonapa
Vihinquira vertrieb die in Asillu und Hucuru hausenden nach den
Schneegipfeln, ebenso wie Tonapa Varivillca in Hatun-Sausa-Huanca,
und Capac Yupanqui Hess die Einsiedlerzelle desselben bei Xauxa
wiederherstellen (s. Santa Cruz).
Als die Teufel (Hapi-ftufius Achacallas) geflohen, wurde das Land
mit der Erscheinung Thonapas beglückt, der bei Apo-tampu^) in
Paccari-tampu seinen Stab 2) zurückliess, das Unterpfand künftiger
Inca - Herrschaft. In Caravaya von den Wilden verfolgt, wurde er
von einem miraculös gesandten Jüngling von seinen Banden be-
freit, und schiffte sich mit ihm auf seinem Propheten-Mantel ein, den
See von Carapuca durchkreuzend. Ueber den Fels von Titicaca nach
Tiyahuanacu gelangt, wurden dort die gottlosen Tänzer in Stein ver-
wandelt, und dann die Wanderung längs des Flusses Chacamarca
zum Meere fortgesetzt.
Gleich den americanischen Propheten des Nordens wird Vira-
cocha*) bärtig dargestellt, im langen Gewände und so Sume oder
>) In der Sprache der Huachapairis (bei Paucartambo) bezeichnet Apan Valer
(s. Göhring).
') Die Stämme der Kamilaroi und Wiradhuri (am Darling) erhielten von dem Schöpfer
Baiame (baia, to build) or Baiamai, dessen Ruheplatz in einem ausgehöhlten Felsen ain
Narran-Fluss gezeigt wird, den heihgen Stab, der bei den (Bora genannten) Ccremonien
der Jünglingsweihe gebraucht wird (nach Ridley). Baiame oncc showed the black fellows
how to get rid of Mullion, a deraon in the form of an cagle, who lived in a trec and
devoured many people (am Darling).
') AI que ellos tienen por criador unyversal llamanle de munchas maneras, per un
nombre Pachayachachi, que es nombre general e quiere dezir criador, c quando tratan de
la mar, llamanle Tizibiracocha (1571). ,,VViewol nun die Wörter, wann sie mit dem
FLUTH. 509
Pay-Sume, der (bei den Guaranis) Maire Hamana hiess (Meyr, pere-
grino, barbudo, vestido). Die Paraguaier (nach Brullius) nannten
Pai-Sume oder Tunume (Turne) Tunupa, sapientem, (dominum ac Crea-
torem), und Taapac (creatoris filium).
Die Fluth*) dient bald zur Erneuerung früherer Schöpfung, bald
Ticciviracocha, welchem sie vornemblich alle Macht und Regierung zuschreiben , redeten,
underschiedlich waren, so waren doch die andern Götzen wie particular Götter der Herrn,
die ein Jeder in seinem Ilauss stehen hatte, damit sie bey dem grossen Ticciviracocha
Fürsprecher seyn möchten" (in Peru).
*) Volksoverleveringen melden dat, na eenen grooten watervloed die de geheele
vereld overstroomde , de berg Noesakoe te voorshyn kam, bedekt met groote boomen,
waarvan de bladeren den vorm hatten van het pudendum muliebre, slechts drie personen
bewonden dien berg, zij waren genaamd Oeli Lima, Oeli Siva en Oeli Asö. Door en
vogel, Marapati, werd hun de mededeling gedaan , dat nog andere bergen (in Ceram)
zum Vorschein gekommen (s. Van der Grab). Nach Ansicht der Califomier hatte Chinig-
chinich einst die Welt fiir ihre Sünde überschwemmt und wenn sie die entsprechenden
Gebete sangen, ihren Feinden drohend, antworteten diese durch andere Verse, dass Chinig-
chinich nicht wünschen würde, die Welt nochmals zu zerstören (s. Boscana). Als die
Coyotes (die durch das Verbrennen der Wurmgeister nicht mehr zum Mond entfliehen
konnten) in Menschen verwandelt waren, bedauerten sie durch Aufrechtsitzen den Schwanz
verloren zu haben und binden ihn sich deshalb beim Tanze wieder an (nach den Poto-
yantes in Galifornien). Bei der Fluth blickte der Coyote von der Spitze des Mount diablo
auf das Wasser, wo aus der schwimmenden Feder sich ein Adler bildet , und dieser flie-
gend , der Coyote schwimmend , wurden die Menschen geschaffen , indem mit dem das
Goldene Thor (für Sacramento und San Joaquin) öffnenden Erdbeben die Erde sich ver-
grösserte (während früher die Wasser nur im Russian River und San Juan einen Ausgang
hatten). Die Hopilpo (Flathead) gehören zu den Salish. Die Höh wohnen beim Cap
Flattery (mit den Queniult). Bei dem zur Erinnerung an die Wasserfluth gefeierten
Okippe-Fest (wo die trauernde Taube ankommt, einen Zweig mit ausgewachsenen Blättern
tragend) feiern die Mandans, um durch grausame Martern den Allmächtigen zu versöhnen,
Verzeihung ihrer Sünden und gutes Glück auf Jagd und Krieg zu erlangen (s. Catlin). Nach
den Vocuten baut, als die Ente Schlamm aus dem WaSser gebracht, der Habicht im
Osten, die Krähe im Westen nach Norden hin die Welt im Berg Shasta, und als sich
die westliche Hälfte (wegen des Diebstahls der Krähe) grösser zeigte, drehte der Habicht,
Berg Shasta als Centrum ergreifend, die Welt um , so dass sich die Sierra nevada im
Osten und die Coast-range im Westen fand (s. Powers) [Java]. Als die durch den empor-
gehobenen Rücken des Riesen-Maulwurfs (Ididoc) gebildete Erde durch eine Fluth zer-
stört wurde, rettete sich (nach den Shastas) das Eichhörnchen nach dem Hügel Wak-
waynuma (bei Happy Camp). Nach dem Aufschwellen ihrer Capitana Coronne zu einem
Erdhaufen kamen die aus Sejat (der Ort der wilden Bienen) ausgewanderten Indianer an
den Ort, wo später die Mission St. Juan stand und nannten ihn Acagchemem , weil sie
dort in einer Pyramide aufgethürmt zusammen geschlafen hatten (s. Boscana). Als die
Riesen in Gottes Fluih untergingen, baute Ein Mann ein Schiff (Micinapikavan) und Hess
einen Raben, der (weil nicht wiederkehrend) schwarz wurde, und dann eine Taube (mit
Schlamm an den Füssen) fliegen (nach den Knistenaux). Als der beim Untergang der
Riesen in einem Nachen Gerettete von der Fischotter Schlamm erhielt, dehnte er ihn
aus, auf das Wasser blasend und das Rennthier darüber laufen lassend (bei den Mon-
tagnards in Canada). Tschäpiwich, in einem Nachen aus der Fluth gerettet, sandte
510 RELIGION UND SITTE.
bildet sie den Anfang, als noch Alles Wasser war. Als nach der
Fluth auf die Felsen -Insel Titicaca die ersten Strahlen der Sonne
fielen, setzte sie dorthin ihre beiden Kinder, die nach Cuzco ziehen-
den Inca (s. Garcilasso). Nach Molina trieben die aus der Fluth
Geretteten nach Tihuanaco, wo die Gottheit die verschiedenen
Stämme der Indianer schnitzte, die dann auf unterirdischen Gängen
fortgesandt, an den ihnen angewiesenen Plätzen aus dem Boden
hervorkamen. Am Magdalenenfluss belebt Ari die geschnitzten
Menschengesichter durch Hineinwerfen in den Strom. Bei den Ca-
riben verwandelt Akawai oder (bei den Macusi) Makunaima die von
dem Baume gehauenen Zweige in Thiere und schafft dann den
Menschen, sowie bei seinem Schlaf die Frau,
Das aus der Fluth in einen Kasten gerettete Paar (Mann und
Frau) wurde durch den Wind nach Huanaco (Ti-Huanacu) getrieben,
wo sie als Ansiedler oder Mitimaes verblieben, auf Befehl des
Schöpfers, der aus Lehm die verschiedenen Stämme der Menschen
formte und unter der Erde hinweg an die Plätze ihrer Geburtsstätten
sandte (s. Molina).
Nach den Peruanern^) würde die (einst durch Fluth zerstörte
Erde) später durch Hitze zu Grunde gehen, indem sich diese, nach
Eintreten zunehmender Dürre, zu steigern habe.
Bei der Fluth flüchteten sich die Menschen (in Peru) auf hohe
Gebirge in kleine Höhlen*), die an der OefTnung verstopft wurden,
und erhielten dann von den nass, aber rein zurückkommenden, Hun-
den die Nachricht von der Fortdauer des Regens, von den kothig
zurückkommenden die Nachricht vom beginnenden Ablauf des Wassers
(nach dem ertninkenen Biber) die Bisamratte und bildete aus dem Schlamm eine Insel
(nach den Hundsrippen). Numank-Machana (Erster Mensch) landet in der Arche (Mah-
Mönnich-Tucha) auf einem Berge (bei den Mandan). Als die (nach Unterbrechung des
Laufs) wiederkehrende Sonne die Flulhen vertrieben, warf sie die ersten Strahlen auf
den Tempel des See's Theomi (bei den Apalachiten). Menabochu (bei den Odjibbewa),
der den Schlangenkönig des See's (wo der ihm befreundete Wolf auf dem Eis einge-
brochen war) getödtet, flüchtet (von den Fluthen verfolgt) auf einen Baum, von wo er
den Biber und dann die Moschusratte an's Land schickte, auf einem Canoe zwischen den
gebildeten Inseln umherschiffend und die Flüsse mit der Messschnur regelnd.
*) ,, Etliche sagen auss dem grossen Pfui Inticaca sei herfÜrgekonmien ein Viracocha,
der habe zu Tiganace seinen Sitz gehabt" (s. Humberger). ,,Ist also eine gemeine
Mcynung, dass die Tambos vor allen andern Menschen gewesen sind, von denselben
komme Mangacapa, welcher für einen Anlanger des Geschlechts Ingas gehalten wird".
*) En las cuevas y concabidades de las sierras mas altas, quedaron algunos que
volvieron a poblar la tierra , bei der Sündfluth , segun los Indios Guancas (vezinos del
Valle de Xauja).
PHYXIUS. 511
(s. Gomara), worauf sie mit den durch die Feuchtigkeit erzeugten
Schlangen (beim Hervorgehen) zu thun bekamen.
Auf Rath seines stönenden Lama begab sich der indianische
Hirte auf die Höhe des Berges Villca - coto (zwischen San Damian
und San Geronimo de Surco), wo bereits alle übrigen Thiere ver-
sammelt waren, und wurde so bei der aufsteigenden Fluth allein ge-
rettet (mit Essen für 5 Tage), worauf er mit einer Teufelin die
neueren Menschen zeugte (s. Acosta). Durch Erhebung des Berges
Huaca-Yfian retteten sich die Brüder aus der Fluth (bei den Cafiaris).
Durch seine Schafe (Lama) von der kommenden Fluth benachrichtigt,
begab sich der Schafhirt mit seinen Kindern auf den Berg Ancasmarca
(bei Cuzco), der sich mit der steigenden Fluth entsprechend hob,
und mit der sinkenden erniedrigte. Die von den drei Söhnen Pacha's
(des ersten Menschen) bekämpfte Schlange, spie Wasser, die Welt
überschwemmend, worauf sich Pacha mit seinen drei Frauen und
drei Söhnen nach dem Holzhause auf den Pichincha zurückzog, und
(als Raben ausgesandt waren) das Land von Quito wieder bevölkerte
(s. Bollaert), unter Einwanderung der Cara.
Als der durch die Lama vor der Fluth gewarnte Hirte (in Hua-
rochiri) sich auf Berg - Gipfel flüchtete, folgten ihm die Thiere und
zuletzt der Fuchs, dessen Schwanz im Wasser hängen blieb, so dass
die Spitze seitdem schwarz ist.
Die durch die Erhebung der Spitze des Berges Huaca-Yflan (in
Caftaribamba) aus der Fluth geretteten Brüder bauten bei ihrer Be-
siedelung des trocken gewordenen Landes Hütten, in welchen sie,
wenn abendlich von der Jagd zurückkehrend. Alles, wie von Men-
schenhand geordnet fanden. Eines Tages im Versteck lauschend,
sahen sie zwei Ära -Vögel eintreten, die ihr Federkleid abwerfend,
sich in Mädchen verwandelten, und wie geschäftige Hausfrauen den
Wohnsitz zum Empfang herrichteten. Die jüngere gelang es den
Brüdern zu erhaschen, während die ältere entfloh, und in der ein-
gegangenen Ehe wurden die Caftares gezeugt. Die Chenposel in
California sprechen von der Liebschaft der Elster-Frauen, deretwegen
die Welt in Feuer gesetzt wird, bis es der Coyote erlöscht. Die
3 Vorfahren der Guaranis bestiegen den Gipfel einer Palme, um sich
aus der Fluth zu retten (s. Angelis). Bei den Cariben erfährt der
aus der, durch den bösen Epel verursachten, Fluth in einem Canoe Ge-
rettete durch die Maiskolben der Ratten das Ablaufen der Wasser
und schafft durch die hinter sich geworfenen Steine [wie auch der
polynesische Deucalion] die neuen Menschen (s. Schomburgk), die
512 RELIGION UND SITTE.
bei den Tamanaken aus den zurückgeworfenen Früchten der Mau-
ritia-Palme hervorgehen (s. Humboldt).
In Peru fiel Regen, wenn das Wassergefäss der Himmelsfrau
zerbrach. Bei den Shasta (und Neeshenam) weinte ein Indianer im
Himmel, wenn es regnete, und als die Thränen, wegen des Todes
eines Jünglings, einst zu reichlich fielen, überschwemmte die Fluth
(s. Powers). Auf der (durch den gebogenen Rücken des Maulwurfes
Ididoc erhobenen) Erde wurden alle Thiere durch die Fluth zerstört,
ausser den auf den Bergen Wakwaynuma (bei Happy Camps) leben-
den Eichhörnchen. Nach den Salteaux - Indianern (am Mackenzie-
Fluss) erhielt Wis - kay - tehach , der früher mit den Wölfen in Ver-
wandtschaft lebte, nach der Fluth Erde durch die untertauchenden
Wasserratten, während der Tauchvogel, Otter, Biber vergebliche
Versuche gemacht hatten (Hooper).
Die Peruaner opferten „den Brunnen, Bächen und Wasserleitun-
gen etliche Seeschulpen mit Voxwendung, dass die Schulpen der
Wcltsee Töchter weren, wie der Weltsee der Brunnen, Bäche und
Wasserleitungen Mutter" (s. Dapper). Beim Fest Huarki wurden
graue Schafe geopfert (in Peru), beim Fest Punchaiquis ein schwarzes
Schaf gebunden unter den Himmel gelegt, bis Thau fiel.
Nachdem Con die Welt durch sein Wort geschaffen, vernichtete
er dieselbe durch Dürre und verwandelte ^ die ihn undankbar ver-
gessenden Menschen in schwarze Katzen, bis sein Sohn Pachacamac,
dem als Apochieta oder Apachieta muchhani (adoro al que hace
llevar, doy gracias al que me ha dado la fuerza de llegar hasta aqui)
auf den Hügelspitzen Steinhaufen errichtet wurden, neue Menschen
schuf und dann der Inca die Verehrung der Sonne (Inti oder Ppu-
chao) einführte (wird in Theokrasien zusammengereiht).
Da dem (wie im Millennium) erwarteten Ende^) der Welt eine
langjährige Dürre vorherzugehen hatte, unter Verschwinden der
') Nachdem alle Menschen gestorben und der zerschmetterte Erdklumpen durch eine
Fluth vom Bluth gereinigt ist , wird Pirksoma (der da droben) auf die Menschen (zur
Wiederbelebung) blasen. Tamgek ist Seele (bei den Grönländern). Tomgamsuk's Weib
riss die Disko-Insel vom Baal's-Rivier ab. Nur die Angekok können Gespenster (Angiak)
sehen und sie (mit verbundenen Augen) in der Luft fangen (zum Auffressen). Die Kon-
gensetokit (Meergeister) schnappen die P'üchse am Strande (zum Fressen) auf. Die
Ingnersoit (Feuergeister) sind die vorfluthlichen Menschen, in Irrwische verwandelt. Die
Tunnersoit (der Berge) sind zwergig, die Erkiglit hundsköpfig, Sillagiksartok wohnt auf
dem Eisfeld und schafft schönes Wetter. Wenn gewisse Speisen den Leuten , sonderlich
den Weibern die kleine Kinder haben oder in der Trauer, schädlich sind, so haben die
Nerrim-Innuet (Inhaber der Si>eisen) dieselben gereizt, gegen die Enthaltungsmassregcln
DÄMONE. 513
Sonne und des Mondes (s. Gomara), legten die Grossen (in Peru) die
Pirua genannten Vorrathshäuser an (s. Barate).
In Xauxa sprach die Sage von fünf Sonnen, durch deren Er-
scheinen die Dämone vertrieben wurden (wie in Hayti versteinert).
So lange es (in Mexico) fünf Sonnen gab, geriethen die Früchte
nicht, weshalb die Menschen starben (Mendieta). Die neun Brüder,
die neben der Sonne*) die Menschen auf der Erde verbrannten,
werden von dem Coyote getödtet (bei den Shastas), und ebenso die
neun Brüder, die gleich dem Mond aus Eis gebildet waren, indem
dann zugleich das zur Erhitzung des dazu dienenden Wasser's ge-
brauchte Feuer den frierenden MenschenErwärmung lieferte (s. Powers).
Im gekrümmten Hügel (NunneHamgeh) oder dem hohen Hügel
(Nunne-Chaha) bildete der Herr des Athem's (nach den Choctaw)
den Menschen aus Lehm, und baute eine Mauer um ihn, gegen die
bis dahin Alles bedeckenden Wasser, damit das Fleisch trockne
(Gregg). Nach Zerstörung der Welt durch Feuer wird eine neue
schönere sich erheben mit Auferstehen der Menschen (s. Hodgson).
Der von Garcilasso auf den Titicaca-See*) zurückgeführte
Sonnen-Ursprung der Inca wird bei Montesinos durch die Veranstal-
tung Mama Ciboca's erklärt, die in die Höhle Chingana zurückge-
zogen, als Gattin der Sonne galt, und dann ihren Sohn Inca-Roca
im glänzenden Goldschmuck von den Strahlen der Sonne beleuchtet
hervortreten Hess. Nach Peralta proclamirte MamaHuaco (mit ihrer
Schwester Pilcosisa) den in der Höhle auferzogenen Sohn als Kind
der Sonne. Die Klosterjungfrauen entgingen bei Schwangerschaft
dem Tode nur, wenn sie sich von Pachacamac imprägnirt erklärten.
Inti-Capac zog sich bei der Abdankung für seinen Sohn Manco
Capac II. in einen Sonnentempel zurück (s. Montesinos), um dort
davon zu essen (s. Cranz). Angekan oder (südgrönländisch) Angekahk heisst, er ist sehr
gross und Angejokait die Vorfahren (s. Cranz). Die Illiveetsok (Hexenmeister) wissen
aus einem geschwollenen Bein Ilaare und Fellflecke mit dem Mund (diesen vollgestopft)
herauszusaugen.
') Das höchste Wesen Eatua-Rahai (als Ta-roa Teay-Etumo in der Sonne wohnend)
zeugte mit der weiblichen Hälfte (dem Fels O-Te-Papa) die Mondgöttin Ohina, den
Stemeschöpfer Te-Whettoo Ma Tarai, den Meeresgott Umarrio und den Windgott Orre-
<^)rre, während der Gott Orua Attu über Tahiti wachte, Tane über Huaheine, Oru über
Oraiedea, Orra über Otaha, Tautu über Borabora, Ütu über Mausua, Taroa über Tabua-
manu (und das Meer von 13 Göttern bewohnt war).
*) Manco Capac and his wife were carried by east winds, which blow every day,
across the lake (of Tilicaca). The valley of Cuzco is the first inviling spot to the
northwest of this lake (s. Gibbon).
Bastian: America. I. 33
514 RELIGION UND SITTE.
einsiedlerisch im Mönchsstand zu leben. Als Sohn der Sonne war
Punchao oder (nach Oliva) Intip-Churi die Bezeichnung des Inca.
Die Cuzco als heiligem Ort gezollte Verehrung war auch dem
Inca schuldig, und bei Inca Pachacutec bemerkt Garcilasso, dass er
gleich seinen Vorfahren nach dem Tode unter die Götter versetzt
sei. Huayna-Capac wurde (nach Acosta) bereits während des Lebens
als Gott verehrt. Von Ynca Yupanqui heisst es, dass er gewünscht
habe die Antis-Länder zu unterwerfen, um dort als Gott verehrt zu
werden, wie die andern Ynca in den von ihnen eroberten Ländern.
Als die Indianer von Puerto Viejo die Oberhoheit Huiracocha's an-
erkannt hatten, bauten sie ihm (nach Montesinos) einen Tempel auf
der Insel de la Plata (oder Santa-Clara). Inti-Capac opferte im
Sonnentempel, damit sein Vater unter die Vorfahren aufgenommen
werde (s. Montesinos). Der Priester betet zur Bahn (yupi oder Fuss-
spur) der Sonne (Inti). Das Sonnenbild stand auf einem eiförmigen
Fundament (im Tempel zu Cuzco).
Schon während des Lebens Hess der Inca das zu seiner Reprä-
sentation nach seinem Tode bestimmte Steinbild oder Guaoiqui (als
Bruder) verfertigen und statt seiner aussenden, um Regen oder
günstige Witterung zu geben. Maytacapa oder Viracocha, der Stifter
des Geschlechtes Inacapanacac , Hess eine seine Person darstellende
Goldstatue anfertigen.
Die Götter der besiegten Völker wurden durch die Inca in
ihrem Tempel in Cuzco eingeschlossen und Aufständische wurden
mit den Göttern Yanaguaca und Xuliaguaca bedroht (besonders in
Guamachuco).
Der Bau der Brücke über den Apurimac bewog durch das Im-
ponirende des Eindrucks die Anwohner zur Unterwerfung und ebenso
häufig die heilige Scheu vor den zauberkräftigen Mächten der Inca.
In der Schlacht gegen die Chancas waren es die unsichtbar von
Viracocha gesandten Bärtigen die den Sieg entschieden, und die
Steine, worin sie sich dann verwandelt, wurden als Talismane (oder
Pururaucas) von den Kriegern mitgefiihrt. Zur Besiegung der Can-
chas (s. Andahuaylas) hatte Sinchi-Roca drei Goldstäbe erhalten, so-
wie fünf Krystallstücke mit einer Wunderschleuder (s. Montesinos),
Huaynacapac, der die Doppelkrone auf seinem Haupt vereinigte, drei
Krystallsteine (die beim Auftreffen auf Felsens Feuer schlugen),
einen Goldpfeil und eine Schleuder. Bei Oliva durchbohrt Mango
Capac (aus Pacaritambo hervortretend) mit seinem Schleuderstein einen
Felsen. Die gegen Titu Yupanqui Pachacuti, als sich die Sonne wegen
WUNDERSTEINE. 515
der Laster der Menschen verborgen hatte (wie in der Höhle Japan's)
Conspirirenden wurden durch einen magischen Trank (nach den
Amautas) getödtet. Inca-Yupanqui (Sohn des Viracocha-Inca) wurde
durch die auf einem Berge erscheinende Gestalt eines glänzenden
Jünglings, als er gegen die Chancas*) auszuziehen dachte, in seiner
Absicht ermuthigt (s. Salcamayhua). Beim Feldzug der Inca in
Caravaya zeigten Affen den Brückenbau über Flüsse (wie sie für
Rama die Meerenge überbrücken).
Die auf das Heer Mayta-Capacs geschleuderten Steine und
Pfeile*) der Collas fielen^) auf sie selbst zurück (s. Garcilasso) und
die Feuerschleuder*), mit deren erhitzten Steinen der Inca Viracocha
am jenseitigen Ufer des Flusses Yucay (bei Caytomarca) das Strohdach
der Hütten anzuzünden vermochten, erregte allgemeinen Schrecken unter
den Rebellen (gleich dem Himmelsfcuer). Im Kriege mit den Quisque
(unter der Königin Quilago) wird von Huayna-Capac erzählt, dass er
durch den auf einen Fels treffenden Kristallstein seiner Schleuder das
trockene Gras um die Ansiedlungen angezündet habe. Ynca-Yu-
panqui sah Alles in seinem Zauber-Krystall (s. Molina). Als sich
der Inca Viracocha auf dem Wege von Guayaquil nach Tumebamba
oder Cuenca (über den Puerto de la Bola) in den unwegsamen
Gegenden verirrt hatte, hörte er vom Himmel eine Stimme, die ihn
auf die durch abgeschnittene Zweige angezeigte Strasse führte. In-
gareque (Inga-Roca) oder Topayupangui, Sohn des Mayta-Capac
oder Viracocha, zog sich (von seiner Schwester Nicacocac zur Trö-
stung begleitet) nach dem Fels Chaca zurück , dem Schmerz der
Ohrdurchbohrung zu entfliehen, und verschaffte dort durch Ver-
') Pachacuti (um an Viracocha's bärtige Gefährten, die in Stein verwandelt waren,
zu erinnern) juntö de los montes gran summa de piedras que el escogiö y las puso por
Guacas y las adoravan y hazian sacrificios y estas llamaban los Pururaucas, las quales
llevaban a la guerra con grande devocion (s. J. Acosta.)
') Die Indianer Paraguay' s verehren auf der Jagd Pfeile und Bogen, damit sie richtig
treffen (s. Coreal), der Arbeiter von Voruba seinen Hammer.
*) Auf das Gebet Colons (,, Ambassadeur du dieu") trieb der Wind Pfeile der Indianer
in Veragua auf diese zurück (1503) und ,,des chiens corses, qui suivaient les Espagnols,
se mettant k la poursuite, complet^rent la deroute" (Lorgues), als etwas absonderliche
Bundesgenossen des designirten Halbgottes.
*) Auch bei der Kriegführung der Cariben wird erwähnt, dass sie mit ihren Pfeilen
die Ansiedlungen in Brand gesetzt hätten. Nach Le Moyne zündeten die Floridaner
fcinliche Dörfer durch brennendes Moos an, das sie an die Pfeile banden. Durch
brennendes Moos und Gras an ihren Pfeilen setzten die Creek die befestigten Städte ihrer
Feinde in Brand (bei de Bry).
33^
516 RELIGION' UND SITTE.
giessen seines Blutes unter Gewittern das Hervorquellen vom Wasser
in Cuzco (s. Brullius).
Damit ihnen nichts entgehen könne, liessen sich die Inca von
den Yacarcas genannten Zauberern begleiten, die in der Auffindung
von Missethätern geübt waren (s. Molina). Auf Inga Yupanqui's
Feldzug gegen Andesuyo wurden die gefahrlichen Schlangen durch
eine Zauberin gebannt (s. Herrera).
In furchtbarer Wandlung erscheint der Inca (bei Baiboa) mit
den Eingeweiden ^) des Schlachtopfers im Munde, und so verehrten
dort die Caviftas*) ein Götzenbild schrecklicher Form. Im Kriege
mit den Huexocingos und deren Nachbarn opferten die Tlascalaner
die Kriegsgefangenen dem Camaxtli, „y aun no bien acabado de
morir, le desollaron y vistiendose uno el pellejo con las tripas arra-
strandose presentö ante el Idolo, donde los Sacerdotes oraban y
pedian la victoria" (s. Herrera).
Als Pachacuti gegen Anti-suyus') zog, sandte der Huaca von
*) Wenn eine Hexe Jemand besucht, nimmt sie vorher ihre Eingeweide heraus (in
Schwaben). Aehnlich bei Malayen.
>) Die Caviüas (mit Araonas, Toromonas und Pacaguaras) verehren (am Beni) neben
der Sonne die Vorfahren (s. Church).
') Los Machigangas (machi, significa mono en su idioma), forman una tribu nume-
rosa, que esparcida en diferentes familias, habita desde los prmieros bajfos de la Cor-
dillera Oricntal hasta la vasta estratificacion carbonifera, y desde las marjenes del Pilco-
pata y Tono, hasta la Vilcanota y Ucayali. Tanto por su immediacion al mundo civili-
zado, como por sus costumbres, son estos los salvajes que se encuentran en mas contacto
con ^1, pues visitan frecuentemente l.*s haciendas vecinas, donde hacen su comercio. £1
machiganga es generalmente de baja estatura; siendo de advertir, que los de las mdr-
gencs del Ucayali y del Urubamba, son mas altos y robustos que los de las märgenes
del Pilcopata y del Tono, de los cuales mc ocupar^ espccialmente. Hay simetria en sus
miembros, y su conjunto es agradable a la vista, lo que tambien puede decirse de su
cara, sin embargo de la nariz chata y del ojo sesgado; estos distintivos non son tan pro-
nunciados en ^1 como se observa en el chino, cuyos ojos son mas pequeüos. Esta cir-
cunstancia y la de creer en la metamorfosis y trasmigracion de las almas, recuerdan su
origen asiätico; consideran inviolable la morada del que muriö, con todos sus enseres,
hasta que algun animal se apodera de la choza abandonada, transmigrando entonces d
este el alma de finado. No obstante, es desconocida su creencia religiosa, y solamentc
se sabe que creen en un Ser Omnipotente, hacedor de todo cuanto existc. El color del
machiganga es bronceado, mas claro que el de las tribus vecinas, d lo cnal habrd con-
tribuido el uso del vestido, que consiste en un saco que baja del cuello hasta el tobillo,
con alierturas para los brazos. La distincion en el traje de los dos sexos, consiste, en
que las listas negras estdn d lo largo en el de los varones , y atravesadas en el de las
mugeres. La expresion de la cara, y especialmente de los ojos, revela inteligcncia y es
simpdtica, siendo mas pronunciada en la muger; esta sonrie frecuentemente con gracia,
y al hablarla, es muy melindrosa y coqueta siendo capaz de decir alguna palabra carifiosa
a cuatro u cinco hombres, siendo distintos un dicho de otro. Sus relaciones sexuales con
el hombre son nuiy prcmaturas, mucho tiempo antes de su pubertad; este hdbito estd
SCHLANGE. 517
Canacuay Feuer gegen ihn, sowie eine Schlange, welche indess durch
den Adler (der bei dem Aufblick des Inca zum Himmel erschien)
zerschmettert wurde (und auf der Mauer der Terrasse von Anca-
generalizado en casi todas las tribus, como tambien, el de que el hombre, poco cuida
<tel immediato parentezco de sus mugeres, desde que no las considera como compalieras,
sino como cosas. Los machingangas no demuestran tener la menor desconfianza en el
trato con el blanco; sin el menor recelo se mueven y se duermen en sus habitaciones.
Son muy comerciantes, razon porque una ö dos veces en el alio salen ä la hacienda de
CcoiUspata, en el valle de Paucartambo y ä la de Illapani, en el valle de Santa Ana, ä
cambiar monos, loros y otros animales ö tejidos, por ütiles y hernunientas , como son
cuchillos, hachas, agujas, espejos etc. los que vuelven ä cambiar con una ganancia de
diez por uno y mas, con las tribus immediatas. En sus casas, que son de cafias clava-
das en el suelo, y techadas de hojas de palma, como las de los sirineyris, se nota mucho
arreglo y limpieza, y aunque muchas familias ocupan un solo caserio, ninguna de ellas
toma, ni siquiera toca, lo que pertenece ä la otra. Son muy cumplidos en sus relaciones
con los blancos ; y es sensible decirlo, que si en sus tratos comerciales en Illapani, se les
nota algimas irregularidades, son estas inculcadas por los blancos. Sus buenas cualidades
son oscurecidas en gran parte, por su flojera, que es tal, que los hombres, se descuidan
en limpiarse de unos paräsitos grandes y negros, que se ven en sus espaldas y en sus
camisas, y en otras faltas de aseo en las narices y maiios; y aun cuando toman con
ellas los alimentos de la olla comun, pues en la comida se sienta toda la familia alre-
dedor de ^sta, y cada uno saca su parte con la mano, no se las asean. Hasta sus
arcos y flechas, estän toscamente trabajadas, si se comparan con los de las otras tribus.
A veces cambian sal, y parece que la emplean en algunas de sus guisos, pero en corta
cantidad. Descansan sobre esteras de cafias delgadas, amarradas, paralelamente con
mucha simetria, con hilo de algodon torcido. Segun el grado que ocupa el hombre,
como jefe de familia ö como jefe de grupo de hombres (huairi), parece usa de la
poligamia. £1 anciano Francisco tenia dos mugeres; una poco mas ö menos de su
edad, y jöven la otra; la primera, se ocupaba unicamente, en atizar el fiiego durante la
noche; mientras que los demas habitantes de la choza, dormian apareados sobre una
estera extendida en el centro de la habitacion. Durante la noche, cuando no duermen,
se ocupan en chupar cafias de azucar, que se ven en pequefios cafiaverales, cerca del
caserio; restos sin duda de las hadendas abandonadas. La fecundidad del terreno les
ayuda para su vida holgazana; las yucas que sacan de sus chacaras, las reponen, po-
niendo en el mismo hoyo, una rama de la mata que acaban de sacar, y el plantio estd
hecho. Esta rafz constituye su principal alimento; la sazonan los productos de la caza
y de la pesca. Los animales de caza, de que hacen mas uso, son las aves, monos,
chanchos de la montafla, y vacas de anta. La pesca la hacen de varios modos, con la
flecha ö con el anzuelo de espinos , en cutis 6 con barbasco. Cuti (en quechua), volver,
llaman en los valles el sitio donde retrocede el agua, formando estanques con una pe-
quefla boca, la cual cieran, cuando la ven llena de peces. El barbasco es una planta
enredadera, que arrojada en cantidad al rio, priva de los sentidos al pescado haci^ndole
nadar en la superficie, como muerto. Si se emplea en demasiada cantidad, mueren los
pescados. Los machigangas del Tono hablan muy despacio, como sie estuviesen can-
tando , gesticulando rara vez. La lengua que hablan difiere enteramente del quechua.
Desde que es hablada por una numerosa tribu y en una vasta extension de terreno, debe
ser considerada como idioma. Su estudio seria interesantisimo para esclarecer el origen
de los idiomas sudamericanos , por cuyo motivo seria de dcsear, que los hacendados de
los valles, formasen un vocabularia, de lo que alcancen ä saber, en el contacto que tienen
con ellos (H. Göhring) 1877.
518 RELIGION UND SITTE.
pirca auf des Inca Befehl dargestellt ward). Oliva spricht von einer
durch den Inca getödteten Schlange, die mit der Schleuder in sein
Wappen aufgenommen.
Den Verlust des Heeres auf dem Feldzuge in den Andesthälern
zu erklären, entstand im Volksmund die Metamorphose des von
einer Schlange umwundenen Feldherrn Chuntavacha in der Stachel-
palme Chunta (s. Oliva). Durch Anrufung seines Vorfahren Amaro
verwandelt Atahualpa sich in eine Schlange, um aus dem Geföngniss
zu entkommen.
Wenn die Inca in den neu eroberten Provinzen den Sonnen-
dienst einführten, war es besonders ihr Bestreben, die des Menschen
unwürdige Verehrung der Thiere, an deren Statt sie den Himmels-
körper anboten, auszurotten, sowie die blutigen Riten steter Men-
schenopfer^). So Hessen sie den Huancas ihr aus einem mensch-
lichen Figur sprechendes Idol, verboten aber die Verehrung des
Hundes, und die früher aus dessen Knochen verfertigten Trompeten
mussten von dann an aus denen des Wildes gemacht werden (s. Gar-
cilasso). Ebenso wurde bei Besiegung der Chucurpu durch Pachacu-
tec die bisherige Verehrung des Tiegers^) (Jaguar) abgeschafft. Neben
dem Jaguar wurde (bei den Moxos) der böse Choquigua verehrt
(s. Carasco). Simulacra duo ad atrorum hircorum similitudinem
sculpta adorantur (unter Weihrauchverehrung) in peruanischen Tempeln
(s. Apollonius). Am Tempel Quisuar-cancha fanden sich Schlangen
(und so an andern Gebäuden der Inca).
F'ür die fremden Götter der eroberten Länder fand sich ein Ge-
fängnisstempel in Cuzco, sie zu hüten, und die auf den Guano-Inseln
niedergelegten Idole sind an den Armen zusammengeknebelt, damit
sie nicht diesen unangenehmen Aufenthaltsort, der ihnen, für dasWachs-
thum des Guano zu sorgen, angewiesen war, wieder verliesscn.
Bei den Andesstämmen war eine frühere Herrschaft der Thiere be-
kannt, die auch in Birma erst durch die Heldenthaten des dem Ruhme
eines Heracles oder Nimrod nacheifernden Sonnensohnes beendet wird,
und bei den Rothhäuten durch den muthigen Knaben, der den Kampf
unternahm. Nach den Aht waren die Embryone der Menschenwesen,
in den Thieren enthalten, die erschreckt vor einem heranrudern-
den Canoe in die Wälder flohen, diese Essenzen zurücklassend, die
^) Die Kinderopfer wären in Chiquina Pampa Vaurinauca dargebracht (in Cuzco).
') Bei den Moxos wurden nur diejenigen des Priesterthums würdig gehalten, die
einem Tieger entkommen waren und die Zeichen desselben trugen.
THIERVEREHRUNG. 519
ZU Menschen vollendet, die früheren Häuser der Thiere bewohnten.
Als die wilden*) Thiere auf der Erde herrschten, landeten die Brüder
Tupi und Guarani (s. de Moussy). Nachdem Pachacamac die von
Choun (Con) geschaffenen Menschen in wilde Thiere*) verwandelt,
bildete er die Vorfahren der Peruaner (im jetzigen Weltenjahre).
Die in Canas und Calluas zerfallenden Ayahuacas (neben den Huanca-
pampas) verehrten Thiere, Felsen und Flüsse.
In der Pampa') del Sacramento (1726 entdeckt) zog sich der
Schöpfer nach dem Himmel zurück, von wo er (als Ahnherr verehrt)
auf die Erde zurückkehrt (zum Zählen der Menschen), und wenn
sich im Erdbeben seine Schritte hörbar machen, laufen die Indianer
aus ihren Hütten, rufend: „Siehe, hier sind wir." Der Böse wohnt
im Innern der Erde, und mit ihm communiciren die Moharis (oder
Agoreros), die für falsche Prophezeiungen bestraft werden. Bei
Krankheit trinkt der nächste Verwandte einen Abguss von Flori-
pendium (Datura arborea), und der dem in der Bewusstlosigkeit ge-
sehenen Zauberer (der als Ursache gilt) ähnlichste Moharis (Priester-
arzt) muss die Cur übernehmen, indem er seine Hängematte neben
dem Kranken aufhängt, und unter Anrufung von Vögeln, Vierfüssern,
Fischen (unter Reibungen mit Pflanzensaft und Saugen) die Seele
auffordert, sich nicht zu entfernen, aber wenn dennoch der Tod
nicht entflieht, durch Schläge verfolgt. Wird von den Verwandten
') In Guayana wurden den getödteten Thieren ein Trank eingeflösst, damit die Seele
den Uebrigen von der guten Behandlung erzähle (s. Caulin), und so bei Ostjäken.
') Bei den Neeshenam stammt der Mann vom Coyote und die Frau vom Wild
(Powers). Bei den Neeshenam wohnte der Geist Bohem Ciilleh (Mannweib) in den
Wäldern, um mit Männern oder Frauen zu huren. Die Krankheit sendenden Zauberer
können sich in Bären verwandeln (bei den Neeshenam). Die Zauberer der Mayos ver-
wandelten Menschen in Thiere. In allen den von Quawteaht geschaffenen Thieren lag
die Essenz des Menschen (bei den Aht). Als der Riesenvogel beim Berühren des
Wassers die Erde hervorgehen liess, entstanden alle Menschen ausser den (vom Hunde
stammenden) Tinneh, die mit Entweihung des vom Riesenvogel gegebenen Pfeils dem
Tode verfielen. Die Riesenbrüder, die um ihrer Schwester Biberfett zu bringen, den
Riesenbiber des Palousefiusses am Apuitaput-Fall fingen, warfen seinen zertheilten Kör^r
umher, aus dem die verschiedenen Stämme (die Cayuses aus dem Herzen) entstanden.
Ans den Stücken des von den Riesen zerrissenen Hundes entstanden Thiere (bei den
Tinneh). Die Tontos wohnen am Rio Verde (an der Verbindung mit dem Salinas) zu
den Apaches gehörig.
*) Die Pampa del Sacramento war neben den Amajes von den Indios Carapachos
bewohnt (1726). Am Cerro de la Sai (famoso por el grande concurso de Indios infieles,
que de las naciones mas remotas acuden ä ^1 por Sal) ist von dem Stamm der Amages
bewohnt (nach Amich). Haenke hörte in Apolobamba (mit den Indianerstämmen der
Chuntachitos , Muchuvis und Pacaguara) von dem Madre de dios, als dem Fluss Mano
(s. Raymond!). Bei den Carapachos (am Pachitea) bemerkte Girbal blonde Haare (1794)-
520 RELIGION UND SITTE.
überhaupt kein Zauberer gesehen, so tödtet man den ersten Moharis,
der angetroffen wird (s. Skinner).
In der Pampa del Sacramento gehen die Seelen in Thiere über,
und die der Caciquen in geschwänzte oder bärtige Affen, die als
Patriarchen verehrt werden. Andere Geister (behausungslos) durch-
schweifen die Luft oder werden auf dem Grunde der Flüsse zurück-
gehalten. Bei den Maynas werden die Seelen in der andern Welt
durch die Vorfahren mit Früchten und Getränk erwartet, für Luft-
kriege (im Donner und Blitz) und für Tänze auf der Milchstrasse,
weshalb die Kupferaxt (Chambo) der Leiche zum Triumphzuge
mitgegeben wird.
Nachdem die Verwandten (in der Pampa del Sacramento) den
Verscheidenden (der erstickt wird) gefragt, warum er sich entferne,
wird unter Auslöschung der Lichter, Rauch gemacht, damit die
keinen Ausweg sehende Seele auf dem Dache bleibe, und um ihre
Rückkehr in das Haus zu verhindern, häuft man stinkende Unreinig-
keiten vor die Thür. Die Leidtragenden sammeln die Thränen in
den Händen und indem sie diese auf der Erde mit Staub reiben,
bewahren sie einen Schmutzring um die Augenbrauen bis zum Ende
der Trauerzeit. Unter Trinken von Masato (aus Yuca) beginnt das
Leichenfest mit dem Gesang der Thaten des Verstorbenen, indem
der Chor in Nachahmung verschiedener Thierstimmen begleitet,
worauf das Haus verbrannt wird. Das bemalte Thongefäss, in
welchem die Leiche an der Ecke des Hauses verscharrt ist, wird
später (bei den Roamaynas) wieder ausgegraben , um die (nach Zer-
setzung des Fleisches) gewaschenen Knochen in einem geschmück-
ten Sarg im Hause aufzubewahren und nach einem Jahre aufs Neue
zu begraben, worauf der Todte*) vergessen wird (s. Skinner). Vor
einem Kriegszug wird ein Fest gefeiert und muss der Mohari
(Priester) fasten zum Prophezeien.
Die den Kriegsgott Chunchu verehrenden Yuracares, die durch
den Dämon Pepezu im Walde geschreckt wurden, bedrohen den
auf den Höhen wohnenden Donnergott Mororoma beim Donnern
mit ihren Pfeilen (s. d'Orbigny). Die (den bösen Canibaba Kilmo
fürchtenden) Movimas, tödten die Schlangen, um nicht vom Aus-
') Bei den Cocamas beraUien bei der Geburt Vater und Mutter, ob das Kind am
Leben bleiben soll, die Leiehenceremonie zu feiern, oder sterben, um keine Belästigung
im Aufziehen zu geben (nach Figueroa). Am Ucayale wird Nugi verehrt. Nach Gar-
cilasso wurde in Folge der Expedition Yupanqui's zu den Musus eine Colonie von
Chunchos am Tone angesiedelt.
DUALISMUS. 521
satz befallen zu werden (s. d'Orbigny). Die Itenes verehrten (den
bösen) Tumeke, und bei den Pacaguaras wurde neben dem guten
Huara der böse Yochina verehrt.
Die Chiquito oder Travasicosis (deren niedere Hüttenthüre
kriechend zu betreten war) hörten im Gewitter den Zorn der Ver-
storbenen und zogen Vorhersagungen aus den Sternen (s. Angelis).
Bei den (die Tiger verehrenden) Moxos wurde der den Krallen eines
Tigers Entkommene (als von der Gottheit begünstigt) zum Priester
oder Comocois (nach zweijährigem Fasten) geweiht und wer einen
Tiger getödtet hatte, erfuhr von den Comocois den Namen des-
selben, um ihn statt des eigenen anzunehmen. Beim Fest wurde
(um die Gunst des Gottes zu sichern) der Kopf des getödteten
Tigers mit einer Baumwoll-Perücke geschmückt, beim Chicha-Trinken
aufgestellt. Der von einem (den Uebrigen unsichtbaren) Dämone
heimgesuchte Comocois fungirte als Tiaranquis (Scharfsichtiger) oder
Prophet, und die Priester übten zugleich die Arzneikunde (s. d'Or-
bigny).
Bei den Tupi treibt der böse*) Dämon Jurupari oder Jerupari
(der stolze Hinkende) sein Wesen (s. Martius) und ähnlich in Florida.
Der Liebesgott Peruda (als alter Krieger, der auf den Winden
dahinfährt) herrscht über Caire (Vollmond) und Catiti (Neumond)
bei den Tupis. Neben der Sonne, als Schöpfer des Lebenden, und
dem Mond, als Schöpfer der Pflanzen, verehren die Tupi die Repro-
duction in Perudal oder Ruda (den Liebesgott). Anhanga ist Gott
*) Die böse, Gottheit (Torngarsuk's Weib) ist die Tochter des starken Angekok, der
das Eiland Disko vom festen Lande bei Baals-Revier abgerissen und nach Norden bugsirt
hat (s, Cranz). Die einäugige Aywilliayoo (deren knabengrosser Vater einaimig ist, aber
mit Bärhandschuhen bedeckt) befehligt alle Seethiere mit ihrer rechten Hand, und der
Angekok schneidet ihre Nägel und Fingergelenke ab, um Seehunde, Walrosse, Walfische
nach einander frei zu setzen. Von den (zwergartigen) Berggeistern Innuaralit (neben
riesigen Tunnesoit) haben die Europäer ihre Künste gelernt. Die hundsköpfigen Erkiglit
wohnen an der Ostküste. Durch Reizen der Nerrim-Innuit (zum Verletzen der Enthal-
tungsmassregeln), als Inhaber der Speisen, folgt Krankheit beim Essen. Der Innua der
Luft ist Innerterrisök (der Verbieter). Beim Walfischfang muss Alles reinlich gekleidet
sein (s. Cranz) und im Zelt die Lampe ausgelöscht. Der gespenstische Orometua wohnte
auf Tahiti neben den Friedhöfen oder Tupapus (zu Cook's Zeit). Wenn Tezcatlipuca
als Nachtgespenst die vor ihm Fliehenden verfolgte, erschien er als ,,un hombre sin
cabeza, que lenia cortado el pescuezo como un tronco (Sahagun). Der (böse) Vcdariyc-
slini heisst (bei den Tinneh) Edje (Herz)' und Eltsone (Fischotter). Die Seelen der
Tapujer versammeln sich an einem See, wo sie ein Fährmann überschifft (s. Barlaeus).
Der Mond (Jacy) herrscht (bei den Tupi) über die Untergöttcr. Saci-Cerere (hinkend),
Mboiuta (die Felder gegen Brandstifter schützend), Uratau (Gespenst), Curupura (die
Blumen hütend) u. s. w.
522 RELIGION UND SITTE.
der Jagd (s. Magalhaes). Das Begegnen des haarigen Riesen Caha-
pora bringt Unglück.
Unter dem Schöpfer Matupa, der die Sonne (Abangore) und
den Mond (Platt) sowie die Sterne (Adschik) gemacht hat, steht der
böse ^) Akjanam, der bei Donner (Taci) die Regentropfen brummend
«
aus dem feuchten Bart schüttelt, nach den (den Botocudos benach-
barten) Machacar^s (s. Feldner). Die Botocuden verehren (nach Neu-
wied) den Mond oder Taru, als Donner und Blitz erzeugend (neben
dem bösen Jantschong). Nach Pöppig verehren die Araucaner den
Gott der Meereswellen und des Donners.
Die Guaranis (deren drei Vorfahren sich in den Gipfeln von
Palmen aus der Fluth retteten), verehrten den guten Tupa und den
bösen Aflang (s. Angelis). Das höchste Wesen Achekenat - Kanet
(der Patagonier) schickt, wie Gutes, auch Böses (nach d'Orbigny).
Neben dem guten Pillan verehren die Araucaner (nach Bardel) den
bösen Guecu oder (nach d'Orbigny) Quecubu. Nach Ginoux dagegen
wird in Araucanien der böse Pillan (neben dem guten Apo) verehrt.
Die Nunu (Gespenster) werden als alli nunu (gute) und mana alli
nunu (böse) unterschieden (in Peru).
1) Neben dem friedlichen Wac oder Tupanan (von besonderen Secten verehrt) fand
sich der Schöpfer Niparaya mit der (körperlosen) Göttin Anayicoyondi , unter deren
Söhnen Quayayp auf dem Berge Acaragui mit den Vorfahren der Pericues (in Unter-
Califomien) gelebt hatte. Die Comanches (mit den Zauberern oder Puyacontes) trugen
Sonnenbilder. Yaxtaxitaxitanne (der Schöpfer) weilt im Himmel (bei den Apaches).
Die Navayos (mit dem guten Whaillahay oder dem bösen Chinday) erzeugen Regen
durch Aufblasen von Tabaksrauch oder durch heilige Steine, die im Gewitter fallen.
Der Regengott Montezuma lehrte den Pueblos den Bau der Ortschaften» (erst Acoma und
dann Pecos). Der böse Vater der Moquis wohnt im Osten, die gute Mutter im Westen.
Die Apaches verehren Yaxtaxitaxitanne als Schöpfer. Bei den Navayos ist Whaillahay
der gute , Chinday der böse Gott. Amotkan , Sohn der Schöpferin Skometton (sko oder
Mutter) sitzt auf dem hohlen Berge, der als Himmel die Erde bedeckt (nach den Flathead)
und vertilgte verschiedene Mal die Menschen für ihre Sünden, bis er seinen Sohn (Spakuni)
sandte, die Welt als Sonne (und mit dem geheiratheten Frosch, als Mond) zu erleuchten,
nachdem es der Prairie-Wolf und die Krähe umsonst zur Zufriedenheit versucht hatten
(s. Mengarini). Von Wakanaga stammend, zerfielen die Shoshones und Comanche in
Feindschaft, als an den Soda-Springs (in Idaho) die in der Jagd unglücklichen Comanche
die glücklichen Shoshones beim Wassertrinken von hinten durchbohrt hatten, und dann
selbst durch den mit Keulen aus dem Teich auftauchenden Indianer-Greis zerschmettert waren.
Der Stuhl auf dem Chaireya (der alte Mann oben) bei der Schöpfung sass, findet sich
im Besitz des Hohenpriesters bei den Cahroc (am Klamath-Fluss). Nach den Mattoles
in Nord-Califomien), deren Vorfahren bei der Fluth nach Taylor Peak flohen, wurde die
Schöpfung dem ,, dicken Mann" zugeschrieben. Als in der Dunkelheit der Habicht ins
Gesicht des Coyotl flog, gab ihm dieser ein Bündel Schilf mit Feuerstein, womit er zu
dem Himmel auffliegend , durch Drehen Feuer erzeugte, und die sich fortdrehende Sonne
(bei den Gallinomeros) in Central-California (am Russian River in Sonoma).
SATAN. 523
„Nun werden unsere armseligen Wilden auch noch in diesem
Leben jämmerlich von dem Teufel geplagt, dem sie sonst noch einen
andern Namen geben und Kaagerre nennen, denn ich hab selbst
gesehen, dass wenn wir bisweilen mit ihnen redeten, dass sie under
dem Gespräch anfingen zu schreien und zu ruffen wie die Hirntobige
Lcut» Hei, Hei, helfet uns, denn der Aygnan schlägt uns. Sie sagten
darzu, dass sie den Teufel bisweilen sehen under der Gestalt eines
Thieres, bisweilen eines Vogels, dann sonsten under einer andern
erschräklichen gestalt. Sie verwunderten sich auch sehr, dass uns
derselbige böse Geist kein Leid thete. Wenn wir ihnen nun sagten,
dass der Gott darvon wir ihnen stäts predigten, uns für solche Plagen
behütete, der viel gewaltiger were, denn der Aygnan, und derhalben
dafiir wehre, dass uns der Aygnan nicht mit dem Geringsten be-
rühren dörffte, da verhiessen sie mit einmal, dass sie an unsern
Gott glauben wollten, aber wenn sie von der Plag wieder loss waren,
achteten sie ihrer Zusag weiters nicht. Damit man aber wisse, dass
solche Plage, die ihnen angethan wirt, kein Kinderspiel sei, so hab
ich oft't selbst gesehen, dass ihnen so sehr darfür gegraust hat, wenn
sie an die Plage gedacht, dass ihnen der Angstschweiss for forcht
ausbrach, auf ihre Hüften platzten und uns ihre Not mit solchen
Worten klagten : „Maier, Atourassap, Aceque i cy Aygnan Atoupaue",
das ist „O du lieber Narr, O mein gut Gesell, Ich förcht mich mehr
für dem TeufTcl, denn sonst für einigem Kerl". Sagte nun der unseren
einer also darwider „Nace queie Aygnan", das ist, „Aber ich frag nicht
nach dem Teuffel", alsdann beweineten sie ihr elend und sprachen
O der glücklichen Leut weren wir, wenn wir dafür so sicher weren
wie ihr. Dargegen hielten wir ihnen für, sie sollten an den glauben,
der mächtiger were als der Agynan. Aber ob sie es wol verhiessen,
wenn sie in der Marter waren, sobald es für über war, blieben sie
auf ihrer weiss. Ehe ich nun fortfahre in dem Text von den Wilden,
die da glauben dass die Seele unsterblich sei, so will ich erst hinzu-
setzen, was der Autor Histor. Ind. Occident. schreibet. Nemlich
dass die Inwohner der Statt Cusco nit allein glauben, dass die Seel
unsterblich sei, sondern dass auch der Leib wider aufferstehen
werde, wider der Theologen Regel, welche schliessen, dass nicht
allein alle Philosophi und auch alle ander Heyden und Wilden
nichts gewust haben von der aufferstehung dess Fleisches, sondern
auch dieselbige verneinet, welches denn von ihm durch diss Exempel
widerlegt wird"
Aus der Zeit der Selbstständigkeit bis zu der der Inca wurden
524 RELIGION UNI) SITTE.
(von diesen mit Hunden und Trompeten beschenkt) neun Idole (in
Guamachuco) verehrt*), nämlich Ulpillo, Pomacama, Caoquilca, Quim-
guaihugo, Nomadoi,Garacayoc, Guanacatequil, Casipoma und Llaiguen.
Dem Gott Guallco, der (in einer Höhle) die Zeugverfertiger der
Inca schützte, wurden Spindelsteine dargebracht. Dem Gott Guis-
pegnanagai wurde beim Färben der Zeuge geopfert, damit die Farbe
gut herauskäme.
In der Mitte jedes Dorfes fand sich als Schutzgott Guachecoal
als grosser Stein. Die Götter Cauri und Caoquilca wurden in Höhlen
verehrt. Der Götze Munigundo wird im Kriege angerufen. Die
Götter Yamaguanca und Yamoguanca wurden bewaffnet dargestellt.
Bei den Canichana (unter den Moxos) spukt der Dämon Yini-jäma,
und bei Molina findet sich Ymaymana, als Bruder Tocapo's (Sohn
des Tecsi-Viracocha). Das Idol Guamansai war in kostbare Gewänder
gehüllt.
In Guamachuco wurde die Erde als Chucomama (Pachamama)
verehrt, und da die Indianer, wegen der Lage der Mutter bei der
Geburt auf die Erde fallen, opfern sie der Erde*), damit sie ihnen
Kräfte gebe, ausserdem, dass sie Mais wachsen lasse und die Werk-
zeuge der Feldarbeiter nicht zerbrechen. Gott Mama-Azua schützte
das Festgetränk, Mama-Ocho den Aji, Paiguinoe die Kaninchen.
Apo-CatequiPs Verehrung erstreckte sich von Quito bis Cuzco (s. Ma-
ras). Bei Porcon (mit einem Tempel Apo-Catequil's) fanden sich die
Felsen Apo-Catequil, Mama-Catequil und Piguerao, um Catequil mit
Bruder und Mutter darzustellen, neben der Verehrung Atauguja's.
Atau meint im Quechua Zufallsglück oder glückliches Geschick.
*) Unter den Gottesbegriff der Chilener würde fallen (s. Havestadt) : gen-Huenu,
qui moderetur ac gubcrnct aerem nubes, pluvias, gen- Piro , qui in vermes potestatem
habeat, gen-Co, qui fontes conscrvet etc. (gen, esse, stare).
') Die Navajos lebten mit Pueblos (und Coyoteros) zusammen unter der Erde,
wo nur immer bei Sonnenaufgang einen Augenblick Licht kam (aber viel Fleisch von
Vögeln war). Da die stummen Flötenbläser die angestossene Decke hohl fanden, wurde
sie fiir den Racun geöffnet, der nicht hindurch konnte, und dem der Wurm folgte, welchen
draussen erscheinend, der Schwan des Nordens (ihn als gleichen Stammes erkennend) fasste,
und dann die drei andern der Ecken, so dass vier Ströme hervorbrachen, und aus der
erweiterten Oeffnung erst die Navajoes (dann Pueblos und fortziehende Verwandten) hervor-
kamen, worauf die grosse Mutter Vieh verlieh. Als die Alten Sonne und Mond ver-
fertigt , brachte sie der stumme Flötenbläser so nahe an die Erde , dass Alles ver-
brannte, bis die Alten Rauch entgegenblicsen, und so ist die Sonne 4 mal im Lauf ver-
zögert worden, bei der Erde zu bleiben. Als dann die Alten zwei Krüge oder Tinajes
verfertigten, wählten die Navajoes den aussen geschmückten, der leer war, die Pueblos den
unscheinbaren , mit Heerden und Werthsachen gefüllt (s. Broeck). Der auf einem Pfeil
fortgeschossene Prophet kehrte später (als erwartet) zurück. Die Mandan kamen an einer
Ranke aus der Erde.
AUTOCHTHON. 525
Die drei Paare (Wolf, Bär, Schildkröte) Urmenschen (der Iro-
kesen), in der Luft umhertreibend, Hessen den Wolf durch den Vogel
zum Himmelsbaum tragen, wo er die Wasser schöpfende Jungfrau
verführte, die (vom Herrn des Himmels Verstössen), auf die Schild-
kröte fiel, wo Fischotter und Fische dann mit Schlamm die Erde
bildeten (Kinder gebärend). Ata-entsik (Altfrau Grossmutter) wohnt
in der Unterwelt. OchkihHaddah, Gegner des Numank-Machana (ersten
Menschen), verführte die Jungfrau (Grossmutter der Menschen) bei den
Mandan. Der vom grossen Geist aus Pfeifenthon geformte Mensch wur-
zelte am Boden, bis durch die Schlange abgenagt (bei den Sioux). Die
Indianer nennen sich Erdgeborene (metok-theniake) und lebten lange
unter der Erde, weshalb sie kein Kaninchen tödten (Heckeweiler). In
Libyen wuchs Jarbas aus der Erde, wie der mexicanische Urmensch
bei Aculma, und die Peruaner waren mit ihren Ursprüngen vewachsen.
Nach Maras wurden die Tempel durch eine Mauer- Umzäunung
gebildet, in deren Mitte eia hoher Pfahl stand, der erstiegen wurde,
um ein Kaninchen zu opfern, während der Taquis genannten Fasten.
Bei der Mäisblüthe wurden Uvigaicho und Unstiqüi Opfer gebracht,
damit sie, als Diener Ataguju's, denselben um Abwendung des Hagels
bäten. In den Wäldern bei Tauca (mit Verehrung dämonischer Hua-
rella) wurden die von den Bäumen abfallenden Blätter als segen-
bringende Reliquien aufbewahrt, und die Vögel, die sich auf den
heiligen Zweigen niedergelassen hatten, galten als beglückend (s.
Brullius). Nach dem Brande des Tempels in Guamachu'co wurde
der Dienst des Catequilla nach Cahuaca und dann nach Tauca (im
Lande der Conchucos) gerettet (s. Brullius).
In Guamachuco (zwischen Chachapoyas und den Conchucos) wurde
der (von den Alcos oder Priestern auf Pfeilern Opfer empfangenden)
Himmelsgott Ataguju (der, um nicht allein zu sein, Sagad-Zavra und
Vaungavrad geschaffen) von den (als Vermittler für Ernten in Tän-
zen oder Taquis angerufenen) Dienern Uvigaicho und Unstiqüi be-
dient, nach welchen, als Dritter, Guamansiri geschaffen wurde, der
(auf die Erde gesandt) in Guamachuco die Guachemines (oder Weissen)
traf, die ihn als Sklaven hielten und (weil mit ihrer Schwester Caup-
taguan verkehrend) verbrannten (worauf die Asche nach Ataguju im
Himmel aufstieg). Die von Cauptaguan (mit ihrem Tode) geborenen
Eier Hessen (von den Guachemines erwärmt) den grossen (und
bösen) Apo-Catequil (mit seinem Bruder Piguerao) hervorgehen, der
von seiner durch ihn wieder erweckten Mutter die von Guamansuri
zurückgelassene Schleuder erhält, mit welcher er die Guachemines
526 RELIGION UND SITTE.
(ausser den in die Ferne Entfliehenden) tödtete, und dann, als er
zum Himmel aufsteigend, Ataguju um Schöpfung der Indianer ge-
beten, in den Bergen von Guacas (jenseits Sancta) zwischen Truxillo
und Lima bei Parilla ein Loch in die Erde grub, aus dem sie her-
vorkamen (mit einer Hacke aus Silber und Gold ausgegraben).
CatequiP) bringt Donner und Blitz hervor, die Sterne mit seiner
Schleuder treffend. In der Nähe seines Tempels (mit heiligen Heer-
den) bei Porcon wurden die drei Berggipfel, als Apocatequil, Mama-
catequil und Piguerao (Catequil mit Mutter und Bruder) verehrt.
In Guamachuco waren den Göttern Guallio (der die Gewand-
schneider des Fürsten schützte), Caoquilca und Cauri Höhlen gewidmet.
Vor dem Kriege wurde der Götze Muniguindo befragt (neben Yama-
ganca und Yamoguanca). Die als Colonisten von Cuzco nach Guama-
chuco*) gekommenen Orejones hatten das schwarze Idol Topallimillay
zur Verehrung mitgebracht. Der für die Priesterschaft') bestimmte In-
*) Ein von einer Indianerin gefundener Stein , gab sich auf Befragen des Zauberer's,
als Tantaguaganay (Sohn des Catequil), zu erkennen (Verehrung erhaltend), ein anderer
dann als Tantazaro, und so wurden weiter bunte Steine zum Heilighalten gefunden, so
dass jedes Dorf einige besass (1550). In Guamachuco wurden neun Guaca oder Idole
(mit ihren Tempeln) verehrt, als Uipillo, Pomacama, Caoquila, Quimgachugo, Nomadoi,
Garacayoc, Casipoma, Guanacatequil und Llaiguen. Llaiguen wurde in einer Höhle
für Regen angerufen (wofür auch Huayna Cajlac gefüllte Gefasse aufgestellt hatte).
Casipoma (als Löwe brüllend) wurde von Huaynacapac im Kriege mitgefuhrt (mit
offenem Munde beim Opfer).
') Jedes Dorf in Guamachuco hatte seinen Specialgötzen. Güaynacapa (Huayncapac) hatte
den Krieger Xucalmango vergöttert, und sein Bild war zwischen zwei Hunden dargestellt.
In jedem Dorf in Guamachuco fand sich ein Stein (Guachecoal) , der als Schutzgott ver-
ehrt wurde (1550). Der Gott Guispeguanagai schützte die Färber. Neben Tantuzoro
und Guarasgaide wurde das weibliche Idol Guagalmojon (mit sechs Söhnen) verehrt (mit
hufeisenförmigen Kinnstücken aus Metall), die Genitalien zeigend (als Mutter der Menschen).
Nach dem Tempel des Gottes Uzorpillao (bei Conacocha) wurden Pilgerfahrten unter-
nommen. Wenn eine Frau (und Llama) Zwillinge gebar, wurde dem Idol Acuchuccacque
geopfert. Beim Aufstand einer Provinz wurde der Gott Yanaguanca und Xulcaguaca an-
gerufen. Der Gott Paucar wurde als Papagei (in Thon) verehrt. Der Gott Maillar
lähmte diejenigen , welche ohne Ehrerbietung von ihm sprachen. Die verehrten Leichen
des Kriegers Condor und seines Sohnes waren unter Maishaufen begraben (frisch zu
bleiben). Der Sonne wurden Feste gefeiert. Gefangene Füchse wurden nach dem Aus-
waiden getrocknet, und als Wittwen gekleidet, um auf einem Sitz Chicha zu empfangen
(auch als säugende Frauen). Bei Anwesenheit des Inca- Generals Chacochima in Gua-
machuco erschien ihm der Dämon als Uscaiguai oder Riesenschlange (mit Hirschkopf und
Goldglocken am Schwanz), die sich (als Gott des Reichthums) zur Rückkehr in den
Himmel emporhob..
•) Dem Oberpriester Xulcamango erschien der Dämon als Adler, und dem Indianer
Xucalguaman als Phantom beim Heerdenhüten , um Blut zu trinken und sich (weil der
Strafe des Herrn fliehend) dem Dienst des Catequil zu widmen. Tamaraqunga, Bruder
des Häuptlings von Pirsa (bei Anserma) wurde von den Dämonen in Gestalt von Auras-
PARIACACA. 527
dianer (in Guamachuco) sieht auf dem Wasser eines Sees hübsche
Calabassen schwimmen, in deren vergeblicher Jagd er schwindlig
wird, von dem Dämon nach seiner Wohnung entführt, um bei der
Rückkehr (nach längerem Fasten) als Zauberer zu fungiren.
Nach der Beichte (ocha) beobachtete der Alco (Priester) die
Eingeweide des Opferthieres und legte demgemäss eine Busse*) auf
(in Guamachuco). Die im Magen der Thiere angetroffenen Concre-
tionen erhielten Verehrung (gleich den heiligen Steinen australischer
Zauberer).
Die Dämone wurden von den Alcos durch Trommeln und Schla-
gen eines Kupfergefösses gerufen, sowie durch Schütteln eines mit
Schellen gefüllten Netzes. Cieza erzählt von den spiritistischen Ver-
folgungen, denen Tamaraqunga, Bruder des Häuptlings von Pirsa
(bei Anserma) ausgesetzt war, indem die Dämone ihm das Glas
vor dem Munde wegrissen, in sein Gesicht spuckten, ihn in die Luft
emporhoben, mit Steinen warfen und andern Spuk der Klopfgeister
trieben (1549).
In glücklicher Vorzeit, als noch der Tod auf der Erde nicht be-
kannt war (indem die Sterbenden nach fünftägigem Schlaf wieder auf-
lebten), wurden die in Form von Menschen wandelnden Huacas (Götzen)
Yananamca und Intanamca durch Caruyuchu Huayallo (Hualallo Ca-
ruincho) vertrieben, und dann diese von Pariacaca, dem Nachfolger
Coniraya's, — in jener goldenen Zeit, wo die Lamas des in seinem
Federhause als Gott verehrten, aber erst durch die Wunderkraft
Huathiacuri's (Sohnes des Pariacaca) von seiner Krankheit geheilten,
Reichen, im Federhause von Huarochiri, mit buntem Fell geboren
wurden, roth, gelb, blau, so dass es nicht nöthig war, die Wolle erst
zu färben.
Da es sich nun um einen Gegensatz zu Inti (Inta-namca) handelt,
mag eine Erklärung entnommen werden für die Notiz bei Santa- Cruz,
dass Pachacuti-IncaYupanqui die als Huacas verehrten Curacas aus
Vögeln verfolgt (s. Cieza). Die Priester (Alcos) communicirten mit dem Dämon (Supay)
in Guamachuco aus den bekleideten Puppen, denen in einem Korb das Idol eingefügt
war, und dieses erhielt dann seine Sclaven zur Bedienung, sowie seine Heerden für den
Unterhalt. Das Bild des Propheten wurde mit Tonsur dargestellt. In Guamachuco
hatten die Indianer das Idol Guamansai (zur Verehrung) hinter dem Altar versteckt
('555).
*) Wer durch den Tod seinen Sohn verlor, wurde für einen Sünder gehalten und mit
Nesseln gegeisselt (in Peru).
') In den Rasseln der Floridaner waren vom Himmel herabgekommene Steine ein-
geschlossen (nach Cabe^a de Vaca).
528 RELIGION UND SITTE.
Vilcas-huaman, nämlich Pariacacca nebst Ayssa-vilca, Chinchacocha,
Huallallu und Chuquirocra, sowie zwei der Caflaris (alle schwarz und
hässlicher Gestalt) nach Cuzco gesandt habe, um an der Festung
Sacsahuaman bauen zu helfen.
Aus den in Huarochiri erschienenen Eiern kamen (auf dem
Berge Condorcoto) fünf Falken hervor, die sich in Menschen ver-
wandelten, als Pariacacca (Vater des Huathiacuri) und seine Brüder,
und dann durch einen Sturmwind das Haus des als Gott verehrten
Reichen zerstörten (s. Avila).
Von den drei Eiern, die vom Himmel gefallen, gingen aus dem
goldenen die Curacas, aus dem silbernen die Edlen, aus dem kupfer-
nen die Gemeinen hervor (s. Avendano). Cauptagan gebar durch
Guamansiri die Götter einschliessenden Eier in Guamachuco. Bei
Huacho erschienen drei Eier. Die syrische Venus war (nach Hygin)
aus einem vom Himmel gefallenen Ei entstanden (als Cybele). Paria-
caca (in Bettlertracht verachtet) zerstörte das Dorf am Berge Matro-
coto durch Hagel (in Huarochiri), und vor ihm war Coniraya (in
Bettlertracht des Aussätzigen), der durch die Lucmafrucht Cavillaca
(bei Huarochiri) schwängerte, erschienen.
Das Dorf Huagaihusa, wo man ihm einen Trunk Chicha versagt
hatte, zerstörte Pariacaca*) in einem Regensturm und vernichtete
sämmtliche Bewohner mit Ausnahme des Mädchens, das ihm heim-
lich eine gefüllte Calabasse zugetragen hatte, und dann bewässerte
er, aus Liebe zur schönen Choque Suso die Anpflanzungen von
Ayllu Copara in Huarochiri (s. Avila).
In Peru erschienen in reiche Gewänder gekleidet drei Männer,
Airache, Aranka und Mamaragua, von denen Airache in einer gol-
denen Schleuder einen Wunderstein trug, mit welchem er die Berge
bis in die Sterne erhob, oder in den tiefsten Abgrund stürzte. Als
Arapka und Ajarmango, um Fremde als Bewohner zusammenzube-
rufen, eine prächtige Stadt unter den Umwohnern zu bauen began-
nen, beschlossen sie, den mächtigen Airache aus dem Wege zu räu-
men, indem sie ihn veranlassten, zur Verehrung seines Vaters, der
Sonne, in eine Höhlung einzutreten, die dann mit Steinen verrammelt
wurde. Airache aber, den Berg überthürmend, flog mit vielfarbigen
Flügeln in die Luft empor, seinen Brüdern zurufend, dass, obwohl
sie ihm nach dem Leben gestellt, er ihnen doch, wenn Verehrung
*) Neben dem Fels Pacacacha wurde die Gebirgshöhe Pariacaca auf dem Wege (von
Lima) nach Yauyu passirt (s. de Lact).
THIERFABEL. 5^9
empfangend, behülflich sein würde, dass die von ihnen gebaute
Stadt, unter dem Namen Cusco, mit dem Sonnendienst über die
Völker herrschen würde, und dass sie zum Zeichen gehorsamer Ein-
willigung, nach seinem Vorbilde die Ohren zu durchbohren haben
würden. Nachdem Airache die Kopf-Quaste verliehen hatte, herrschte
Ajarmango, der nach der aus der Höhle Tambo hervorbrechenden
Fluth den Namen Mango-Kapa (mächtiger Herr) annahm, in Cuzco,
während Airanka mit Airache in Stein verwandelt wurde (s. Dapper.)
Die Brüderdreiheit tritt hier mit einem fremden Eroberervolk
auf, dessen Character sich in Airache (mit der Sitte der Ohrdurch-
bohrung) bewahrte, während Ajarmanko, anfangs durch Aranka
unterstützt, in ihrer Verbindung mit dem ansässigen Leben der Ein-
geborenen, eine Stadt baute^ und deshalb beide den unruhigen Bruder
aus dem Wege räumten, obwohl ihm Verehrung bestimmt wurde,
um unter der Aegide seines kriegerischen Muthes die Herrschaft auf
Unterwerfung der Nachbarschaft zu begründen.
Diese Ereignisse spielen in einer vorgeschichtlichen Periode, die
tlurch das Einbrechen der Fluth abgeschlossen wurde, obwohl Ayar-
mango, aus seiner dämonisch zurücktretenden Form (Ayar-Mango),
in die Geschichte des dauernden Menschengeschlechts, als Mango-
kava (Mango-Capac), herübergenommen wurde.
An die über Huathicuri (Sohn Pariacacca's) erhaltene Legende
knüpfen sich die Fragmente jener Thierfabel, die auf jeden Zug in
der asiato- europäischen oder africanischen ihr Seitenstück finden
könnte.
Auf seiner Wanderung unter einem Baume ruhend, überhört
Huathicuri das Gespräch der Vögel über die Neuigkeiten des Tages :
die Krankheit des reichen Mannes, die Ursache derselben (weil
seiner Ehefrau beim Stossen des Mais ein Körnchen auf den Schoss
gefallen u. s. w.), die mögliche Heilung, wenn die unter dem Mühl-
stein im Hause verborgene*) Kröte vertrieben ist (der auf dem Dache
verborgene Drache im birmanischen Märchen).
') In dem bei Pacaytambo (tiue es donde ellos tienen por opinyon que salieron
aquellos siete ombres c mugeres depues del diluvio) gefeierten Ayme-Fest wurde die
Asche der Opfer dem Tizibiracocha geschickt ,,por aquellos dos rios {\ue salen del Cuzco
en cada un aAo."
*) Hcno (der unter dem Niagara- Fall wohnende Geist) rieth den Bewohnern des
Dorfes Ga-a-gwa ihre Wohnungen nach dem Buffalo-Creek zu verlegen, da eine unter
dem Dorfe l^l>ende Schlange durch Vergiftung des Wassers die unter ihnen herrschenden
Krankheiten erzeuge, und erschlug dann mit dem Donnerkeil die folgende Schlange, als
sie einen engen Wassercanal passirtc (s. Morgan).
Bastian: Amenca. I. «^
530 RELIGION UNI) SITTE.
So genügend unterrichtet, bietet er seine Dienste an und obwohl
von den Dienern wegen seines unscheinbaren Aeusseren verlacht, ge-
lingt ihm die Heilung, so dass die doppelköpfige Kröte ihren Platz
räumen muss und nach dem Quell Anchicocha hüpft, wo sie seitdem
die Strasse unsicher macht, indem Vorübergehende sich verwirren
und die Richtung des Weges verlieren.
Als dem glücklichen Arzt der ausgesetzte Preis, die Tochter des
reichen Mannes, gewährt werden muss, schämt sich der ältere
Schwiegersohn seines neuen Schwagers und fordert ihn verächtlich
zum Wettkampf heraus, den indess Huathiacuri in allen Wieder-
holungen siegreich besteht, da er sich auf Rath seines, im Ei be-
fragten, Vaters die Flöte und den Chicha-Krug des Fuchses zu ver-
schaffen gewusst hat (s. Avila).
Auch die Bewässerung Ayllu Coxora's durch Pariacacca war vor-
züglich dem Fuchs ^) zu danken, da dieser unter den herbeigerufenen
Thieren am Besten arbeitete, und so findet die List dieses in China
und Japan ebenfalls als ein Ueberall und Nirgends aufgefasster Reineke
in den verschiedensten Formen seine Anerkennung, im Tempel
Pachacamac's sowohl, wie mit Wittwenkleidung oder als säugende
Frau auf dem Altare Guamachuco's.
Auch den Spott spart ihm der Volkswitz hier so wenig, wie
anderswo, denn als sämmtliche Thiere dem durch seine Lama vor
der Pluth gewarnten Hirten bei der Flucht auf den Gipfel des Berges
Villca-coto folgten, blieb nur der Fuchs, noch allerlei andere Mittel
der Rettung im Kopfe umherwälzend, hinter den übrigen zurück,
bis er für sein Leben vor den stürzenden Wassern zu laufen hatte,
dann aber kaum auf der äussersten Kante des bereits überfüllten
Berges ein kleines Plätzchen fand, so dass die Spitze des Schwanzes
in's Wasser hinabhing und seitdem schwarz geblieben ist. Nach
Con-Quien (Häuptling der Papaga) prophezeite (zu der Zeit als
Thiere und Menschen mit einander redeten) der Coyote^) die Fluth,
aus welcher neben ihm nur Montezuma (der als Führer der Indianer
vom Schöpfer ausgegraben war) entkam (s. Davidson).
*) Bei den Indianern von Xnrgannset fanden sicli dämoniscbc Fuchsmythen (nach
Macgowan). '
^) Nach dem vorweltlichcn Stamm der Ulhaipa (bei Chinook) oder Sehuiab (l>ei
Clallam und Lummis) wurden die Menschen durch Italapas (den Coyote) geschaffen,
aber im rohen Zustande, bis der Geist Ikanam ihre Augen mit einem scliarfen Stein ge-
öffnet und ihre Hände und Füsse fUr Brauchbarkeit zugerichtet [als Quetzalcoatl]. Am
Palousefluss (in Washington) entstanden die Menschen aus den umhergestreuten Thcilen
eines /er^tückellen Bibers, der bei den Fällen von Aputaput durch die Riesenbriidcr auf
FUCHS. 531
Die Tapuyer (s. Barlaeus) „haben wunderseltzame Fabeln unter
sich von einem Fuchse, der sie bei irem Gott, nämHch dem grossen
Noord-Gestirne, in Ungnaden gebracht hat'* (1647).
Nachdem Huathiacuri aus allen ihm auferlegten Proben als unbe-
strittener Sieger hervorgegangen war, verwandelte er seinen Schwa-
ger in ein Wild (das früher Menschen frass, jetzt aber selbst von
den Menschen gegessen wird) und dessen Frau, seine Schwägerin,
(auf den Kopf gestellt, die Füsse nach oben), in einen Stein (s. Avila).
Die düster feuchten Wälder der Montafia, besonders die Ufer
des Paradiesesflusses Pilcomayo waren reich an Phantasiege^chöpfen,
wie sie auch Schmidel kennt in dem Crocodilungeheuer, das nur
durch Vorhalten eines Spiegels zu tödten ist, weil es sonst (gleich
dem Gorgonenhaupt) versteinern würde. Aus der Montafta, wo die
Riesenschlange durch den heiligen Condor vernichtet wird, stammen
die Chimären und andere Abentheuer.
Als Fabelthiere aus dem See Quichiupay, sowie in Arequipa und
Wunsch der Schwester gefangen war._ Indem die in den verwesenden Leichen der ge-
storbenen Tbiere erzeugten Würmer zum Monde flogen, wurde die Erde der Lebensgeister
beraubt , bis die Alten der Coyoten das Verbrennen einführten , worauf sich die Coyoten
allmählig zu Menschen vollendeten, und den verlorenen Schwanz noch bei Tanz durch
das Costum ersetzen (nach den Potoyantes). Durch Quaoar (bei Los Angelos) wird der
erste Mensch (Tobohor) und Frau (Pabavit) geschaffen. Die Guaycuru (in Süd-America)
hiessen Ubaya. Unter den Califomiem fanden sich angeblich Abkömmlinge der Coyoten,
die, als Menschenfresser, den Schrecken der Jugend bildeten. Starb ein Pulpem (Priester),
so rief man einen solchen Eno, der, nachdem er (gegen gute Bezahlung) ein Stück des
todten Körpers gegessen, Tacue (Esser) genannt wurde (erzählt Boscana). Die Geier, die
l>eim Panes-Fest von den Califomiem (ihre Hauptkleidung oder Paelt zu machen) ge-
opfert und von den Frauen gefragt werden, weshalb sie nicht dageblieben und au Panes gewor-
den, stammen von einer Frau, die einst in den Berg gehend , dort von Chinigchinich in einen
Geier verwandelt wurde, und dann überall in solchen auPs Neue geopfert wird (s. Bos-
cana). Der erste Mensch (Kallak) entstand aus der Erde und aus seinem Daumen die
erste Frau (nach den Grönländem). Der Tod kam durch eine Frau (damit Platz werde).
Als eine grönländische Frau den Kablunat (Ausländer) und Hunde geboren, frassen diese
den Vater, und im Streit wurde der Kablunat von den Grönländem besiegt. Als beim
Umkippen der Erde die Menschen (ausser den zu Inguersoit oder Feuergeistern Gewor-
denen) ertranken« schlug der allein Zurückgebliebene mit dem Stock auf die Erde, aus
der eine Frau kam (zur Wiederbevölkerung). Nach dem Zerschmettern des Erdklumpen«^
bläst Pirksoma. Der Tomgak (Schulzgeist) fuhrt den Angekok über das (den Abgrund
Überbrückende) Seil, um Toragarsuk's Mutter durch angezündete Vogelfedem zu über-
kommen. Um eines Kranken Schicksal zu erfahren, fährt der Angekok, mit seinem Tomgak
an einem Riemen, in das Reich der Seelen hinauf zu den dicken Weisen, Angekut
Poglit (in den stillen Wohnungen). Zur Weihe wird der Angekok von einem Bären
an das Ufer geschleppt, von einem Walfisch gefressen, um ausgespieen zu werden. Tom-
garsuk erscheint als Bär oder einarmiger Mann [Tyr]. Die Hexen (Illiseetsok) citiren
die Seelen (derer, denen sie schaden wollen), um sie mit. einem Pfeil zu ver\vunden.
34*
532 RELIGION UND SITTE.
Guamanca erschienen waren, brachten (bei Pachacutec's siegreicher
Rückkehr nach Cuzco) die Curacas ^on Caravaya das Fabelthier
Chuquichinchay, oder den Fürsten der Jaguare (Uturuncus), nach Cuzco
(s. Santa Cruz). Als auf dem Feldzug Pachacutec's gegen Anti-suyu
der Dämon Canamay (der Caviflas) eine feurige Schlange zur Zer-
störung sandte, erschien auf des Inca Gebet zum Himmel, ein Adler,
der sie tödtete (s. Santa-Cruz), und das wurde auf den Wänden von
Anca-pirca dargestellt.
Nach den Achkeres (am Rio Parabol) tödtet das Crocodil
(animal venenoso) durch Anblick und Hauch, und: ,,es el unico medio
de matarle, poncrle delante un espejo, en que viendosc, muere"
(Schmidel). Der Pfarrer von San Andres (s. Weddcll) erzählte die
Geschichte „d'un oiseau, qui s'^tant posö par terre, y avait pris
racine" (in der Provinz Yungas), wie ähnlich in Sibirien.
Monströs phantastische Gestalten, wie sie im Alterthum und
Mittelalter, sowie noch jetzt aus Africa berichtet werden, trieben
sich in den unzugänglichen Wäldern umher, die die Geheimnisse der
Goldstadt bargen, und Humboldt hörte von ihnen, als Rayas (in den
Waldungen Sipapu's), die (wie in Carichana erzählt wurde) den
Mund am Nabel hatten. Die Plwaiponama (whose heads appear not
above their Shoulders) arc reported to have their eyes in their Shoulders
and their mouths in the middle of their breasts (s. Raleigh). In Guiana
soll es eine Nation geben, welche man Ohnköpfe nennt, und man giebt
vor, sie hätten die Augen auf den Schultern, den Mund auf der Brust
und die Haare auf dem Rücken (s. Baumann). Aehnlich bei Hulsius.
Vor der Festeszeit wurden in Peru die Cazi genannten Fasten
beobachtet, und (nach Acosta) gingen dem Fest Itu tagelange Fasten
voran unter Enthaltung des Verkehrs mit den Frauen. Durch die
Itu genannten Fasten wurde der Guaca versöhnt, bemerkt Baiboa.
Während dem Salz und Knoblauch verbietendem Fasten der
Cushipatas (Priester) in Peru, hüteten sich manche selbst ihren
Körper mit der Hand zu berühren. In der Mayuchalla genannten
Cercmonie tranken die Peruaner in der Hand geschöpftes Wasser, den
Gott um sichere Passage anrufend und um Fische, worauf sie zu seiner
Begütigung Korn in den P'luss warfen. Bei dem im Monat Raime
gefeierten P'est Kapakraime wurden mit Blut geknetete Brode ge-
backen, und von den aus königlichem Stamm der Ilaqui Yupanguy
entsprossenen Priestern unter die Eidesleister vertheilt, damit, wenn
sie dem Inca Unehrerbietung bezeigten, das Brod zu ihrem Ver-
TÄNZE. 533
derben wirke (s. Dapper). Dieser Rundtrank ^) (an der Tafelrunde)
entsprach dem siamesischen Eideswasser, wogegen die Jagas von
Cassange Menschenfleisch unter ihre mystischen Mahle ^) zur sicheren
Bindung durch den Eidschwur mischten.
Beim Feste Itu wurden, unter Nachahmung der Handwerke, die
Tänze Guakones aufgeführt (in Peru). Für das Fest Intiraimi war unter
Bemalung und Plattenschmuck der Tanz Kajo bestimmt (s. Dapper).
Beim Fest Paucar-Huatay zündete der als Priester') (des Intip-
Raymi*)) fungirende Inca durch einen Metallspiegel (Inca-Virpo) mit
den Sonnenstrahlen*) das Feuer (Mosoc nina oder heiliger Funke)
an (wie es in Rom bei der Erlöschung des vestalischen Feuers am
Märzfest geschah, oder nach Prodigien u. s. w.), während es bei be-
decktem Himmel (für dieses Fest der Feuer -Erneuerung) aus Holz
gerieben wurde (als Notfeuer).
Am Raymi-Fest wurden Frauen aus allen Provinzen gesandt,
um die Speisen (Zancu) den Pilgern vorher zu bereiten, wie die
Sonnenjungfrauen dem Inca, da in den drei Festtagen kein Feuer
entzündet werden durfte. Im alten Congo blieben nach dem Tode
des Königs alle Feuer im ganzen Lande verlöscht. Am Cusqui-
Raymi-Fest wurde die Sonne um Schutz gegen Frost gebeten.
Das von Pilgern aus allen Theilen des Landes besuchte Situa-
*) Kl pleito onicnai^c de la cunfederaciun Uevaudo las mugeres un gran vaao de viiio,
vollzog sich beim Trinken zwischen Viracoclia-Inga und Caii (s. Herrera).
2) So wird von den zu den täglichen Morgenopfem der kaiserlichen Ahnen im Palast
zu Peking eingeladenen Beamten und Prinzen erwartet, dass sie tüchtig beim Essen des
gebratenen Specks zulangen, um ihre Loyalität zu beweisen.
*J Der 1 lohepriester galt (bei den Creek) als Vermittler mit dem heiligen Geist des
Feuers , ein Ausfluss des grossen Wesens in der Sonne , die durch aufgeblasene Rauch-
wolken des Calumct verehrt wurde (während in der Rotunde des Sonnentempels das
ewige Feuer unterhalten wurde). In the solemn annual feslival of the Busque, when all
the fires of the nation were estinguished, the high priest alone was commissioned to repro-
tluce the celestial spark and give new fire to the Community (Ch. C. Jones). In der
Walpurgisnacht bringt man entzündeten Schwamm als unauslöschbares Feuer in das Haus.
Das kirchliche Osterfeuer (seit dem IX. Jahrhundert) wird an der Osterkerze unter Erhitzen
gesegneter Kohle sngezündet (als ,,novus ignis de lapide excussus").
*) At the feast of Kaymi, the sacrifice usually offered was that of the llama, and the
priest, after opening the body of his victim, sought in the appearances, which it exhibited
to read the lesson of the mysterious future. If the auguries were unpropitious, a second
victim was slaughtered, in the hope of receiving sonie more comfortable assurance
(s. Prcscott).
*) In den Gräbern der Chippeway werden Brenngläser gefunden , welche sie (seit
dem europäischen Handel) zum Neu- Anzünden des crlöschten F'euers benutzten (s. Leland).
Die Römer zündeten das heilige Feuer mit dreieckigen Metallspiegeln an (nach Plutarchj,
ilic Peruaner mit runden.
584 RELIGION UNI) SITTE.
Fest zur Reinigung der Stadt von dämonischen Einflüssen, ist ebenso
in Bangkok, am Calabar und sonst in Africa, durch die polynesischen
Inseln u. s. w. bekannt. Bei den Chibchas wurde mit Suetiva der
Teufel bezeichnet.
Am Situa-Fest trat aus der Festung Sacsahuaman (wo über
Krieg, wie im Sonnentempel über Frieden berathen wurde) ein ge-
schmückter Inca hervor, und mit der geweihten Lanze in der Hand
nach dem Markte Cuzco's eilend, verkündete erden ihn dort erwartenden
Inca die Botschaft der Sonne, und berührte in ihrem Auftrage mit
der Lanze zwei Fürsten aus königlichem Blute, die dann die vier
Hauptstrassen (auf welche die Hausbewohner, das Uebel aus ihren
Kleidern abschüttelnd, heraustraten) hinabliefen, ausserhalb der Stadt
ihre Lanze an vier Andere, die als Inca figurirten,' übergebend, um
sie weiter zu tragen, bis an den Platz des Aufsteckens, als Grenzmarken,
bis wohin das Böse gebannt sein sollte, worauf in der folgenden Nacht
(um auch die nächtlichen Dämone zu vertreiben), die Strassen der
Stadt mit brennenden Fackeln (Pancuncu) durchlaufen, und diese
dann in fliessendem Wasser (zum Fortschwemmen des Uebcls) ver-
löscht wurden (s. Garcilasso).
Dieses Situa-Fest wurde im Coya-raymi gefeiert, um Krankheiten
und Uebel aus dem Land zu vertreiben^). Nachdem die Fremden,
Krüppel und sonst ungünstige Personen aus der Stadt entfernt waren,
versammelten sich die Bewohner Cuzco's bewaffnet auf dem Markt-
platz, die Geschlechter Usca Mayta Ayllu (Mayta Capac's), Yopo-
mayu Ayllu, Yahuaymin Ayllu Sutic und Marasaylla Cuynissa Ayllu
nach (südlichem) Collasuyu (östlich) gewendet, die Geschlechter
Ccapac Ayllu (Tupac Inca Yupanqui's), Hatun Ayllu, Vicaquiraa
(Ynca's Roca's), Chamin-Cuzco-Ayllu und Yaraycu Ayllu nach (nörd-
lichem) Chinchasuyu (westlich), die Geschlechter Usca panaca Ayllu,
Aucaylli Ayllu, Tarpuntay Ayllu und SaAu-Ayllu nach (östlichem)
Anti-suyu (nördlich) und die Geschlechter Yaura- panaca Ayllu,
China-panaca Ayllu, Masca-panaca Ayllu und Quesco Ayllu nach
(westlichem) Cunti - suyu (südlich). Die durch die Strassen des
Collasuyu F'orteilenden übertrugen den Schrei von Acoya-puncu
(Hurin-Cuzco's) durch die Mitimaes von Huayparya, Antahuaylla,
^) Die Hexen werden ausgeblasen (in Franken) oder sonst ausgepeitscht (s. Wuttke).
,,Die Hurscheh versammeln sich nach Sonnenuntergang auf einer Anhöhe, besonders an
Kreuzwegen, und peitschen bis Mittemacht kreuzweis im Tact, soweit das Knallen gehört
wird, sind alle Hexen machtlos" (nach dem deutschen Volksglauben). Aus Bangkok
werden die Teufel durch Kanonenschüsse verjagt (sonst durch Klopfen, wie auch in
Birma und sonst).
EXORCISMUS. 535
Huaray-pacha bis zum Fluss Quiquisana zum Fortschwemmen, die
Chinchasu} US durch Jaquijahuana und Tilca bis zum Apurimac, die
Antisuyu's durch Chita und Pisac zum Fluss von Pisac und die
Cunti-suyus durch Churicalla, Yaurisquis und Tautar zum Fluss von
Cusipampa. Dann nach Abschütteln der Kleider, und der Heiligung
der Quellen, wurde der aus grobem Maismehl gefertigte Kuchen
(Sancu oder Elba) gegessen, und alle Streitigkeiten geschlichtet, um
sich auf die ferneren Ceremonien des Festes vorzubereiten (s. Molina).
Beim Fest Aimorai im Monat Hatunuiqui wurde in das Bündel
Perua eingewickelter Mais auf den Aeckern (bei der Ernte) ver-
brannt, um den gesammelten Mais vor Verderben zu hüten. Beim
Fest Jntiraimi (im Monat Aukaikuzki) wurde vor den aus dem Holz
Quinua geschnitzten Bildern getanzt. Beim Fest Huarki (des Monats
Chahua) wurden Schafe verbrannt, damit die Jahreszeit den Feldern
günstig sei. Wie die Erde beim Säen wurde Chucuylla verehrt,
paraque no helase ny granigase."
Die Zeiten der Sonnenfeste wurden durch die Saibas genannten
Erhöhungen bestimmt (in Peru).
Beim Sonnenfest (Aucay-cuzqui Inti-raymi) wurden die Cayo ge-
nannten Tänze um Holzfiguren aufgeführt (berichtet Baiboa). Mas-
kirte Tänze haben sich bei den Tecunas erhalten (am Maraflon).
Das Ayar-Marca genannte Fest wurde für die Todten (Aya) gefeiert
(s. Velasco). Am Fest Oncoymita wurden die Oncoy (Plejaden) verehrt
(s. Villagomez). Die Mincas genannten P^este fielen mit dem Feldbau
zusammen.
Das Fest Itu wurde je nach Erforderniss gefeiert, sei es bei zu
viel oder zu wenig Regen, sei es bei Krankheiten, und nach dem
Zweck wurde dann jedesmal verschiedene Kleidung angelegt (s. Acosta).
Während der Plasten beim Fest Itu wurden die Guakones genannten
Tänze abgehalten (und Processionen in besonderer Gewändertracht).
Bei dem Fest Acatay mita im December (que empiegan a madurar
las Paltas) liefen die Männer nackt mit Frauen um die Wette nach
einem Hügel und begatteten sich mit der Ucberholten (s. Villagomez).
In Lampa wurde (nach Quifiones) ein Jahresfest gefeiert, indem Kna-
bengottheiten (von Mädchen begleitet) vor den Häuptlingen einen
Sack mit Kartoffeln niederlegten (beim Vollmond), und diese durch
die, Huaca-camoyoc genannten, Priester mit dem Blut eines geopferten
Lammes besprengt wurden. Beim Fest Camay quilla tanzten Männer
und F'rauen, den Schlangenstrick (Moro-urco*s) haltend. Am Situa-Fest
wurde der Tanz (taqui) Alanutua saqui aufgeführt und die Waschung
536 RELIGION UND SITTE.
des Idol Guanacauciquc (Huayna-Cacique) vorgenommen. Beim Fest
der Riltcrweihe wurde das Lied Huari gesungen. In Uma war
das Fest Hurachillo der Ohrdurchbohrung gewidmet.
Beim Erntefest (Atunaizqui) wurden die Aymoray genannten
Lieder gesungen (s. Baiboa). Die Chumpivilcas umtanzten beim
Erntefest die Huanta - ;;ara und Ayrihua • zara genannten Maisähren.
Nach Acosta wurden bei den Hatuncuzqui Aymoray genannten
Erntefesten (Perus) einige Maiskörner in ein Bündel gelegt und als
Pirna verehrt, wenn sich nach Befragen der Zauberer ihre Kraft als
ausreichend für das nächste Jahr ergab, während sie sonst zu er-
neuern waren.
Bei dem Opferfest für Winterregen wurde aus dem Tempelhaus
Moro-urco ein langer in verschiedenen Farben bunt gewebter Strick
von Männern und Frauen tanzend auf den Markt getragen, und dort
hingeworfen, in der Form einer aufgewundenen Schlange (in Cuzco).
Bei dem Fest in Mantucalla wurden zwei Figuren von Schafen ge-
schmückt umhergeführt, zum Andenken*) derer, die mit den Men-
schen aus dem Tambo gekommen.
Unter den peruanischen Jahresfesten schlössen sich die vier
hauptsächlichsten an die Sonne an, an die Solstitien und Equinoctien,
während die übrigen den Monaten folgten, wie bei den Mexicanern.
In der Berechnung und Regelung dieser Kalender lag die Haupt-
aufgabe der Priester, auch im Norden, und bei den Mayas wurden
am Ende jedes Jahres einer der Katun genannten Steine im Tempel
zugefügt, wie man in Rom dort einen Nagel einschlug.
') Bei den Festen wurden die alten Inca erinnert. Am Kaymi-Fest trank der Inca
aus dem Aquilla genannten Goldbecher. In Peru legen vielfach Indianer während der
Messe das Gelübde ab, das Fest des einen oder andern Heiligen ausrichten zu wollen und
haben dann besonders die Wachskerzen zu versehen. Am Frohnieich namsfest werden
in den brasiUschen Blättern Bilder des heiligen Geistes (mit oder ohne Glorie) aus-
geboten (1855). Während die Cholera in Rio -Janeiro herrschte, wurden Gebete und
fromme Sprüche dagegen angezeigt (trocase oder vendese). In den Proccssioncn
der Heiligen zu Rio begrüssen die Sclavcn die schwarzen und negerartigen
freudig als ihre Verwandten. Am Cliarfreilage läsbl sich manchmal (in Brasilien) ein
betrunkener Indianer überreden die Kreuzigung mit sich darstellen zu lassen. Judas wird
von den Negern durcli die Strassen geschleift, als Puppe. Als Engelcheu gekleidete
Kinder begleiten in brasilischen Processionen die Heiligen, als Schutzgeister. In Corongos
unter den Conchucos (mit der Hauptstadt Huari) kämpfen zwei Partheieu aus verschiedene.
Stadtvierteln am Jahresfest um den Kopf des St. Peter, welcher der in Procession herum-
getragenen Figur durch Steine abzuwerfen gesucht wird für gute Ernte (s. Stevenson).
• Im Jahre 1846 wurde die heilige Priscillina durch einen frommen Brasilianer von Rom
nach Rio Janeiro gebracht, ohne dort jedoch viele Wunder zu thun, da die Stadt dem
Schulze des heiligen Sebastian anvertraut ist. Mit grosser Festlichkeit wird die Procession
des heiligen Georg begangen.
FESTE. 537
Als Hauptfestc der (bei der Feier des Raymi auf dem Markt-
platz Cuzco's Opfer empfangenden) Sonne nennt Garcilasso die (zur
Zeit Viracocha 's) als Situa und Raymi bezeichneten, anderswo sagend,
dass zu der durch einen Steinpfeiler bestimmten Aequinoctialzeit des
September (UmuRaymi) das Fest Situa Raymi gefeiert sei, und wie
es ferner heisst, wurde das Wort Raymi, obwohl für alle vier Sonnen-
feste verwandt, doch im Speciellen für das höchste derselben im
Juni, das (neuntägige) Fest Intip-Raymi, gebraucht (also im dortigen
Winter- Solstitium). Nur an diesem Feste, und an dem Feste Situa,
hätten die sonst gedörrten oder gekochten Mais geniessenden Peruaner
Brod aus Teig gebacken und kleine Mundvoll (en bocadas) davon
genossen (während anderswo für sacramentale Ceremonien gerade
die im gewöhnlichen Tagesleben übliche Säuerung vermieden wird).
Neben dem im Tempel bereiteten Maisbrei diente das in seiner narco-
tischen Eigenschaft geheiligte Kraut der Coca bei religiösen Riten.
Der Inca als König erhielt den Titel Hacchacuyac (Wohlthäter,
der Armen) oder (nach Oviedo) Capac^) (Capac-gapa), und empfing
bei der Krönung das Szepter Tupayauri sowie als sein Panier eine
mit Federn und Goldringen geschmückte Lanze (s. Garcilasso).
Die Llautu oder Kopfbinde des regierenden Inca war vielfarbig,
die der übrigen schwarz, und ausserdem trug der Inca, als Herrscher,
ein rothes Stirnband, der Erbprinz ein gelbes, oder es war eine
rothe Quaste, die von der Binde des Inca herabhing, und aus ihren
Troddeln wurden von ihm als Zeichen seiner Botschaft den Chas-
quis (Schnellläufern) übergeben (während von dem Könige Mexico's
eine Art Siegelring für solchen Zweck benutzt wurde). Die Quaste
1) Die Könige unter den Incas (los que fueron reyes) hiessen Capayuga (Capa-Inca.
als Zapa (der Einzige). Die Incas (Peru) ,,con luas razon se podrian llamar diligentes
padres de familias u ciudadosos uiayordomob', quc no reyes, de donde naciö el renombre
Capac-Titu, con que los Indios les solian llamar, Capac lo mismo es que principe
poderoso en riquezas y grandezas , y Titu bignifica principe liberal , maganimo , medio
dios aogustu (Garcilasso dela Vega).
3) Con un hilo de esta borla (de lana colorada), cnUegando a uno de aquellos
Orejones, govcmaban (las Ingas unter Capalla Inga) la Tierra (s. Xcrcs). Der Inca wurde
mit der Mazcapaycha genannten Binde (als Königsdiadem) gekrönt (s. Oviedo), und
iliese um die Goldplatten (Tupacochor) gelegt. nt)ie Krön oder königlich Zeichen war
vomen her wie ein Miter und binden umbgeschlagen, also dass es nicht gantz rundt war,
das förderst Theil stach höcher, wie ein Spitze. Der König zu Tezcuco hatte die Praeeminenz,
dass der König von Mexico von seiner Hand musste gekrönt werden*' (s. Ilumbergcr).
Nach Brulius bestand das Diadem (auf der Stirn getragen) aus Fcdein (bei den Inca).
538 KKM(;i(>N UND SITTE.
hing bei dem herrschenden Inca über die Stirn, bei den andern auf
das rechte Ohr herab (s. Dapper).
Der Thronerbe (der Inca) trug ein Kopfband mit gelben Trod-
deln. Den rothen Quast (des Königlichen Inca) „hieng man ihm
mitten auff das Underhaupt, und dörfft niemand^) dergleichen tragen',
(auff der Seite aber beym Ohr, da dorfft man die Quast wohl tra-
gen, inmaassen ihn andere Herren zu tragen pflegten). Die blau-
schwarzen Vögel von Vilcartota wurden nur für den Gebrauch 2) des
Inca gefangen (s. Skinner) und von ihnen war die auf dem Haupt
getragene Feder entnommen. Nach Herrera mussten die zu Feder-
kleidern benutzten Vögel in Verapaz dem Könige Mexico's abge
hcfert werden (und ähnlich früher in Hawaii).
Die Inca trugen die schwarzweissen Federn der in der Gebirgs-
einsamkeit von Vilcaftota lebenden Coraquenque - VögeP) , weil sie
gleich diesen, in einem Paar zusammenlebenden, Vögeln vom Himmel
herabgekommen (bemerkt Garcilasso).
Tupa*) (das Göttliche für die Tupi) wird erklärt (bei Tschudi)
als etwas Königliches (auch das Vorzüglichste in seiner Art), und
') Este Vudio se ponia en la cavcxa unas Ilautas , que son vnas Ircii^as hechas de
Janas de colores, de grosor de medio dcdo y de anchor de ano; hecho desto vna maiicra
de Corona y no con puntas, sino redunda , de anchor de vna niano , que cncaxava en la
caveza, y cn la frente vna borla cossida en este llauto , de anchor de vna niano , pocu
mas, de lana niuy füna de grana, cortada muy ygual, metida por vnos canuiitos de uro
niuy sotilmente hasta la niitad; esta llana hera hilada, y de los caüutos abaxo destorcidai
que hera lo que caya en la frente; que los cafiutillos de oro hera quanto tomavan todu
el llauto ya dicho. Cayale esta borla hasta enciraa de las cejas, de vn dedo grosor,
que le tomava toda la frente; y todos estos sefiores andavan tresquilados y los orejones
.como a sobre peine. Vestian ropa muy delgada y muy blanda ellos y sas hemianas
que tenian por mugeres, y sus deudos, orejones principales, que se la davan los seilores,
y todos los demas vestian ropa basta. Foniase este seftur la raanta por encima de la
cave^a atabasela dcbajo de la barva , tapandose las orejas; esto traia el por tapar vna
oreja que tenia rompida, que quando le prendieron los de Guascar se la tiucbraron.
Bestiase est scÄor ropas muy dclicadas. (s. Pedro Pizarro.)
') ,,Como distintivo usan en ocasioncs de importancia Coronas de pluma" die Häupt-
linge (Hiwyri) der Huachipairis (s. Göhring). Der Tiana genannte Ruhesessel der Inca
war (nach Garcilasso) aus Gold. De Croone ende tronincklyck cieraet welck dese yngas
oni heurlieder Maiesteht ende hoocheyt te bethoonen ghebruycken, was eene quispel van
roode wolle, dyc hen qvani van het een slaep vanden hoofde tot aen dandcr, ende by
nae overdeckte hen de ooghen , ende met eenen draet daer af , dien si den voorgaende
heuren Knechten ghenaemt Kingrim gaven, regeerden het heel landt (s. Willem SUvius).
') The Chiefs (in Schottland) wcre distinguished from the rest of the clan by a feather
in their bonnets.
^) Tupa , el nombre de honor para honrarse o Ilamarse honrosamente (s. Holguin).
Tupa yauri, el cetro real era insignia real del Inca. Marcgrav giebt (räch Anchieta)
'J'upana, als Dens, und Caraibebc oder Apiabebc, als Angelus (bei den Tapuycm).
IIIMYARITEN. 539
(nach Garcilasso) bezeichnet Ccapac könighch. Toba hat im Tupi
die Bedeutung des Anthtzes, und dieses bei den Königen der Chibcha
anzubUcken, war schwerste Sünde. Der wilde BHck, den Acosta
von dem Zaque erwähnt, findet sich, als stier und starr schreckend,
bei Steinfiguren Yucatans.
Die ehrerbietige Verehrung^) des Inca war derartig, dass er
nicht angesehen werden durfte und wie bei den Negerköniglein
Africa's verbot die Etiquette, dass man direct zu ihm rede oder er
in Person antworte. So hörte Hernandez Pizarro mitgetheilt, dass die
Fürsten selbst, nicht Angesicht zu Angesicht Atahualpa sprächen*),
„sino un principal hablaba por el". In der Gegenwart des Zaque
durften seine Unterthanen nur rückwärts schreitend eintreten.
Als der General Chilicuchima vor den gefangenen Atahualpa
zugelassen wurde, warf er sich vorher eine Last^) über seine Schulter
(s. Xeres), die er von einem der dortigen Indianer übernahm, indem
es so die allgemeine Sitte, selbst von Vornehmen, erforderte. Solche
Aufnahme einer Last erwähnt auch Gomara.
Die Indianer von Perico (neben Cherinos), deren Nasenschmuck*)
') Quando en tieinpo de paz haliaa los Vngas a visitar su reyno, cueotan que ibon
|>ur cl cun gran majestad, sentados cn ricas andas armadas sobre unos palos Hsos largos,
de roanera escelente, engastadas en oro y argenteria; y de las andas salian dos arcos
akos hechos de oro, engastadob cn piedras preciosas. Caian unas manlas algo largas
por todas las audas, de tal mancra que las cubrian todas; y sino era queriendo cl que
iba dentro, no podia ser visto, ni alzaban las mantas, si no era cuando entraba y salia,
tanta era su estimacion; y para que le entrase aire, y el pudiese ver el Camino, havia
eu las mantas hechos algunos agujeros hechos por todas partes. En estas andas habia
riqueza, y en algunas estaba esculpido el sol y la luna, y en otras ^mas culebras grandes
ondadas y unos como bastones que las atravesaban. Esto trahian por encima por armas,
y estas andas las llevaban cn ombros de los sefiores, los mayores y mas principales dcl
reynu , y aquel que nias con ellas andaba , aqucl sc tenia pur mas onrado y por mas
faborecido (s. Sarmiento).
') Nullus faciem ejus iutueri, nuUus ad cum sine sarcina, licet levi, ingredi fuisset
ausus. \ulli Gemmam portare aut portari sella i>ermittebatur (nach den Bestimmungen
V'ui>auqut-Inca's). Der Inca empßug auf dem Tiaiia genannten Thronsessel. Mit Monte-
zuma redend, ,,no Ic miraban a la cara" (s. Oviedo). Bei Einsetzung des Vicekönigs in
lAnxA lässt derselbe sein dazu abgerichtetes Pferd drei Kniebeugungen machen vor 'dem
Ampuero als Abkömling der Inca (s. Baumann). Condorcanqui , der sich (1781) als
Tupac-Amaru empörte, stammte von dem 1578 enthaupteten Tupac-Amaru , einem Nach-
kommen des in die Wälder westwärts von \'illcapampa geflüchteten Sayri-Tupac.
') Die (laut redende) Mijes waren so an Lastentragen gewöhnt, dass sie, wenn in
Ernuinglung desselben, ihre Netze (Tonates) mit Steinen füllten (wie auf der Rückreise
von Tehuantepec), und ähnlich trägt man, statt der zur Stütze auf Reisen dienenden
Stäbe, Spazierstöcke als Spielerei.
*) Die Amahuacos (von Ucayali bis Madre de Dios) trugen Gold- und Silberplatten
in der Nase. In Florida ,,lip'Stones (teutetl of the Mexicans) or Bezote were worn". Für
540 RELIGION UND SITTE.
bis über den Mund fiel, begrüssten den Häuptling indem sie ihm,
nach der Anrufung, den Rücken wandten und sich von ihm anblasen
Hessen (s. Herrera). Der Häuptling oder Mocha am Flusse Chuqui-
mayo (unter den Chenchipie) wurde durch Belecken der Hand
verehrt.
Damit die Füsse des Inca nicht die Erde berührten, trug man
Sorge, dass dieselbe, sobald er seine Sänfte verliess, mit Tüchern
bedeckt wurde, wie es auch in Mexico geschah (und im indochine-
sischen Ceremoniell Analogien findet). Für die königliche Sänfte
wurden Träger aus den Rucanas requirirt, die ihres gleichmässigcn
Schrittes wegen beliebt waren. Der Weg, den der Inca zu passiren
hatte, wurde sorgfältig von allen Strohhalmen und Steinchen gerei-
nigt. Ueber dem Inca wurde der Achigua genannte' Federschinn
getragen. Die Sessel (Tiana) der Inca waren mit edlen Metallen
verziert. Ausser den Sänften dienten auch Hängematten zum Tragen.
Nach Pedro Pizarro war Atahualpa auf dem Wege nach Caxamarca
begleitet vom „SeAor de Chincha" (ebenfalls auf einer Sänfte). Der
Cazique von Coca (in Florida) wurde in einer Sänfte getragen
(s. Biedma). Ebenso bei Chibchas, Mexicanern u. s. w.
Die Gemahlin des Caziquen (von Puna) „wurde wie die Königin
der Insel geehrt, und tritt mit keinem Fuss auff die Erde, dann
man solches für ein verkleinlich und verächtlich Ding hält, .sondern
wenn sie sich ein wenig wil erlustieren und frische Lufft schöpften,
wird sie gleichsam wie in einer Sänfflen*) von vier Mann auff" den
Achseln getragen, welche ein Tuch oder Deck hat für die Sonn
und den Windt" (zu Candeish's Zeit).
Den Vorschriften eines polynesischen Tabu gemäss, konnte das
von der Hand des Inca Geheiligte^) keinem profanen Gebrauche
fernerhin dienen. Sobald Atahualpa seine Mahlzeiten beendet hatte,
den Smaragd (bemerkt Plinius) wurden die Wunden in den Ohren erdacht (bei den
Römern). Die Aricoroncs (am Madeira) färben die Haare roüi (s. Martins). Den Grund-
riss fies Tättowirens bei den Indianerinnen bilden (in Paraguay) zwei Parallel-Linien (im
Gesicht) und beim Indianer drei (eingeprickeh).
') Atahualpa (beim Einzug in Caxamaica) führte den FUrsten von Chincha mit sich,
,,in unas andas, que parescia h. los suyos cosa de mucha admiracion, por quc ningun Vndio,
por seftor principal que fuese, avia de parescer delante del sino fuesc con una carga a
cuestos y descalzo" (Pedro Pizarro).
*) Von der Beute Jericho's, die Josua mit dem (schon von Moses ausgesprochenen)
Anathema belegte, durfte nur der Cultus bereichert werden, sonst aber nichts berührt, und
Achan, Sohn des Charmis, starb, als er davon heimlich genommen. Li Polynesien verbot
das Tabu, das Eigenthum des Priesters zu berühren (sacer esto). Während der Jagdzeit
ETIQUETTE. 541
warfen die Frauen, wie die Spanier zu beobachten Gelegenheit
hatten, Alles Uebriggebliebene in Körbe, um es zu verbrennen.
Das vom Inca in Kleidung oder Speisegeräthen Berührte wurde in
Kisten innerhalb eines Tempels aufbewahrt, um einmal im Jahre
verbrannt zu werden unter Aufsicht eines besonderen Beamten, „por-
que lo que tocaron los Seflores que heran hijos del Sol, se avia de
quemar y hacer ceniza y hechallo por el ayre, que nadie avia de
tocar ä ello" (Pedro Pizarro).
Das Handtuch, mit dem sich Montezuma nach dem Essen die
Hände trocknete (con la tohalla que una vez se limpiaba), die
Kohlenbecken zum Erwärmen der Speisen, die Schüsseln und Teller
zum Auftragen derselben, wurden nie ein zweites Mal benutzt, sondern
stets erneuert (s. Oviedo). Von diesem König von Mexico wird fernerer
zählt, dass er zweimal am Tage seine Kleidung verändert und nie
dieselbe nochmals angelegt habe. „So werden auch die Schüsseln,
damit man einmahl dem Könige zur Tafel gedienet, ihm niemahls
wieder vorgesetzt" (s. Dapper).
Wie bei dem Zipa in Bogota das Ausgeräu.sperte oder der
Speichel aufgefangen^) wurde, so wird Aehnliches auch von den Inca
erzählt, und wenn Atahualpa auszuspucken hatte, sahen die Spanier
eine der Hofdamen ihre Hand dafiir hinreichen, „la mano, en que
escupiesse"^) (s. Oviedo).
(unter den Koniagen) ist der Walfischjäger (der vorher seine Waffen im Gebirge ver-
borgen hat) heilig, so dass Niemand mit ihm aus derselben Schüssel essen oder ihm nahe
kommen darf.
*) ,,Lorsqueleroi asatisfait aux necessites de la nature, ils ramassent soigneusement"
son ordure \youT le faire sicher et la mettre en poudre, erzählt Tavemier aus Butam, wie
Gerbillon vom Dalai-Lama (der solche CJeschenke dem Kaiser Chinas geschickt hätte).
Von den Heiden in Guinea berichtet Artus, ,,man finde sonst gar keine Schamhaft igkeit
an ihnen, ohne allein diese feine Weise, dass sie keine Winde (reverentes) fahren lassen
in Gegenwart anderer Leute, und sich derhalber hoch verwundem, wenn irgend ein un-
geschickter holländischer Bootsmann einen anderen weder in der See blasenden Wind (wie
sich denn dieses Völcklein gemeiniglich auf mancherlei Winde verstehet), wehen lässt, als
welches sie für eine grosse Schande und Vierachtung (massen es auch wohl an ihm selbst
eine M:hlechtc Hofzucht ist) halten, und lieber sterben, als solches Grobianus-Stücklein be-
gehen wollen" (E. Franciscns). Aus Acadien wird von den Indianern bemerkt (s. Diere-
ville): ,,Wenn ihn, mit Erlaubniss zu reden, ein Bauchwind dränget, so würde er lieber
l>crsten, ehe er solchen hören lässt" (1699). I never feit any ill, unsavory smeU in thcir
cabins, whereas, should we live in our houses, as they do, we should he poisoned with
cur nastiness, bemerkt I^wson von den Carolina-Indianern.
') Da es unglücklich sein würde , wenn der König von Congo auf die Erde spuckt,
hält ihm sein Begleiter einen Lappen vor, der nachher gekttsst und wieder in die Tasche
gesteckt wird. Der König von Encoge (Dembo Ambuilla) wirft den Speichel in dieHandeines
542 REl>lGTOX INI) SITTE.
Die Erschütterung der Luft, wenn die Peruaner den Inca bc
grüssten, Hess die Vögel herabfallen (sagt Sarmiento), wie es Plutarch
bei der Proclamation der griechischen Freiheit durch den römischen
Herold erzählt.
„Die Vögel ^) selbst halten ein mit ihrem Flug, wenn ich es
befehle", rühmte sich Atahuallpa vor den Spaniern.
Von Montezuma wird überliefert, dass, als er einen Habicht, der
ihm seines Gefieders wegen besonders gefallen, zu fangen befohlen
habe, ihm derselbe auch am Abend noch gebracht sei.
Beim Tode eines Inca wurde drei Tage gefastet und die von
ihm benutzten Paläste blieben verlassen. Der herrschende Inca licss
sein Ebenbild^) in einer F^igur verfertigen, die ihn in Abwesenheit
repräsentirte.
Unter Nusti war die Klasse der Adligen im Allgemeinen (Auqui-
cuna) begriffen, die Curaca bildeten die eingebornen Landesherrn,
die Apunchic die eingesetzten Statthalter. Neben dem höheren
Adel der Orejones oder Ringrim standen die Curaca als niederer. Die
illegitimen Prinzessinnen (als reinen Blutes ermangelnd) hiessen Nusta.
Tazqiii war (nach Garcilasso) die allgemeine Bezeichnung für
ein Mädchen, Njusta für eine adligen Geschlechts und China, wenn
dienenden Standes (als allgemeine Bezeichnung des Weiblichen, wie
Urco des Männlichen). Der Sohn hiess Churi für den Vater und
Huahua für die Mutter (in Peru).
Die Schwesterehe') der Inca wird oft als ein erst später einge-
führtes Institut dargestellt, während sie bereits in der Mythe von
Manco Capac und Mama Oella ausgedrückt scheint.
Die Söhne der Vornehmen wurden unter einem Cursus von Prü-
fungs-Ceremonien aus den Knaben in die Reihen der Männer*) (wie
Knappen zu Rittern) aufgenommen.
Begleiters, der sie auf der Stirn trocken reibt (Nfonteiro). Die Mononos (aus Kanos)
machen EinflUle in Mossamedes.
') Pues si yo lo quicro, ni las aves bolaran en mi tierra, als Worte Atahuallp.Vs
(s. Zarate).
') In Tenerif hatte jeder Stamm zwei Könige , einen lebenden und einen todten, in-
dem die Leiche des Vorgängers bis zum Tode seines Nachfolgers aufbewahrt wurde (s.
Azurara), wie ähnlich an der Loango-Küste.
•) Hatasu, Tochter des Thotmes I., war mit ihrem jungem Bruder vermählt (s. de
Roug^). In Darfur wird eine der Schwestern des Königs zu der ihm nächsten Würde
unter den Prinzessinnen erhoben. Die den Tandjur in der Beherrschung Darfur's voran-
gegangenen Darjür heissen das Volk der Pharaonen.
*) Devenir öphöbe, c'etait i>roprement devenir bommc , le*; cxprcssions $i^ rlvd^ag et
tig Tovg iqijßovg i'^^iaS^atg ont le meme sens (s. Dumont). Wie bei Bechuanen ist bei
r
RITTERSCHAFT. 543
Als Huaracu wurden die Jünglinge zu Rittern gewählt, unter
Durchbohrung der Ohren und Anlegung der Kniedeckel (Huara).
sowie Verleihung der Axt (Champi). Bei der Ohrdurchbohrung
musstc auf die heilige Axt (el hacha sagrada) ein Eid abgelegt
werden (s. Herrera). Capac Raymi-Amauta stellte die Statuten des
Ritterordens fest.
AmHuaracu-Fest wurden den einzuweihenden Jünglingen*) wollene
Sandalen gegeben, statt der aus Schilf verfertigten (Usutas), die die
Candidaten trugen. In Umgürtung mit dem Gürtel Huaracu erhiel-
ten die Jünglinge ihre Weihe.
Die bei der Ohrdurchbohrung (nach Fasten und Prüfungen) zur
Ritterweihe ^) Zugelassenen mussten im Wettlauf den Hügel Guanacari
(bei Cuzco) erklimmen und der Sieger wurde mit Ehrenzeichen
belohnt (s. Fernandez). Bei den Guana sind die in derselben Nacht
mit dem Sohne des Caziken geborenen Knaben von diesem (statt
von ihrem Vater) abhängig (s. Azara), wie früher in Birma (zur Bil-
dung einer Begleitklasse, auch bei den Kaffern). Wie in der Ephebie
macht dann der Staat seine Ansprüche geltend auf den bisher der
Familie (als Knabe) angehörigen Jüngling, der jetzt unter die Männer
eintritt. Ante hoc domus pars videntur, mox reipublicae (Tacitus)
bei Germanen.
Ehe bei dem Weihefest die glänzenden Gewänder des Inca an-
gelegt wurden, war der Candidat schwarz und unscheinbar gekleidet
(s. Herrera), wie bei den Azteken der König vor der Krönung. Die
Ohren wurden bei der Tocochiqui genannten Ceremonie durchbohrt.
Die Manco-churin-cuzco bildeten einen Ritterorden.
Bis zur Verheirathung hiessen die Prinzen Auqui und erhielten
dann den Titel Inca. Der Erbprinz hiess Yncap sapay churin. Wie
Garcilasso bemerkt, gehörten alle Inca zum Königlichen Stamm
Australiern die Mündigerklärung mit religiösen Ceremonieen verknüpft. Die unverheiratheten
Jünglinge lebten bei den Chiquitos in einer Wohnung zusammen (s. de Area), wie auf
Neu-Guinca und vielfach sonst.
*) Bei «len Indianern Virginiens (wo im Tempel oder Qnioccosan Pelzwerk geopfert
ward) wurden die Jünglinge bei der Iluskanawiment genannten Ceremonie (der Mannes-
weibe) durch den Trank Wisoccan bewusstlos gemacht.
') Die Jünglinge (in Guiana) wurden Schmerzensproben unterworfen, ehe sie die
Camiza genannte Binde tler Männer anlegen dürfen (die Frauen tragen bei Tage die Cujru
genannte Schürze). Die Abiponer ,, kerben die Haut vdI Wunden, in welche sie, gleich-
wie durch die Nasenlöcher, Lippen und Ohren, Straussenfedem stecken. Dieselben,
welche die gräulichste Peinigung mit Geduld ertragen, halten sie vor halbe Götter und
tuhn ihnen grosse Ehre an" (s. Dapper). Den Jünglingen werden die Wangen dtwch-
bohrt (bei den Tapuyem) vor der Hochzeit (s. Rah).
044 REI.TGION INI) SITTK.
(Ccapac Ayllu), indem die von verschiedenen Inca gegründeten Ge-
schlechter sich immer nur auf die Herleitung bezogen. Neben dem
Erbprinzen hiessen die übrigen Söhne (des Inca) Chima-panaca-ayllu
(s. Salcamayhua).
Cuzco, als der NabeP) der Erde, bildete das centrale Heilig-
thum^) des Landes und verlangte schon aus der Ferne ehrerbietige
Huldigung, so dass wenn zwei Reisende auf der Landstrasse einander
begegneten, der aus der Richtung der Hauptstadt Kommende den
Weg für seinen Fortgang frei erhielt. Die Strasse, in welcher der
Sonnentempel ^) lag, durfte nur barfuss betreten werden, ausser etwa
von den höchst gestellten Fürsten, aber auch diese hatten die Be-
schuhung zu entfernen, ehe sie di<i Schwelle des geweihten Bezirkes
selbst überschritten. Auch vor dem Betreten des Königlichen
Palastes waren die Schuhe abzulegen (wie in Mandalay und Bang-
kok).
Die Curacas der verschiedenen Provinzen hatten ihre Söhne als
Geissein in Cuzco weilen zu lassen, und, wenn neu unterworfen,
dort persönlich zu residiren, um den Gesetzesbrauch der neuen Herr-
schaft zu erlernen. Aehnlich verlangte der Taikun von den Daimios,
dass sie sich in Yeddo Behausungen bauten, und auch in Mexico*)
hatten die Vasallenfürsten eine Zeit des Jahres in der Hauptstadt zu
residiren.
*) Aehnlich wie Jerusalem, Mecca, Rom und sonst. The Mdewakantonwaus (of the
Dacota) think, that the mouth of the Minnesota river is presicely over the centre of the
carth, and that they occupy the gate, that opens into the westem world (Rigßs)
[Medier]. Iblis (der Teufel) thronte unter der Kuppel von Arin (Azin) am Aequator
(s. Ihn-al-Araby), als Mittelpunct der Welt (hei Alliacus) an der Sternwarte von Oujcin
oder Ozein (im gleichen Meridian mit Lanka. In China w.ird die Mitte des Reiches am
Lo-ho festgesetzt (s. von Richthofen).
') Aquella ciudad de Cuzco era casa y morada de dioscs, 6 ansi no habia en toda
ella fuente ni paso ni pared, que no dixescn que tenia misterio (s. Ondcgardo). Während
der Zeit des Raymi -Festes ».dorfft sich kein Ausländischer am Hoff zu Cusco finden lassen."
') Ningun Indio comun osaba pasar por la calle del Sol calzado, ni ninguno, aun
fuese muy grande sefior, entrava en las casas del Sol cou zapatos. Um ihre Aufrichtig-
keit zu zeigen, ziehen die Shoshones beim Friedensrauchen ihre Mocassins ab, tladurch
andeutend, dass sie bei Wortbruch beständig barfuss zu gehen haben würden (zu Lewis'
Zeit).
*) üebcr die mexicanischen Städte berichten als Augenzeugen Cortez sowohl wie
Bemal Diaz: Es giebt in dieser grossen Stadt viele sehr gute und sehr grosse Häuser;
und die Ursache, warum es so viele vornehme Häuser giebt, ist, dass alle grosse Herren
des Landes, Vasallen des besagten Muteczuma, ihre Häuser haben in besagter Stadt,
und daselbst eine gewisse Zeit dos Jahres residiren ; aber auch ausserdem giebt es in der-
selben viele reicht- Bürger, welche gleichfalls sehr schöne Häuser besitzen. Alle diese
HEERSTRASSE. 545
Auf allen Landstrassen, die dem heiligen Cuzco zuliefen, waren
in den Tambo Palläste für die Inca hergerichtet, und so in den
Hauptstädten, mit Gärten und Bädern (wie bei Caxamarca). In dem
Pumac chupan genannten Quartier Cuzco's wurden Löwen und wilde
Thiere gehalten (s. Garcilasso), wie ähnlich bei Montezuma's Hofstaat
Menagerien oder Theriotrophaea (s. Neickell) und Aviarien be-
schrieben werden, auch Piscinen für den Gebrauch der Küche.
Um die geweihte Kraft eines „Mundus patens" in Cuzco auch den
übrigen Theilen des Landes zu Gute kommen zu lassen, wurde die
Erde des Campus*) nach den Provinzen hin verfuhrt, und auch bei
haben, ausser sehr schönen und grossen Gemächern, auch sehr hübsche Blumengärten
verschiedener Art, sowol in den oberen als unteren Gemächern. Längs des einen der
in die Stadt führenden Steindämme, laufen zwei Röhren von Mörtel werk, jede etwa zwei
Schritte breit und eine Mannslänge hoch, und durch eine derselben kommt ein Spring
sehr guten süssen Wassers, so dick wie ein Mann im I^ibe, bis mitten in die Stadi, und
Alle bedienen sich desselben und trinken es. Die andere leere Röhre dient nur, wenn
die erstere gereinigt werden muss; alsdann wird, während der Reinigungszeit, in ihr das
Wasser geleitet, und weil dasselbe bei den mit Salzwasser durchflossenen Durchstichen
die Brücken zu passiren hat, wird das süsse Wasser in Kanälen von der Dicke eines
Ochsen und der jedesmaligen Länge besagter Brücken geleitet, und so bedient sish des-
selben die ganze Stadt. Man fahrt in Kähnen das Wasser zum Verkauf durch alle
Strassen ; und die Art , es aus den Röhren zu nehmen , ist diese , dass die Kähne sich
unter die Brücken begeben, wo jene Kanäle sind, uud oben stehen Leute, welche die
Kähne befestigen, und man bezahlt sie fUr ihre Arbeit. An allen Eingängen der Stadt,
und auf den Punkten, wo die Kähne ausladen, als durch welche der grössere Thetl aller
Lebensmittel zur Stadt gelangt, sind Hütten gebaut, wo sich wachthabende Personen
befinden, welche ein certuni quid erheben von allem, was eingeht. Ich weiss aber nicht,
ob diese Abgabe für den Herrn oder fiir die Stadt erhoben wird, denn ich habe es bis
jetzt nicht in Erfahrung bringen können; ich glaube aber, es geschieht für den Herrn,
weil auch auf anderen Märkten andeier Provinzen man sie fUr denselben erheben sieht.
Auf allen Märkten und öffentlichen Plätzen der besagten Stadt sind täglich viele Arbeits-
leute und Meister aller Handwerker zu finden, welche abwarten, dass sie Jemand in Tage-
lohn dinge. Das Volk dieser Stadt ist manierlicher und geschickter in Kleidung und
Dienstleistungen als das Volk der anderen Provinzen und Städte : denn weil dort der Herr
Muteczuma beständig residiilc, und alle grosse Herren, seine Vasallen, beständig sich da-
selbst einfanden , so war da auch m^r Gesittung und Polizei in allen Dingen. Und um
nicht zu weitläufig zu werden in Beschreibung der Angelegenheiten dieser grossen Stadt,
(denn ich würde sobald noch nicht damit fertig werden) , will ich nur noch sagen , dass
in Ditn^t barkeit und Verkehr des Volkes daselbst etwa dieselbe Lebensart statt fin<let,
uie in Spanien, und mit gleicher Zweckmässigkeit und Ordnung. Und wenn man erwägt,
dass diese l^ute Barbaren sind, und so entfernt von der Erkenntniss Gottes und von
dem Verkehr mit anderen civilisirten Nationen, ist es ein bewundemswerthes Ding, die-
jenige zu sehen, welche sie in allen Dingen halten (s. Koppe).
*) Aürmavan que toda aquella plaga del Cuzco le sacaron la tierra propia y se llevaba
a otras partes por cosa de gran estima, e la yncheron de arena de la costa de la nuir
como hasta dos palmos y medio, en algunas partes mas, sembraron por toda ella muchos
vasos de oro e plata, ovcjuelas y ombregillos pequefios de lo mysmo, lo quäl se ha
sacado mucha cantidad, que todo lo hemos visto (1571).
Bastian : America. 1. *^
546 RELIGION UND SITTE.
Gebäuden, die in der Ferne errichtet wurden, heisst es, dass die
Steine von Cuzco gebracht seien.
Die Peruaner wurden Incap - Runam (Leute des Inca) genannt
(nach Blas Valera). In jeder unterworfenen Provinz war ein Inca
eingesetzt, als Priester im Frieden und Heerführer im Kriege. Im
Gegensatz zu den Inca („ein Jeder" im Quichua) hiess der Regierende
Zapa oder Zapalla, der „Einzige" (uno solo). Die Erbprinzen der ein-
heimischen Fürsten hatten als Mitimaes in Cuzco zu wohnen (s. Gar-
cilasso) und zeitweis die Fürsten selbst, wie die Daimio zur Saison in
der Hauptstadt Japan's. Guaynacava brachte Kolonisten aus Callao
und Condesuyo nach Cuenca und Quito „y la gente de alli natural
Uevola adonde saco essotra" (s. Oviedo), bei welchem durchgängig
beobachteten System der Kolonisten - Versetzung die Gleichartigkeit
des Klimas in Rücksicht gezogen wurde. Verbrecher (wie bei un-
freiwilligem Todtschlag) wurden nach den Andes verbannt.
Die als Kolonisten eingeführten Mitimaes wurden von den Ein-
geborenen Llaztaruna (ombre de nuestra tierra) genannt. Neben den
Nytimaes (Mitimaes) fanden sich in den verschiedenen Provinzen noch
andere Fremde, die zum Bebauen der Ländereien des Inca für längere
oder kürzere Dauer berufen waren, und dann zugleich Ländereien als
Eigenthum empfingen, obwohl sie ihren einheimischen Caziquen unter-
worfen blieben und nicht dem Landesherrn (aunque estaba en tierra
agena eran subjetos a sus caciques e no a los seftores de la tierra
donde residian).
Die Fürsten von Guamachuca, die freiwillig ihre Unterwerfung
angeboten hatten, um durch die höhere Bildung der Fremden die
wilden Sitten ihrer Unterthanen zu mildern, wurden von den Inca
in hohen Ehren gehalten (s. Herrera). Topa Ynga Yupanqui gestand
Chalco Mayta, dem Statthalter von Quito, das königliche Recht zu,
auf einer Sänfte getragen zu werden.
Fünf Stände (Arbeiter, Künstler, Beamte, Fürsten und das könig-
liche Geschlecht) unterscheidend, protestirt Velasco gegen Robert-
sons Annahme einer Sklavenklasse, da diese in Peru unbekannt
gewesen, und Yanaconas überhaupt nur die für Dienstpflichtigkeit einer
oder der Art Herbeigezogenen bezeichnet habe (Yana oder Diener und
China oder Dienerin). Gildenartige ^) Abscheidung fand sich nur
für Kunstgewerke, während in den Arbeiten des gewöhnlichen Lebens
') Die Consuetiido (avytj&t^a) ward vom Inhaber einer Tfj^n; oder ars (u^at oder
artcs) verachtet.
ZEUGE. 54T
Jeder gleichmässig unterrichtet war. Die Bürger Cuzco's nannten
sich Intipchurin, als Söhne der Sonne (sagt Carli).
Der in einem Jahr von dem Inca einer Provinz zugetheilte Tribut
wurde im nächsten einer andern auferlegt, nach der Controlle durch
die Schnüre, „que si una parcialidad le cavia este aflo diez yndios
para teger rroppa, que otro afto cavia a otros e aquellos no tornaban
a trauajad en aquel genero de negogio, hasta que pasaua por todos,
en lo cual tenya tanta quenta, que despues de vista y entendida por
sus nudos, nynguno dudara, sino que la destribugion hera ygual e
que ninguno era agraviado."
Die Lucanas (wegen ihres gleichmässigen Ganges) lieferten die
Sänftenträger des Inca, die Chunvivilcas die Tänzer, die Chichas das
rothe Holz, das in Figuren ausgearbeitet, beim Opfern in Cuzco ver-
brannt wurde.
„Die Frauen (in Peru) spannen überall, wo sie hingingen, und
selbst Frauenzimmer aus königlichem Geblüt Hessen sich die Spindel
nachtragen, wenn sie Besuche gaben" (s. Baumann).
Die in verschiedenen Provinzen^) gearbeitete „Ropa era de
muchas maneras, conforme a la traga que se daba en cada un aflo",
verschieden für den Inca oder für die Festkleider der am Sonnen-
tempel oder den übrigen Guaca fungirenden Priester, oder auch zum
Verbrennen bei den Opfern. Die vornehmsten Weber wohnten ehe-
mals zu Kapachika bei dem grossen Landmeer Titicaca. Diese
färben ihre Wolle mit gekochten Kräutern oder mit Saft aus den-
selben" (s. Dapper).
In Tumbez und Puerto Viejo wurden Kleider aus Fledermaus-
fellen für den Inca verfertigt (s. Pedro Pizarro). Bei Saguanchas (in
Jaen) fand Correal die Verfertigung von Stickereien (aus der Inca-
Zeit) erhalten. Die Kleidung des Inca war schwarz, und bei Trauer
grau, als Uncu (Jacke), Yacolla (Rock) und Chuspa (viereckige
Tasche für Cuca). Neben den gewöhnlichen Wollkleidern (Cacupi)
fand sich die feinere Art Avasca (in Peru). Die Paycha genannten
Verbrämungen wurden von den Sonnenjungfrauen in einer Schnur
für die Prinzen verfertigt.
Wenn Werke auszuführen waren. Bauten, Minenarbeiten u. s. w.,
so vertheilten die Indianer unter sich die von dem Inca bestimmte
1) En cada pueblo tenyan obradores que llamavan Ambiscas para traer esta ropa rica,
que hacian a dos hacer aunque mas hacian de la Abascaquera gran genero de tributo
(in Peru).
3ö'
548 RELIGION UND SITTE.
Zahl der Arbeiter, die dann vom Lande des Inca unterhalten wurden,
ebenso wie die vom Inca jährlich mit der Zeugverfertigung Beauftragte.
Da jeder Inca seine Schätze mit sich begraben Hess, so wurde bei
neuer Thronbesteigung dem Lande eine zeitdauernde Minenbearbei-
tung auferlegt, bis wieder das für den Gebrauch benöthigte Metall
beschafft war.
„Es ist noth wendig, dass der zum Tode verdammt werde, der
Seinesgleichen den Tod gegeben hat; ich bestätige deshalb das Ge-
setz meiner Vorfahren, das die Todesstrafe über alle Mörder ver-
hängt", führt Garcilasso de la Vega unter den Denksprüchen des
Gesetzgebers Pachacutec auf.
Ausser Todesstrafen wurde auf körperliche Züchtigungen, Ver-
bannung u. s. w. erkannt. Von dem (tarpejischen) Fels Huarcuna
bei Ollantay-tambo wurden Verbrecher hinabgestürzt, und ähnliches,
oder ihre Erhängung, wird vom Cerro de los Ahorcados (bei Supe)
gesagt.
Vornehme wurden um so schwerer bestraft, je höher stehend.
Die Eltern wurden dir Vergehen ihrer Kinder verantwortlich ge-
macht, die Vorgesetzten für ihre Untergebenen. Lüge und Müssig-
gang wurde hart bestraft. Bei Zauberei ward die ganze Familie
hingerichtet.
Als eine wahrscheinlich mit Ehrerbietigkeitsverletzung in Be-
ziehung stehende Strafe wird das Ausschlagen der Augen ^) erwähnt,
und dass mitunter Frömmigkeit dahin geführt habe, sie freiwillig
au.szureissen, um jeder Störung im heiligen Dunkel des Tempels vor-
zubeugen.
Die Richter^) in Peru hatten jeden Rechtsfall binnen fiinf Tagen
zu entscheiden, und von den Untergerichten musste in jedem Monat
*) Tomau un carrizo tan luengo como palino y medio, y todo hueco, y ponenselo
al delinquente sobre el ojo, y danle con la palma tan rescio de la otra parte, que le
hngen saltar los ojos, y viene incontinente ä dar en la mano por el Camino adelante, y
assi le sacan los ojos (als Strafe) in Peru (s. Oviedo).
2) Declaran los Indios viejos, Naturales de la Ciudad de Ciirco, Personas principales,
lo siguiente; demas de que en Plcitos, que ellos han tenido ante la Justicia Real, se les
ha preguntado como eran juzgados en tiempo de su Gentilidad; i lo que se halla es,
que quando alguno delinquente era puesto en la Carcel, y para averiguar la culpa, era
Uevado delante del Inga, i alli se ponian los Testigos en presencia del deliquente, i le
dccia cado uno, como se lo havia visto hacer, i asi quedaba convencido, i el Inga le
roandaba castigar, conforme al delito , porque adonde el residia, solo ^1 era Juez, i ante
^l se pedian todos los agravios. El que mataba a otro, por robarle, tenia pena de
muerte, demäs de que Ic alormentaban en la Carcel, para maior pena, i dcspues de
alonuentado . le mataban. E\ que robaba por vicin, tenia por pena dcsterrado de su
RICHTER. 549
ein Bericht über die zur Verhandlung gekommenen Fälle eingereicht
werden. Zu den Aemtern der Decuriones gehörte es: „ser fiscal
accusador de qualquiera delito" (s. Garcilasso).
In jedem Dorfe fand sich ein Richter, um die Streitigkeiten
unter den BewoTinem zu entscheiden, handelte es sich aber um eine
Rechtsfrage zwischen zwei verschiedenen Bezirken, so schickte der
Inca einen Bevollmächtigten.
Die Vergehen von Kindern wurden nicht nur an diesen, sondern
Natural a los Andes, por ser Tierra enferma, i diferente temple, quc la suia, sin que osase
salir de alli, sin mandado del Inga, demä.s de que pagaba, si tenia de qu^, el hurto que
havia hecho. El que hurtaba con necesidad algunas cosas de comer, era solamente repre-
hendido, sin que le diesen otra pena, mas que apercibirle, que trabajase ; i si otra vez lo
hiciese, que seria castigado con Piedra en las espaldas, publicamente, que era castigo afrcn-
toso. £1 que mataba h otro en pendencia, se averiguaba, ante todas cosas, quien havia
sido el que diö la causa a ella, i si la diö el muerto, era livianamente castigado el que le
matö, ä la voluntad del Inga; i si el que diö la causa k la pendencia, Tue cl matador, tenia
pena de muertc, i por lo menos de desterraban ä los Andes, Tierra (como se dixo) en-
ferma, i mal Sana para que sirviese alli perpetuaraente, como en Galeras en las Chaca-
ras, ö Ileredades de Coca del ^ga. El que mataba a traicion, luego incontinente , le
mataban publicamente, aimquc fuesc Persona de calidad. El quc mataba con Ilechigos
tenia pena de muerte, i haciase este castigo publicamente, haciendo llamamiento de Gente
para que lo viesen, i asimismo mandaba el Inga matar toda la Gente de la Casa, i
Familia del tal Hechicero, 6 Hechicera, porque sabia, que todos los de la Casa, llijos,
i Criados del tal Hechicero, o Hechicera, sabian aquel ofido. El Cacique, que mataba
algun Indio su sujeto, sin licencia del Inga, le castigaba publicamente con Piedra en las
espaldas, que era (como se dixo) castigo afrentoso, aunque el Indio huviese tenido mucha
culpa en alguna cosa, que el Cacique le huviese mandado; i si el tal Cacique lo huviese
hecho otras veces, despues de haver sido castigado, i reprehendido por ello, le mataban;
i si por ruegos de otros era perdonado, le desposeia del Sefiorio del tal Pueblo, i le daba
a otro. El que mataba a su Muger por Adulterio, era libre, i sin pena; i si la mataba
por otros algun enojo, o pasion, tenia pena de muerte, si era Indio particular; i si era
Indio principal, de quien se hacia caso, se le daba otra pena, i no de muerte. La Muger
que mataba h su Marido , era colgada de los pies en parte publica , i alli estaba hasta,
que moria, sin que minguna Persona la osase quitar. La Muger preftada, que tomaba
alguna cosa pzxsL mover, tenia pena de muerte; i la Persona quc le dio algun CebediQo
6 remedio para que moviese, ö la hiciese mover de malida, dandole golpes, tenia la
misma pena. El que forgaba alguna Muger soltera, le daban por castigo con Piedra en
las espaldas, que era (como se dixo) castigo afrentoso; i si lo havia hecho otras veces,
tenia pena de muerte. El que por fuerga corrompia alguna Muger Virgen, si era la tal
fuerga hecha k Muger principal, luego le mataban, i si era hecha h. Persona particular,
i cl que lo havia hecho, no havia otras veces cometido semejante delito, le daban por
pena una manera de tormento, que ellos usaban; pero si lo havia hecho otras veces, le
daban pena de muerte. El que adulteraba con Muger agena, le daban por pena, quc
fuese atormentado; i si la Muger era de Persona principal, le mataban, i asimismo a la
Muger Adultera, aunque fuese principal; porque decian, que si la Muger no quisiera, no
huviera el tal adulterio. El que hurtaba alguna cosa de comer iendo Camino, como
Choclos, que son Espigas de Maiz, con necesidad, era perdonado ; i si el hurto era hecho
en cosa del Inga, tenia pena de muertc. El Indio que llcvaba alguna carga, i no la
550 RELIGION UND SITTE.
auch an den Eltern bestraft, indem neben dem Kinde der Vater
zur Anklage gebracht wurde, um sich für seine schlechte Erziehung
zu verantworten.
Conforme ä la gravedad del pecado, asi eran los jueces unos
superiores ä otros, y otros ä otros, porque no faltase quien lo castigase
con brevedad, y no fuese menester ir con cada delito a los jueces
superiores con apelaciones una y mas veces, y de ellos ä los jueces
supremos de la corte.
daba a sü dueflo , la havia de pagar el Pueblu donde el tal Indio era , porque estaba a
SU cargo el servicio del Tambo, donde se llevaba la dicha carga, i el Indio era castigado.
El que hurtaba el agua con que regaban las Chacaras, ö Heredades, i Sementeras, i la
llevaba ä las fuias, antes que le perteneciese , era la pena arbitraria. El que afrentaba
h otro de palabra, era la pena arbitraria, aunque al que havia dado ocasion de las
palabras le acrecentaban la pena. El que descalabra k otro, ö hacia otro daiio semejante,
era la pena arbitraria; i si era hecho a traician, tenia pena de tormentos. El que per
SU causa se quemaba alguna Casa, tenia pena de restituir el dailo con sus bienes. El
que quemaba alguna Puente de malicia, tenia pena de muertc, i se executaba con todo
rigor. El Indio, que era inobediente k su Cacique, por la primera vez le daban el
castigo, que el Inga queria; i por la segunda le daban castigo de Piedra, que era afren-
toso; i por la tercera tenia pena de muerte. Los Hijös, que eran inobedientes a sus
Padres, los castigaban publicamente los mismos Padres. El Indio Mitimac, que se iba
de donde le havian mandado estär, por la primera vez le atormentaban por pena; i por
la segunda tenia pena de muerte. AI Alcahuete le daban tormentos publicamente,
haviendo Junta de Gente; i si perseveraba en malicio, lo mataban. El que quitaba mojones,
o se entraba en Tierra agena, le daban, por la primera vez, castigo de Piedra, que era
afrentoso; i por la segunda tenia pena de muerte. El que hurtaba Madera de Monte
ageno, la pena era arbitraria, restituiendo, ante todas cosas, la Madera que havia hurtado.
El que cagaba sin licencia en algun Coto, le daban por pena Piedra en las espaldas,
que era castigo afrentoso, i tormentos. Si algun Ganado hacia daüo en algunas Semen-
teras , el dueilo de ellas podia tomar de dicbo Ganado , hasta en tanta cantidad como
havia hecho de dafio, i tenian tasado, i limitado quantos pies de Maiz que se comiesen,
e hiciesen de daflo, era una medida, que ellos Uaman Topo, i tan al justo, que no
faltaba, ni sobraba, i conforme k esto se pagaba. El que era obligado al ser\'icio del
Tambo, que es como Venta, que estä en los Caminos, i acaso se hurtaba algo en el
dicho Tambo, a los que pasaban, castigaban, ante todas cosas, al Cacique principal, por
el descuido, que sus Indios havian tenido, i el Cacique castigaba k los demds, sus sujelos,
por el tal descuido, i poca guarda en el dicho Tambo. No tenia esta Gente deuda nin-
guna, porque como no usaban dineros, todas sus contrataciones eran trocando una cosa
por otra, i asi estaba presente lo que se contrataba, sin que huviese cosa prestada, fino a
daca, i toma. El Cadque, que no salia k comer a la Pla^a publicamente con los Indios
de SU Pueblo, le castigaba el Inga; i si perservaba k no salir, ö lo tenia de costumbre,
le quitaba el Cacicazgo. El Indio, que era pere^so, ö que dormia entre dia, le casti-
gaban con agotes, i con piedra en las espaldas, i se tenia gran cuenta en hacer este
castigo. El Indio, que no tenia gran respeto a los Ingas, i Sefiores le metian en la
Carcel, donde estaba mucho tiempo ; i si junto con esto le hallaban otro culpa, le mataban.
AI que juraba falso, ö era mentiroso, le daban por pena tormentos; i si era vicioso en
ello, ö lo havia hecho dos, 6 tres veces, le mataban publicamente. Si algun Govemador
de Inga, por coecho, ö por otra aficion, no guardaba justicia, o disimulaba algo, el mismo
GESETZE. 561
Dem Richter war nicht gestattet, die Strafe zu mildern, sondern
er musste genau nach dem königlichen Gesetze entscheiden, und
machte sich durch jede Modification derselben in seinem Ausspruch
eines todeswürdigen Verbrechens schuldig (so pena de la muerte
por quebrantador del mandamiento real).
Da die Peruaner den Inca als Sohn der Sonne und seine Gesetze
als von dieser verkündet hielten, (lihlte sich (wie Garcilasso de la
Vega bemerkt) „por sacrilego y anatema el quebrantador de la ley.
Inga le castigaba, i era privado del CargOi i de nunca mas ser Governador ni Juez; i si
era en cosa grave, le mandaba niatar. Quando algun Cacique moria, si el Hijo malor
era capaz para el Sefiorio, le nombraba para ello» i le daba el Duho que es una Silleta
pequeAa , en que los Caciques se sientan ; i si no tenia habilidad , le daba al segundo ;
i si no tenia edad, ponia un Goveroador, como Tutor, que le taviese a su cargo, i
mandase el Cacigazgo, hasta que el tal M090 fuese de edad, i si en todos los Hijos
del tal Cadque muerto no havia ninguno bastante para ello, nombraba la segunda
Persona del Pueblo por Cacique, teniendo habilidad bastante para ello. Quando
algunos Menore» quedaban sin Padre, i con hacienda, tomabalos k cargo el Her-
mano maior de ellos; i si no era bastante, el Pariente mas cercano, hasta que fuesen de
edad ; i aunque el Padre poseiese muchas Tierras en el Pueblo donde vivian, no les dexaban,
mas de les que havian menester para sustentarse, porque todas las Tierras eran de los Pue-
blos, sin que ningun Vecino las pudiese enagenar; i ensiendode edad los tales Menores, 6
alguno de ellos, les daban la hacienda, que les cabia de la herenda de su Padre, i
les repartia el Curaca Tierras, como k los dömas Indios Tributarios. EI que to-
maba la Hija a su Padre, contra su voluntad de ^l, si la Hija consentia en ello,
i no fue forgada, no tenia pena ninguna, siendo entrambos de un Pueblo, pero
podiala el Padre castigar, si quisiese, por haver tomado Marido sin su licencia, y los
mandaba prender el Inga, i los castigaban con Piedra en las espaldas, i los apartaban,
porque no se permitia, que sin licencia del Inga, ninguno tomase Muger, porque todas los
Mugeres, que no tenian Marido, estaban como en deposito, para que el Inga las diese
k quien el quisiese por Mugeres, porque acostumbraban tener muchas, especialmente los
Prindpales, i la primera que el Inga les daba, esa tenian por su Muger principal. £1
que era deshonesto con Mugeres solteras, i vicioso en ello, tenia pena de muerte; porque
(como dicho estä) todas las Mugeres, que no tenian Marido, estaban debaxo de la guarda
del Inga, para darselas; i la misma pena tenian las Mugeres, que eran publicas, i des-
honestas. El Curaca, que no tenia cuidado de corregir los Indios de sus Pueblos, i les
consentia hacer hurtos, i deshonestidades , era privado del Cargo, i Sefiorio, si havia
sido otra vez avisado del Inga de la remision que tenia, i quedaba hecho Indio parti-
cular tributario. Cada un Afio embiaba el Inga Govemadores ä visitar las Provincias, i
Dominios, i castigaban las Mugeres solteras, que hallaban ser deshonestas, i los demas
vidos, que hallaban en el Pueblo, i aperdbian al Caaque, que si en otra Visita no
hallasen enmienda, que le quitarian el S^Aorio. Si era tomado alguno en Casa agena
con su Hija, si se quexaba el tal Padre, era castigado d que se hallö con la Hija, a la
voluntad del Inga, 6 de su Governador, 6 del Cadque del Pueblo, sino havia otro
Superior. La orden que tenian en adere^ar los Caminos, i hacer las Puentes de los Rios, si
eran Caminos Reales, asi como el de Chinchasuyo, i Condesuyo, i Andesuyo, i Urosuyo, que
eran quatro Provincias ; hacianle todos los de cada Provinda el suio, conforme ä los Indios,
que tenian Tierras en la dicha Provinda : i si eran Caminos, o Puentes particulares, fuera
de los dichos quatro Caminos Reales, hacianlos los Pueblos, que se yervian de los Ca«
552 RELIGION UND SITTE.
aunque no se supiese su delito, y acaecio muchas veces quc los
tales delinquentes, acusados de su propia conciencia, venian ä pub-
licar ante la justicia sus ocultos pecados, porque demas de creer que
SU ahima se condenaba, creian por muy averiguado que por su causa
y por SU pecado venian los males a la republica, como enferniedades,
muertes, malos aftos y otra qualquera desgracia comun 6 particular,
y decian que querian aplacar ä su dios con su muerte, para quc por
SU pecado no enviase mas malos al mundo."
minus, i Puentes, que havian menester, aunqae generahnente pasaban por alli loscpie iban de
Ullas partes h otras por los dichos Caminos. En los Tenninos de sus Pueblos, cjue tenian sus
Mojones puestos entre los Caminos, asi cn la Ticrra de labor, como tn las Dchesas, i Pastos,
i Despoblados para Paja, i Leda, no podia ninguno pastdr fuera de sus Tenninos, que tenia
por pena matar el Ganado, si se metiö a pastär con malicia, i castigar cl Pastor. La orden que
tenian en la guarda de las Dehesas de Ganados, que llaman Moias, es la arriba dicha. AI que
por descuido se le quemaba su Casa, i de ella se encendia fuegu, que quemaba otras,
era obligado k satisfacer todo el dafio. El que , en pendencia mancaba h otro, de manera,
que no podia trabajar en las cosas ordinarias, era ül)ligado a sustentarle de su hacienda,
demäs del castigo que le daban por el delito, i si no tenia hacienda, la alimentaba el Inga de la
suia, i dabasele maior castigo al tal Deliquente, aunque siempre se tenia ntencion al que diu
ocasion para la pendencia , i se daba el castigo mas moderado al que no Tue causa de
ella. El que mudaba el trage de la Provincia de adonde era (porque en cada una lo
traen diferente) cometia delito contra el Inga, que era mui gravc encontra su natural, i
contra la Provincia, de que tomaba nuevo trage, i asi era acusado de todos, i como delito
contra el Inga, i Provincias, i su Natural le mandaba castigar, El que quebrantaba la
Casa donde estaban las Mamacomas del Sol, Monjas encerradas, le mataban, colgandole
de los pies, i dexandole estdr asi, hasta que muriese dentro en la misma Casa donde
higo el delito, i si alguna de las Mamaconas le metiö, o adulterö con el, sc le daba la
misma pena, sin que fuesen perdonados. Tenian las Mugeres Solteras de esta Tierra por
cosa mui vergongosa, i deshonesta, parir, o tener preftado, antes de ser casadas, i si
acaecia alguna flaquega de estas en alguna, procuraba matar el tal prefiado en el vientre,
i quando esto no podia hacer, lo paria en gran secreto, i cmbuelto en sus Pafios, hacia
cchar remedio de alguna Calle, donde acaecia muchas veces pisarlo el Ganado, i matarlo,
i otras despedagarlo Perras; i para remedio de esto, higo el Inga hacer una conavridad
cn una Pared tan alta, que Perros no pudiesen alcangar k ella, mando pregonar,
con gran diligencia , que quando lo tal acaeciese la Criatura cn aqucl lugar;
con apercibimiento que si alguna hiciese lo contrario, que moriria por ello, i>or-
i\\ic cl haria criar aquellas Criaturas, sin procurar, ni querer saber cuios Hijos
fuesen, i seüalo Personas, que todas las Mafianas fuesen k visitar aquel lugar, i si
hallasen alguna Criatura, la llevasen ä una Casa, que ^1 mandö hacer, donde sc criasen
a SU Costa, i asi sc remediaron estos dafios, i despues de criados, por scrvirle asi en su
Casa, i Labrangas como en la Gucrra, segun la habilidad de cada uno. Otra ceremonia
(demäs de la que atras se ha dicho) usaban en sus casamicntos despues de concertados,
que era el principal concierto, quc el Inga lo quisiese, seftalando Muger para el Varon,
porque las Mugeres eran mas rogadas, que los Hombres, a causa que los Principales
Seiiores tenian muchas por su servicio, demäs de la principal i por esto ajunaban los dos
Desposados dos dias, sin comer Sal, ni Carne, ni Axi que es su Especia ni beber el
Brev.ige, que ellos tiencn por su Vino, i pasados los dos dias del aiuno, se juntaban en
EID. 553
Der Hatun-nan-camayoc wacht über die Wege, der Uyhua-
camayoc über die heiligen Heerden, der Tucuyuh über die Sitten,
der Guaranga- camayoc befehligte das Heer und unter ihm standen
als Officiere die Apusqui- Randin, Hatun-Apu, Apu- Randun u. s. w.
(befehligt vom Inca-Apu).
Die meisten Aemter waren erblich, besonders die höheren und
ebenso die Kunstgewerbe (von Vater auf Sohn). Die Yanaconas
(Helfer) waren zu Frohndiensten verpflichtet, aber mit der Freiheit,
ihre Herren zu wählen. Der Hucmos oder Tocricoc (Statthalter)
musste über 50 Jahre sein, die übrigen Beamten über 26 Jahre, ehe
sie eine Stellung bekleiden konnten (s. Montesinos). Die Camayus
genannten Beamten beaufsichtigten die Ländereien.
Die von dem Inca eingesetzten Beamten aus der Verwandtschaft
mit dem herrschenden Stamm übten ihre Functionen neben den
einheimischen Häuptlingen der Curacas, die nach Annectirung des
Landes in ihren Sitzen belassen wurden, und alle hatten alljährlich
ihre Treue gegen den Oberherrschcr durch feierliche Eidesleistung
neu zu bekräftigen.
Die beim Fest Kapakraime (Capac-Raymi) zur Eidesleistung (in
Cuzco) gegessenen Kuchen wurden zugleich durch Chasqui oder
Botenläufer durch das Land getragen, um in allen Tempeln vertheilt
zu werden, damit sie die dortigen Beamten, nach abgelegter Beichte,
verzehrten (wie in Siam für solchen Zweck das Eideswasser ge-
trunken wird).
In jeder Provinz fanden sich Quipucamayus^) oder der Knoten-
schrift Kundige als Rechnungsbeamte der Central-Regierung, um die
en uno, i otro dia iba la Desposada cun la Madrina, i otras Müderes k una F'uente, quu
csta fuera de la Ciudad, dedicada para csta ccrimonia, i traia de cUa, encima de sus
cspaldas, un Cantarillo de Agua, de ipic hacia cl Vino, quo cllos usaban, que es casi
como Cerve^, hecho de un grano, que esta Gente cumc, como nosotros el Trigo; i
hecho el tal Vino, se ponia detras del Desposado, a sus espaldas, estando el sentado, i
sc lo daba a beber, bebiendo ella su parte, i haciendole salva en todos los Vasos, que
de ello le daba , i cun eslo quedaba Brme el casamiento , i luego lus Padres de ella
venian a traerle el axuar, que es de poco precio, como son Cantaros, Ollas, Plalos, i
otras cosillas de Casa i (juedaba el reden casado tan obligado h los Suegros, por havcrle
dadu la Ilija por Muger, que los servia como Hijo propio, i aun algo mas (s. Ilerrera).
') Cada provincia en fui del aflo, mandava ascntar tn los Quipos por Li cucnta de
sus nudos, todos los honibres que habian mutrto ti! ella en aquel afto, y por consiguienle
los que Kabian nacido, y por principio del aflo que entraba, venian con los quipos al
(^uzco (berichtet Pedro Pizarro) zur Statistik (s. Prescott). Im Buche Tchou-li (derTschou-
Dynastie) sind die Tshi-fang-shi genannten Beamten mit Ausfertigung der Karten beauf-
tragt (m China) zu statistischen Uebersichten.
554 RELIGION UND SITTE.
Uebersicht einzuschicken über die Einkünfte, die Vorräthe, die
Arbeiter- Vertheilung, die Production u. s. w., sowie über Geburten,
Todesfalle und Ehen.
Velasco giebt folgende Titel-Erklärungen: Unter den Inca (aus
dem Sonnengeschlecht) wurde der Herrschende Inca-Capac genannt,
dann Auqui, der Erbprinz; Mama-Oelo, die königliche Gemahlin;
Coya, die Nebenfrauen und ShipaCoya, die Beischläferinnen; Palla,
Prinzessin; Curaca, Grundbesitzer; Nusti, Adliger; Nusta, Edelfrau;
Apusqui-Camachic, Minister; Apusqui-Camac, Rathsherr; Apunchic,
Gouverneur; Llacta-Camayuc, Dorfschulz; Taripa-Camayuc, Richter;
Rimapanayuc, Sachwalter; Huasi-Camayuc, Schlossvogt; Yacu- Ca-
may uc, Inspector der Canäle; Hatunnan-Camayuc, Inspector der
Strassen; Caca-Camayuc, Inspector der Brücken; Tambu-Camayuc,
Inspector der Stationshäuser; Coptra- Camay uc, Inspector der Maga-
zine; Chagra-Camayuc, Inspector der Felder; Uyhua- Camay uc, Auf-
seher der Sonnenheerden; Quipo-Camayuc, Aufseher der Archive;
Huacha-Camayuc, Aufseher der Waisen- und Wittwenhäuser ; Unguc-
Camayuc, Aufseher der Krankenhäuser; Huampu - Camayuc, Auf-
seher des F^ischfanges; Chunga-Camayuc, Aufseher über lo Familien;
Pischea Chunga-Camayuc, Aufseher über 50 Familien; Quaranga-
Camayuc, Aufseher über 1000 Familien; Tucuyuc, Censor; Villac-Uma,
Hoherpriestcr; Cushipata, Priester; Umuc, Magier; Amauta, Gelehrter;
Amunta, Astrolog; Villca-Cama, Arzt; Yachachic-Runa, Techniker
oder Künstler; Yachacuc-Runa, Student oder Lehrling; Chasqui, Post-
bote; Yanga-Runa, Bürger; Yana, Bedienter; Ynti-Pasfla, Sonnenjung-
frau; Mama-Cuna, Aebtissin; Pambay-Runa, Prostituirte.
Die Llacta-camayu (Llacta-camayoc) genannten Beamten beauf-
sichtigten die Ordnung^) des Familienlebens (s. Blas Valera) und
besuchten die Häuser, um die Sitten und die Arbeit zu überwachen,
in jedem Dorfe (Llacta) über die Reinlichkeit der Wohnungen wachend,
und mit besonderer Hut der für den Unterhalt der Armen bestimm-
ten Ländereien beauftragt.
Die Parianas genannten Beamten, zum Ucbcrwachen der An-
pflanzungen, hatten (in F*uchsfellc gekleidet) zu fasten (s. Arriaga)
in Peru.
Die Tucuy-ricoc (quasi dicas omnia pervidentes) waren die heim-
*) ,, Morgens und Abends lässt der König öffentlich verkündigen, was den gantzcn
Tag oder auch die Nacht über vorzunehmen und zu thun sey, wohin man fortziehen, wo
man still liegen, wenn man wieder aufbrechen solle" (bei den Tapuyem).
AEMTER. 655
liehen Späher, welche (in Peru) die Aufführung der Beamten zu
beobachten hatten (wie die Regierungsspürer in Japan, als Censoren
oder spartanische Ephoren).
Nach Garcilasso de la Vega hatten die Inca die Perlfischerei
verboten, weil für das Leben ihrer Unterthanen gefährlich.
Von Chile sagt Dapper: „Die Landsbeherrschung stehet bey
den vornehmsten Edelleuten, welche sie Ulmen zu nennen pflegen,
oder aber bey den absonderlichen Herren, die den Nahmen Kuraze
fuhren. An etlichen örtem herrschet nur einer allein, welchen sie
Pulmen benahmen. Ein Ulmen oder Kuraze hat zuweilen über fünf
undzwanzig, zuweilen über fünfzig, ja wohl hundert Hausgesinde zu
gebieten. Diesen kommet zu, die Versammlungen des gantzen
Volckes zu beschreiben, und mit demselben sich über die Landes-^
Sachen zu berathschlagen : welches sie mit niemand absonderlich
thun dürfen; noch einige Schätzung fordern, es sey dan in der höch-
sten nothwendigkeit. Zudem seynd sie verpflichtet, wan man fechten
sol, die Gemeine wider den Feind selbst anzuführen. Auch stehen
sie unter dem allgemeinen Befehlshaber Apokuraze, oder aber unter
einem Nentoke. Die Würde der Pulmen oder Kurazen erben die
Kinder von den Eltern ; oder aber die Schwäger und nächsten Bluhts-
freunde, wan keine Söhne vorhanden. Zuweilen sehen die scharf-
sinnigsten und geschicktesten den andern ein Vortheil ab, und
höben oder stossen den rechtmässigen Erben aus seinem Stahte.
Die andern geringern Amtsbedienungen geben die Pulmen oder
Kurazen denen, welche sie darzu tüchtig zu sein urtheilen [Curaca in
Peru]. Aber die Wahl eines so genannten Nentoke gehet also zu: So-
bald dieses Ehrenamt offen stehet, macht derselbe, welcher darum
anzuhalten gesonnen, seine rechnung, ob er so viel Mittel besitzet,
dass er die Kurazen und Pulmen mit einer herrlichen Mahlzeit ver-
ehren könne. Wan er sich darzu vermögend genug befindet, lasset
er sie alle an einen bestimmten Ort nöthigen: dahin sie sich dan
gewafnet begeben. Mitten unter dem Fressen und Sauffen, fängt er
an eine Rede zu thun. Hierinnen erzählet er erstlich sein Edles
herkommen, seine fiirtreffliche Tahten, seinen Reichthum und seine
Freunde. Darnach ersuchet er sie, ihm zu vergönnen, dass er die
Bedienung des abgestorbenen Nentoke bekleiden möge. Hierauf
erhöbet sich ein Kuraze; dem der Ersucher eine Kette von Turkisscn
und geschliffenen weissen Schulpen um den Hals hänget. Dieser
Kuraze beweget die anderen, ohne einige vorgehende Bedingungen
zur Wahl: und der Erwählte verspricht, dass er alles, der gemei-
556 RELIGION UND SITTE.
nen Sache zum besten, sorgfältigst beherrschen wolle. Hierauf nimmt
der gemeldete Kuraze die Halskette von Türkissen, und teilet sie
unter die Vornehmsten aus. Sobald dieses geschehen, gehet die
Fresserey und Saufferey erst recht an: und hiermit, wie auch mit
vielem singen und tantzen, wird endlich der Wahltag geschlossen.
Eben auf dieselbe weise wird auch ein Apokuraze, oder das höchste
Oberhaupt, erwehlet: doch dergleichen Oberhaupt haben die Ukaer
eine lange Zeit her, damit sie in grösserer Freyheit leben möchten,
über sich keineswegs bestellen wollen" (XVII. Jahrhundert).
Für die Reisenden waren an den Strassen Perus Logierhäuser
(corpa-huasi) gebaut (wie Garcilasso beschreibt).
Pachacutec bestimmte, dass an drei der Märkte*) in jedem Monat
die Catu genannten Versammlungen abgehalten würden, damit die
Landbewohner die Gesetze vortragen hörten.
Märkte einrichtend, gewährte Topa-Inga den Kaufleuten Freiheit
des Reisens und belegte ihre Verletzung mit Strafen (s. Baiboa). Inca
Pachacutec (lihrte die monatlichen Markttage (Catu) ein, die mit
Festlichkeiten verbunden waren (bemerkt Blas Valera). Cieza de Leon
erwähnt im Caucathal des Gebrauches von Wagen*) und Oviedo
in Peru.
Von Inca-Roca wird erzählt, dass er auf seinen Feldzügen Kauf-
leute zur Erforschung des Landes aussandte (wie es in Mexico ge-
schah). Die Kaufleutc verbreiteten die Kunde von Inca-Roca's
wunderbarem Sonnenursprung durch das Land (nach Montesinos).
Los Indios de Alangar son llamados Puris (andadores) porquc siemprc
estan en viajes mercantiles con sus tejidos de algodon y bujerias que
llevan ä la Nueva Granada y Peru (Villavicencio). Aus Bolivien
ziehen die Kräuter-Quacksalber (Collahuayas) weit in Peru hinein.
Als Geld dienten in Peru (nach Acosta) die Coca-Blätter (wie in
Mexico Cacao-Bohnen). Die Peruaner nannten das Gold Thränen
der Sonne, die Mexicaner Götterdreck.
In Zeiten der Noth wurde das Volk aus den Magazinen der Inca
gespeist.
Die Seefahrten der Peruaner wurden bereits Pizarro bekannt (beson-
*) Pizarro rechnet den Marktbcsucli auf ,,ccnlo mille persona" (in Xauxa) , c verano
huomini, che havevano cura di annoverar tulle questi genti per s»aper quelli, che veuivano
a servire alla gente di guerra, altri havevano il carico di guardar a quanti nella citta antra-
vano. Chilicuchima tenea i suoi majordomi e fattori (s. Ramusio).
y) Traen toque para conosger el oro y romana para pessarlo y pessar la plata y
otros metales (in Peru), wie Oviedo von Almagro hörte (1526), in Folge des peruanischen
Handelsschiffes (von Ruyz gccapert).
REICHSPOST. 557
ders von Tumbez aus unternommen). Die Punas waren geschickte
Schiffer auf Balsas mit Rudern oder Segel (s. Zarate).
Die Changos binden für ihre Schiffe zwei cylindrische Schläuche
zusammen, (wie die Neger Quinsembo's zwei umgekehrte Böte).
Thomas Candeish (1588) fand in Maramorena (südlich von
Arecca oder Arica) Canoes „gantz künstlich gemacht von zwo
Häuten oder Fellen, als ob es Blasen waren. Und sie haben auch
zwo Blasen in dem Nachen, die sie mit einem Rörlein auffblasen
und hart zu binden, und sehnen der Wilden Thiere zu nahen, welche,
wenn sie in's Wasser kommen, dicht und hart quellen" (cf. Rein's
Abbildung bei De Bry).
Der Fischfang wird als mit Netzen betrieben angegeben oder durch
Pfeilschiessen nach Betäuben mit narkotischen Mitteln. An der Küste
bediente man sich der Flösse für Schiffahrt (und so auf dem Titicaca-
See), oder der Caballitos genannten Schilf bündeP) (wie noch heute).
Die Spanier beschreiben den geordneten Postdienst im Inca-
Reiche und die raschen Botengänge, wodurch Seefische vom Hafen
Quilca nach Cuzco geliefert seien.
Die Payn genannten Postboten*) (in Mexico) wechselten in den
Techialoyan genannten Thürmchen (s. Torquemada).
„Oft bedienten sich die Mexicaner der Couriers, Geschäfte aus-
zurichten, und diese hatten alsdann, nach der Beschaffenheit der-
selben, auch ihre besonderen Kennzeichen. Brachten sie die Nach-
richt, dass die Mexicaner eine Schlacht verloren, so gingen sie mit
losen verwirrten Haaren, und begaben sich, ohne ein Wort mit
jemand zu reden, gerade nach dem königlichen Palast, knieten vor
dem König nieder und erzählten den Zufall. War aber ein Sieg
erfochten, so sähe man sie das Haar mit einer bunten Schnur zu-
sammengebunden, und den Leib mit einem weissen baumwollenen
Tuch umgürtet. In der Linken trug der Bote das Schild und mit
der Rechten schwung er das Schwerd, als in der Schlacht, um da-
durch seine gute Botschaft anzudeuten, und sang zugleich von den
grossen Thaten der alten Mexicaner, indess das freudige Volk ihn
*) Die Indianer der Bay von San Francisco hatten keine Boote, ,,their only means of
navigation vere bundles of tule-rushes (lashed) firroly together in rolls and pointed at
both ends."
•) The Institution of the Peruvian posts seenis to have made a great impression on
the minds of the Spaniards, who first visited the country, bemerkt Prescott und macht
darauf aufmerksam, dass dies (s. Herodot) in Persien erwähnte Institut (chinesischen Alter-
thums) sich in America bei ,,two barbarian nations" (Mexicaner und Peruaner) gefunden,
ehe es bei den civilisirten Völkern Europa's in Gebrauch gekommen.
558 RELIGION UND SITTE.
unter vielem Zujauchsen nach dem Palast begleitete. Um die Nach-
richten desto geschwinder fortzubringen, standen auf den grossen
Heerstrassen, sechs Meilen auseinander, kleine Thürme, darin sich
allezeit Couriers bereit halten mussten, um die Aufträge gleich weiter
zu bringen. Sobald der erste Courier abgeschickt ward, Ifef er so
hurtig als möglich zur nächsten Station, oder Thurme, trug seine
Geschäfte daselbst einem andern auf, und gab ihm ein Gemälde,
welches die Ursache seiner Absendung vorstellte. Der zweite Courier
brachte es abermals zur nächsten Station. Auf diese Weise wurden
die Nachrichten so geschwinde von einer Station zur anderen be-
fördert, dass sie zuweilen in einem Tage drei hundert Meilen weit
kamen, wie einige Schriftsteller versichern. Auf diese Weise erhielt
Montezuma II. täglich frische Fische aus dem mexicanischen Meer-
busen, ob er gleich auf zweihundert Meilen von der Residenz ent-
fernt war. Diese Couriers wurden von Jugend auf im Laufen geübt;
und um dieser Uebung desto mehr Aufmunterung zu geben, setzten
die Priester, unter deren Aufsicht dergleichen Knaben stunden, oft
Preise im Wettrennen aus" (s. Clavigero).
Die Botenläufer wurden von den umliegenden Dörfern geliefert
(als Charquis^)), „en cada topo avia quatro yndios ordinarios de noche
y de dia que servian de postas, los quales se mudavan cada mes e
proveyan las comarcas como cayan cada uno en su parte" (in Peru).
Weder Müssiggänger, da es fiir Jeden zu thun gab*), noch Bettler
waren in Peru erlaubt, und, während es bei gleichmässig jährlicher
Vertheilung der Ländereien und Beschäftigungen Arme an sich nicht
geben 4connte, wurden der Armuth Verfallene von Regierungswegen
aus den Staatseinnahmen unterstützt. „Era tanta la orden que tenia
en todos sus reinos y provincias, que no consentia haver ningun
Indio pobre ni menesteroso, por que havia orden y formas para ello
sin que los pueblos reciviesen vexacion ni molestia, por que el Inga
*) Solo era menester darlo que se avia de traer a la primera posta, porque sin hazer
mas diligencya llegase todo el camyno, y aunque era algun trabajo para los Yndios,
pero despues de entablado como estava, era mucha magestad y contentamyento para el
Ynga, y negocio ymportante para el Govierao, k lo menos no lo e yo leido de nynguii
rey ny oydolo decir (1571). Nach der Zeit, da die Spanier Peru überwältiget, ging
dieses nützliche Werck zu nichte (bemerkt Dapper).
') ,,Ein ieder lernte von Kindheit auf nicht allein ein Handwerck, sondern auch Alles,
welches man zur Haushaltung nöthig erachtete, als das Weben, den Bau der Häuser und
Aecker, und die Werckzeuge hierzu Selbsten zu machen, dergestalt, dass keiner den andern
nöthig hatte. Unterdessen blieben gleichwohl vor sich selbsten die Kunstmeister, derer
Kunst mehr zum Zierrath und zur Ergetzung dienet, als die Gold- und Silber -schmiede,
die Mahler, die Töpfer, die Sangmeister, die Täntzer und dergleichen Leute" (in Peru).
REGIERUNG. 559
lo suplia de sus tributos." So ergab sich der Königliche Titel „Huac
Chacuyac, que quiere decir amador y bienhechor de pobres".
Das Casera genannte Gesetz verbot wie den Müssiggang so
auch das Speisen bei verschlossenen Thüren (in Peru).
Ueber die treffliche Ordnung im Inca-Reich legen die Conquista-
dores selbst das schlagendste Zeugniss ab, und in ihrem Namen
der letzte derselben (1589): „Habemos destruido con nuestro mal
exemplo^) gente de tanto governo como eran estos naturales y tan
quitados de cometer delitos ny acesos" bekennt in seinem Testament
(1589) Antonius de la Calancha. „Era tanta la orden^) que tuvieron
estos Indios, que a mi parecer, aunque mucho se piense en ello, seria
dificultoso mejorarla, conocida su condicion y costumbres", bemerkt
Ondegardo von der Einrichtung der Staatsarbeiten in Peru (in seinem
Berichte an die spanische Regierung).
Aehnliche Urtheile^) wiederholen sich (neben mehr oder weniger
Schönfärberei) trotz dem andrerseits, in der Beleuchtung durch eine
neue Religion, hervortretenden Gegensatz.
Die Kunstfertigkeit der Indianer in Peru und Mexico wird von
den Conquistadoren zu wiederholten Malen mit bewundernden Aus-
^) Han venido h tal rotura en ofensa de Dios estos naturales por el mal exemplo
que les hemos dado en todo, que aquel extremo de no hacer cosa mala se ha convertido
en que hoy ninguno ö pocos hacen buenas, y requicren remedio, y esto, toca h, su
Magestad, para que descargue su conciencia, y se lo advierte, pues no soy parte para
mas (s. Lejesema oder Mancio Serra de Leguisamo).
*) The Royal Audience of Peru under Philip II. (there cannot be a higher authority)
bears emphatic testimony to the cheap efßcient administration of justice under the Incas.
,,De suerte que los vicios eran bien castigados y la gente estaba bien sujeta y obediente,
y aunque en las dichas penas havia esceso, redundaba en buen goviemo y policia suya y
mediante ella eran aumentados (porque los Indios alababan la govemacion del Ynga y aun
los Espafioles, que algo alcanzan de ella, es porque todas las cosas susodichas se deter-
minaban sin hacerles costas)". Zurita protestirt gegen die Bezeichnung der Azteken als
Barbaren, da ihre staatlichen Einrichtungen neben den europäischen nicht zurückgestanden.
, ') Abrazaron muy de buena gana las leyes que sus principes ensefiados con la lumbre
natural ordenaron, y las guardaron muy cumplidamente. En lo quäl tengo para mi que
estos Incas del Peru deben ser preferidos, no solo a los chinos, japones, y a los indios
orientales, mas tambien h. los gentiles naturales de Asia y de Grecia. Porque bien mirado,
no es tanto de estimar lo que Numa Pompilio padeciö y trabajö en hacer leyes para los
Romanos, Solon para los Atenienses y Licurgo para los Lacedemonios (s. Blas Valera).
The most enlightened of the Spaniards who first visited Peru , Struck with the general
appearance of plenty and prosperity, and with the astonishing order with which every
thing throughout the country was regulated, are loud in their expressions of admiration
(5. Prescott). Ningun hombre de consideracion habrä que no se admire de tan noble y
pr6vido gobiemo, pues sin ser religiosos ni christianos los Indios, en su manera guar-
daban aquella tan alta perfecion de no tener cosa propia, proveer k todo lo necesario, y
sustentar tan copiosamente las cosas de la religion y las de su rey y scfior (s. Acosta).
560 RELIGION UM) SITTE.
drücken anerkannt, keine Vergleichung ist ihnen zu hoch und sie
gestehen für verschiedene Puncte ein, dass die americanischen Ar-
beiten die ihrer eigenen Künstler sogar überträfen. Die ersten Beute-
stücke scheinen manche, nicht nur ihres Metallwerthes wegen, kost-
bare Stücke enthalten zu haben, doch ist kaum vielmehr davon
übrig geblieben, als die Beschreibung der mexicanischen.
Für die Incap-runa, Unterthanen des Inca im viergetheilten Reich
(Ttahuantinsuyu) erschienen die aussenstehenden ^) Barbaren (wie den
deutlich redenden Nahuatl in Mexico) als Wilde oder Sacha-runa,
und die Inca suchten bei Ausdehnung der Herrschaft die rohen Ge-
bräuche zu mildern, durch Abschaffung der Menschenopfer (wie es
von den Römern in Carthago gefordert wurde), Bestrafung der un-
natürlichen Laster u. s. w.
Die Verwendung der Gifte gegen Feinde*) (in vergifteten
Waffen) wurde nach der Eroberung Moqueguas von Mayta Capac
bei Leibesstrafc verboten (s. Garcilasso). Auf den Antillen fand
sich ihr Gebrauch bei den Cariben, wie sonst an der Ostküste Süd-
america's. Die Indianer in der Pampa del Sacramento gebrauchen
die vergifteten Waffen nur zur Jagd, nicht zum Krieg, und nennen
die Weissen Barbaren, weil Feuer und Eisen verwendend (s. Skinner).
Huayna-Capac hatte den Aufstand der Carangues (bei Quito) zu
unterdrücken, die sich wegen des Verbotes, Menschenfleisch zu essen,
empört hatten.
Die cannibalischen Chirihuanos, von denen gesagt wird, dass sie
die Schafhirten noch lieber frassen, als deren Heerden, gaben ihren
Brauch, die verstorbenen Verwandten (neben den Feinden) zu essen,
durch den Einfluss des benachbarteu Inca- Reichs schon vor ihrer
Unterwerfung auf (indem die Inca sie vielleicht zu Unterredungen
berufen hatten, wie Darius ihre indischen Gleichgesinnten).
Jeder Eingriff der Soldaten auf dem Feldzuge in Privat -Eigen-
thum war mit Todesstrafe belegt (unter den Inca).
Die Inca verpflichteten (in Chuquiabo) mit 30 Jahren zu Kriegs-
diensten, mit 25 zur Zeugverfertigung, mit 20 zur Reinigung der
Wege und zur Aussaat, mit 10 zum Vogelfang, mit 50 zum Feld-
bestellen (s. Herrera). Huascar Titupac bestimmte die Aushebung
für die Wehrpflicht auf das 30. Jahr (nach Montesinos).
*) Selbst die christlichen Indianer (in Bolivia) nennen die Weissen , überhaupt die
Nicht-Indianer, häufig Christianos (s. Tschudi).
^) Procuraban que la gnerra fuese la nias liviana tjue se pudiesc, bemerkt Snrmiento
von den Incas.
STEUER. 561
Aus den zur Unterwerfung gezwungenen Aufständischen in der
Stadt Yanayaco wählte Yupanqui seine Leibwache der Yanaconas,
die dann in Rivalität traten mit den (adligen) Orejones (nach Ayllos
oder Geschlechtem geordnet). Huascar Titupac führte die Unter-
scheidungen der Kriegskaste ein.
Die Ayllu-cuzcos bildeten eine Art unsterblicher Legion in der
nächsten Nähe des Inca (wie ähnlich bei Perserkönigen).
Mango Capac, bemerkt Oliva, proclamirte das Gesetz der Inca,
dass Alles diesen gehöre*). Zum Huldigungseid ^) wurde das von
den Sonnenjungfrauen geknetete Brod von den Beamten gegessen
(wie in Siam das Eideswasser getrunken).
Der Tribut war in den verschiedenen Provinzen Perus nach den
speciellen Erzeugnissen bestimmt, sowie bei den Classen der Be-
völkerung gemäss ihrer Beschäftigung, und auch den Armen soll,
um sie nicht unthätig zu lassen, ein Tribut in Läusen auferlegt sein,
wie im Thal von Viru (wo Federspulen mit Läusen in den Gräbern
gefunden würden). Auch Cazonzin, König von Mechoacan, legte
daselbst den Armen einen Tribut von Läusen auf und ein gleicher
(oder von Würmern) wäre in Tlascala bezahlt (s. Herrera), und
wird dies, wie in Peru, auf Blattläuse (zur Cochenille- Bereitung) be-
zogen (s. Rchfues), da das gezwungene Einliefern einer bestimmten
Zahl Kleiderläuse die Reinlichkeit nicht etwa befördert, sondern zur
Brut jener geführt haben möchte. Von den Läusen, die Ojeda, als
Tribut in Säcken bei Montezuma gesehen, meint Torquemada, dass
es sich um „gusanillos de seda" gehandelt habe.
Die edlen Metalle, die nach Cuzco abzuliefern waren (mit dem
Verbot der Ausfuhr) wurden fiir den Schmuck der Tempel ver-
wandt. Der Tribut der Provinzen ward beim Raymi-Fest einge-
liefert. De nadie recibian un pufto de mayz por presente, bemerkt
Herrera von den peruanischen Beamten (als unbestechlichen).
*) Les Floridiens ne sement , nc plantent, ne prennent rien ni h la chassc, ni a la
pt'che, qui ne soit a la disposition de leurs chefs, qui distribuent et donnent, conime il
leur plait (s. Coreal). The cbiefs on the Bahamas |>o'>sessed similar absolute power
(according to Peter Martyr).
') Beim Eid der Ostjäken (in Kasan) ,,hält man ihnen zwei Degen kreuzweise vor.
Ks nähert sich Einer nach dem Andern, und man reicht einem Jeden ein Stückchen vier-
eckig geschnittenes Brodt in Salz eingetunkt über die Degen weg, welches sie halb
knieend verschlucken. Ebenso schwören auch die Tschuwaschen" (,s. Worbs). Beim
Schwur (in Martinowo) ,, befahl Herzog Heinrich dem Stephan nach Landessitte einen
Trunk Wassers zu nehmen" (1208 p. d.) im I^inkauf-Trinken (auch mit Wein oder Meth).
Bei der schwedischen Thronbesteigung wurde der Braga-Becher zum CJelübde getrunken.
Bastian: America. I. «jb
562 RELIGION UND SITTE.
Die militairische Rangordnung wird bei Velasco folgendermassen
gegeben: Apusquipay, General; Apusqui-Randin, General-Lieutenant;
Hatun-Apu, Oberst; Apu, Major; Hatun-Apu-Randin, Ober-Lieutenant;
Apu- Randin, Lieutenant; Camayuc, Ofiicier; Guaranga-Camayuc,
Hauptmann über looo; Pachsac- Camay uc, Hauptmann über loo;
Pichca-Chunga- Camay uc, Hauptmann über 50; Chunga- Camay uc,
Hauptmann über 10; Unanchayancoc, Fähnrich; Huancar-Cämayuc,
Trommler; Oquipa-Camayuc, Trompeter; Pucara-Camayuc, Festungs-
Commandant, Aucac-Runa, Soldat.
Als Rüstung nennt Velasco: Umachina, Helm; Nahuichina,
Visier; Aucana-cushma, wattirter Brustpanzer; Huallcanga, Halskragen ;
Chuqui, Holzlanze; Anta-ftauchi, kupferne Lanzenspitze; Turpuna,
Holzlanze mit Kupferspitze; Tuccina, Bronzeschwert; Macana, Holz-
säbel; Callhua, Messer aus Holz oder Kupfer; Tumi, Cutlas aus
Kupfer oder Stein. Die Estolica, (Wurfspiess oder Huachi) war mit
dem Wurf brett (Cumana) verbunden, dann: Chingana, Wurfdolch; Gui-
copa, (petite massue que Ton lance et dont le bout est comme un mar-
teau), Wurtkeule; Huactana, Keule aus Holz; Huachina, Bogen; Hüachi,
Pfeil; Viruti, Giftpfeil; Viruti-Churowa, Köcher; Huaraca, Schleuder;
Huancar und Hatun-Taqui, Trommel; Oquipa, Holztrompete; Churu,
Muscheltrompete; Unancha, Standarte. Chictana war eine Axt aus
Kupfer oder Stein.
Nach den Schleuderern kamen (im Heer Atabalipas) „otros con
porras y hachas de armas" (s. Xerez), dann mit Wurfspiessen^) Be-
waffnete und schliesslich die Lanzenträger. Ausserdem wurden
Champi (Streitäxte) geführt. Die Streitäxte (hachas sp.) waren (in Peru)
von derselben Grösse (wie die spitzigen Porras), übertrafen aber „la
cuchilla de metal, de anchor de una palma, hecha como alabarda"
(s. Oviedo). Eine kupferne Lanzenspitze mit Zeichnungen, die in
einem Grabe bei Copiapo gefunden wurde (s. Sampef), ist in der Rev.
Arch. (1872) beschrieben und eine ähnliche findet sich im königlichen
Museum Berlins.
Montcsinos nennt unter den Waffen Perus mit Kupfer belegte
Aexte. Mayta Capac führte die Schilder als Schutzwaffe') ein,
Yahuar-Huacac (nach Santa Cruz) kupferne Brustharnische.
*) An den Wurfspicssen befestigten sie eine Schnur um sie nach dem Wurf wieder
zurückziehen zu können, bemerkt Clavigero von den Mexicanern in Analogie mit dem römi«5chen
Amentum, während die Wurfschlinge des Neu-Caledoniers das (auch in Mexico bekannte)
Wurfbrett ersetzt.
') ,,I)ie Schutzwaffen der Völker von Neu-Spanien bestehen in einer Art von langen
Wamsen, die bis zu einer Dicke von anderthalb bis zwei Fingern mit Baumwolle gesteppt
WAFFEN. 563
Die Streitäxte (die bei der Adelsweihe verliehen wurden) galten
als von Manco Capac erfunden. Jeder Inca musste die Herstellung
der Schilder (Huallcana oder Huallcanca) erlernen.
In Quito war ein Wurfbrett für die Lanzen in Gebrauch und
(nach Rodriguez) bei den Inca.
Die Kriegslager enthielten Zelte aus Baumwollenzeug. Neben
Wattenpanzern wurden mit Baumwolle gefütterte Helme getragen.
Die Chunchus kämpften gegen die Inca mit Bogen und Pfeil, die ge-
wöhnliche Waffe (wie Garzilasso bemerkt) unter den Andesstämmen.
sind. Darüber tragen sie eine Art ron Schürze, welche von hinten festgebunden wird,
und aus grober Lein^vand besteht, die ganz mit den verschiedenfarbigsten Federn bedeckt
ist, so dass es recht hübsch aussieht. Die Companien der Kricgsleute unterscheiden sich
in den Farben dieser Federn von einander; in<lem die F^ine Companie nichts, als weisse,
die andere nichts, als rothe, oder blaue, oder gelbe P'edern an ihren Schürzen hat. Die
Vornehmen tragen darüber noch eine Art von Jacke, nach Art unserer Panzer, die mit
(iold oder Silber überzogen ist , und gleichfalls zur Abwehr der Wurfspiesse und Pfeile
dient, so wie die Schürzen, welche ebenso undurchdringlich fdr dieselben sind, und sogar
gegen Degenstösse einige Sicherheit gew.Hhren. Auf dem Kopfe haben sie eine Schutz-
wafie von der Gestalt eines Schlangen-, Löwen-, Tiger- oder Wolfs-Kopfes mit offenem
Rachen, in welchen der Mann sein Haupt so hineinsteckt, als halte das Thier ihn eben
mit den Zähnen gepackt, um ihn zu verschlingen. Dieses Stück Rüstung ist von Holz,
mit einer Gold-Platte bedeckt , und mit Edelsteinen besetzt , und oben darauf ein Feder-
buNch befestigt, so dass man es nicht genug bewundern kann. Die .Schilde sind von
verschiedener Arbeit. Sie bestehen gewöhnlich aus starken Rohrst.Hben, die mit dicken
baumwollenen Schnüren zusamniengepflochteu, mit Federn und nmden (ioldplatten bedeckt,
und so stark sind, dass eine tüchtige Armbrust dazu gehört, wenn man einen solchen
Schild durchschiessen will. Dringt aber auch der Pfeil ein, so ist doch die ganze
Gewalt des Schus^^cs al>gestumpft. Man hat von diesen Schilden nach Spanien gebracht;
es waren aber keine von tlenjenigen, welche die Neu-Spanier in ihren Kriegen gebrauchen,
sondern solche, die sie bei ihren Festen und lanzen tragen. Die Trutzwaffen bestehen
in Bogen, Pfeilen und Wurfspiessen. Letztere haben eine starke und sehr geschärfte
Spitze vcm hartem Stein o<ler Fisch-Knochen, und werden vermittelst einer Art von Stock-
Schleuder abgeschossen. Manche <lieser Wurfspiesse haben drei Spitzen, so dass sie mit
einem Male drei Wunden verurs.ichen. Die Schwerter der Neu-S|)anier werden n)it beiden
Händen geführt, und sind schwer von Holz gearl^eitet , nicht sehr lang, aber drei Zoll
breit, und hal)en in der Schneitle eine Spalte, in welcher man ein Messer von Feuerstein
befestigt, das so scharf geschliffen ist, als ein Rasier-Mtsser von Toiosa. Ich habe es
mit meinen eigenen Augen gesehen, wie ein Indianer einst in einem Gefecht dem Pferd
eines Kavalirs mit einem solchen Schwert einen Hieb in die Brust versetzte , der bis in
die Höhle drang, und dem Leben des Thieres augenblicklich ein Ende machte. Ein
andresmal stürzte eins unserer Rosse, von einem einzigen Hieb in den ILnIs getroffen,
todt nieder. Ferner haben sie Schleudern, womit sie sehr weit werfen, und die meisten
Kriegsleute sind mit allen diesen Waffen zugleich versehen , und gebrauchen sie auch
eine um die andere. Es gewährt in der That einen schönen Anblick, wenn sie in ihrem
Kriegs-Aufzug heranmarschieren; denn sie halten die beste Ordnung, und sehen in ihrem
Waffen - Schmuck alle gar rüstig aus. Es gibt überaus tapfere Männer unter ihnen, die
sich aus dem Tode nicht das geringste machen. Ich habe einmal zugesehen, wie sich
Einer gegen zween leichte Reiter, und einen Andern, der sich gegen drei, und selbst
vier über eine Stunde lang vertheidigte. Als sie nicht mit ihm fertig werden konnten,
36* •
564 RELIGION UND SITTE.
Bei den Chinganos genannten Lanzen wurden die Spitzen mit
einem scharfen Schilf gebildet (in der Pampa del Sacramento).
Die Carendis (bei Buenos Ayrcs) hatten (1535) „Kugeln von
einem Stein und daran eine lange Schnur" (s. U. Schmidt), und diese
Waffe \yird auch in Collao erwähnt (den Bolas entsprechend).
Von den Cailar wird gesagt (s. Velasco) dass sie ihren Feinden
durch den Gebrauch der Pfeilschusswaffe überlegen waren (wie die
Xatrija im alten Indien), und die Inca erkämpften ihre Siege durch
die Schleuder, die sie als Lieblingswaffe führten. Die Huaraca oder
Schleuder wird neben der Huicopa (hölzerne Wurlkeule) auch als
die Waffe der Puruha erwähnt, mit der sie gegen dio^Cara gekämpft.
Neben den Chuqui (Speeren^)) bedienten sich die Peruaner der
warf einer im Aerger seine L.mze nach ihm ; aber der tapfere Mann fing sie mit der
Hand .niif , und schhig sich noch so lang mit seinen Oegnem herum, bis zween Infan-
leisten dasu kamen, die ihn erst beide verwundeten, und während ihn der Eine von vorne
fassle, der Andere ihn von Hinten niederstiess. Im Gefeclit selbst taiuen und singen sie
unaufhörlich; zwischen hinein erheben sie ein enlsetzHchcs Schreien uad Pfeifen, und wer
an dieses Liirmen und diese wilde (Jeberdung n(»ch nicht gewöhnt ist, der kann sich der
Furcht kaum erwehren. L'ebrigens sind sie im Krieg unbarmherzig. Sie schenken weder
Bruder, noch Freund, noch Verwandten das heben, und tndten selbst die schönsten
Frauen, um sie aufzufressen. Können sie die IJeute, die sie gemacht, nicht fortbringen,
so verbrennen sie dieselben. Nur die Adeligen dürfen nicht umgebracht werden. Sie
werden wohl bewacht, und zu einem besonderen barbarischen Hrauch aufgespart. In der
Mitte der Plätze aller Ortschaften sieht nämlich eine runde l*lattform , von anderthalb
Mannshöhen, in Steinen aufgemauert. Zu derselben fuhrt eine Treppe empor, und im
Mittelpunkt ist ein grosser Stein befestigt, mit einer Höhlung darin. An diesen Stein
wird der Gefangene mit einem langen Seil an dem Fuss J)efestigt. Man gibt ihm ein
Schwert und einen Schild in die Hände, und er muss mit denjenigen, welche ihn gefangen
haben, einen neuen Kampf bestehen. Bleibt derjenige, welcher zuletzt mit ihm fertig
geworden ist , noch einmal Sieger , so gilt dies fiir eine besondere Thal , die auch durch
ein äusseres Abzeichen, welches er tragen darf, geehrt wird. Behält aber der Gefangene
die ()berhan<l, und ist er mit sechs anderen Streitern, die nach dem Ersten den Kampf
fortsetzen müssen, eben so glücklich fertig geworden, so wird er frei, und es muss ihm
Alles, was man ihm in dem Gefecht abgenommen, ersiattet werden. Kinmal kämpfte
die Mannschaft des V'olkez von Huexotzinco mit der von Tula; da geschah es, dass der
Fürst des letzten sich in der Hitze des Gefechts von den Seinen verlor, und so tief
unter die Feinde eindrang, dass er, ob er gleich Wunder der Tapferkeit verrichtete, am
Ende dennoch von der Menge überwältigt und gefangen genommen wurde. Die Mann-
scliaft von Huexotzinco führte iliren Gefangenen nach ihrer Stadt , wo er auf die eben-
i)Oschriebene Weise den Kampf mit sieben der tapfersten Männer bestehen musste, und
auch mit allen Sieben fertig wurde. Die grosse Tapferkeit dieses Fürsten machte tl.-is
Volk von Huexotzinco bedenklich, und es glaubte fürchten zu müssen, dass derselbe,
wenn er wieder frei wäre, nicht ruhen würde, bis er sie alle ausgerottet, Sie beschlossen
daher, ihn umzubringen, führten Solches auch aus, luden aber dadurch eine so schwere
Schmach auf sich , dass sie in ganz Neu-Spanien für wortbrüchige und verrätherische
Leute galten, uml Niemnnd mehr mit ihnen zu thnn haben wollte."
') Die Atahualpa begleitenden Truppen iK'setzten die Festung (von ('axamnlca) ,,con
vautici.i putsia rn una lanza" (s. Hemando Pizarro).
ACKERBAU. 565
Pfeile, die mit Lederriemen geworfen wurden, dann der Steinsterne
mit fünf Spitzen und anderer Morgensterne. Die Collas kämpften
(wie bemerkt) mit Ayllos oder Bolas (gleich den Patagonier). In
Picara wurden Fussangeln gebraucht (nach Cieza).
Unter den in Peru gefundenen Arten von Keulen findet sich
(nach Rivero) eine , die der auf Neuseeland und in der Südsee ge-
brauchten sehr ähnlich ist.
Die Arbeiten der Feldbestellung, des Hausbaues u. s. w., wurden
in Peru mit gemeinsamer Unterstützung vorgenommen (s. Blas Valera)
und die Mita-chanang genannten Gesetze regulirten den Wechsel
bei den öffentHchen Arbeiten. Die Feldarbeiter in Peru hatten keine
Waffen, da ihnen die Kriegerkaste das Tragen solcher nicht erlaubte
(nach Molina). Las cosas de la guerra, aunque eran muchas, no
impedian a las del comercio ni estas a las cosas de la labranga e
cultivar de las tirras, y otra cosa ninguna (unter den Inca). Jede
Familie (in Peru) hatte ein Landtheil (Topu) zu ihrem Unterhalt.
Das verheirathete Paar erhielt einen Tupu an Ackerland, und für jeden
Sohn wurde ein zweiter Tupu zugefügt, bei der Geburt einer Tochter
ein halber Tupu, doch verblieb dieser (bei Vermählung) im Besitz
des Vaters, für etwaige Fälle zum Besten der Tochter reservirt,
oder sonst an den Staat zurückfallend (in Peru).
In den Feldarbeiten halfen die Weiber den Männern. Die
Männer gruben und behackten den Boden, säeten, häufelten die Erde
an und ernteten das Getreide ein. Die Weiber streiften die Blätter
von den Aehren, und machten die Körner rein; beide gäteten und
hülseten aus (s. Clavigero), in Mexico^).
Die Topus, (viereckige mit Steinen eingefasste Felder, wo der
unebene Boden der Sierra in die Puna übergeht, wie bei Jauja)
waren mit unterirdischen Canälen (seit deren Zerstörung durch die
Spanier sie mit Puna- Gras bewachsen sind) bewässert und unter
Familien zum Bebauen vertheilt.
Da die Indianer die Kunst, mit Gerüsten die Ueberbrückungen
unterzubauen, nicht kannten, umgingen sie mit ihren Wasserwerken
die Quellen der Flüsse (bemerkt Garcilasso).
Wer die Marksteine der Aecker versetzte, wurde (in Peru) als
Dieb erklärt und aufgeknüpft (nach Garcilasso de la Vega).
*) Die aus dem Holz des Ojametl Baumes errichteten Konibödcn der Mexicaner Iiatlei
keinen andern Eingang, als zwei Fensterchen oben, und neben ihnen wurden auf den
Feldern Thürme gestellt, zum Verscheuchen der Vögel durch die dortigen Wächter (s.
Clavigero).
566 RELIGION UND SITTE.
Der zum Düngen von den Inseln geholte Guano hiess Puhu-Huanu
oder Mist (Huanu) der Vögel. Sinchi - Cosque führte den Pflug ein
(s. Montesinos).
Mit Guano wurden in Cuba verschiedene Palmenarten bezeichnet
und Pichardo übersetzt „teuer mucho Guano", als „teuer mucho dinero".
Zum Düngen (mit Guano) besuchten die P2ingeborenen Tara-
paca's die Inseln in Balsas (s. Cieza.) P'euillcc spricht von Guano-
Lagern bei Arica (1710).
„Den Mist hiessen sie Guano, daher das Thal Lunaguana seinen
Namen überkommen. Den Mist fährt man in die Thäler Peru, denn
es ist die fruchtbarste Düng die man haben mag" (1597).
Das neben dem Gemeindeland durch den Inca einem Privatmann
geschenkte Land, ging als erblich auf die Nachkommen über (a los
herederos perpetuamente e descendientes), die es indess nicht ver-
theilen durften, sondern gemeinsam besassen und bearbeiteten, „salbo
que uno que representaba siempre la persona del Oayllo 6 parcia-
lidad lo tenga en su cavega". Von Privatbesitz der Indianer, weder
in Land noch in Heerden (oder im Jagdrecht erworben), wurde kein
Tribut bezahlt, sondern dem Inca nur das aus der Bearbeitung der
öffentlichen Ländereien Gewonnene geliefert (s. Ondegardo). Die von
den Gemeindeländereien getrennten Güter hiessen Moyas del Ynga
y Moyas del Sol.
In holzreichen Provinzen fanden sich über das Sammeln keine
Bestimmungen, aber in den ärmeren wurden die Waldstrecken für
den Inca reservirt, als Mbayas del Ynga.
Wie die Peruaner an den Bergen den F'eldbau auf künstlich
aufgerichteten Terrassen (andenes) trieben, so an der Küste in dem
von dem Seewasser durchfeuchteten Sande der Hoyas, wo die Mais-
körner (ohne Pflügen) in die mit Stöcken geöffneten Löcher (zwischen
Dünger aus F*ischköpfen) gepflanzt wurden. Der Vogeldung war
(nach Garcilasso de la Vega) von Arequipa bis Tarapaca im Ge-
brauch.
Die Feldarbeit in Peru wurde unter den Haylli genannten Jubel-
gesängen vollzogen.
Für den Pflügt) war ein Substitut in Gebrauch, das von Menschen
gezogen wurde, und in die Erde gezwängt, um sie aufzubrechen.
^) Traen por arado im palo de una braza en largo, es llano por delante y rollizo
por detras, tiene quatro dedos de ancho, hacenle una punta para que entre en la tierra,
a media vara de la punta hacen un estrive de dos palos atados fuertamente al palo prin-
FE LDBESTELLUNG . 567
In drei Thoile gctheilt, für den Sonnentempcl, den Inca und das
Volk, wurde das Land in dreimonatlicher Frohnarbeit nach wechseln-
der Reihenfolge bestellt, und die für den Unterhalt der Kranken, der
Wittwen und Soldaten bestimmten Ländereien vor den übrigen im Privat-
besitz. Jährlich fand eine neue Austheilung des Gemeindelandes statt,
je nach der Zahl der Kinder. Nach der Eintheilung des Landes wurden
zuerst die Aecker der Sonne bebaut, dann die öffentlichen (der Armen
und Kranken, der Waisen und Wittwen, sowie des Heeres), weiter
die des eigenen Besitzthums und schliesslich die des Inca oder der
Curaca (in Peru). Nach Garcilas.so bestrafte es Huayna Capac mit
dem Galgen, wenn das Land des Heroen früher bestellt war, als das
der Armen. Das zum Unterhalt der Religion niedergesetzte Land-
theil wurde zwischen der Sonne, Pachayachachic, dem Donner, (Chu-
quilla), Pacha-mama und anderen Huacas vertheilt (s. Ündegardo).
In einigen Plätzen (wie Arapa) war alles Land den Göttern ge-
weiht, während sich sonst daneben Antheile^) für den Inca reservirt
finden. Nach dem Gesetz Mita-chanacuy fand ein regelmässiger
Ersatz in dem Wechsel der P^amilien für öffentliche Arbeiten statt
(in Peru).
Die Inca eröffneten, wie der Kaiser Chinas (und König Darfur's
gleich dem Damel in Senegambien) beim Einweihungsfest die Feld-
arbeit. Das Land war zur Ausnutzung sorgsam in Aecker ausge-
legt und die Bewässerungen genau geregelt. Die Canäle enthielten
Fenster, damit man zum Reinigen eintreten konnte (und die Spuren
derselben sind vielfach erhalten). Zum Furchen dienten Spaten. Man
baute Mais, Quinoa, Kartoffel, Banane, Agave, Baumwolle, Tabak, Coca,
und die P>lder waren, um keinen Fussbreit zu verlieren, in Andenes
(Terrassen) angelegt, während man die Ansiedlungen auf solche
Plätze des Erdbodens baute, die sich sonst jeder Nutzbarmachung ent-
zogen. Ehe nicht der Inca Hand an den Pflug gelegt hatte (in Peru)
„no avia Indio que osase romper la tierra, ni pensavan, que produjese,
si el Inga no la rompia primero".
In der Provinz fanden sich (durch dafür niedergesetzte Ländereien
unterhaltene) Klosterhäuser oder Ayllaguaca (-huasi), wo die von dem
Aufseher (Apopanaca) ausgesuchten Mädchen durch die Mamatonas
cipal donde el Indio pone el pie de salto, y con la fuerza hinca el atado hasta el estrivo
(s. Garcilasso de la Vega).
*) Die Länder des Königs heissen Tecpantlalli , die der Edlen Pillalli, die der Ge-
meinde Altepctlalli , die der Soldaten (zum Unterhalt des Heeres) Milchimalli oder Caca-
lonuUi (in Mexico).
568 RELIGION UND SITTE.
(mugeres viejas) im Spinnen und Weben, sowie in der Bereitung der
Chicha unterwiesen wurden, bis man sie am Jahresfest nach Cuzco
brachte, wo eine Auswahl derselben vertheilt wurde unter die Jung-
frauen im Dienste der Sonne, des Donners (Chuguylla), des Pachaya-
chachi, der Erde (Pachamama), des Inga, sowie seiner Frauen und
Verwandten, oder für verdienstvolle Beamte. Andere wurden für die
Opfer reservirt, im Laufe des Jahres, oder bei aussergewöhnlichen
F*ällen (wie Pestilenz, Dürre, Eclipsen, Krieg, Krankheit des Inca, Be-
gräbnisse u. s w.)
Die Ernte des Inca wurde zum Theil nach Cuzco gebracht, mit-
unter aber auch von einer Pjovinz^) gleich in die andere, wo man
ihrer bedurfte (la comyda de unas partes se pasaba a otras).
Im Jahre des Misswachses ^) waren Magazine aufgefüllt (in Peru) und
ebenso wurden volle Magazine gehalten, für die Bedürfnisse des Heeres.
Die Spanier trafen sie überall so wohl versehen, dass sie ihnen in
den folgenden Kriegen noch für Jahre (s. Ondegardo) ausreichten.
Für die Kranken waren zugleich Hospitäler vorgesehen und für die
Pflege der Kranken sorgte der Oncomayoc genannte Beamte.
In Mexico^) traf Montezuma die Einrichtung, dass das in Cotla-
vican gebaute Hospital zugleich zur Aufnahme von Invaliden diente,
nicht nur soldatischen, sondern auch aus den Beamten des Civil-
standes (s. Carli).
^) Formerly the valley of Chicama was called the granary of Peru and until the
great earthquake in 1687, the wheat produced its seed two hundred fold (s. Stevenson).
En estando acordado en el Cuzco que se traxese gien mill fanegas de mayz, en un monienlo
sauia cada Gouernador quanto cavia ä su distrito e h los dcpositos del , sin difereucias,
ny porfia ny pleyto, e cada provingia quanto cavia a las pargialidades, empe^ando la
quinta por las ^iveceras , e luego se yvan destribuyendo por nienudo de niancra , que
todo se hagia con faligidad. In Carolina wurden die Felder jeder Familie gleichzeitig
unter gemeinsamen Aufsehern bestellt (s. Batram). Aehnlich in Kastenverhältnissen.
') Die Muskogulgee bestellten das Feld (bei der Stadt) gemeinsam und legten von dem
Ertrage einen Theil in die Königlichen Scheuern, als Magazin für Nothfalle (s. Batram).
Sotü fand W'intervorräthe in den Magazinen von Anaica Apalache (bei Tallahassee). Unter
der Herrschaft der Cocomes in Mayapan (neben einem erblichen Hohenpriester im Tempel)
wurden für die Ncrwalttr \'urrathshäuser gebaut, y de los pueblos llevaban los mancos y
ciegos, y los NUs.tciUaban en casa de cstos majordomos (s. Herrera). In Pozo trafen
die Spanier Magazine mit Waffen.
*) In den Hauptstädten (Mexico) habia hospitales dotadas de rentas y vasallos, donde
se resabian y euraban los enfermos pobres (s. Las Casas) und nach Motulinia waren
Heanile niedergesetzt, um die Kranken aufzusuchen (de cuando ä cuando van por toda
Li provincia ä buscar los enfermos. Cortez erwähnte in Mexico einer besonderen Strasse,
wo sich die Apotheken fanden (valle de herbolarios), und bei chirurgischen Oj)erationen
wurde /ur Abstumpfung des Schmerzgefühls das Vauhtli genannte Pulver verwendet.
GEMEINDEN. 569
Ausser den Coptras oder Magazinen (für Waffen), fanden sich
die Compti- Coptras (für Wollenkleider) und die Pirhua-Coptra (für
Mais) in Peru, wo sie von den Spaniern wohlgefiillt angetroflfen
wurden (bei der Conquista). Neben den Tempeln fanden sich die
Tlacochcalco oder TIacochcalli (Pfeilhäuser) unter Aufsicht der Cal-
pixqui, denen der PetlacalcatI vorstand (in Mexico), und die Priester
Teotihuacan's belehnten mit dem heiligen Pfeil. Der General (in
Mexiko) hiess Tlacochcalcatl (Herr der Pfeile), als Aufseher des Waffen
Arsenals (wie es Tacitus ähnlich von den Suiones erwähnt).
Da das Land dem Staat verblieb, konnte es unter der vorüber-
gehenden Nutznicssung nicht besteuert werden, aber auch vom
sonstigen Privatbesitz wurden keine Abgaben^) erhoben, wogegen
Jeder dem Ganzen Frohndicnste zu leisten hatte (in Peru).
Durch Inti Capac war das Land in Hundertschaften (Pachacas) ^)
getheilt worden, wobei ein Hurango über zehn Hundertschaften
gebot, ein Hunno über lo Hurango und darüber dann der Tocicroc
oder Statthalter herrschte. Sonst werden die Chuncas genannten
Beamten über lo Familien erwähnt, der Pachac über loo, der Gua-
ranca über looo, der Hun über io,0(X).
Nach Montesinos gebot der Pachava über lOO Familien (den
hundred's bei Alfred M. entsprechend und sonst), der Hurango über
lo Pachava, der Hunosüber lo Hurangos, unter dem Tocicroc stehend,
sowie dem Vice-König oder Cazir-Capac. '
Von den Beamten stand der Chunca-camayu über lo Familien;
Picha-chunca-camayu über 50 Familien; Pachac -camayu über 100
Familien ; Pichca - pachac - camayu über 500 Familien ; Huaranca-
camayu über 1000 Familien und ihre Pflichten wurden durch die
Tucuyricos (quiere decir: el que lo mira todo) genannten Geheim-
spione überwacht. Von diesen Beamten wurde die Statistik^)
') De esto cjuc ä cada uno sc le repartia no daba jamds tributo porquc todo su tri-
buto era labrar y bene'ficiar las terms del Inga y de las Guacas y ponerles cn sus depö-
sitos los frutos.
*) Nach Qay waren die Araucauer in je 10 rcguas oder lebos getheilt, die zusammen
eine Ayllaregua bildeten (aK Keguetun). Die höchste Instanz bei der Appellation (in
Acolhuacan) war der Nappapsallatuli oder Achtziger-Rath , weil alle 80 Tage zusammen,
berufen.
') Tenian cuidado de dar cuenta a sus superiores de grado en grado de los que
morian y nacian cada nies de anibos sexus, y por consigüente, al lin de cada aüo sc la
daban al rey de los que habian muerlo y nacido cn aquel aflo y de los que habian ido
ä la guerra y muerte en elln. La misma ley y orden habia en la guerra de los cabos
de esquadron, alfereces, capiianes y maeses de campo y el general, subiendo de grado
en grado, bacian los mismos oticioä de acusador y protector con sus soldado^.
570 RELIGION UND SITTE.
geführt, und der das Land und Volk bctrcflcndc Bericht^) cinge"
sandt.
In der Anordnung der Tributxlassen stand der Chunga-camayoc
lO Familien vor, der Puhea-chunga-camayoc 50, det Guaranga-cama-
yoc 100 Familien (sagt Velasco).
In den durch Tucurico (Tocicroc) oder Statthalter und unter ihnen
durch Michies oder Stellvertreter regierten Provinzen befehhgte-)
der Guarainga über 1000 Familien und der Pachacas über 100 (und in
anderen Versionen).
„Wan der König eines oder das andere Land durch die Waffen
unter seine bothmässigkeit gebracht hatte, muste es dreierlei Schätzun-
gen in die Königliche Schatzkammer aufbringen. Die erste Schätzung
ward auf den Gottes- oder Götzendienst angewendet. Ein jedes
Bähthaus welches man auf Peruisch Guaka zu nennen pfleget, hatte
.sein sonderliches einkommen aus .seinen zugefügten Landstrichen:
derer P^rüchte zum teile dem Schöpfer Pachajachachi als auch der
Sonne und dem Donner Chaquilla zum Opfer und dan zu Seelmessen
dieneten; zum teile zu Lebensmitteln der Priester angewendet wardcn.
Dieser Götzendienst kahm allenthalben durch das gantze Reich Peru
mit demselben der in Kusko im schwänge ging, gäntzlich über ein.
Die zweite Schätzung kahm dem Könige und desselben Hofgesinde
*) Por la via de cstob ilccuriones sabia el Inca, su-i vircycs y gubcrnadorcs de cada
provincia y reyno quäiitos vasallos habia cn cada pueblo, para rcpartir bin agravio \as
coniribuciones de las obras püblicas, que eii comun c^taban obligados a hacer por sus
provincias como puentes, caminos, calzadas, los edificios reales y olros servicios semejantes ;
y tambien para enviar gente a la guerra, asi soldados como bagageros. Si alguuo sc
volvia de la guerra sin licencia, lo acusaba su capitan 6 su alferez 6 su cabo de esquadra
y en su pueblo su decurion, y era castigado con pena de muerte por la traycion y ale-
vosia de habcr desamparado en la guerra a sus compaüeros y parientes, y h su capitaii,
y ultiniamente al Inca 6 al general que represcntaba su persona. Para otro efecto sin cl
de las contribuciones y cl reparlimiento de la genle de guerra , mandaba el Inca que sc
supiese cada aüo el nümero de los vasallos que de todas edadcs habia en cada provincia
y en cada pueblo, y que tambien se supiese la esterilidad 6 abundancia de la tal pro-
vincia, lo quäl era para que estuviese sabida y prevenida la cantidad de bastimento que
era menester para socorrerlos en aüos esteriles y faltos de cosecha ; y tambien para saber
la candidad de lana y de algodon necesaria para darles de vestir ä sns tiempos
como en otra parte diremos. Todo lo ciual mandaba el Inca que estuviese
sabido y prevenido para quando fuese menester porque no hubiese dilacion cn cl
socorro de los vasallos quando tuviesen necesidad. Por este cuidado tan anticipando
que los lucas en el beneficio de sus vasallos tenian, dice muchas veces, el P. Blas Valera
que en ninguna manera los debian Uamar reyes, sino muy prudentes y diligentes tutorcs
de pupilos; y los Indios, po decirlo todo en una palabra, les llamäban amador de
pobres.
') Die Mayas verehrten den Ilun-pic-tok (Häuptling über 8000 Lanzen) in der Form
einer Obsidianspitzc (als deificirten Mandarin), wie Alanen ein aufgestecktes Schwert.
VORRATIIS-MAGAZINE. 571
als auch seinen Bluhtsverwandten und Kriegsvölkern zu. Die Arbeytcr
auf den Königlichen Aeckern gingen in Festkleidern und sungen fort
und fort Lobgesange dem Könige zu ehren. Alles was von dieser
Schätzung bey Hofe nicht verzehret oder vertahn ward, bewahrete
und spahrete man in Pakheusern zehen Jahre nach einander gegen
eine magere Zeit. Doch die alten Leute als auch die Witwen und
Krancken gaben gantz nichts.
Die dritte Schätzung genossen die Armen und dürftigen. Einem
jeden derselben wiese man alle Jahre einen Acker an, den er zu
seiner Unterhaltung bauen möchte. Wan aber ein unfruchtbares Jahr
einfiel dan empfiengen sie ihre Lebensmittel aus den Königlichen Pack-
heusern, welche man gegen den nohtfal alda bewahret und aufgehoben.
Eben also war auch das Vieh und die Aecker und Bauländer
auf dreierlei weise eingetheilt: nämlich vor den Götzendienst, den
König, und das nothleidende Hausgesinde. Von den Schafen die
man zu gewisser Zeit zu schähren pflegte, ward ein überschus der
Wolle den Armen gegebe4i; damit sie dieselbe spinnen und zur
Decke bereiten möchten. Sobald ein Vieh Schorf oder Räude,
welche die Peruer in ihrer Sprache Karache nennen, bekahm,
musste man es von stunden an lebendig begraben; damit diese
schädliche Seuche nicht weiter einrisse. Vor die Hof Diener des
Königs lies man von der besten Wolle die zahrten Tücher Kunibi
weben. Aber die gröberen, die man Abaska nennet, warden unter
das gemeine Volk ausgeteilet.
Neben dieser geschickten weise die Länder zu beherrschen, hat
man sich über die Weise zu leben, welche bei den Peruern ge-
bräuchlich war, nicht wenig zu verwundern. Ein jeder lernete von
kindheit auf nicht allein ein Handwerk, sondern auch alles, welches
man zur Haushaltung nöthig achtete: als das Weben, den Bau der
Heuser und Aecker, und die Werkzeuge hierzu selbsten zu machen;
dergestalt, dass keiner den andern nöthig hatte. Unterdessen blieben
gleichwohl vor sich selbsten die Kunstmeister, derer Kunst mehr
zum Zierraht und zur ergetzung dienet: als die Gold- und Silber-
schmiede, die Mahler, die Töpfer, die Sangmeister, die Täntzer und
dergleichen Leute.
Die Kleidertracht durch das gantze Reich Peru ist schlecht und
einerley. Nur der Hauptzierraht, als da seynd die Mützen und
Haupthüllen ist unterschiedlich, und muss, einer alten unveränder-
lichen Satzung zu Folge, in diesem Lande anders, als in jenem ge-
tragen werden; damit man eine Völckerschaft von der andern um
572 RELIGION UND SITTE.
so viel eher und besser unterscheiden könne. Etliche dan tragen
auf dem Kopfe breite Zöpfe ; andere breite Flechten ; wieder andere
kleine Hühte; noch andere runte Mützen, oder gewebete Haupt-
hüllen, welche schier als ein Sieb gestaltet".
Die Indianer, die den kalten Theil Perus, obwohl ein fast gänzlich
unfruchtbares Land, in welchem sie scheinbar Hungers sterben müssten,
bewohnen, sind in Folge der Heerden^), mit denen sie sich aus
andern Theilen Lebensmittel holen oder sonst Handelsgeschäft treiben,
(abgesehen von directer Benutzung), besser ab, als die Bewohner
der gemässigten und heissen Provinzen 2), „e diez yndios con cient
carneros ganan mas en un mes, que veinte de los otros con sus per-
sonas cn un aflo e mas descansadamcnte" (1571).
Dapper unterscheidet die ,,wolHchten Schafe" Pakos und die
kahlen Schafe Moromoro (bei den Silberladungen von Potosi), als
der Krankheit Karachc ausgesetzt (woher das Schimpfwort Caracho),
Die im XVI. Jahrhundert nach Peru gebrachten Kameele gingen
zu Grunde (s. Paw), aber die neuerdinga in Californien eingeführten
haben sich (in einer Kreuzung der ein- und zweihöckrigen Thierc)
fortgepflanzt (sind indess durch Eisenbahnbau überflüssig geworden).
In Otabalo dienten die Lamas zum Reiten^) (s. Cieza), Bei den
Orthuesen oder Urtueses wurden einheimische Schafe als Zugvieh
gebraucht und gesattelt (s. Schmidcl), auch als Zugthier in Peru.
Da die Pferde auf dem Gebiss schäumten, glaubten die Peruaner,
dass sie Metalle ässen, und so wurde Cortez' Pferd mit Gold zu Tode
gefüttert.
') Las litrras bc poseyaii en iinydad sin parlirlas y cl travajo de guardarlo si cra
ganadu ö de henibrarlo bi cra tierra, lanvien era de comunydad (in Peru).
*) V si cn lal provincia no havia mantenimienlo, mandaba que de olra parte sc
proveyese, puique ä los nuebamentc venidos a su servicio no les parcciese desde luego
pesado su mando y conocimiento, y el conocerle y aborrecerle fuesc en un tiempo; y si
en alguna de eslas provincias no havia ganado , mandaba luego ipie Ics diese por quenta
tantas mil eavezas, lo quäl mandaban que mirasen mueho y con ello multiplicasen para
proverse de lana para sus ropas, y que no fuesen osados de conier ni matar ninguna
cria por los aüos y tiempo que les sefialaba; y si havia ganado y tenian de otra cosa
falta, era lo mismo; y si estaban en coUados y arenales bien les hacian entender con
buenas palabras que hiciesen pueblos y casas en lo mas llano de las sierras y laderas; y
como muchos no eran diestros en cultibar las tierras ^ enseüabanles como lo havian de
hacer, imponiendoles en que supiesen sacar acequias y regar con ellas los campos
(s. Sarmiento).
*) In Nachahmung der spanischen Reiter bei eiiu.T Fehde der Eingebomen unter sich.
Nach den Caciquen von Macatao besassen die Umaguas Thiere , die sie (die Pferde der
Spanier sehend) besteigen möchten (podian tambien montar), und diese, meinten (Hutten's)
Utrc's Gefährten, ,,son carneros del Peru" (s. Piedrahita).
HAUSTHIERE. 573
In Ica wurden für Herstellung von Schläuchen, die Böcke lebendig
geschunden, da die Haut dann leichter abgeht (s. Tschudi). Sinchi-
Cosque führte die Verwendung der Lama zum Pflügen ein (s. Mon-
tesinos). Zum ersten Mal wurden diese peruanischen Schafe von den
Spaniern gesehen, als nach dem Anlaufen Pizarro's in Coloque
(zwischen Tangara und Chimo) Bocanegra auf Sänften in des Innere
getragen wurde. Von den Hcerden gehörten die Ccapa-llama dem
Tempel und dem Inca, die Huachay-llama den Privatleuten (s. Onde-
gardo). Einem verdienten Beamten schenkte der Inca mitunter eine
Anzahl von Lama^ die nicht getödtet werden durften, aber auf seine
Erben übergingen (s. Ondegardo).
Das Llama und Hueque (camelus araucanus) wurde von den
Araucanern als Lastthier und zur Wollenbereitung, v^erwandt. Neben
den gezähmten Huancu-llama (und Paco-llama) finden sich die wilden
Huanacu und Vicuila.
Der Hund Allco (unter den Perros Gozques) wurde (in Peru)
als Runa-allco (einheimischer I lund) von den eingeführten Varietäten
unterschieden. Der behaarte Runa-allco scheint eine blosse Varietät
des Schäferhundes zu sein (nach Humboldt). ,,In den Grasfluren
(Pampas) von Buenos Aires sind die europäischen Hunde verwildert."
In Süd-Carolina gab es gezeichnete Hirsche, eie Milch und Käse
lieferten (meint Herrera). Nach Hennepin wurden junge Büffel gezähmt
(aber ohne Züchtung). Nach Villagutierre hielten die Mazotecas (in
Guatemala) heiliges Wild gezähmt, und ähnliche Hindeutungen wieder-
holen sich in den Traditionen. De Soto fand an dem Weg^ nach
Apalachia Frauen in weisse Gewänder gekleidet, die aus den Fäden
der inneren Rinde des Maulbeerbaumes gesponnen waren, und die Vor-
stellungen von Hvitmannaland erreichten die Mandan, welche (nach
Catlin) von der unter Prinz Madoc (XIV. Jahrhundert) von Wales
abgesegelten Colonie, die bei Balize in den Missisippi eingefahren,
stammen sollten.
Während die Chalaquis') der Berge Lama-Hecrden züchteten,
') Nelicii dem K.Tk.nna, als ciiilieiiiiische Sprache (s. Tccho), redeten die I.ules tlas
von den .Matar.is angenommene Tonocote und das (Juechiia. Die im Kreise .aufgestellten
Stäbe, mit Widderldut hestrichen und mit Federn aufgeputzt (s. Guevara), wurden im
^üdlichen Tucuman als Donner und Blitz verehrt (hei den Calchaquies). II y a une si^cle,
ime foule de fcrmes a heiail nc comptaient qn'une partie de leurs animaux reduits (aman-
sados), le roste etail alzado (en la Confederacion Argentine). On ne chaysait ces demiers
que pour le cuir. -Man muss sich dem Vieh oft zeigen, um es an den Anblick des
Mensclien /» gewöhnen, einen Theil ih'v jungen Stiere castrircn und nun eine bestimmte
Zahl von Stieren auf die Kühe vertheilen, sonst werden die Heerden halbwnld, oder zer-
574 RELIGION UND SITTE.
oder die Vicufta und Guanaco's jagten, bebauten die der Thäler den
Boden, unter einem ausgedehnten System von Wasserleitungen, und
es finden sich noch an verschiedenen Puncten die Reste ihrer für
Rückzugsplätze angelegten Befestigungen (s. de Moussy).
„Das Reich Peru hat von keinem Ding grösseren Nutzen, alss
vom Viehe, sonderlich aber von dem, welches wir Schaf, sie aber
Llama heissen, und wann mans recht betrachtet, so ists das aller-
nützlichste Viehe, dann es nicht viel kostet. Sie bekommen von
diesem Viehe, Kost und Kleider, wie man in Europa von Schafen
hat. Die Indier haben von ihren Schafen noch mehr Nutzen, wann
man alles recht bedenkt, sonderlich aber diss, dass ihnen ihre Schaf
alles herbey tragen , was ihnen nöthig ist: Zu dem, so dürffen sie
diese ihre Pferde und Meuler nicht beschlagen lassen mit Eysen, sie
bedürfen keiner Sättel und Zaum, desgleichen dürffen sie auch nicht
viel Habern dazu, dann sie lassen sich mit den Gras begnügen:
darauss sehen wir, wie Gott die Indier beydes mit Schafen und auch
mit Lastpferden versorget habe: Und weil in Indien ein arm Volk
ist, will Gott nicht, dass das Volk gross Unkosten habe, derwegen
er ihrem Vihe Grass und VVeyd genug auff dem Gebirg bescheret
hat. Dieser Schaf oder Llamas^) sind zweyerley Geschlecht. Eine
streuen sich, um nach früheren Weideplätzen zurückzukehren. Um wieder Ordnung her-
zustellen, niuss ein grosser Theil der Stiere, die um die Kühe kämpfen, getödtet werden
und die Züchtung nur unter den lenksamen Kühen eingeleitet (s. de Moussy). Les chiens
ä brebis (perros orejeros) , qui seuls autrefois (itaient charges de conduire et de defendre
les immenses troupes (majadas) de brebis, que Ton envoyait paitre dans la Pampa,
^taient enleves tres-jeunes ä leur m^re, et on leur donnait a teter ces brebis qu'on main-
tenait au corral jusqu'ä ce (pi'ils fusscnt assez forls pour marcher (s. de Moussy). Les
Indiens de Monte Grande y de Sanlyago firent alliance avtc les Espagnols et se con-
fondirent avec eux. Teile fut Torigine de la population i)remi^re de Buenos Ayres.
Von den zu den Guarani gehörigen Calchaqui, die das (in Santiago del Estero erhaltene)
Quechua angenommen und im Kriege 1670 (unter Verpflanzung des hartneck igsten Stammes
der Quilmez nach Buenos Ayres) grösstentheils (besonders in den Acaliern) zu Grunde
gingen, wohnten die Calchaquis in den Thälem von Anillaco und Famatina, sowie am
Salines de Catamarca, die Quilmez auf der Aconquija gegenübezliegenden Kette, die An-
dagales am Südabhang des Nevado Salines, die Acalier im Thal von Anucan, die Lules
am Ostabhang von Aconquija bei Tucuman, die Juris östlich von der Sierra de la Rioja, die
Diaguitas und Escalonis in der Ebene bei Salines, die Comechigones in der Sierra von
Cordova, die Michilengues in der Sierra von San Luis, die Calingastas bis zum Flusse
Mendoza (wo sich ihre Anpflanzungen mit den Indianern des Südens berührten, die gegen
die Inca ihre Unabhängigkeit bewahrten). Die Humaguacas und Tumbayas am obern
San-Francisco, durch welche die Communicationen zwischen Peru und La Plata beunruhigt
wurden, fanden unter Erbauung der Stadt Jujuy durch die Spanier ihre Unterwerfung.
*) En comun los nombran los Indios con este nombre llama, que es ganado: al
pastor dicen llama raichec, (juiere decir el que apacienta el ganado. Para diferenciarlo
llaman al ganado mayor huanacullama, por la semejanza que en todo tiene con el animal
HEERDEN. 575
Art sind die Pacos oder Wollntragcnde Schaf: Der andern Art sind
die, welche wenig WoIIn haben, und diese sindt besser zur Arbeit,
dann sie die Bürden wol tragen mögen. Sie sind grösser dann Schaf
und kleiner dann Kälber, haben lange Hälse, wie die Camelen,
welches also seyn muss, dann weil sie hoch sindt und. einen erho-
benen Leib haben, stehets ihnen wol an, dass sie lange Hälss haben.
Von Farben sind sie underschiedlich, etliche gantz weiss, etliche
gantz schwarz, etliche graw, etlich spränklicht: Die Indier heissen
sie Mocomoro. Die Völker in diesem Lande hatten in ihren Opfifem
grosse Achtung auff die Farben, solche muste seyn nach den Zeiten
und underschiedlichen Würckungen. Das Fleisch dieses Viehes ist
gut, wiewohl es zehe und hart ist. Die Lämmer sind am lieblichsten
zu essen, man schlacht aber deren wenig. Der beste Nutz ist, dass
sie die Woll davon bekommen, und daraus Tücher machen, und
dass sie Last tragen. Die Indier bereiten die Wollen, machen Ge-
wandt darauss, mit welchen sie sich kleyden: Das Gewandt aber ist
grob, und heissen es Hauasca, das aber zart und gut vein Gewandt
ist, heissen sie Cumbi, von welchem sie Tischtücher, Decken, Tape-
zerey und gewirckt Tuch machen, die lange Zeit wehren sollen, und
so schön gläntzen, als ob es Seyden wäre. Sie haben ein besonder
Art zu weben, dass sie aufif beyden Seiten alle Werk weben, so sie
wollen, also, dass man an einigem Ort dess gantzen Stücks den
Faden oder Endt desselben unterscheiden kann. Die Könige Inges
hatten kunstreich Leuth, so diss Gewandt webten. Die vornembsten
Weber wohnten in der Provinzien Capachica, beym grossen See
Titicaca. Sie färben diss Cumbi mit sonderlichen Farben von Kräu-
tern, welche sich wol zu diesem Gewandt arten. Alle Indier, ja
auch die Weiber auff dem Gebirg können nicht allein grob Arbeit,
sondern auch das veine Tuch machen. Das weber Gezeug haben
sie in ihren Heusern, desshalben dürffen sie kein Tuch kauffen, noch
auch andere machen lassen. Das Fleisch von diesem Vieh dörren
sie im Rauch, welches sich nachmals so lange hält. Es wirdt dessen
sehr viel verbraucht. Sie halten auch diese Schaf der Ursach halber,
bravo que llaman feuanacu, que no difieren en nada sino en las colorcs: que cl manso
es de todos colores como los caballos de Espaßa, segun se ha dicho en otras partes ; y el
huanacu bravo, no tiene raas de un color, que es castado deslavado, bragado de castaflo
mas claro. Este ganado es del altor de los ciervos de Espafia, a ningun animal semeja
tanto como al camello, quitada la corcoba y la tercia parte de la corpulencia. Tiene
o\ pescuezo largo y parejo , ciiyo pellejo desollaban los Indios cenrado , y lo sovaban
con sebo hasia ablandarlo y ponerlo como.
576 RELIGION UND SITTE.
dass sie ihn allerlcy Last tragen, thun deren einen grossen Häuften
beyeinander, also dass auf 400 ja oft 1000 zusammen kommen, welche
mit Wein, Coca, Mays, Chunno, Quecksilber und anderer Waar, es
sei nun was es wolle, also beladen hinziehen. Auch tragen sie die
Batras oder» Blatten Silbers von Potosi gen Arica, welches 70 Meyl-
wegs sindt, vor Zeiten brachten sie solche gen Arequipa welches
150 Meyl sindt. Wir haben sich ofift verwundert, dass diese Schaf
wol mit zwei tausend Barras oder Blatten beladen giengen, welche
auf dreyhunderttausend Ducaten werth sindt, und hatten keinen
andern Wärter bey sich, denn nur etliche wenig Indier, welche sie
führten, den Weg wiesen, und auff und ab luden: Aufts meist war
ein einziger Spanier dabey. Sie schlaffen des Nachts under dem
freyen Himmel, und haben niemandts weitters bey sich, als jetzt
erzehlt, dannoch hats an so viel Silbers niemals gemangelt, also frey
und sicher ist in Peru zu reysen. Ein jedes Schaf tregt gemeinlich
vier oder sechs Arroben gewichts, und so die Reyss weit ist, gehen
sie dess Tags nicht über vier Meyl. Die Schäffer aber haben ihre
bekannte Ruheplätze, da sie weyden und Wasser finden, da sie die
Schaf entladen und ihre Zelt auffrichten, ihr Fewr anmachen, kochen
und machen ihnen die Reyss nütz, wiewol es sonst an sich ein lang-
weiliges Reysen ist. Da aber das Reysen nur einen Tag währet,
kan dieser Schaf eines wol auff acht oder mehr Arroben tragen.
Und gehet den gantzen Tag mit voller Last auff 8 oder zehen Meyl,
wie die arme Soldaten auch gethan, so in Peru reyseten. All diess
Vihe lebt gern an kalten Orten, gedeyet wol auff dem Gebirg: Im
flachen Feld sterben sie vor Hitze. Es kömpt offtmals mit Reiff und
Eyss bedeckt, noch ists gesund und wol zu Pass. Die schlecht-
härigen Schaf haben ein liebliches und anmüthiges Gesicht, bleiben
wol auff den Weg stillstehen, heben den Halss empor, sehen einen
mit grosser Verwunderung ein lange Zeit an, und geben kein Zeichen
von sich, als ob sie sich frewen oder förchten, also dass man ihrer
lachen muss, wann man ihr Stätigkeit ansihet. Gleichwol lassen sie
sich auch leichtlich erschrecken, lauffen geschwindt mit ihrer Last
auff die höchste Steinfelss. und begibt sich offt, wan man nicht zu
ihnen kommen kann,, dass man sie mit einem Rohr herab schiessen
muss, auff dass man nicht das Silber verliere, so sie tragen. Die
Pacos werden bissweilen so grimmig, dass sie mit ihrer Last auff
die Erde fallen, und .sich ehe zu Stücken zerschlagen lassen, ehe sie
auffstehen, also einen bittern Zorn haben sie. Daher hat man in
Peru ein gemein Sprichwort von denen gemacht, so sich nicht wollen
HAUSTHIERE. 577
regieren lassen: Der ist cmpaciert, das ist, er ist den Pacos gleich,
rückt ihm also seine Halsstarrigkeit auff. Derwegen thun die Indicr
nichts anders, dann dass sie sich bey die Pacos nidersetzen und
ruhen, jnen liebkosen, und sich freundlich gegen sie stellen, bis sie
von sich selbst wieder auffstehen. Müssen also offt drey gantzcr
Stund jnen ausswarten. Sie bekommen eine Mangel wie ein Reu-
digkeit, welchen man Carache heisset, davon sie offtmals sterben.
Hierzu haben die alte diese Artzney erdacht, dass sie das Schaf
lebendig verscharren, damit es andere nicht auch anstecke und ver-
unreinige, dann es ist ein Mangel, der umb sich frisset. Wann ein
Indier dieser Schaf eines oder zwey hat, so dünckt ihm, er sey ein
reicher Mann. Ein Stück dieses Viehes gilt gemeinlich sechs, sieben
oder mehr geläutert Pesos, jedes Stück nach der Zeit und Ort, da
es aussgeben wirdt." (1597) Die königlichen Lama - Herden
wurden an einem Jahrestage geschoren, und dann die Wolle für
Verarbeitung unter die Dörfer vertheilt.
Ausser der Nufluma genannten Entenart kannten die Peruaner
kein zahmes Geflügel, doch in dem Guineaschwein (Kuyz) eine Art
Hausthier (neben dem Lamaheerden). In Cartagena wurden die
Guayaiz genannten Enten in den Häusern gezogen (s. Oviedo).
Als der Hahn in Tumbez krähte, fragten die Indianer verwundert,
was er sage, und später soll seine Stimme mit dem Namen Ata-
hualpa in Beziehung gesetzt sein, von den Knaben auf der Strasse
nachgeahmt. Als bei der Gefangennehmung Atahualpa's der Hahn
krähte, gaben diesem die Indianer seinen Namen (meint Santa Cruz)
Von Mexico erhielt Europa den Truthahn (Huexolotl oderTotolin).
Als erster Besitzer von Kühen in Cuzo ward Antonio de Alta-
mirano von Garcilasso de la Vega genannt, und die ersten Pflug-
ochsen machten solches Aufsehen, dass ihre Namen erhalten wurden
(Chaparro, Naranjo und Castillo). Zu den einheimischen Hunden
(Gozqucs) wurden spanische eingeführt, und neben der einheimischen
Ratte (Ucucha) verbreitete sich die spanische an der Küste. Das
Kaninchen stammte von einem schwangern Weibchen , das auf dem
Wege nach Cuzco (von einem durch Andres Lopez mitgebrachten
Paar) aus dem von den Indianern während des Ausruhens neben
einem Bach niedergesetzten Käfig entkam (in rascher Vermehrung,
wie ebenso Schaafe, Ziegen, Schweine, Katzen u. s. w.).
Wie in der bildlichen Darstellung Figuren von Insecten eine
vorwiegende Rolle spielen, im Einklang mit dem an grösseren Thieren
verhältnissmässig armen Continent, so wird aus einigen Theilen
Bastian: Amecica. I. «')<
.578 RELIGION UNO SITTE.
Amcricas eine Hausthierzuchtartige Behandlung der Ameisen er-
wähnt. Die zwischen den Flüssen in den Llanos (bei Bogota) leben-
den Indianer „ninguna cosa comian, sino hormigas", die in Höfen
gezüchtet wnirden und zwischen Steinen gemahlen (Oviedo). Die
Chichimeken bei Panuco verfertigten kleine Kuchen aus gebackenen
Mosquitoes (s. Uhde). In Guiana wird die mit dem Fett der Schild-
kröten gesättigte Erde ausgesogen (s. Baumann). In einigen Gegenden
(des Magdalena) legte man Maiskuchen auf die AmeisenhügeP), und
briet die dadurch im Kuchen angesammelten Insecten (s. Herrera).
Die Pancher brieten die Ameisen (nach Dapper).
Von wilden Thieren (wie in den Menagerien Mexicos) hielten die
Inca auch Strausse auf Suri-hualla oder Ebene der Strausse (Suri)
bei Cuzco.
Ausser den Treibjagden (der Chacos) haben die Peruaner (heisst
es bei Linschotten) „noch ein sonderlich Art, Vicunnas zu fangen,
nemblich, dass sie solche so hart aufif ein Ort treiben, dass sie sie
bewerfen mögen; alsdann werffen sie kleine leine Seyl aus, daran
Bley ist, die verwirren sich in ihre Beine dass sie nichts mehr lauffen
mögen, fangen sie also nach ihrem Wolgefallen" (Humberger), im
XVI. Jahrhundert (wie mit den Bolas des Süden's). Die Vögel an
der Lagune von Vilcanoto wurden nach dem Entfedern (für die
Schmuckarbeiten des Inca) wieder in F'reiheit gesetzt (s. Herrera i, wie
die in Verapaz, die den Königen Mexico\s ihren Tribut an Federn
lieferten (und ähnlich auf Hawaii).
,,Die Peruaner verarbeiten den Mais (Sara) zu dreierlei Gebäck
als Cancu (für Opfer), Haminta (für Feste) und Ttanta (für tägliche
Nahrung)". Neben dem Kochen auf Heerden, findet sich die Er
hitzung durch Steine^) (besonders unter Vergraben, wie auf Tahiti)
und in Californien wurde damit, in wasserdichten Körben, Wasser
zum Sieden gebracht.
Im heiligen Wald Guamachuco's war die Jagd dem Inca reservirt,
und so hatten die Häuptlinge in Cumana ihre Jagdparke und
Fischereien. Bei den Jagden der Inca's im Zusammentreiben der
Vicufia's wurden die Jungen und Weibchen für die Fortpflanzung
*) Comen araAas, buevos <le hormigas, giisanos e largartyas, culcbras, viborns c
conien terra e madera y cstiercol de venado (in Mal-Hado). Auf den mexicnnisclun
M.Hrkten verkaufte man ,, hormigas grandes tostadas"' (s. Torquematla).
') Der (auch Vrdundr's Verfertigungsweise zugeschriebene) Jarknasteinn , ,,(Ut beim
Kcsselfang in das heissc Wasser geworfen wurde" (s. CJrimm) deutet auf Kcminiscen7i n
;ms der primitiven Kochwciso.
JAGDGERECHTE. 579
wieder freigelassen. Zum Gewinnen von Wolle wurde Treibjagen
abgehalten, und das Rohmaterial unter die Provinzen verthcilt, zur
Verfertigung von Kleidern, was den Fünfzigjährigen oblag unter Bei-
hülfe der Greise.
Die verschiedenen Jagdbezirke waren genau gegeneinander ab-
markirt, „y tambien les hestava proyvido matar hembras de lo brabo
como de lo manso" (vom Wild, wie von den Heerden.
Die Peruaner führten (noch zu Garcilasso de la Vega's Zeit) die
Vyaca genannten Feuerstöckc^) auf Reisen mit sich. Das Opferfeucr
wurde mit dem Chipana genannten Spicgelring entzündet, ähnlich
dem von Priestern an deren linken Handknöchel getragenen, obwohl
grösser und blank polirt, wie Garcilasso zusetzt (und Strepsiades be-
schreibt bei Aristophanes).
Die Steinhäuser*) waren mit Matten gedeckt. Die Palläste der
Inca enthielten hohe Thüren, durch welche man auf Sänften eingehen
konnte. Dagegen sind die niedrigen Hüttenthüren der Chiquitos
kriechend zu betreten. Für die Häuser wurde Kalkmörtel (Lanca-
') Zum Feuerreiben gebrauchten die Mexicaner Hölzer vom Orleanbaum (Bixa
Orellana) und bedienten sich auserdem (nach Boturini) der Kieselsteine zum Ausschlagen
eines Funken. Als Beleuchtungsmaterial werden in Peru Fackeln erwähnt. Die Mexicaner
verfertigten „Fackeln von Ocotl*, welche zwar ein helles Licht und angenehmen Geruch
gaben, aber rauchten, und die Gebäude voll Russ machten. Eine andere europäische Ge-
wohnheit , die sie bei der Ankunft der Spanier am meisten priesen , war der Gebrauch
der Lichte".
*) Die Wohnungen der Armen waren entweder von Rohr, oder ungebrannten Ziegeln,
oder von Stein und Schlamm gebaut , und die Dächer von einem langen Grase , welches
stark ist , und zumal in heissen Ländern häufig auf dem Felde wächst , oder von Aloe-
blättem, die wie Ziegel, denen sie an Dicke und Gestalt gleichen, über einander gelegt
wurden. Einer von den Balken, welche das Haus trugen, war gemeiniglich ein wohl-
gewachsencr Baum, der ihnen nicht nur durch Laub und Schuten Vergnügen gewährte,
sondern auch Arbeit und Kosten durch seinen Stand verminderte. Eine solche Wohnung
hatte meistens nur eine Kammer, darin man die ganze Familie, die ihr zugehörigen
Ifausthiere, Feuerheerd, und alles Gcrälhe beisammen antraf. War die Familie nicht gar
zu arm, so waren mehrere Zimmer z. B. ein Bettstübchen, ein Bad, und ein kleiner Korn-
boden im Hause vorhanden. Die Häuser der Adelichen, oder Personen von Vermögen,
waren von Stein und Kalk gebaut , bestunden aus zwei Stockwerken , hatten Vorsäle,
grosse Höfe, und schicklich angeordnete Zimmer; das Dach war eine platte Terrasse;
die Wände waren so weiss und glatt polirt, und gaben einen solclien Glanz von sich,
dass sie den Spaniern in der Entfernung wie Silber schienen. Der Fussboden war ein
platter ebener Estrich von Gips. Viele von diesen Häusern hatten Thürnie, und die
die Mauern oben Einschnitte , wie die Schiesslöcher unserer alten Stadtmauern (s. Cla-
vigero) in Mexico. Die mit den Huachipairis (su estatura es mas alta que mediana) gleich-
sprachigen Sirineyris (durch welche die Pucapacuris oder Cionece vertrieben wurden) woh-
nen in gemeinsamen Häusern (s. Göhring). Die l'aupes am Rio Negro leben zusammen
in Famdienwohnungen (s. Wallace), wie in Bomeo (und sonst).
580 RELIGION UND SITTE.
callpa) verwendet, die Festungen waren aus polygonen Steinen
gefugt. An der Küste wurde mit Luftziegeln gebaut. Als de Soto
von Caxas nach Guancabamba kam, fand er die an der Küste aus
Luftziegeln hergestellten Häuser durch Steingebäude ersetzt.
Die in Klüften rauschenden Flüsse waren mit Netzbrücken
überspannt.
Die Curacas bedienten sich der Tiyana genannten Thronsessel
zum Sitzen^) (in Peru) und als Betten Matrazenartiger Kissen^) und
Decken.
An der nördlichen Küste (Perus) wurden, neben den kurzen
Gewändern, mehrfach gewundene Ringe an Armen und Beinen ge-
tragen (s. Zarate). Mit Figuren') eingewebte Hemden werden in
den Gräbern gefunden. Die gewöhnlichen Zeuge') hiessen Anasca,
die feineren Compi oder (bei Santa Cruz) Cumpi. In Pausaleo (bei
Ouito) wurde ein Hemd ohne Kragen und Aermel (mit Oeffnungen
für die Arme) getragen (s. Cieza), wie ähnlich in den übrigen Pro-
vinzen.
Die Spanier erhielten in Caxas Gewänder, von denen es sich nicht
bestimmen liess, si era seda 6 lana segund su finega, con muchos
labores 6 figuras de oro de martillo de tal manera assentado en la
ropa que era cosa de maravillar, que en Espafia y en todo el mundo
*) Das Hausgeräth stimmte keineswegs mit ihrer Neigung zum persönlichen Putz
ül)erein. Die Betten bestunden aus einer oder zwei schlechten Schilfdecken: wozu bei
<len Reichen noch feine Decken von Palmen, und Betttücher von Baumwolle kamen, und
bei den vornehmen Herrn mit Federn durchwebte I-einwand. Zum Kopf küssen der
Armen diente ein Stein oder hölzerner Klotz, und bei den Bemittelten vermuthlich Baum-
wolle , der Gemeine deckte sich blos mit seinem Mantel zu , die Vornehmen mit abge-
nähten Decken und Fedeni. Beim Essen breiteten sie statt des Tisches eine Decke auf
dem Fussboden aus. Sie hatten Servietten, grosse und kleine Schüsseln, irdene Töpfe,
Krüge, und andre Gefasse von feinem Thon, aber so viel berichtet wird, weder Messer noch
Gabeln. Die Stühle bestunden aus niedrigen Sesseln, von Holz und Binsen, oder Palmen,
oder einer Art von Rohr, Icpalli, woraus die Spanier Equipales gemacht haben. In
keinem Hause fehlte der Metlatl und Camalli. Der Metlatl war der Stein, darin sie ihren
Maiz und Cacao malten, und ist noch in Neuspanien, und fast in ganz America allge-
mein. Die Europäer haben ihn auch angenommen , und in Italien bedienen sich die
(-hocoladenmacher desselben zum Malen der Cacaobohnen. Der Camalli war und ist
noch eben so gebräuchlich als der Metlatl , und ist eine nmde tiefe Pfanne , etwa einen
Zoll dick, und ungefähr fünfzehn Zoll im Durchschnitt. Die Trinkgefasse der Mexicaner
waren aus einer den Gurken ähnlichen Frucht gemacht , welche in heissen Gegenden auf
einem Baum mittlerer Grösse wächst (s. Clavigero) in Mexico. Votan führte die Bestecke ein.
') Die Peruaner ,,dormian en el suelo en unas calchones grandes de algodony tenian
unas ffre^adas grandes de lana con que se cubijaban (s. Pedro Pizarro).
') Bei den Scherues (oder Xarayes) waren (nach Schmidel) Hirsche und Thierfigurtn
in die Baumwollzeuge eingewebt, und fanden sich Goldsachen.
KLEIDUNG. 581
se estimära por muy rica 6 sutil obra (s. Oviedo). Die Mama-cunas
webten die Kleider*) der Inca und bereiteten die Speisen.
Von den Frauen wurden lange, von den Männern kurze Kleider
getragen und Brustnadeln zum Zusammenheften des Obergewandes.
Die Gewänder wurden mit Figuren aus geschlagenem Gold und
Silber, mit Federn und edlen Steinen verziert. Die feine Wolle wird
von Alpaca und Vicufla, die grobe von Lama und Huanaco geliefert.
Holzschnitzereien finden sich an den Sceptem (auch unter dem Guano
gefunden) und (bei den Chibchas) am Sessel.
Die Sandalen (Usutas oder Ojotas) oder Lianguis waren aus Leder
verfertigt (oder aus Bast). Zum Gerben wurden die Felle in faulendem
Harn erweicht.
Für Thonarbeiten war Truxillo berühmt (wie es die Funde be-
stätigen.
Cieza de Leon beschreibt das Weben und bemerkt von den auf
die Zeuge aufgetragenen Farben^) (roth, blau, gelb, schwarz), dass
sie an Vorzüglichkeit die spanischen übertrafen. •
Die Frauen in Peru bedienten sich der Spindel, auf einem Kürbis
gedreht. Von dem (Bukia) Buhca genannten Spinnen der Frauen
(mit der Spindel oder Puchca) unterscheidet Garcilasso die von den
Männern (für die zur Befestigung der Sandalen oder Lasten dienenden
Fäden) verwandte Spinnweisc (Milluy), indem die Wolle mit einem
Stöckchen gedreht wurde (wie auch sonst archaistish).
*) Nach dem Tschou-Ii halten die rallaslfraucn Seide zu verarbeiten und wurde die
Cultur der Seidenwürmer jährlich durch die Kaiserin inaugurirt.
') Roth erhielten sie aus dem Achiotl oder der Rocoupflanze in Wasser gekocht;
Purpur von der Nochiztli oder der Cochenille; gelb vom Tecozahuitl, oder Ocher,
u<lcr auch von der Pflanze Xochipalli, deren Blätter dem Beyfuss (Artemisia) gleichen.
Die Blumen dieser Pflanze, mit Salpeter in Wasser gekocht, gaben eine Orange-
farbc. So wie sie bei dieser Pflanze Salpeter zur Gewinnung der Farbe gebrau-
chten, so bedienten sie sich bei andern des Alauns. Sie zerrieben die Alaunerde,
und lösten sie in Wasser auf, welches sie Tlabcocotl nannten, und kochten es in irdenen
Gefasseu , und zogen alsdann den reinen weissen durchsichtigen Alaun heraus , und zer-
theilten ihn , ehe er völlig hart ward , in kleine Stücken zum Verkauf auf dem Markte.
Damit die Farben desto fester hielten, rührten sie solche mit dem leimartignn Saft des
Tzauhtli oder dem feinen Gel von Chian an (s. Clavigero). Weiss, erhielten sie von
dem Stein Chimaltizatl, welcher durch das Calciniren wie ein feiner Gips wird, und von
einem Mineral, das wie ein Lehm zu einem Teig geknetet, und in Kugeln geformt wird,
da es denn im Feuer eine dem Spanischen Weis ähnliche weisse Farbe bekommt. Schwarz
lieferte ihnen ein anderes Mineral , welches seines stinkenden Geruchs wegen Tlalihijac
hiess, oder der Russ von der aromatischen Fichte Ocotl, der in kleinen töpfcrnen Gefassen
gesammlet ward. Blau und lichtblau gaben die Blumen von Matlalxihuitl, und von der
Indigopflanze Xiuquilipitzahuac, obgleich die Zubereitung des Indigo ganz von der heuti-
gen abwich (im alten Mexico).
582 RELIGION UND SITTE.
Nach Garcilasso führten die Frauen auf ihren Wegen und sonstigen
Beschäftigungen stets die Spindel mit sich (im alten Peru).
Wenn eine Frau untergeordneten Standes eine höher Gestellte
besuchte (besonders aus der Klasse der Palla), so ersuchte sie (wie
Garcilasso erzählt) nach den ersten Begrüssungsworten, um die Ge-
wogenheit, dass ihr eine Arbeit (im Spinnen oder Weben) während
der Unterhaltung übergeben werden möchte.
Zum Nähen*) wurden lange Dornen angewandt, und aus dem
Zusammenbinden solcher (nach der Beschreibung) Kämme gefertigt.
Wie Garcilasso erwähnt, verstanden die Peruaner gewisses Zeug
so genau in Uebereinstimmung mit dem Gewebe auszubessern, dass
es wieder wie neu erschien.
Die Frauen verfertigten die Kleider (in Peru), die Männer dagegen
die Sandalen, indem sie bereits vor der Jünglingsweihe darin unter-
richtet wurden (s. Garcilasso de la Vega).
Die Inca trugen ein bis zu den Knieen fallendes Gewand^) (Uncus
oder Cusmo) und darüber den Yacolla genannten Mantel viereckigten
Zuschnitts (nach Garcilasso de la Vega), sowie den Chuspa (oder Beutel
für Coca). Die verschiedene Male um den Kopf gewundene Binde
reichte mit dem rothen Besatz von Schläfe zu Schläfe, bei den
regierenden Fürsten, während an dem Kopfschmuck der übrigen
Prinzen die Paycha oder Troddel (rother oder gelber Farbe) herab-
fiel (über die linken Schläfe). In Feinheit der Zeuge wurden (wie
bemerkt) mehrere Arten unterschieden.
Neben Königlichem Schmuck in den verlängerten Ohren war
der Inca durch die Llautu genannte Stirnbinde kenntlich. Die Inca
waren von ihren langen Ohren benannt, comme nous en France
oreilles de Bourbonnois (sagt Thevet).
Die Orejones (als Inca) trugen die Ohren geöffnet, wie die Cho-
^) Que cosa y cosa que va por un vallc y Ueva las tripas arrastrando? (esta es el
ahuja cuando cosen con ella, que Ueva el hilo arrastrando), als mexicanische Räthsel-
frage (bei Sahagun).
2) Die Mexicaner hatten nicht so viel besonderes in ihrer Kleidung, als in ihren
Nahrungsmitteln. Ihre gewöhnliche Kleidung war äusserst einfach, und bestand bei den
Männern in Maxtlatl und Titlmatli, und bei den Weibern in Cueitl und Huepilli. Der
Maxtlatl war ein grosser breiter Gürtel, dessen beide Enden vorne und hinten hinabhingcu,
um das, was die Ehrbarkeit erfordert, zu bekleiden. Der Titlmatli war ein viereckiger
Mantel, ohngefahr vier Fuss lang, dessen Enden vor der Brust oder auf der Schulter
zusammen geknüpft waren. Der Cueitl war ein viereckiges Stück Zeug oder Sack, darin
sich die Weiber von den Hüften bis auf die Waden hüllten ; und der Huevilli ein kleiner
Latz ohne Aermel (s. Clavigero). Die i6 Arten verschiedener Kleider, welche die
Mexicaner trugen, führt Sahagun auf (Capitel 8, Buch VIII.).
AURITULUS. 583
rotcgas in Nicaragua und die Guarichas an der Perlküste. Auch die
Cobcu am Uaupes (s. Wallace) tragen Ohrpflöcke, gleich den Boto-
cudcn, die den Pflock der Lippen (gleich den Koloschen) zufügten.
Die Garanhun (bei Pernambuco) trugen goldgelbe Harzcylinder in
den Ohrläppchen*).
Bei den Aquiteguedichaga (Nachbarn der Cacoy oder Orejones)
zeichnen sich die Frauen durch ihre langen Ohren aus (s. Azara).
Nach Long ziehen die Rothhäute die Ohren aus zur Vergrösserung.
Von den Langohren in Napo bemerkt Orton: „The Orejones
enlarge those appendages to such an extent, that they are said to
lie down on one ear and cover themselves with the other ' (mit den
indischen Fabeln übereinstimmig). Am Flusse Sagadahoch hörte
Pofam, ,,dass längst dem Flusse landwärtsein Menschenfresser wohnetcn,
deren Zähne drey Daumen lang aus dem Maule hervorragten, und
dass der Teufel Tanto ihnen alle Mohnden einmahl erschiene und
sie jämmerlich plagete. '
Als die von Ynca Capac Yupanqui unterworfenen Quechua bei
dem Aufstande der Chancas gegen Yahuarhuacac (Vater des Vira-
cocha) Hülfe gesandt, erhielten sie das Vorrecht der Kopf binde
(ohne Troddeln), sowie das des Ohrschmuckes ^), obwohl in einiger
Verschiedenheit von dem durch die Inca getragenen.
Dagegen scheinen die Inca andere Körperentstellungen, wie das
Tättowiren (mit einer Linie von Ohr zu Kinn zwischen Passaos und
Solango) abgeschafit zu haben, und die Nasendurchbohrer (Metall-
Nasen) oder Quillasenca (Eisen-Nasen), deren Nasenschmuck bis über
den Mund fiel (s. Garcilasso), waren bis an die Grenze des Reichs
(zwischen Quitu und Pastos) zurückgedrängt (während sie dann den
Norden füllten). Nach Garcilasso trugen die Huancavilcas Nasen-
schmuck').
*) Traziao uieltidas eii l)urac«>s quc faziao nas urclhas c iio bcigo inferior rodcUos
tlc madeira (die Tapujas). Die Partnlinün (mit den Mundrucus verwandt) fügen Pflöcke
in Ohren und Lippen ein (auch den Nasenknorpel durchbohrend). Die Majuruna (am
Jabari) tragen (neben Pflöcken in den Lippen) Federn in den Mundwinkeln, sowie
Muscheln in den durchbohrten Ohren und der Nasenspitze.
*) Some of the Indians wear great bobs in their ears (s. Lawson) in Nord -Carolina
(XVIIL Jahrhundert). Agujeranse las narices, como las orejas (in Panuco).
') Bei den Tupinamber durchbohrten die Frauen die Ohren, die Männer (die an der
Unterlippe Schmuck trugen) die Nase (s. de Lact). Die Häuptlinge der Chiriguanos
versammeln sich zur Hcratliung nach dem Bade , und nnl Federn geschmückt. Les deu\
sexes (chez les Chiriguanos) sc pcignent le corps et la figure de rouge et de noir, tandis
(ju'ä l'homme seul est reserve l'honneur de se faire une ouverture ä la l^vre inferieure,
584 RELIGION UND SITTE.
Wie die Männer vorn über den Mund hängende Platten*), trugen
die Frauci einen nach dem Rang um so schwereren Nasenring, so
dass die Nase über den Mund herabgezogen wurde (auf Terra Firme).
Die Indianer (vom See Arbitibis) „sind auf grosse Ohren sehr stolz
und dehnen sie so weit als möglich aus" (s. Long).
Wie die (bei Tupis als Tembeitara bezeichneten) Lippenpflöckc
(Beto) und Ohrenpflöcke (Beto-apoc), trugen die Botocuden Knic-
und Fussschnüre (s. Martins).
Die Catauichis (am Teffe) durchbohren die Lippen rings herum
und fügen dann Stäbchen in die Löcher (s. Bates).
Die Tättowirung mit dem Malha oder (blauschwarzen) Gesichts-
fleck wird allmählig vorgenommen (bei den Passes). „Auf dem
Lande Katamez stritten sie mit einem seltsamen Volckc, welches
die Angesichter vol güldener Nägel in gepohrten Löchern trug (s.
Dapper).
Der Tanga (Schürze*)) oder dem Gürtel (Cua pecoagaba) wird
durch Einfügung von Zähnen oder Klauen die Bedeutung von Amuletten
oder Nachweis von Heldenthaten gegeben (s. Martius) in Brasilien.
Die Vornehmen (in Darien) trugen über dem Munde ^) ein in
halbmondförmiger Gestalt der Nase eingeklemmtes Blech aus Silber
afin d'y passer la barbolc, qui consistc cn un bouton de plomb ou d'elain de la grossciir
d'une pi^ce de deux francs , lui seul encorc peut b'uruer la tele des plumcs des oistaux
de son pays (s. d'Orbigny). „An Leffzen und Ohren hingen bunte güldene Ringe und
derselben gar vil, welche alle aneinander gefesslct waren, und dieses war des Heiden
Zier" (an dem Flusse Quiximionim) 1622 (s. Petrus de Victoria). Die Brasilier trugen in
der Unterlippe den Stein Metara oder (wenn grün oder blau) Metarobi, „virideni autem
imprimis aniant" (s. Marcgrav).
^) Die das Gesicht (wie am Huallaga) schwärzenden Indianer (vonjaen) ,,usaban la
hojica ö patenita de plata suspendida al tabique de la nariz, conio usan todavia los
salvajes Conibos" (s. Raymondi). Die Indianer (von Cali) ,,tenian las ternillas de las
narizes horadadas en que ponian por gala cailutos retorcidos de oro" (s. Piedrahita).
3) Wenn die aufwachsenden Mädchen (bei den Cariben) statt des bisherigen Gürtels
die Schürze erhalten, ,,leur m^re ou quelques-unes de leurs parentes leur fait des brodequins
aux jambcs, elles nc les otent Jamals h moins qu'ils ne soient absolument usez ou d(5chirez
par quelque accident, et quand elles le voudraient faire il ne leur serait possiblc, car
ils sont travaillez sur le lieu oü ils doivent toujours demeurcr, leur epaisscur h^ fait
demcurer debout, ils sont si serrez, qu'ils ne pcuvent ni monter ni descendre, et comme
dans cet Äge les jambes n'ont pas encore toute leur grasseur, quand eile vient ä augmentcr
avec les anndes , elles se trouvent si serrees que le molet devient beaucoup plus gros et
plus dur qu'il n'aurait 6t€ naturellemcnt (s. Labat).
•) In Darien wurde bei beiden Geschlechtern während der Unterhaltung der Mund
verdeckt (aus Schamhaftigkeit). Die Caracolis (der Caraiben) ,,sont faits comme des
croissans de grandeur differentc selon le lieu, oü ils doivent servir. Ils en portent d'ordi-
naircment un ä chaque ureille, dont la distance d'une conie ^ l'autre est d'en\iron deux
SCHMUCK. 585
oder (bei den Fürsten) aus Gold, das sie für die Feste breit (auf
Reisen und Jagd klein) trugen, während der Mahlzeit (wie die Frauen
ihre Ringe in der Nasenwand) bei Seite legten, und dann, nach dem
Reinigen, wieder aufnahmen. „Der König oder Ober -Herr, und
einige von den Vornehmsten unter ihnen tragen bei ihren Solenni-
täten in jedem Ohr einen festen Ring mit zwei grossen Goldplatten,
davon die eine vorn über der Brust, die andere hinterwärts auf der
Schulter hänget" (in Herzform). „Einst sah ich den Lacenta in
grosser Versammlung, dass er eine Goldplatte wie ein Band um den
Kopf trug" (als Netzwerk innen und mit sägeartigen Zacken oben).
Die Bewafneten trugen ähnliche Bänder aus Rohr mit eingesteckten
Federn (s. Wafer).
Die Kopf binden^) hiessen Uncha (in Peru). Die Usutas genannten
Sandalen wurden von Calcuya (Aloes) gefertigt. Das aus Zinnober be-
reitete Roth (Llimpi) diente zum Bemalen bei Festen (s. Garcia).
In Guayaquil 'wurden Goldstücke an den Zähnen befestigt (wie bei
den Goldzähnen der chinesischen Grenze). Ebenso werden dort
Goldperlen erwähnt, die als Kopfschmuck getragen und Chaquiras^)
genannt seien, wogegen die in Punta Helena geschätzten Chaquira
bei Herrera beschrieben werden, als „cuentas de hueso menudas". In
Tumbez trug man „cuentas blancas, que Uaman Chaquira". In
Quinbaya (bei Cartago) wurden die Chaquira fiir ihr Gewicht in
Gold verkauft, nach einer Notiz Cieza's, der in Peru Chaquira aus Silber
anführt. .Die Chaquira genannte Goldkette die Peruaner (bei An-
pouces et demi, une petite cliaine avec un crochct le licnt attache a Toreille, au dcffaut
de chatne (car tous n'en onl pas) on les attache avec un fil de cotton qui est passe , au
centre du croissant dont T^paisseur est comme celle d'une piöce de quinzc sous. lls eii
portent une autre de la meme grandeur attache ä Tentrc-deux des narrines qui leur bat
sur hl bouche. Les dcssou.s de hi levre inferieure est encore perce et ou y attache un
«luatriiiue caracoli qui esl un ti^rs plus grand que les prccedens et qui tombent a moiliö
sous Ic nienton. EnBn ils en ont un ciqui^me, ({ui a six ä sept pouccs d'ouverturc , qui
est enchass^ dans une petite j)lanchc de bois noir, cintrce en croissant, qui leur tombe
hur Li pointriue, ^tant attache avec une petite cordc au col (s. Labat). Die Brasilier
binden ,,in infanlia crura cerlis fasciis, quas vocant Tapa-cura, ea de causa, ut robustiora
fmnt" (s. Marcgrav). Swollen and deformed legs are common from constanlly doubling
ihem undcr the body while sitling in the canoe (bei den llaidab).
^) Die Tapuyer nannten den Kopfschmuck aus Federn Guara abuac (s. Marcgrav),
die ()hri>flöcke Nambipaya, die LippenklöUe Metara und (wenn aus grünem Stein) Meta-
robi, die Nägel im IJppcnwinkel Tembe coarete, die Na^enstöcke Aiyati. Die Chilener
bezeichneten die Kopfbinde als Tariwelonco und den Federschmuck als Manievelonco.
') Llevaban conchas coloradas, de que hay en Chaquira, id est sartalcs, como los
de las istas de Canaria, que se venden al Key de Portugal para el rescate de Guinea
(auf dem peruanischen Handelsschiff, das der Piloto Ruyz caperte).
586 RELIGION UND SITTE.
kunft der Spanier) „tarn scite et subtilitcr elaborare noverunt, ut Euro-
pacis admirationi cssent" (s. de Laet).
Die Spiegel der vornehmen Frauen (in Peru) waren von geschliffe-
nem Silber, die andern nur von Kupfer oder Messing (s. Bauman).
Als in Peru gebrauchte Schmuckgegenstände*) werden genannt:
Cori-guallca (molo-guallca), Goldkette ; Vincha, Stirnband ; Chumbil-
licuy, Gürtel; Cori-rincri, goldner Ohrschmuck; Chippana, Armband;
Xivi (siui), Ring; Guaquin-aguasca, Federgewebe; Guayaca, Coca-
Sack; Guallcas, Gürtel; Chumbillicuys, Gewänder; Mascapaichas, Hut;
Chellecas, Hutband; Ojotas, Sandalenschuh; Tipqui (Topos oder
Tupus), Gewandnadcl; Oples, Plattengehänge. La llacota (en len-
gua aymarä) era una especie de poncho fabricado de plumas, de
lana, de algodon, maiz ö palma (s. Janer); der Löffel hiess huisllas;
und Matis bezeichnet ein Calabassengefäss in Quechua.
Dass die Stämme des Inca- Reiches sich durch ihre Kopftracht
unterschieden,^) wird von Cieza de Leon wiederholentlich hervor-
gehoben (von Zaratc noch im besonderen von denen der Küste), und
als Capac Yupanqui das früher von Fürsten regierte Land der Huanca
in drei Provinzen theilte, bemerkt auch von ihm Garcilasso de la
Vega, dass er die Stämme durch die Kopftracht ^) unterschieden habe.
Die Caflar, die das Haar in einem Knoten aufgebunden trugen,
hiessen Mathe-Uma (Calabassen-Köpfe) von ihrer runden Kopftracht.
Die Chachapoyas trugen eine Schlinge um den Kopf gewunden*),
und (nach Gomara) die Serranos überhaupt (hondas, cefiidas
por cabeca, sobre el cabello), die Collas die Chucos genannten
Wollkappen, die Casamarcas Netze, die Huacrachucu Rehhörner
zum Putz. Der Llautos genannte Federschmuck gilt als Kriegs-
zeichen in der Pampa del Sacramento. In Piura war Kopfschmuck
*) Die Araucaner verfertigten silbernen Sdmiuck (nach Uvalle), Bei den (mit den
Siveris grenzenden) Orthuesen wurden goldene Stirnplatten getragen (oder silberne Arm-
ringe). Benzoni bemerkt hinsichtlich des von ihm noch in seinem nationalen Schmuck
gesehenen Colonchie, dem selbst der Häuptling Baltacho Ehrfurcht bezeugte, dass er am
linken Ilandknöchel einen Steinspiegel gelragen (in QuancaviÜqui bei Punta St. Helena).
*) Die Brasilier frisircn so, verschieden ,,ut gentes inter sc Tonsurae forma distinguantur"
(de Laet). Die Maopityans flochten einen Zopf (in Guyana). Die Araukancr trugen das
Tariwelenko genannte Kopfband (s. Dappcr).
•) En las ligaduras de las cabegas se conocian los linages. y las provincias de dondc
eran naturales como en Europa casi se ve en las diferencias de sombreros, y en Asia
las diferentias de Turbantes ö Tocas (s. Ilerrera).
*) Die Matlatcincas (in Mexico) hiessen Quaquatas (coatl im Sing) oder Quatlatl
(hombrie que trae la honda en la cabcza por guirnalda) weil mit Schleudern kämpfend.
HAARFRISUK. 587
aus Silber und Gold mit Muschelperlcn*) gebräuchlich. Die Chancas
drehten ihre Haare in Flechten (s. Cicza). Die Kopftracht (Chucu)
der Huamachucu bestand in silbernen Halbmonden.
Mit dem Tumi genannten Messer wurden die Haare geschnitten (s.
Oliva), doch nicht ohne Beschwerden, indem die Segnungen der von den
Spaniern eingeführten Scheere für gross genug galten, um ihnen Alles
Uebrige zu verzeihen und ein verweichlichter Epigone der alten Inca
sogar die reiche Erbschaft seines Vaters dafür hatte dreingeben wollen.
Die Chilener (nach Marcgrav) rissen den Bart mit Muschelzangen
aus. Die Kariber schnitten die Haare „mit gewissen schneidenden
Kräutern" (vor Einführung der Scheere).
Die Indianerinnen bei Popayan flochten ihre langen Haare oder
banden sie auf, besassen aber keinen andern Kamm, als ihre Finger
(im XVII. Jahrhundert), so dass (nach Coreal) Kämme den belieb-
testen Handelsartikel bildeten (c'est meme une des marchandises,
qu'ils prennent le plus volontiers en troq, et sur laquelle on gagne
beaucoup). Welche Bedeutung der Kamm für die Naturvölker hat,
zeigt die den ethnologischen Museen gelieferte Auswahl (in ähn-
licher Reichhaltigkeit wie die der Löffel).
Beim Namensfest wurde das abgeschnittene Haar des Kindes
der Sonne geweiht, und noch jetzt haben die spanischen Creolen
Festlichkeiten für die erste Haarschneidung reservirt. Im deutschen
Volksaberglauben sind die abgeschnittenen Haare an einen dunkelen
Ort zu verstecken, „wo weder Sonne noch Mond hinscheint" (s.
Wuttke). Die Person des Micado ist so heilig, dass man ihm die
NägeP) nur Nachts abschneidet. Die Scandinavier schnitten den Todten
die (in Böhmen verbrannten) Nägel ab, um den Bau des Schiffes
Naglfar zu verzögern.
Die aus der Inca-Zeit erhaltenen Bronze-Gegenstände sind meistens
gegossen und bei der Geschicklichkeit in Herstellung dieser Metall-
mischung trat die Verwendung der Steingeräthe zurück, die sich da-
gegen bei den wilderen Stämmen im Gebrauch forterhält. Die Tu-
pinambas hatten 1729 den ihnen zinsbaren Matagos die Lieferung
von Steinäxten auferlegt. Bei den Chippeway fand sich eine beson-
^) Die Kingeborcnen an der Küste Paria trugen Miischelschmuck (zu Colon's Zeil)
und so bis Vucatan.
*) Die Macassaren fühlten die Verpflichtung ,,d'entretenir leur ongles dans cerle
teinture rouge, qu'ils ont commencc de leur donner des leurenfance, et de les coupper
une ou deux fois la semaine, car ils s'imaginenl, (pie le diable s'y cache, quand ils sunt
ongs (s. Gervaise). Die chinesische Pflege der Nägel unterscheidet vom Arbeiter.
588 RELIGION UND SITTE.
dere Klasse zur Verfertigung von Pfeilspitzen, die gegen Felle ein-
getauscht wurden. Die Chilener verarbeitete Metalle (Gold, Silber,
Kupfer, Zinn, Blei), besonders aber „el cobre campanil 6 sea minera-
lizado, con el quäl por ser muy duro, hacian hachuelos, hachas y
otros instrumentos cortantes" (s. Molina).
Bei den in Caxamarca zu Pizarro's Zeit vorzunehmenden Schmelz-
arbeiten bewiesen sich die einheimischen Goldarbeiter, die neben
den spanischen verwandt wurden, diesen überlegen.')
Bei dem Schmelzprocess*) wurde nach den darüber gegebenen
Abbildungen das Feuer mit Röhren angeblasen. Ueber die Mischungs-
verhältnisse der Metalle variiren die Analysen (seit Caylus).
Für Amboss und Hammer (ohne Holzgriff) gebrauchte der Peruaner
harte Steine zwischen grüner und gelber Farbe, wie Garcilasso de la
Vega bemerkt, und ausserdem Instrumente aus Kupferlegirung in
Würfelform mit abgerundeten Ecken, und die Zimmerleute verwandten
Aexte oder Beile (und Haken) aus Kupfer oder Bronze, die Steinhauer
die, Hihuanes genannten Schwarzkiesel. Bei dem Mangel an Nägeln
wurden die Balken der Gebäude mit Schilf zusammengebunden.
Die Mexicaner „bearbeiteten den Stein ohne Stahl, Eisen, nur
*) Joh. Lor. d'Anagma, (ein Italiener des sccli^icelmten Jahrhunclerls) , sagt bei Ge-
legenheit niexicanischer Kiuislerzcugnissc : ,,l^nter andern erstaunte ieh über einen heiligen
Hieronymus mit einem Kreuze und einem Löwen, den mir die Frau Loffrcda zeigte, weil
ich darin solche schöne lebhafte natürliche Färbung entdeckte, die so richtig und genau
angebracht waren , dass ich zweifle , ob ich jemals unter den besten Werken alter und
neuer Maler etwas dergleichen, geschweige etwas besseres, gesehen habe. ,,Aus der peru-
anischen Berechnungs weisse (bemerkt Lintschotten) ,, mag nun ein jeder urtheilen, ob diese
Menschen vemünflftig oder ob sie viehisch seyen. Wir zwar gestehen, dass si in den
Dingen dazu sie sich begeben oder üben, uns weit oben ligcn" (s. Ilumberg). Als UUoa
sich in Quito nach den goldenen Kunstwerken aus der Inca - Zeit erkundigte, die in der
dortigen Schatzkammer aufbewahrt sein sollten, hörte er, dass sie für den Krieg mit den,
Carthagena belagernden Engländern eingeschmolzen seien.
*) In the first place, when they wish to melt the metal, they put it into either a
long or round grisolo, made of cloth daubed over with a mixture of cartb and pounded
charcoal, when dry it is put into the fire fdled with metal, then several men, more or less,
each with a reed, blow tili the metal is fused. It is now taken out and tlic goldsmitlis
eated on the ground, provided with some black stones, shaped on purpose, and helping
each other, make, or more correctly speaking, used to raake during their prosperity,
whatever they were commisioned to, that is, hollow statues, vases, sheep, omaments and
in short, any animal they saw, beschreibt Benzoni von den Goldschmieden Peru's (s. II.
W. Smyth), und ähnlich Cieza de Leon: ,,When they work, they make a small fumace
ofclay, wherc they put the charcoal, and they then blow the fire with small canes, instead
of bellows. Besides their silvev Utensils, they make chains, stamped ornaments an other
things of gold" (s. Markham).
BRONZE. 589
durch einen von Kieselsteinen hergestellten Meissel" (s. Clavigero).
Für die Holzstatuen wurde ein ,, kupferner Meissel" verwandt.
Die Spanier (in Tuspan) tauschten die glänzenden Kupfer-*) oder
Bronze-Aexte als goldene ein (zu Cortez Zeit). Montesinos nennt
unter den Waffen Peru's mit Kupfer belegte Aexte. Rivero
vermuthet, dass die Peruaner die Eigenschaft des Kiesels, (ähnlich
der Kohle im Stahl) Kupfer zu härten, gekannt hätten bei Verfer-
tigung ihrer Instrumente. Godin überbrachte dem Grafen Maurepas
eine, wie Stahl gehärtete Kupferaxt, über die Graf Caylus, dem sie
zur Untersuchung eingehändigt, sich sehr verwundert zeigte, und sie
von gleicher Trefflichkeit wie die griechischen und römischen Bronze-
waffen befand.
Bei Holguin wird Puca anta als Kupfer (el cobre simple) erklärt
(wie sonst Anta) und pucani übersetzt sich (bei Domingo de St. Thomas)
als „soplar con fuelles", also den Schmelzprocess bezeichnend (puca,
cosa colorada). Für Bronze oder Glockenmetall (el metal de las
campanas) findet sich Chacrusca (chacruni, mischen oder amalgamiren)
oder Hichhaicca anta (hichhani, fundir metales ö vaziar en molde),
für Blei „Titi" und für Zinn „Yurac (weisses) Titi". Metall im Allge-
meinen wird mit „mama', (gleichsam: Muttergestein) gegeben (collquc
mama, Silbermetall, Ccori-mama, Goldmetall). Für das (von den
Spaniern eingeführte Eisen wurde qquillay verwandt, von quilli
(qnillini) vereinigt oder verbunden.^)
Hinsichtlich des Fehlen's von Eisen in Peru .sowohl, wie in Mexico
bei Ankunft der Spanier stimmen alle massgebenden Geschichts-
schreiber damaliger Zeit in den bestimmtesten Ausdrücken überein.
In Bezug auf Christoval Colons Fund*) auf den caribischen Inseln hat
') Die MccUfMciiUT j^ewanncn aus ciiur Mine Kupfer ,,y ^e sirven de cllo por cuhivar
en lugar del hierro, ponjue corla como ayero" (s. Ilerrera). In Manoa wurden die Stein-
äxte zur Bearbeitung der Krde mit der Kupferaxt (Chambo) und Wasser verfertigt (nach
Girba]). En la inmediacion de cada barbacoa hay un tubo de cafia de Guayaquil, elevado
en el suelo, en cada uno habia muchas flechas, unas acabadas y otras empezadas k tra-
bajar (am Pilcopata oder Madre de Dios) l)ei den (mit den Araahuacos grenzenden)
Sirineyris (s. (iöhring).
*) Die I lichaycamayok waren die Metallschmelzer (hichay), Ausgiesser oder Schmelzer.
No tenyan herramyentas de hierro ny azero ansi para sacar las piedras de las canterias,
como para labrar, sino con otras piedras, für die peruanischen Bauten (Ondegardo) 157 1.
Chictana (hacha y hachuela de piedra o cobr^), Anta ftauchi (lengueta de cobre templado
sobre otra lanza menor), huallcanga, (especie de rodela con empufladura), callhua (cha-
falote ligero de cobre ö madera, con fdo por un lado), tumi (cuchillo ö macheta de pie-
dra 6 cobre), buaraca (honda de arrojar piedras).
') Trovarono un tegame di ferro (bei Columbus Reise) in Guadclupe (s. F. Colon)
590 RELIGION UND SITFE.
sich bereits sein Sohn genügend ausgesprochen und ausserdem er-
wähnt nur Montesinos eine Verwendung des Eisens^) bei den, be-
sonders in der von ihm gegebenen Darstellung, mehr als halbmy-
this-hen Chimus (vor geschichtlicher Fixirung).
Das Eisen hiess (im Chilenischen): Panilgue y lasarmas, que de
cl sc fabrican „Chiuquel", ä diferencia de las otras fabricadas con divefsos
matcriales, que estan comprehendidas debaxo el nombre general
„nulin". El herrero sc llama „ruthave", dcl vcrbo ruthan, que sig-
nifica labrar cl fierro. Trotz alledem bleibt es unsicher, wie Molina
zufügt, die Kenntniss des Eisens im alten America^) eher anzu-
nehmen, „hasta que no se encuentren alli algunas piezas de fierro
de incontrastable antiguedad".
Bei Oruro finden sich Zinn-Minen (s. Temple). Die Cara bear-
beiteten Smaragden.
Unter Chinchi - Roca (Stifter des Stammes Huica - Quiran) seien
zuerst Gold-Idole angefertigt (in Peru). Ausser mit Zinn wurde das
Kupfer auch mit Silber oder Gold legirt, als Chan^pi.
Bei den Koloschen (die in ihrer Vorzeit das Eisen noch nicht
gekannt) wurde die Frau Tschischlkatl, die das vom Atnafluss erhaltene
Kupfer zu schmieden lehrte, vergöttert.
Die feineren Thongefasse, als Pacacha mit zwei Ausgussröhren
{den Ton des dargestellten Thieres gebend) sind oft mit harziger
Firniss- Glasur überzogen. Für die Blüthezeit der Töpferkunst gilt
die Regierung Pachacutec's. Die Thongefasse mit becherhaltender
Figur aus Chancay wurden Chiritos genannt, die Thonfiguren Cochi-
aber: ,,non si e veduta cosa alcuna di ferro fra quella geiiti" (und die Caraiben konnten
es geraubt haben von Espaüola oder es wurde angetrieben aus dem gescheiterten SchiflT),
wenn nicht schwarze Erde für Eisen gehalten wurde (von ,,alcun di poco giudizio").
Die eisernen Pfeilspitzen, die in Chile gefunden wurden, rühren (nach ^iers) von dem
Meteor-Eisen her (wie bei Santjago del Estero). Nach Ovalle kannten die Chilenier
kein Eisen (zur Zeit der Conquisla). In Tupissa in Chincha (auf dem Wege von Collao
nach Chili) Hess Almagro Nägel und Hufeisen aus Kupfer fertigen, ,,por la mucha falta
que de hierro tenian" (Oviedo). Florida sollte früher von weissen Leuten bewohnt ge-
wesen sein, welche eiserne Werkzeuge gehabt hätten (wie von den Chimus in Peru
gesagt wird, wo sich die Weissen bei Guamanga erwähnt finden).
*) Bei Unbekanntschaft mit dem Gebrauch des Eisens waren in America Aexte aus
Kupfer und Messer aus Stein im Gebrauch (bemerkt Benzoni). Die Peruaner verstanden
nicht das Eisen (Quillay) zu benutzen, obwohl sie, wie Garcilasso zufügt, die Minen
desselben kannten. Im Chiludugu findet sich: ferrum, panillhue ; cupnim, cumpanillhue
(in der allgemeinen Bezeichnung für Metall, wie Quillca nördlicher, unter Parlicnlarisirung
des Kupfer).
') Ferro metallisque aliis carent, sed pro ferro bestiarum pisciumve d?ntibus suas
sagittas armant (s. Americus V^espucius) die Charaibi (in Parias).
STEININSTRUMENTE. 591
milco. Bei den Irokesen wurden die Töpfe durch Frauenhände gefertigt
(und so vielfach). Der dem heissen Wasser widerstehende Firniss
der llolzgefässe in Pasto wird ans dem Baumharz Mopamopa bereitet.
Von den Steinfigurcn in Tiahuanaco (so vollendet in der Mus-
kulatur oder Ausführung, „qu on eust dit qu' un Pygmaleon on Lysippc
y eussent mis jadis la main ') waren die einen nackt, die anderen be-
kleidet (s. Thcvet). Die Spiegel wurden aus Galinazo-Stein (Obsidian)
oder dem Incastein (glänzendem Pyrites) gefertigt (s. Schneider).
Die Caripunas oder Jurinas am Amazonas schnitzten Holzsessel in Thicr-
form (am Rio Negro und Amazonas). Die Peruaner legten ihre Kinder
,,dans des berceaux de bois, sur des rets, au lieu de licts" (s. de Lact).
In peruanischen Gräbern werden (ähnlich afrikanischen Agrics)
blaue') Schmelzperlen gefunden in länglicher Form (wie in den
ägyptischen) und so auch sonst.
Unter den peruanischen Steinhammern kommen vielfach besondere
Formen (Quito's) mit überstehenden Griffen vor. Steinerne Morgen-
sterne blieben neben den Kupfernen im Gebrauch.
In den östlichen Andesthälern, wie in den ferneren Theilen Süd-
amerika's, wo nicht die Bronze der Culturländer Peru 's und Mexicos er-
reicht war, dauerte das Steinalter bis zur Conquista vor, und auch nach
derselben, konnte es durch die Noth wieder aufgedrängt werden, wie bei
den Buschnegern, von denen Riemer erzählt. Als sie an dem Sara-
niakka-PMuss vor den Verfolgungen in das Innere Surinames sich hin-
einzogen, begann das Schiesspulver, bald auch die übrigen Instrumente,
zur Herstellung von Waffen zu fehlen und dieser Mangel nöthigte
sie endlich aus dem härtesten Kieselstein eine Art Beil zu verfertigen,
welches aber nur unter unglaublichen Beschwerden und Mühen zu
Stande gebracht werden konnte (1800).
Nach Las Casas waren 10 bis 15 Obsidianmesser^) zum Rasiren
*) The glass beatls (of the Mandans) were unirornily of one colour, a bright blue,
and were, like their poltery, sold to thc suirounding trihcs, at veryhigh prices. And the
proccs<< of making ihem was so jealously guarded, thal to the day of their destniction,
not even thc Fur-Traders could obtain it from them (s. Catlin), ,,in shape and colour" wie
<lie in Wales (found in the tumuli and also in the progress of manufacture). Bei den Clatsop
bilden die Tiacomoshack or chiefs beads (blauer Farbe) „the article lieyond all price in
their esliniation" (s. Lewis und Clarke). Ebenso im Handel am untem Columbia ,,the blue
beads , which are calied Tia commashuk (chief beads) hold the first rank in their ideas
(»f relative value" (1806).
') Die Obsidianmesser wurden mit einem (am Anfang durch Anbindung eines andern
Stückes beschwerten) Stocke durch Aufdrücken mit tler Brust von dem zwischen den
Füssen gehalteneji Stein abgesplittert (in Mexico») ,,y despues en la muela la agucasen y
592 RELIGION UND SITTE.
nöthig. Nach Tylor benutzten die Spanier noch die Obsidianmesser
zum Aderlass^). Die Herstellung der Obsidianmesser durch drückendes
Abstossen wird bei Mendieta beschrieben (ebenso bei Torquemada).
Peter Martyr, erzählt dass er eine von Columbus mitgebrachte
Streitaxt^) (dunkel grüner Farbe) in der Befestigung an einen Holz-
griff auf Eisen probirt, und dieses eingeschnitten habe, ohne den
Stein zu verletzen (und mit solchen Instrumenten *%ei Stein, sowie
Gold und Silber bearbeitet).
Die Aexte am Marafton waren aus Schildkrötenschalen (im Rauch
getrocknet und durch Steine geschärft) oder aus Stein gearbeitet
(s. Acufta) unter Einfügung des Kinnbackens des Vegebuey als Griff
(die Meissel aus Thierzähnen). In Tomala (von einer Frau beherrscht)
diente als Waffe, una macana, ä manera de porra, llena de puntas
de piedras pedernales (zu Guzman's Zeit). Zum Aushöhlen des aus
zwei Hälften zusammengesetzten Blasrohres bedienten sich die Panes
am Igarape (Nebenfluss des Teffe) des Schneidezahns des Paca und
Cutia (s. Bates).
In Peru war es dem Volke bei Todesstrafe verboten^), mehr
als eine Frau zu heirathen, während die Vornehmen neben der Haupt-
frau Concubinen haben durften, um Edle und Krieger zu zeugen.
Die Heirathen wurden durch die Beamten für die dazu Tauglichen
iiltimamente la diesen nniy delgados filos en las piedras de afdar (s. Torquema<la).
Pican , alisan y amoldan la piedra con piedra. La niejor y mas fuerte piedra con cjue
labran y cortan , es pedernal verdinegro. Tambien lienen Achas , Barrenas y Escoplos
<lo Cobre mesclado con Oro 6 Plata 6 Kstafio , con palo sacan piedra de las canteras y
con palo bacen navajas de azabache y de olra mas dura piedra (s. (lomara) in Mexico,
Ina piedra labran con otra (die Mexicaner) weil obne Werkzeuge (s. Mololinia). Ibar-
gacen y Veira brachte von seiner Expedition nach dem Dorado etwas Gold zurück und
,,lres hachas de piedra, que solo ellas muestran, que aunque aquellas gentes son barbaras,
no les falla ingenio".
*) In Darien wurde mit kleinen Pfeilen auf den Kranken zum Aderlass geschossen
(nach Lionel Wafer) und einen zum Aderlass an Thieren verwandten Pfeil brachte der
Reisende Hildebrand aus Ostafrika (jetzt im Königlichen Museum Berlin's).
*) Die Escultores de canten'a (in Mexico) arbeiteten ,,con guijarros 6 pedeniales, tan
prima y curiosamente como en nuestra Caslilla los nniy buenos oficiales con escodas y
picos de acero" (s. Mendieta). Son los tributarios d eslos Tupinamb.is de hachas de
piedra, para el desmonte de los arboles (die Mutayces) am Marafion (s. Rodrigue/).
König Nidung gewinnt die Schlacht durch den Siegesstein, wie ihn Signrd am Halse
hängen hat (in Didrik von IJern's Saga). So in Peru (nach der SchlaclU mit den
Chancas).
') Casabase el SeAor con muger de su propia casta (in Mistekn) in der Königs-
familie (s. Herrera). Bei den Huachipairis (am Ccosni|)ata und Pilcopata bis Marcapata)
heisst die Frau Mulo-chinani (s. Göhring).
EHE. 593
bestimmt. Ueber Geburts- und Sterbelisten wurde Controlle gefuhrt,
„daban menuda cuenta de los que habian nacido y muerto, de los
ganados, y de las sementeras" (s. Herrera).
Die erste Frau, als legitime (oder Mamanchie) wurde von der
Gemeinde gegeben, weitere konnten aber nur als Geschenk des Inca
hinzugenommen werden, als Belohnung (oder durch Erbschaft von
Vätern oder Brüdem). In Peru „durfte nur in derselben Landschaft
oder Stadt geheirathet^) werden, wie bei den Stämmen Israels."
In Guamachuco (wo die Sage die Guachemines vernichtet werden
lässt) lebten die Indianer vor der Vermählung mit der Ausgewählten
auf Probe. Bei den Guachichiles (in Jalisco) hatte der Mann das
Recht, seine Frau zu verlassen, wenn sie nicht schwanger wurde.
Der Caribe meidet die Verwandten seiner Frau.
Bei der Hochzeitsceremonie ^) zo*g der Bräutigam der Braut
Sandalen (llanquisi) an (in Peru). Zu heirathen war erst nach dem i8.
Jahre erlaubt (s. Montesinos). Int;-Capac hätte die Ehe den Männern
bei 26 Jahren oder (nach Salcamayhua) bei 30 Jahren obligatorisch
gemacht, sowie für fünfzehnjährige Mädchen. Sonst wurden am Jahres-
tage die Jünglinge von 24 Jahren und die Mädchen von 18 Jahren zur
Verheirathung vertheilt (von den Curacas) und es war verboten, „extra
provincias aut cognationes nubere" (Der. Thronfolger war mit seiner
Schwester von einer andern Frau des Königs zu vermählte).
Die Ehe mit ihrer Schwester (anderer Mutter) wird den Inca
zur Erhaltung des reinen Sonnenblutes zugeschrieben. Vor der Ver-
heirathung wurde der Inca als Auqui bezeichnet (die legitimen Töchter
als Nustas), die Königin als Coya, die Concubinen als Mamacunas
(Mamaconas) oder (wenn blutsverwandt) Pallas.
Die Huren (Pampauruna oder Pampayruna) mussten ausserhalb
der Städte wohnen (in Peru).
Der Cacique in Puno lie.ss die Hüter seiner Frauen nicht nur ent-
mannen, sondern ihnen auch Nase und Lippen abschneiden, damit sie
nicht verführerisch aussähen (s. Oviedo). Die Frauen in den Klöstern
Perus wurden von Eunuchen gehütet (nach Diego de Molina).
Nur der Inca, als Punchao (Sohn der Sonne), konnte das Haus
der Mamaconas (als Aufseherinnen der Jungfrauen) betreten. Ata-
*) El novio y la novia tciüan que ser del mismo pueblo 6 ayllu y de la misma clase
6 dignidad (unter den Incas). Die Verwandten besorgten die Wohnung.
') Nach der von Cordesius a Veriraund an Kaiser und Reichsfürsten •gerichteten Vor-
stellung (in Danzig), hatten sich die Jünglinge im 24., die Jungfrauen im 18. Jahr zu
verheirathen (1700).
Bastian: America* I. ^
594 RELIGION UND SITTE.
hualpa wurde durch Frauen, nicht durch Männer böäient, bemerkt
"Enriquez de Guzman (wie die Potentaten von Dahomey und Siam).
Zum Unterschied von den Frauen in den übrigen Provinzen,
hiessen die in den FamiHen Cuzco's Geborenen ebenfalls Pallas mit
ihrem Ehrentitel (der sonst auf die Frauen des Inca, als bevorzugte,
beschränkt bleibt).
Bei der ersten Menstruation^) (Quicuchicuy) wurden die Mädchen
in Peru geschmückt „con ciertas ceremonias y supersticiones". Bei den
Nadowessiern blieben die Frauen während ihrer Reinigung in einem
besonderen Gebäude abgeschlossen (s. Carver), und so bei Koloschen.
Aus Liebe zu seiner Schwester Mama-Oello liess Tupa Yupanqui
das Verbot der Schwesterheirath abschaffen (meint Velasco). Auch
herrschte bereits unter dem Abschluss der Bezirke^) eine Hinneigung
zur endogenen Ehe, obwohl, bei dem staatlichen Eingriff der Aus-
wahl, die Verwandtschaftsgrade weder für noch wider in Rechnung
gezogen werden konnten.
Alljährlich wurden von den Beamten') in jeder Provinz die geeignet
scheinenden Mädchen ausgesucht, um sie in die Klöster aufzunehmen
wo sie (wie in den Theehäusern Japan s) bis zur Verheirathung ver-
blieben, und bei dieser Verheirathung^) wurde dann ebenfalls zum
richtigen Paaren eine Art Auswahl getroffen, doch ward später
auch der individuellen Neigung einiger Spielraum gelassen, wie es
sich, abgesehen von dem Drama Ollantay-tambo's, in den bei Balbao
aus der alten Geschichte Peru's erhaltenen (oder doch damit ver-
knüpften) Liebesgeschichten zeigt (und in Marmontel's Romanisirung).
Von Inca Pachacutec wurde ein Gesetz erlassen, dass Niemand
ohne Einwilligung seiner Eltern, sowie der Eltern des Mädchens
*) On thc first signs of puberty the girl (of the Uaupes on the Amazon) is kept
secliided for a month. She is then brought out pcrfectly naked into the midsl of thc
relatives and friends, when each person gives her 5 — 6 blows with the nipo (an elastic
climber) across the back ad breast, tili she falls senseless. If she recovers, it is rcpcated
four times, at intervals of 6 hours (s. Wallace). Bei den Campos am Ucayali werden
die mannbaren Mädchen beschnitten. Nach Veigl fand sich bei den Panos Beschneidung
der Mädchen.
•) In Peru hatten Alle, (wie die Stämme Israel), bemerkt Garcilasso de la Vega,
innerhalb desselben Wohnsitzes und derselben Verwandtschaft zu heirathen, damit die Ge-
schlechter sich nicht mischten.
') A ningun padre era licito, negar sus hijas, quando el Appopanaca se las pedia,
para encerrarlas en los monasterios (Acllaguaci) in Peru (s. J. de Acosta). AUi salian
para casarse (nkch einem Jahr), wie aus den Theehäusern Japans.
*) Bei den Itonamas werden die Kinder bereits bei der Geburt verlpbt und jung ver-
mählt (s. d'Orbigny).
GEBURT. 595
heirathen dürfe, und ohne diese Bedingungen vollzogene Vermäh-
lungen als ungültig zu erklären seien (berichtet Blas Valera).
In Manta wurde die Braut zuerst den Freunden und Verwandten
des Bräutigams übergeben (s. Garcilasso). In Guamachuco ^yurden
die Frauen erst auf Probe (Pantanaco) genommen für etwaigen
Wechsel, und der Vater setzte vorher dem künftigen Schwiegersohn
alle Fehler und Untugenden seiner Tochter auseinander.
Bei den Cayuvavas bleibt der Wittwer einen Monat eingeschlossen,
um kein Unglück zu haben, und der Ehemann enthält sich während
der Menstruation seiner Frau der Arbeit (s. d'Orbigny).
Bei den Chiriguanos wird nach einer Geburt der Mann von der
Frau in der Hängematte verpflegt. In Cartagcna legte sich beim
Gebären seiner Frau der Mann ins Bett (s. Speckbacher). Bei den
Quaraniern fastete der Ehemann bei der Geburt (s. Charlevoix).
Bei den Abiponen hütete der Mann bei der Geburt das Bett (s. Do-
brizhoffer). Bei den Caraiben fastete bei der Geburt der Ehemann
im Bett (s. Labat), und so die andern Beispiele deu* Couvade'). "Bei
den Maypures fand sich Polyandrie (die auch sonst americanische
Analogien zu denen der alten Welt besitzt).
Als eine Frau in Cojatambo Zwillinge gebar, wurde ihr als
Busse auferlegt, zehn Tage ohne Bewegung auf Händen und Knieen
(auf den vier Füssen) zu bleiben (nach Arriaga). Zwillingsgeburten,
weil ungünstig, legten den Eltern Fasten auf.
Während der Säugezeit hatte sich die Mutter (in Peru) des ehe-
lichen Beischlafes*) zu enthalten, weil sonst das Kind als Ayusca
(Wechselbalg) hinsiechen würde (bemerkt Garcilasso de la Vega).
Nach dem Waschen des Neugebornen wurde dasselbe, in Binden
aufgewickelt, durch ein Netz an einer Brettwiege befestigt.
Beim Entwöhnen der Kinder^) wurde das Haar (mit geschärften
^) Die Kinder nare indebted lo the father for their souls, the invikible part of their
essence, and to the mother for thetr corporeal and apparent part" (bei den Naudowessiem),
weshalb der Name von der Mutter genommen wird (s. Carver).
') Ordenaba tambien que cuando se aprocsimaba el tiempo de parir, que se abstu-
viesen del acto camal (die Hebamme in Mexico). Wenn eine Frau die ersten Zeichen
der Schwangerschaft fühlt, so enthält sie sich des weiteren Verkehrs mit dem Manne und
bleibt ihm auch einige Monate nach der Entbindung fem, während der Mann in seinem
Club (Bai-bai) Geliebten findet (nach Yap). Aehnlich in Africa.
') Llamabase rico el que tenia hijos y fanülia que le ayudaban k trabajar para acabar
mas afna el trabajo tributorio que le cabia, y el que no la tenia, aunque fuese rico de
otras cosas, era pobre (in Peru). Durch die Lex Julia et Papia Poppaea wurden Prämien
auf Ehe und Kinderzeugen gesetzt.
38*
596 RELIGION UND SITTE.
Steinen) abgeschoren und ein Name gegeben (im zweiten Jahr).
Während der kalten Waschungen des Kindes (wobei das Wasser
höchstens im Mund der Mutter erwärmt wurde), blieb der Scheitel
des Kopfes unbenetzt, weil er nicht berührt werden durfte (wie
Garcilasso de la Vega sagt).
Gleich nach der Geburt schnitten die Hebamme dem Kinde
die Nabelschnur ab, vergrub die Nachgeburt, und badete das Kind,
wobei sie zu ihm sagte: „Nimm dieses Wasser hin, denn die Göttin
Chalchiuhcueje ist deine Mutter. Möchte dieses Bad dich von allen
im Mutterleibe empfangenen Unreinigkeiten säubern, dein Herz reini-
gen und dir ein gutes und vollkommenes Leben schaffen" (in Mexico).
Lös'ten die Peruaner das Neugeborene von der Nabelschnur,
so Hessen sie ein fingerlanges Stück stehen, das, nach dem späteren
Abfallen, aufbewahrt wurde, um in Krankheitsfallen zum Säugen ge-
geben zu werden (s. Vega). Bei den Passe's bleibt der Vater fastend
in der Hängematte bis dem Säugling die (mit Zähnen oder Steinmesser
eingerissene) Nabelschnur vertrocknet abfallt. Die Körner der Maisähre,
auf welcher die Nabelschnur*) des Kindes abgeschnitten war, wurden
gesäet, und die Ernte in drei Theile getheilt, einen für den Wahr-
sager, den andern um dem Kinde ein Mus zu kochen, und der dritte
wurde aufbewahrt, um von dem Kinde, wenn erwachsen, selbst ge-
säet zu werden. Die Indianer von Puerto Viejo benannten die Kinder
nach den Tagen der Woche und hielten den Tepipichinche genannten
Tag heilig. Beim Namengeben wurde dem Kinde zu Ehren Ataguju's
der Kopf gewaschen. In Yunca (s. Carrera) bezeichnet Cholu einen
Knaben (China im Quechua das Weibliche). Während hua, im Nahu-
altl, alt meint, ist im Quechua huahua das Kind (Allpa die Erde.)
Bei der Huarca oder Pacto genannten Ceremonie des Haar-
flechtens wurden den Kindern (in Peru) neue Namen gegeben (s. Vil-
lagomez). Dem (getauften) Kinde wurde beim Namengeben eine
Rede zur Belehrung gehalten (in Guamachuco). Beim Namengeben
wurden den Kindern Nägel und Haare abgeschnitten, bald um sie
zu bewahren, bald um sie der Sonne zu opfern (in Peru).
„Gleich wie die, so in Krieg oder andern administrationen wol
gedienet ein Praeminentz und Vorzug hatten, und ihnen Landschafften,
Wappen, Weiber vom Geschlecht der Ingas gegeben werden, also
Straflft man auch hergegen die Ungehorsamen und Uebertreter sehr
*) Nach dem Abschneiden des Nabelstranges wurde eine, Nabel des Yautl oder Tapferen
(el ombligo del Yautl) genannte, Speise von hereingerufenen Knaben (die rasch zu ent-
fliehen hatten) gegessen (wie sonst der Abschneider flieht, nach Wegwerfen des Messers).
VERWANDTSCHAFT. 597
hoch. Mord und Diebstahl ward mit dem Tode gestrafft. Ehebruch,
Bludschand in descendente, ascedente oder linea recta, Straffen sie
ebenmässig mit dem Todt. Doch hielt man das fiir keinen Ehe-
bruch, und Blutschand, wann einer schon viel concubinen hatte, so
Strafft man auch die Weiber nicht, wann man sie schon bey andern
fände: Sondern das war bey ihnen ein Ehebruch, wann einer sich
bey eines andern rechtem Eheweib finden liess, damit derselbe einen
rechten Ehestand fiihrete, deren ein jedermann mehr nicht als eine
zur Ehe nemmen dorffte , welches mit sonderbaren Ceremonien
geschähe, und vast auff diese weiss : der Breutigam gieng nach ihrem
Hauss sie mit heim zuführen, und thät ihr ein Otoia an den Fuss. Otoia
heissen sie ein art Schuh, so sie daselbst brauchten, die Gestalt
sind wie Spanische alpargaten, oder der grawen Mönch Schuh, und
oben offen stehen. Wann die Braut ein Jungfraw war, nahmen sie
Otoia von Woll, wo nicht, so nahmen sie Sparto, darauss man die
Feyenkörb mache, alle andern Weiber musten diese ehren, und jr
dienen. Ein Jahr lang trug sie schwartze Trawerkleider, wann ihr
der Mann starb, nahmen auch in einem Jahr keinen andern. Ge-
meiniglich waren sie jünger als die Männer. Der Inga gab seinen
Landpflegern und Hauptleuthen mit eigener Hand die Eheweiber.
Die Landpfleger und Cacique versambleten in ihren Stätten junge
Männer und Jungfrawen auff einen Platz, und gaben einem jeglichen
ein Weib, und bestättigten den Ehestand mit angedeuten Ceremonien,
dass ein jeder seiner Braut die Otoia anziehen muste. Wann ein
solches Weib bey einem andern Mann gefunden wardt, die ward
beneben dem Ehebrecher am Leben gestrafft. Und ob gleich der
Eheman seinem Weib den Ehebruch nachliess, ward sie doch ge-
strafft, aber nicht am leben. Eben diese Ordnung hielte man auch
in der Blutschandt, alss mit Mutter, Grossmutter, Tochter oder Kindes-
kindem. Was andere Sipschafft belangen thäte, wards zugelassen,
dass man sich wohl darunder Verheyraten dorffte, und ward niemand
als nur die im ersten Grad aussgeSchlossen. Es dorfft sich keiner
an seine Schwester vermählen, dann sie hieltens nicht fiir einen
Ehestand. Viel in Peru haben sich betrogen, indem sie dafür ge-
halten, die Ingas und Herrn möchten ihre Schwester zur Ehe haben,
obgleich Mann und Weibspersonen von einem Vatter und Mutter
geboren worden. Aber man findt in der Wahrheit, dass man solches
allweg für unehlich gehalten, und dass ein solche Ehe verbotten
gewesen, welches dann biss auff Topa Inga Yupanguy Vatter von
Guainacapa, und Grossvatter von Atagualpa, zu dessen Zeiten die
598 RELIGION UND SITTE.
Spanier erstlich in Peru kommen: Vorgenannter Topa Inga Yupanguy
brach solche gewonheit, und nanic zur Ehe seine eigene Schwester
von Vatter und Mutter, Mamoello genannt: Welcher Inga diss Ge-
setz gab, dass sich keiner ausserhalb die Ingas an die Schwestern
bestatten sollte. Er hat einen Sohn Guainacapa genannt, und eine
Tochter Coya Cussilimay mit Namen, dieselben solten einander zur
Ehe nemmen wie er dann auflf seinem Todt ordnet, und befahl da-
neben, dass solchem Exempel fürnehme Leuht nachfolgten, und ihre
Schwestern von dess Vatters Seiten ehlichen solten. Gleichwie aber
ein solcher Ehestand wider die Natur war, also ordnet es auch Gott,
dass die Frucht, so davon herkäme, alss da waren Guascar Inga
und Atagualpa Inga sampt ihrem Regiment balt ein Ende bekamen.
Wo einer von der Indier in Peru Ehestand sattern und vollkömmljchern
Bericht haben will, der mag lesen den Tractat, so Polus auffbegeren
Don Hieronymo de Loaysa geschrieben, darinnen er viel dieser und
dergleichen Ding finden wird. Hiermit hat man vieler Leuht irrthumb
abgeleinet, die nicht können wissen, welches der Indier Eheweib
oder Concubin sey, also auch, dass sie den getaufften Indiern das
rechte Weib abgeschafft, und Kebs Weib behalten. So haben auch
die wenig grund gehabt, welche fürgeben, dass der Ehestand solt
bestettigt bleiben, wann schon Bruder und Schwester einander zur
Ehe genommen. Man hat aber das Gegentheil in dem Prouincial
Synodo zu Lima verabscheidet, denn zu solchem Ehestand haben
die Indier nie gefallen gehabt".
Bei den Inca geht die Erbfolge^) durch die Söhne (oder auch
die Brüder). Unter dem Adel galt das Neffenrecht in der Erbfolge
(nach Gomara). Bei den Scyri's folgten die Neffen, die von der Ver-
sammlung der Grossen zu bestätigen waren. In Riobamba erbte (nach
Cieza) der Sohn der Schwester (wie in Afrika und sonst). In Cumana
^ erbte der jüngste Sohn der Hauptfrau. In Puerto-viejo erbte nach
' dem Sohn der Bruder und dann der Schwestersohn.
In der Familie Catari's (Fürsten aus Quipocamayu in Cochabamba)
war (nach Oliva) die Würde seit der Zeit der Inga erblich (1635).
') Im Allgemeinen, wie Garcilasso bemerkt, erbte der älteste Sohn (in Peru), doch
fand sich bei einigen Curaca der Gebrauch, dass die Söhne in der Reihenfolge erbten, und
erst nach dem Tode des Jüngsten wieder der älteste Sohn des ältesten Bruder's. Die
von den Nachkommen des Königs Betzenuria beherrschten Guanches auf Tenerife (Chineche
oder Vineche) küssten die Füsse des Königs oder Quebehi, der sich mit seiner Schwester
oder sonst gleichgestellten Frau, vermählte, nicht ,,to debase his family by a mixture of
plebeian blood" (s. Glas).
BERAUSCHUNG. 599
Der legitime Nachfolger im Inca- Reich musste nach altem Recht
aus der Ehe mit der Schwester geboren sein, während ausserdem
andere Vermählungen statt hatten.
Die Llipta oder Toccra, als der alkalische Zusatz, mit welchem
die in dem Chuspa (Sack) getragenen Coca- Blätter gekaut werden,
wird aus der Asche von Chenopodium Quinoa bereitet oder aus der
Asche von Maisähren. Zur Inca -Zeit wurde die Coca nur auf be-
schränkten Pflanzungen gebaut, und eine kleine Quantität schon galt
als ein werthvolles Geschenk des Herrschers.
Der Rauschtrank*) Vinapu aus Mais (neben dem Kräutertrank
Aca) war von den Inca verboten, ausser bei Festen, wo dem Geringeren
der Becher mit der linken Hand, den Hohen mit der rechten Hand
dargereicht wurde.
So führt Garcilasso de la Vega an, dass bei den Trinkfesten der
Wirth zwei Gefasse hielt, und dem Eingeladenen, wenn niedern Standes,
das der linken Hand überreichte, wenn gleichen oder höheren, das
der rechten. Der Inca (sentado en su silla de oro macizo puesta
sobre un tablon de lo mismo) Hess erst den im Kriege Ausge-
zeichneten credenzen, dann „ä los curacas de la redondez del Cozco,
que eran todos los, que el primer Inca Manco Capac reduxo ä su
servicio", und die von der heiligen Hand des Fürsten berührten Ge-
fässe wurden nachher in den Tempeln*) aufgestellt.
Das aus Mais bereitete Bier (Chicha) hiess Zara oder (im Chin-
chasuyu Dialect) Asica, und Aka im Quechua.
Die Bezeichnung Chicha soll, wie so manche andere, aus den
*) In dem bei Rainusio erhaltenen Bericht über die Eroberung Mexico's wird neben
dem Cachanatle (aus Cakao-Bohnen) genannten Getränk und dem aus der Maguey-Pflanze
bereiteten, ein drittes angeführt ,,aus den Körnern einer Frucht gemacht, welche Chicha
heisst, und von verschiedenen Gattungen und Farbe in dem Lande vorkommt" (s. Rehfues).
Ein Mohawk • Häuptling protestirte (1754) beim Gouverneur von New - York gegen den
Verkauf von Rum, wodurch Jung und Alt vertilgt würde. Den Caoi genannte Rausch-
trank (die Tapuyer) ,,faciunt ex Acaijbae arboris fruclu maturo". Aus der Wurzel Aipi-
macaxera wird durch Kauen der Rauschtrank Aipy hergestellt oder (nach dem Auf-
sieden) Cavicaracu, der Pacobi aus der Frucht des Baumes Pacobete oder Pacobu^u, der
Abatii genannte aus Mais, Nanai aus der Frucht Nana, der Jetici aus Bataten und Tipiaci
aus Mandioca (sowie Beeulinguei, Janipaba u. s. w.). Nach Zurita waren bei ange-
strengten Arbeiten zwei Becher gestattet, den Alten auch bis drei, und ebenso den
Kranken auf ärztliches Zeugniss, sowie (nach Ortega) den Soldaten , während diese (wie
Zurita sagt, einen Ehrenpunct darin setzten, nichts Berauschendes zu trinken (in Mexico).
') Zu Columban's Zeit brachten die Alemannen Bier in Geschirren zum Opfer dem
Wodan (Jonas) , und aus dem heidnischen Minnetrinken erhielt sich die Kristsminni (bei
den Germanen). Ausser dem Cam genannten Getränk (aus Gerste) erhielt Priscur in
Attila's Lager Melh oder Wein.
600 RELIGION UND SITTE.
Antillen gekommen sein, doch wird dort (in Cuba) wieder die Her-
kunft vom Isthmus her (der Brücke von Südamerica) angegebe^i. Der
aus den Früchten des Baumes Malli bereitete Trank wurde oft mit
Maisgebräue gemischt (nach Vega) in Pery ; das aus dem Uchu (eine
Art Pfeffer) bereitete Getränk war (den Peruanern) in den Fasten
verboten (s. Vega). Die Inca überwachten^) die Verfertigung berau-
schender Getränke (wie vinapu und sora). Unter Berauschung in
Masato (aus Yuca bereitet) tanzen die Indianer der Pampa-del-Sacra-
mento beim Siegesfest, indem sie die durch Abziehen der Kopfhaut
bereiteten Masken ihrer Feinde an den Haaren halten, und sie ver-
höhnen (nach Figueroa).
Neben der Chirimija^) (Flöte) wurde die Antara (Pansflöte) oder
(nach Velasco) Huyrampuru gespielt. Beim triumphirenden Einzug
des Inca in seine Hauptstadt wurden die Huali (Siegeslieder) ge-
sungen.
Bei den in Masken von wilden Thieren aufgeführten Tänzen (in
Huanuco) wurde das Instrument Succhar (Sucha) gespielt, und ebenso
bei den Ayja oder Quaben genannten Tänzen. In den verschiedenen
Provinzen Peru's bewahrten sich nationale Tänze (nach Garcilasso).
Zum Festesputz wurde der Kopf mit dem Chacrahinca oder
Huaman genannten Halbmonde geschmückt, sowie mit Rundscheiben
(Tincurpa) und Federbüschen (Huacras oder Yamta). Velasco unter-
scheidet unter den Tänzen (Tushuy) den Rundtanz (Ruyru-Tushuy),
Drehtanz (Muyuy-Tushya), Paartanz (Tus-Hunacuy), Einzeltanz (Zapa-
Tushyu), Handtanz (Tingui-Tushuy), Kriegstanz (Auca-Tushuy), so-
wie den des Pirurcuy (danseur ä quatre visages).
Der Mummenschanz in den Tänzen') mit den noch bei den Arecunas
*) Ein Adelicher, welcher so viel trank, dass er von Sinnen kam, ward gleich ge-
hangen, und der Körper in den See oder einen Fluss geworfen; ein Bürgerlicher verlor
zum ersten Mal die Freiheit, zum andemmal das Leben. Auf Befragen, warum das Ge-
setz gegen die Adelichen strenger wäre, gab der Gesetzgeber zur Antwort : dass die
Völlerei bei ihnen um so strafbarer sei, weil sie verpflichtet wären, ein gutes Beispiel zu
geben (s. Clavigero) in Mexico. ,,We desire that you will be pleased to prohibit the
selling of Rum", heisst es in der Zuschrift ,,of the chief Sachims of the five nations , to
his Excellency Benjamin Fletcher in Albany" (1692).
') Die Flöte (Huayllaca in Peru oder Khena in Bolivien) entspricht der Guamo in Cuba.
Tuvieron flautas de 4 ö 5 puntas, como las de los pastores, no las tenian juntas en con-
sonancia, sino cada una por si, porque no las supieron concertar, por ellas taftian sus
cantares compuestos en verso medido (s. Garcilasso de la Vega)
•) La danse, appelee generalement Tushuy, se subdivisait en plusicurs sortes. Ainsi
on entendait par Tus-Hunacuy, une danse entre un homme et une femme; Rusjru- Tushuy
sig^ifiait une ronde; Muyuy- Tushuy d^signait une danse dans laquelle on se tenait par
SPIELE. 601
gebräuchlichen Maskirungen, hat sich- bis in die christliche Zeit
erhalten. Um den bösen Jurupori zu verscheuchen, tanzen die Tecu-
nas in Maskenkleider. Zur Tanzmusik „wussten sie ihre Füsse lang-
sam zu bewegen, und die Verrichtungen der Schäfer, Fischer, Acker-
leute glücklich darzutuhn; zuweilen hüpften sie vermumt mit Teufels-
masken" (die Mexicaner).
Unter den Spielen wird das Ballspiel erwähnt. CincuChuncay
(mit dem Schlagbrett) und Huayrachina (als Handball). Dann das
Rathespiel oder Huatucay (im Endmonat Puchuc-Quilla) und das
Knöchelspiel (Huayru). Juegan con un solo dado de cinco puntos,
que no tienen suerte, bemerkt Gomara von den Peruanern. Zum
Spiel Misha dienten bunte Saamen. Die Araucanier kannten das
Schachspiel (Comälcan) seit alter Zeit (nach Molina). Neben dem
Brettspiel PatolH (in Mexico) wird (s. Bernal Diaz) das Spiel Toto-
loque (das Montezuma in seiner Gefangenschaft mit Cortez gespielt)
erwähnt, indem mit goldenen Kügelchen nach den als Einsatz auf-
gestellten Juwelen geworfen wurde.
Auf dem Hügel Carmenca (bei Cuzco) fand sich ein astronomisches
Observatorium*) (nach Cieza). Die Solstitien wurden (bei Cuzco) durch
la main; Auca-Tushuy ^tait une danse militaire avec des armes; Zapa-Tushuy une danse
d'unc seule personne", etc. Unter den Musikinstrumenten ,,les plus communs etiles plus
g^neralement r^pandus etaient; les Chilchiles, esp^ces de sonnetles ou de grelots, avec
lesqucls ils faisaient un grand bruit; le Cuybi, flageolet compos^ decinqnotes; la Tinya,
esp^ce de guitare; la Huyrampuru, esp^ce de flute de pan; la Pingullu ou flute; la
>Iuay1laco, grande flute; le Huencari, petit tambour pour faire danser; la Qquipa, trom-
pette. Tous ces instniments Etaient de diverses grandeurs et faits de bois, de roseaux,
de calebasse, d'os ou de mctal (s. Velasco).
*) An Festsagen bekleben sie den I^ib, vermittekt eines Harzes, mit kleinen Stücken
dünner Strohmatten in verschiedenen Farben, nach ordentlich gewählten Mustern (in
Guiana). Das Bestreuen mit Federschmuck des bemalten Körpers hiess (bei den Tapuyem)
Acamongui (s. Marcgrav). Die Haidah bestreuten den Gast bei den Tänzen mit
Schwanen federn.
') Tambien alcanzaron los equinocios y los solemnizaron muy mucho. £n el de
Marzo segaban los maizales del Cozco con gran flesta y regocijo, particularmente el
Anden de Collcampata, que era como jardin del sol. En el equinocio de Septiembre
hadan una de las quatro fiestas principales del sol, que llamaban Citua Raymi, quiere
decir ficsta principal que se celebraba, como en su lugar diremos. Para verificar el
equinocio tenian columnas de piedra riquisimam^te labradas, puestas en los patios 6
plazas que habia ante los templos del sol : los sacerdotes quando sentian que el equinocio
estaba cerca, tenian cuidado de mirar cada dia la sombra que la columna hacia. Tenian
las columnas puestas en el centro de un cerco redondo muy grande que tomaba todo el
ancho de la plaza 6 del patio; por me^io del cerco echaban por hilo de Oriente a po-
niente una raya que por larga experiencia sabian dönde habian de poner el un punto y
el otro. Por la sombra que la columna hacia sobre la raya, veian que el equinocio se
iba acercando; y quando la sombra tomaba la raya de medio k medio desde que saliJi
602 RELIGION UND SITTE.
acht Thürme im Osten und acht Thürme im Westen (grosse und
kleine miteinander wechselnd) beobachtet.
Die Succanga oder (nach Squier) Rucana genannten Säulen*)
standen in der Zwölfzahl auf den Hügeln um Cuzco, um die Monate
des Jahres*) durch ihre Schatten zu bezeichnen, und die dazuge-
hörigen Feste zu erhalten (s. Acosta). Aehnlich in Quito (bei
Velasco). Bei Ollantay tambo findet sich der Stein Yntihuatana
(zur Beobachtung der Sonne). Der von Inti-Capac eingeführte Jahres-
cyklus hiess Capachoata oder Inti-phuatan, womit Montesinos das
grosse Sonnenjahr von looo Jahren (Cyclen von loo Jahren und von
lO Jahren einschliessend) bezeichnet.
Die Peruaner schrieben den Sternen, unter denen besonders die
CoUca (Cabrillas) verehrt wurden, verschiedene Aemter zu, u nd der
Hirte verehrte im speciellen die Urcuchilla's (Lira) oder buntes Schaf,
(Lama) wodurch die Heerden geschützt wurden. Seinen Begleiter
(Catuchillay oder Urcuchillay) wurde als Schaf oder Schafbock be- '
trachtet. Der Stern Machaucay schützte gegen Schlangen, der Stern
Chuquichinchay gegen Tieger und Bären. Ebenso fanden die Sterne
Chacana, Topatorca, Mamana, Mirco, Miquiquiray Verehrung (s.
Acosta).
el sol hasta que se ponia, y que k mediodia bafiaba la luz del sol toda la columoa en
derredor sin hacer sombra k parte alguna, decian que aquel dia era el equinocial. En-
tonces adoroaban las columuas con todas las flores y yerbas olorosas que podian haber,
ponian sobre ellas la silla del sol, y decian que aquel dia se asentaba el sol con toda
SU luz de Ueno en Ueno sobre aquellas columnas. Para verificar el solsticio, se ponia un
Inca en cierto puesto al salir del sol y al ponerse, y miraba k ver si salia y ponia per
entre las dos torres pequeiias que estabau al Oriente y poniente: y con este trabajo se
certificaban en la astrologia de sus solsticios. Pedro de Cieza, capttulo noventa y dos,
hace mencion de estas torres (ebenso Acosta) und (nach Velasco) in Quito, dessen Lage,
fast unter dem Aequator, jener Schattenlosigkeit näher entsprach. Cuanto mas acercaban
la linea equinoctial, tanto menos sombra hacia la columnä al mediodia.
*) The Spanish conquerors threw down these pillars, as savouring of idolatry in the
Indians. Which of the two were best entitled to the name of Barbarians? (fragt
Prescott). Acht Thürme werden im Osten, acht im Westen angegeben, als i6 im Ganzen
oder (nach Acosta) zwölf (vier bei Betanzos).
*) As their lunar year would necessarily fall short of the true time, they rectified
their calendar by solar observations made by means of a number of cylindrical columns
raised on the high lands round Cuz^ , which served them for taking azimuths , and by
measuring their shadows they ascertained the exact times of the solstices. The period
of the equinoxes they determined by the help of a solitary gnomon, placed in the centre
of a circle , which was described in the area of the great temple and traversed by a
diameter that was drawn from east to west (s. *Prescott). Mit der Säule des Inü-Huataua
bestimmten die Peruaner ,,the periods of the solstices and the arrival of the sun in the
zenith" (nach Squier). Velasco bezeichnet das Sonnenjahr als Inti-Huata (das Mondjahr
als Quilla-huata).
STERNBILDER. 603
Das Über den Tieger herrschende Sternbild wurde Chuguin-
chinchay (Chinka oder Tieger) genannt, und so nahmen die Peruaner
für alle Thiere (Bären, Löwen u. s. w.) ein sie im Himmel erzeugendes
und hütendes Schutzbild an (s. Acosta).
Die Constellation d^r Hyaden hiess Ahuara - Caqui (die Kinn-
lade des Tapir) in Peru, die Plejaden Coillur, der Morgenstern Chasca
(s. Velasco). Die Sonne hatte den Planeten Chasca (Venus) der Schön-
heit wegen zum Begleiter erwählt.
Bei den Abiponen galten bie Plejaden als Bild des Ahnherrn
(s. Dobrizhoffer). DieTapujas*) verehrten die Plejaden. Das südliche
Kreuz ist ein Strauss (Amnic) und ihn umgeben die Sterne, als Hunde
(Apiogo). Die Planeten sind Vögel (Baguds, Notuimac, Nazalo) u. s. w. ;
die Sonne (Gdazva), Gefährtin des Monds (Adago), fiel auf die
Erde, und von einem Mbocobi zurückgesetzt zum zweiten Mal, worauf
sich die Wälder entzündeten, und die Mbocobis in Gabiais und Caimane
verwandelt wurden, ausser dem auf dem Baume geretteten Paar, dessen
Gesicht sich schwäzte (wie Affen). Aehnlich bei den Sternbildern
der Patagonier.
Nach den Peruanern enthielt die Milchstrasse ^) oder Kata-Chillay
(der Gürtel der Licht-Region) die Elementarstoffe des Sternensystems.
Die Milchstrasse wird (bei den Algonkin')) durch eine Schildkröte
gebildet, die auf dem Boden des Himmels hinschwimmend, den
Lehm aufrührt (s. Tanner). Die mexicanischen Constellationen finden
sich bei Sahagun*).
*) Nach Marcgrav, der vier Volksstämme in Brasilien, (niminim Tupinambu, Toba-
jara, Petiguara et Tapuiya), unterscheidet, wurde das Jahr vom Aufgang der Ceixu ge-
nannten Plejaden gerechnet.
') £n la via que los astrolögos llaman lactea, en unas manchas negras que van por
ella h la larga, quisieron imaginär que habia una figura de oveja con su cuerpo entero,
que estaba amamantando un cordero. A mi me la querian mostrar diciendo: Ves alli
la cabeza de la oveja; ves acullä la del cordero maroando; ves el cuerpo, brazos y
pienias del uno y del otro ; mas yo no veia las figuras sino las manchas, y debia de ser
por no saberlas imaginär (s. Garcilasso).
') ,,The bright stars in ursa major and one beyond, which forms the point of the
fishers nose," bilden die Constellation der Oj-eeg-an-nung-wug (fisher stars) bei den Algonkin
(s. Tanner).
♦) Primer signo llamado Cecipactli, y de la buena fortuna que tenian los que en
el nadan. Segundo signo llamado Ocelotl. Tercer signo llamado Cemacatl. Segunda
casa del signo anterior, llamado Umetochtli en que nacian los borrachos. Cuarto signo
llamado Cexuchitl que decian ser indiferente a bien y a mal. Quinto signo llamado
Ceacatl mal afortunado. Sesfo signo llamado Cemiquitzili , y de su prospera fortuna.
Setimo signo llamado Cequiavitl (Cequiaviztli), y de su desastrada fortuna. (Agiiero que
tomaban si alguno tropezaba en este dia ö se hacia algun dafio.) Signo llamado Cems^«
604 RELIGION UND SITTE.
Der Sirius hiess bei den Peruanern der unbewegliche Berg
(Urkku Khillay).
Jeder Naturgegenstand hatte (nach den Peruanern) sein Prototyp
in den Sternen und wurde so von dort her astrologisch beeinflusst.
Abends schwamm die Sonne*) (Peru's) dyrch das Meer, einen Theil
desselben mit ihrer Hitze auftrocknend, nach Osten (Intipilloc-nnan),
um dort wieder aufzugehen. Intihui bildet ein Kalender- Zeichen
(neben Inodon, Inbani, Inchon) in Mechoacan, wo die fünf Einschal-
tungstage Intasiabire heissen, und sich unter den Monaten Inteca-
mani, Interunihi, Intechaque, Intechotahui, Inteyabchitzin finden, so-
wie unter den Monatstagen Inthihui, Inthahui u. s. w. (s. Veytia).
Die fiir Ruhe dienenden Schalttage hiessen (in Peru) Puchuc
quilla (brennender Mond). Pachacutec verlegte den Jahresanfang
vom Januar auf December (nach Herrera). '
Das Jahr bestand aus 12 Mondmonaten*) (mit Einschaltung fiir
das Sonnenjahr) im Wintersolstitium beginnend. Diego Fernandez
macht Juny zum ersten Monat. Die Jahreszeit wurde bei Aufgang
und Untergang der Sonne nach dem Schatten der Säulen bestimmt.
Die Zwischenzeit des Mond- und Sonnenmonats hiess Vuchuc-quilla
(der überflüssige Mond). Yahuar Huquiz fügte das Schaltjahr (alle
4 Cyclen) hinzu. Herrera vertheilt die Schalttage unter die einzelnen
Monate. Das Jahr der Collas enthielt zehn Monate (nach Cieza).
linalli. Signo llamado Cecoatl, y de su buena fortuna. Signo decimo Uamado Cetecpatl,
signo de Vitzilopuchtli y Camaxtle. Und^cimo signo llamado Ceocumatl, y de su buena
fortuna. Duod^cimo signo llamado Cuetzpallin. D^cimotercio signo llamado Ceollin.
D^cimocuarto signo llamado Ceitzcuintli. (Como se aprestaban en este signo los Reyes
para la guerra, y sentenciaban en el a los presos.) Signo döcimoquinto llamado Cecalli,
y de su adversa fortuna. (Las malas condiciones de las mugeres nacidas en el signo
anterior.) D^cimosesto signo llamado Cozquauhtli. D^cimos^timo signo llamado Ceatl,
y de su desastrada fortuna. Signo decimooctavo llamado Ceacatl. (Los lloros que hacian
los robados por los nigromänticos , y demas cosas del signo Ceacatl.) Signo decimonono
llamado Cequauhtli. Signo vigesimo y ultimo, llamado Cexuchil.
*) Quando el sol se ponia, viöndole transponer por la mar (porque todo el Peru k
la larga tiene la mar al ponienie) decian que entraba en ella , que con su fuego y calor
secaba gran parte de las aguas de la mar, y que como un gran nadador daba una
zabuUida por debaxo de la tierra para salir otro dia al Oriente; dando h entender que la
tierra esta sobre el agua. Del ponerse la luna ni de las otras estrellas no dixeron nada
(s. Garcilasso de la Vega).
') Ein Pul beobachtete bei den Califomiem den Mond, um das Fest des Jahrestages
für einen Hänptling oder Priester (puplem) ausrufen zu lassen. Die Länge des Monats
festzustellen war den Kindern Isaschar Übertragen (5. Günther). Garcilasso unterscheidet
(in Cuzco) neben (18) Solstitial-Thttrme äquinoctiale, auf dem Hügel von Carmenca (bei
Cieza), als 12 Succanga (nach Acosta).
FESTE. . W)5
Rivero und Techudi setzen den Anfang des Jahres auf das
Sommersolstitium oder (nach Velasco) auf das Frühlingsäquinoctium
(s. Waitz), aber Ternaux - Compans hat bereits auf die unrichtige
Verschiebung der Jahreszeiten, sowie auf die Verwechselung der Aequi-
noctien und Solstitien in der letzten Darstellung aufmerksam gemacht,
wenn neben den 12 Thürmen Cuzco's (oder 12 Pfeilern Quitos) vier
andere Thürme in Cuzco oder 2 Säulen in Quito genannt werden.
Besides the solstitial towers (s. Squier) reference is made by the
chroniclers to certain single columns or pillars „for determining the
equinoxes", wie in Pisac erhaltenen (mit dem Chumpe genannten
Bronze-Ring).
Beim Fest Capacreyme (im Monat Rayme) vertheilten die Priester
aus dem Geschlecht Lloque Yupanqui's die von den Mamaconas mit
dem Blut weisser Widder aus Maismehl gemengten Kuchen unter die
Vasallen des Inca „und sagten, sie geben jhnen die Brocken darumb,
dass sie dem Inga, welcher König zu Peru wäre, vereiniget und mit
ihm im Bunde bleiben solten. Dessgleichen verwarneten sie die-
selben auch, dass sie von dem Inga nicht übel reden noch seiner
zum unbesten gedencken solten, sondern ihm allezeit günstig seyn
und dessen solt dieser Brocken ein Zeuge seyn: Wo sie nun jhrer
schuldigen Pflicht vergessen und nicht leysten würden, so würde
derselbig solches herfiirbringen , und wider sie seyn. Obgemeldete
Küchlein werden in grossen güldenen und silbernen Schüsseln vor-
getragen, so hiezu allein gebraucht werden, die Fremdlinge ent-
pfangen den Brocken, dancken der Sonn für ihre Wohlthat, stellen
sich mit Worten und Geberte, als ob sie frölich seyn und sagen sie
wollen, so lang sie leben, nichts wider die Sonn noch Inga thun
oder auch gedencken und nehmen sie mit solcher Condition und
Bedingung eyn, dass diese Speiss zu einem Zeugniss an ihrem Leich-
nam bleiben solle, dass sie sich gegen die Sonn und Inga in alle trewen
Diensten und Gehorsamb wölten erfinden lassen. Diese teufflische
Ceremonien brauchten sie ebenermassen im zehnden Monat, Coya-
raime genannt" (beim Situa - Fest). Unterschieden von den Situa
hiessen die festlichen Tänze Raymi (nach Velasco), die Fasten Zazi-
Puncha.
Im ersten Monat wurde das Raime-Fest (als Kapak Raymi) ge-
feiert, im zweiten (Kamai) wurde die Opferaschc in den Fluss gewor-
fen, im dritten, vierten und fünften schwarzgefleckte und graue Lama
geopfert, im sechsten das Fest Aimorai (der Ernte) beobachtet, im
siebenten Monat (Aukaikuzki) das Fest Inti-Raymi (der Sonne), im
606 RELIGION UND SITTE.
achten (Chahua) das Fest Huarki (unter Verbrennen grauer Lama),
im neunten (Yapaquis) wurden Cujes geopfert, dann folgte im zehnten
Monat (Koja-Raymi) das Reinigungsfest (Situa), im elften (Punchaiquis)
das Fest Homa-Raymi unter Darbringung eines gebundenen Lama
und bei dem Fest Raymi-Kantara Raikis im zwölften Monat (Aiamara)
wurden den Knaben die Ohren durchbohrt (für die Mannbar-Er-
klärung). Die Feuer-Erneuerung (Mushucnina) geschah mit dem Inca-
Virpo genannten Hohlspiegel.
Das Jahr theilte sich in Panchin (Paucar oder Tuetu), Rupay-
Mita (im Juni), Uma-Raymi und (im December) Tamia-Mita, berichtet
Velasco, der im Monat (Quilla) vier Wochen unterscheidet, als Mushuc-
Quilla, Yunda-Quilla, Yauyauc- Quilla und Huanuc-Quilla Im De-
cember wurde das Fest Raymi gefeiert, Uchuc - Tucuy oder Colla-
Pucuy im Januar, Hatun-Pucuy im Februar, Paucar-Huatay im März,
Ayrihua im April, Aymuray im May, Inti-Raymi im Juny, AntaCitua
im July, CapacCitua (oder Yapaiqui) im August, Uma-Raymi (Coya-
Raymi) im September, Ayar-Maca im October, Capac-Raymi im No-
vember (in Quito).
PRIESTERLICHES UND
STAATSWESEN.
Die Religion findet ihren ersten Grund in dem Staunen^) über das
Fremdartige, das (so lange noch nicht im Verständniss assimilirt)
durch das Störende des Eindruckes schreckt und Schutz vor Ver-
folgungen suchen lässt, so dass die Furcht Götter schafft. Primus
in orbe deos fecit timor.
Nach Consolidirung der Familie findet sich mit Erweiterung der-
selben der Patriarch apotheosirt und zum Stammesgott erhoben.
Wenn mit der staatlichen Ausbildung die Rechtsbegriffe sich fixirt
haben, werden diese auch auf das Verhältniss des Menschen zur
Natur übertragen, und da bei der Nothwendigkeit der Lebenserhal-
tung über die Benutzung fremden Eigenthums Zweifel entstehen
kann, so gestaltet sich ein System ceremonieller Culte, theils der
Sühne für Benutzung der Naturerzeugnisse, theils des Dankes, dass
es soweit ungestraft geschehen konnte. Est enim pietas justitia ad-
versum deos (Cicero).
Schliesslich wird weiter von dem ethischen Bedürfniss die Stütze
der Moral in der Religion verlangt, und bei der dadurch (buddhistisch)
hergestellten Wechselwirkung zwischen der Tugend und irdischem
Glück, zwischen dem Wohlergehen des Landes und dem frommen
Sinn des Königs, lag dann vor Allen den Priestern die Pflicht auf,
durch ein heiliges Leben die Sünden des Volkes zu sühnen und für
die Gemeinde zu büssen. Sacerdos dicatus est numini, hoc est ad
obsequium datus est (s. Servius).
Bald indess schwoll ihnen der Kamm, als Diener eines mächtigen
Herren, von welchem sie sich als Lieblinge bevorzugt meinten, und
dann strebte die Hierarchie nach weltlicher Gewalt, mit der Ver-
*) aQ^oyttet fiiv y«^, utint^ hnofuy, €<7t6 lov ^ttVfAa^kiv nnvTH (s. Aristoteles).
608 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
knüpfung dogmatischer Lehren, die bisher gepflegte Wissenschaft
sich selbst überlassend, welche Freiheit dieselbe allerdings auf das
Beste auszunutzen verstand.
Ehe sie indess die von der Magie phantastisch zusammenge-
würfelten Verknüpfungen im gesetzlichen Walten deutlich zu klären
vermochten, bildeten sich, neben anderen Naturfabeln, kosmogonische
Mythen, um über Anfang und Ende Rechenschaft zu geben und
beschönigende Antworten für die von Zweifel gequälten Fragesteller
zu erdichten.
Bei Einfuhrung einer fremden Religion als Stütze derselben
durch den Staat, müssen ihr gegenüber (wenn sie von proselytischem
Geist durchdrungen ist) die früheren Götter des Bodens als Dämone*)
der Austreibung verfallen, und ihre Reminiscenzen erhielten sich
dann in der schwarzen Magie, wohin (als Goetie) die Theurgen die
ihnen unbequemen (oder in der Praxis mitunter gefahrlichen) Ope-
rationen verwiesen.
Anfangs gehen Religion und Wissenschaft Hand in Hand, d. h.
die geistigen Interessen des Menschen, die zunächst in den zum
Glauben drängenden Gefühlsregungen, theils in den daraus geklär-
teren Anschauungen des Wissens, ihre Befriedigung suchen, finden
gleichmässig bei den dafür berufenen Talenten ihre Pflege. Der
Gang der Untersuchung verlangt wie immer, das Aufstellen gewisser
Normen, in dogmenartiger Form, die vorwiegend nach den Anfor-
derungen der gläubigen Gefühle gefärbt sind, weil auf ihrer Seite
die grössere Masse des zu Berücksichtigenden liegt. Obwohl ihr
gegenüber das dauernde Fortschreiten des Wissens ein progressives
Element (im Hinblick auf die Stabilität, aus der es hervortritt) reprä-
sentirt, bleibt es zwar stets in verhältnissmässiger Minderzahl, sammelt
aber dennoch im Laufe der Zeit eine solche Zahl neuer Vorstellun-
gen an, dass dieselben einer selbstständigen Abgleichung bedürfen,
und indem diese unter den bis dahin mehr religiösen Dogmen nicht
gewährt werden kann, die eigentlichen Vertreter derselben ihre
eigenen Interessen jedoch mehr oder weniger eng mit solcher Er-
haltung verknüpft fühlen, so gestaltet sich in fortschreitender Ab-
scheidung die unabhängige Pflege der Wissenschaft, schliesslich unter
so veränderter Form, dass der Bruch mit den anachronistisch ver-
harrenden Glaubenskreisen eintreten muss.
*) Die Hebräer nannten die Götter der Heiden Elilim (Nichtige), während das Welt-
system der Buddhisten weit genug ist, um auch fremde Götterfamilien anzusiedeln.
BKKEIIRUNGEN. 609
Diese Entwicklungsphasen in dem Wechselverhältniss^) zwischen
Rehgion und Wissenschaft lassen sich überall in der Culturgeschichte
verfolgen und sie wiederholen sich in mannigfachen Modificationen
auch in specielleren Berührungen, wie neuerdings in der Ausbreitung
kirchlicher Missionen.
Nachdem zuerst die materiellen Vortheile des Handels eine Be-
ziehung zu fremden Völkern eingeleitet haben, machen sich dann
auch ideale Bestrebungen geltend, und sie gehen anfänglich aus der
weitschichtiger geordneten Hauptmasse derselben, in der religiösen
Richtung, hervor. Ganz haben sich dieselben nie dem Einfluss der
im Wissen gewonnenen Resultate entziehen können, so dass sich die
allgemeine Bildung, welche dadurch in der Nationalität hervorgerufen
i.st, auch in ihnen reflectirt, und indem so z. B. die Missionäre des
europäischen Culturstandpunctes mit wilden Stämmen in Berührung
kommen, treten sie ihnen gegenüber als die Träger eines höheren
Bildungskrei.ses auf, die eine Zeit lang günstig auf sie einzuwirken ver-
mögen, und manche der aus dem Verkehr mit ungebildeten Schiffern
oder Handelsagenten fliessenden Schädigungen pariren. Wird ein
solcher Stamm dann aber in den Strom der adoptirten Cultur-
schöpfungen hineingezogen, so hat es bald sein missliches, wenn
man fortzufahren sucht, ihm die Ergebnisse des W^issens nur durch
das Medium der religiösen Dogmen bieten zu wollen, und es tritt
früher oder später der Zeitpunct ein, wo die bisherige Aufgabe der
Missionäre durch die Jünger der Wissenschaft selbst zu übernehmen
sein wird. Dieser Wechsel benöthigt sich natürlich um so früher, je
höher das fremde Volk bereits in seiner eigenen Cultur steht, je
mehr es sich also vorbereitet findet, die neu gebotene in sich aufzu-
nehmen, oder doch sie zu verstehen.
Von vielen andern Beispielen abgesehen, bietet sich eines der
lehrreichsten in China, dem Lande ältester Civilisation in Ostasien.
Als den portugiesischen und holländischen Handelsschiffen an der
Küste die Missionäre, bis Peking, folgten, und die kluge Berechnung,
welche die Operationen der Jesuiten stets ausgezeichnet "hat, auch
hier die geeignetsten Persönlichkeiten für ihre Sendlinge zu wählen
') Die wahre Autorität ist nichts Anderes, als die durch Kraft der Vernunft ent-
deckte Wahrheit, führt Erigena (nach Augastin's Satze) weiter aus, in den Worten Lessing's
(wie Renter bemerkt), und so wird sich in jedem Stadium ein einigendes Wort finden
lassen, das jähe Spaltung verhindert. Dicunt enim ea vcra esse secundum philosophiam,
sed non secundum fidem catholicam (die Averroisten) 1277 (in Paris) in doppelter Buch-
führung (wie noch spfitcr).
Bastian t America. I. ^^
610 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
wusste, Meister in den exacten Wissenschaften, in der Mathematik
und den verwandten Zweigen, so erkannte der nüchterne Sinn der
Chinesen bald die practischen Vorthcile, die sich aus den hier ge-
botenen Kenntnissen erlangen Hessen, und die ihres Wissens wegen
gefeierten Apostel neuer Lehren vermochten es so, auch auf die
religiösen Anschauungen manchen Einfluss zu gewinnen. Sobald
jedoch die hierhin gerichteten Bestrebungen zur Hauptsache wurden,
mussten alle jene Conflicte eintreten, die aus den Kreuzungen päpstlicher
Bullen mit den Edicten der Mand.schu-Kaiser ein so unbehagliches Bild
von der. Werthschätzung oder vielmehr Geringschätzung der christ-
lichen Mission in China während des vorigen Jahrhunderts projiciren.
Noch greller schrillt der Missklang im laufenden Saehulum
hervor, und wird durch die den protestantischen Missionären, ihren
Traditionen nach, vorgeschriebene Tactic beständig vermehrt. Im
Allgemeinen werden sie unter den sonst nur des commerciellen
Erwerbes wegen das^ Mittelreich Besuchenden, als die Träger der
europäischen Cultur in China betrachtet, wie es, solange son.stige
Gelehrte selten ihre Schritte dorthin lenkten, in einem gewissen
Sinne auch geschehen konnte. Da sie nun jedoch ihre Aufgabe
vornehmlich darin suchen zu müssen meinen, die Uebersetzungen der
heiligen Schrift und darauf begründete Tractate durch Massenver-
theilung in Millionen und aber Millionen von Exemplaren durch das
Land auszubreiten, so ergaben sich daraus von selbst die Incon-
gruenzen in dem Urtheilc der von dem Gesichtspunct ihrer ein-
heimischen Gelehrsamkeit geleiteten Chinesen über die den frem-
den Barbaren zugeschriebene. Für uns sind diese hebräischen Reli-
gionstraditionen allerdings geschichtlich in einen Zusammenhang mit
dem gegenwärtigen Standpunct der geltenden Cultur gesetzt, indem
sie indess, unvermittelt aus dem Urtext, den heutigen Chinesen zum
Durchlesen vorgelegt werden, so muss in deren Kopfe, wenn sie
aus einem auf den Systemen ihrer alten Philo.sophen genommenen
Standpunct das sonstige Treiben der (aus verschiedenen Gründen
verhassten) Fremden und derer, die für die Lehrer und Gebildeten
unter denselben gelten, in Betracht ziehen, eine leicht erklärliche
Confusion hervorgerufen werden.
Mit der Wurzel des Religiösen in das Staunen verlegt, ist der
Fortgang des geistigen Entwicklungsganges angepflanzt. In der
Wechselwirkung von Reiz und Gegenreiz liegt im Mikrokosmus,
innerhalb seiner Reaction auf die Einflüsse des Makrokosmus, das
PRIESTERKÖNTGTHUM. 61 1
Streben zum Assimiliren derselben, wie auf körperlichem, auch auf
psychischem Gebiet, und hier repräsentirt sich, bei stattgehabter
Absorption einer aus der Naturumgebung einfallenden Frage, in dem
Verstehen derselben, ihre Beantwortung. Insofern wächst der Mensch
mit seiner geistigen Entwicklung in das Verständniss der Natur
hinein, aber immer bleibt ihm ein in Proportion bald kleiner, bald
grösser erscheinender Rest eines Unverstandenen, das als solches in
seinem fremdartigen Eindruck ein mehr oder weniger mit Furcht
gepaartes Staunen hervorruft. Der Schwerpunct kann je nach der
eingetretenen Ideenassociation auf der .subjectiven oder auf der ob-
jectiven Seite liegen und in letzterem Falle wieder mancherlei Zu-
fälligkeiten unterworfen sein. Bei rohem Stumpfsinn mögen oft
grossartigste Erscheinungen fast unbeachtet oder gleichgültig vor-
übergehen, während sie in civilisirteren Verhältnissen zur Andacht
stimmen können, nnd immer wird, so lange das Räthsel der Natur
ein ungelöstes bleibt, sich Staunenswerthes genug für den Menschen
erhalten, mit seinem Bildungsgrad selbst an Umfang zunehmen, bis
es dann, bei der Klärung des Glaubens zum Wissen, in das Netz
eines Systems einge.sponnen , durch Anschluss an bereits Bekanntes,
den Character des sonderbar Unvermittelten^) verliert, und so das
Staunen in jene Bewunderung oder Verwunderung umwandelt, mit
welcher Jeder von uns noch heute um sich schauen wird, so oft die in
ihm selbst geknüpften Räthselfragen vor dem Bewusstsein auftauchen.
Wie jedes Bedürfniss seine Abhülfe schafft, so ruft der be-
lästigende Eindruck des Unbekannten die Umspinnung mit religiösen
Mythen hervor, und um ihn noch weniger fühlbar zu machen, thun
dann die zur Interpretation berufenen oder herzugedrängten Inter-
pretatoren das Ihrige.
Sie sind dann in späteren Stadien auch diejenigen, denen es
obliegt, die Eingriffe in die Naturordnung, deren der Mensch aus
den Wirkungen seiner täglichen Handlungen sich selbst beschuldigt,
durch Opfer zu sühnen oder durch aussergewöhnliche besondere
Gunst der dämonischen Mächte zu erlangen.
Im Stammeskreis pflegt die priesterliche Würde lange mit der
politischen verbunden zu bleiben, indem der zu dieser Eingesetzte
sein Volk nicht nur gegen die Feinde von Fleisch und Blut zu
J) Nach Rhabanus Maurus geschähen die Wunder nur ,, contra consuetudincm naturae",
nicht ,, contra natnram (ergo fiunt non contra naturam, sed contra quam est nota natura)",
wie das natürlich noch nicht Erklärbare zwar als Wunder erscheint, aber bei der bevor-
stehenden Möglichkeit der Erklärung nicht als Wunder unerklärhar gelassen werden muss.
39*
f)12 PRTESTERLICHES UND STAATSWESEN.
schützen hat, sondern auch gegen die gespenstisch Nachstellenden,
und solche Functionen werden dann unter verschiedene Titel gestellt,
vom Pater familias bis zum Rex (sacrorum) oder Basikus.
Wie in der Familie und dem ytrog vollzog in der Phratrie der
(Hausherr oder) Patriarch die gemeinsamen Opfer (für den Eponymos),
und dies erhielt sich in Fiction auch für die Phyle und selbst bei
erweiterten Staatsverbänden, wie in den nur denPatriziern^) zustehenden
Sacra publica (wobei vielfach der Schutzgott des Stammes*) auch im
Staatscult') adoptirt wurde).
Wurde man neben diesen dii patrii mit dii peregrini*) bekannt,
sei es durch Hervorlockung*) feindlicher Götter (wie aus Veji und im
punischen Kriege), sei es durch eine Propaganda, wie sie (nach He-
rodot) von Aegypten^) nach Griechenland statt hatte, so mochte
der Einzelne nach seinem individuellen Bedürfniss wählen, oder sich
dem Tempel desjenigen Privat - Priesters zuwenden , dessen Schutz-
gott ^) gerade Credit erworben hatte (und demgemäss für seine
Niederlassung®) umworben werden, mochte, um dem Orte seiner
') Die Plebs war von jeder thätigen Thcilnahme an den sacris publicis (der Patrizier)
ausgeschlossen, (nur zu einer Privatverehning römischer Götter befugt), bis Servius Tul
lius (der in religiöser Hinsicht getrennten Gemeinde eine Einheit zu geben) den capi-
tolinischen Tempel baute, mit den 3 capitolinischen Gottheiten (Jupiter, Juno, Minerva),
als Schutzgöttern des römischen Staats (s. Marquardt). Der VoUgenuss des römischen
Jus sacrorum stand bis auf die T^ex Ogulnia und theoretisch eigentlich immer den römischen
Patriziern zu (s. Ambrosch).
*) Neben den Sacra popularia (der Biirgerschaftsabtheilungen) wurden die Sacra publica,
wenn nicht von den sacerdotibus popuU Romani von einzelnen Gentes gefeiert (wie die
des Sol von der gens Aurelia, der Minerva der gens Nanlia, des Apollo von der Gens
Julia u. s. w.).
•) Neben fremden Göttern wurden die S-fw nofi^ipot (der Geschlechter) zu ^#0* itatQun
(des Staates).
*) Die Dii peregrini hatten ihre besonderen Vertreter in den Quindecimviri sacris
faciundis, während die Pontifices (als sacerdotes publici) den Cult der patrii dii besorgten.
*) Während des Krieges mit Hucxotzinco (durch Axayaotl) wurden der Göttin
Huexotzinco zum Heistande Tempel errichtet in Mexico, als Coatlau und in Tlatelolco
als Coaxolotl.
*) naytjyvQig J* a^a xai nofdnac xol nQOiaytjyas n^tÜTot ay&Q<an(oy Aiyvnnoi
tlohv oi nottjarifiiyot (s. Herodot).
^) Die Priester (in Griechenland) waren ,, Vorsteher eines Heiligthum's, eines Tempels
oder eines Temenos, und ihr Beruf bestand darin, des Dienstes der Götter in diesem
Heiligthum wahrzunehmen" (so dass, wer in demselben opfern wollte, bei den gottes-
dienstlichen Cultushandlungen der Mitwirkung des dortigen Priester's bedurfte).
•) Wenn es den Weroance oder Häuptlingen (in Virginien) gelang, einen der ange-
seheneren Quiyoughquisock (Priester) in ihr Gebiet zu ziehen, bauten sie dafür ,, private
temples, with oratones and chauncells" (s. Strachey). Bei dem Medicinfest der Knistenaux
(unter Opfer eines weissen Hundes) legt der Wirlh (nach Entfernung des Kruer's) im
GILDEN. 613
Wahl die mit dem dortigen Verweilen verbundenen Vortheile zu
sichern). Bevorzugte prophetische Begabung, durch Enthüllung der
dunklen Zukunft, musste (als fjborttxti ärsxyog von schädigenden Gauke-
leien freier, in der fjboytxfi, als die (lavuxii ivtsxpoq) eine weite Folgewir-
kung ausüben, und in geschickter Diplomatik mochte dann ein Orakel,
wie das von Delphi, wo Apollo seine Kretenser zu Priestern einsetzte,
die Bedeutung eines religiösen Mittelpunktes gewinnen. Wurde in
solchem Falle ein bereits abgeschlossenes, oder im heiligen Buche*)
niedergelegtes Religionssystem von den Missionaren verkündet, so
mochte leicht, um Verstösse gegen die Bestimmungen des Ceremonial-
gesetzes zu meiden, die Anordnung hinzutreten, dass Niemand opferen*)
durfte, ohne einen Magier an seiner Seite, wie bei den Persern.
Wenn in der neu organisirten Form des Staatslebens die parti-
cularistisch geschlossenen Familien und Geschlechter sich lockern
mussten, obwohl auch Nichtverwandte durch gemeinsamen*) Cultus in
der Gens oder im Clan zusammengehalten wurden), so stellten sich neue
Einigungen her in der Gemeinsamkeit der Beschäftigung*) und es
bildeten sich kastenartige Zünfte ^) oder Gilden, wie sie in Attika, bei
Osagen oder Joloff, temporär bereits neben den Stammgeschlechtern
bestanden hatten, und bei Römern in die Form der Sodalitia über-
gingen, für welche (wie bei den Luperci) jedes gentilische Band der
Mitgliederschaft fehlte.
Unter diesen als Collegien organisirten Sodalitien (denen ge-
wöhnlich gemeinsame Mahlzeiten*) einen natürlichen Mittelpunct
Innern der Wohnung den Hausgott mit den zugehörigen Amuletten das Sackes auf einer
Matte aus, ehe die Gäste (denen der Michiniway oder Gehülfe das Getränk herumreicht)
eintreten (s. Mackenzie).
*) Die Gottheiten , deren Einfuhrung durch sibyllische Bücher empfohlen wurde,
gehörten meist alle ihrer Heimath nach der Gegend von Troja an (s. Marquardt).
*) Aristoteles unterscheidet, in Cultushandlungen, die von Magistraten in Folge des
vom Staate übertragenen Amts verichteten von den hieratischen, d. h. denen, die den
Priestern zu verrichten zukommen (s. Schömann). Nacon hiess (in Yucatan) der Opferer
(sowie der Feldherr).
') Von den Kovd 'Uqd im yiyog kam die Bezeichnung der *Oifyf<at^is.
*) Bei mangelnder Ver^^andlschaft ersetzt gleiche Beschäftigung die Berechtigung zur
^Aufnahme in das Geschlecht, wie bei ßouCoyot, tfvtaHdat, ivyldat u. s. w.
^) Der dem Tezcatlipuca geweihte Orden (Tepochtlilzli) bestand aus Jünglingen und
Knaben (s. Clavigero), dem Orden oder CoUegium der Ceteotl durften dagegen nur
Sechszigjährige angehören (als Wittwer).
*) Ursprünglich dienten die Sodalitates (als collegia Templorum) zur Feier von Opfer
und Festmahlzeiten, mit dem Cult der Götter verbunden. Neben dem aedituus (des
Tempel' s) fungirte der Flamen oder Sacerdos des Tempels. Die tfto/LUtaXaiortH ^^^'
deten eine auf Schmaus und Scherz ausgehende Cultgenossenschaft des dionysischen
Heiligthams des Herakles.
614 PRIESTKKLKIIES INU STAATSW KSKN.
boten) verwebten sich besonders bei denjenigen, wo bereits Gewerbe-
geheimnisse vorlagen, die Geheimgebräuche des Handwerkes^) mit
denen des Privatkultus (wie bei den Collegia opiftcum oder arti-
ficum^)), und unter dem Eindrucke solch freimaurerischer Mysterien,
erhielten die Pontifices, als Priester der dii patrii (im Ritus Romanus)
den Cult der verborgenen Schutzgötter Rom's^) mit Bewahrung des
Palladiums in dem durch Numa gestifteten Collegium anvertraut.
An dadurch factisch geschaffene Zustände anknüpfend,, wurde dann
bei Einführung neuer Culte die Verwaltung oft einem Sodalitiuni
oder Collegium übertragen, und bei Weihe des Mercur-Tempels findet
sich fiir denselben ein collegium mercatorum gestiftet.
Wie einerseits bei Aufbruch der Geschlechter unter der staat-
liehen Erweiterung, das Zusammenfliessen des Gleichartigen die Kasten-
artigen Verbindungen, (unter Errichtung neuer Scheidewände gegen-
einander) hervorrief, so zeigt sich das umgekehrte Bild, wenn unter
engen Localverhältnissen der Staat gewissermassen in den patriarchali-
schen Formen des Stammgeschlechts noch aufgeht, und so (wie ähnlich
westlich vom Missisippi) bei den Kru die Kasten nach den Altersklassen
gegliedert werden, in Gnekbade oder Alte, Sedibo oder Männer
(Krieger) und Kedibo*) oder Jünglinge neben den (besondere Be-
gabung erfordernden) Deyabo oder Zauberärzfen.
Aus denen vom Staat ^) eingesetzten Priestern, den sacerdotes
publici, bildete sich eine Hierarchie (unter später systematischer
Einigung^) der Gottheiten zur staatlichen Religion), und im ordo
Sacerdotum (der persönlichen Rangordnung) folgen auf den Rex (als
Priester des Janus) 'die drei P'lamines (des Jupiter, Mars, Quirinus,
als Flamen dialis, Martialis, Quirinalis) dann für die Erdgötter
*) Unter den Künstlern sind erblich die Tufunga fovaca (Canoe - Bauer), Tu£unga
fonole (Schnitzer in Elfenbein), Tufunga-tabu (Beaufsichtiger der Leichengebräuche), und
diese Gewerbe dürfen nur von Metabuiles und Muas (nicht von Tuas) ausgeübt werden,
dann folgen die Tufunga *ta maca (SteinhauerJ, Tufunga langa falle (Kausbauer) u. s. w.
(s. Marina).
') Die Metallarbeiter Attika's feierten gemeinsam die XttlxHa.
•) Die Pontifices fungirten am Penus des Staat's (als Pontifices Vestae) im Cult der
dii magni (Satumus und Ops).
*) Aehnlich den Epheben (in Attika mit der Hut des Feldes betraut) , als vnonaoi'
*) Die drei grossen Priester -Collegien der Pontifices, decemviri sacris faciundis und
Augures waren seit der lex Ogulnia den Plebejern zugänglich geworden, die alten und hei-
ligen Ceremonien, welchen der Rex und die drei grossen Flamines vorstanden, sowie die
Collegien der Salii, Luperci, Arvales sind jedoch immer in den Händen der Patricier ge-
blieben (s. Marquardt).
^) Im Capitolio (s. Servius) ,,oranium deorum simulacra colebaotur".
WEISTHUM. 615
(Saturnus, Ops und Vesta) der Pontifex maximus (in Rom). Maximus
videtur Rex, dein Dialis, post hunc Martialis, quarto loco Quirinalis,
quinto Pontifex maximus (s. Festus).
Indem die Pry tanen als oberster Magistrat an die Stelle des frühereu
Königs getreten waren, hatten sie auch die sacralen Functionen über-
nommen (neben den Hierothyten für die Jahresrechnung, den Hierar-
chen Hieronomen u. s. w.) Aus den Verhandlungen über die Lex
Ogulnia ergiebt sich die unauflösliche Verknüpfung der jura sacer-
dotiorum und magistratuum (s. Ambrosch).
Im Tonga bildeten die Zimmerleute ^) den Priesterstand, sonst viel-
fach die (anderswo wieder verachteten) Schmiede, und die Brücken-
macher waren vor Allen zu der (auch dem Inca für Erbauung der
Brücke über den Apurimac gezollten) Verehrung berechtigt, (in Attika
als Gephyräer) da sie kühn und verwegen das gefährliche, aber zum
Besten des socialen Verkehrs erforderliche, Wagniss unternommen
hatten, eine Brücke über den tückisch rachsüchtigen Wassergott zu
schlagen, dehi deshalb auch die Sühnopfer der Argeer (auf dem
pons sublicius) nicht versagt werden durften.
Als die Vorfahren der Karaiben unter dem blauen Himmel von
den natürlichen Erzeugnissen der Erde lebten, erschien den über
dies thierische Leben trauernden, ein vom Himmel herabsteigender
VVeissgekleideter, der den Gebrauch scharfer Steine zum Umfallen
von Bäumen und die Benutzung der Stämme zum Hausbau lehrte,
und dann seinen in drei Stücke zerbrochenen Stab zum pflanzen der
Maniok gab (s. Dapper). Der Prophet Bochica lehrte das Weben.
In den Fetischwäldern Afrikas verbergen sich die esoterisch*) von
der Priesterschaft (wie bei Brahminen u. s. w.) bewahrten Geheim-
nisse, oder ihre Ausübung in den zum Schauen führenden Mysterien
(eleusinische oder mithraische), und vor der Aufnahme muss, in einer
oder andrer Form, ein Proccss der Wiedergeburt durchgemacht werden.
') In Sanioa (bemerkt Tunier) ,,it is a lasting disgrace to any one to have it said that
he paid bis carpentcr shabbily, als den Hauserbauer (den Architccten priesterlicher Ehren).
Der heiUge Benezet stiftete (1188) die Brüderschaft der Brückenbauer (in Avignon). In
Kunawar werden Schmiede und Zimmerleute (als unreine Kaste) Kohli genannnt (wie
vielfach in Berührung der heiligen und verachteten Stände). Die Schmiede (die unter
einander heirathen müssen) sind (obwohl als Sclaven betrachtet) die Reichsten im Lande
der Bari. Von den Verfertigem der Holzgötzen (in Yucatan) wurde den Acantun genann-
ten Göttern geopfert (una de las cosas, que estos pobrcs tenian por la mas ardua y difB-
cultosa, era hazer idolos de palo).
*) Nach Claudius (Bischof von Turin) hatten die Kenner der christlichen Gehcim-
lehren darüber zu wachen, ,,ne illa coelestium arcanonim dignitas passim atque indiscrete
cuncUs pateret sanctumque canibus et margaritae porcis exponerentur (DC. Jahrhundert p. d.).
616 RKIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
Der Flamen diente zum Vertreter jJes Volkes vor der all-
waltenden Gottheit^) um durch sein unbescholtenes^) und vor jeder
Unreinheit^) bewahrtes Leben (in buddhistischer Auffassung der
Tugendkraft) die Sünden jenes zu sühnen*), weshalb er auch mit
ewigem Feuer*) verknüpft wurde, und bei der schwierigen Herstellung
desselben, dafür zugleich Functionen übertragen erhielt. Caput cinctum
habebant filo (s. Varro) die Flamines (von filo).
Das Heerdfeuer des monogamisch (in confarrirter Ehe) auf dem
Palatin, im domus flaminia, lebenden Flamen dialis durfte nur zu hei-
ligen Zwecken entnommen werden (s. Gellius).
Sein Bart musste (zur Vermeidung des tückischen P2isens) mit
einem kupfernen*^) Messer geschoren werden, und so mögen sich auch
zum Theil bronzene Grabbeigaben erklären, wie die anderseits zu
steinernen führende Ideenverbindung, in Peru, selbst die sonst aus
leichtestem Materiale hergestellte Schalmei iiir die Totden aus Stein
herausarbeitete.
Die Auguren^) hatten die allgemeinen Aspecten der Natur zu
*) Saccnlos dicatus est iiuniini, hoc est ad obsequium datus est (s. Serviusj.
') Die Natageimas und Coyaimas (sowie die Piyaos) glaubten, ,,que el hombrc quc
moria inocente se hacia dios y que protejia a aquel que Ic habia hecho el beneficio de
matarle , como tambien a su familia. mas nö a utra, pues era patron muy especial" (s.
Uricoechca). So erzählen die Araber von den Bulgaren der Wolga, dass sie besonder^
begabte Männer getödtel hätten, weil die Erde zu gut für sie sei und sie sich im Jenseits
besser fühlen würden.
*) Völlig der Gottheit angehörig musste an jedem Tage, als immerwährendem Feiertage,
der Flamen dialis (dessen laena genannte Toga praetexta von seiner Frau gewebt wurde)
stets in seiner Amlsiracht erscheinen, ohne Waffen oder Unreines (wie eine Leiche zu
sehn), auch mit der Commetacula genannten Virga die Begegnenden auf dem Wege zum
Opfer fern haltend, und wurden die Abfalle seiner Haare und Nägel subter arborem
felicem (s, Gellius) begraben.
*) In Teotihuacan oder Tehuacan musstcn die vier Monauh xuitzauhque vier Jahre
lang fastend im Tempel leben (s. Mendieta), wie vielfach in Mexico, und bei den Misteken
büsste der Priester für König und Volk (s. Herrera).
*) Als Zünder zum Darbringen der Brandopfer (s. Mommsen) wird der Name der
Flamines (als Üpferpriester) von Flare (dem Anblasen des Feuer?) abgeleitet. Die Priester
der Cheerokee hiessen Cheera-tahge (men possessed of the divine fire). Okanastota (König
der Cherokee) tesidirte am Tellico-Fluss.
•) Die Archonten Theben's durften kein Eisen an sich tragen (wie der römische
Flamm).
^) Als die den Römern eigenthümliche (und im alten Italien durchweg verbreitete)
Pivination, bezweckte die in den libri augurales (des CoUegium der Augures) überlieferte
Wissenschaft von den Auspicien der Auguralwissenschaft (nicht die Geheimnisse der
Zukunft zu enthüllen, sondern) die Genehmigung der GöUer zu einer bestimmten Hand-
lung zu erlangen, und die Thäligkeit der Auguren beschränkte sich auf den fachkundigen
Beistand bei denjenigen Handlungen, bei welchen sich der Staat der Genehmigung des
VOGELSCHAU. 617
beobachten, um aus den (von den Astrologen besonders für den
Einfluss der Gestirne auf das individuelle Dasein ausgebeuteten) Con-
juncturen den günstigen oder ungünstigen Ausgang vorherzusagen,
da bei dem gesetzlichen Walten im Weltraum, Alles und Jedes in
Wechselwirkung stehen, und so sich auch in den momentanen Krisen
der Völkergeschichte der jedesmalige Zusammenhang mit dem Ganzen
bemerkbar machen musste. Für die auf Befehl erforderlichen Antworten
boten sich als einfachste Beobachtungen die der (überall in Asien und
America wiederkehrenden) Vogelschau, indem die Flüge der VögeP)
in eine methodische Verbindung mit den langsamer verlaufenden
Naturbewegungen derGesammtheit gesetzt wurden, um gewissermassen
aus einem im Kleinen erfassten und genau bestimmbaren Theil die Con-
stellation des Ganzen zu berechnen, und so zu einer der Anfrage
genügenden Entscheidung befähigt zu sein.
Indem nun aber der regelmässig geordnete Naturlauf, den die
Auguren in systematischen Observationen zu verfolgen hatten, ge-
legentlich durch unerwartete oder plötzliche portenta^) unterbrochen
werden konnte, so waren für diese abnormen Zwischenfälle (für diese
ostenta, in welchen, wie es schien, die Götter etwas besonders Wich-
tiges anzuzeigen beabsichtigten), besondere Interpretatoren') erforder-
gottlichen Willens zu versichern hat (s. Marquardt). Ihr Beruf ist die ,,nuiitiatio" (die
Beantwortung der ihnen vorgelegten Fragen , ob die beobachteten Zeichen günstig oder
ungünstig sind, wogegen die ,,Speciio" (das Recht, Auspicien im Namen des Staats anzu-
stellen) früher dem König gehörte (dann den Magistraten).
*) Sie erweisen sich oft auch practisch eingreifend, Wanderungen zu leiten, (oder im
Erscheinen Vorzeichen gewährend). Die Lenape wurden bei einem Kriegszug, durch das
nächtliche Geschrei der Eule vor einem Ueberfall gerettet (s. Heckewälder) , wie die
Gänse das Capitol schützten. Wenn der Zahar oder Augur „began bis soothsaying Ope-
ration, he drew two lines called eyes, as if he could by means of thcm obscrve anything
he liked" (Rehatsek).
') Wie viel Wunderzeichen, ostenta und prodigia, haben sich allein in diesem Jaare,
und hier im Lande sehen lassen , und begeben und zugetragen , heisst es in dem Briefe
(i2. Sept. 1629) des ChurfÜrstcn Georg Wilhelm an die Schul - Rectoren , die gefragt
werden: ,, Meinet Ihr, das das Zeichen am Himmell, welches sich am 30. Augusti, in
gestalt eines Trachen sehen Hesse , dantmb erschienen , das Ir darauff also fort am
10. dieses denen gleich, welchen es eben eins ist, Sic haben einen zornigen oder gnedi-
gen Gott, mitt allerhand dabey lauffrndi n Sachen, daran Gott ein Grewell hatt, comoedien
agiren sollet r"
•) Neben den Kalidscha oder Zauberinnen, wahrsagen die Watos oder Scher und, aus
den Eingeweiden der geopferten Thiere die Luba oder Priester (bei den Galla). In Peru
wurde aus den Eingeweiden der Lama ge weissagt. Augurquc cum esset, dicere ausus
est, optirois auspiciis ea geri, quae pro reipublicae salute gererentur (s. Cicero). Auguria
quoque et avium cantus, et sternutationes et talia plurima omnino vitanda sunt (s. Alcuin).
618 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
•
lieh , und diese suchten dann (wie stets in solch schwierigen Noth-
lallen) von den dämonischen Mächten Erkundigungen einzuholen,
weshalb sie, als Ausüber solch schwarzer Kunst, im geordneten Staats-
leben auch nur ungern*) geduldet wurden. In Rom berief man für
lange Zeit hindurch zur Unschädlichmachung solcher Prodigien (von
pro-agere) „Haruspices Tusci ac barbari*' Etrurien's,^) wo das Colle-
gium der Haruspiees seine Kenntnisse auf die Offenbarungen des
erdgeborenen Tages gründete. Genetrix ac niater superstitionis
Etruria (s. Arnobius). Auch die Naturerscheinungen meteorologischer
Processe erhielten ihre Beachtung (wie in Afrika), und so zerfielen
die „Volumina Etruscae disciplinae" in „libri rituales ', fulgurales und
haruspicini (neben den Ostentaria)^).
Sollte rasch die erforderliche Deutung gefunden werden, so lag
am nächsten das stets zu Gebote stehende Mittel der Hostiae
consultatoriae, die Tödtung eines Thieres und Durchspähung der
Eingeweide, denn da der Gang des Makrokosmos sich (nach magi-
scher Anschauung) direct im Mikrokosmos reflectiren musste, Hessen
sich hier Regeln feststellen, wie später bei den von den Astrologen
medicinisch verwertheten Beziehungen der siderischen Umläufe zu
den Leibesorganen animalischer (thierischer oder menschlicher) Kör-
perlichkeit.
Die Culturheroen, wie Bochica bei den Chibcha, Boitia auf den An-
tillen U.A. m. erhielten priesterliche Vergötterung*), und später erst
weitete sich die Kluft, wodurch Religion und Wissenschaft gespalten
wurden, während früher die priesterliche Weihe nicht nur an den
') ,, Haruspices secretu ac sine testibus consuli" war (in Rom) verboten (s. Sueton).
') Vcrtumnus heisst Deus Etruriae priuceps (bei Varro). Die Aesar rerfielen in die
oberen oder verhüllten Götter und in die ,,dii consentes oder complices" neben den Genii
oder Unterwcltsgöttem. Wie Turnus als Mercur erscheint, Tinia oder Tina als Jupiter
u. s. w., so wird der Kortonäiscbe Heros Nanas mit Odysseus identihcirt
•) Neben Erklärungen aus der Blitzlehre, deuteten die Haruspices die portenta und
ostenta mit Angabe der Götter und ihrer Sühnungen, sowie sie in den hostiae consul-
tatoriae genannten Opfern die Eingeweide beschauten (als Mikrokosmos). Der Häuptling
Obcra (unter den Guaranis) handelte als Prophet, indem er den gerade erscheinenden
Cometen in seiner Macht zu haben behauptete, um ihn zur Vernichtung der Spanier zu
verwenden. ,,Ein Füllen, so im Amte Zossen geworfen wurde, vor der Stirn ein Loch
und um dasselbe ein besonderes Gewächs hatte, war nach geistlicher Erklärung nichts
weniger, als eine göttliche Erinnerung, dass die grossen Herren ihre Hunde und Pferde
besser, als die Menschen und ihre Diener halten" (1665).
*) Jahve (in der Aussprache des mystischen Tetragrammes) hatte mit Abraham
seinen Bund geschlossen, und in Brahm wurde (in Indien) der Ahn der dominirenden
Kaste vergöttlicht.
BETEN. 619
Gelehrten haftete, sondern auch an den Künstlern, an Brücken bauenden
Pontificen und Gephyräern, an Zimmerleuten auf Tonga, an den (oft-
mals freilich in die Repräsentanten schwarzer Magie verkehrten)
Schmieden vielfach. Dem von der Okeanidc Melia dem Inachos ge-
borenem Phoroneus (Vater des Apis und der Niobe) oder (s. Baur)
Pharao^) wird, wie die Vereinigung der zerstreuten Menschen in feste
Wohnsitze (bei Hyginus) und Ordnung der geselligen Verbindung
(s. Tatian), die Erfindung des Feuer's zugeschrieben (nach Pausanias).
Als der Lake Superior zu kreuzen war, richtete der Häuptling
ein ernstes Gebet an den Grossen Geist, (der den See geschaffen,
sowie sie, seine Kinder, und jetzt die Wasser ruhig halten könne),
dann einen religiösen Sang anstimmend, was, wie Tanner bemerkt, auf die
Indianer tiefen Eindruck machte, ebenso wie ihre Lage, „being exposed
un the broad lake, in their frail canoes".
Solche pjndrücke, die bei activen Wanderstämmen zu monotheisti-
schen Verehrungen führen, fallen bei dem in beschränkten Local-Verhält-
nissen lebendem Neger fort, der nur überall hier und da ein feindlich
Dämonisches gegen sich gerichtet glaubt, und so in Riten des Fetisch-
dienstes verbleibt.
Bei den Wüstenvölkern und ihrer freien Umgebung findet sich
mehr oder weniger ein (aus den Beduinen zum semitischen Character-
bilde gewordener) Monotheismus ausgebildet, und auch die Patagonier
auf offenen F'lächen fühlen sich von dem Luftgott Pillan umwogt
(gleichsam die obere Luftregion in Jupiter).
Die Buchreligion gab den Besitzern heiliger Schriften^) das
natürliche Uebergewicht grösserer Schwere unter den nur von schwan-
kenden Mythenbewegten Horden, und so verbreiteten die aus den
*} Die ägyptischen Priester lachten über die in den Genealogien der Griechen bis
auf die Götter zurückgeführte Abstammung (wie bei Ilecatäus innerhalb i6 Generationen),
indem in der Zeit ihrer 34$ (durch Holzstatuen repräsentirten) Hohenpriester, wo
Mensch von Menschen gestammt, kein Gott erschienen sei (s. Hcrodot), und so verglichen
mit ihrer eigenen Geschichte, erschienen ihnen die von Solon mitgetheilten Mythen, von
Phoroneus und Niobe oder über Deucalion und Pyrrha, als jung (nach Plato).
') Im Lande Weiwur des Königs Iduhu (Idikut) wurden aus dem durch Himmeb-
licht zwischen zwei Flüssen geschwängerten Baum von fiinf Hügeln fttnf Zelte geboren,
jedes mit einem Knaben, von denen der jüngste (Bukohan oder Bukutegin) auf Erobe-
rungen auszog (von Raben berathen) und das Reich der Uiguren in Bisbbalik (Fünfstadt)
oder Urumtschi gründete , wo die Kam genannten Priester durch die Bücher der Numi
widerlegt wurden (in buddhistischer Bekehrung). Bei Samojeden dienen die Götter
(Tatebi) dem höchsten Wesen oder Nam. Die Verehrung der Bari wird an Nun (im
Himmel weilend) gerichtet.
620 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
ägyptischen Mysterien nach Palästina mitgebrachten Formeln schützende
Scheu um den Namen der Hebräer, während die Geschichte Roms
mit den Geheimnissen der sibyllinischen Bücher verknüpft gedacht
wurde.
Kaiser Tshwan-Hsiu (r 2437 '*• ^•) verbot die Magie, indem
er keine anderen Opfer erlaubte, als die dem höchsten Wesen
(Shangti) dargebracht wurden, und aus dieser Dynastie stammte die
spätere derTshin, die als Markgrafen an der Grenze der Nomaden-
völker, in der früheren Mark der Thsou (am oberen Wei^), dann
diese von dem Throne verdrängte.
In der chinesischen Staatsreligion (Kiun-sze oder die Opferfolge)
werden die Hauptopfer dem Hwang - Teen (oder Herrscherhimmel),
dann den Gestirnen, den Vorfahren u. s. w. dargebracht, und der
Dienst wird versehen von dem „Emperor (who is high priest), kings,
nobles, statesmen, and an indefinite number of civil and military oflfices"
(s. Martin). Die Mandarine beauftragen zu den verschiedenen
Jahreszeiten die officiellen Ceremonien-Meister, die dem Riten-Colle-
gium (Li-pu) angehören.
Nach dem Chunjj-yung werden die Ceremonien der himmlischen
und irdischen Opfer in dem Cultus des höchsten Herrn oder Shang-
te dargebracht, den der Commentator als „Herrscher des Himmels"
erklärt, für dessen irdischen Reflex (auf Erden) der Kaiser erkannt
wird, der in gleichzeitiger Vertretung der Menschheit für die Sünden
seiner Unterthanen, wie sie sich in Landplagen^) manifestiren, Busse
ablegt.
Im Criminalcodex werden die Priester*) des Buddhismus und der
') Neben dem Dsungarischen Arm des Han-bai, bildet den Eingang (China's) zu
Centralasien die Thalfurche, welche von Bulungir-gol aus, dem Nordfuss des Ki-lien-shan
entlang, aus dem alten Seegrund fast unmerklich gegen Südosten nach der einstigen
Ufergegend ansteigt, und dann mit beinahe ebenem Boden zur Wasserscheide eines Zu-
flusses des Hwang-ho zieht; den hohen Kilien-shan (oder Nan-shan) zur Rechten, den
Abfall des Steppenplateau's zur Linken , führt die Thalfurche bequem hinüber aus Cen-
tralasien in das grosse Thal von Lan - tshou - fu , dann in die grosse Kornkammer Shensi,
welche stets ein ersehntes Ziel der Raubzüge der nördlichen und westlichen Nachbarn
war. Mitten in der Passage erreicht man die grosse Mauer bei dem wichtigen Thor,
durch welches der Yü- Stein von Khotan nach China gebracht wird, und das daher Yu-
mönn (Yü-Thor) oder Kia-yü-Kwan (Zollbarriere des edlen Yü) heisst (s. v. Richthofen).
') Die Yucataner (s. Landa) „creian que por el mal y el pecado les venian muertcs
enfermedades y tormentos" (in buddhistischem Sinn).
*) Nach Kaiser Kang'he's heiligem Edict (mit dem Coroentar seines Sohnes und
Nachfolgers Yungching) sind all die sinnlosen Redereien über Götzenanfertigungen*
Kirchen bauten, Congregationen, Fasten u. s. w. von den nichtsnutzigen Priestern Buddha*s
und Taou's erfunden, das Volk zu bethören (1723).
STAATSCULTUS. 621
Taou - Religion vor einer Nachahmung der in der Staatsreligion ge-
heiligten Gebräuche, als strafbarer Profanation^), gewarnt.
Neben den Naturgegenständen, den Ahnen, politischen Institu-
tionen u. s. w., wird in der Stäatsreligion als Particular-Cultus noch
*) According to the edict (1850) of Wan (prefect of Kiay ingehau), the Christian doctrine
pretends the encouragement of virtue and the repression of vice, but this is the language
constantly held by the literati. Its dogma, that those who believe in the lord of heaven
will be made happy and that aftcr death their spirit will ascend to heaven, and that
those who do not so believe will be visiied with misery, and that after death their spirits
will entcr the prison of hell, is of the same import, as the saging of Wu-Sansz (700):
,, Those who are good to me, are good, those who are evil to me, are evil". Suppose
the t)elievers in the lord of heaven all robbers and vicious persons , happiness is here-
afier bestowed upon ihem all, while those who are not believers, although just men
with a Store of merit, are all to be hereafter subjected to misery. Never was the fair
Order of reward for virtue and punishment for vice so inverted and confused. It is fatal
to what heaven (nature) teachcs as to be right. The terms ,,palace of heaven" and
,, prison of hell" are simply a piracy from the lowest class of Buddhistic books. Of
all nations, that of Germany believes the most in the lord of heaven, and yet its
inhaliitants are scattered and in ruins, whereas Japan, where every one landing on the
quay, has to trample on a crucifix, enjoys happiness and quiet. According to the ,,luminar
doctrine" the four quarters were determined in the sign of a cross, and from that the
Professors of this crecd oficrwards dcvised the tale of their teacher's crucifixion, worshipping
cven the instrument of punishment (wie auch der Apostat in seiner Controverse her-
vorhob). According to the edict of Wan (prefect of Kiayingchau) against Christians converts
(1850), Jesus, bom in the timc of Ngai-Ti, of the Han dynasty, ranks no higher, than
Ilwa Toh, Chuh-yuh and olhers of the same class, being merely skilled to relieve mankind
by curing them of disease. His power of breaking seven cakes into food for 3000 men,
is not either any more, than the witchcraft of the rationalists , by which things are
shifted from one place to another. Jesus broke off all intercourse with his father and
regarding himself as the offspring of his motlier, conceived while she was a virgin,
falsely affirmed, that he was her illustrious son. created by heaven. The converts of
his doctrine thereforc allowed no sacrifices or obeisances to be performed to ancestors
or sovereigns. There was no such thiug, as filial piety and loyalty, for which the wrath of
heaven was excited and the king of Judaea, seizing Jesus, punished him, by nailing him
upon a cross. His vagabond disciples fabricated a report, that when he had been three
days buried, he revived and after forty days took his flight upwards. This doctrine
ressembles that of Sun-ngau, who drowned himself, when his troops were defeated and
was reported by his foUowers to have become a water-spritc, or that of the rebels of the
white Lilyfaction, who were put to death by bcing cut to pieces, when their fellows
gave out, that the body, killed by a metal weapon, rclaxed its hold of the spirit, which
disengaged itself and ascended to another State amongst spiritual beings. How could the
lord of heaven be killed by mortals and the idle Bction of his disciples, that as lord of
heaven, he suffered punishment for the sake of sinful man is also extremely ridiculous.
Der König von Siam sagte den Missionären : , ,que el era seüor de sus vasallos cn lo
temporal y no de sus almas que cada uno buscase in salvacion". V aunque eran estran-
geros, los gentiles se le mostraban notablemente affables y amorosos y quando yban
a pedir por las calles limosnas con el alforja al hombro se la daba. Los ministros de
los Idolos, tambien los recibian en sus casas con mucho amor y les mostraban sus templos
y conventos. Los quales son muy sumptuosos y ricos por ser aquel reyno el seminario
022 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
der der beiden grossen Weisen in Literatur und Kriegskunst, des
Confucius und des Kuangti zugelassen.
Die vier Bücher des Confucius (of ethics and politics) „must
be committed to mcniory by all, who attain to distinction in literary
rank". Seit Chu-Hi's Lehre vom Tai-Kih (dem grossen Acussersten)
werden die Jünger des Confucius (und Mencius) als Ju-kiau (Gelehrten-
secte) bezeichnet (s. Williams).
Im Dienst des Sintu oder Kami-no-Mitsi (Weg der Kami) haben
die Kami-Nusi (Wirthe der Götter) genannten Priester die Reinheit')
de las Idolatrias (s. Ribadeneyra). Ay mczquita de moros cn la corte, qiie gardaban su
alcoran y le predicaban. Y muchos Indios, que tienen en su synagoga , estan casados
con miigeres de la ticrra , las quales se preciaban mucho de muy observantes de la ley
de Moysen (in Slam). In der christlichen Abschwörungsformel entf?agt der Kalmücke
allen Burchanen imd Göttern , die vormals Menschen gewesen sind , wie Dschag-
dschanumi, Sunkuba, Abidaba, Manschuschari, Maidari, Jamandaga, Aerlikchan, Lumchan,
Dantschingtaingäri , Okiniangäri, Üaräakkä , dem Dalai-Lama, Bokdo-Lama und anderen
Göt/en, d^n Lamcn und Chutukten, der Anbetung von Mond und Sternen, sowie dem
dreifachen Hciligthum (Gurban Aerdäni), den Reliquien (Schalir-Ulä), Büchern, Opfern u.s. w.
Der ganze Monstranzcultus , wie die katholische Kirche ihn übt und fordert, da sie seil
Paschasius Radbertus ein bildliches Wort des Evangeliums in abergläubiger Buchstäblich-
keit nahm und auf vernunftwidrige Weise dogmatisirte , und der Priester, ,,der seinen
Gott schafft", wie dem Volke gepredigt wird, wenn einer das erste Messopfer verrichtet,
zeigen sie uns nicht Fetischdienst und Zauberei innerhalb des«Christenthum's im 19. Jahr-
hundert? (fragt Carri^re). Le monde crce de rien , tandisque l'homme et la femnie sont
p^tris de limon, le serpent doue de la parole, la faute d'Eve rctombant sur ses descen-
dants, le d^lugc, la destruction universelle, Tarche et la confusion des langues, op^ree
par dieu dans la crainte de voir s'elever une tour trop haute, sont autant dinventions
(nach Yasui Chinhei). ,,Toutes les histoires de la Bible sont semblables. 11 faudrait un
mois pour en exposer la fausset^ en les prenant une h une. L* Intervention de Jehovah
dans la vie des patriarches pour les faires changer de nom , les marier, les faire divorcer
etc. semble plutot d'un homme que il'un dieu. (Quelle mesquinerie! Et puis ce dieu, qui
est le p^re de l'humanitc, l'oublie sans cesse en ne s'occupant que de son peuple h. lui,
il d^truit les Egyptiens par colere, c'est une divinite malfaisante sans cesse acham^e au
carnage" (s. Bousquet). Die Missionaire (meinen die Japaner) ,,nous prennent pour des
barbares et des ignorants. Ils nous parleut de colonnes et de nuages de feu, d'^tres
vivant dans des baleines etc., et c'est avec cela qu'ils pretendent nous convertir, mais
miracles pour miracles, les notres ne sont pas plus absurdes que les leurs" (s. Bousquet).
Tanta jam stultitia oppressit miserum mundum ut nunc sie absurdae res credantur a
Christianis, quales nunquam antea ad credendum poterat quisquam suadere paganis, crcatorem
omnium ignorantibus (s. Agobard von Lyon). Dicunt, quod fides sancta Catholica est
magis improbabilis , quam probabilis, unde sequitur infamia magna apud infideles, klagt
Raymund Lullus über die Averroisten.
*) Der heilige Raum der Moscheen darf nur barfuss betreten werden, wie ähnlich
die geweihten Stiy^ten Indiens, und in Peru waren den Priestern beim Dienst Pachacamac's
die Augen verbunden. ,,Attingere uni sacerdoti concessum", den Hain der Nerthus (terra
mater) mit ihrem Wagen (s. Tacitus). Das Bild der Isis (in modum libumae figuratum)
fand sich bei Sueven verehrt. In Schweden wurden die verhüllten Wagen Freyr's (Sohn
des Njörd) im Frühjahr durch's Land gefahren (und so Irmin's). Jord (die Odhin ver-
SAUL. 623
des Tempels (Mia) zu hüten in den Symbolen des Spiegels und der
papierstreifigen Gohi. Der Cultus verknüpft sich mit der Verkör-
perung der Mikotto im Mikaddo, in directer Linie von der Sonnen-
göttin Ten-sio-dai-jin (der Tochter des Urpaar's) abstammend.
Unter dem Priesterpropheten Quauhtlequetzqui, der bei dem (in
Michoacan eingetretenen) Tode Huitziton's gefolgt war, Hessen sich
die Azteken in Coatepec (bei Tollan) nieder, 'wo sie sich so wohl
befanden, dass es der Erscheinung des Gottes in seiner schreck-
lichsten Form bedurfte, um eine Weiterwanderung durchzusetzen.
Das Volk begann dieses unstäten Lebens müde zu werden, und
murrte gegen die Priester, die auf der nächsten Station in Chapultepec
ihren Einfluss schon so weit geschwächt fanden, um bei dem Tode
Quauhtlequetzqui's die Wahl des Häuptling's Huitzilihuitl zum Ober-
herrn (nach Art weltlicher Könige) nicht verhindern zu können.
Wie Cocox oder Cocoxtli (König von Culhuacan) gegen die
Xochimilcos, leisteten sie auch später dem auf den Sturz jenes be-
dachten Usurpator Acamapichtli hülfreichen Beistand, und sollen
dessen Nachfolger auf dem Thron Culhuacan 's, den König Xiuhtemoc
auch zu dem ihrigen gewählt haben (als damals Huitzilihuitl starb),
indem sie zugleich ihren Wohnsitz^ von Chapultepec nach Culhuacan
verlegten.
Vielleicht war es die Wiedereinsetzung des (in einem Boot ge-
flüchteten) Coxcox oder sonst die Thronbesteigung AchitometFs,
des feindlichen Bruders des Acamapichtli, welche die Vertreibung
der Azteken und ihrer Ansiedlung in Iztacalco veranlasste. Doch
kehrten sie unter der Herrschaft eines angestammten Häuptlings
zurück, des Tenuch, oder Tenuchcatzin, gleichsam die Wiederein-
körperung des ursprünglichen Stammvater's Tenuch (unter den Söhnen
des Iztac Mixcohuatl), während die Priester mit zauberischen Riten
die in dem verheissenen Lande prophetisch vorherverkündete Stätte
der neuen Stadt zu suchen bemüht waren. Als diese auf einem zu
Azcapuzalco gehörigen Terrain gefunden war, mussten sich die
Mexicaner den von den Tepaneken eingesetzten Statthaltern fügen,
erst Tlacotin (dem Sohne Tezozomoc's) und dann Teuhtlehuac.
Um eine Befreiung von dieser Knechtschaft anzustreben, wurde
nun (wahrscheinlich bei Tenuch's Tode) in einer Versammlung, welche
(durch die Noth der Zeit gedrängt) auch die Priester ihre Beistimmung
mahlte Tochter) war Mutter Thor's (als Jardhar Burr). Wie in den cimbrischen Kriegen
waren Wagen bei den Sauromaten in Gebrauch.
ß24 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
gaben, die Wahl eines Königs beschlossen und dafür der in den
Verfolgungen Achitometrs II. voi\ Culhuacan nach Tezcuco gerettete
Sohn Acamapichtli's (Acamapichtli II) berufen.
Gleichzeitig hatten sich dann die Tlatelolccr den in Quaquauh-
pitzahuac gewählten König von Tezozomoc erbeten, den tepaneki-
schen Prätendenten für die Kaiservvürde, und da in der (dies Kreigniss
in einen, der Gründung Tenochtitlan's vorhergehenden, Zeitpunkt ver-
legenden) Version (bei Veytia) gesagt wird, dass vorher das (von
Acolhua II. bewilligte) Gesuch an den Kaiser Quinantzin gerichtet,
aber von ihm abgeschlagen worden, so fugt sich desto verständlicher
damit zusammen, wenn ihre Rivalen in Tenuchtitlan sich nach Tezcuco
wenden, um gegen die Tyrannei des Despoten in Azcapuzalco jenen
Beistand zu gewinnen, der mit NetzahualcoyatPs Siegen das Joch
zerbrach.
Ueberhaupt knüpft sich die Secession der Patrizier^) oder des
Adels, deren Abtrennung die Mythe von den Quimilen (den Bün-
deln des Smaragdes und der P'euerstricke) oder Quimilli (s. Torque-
mada), auf dem Halteplatz Cohuatlycamac (nach der Auswandrung
von Chicomoztoc) und der dort stattgefundenen Scheidung (zwischen
den, den Namen der Mexicaner bewahrenden, Anhängern Huitziton's
und „ellos que despeus se lamaron Tlatelulcas"), zurückfuhrt, geschicht-
lich an das Regiment der tepanekischen Gouverneure, indem die
denselben aus der üppigen Residenz Azcapuzalco nach der ärmlichen
Lagunenstadt folgenden Begleiter dort den Rang einer Adelsklasse
einnahmen, und als solche, mit der ihr Auftreten nachahmenden
und vom Hofleben angezogenen Parthei unter den Mexicanern, sich
aristocratisch von der grossen Masse des Volkes abschieden. Die
dadurch in ihrem Stolze nicht nur, sondern auch in Autorität beein-
trächtigten Priester regten deshalb die Plebejer oder Gemeinbürger
zur Empörung auf, und der zur Flucht gezwungene Statthalter Teuht-
lehuac begab sich mit seinen mexicanischen Anhängern nach dem
durch den Wirbelwind prognosticirten Platz, wo neben der aufge-
rollten Schlange Schwert und Schild gefunden wurde. Ihm dürfte
dann Quaquaukpitzahuac gefolgt sein, den die Tepaneker als von
ihnen eingesetzten Gouverneur, die Tlatelolken (vielleicht in Folge
besonderer Begünstigungen für die bewiesene Treue) als ihren König
*) Die Kasi (Sclaven) genannten Gemeinen vertrieben (in Amban) die Vornehmen
(Matani-vanua oder Gutsbesitzer), die mit den Kriegern und Fürsten den Adel bildeten
(auf Fiji), und so die in ethnische Benennung übergehenden Ser\n auch sonst.
SAUL. 625
betrachtet wird, (und die Sage zum Nachfolger Mixcohuatl's macht,
des Doppelgängers des Stammvaters Iztac MixcohuatPs), während
die Tenuchtitlaner aus Furcht vor der für ihre Empörung drohende
Stiafe Verbindungen in Tezcuco suchten und dem flüchtigen Königs-
sohne in seinem ihm dort gewährten Asyl die Krone ihres Landes
anboten. Aus seiner Unmündigkeit erklärt sich die bis zu ihrem
Tode dominirende Rolle der Königin und IlancucitI, ihrer erwählten
Amme, die dann von der Sage in IlancueitI, als die Gemahlin Iztac
Mixcohuatl's, reflectirt wird.
Bei dem Tode dieses ersten Königs suchte nun die Priester-
schaft eine Reaction zu ihren Gunsten her\'orzurufen, um das alte
Ansehen wieder herzustellen, und so schlug sie eine republikanische
Verfassung vor, ähnlich wie in TIascala, indem die Regierung einem
Rath oder Senat übertragen werden solle und daneben ein Feldherr
für Kriegszeiten eingesetzt.
Indess drang die monarchische Parthei mit ihrer Ansicht durch,
und da man Huitzilihuitl, den Sohn Acamapichtli's, auf den Thron
erhob, so war damit eine regelmässige Succession hergestellt, die
sich in seinem Bruder Chimalpopoca und dessen Sohn Montezuma
Ilhuicamina fortsetzte.
Indess bewahrte die Königswürde einen vorwiegend priester-
lichen') Character oder vielmehr den eines Friedens -Fürsten, indem
neben dem König Huitzilihuitl (der bei damaliger Schwäche Tezcuco's
gerathen fand, in Azcapuzalco Bestätigung nachzusuchen und Ver-
zeihung für das Vorgefallene) noch im Besonderen ein Kriegsfiirst
ernannt wurde in ItzcoatI, einem illegitimen Sohn des verstorbenen
Königs.
Als indess nach Chimalpopoca s (Huitzilihuitls Bruders) traurigem
Ende der Rachekrieg gegen den Despoten von Azcapuzalco in
Mexico proclamirt wurde, da musste die ganze Macht in den Händen
des Königs concentrirt werden, und so wurde der bisherige Kriegs-
fürst ItzcoatI mit der Würde desselben bekleidet.
In den siegreichen Kriegen, die dann (im Bunde mit Tezcucanern
und den von ihren tepanekischen Verwandten abgefallenen Tlaco-
panern) zur Unabhängigkeit Mexicos führten, zeichnete sich an der
Seite des Königs besonders sein Neffe Montezuma Ilhuicamina durch
ruhmvolle Thaten aus und befehligte in verschiedenen Feldzügen,
') Kings wcre Te-ara-pia-o Kongo (thc moulhs picces or priests of Kongo) in Man-
gaia (s. (jill).
Bastian: America. I. 40-
626 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
SO dass die beim Tode Itzcoatl's auf ihn fallende Königswahl wieder
einen Kriegsfiirsten traf, der zugleich als Hoherpriester Huitzilopochtli's
fungirte, und da nach der Thronbesteigung das priesterliche Amt,
um den Cultus^) dieses Gottes aus einheimischem Stamme zu
erfrischen, seine Aufmerksamkeit besonders in Anspruch nahm,
wurde zum Feldherrn sein Enkel Axayacatl ernannt, der beim Tode
seines Grossvaters als König nachfolgte und das Feldherrnamt auf
seinen Bruder Tizoc übertrug, der dann beim Tode des Königs
(dem Einverleiber von Tlatelolco) seinerseits in dessen Würde auf-
rückte, wie nach dem eigenen Abscheiden sein bis dahin als Feldherr
fungirender Bruder Ahuitzotl.
Der kriegerische Sinn dieses Königs musste ihn geneigt machen,
während seiner Eroberungen die militairische Feldherrnwürde mit
der königlichen vereinigt zu halten, und eher die damit verknüpften
Priesterverpflichtungen von sich abzugeben, und zwar geschah das
an seinen Neffen Montezuma II. (Sohn des Axayacatl), der auch auf
den Schlachtfeldern Ehren sammelte, aber zugleich das Hohepriester-
amt Huitzilopochtli versah, und aus dem Tempel^) dieses Königsgottes,
beim Tode seines Onkels, auf den Königsthron gerufen wurde.
Conflicte zwischen königlichen und priesterlichen Gerechtsam-
keiten^) kamen ausserdem verschiedentlich in den Staaten Mexicos vor
und führten dann zu neuen Regulirungen.
*) Um in der Ileimath der Sieben Höhlen, der Mutter Huitzilopochtli's den jetzt ihren
Sohn umstrahlenden Ruhmesglanz kund zu geben, fertigte Montezuma Ilhuicanima eine
Gesandtschaft reicher Geschenkträger ab, die durch die Geheimwissenschaft des Fürsten
Tlacaeleltzin zu Coatepec (bei Tollan) in verschiedene Thierformen verwandelt, nach den
Ahncnland von Culhuacan versetzt wurden und die Zeitgenossen ihrer von dort ausge-
zogenen Väter noch am Leben fanden, selbst sich aber als Schwächlinge erwiesen, als
sie sich mühsam die Sandhügel hinaufquälten, so dass die alten Priester sich verwunderten,
von welch kraftloser Nahrung sie in dem Lande der Kinwanderung zu bestehen hätten.
Die alte Mutter Huitxilopochtli's beweinte noch immer, in Sack und Asche, den Abschied
ihres Sohnes, enthüllte indess einige jener Prophezeihungen, die bei Ankunft der Spanier
im Lande umliefen (s. Duran).
') Der Hohepriester in Acolhuacan (und in Tlacupan) war der zweite Sohn des
Königs (s. ('lavigero). Ursprünglich vereinigte der Topiltzin die königliche und priester-
liche Würde, später diente <ler Mexicatl-Tsohuatzin oder Teotecuhtli (der Hohepriester
des Huitzilopochtli), der zugleich als Feldherr (Tlacochcalcail) fungirte, dem König, bei
dessen Tode er meist /um Nachfolger gewählt wunle.
*) Als Toltecall, zum Fürsten in Huexcotzinco gewählt, den Unordnungen der Priester
(des Camaxtle) zu steuern versuchte, erregten diese (durch zauberische Beschwörungen)
einen Aufstand des Volkes, so dass ToltecatI mit anderen Adligen flüchten musste
(s. Veylia).
ARCANA. 627
Cholula bewahrte bis zur Conquista den Character einer Tem-
pelstadt und priesterliche ^) Form seiner Regierung.
Nach einer alten Geheimtradition der Mexicaner war der den
Gründungsplatz ihrer Stadt weissagende Nopal aus dem Herzen des
Hohenpriesters Copil erwachsen, der aus Malinalco nach Chapultepec
berufen, im feierlichen Opfer dargebracht wurde, und das Lebensblut
dieses Stammes^) quoll gewissermaassen fort in der Reihe jener
Hoherpriester, die in dem Dreibunde mit den Königen von Tlacoban
(Atlacuba) und Tezcuco, als eine Suprematie über beide ausübend
dargestellt werden.
Die Linie derselben findet sich bei Davila Padilla aufgezählt:
Macamaxihtli , Huitzilihuitl, Chimalpopoca, Yzcouatl, Motetguma el
viejo, Axayaca, Tigocic, Ahuicotl, Motetguma el mogo, (que vivia
quando el Marques del Valle gano la tierra). Los mismos Reyes
eran los mayores sacerdotes de su reyno, y el emperador de Mexico,
a quien en lo temporal reconocian otros reyes, era el summo Sacer-
dote, ä quien en las cosas del templo davan los demas la ventaja.
Die Conflicte, die bei dem Uebergreifen priesterlicher Anmassung
in die staatlichen Befugnisse nicht ausbleiben können, haben sich
selbst in der Apathie Ostasien's mitunter (wie noch im vorigen Jahr-
*) Als der durch seine Tapferkeit im Kriege mit dem mexicanischen König Ahuitzotl
zur nirstlichen Würde erhobene Tultecatl gegen die Excesse der Tempel-Priester (quitando
la ropa ä las mugcres que se bailaban y sacando de las casas el Maiz y las Gallinas)
auftrat, erregten diese einen Aufstand gegen die Staatsgewalt und wurden von dem
Oberpriester (a cuyo cargo estaba un embultorio de su dies Camaxtle, que tenian per
muy gran reliquia) geführt, der mit Zaubereien kämpfte, hizo ciertos hechi^os, mezclados
con algunas palabras del demonio, en que hizo salir fuego de un calabaza, que ellos
llaman Tecomatl , donde avia otras cosas de supersticion y fue contra los contrarios y
comenzö a quemarlos, ordenado asi por el demonio (s. Torquemada).
') Als gegen die Priesterschaft im Tempel des Gottes Ce-Acatl in Cholollan eine
Empörung (in Cuetlaxcohuapan, Quauhquecholän und Ayotzinco) ausgebrochen war,
unterdrückte sie der Hohepriester Izatmantzin (nebst dem Priester Nacaxpipilaxochitl) mit
Hülfe des Xiuhtemoc, Königs von Culhuacan (s. Veytia). Neben dem Gott Coltzin
wurde der Hohepriester Surites verehrt (bei den Matlatzincas). Beim Tode des Ober-
pricsters (in Cuscutlan oder Salvador) wurde ein anderer durch das Loos erwählt (nach
Herrera). Unter den Königen der verschiedenen Städte Anahuac's, die bei der Krönung
Techotlalatzin's (Nachfolger des Quinantzin) in Tezcoco huldigten, wird (bei Alba) auch
Chichimecatalpayatzin , Hoherpriester von Cholula genannt (als Fürst). Das Haupt der
Ikko oder Ikkois genannten Secte erhielt königliche Ehre in Japan (s. Arnold) 1672.
Die (nominell ganz Japan begreifende) Macht des Mikado ne s'etendait avec efficacite
que sur les ,,Gokinai"' ou cinq provinces qui entouraient Kioto (zur Zeit der Shiogun).
') Mecitl (cilli oder Hase), Fürst der Mexicatl oder Mexicas, wurde in einer Wiege
von Maguey (und durch den Saft dieser Pflanze) gross gezogen , als Hoherpriester
(s. Sahagun). •
40*
628 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
hundert) krass genug geltend gemacht, mehr aber noch in unserer
eigenen Geschichte, den dadurch besonders ihr mittelalterlicher Cha-
racter aufgeprägt ist.
Die Grösse des Papstthums besteht (nach Henne Am-Rhyn)
„darin, dass mit ihm ein neuer Gedanke in der Geschichte seinen
Einzug hielt, denn es ist im Papstthum erreicht worden, was weder
früher irgendwo, noch seither anderswo bestanden hat, die einheit-
liche Verfassung einer aus verschiedenen VölkerschaftenN zusammen-
gesetzten religiösen Gemeinschaft mit oberstem Ansehen über alle sich
zu derselben bekennenden Staatsregierungen".
Dass das Papstthum berufen gewesen in der Geschichte Europas
eine Rolle zu spielen, kann allerdings nicht zweifelhaft sein, da das
Rollenspiel vor Augen liegt, und bei der von jedem Bestehen, kraft
dieses Bestehens selbst, beanspruchten Vernünftigkeit, verläuft es
meist in müs.sige Lucubrationen , wenn man dem Gedanken nach-
hängt, wie Alles anders hätte kommen müssen, sei es besser, sei es
schlimmer, wenn es anders gewesen, als es gewesen ist.
Wie die Sachen vor uns liegen, war es besonders die vom Papst-
thum geleitete Christen-Mission^) die statt mit weltlichen, mit geist-
lichen Waffen den romanischen Einfluss im barbarischen Norden erhielt
und so Streiflichter aus der Classicität der Mittelmeer-Völker unter die
*) Die Natur, die Welt hat keinen Werlh, kein Interesse für die Christen ; der Christ
denkt nur an sich, sein Seelenheil", bemerkt Feuerbach (den damals keine Staats -Idee
begeistern konnte) und folgert aus den zugefügten Belegstellen, ,,dass das wahre, religiöse
Christenthum kein Princip , kein Motiv zu wissenschaftlicher und materieller Cultur in
sich hat. Das practische Ziel und Object des Christen ist einzig der Himmel, d. h. das
realisirte Seelenheil. Das theoretische Ziel und Object des Christen aber ist einzig Gott,
als das mit dem Seelenheil identische Wesen. Wer aber (Jott weiss, weiss Alles. Ja so
unendlich mehr Gott ist als die Welt, so unendlich mehr ist auch die Theologie als die
Erkenntniss der W>lt. Die Theologie macht selig, denn ihr Object ist die personificirte
Seligkeit. Infelix homo, qui seit illa omnia (die Creaturen) te aulem nescit, lieatus aulem
qui te seit , etiam si ella nesciat. Augustin (Confess. I. V. c. 4). Wer möchte, wer
könnte also das selige göttliche Wesen mit den unseligen nichtigen Dingen dieser Welt
vertauschen? Wohl offenbart sich Gott in der Natur, aber nur unbestimmt, dunkel, nur
nach seinen allgemeinsten Eigenschaften; — Sich selbst, sein wahres, sein persönliches
Wesen offenhart er .nur in der Religion, im Christenthum." Die nohnv/Aa des Christen-
thums liegt im Himmel. Die buddhistische legende bringt diese Abwendung vom Leben
zur Consequenz in den durch allgemeine Einklosierung von der Erde vertilgten Reichen
und pietistische Secten haben Aehnliches auch im thatkräftigen Westen angestrebt, bald
in grösserem, bald in kleinerem Umfang. ,,Sich beschenken lassen von Gott und den
Menschen, das ist das Rechte" (im Christenthum), sonst ,,wird eben das Elend getragen
und im Opiumrausch der Vorstellungen von der Seligkeit des Messiasreich's oder über-
haupt des Jenseits vergessen" (s. Ueberweg). Trotz alledem muss das Christenthum, als
im jaiirhundertjährigen Entwicklungsgang eng und unauflöslich mit der Errungenschaft
PONTIFICAT. 629
Wanderhorden gelangen liess. Fereilich war er schwach und trübe
genug, dieser päpstliche Schein, denn er beschien zunächst jene greuel-
vollste der Grcuclperioden in der Weltgeschichte, die der Merovinger,
als die ersten Früchte der neuen Lehre, und was die damaligen Mönche
in ihren Klöstern aus alter Bildung^) retteten, war doch nur ein trau-
riges Küchenlatein, verglichen mit jenen Versen, die noch in später
Abendstunde der Classicität Ausonius (neben Rutilius u. A. m.) über
die deutschen Flüsse gesungen, oder selbst mit den Stilübungen (wie
viel oder wenig Werth ihnen auch beiwohnen mag), in denen sich
Sidonius ApoUinaris mit seinen Correspondenten unterhielt.
Handelte es sich also etwa um eine These, so wäre derjenige
nicht gerade ungünstig gestellt, der zu vertheidigen haben würde,
dass die in den römischen CoJonien des Rheins und Galliens, von
der uns die grossartigen Monumente von Nimes, Trier u. s. w., er-
halten sind, herableitende Civilisation, wenn ungestöi:t (auf dem neuen
von Germanen angepflanzten Boden) im Wachsthum gepflegt, eine
regelrechtere Bildung verbreitet haben würde, als die von den mönchi-
schen Dienern^) des Papstes gebrachte.
unserer Cvillur verfloelileii, und dtslialb als der cnlspreehende Ausdruck derselben zu gehen
haben, bis es elwa den C'ulUirheroen kommender Nachgeschlechter gelingen sollte,
auch die religiösen OefüHlswallungen in den grossen Entwicklungsstrom der Naturwissen-
schaften hinüber zu leiten.
*) Man betlauert die verlorene Zeit, wenn man in dem Streit über die Universalien
(beim Gegensatz des Realismus und Nominalismus) sieht, ,,wie bei' einem äusserst be-
schränkten Gesichtskreis die innerhalb desselben möglichen Einseitigkeiten getreulichst
bis zur Erschöpfung ausgebeutet wurden, oder, wenn in solcher Weise Jahrhunderte auf
dtti vergebliche Bemühen verschwendet worden, Methode in den Unsinn zu bringen"
(>. rranll) Mit Psellus scheint die ,, Logik wirklich toll geworden" zu sein, und um
so mehr bleibt dabei zu bemerken, dass es sich „nm eine Logik handelt, welche ein paar
Jahrhunderte das Abendland beherrschte". Vielleicht war dieses Durchgangsstadium hier
ebensowenig zu sparen , wie das alchymistische Hexen wesen fiir Ausbildung der Chemie.
2) Scotus Erigena meint zwar : Conficitur inde, veram esse philosophiam veram religio-
nem convcrsimque veram religionem esse veram philosophiam", aber diesem stehen
gewichtige Autoritäten entgegen: Miserum Aristotelem, qui illis dialecticam inslituit
artilicem (s. TertuUian). Haeresis magis cum sapientia seculi facit et argumentationum
rivos de fontibus Arisioielis mutuatur (s. Hieronymus). Christianus per 6dem debet ad
intellectum proficere, non per intellectum ad fidem accedere (s. Ansclmus Cant.). Lan-
francus will lieber ,,audire ac respondere sacras auctoritetes, quam dialecticas rationes", und
Theodoret bevorzugt Tovg ah(VT$xovs coXotxtCfiOvc. Theologica perscrutatio non renuit
accjuisitiones aliam scientiarum tarn specwlativarum quam moralium, quam etiam sermoci-
nalium , ut est logica, sed assumit cas ut ancillas sapientiae in obsequium suum (s. Joh.
Gerson). Gentilium libros vel haereticorum volumina monachus legere caveat (s, Isidorus
llispalensis). Die Wisseuschafi muss iin Dienste der Kirche ,,velut ancilla dominae quodam
famulatus obsequio subservire, ne, si praecedit, obenret, so sagt der finstere Bussprediger
Petrus Damiani, der in Rom selbst genug zu discipliniren ge^iabt haben würde. Articuli
63() PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
Wenn die Opponenten dann grade den schroffen Bruch mit der
Vergangenheit für nöthig halten, auf die innere Fäulniss der Kaisers-
zeit und ihr gegenüber, auf die Jugend der Barbaren hinweisend, so
Hesse sich Manches, wie gesagt, hin und her überlegen oder als
Argumente hervorkramen, ohne genauere Rücksicht auf prädilectischc
Färbung der Thatsachen, jedenfalls aber kann das Preisen^) einer
in dem Papstthum begründeten Völkerfamilie begründeteren Wider-
spruch hervorrufen, da das vaticanische Institut (in seinen durch Ovid
damit verbundenen „furores") durch stetes Schüren von Kriegen
mehr zur Uneinigkeit der Fürsten beigetragen haben dürfte, als zum
Hegen und Pflegen eines Brudersinnes und die Einheit einer christ-
lichen Welt, ausser in den (vom Füllen des päpstlichen Säckels ab-
gesehen) chimärischen Kreuzzügen ^), nie zur Verwirklichung gebracht
werden konnte, weder gegen die Mongolen noch gegen die Türken
oder andere, die P^xistenz selbst bedrohende, Gefahren.
Wie dem nun sein möge, dass das Papstthum eine Rolle ge-
spielt hat, mag seinen Liebhabern zugegeben werden, sollten sie
jedoch zweifeln, dass solche Rolle nicht längst ausgespielt sei, so
verweist sie ein solcher Anachronismus aus der Zeit, in welcher wir
leben.
Und wohl ist es Zeit, sich hier in einem gemeinsamen Volks-
ausspruch zu erheben, denn so sehr im Partheistreit Rücksichten
gelten mögen und gelten dürfen, so können sid doch nicht ferner
gehört werden,' wo das IjeJligste Unterpfand eigener P2xistenz, die
Nationalität selbst, in Frage kommt.
fidei non sunt principia demonstrationis nee conclusionis, nee sunt probabiles, qüia
Omnibus vel pluribus vel sapientibus apparent falsi, et hoc aeeipiendo sapientes por
sapientibus mundi et praecipue innitentibus rationi naturali quia illo modo aeeipitur
sapiens in descriptione scientiac vel philosophiae (s. Oceam). Philosophia seeunduin se
considerata nullius utilitatis est, philosophi vero infideles damnati sunt, so konnte selbst
der Begründer der Induetion spreehen, weil in der Erziehung der Kirche geschult. Supra
universos autem inimieos Christi (Ketzer, Juden, Heiden) subtilius fidem sanetae trinitatis
perquirunt et aeutius arguendo eontendunt pröfessores dialecticae (s. Abaelard). Beim
Unterschied zwischen den Singulären und dem Universale bemerkt Oceam: ,, nihil est
imum et plura , sccundum philosophos , quamvis seeundum theologos posset concedi , sed
de hoc non est modo curandum (zum Ausschluss der Trinitälslehre aus der Wissenschaft).
^) Das Pontificat Johanns XII. krönte die Reihe der Gräuel, welche St. Peter's Stuhl
erlebt hatte, als das grausige Bachanale, welches der Satanismus als Parodie auf den
katholischen Glauben feierte (sagt Reuter). ,,Das Institut, in welchem nach katholischer
Vorstellung die Macht der Kirche gipfeln soll , um die Könige dieser sündigen Welt
durch die geistliche Zucht zu lähmen, war selbst der Sitz des Regiments der Sünde
geworden".
^) Dns sociale Element, (besonders im französischen Adel), zersetzend (nach Lavoix).
KIRCHE. 631
So lange das Papstthum fortfährt, aus der südlichen Halbinsel
seine Polypen -Arme über die Alpen in das Herz Deutschlands aus-
zustrecken, so lange es das wagt, trotz seiner durch Jahrhunderte auf-
gehäuften und auf den Geschichtstafeln mit flammender Schrift ver-
kündeten Vergehen, so lange es unbeschämt in schamloser Missachtung
der vor Aller Augen aufgedeckten Krebsschäden, auch jetzt sich
erkühnt, in der so ruhmvoll aufspringenden Saat des wiedergebornen
Germanenthums Hader und Zwietracht zu säen, so lange gilt es,
einen Kampf bis zum Aeussersten, nicht einen Kampf gegen Lands-
leute, wess Glaubens sie seien, aber einen Kampf gegen die wälsche
Schlange, die innerhalb des deutschen Staatsgebäudes selbstständig
im Fürstenkreise ihr Haupt erheben will, um mitzureden nicht nur,
sondern sogar zu gebieten. Das hohe und höchste Ziel des deut-
schen Volkes bleibt seine nationale Einheit, und Verachtung desshalb
über Jeden, der von einem Staat im Staate träumt. Möge bald die
Varusschlacht ^cgen die Römlingc geschlagen sein und Deutschlands
Auen sich befreit sehen von den lauernden Gespenstern, die sich
zwischen zu drängen suchen, wenn der Deutsche den Deutschen zu
umarmen strebt.
Der weite Horizont naturwissenschaftlicher An.schauung umfasst
Protestanten und Katholiken mit gleicher Brüderlichkeit, und bei
allseitiger Erwägung der Vorzüge und Mängel beider Lehrgebäude,
würde sich vielleicht das des Katholicismus^), in seinem historischen
Zusammenhange der Fortbildung, als das lebensfähigere erweisen,
wenn nur seine Bekenner sich dazu ermannen könnten, die an sich
durchaus unwesentliche Zuthat des römischen Primates abzuwerfen,
eine im Gange früherer Ereignisse hinzugetretene, also auch unter
den veränderten heutiger entfernbare Accidenz. Wie sich in Frank-
reich die gallicanische Kirche möglich zeigte, so würde gewiss, bei
dem weit dringenderem Nothstand in Deutschland, eine katholisch-
germanisirende Kirche, sobald sich nur die richtigen Reformatoren
gefunden haben, das von allen Partheien gesuchte Asyl eines cen-
tralen Bodens gewähren.
') Unter Herstellung einer germanistischen Kirche gleich der gallicanischen seit
Peter Pithau (XVI. Jahrhundert). Die Eniser Punctation (1786) legte die Kirchengewalt
in die Hände der Bischöfe, und im Kebronianismus (Montheim's von Trier) wurde es aus-
gesprochen, dass der Papst über die andern Bischöfe hervorrage, wie ein Metropolit Über
seine Suffraganen, (und solche Ehre des Primus inter pares könnte ihm zugestanden
bleiben).
632 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
Individuell wird der Wilde das Bedürfniss übernatürlicher Hilfe
besonders gegen die aus unbekannten Ursachen in seinen Einge-
weiden wühlende Krankheiten oder sonst fremdartige Schrecken
empfinden.
So treten zunächst die Medinmänner auf und andere Schamanen,
welche die Dämone zu bezwingen verstehen, während die gute Gott-
heit nicht gefürchtet zu werden braucht, und indifferent bleibt, da
der Himmel, (in Africa wenigstens) zu weit ist, als dass die Gebete
bis zu ihm hinaufdringen ^) könnten.
Für den Staat bedarf es der astronomisch und astrologisch gc-
*) Die Natur geht ihren unveränderten Gang ohne Eingreifen der Götter, da ihre
Seligkeit jeden Gedanken an Sorge oder Geschäft ausschliesst (nach Epikur). Während
von Gott alles Gute spontan fliesst (ohne Einmischung in die kleinlichen Menschen-
vorgänge), muss der böse Okee, der Krankheiten und Stürme sendet, gesühnt werden,
aber das im Tempel aufgestellte Idol (Juiocasan gehört dem ,Juggling of the priests"
(in Virginien). Die mit den Muz-zin-ne-neence (gezeichnete oder beschnitzte Uilder)
verbundenen Beschwönmgslieder für die Zauberjagd (medicine - hunl) sind (bei den
Ojibway) gerichtet an Nana-booshoo oder Nanabush, als Dolmetscher beim Grossen
Geist, oder an Mesukkummik O-kwi (the earth or the great-grand-mother of all). Nach-
dem Nanabush die Erde geschaffen und für die Bedürfnisse der Menschen die Thiere,
wurden diese seiner alten Mutter anvertraut, die um dafür Sorge zu tragen, beständig in
ihrer Hütte zu verweilen hat (s. Tanner) [Eskimos]. Sic quippe deus ubique per
potentiam esse dicitur, ut nihilominus alicubi per gratiam adesse, alicubi dicatur deesse
(s. Abälard). Nach Xenophanes war der Gott kugelgestaltet, wie der sinnlich beschränkte
Horizont ihn aus dem Geist des Menschen spiegelt, wogegen er dem Naturforscher in dem
Gleichniss des Gesetzes zu erscheinen hat, in der Analysis des Unendlichen waltend.
Deus est sapiens per ideas (Franciscus Mayron), sunt rationes incommutabiles et aetemae,
quia ad ipsos reducitur omnis incommutabilis veritas, aber diese Grundzüge des schöpfe-
rischen Waltens im All führen, wenn in dem Gleichniss (menschlicher) Ideen aufgefasst,
zu anthropomorphischer Beschränkung (um! also Verstümmlung), wenn ,,universalia sunt
ab anima fabricata", statt ,,intcllcctus agit universalitatem", soweit ,, die immerhin relative
Vorslellungsweise (objectum), nicht aber der gegenständliche Sinn durch die Denkihätig-
keit gezeugt werden". Die Papahua Tlemacazque genannten Priester Mexico's (s. Sahagun)
traian el cabello en melenas sueltas (das neue Feuer verkaufend) [Papuas]. Ngu Hieng
(Gott der Diebe) wird (in China) durch Kaufleute verehrt (s. Doolittle). Bhavani schützt
die Thug, und die Fürsten der Caleris waren durch ihre Geburt (s. Dubois) zum Raub
l>erechtigt. Durch Tetlimonamiquiam oder das Zusammentreffen der Steine (die in der
.Schwebe hingen) wurde ein Verbrecher bei der Ernte geopfert (in Mexico). In Nicaragua
wurde bei der Cacao-Ernte an einem Pfeiler geschwungen (s. Oviedo). „Der Patient sitzet
auf einem Stein im fliessenden Wasser und Einer mit einem kleinen Bogen schiesset ihm
kleine Wunden an den obern und unteren Theilen des gantz entblössten Leibes, fehlet
auch niemals. Es gehet damit recht geschwind hin. Diese Pfeile sind verwahret, dass
sie nicht tiefer eindringen können, als unsere Lanzetten gehen. Trift er er eine volle
Blut-Ader und das Blut spritzet ein wenig heraus, so tantzet und springet er herum in
altvaterischen Geberden , frohlockend und triumphirend , dass es ihm so wohl gelungen"
(nach Lionel Wafer) beim Aderlassen (im Sitz des Häuptling Lacenta) in Darien (1677),
und so in Ostnfrica (nach Hildebrandt), wie Brasilien.
SECTE. 633
schulten Priestergelehrten, die im Verständniss der Naturvorgänge
nebst ihrem magischen Einflüsse auf die Menschengesellschaften,
Schädlichem vorbeugen oder angerichteten Schaden wieder gut
mächen können, und für den Staat ist dann mit dieser Classe
eigentlich all seinen Bedürfnissen genügt, wie im Staatscultus der
Chinesen.
Da sich indess manchmal aus Interpretation der Conjuncturen
die Einführung des einen oder andern der in Nachbarländern sich
bereits guten Credits, als Spezialisten, erfreuender Götter empfehlen
mag, so ist in solchem Falle von dem Staat auch dem Unterhalt der
Priesterschaft vorzusorgen, und wenn sich dann etwa ein Cultus der
grossen Götter legal abschliesst, so erhält die priesterliche Existenz
gleichfalls eine legale Berechtigung M-
Neben solchen vom Staat oder von der Gemeinde eingesetzten
Priestern, finden sich nun aber, schon im alten Griechenland, viele
auf Privatrechnung Speculirende, die, wenn sie sich von einem
Spiritus familiaris besonders favorisirt fühlten, fiir denselben eine
Capelle zu bauen suchten, und dann ihr Lehramt im engeren oder
weiteren Kreise antraten. In Virginien bemühten sich die verschie-
denen Werowance oder Häuptlinge um solche Priester, wenn sie
sich fähig bewiesen hatten, um sie zur Niederlassung in ihrem Ge-
biete zu veranlassen, der vielerlei Vortheile wegen, die mit solchem
Aufenthalt^) verbunden waren.
*) Each tribe has its national priest, or ,,Intonga yakwomkuJu", whose duty it is to
protect the person of ihe Chief, to avert all national calanüties from the tribe, and especially
to make the anny strong to fight and conquer all its eneraies (bei den Kaffem). A great
many ritcs and ceremonies are pcrformed and sacrificcs offered, by the priest, whcn
occasion requires. The latter arc called ,,Amadini". They are generally connected with
the ,,shedding of blood" and are evidently of a propiatory nature (s. Mäclean). Bei den
Kru werden die Cerenionien des Slammescultus von den (durch Aufrücken der Alters-
stufen stets ersetzten) Senatoren der Gnekbade versehen, während die zweifelhaften Heil-
operationen den Deyabo bleiben, für deren Beruf die dazu Angelegten auszusuchen sind.
Zu den ,,Morosilcs de Sauvages" rechnet Barbaste: L'appetit d^prave, la faim canine, la
soif excessive, l'antipathie, la maladie du pays, la terreur panique, la satyriasc, la fureur
uterine, Ic tarentisme, Thydrophobie (unter den Morosophien).
^) When any one is chosen by one of the minor felishes as his priest or priestess,
the person jumps about as if mad or possessed , abstaining from food and drink , and
even from speech tili the name of the fetish is found out by an eldcr priest. The minor
fctish being discovered receives local habitation by being placed into a bowl or brass
pan, whereupon sacrificcs are brought to it. The newly appointed priest is thcn givcn in
Charge of an eider one , with whom he stays for three years to receive instructiön in his
oflice (s. Hay) in Akem (wo Anyankopong als höchstes Wesen verehrt wird). Auf
Vancouver wird das Wappenthier (dessen Tödtung durch Andere, wenn in Gegenwart,
634 PRIESTERMCHES UM) STAATSWESEN.
In den langen Winternächten des Nordens entsprang aus den
Erzählungen am Feuer eine schwankende Gespensterwelt, die in
dem Nebel des Gesichtskreises umherspuken, ZAigleich koboldisch
neckend, wie bei den Kamtschadalen, und so oft bis zur Mythologie')
fortschreitend, aber bei ihrem Verschwinden in dem activ streifenden
gcsülint wtnkn niu^s) heilig gclialltn, und hat, sd oft es gtztij^l «irti, von <1lmi iibrijjtn
gerade Anwesenden Verehrung und Gei.chenke zu erhalten (s. Madie). Die Pow-wow
oder Heschwörer (der Ojibway) gebrauchen Idole, wie Pabookowacli (the god, Ihnl
crushes ur breaks down diseases), wie Xaheetis (the guardian of health) u. s. w. (s. Jones).
An den Jahrestagen des regelmassigen Cultus erwählte jeder Häuptling (als Insellurst)
seinen Priester oder Tahuwa, um für ihn die Ceremonien (in Gebet und Opfer) zu voll-
ziehen (in Tahiti) aus den untergeordneten Häuptlingen (zu Cooks Zeit) [Brahmanenj.
Auf der Stelle, wo früher die Residenz des Hanibarrc, Kasongo's Vater, gestanden,
N\t)hnte (/u Canieron's Zeit) noch seine Ilauptfrau , und durfte, als im spirilualistischcn
Verkehr mit ihrem verstorbenen Gemahl (und deshalb mit der Kraft zur Weissagung
erfüllt) nur von Kasongo's Zauberern besucht werden (in l'rua der Warua).
*) (han-o-ti-dan, the Dakota god of the woods, an imknown animal, said lo rcsemblc
an man (s. Riggs). Ile-yo-ka (the anti-natural god of the dacola), represented as a little
old man (with a cocked hat on his hcad, a bow and arrows in his hands and quiver on
his back), goes naked in winter, wrapping his buflalo-robe around him in summe r (livin;^
in conical hüls, as Heyokati or house of Heyoka). Waziya (the northern god) lives z.^
giant in the north and blows cold out of his mouth, drawing ncar in winter, but receding
in Summer. Un-kte-hie, god of the waters (bones of the mastodon), whale. Wakan,
sacred , incomprehensible. Wakan tanka , the great Spirit (tanka, large). Wakan sied,
the bad spirit (sica, ugly). Wakinyan, thunder (supposed to be a gread bird). Woh-
duze, something sacred or forbidden (as the heart of animals). When a young man en-
gages to hold any thing as wohduze, he must not eat of it, until, by killing an cnemy,
the taboo is taken oflT [Mokisso]. It is something abstained from and considered including
the idea of oath or sacrament. The l^acotas, in Iheir powwowing or conjuring shake their
gourd-shell and other rattles over the sick person, singing. When this ceases, they apply
their mouths to suck (kiyapa). Wica hunkake, ancestors. The Dacota suppose several nagi
(souls or shades) to belong to one person: Nagiya, to go to the spirit- world (nagitaya,
at the spirit-world). Inhanma, to dream (to have visions of what was known in a fonner
State of existence). Pi-ki-ya, to conjure, to powpow over the sick (to mend or makc new
ones own). Wa-nagi, the soul, when separated from the body (ghost), und andere Seele
im Traum. Wanagitamakoce , the world of spirits. Ptan (the otter) is called hepan
in the sacred dialect (of the Dacotas). Tunkan (father in law), a stone or the moon
(in the sacred language). Vumni-wacipi (the circle dance). By the central pole a small
arbor is made, which is occupied by the high-priest of the ceremonies. The young men
dancing around. When a person is introduced in tjie secret society, called the secrel
dance fby the Dacotas), he is shot (ku-te) or pretended to be shot by the beads or
claws, which are contained in the medicinebags of the mcmbers. When the missile is
extracted by the same conjuring process, and not until then , they live again (s. Riggs).
Wapiya, to conjure the sick. Vor einem Kriegszuge bauen die Dacotah beim Fest
Makaowakiya Erdhaufen, (manicapa mdu) in der Hütte. Wa-a-na-zin, to stand and sboot
the image of what is supposetl to be the cause of the disease. The teeth and some of
the small bones of the fish. Wa-ka-dan-hi-yu-za-pi (perch) are put in gourds shells,
which are used as rattles (in sacred feasts). The high priests of the ceremonies spend
the night previous (to the Wakan-wacipi or sacred dance) in heating stones, in sweating
FESTKALENDER. 635
Leben des Stammes, jenes Haltes entbehrend, welchen die das ganze
Jahr hindurch aus den verworrenen Zweigen tropischer Vegetation
auf den Neger herabschauenden Fetische über diesen ausüben.
Die Tonalpouhqui stellten das Horoscop (in Mexico) bei der
Sonne zählend, als Astrologen befragt und die Festkalender ordnend,
wie römische Pontifices. In den verschiedenen Stämmen des Irokesen
wurden die Ho-nun-de-ont (Keepers of thc faith) zur Ordnung der
Jahresfeste*) (als Priester) ernannt (s. Morgan.)
Die priesterlichen 2) Gaukeleien kommen überall gleichartig vor.
and singing, Holding conimunion \\ilh ihe ;>pirit- world. Sina-sapa or red (sapa) blanket
(sina) priest. Ilancan , chief (wicastayatapi). Nagi, the soul (the shadow). Wanagi,
»he soul, when separated froni the body (ghost). Wanagi -tacanku, niilky way (Seelen-
strasse) ; i-han-mna, (to dream, to have visions of wbat was known'in a fonner State of
existence), to have intercourse with spirils (in der Dacota-. Sprache). Sind die Skalp im
Winter gewonnen , setzten die Dacota den Iwakicipi (Skalptanz) fort , bis zum Spriessen
der Blätter (im Frühling), wie im Sommer bis zum Abfallen (s. Riggs). I-yu-ska (in
Dacota) means ,,something by means of which to untie a bündle of tabacco is reut, to
rencw the bonds of friendship between bands or villages. If it is untied, blankets, guns,
ketlles etc. are sent in return, if they have nothing to give, they cannot untie the bündle
[Delos]. I-zu-ya-pi (a pipe or the skin of an animal) is the palladium, carried by
the Dacota in going to war. Wa-ki-ksu-ya , to hold communion with supeniatural beiug
(to remember a dead friend). Wipazin, to be prevented from succeding in what one
attempts to do by having lost a friend etc. When the Dacotas are unsuccesful in fishing
or hunting, they attribute the fact to the presence of ghosts who scare away the fish or
ihe deer. Sometimes they think it is their own spirit which is already leaving the body,
and regard it as an omen of approaching death.
*) In Siam reguliren die Brahmanen die Jahresfeste, während die mit dem Todten-
cultus vertraute Buddhisten auch um Schutz gegen dämonische Anfechtungen angegangen
werden , wenn nicht die Priester des Volkes , w ie sie die Chao verehren , zugleich die IM
in Hexentänzen zu beschwichtigen wissen. Die Preta sind Seelen früh gestorbener Kinder,
die Pisacha leidenschaftlicher Menschen oder Toller, die Bhuta gewaltsam Getödteter
(s. Walhouse). Am Bhutastan lebte in Canara ein Der (der Sclavenkaste) von dem
Dämon oder Bhuta erfüllt , und das Volk ermahnend. Bei der durch einen Bhuta ver-
ursachten Krankheit wird ihm ein Huhn geopfert. Um einem in Buta verwandelten
Geist Ruhe zu geben, werden Brahmanen gespeist. Indem Kobadaishi die ursprüngliche
Gleichheit des Shinto (Sintsu) und der Buddhismus erklärte, da Buddhas Seele in den
Körper der Göttin Amateras (dann mit Amida identificirt) gewandert sei , so füllten sich
die Tera (buddhistischer Tempel) mit den volksthümlichen Gottheiten (während sich im
Shinto -Tempel Mya oder Kami nur ein Spiegel findet). Die Priester in Tatahuitlapan
(die Zerstörung ihrer Idole, die sie nicht überleben könnten, beweinend), wollten, wie
sie den Kranciscanern anworteten , in dem Gesetz ihrer Aeltern und Vorväter sterben
(s. Gomara). Cortez traf in Tauytlatan die Priester im Tempel zurückgeblieben, die bei
ihren Götzen sterben wollten durch ,,aquellos barbudos" (s. Herrera).
') Die Christen werden gewarnt vor den Geistlichen, welche ,,decipiunt, ubi corpus
Christi se conficere et vobis ad vestrarum animarum salutem se tradere mentiuntur"
(XII. Jahrhundert). Wenn das Kreuz deshalb anzubeten wäre, weil der Herr an dem-
selben gehangen, so müsste man folgerecht weiter gehen, die Jungfrauen anbeten, weil
636 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
und so kehren auch die Hohlfiguren der Orakel bei den Zemes der
Antillen wieder, aus denen der Priesterhäuptling zu seinen Unter-
thanen sprach, die er sonst nicht würde in Ordnung halten können.
Die durch individuelle Gunstbezeugungen und Offenbarungen')
Berufenen, oder die Geisterwelt durch kräftigern Bann Bezwingenden,
erhielten (in den australischen Grabsteinen, im Geschenk der Wasser-
frau am Orinoco u. s. w.) zauberkräftige Reliquien, die sich zur
Stiftung von Geheimorden empfahlen.
er von einer Jungfrau geboren wortlen , alle Krippen , weil eine Krippe das erste Bett
des neugebornen Heilands war, alle SchifTe, weil er oft auf Schiffen gefahren, ja die Esel,
weil er auf einem derselben in Jerusalem eingezogen ist, (s. Reuter), nach den Worten des
Bischof Claudius von Turin (Ridiculosa ista otnnia sunt et lugenda potius, quam scribenda).
Agobard (Erzbischof von Lyon) schrieb ,, contra eorum superstitionem, qui imaginibus et
picturis sanctorum adorationis obsequium deferendum putent" (IX. Jahrhundert p. d.).
') Nanabush , der die den Menschen erforderlichen Jagdthiere der Hut seiner alten
Mutter übergeben hat, erhob sich im Zorn gegen Gitch-e-manito, der seinen Bruder ge-
tödtet hatte, bis er das Metai erhielt, Ond den Menschen herabbringen konnte (s. Tanner),
Der Zauberpriester der Mickmack stellte ein mit Wasser (das aus einem Fluss mit Biber-
Bauen geschöpft war) gefülltes Kindengefass (Oorakin) in die Mitte, um unter beschwören-
den Worten, daran die Enthüllungen des Manitoo oder Miewadoc zu sehen, und wenn
das (wegen boshafter Abneigung) nicht gelang, liess er sich von Jedem der Anwesenden
das zuerst Gedachte in das Ohr flüstern, um daraus seine Rede zu componiren. Die
Pauhatancr (in Virginien) ,, stehlen nicht, weil sie sich befahren, die Zauberer möchten
den Diebstahl ofienbahren" (s. Dapi>er). Bei den Huronen wurden gestohlene Gegen-
stände durch die Zauberer oder Loki entdeckt (s. Sagard). ,,Die Tausendkünstlerin oder
Hexenmeisterin, die Frau des Obristen Caciken hatte auf dem Kopf eine dreifach ge-
krönte päpstliche Krön, doch nicht köstlich, sondern auss Stroh geflochten. Lass mir
dieses wiederum ein Affenspiel des 'höllischen Affens sein" (s. Sepp) bei den Yaros am
Uruguay (1695). The priests (of the Dayaks) pretend to extract from a sick man's body
stones and splinters, which they declare to be spirits (s. Spenser St. John). Die Wahr-
sager (bei den Araukanem) heissen Lligua oder Dugol (los hablantes), cntre los quales
algunos se venden por Guenguenu, Genpuflu, Genpiru etc., es decir, por los dueÄos del
cielo, de las epidemias, y de los gusanos (s. de la Cruz y Bahamonde), wie in Congo
(und sonst). Die Rinderpest während des Aufstandes des Herzogs Grimoald von Benevent
wurde dem Ausstreuen giftiger Pulver durch die (deshalb getödteten) Hexen zugeschrieben
(wie ähnlich in China). Nach Arzissevski brachte der Priester bei den Tapuijem die hellen
und lispelnden Stimme, in welcher der Teufel redete, mit Gras zu Wege, das er im Munde
hielt (s. Dapper). Die Missionäre berichten, dass die Hexenmeister als Sclaven nach America
geführt, nachdem sie zuvor zum Geständniss gebracht ,,und hernach lassen wir sie alsdann,
wenn sie ein wenig zu vorhero noch ausgepeitschet worden , mit Ketten gebunden
an die Schiffe führen". Bei dem unglücklichen Ausgang der Schlacht gegen Cortez
tödteten die Tlascalaner einige der Hexenmeister (Tacalnaguals) oder Wahrsager und
Papas (Priester). Auch in Patagonien zahlten Misserfolge der Zauberer mit ihrem Leben.
Wer nach heidnischer Sitte Menschen opfert , oder weil er einen Mann oder eine Frau
für Hexen hielt, wurde m den Capitularien des Todes schuldig befunden (zu Karl M. Zeit),
aber Büsching theilt 1793 *^*"C ^"^ Westpreussen an den König gerichtete Petition eines
Edelmannes mit , dass das Schwimmen und Sacken der Hexen wieder gestattet werden
möge.
GESCIILECHTSWANDLUNG. 637
Während Priester androgyner Natur*) mit Erwähnung von Orgien
vorkommen, wurde andrerseits unter der Herrschaft des Priester-
königs Quetzalcoatl eine Lehre der Entsagung gepredigt, eine Ver-
neinung des Lebens, oder wie in den buddhistischen Traditionen
über den Untergang altberühmter Reiche, füllten sich die Klöster*)
mit den der Weltkist Entfliehenden, bis die politische Revolution
einen neuen Umschwung der Dinge hervorrief.
^) Wie mehrfach sonst wenlen auch in Arracan priesterliche VermähUmgen mit einem
CJeföhrten erwähnt. Im Ilain der Doppelgolllieit Alces ministrirte ein Priester in weib-
licher Kleidung (bei den S\iharwalen). Die auf dem Isthmus von den Entdeckern ange-
troffenen Verirfungen wurden unter dem Reiche der Inca (nach Garcilasso) streng be-
straft. Hallaron entre unos arboles un idolillo de oro y muchos de barro, dos hombres
de palo , cavalgando uno sobre otro, a fuer Sodoma , y otro de tierra cozida con ambas
manos a lo suyo, que lo tenia retajado, como con casi todos los Indios de Vucatan
(s. Gomara). In Brasilien fanden sich (zu Vero de Magalhanes' Zeit) Frauen, die ihre
Keuschheit bewahrend , die Männer in Kleidung und Bewaffnung nachahmten und zur
Bedienung eine andere Frau neben sich halten, mit der sie für verheirathet galten [wie
sonst die Mannweiber mit Männern],
•) Die Quaquacuiltin (Kräuter- Fsser) und Tiamncaz(iui (Diener) lebten in Klöstern
(unter dem Hohenpriester des Quetzalcoatl) und so die Frauen, als Cihuaquaquilli oder
(icmüse-Fsser, von denen andere nur bis zur Ileirath blieben. Die Priester des Thipetotec
(Gott der Zapoteken) erbettelten Almosen für ihre Nahrung und kleideten sich beim Fest
Tlaxipehualitztli in die Felle der beim Opfer Geschundenen. Das Mönchthum liegt (wie
Feuerbach bemerkt) im Wesen des Christenthums begründet, es war eine nothwendige
Folge von dem Glauben an den Himmel, welchen das Cbristenthum der Menschhieit ver-
hiess. Wo das himmlische Leben eine Wahrheit, da ist das irdische Leben eine Lüge —
wo Alles die Phantasie, die Wirklichkeit Nichts. Wer an ein ewiges himmlisches Leben
glaubt, dem verliert dieses Leben seinen Werth. Oder vielmehr es hat schon seinen
Werth verloren ; der Glaube an das himmlische Leben ist eben der Glaube an die Nichtig-
keit und Werthlosigkeii dieses Lebens. Denn wie St. Cyprianus spricht, ist nichts
nützlichers einem Christen , denn bald zu sterben. Aber wir hören lieber den Heyden
Juvenalem, der da spricht: ,,Orandum est, ut sit mens sana in corpore sano" (s. Luther).
Affectati coelestia , terrena non sapiunt. Von den acht Weltaltern (ähnlich der Perioden-
Fintheilung Joachim's von Flores) sind fünf abgelaufen (bei Erigena), unter Anstrebung des
letzten oder achten (nach dem seelischen). In der japanischen Polemik Vasiu Chinhei's
(Bemmo oder Darlegung des Irrthums, mit einer Vorrede des Fürsten Shimadzu Saburo
von Satzuma) wird der das Streben der Menschen auf einen eingebildeten Himmel richtenden
I^hre des Christenthum's die des Confuzius gegenübergestellt, welcher gemäss die ^lensch-
heit zu ihrer Vollendung gelangt sein wird, wenn im allgemeinen Frieden Alle ruhig und
sorgenlos in ihren Wohnungen leben. Da Adam durch das Essen gefallen ist, muss das
Fasten als Mittel zur Versöhnung Gottes gelten (nach Tertullian). Quis enim vere
humilis est, abjecta de se sentit et qui abjecta de se sentit, errasse se non dubilat,
srchrieb Agobard, und daraus folgte der Streit mit Fredegis voii Tours, über die Anwen-
dung dieses Satzes auch auf Jesus. ,,Da er demüthig war als Mensch, dachte er gering
von sich, und zweifelte nicht, dass er geirrt habe" (obwohl Gott selbst). Für sich und
seine Familie wird der Tugemlhafte Belohnungen, der Lasterhafte Strafe erhalten (nach
den Confucianem), und das haben die Tauisten im Kang-ying-peen (Buch der Vergeltung)
für das irdische Leben durchgeführt (während es sich bei den Buddhisten durch alle
Stadien der Wiedergeburt verlängern lässt).
Die in den Gesellschaftsbedingungen ^) selbst ruhende Regierung,
die sich bei wandernden Hirtenstämmen besonders in der patriarcha-
lischen Form ausprägt, wird in alten preussischen Traditionen, oder
in polnischen, mit der in dem Bienenstocke herrschenden v^erglichen,
und so auf den Lucayen^), wie anderswo auch das Zusammen-
wohnen ^) (in langen Häusern) dem slavischen Hausfrieden gleich,
*) ,,Dic Grönländer wissen von keiner Regierungsform und keinem Oberhaupte,
sondern sie sind alle von einander unabhängig. Niemand masset sich eine Obergewalt
an, als durch die Achtung, die mit dem Alter, der gesunden Vernunft, der Erfahrung,
dem bey dem Fischfange erworbenen Ruhm, und mit der Kenntniss der zu dieser lle-
schäftigung bequemen Zeiten und Oerter verbunden ist. Wer dieses Verdienst hat,
empfiingt die Huldigung des Hauses oder Kreises, worinn er wohnet. Und man trägt ihm
die Aufsicht über die gute Ordnung und Sauberkeit der Wohnung auf Will jemand
seinem Gutachten nicht folgen, so beschliesst die ganze Hütte gemeinschaftlich, den
folgenden Winter nicht mehr bey diesem Ungehorsameu zu wohnen, und dass von dieser
Ungelehrigkeit in den Liedern der nächsten Versammlung gedacht werden solle. Sonst
hat ein jeder Hausvater die Regierung über seine Familie." Die Guanas verliessen ihren
Häuptling, wenn ihnen ein anderer vorzüglicher schien (s. Azara), und ebenso flohen in
solchem Falle die Makololo (s. Livingstone) nach einem andern Dorf. Hei den Redjang
berechtigt eine nicht den Gebräuchen entsprechende Herrschaft zur Kündigung des Ge-
horsam'» (s. Marsden).
^) El oficio que tenian los Reies de eslos I.ucayos, era como el de los reies de las
avejas (s. Torquemada), wie bei den -alten .Siaven. Das Zeichen der Keilschrift für König
soll aus dem Bild der Biene hervorgegangen sein , das man dnfiir verwandte (wie der
achteckige Stern fiir die Gottheit oder An im Himmel oder Anna).
') Unter den in einem Haus zusammenlebenden Familien verkündet Einer der Alten
am Morgen aus seiner Hängematte, singend, was den Tag zu thun sei (in Brasilien) und
dann ,,eodem modo per viciniam concionabundus discurrit, more derivato, ut ipsimct prae-
dicant, ab ave quadam (quae accipitri haud absimilis videtur), quam mane cantu suo
reliquas aves excitare volunt et propterea vocant reginam volucrum" (s. de Laet). Item
dicunt, se credere, omnia esse communia, unde dicunt, furtum eis esse licitum (die
Beguinen). Der Brasilianer wohnt in langen Häusern zusammen (nach Pero de Magalhanes),
wie in den Andes (und sonst).
GESELLSCHAFT. 639
auftritt, und Rückgang auf erste Anlage der Pörfer, unter Hochhal-
tung der Stifter oder der Führer*) auf der Wanderung.
Während hier zunächst der Hausvater die Familie^), den engsten
Kreis der socialen Gesellschaft, vertritt, wird bei einiger Erweiterung
desselben bald die Tragweite eines guten Rathes, wie er besonders
aus der Erfahrung eines längeren Lebens geschöpft werden kann, fühl-
bar werden, und so allmählig der Verständigste') Einfluss gewinnen,
oder der im Alter Graue*) (Graf) des Senatus (und der Geronten
*) Chaque petit ^lat portoit le nom de Barangu^, qui signiüe Barque, apparemment.
parcque Ics premicrs familles y etant venues dans un Barangue, ellcs ^toient demeur^es
soumises aux Capitaines, qui ^toient peut etre les chefs des familles, et ce titre s'etoit
conserv^ (in den Philippinen). Die Macamccran (am Tocantin) wurden, ausser von einem
erblichen Häuptling, durch sieben Kriegsfürsten beherrscht (zu Sao Pedro d'Alcantara's Zeit).
In pace nullus est communis magistratus sed principes regionum atque pagorum inter suos
jus dicunt, controversiastjue minuunt (s. Julius Caesar) bei Germanen. ,,Gograffen sind
die vor Alters durch die Bauren oder Bürger sind gekorn worden, zu richten alle gehe
Thaten, die auf frischem Fuss geschehen, gewest" (im Sachsen -Recht). Das fränkische
Reicji war in Gaue getheilt (s. Wächter), und die erste Erwähnung der Gaue ,,fllllt in
das Jahr 531'' (bei Boucquet). Das Itinerarium August giebt jdecem pagos und bei diesen
Gauen (Gea im Neu-Friesischen) ging die Endung in die griechische Diction yj aus, welche
die Teutschen in Geu verkehrten (meint Irenicus). Gao (im Zend) oder Erde wird mit dem
(auch sanscritischen) Namen für Kuh zusammengestellt. Die Göttin Goe (Goa bei Islän-
dern) oder Go (Ko im dänischen Runen -Kalender) wird (Kuova bei Lappen) als Erde
erklärt (beim Frühlingsfest). Civcs dici possunt etiam, qui in agris habitant, i. e. in demo
gewe (Glossen des VIII.— IX. Jahrhunderts). Gawipricstar (in Gloss. Monseens). Bei den
Cambem heisst Regio patria, provincia (rus), gwlad (s. Wächter). Anjou wird abgeleitet
von Andegavi (bei Jul. Caesar) oder (bei Tacit.) Andecavi. Yeoman (engl.) wird als Geu-man
oder (bei Berthold) Landmann erklärt.
') Bei den Indern (nach Menü) ist erst derjenige ,,ein vollständiger Mann, der aus
drei vereinigten Personen, seinem Weibe, sich selbst und seinem Sohn besteht, denn
Mann und Weib, Vater und Sohn sind eins" (also auf der ersten Grundlage des Gesell-
schaftskreises innerhalb der Familie). Dazu bemerkt Feuerbach, dass auch der irdische
Adam sich , als unvollständig , nach seinem Weibe gesehnt , wogegen der neutestament-
liehe (ohne geschlechtliche Triebe) auf den ,, Untergang dieser Welt berechnet" sei. Bei
den Bakuena wächst die Macht des Häuptlings mit der Zahl der Kinder und den einge-
leiteten Heirathen (s. Livingstonc). Auf den Marquesas wurde das Kind (nach der Ent-
wöhnung) einer andern Familie in Adoption gegeben, und die Zusammenlebenden stellten
sich zu einander in verschiedene Verwandtschaftsgrade (s. Eyriaud des Vergnes).
*) Jede Stadt (der Timmanees und Bulloms) ist ,,under the Jurisdiction of some elderly
I>erson, distinguished for his good sense and acquaintance with the laws of the country,
who is called the head man" (s. Winterbottom). Die Dörfer (Kau) der Osseten stehen
unter zwei Aeltesten oder Eldar.
*) Aeltester (Graf oder Grauo) ist die allgemeine Bezeichnung eines Herrschenden,
gleich wie das angelsächsische Ealderdom von einer jeden Art der Herrschaft gebraucht
wird (s. Landau). Thunmann erklärt Kriwe, durch Ostermeyer von Kriwule (das Krumm-
holz des Schulzen) hergeleitet, mit Grewe, als Richter (s, Büsching).
640 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
im Kreise der Weisen und Greise), oder auch durch Hinwirkung
auf sinnHche Begierden, der Reichste').
Kommen Zeiten der Gefahr^), so wird der Kühnste und Gc-
achtetste, der Geschickteste^) in drängender Noth, v^ornehmHch der
Tapferste*), gleich dem germanischen Herzog (nach Tacitus), an die
Spitze gestellt, mit besonderer Macht über die kriegsfahige Jugend^')
(sowie seinerseits durch diese gestützt), und so lange war dann das
') Any person may hecomc .1 Miuly or cbief, \vht> will occasionally provulc a villajjc
feast (bei den TacuUies).
•) Viele der Stämme in Nicaragua no so govemaban por ca^iques 6 unico seflor,
sino a manera de comunidades por cierto nümero de viejos escogidos por votos e aquellos
creaban un capitan general para las cosas de la gueira (s. Oviedo), Die Cariben (nm
Caroni) erwählten in den Versammlungen den Kriegsfürsten. Die Mundrucus stecken
als Trophäen die Schädel ihrer Fein<le auf, und wer nicht wenigstens zehn solcher zu
zeigen vermag, kann nicht die ITäuptlingswürde bekleiden.
') Die für einen Jagdrug vereinigten (^jibwayes wählen den mit der CJegend beson-
ders Vertrauten oder sonst Angesehenen zu ihrem Führer. In Tocuyo erkannte man als
Herrn ,,al que era mas poderoso" (s. Ilcrrorn). Derjenige, welcher mit dem grössUn
Geschick in Handhabung der WafftMi den meisten Muth und Schl.auheit verbindet , pflegt
als Chef seines Stammes l)«trachtet zu werden (s. Koeler) am St. Vincent-Golf (in Süd-
australien). Die Guaipunabis übertragen die im Stamme erbliche Häuptlingswürde auf
den Tüchtigsten.
*) The strongest man, who had the most friends or relatives, was the head chief,
(s. Swan) bei den Mackah (am Cap Flattery). Die im Binnenland der Arowakken
wohnenden Cariben ,,parent regulis, quos e fortissimis eligunt, vocantque". Puve, id est
Patres (s. de Lact). Die Guahibos wählen den Tapfersten zum Häuptling. Beim Ausbruch
eines Krieges wurde von den Araukanem der Tapferste (gewöhnlich aus der Klasse der
Ulmenen) an die Spitze gestellt, und er nahm dann als Dictator die Stelle des Toqui
ein, der in der Zwischenzeit seine Würde (mit der sie bezeichnenden Streitaxt) niederlegte
(s. Molina). Bei der Krönung schwur der König (in Mexico) Gerechtigkeit zu üben und
Tapferkeit im Kriege, ,,que haria andar el Sol con su claridad, llover las nubes correr los
rios y producer la tierra con todo genero de su tenimientos (s. Gomara). Wenn der
für Kriegführung^ erwählte Häuptling ,,por ser velho nao podia acompanharlos em suas
longas expedigoes, escolhiao outro e nesta escolha tinhao em consideragao o valor e pru-
dcncia do electo" (die Tupis), Im südlichen Californien dankte der Häuptling im Aller
zu Gunsten seines Sohnes ab (s. Boscana), in Tahiti (nominell) schon bei Geburt desselben.
^) Bei den Abenakiern (mit Etechemins und Suriquois) hatte der (erwählte) Häuptling
oder Samago ,,über die jungen Leute eine unumschränkte Gewalt" (auch als Richter
fungirend). In Dschagga müssen alle Knaben und Jünglinge für den Dienst des Häupt-
lings zusammenwohnen, dem auch alle Frauen gehören (s. Krapf), wie dem König von
Dahomey. Die Stämme auf Madagascar werden von Tschich (Häuptlinge) regiert
(s. Mandeldoe). Jeder Fenra (Clan) der Alfuren von Buru steht unter stinem Häupt-
ling (s. Bickmore). Die Eingebomen (mit tief liegenden Augen, ,,woolly hear, features
flal and disagreeable and a perfectly black complexion") von Van Diemensland (1833)
,,are known to have distinct tribes, each with its chief or leader" (s. Breton). Die
Waboni, deren Sultan in Arbarura (am Kilowanje-See) als Vasall der Ctallas in deren
befestigtem langer (Arbarura) am Kilowanje-See wohnt, leisten auf Jagd- und Fischzügcu
dem führenden Alten nach schweigender Uebercinkunft Gehorsam.
DICTATOR. 641
gewöhnliche Regiment, wenn zwischen dem Häupth'ng^) des F'riedens
und Krieges unterschieden wurde, suspendirt.
Bei Rückkehr aus dem Feldzug wurde von dem Dictator die
Niederlegung ^) seiner Würde erwartet, mitunter indess benutzte er dann
die Gelegenheit, sie ganz oder einem Theile nach zu usurpiren, und
auch ohne derartiges Attentat lag es immer schon in der Natur der
Sache, dass der im Siege erworbene Ruhm auch noch für später-
hin seinen Namen mit volltönendem Klang unter den übrigen her-
vorhob^).
Entweder blieb dann der Kriegsfürst an der Seite*) des in den
Schatten eines Hintergrundes zurückgedrängten Priesterkönigs (wie in
Japan der Taikun als Schutzherr des Micado), oder er trat ganz an
seine Stelle, und es war dann der natürliche Gang der Dinge, wenn
') Bei dem Stamm am Maya-tatu findet sich ein Häuptling fiir den Frieden und ein
Häuptling für den Krieg. Bei den Apaches steht an der Spitze einiger Stämme ein
Kriegs- und ein Friedenshäuptling (s. Arnim). Der Häuptling (Hein) der Wollo-Galla
wurde alle sieben Jahre erneuert (nach Krapf) und der Ataman der Saporogischen
Kosaken alljährlich (s. Storch). Besides the great warrior, who is elected for his warlikc
qualifications, there is another, who enjoys a pre-eminence as his hereditary right and has
the more immediate management of their civil affairs (s. C'arvcr), mit einem Rath aus den
Häuptern der Familien (bei den Winnebagoes).
') In Tasmania galten die Häuptlinge nur während des Krieges (s. Bonwick). l'pon
gaining a decisive victory the leading warrior was proclaimed temporal lord of ,,Mangaia".
The kingly auihority was hereditary and distinct from ihat of the warrior chief (s. (Jill).
The tribe gradually recognise the superior activity and prowcss of their ablest man and
by general consent he l>ccomes king (unter den Wailwun) in Australien (s. Greenway).
•) Bei den Indianern (Neu-England's) waren die Häuptlinge (oder Sachem) ,,gt-'n^einig-
lich nur Privatpersonen , welche von den Alten eines Kreises gewählt wurden , und die
königliche Würde blieb so lange bei einer Familie, als die Weisheit und Herzhaftigkeit
derjenigen , die damit bekleidet waren , diese Wahl rechtfertigte. Man kannte keinen
andern Adel , docli genossen die Abkömmlinge der Sachems viele Vorrechte bei ihrer
Völkerschaft". Neben der erblichen Würde des (zu bestätigenden) Häuptlings (Tyas oder
Acweek) findet sich (bei den Nutka) ein halberblicher .Vdel, während andere Rangstufen
durch Kriegsthalen erlangt werden (und das Geschäft der Harpunire von Vater auf Sohn
übergeht). Der Sclavenstand (der aus Kriegsgefangenschaft oder Raub Verhandelten)
bewahrt sich für die Kinder. Die (nach Castelnau) Ackerbau treibenden (und Thon-
gcschirre verfertigenden) Cahan (Niyololas oder Tschoalado) oder (juanan (in Matto
Grosso am Paraguay) erkannten die Guaycurus als Öberherm. ^
*) Bei den Kolh hat jedes Dorf einen Häuptling aus dem Munda- und einen Priester
aus dem Pahan- Geschlecht. Neben dem Canek (Herrscher) in Vucatan stand dessen
Vetter Quincanek als priesterliches Oberhaupt. Les rois actuels du Thibet ont öte ancienne-
ment des Devas (Tipas) ou des premiers administrateurs qui ont secoue le joug de leur
chef (du dalai Lama). Bei den Afghanen Bannu's wählt sich jede Dorfschaft iliren Vor-
steher oder Malik (s. Tliorl)um); fial$CTa dt xart} ifntatw iotxit^ 17 xtofifj anomui oixiug
(s. Aristoteles).
liastian: America. I- 41
642 PRIESTERLICIIES UND STAATSWESEN.
sein in den Epigonen allmählig entartetes^) Geschlecht seinerseits
wieder einem kräftigeren Major domus weichen musste (wie die
Merowinger den Karolingern).
Indem die leicht erbliche^) Würde bis auf göttlichen^) Ursprung
(wie in Griechenland und in Japan) zurückfiihrbar*) blieb, wurde
gegen fassliche sowohl, wie gegen unsichtbare^) Feinde (oder
gegen elementare Bedrängungen) Hülfe nicht nur erwartet, son-
dern selbst beansprucht, zumal die Würde des Friedensfürsten sich
ohnedem mit priesterlichen Functionen verband (in dem Character
des, auch in den vedischen Königen erkennbaren Priesterkönigs ^))
*) Bei den Yaruros sind die Häupllinge erblich, können aber, wegen Feigheit, (wenn
die Familie zu entarten scheint) durch andere Wahl ersetzt werden (s. Codazzi). Die
Nachfolge im Priesterkönigthum (als Rex nemorensis) in Aricia erwarb sich durch das
Schwert, fiir den, der sich hindurchkämpfend, seinen Vorgänger tödtete (ähnlich in Süd-
Indien).
') Beim Kriege erwählten die Moluches und Puelches aus den angesehensten Häupt-
lingen einen Apo oder Führer, und für die Tehuelches, (!!hecheheches, Guilliches, Peguen-
ches und Diviheches wurde diese Würde eine Zeitlang in der Familie CangapoVs erblich
(s. Guzman). Während beim Majorat unter denjenigen Verwandten, die dem Grade nach
die nächsten sind , der Aelteste berufen wird , gewährt das Seniorat ohne Rücksicht des
Grades der Verwandtschaft dem Aeltesten derselben die Erbfolge (und bei der l*rimo-
genitur schliesst der Erstgeborne und seine Descendenz den Nachgebomen und dessen
Descendenz aus). Bei dem Juniorate succedirte unter den gleich nah erbfolgeföhigen
Verwandten der Jüngste. Zum Schwertmagen gehört man als Degenkind auf die V'ater-
seite (zum Unterschied vom Vatermagen). Si plures rcliquerit filios, tuuc distinguilur
utrum ille fuerit miles, sive per feodum militare tenens, aut Über sokemannus. Quia si miles
fuerit , vel per militiam tenens tunc secundum jus regni Angliac primogenitus filius patri
succedit in totum, ita quod nullus fratrum suorum partem inde de jure petere potest
(s. Glanville).
•) Thiodholfs nennt den Schweden könig Ingialld einen aus dem Geschlecht der
Ynglingen (godh - konung) Götterkönig, d. h. von den Göttern abstammenden König,
göttlichen König, oder Godh Kynning, Göttergeschlechtling (s. Wächter). W^odan (Ahn-
herr der angelsächsischen Fürsten), von Columban unter Alemannen gefunden, änderte
den Namen der Winiler (in Longobarden) und tritt in Begleitung von Thunare (und
Saxnote) bei den Sachsen auf. Woden (qui Mercurius dictus et in Gothlandia insula
habitavit), stammte durch Fridewaldus von Sceaf, Sohn des Heremodius (s. Allericus).
*) Nach Herodot galt 2xv9^g (Sohn des Herakles) als Stammvater der skythischen
Könige (am Pontus). ronoövQow iok 'AnoXitoya Sxv&m (Hesych), als Gauta-Tyr (Odhin
oder Gautr) erklärt (bei Finn Magnusen). Bei Ebersheim - Münster fand sich 1399 das
Idol Theuthates , quasi Theutonicorum theos, i. e. deus, oder Stanbruck (s._Hummel).
Dem gothischen Teuthates wurden Menschen geopfert. Teut heisst V'ater in der wcsi-
phälisch-niederdeutschen Mundart des Lippischen Volkes (nach Clostermeier).
*) Der Cazike am Maraüon antwortet dem von Gott redenden Missionär, ,,dass er
seihst Gott sey , ein Kind der Sonne, wie auch, dass er alle Nächte sich im Geiste in
den Himmel verfuge vor dem künfftigen Tag jederzeit Verordnungen zu machen , und so
gar das allgemeine Wesen der Welt zu veranstalten" (1729).
*) Bei den Azteken schwur der König, dass er die Religion der Vorfahren schützen
GELD-ARISTOKRATIE. 643
und wie in den Augen der alten Griechen^) gilt oftmals der fromme
König als Unterpfand des Glückes seiner Unterthanen, oder bei den
Buddhisten die fromme, und durch Büssungen Verdienst erwerbende
Priestergemeinde.
In kriegerischen Zeiten war es demnach der Tapferste oder Mäch-
tigste, in ruhigen (wie bereits bemerkt) oft der Reichste (in Sumatra
und sonst), der an der Spitze stand, und so mochte der wohl-
habendste^) Kaufmann (wie in den Handelsrepubliken) die höchste
Würde erhalten, während dann allmählig das Uebergewicht des
Talentes^) oder die in der Erfahrung beruhende Geistesmacht der
sonst wegen ihrer zunehmenden Körperschwäche verachteten (oder
selbst ausgesetzten) Alten*) anerkannt wurde und ihnen, als Weisen
und Greisen, im Rath der Senatoren*) oder Geronten (den Gnekbade
der Kru) Ehre übertrug und sicherte.
und bewirken wolle, dass die Sonne ihren Lauf gehe, dass die Wolken regnen, die Flüsse
fitessen, die Früchte reifen (s. Clavigero), wie in Afrika. In Aegypten musste der
König (aus der Kriegerkaste) in die Geheimnisse der Priesterschaft eingeweiht werden
(s. Plutarch). Wodan id est fortior, hella regit, hominumque ministrat virtutem contra
inimicos (s. Adam B.).
'J Unter einem gottesfürchtigen König bringt, die Erde reichen Ertrag (bemerkt
Odysseus). In China bUsst der Kaiser im Nothstande für sein Volk. Der König von
Sennaar wurde dem Tode geweiht, wenn das Staatswohl ihn forderte, und ebenso Codrus
in Athen, wie Decius Mus sich freiwillig (in Rom) zum Sühnopfer gelobte, und so Quintus
Curtius.
') In Acalan, wo Apoxpalon (zu Cortez' Zeit) herrschte, wurde der reichste Kauf-
mann zum König erwählt (s. Gomara) in Vzancanac residirend (bei Tenticaeca). In Isan-
canac (in Acalan) ,,usaban hacer sefior el mas caudaloso mercader, y asi lo era Apoxpalon"
(s. Pelaez). Kosi (bei den Bechuanas) bezeichnet ,,a chief or a rieh man" (s. Burchell)
und so im ostindischen Archipelago. Der lleütsch, als einziger Kaufmann (mit einem Elfen-
beinstab), beherrschte die Galla im Rathe der Abba wovata (Väter der Familien). Los
mas antiguos ö los mas ricos son los que se titulan caciques 6 Guilmenes (bei den Peguen-
ches), und beim Tode erbt den Titel ,,el Indio mas guapo, de mejores discursos y como-
didades" (s. Guzman).
') Entre los Guaranis la elocuencia y culta verbosidad de su elegante idioma era
escäla para ascender al cacicazgo (s. Guzman). Der RupuUe oder Häuptling der Narrin-
jcri (Menschen) am untern Murray (mit Ngaitze oder Schutzgottheiten für jeden Stamm)
ist der Vermittler und Sprecher mit Fremden, sowie der Anführer im Kriege (s. Jung).
Der durch Rednergabe und Ansehen Ausgezeichnete bildet den Häuptling bei den
Wakamba.
*) Die Lacondones (in Chiapas) verehren die durch Alter oder Verdienst Ausgezeich-
neten, als Xaguate oder Nagutlat (s. Pinedo). Unter den Siaposh (bei denen die Imra
verehrt werden) wird durch die Reichen und Kühnen eine Classe des Adfels gebildet.
*) Neu -Mexico wurde durch einen Senat regiert, dessen Mitglieder (zur Berathung)
,,se meten en una estufa, debajo de la tierra" (s. Torquemada), ihre Bestimmungen durch
einen Herold verkündend (y aquello que dice es inviolable). Die Stämme der Guaraunos
werden in ihrem Bunde durch einen Rath der Aeltesten regiert. Die Irokesen wurden
41*
644 PRIESTERLICTIES UND STAATSWESEN.
Aristocratische oder oligarchische Regierungsverfassungen bilde-
ten sich je nach den Verhältnissen aus der Natur der Sache, und
obwohl sich hier dogmatisch eine progressive Entwickelung von der
patriarchalischen Regierungsform zu der königlichen annehmen lässt,
so dürfte diese doch nicht chronologisch auf thatsächliche Verwirk-
lichung übertragen werden, da in dem Kreislauf der geschichtlichen
Bewegung unter gleichen Bedingungen auch gleiche Erscheinungen
wiederkehren, und — nicht trotz dem Gesetz, sondern unter demselben
— das Spätere auch ein Früheres werden kann. Während in Mexico
die Monarchie aus der Aristocratie hervorging, wurde in Tlascala
die Monarchie in die Regierung eines Senates verändert, mit vier
Fürsten, von denen Einer den Vorsitz führte (s. Torquemada).
Auch in diesem Rath*) der Aeltesten traten dann wieder Fürsten*)
hervor, sei es durch Wahl, sei es in directer erblicher Folge, sei es
durch einen Rath der Aeltesten (Odianez oder Odisthem) beherrscht (s. La Potherie).
Die romanischen Ausdrücke prudens homo, bonus homo (prud'homme, bonhomme) sind
nicht ohne Bezug auf die alte Rechtspflege, bemerkt J. Grimm, und so könnte godaung
gumo (im Ueliand) auf (gothisch) gudja (^U^ivg) weisen, bei dem Zusammenhang zwischen
Priester- und Richteramt (in Cotinc). Der Senatus deorum, der den zweiten Odhin abge-
setzt, wurde durch Sigge (als dritter Odhin), auf welchen sein Sohn Skiold (Urgross-
vater des mit V'alens kämpfenden Friedleif) folgte, beseitigt, und der erste Odhin (der
(iüttliche) wird (von Wedel -Jarlsberg) mit dem galatischen König Cavanis identificirt,
während der Eroberungen der (bei Diodor) mit Ciml)ern identificirten Gelten. Im Quiche-
Keich konnte der König wegen tyrannischen Gebahrens durch die Ahogues abgesetzt
werden (nach Juarros) und in Gandia war er dem Urtheil des Volksgerichtes unter\vorfen
(s. Percival).
>) In Nicaragua wurde der Gacique alle vier Monat aus den Alten (Guegues) gewählt
(s. Oviedo). Die Yoamacos (in Maryland) waren von Wisos (Häuptlingen) beherrscht.
In Nicaragua herrschte ein Rath der Alten (Guegues), der erwählt wurde. Die Chichi-
nieken wurden durch die sieben Pilli oder erblichen Häuptlinge beherrscht als lluehue
oder Alte. Der Nika (Grossvater) genannte Häuptling der Shirani (als das Haupt der
ältesten Familie) gilt als unter der Hut der Gottheit stehend, so dass Frevel gegen ihn
sich durch Unglücksfälle rächen (nach Elphinslone), Bei den Mariquitares hängen die
Stammeshäuptlinge von den Fürsten ab, die unter sich einen Bund bilden (besonders für
die Kriege mit den Guaharibos). In Soconusco herrschte der Rath der Edlen (Ahaguaes),
während die Gemeinen von der Regierung ausgeschlossen blieben (s. Larrainzar). Die
Würde des (philistäischcn) Kriegshäuptlinjjs oder Seren war in Gath eine erbliche (mit
dem Titel Melek) neben dem Fünfcr-Rath der Sarnim. Non enim habent regem antiqui
Saxones, sed satrapas plurimos suae genti praepositos (s. Beda).
^) Bei den Aruacas wählen die Häuptlinge den Fürsten, Die Tolteken wählten ab-
wechselnd einen der sieben Häuptlinge (unter welchen sie gewandert waren) zum Fürsten,
ehe in Tollan ein König eingesetzt wurde. Nach Gomara herrschten vier Häuptlinge in
Utlatlan (zu Alvarado's Zeit). Die Otomacos stehen unter erblichen Häuptlingen, welche
die täglichen Arbeiten auftragen und den Ertrag vertheilen. Bei den Piaroas wechselt
die erbliche Häuptlingswürde durch Wahl zwischen verschiedenen Familien. Bei den die
Gottheit I.owa-Langi (durch die Ere genannten Priester) verehrenden Ono-Niha (Menschen-
SALBUNG. 646
in Anwendung der Wahl auf erbliche Ansprüche, indem bald dann
auch die Priester^) mitredeten, wie solche zugleich als Leiter^) der
Wanderungen auf einem Exodus, bei Azteken und Chorotegen (wie
bei Hebräern) auftraten.
So lange die Priester über den Fürsten*) standen, widersetzten
sie sich der Wahl eines Königs, von dem sie in Folge des politisch
zu gewinnenden Einflusses eine Beschränkung*) ihrer Macht zu
furchten hatten, oder sie setzten wenigstens lieber Einen aus der
eigenen Mitte*) auf den Königsstuhl®) ein, als dass sie sich mit der
klösterlichen Erziehung"') begnügen Hessen.
Oftmals vermochten sie auch über den König®) noch die des-
kinder) oder Nyasser geht die erbliche Würde des Häuptlings (Balugu) meist auf den
ältesten Sohn über, obwohl der Vater auch einen andern zu seinem Nachfolger emeimen
kann. Der Tecte oder Häuptling (mit den Unterhäuptlingen oder Galpones) hing von
dem Monexico oder (wählbaren) Rath der Alten ab in den Grepones oder Versammlungs-
häusem (in Nicaragua). In Napata (mit Meroe oder Berua, und das Aloh-Rcich jenseits)
wurde der Herrscher aus den KönigsbrÜdem durch die Priester bestimmt.
') Neben dem erblichen Kriegsanfuhrer wurde (in Yucatan) als zweiter der Nacon ge-
wählt, der sich durch dreijährige Fasten auf das Fest Fax vorbereiten musste (die Truppen
wurden von dem Holcan befehligt). In Cholula herrschte der Priester, als Tlachiach (oder
oberer Herr) und der Fürst als Aquiach (oder unterer Herr). Commune Placitum, quod
dicitur Golhing, in quo quamplures et Clerici et Laici interfuerunt (i22i p. d.). Sacerdos
omnium maximus apud Burgundios vocatur (Sinista) Sinistus (s. Amm. Marc.)
*) Nach Snorre Sturlesen wurden die Äsen (Diar oder Drottnar) bei ihrem Auszuge
aus Asgard in Asaheim von Odin, als Propheten (Forspar) oder Zauberkünstler (Fiolku-
uugur) geleitet , indem er sie über Gardariki (Russland) und Sachsen nach Jötunheim
(unter Gylfe) führte, Sigtuna bauend.
*) Die Chiapaneken lebten in Republiken (als Adel) unter zwei Häuptlingen, die
durch die Priester erwählt waren. Los Chiapanecos (los primeros pobladores del Nuevo
mundo) se gobernaban . por dos gefes militares nombrados por los sacerdotes (in Cuzco).
Neben der weltlichen Macht des Pilun als Fürsten (auf Yap) giebt es die priesterliche
Macht des Matra-mat, d. h. die Herrschaft derjenigen Leute, welche zwischen der Gott-
heit und den Menschen , als Vermittler und als Ausleger des göttlichen Willens dienen
(s. Miklucho-Maclay).
*) Bei dem Aufenthalt der Mexicaner in Chapultepec wurde (trotz des Widerstandes
der Priester) Huitzilihuitl zum König gewählt. Auf die Priesterkönige (Patesi oder Patis)
Assyriens (wie Ismi-Dagon, Samsi-Bin, Iri-Amtuk) folgten (mit Assur-Narara, Nabu«
Dagan, Assur-Bel-nisisu) Könige oder Sar (s. Maspero).
*) Die königlichen Functionen Montezuma's waren im Besonderen mit dem CuU des
(neben Tezcatlipoca) verehrten Huitzilopochtli's verknüpft, wie der des Numa, als flamen
dialis, mit dem des Jupiter.
*) Als man Montezuma seine Wahl zum Herrscher anzeigte, fand man ihn im Tempel,
nnt dem Besen den Boden kehrend.
^) Der Fürst der Miztecas hatte vor der Thronbesteigung ein Jahr lang im Kloster
zu leben. In Nicaragua wurde jährlich einer der Caziken zum Oberpriester erwählt und
musste (nur von den dienenden Knaben besucht) ein Jahr im Tempel bleiben , worauf
ihm (zum Ehrenzeichen) die Nase durchbohrt wurde (nach Bobadilla).
•) Für die Toltekenkönige war die Regierungszeit auf 52 Jahre (die Xiuhtlalpile ge-
446 PRIESTERLK.HES UNI) STAATSWESEN.
potische Gewalt zu bewahren, wie in Meroe und Cochin, die selbst
über Leben und Tod tyrannisch gebot, bis sie etwa durch einen
Euergetes gebrochen wurde.
Menes (Mena) aus Theni vernichtete die Priesterschaft (der Shesu-
Nor), die ägyptische M Monarchie begründend (in Memphis), obwohl
auch unter der neuen Form die priesterlichen Collegien bedingend
in die Sollemnia eingriffen.
Dabei erhielt dann der König, der früher (wie am Gabun) der
Volksjustiz*) überlassen sein konnte, eine priesterliche Weihe ^), mit
nannte Altersdauer) gesetzt, nach welcher sie abdanken nmssten , und sollte der Tod
früher eintreten , wurde eine republicanische Regierung in das Interregnum eingeschoben.
Als der Toltekenkönig Mitl (Nachfolger des Nacaxoc) den Cyclus von 52 Jahren in seiner
Regierung vollendet hatte, verweigerte er die durch die Gesetze bestimmte Abdankung
und regierte weitere 7 Jahre bis zu seinem Tode (1035 p. d.). Nachdem er in dem von
ihm erbauten Froschtempel begraben war, wurde die Regierung der Königin Xiuhtlaltzin
übertragen, und dann folgte (1039 p. d.) der Prinz Tecpancaltzin (s. Kcheverria). O
govemo dos Jesuitas cra um govemo theocratico. O gcral nomeava em Roma os pro-
vinciaes, os quaes erao nas mas provincias outros tantos vicercis. U idioma guarani era
o que estava em voga, bem. que se fallassem tambero outros muitos (in den Missionen
am Sao-Pedro-do-Rio-Grande). Der König der Mexicaner war (innerhalb der königlichen
Familie) gewählt, der der Chichimeken erblich und ebenso der der Tulteken, und indem
hier die Zeit auf 52 Jahr l>eschränkt war (bis zum Ende des Cyclus Xiuhtlalpile oder
Tixiuhmolpia) zeigt sich Analogie ähnlich in Cochin und Meroe. Für den Papst galt
,,non videbis aÄos Petri", und Benedict XIII. wurde es durch Antonius zum Grund der
\'erdammung gemacht, dass er um 5 Jahre das 25jährige Pontificat Petrus* überschritten
(bis 30 Jahr). In Darfur muss der Schatlenkönig oder Kamere mit dem Tode des Königs
(als sein Schatten) gleichfalls sterben.
*) Unter den Beweisen, dass die Aegypter von den Aeihiopiem stammten, führt
Diodor die ,, Gleichheit des Costum's untei den Königen an, die in beiden Ländern einen
Craios als Zierde des Diadems trugen" und ähnlicher Schmuck zeigt sich jetzt an den
Figuren aus Central -Africa in der Richtung des Muata-Vamro, sowie der spitzgedrehte
Bart , während das vorwärtsgebogene Sceptcrschwert sich bei den Monbuttu erhalten
hat (durch Napata vermittelt).
*) In Guaxozingo (Iluexoxingo), Tlascala, Cholula wurde der mit Schimpfreden L'eber-
häufte vor der Erhebung zum Fürsten, auT die nächst hohe Rangstufe eingesetzt
und musste im Tempel (für seine Vnlerthanen) wachen indem man den Schlaf
unterbrach (s. Herrera), und dass der Fürst dort (vor seiner Wahl) Verspottungen aus-
gesetzt war, geschah, wie es heisst, ,,para provar su paciencia", worauf er, nachdem tr
noch ein Jahr im Kloster zu büssen hatte, das Krönungsfest folgte.
•) Vor der Krönung kasteite sich der König in Mexico im Saal Tlacateoco für
4 Tage (s. Torquemada). Das Gewand des Königs bei der Krönung und des Ehcjjaares
bei der Hochzeit trug Skelette. Bei der Krönung wurde dem König Tlacochcalcall Mon-
tezuma die Nase durchbohrt, um eine Goldröhre l\^ineinzustecken (s. Tzozozomoc). Für
Inthronisirung (heisst es) wurde dem König über, den Thronmantel ein anderer angelegt,
mit Todtenköpfen und Gebeinen , um ihn an den Tod zu erinnern (in Mexico). Krol
(König im Polnischen) und Krolestwo (Königreich) wird von Karolus erklärt (wie
Karabste oder Reich im Litthauischen), ähnlich Caesaren oder Flavier.
HALBGÖTTER. 647
minutiöser Ausbildung des Ceremoniell (bei der Heiligung durch Gottes
Gnaden und bis zur Deification in der Apotheose), wofür auch jung-
fräuliche*) Geburt, wie bei dem Ahnherrn der Mongolenflirsten, ver
werthbar blieb.
Die Vergöttlichung im Heroen-Cultus zeigt sich in Siam bei der
Verehrung der Chao, und sie kann auch bereits (wie bei den der
gewöhnlichen Altersspanne entwachsenden Greisen auf den Mariannen)
zur Lebenszeit eintreten, und so berichtet Jornandes, dass nach der
Besiegung des Kaisers Domitian, die Gothen^) ihre Führer als Äsen')
') Se autem excusaut , <|Uod non possunt intelligere , quod virgo possct parere filium
(die AveiToisten). Versteht man unter der Demonstration nicht ,,potissimam demonstra-
tionem", deren nur die Mathematik fähig ist, sondern ,,syUogismum efficianter conclu-
dentcm", so ist (nach Thomas ab Argentina) auch die Theologie einer wissenschaftlichen
Behandlung (ahig, (sie rationes Theologiae possunt dici demonstrationes).
') Die westlich vom asowschcn Meer als Rhoxolauen mit den Rossen (Russen) ge-
mischten Alanen oder Albanen bezeichneten Feodosia (Kaffa) als Ardauda oder Sieben-
Götter (-Stadt) nach der Sprache der Karabulaken im Bezirk der Kisten und blieben
beim Zurückweichen vor den Gothen (II. Jahrhundert p. d.) als As im südlichen Gebirge
Aja dagi (der Krim). Von den Albanen oder Alanen als Weissen (Hephthaliten)
zweigten sich die Afghanen ab. Die Vidh-tal (Ephthaliten oder Haiathalah) oder Vueti
waren den Kurus (Kiang) verwandt (s. Kingsmill). Die Ephthaliten Gorgo's (Gorghan's
oder Djordjau*s am Caspischen Meer) unterschieden sich von den Übrigen Hunnen (neben
der weissen Hautfarbe) durch die Ansässigkeit (nach Procep) in Thedalia (bei Vartan)
oder (bei Cosmas) OvyyUt (der Xivxoi Ovyrot). Die bis zur Donau (bei Claudian) vor-
gedrungenen Alanen ziehen unter Utaces (Nachfolger Respendiak's) nach Spanien (mit
den Vandalen). Oestlich von Poho, das Neumann mit Bokhara und Richthofen mit
Wakhan identificirt, kamen die Samanäer Hwei-seng und Sung-yun in das Land der
östlich bis Khotan und westlich bis Fersien erstreckten Geta (518 p. d.), als Hephthaliten
(oder Haithal). Abulfeda identificirt die Assen (Osseten) mit den Alanen oder (nach
Rubruquis) Assen. Benedict XII. schrieb an Fodim Jovens, als (christlichen) Fürsten der
Alanen (zu Marignola's Zeit). Maas war Hauptstadt der xManen oder Lan (nach Masudi).
Die Alani oder Aas (und Cherkis) heissen (bei Rubrutjuius) Commani, qui dicuntur
Capthat, a Teutonicis vero dicuntur Valani, et provincia Valania (als Asu oder A-sze in
China). Nördlich von Abasgia ,,ponitur patria quae dicitur Alanorum" (s. Anonym. Rav.).
Nach Quatrem^re meint Pahloi die Sprache der Parther. Die Parther (oder Arsaciden)
waren den Chinesen als Ansi bekannt. Die Parther (unter Vologesus) suchten Vespasian's
Hülfe gegen die Alanen (Vasy oder Russen), die (nach Porphyrogenitus) jenseits des
Cauoasus wohnten. Nach Wenck wurde der Name Germanen aus Hermionen gebddet.
Die Kriegserklärung Rom's (218 p. d.) gegen die Hermundulen (Tulinger unter den Halb-
germanen Helvetien's bei Livius) findet sich bei Cincius Alimentus (s. Gellius) erwähnt
(s. Ledebur). Caesar erwähnt Condrusos, Eburones, Caeraesos, Paemanos, qui uno
nomine Germani adpellantur (mit Belgiern), als Tungner (bei Tactus) Thüringens (der
Toringer). Gotnar sind (nach Wächter) Equites von Gati (Equus) oder Viatores von
Gata (Via), im Gegensatz zu Flotnar (Navigantcs). Dicti autem rcnones a Rheno, Ger-
manis flumine, ubi iis frequenter utuntur (s. Isidor).
•) Nach Snorre Sturleson kamen die Äsen aus Asgard in Asaheim am Tanaquisl
(Don oder Tanais), als Diar Drottnar unter Odin. Acot 9to$ ano Tv^tit^y. Finnur
648 PRIESTEKMCHES UND STAATSWESEN.
oder Aeser begrüsst hätten, welche Äsen oder Aesir in Scandinavien
als Regln, die Mächtigen oder (Ginregin) Uppregin (die Obermäch-
tigen) bezeichnet werden. Nach dem Tode gingen dann die Seelen
in die Reihe der himmlischen Äsen Asaheimr's ein, besonders wenn
im raschen Schlachtentode entrafft, da ein langsames Dahinsiechen^)
Magnussen erklärt Milras, als Maestras (Maituraus) oder herrliche (Maets) Ase. Die die
Götter als Aesar verehrenden Etruskef hiessen Tusci von Tuscus (Sohn des Tyrrhenus)
oder (nach Gunnar Paulson) Tuisken (germanisch). Nach I.ucian brachten die Gallier
nicht nur dem Teutatus , sondern auch dem Gott llerus Blutopfer. Odin (Teut oder
Wodan) wurde zeitweis aus dem Güttcrrath entfernt, um durch Iloller oder Oller (als
Gegen -Odin) ersetzt zu werden (s. Saxo Grammaticus). Suhm rechnet zu den Alanen
die Äsen oder Aspurgilaner, die Abschasen , die Apsilier (am Phasis) mit den Misimi-
anem, die Aorsen (am Tanais), die Udini (oder Budini) an den Portae Caspiae. Bei den
Cushiten (Chaldaea's) emanirt aus dem Gott Ilu oder (in Niniveh) Assur das ursprüngliche
Chaos. Bei Rücksichtnahme auf Gott (Cot oder Gud) und (pers.) Khoda (Quadata)
oder (sanscr.) SvadÄta könnte in den (von Gautar unterschiedenen) Golhen (Gutans) oder
(ahn.) Gotar eine ähnliche Beziehung im Völkemahmen liegen , wie bei Teotl zu Teo-
Chichimeken u. A. m. ,,Die Angelsachsen bilden von God den neutralen Plural Goda,
sobald Abgötter gemeint sind" (s. Grimm). Ridba til Godhthiodhar wird (in der Edda)
erklärt ad gentem Deorum (Gothorum).
*) Nach Ammianus Marcellinus verachteten die Alanen die auf einem Bett Gestorbenen.
Den Usun verwandt, verbanden sich die A-lan-na (Alin oder Berg in Mandschu) oder
An-thsai (des Aral-See's unter der Herrschaft der Sogdier) den Sueven und Gothen (sowie
den Vandalen, als Vend-Alani). Alani, ex montium appellatione cognominati, erstreckten
sich (nach Amin. Marc.) bis zum Ganges (proceri autem Alani sunt omnes et pulchri,
crinibus mediocriter-flavis). Das (^ebiet von Ghazni heisst Alaanar (1222 p. d.). Die
(bei Plinius) den Rhoxolanen benachbarten .Manen fielen (im Bunde mit Tiberius gegen
die Parther) durch die Pässe der Iberer in Armenien und Medien ein (nach Josephus).
Kerkednedadj , König der Alanen, residirte (nach Masudi) in Magass. Den Vanen (im
Kriege mit Asgard) diente der Seid genannte Zauber zur Wahrsagung (nach Snorro)
[Az-IIof oder Äsen- Hof am Asowschen Busen]. Tacitus localisirt die Osi (pannonischer
Sprache) um die Quellen der Weichsel (neben dtn Arier). Nach den medischen Keil-
inschriften grenzte Asagarta mit Part^ava oder Parthien. Die Sagartier durchschweiften
als nomadische Stämme Persien (nach Herodot). Nach Strabo wohnten die Aspurgiani
am cimmerischen Bosphorus. Von dem Bellovesus nach Italien gefolgten Gelten wurde
später Pannonien besetzt (s. Justin). Die illyrischen Japodes galten (bei Stephanus) als
celtisches Volk (und so die Autariatae), In Bologna soll das Rechtsstudium seinen Anfang
aus einer grammatischen Erklärung des Wortes As (tarentinisch für iig) hergeleitet haben.
Nach Kriegen mit den (parthischen) Arsaciden (aus dem Hause Ashkan) erlag das
griechisch-bactrische Reich (s. Justin) den Asiem und Sarankeni oder (nach Stral>o)
Sakaraulern, die mit Pasiani (Aspasier) und Tokharern (Toukhara) einfielen, als Vueitschi,
von denen die Ye-tha (bei Matuanlin) abgeleitet werden (von Klaproth mit Gelen idtnti-
ficirt). Pauthier identificirt die Li-kien (bei Sze-ma-tsien) mit den Seleuciden. Nach den
Chinesen hiess das Land am See Lop (bei den Türken) Cha-tho oder (j)ersisch) Djetch
(s. Vivien de St. Martin). Les Vc-tha ötaient de la m^me famille et j^ortaicnt le meme
nom i^uc les Djals ou Djets, pcuple d'origine tibetaine (s. Vivien de St. Marlin). Vom
jüngsten Sohn Djaiali's stammen (in Mahabharata) die Mlekha (nach Norden gelrieben).
Nach Jacquemont fand sich Polyandrie bei den Djat. Nach Matuanlin besitzen bei den
GLEICHBERFAHTIGUNG. 649
auch bei den Alanen mit dem Körper die Seele zu verzehren schien,
während friedliche Völker (wie auf den Mariannen) die gewaltsame
Trennung der Seele vom Leben für ihre Verwandlung in schreckende
Gespenster fürchteten, und diese in einem unterirdischen Kerker ein-
zuschliessen suchten.
Bei den Corados oder Coroatos (Meritong and Cobanipaqe)
findet sich keine Regierungsform (bemerkt Eschwege). „Keiner
drängt sich hervor, um über den Andern zu herrschen, Jeder handelt
nach Gutdünken, und bei Streitigkeiten gilt die Gewalt des Stärkeren;
diese betreffen gewöhnlich Liebeshändel, die sich bei ihren Trink-
gelagen anspinnen. Streitigkeiten wegen Mein und Dein sind höchst
selten unter ihnen" (nur bei Kriegen mit den Puris vereinigen sich
alle zu einem Zwecke" unter Blasen^) eines Ochsenhorns).
Die Indianer Paraguays (bemerkt Muratori) leben ohne Gesetz^),
in eigener Freiheit und Verabscheuung der Dienstbarkeit, doch sind
Ve-tha (aus ' dem Stamm der grossen Vuetschi) die Brüder eine Frau gemeinsam (nach
den Hörnern der Mütze).
*) Muratori meint, dass die von den Engländern (XVIII. Jahrhundert) erfundenen
Sprachröhre, bereits den Itatinem bekannt gewesen: Tubis, Tubiisque certa itiflatis ratione,
iia quod volunt, significant, ut et longe audiaritur et perinde, ac si expressis vocibus
lo<iuerentur , intelligantur. Neque tarnen ab iis, qui eorum linguam norunt, quae sigrtifi-
cantur, percipiuntur, nisi apud eos versati sunt (in Paraguay).
*) Innerhalb der menschlichen Gesellschaft bildet (im Kleinen, wie im Grossen) die
Gemeinsamkeit der Interessen das einigende Band, und da sie im nationalen Staat gegeben
ist, werden sich in ihm alle Partheiungen <naturgemäss ausgleichen müssen. Dass in den
durch den Gang der Geschichtsbewegung zusammengewürfelten Reichen oftmals derartige
Incongniitäten durcheinander geworfen werden, das?» dem Volke das Recht der Revolution
gegen despotische Vergewaltigung zuzugestehen bleibt, ist unter verschiedenen Ausdrucks-
weisen anerkannt worden, aber in einem national begründetem Staate, wo allle gesetzlichen
Mittel und Wege der Rechtserlangung geboten sind , ersclieint jede Umsturztendenz als
ein widersuiuiges Wüthen in den eigenen Eingeweiden , und dies ist bereits in der all-
römischen Secessions-Parabel dem heutigen Socialdemocratismus dargelegt. Mutato nomine
de te fabula narratur. l'nd hinsichtlich der Beseitigung der geschmäheten Geistlichen
durch den Massenaustritt (der bald die eigenen Agitatoren in anderen Masken unter-
schieben würde) Hessen sich noch andere Gleichnisse herbeiziehen, um den Weltverbesserern
die Frage vorzulegen , weshalb sie nicht aus ihren eigenen Reihen die als Quäler des
Menschengeschlechts verschrienen Schuster ausstiessen, oder die so vielfach verdächtigten
Bäcker u. A. m. Finden sich Unredliche darunter, so nagele man sie, wenn es sein
nmss, nach türkischer Sitte mit dem Ohr an die Thür, immer besser das, als dass Jeder-
mann sich im eigenen Hause sein Brod backen Hesse, und so die ganze Gemeinde an
Indigestionen zu leiden haben würde, die ihr und dem Staat schwer wieder zu über-
winden sind. Dass Niemand dem Andern in's Handwerk pfuschen soll, wird in solcher
Weite zugegeben , um noch immer gelegentlich mit zunftartigen Einschränkungen zu
liebäugeln, in politischen Räsonnements dagegen meint Jeder pfuschen zu dürfen, ob-
wohl zu deren Beurtheilung ebenfalls erst das Zurücklegen von Lehrjahren berechtigen
dürfte, und das Absolviren eines Cursus, der einem Jeden zwar, ihn zu betreten, offen
650 I'KlESTEkIJCHES TM) STAATSWESEN.
sie durch innere Zwietracht und fremde Kriege „belehrt, unter sich
einige Verbindung zu errichten, und ein Haupt zu erwählen, den sie
Caziken (Befehlshaber oder Hauptmann) nennen, ohne sich doch
ihm ordentlicher Weise zu unterwerfen. Sie halten ihn nur wie
einen Vater oder Vorsteher. Zu diesem Amte pflegen sie den
Tapfersten zu erkaufen, und je grössern Credit er sich in den Kriegen
mit den Nachbarn erwirbt, desto mehr nehmen die ihm untergebenen
Völker in der Zahl zu, so zwar, dass zuweilen ein Cazike ico Fa-
milien unter sich bekömmt. Die Missionarien geben vor, dass unter
diesen Befehlshabern nicht wenige Hexenmeister sein sollen, welche
steht, aber nur dem, der ihn wirklich betreten hat, den Titel eines Meisters zu verleihen
vermaji. Vergleichungcn sind gehässig, lujd Niemand hat das Recht, bei gegenseitiger
Abschätzung gelehrte Studien höher zu stellen, als technische oilcr andere, wohl jedoch
darf für jede Classe das zugehörige Fach als ihr Arbeitsfeld betrachtet werden, und wenn
die Entscheidung flir'das Eine oder Andere, Allen gleich freigestellt i^t , nmss bei be-
rathender Wahl der Hinweis nicht vergessen werden, dass in der weitaus grösseren Mehr-
zahl der Fälle ein reiner und voller Lebensgenuss nicht dem an Pult und Studierlampe
gefesselten Bücherwurm gehört , sondern dem sich körperlicher Gesundheit erfreuenden
Handarbeiter, wenn er sich innerhalb des Erreichbaren hält, und nicht durch Anstrebung
von Genüssen, die schliesslich nur die Gewohnheit zum Bedürfniss macht (und oft genug
zu einem solchen , welches der damit Belastete gerne wie<ler los wäre) , aus grämlicher
Unzufriedenheit mit sich selbst in Zwiespalt geräth. Das nicht Jeder in Reichthum
schwelgen kann, liegt in der Natur der Sache (und da nur Wenige ihn zu benutzen ver-
stehen, ist solche Beschränkung erwünscht genug), dass jedoch die Lage der arbeitenden
Classen (selbst unter den stets ungünstigeren Ausnahmsf^llen grosser Städte) gegenwärtig
eine verhältnissmässig weit vortheilhaftere ist , als früher , das wird Jeder bald ersehen,
der in König, Nicolai u. A. m. die Vergangenheit Berlins durchblättern wollte. Jäunner-
lich würde ihre Lage aber allerdings dann werden , wenn sie , weil ihnen die Herrchen
im Obergeschoss mitunter etwas Belästigung machen, in dem von ihnen bewohnten Untcr-
raume des Staatsgebäudes die Grundpfeiler umzureissen suchten, so dass dann das Ganze,
die Bel-Etage sowohl, wie die armen Dichter und Gelehrten der Dachstuben, auf die Insassen
herabstürzten , und nun die gesammte Clerisei mit einander den Unbilden der Wittenmg
und jedem räuberisch fremden Anfall ausgesetzt wäre, mit Hohn und Spott in den Kauf.
Dass eine gewisse Berechtigung zur Reaction vorliegt, wird Keuier unter denen bestreiten,
die sich durch die sinn- und masslosen Verschwendungen eines übertriebenen Luxus unter
den laufenden Tagesereignissen so oft widerwärtig berührt finden, und dies wird in Hoffnung
eines Abgleichs um so unbedenklicher zugegeben werden können, da bei dem gesunden
Kern , der im Volke steckt , die Auswüchse der Agitation nur der unverständigen (selbst
wenn im Unverstand gutgemeinten) Führung zuzuschreiben sein mögen , so dass es
vielleicht nicht schwer sein dürfte, ein wechselweises Verständniss zum allgemeinen Besten
anzubahnen. In allseitigem Zusammenwirken wird der nationale Staat seine eigene
Blüthe fordern, unter Beseitigung aller (die Majorität schädigenden) Tarticular- Begünsti-
gungen, sei es durch künstliche Arbeitsschaffung in unnütz geldfressenden Bauten, sei es
in den Extremen eines Schutzzollsystems otler in denen des Freihandels, da hier, wie
überall, nicht allgemeine Principien (und am Wenigsten gar die Vrincipien einer politischen
Parthei) entscheiden können, sondern nur die realen Verhältnisse des jedesmaligen Falk>
nachdem sie gründlich mit Sachkenntniss studirt sind.
AUTORITÄT. 661
sich durch heimlich gebrauchte Zauberkünste bei den Ungehorsamen
Furcht zu verschaffen wissen, weil sie sich dieselben durch den
ordentlichen Weg Rechtens nicht zuwege bringen können, sonst
würden sie Gefahr laufen, von ihren Völkern verlassen zu werden,
wenn sie dieselben strafen wollten. Diese geben selbigen einfältigen
Leuten zu verstehen, dass die Tiger und Ungewitter ihren Befehlen
wider diejenigen, die nicht gehorchen wollten, unterworfen wären,
und viele glauben es, da sie sehen, dass diejenigen, denen damit
gedroht worden, sich nach und nach verzehren und sterben, welches
wahrscheinlicher Weise von dem ihnen heimlicher Weise beige-
brachten Gifte ^) herrührt" (die Candidaten wurden mit Thierfett be-
strichen durch geheime Ceremonien im Walde geweiht). Staatsklug-
heit empfahl dann, bei deutlicherer Trennung weltlicher und geist-
licher Functionen die bedenklicheren Operationen den Ausübern der
letztern zu überlassen, die dann, wenn allzu ehrsüchtig, sich im
Culturkampf den Hals brechen mochten, oft genug aber freilich in
der Sancta Simplicitas für ihre Eingriffe, die sie in Peru mit dem
Fluch der Aucaes (s. Sarmiento) gebrandmarkt haben würden, ge-
fügige Helfershelfer und Billigung fanden, denn „mit der Dummheit
kämpfen Götter selbst vergebens". ,,An nescis, mi fili, quantilla
prudentia regatur orbis", wird nicht unpassend in den Mund des
Papstes Julius III. gelegt.
Wie nun einerseits vielfach von den Priestern abhängig, blieb
der König dann auch wieder dem Rathc der Stammesfürsten*) ver-
*) Am Hofe Louis d'üutre-m^re übten der Üisohof von Amiens und der salernitanische
Arzt ihre Künste in gegenseitigen Vcrgfiftungsversuchen.
') Neben dem mexicanischen König stand ein Rath von vier Fürsten, des Tlacoch-
calcatl (Fürst des Pfeilhauses), Tlacatecal (des Menschenniederhauers), Ezuauacatl (des
Blutvergiessers) und Tlillancal<iui (Herr des schwarzen Hauses), und beim Tode des
Königs wurde Einer . derselben zu seinem Nachfolger erwählt (s. Duran). Die Caziken
in Yucatan (Yuca-Tale) hiessen Calachioni (nach Diaz del Castillo). Die vornehmsten
Vasallenfiirsten hatten einen Thcil des Jahres in Mexico (neben dem König) zu residiren
(wie in Yeddo beim Taikun). Die Würde des Shiogun datirt von den Markgrafen, welche
der Mikado Sujin (•[• 30 a. d.) bei der Eintheilung des Reiches gegen die (besonders
durch Yamato-Dake) bekämpften Ainos bestellte. Unter dem Chichimekenkaiser 'l'echotl
in Tezcuco (wo die vornehmsten Vasallenfttrsten wohnen mussten) fanden sich fünf Räthe,
unter Tctlahto fiir die Acolhua, unter Tlami oder Calpixcontli (lir die Finanzen, unter
Yolqui fiir Ceremonien, unter Amechichi für den Hofstand, unter Cohuatl ftir die Kunst-
handwerker. No puede el cacique mandar sino en las cosas de la guerra 6 bien del
pueblo y aun para esto ha de ser primero acordado en el monexico (in Nicaragua). In
Metztitlan (nördlich von Tezcuco) bildeten den Rath des Königs zwei Greise (Te<iuitlatos
genannt), die Recht sprachen und Tribut erhoben (s. de Witt). In Florida beriethen die
Häuptlinge mit den Aeltesten und den Priestern (Jawas) unter dem Trank der Kassinc
652 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
antwortlich, sei es erblich oder gewählt, und dies gliedert sich in
verschiedene Formen, wie bei den Sakima (Sachem oder Sagamo)
der Rothhäute ^) oder sonst.
(s. Dapper). Aehnlich den japanischen Regierungsspiouen (geheimer Polizei) waren in
Peru Aufseher der Familie bestimmt (als Detectives), und so die Censoren (in Rom) oder
(in Athen) die Exegetes. Von den Peruanern, unter denen jetzt die Disharmonie steter
Umwälzungen (im Menschenleben sowohl, wie seiner geologischen Unterlage) zu herrschen
scheint, rühmt Prescott die ,,singular harmony in their empire". Nach dem Princip der
Tendenz zur Stabilität geht die Erde mit Noth wendigkeit demjenigen Zustande entgegen,
in welchem ,, Alles möglichst gut zusammenpasst" (nach Fechner). Lucrez folgt der von
Empedocles aufgestellten Ansicht, ,,nach welcher die gesammte Zweckmässigkeit des AU's
und Insbesondere auch defl Organismen lediglich einen aus der Unendlichkeit des
mechanischen Geschehens sich ergebenden Specialfall ist" (s. A. Lange). Nach Blanqui
ist alles Mögliche auch irgend wann und irgend wo im Universum verwirklicht. Der Ver-
neinung von einer Aussage (dnoif>ctc§g) , als einen Act des denkenden Subjects, stellte
Aristoteles die Beraubung (cnotjctf) gegenüber, ats eine Eigenschaft des Object's (und so
durch das ideale Gesetz gefordert).
*) ,,Die Irokesen, Creeks und Chiktawah's werden von verschiedenen Sachems regiert,
die von den Stämmen und Dorfschaften erwählt werden. Die Chickesaws haben einen
König, und eine Rathsversammlung zu seinem Beystande. Diese Oberhäupter werden
nicht allezeit sehr geehret , und wenn sie sich Gehorsam verschaflFen , so geschieht es,
weil sie wissen, was für Schranken sie ihren Befehlen setzen müssen. Die Eigenschaften,
tlic man von ihnen fordert, sind Glück, Tapferkeit und Uneigenntitzigkeil, und wer diese
vereinigt, kann sich auf einen vollkommenen, jedoch allezeit frey willigen Gehorsam
Rechnung machen. Sie schlagen vielmehr vor, als dass sie befehlen. Die ganze Wahl
und Einführung neuer Oberhäupter besteht in Schmausereyen, die mit Tanzen und Singen
begleitet werden, und das neue Oberhaupt hält allezeit demjenigen eine Lobrede, dessen
Stelle es einnimmt, und rufet seinen Schutzgeist an. Jede Familie wählet einen Rath
zum Beystande des Oberhaupts, ohne dessen Gutachten sie nichts unternimmt. Diese
Räthe haben die Aufsicht über den öffentlichen Schatz und den ersten Rang; die Alten
haben den zweyten, und die Kriegsleute, das ist, alle Mannspersonen, welche im Stande
sind, die Waffen zu tragen, haben den dritten Rang. Bei allen Völkern von der huroni-
schen Sprache haben die Weiber die vornehmste Gewalt; die Mannspersonen aber lassen
ihnen nur den Schatten davon, und selten eröffnen sie ihnen eine Sache von Wichtigkeit,
obgleich alles in ihrem Namen geschiehet und die Häupter nur ihre Verweser sind. In
Angelegenheiten, die die blosse Polizey betreffen, berathschlagen sie sich zuerst über das-
jenige , was im Rath vorgetragen wird , und ihr Gutachten wird von den Häuptern dem
allgemeinen Rath hinlerbracht , welcher aus den Alten besteht. Die Kriegsleute berath-
schlagen sich über das, was zu ihrem Orden gehört, können aber nichts wichtiges für
die Dorfschaft beschliessen. Mit einem Wort, der Rath der Alten fasset den letzten
Entschluss. Die Oberhäupter reden selten und wenig in den Versammlungen, sondern ein
jeder Stamm hat seinen Worlhalter, der allein das Recht hat, in den Rathszusammen-
künften und allgemeinen Versammlungen zu reden, und diese Worthalter reden allezeit
sehr wohl. Sie haben die vortrefflichste Kenntniss von dem Besten derjenigen, die sie
brauchen, nebst einer wundersamen Geschicklichkeit, sie gültig zu machen. Ohngeachtet
diese Leute fast nichts besitzen und keinen Ehrgeiz haben, sich auszubreiten, so haben
die Nationen und Stämme doch immer etwas mit einander auszumachen und pflegen un-
aufhörlich Unterhandlungen. Es sind Verträge zu schliessen oder zu erneuem, Diensl-
crbietungen, Bündnisse, die nian vor hat, Einladungen zum Kriege oder Complimei>ir
wegen des Todes eines Oberhauptes, In dem Innern der Flecken sind die Geschaffte der
LANDESKIRCHE. 653
In den für längere Zeit mit der weltlichen Macht verbleibenden
Priesterfunctionen übt der König die officiellen Ceremonien des
Staats-Cultus, unter Regelung der Jahresfeste (wie der Kaiser in der
chinesischen Reichs-Religion), während die auf dem zweifelhaften^)
Gebiet zwischen schwarzer und weisser Magie spielenden Operationen
bald und gern den Gesellschaften industrieller Hochstapler, die sich,
unter Speculation auf das eindrucksfähig Bildsame der Pychosen in
menschlicher Durchschnittsnatur, dazu drängen, überlassen bleiben.
Wildeo fast nichts, und ihre Streitigkeiten sind leicht zu entscheiden. Die Oberhäupter
bekümmern sich wenig darum, und ordentlicher Weise sind gemeinschaftliche Freunde
oder die nächsten Verwandten die Vermittler. Tödtet ein Wilder einen andern aus seinem
Geschlecht in der Tnmkenheit , so lässt man es dabey bewenden , dass man den Todlen
beklaget. Hat er es mit kaltem Geblütc gethan , so vermuthet man, er habe Ursachen
dazu gehabt, und es kömmt nur den Einwohnern eben der Kabane zu, ihn zu bestrafen;
man sieht aber wenig Beweise davon, dass sie ihn zum Tode verdammen. Die ^meinste
Gewohnheit ist, dass man, zur Schadloshaltung der Familie des Todten, die Stelle durch
einen Kriegsgefangenen ersetzt; wird er angenommen, so trit er in alle Rechte desjenigen,
an dessen Stelle er kömmt. Die Hexereyen sind unter vielen Völkerschaften verhasste
Verbrechen, die auf der Stelle mit dem Tode bestraft werden. Diejenigen, die deswegen
in Verdacht kommen, sind nirgends sicher und werden verbrannt. Diejerfigen, welche
ihre Familie durch Zaghaftigkeit venmehren , werden ebenso bestraft , und gemeiniglich
richtet sie die Familie selbst. Bey den Iluronen, die sehr geneigt und geschickt zum
Stehlen sind , ist es erlaubt , dem Diebe nicht allein alles abzunehmen , was er gestohlen
hat, sondern auch alles, was man in seiner Hütte fmdet, so dass man ihn, seine Frau
und Kinder ganz nackend lassen kann, ohne dass sie den geringsten Widerstand thun
dürfen" (s. Baumgarten). The main object of the ribbon orden (in Irland) was to prevent
any landlord, under any circumstance whatever, from depriving a tenant of his land
(s. Trench). Die berechtigten Bestrebungen der Democratie verlaufen dann leicht in die
Parekbase der Ochlokratie (wie die der Aristokratie in die Oligocratie). Die Repulsion (des
Selbsthcwusstsein) muss (nach Hegel) in eine solche Beziehung umschlagen, in welcher
sie sich nach ihrer identischen Natur gegen einander verlialten, oder als die ,,atlrahirenden
Eins" sind. Dies ist der tiefere Grund für alle Gemeinschaften denkender oder selbst-
bewusster Wesen, wie sie im Staat, in der Kirche und anderen Verbänden sich gebildet
hal)en (s. Schwarz). Die utilitarische Erklärung des Staates ist diejenige, welche der
positive Denker vertritt. Die Menschen, behauptet er., fanden in dem Kampfe des Dasein's
heraus, dass ein geordnetes Zusammenleben das sicherste Mittel zu ihrer Selbsterhallinig
sei und in dieser Erkenntniss legten sie die Waffen, mit denen sie einander bekämpft
hatten, nieder und bildeten den Staat (s, Rottenburg). In der positiven Staatstheorie ,,sind
es zwei Factoren , vcm denen das geordnete Zusammenleben der Menschen abhängig ist,
nämlich die Verhältnisse , unter denen sich der Kampf des Daseins abspielt , und die
intellectuellen Fähigkeiten, mit denen die Menschen diesen Verhältnissen gegenüber
treten. Beide Werthe sind berechenbar."
') Ehe die Trennung eingetreten ist, bleibt auch die Gefahr, wie die Häuptlinge
am obem Nil , denen die Kraft des Regenmachens beiwohnt , ihr Unvermögeu selbst mit
dem Tode zu zahlen haben , während sie später diese Strafe über die ungeechickten
Zauberer aussprechen können , und so selbst gesichert bleiben. Bei den Chiquitos liegt
den Häuptlingen noch das Saugen der Kranken ob, was dann den Functionen der Aerzte
\ erbleibt, welche das damit verknüpfte Risico zu tmgen haben.
654 PRIESTERUCriES UNI) STAATSWESEN.
Während sich mitunter der Mitregent schon bei Lebzeiten eingesetzt
zeigte, so findet, wie auf den Palau-Inseln, auch mitunter in America,
ein graduelles Aufrücken*) bis zur Königswürde ^) statt. Bei der
Erweiterung zur grösseren Einheit in nationaler Verbindung trat
die Bedeutung der einzelnen Häuptlinge vor dem Rathe der Könige
selbst zurück, so dass sich diese auch gegenseitig') auf ihren Thronen
') In Mechoakan setzte der König oder Cacgoltzin (in seinem Alter) schon bei Leb-
zeiten den Sohn, der ihm zu folgen hatte, ab Miiregenten ein (s. Torquemada). Neben
dem erblichen Häuptling wurde in Yucatan ein dreijähriger (Nacon genannt) erwählt, der
während der Zeit seiner Regierung weder mit Frauen schlafen noch Fleisch essen durfte
(s. Landa). In Turkestan wurden^ am Neujahr die Tugenden und Laster der Akimbek
(Ortsvorsteher) von den Achun abgewogen, und bei Mehrzahl der letzteren vom Volk das
Todesurtheil ausgesprochen (s. Timkowski).
') la Matlatzinco fanden sich drei Häuptlinge übereinander, der Tlatuan oder Tlato-
bani (als der Höchste), der Tlacuxcalcale und der Tlacatecatle , die sich (beim Tode)
nach einander in der Reihenfolge ersetzten, anfrilckend (s. Zurita). Bei den Matalcingos
folgte auf den ersten Herrn (Tlatuan), der zweite (Tlacatecatl), und auf diesen der dritte
(Tlacuxcalcatl), bei dessen Tode dann wieder aus den Söhnen und Brüdern des Ersteren
ein würdiger Nachfolger erwählt wurde (s. Herrera). Bei niederen Rechtssachen wurde
der zweite oder dritte, bei bedeutenden der erste Fürst befragt (s. Herrera). Die Mal-
latzingo (mit der Hauptstadt Toluca oder Tollocan) wurden von drei Fürsten beherrscht,
riatoane (el superior), Tlacatecatl und Tlacacaxcatl. Quando.el primer nombrado faltabo
era reemplazado por el segundo y a su vez el segundo por el tercero (s. Manuel Payno).
In Utatlan fanden sich drei Herren, der höchste mit 3, der nächste mit 2, der letzte mit
I Mantel, und bei der Nachfolge rückten sie auf, unter Zufiigung eines Mantels (s. Herrera).
In Utatlan fanden sich drei Häuptlinge, der erste unter drei, der zweite unter zwei, der
dritte unter einem Schirm (sagt Zurita). El Seüor de Chiapa lo havia de ser primero de
otro estado menor, y alli le probaban si era suficiente para governar (s. Herrera). Budo-
mel (s. Peschel) ist ,, Titel", wie Rex Regum, oder Shah-in-Shah , denn Damel hiessen
(in Cayor) die Häuptlinge und Bur oder Bu bedeutet König". Die Serchule oder Serra-
kolet (als Eingebome des Ghanata-Reichs mit der Kadjaga-Sprache) wurden von den (vor
der Eroberung herrschenden) Meliiki (Freien) oder Mandingo (Melli's) als Ssuaninki
(Unterdrückte) oder Assuaneck bezeichnet.
') In dem Bunde von Tezcuco, Mexico und Tlacopan erwählten beim Tode eines
Fürsten die andern beiden den Nachfolger. Durch Ixcoatl wurden ChurfÜrsten eingesetzt,
welche mit Berathung der Krieger von Tezcuco und Tacuba den König von Mexico zu
wählen haben (der besonders für seine Tüchtigkeit zum Krieg, und deshalb meist jung,
erhoben wurde. Die Krönung (nachdem eine erste Schlacht gewonnen war) wurde durch
den König von Tezcuco vollzogen. Im hohen Rath der mexicanischen Könige bildeten
den ersten Rang die vier ChurfÜrsten oder Atlacohecalcatl (Herr der Wurflanzen), dann
folgte der Tlacatecatl (Menschenspalter), femer der Esuahuacatl (Blutvergiesser) und
ausserdem waren von den beim Gottesdienst schwarz bemalten Priestern die Tlillancalqui
(Herrn vom schwarzen Hause) benannt. Der über die Chunupis herrschende Häuptling
aus dem .Stamm der Malvala, ist dem gemeinsamen Oberhaupt der Chunupis, Sinipes und
Malvala (am Rio Vermejo) unterworfen. Jeder der drei Stämme (Schildkröte , Wolf und
Truthalm) hat bei den Delawaren seinen Häuptling, der von den andern beiden Häupt-
lingen gewählt wird und der Häuptling der Unami (Schildkröte) ist der vornehmste
(s. Loskiel). Die südlichen Galla bei Takaimgu (nördlich von Osi) sind in sieben Stämme
RANGSTUFEN. 655
einsetzen oder* bestätigen mochten (vielleicht unter Mitwirkung von
Kurfürsten).
War der königliche TiteP) dauernd gegeben, oder bei bestimm-
ten Gelegenheiten angenommen worden, so folgte leicht fernere
Verschiebung auf der Stufenleiter der Würdenträger^) und diente die
Verleihung neuer Ehren zu Belohnungen und Rangerhöhung, in
getheilt , unter 4 Oberhäuptern , 2 alle 7 Jahre neu zu wählende Hein und 2 diesen mit-
zugebenden Möra (s. Krapf). Bei wichtigen Angelegenhetten beruft der Häuptling der
Kaffer (Ainaxosa und Amatenibus) die Amapakati (Rathgeber) zur Versammlung, wogegen
Mosheshe bei den Basutu und Tshaka bei den Amazulu fast absolut herrschte. Bei Unter-
drückung einer Empörung (in Unyamwesi) wird der Nachfolger des abgesetzten Ftirsten
stets aus dessen Familie von dem Könige ausgewählt, da die Manen der verstorbenen
Häuptlinge erztimt werden würden, wenn sich Jemand, der 'weder mit der herrschenden
Familie noch mit der der Waniamalongas in irgend einer verwandtschaftlicher Beziehung
steht, Herrscherrechte anmassen sollte.
') Ahau war Titel der Fürsten bei den Mayas (und Quiche) als König. Nach dem
Popol Vuh beginnt der königliche Titel der Ahau mit Balam Conache, der auf Qocavib
(Nachfolger des Balam Quitz^ aus dem Hause Cavek) folgt. Der König der Azteken in
Mexico führte den Titel Culhua Tecuhtli (als Tlataoni , Wortführer oder Sprecher) neben
dem König von Tezcuco (Chichimecatl Tecuhtli) und dem König der Tepanecen in
TIacopan (Tepaneca Tecuhtli). Nauhyotl (aus den Chichimeken-Culhuas) erhielt bei der
^ Königswahl durch die Tolteken den Titel Topiltzin und Tlatoani (in Teotihuacan).
lopiltzin war Königlicher Titel bei den Tolreken (im Priesterorden bei den Mexicanem).
Während Xuihquetzaltzin mit dem Titel Culhua Tecuhtli Quanex (el cabellero Culhua que
es cabeza) in Tepeticpac heri sehte, als Sohn des Chichimekenkönig Tlotzin Pochotl wurde
das Fürstenthum Tlascalla für ihn gegründet. Bei der Weihe des Tempels in Coatlan
erhielt Montezuma den Titel Zemanazuaca Tlaltoani oder Kaiser der Welt (s. Tezozomoc).
Nach Besiegung der Mizteken von Tlachquiauhco liess sich Montezuma als Zemanahuaca
Tlatoani (Beherrscher der Welt) proclamiren (s. Tezozomoc). Weder das griechische
iißactXivc*', noch das lateinische ,,rex" enthalten eine Beziehung auf das Geschlecht oder
die Erblichkeit des Königthums. Rex ist Richter, ßttahXivg scheint mehr die priesterliche
Würde anzudeuten , keins aber giebt deu Smn von unsrem König (Kuuing) vollständig
wieder (bemerkt Arnold). Powhattan (Ottaniak oder Mamanatowick) führte (in Virginien)
den Titel Wahunsenacawh (s. Strachey).
') Der älteste Sohn des Königs (in Mexico) hiess Tlatopilzintli, die Prinzen Tlatoque,
die erblichen Edlen Tlatoani (im Allgemeinen), neben den über Vasallen gebietenden
Tlacohua unter den Adligen oder Pilli. Die Grundbesitzer hiessen Tlaquihua, und Axcahua
war ein durch Keichthum Ausgezeichneter. Die unter Ahuitzotl begünstigten Kaufleute
wurden durch Montezuma II. unterdrückt , wie er auch die Gemeinen von den nur für
Adlige bewahrten Aemtern entfernte. Die Würde des Tecuhtli (Ritter) Vurde im Tempel
des Camaxtli Übertragen (nach Durchbohrung der Nasenscheide). Die Fürsten (wie gesagt
wird) hiessen Tlatoques (tlatoa oder reden). Die Würde des Tec-Tecutzin oder Teutley war
auf Lebenszeit (nicht erblich) im Teccalli (Haus des Herrn oder Tecutli), den Landbau beauf-
sichtigend. Die Calpullec (Chinancallec im Plural) vertheiltcn im Calpulli (Quartier) die
Gemeindegüter (s. Zurita). Neben den Pipiltzin oder Edlen (Tlatopipilzin wenn aus
fürstlichem Geblüt) fanden sich die Tecquivac oder Vornehmen (in Mexico). Der Erb-
prinz in Tlascala , Huetzocinco und Chololan erhielt den vorläufigen Titel Tecuitli oder
Tecle (9. Zurita).
656 PRTESTERLTCHES UNI) STAATSWESEN.
welcher dann noch Spielraum zu Abstufungen war, unter mannig-
fachen Namensformen ^), besonders bei den stets unter ähnlich gege-
benen Bedingungen') der Eroberung in der einen oder anderen
Form wiederkehrenden Fcudalverhältnissen und dem daran Ange-
schlossenen. Dadurch erhielten die persönlichen Beziehungen*) ihre
(bis zum Hofadel fortgehende) Kräftigung, welche durch vielstimmiges
Mitsprechen in der Geschichte einen durchgehenden Unterschied von
apatischen Despotenstaaten (und dem directen Anrecht auf das Land)
markirt.
Das Fürstenhaus der Tshou (aus dem Wu-wang den Kaiserthron
*) In wichtigen Fällen holen sich die Stämme der Kaffer durch eine Gesandtschaft
die Entscheidung des Ukumkani, as the paramount chief is designated (s. Maclean), und
so ähnlich in der alten Geschichte Guatemala's in der Gesandtschaft an den (mythisch
zurücktretenden) Tolteken-Kaiser. Aehnlich warf der von den Portugiesen als Kaiser be-
zeichnete Herr von Congo noch lange seinen Schatten auf die nördliche Küste (und im
Osten schwankte sein Gegenl)ild). Nachdem Mohtecuzohma , Hoherpriester des Huitzi-
lopochtli , den Thron Mexico's bestiegen, machte er sich zum Alleinherrscher, indem er
Tezcuco die Gleichberechtigung bestritt, die es früher mit Tlacopan besessen. Die Mursc
oder Dorfhäuptlinge (in Daghestan) wählen den Schemkai als Oberherm. Die Stämme
(hvi) der Maori zerfallen in l'nterabtheilungen. Die verschiedenen Dorfhäuptlinge oder
I )upaUy in einem Flussgebiet (bei den Redjang) wählen als Oberherm die Proattihn, und
über verschiedene Proattihn steht durch Wahl der Pangeran (s. Marsden). Die Uluss
(unter den Noyon), in Aimak zerfallend, stehen (bei den Kalmükken) unter dem Saissang
(s. Pallas). Die aus Stanimesabtheilungen (bei den Afghanen) gebildete Dschirgha der
('piuzchrah (Weissbärte) bestellt aus den einzelnen Familienhäuptcm, die der .Muschir aus
<lcn einzelnen Cpinzehrah , die der Malik aus den Muschir , die Chans aus den verschie-
denen Muschir. Die Häuptlinge der Dörfer stehen (bei den Manganja) unter einem
Rondo oder Runde (s. Livingstone). Die Bewohner einer Hauptgasse und der dazu
gerechneten Nebengassen nannten sich sämmtlich Nachbarn (in Einbeck) und hatten
Schaffner genannte Vorsteher (s. Harland).
') Das nationale Leben erzeugt in unmittelbarer Wechselwirkung die mitsprechenden
wirthschaftlichen und rechtlichen Institute, und beide gehen gemeinschaftlich und Hand
in Hand aus den von der Natur gegebenen äusseren Bedingungen, wie aus dem inneren
geistlichen und sittlichen Character des Volkes hervor (s. W. Arnold). The subjugated
iribes about lake Ngami (Bayeye, Makobe etc.) are honest, because their would be no
use in stealing (s. Wood) conmpletely cowed (so enslaved, that they cannot even con-
ceive the notion of possessing property, knowing that their oppressors would take by
force any article ihey happened tu covei).
•) Es lässt sich , da Fylki ursprünglich eine gewisse Anzahl Kriegsvolk bedeutet,
schliessen, dass die norwegischen Könige ihre Reiche deshalb in Fylki theilten, um leichter
zu bestimmen , wie viel jede Landschaft Krieger stellen sollte (s. F. Wächter). Zu
Fylkis - Konungr , König eines Fyli oder Gaukönig, macht den Gegensatz Thio<ih-
Konungr" (genti universae imperans). 11 ne faul pas transporter aux VI et VIT si^cles la
föodalite du XIII, rien de semblable n'exislait, le desordre des propriet^s et des relations
personnelles ötait infiniment plus grand, ccpendant toutes choses concourraient d'une pari
ä ce que la proprietö se lixot , de l'autre , a ce que la socii^td des proprietaires sc con-
stituÄt suivant une certaine hi^rarchie (s. Ciuizot).
RANG. 657
bestieg) am obern Wei (in Pin), erhob (während seiner Unabhängig-
keit unter der früheren Dynastie) Tribut von den Handelswaaren
der Chinesen zu den Barbarenvölkern (anfangs als Markgrafen).
Das Erbland wurde dann von Kaiser Fing dem Hsiang (zum Schutz
gegen die Ktian-djung) zum Lehne gegeben (als Fürstenthum Tshin)
770 a. d. (worauf ein Theil der grossen Mauer gegen die Hu erbaut
wurde). Die sogenannten Tribute bezogen sich mehr auf den Aus-
tausch von Geschenken*) (s. v. Richthofen), wobei die Handelsbilanz
zu Gunsten des producirenden China ausfallen musste.
Weit verbreitet (in Mexico, in Dabeyba, bei Chibchas und Peru-
anern) zeigte sich die Sitte, dass die im Rang Erhabenen nicht die
Erde (obwohl rein gefegt) berühren durften, und wie die polynesischen
Häuptlinge werden birmanische Fürsten auf dem Rücken 2) getragen,
während sich sonst Sänften') finden, bis zum Gebrauch der Wagen
und Reitthiere.
Im königlichen Ceremoniell *) musste der zur Audienz bei Mon-
tezuma Zugelassene in schlechter (oder einfacher) Tracht (ohne
Schmuck) erscheinen (s. Bemal Diaz), während der König Mecho-
acan's*) in abgerissener Kleidung (und Schuhen) seine Aufwartung
machte (vielleicht aus Verehrung der Teules). Das Mahl Monte-
zuma's wurde hinter einem Schirm abgehalten (wie auch die afrika-
>) Die Geschenke bringenden Yiie-shong-shi (die nach Süden reisend, Wagen zur
Rückkehr erhielten und sich in Funan oder Lini einschifften) kamen (nach Pauthier) aus
Chaldaea oder Assyrien (11 10 a. d.). Nach Pauthier kam Kaiser Mu-wang (der Thsou-
Dynastie) auf seinem Kriegszug bis Persien, wo Dshemshid sich mit einer Tochter des
Königs Mahang von Matshin vermählte.
*) Der Cazike Dulchanchelin , mit gemalten Fellen bekleidet, wurde (in Apalachien)
Iluckeback getragen (zu Narvaez' Zeit). Die Könige der Caraiben, die in die Oubaobanum
(der Inseln) und Botouebonum (des Festlandes) zerfielen, wurde von den Abouyou ge-
nannten Häuptlingen auf den Schultern getragen (s. Raymond).
') Als Cacamatzin, Fürst Tezcuco's vor Cortez (als Abgesandter Montezuma's) erschien,
wurde bei seinem Verlassen der Sänfte der Boden rein gefegt.
*) Vor einer Audienz bei Montezuma umhüllten sich die Vornehmen mit einem
groben Gewand (s. Motolinia). Bei der .Begrüssung (in Chicora) ,,ponen las manos en las
narices , chiflan y pasanlas por la frente al colodrillo" , (während der König über die
linke Schulter blickt). Dem Fürsten Budomal am Senegal durfte man sich nicht anders
nähern, quam nudo corpore, verendis tantum corio tectis, humi reptans, ac harena asper-
sus totus (s. Cadamosto).
*) Da sein Name (Cazontli) der Beschuhte bedeutet, so mag er vor den Höflingen
des mexicanischen Hofes wegen seiner (in ihren Augen) arroganten Prätensionen vor dem
Herrscher mit Schuhen zu erscheinen gegeben sein, wobei dann durch den Zusatz der
Zerrissenheit für die Schuhe die Wahrung gleichberechtigter Würde, die in dem Acte selbst
lag, verwischt werden sollte. Die einfache Kleidung, die den Spaniern auffiel, deutet
auf die mönchische Lebensart des Hofes in Mechoacan (nach buddhistischen Vorbildern),
Bastian: America. I. ^
658 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
nischen Königlein sich beim Essen und Trinken bedecken lassen), und
nach demselben wurde aus Giesskannen (Xicales) Wasser über
die Hände gegossen. Die zur Belustigung*) dienenden Buckligen
wurden (nach Motolinia) in der Kindheit zu solchen gemacht und
dienten als Eunuchen.
Bei Krankheit des Königs, als nationaler Calamität, wurden den
Göttern Tezcatlipuca und Huitzilopochtli Masken vorgelegt (s. Go-
mara). Oft tritt jene Körperfülle*) hervor, die auf den polynesischen
Inseln die Atua den (buddhistischen) Göttern annähert, in Mexico
sowohl wie bei den Chibchas.
Der Wille des Königs, durch sein Siegel*) kundgegeben, galt
fiir absolut^) und ebenso, wie bei den Häuptlingen Polynesiens, das
Eigenthumsrecht^), das sich indess in weiterer Ausdehnung meist
nur (wie in Africa) fiir die Frauen^) geltend machte, und ausserdem
vielleicht fiir einzelne Privilegien^), so fiir das Material der Feder-
kleider (wie auf Hawaii).
In den Institutionen der Gesellschaft erkennen sich aus den durch
die sociale Natur der Menschen*) bestimmten F'actoren unter local
bedingten Einwirkungen die gesetzlich nothwendigen Resultate, welche
überall in ähnlichen Formwandlungen spielen und in den zur Ge-
winnung von Gleichungen unter festen Normen verschiebbaren Diffe-
renzen den ersten Ansatz zur Total-Berechnung gewähren werden.
Was wir bei den Culturvölkern der sog. Weltgeschichte in seiner
*) Im Vogelhaus (Montezuma's) fanden sich hombres y mugeres todos blancos, cueqjo
e cabello e cejas (s. Tapia).
') Der Cazike von Sempoalla erwartete Cortcz wegen seiner * Corpulenz in der
Ortschaft.
■) Montezuma trug eine kleine Steinfigur an seinem Ann als Siegel , das er den
Boten zur Ausführung seiner Befehle mitgab (bei Qualpopoca's Verhaftung). Das von
Montezuma persönlich an Cortez überbrachte Geschenk bestand in zwei Hummer- Hals-
bändern aus rothen Muschelschalen, die sehr hoch gehalten wurden (s. Koppe). Die
Fürsten von Nicaragua waren von Vasallen (galpones) bedient.
*) Montezuma befahl einen Habicht, der ihm seines Gefieders wegen gefallen hatte,
zu fangen, und erhielt ihn denselben Abend. Ohne Atahualpa's Willen würden in Peni
nicht die Vögel die Luft durchfliegen (hörten die Spanier).
') Angas forderte den neuseeländischen Häuptling umsonst auf, während des Regens
in ein Haus zu treten, da dies dadurch sein Eigenthum geworden sein würde.
*) Powhattan vertheilte von seinen Frauen unter die Häuptlinge oder Weroance
(in Virginien), wie in Dahomey geschieht.
^) Die blauschwarzen Vögel am See von Vilcanota wurden fiir den Inca gefangen
(s. Skinner). Nach Herrera mussten die zu Federkleidem benutzten Vögel in Vera-Paz
dem Könige Mexico's abgeliefert werden.
*) (tyS-qtanog qvoH 7f oltnxoy Cwoy (s, Aristoteles).
WILDE. 659
höchsten Entwicklungsblüthe erblicken, in einer immer noch auf-
steigenden und zugleich unsere eigene Nationalität absorbirenden
Spirale, das bietet sich bei ethnologischem Ueberblicke in hundert-
und tausendfachen Kreisungen, die gerade wegen ihres kürzern, und
oft bereits vollendeten, Laufes desto geeignetere Beobachtungs-
objecte für die Vergleichung abgeben, und bei ihrer Durchsichtig-
keit um so leichter die Anknüpfung des Fadens erlauben werden, der
bei der Einheit des Wachsthumsgesetzes dann auch in den Laby-
rinthen höherer Complicationen zum leitenden dienen mag.
Die Geschichte (der culturlosen Menschenmassen am Marafton)
„ist ein immer wiederkehrender Metasqhematismus, ein Umguss des-
selben Menschenstoffes*) in neuen Formen, denen ähnlich, welche
schon oft dagewesen", bemerkt von Martius, und in der geschicht-
lichen Bewegung war dann die Bahn fortschreitender Entwicklung
betreten.
In den classischen Naturvölkern haben wir prächtig angeschossene
Kristalle hoher Entwicklung vor uns, die in ihren Winkelrichtungen
und Achsenneigungen genau zu messen, auf ihr Brechungsvermögen,
dem Verhalten zum Magnetismus oder Electricität zu prüfen, und
dann als Musterstücke in der Geschichtssammlung aufzustellen sind. In
den Naturvölkern dagegen gährt die Mutterlauge eines werdenden
Processes der Menschengesellschaft im statu nascenti, und die ethno-
logische Beobachtung, die noch nicht den Ablauf zu übersehen ver-
mag, hat sich bis soweit nur beobachtend zu verhalten, jede einzelne
Erscheinung, die Bewegungen in der Flüssigkeit, die Farbenänderun-
gen, ein Lichtauf bHtzen , streifiges Zusammenschiessen u. s. w. zu
notiren und in den Aufzeichnungen für fernere Vergleichungen und
Ueberlegungen zu bewahren,
i 1^ Der in der Natur gegebene Kern des socialen*) Verbandes, der
>) Wie bei den Canoeiros auf dem Tocantin, wiederholte es sich bei den Küsten-
Indiiuiern (Brasilien' s], dass ,,eine aus den verschiedenartigsten Horden und Stämmen zu-
sammenfliesseude Menschenmasse als eine genetisch zusammengehörende Gemeinschaft,
als ein Stamm oder ein Volk betrachtet wurde, weil sie in ihrer Lebensweise überein-
stimmte (s. Martius). Cuanto menos numerosas son las tribus, tanto mas tienden los
matrimonios entre las familias, repetidos por muchos siglos, a fijar cierta igualdad de
conformacion y un cierto prototipo organico, que puede Ilamarse nacional, asi es que para
designar los individuos que pertenecen a una misma tribu, emplean las palabras ,,mis
parientes" (s. Codazzi) bei den Indios del Caqueta (in Colombien).
*) Der älteste Staat ist die Familie. Von ihr geht alle menschliche Ordnung aus.
Wie sie die engste Opfergemeinschaft und bei den christlichen Völkern selbst Kirche im
Kleinen ist, wie sie die Quelle der Arbeitsthcilung und wirthschaftlichen Ordnung ist, so
42*
660 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
sich vom Stamm zum Staat entwickelt, liegt in der Familie*), die
(in Hellas) auch nach der Verzweigung in zeitliche Ausläufer mit
dem directen Stammbaum der Ascendenz und Descendenz durch
Einigung der ardgeg oder Familienoberhäupter beim Fest der
Amphidromie verknüpft blieb, und dann, unter Zusammenfassung
verschiedener ncevQtai, in der — mit dem Zutritt nicht verwandter
yew^at zu den fSvyYSViXg (oder Sgyeävsg zu den öfwydlaxreg) vollzoge-
nen — Erweiterung zum ycvog in die (fqcnqia {(CfQotqai oder ^fitqai)
eintrat, eine Unterabtheilung der Phyle*) (die bei der politischen
Fortbildung') zum Demos ihren ursprünglichen Character verlor, wie
die gens in Beziehung zu Tribus und Curia), und die nctt^)a Ugd
nahmen so ihre Ausdehnung zum Cult des Eponymen (in dem q^^atQtop)
der (wenn er die ganze Phyle betraf), zum Unterhalt der Capelle
einen Landbezirk (tefjbivii) angewiesen, und seinen Priester bestellt
erhielt.
Während nun im Geschlecht*) noch das Väterliche, in der Phratrie^)
enthält sie in ihrem Schooss zugleich Recht und Staat in ungetrennter Einheit beisammen
(s. W. Arnold). Das Einwirken der Menschen auf einander, soweit es Gegenstand des
Rechts ist, überzieht alle Menschen gewissermassen mit einem Netz von Beziehungen,
dessen unzählige Fäden von Person zu Person laufen und dieselben zu einem Ganzen,
zur allgemeinen menschlichen Gesellschaft verbinden (s. P. Müller). Die Völker mögen
sich sonst, selbst auf wirthschaftlichem Gebiete des Besitzes und der Arbeit unterscheiden,
wie sie wollen , für ihre eigentliche wirthschaftliche Kraft und Entwicklung bleibt zuletzt
doch nur das Eine maassgebend, ob und in wie weit sie fähig und kräftig genug sind,
individuell den harten Kampf aufzunehmen, aus dem durch Fleiss und Sparsamkeit einzig
und allein das individuelle Capital hervorgehen kann (s. L. v. Stein).
*) Die römische Familie (von famulus) begriff die Kinder, als Sclaven des Hauptes,
und der emancipirte Sohn, der aus der Dienstbarkeit ausgetreten war, verlor deshalb sein
Erbrecht, wie auch die Cognati (quasi una communiter nati) als solche noch keine Be-
rechtigung xur Familie besassen. Nach dem Recht des Stärkeren herrscht in der brasili-
schen Horde der Vater, wie über seine Frauen, auch über seinen Sohn, bis dieser auf-
gewachsen, und jetzt an Kraft dem Greise überlegen, die Herrschaft an sich reisst.
') Die Rhodier (des Tlepolemos) wohnten dreigetheilt nach Phylen {xicm<pvlad6y)t
in Lindos , Jalysos und Kameiros. Die y§yt9toi (als alt-attische ipvXio) wurden von den
uUoytH (yi^oyug) onXSjrH, i^ayadus und aiyucoQttg gebildet.
•) Die zu gleichem Frieden 'oder Familie (Hausfrieden) Gehörigen heissen (bei den
Angelsachsen) Geggyldan, als gleichen Cult's (s. Koutorga). Dans le Bigorre, les habi-
tants jouissant des droits municipaux s'appelaient les voisins, leur r^union formait la com-
raunaute, la Veziau (s. Babeau).
*) Die Geschichte des Verfassungsrechts lässt sich in die Entwicklungsperioden
der friedens - genossenschaftlichen und der staatlichen Periode eintheilen. ,|Die erste
zerflült häufig wieder in eine geschlechts - genossenschaftliche und eine gaugenossen-
schaftliche, bisweilen geht die geschlechts-genossenschaftliche Organisation direct in die
staatliche über. Die Friedensgenosseuschaften sind kleine Trutz- und Schutzgenossen-
schaften, in welchen die Mitglieder sich gegenseitig lieben und Gut verbürgen. Alles
KASTEN. 661
das im weiteren Sinne Verbrüderte hervortrat, fängt bei der Phyle*)
die Rücksichtnahme auf die Familie an, verloren zu gehen, und in-
dem sie, wie es heisst, nach den ß^ot (Lebensberufen) genannt sei,
fanden sich demgemäss auch die Erklärungen: der yeXeopvfg (bei
Plutarch) als ysoagyoij der Hopletes als Krieger, der Aegikoreis als
Ziegenhirten und der Argadeis als Arbeiter.
Neben diesen (nach der Tradition) durch Ion*), Sohn des Xuthus
(Sohn des Erechtheus) eingeführten Kasten') zerfielen sie nun aber (bei
Theseus' Einrichtung des Gerichtshofes im Prytaneum) in drei Sdv/j,
nämlich die ednatQ^dai (mit (fvXoßaCtXshg), ycatftOQOt und d^fAtovgyotj und
Recht liegt hier in dem gegenseitig gewährleisteten Frieden , wer nicht in diesen einge-
schlossen ist, ist gänzlich schutzlos und kann von Jedem erschlagen werden. Der Unfreie,
Fremde und Geächtete stehen in dieser Beziehung auf einer Stufe. Die geschlechts-genossen-
Schaft liehe Organisation beruht auf der Geroeinsamkeit des Blutes, die gau-genossen-
schaftliche auf dem gemeinsamen Bewohnen eines Bezirkes" (s. Post). Bei den Guaycurus
,, sieht man jeden Familienvater als die Hauptperson an, und so unabhängig auch ihre
Autorität ist, so bedienen sie sich doch derselben mit Mässigung; die Nothwendigkeit,
sich bei häuslichen Arbeiten einander beizustehen, macht sie gegen ihre Untergebenen
nicht hochmüthig, sie betragen sich aber mit Ernst, wie Krieger" (s. Prado). Beim Aus-
zug in den Krieg wird (wenn im Alter, um die Waffen zu (Uhren) der jüngste der Häupt-
linge gewählt, von den altem, als Rathgeber begleitet (und verlangend, dass jeder seiner
Mutter oder Pflegemutter huldige [Africa]). In Schweden fanden sich neben der Kirche
Waffenhäuser (Vaabenhuss), wo die Waffen während des Gottesdienstes niedergelegt
werden (wie solche bei den Suionen erwähnt werden).
^) VQ^f^Q (Theilnehmer an einer ff^cev^ta unter den (f^atq^ok ^«o»)i Sanskrt. bhWltd,
Lat. frater, Goth. bröthar, ,,von W. t^tq im Sinne von sustentare, nutrire, woher skrt.
bhar-tr., maritus" (s. Curtius). Seit den Reformen des Klisthenes blieben die Phratricn als
kirchliche Corporationen fortbestehend, um die ehelich gebomen Bttrgerkinder einzutragen
(s. Schömann).
*) Neben den Phratrien fanden sich in der Phyle die tqtnvH zusammen mit den
Naokrarien.
•) Jon theilte in vier Phylen, thu tig riüftaqag (s. Strabo).
') Die Osagen theilen sich in die Krieger und Jäger, sowie in Zauberärzte und
Köche, die zugleich als Herolde agiren (s. Pike). In der Hauptsache war Jeder activ,
als Jäger oder Krieger (ausser dem dämonisch berufenen Priester) , und auch die Köche
bildeten einen wichtigen Stand, wie unter den Suthnautar oder Siedgenossen in Gothland,
bei der Einigimg des Stammes durch gemeinsame Mahlzeit wie in Sparta. Wie in Sparta
die Beschäftigung der Herolde, Flötenspieler, Köche eine erbliche war, so vererbten sich
die medicinischen Kenntnisse in den Familien auf Knidos, Epidauros, Lebedos und Kos, oder
die Kunstfertigkeit, der Plastik in dem Geschlecht der Dädaliden Athens (s. Büchsenschütz).
Neben den Adligen oder Achimensey wurden unter dem Volk (auf Tenerif ) die Cilhici-
quico (oder Landleute) und Achicamay (oder Diener) unterschieden (s. Glas). Mariner
unterscheidet (auf Tonga) die den Matabooles, Mooas und Tovas eigenthümlichen Be-
schäftigungen. Bei den Guaycurus werden drei Stände unterschieden, die Abkömmlinge
früherer Häuptlinge , die Krieger mit ihren Familien und die Sclaven sowie deren Nach-
kommen. In Indien gehören der Kasten Vorschriften wegen die Köche meist den Brah-
manen an.
662 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
indem im Fortschritt der Gesittung die Hirten zu Ackerbauern, die
Tagelöhner zu Handwerkern geworden sein könnten, hätten dann
die Eupatriden^) neben den Hopliten auch die Geleontes einzube-
greifen, also in solchem Falle wohl die Gerontes, jene Rathsver-
sammlung oder ßovXfj bildend, in welcher neben den als d$otQ€q>€€g
oder d^oyevteg verehrten Königen*) die Adelshäupter als ßaa^X^eq ihren
Sitz nahmen.
Als in Hellas diese Gottesgeschlechter, ebenso wie in Mexico
die der alten Teotl, vor dem Sonnenlicht der Geschichte verschwun-
den waren, dann wurde der Rath (ßovXfj) des (noch immer mit den
Opferbräuchen betrauten) Basileus (zu welchem Priesterkönig der
auch in Africa die Elemente beherrschende oder die Welt erhaltende
Königsgott herabgemildert war) von den dqxovteg rov yeyovg (den
(fgatQtdgxoi^ und (pvXoßatStXeXg) gebildet, und diese gehörten den
(adligen) Eupatriden') an, welchen das Volk gegenüberstand in seinen
Abtheilungen, als Geomoren oder Epigeomoren (Landbesitzer) und
Demiurgen ^Handarbeiter).
Es würde also erst später, in dem angedeuteten Zeitraum, aus
politisch ersichtlichen Ursachen, in den — die durch das Fest der
Apaturien*) (oder ifwnaTOQ^a^)) verbundenen Phratrien (ipit frater
etymologisch verknüpft) zusammenfassenden — Phylen solch' aristo-
cratische Scheidung eingetreten sein, und dies wird zusammengefallen
sein mit der Beseitigung des, trotz seiner Fütterung^) durch die
*) Als Boni homines oder Rachimburgi (Reichbürger oder Honoratioren).
^) ^x diog ßaatk^fg, während sich beim germanischen König (Konung) der Anschluss
an das Geschlecht (Kun) findet, und ähnlich (indisch) vigpati (vici paier).
3) Neben den Guten Joloff (dem Adel) unterscheiden sich die Kasten der Tug
(Schmiede), Oudae (Gerber), Moul (Fischer), Gaewell (Barden). Die Weberkaste ist ver-
achtet. In Bambara bilden die Kourbaris (Manassis königlichen Geblüts, als Dorfhäupt-
linge), Diavaras (das Herrschergeschlecht von Sego) und Kargoros (ein Zweig der Scrra-
kolet) eine Rathsversammlung, dem König (mit einem geheimen Rath von Kriegsfiihrem)
gegenüber. Das Volk besteht aus Schmieden (unter eigener Gerichtsbarkeit), I^der-
arbeitern und Griots. Die Kasten der Weber und Serrakolet's (Handelsleute) sind nicht
geschlossen. Neben den Diavandus (königlichen Rathgebem) zerfallen die Fulah in die
Kasten der Torodos (Schreiber), Bailos (Schmiede), Tiapatos (Jäger), Koliabes (Krieger)
und Tivubalus (Fischer).
*) Melanthus (Vater des Codrus), der bei Besiegung des Xanthos (statt König Thy-
motes) das Fest der Apaturien einführte, stammte von Perich ymenus , Bruder des Nestor
(Sohn des Neleus).
*) Bei dem Jahresfeste der Apaturien (der Minerva Apaturia in Trözen) träten alle
nargat oder alle (pQOTQat mit ihren <f>QdioQtg (« oder a/n/utt) zusammen.
«) Solch göttliche Fütterung wird in den Mythen der Quiche's ebenso materiell aus-
gemalt, wie das Kauen der Götltr im mexicanischen Sacrament. Mardouk (delivrant Sin
KÖNIGE. 663
Götter, nur schattenhaften Merovingers^) (im Griechengewande) durch
die mit karolingischer Energie begabten ßaffiX^eg.
des attaques d'un des mauvais esprits, qui cherchent k etouffer son ^clat) ist dargestellt
,,pret k decocher une fleche, qui frappera le demon" auf dem assyrischen Cylinder (le
Dieu lune delivrö de l'attaque des mauvais esprits), wie auch in America bei Finster-
nissen gegen die Feinde des Mondes Pfeile abgeschossen werden. Im Schwarzwald wird
beim Gewitter mit Steinen gekegelt und fallt ein solcher Stein durch ein Loch, so dringt
er (als Donnerkeil) tief in die Erde ein, aber nach 7 Jahren, 7 Tagen und 7 Stunden
steigt er wieder in die Höhe, so dass er von einem Hahne ausgescharrt werden kann
(s. Busch). Um Nachricht über die Absichten der Feinde zu erhalten , wird der , Geist
eines derselben durch den Paje citirt, der dann von hinter einem Busch hervor dem Be-
fragenden Antwort ertheilt (in Brasilien). Bei Arabern und Türken (sowie bei Italicnern)
dient der Halbmond als Amulet gegen Bezauberung (bösen Blick und Beschreien). Zum
Schutz gegen das Ajin rak (neidische Auge) dient in Palästina die Aufmalung einer ge-
spreizten Hand (Chamsa oder fünf). Bei den Türken dient ,,eine Abbildung des mystischen
Thieres Ahaua, ein Sphinx mit Kopf und Brust eines Weibes und der Körper eines
I^wen, zur Abwendung des bösen Blickes" (s. Busch). Die durch den Blick tödtenden
Frauen der Thybier sanken im Wasser nicht unter. Lenormant führt die Tempel der
Sphinx auf die Heroenzeit der Hor-schesu (Diener des Horus) zurück, ehe Menes aus
Thinis die vier Stämme Misraim's in Memphis vereinte. In Aegypten ist (nach Light)
Staubaufwirbeln ein Zeichen der Herausforderung (wie zu David's Zeitj, und so fand es
Mitchell unter den Eingebornen am Mount Murchison (in Australien). Nach Fonseca
Pinto dehnen die Uerequenas (am Ic^ana und I^a) die Ohren so aus, dass sie sich oft
auf die Schultern legen (s. Eschwege). Um ,,aus den Weibern Weissagerinnen zu machen"
(s. Hans Staden) Hessen die Paygi der Tuppin-Jubas eine beräucherte Frau kreischend
umherlaufen, bis ,,sic müde werde, dass sie auff die erde falle, gleich als ob sie todt
wäre" (um dann wieder belebt zu werden). Die Tuppin-Inbas ,, glauben an ein Ding,
das wachst wie ein Kürbs, ist so gross wie ein halb mass düppen. Ist inwendig hoel,
stecken ein Stecklin dadurch, schneiden ein löchlin dar ein, wie ein mundt, und thun
kleine steinlein darein, dass es rasselt. Rasseln darmit, wenn sie singen und tantzen,
und heissen es Tammaraka" (s. Hans Staden). Die Tupinambas (s. Dias) zerfielen in
Parana-enguarcs (habitantes das praias) und Ybiapab-enguares (habitantes das montanhas).
,,Den Aderlass verrichteten sie mit einem kleinen Bogen und Pfeil, welcher letzterer eine
sehr feine Spitze von scharfem Bergcrystall oder ein Stückchen Glas hat", "bemerkt
Eschwege von den Coroatos, indem er zufügt: ,,Die Wunde, die der Pfeil verursacht,
ist sehr klein , und da er nicht tiefer eindringt , als das Stückchen Glas oder Crystal aus
einer Wachsumgebung hervorsteht, so läuft man gar keine Gefahr, weder die Arterie zu
zerschneiden, noch durchzustechen." Von den Australischen Gräbern (am Darling) each
stood on the centre of an artificial hollow, the mound or tomb in the middle being
about five feet high , and on each of shem were piled numerous withered branchcs and
limbs of trees (s. Mitchell). Die Gräber waren selbst templa wegen ihrer Absondrung
von profanem Gebiet, wegen ihres oft auspicialiter abgesteckten Raumes (s. Abeken). Tem-
plum et sepulcrum dici potest veterum auctoritate (Non. Marc).
^ In den Merovingem hatte sich das aus der Führung der Gefolgschaft erwachsene
Königthum wieder religiös gefärbt, und auch die Ochsenbespannung (wie Koutorga meint)
se rattachait a une id^e religieuse (s. Chopin). Die Nukahiver suchten im Westen das
traditionelle Land Utupu , von wo der Gott Tao zuerst die Cocosnuss eingeführt hatte
(s. Rienzi). Die Guaycurus feiern die Erscheinung des Siebengestims als Vorbote der
Jahreszeit, wann die Bacayuvas genannte Cocosart reift (nach Prado).
664 PRIESTERLICIIES UND STAATSWESEN.
Den nationalen Abschluss erhielten die Hellenen mit der Stiftung*)
der Amphictyonie {(fvvsdQtov icHy EXlijvmf) durch Hellen's Bruder
Amphictyon, ix dcidexa iO^vw tijg ^EkXddog (sonst auch ii oder lO*)),
und jeder der an diesem (nicht aus Staaten, sondern aus Stämmen
bestehenden) Bunde theilnehmenden Stämme 3) sandte zwei Stimm-
träger oder Hieromnemonen, die mit den Pylagoren und Synedren
(sowie den Agoratros) beriethen, während bei der Ecclesia oder
Volksversammlung*) auch die Theoren zugezogen wurden.
Wie bei der Bundesversammlung*) der Irokesen waren auch in
der griechischen die religiösen Ceremonien (der Pylagoren) mit
Ackerbaufesten (im Cult der Demeter) verknüpft, und die Hiawatha
feiernden Mythen berühren sich vielfach mit denen des Triptolemus.
Aehnliche Feste lagen in Rom den fratres arvales auf, deren
Traditionen gewissermassen auf vor -römische Zeiten zurückführten,
da die Gründer^) der Stadt als erst nachträglich in das Colleg auf-
genommen dargestellt und dann älteren Mythenfiguren angenähert
wurden.
Die Pontifices (im Cult der Acca Larentia) opferten in der Casa
Romuli (am Heerd des ersten Königs), den pater indiges verehrend,
(der dann mit Aeneas identificirt wurde).
Die im Laufe der Geschichte aus der Fremde absorbirten Ele-
mente wurden von dem zur Hegemonie berufenen Volke unter dem
1) Akrisios, König von Argos, gründete die Amphictyonie (s. Strabo), sonst der
mythisdie Eponym.
*) Beim Wechsel der Stammzahl (durch Ausschluss der Aufnahme) wurde doch stets
die Zahl der 24 Stämme (in der Amphictyonie) festgehalten (s. Biirgel).
') Die Thessalier besassen (in der Amphictyonie) das Recht des Vorsitzes (Pylaea
oder Prostasie), bis dieses durch die Aetoler usurpirt wurde.
*) Die durch Boten (zur Rathsversammlung oder Kabarrah) eingerufenen Vertreter
(der benachbarten Stämme) ,,together with ihe leading one of the Port Macquarrie natives,
form a Council, by whose authority wars are proclaimed, boundaries settled and one tribe
prevented from interfering with or encroaching upon another" und während dieser Bc-
rathungen ,,all the blacks of the respective districts are on the most friendly terms, but
as soon as it is concluded they become extremely shy of each other, and soon separate"
(1833)-
*) Jeder Stamm hatte in der Amphictyome zwei Stimmträger oder Hieromnemontn
(durch Loos erwählt), schickte ausserdem aber, als seine Gesandte, die Pylagoren (für
jede Pylaru) , als Synedren (Beisitzer) und ausserdem die Agoratros , und bei der Volks-
versammlung (Ecclesie) wurden noch die Theoren zugezogen. Die Hieromncmonen be-
riethen gemeinsam mit den Pylagoren ihres Stammes, und gaben demgemäss ihre Stimmen
ab (s. Bürgel).
*) Acca Larentia, die (im sacrificium Deae diae) das jährliche Opfer für die Frucht-
barkeit der Felder l)rachte, nahm bei einem Todesfall unter ihre zwölf Söhne den
Pflegesohn Romulus in das CoUegium auf (als Larunda, Mutter der Laren).
HORDEN. 665
einheitlichen Bande gleicher Muttersprache assimilirt, wenn das natio-
nale Bewusstsein erwacht ist, und so konnten sich, wie bei den Mandan
und Minitörris, verschiedene Horden^) oder Banden zusammenschliessen
(s. Neuwied).
Wenn gegenüber dem gynaikokrätischen Vorwalten der weib-
lichen Linie zum Besten des Staates die männliche (wie im salischen
Gesetz) ihre Bevorzugung erhalten, treten aus den näheren Cognaten
die früher entfernteren Agnaten mit besonderen Ansprüchen auP).
Bei dem in der Natur der Sache gegebenen Zusammenfluss des
Gleichartigen, bildeten sich, bei Lockerung der Geschlechter unter
den staatlichen Pflichten (bis zur Hingabe der Kinder für öffentliche
Erziehung in Sparta), gildenartige Verbrüderungen unter der Einheit
derselben Beschäftigung (wie ursprünglich schon in den Geschlech-
tern'), und auch den Altersclassen*) selbst gegeben).
Nachdem die in ihren Traditionen von alten Königen oder
Atotarhos (s. Cusic) redenden Irokesen oder#Mingwe, in den fünf
Abtheilungen oder Palenach-end-chiesktajeet (s. Heckewelder) den
Bund des langen Hauses, Ho-de-no-sau-nee oder (nach Pyrläus) Aqua-
noshioni geschlossen, wurde durch den zu den Mohawk gehörigen Ge-
setzgeber Da-gä-no-we-dä*) das Rathfeuer bei dem centralen Stamme
0 Eyiguayegui (habitantes de los palmares) oder Guaycurus zerfielen (nach Angelis)
in die Guetiadegodis (los montaiieses) , Cadiguegodis (los del rio Cadigu^), Lichagotc-
godeguis (los de la tierra encamada), Apachodeguis (los del avestruz), Eyibegodeguis
(los del norte ö Encagds), los escondidos, Gotocoguegodeguis (los del cafiaveral).
*) In der Sippschaft (oder Verwandtschaft) werden die Nachkommen als Busen von
den Verwandten (als Magschafi) unterschieden. Die Speermagen bilden die väterliche,
die Spillmagen die weibliche Nachkommenschaft.
*) ITiere is no division of labour among the New-Zealanders, but that existing between
the sexes (s. Thomson). Auf den Andamanen jagen die Männer Schweine, während die
P'rauen das Feuerholz für das Haus besorgen (s. Owen). In Neu -Guinea wird von den
Männern gefischt und gejagt, von den Frauen das Land bestellt. Die Männer (im Feuer-
land) Speeren Fische und schlagen Holz, die Frauen angeln imd rudern (s. Fitz -Roy).
Bei den Mandingoes wird von den Frauen gesponnen, von den Männern gewebt (s. Mungo
Park). Bei den Bechuanas bauen die Frauen die Häuser, während die Männer die Heerden
besorgen (s. Burchell). Bei den Kaffer besorgen die Männer die Heerden, die Frauen
den Landbau (s. Barrow). Bei den Indianern jagen die Männer, die Frauen pflanzen.
*) Lozano unterscheidet bei den Guaycurus als drei Rängstufen: die Jünglinge, die
Männer und die Krieger- Alten , indem es schmerzhafter Ceremonieen bedurfte , aus einer
Stufe in die andere Überzutreten (und ähnlich bei Krus).
*) Obwohl die Zahl der erblichen Sachem bei den fünf Stämmen der Irokesen ver-
schieden war, hatte doch jeder Stamm eine gleiche Stimme im Rath. Der (zum Bär-
stamme gehörige) Sachem To-do-dä-ho (der Onondaga) genoss das höchste Ansehen,
während die beiden Kriegshäuptlinge aus den zu ThtirhÜtern ernannten Seneca (in der
nach Westen gerichteten Oeffhung des langen Hauses) genommen wurden (als Markgrafen).
666 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
m
der (am Oswego-Fluss der mütterlichen Erde entsprossenen) Onon-
daga angezündet, nachdem (s. Morgan) To-da-da-dä-ho , der kriege-
rische Sachem*) aus dem (neben dem des Reh, ältesten) Bären-
Totem dieses Stammes (der Besieger der Cayuga und Seneca) fiir
solchen Amphictyonen-Bund gewonnen*) worden war.
Die Achtzahl der in zwei Reihen zur Ehekreuzung gegenüber
gestellten Geschlechter^) zog sich gleichmässig durch die fünf oder
sechs) Nationen (mit ihrer Trennung in 3 ältere und 2 oder 3 jüngere
Die als Da-gä-e-o-gä (Neutrale) bezeichneten Mohawks wurden mit Erhebung des Tributs
betraut (s. Morgan). Das Ansehen eines Sachems galt in jedem andern Stamme ebenso,
wie in seinem eigenen (bei den Irokesen).
^) Die Würde der 50 Sachem oder Ho-yar-na-go-war (Volksbcrathcr) unter den Irokesen
(9 der Mohawk, 9 der Oneida, 14 der Onondaga, 10 der Cayuga und 8 der Seneca) war erb-
lich (unter Bestätigung durch den Rath der Sachem), und die angesehenste Stellung nahm
To-da-dä-ho mit dem Bärenwappen (der Onondaga) ein, der (nach Unterwerfung der
Cayugas und Senecas) bei Gründung des Bundes (Ilodenosaunee) durch die Da-gä-e-o-ga
mit dem Wappen des Schildes (aus den Mohawk) durch einen Mohawk die Schlangen
aus seinem Haar gekämmt hatte. Als Rathgeber der Sachem und für locale Angelegen-
heiten wurden die Häuptlinge Ha-seh-no-wä-neh (würdeverleihender Name) gewählt, und
diese bildeten allmählig (durch wachsenden Eintluss) eine Art Adelsklasse. All mititary
Operations wcre left cntirely to private enterprise and to the System of voluntary servicc
(wobei der Aufruf meist von der Classe der Häuptlinge ausging) , und wenn ein Sachem
die Führung einer Kriegsexpedition übernehmen wollte, hatte er vorher seine civile Würde
niederzulegen. Für die Beobachtung der Festlichkeiten wurden die Ho-nun-de-unt (Auf-
rechthalter des Glaubens) ernannt (s. Morgan).
') Die Unterscheidung der älteren und jüngeren Stämme verlor später ihre Bedeutung,
aber nicht alle der angeschlossenen Stämme wurden (seit dem Zutritt der Tuscaroras) in
den Bund selbst aufgenommen sondern nur etwa als halbunteruürfige Bundesgenossen
betrachtet (wie die Munkakees), mit der Bezeichnung als Vettern. Mit Bati wird die
Verbindung der mächtigeren Stämme in Fiji bezeichnet, wogegen Gali die untergeordneten
betrifft (s. Erskine). Auf der isla de los Orejones neben den Xarayes (Aneses und Pera-
vacanes) vivia cada parcialidad separada en grandes galpones, en que cada uno ocupaba
el espacio necesario para vivir debajo de un mismo techo los vasallos de cada cacique
(s. Lozano). Die entlaufenen Neger von Palmares (bei Pemambuko) ,, duldeten keine
Priester unter sich und übertrugen ihr Amt dem Aeltesten der Gemeinde, sie nahmen
ein Wahlreich an und übertrugen die Leitung desselben dem Tapfersten und Verständig-
sten, dem ein Rath aus mehreren erfahrenen Männern beigesellt war" (s. Von Weech).
Die Slaven erhoben den Goldschmied Przemislaus zu ihrem König (als Lesko). Durant
le XIV si^cle et la premi^re moiti^ XVe on voit non seulement la nouvelle f^odalite des
princes apanag^s se former sur les d^bris de l'ancienne, mais aussi l'autorit^ du roi, com-
promise par la guerre ^trang^re et la guerre civile, abandonnee m^me de ses representants,
reculer devant la puissance seigneuriale et perdre presque tout le terrain conquis
(s. Luchaire).
') Neben dem erblichen (und auch auf die adoptirten Kriegsgefangenen übertragbaren)
Totem hat jeder Algonkin seinen (nach besonderen Ereignissen veränderlichen) Namen,
und wenn ihm im Traume ein besonderes Thier enthüllt ist, trägt er dessen Haut, als
Medicinsack (wogegen der Totem oft tättowirt ist).
HÄUPTLING. 667
am Rathfeuer*)) hindurch und die (nach mütterlicher^) Abstammung)
einem jeden derselben Angehörenden betrachteten sich sämmtlich
als Blutsverwandte mit einander. So liefen bei Lockerung der Gentes
unter den Anforderungen des Staatslebens die gleichen Sodalitien
durch verschiedene') derselben.
Die (unter bestätigender Wahl der Gemeinde, in der Familie
mütterlicherseits*) erbliche) Würde der in verschiedener (aber seit
der Einrichtung fixirter) Zahl (innerhalb der Totalsumme von 50)
die einzelnen Nationen repräsentirenden Sachem (Ho-yar-na-yo-war
oder Volksberather) oder Sogimo (deren persönliche Verdienste die
Ha-seh-no-wä-neh*) an die Seite setzen mochten), vertheilten sich für
diese Nationen wieder auf bestimmte unter den (vollzählig in jeder
derselben vorhandenen) Totem Stämme®), während für Beobachtung
*) Am Rathfeuer der Irokesen standen auf der einen Seite die (als Brüder unter
sich betrachteten) Stämme der Mohawks, Onondogas und Senecas, als Väter zu den als
ihre Kinder betrachteten Stämme der Oneidas und Cayugas (später mit den Tuscaroras),
die unter sich als Brüder betrachtet wurden. Die Delawaren wurden von den übrigen
Algonkin als Grossväter bezeichnet. Die von Tarquinius Priscus unter die Geschlechter
(der patricischen Gentes) aufgenommenen Familien der Plebeyer standen als minores
gentes den früheren, als majores gentes, gegenüber.
') The mother gives caste to the children so that as the fathers die off, the caste
of the country constantly changes (hei den Takullies mit den Chitcheah , Tengratsey und
Natsahi). As the father is never of the same caste as the son, who receives caste from
his mother, there can never be intertribal war without ranging fathers and sons against
each ather (s. H. Bancroft). Nobility was calculated by the female line (s. Pinkerton)
unter den Picten (Schottland's). Bei den Lokrem bewahrte sich der Adel in der weib-
lichen Linie (nach Polybius)*. Nach dem Gesetze Hoel's (in der Bretagne) Principatus
familiae (Pencenhedlaeth) matemo jure non obtinetur (wieder erblich gemacht). Die
Spruren des von Bachofen für demetrische Culte ausverfolgten Mutterrechts erhielten sich bei
den Lykiern , die wie Herodot die Namen von der Mutter herleitete und (nach Polybius)
bei den Lokiem.
') Der Dienst des Lupercus wurde von mehreren coUegia gentilicia besorgt, die
Lupcrci Faluani (der gens Fabia), die Luperci Quinctiliani (der gens Quinctilia) und die
Luperci Julii.
*) Die Vererbung und Uebertragung der Titel ging (bei den Irokesen) in der weib-
lichen Linie und so vom Onkel zum Neffen , indem die Söhne dem Stamme der Mutter
angehörten.
*) Aus den hervorragenden Kriegern und Berathem bildete sich (unter den Irokesen)
die Classe der Hä-seh-no-wä-neh (berühmter Name), aber ohne Erblichkeit, indem beim
Tode der Name durch Bestimmung des Stammes auf einen Nachfolger übertragen wurde.
Die Würde der Hä-seh-no-wä wurde (bei den Irokesen) nur nach Verdienst verliehen.
•) Von den acht Wappenclassen der Irokesen war Bär und Wild die älteste, und bei
Mohawk und Oneidos bildete Wolf, Bär und Schildkröte die ursprüngliche. Bei Grün-
dung des Bundes wurde die Wiirde der 14 Sachem bei den Onondoga unter Wolf, Bär,
Biber, Schildkröte, Schnepfe und Wild gelheilt, bei den Seneca unter Wolf, Bär, Schild-
kröte, Schnepfe und Habicht (als erblich). Die Wappenclassen erstreckten sich als Bluts-
668 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
der mit den sechs Jahresfesten des Ackerbaues verknüpften Riten
die (priesterlichen) Ho-nun-de-ont erwählt wurden.
Durch die, wenn nicht persönlich, doch in der Familie erbliche
Würde wurden die Sachem*) mit achtungsvoller Scheu umgeben,
entbehrten aber aus gleichen Ursachen der individuellen Befähigung,
welche der Hasehnowäneh bewahren musste, da sie ihm überhaupt erst
eine Stellung gab, aber zugleich, die allmählig auch hier eintretende
Erblichkeit, die Ausbildung eines Adelsstandes vorbereitete, und
während dieser in voller Blüthe steht, nimmt man „reges ex nobilitate",
wie bei den Germanen (nach Tacitus). Hier wiederholt sich nun
stets derselbe Kreislauf, indem eine Institution, sobald sie stabil wird
und stereotyp verknöchert, dadurch auch, weil des Lebenssaftes be-
raubt, dem Verfall anheimgegeben ist, und durch eine Reform
erneuert werden muss.
Anfangs heisst es bei den Naturstämmen überall, wie Caesar
von den Germanen sagt: „In pace nuUus^) communis magistratus",
oder nur eine temporär nominelle Autorität*), im Kriege dagegen
wählt man den Tapfersten zum Kriegsführer, „duces ex virtute"*)
verwandte durch die filnf Stämme, bei denen sie sich jeder wiederholte. Jede Abtheilung
(als Wolf, Bär, Biber, Schildkröte und Wild, Schnepfe, Reiher, Habicht) wurden unter
sich als verbrüdert betrachtet, so wie Heirathen nicht in denselben erlaubt war, sondern
nur mit Mitgliedern der anderen Abtheilungen, die als Vettern betrachtet wurden
(s. Morgan).
^) Als Richter und Opferer, gleich den Godi (in der Inglinga-Saga), wogegen der
agrarische Cultus der Jahresfeste ein CoUegium von l*riestergelehrten verlangte , und da-
neben dann noch die Zauberpriester (besonders auch als Medicinmänner) ihr Wesen
trieben. Der Tayi oder Nandayi (im Dorfe der Khyeng) presides at all festivals, settles
disputes and acts as a priest in conjunction with the eiders of the village (s. Fryer). In
Tiguex herrschte ein Rath der Alten (zu Castafteda's Zeit).
') Dann herrschen durch die Schrecken des Unbekannten (africanischc) Geheimbände
(des Purrah, Semo, Egbo), wie das Vehmgericht (VigUance-Comity, Klux-Klux u. s. w.)
in gesetzlosen Zeiten, oder ein alter Hadat mit traditionell absoluter Macht, wie (ähnlich
dem despotisch verwandten Tabu Polynesien's) unter den Angami- Nagas (s. Butler), das
Kennte oder Genna, das fUr Geburt oder Sterbefalle für das Haus erklärt wird, bei Emtc-
arbeiten u. s. w.
*) The Pneumas (headmen or chiefs in jedem Dorf der Angami Nagas) generally
manage to arbitrate between litigants, al>er der Titel (dieses primus intcr parcs) ist »»really
one of i)ure courtesy , and depends entirely upon the wealth , Standing and personal
qualities of the individual himself" (s. Butler).
*) Nur derjenige , der sich mit dem angeschlossenen Gefolge bei seinen , auf eigene
Hand unternommenen Raubzügen als glücklich bewiesen hat, besitzt Anspruch darauf,
bei einem Kriege zum Anführer ernannt zu werden, und während desselben trat ihm der
Häuptling seine Würde ab, wogegen dieser wieder Frieden zu schliessen hat, was der
Anführer, als Knegsmann, nicht gekonnt (s. Loskiel) bei den Dela waren (und Ver-
wandten). Die Coroados werden auf kriegerischen Expeditionen von dem geschicktesten
ERBLICHKEIT. 669
(s. Tacitus) und nachdem man etwa an die Stelle menschlich eigen-
williger Wahl das orakelnde Loosen (der Altpreussen) gesetzt, wie
die Satrapen der Sachsen bei Erneuerung ihres Feldherrn (s. Beda),
so erklärt sich um so leichter die Bemerkung bei Jornandes von den
Gothen: Per multa retro saecula ducibus usi sunt, postea regibus.
In dem Namen des Königs oder Konungr liegt der Anschluss
an das Geschlecht, und wenn etwa ein ehrgeiziger Herzog, bei der
Rückkehr von einem siegreichen^ Feldzug, keine Neigung fühlt seine
Würde niederzulegen, so leitet ihnen die Fortführung derselben,
die im Frieden für den Stamm die Functionen des Patriarchen für
die Familie auszuüben veranlassen würde, in eine Erweiterung dieses
letzteren (im politischen Sinne) hinüber, und somit in die Gestalt'
des Königs.
Wenn dann unter der zur Gewohnheit gewordenen Erblichkeit
bei den bereits in goldener Wiege gebornen Epigonen die frühere
Energie nachlässt, so sinkt der Priesterkönig zu jenem haltlosen
Schatten herab, der vor dem aufleuchtenden Ruhm eines Kriegs-
feldherrn im Hintergrunde verschwindet (besonders wenn der Letztere
durch die Interessen belehnter^) Vasallen gestützt wird.
Ueber das Weitere entscheidet nun der politische Barometer im
Augenblick der Krisis. Ist am entscheidenden Wendepunct das
Rechtsbewusstsein eines Volkes im nationalen Vollgefühl stark genug,
so wird es den die irdischen Interessen oftmals, zu Gunsten der
himmlischen, beeinträchtigenden König jener practischen Wirksam-
keit des Eingriffes entheben und nur im Dunkel heiliger (oder un-
schädlicher) Opferräume eine Fortexistenz belassen. Ueberwiegt da-
gegen der Einfluss einer mächtigen Hierarchie, so wird diese die
gebotene Gelegenheit benutzen, dem König jede weitere Einmischung
in ihre Privatverhandlungen mit dem Himmelshofe zu versagen, sie
wird vielleicht auch den schon in Imbecillität der Altersschwäche
J^cr geführt (nach Spix und Martius). In Australien ,,a chieftain does not preserve an
hereditary rank, chiefs being chosen for superior bravery, being the best hunter or having
a superior mind (s. Bennet). Zur Kriegszeit losten die Gaufiirsten oder (bei Beda)
Satrapen (aus dem Stande der Edelinge) um die Stellung des belli dux, nach vollbrachtem
Krieg: rursum aequalis patentia omnes üunt Satrapes (s. Wächter). In der kentischen
Stammtafel stammt Woden von Jeta, quem dtxerunt filium dei (Geta oder Gesius). Der
Name des gallischen Kriegsgottes Hcsus (in Hundegcstalt) soll mit dem Hammerzeichen
Thors von den Druiden der von Bonifacius im Hessenlande umgehauenen Eiche einge-
schnitten gewesen sein.
*) Wu-wang (1122 a. d.) vertheilte an seine Verwandte Lehen (bis zur Centralisation
durch Shi-wang-ti), in China (in ähnlicher Form, wie Jyeyass in Japan)*
670 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
versunkenen Repräsentanten durch seinen weltlichen Arm gänzlich
beseitigen und auf diesen bisherigen Majordomus nun die königliche
Würde übertragen in der Hoffnung, ihn durch die göttlichen Agenten,
mit denen jetzt Niemand sonst Bescheid weiss, in Vormundschaft zu
halten. Dass dieses nur zu oft vollständig gelingt, ist auch ohne
weitere Beweise bekannt genug, schliesslich aber wird stets, bei
Wiedererwachen eines nationalen Bewusstseins, der Staat als die
göttliche Schöpfung verstanden uud dem Könige, wenn der normale
Repräsentant desselben, die volle Ehre gegeben werden, während die
gegen den Zeitstrom Ankämpfenden, trotz der possenhafren Schwarz-
künsteleien, zu denen sie ihre heiligen Functionen erniedrigt haben,
bald darin zu Grunde gehen müssen.
Wenn bereis in mancher Auffassung der Verwandtschafts -Ver-
hältnisse^) ein Ansatz zum Neff*enrechte^) liegt, so erhielt dieses
') Von dem Mann aus sind die Kinder der Schwester (bei den Tamnlen) Neffe und
Nichte, die Kinder des Bruders dagegen Sohn und Tochter, von der Frau aus sind die
Kinder der Schwester Sohn und Tochter, die Kinder des Bruders dagegen Neffe und
Nichte. Des Vaters Bruder ist (fiir den Mann) Vater (seine Kinder Sohn und Tochter),
des Vaters Schwester ist Tante (ihre Kinder Vetter und Base), der Mutter Bruder ist
Onkel, der Mutter Schwester ist Mutter. My fathers brothers arc my fathers and my
fathers sisters are my faibers (not my mothers) bei den Amazulu (s. Abrahams). Aeltere
Brüder und Schwestern werden als Wai, jüngere als Pu bezeichnet (bei den Karen) mit
ZufUgung von khwa oder mu für das Geschlecht. Die Pinalua in Hawai stellten Gemein-
samkeit der Brüder und Schwestern her. Bei den Japanern führt der älteste Sohn die
Frau in das Haus seines Vaters , und die Kinder nehmen dessen Namen , während die
älteste Tochter den Mann in das Haus ihres Vaters führt, dessen Name von den Kindern
angenommen wird. Sonät folgen die Kinder dem Namen des Sohnes, wenn sein Vater,
oder den der Tochter, wenn ihr Vater das Haus für das neue Ehepaar baut (s. Morgan).
Der Grossvatcr väterlicherseits oder Tsu-fu (Ahnen - Grossvater) wird als Gründer der
Familie betrachtet, nicht dagegen der mütterliche Grossvater (Neben- Grossvater) oder
Wae-kung (in China). Die seit den Pih-Sing (hundert Familien) auf die männliche Linie
beschränkten Familiennamen der Chinesen (mit dem Verbot des Zwischenheirathens in
gleicher Familie) sind erhalten und in einigen Bezirken (s. Hart) large villages are met
with, in each of which there exists but one family name. Ninmit ein Vater für seine
einzige Tochter (statt sie nach Aussen zu verheirathen) einen Ehemann in das Haus, so
folgten bei Geburten Über den ältesten Sohn hinaus die Kinder dem Namen der Mutter
(in China). Ir-tze (Kind, Knabe), Sohn, vom Manne aus; Neu*ir (Mädchen, Kind),
Tochter, vom Manne aus; Chih-ir (Gebrüder- Kind) , Bruderssohn (Neffe), vom Manne
aus; Wae-sung (Neben-Schwesterliches) Schwestersohn, vom Manne aus; £-sung (Fremd-
Schwesterliches) Schwestersohn, von der Frau aus; Wae-chich (Neben-Gebruder) Bruders-
sohn, von der Frau aus; Poh-fu (älterer Vater), Vatersbruder (wenn älter als der Vater);
Suh-fu (jüngerer Vater), Vatersbruder (wenn jünger als der Vater); Tang-heung-te (minn-
licher Verwandter der Halle) [Vatersbruderssohn], als Hallenbruder (Vetter); Tang-tsze-
mei (weiblicher Verwandter der Halle) [Vatersbrudertochter], als Hallenschwester (Base);
Tang-chich (Hallen-Chich), .Sohn des Vetters (Vatersbrudersohn); Tang-chich-neu (weib-
liches Halle-Chich), Tochter des Vetter (Vatersbrudertochter); Ku, Tante (Vaters Schwester);
VERWANDTSCHAFT. 671
leicht unter polygamischen Verhältnissen eine besondere Bekräftigung
und wird dana seinerseits zu der (durch die Vorschrift des Totem
oder Kobong begünstigten) Schwächung nächster Abstammung (im
Gegensatz zu der Aristokratie endogenischer Ehen und andrerseits
der dadurch bedingten Verkümmerung^)) beitragen, die sich immer
rasch unter den Absorptionen allseitigen Contactes zur Verwandt-
schaft erweitert, unter zeitweis festgehaltener^) Fiction der wenigstens
im Namen') bewahrten Einheit, zu deren Simulirung auch die Cere-
monien der Adoption*) entsprechend gefärbt werden, wenn sich die
Pcaon-heungte, Vaters -Schwestersohn (Vetter); Peaon-chich , Sohn des Vetters (Vaters-
Schwcstersohn) ; Kew, Onkel (Mutter's Hruder); Peaon - heungte (Mutters Bruclersohn),
Vetter; Peaon-chich, Sohn des Vetters (Mutters Bruderssohn); Ta-e-ma (grosse Aussen-
mutter), Mutters Schwester (wenn älter als die Mutter) ; I^aon-e-ma (kleine Aussenmutter),
Mutters Schwester (wenn jünger als die Mutter); E • peaon -heung-te, Sohn der Mutters-
schwestcr (Vetter).
>) Neef im Holländischen begreift mit dem Enkel und Vetter auch den Neffen. Im
Belgischen bezieht sich die Nichte auf die Base. Im Westphälischen Platt meint Nichte die
Cousine oder Base. Zu Avus und avunculus bezeichnete Nepos den Neffen sowohl, wie
den Enkel. Octavian heisst (bei Eutropius) Caesaris nepos. Im Englischen nephew was
applied to grandson as well as nephew as late as i6ii (s. Morgan). Die Würde des
Alfai oder Häuptling geht bei Barea und Kunama auf den Bruder- oder Schwestersohn
Über. The law of nncema among the ancient Scots folgt durch (Bruder und) Neffen,
wie Conal seinem Onkel Gabran folgt und dann dessen Sohn Aidan. In Polynesien wird
das neugeborene Kind bereits als in die Stelle der Eltern einrückend betrachtet , und
wenn dem König früher der erste Sohn geboren war, dankte er nominell, unter Huldi-
gungsleistung, ab. Während der Schwangerschaft seiner Frau sprach der Vater keine
Fremdlinge an, um seines Kindes Sprache nicht zu verwirren, und wenn er eine Schlange
tödtet oder einen Baum spaltet, wird ein Stückchen davon aufbewahrt, um nach der
Geburt ein Erinnerungsbild zu verfertigen (auf Nias) und so vielfach Sympathien (in der
Couvade oder sonst).
') Während jetzt die Geschwister die Bestimmung haben , Familie zu sein , ihren
Zweck zu realisiren, aber nicht die Familie zu erzeugen, müssen wir sagen, dass die
Kinder der ersten Eltern nicht blos die Familie, sondern zugleich die Gattung repräsen-
tirte, weshalb ihnen auch die Erhaltung der Gattung oblag (s. Kaulich).
') In der Bretagne wurde die Verwandschaft bis zum 12. Grade aufrecht erhalten
(s. Machargy). Die (Therk genannte) Rechts- und Blutsverantwortlichkeit der Bogos er-
streckt sich über die Söhne eines Vaters bis zum siebenten Grade (s. Munzinger).
•) All the sumames (s. Watson) tend to extinction in an indefinite time and this
result might have been anticipated generally for a sumame once lost can never he reco-
vercd and there is an additional chance of loss in every successivc generation (in der
Berechnung nach dem von Galton gestellten Problem ,,On the probability of the extinction
of families"). Als Kaiser Kanghe eine genaue Liste aller Nachkommen des Confucius ver-
fertigen Hess (XVIII. Jhrdt.) ergaben sich iiooo männlichen Geschlechts (und bis
74 Generationen im XIX. Jahrhdt. Beim Verfolgen der Verwandtschaft to the thirty-first
degree, or generation, it would give to each person a greater number of ancestors than
the entire population of the earth (s. Morgan).
*) In Rom wurde die Adoption durch Nachahmung des Geburtsactes geschlossen, bis
anf Trajan (und Nerva). Here hatte bei Adoption des Heracles den Schein einer Ent-
672 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
Gens^) zum Clan^) erweitert, anfangs noch mit entsprechender Er-
weiterung der patriarchalischen Würde ^), bis später dann, nach Ab-
gleichung zeitweise Centren grösster Schwere bildender Partial-Inter-
bindung durchzumachen (s. Diodor). Bei der Airogatio wurde ein homo sui juris an
Kiridesstatt angenommen, bei Adoption nur durch Mancipatio Gelöste, und der Adoptiv-
vater erwarb dann den Sohn durch ein Geldstück per aes et libram. Der Adoptirte wurde
der Kindesrechte theilhaft, besonders erbrechtlich (s. Val. Max). Bei den Cirkassiem
wurde durch Säugen adoptirt. Nach Parkyus hat das Adoptiv-Kind an den Fingern des
künftigen Vaters zu saugen (in Abyssinien). Bei den Felatahs tritt bei der häufigen
Adoption das Erbrecht zu Gunsten der fremden (statt der eigenen) Kinder ein (s. Den-
ham). In Nukahiva werden Kinder häufig von Höherstehenden adoptirt. Nach Wilson
war Adoption in Tahiti häufig. Bei den Eskimo gewährt die häufige Adoption das Recht
der Blutsverwandtschaft, ist der Pflegesohn der ältere, so erbt er (s. Lyon). Auf den
Tonga-Inseln adoptiren die Mütter heranwachsende Kinder, obwohl die eigene Mutter
noch lebt, als zweite (die der ersten gleichsteht). Nach Adoptirung der Kinder in fremde
Familien, geben (in Madagascar) die eigenen Eltern ihre Rechte auf (s. Sibree). Liber-
tinos vero ab ingeniis adoptari quidem jure posse Massurius Sabinus scripsit (s. Gellius).
The praclice of fosterage, by which children were mutually exchanged and brought
up, befestigte die Clanschaft. Tifleen were usually fostered y a chief, and Fingal had
i6 foster or Ceoatl (s. Logan). The attachment of foster-brothers was strong and in-
dissoluble (in den schottischen Clan's). No love in the world, says Camden, is comparable
to it (Kindered to 20 degree, fosterage to 100).
^) In Rom wurde der Freigelassene (wenn von dem Herrn in vollem Eigenthum be-
sessen) römischer Bürger seit Servius (früher Client) und erhielt den Gentil-Namen (mit
Zuftigung seines Cognomen. Den vollberechtigten Gentilen gegenüber war der Freige-
lassene und Client nur halbberechtigt, und obwohl beim Tode des früheren Herrn das
Patronat auf die Kinder überging, galten seine Kinder nur als ingenui. Die Entwick-
lungsphasen der gens finden sich in Cicero's Betrachtung darüber niedergelegt, obwohl ihm,
als noch in der Entwickelung stehend, der Zusammenhang weniger klar sein konnte.
*) Die Clans (in Schottland) had been gathered together by accident and preserved
in this State by the straths and lakes of the country and the mountains (s. Low). Der
,,Sky of the hill" bildet das Streitobject, als die Heimath des Clan (in Schottland). Die
Verbindungen in der Thalschlucht hinab sind ebenso schwierig, als diejenigen über die
steilen Pässe hinweg (in Kham). Jeder kleine District hat seinen eigenen Häuptling
(s. Richthofen). Die walisischen Rechte und die irischen Breton laws basiren noch auf
dem Familienrecht. Generally descent is to the nect male heir of the blood of the pcrson
ennobled or in the case of baronies in fee, to descendants of heiresses (s. Cox) in
England. The whole Clan, however numerous weresuposed to be related to each
other (Lagan). The Laird was the father of the Clan and bis tenants commonly bore
his name (Johnson). The clanishness * (of the Miau-tsi) zeigt sich ,,by the zeal whith which
kindred take up the cause of an injured member of a family. A grudge is remembered
for nine generations. It is said of the more cruel, that when they catch their enomies,
they eat their flesh" (s. Edkins). Die Pelasger hatten (nach dem Orakel Dodona's) Köpfe
dem Dites (wie Knaben dem Saturn) zu opfern , diu humanis capitibus ditem et vivorum
victimis Saturnum placare (s. Macrobius), und ,,hominem, caput consecrare" hiess es in
römischer Formel (wie auf den Sculpturen Santa Lucia's Köpfe dargebracht werden). Mit
,,Te tuumque caput hoc sanguine consecro, wurde Appius Claudius von Virginius geweiht.
Die Mundrucus stellen Trophäenköpfe auf, wie die Dayak (als Karwar in Neu-Guinea).
•) Der in Athen Freigelassene hatte seinen früheren Herrn noch als Patron (n^oanc-
I
^ CLASSEN. 673
essen (im Autsteigen durch die Anfangs nach Altersclassen^) abge-
stuften Kasten zu ansässigen Gilden einerseits oder verbündet schwei-
fenden Horden^) andrerseits), die schwer wiegenden Ansprüche des
Staatsganzen auftreten, vor dem die Sacral-Culte ihr soweit selbst-
ständiges ^) Leben verlieren.
Während bei den Maya der Stamm von der männlichen Linie
gebildet wird und ebenso u. A. in Vera-Paz (s. Torquemada), pflanzte
sich bei den Irokesen*) und vielen andern Naturstämmen das Ge-
schlecht in der weiblichen Linie fort, nicht etwa aus gynaiko-
T>is) zu betrachten. Die ursprünglich als Halbunterworfene den Penesiem (griechisch) oder
germanischen Aldiones (Lidi) vergleichbaren dienten in Korn treten zu dem Patron in
ein geheiligtes Verhältniss, dessen \'erletzung religiös bestraft wurde (als sacer). Courson
macht auf die ünterschie<le zwischen dem Pencenedl oder Haupt des Stammes (Cenedl)
und dem Paterfamilias aufmerksam. Wer auf den Gründen eines Schutzheiligen oder
Schul/herm sass (s. Osnabrück) war in dessen Schutz (Hode oder Hye) gebunden
(Moser). Ut zelotypus vir dicitur cjui rivalem pati nequit, sie deus socium in cultu, quem
:il) hominibus postulat , ferre non potest (deus vere irascitur). In den Hirca genannten
Pässen die Peruaner »»offered a rope of grass with the left hand in token of adoration".
l*crc (Vulcan in Tahiti) oder (in Hawaii) Pele (Fee in Samoa) wird (von Fomander)
identificirt mit Wera oder Wela, was (in verschiedenen Dialecten Polynesiens) ,,signih^s
fire, conflagralion" (to burn) ''Pinia , Pillan , Vira], Miru oder (hawaisch) Mihi ist
Todtenland.
*) Bei den Wakuafi, durch den Ralh der Alten regiert, vereinigen sich die )änglinge
(mit den Knaben zum Dienen) unter einen Häuptling, der sie beim Schutz der Heerden
befehligt, sowie auch auf den Sireifzügen, um Heerden für die (gemeinsamen) Heirathen
zu rauben. Bei den Kru graduiren sich die Altersklassen entschiedener, als in den Ban-
den aroericanischer Prärienstämme.
•) Bei den Indianern (mit Dialecten unter gleichartiger Sprache) bilden sich Eini-
gungen im gemeinsamen Interes-ie veischiedener Stämme (wie bei Blackfeet u. s. w.) wäh-
rend die traditionelle Abstammung auf Schnecken, Hund etc. ^wie gelehrtere auf Monaden)
zurückführt. Bei Barca und Kunama zerfallen die (iauc in Gemeinden, und die Gemeinde
wird gebildet aus den Bewohnern des Dorfs ohne Rücksicht auf ihre Abstammung, sie
besteht aus Personen, nicht aus Familien. Auf Tonga belohnte Tanga-loa den jüngeren
Sohn mit weisser Farbe, während der ältere mit schwarzer Farbe bestraft wird (s. Mariner)
Toba, TupiJ.
*) I^ chef de famille (Pencenedl) vertrat (in der Bretagne) ceux de sa gens (ou
cenedl) beim Fürsten oder Arglwydd (s. Courson). Im 14. Jahr trat der Sohn aus der
Macht des Vaters in die des .\rglwydd (durch N'orslellung bei ihm) über (in der Bretagne).
*) Indem die Mohawks sich mit den westlichen Oneidas verbanden , und dann die
< )nondagas, Cayugas und schliesslich die .Senecas hinzutraten , wurde der Bund der Iro-
kesen geschlossen, zu dem auch die anfangs verschieden redenden Tuscaroras durch die
Oneidas gezogen wur<len. Um das Bündniss im Gedäclitniss zu halten, wurde bestimmt,
dass die Namen der Deputirlen stets von Einem des Stammes fortgeführt werden sollten,
Toganawita bei den Mohawks, ( )tatschechte eei den Oneidas , Tatotarho bei den Onon-
dagas, Togahajon bei den Cayugas, Gnnniatario oder .Satagaruuyes bei den Senecas. The
nation of the Mahicanni is composed of three clans, the Much-quauh or Bear-tribc, the
Mech-cha-ooh or Wolf-tribe and the Toon-pa-ooh or Turtle-tribe, the right of chosing
674 PRIESTERMCHES UND STAATSWESEN.
kratischen Vorrechten, sondern eher wegen Verachtung der (bei
ihnen indess weniger, als bei den Lenape, unterdrückten und auch
im Rath zugelassenen) Frau, da ihr die Sorge für die Kinder über-
lassen wird, für welche der mit Besserem (oder Zusagenderem) be-
schäftigte Mann keine Zeit hat sich zu kümmern.
Sobald das Geschlecht in seiner Erweiterung zum Clan in staat-
liche Gliederung eintritt, wird sich aus practischen Rücksichten bald
die Erblichkeit im Mannesstamme') empfehlen, wie bei der römischen
gens, doch kann auch hier eine Periode des Mutterrechtes vorange-
gangen sein, wo die Verwandtschaft weiblicher Seite allein als solche
galt, in den Cognaten, und die väterlichen Agnaten^) (schon dem
Namen nach) nur als lose Anhänge betrachtet wurden. Unter der
neuen An.schauung wurde der Hegriflf der Cognaten zum allgemeinen
the Sachcra resided in the Bear-tribe (Barton). Unter den Iroquesen oder ^quanoscbioni
(das verbündete Haus) bezeichneten sich die Oneidas als O-nea-go-ta-au-cau (die I^utc
des aufrechten Stein's), die Onondagas als Onnontaguez (Bergleute), neben Senecas (Sen-
nagors) oder Isonnontoans, Mohawks (Gagnieguez) oder Agniez. The Mushkohge (Creeks)
were called Masguachki (swampy land). Natches signifies light-wood. Unter den Negern
Bambara's oder (nach El-Maghdad) Heno-Bas (Beni-Bcr) herrschen die röthlich- hellen
Massassi (Massas oder Maschash), welche ,,se rasent la moitie de la t^te et portent les
chevaux de l'autre moitie tombant en tresse sur l'epaule, avec un lourd anneau d'or"
(s. Faidherbe). Unter den Lybiem rasirten sich die Maxycs (nach Herodot) die eine
Hälfte des Kopfes, und ,,une longue tresse recourbee, passant par devant l'oreille et
retombant jusque !iur l'epoule, est la coiffure charact^ristique des Maschasch (s. Faidherbe).
als Stamm der Tuareg oder Tamacheq (Tamahoug oder Tamahou) auf den Monumenten
Aegypten's, welches unter Meremptah (XIX. Dyn.) durch die (blonden) Tamahou aus dem
Lande Tahennou (der Wolkenberge) bedrängt wurden , nachdem diese die Lebou oder
Rebou (Lybien's) unterworfen hatten. Bei der Heirath schneiden die Frauen der Payaguas
das Haar über der Stirn weg (und tättowiren das Kinn). Devenues veuves, elles laissent
croltre leurs chevcux et se peignent des larmes sous les yeux (s. Baguet) l>ei Assumpcion
gegenüber den Guaycurus (Machicuys, Tobas, Lenguas) im Chaco (die Cadigaios nördlich
von Paraguay, nach Matto Grossa zu). Am Hügel Kaulana-hoa, back of Kalae , island
of Molokai of the Hawaüan groupe steht ein Stein, ,,niarked with the donble trident in
two places" (s. Fornander) [PiscoJ.
0 Agnati sunt a patre cognati (in virilem sexum descendent<?s).
*) In Athen war bis Kekrops die Verwandtschaft mütterlicherseits gezählt, und in
des Orestes Freisprechung vor dem Areopag wurde durch göttlichen Ausspruch die Blul>-
vcrwandtschaft des Vaters anerkannt. In dieser Auffassung lässt sich auch eine Erklärung
für die Bestimmung in Draco's Gesetze finden, dass auf den Vatermord keine .Strafe ge-
setzt sei, was in später veredelten Verhältnisse so verstanden wurde, als wenn man ihn
unmöglich gedacht hatte. Bei den Araucanern dagegen wurde der Vatermord nicht be-
straft, weil der Sohn sein eigenes Blut vergossen hätte (s. Vidaure) und stimmt das mit
einer innerhalb des Stammes begreiflichen Betrachtung überein, obwohl der Staat später
den Mord nie als straflos zulassen konnte, da dersell>e (wenn er auch für die Stammes-
genossen keinen Murd bilden mochte) den Staat «loch immer eines nützlichen Bürgers be-
raubte.
XATIONAT.ITÄT. (i75
erweitert, und innerhalb dieses erhielten dann die Agnaten die durch
die Umgestaltung nothwendigen Vorrechte. Die cognatio naturalis
(wie E. Lange bemerkt) umfasste nicht nur die ,,a patre", sondern
auch die ,,a matre cognati".
Der Lar familiaris, als der Stammvater der Familie, wurde im
Lararium (neben dem Hausheerd) verehrt (im häuslichen^) Dienst.
Nach den drei Beziehungen im (römischen) Namen (als nomen,
praenomen und cognomen) werden die Sacra privata von dem Indi
viduum selbst angestellt , oder von dem Pater familias (der den
Schutzgöttern der Familie opfert) oder von der (jens, die aus ihrer
Mitte einen Opferpriestcr (flamen) für den Schutzgott der Familie
bestellt, ein Sacellum unterhaltend und dort die sacra gentilicia voll-
ziehend (die auch in den sacra publica vorkommen).
Bei der Erweiterung der Familie zur gens blieb die sacrale
Opfergemeinschaft, um auch die hinzutretenden Nichtverwandten ^)
zu einigen, und später wird (bei Cicero) das Characteristische für die
gcntilische Bezeichnung, nicht die Abstammung als solche, sondern
die edle oder adlige. Die (lens wurde im Nomen gefunden
in der Erblichkeit des (ursprünglich persönlichen) Cognomen oder
Stirps, wenn sich nach Gentilbeschluss ein Haus aus der Gens
abzweigte (s. Becker).
Unter dem zunehmenden Gewoge des römischen Staatslebens
waren bald die primitiven Formen, unter welchen die Gens aus der
Familie erwach.sen war, zerbrochen und unkenntlich, um sich im
politischen Sinn neu zu regeneriren. In ihm waren dann die Keime
gegeben, aus dem sich das nationale Leben im Germanenthum ent-
wickeln könnte, während die Staatenbildungen im Orient sowohl,
wie im alten America einen eigenartigen Typus trugen, gleich den
übrigen Erzeugnissen dortiger Natur.
Wenn der Mensch für den Menschen den letzten Zielpunct seiner
Studien bildet, und wenn die Lösung dieses uralten Problemes eigner
Selbsterkenntniss neuerdings der mit den Hülfsmitteln der natur-
•) Die Penates sind die Schulzgötter des Peniis (der Vormthsknmmcr des Hauses)
cwler (nach Varro) die magni und principes dii.
*) Geutilis dictu«; et ex eodem genere natus et is i\\n simili nomine .ippellatur (PauhK
Diaconus). Ovdiv tuf^ nVfitrrog aXXtj).ovg rjQoütjxoyn^ i<).X itno lov rtohnxov yivovs
o'üro^ xtxJwyofjifyo$. Kn lo <pje tmava al parentesco , tenian un arbol pintado y en el
siete Tamos que significava siete grados ile parentesco (bei den Pipiles).
43 "^
676 PRIESTERIJCHES UND STAATSWESEN.
wissenschaftlichen Methode ausgerüsteten Ethnologie gestellt zu sein
scheint, so hatte sich dieser junge Forsehungszweig zunächst den
Boden vorzubereiten, auf dem ein solchen Ansprüchen gerechtes
Wissenschaftsgebäude errichtet werden könnte.
Diejenige Methode, der die Naturwissenschaft, seit Einführung
derselben, ihre jetzt unaufhaltsam fortschreitenden Triumphe zu
danken hat, die deshalb die naturwissenschaftliche genannte Methode,
basirt auf Induction und Vergleichung, und mit diesen unfehlbaren
Waffen wurden alle Siege nach einander erkämpft, die mit Einreihung
auch der Physiologie in den Stufengang der Schwester- Wissenschaften
bis an die (augenblicklich noch bestrittene) Grenze der P.sychologie
geführt haben.
Die Ethnologie hatte also, um den Vorbedingungen der Induc-
tionsmethode zu genügen, einmal die entsprechenden Vergleichungs-
puncte für die Betrachtung des Menschen au gewinnen und dann in
möglichster Vollständigkeit die Materialien zu sammeln, die in induc-
tivem Sinne als Bausteine zu dienen vermöchten. In ihrem anthro-
pologischen Theil hat die Ethnographie die Anhaltspuncte zu sichern,
aus denen sich die Brücke von der Physiologie zur P.sychologie wird
schlagen lassen, und in ihrem ethnologischen Theil hat sie aus der
Mannigfaltigkeit der Völkergedanken die vergleichende Psychologie
zu einer Völker -Psychologie zu erweitern, um die Bildungsgesetze
aufzufinden, unter denen der Menschengeist emporwächst.
Als vor wenigen Decennien erst, noch im Laufe der heutigen
Generation, der dunkle Drang, der überall und immer das Zauber-
wort für das Geheimniss der Schöpfung gesucht hat, sich dahin zu
klären begann, dass gerade die Ethnologie vielleicht berufen sein
möchte, in solcher Entscheidung mitzusprechen, fehlten noch jegliche
Vorarbeiten, um für dieses von schwankenden und noch zweifelnden
Hoffnungen getragenen Zukunftswerk auch nur ein erstes Fundament
zu legen. Es fehlten die Vergleichungspuncte, es fehlte das Material.
Von der Entwicklungsgeschichte der Menschheit war nur eine Phase
bekannt, nämlich die in der .sog. Weltgeschichte von Aegypteni,
von Assyriern, Babyloniern und Medern durch Griechen und Römer
zu den Germanen führt, eine zwar in vollstem Glänze der Cultur
aufsteigende Spirale, die den höch.st bekannten Stufengrad erreicht
hat, die aber doch immer nur einen kleinen Bruchtheil unserer Erd-
oberfläche begreift und die sich ausserdem für objective Betrachtung
um so geeigneter erweist, weil den Entwicklungsgang unseres eige-
nen Volkes ein.sch liessend. Aus diesem Mangel fliesst zugleich der
ElliNüLOGIE. 677
zweite, der des Materials, denn da die übrigen Geschichtsbäume der
Menschheit nicht bekannt, oder wenigstens nicht ernsthcher Beachtung
gewürdigt waren, hatte man von ihnen auch keine Früchte sammeln
können, während die von dem unsrigen geernteten sich zwar für eine
Philosophie der Geschichte verwenden Hessen, nicht aber für ihre
naturwissenschaftliche Behandlung. Wie in der Botanik die schmuck-
vollen Blumen, die schattigen Waldriesen, erfrischende Säfte und
berauschende Düfte die ihnen gebührende Feier in den ästhetiscjien
Kunstschöpfungen der Dichter von jeher empfangen haben und stets
empfangen werden, wie aber eine wissenschaftliche Botanik erst ge-
boren wurde, als man in den vorher verachteten Kryptogamen, in
den Moosen und Algen , das Gesetz der Zellbildung zu erforschen
strebte, so muss auch neben den historischen Betrachtung eine ethno-
logische Platz greifen, um in einer allgemeinen, wenn nicht Welt-,
so doch Erdgeschichte, den Menschengedanken *) in all seinen Mani-
festationen und durch die geographische Umgebung bedingte
*) Die Hedeutung der Ethnologie liegt vor Allem in der jetzigen Richtung unserer
Wissenschaft, die Welt ihren natürlichen Verhältnissen nach zu verstehen und die Stellung
des Menschen innerhalb derselben zu bestimmen, pass der Measch der Ausgangspunct und
das Endziel aller Forschung sei, erschien schon im Alterthum aus sich selbst klar, da sich
nur im eigenen Bewusstsein das des Seienden trägt. In denjenigen Zeiten, wo man die
Krde als Mittelpunct des Weltalls setzte, den Menschen als den Herrn der Erde verherrlichte,
und somit in ihm den eigentlichen Kern des All's sah, schien es leicht, die Fragen nach
seiner Bestimmung zu lösen und ihn seinem normalen Werthe nach zu fixiren; denn in
ihm, als dem mikrokosmischen Centrum des Seienden, mussten alle Radien des Makro-
kosmos kreuzend zusammentreffen und einander durchschneiden. Der Mensch durfte des-
halb gegründete Hoffnung hegen, durch die Betrachtung der in seinem Geiste gebildeten
Denkfiguren die 'Ihalsachen der Aussenwelt, deren .\!)bild sie seien, zu reconstruiren und
durch eingehende SelV)stbeschauung >eines Mikrokosnu>s d^e grosse Welt des Makrokos-
mos um sich her zu verstehen. Dies ist deshalb auch der Weg , den wir von allen
Philosophen früherer Jahrhunderte eingeschlagen sehen. F'ntweder suchten sie aus
logischen Deductionen in ihren Mubjcclivcn Denkgesetzen diejenigen Gesetze wieder zu
erkennen, die die Welt des (.^bjectiven regierten, oder sie hofften durch träumerische
Versenkung m die Mystik der Gefühlswelt die Mysterien zu entschleiern , unter welchen
sich die Gottheit hinter der Welt der Formen verbarg. Beiderlei Bestrebungen hatten
nach der damaligen Weltanschauung ihre gute Berechtigung. Sie vermochten es, dem
einwohnenden Streben des Cieistes zu genügen, der im harmonischen Einklang mit seiner
Umgebung den einheitlichen Ruhepunct verlangt. Wir finden deshalb auch bei allen
Völkern, sobald die Bedürfnisse des geistigen Lebens gebieterisch genug wurden, um ihre
Befriedigung zu erheischen , dass man die in jenem gestellten Fragen auf deductivem
Wege zu lösen suchte, bald wenn das Volk noch in dem sogenannten religiösen Stadium
stand, durch gläubige Hingehung an die mythologischen Phantasiebilder, die es aus
eigenem Innern in das Jenseits projicirl hatte, bald, wenn zum philosophischen Stufen-
grade fortgeschritten, durch dialectische Erörterungen über die Denkprocesse , in denen
man, \vie in einem verkleinerten Grundriss, sich befähigt hielt, die Schöpfcngsproc-^sse
678 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
Varietäten in dem genetischen Aufsteigen von niederen zu höheren
Bildungen zu verfolgen.
Hieraus ergiebt sich die Bedeutung, welche die Naturvölker für
die Ethnologie besitzen müssen. Bei ihnen finden wir den Mensch-
heitsgedanken (d. h. den Völkergedanken, der als normaler Durch-
schnitt den secundären Einzelngedanken vorhergeht) in seiner ein-
fachsten und primitiven Form, durchsichtig und klarj wie das niedere
Zellengebilde, und deshalb deli Durchblick des Wachst humsgesetzes
erleichternd, dessen Verständniss dann den erforderlichen Schlüssel
liefern wird, um auch den Organismus complicirter Bildungen zu
zu öffnen, während in ihren labyrinthischen Verschlingungen, ohne
derartig leitenden Faden, beständige Verirrung auf Nebenwege drohen
würde. In dem Studium der Naturstimme hat also die Ethnologie,
im Grossen und Ganzen wieder erkennen zu können. In unserer Gegenwart liegt die
Sache anders und es ist dem Menschen weniger leicht gemacht. Die vorwitzige Neugier
des Menschen hat ihn um seine behagliche Kühe in dem Miltelpunct des Bestehenden
gebracht, sie hat ihn auf einer rollenden Kugel hinausgeschleudert m das unendliche
Weltall , wo seine Erde umherkreist , ein Pünctchen unter Stemenpünctchen , in deren
zahllosen Fülle sie fast unbemerkt verschwindet. Niemand hat ungestraft vom Baume
der Erkenntniss genossen. Der in dem Geiste entwickelte Gedanke ruft einen neuen
Gedanken wach , der Gezeugte zeugt weiter , und bald dehnt sich in unabsehbarer
Weite ein Forschungsfeld nach dem andern vor den Blicken aus, ohne dass wir den um-
gränzenden Abschluss mehr , als in den allgemeinsten Umrissen , zu unterscheiden ver-
möchten. Gewiss ist augenblicklich nur, dass des Menschen eine Reihe langer und
schwerer Arbeit erwartet, um die verlorne Harmonie, den Einklang mit dem umgebenden
All auf's Neue herzustellen. Die Lage des Menschen ist jetzt eine weit ungünstigere als
die seiner Vorväter, denn sie ist nicht mehr eine centrale, sondern eine excentrisch, an
eine noch undefinirte Stelle des Kreises verlegte; er mOss also von vornherein jede Hoff-
nung aufgeben durch Deduction aus seinem Sel])st heraus, das makrokosmische All ver-
verstehen zu können, denen die Rhadien der Peripherie schneiden sich nicht mehr in ihm,
sondern laufen nur ordnungslos vorüber, um in einem neuen Mittelpunct zusammenzu-
treffen. Diese Erkenntniss ist es, die in unsrer Zeit die inductive Forschungsmethode
inaugurirt und als die allein zulässige proclamirt hat. Vor den geschärften Gläsern der
Wissenschaft hat sich der centrale Herrscherthron des Menschen in trügerische Illusionen
aufgelöst , und mit ihm ist jede Hoffnung verschwunden , die Stellung des Menschen zur
Welt aus subjectiven Deductionen verstehen zu können. Allerdings hat der Mensch,
nach wie vor, sein eigenes Hewusstsein zum Ausgangspunct der Rechnungen zu machen,
aber er wird sich die ihm zukommende Stellung in dem umgebenden Makrokosmos erst
objectiviren müssen, um ihre genauere Position zu markiren. Dafür bedarf es, als erste
und nothwendigste Vorbedingung ein inductives Zusammentragen der vorhandenen Mate-
rialien , um aus ihrer statistischen L'ebersicht die leitenden Gesetze zu erkennen. Der
menschliche Geist bleibt der Träger jedes Wissens, der Geist selbst basirt auf seiner
körperlichen Gnuidinge und der Mensch als irdisches Geschöpf kann sich der Abhängig-
keit von der umgebenden Natur nicht entziehen, vermag indess in Folge der dort erhal-
tenen Anregungen durch die zunehmende Schwungkraft des Geistes in das Metaphysische ,
emporzuwachsen .
AMERICA. 679
(wenn ihr die wissenschaftliche Fixirung wenigstens einiger derselben
vor völligem Verschwinden noch gelingen sollte), die Stufen aufzu-
bauen, ohne welche die Geschichtshallen der Culturvölker den Natur-
Naturforschern unzugänglich bleiben, so oft er die idealen^) Flüge der
Philosophen zu controlircn wünscht; und bei der in den letzten Jahren
glücklicherweise vermehrten Arbeitzahl hat sich bereits einiges
Material zu verlässigen Thatsachen anhäufen lassen. Gleichzeitig sind
nun, seit der Globus durch Umseglungsfahrten abgerundet wurde,
in dem Fortgang der Entdeckungen neue Gruppen von Culturvölkern
zu /den früher in Europa und westlichen Asien vereinzelten getreten.
Dass in Ostasien mit Chinas alter Cultur ein Rivale erstehen würde,
liess sich bereits seit Marco Polo vermuthen, und wurde, seit Vasco
de Gama und Albuquerque die Seewege geöffnet, rasch zur Gewiss-
heit. In Indien erschlossen sich mit Ausdehnung der englischen
Herrschaft die heiligen Bücher der Brahmanen, und bald fielen Streif
lichter auf die Reiche Hinterindiens, auf die am Archipelagus bereits
verblühten, auf die in plötzlichen Umwandlungsprocessen verjüngte
Inselwelt Japans.
So ist bereits von der alten Welt der Geschichts-Horizont um
mehr als das Doppelte erweitert, zumal auch in Afrika, wo sich
Aegypten (nach classischer Auffassung) an Asien anschliessen mag,
aus dem Innern einige Halbculturen hinzutreten, die mit richtigem
Massstab gemessen bei Proportionsrechnungen allerlei wichtige Auf-
schlüsse zu geben vermögen.
Unserer alten Welt trat aber eine neue gegenüber, unserer öst-
lichen Hemisphäre eine westliche, als die von Columbus eingeschla-
genen Pfade zwar nicht nach Zipango und Kathay, jedoch für seine
Nachfolger zu den Culturstaaten des nördlichen und südlichen Ame-
') Sucht man die ovcta ausserhalb dem ihr von Aristoteles in dem vnox%ifU¥Ov bei-
gelegten Character (über diesen hinaus) , so stösst man bald auf jene Schwierigkeit,
angesichts welcher die Gnostiker schliesslich die Materie ganz und gar dualistisch aus-
fallen liessen. Ebenso wenig andrerseits darf die Substanz im Sinne rhetorischer Dialec-
tic auf einer tabula logica den Kategorien neben den accidentia angereiht werden, indem
sie sich eben nur in der Wechselwirkung des Subjectiven und Objectiven fixiren lässt, in
jenem Durchschnittspuncte (gleichsam gemeinschaftlichen Endpuncten der loca plana),
die innerhalb des deutlichen Gesichtskreises im Centrum des eigenen Auges (innerhalb
einer, als unendlich und ewig, des oqog entbehrender Welt) einen nächsten Anhalt zum
Aussetzen bieten, und so erst jenes ,,lux interior" entzünden würden, worauf zur Ver-
dunkelung der heidnischen Disciplinen gläubig gehofft wurde, höchstens unter beihelfendcr
Hervorrufung durch die Qinque voccs. Substantia (bei Cicero) neben essentia (atque
entia), oiütay, quam Plautus oder (nach Spalding) Flavius essentiam vocat (s. Quintilian).
fo ti ^¥ tlyiu ovüia, tovtov di loyos o o^uffiog (^ Aristoteles).
680 PRIESTERLICHES UNI) STAATSWESEN.
rika, nach Peru und Mexico, führten. Hier in der That, wie aus den
Berichten der ersten Conquistadores genugsam hervorgeht, war eine
fremdartig neue Welt erschlossen, und ihr Studium verspricht um so
belehrendere Einblicke, weil es sich dabei um durchaus selbststän-
dige und abgeschlossene Schöpfungen handelt, die desto reinere Ver-
gleichungspuncte zu gewähren im Stande sind. Auch in Asien zieht
sich eine geographisch markirte Grenzlinie zwischen der geschicht-
lichen Entwicklung des Ostens und Westens hin, dennoch aber sind
bei steigender Sturmfluth mächtiger Geschichtsbewegungen oftmals
Wogen nach der einen oder anderen Seite hinübergebrandet, uqd
bald hat sich ein an der chinesischen Mauer gegebener Anstoss bis
nach Europa fühlbar gemacht, bald ist von Westen die Wellenbewe-
gung nach Osten übergespült.
Amerika dagegen bietet das Schauspiel einer zwischen weiten
Wasserwüsten isolirten Culturschöpfung, die trotz der von über-
seeischen Küsten her möglichen oder erkennbaren Einflüsse, in ihrer
Gesammtgestaltung als eine originell unabhängige aufgefasst werden
muss, und wenn als solche erforscht, durch Gleichungen mit den aus
der alten Culturgeschichte hergeleiteten Ergebnissen den dafür ver-
wandten Zahlen erst ihre relative Werthbezeichnung ertheilen würde.
Leider sind diese alten Culturen für immer verloren, versunken,
vergessen, und mit ihnen i.st gewissermassen einer Hälfte des Menschen-
geschlechts seine Geschichte abhanden gekommen. Vor dem unver-
mittelt schreckhaften Eingriff der asischen Rasse brach der amerika-
nische Indianer widerstandslos zusammen, schon wenige Jahre nach der
Eroberung war der charakteristische Typus der einheimischen Cultur
zerstört, und da diesen schriftlosen Völkern die Aufzeichnung der
Traditionen, wennüberhaupt geschehen, in vorläufig unentzifferten Hie-
roglyphen verschlossen bleiben, sind sie uns nur durch kritiklose Chro-
nikenschreiber überliefert, die allerdings eine ausgedehntere Masse von
Beobachtungen bringen, als gewöhnlich anerkannt wird, aber für Be-
nutzung derselben allerlei Cautelen erlangen. Die Aussicht für eine
Reconstruction der alt-amerikanischen Geschichte liegt in der Durch-
forschung der aus den Alterthümern erhaltenen Ueberreste, die allein
in unverfälschter Sprache von der wunderbaren Vergangenheit reden,
der sie angehören, und für dieselbe ein ebenso untrügliches, wie
überraschendes Zeugniss ablegen.
In Amerika treten uns die beiden Categorien entgegen, worin
man ethnologisch zu scheiden pflegt, die Naturvölker und die Cultur-
CULTUR-ENTWICKLUNG. 681
Völker, zwei Gradationen in allmähligen Uebergängen, zwischen denen
die Scheidungslinie nicht immer scharf zu ziehen ist.
Unter Naturvölker werden die sog. Wilden begriffen, die cultur-
losen Völker oder vielmehr Völker mit einem Minimum der Cultur,
da ohne jede Cultur die Existenz des Menschen als „Werkzeugver-
fertigendes Thier" undenkbar bleibt, denn dem nackt und bloss in's
Leben gestellten Menschen ist nur das Hilfsmittel des Geistes als
Waffe gegeben, um gegen die Natur zu kämpfen und seine Existenz
zu sichern. Dieser verhältnissmässigen Uncultur gegenüber, die Cul-
tur in selb.stständiger Lebenskraft aufgefasst, dürfen für ihren Beginn
erst dann die Keime ausgestreut gelten, wenn der Mensch nicht län-
ger an die Nothweftdigkeit der Existenzbewahrung gekettet, in freier
Geistesthätigkeit den Schmuck und die Behäbigkeit des Lebens
schafft, und über die Tagesbedürfnisse hinausdenkt , um die in der
Brust auftauchenden Räthselfragen zu lösen.
F'ür solche Culturentwickelung müssen zwei Bedingungen gegeben
sein, einmal eine klimatisch mittlere Natur und dann Erleichterung
des geselligen Verkehrs, welche beiden Factoren sich in verschiedenen
Rücksichten gegenseitig ergänzen. Dementsprechend finden wir selbst-
ständige Culturen nur im gemässigten Klima, das durchschnittlich mit
der mittleren Breite repräsentirt wird, aber auch in Berggegenden
niederer Breite durch die entsprechende Höhe gegeben sein kann.
Die arctische Natur tritt allzu feindlich auf, so dass der gesammte
Widerstand des Menschen in Anspruch genommen ist, um nur für
die Noth des Lebens zu kämpfen. Die tropische Natur ist wieder
eine allzu gütige und reichlich beschenkende, so dass die Reaction
erschlafft und das Leben in Unthätigkeit verträumt wird.
Es bedarf der gemässigten Natur um einmal die Reaction anzu-
regen, und nachdem der Widerstand überwunden ist, durch die
Freude des Siegs Gelegenheit zu geben, den Kampf freiwillig fortzu-
setzen, um eigene Geistesgüter zu erringen.
Aber auch hier würde bei isolirter Abgeschlossenheit eines ein-
zelnen Volkes immer früher oder später ein Abschluss erreicht sein,
bei dem sich der Mensch, wie früher mit seiner physischen Umge-
bung, sich jetzt mit der psychi.schen ins Gleichgewicht gestellt hätte,
und auf unverändertem Niveau verbleiben, wenn nicht neue Reize
einfielen, um beständig das Streben zum Weiterschaffen wach zu
halten.
Hierauf beruht das Erforderniss der anderen Vorbedingung, die
Nothwendigkeit der im Wechselverkehr der Völker günstigen Ver-
n82 PRIESTERLICHES UND STAATSWESEN.
liältnisse, damit im gegenseitigen Austausch der Ideen die Cultur in
immer höheren Spiralen aufsteige, bis zu den Regionen reiner Civi-
lisation.
In der arctischen Natur hindern Schnee und Eis, in der tropi-
schen undurchdringliche Waldmassen, während unter den auch in der
gemässigten gefundenen Hindernissen die Wüsten und Meere nur
auf den niederen Stufen Barrieren darstellen, und nachdem solche
einmal überwunden sind, grade um so wirksamere Hilfsmittel für Ein-
leitung des Verkehrs darstellen.
Hiervon zunächst abgesehen, finden wir als die ersten Adern, in
denen der Völkerverkehr strömt, die schiffbaren Flüsse, wodurch die
an dem oberen, mittleren und unteren Flusslauf, also unter verschie-
denen Umgebungsverhältnissen, lebenden Stämme in gegenseitigen
Austausch und Abgleich ihrer Verschiedenheiten zu treten vermögen,
und ebenso wird in den terrassenartig aufsteigenden Bergländern die
Förderung der Cultur wach gehalten durch den Verkehr zwischen
den verschiedentlich ausgestatteten Thälern.
Auf letzterem Boden erwachsene Culturen finden wir besonders
in der neuen Welt, wogegen in der alten die Cultur vorwiegend an
die grossen Flüsse geknüpft ist und, gleich diesen, zu dem von Häfen
ausgebuchteten Küstenlande führt, den Seeverkehr einleitend. Die
geschichtlichen Belege hierfür liegen auf der Hand.
Die geographische Lagerung der Länder zeichnet dann die ge-
schichtlichen Bahnen vor, durch deren Lauf weitere Entwicklung an-
geregt wird, bald in Verleihung höherer Civilisationseigenschaften,
bald in, den Boden für neue Saaten befruchtenden, Zerstörungen, und
stets im Wiederspiel jener Phasen, innerhalb welcher wir die Völker,
in- und durcheinander, auf und niedersteigen sehen.
ANHANG.
Hinsichtlich der Fahrten Vespucci's, die in Folge der dadurch ver-
anlassten Veröffentlichungen, den Anlass zu der Benennung America's
gaben, heisst es bei Vivien de St. Martin: „Les navires d'Hojeda
apres avoir touche aux Canaries traverserent obliquement l'Atlantiquc
en suivant a peu prcs la meme direction que Colomb, dans son
troisieme voyage, et vinrent atterrir a un point de la cote am^ri-
caine beaucoup plus meridional que lile de St. Trinidad, oü Colomb
avait aborde. En remontant la cote au N.-O. jusqu'au golfe de Paria,
reconnu par Colomb entre la Trinidad et le continent, Testime des
pilotes compta 200 Heues, ce qui place le point d'atterrage sur la
cote de Guyane, quelque part vers Sinnamari ou la Maroni. L'ex-
pedition explora fructueusement la cote des Perles, en continuant
d'avancer, ä l'ouest en longeant ce quon nomme aujourd'hui le
Venezuela, eile atteignit le golfe de Maracaibo, doubla la longue
peninsule, qui couvre au nord-ouest ce profond enfoncement de la
mer des Antilles, et ne s'arreta quaux environs des bouches du rio
Magdalena, pour cingler de la directement sur l'ile d'Haiti" (und diese
Expedition ,,ne differe pas de celle que Vespuce a succinctenient
decrite dans ses lettres comme etant son second voyage, bien qu'en
realite il n'eüt pris part ä aucune expedition anterieure). Dann folgt
nach der im Mai 1499 von Palos abgegangenen Expedition Alon.so
NiiWs (welche ,,venait non pas explorer, mais exploiter la cote des
Perles") die Vincente Yaftez Pinzons (18. Nov. 1499) „eile depassc
la ligne equinoxiale et le 20. janvier 1500 eile vient rencontrer le
continent meridional vers le 8 degre de latitude, la oü la cote bresi-
lienne projette au loin sur l'Atlantique l'angle Ic plus oriental du
continent americain" (beim Cabo de S. Agostinho oder S. M. de la Con-
.solacion). ,, Apres une pointe vers le sud la flotille revint au nord,
eile contourna l'angle que ferme la cote (au cap San Roque) et
suivil la cote au N.-O." (ju.sq'au golfe Paria et ä la cote des Pcrlcs).
686 ANHANG.
Nach dieser Expedition (verwechselt „selon les plus grands pro-
babilit^s, avec le deuxieme voyage d'Americ Vespuce") folgte die Reise
Diego Lepe's (1499- 1500) über Cap Augustin hinaus, Rodrigo de
Bastides' (rscx) 1502) zur Rccognoscirung der Tierra firme (sowie
Hojeda's, Juan de Cosa's u. s. w. bis 1509), neben Colons vierter
Reise (1502), wobei der Isthmus zwischen Honduras und Panama
erforscht wurde. ,,A travers cette suitc un peu confuse des explo-
rations espagnoles dans les terres nouvelles viennent se placer,
de 1501 a 1504 les deux dernieres navigations (la troisi^me et la
quatri^me) d'Americ Vespuce". Wenn es sich nachweisen Hesse, dass
Ve.spucci (bemerkt Varnhagen) Juan de la Cosa auf der Fahrt nach
dem Golf von Darien begleitet hätte, nous „aurions pour le navigateur
florentin un cinqui^me voyages (vor seiner Ernennung zum Piloto
Mayor).
On Wednesday, the 22 of Avril Cabral pcrceived the rounded
top of a mountain, on what he at first supposed to be as island,
and as they were then in he Holy Week or in the octavo of Easter,
he gave the mountain the name of Monte Pascoal. It forms part
of the chain of the Ay mores in Brazil. To the country he gave
the name of Vera Cruz or as it was afterwards called Santa Cruz,
which name it retained tili the importation from it into Europe of the
valuable dye-wood of the Ibirapitanga caused it to be called ßrazil
from the name, which for centuries had been given to similar dye
woods imported from India. On the 23 Nicoiao Coelho was depatched
to examine the coast. On the 24 they anchored in the bay afterwards
named Porto Seguro. On the i of May formal posse.ssion was taken
of the country for Portugal (s. Major), Caspar de Lemos wurde dann
mit der Nachricht nach Portugal zurückgeschickt. Am 20. Januar
desselben Jahres „Pinzon had discovered Cape St. Augustine'*, damals
Santa Maria de la Consolacion genannt (von Vicente Yanez Pinzon
und Arias Perez), und von Diego de Lepe, der einen Monat .später ab-
gefahren war, Rostro hermoso.
Zu Seite 5.
Als die von einem Schiffe aus Marseilles begründete Factorei
durch die portugiesische Regierung an Duarto Coelho Pereira über-
geben war: the line of coast between the Rio de San Francisco and
the Rio de Juraza was granted to him; he came himself, with bis
wife and children, and many of his kinsmen to begin the colony,
BRASILIEN. 6H7
and landed in the port of Pernambuco (through an opening in a
long stone reef). ,,0 que linda situagam para se fundar huma Villa",
Duarte Coelho is said to have exciaimed on beholding it, and hence
the town was called Olinda (s. Southey). Macedo unterscheidet, neben
Olinda (der alten Hauptstadt) Boa-Vista, als , .festländischen Stadt-
theil", von dem auf einer Insel (am Eingang der Barre Sao Antonio)
gelegenen Recife.
Zu Seite 7.
Auf Solis' Fahrt (1515) wurde die von den Tamoyos (zwischen
Goitacazes und Carijos) als Nitherahi oder Agua (Hi) escondida
(nithero) bezeichnete Bucht von Rio de Janeiro entdeckt.
Die Gebirgszüge neben der Hauptstadt begreifen „einen bedeu-
tenden Zweig der östlichen Kette, zu der die Züge von Bangü und
Jacarepagua im Süden gehören, bald nachher zieht sich die Tijuca
hin, bildet einen Halbkreis und trennt die Quartiere Larangeiras und
Cattete von Andarahy, EngenhoVelho, Rio Comprido u. s. w., die
sich an der entgegengesetzten Seite hinziehen, endet aber schliesslich
in der Mitte der Stadt unter der Bezeichnung Santa -Teresa- Berg.
Ausserdem sieht man in verschiedenen Theilen der Stadt Berge sich
erheben, wie der San Antonio, der dem fast am Meere liegenden
Castellberge sehr nahe ist. Diese Berge scheinen die Endpunctc
der Tijuca-Kette zu sein, sowie der Gloria-Hügel, welcher gleichfalls
am Meere liegt, und andere, die bis Botafogo laufen. Südlich von
der Hauptstadt erhebt sich der culminirende Pic der Tijuca, der
höher, als der Corcovado, die Gavea und der am Eingang der Bai
von Rio de Janeiro belegene Zuckerhut (Pa"b de Assucar) zu eincM*
beträchtlichen Höhe steigt (s. Macedo).
Der Pa"b de Assucar bildet die Füsse des Riesen, der Corcovado
die Kniescheibe, die Dous Irmaos (Tijuca und Pico do Papagayo)
die über den Bauch gefalteten Hände und die Gavia (Lord Hood's
Xose) den Kopf
Die Gebirgszüge der Provinz Rio de Janeiro (nach J. M. de Macedo)
erheben sich in folgender Reihenfolge: Die Serra Batatal (auch in
Espirito Santo), Gaviao, Frecheiras, Sa"b Antonio c Mantiqueira und
später in der Richtung von Westen nach Süden das Carioca-, Ariro-,
Bacaina-, Geral- und Paraty- Gebirge. Im Innern, wenn man die
Provinz durch den F'luss Parahyba getheilt annimmt, zeichnen sich
im nördlichen Theile die der Serra da Mantiqueira zunächst belege-
688 ANHANG.
neu Züge da Pedra Seilada, das Minhocas, do Rio Bonito, de Tay-
nara, das Cruzes und das Aboboras in dem Landstriche aus, welcher
bis zum Ufer und Zusammtfnfluss der l^arahybuna reicht. An der
anderen Seite der Parahyba folgen, von Westen ausgehend, die Ge-
birge das Lages, itaguahy, Pirahy, Macacos, Rodeio, dos Mendes
und Santa Anna, ausser anderen mit verschiedenen Namen, die nur
Oertlichkeiten bezeichnen, nicht aber besondere Gebirge, während
einige der genannten einen vollkommenen, fortgesetzten Zug bilden.
Sodann entwickelt sich nach Osten , nahe dem Meere , das Orgel-
gebirge, welches sich wie eine ungeheure Mauer angesichts des west-
lichen Theils der Bai von Rio de Janeiro erhebt, auch örtliche
Namen annimmt, wie Gebirge von Theresopolis, Estrella, Petro-
pohs u. s. w., sich von Norden nach Nordosten mit mehr oder
weniger interessanten Zweigen zieht, die verschiedene Namen führen,
wie Kette von Paquequer, Sa<) Joa"b, Capini, Agua Quente, Macacü,
Santa Anna, Friburgo, Imbe, Macapä, die in nördlicher Richtung
in's Innere laufen, während das von Sab Joao, woraus der gleich-
namige Fluss, der in der Barra de Santo Joao au.smündet, entspringt,
und die von Crubixaes, Santo Antonio, Quimbira, Berta, Iriry und
andere, die sich nach Osten wenden und näher dem Meere zeigen
(dann locale Bezeichnungen, wie Subaio, Macahe u. s. w.). Alle
die Züge des südöstlichen Theiles der Provinz, der sich zwischen
dem rechten Ufer des Parahyba und dem Meere ausdehnt, gehören
augenscheinlich dem System der östlichen Kette oder Serra do Mar
an. Die des ausgedehnten Bezirkes zwischen der Mantiqueira und
dem Flusse Parahybuna an der andern Seite des Parahyba sind oder
.scheinen^Verzweigungen oder Ausläufer der Cordillera do Espinhago
zu sein. Die Grenzgebirge des Westens und Südens gehören zur
östlichen Kette (s. Nogiieira und Schiefler in Uebers.).
„In der Serra do Mar, welche sich an der Küste hinzieht, sind
Granit und Gneiss die herrschende F'elsart. Das Orgelgebirge in
der Gegend von Rio de Janeiro i.st ein Theil derselben. Der Granit
erstreckt sich nordwärts bis an die Fälle des Rio Jequitinhonha oder
Belmonte und des Rio Maranhao bei S. Pedro d Alcantara. In den
Niederungen stösst er in vielen mehr nach Westen liegenden Puncten
der Capitania Minas (leraes und Goyaz zu Tage" (s. Pohl).
Serra dos Orgaos (separada da Cordilheira dos Aimores pelo
rio Macacü) offerece uma serie de pontas ou picos inaccessiveis que
se parecem com os canudos dos orgaos, o maior dos quaes se aclia
3600 pes acima do Nivel do Mar (s. Ailliaud). Der Pao d'Assucar
LA PL ATA. 689
scheint hingestellt „como de industria para indicar a entrada da
Bahia de Nitherohi ou do Rio de Janeiro. Nelle fenece a serrania
que jaz ao occidente da entrada da Bahia, e parece ser os pds do
gigante ou genio que preside aos destinos do Brazil, quandö com
attentos olhos do alto mar o contemplao as pessoas dotadas de
imaginagao Antolha-se-lhes deitado o gigante, e com os ondulagoes
dos picos das Serras fronteiras al mar, cuidäb distinguir-lhe a cabega,
pescogo, peito, barriga e joelhos. O cume deste enorme penhasco
asemelha-se a um pao d'assucar" (de puro granito).
Zu Seite 8.
The Brazil current (gleicher Quelle mit dem nach der caribischen
See strömenden St. Roque's) is supposed to be divided by Cape
St. Roque, one branch going to the south under his name, the other
to the westward. This last has been a great bug bear to navigators
principally on account of the difficulties, which a few dull vessels
falling to leeward of St. Roque have found in beating up against it,
bemerkt Maury, und weiter über „the St. Roque current": This current
has been an obje'ct of special investigation during my researches
connected with the Wind and Current Charts and the result has
satisfied me, that as a rule it is neither a dangerous nor a constant
current, nothwithstanding older writers. Horsburgh, in his East
India directory cautions navigators against it and Keith Johnston, in
his great Physical Atlas, published in 1848, thus speaksofit. „This
current greatly impedes the progress of those vessels, which cross
the equator west of 23** west longitude, impelling them beyond
Cape St. Roque when they are drawn towards the northern coasts
of Brazil, and cannot regain their course tili after weeks or months
of delay and exertion". So far from this being the case, my
researches abundantly prove, that vessels, which cross the equator
five hundred miles to the west of longitude 23 ^ have no difficulty
on account of this current in Clearing that cape (1874).
Zu Seite 9.
Nachdem bereits Sanlucar (1508), Juan Diaz de Solis und Vicente
Yaftez weit nach Süden gelangt waren und Solis (1512) in den La-
Plata eingefahren und die Mündung des Parana Guazü erreicht haben
soll (nach Azara), folgte dann (1515) die Fortsetzung dieser Ent*
Bastiao: America. I. 44
. •
690 ANHANG.
deckungen auf den ebenfalls von Juan Diaz de Solls befehligten Schiflfen,
welche „entraron en un puerto que SoHs denominö de Candeiaria"
oder (wie vermuthet wird) „el actual puerto de Maldonado" (s. Lobo
y Riudavets). „Aqui tomaron posession del pais por la Corona de
Castilla, y penetraron luego por una grande abra, ä la que dieron
el nombre de. Mar dulce por lo poco saladas que eran sus aguas
(und Martin Garcia fuhr den Solis bezeichneten Fluss') bis zu der
nach ihm genannten Insel aufwärts).
Die Quellen des Paraguay liegen in der Nähe der des Tapajoz,
als Arihos (während der Juruena westlicher entspringt) in dem Sumpf-
terrain der Sieben Lagunen. Ueber die grosse Wasserscheide in
Südamerica (eine Sierra de Vertientes) bemerkt Haenke: „La cordillera
interior 6 la de los Andes que desde Quito, con corta diferencia,
siguiö el rumbo de N.-O. a S. E. äntes de llegar ä los confines de
la provincia de la Paz en los i6^ de latitud austral, forma primero
una incurvacion 6 un seno considerable y de el variando su rumbo
antiguo, tuerce ahora mas al estc, apartändose de este punto mas ä
lo interior 6 al centro del continente. Hsta variacion causa el efecto
de producir en corta distancia el punto ö la linea notable que deter-
mina la direccion y el curso de las aguas ä ambos lados, quiero
decir al N. y al S. ä los dos comunes desaguaderos de todo el con-
tinente, el rio de las Amazonas y de la Plata. Esta linea importante
cae algo mas adelante de los i8® de latitud austral y aparta las
aguas de uno y otro lado segun la declividad y la caida, que pre-
sentan las serranias al N. ö al S., y el rio de las Amazonas recibe
ahora por la internacion mayor de la cordillera häcia el este, no
solamente sus aguas del poniente, sino tambien del sur, y aun un
gran parte de ellas del mismo este".
La fleuve de la Plata commence par 34** lat. S. ä la reunion du
Parana, qui vient du nord-ouest avec l'Uruguay, lequel descend
directement du nord. Les deux rivieres, en melant leurs eaux,
forment un courant d'eau douce, qui a d^s labord une largeur de
8 Heues et va s elargissant successivement jusqu ä ce qu'enfin, 70 Heues
plus bas, entre les caps Sainte- Marie (34'' 37') et Saint -Antoine
(36^ 19'), il se confond avec l'ocean (s. de Moussy).
*) Nach Cabot's Verkehr mit den Albeguas, Caracaras und Timbus gab er an
Calderon und Barto neben dem in Spanien abzustattenden Bericht einige Indianer mit
und (um die Entdeckungen herauszustreichen) les ocurriö adomar los Indios que llevaban
con planchuelas y otras bagatelas de plata en las orejas, cuello y brazeletes, dando ^
entender eran adomos usados en su pais (des Rio de la Plata).
PARANA. 691
Jenseits des Salto grande (als Ende der Schifffahrt) der Uruguay
,,regoit les branches tr^s-secondaires, designees sous le nom d'Uruguay-
Pita et d'Uruguay-Mini, puis le Rio-Pepiri-Guazu, limite entre la Con-
federation et le Brasil. Enfin la branche principale, appel^e par les
Bresiliens Rio-de-las-Canoas, cache sa source au milieu des montagnes'
boisees de la province de Sainte- Catherine, entre le 27^ et le 26®
degr^ de latitude, formant ainsi, depuis les Missions, un grand demi-
cercle dont Fextremite superieure va chercher Test".
Die Quelle des Parana (auf der ^Wasserscheide des San-Francisco
und des Paranahyba) „est non loin de la ville de Goyaz ä Torigine
du ruisseau Corumba, lequel, grossL par des torrents sans nombre,
forme d^jä une puissante rivi^re pres du village de Bomfin. Comme
affluents principaux, ce cours d'eau regoit le Paranahyba, qui ne lui
est pas inferieure en largeur, le Rio-das-Fornas, remarquable par une
belle cascade de 63 m^tres de haut, puis plus au sud, le Rio-das-
Velhas, et plus bas enfin le Rio-Grande, qui prend sa source par
21** pr^s du bourg de Queluz, arrosant ainsi une partie du sud de
la province de Minas. Cest a partir de la jonction de cette demi^re
rivi^re que la Corumba, qui a change plusieurs foi le nom, perd celui
de Parana". Die Vereinigung mit dem Paraguay erfolgt unterhalb
der Vuelta de Humaita, nachdem jener bei der Vuelta de la Mon-
terita den Rio Vermejo aufgenommen, entstanden aus „la reunion de
varias fuentas en las alturas de Tarija" (s. Arenales), wie der Pilco-
mayo in den Höhen von Potosi (provincia de Porco).
Nach der Ermordung*) Juan Diaz' de Solis, begannen die Kriege
mit den Charrua (s. Felix de Azara). Desde el principio quisieron
los Espaftoles fijarse en su pais, haciendo algunas obras en la colonia
del Sacramento, luego un fuertecillo y en seguida una ciudad en la
boca del rio de S. Juan, y despues otra donde el rio de S. Salvador
entra en el Uruguay. Pero todo lo destruyeron los Charrüas, quienes
aunque no pudieron embarazar el que los Portugueses se fijasen el
afto de 1679 en la isla de S. Gabriel y en la costa immediata ä la
colonia del Sacramento, nunca les permitieron salir un paso de sus
murallas. Cuarenta y siete aftos despues se edificiö el fuerte y ciudad
de Montevideo, cuyos valientes Espaftoles rempujaron ä los Charrüas
hacia el Norte, wo sie sich nach Unterwerfung der Yaros und Bohanes
1) Auch die Expedition Cabot's erlitt schwere Niederlagen, ebenso die Ayola's mit
der folgenden, und der energische Character der dortigen Stämme tritt zugleich in der
Über das tragische Ende Lucia Miranda's (Hurtado's Gattin) erhaltenen Romanze hervor,
und in den Anschlägen der Timbue« unter ihrem Häuptling Mangold (Bruder Siripio's).
44*
692 ANHANG.
und Vertreibung der Ghanas, mit den Minuanes^) verbindend (noch
übrig von der Reduccion de Caiasta), mit Bogen und Pfeil, neben
der Lanze kämpfend, „jamas han conocido las bolas" der Querandis
(Puelches) oder Pampas, welche wieder „no usan arcos ni flechas
(mit Aucas und Verwandten, sowie mit Balchitas, Uhiliches, Tel-
melchis u. s. w. grenzend).
Die bei der Entdeckung angetroffenen Guaranis zerfielen in
Imbeguas, Caracaräs, Timbüs, Corondäs, Colastines, Tucagues, Cal-
chaquis, Quiloazas, Ohomas, Mongoläs, Acaai, Ytati, Tois, Tarois,
Curupaitis, Curumiais u. s. w. No hay mas Guaranis libres (1800)
sino los Chiriguanas y algunos Uamados Coaiguas (montesinos) en el
Paraguay, dann die Guaranis der Missionen, als ansässig gegenüber
den schweifenden Tupis^) (zwischen S. Angel und S. Javier). Ausser-
dem werden bei Azara genannt (s. Losada): Guayanas (am Rio
Guairai), Nalicubgas, Guasarapös, Guatos*), Orejones oder Aginteque-
dichagas, Niuquiquilas (Simanos oder Barcenos) oder Potereros
(Lathanos), Guanas*) (Apianche oder Chane) oder Sologuä (1673 den
Paraguay überschreitend), in Layana, Ethelenoe oder Quiniquinao,
Chabarana (Choroana) oder Echoaladi, Cainacono oder Nigoteribufe,
Ynmaeno Tay und Yamocö unterschieden („los Albaias les llaman
sus esclavos" wegen der geleisteten Felddienste), Albaias (Tajuanich
oder Guaiquiles) in Echiquebö, Gueteadebo und Catiquebö zerfallend,
Payaguas (Cadique oder Sarigues und Siacuas oder Tacumbus),
Guaycurus^) (durch Abortus ausgestorben, bis auf die Reste unter
1) Tienen de muy singular el que los padres solo cuidan de los hijos hasta des-
mamarlos. Entonces los entregan h algun pariente casado o casada, sin volverlos ä
admitir eu su casa ni tratarlos como hijos.
*) Die in Brasilien den Tupi (als Tupinambas mit Tamoyas) beigelegte Verallge-
meinerung (im Anschluss an die Lingoa general) wurde von den Missionären Paraguay's
den Guarani zuertheilt, und diesen friedlich umgestalteten „Kriegern" (bei Ruyz) erschienen
dann die Tupi wieder (in dem Character nördlicher Tapuyas) als wilde Barbarenhorden
(s. Azara). Los Guaranis de las Missiones ö pueblos del Uruguay , tienen terror pänico
a los Tupis. (La pusilanimidad es el cardcter que mas resplandece y distingue los
Guaranis).
') Luego que descubren que alguno les mira, se ocultan entre los juncos y espadadas
(ihrer Lagune).
*) Tienen la costumbre de que el primogenito del cacique, sea repatado por cacique
vivtendo el padre, de todos los que nacen algunas lunas antes y despues que ^1. Vor
der Heirath ,,estipula el pretendiente con la novia en presencia de sus padres y parieutes
el genero de vida comun y las obligaciones de cada contrayente (s. Azara).
*) Früher begruben sie die Todten sitzend, dejändoles la cabeza fuera cubierta con
una olla ö campana de barro cocido. In der Trunkenheit am Schluss des Jahresfestes
iicogen unos k otros la came que queden de un pellizco, y la atraviesan de parte a parte
ISTHMUS. 693
den Tobas), Lenguas (Juiadge oder Cocoloth) oder Cadalü (Quies-
magpipö oder Cochaboth), Machicius (Mascoi) oder Cabauataich (als
Cuomoquignion , Cabanatath, Quienuanapon, Quiabanataba, Cobaite,
Cobastigel, Eusegicpop, Quioaice, Quiomomcomel, Quioaoguaina,
Quiaimmanagua, Quiabanaelmaiesma, Quiguailieguaipon, Siquietiya,
Quabanapuaisie , Yoteaguaienceue, Painuhunquie, Sanguotayamoctae,
Apieguhem), Guimagas (Esaboste oder Cochabot), Guentuses, Tobas
(Natecoet oder Yncanabait^) , Pitilagas, Aquilot, Mocobis (am Ypita
oder Bermejo), Abipones (Ecusgina oder Quiabanabaite), Taraies (am
Rio Taurü) oder Bororös, Churripis (mit Vilelas), Quilmes (und
Calianos), Chanös, Porrudos (dann Chimenos, Caracaraes, Gorgotoquies,
Paizunoes, Estarapecocies, Canderoes, sowie Paisenos, Maigenos,
Cacocies u. s. w.).
Zu Seite 28.
El cerro de Santa Lucia llamado Huelen (dolor) por los primi-
tivos y supersticiosos habitantes del Mapocho, es y era una verdadera
maravilla antes de darse el primer golpc de azada que lo ha trans-
formada (folgt die Aufzählung: maravilla natural, historica, relijiosa,
urbana).
Zu Seite 351.
*
La Bahia de Fonscca es, segun el distämen do todos los nave-
gantes, el mejor puerto de toda la Costa occidental de continente
con un punzon de palo, ö con una gruesa espina de Raya. Lo mismo repiten con inter-
valos mientras dura el dia, sin quedar uno que no estd atravesado en las piernas, muslos
y brazos, desde la roufieca al hombro con intervalo de una pulgada de un agujero al otro.
Tambien se atraviesan de parte k parte muchas veces la lengua y el miembro viril
(s. Azara). Beim Tode ihres Vaters blieben (unter den Charruas) die Söhne nackt in
der Hütte verborgen, comiendo poco, y esto ha de ser Vuainbu 6 perdiz 6 sus hucvos.
La tarde segunda de este entierro, Ics atraviesa otro Indio de parte Ji parte la came,
que puede pillar, pellizcando el brazo con un pedazo de cafia larga un palmo, de modo
que los estremos de la cafia salgan igualmente por ambos lados. La primera cafia se
clava en la mufieca, y se pone otra a cada pulgada de distancia siguiendo lo esterior del
brazo hasta la espalda y por esta. Las cafias son astillas de dos ö cuatro lineas de
anchura sin disminucion sino en la punta que entra. En esta miserable y espantosa dis-
posicion se va solo y desnudo al bosque ö a una loma ö altura, Uevando un garrote
punleagudo con el cual y con las manos escava un pozo que llegue al pecho. En el
pasa de pi^s el resto de la noche y ä la mafiana se va a un toldo ö casa , que siempre
tienen preparado para los dolientes, dondc se quita las cafias, y se echa dos dias sin
comer ni beber. AI siguiente y en los dias sucesivos hasta diez 6 doze, le llevan los
muchachos, de su naciou agua y algunas perdices y sus huevos ya cocidos, y sc los dejan
cerca, retirändose sin hablarle.
694 ANHANG.
americaiio. Tiene cerca de 50 millos de largo de N. a S. 30 de
ancho. Tal vez estaba destinado a ser un lago interior conio los
de Nicaragua, y es fäcil ver que estä situada en la misma direccion
de estos. Pero mas feliz, que aquellos, posee una entrada al mar
por una vasta escotadura de 18 millas de ancho. Las märgenes de
la bahfa estan desigualmente repartidas entre las tres republicas de
de Salvador, Honduras y Nicaragua. La primera tiene alli el puerto
La Union, la segunda el puerto libre de Amapala, en la isla de!
Tigre, y el puerto de La Brea, ä la extremidad N. de la bahia, ä
donde debe terminar el ferro -carril interoceänico de Honduras via
Comayagua y Puerto Caballos. La parte setentrional de la Bahia
presenta un archipi^lago de islas volcänicas muy interesantes. La
parte meridional que pertenece ä Nicaragua no tiene grandes islas,
pero presenta un frente de 26 millas de costa desde el paralelo de
Amatillo (13^3') hasta la punta del Rosario al Norte de la perinsula
de Conseguifla (s. Levy).
• Wie die Inseln der Fonseca-Bay (zwischen Nicaragua im Süden,
Honduras im Osten und San Salvador im Norden getheilt), gehören
Amapala (Tieger- Insel), Sacate Grande (Velasquez) und Disposicion
zu Honduras, während Conchaguita, Manguera, Perez und Punta Sacate
zu San Salvador zählen. ,,Der etwa 19 Seemeilen breite Eingang
des Golfes wird nördlich durch den Vulcan Conchagua (5720'), süd-
lich durch den Vulcan Conseguina (3800') begrenzt, welche Vulcane
als mächtige Riesenwächter der Bucht den Seefahrern sehr erwünschte
Landmarken darbieten. Durch die umfangreichen Inseln Conchaguita
(500' hoch), und Manguera (600' hoch), wie durch die Felsenklippen
der Farallones wird die Einfahrt in vier bestimmte und fast gleich
breite Canäle eingetheilt, die sämmtlich hinlänglich tief sind, um
auch den grössten Schiffen den Eingang zu gestatten" (s. yiUf und
Bai leer).
Zu Seite 439.
Die Stadt Acapulco liegt in der N.-W.-P2cke einer kreisförmigen
und sehr geräumigen Bucht, an einem natürlichen Hafen, der zu den
besten der Welt zählt. Jedenfalls ist dieser Hafen der sicherste an
der ganzen Westküste des americanischen Continentes. Es ist ein
von der Natur in den Granitfels der Küste gehauenes Becken von
fast 200 F. Breite. Die Einfahrt von W. und S.-W. ist bequem, das
Wasser tief, der Ankergrund ausgezeichnet, und selbst Linienschiffe
MEXICO. 695
können ohne Gefahr vor verborgenen Klippen hart an den felsigen
Ufern hinlaufen und überall im Hafen hinreichende Tiefe finden.
Die etwa 1V2 Seemeilen breite Haupteinfahrt wird östlich von Point
Bruja, westlich von Point Grifo begrenzt und fuhrt in der Richtung
NNO. per Compass nach der weit sichtbaren, 148 Fuss hohen, weissen
Felsenklippe Farallon de Obispo. Diese Einfahrt ist völlig rein,
29 — 30 Faden tief und daher ohne alle Gefahr. Der gewöhnliche,
vollkpmmen^ sichere Ankergrund ist südlich vom Fort, der Stadt
gegenüber, in ii — 13 Faden, muddigen Boden (y«^ und Baileer).
Die Bai von Acapulco, von welcher ehedem die reichen Manilla-
Gallionen ausliefen, mittels welcher Spanien den Handel zwischen
Mejico und den Philippinen unterhielt, bildet ein ausserordentlich
weites, von Granitfelsen rings umgebenes Becken gegen Süd-Südost
offen, und von Ost nach West mehr als 19,700 Fuss breit. Schiffe
können mit der grössten Leichtigkeit in die Bucht einlaufen, die
Einfahrt ist breit, das Wasser nicht zu tief, der Ankergrund gut.
Die Felsenküsten sind so steil, dass ein Linienschiff ohne alle Gefahr
dicht an ihnen hinlaufen kann; es findet fast überall 10 — 12 Brassen
Wassertiefe. Verborgene Gefahren sind nirgend vorhanden, und die
Schiffe liegen hier so sicher, als im Becken eines Dockes. Vom
Innern des Hafens kann man die See nicht sehen, so dass ein zu
Lande ankommender Fremder anfangs einen abgeschlossenen Binnen-
see vor sich zu haben glaubt. Die kleine Insel de la Roqueta oder
del Grifo liegt so vor der Bai, dass fnan durch zwei Pässe in die-
selbe einlaufen kann. Der schmälere Pass, Boca Chica genannt,
bildet einen aus Ost in West gerichteten Canal, und hat zwischen
der Punta del Pinär und der Punta del Grifo nur 800 Fuss Breite,
die Boca Grande aber, zwischen der Insel Roquita und der Punta
de la Bruxa, ist V2 französische Senmeile (20 auf den Grad) breit.
Im Innern der Bai findet man allenthalben 24 — 33 Brassen Wasser-
tiefe, mit Ausnahme der einzigen, kaum 130 Fuss breiten Untiefe
Santa Ana, auf welcher 1781 ein von Lime kommendes Handels-
schiff dieses Namens zu Grunde ging. Die Laxas, Felsen an der
Boca grande, der Farallon del Obispo und die kleine Insel San
Lorenzo bei der Punta de Icäcos bringen keine Gefahr, da sie
sämmtlich sichtbar sind. Man unterscheidet gewöhnlich den eigent-
lichen Hafen (puerto) von der grossen Bucht (Bahia). Jener begreift
den westlichen Theil der Bucht zwischen Playa grande und Ensenada
de Santa Lucia, und in ihm finden die Schiffe ganz dicht am Lande
einen ausgezeichneten Ankergrund in 6 bis 10 Brassen Tiefe. In
696 ANHANG. •
der grossen Bucht macht sich die Bewegung des Meeres von Süd-
westen her stark fühlbar, wegen der grossen Breite der Boca Grande.
Südöstlich der Punta de la Bruxa findet sich der kleine Hafen del
Marquez, eine Bucht von etwa Va französ. Seemeile Breite, welche
an ihrem Eingange zwischen i8 und 20, im Innern 8 — 10 Brassen
Wassertiefe hat. Auch diese Bucht könnte einen guten Hafen ab-
geben, ist aber bis jetzt wegen der Nähe der Bai von Acapulco
nicht benutzt worden (s. Mühlenpfordt).
Die von Reisenden in Südamerika vielfach bemerkte Unsicher-
heit, mit welcher die Eingeborenen den hervortretenden Berggipfeln
Namen beilegen, ^macht sich besonders auch an demjenigen Gebirgs-
rücken fühlbar, der sich, durch die Wege von Honda nach Antioquia
gekreuzt, als Wasserscheide zwischen dem Cauca und Magdalenen-
fluss hinzieht. So zeigt sich ein dauerndes Schwanken unter denjeni-
gen Schneebergen, auf welche bald die Bezeichnung Ruyz, bald
Herveo oder Isabelita angewandt wird. Bei meiner Anwesenheit in
Manisales wurde vorwiegend vom Ruyz gesprochen, und der neu ge-
öffnete Weg, im Unterschied von dem schon einige Jahre früher nach
Salamina (besonders für die Zwecke der Bergwerke in Marmato) be-
nutzten, als der über den Paramo de Ruyz bezeichnet. Darnach sind
auch die Angaben in der Reiseroute verwendet. Da indess bereits
Codazzi von einem allgemein gebilligten Gesichtspunct die gegenseitigen
Lagerungen in dieser Localität festgestellt hat, wird es vorzuziehen
sein, hieran festzuhalten, und lasse ich deshalb einen darauf bezüg-
lichen Auszug aus Perez: „Jeografia fisica y politica de los Estados
Unidos de Colombia" folgen, in Uebereinstimmung mit der Karte.
Desde el volcan de Purace inclina la cordillera acia ä N — E for-
mando el paramo de Guanäcas cuja altura en el Camino que con-
duce ä Popoyan, es de 3,518 metros, teniendo cumbres de 3,750.
Luego tuerce casi al N — O. por el paramo de Moras, con 3,670
metros de altura absoluta; mas volviendo pronto otra vez al N — E.
forma el nevado del Huila.
El Huila ostenta cual fuljente Corona, tres moles cubiertas de
nieves eternas, siendo la mas alta la del centro, pues mide 5,700
metros sobre el nivel del mar. En otro tiempo el Huila debiö ser
un volcan; hoi esta estinguido o en reposo. Desde esta masa de
hielos perpetuos, que ocupan una estension de i miriämetro, ya la
RüYZ. 697
Cordillera Central tiene una direccion bien marcada i siempre al N,
salvo una pequefta inflexion acia el E. hasta Barragan.
En dicho punto se destaca perpendicularmente al eje principal
de la cordillera, un macizo que arroja cortos ramales al E. i al N — E,
viniendo a terminar, o mejor dicho, a confundirse con una serie de
pequeflos cerros de diferente formacion jeolojica paralelos a la direc-
cion jeneral de la cor-dillera. Del flanco del Huila se desprende un
ramal o contrafuerte que, ramificado, encierra el valle lonjitudinal
del rio SaldaAa; al cual tributan sus aguas varios afluentes en forma
de abanico, pues tal es la division que hacen de sus cauces las hile-
ras de cerros que se destacan de la masa principal hasta el nevado
de Barragan, exornado por un pico llamado Ojo de santa Catalina,
revestido etemamente de hielo.
En este trajecto de 9 miriämetros estän los päramos Isabelilla
(3,490 metros de altura), Fraile (3,900), Chinche (3,500) Miraflores
(3,700) Cumbarco (3,400) i Barragan (4,000) en cuja mediania las fal-
das de la cordillera se estienden mas que en otra parte acia el valle
del Magdalena, ocupando una estension de 9,5 miriämetros, mientras
que al E. del pequefto nevado del Ojo de Santa Catalina, los flancos
escarpados concluyen de uno modo repentino sobre los llanos del
Chaparral, en terminos que su grueso de la cima al pie es de solo
S miriämetros.
La cordillera sigue casi al N, i luego se inclina al N — E. para
tomar despues su primitivo rumbo al N; sinembargo, en la montaAa
del Quindio vuelve otra vez al N— E, i va a buscarvel nevado de
ese mismo nombre.
En aquel espacio de 12,5 miriämetros se repite el mismo fenö-
meno, pues que los flancos en direccion al Uano del Espinal se
estienden desde la cima 8,5 miriämetros, al paso que los que van
acia las Uanuras de Ibagu^, escarpados i breves, miden solamente 4,5.
Lo mismo sucede entre el Tolima i la mesa de Herveo, los
cuales forman los limites australes i setentrionales de la sierra nevada
del Quindio. Parece pues que dondequiera que la cima de esta cor-
dillera se alza hasta el limite de las nieves perpetuas 6 lo pasa, la
elevacion se verifica a espensas de la base, la cual resulta mas
estrecha que cuando la elevacion no pasa de la rejion de los pära-
mos, i asi sucesivamente, halländose la anchura de la base en razon
inversa de la altura de las montaflas, como se observa mas al N. de
esos nevados, presentando la cordillera una estensa base acia el valle
del Magdalena.
698 ANHANG.
Cäldas decia en „El Semanario" que entra esas dos montaftas,
Tolima i Herveo, esta el päramo de Ruiz, que no es otra cosa que
una Sierra erizada de puntas diferentes i caprichosas, de las cuales
unas tocan al termino inferior de la nieve, otras lo pasan, i en fin
otras no llegan a el.
La distancia que ocupan estas montaAas es de 6V2 leguas, i los
nevados se subdividen asi : Tolima, Quindio, santa Isabel, Ruiz i mesa
de Herveo.
La altura de sus mas elevadas nieves, en el mismo orden, es de
S,6i6, 5,150, 5,100, 5,300, i 5,590 metros, cujo limite inferior se en-
contro a los 4,745, halländose neveros 300 metros mas abajo del
limite de las nieves perpetuas.
Casi al N. prosigue el eje principal de la Cordillera Central por
espacio de 4,5 miriämetros hasta el päramo de san Felix, donde se
orijina el rio de la Miel, Ifmite boreal por esta parte con el Estado
de Antioquia. La cordillera continuä luego por aquel Estado rami-
ficandose se diversos modos i disminuyendo en altura i magnitud a
niedida que avanza acia el N, hasta concluir deprimida en pequeftas
colinas en el Estado de BoHvar.
Bei T. C. de Mosquera heisst es:
„La cordillera central sigue en una direccion paralela ä la orien-
tal, desde los nevados de los Coconucos hasta la latitud de 4^ 46' 43''^
norte, en que esta la Sierra nevada de Quindio y su mesa mas ele-
vada la del Herveo, ä 4** 50', que calculö el General Codazzi, ä la
altura de 5,590 metros. Este ingeniero separa el Herveo del Tolima,
de Ruiz, de Santa Isabel y del Quindio, dändole ä Ruiz 5300 metros
de altura y ä Santa Isabel 5,100, colocando los dos primeros neva-
dos en el Estado de Antioquia y el ultimo en el Cauca. Por nuestras
propias observaciones, estos nevados son una sola cadena y sus
nieves son contiguas, y en sus faldas norte estan las fuentes del rio
Chinchina y del Guali, y queda alli la confluencia de los Estados
de Antioquia, Cauca y Tolima. A la latitud de 4" 46' 43" norte
comienza la Sierra nevada del Tolima, que juzgaban Humboldt y
Caldas ser la cima mas elevada de los Andes Colombianos, y la
estimö el primero en 5,584 metros de altura (2865 toesas). Caldas
dice, que la inmensa montafla de Tolima situada cuasi al occidente
del Observatorio de Bogota, es parte de la gran cadena nevada del
Quindio y que la masa cönica que la termina por el Sur es el Tolima
y la del norte la mesa de Herveo. Entre estas dos montaflas esta
el päramo del Ruyz, que no es otra cosa que una pefta erizada de
HÖHEN.
699
puntas diferentes y caprichosas, de las cuales unas tocan al t^rmino
inferior de la nieve, otras lo pasan y en fin otras no llegan ä ä.
Con una medida bastante exacta determinö Caldas que la ele-
vacion de Tolima era de 2882,7 toesas, es decir 5618,38 metros
y ä la mesa de Herveo le diö 2871 toesas en metros 5595,58,
de lo cual resulta una diferencia de altura entre el Tolima y Herveo
de 22,80 metros. Humboldt y Caldas no difieren cuasi nada, y nos-
otros creemos como Caldas, que es una sola Sierra nevada del
Quindio, y que no deben multipHcarse los nevados al hacer esta
descripcion. La estencion es de pocas leguas. La nieve perpetua
estä en esta Cordillera ä 4805 metros, segun observaciones de Cal-
das. Sin embargo, de todos los calculos cientfficos de este sabio
colombiano, dice en sus escritos, que desea mas exactitud, y
cuando escribia, se ocupaba en nuevas observaciones. Este pico
y Volcan del Tolima tiene häcia la parte occidental otros cerros
menos elevados que Codazzi ha llamado päramo de Quindio, pero
no es sino un mismo grupo de crestas nevadas, como hemos dicho'/
<i866).
Für einige der in der Reisebeschreibung genannten Puncte folgen
hier die HöHebestimmungen nach den Veröffentlichungen der Herren
Reiss und Stübel: „Alturas tomadas en la Repüblica de Colombia en
los aflos de 1868 — 1869" (Quito 1872) und „Alturas tomadas en la Re-
püblica del Ecuador en los aftos de 1871 — 1873" (Quito I. und IL, 1871
und 1873), werthvolle Geschenke (don de los autores), die mit solcher
Freigebigkeit gespendet, Hoffnung auf weitere Mittheilung aus den
Resultaten dieser vieljährigen Reise erwarten lassen.
Harranquilla
7
M.
Zipaquirä, plaza
2628 M.
Carare
124
Sutainarchan, plaza
2086 ,,
Nare
131
Leiva, plaza
2147 n
Honda
200
Tunja, casa Monteja
2764 .,
Santa Ana, casa del
Senor
Treffry 973
Ventaquemada
2600 ,,
Cruccs viejas
611
Hato viejo
2727 ..
El Salto, Sarjen to
1343
Choconti, plaza
2644 ,,
Guaduas, plaza
1036
Maniziles, plaza
2135 M
Alto del Raizal
174^,
Santa Barbara
1956 M
Bogota
261 1
Santa Rosa de Cabal,
plaza
1792 M
Ejipto capilla
2695
Cartago viejo 6 Pereira
i, pla/a
1424 ..
Guadalupe, capilla
3260
Mata de cafia, caserfo
1349 ..
Monserrate, capilla
3188
Cartago, plaza
912 ,,
Soachu
2552
Naranjo, plaza
935 ..
Tequendama, filo de arriba
2356
£1 Sarzal
9'9 M
7()0
La Paila, paso del rio
Tulua
Buga« plaza
Cerrito, plaza
Palmira, plaza
Call, plaza
Alto de las Cruccs de Cali
Quito
Puente del Machängara
Puente del Calzado
Arcadia, hacienda
Puente de Guamanf
Puente de Cutuglagua
Santa Rosa, altura del Camino entre
Quito y Mach ach i
Tambillo, tambo
Machachi, tambo
Puente de Jarobeli
Quebrada Union
Huinzha, altura del Camino entre
Machachi y Latacunga
Chisinche, cruz de Tiupullo
Santa Ana de Tiupullo, tambo
Pic del Cerrito de Gallo, carretera
Puente del Rio Cuilche
Puente del Rio blanco
Rumipamba, hacienda
Latacunga, plaza
Rio llluche, puente de la Concordia
San Miguel de Latacunga, pueblo
Rio Cutuchi, puento de Pansaleo
Pucarumi, hacienda
Unamunchu, altura del Camino entre
Latacunga y Ambato
Rio de Ambato, puente de la Liria
Ambato
Puente de Palagua
Mocha
Tambo de Chutjuiboquio
Tambo de Culebrillas (pie sureste
del Chimborazo)
Valle de Trasquilas, paso
ANHANG.
941 M.
Tambo de Totorillas
3910 M.
993 M
£1 Arenal, punto roas alto del Camino
4281 ,,
960 „
Panza, pi^ del Arenal
4>24 M
975 M
Quebrada Panza, paso
3323 M
lOII ,,
Loma Llangama
3450 n
1014 „
Rio Llangama, paso
3008 ,,
1487 ..
Chinibamba
3298 M
2850 „
Quebrada Quinoacorral, paso
3084 ,,
2776 „
Quinoacorral, hacienda
3184 M
2840 ,,
Tambo del Pucarä, Llilliucu
3024 „
2954 M
Guanujo, pueblo
2923 M
3050 M
Guaranda
2668 „
3055 n
Sanancajas
3607 ,,
San Andres, pueblo
3076 .,
3086 „
Riobamba, plaza
2798 ..
2802 ,,
Achupallas, pueblo
33«7 .»
2935 ..
Tres Cruces, punto mas alto del
3190 ..
Camino de Kspindola
4347 ..
3472 n
Puca-loma, cuchilla del Azuay
4445 M
Puente Espindola
3947 M
3604 „
Paredones, ediücios de los Incas
405» •»
3552 n
Travcssia de Paredones
4084 ,,
3>5o ..
Volarumi, Incaftan y Incatambo
3888 „
3123 M
Rio Cebadas, cerca d la hacienda
3069 „
Tajuntama
3065 M
2984 M
Incapirca, castillo de los Incas y
2848 ,,
hacienda
3I8I M
2801 ,,
La Playa, hacienda
3044 ..
2730 n
Rio Molobog en el paso de Guai-
2700 ,,
rapungu
3041 M
2668 ,,
Caspicorral, altura del Camino del
2745 M
Hueste
3490 ..
Sal, hacienda
2873 M
2792 n
Biblian, pueblo
2639 n
2509 M
Mangang
3016 ,,
2608 ,,
Delec, pueblo
2678 „
3040 M
Rio Delec, paso
2623 ,,
3284 „
Ilabshun
2818 ,,
3604 „
Sidcay, en el Camino
2582 ,,
Puente del Machängara
2493 u
3663 „
Cuenca, plaza
2581 ,,
3775 n
Die Vulcane Guatemalas finden sich bei Dollfus gruppirt: Volcan de Chingo.
Groupe du d^partement de Chiquimula, (Volcans d'Amayo, Cuma, Santa Catarina, Monterico
Ipala). Groupe de Cerro Redondo. Groupe du volcan Pacaya (cone principal 2550 M.),
Volcan d'Agua, 3i753 ^^* Groupe du volcan de Fuego (volcan de Fuego proprement
dit 4001 M., volcan d'Acalenango, 4150 M.). Groupe du volcan d'Atitlan cone principal,
3573 W« Volcan de San Pedro. Groupe de Quetzaltenango (volcan de St. Maria,
3500 M., Cerro Quemado, 3109 M.). Volcan de Tajomulco. Volcan de Tacana.
QUITO. 701
Einige peruanische Namenserklärungen folgen nach Villavicencio:
Allcu-chaca: Pucnte de perro (allcu). Mauca-yacu: Rio antiguo.
Allpa-chaca: Puente de lierra. Palu-urcu- Montafia de culebras.
Ata-huallpa: Polluelo hermoso. Papa-llacta: Pais de las papas.
Cajas*bamba : Piano de altura. Piscu-urcu: Montaila de pajaros.
Cajas-bamba : Lage de altura. Puca-rumi : Piedra roja
Cajas-flan: Camino de altura. Puca-yacu: Rio rojo.
Cajas urcu: Cerro de altura. Pucarä-cocha : Lago de la Fortaleza.
Caqui>bamba : Llano de los pies. I^uma-llacta : I^go de los leones.
Casba-urcu: Cerro de espinas. Rio-bamba (Ricbamba): Piano de viaje.
Casha-yacu: Rio de las espinas. Rumi-ftagui: Cara de piedra.
Chalhuu-cocha : Lago de peces. Supai>urcu: Montaila del diablo.
Chiri-yacu : Rio frio. Tiu-cajas: Altura de arena.
Chimba-yacu : Rio del frente. Tiu-pullu : Arena como nieblina.
Chuquipata: Pi^' de colina de los Chuquis Turu-bamba: Llano de lodo.
(danzantes). Turu-yacu: Rio de lodo.
Chuquipoyo: Vertiente de Chuqui. Uchuc-CQcha: Lago pequeÜo.
Cbimbu-razu : Nieve del Chimbo. Uchuc-yacu: Rio pequeSo.
Cundur-hatu: Reunion de los Cundures. Uisha-huasi: Casa de paja (ucsha).
Curi-yacu: Rio de oro. Uma-yacu: Rio de la cabezera (uma).
Huahua-yacu: Rio muchacho. Ynga-pirca: Paredes del Inca.
Huaira-pungo : Puerta del vicnto. Ynga-chungana : Juego del Inca.
Huaira-urcu: Montsifia del viento. Vahuar-cocha : Lago de sangre.
Ilatun-cocha : Lago grande. Yana-cocha: Lago negro.
Mapa-yacu: Rio sucio. Yana-urcu: Montafia negra.
Mauca-llacta : Pais antiguo. Yurac-yaou: Rio blanco.
„Los nombres de los lugares, montanas, rios, lagos etc., unos
traen su origen del antiguo idioma de los Quitus y se ignora su.
etimologia, otros parecen puestos en tiempo de los Schyris 6 Inca,
de estos unos se han conservado puros como Allpa-chaca, Caqui-
bamba (llano de los pies), Chuqui-pata etc., otros han sufrido la
alteracion 6 supresion de letras, como Cajas-bamba (Cajabamba),
Chimbu-razu (Chimborazo) etc., otros se han traducido 6 puesto la
mitad en espaftol y la otra ^n Quichua, como Verde-cocha, Limpio-
pungu etc., y otros, finalmento, estan traducidos del todo como
Rioblanco, Laguna grande, Montes negros, pero que los Indios no
han adoptado y los nombran tales come eran Yurac-yacu, Hatun-
cocha, Yana-urcu" (in Ecuador). Die Familia Jivara (an Zapara
grenzend) „habita entre los rios Chinchipe y Pastassa. Neben Quitus
(mit Puruhas^) und Chimborazos) werden Cayapas, Colorados, Jivaros,
') Auch im Gebiet des Marafion , am gleichnamigen Fluss (Purdz) und (als Puris)
in Brasilien (zwischen Paraiba und Espirito Sante) bis Guayana. Die Schlange am
Orinoco, deren bei der Verwesung hervorkriechende Würmer sich zu Cariben metamorpho-
sirten, war durch den auf die Erde gesandten Sohn des im Himmel weilenden Puru
getödtet.
702 ANHANG.
Zaparos, Anguteros, Encavellados, Orejenos/Avijira, Confanes unter-
schieden.
In Borinquen (Puerto Rico) oder Boricua (s. Pastrand) wird in
den Mischungen^) classificirt:
Espaflol con India sale: Mestizo. Albarrazado con Negra sale: Cambujo.
Mestizo con Espafiola sale: Castizo. Combujo con India sale: Sambaigo.
"EspaSol con Negra sale: Mulato. Sambaigo con Mulata sale: Calpan-Mulato.
Mulato con Espafiola sale: Morisco. .Calpan- mulato con Sambaigo sale: Tcnte-
Morisco con Espafiola sale: Salta-atrds. en-el-aire.
Salta atrds con India sale: Chino. Tente-en-el-aire con Mulato sale: No-te-en-
Chino con Mulata sale: Lobo. tiendo.
Lobo con Mulata sale: Jfbaro. No-te-entiendo con India sale: Ahi-estds.
Jfbaro con India sale: Albarrazado.
Cosas que ya pasaron (1875).
In Cuba (mit Resten der Eingebornen „en Carey y Tigudbos"):
de la mezcla de la raza blanca y negra resultan los pardos y los
mulatos (s. de la Torre). Ueber die Felszeichen in (Puerto Rico
und) Columbien s. Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde, Heft I.,
1878, sowie Zeitschrift für Ethnologie (1876 und 1877), mit anderem
auf die Reise Bezüglichem.
>) Aus den verschiedenen Mischungen der Indianer, Europäer und Neger gehen die
,, Pardos" hervor (in Paraguay), als Mestizo, Mulato, Cuateron, Salto -Atras (s. Azara).
La gente campesina (Paraguay's) es de todas las castas de hombres, wogegen die Gauchos
oder Gauderios (Montevideo's und Maldonado's) son por lo comun escapados de las cärceles
de Espafia y del Brazil, 6 de los que por sus atrocidades huyen a los desiertos (den
Raub nach Brasilien verkaufend).
DRUCKFEHLER - VERZEICHNISS.
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einzuschalten (einen auf dieser Fahrtrichtung denkwürdigen Namen
in die Erinnerung rufend).
Olindn statt Oliva.
cidade (ciudad sp.).
Pao de Assucar.
Isthmus.
Guanaco (Huanacu) statt Guanaco.
einzufügen: Atando mechones de Paja encendidos a las cuerdas
de las Bolas perdidas, lograron los Pampas incendiar algunas
emharcaciones y muchas casas cuando se fundö Buenos Ayres
(s. Azara).
sachlichen statt sachllichen.
war statt waren.
den statt die.
Bay statt Bey.
Antafagasta statt Autafagasta.
Cobija statt Cobiya.
Arica statt Aricd.
einem statt ein.
Pisco statt Piseo.
Pachacamac statt Pochacamac
(,,sich" zu streichen).
(,,das" einzufügen).
wurden statt wurde.
würde statt würden.
Prinzen statt Pompei.
autoridad statt antoridad.
und statt oder.
finden statt fanden.
Despoblado statt despablado.
dieser statt diese.
vor statt von.
(Carahuirazo) einzuschalten.
Peon statt Peos.
hatten statt hatte.
gebauten statt gebaute.
dem statt den.
eignen statt einige.
einen statt ein.
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DRUCKFEHLER - VERZEICHNISS.
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122 4
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II
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7 V.
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II
2 V.
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II
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19 V.
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3 V.
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413
II
I V.
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437
II
20 V.
0.
437
II
9 V.
u.
eintretendem statt mangelndem.
waren statt war.
jeden statt jeder.
Naranjal statt Naranzal.
hastigste statt heftigste.
im st^tt in.
Kinn statt Kinne.
in statt von.
lacticinios statt lacticimos.
hervorstehenden statt hervorstechenden.
würde statt wurden.
Sprachmengung statt Sprachreinigung.
in statt von.
weiter statt raubend.
Santiago statt Santiajo.
Cajamarca statt Cajamorca.
Callao statt Callac.
der statt den.
einigen statt engen.
den statt dem.
Guayaquil statt Guayoquil.
Juntas statt Juttes.
Call statt Cadi.
rio statt rico.
(tigres, als Jaguare) einzuschalten.
am statt das.
schneeige statt schneige.
nosotros statt nostros.
tenian statt teman (A.).
von statt in.
ihm statt ihn.
canelones statt canellones.
Austritt statt Ausritt.
braungrün statt baumgrün.
nach statt von (A.).
Nare statt Nore.
Chinandega's statt Chinandegs.
ein statt einen.
letzterer statt ersterer.
erstercn statt letzteren.
in statt s.
Abibe statt Abide (A.).
Vadillo statt Babadillo.
der (einzufügen), Zusammenbruch der Gl.
Acatenango statt Alotenango.