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Full text of "Die culturländer des alten America"

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I 


DIE  CULTÜRLÄNDER 


DES 


* 


ALTEN  AMERICA. 


VON 


A.  BASTIAN. 


ERSTER  BAND. 


BERLIN. 

WEIDMANNSCHE  BUCHHANDLUNG 

1878. 


Ein  Jahr  auf  Reisen. 


KREUZFAHRTEN 

ZUM  SAMMELBEHUF  AUF  TRANSATLANTISCHEN  FELDERN 

DER  ETHNOLOGIE. 


VON 


A.  BASTIAN. 


^■^ 


^ 


MIT  3  KARTEN. 


^^■S— WK^^B^^^^^^S^^^BH" 


BERLIN. 

WEIDMANNSCHE  BUCHHANDLUNG. 

187R. 


I 


VORWORT. 


Als  für  bestimmt  vorgezeichnete  Zwecke  unternommen,  wurde  die 
nachstehende  Reise  in  ihren  Kreuz-  und  Querfahrten  durch  praktische 
Rücksichten  bedingt,  und  geographischen  oder  ethnologischen  Ge- 
sichtspuncten  konnte  deshalb,  bei  der  Kürze  der  Zeit,  nur  gelegent- 
lich Rechnung  getragen  werden,  wenn  auch  die  letzteren,  mit  späterer 
Verarbeitung  der  zurückgebrachten  Sammlungen,  die  eine  oder  andere 
Erweiterung  zu  erhalten  haben  werden. 

Auf  dem  gegenwärtigen  Standpunct  der  Ethnologie  macht  sich 
besonders  das  Verständniss  der  altamericanischen  Cultur  als  dringendes 
Bedürfniss    fühlbar,    da   wir    in  ihr  vor  Allem  Aussicht  haben,    auf- 
klärende Parallelen  zu  dem  Studium  derjenigen  Völkergeschichte  zu 
gewinnen,    in   welche    unsere  eigene  einbegriffen  ist.     Der  östlichen 
Hemisphäre  gegenüber  gestellt,  bietet  ihr  die  westliche  reinere  Ver- 
gleichungspuncte,  als  die  auf  jener  selbst,  mehr  oder  weniger  scharf, 
abgegrenzten  Culturkreise    mit   einander,    und   reiner  Vergleichungs- 
puncte  bedarf  es  eben,    um   auf  statistischer  Grundlage  einen  objec- 
11^        tiven  Einblick  in  die  Wachsthumsgesetze  zu  gewinnen,  unter  welchen 
a:^        die  nach  der  Breite  ihrer  geographischen  Provinzen  variirenden,  aber 
^       in    der  Richtung   und  Aufeinanderfolge    der  Entwicklungsphasen  an 
c^        unabänderlich    normirte    Nothwendigkeit    gebundenen    Gesellschafks- 
'        Organismen  zu  geschichtlichen  Thaten  heranreifen, 
t  Geologie  und  Ethnologie  bilden  gewissermassen  die  Endwissen- 

schaften der  Erdgeschichte,  die  eine  fundamental  grundlegend,  die 
andere  zum  Abschluss  weiterstrebend.  Mit  der  Geologie  kommen  wir 
an  "die  Grenze  des  deutlichen  Wissens  im  Terrestrischen,  und  die 
kosmogonischen  Hypothesen,  zu  denen  sie  weiterführt,  verlaufen  in 
kosmische  Verhältnisse,  die  ihrem  Umfange  nach  unübersehbar  sind. 

401531 


i 


VI  VORWORT. 

Die  Ethnologie  betött  mit  der  Psychologie  in  der  Culturgcschichtc 
den  Boden  der  Philosophie  und  streift  bis  an  die  wandelnden 
Theorien  in  der  unermesshchen  Ausdehnung  des  geistigen  Gebietes. 
Zwischen  Geologie  und  Ethnologie  herrschen  für  das  Studium  die 
strengen  Vorschriften  der  Induction  und  verlangen  als  solche  ihre 
Anerkennung,  darüber  hinaus  treten  nach  der  einen  sowohl,  wie  nach 
der  andern  Seite  bedingungsweise  auch  Hypothesen  in  ihre  Rechte, 
aber  der  naturgemässe  Gang  der  Fortentwicklung  wird  an  schwer- 
heilbaren Schädigungen  kranken,  sobald  man  die  Ergebnisse  sub- 
jectiver  Vermuthungen  in  die  Rechnungsresultate  der  Induction  auf 
zumischen  sucht  und  den  deutlichen  Gesichtskreis  des  Wissens  auf's 
Neue  durch  die  Gefuhlswolken  des  Glaubens  zu  trüben  beginnt,  denn 
wenn  sich  auch  aus  ihnen  mitunter  ein  befruchtender  Regen  ergiessen 
mag,  so  dürfen  doch  die  Phantasmagorien  ihrer  leichtgeschichteten 
Umrisse  nicht  als  gleichberechtigte  Factoren  den  lebensvollen  Ge- 
stalten des  Realen  zwischengeschoben  werden.  Die  hier  zum  Besten 
der  psychischen  Gesundheit  gezogene  Linie  ist  in  ihren  unverrück- 
baren Grenzsteinen  zu  achten,  und  wer  leichtfertig  darüber  hin-  und 
herspringt,  macht  sich  eines,  den  Fortgang  des  Wissens  erschwerenden, 
Frevels  schuldig. 

Buntartig  gebrochen  tritt  uns  die  umgebende  Welt  entgegen, 
und  wenn  es  auch  im  Fortgang  des  Cultur  gelingt,,  die  facettenartige 
Zerstückelung  der  Vorstadien  zu  der  einheitlichen  Peripherie  des 
Horizontes  abzugleichen,  dürfen  wir  doch,  seit  das  gäocentrische 
System  versunken  ist,  in  solch  subjectivem  Abschluss  nicht  mehr 
den  absoluten  wähnen,  der  erst  nach  schwerer  Detailarbeit*)  in  seiner 
Bedeutung  zu  erahnen  sein  wird,  nicht  aber  in  idealistischen  Flügen 
zu  erhaschen. 

An  der  Spitze  einer  jeden  Culturepoche  sehen  wir  die  Gestalt 
eines  Propheten  hervortreten,  der  fiir  sie  das  bewegende  Schlagwort 
der  Zeit  ausspricht,  das  dann  auf  länger  oder  kürzer  seine  Gültigkeit 
zu  bewahren  pflegt.  Für  die  Periode  unserer  Gegenwart,  die  in 
einem  Wirbelsturme   einander  jagender   Entdeckungen   und   Ueber- 

n  der  Vergangenheit 
:ntfernen  begirmt,  ist 
Pfunden,  doch  durch- 
schon jetzt  mit  ein- 
Naturwissenschaften 
Geisteswissenschaften 
Iten    haben   werden, 


VORWORT.  VII 

unter  den  Vorarbeiten  vergleichender  Psychologie  in  der  Lehre  vom 
Menschen. 

Wie  die  Botschaft  dieses  neuen  Evangeliums  lauten  mag,  wird 
ftir  unsere  Generation  im  Schoosse  der  Zukunft  verhüllt  bleiben, 
das  jedoch  lässt  sich  jetzt  bereits  aussprechen,  dass  sie  vor  Allem 
das  nationale*)  Bewusstsein  der  Völker')  proclamiren  wird,  dass  sie 
sich  stützen  muss  auf  die  staatlichen  Wurzeln,  die  mit  dem  Leben 
der  Völker  und  der  Nationen*)  unzertrennlich  verwachsen  sind,  dass 
sie  dieses  Leben  nach  den  verständig -verständlichen  Lehren  der 
Natur  ordnen  und  leiten  (und  damit  jede,  aus  unklarer  Religions- 
schwärmerei drohende,  Störung  in  gebührende  Schranken  zurück- 
weisen) wird. 

Auch  sie  wird  verlangen,  dass  dem  Gott  gegeben  werde,  was  des 
Gottes  ist,  dem  Menschen  das  Seinige,  aber  die  Manifestationen  des 
Göttlichen  werden  sich  eben  in  dem  naturgesunden*)  Wachsthum 
des  nationalen  Volksbewusstseins  erkennen,  indem  auf  jeder  Seite 
der  Ethnologie  unwiderleglich  nachzuweisen  ist,  dass  gerade  die 
Religionsformen  sich  überall  und  immer  als  Menschenwerk  ^)  erweisen, 
und  nicht  immer  leider  als  das  Beste. 

Wenn  nun  allerdings,  hier  wie  stets,  um  das  Verderbliche  gewalt- 
samer Revolutionen  zu  vermeiden,  ein  Anschluss  an  das  Vorhandene 
und  geschichtlich  Berechtigte  verlangt  wird,  wenn  also  auch  die  aus 
naturwissenschaftlichen  Principien  grossgezogene  und  ernährte  Moral 
sich  zunächst  in  den  Rahmen  der  geltenden  Religionssysteme  ^)  ein- 
zufügen haben  wird,  und  wenn  insofern  die  Dogmen  jeder  Secte  die 
Achtung,  die  sie  beanspruchen  dürfen,  gerne  erhalten  werden  (schon 
aus  Courtoisie),  so  ist  doch  augenblicklich  leider  in  der  Entwicklungs- 
Krankheit,  der  unser  eigenes  Staatsleben  aus  dem  Gang  der  Ver- 
hältnisse verfallen  musste,  eine  so  bedenkliche  und  gefahrliche  Krisis 
eingetreten,  dass  während  der  Dauer  derselben,  da  es  sich  hier  um 
Leben  oder  Tod  für  das  Vaterland  und  seine  Bestimmung,  zu  handeln 
scheint,  jede  Waffen  gerechte  sein  müsse,  so  lange  sie  sich  im  offenen 
Kampfe  kreuzen,  und  also  ehrliche  bleiben.  Im  Uebrigen  dagegen, 
je  schärfer  und  schneidiger,  desto  besser,  um  jenes  unselige  Band 
zu  durchhauen,  das  einen  so  weiten  Qruchtheil  unseres  braven  Volkes 
für  ultramontane  Zwecke  auszusaugen  sucht,  und  Gift  zu  träufeln  in 
den  Becher  der  Freude,  bei  dessen  Klange  wir  uns  in  gleicher  Natio- 
nalität umschlungen  fühlen. 

Dass  Jeder  das  Recht  hat,  nach  seinem  Glauben  selig  zu  werden, 
wird  heutzutage  Niemand  mehr  bestreiten,  wenn  indess  diese  Glaubens- 


Seligkeit  'des  Einzelnen  sich  beikommen  lässt,  die  Staatssouverainität*) 
zu  hänseln,  so  wäre  die  Behandlung,  die  ihr  der  grosse  König,  der 
Urheber  jenes  Wortes,  voraussichlich  würde  haben  angedeihen  lassen, 
eine  wohlverdiente,  und  etwaige  Abschwächung  auf  constitutioncllen 
Umwegen  eher  bedauerlich. 

Glauben  mag  Jeder,  was  und  wie  er  will,  wie  ihm  gerade  der 
Kopf  steht  oder  das  Gangtiengeflecht  im  Unterleibe  gestimmt  ist, 
die  staatliche  Gesellschaftsform  erscheint  dagegen  nur  als  Eine  und 
einzige,  wenn  normal,  weil  eben  der  Ausdruck  eines  Naturgesetzes*). 
In  ihm  waltet  das  Göttliche,  und  gebt  also  diesem  zunächst,  was  ihm 
gebührt,  dem  Menschen  braucht  dann  spater  ebenso  wenig  das  Seine 
versagt  zu  werden,  und  selbst  nicht  den  seinem  Hirn  entsprungenen 
Phantasiegöttern,  so  lange  sie  sich  gut  und  anstandig  auffuhren. 

Die  anthromorphen  Götterschöpfungen  haben  seltener,  als  von 
ihnen  gerühmt  wird,  ihre  Bekenner  besser  gemacht,  oftmals  eher 
schlechter,  soweit  der  Eigennutz  der  Hüter  in  das  Spiel  kam.  Die 
Gebote  der  Moral  dagegen  stehen  auf  einem  festen  und  uner- 
schütterlichen Boden,  weil  sie  sich  eben  als  die  Gebote  der  geistigen 
Gesundheit  beweisen,  und  deshalb,  wenn  in  ihrem  Wesen  richtig 
verstanden,  von  jedem  Vernünftigen  ebenso  heilig  werden  gehalten 
werden,  wie  diejenigen  Naturregein,  durch  deren  Beobachtung  er 
seine  körperliche  Gesundheit  sichert. 

Jetzt,    wo    die  Ethnologie   unter  Begünstigung  äusserer  Verhält- 
nisse auf  ihr  volles  Arbeitsfeld  eingetreten  ist,  bringt  ihr  jeder  Tag 
neue  Bestätigung  der  Lehre,  welche  die  Moral  auf  dem  geeignetsten 
Boden  anzupflanzen  verspricht,    auf  demjenigen  nämlich,    dem  auch 
die    sociale  Entwicklung    entstammt.     Von    dem  dadurch  veredelten' 
Baume  der  Erkenntniss  sind  die  lang  erhofften  Früchte  zu  erwarten, 
in  welchen  die  Moral  die  bis  dahin  aphoristisch  adoptirten  Lehrsätze 
in  ihrer  naturnoth wendigen  Gesetzlichkeit  verstehen  wird,  und  Jeder, 
der,  als  Kind  seiner  Zeit,  im  Horizonte  derselben  lebt,  wird  die  Ver- 
pflichtung   an    sich    herantreten    fühlen ,    zur   Herbeiführung    dieser 
ersehnten  Zukunft  seinerseits  auch  mitzuwirken. 
,      Leider   sehen    wir   freihch,    gerade    in  unserer  Gegenwart,    die 
Schwierig! 
dass  sie  e 
manch    re 
lassen,    un 
samen  Bn 
wegener, 


VORWORT.  IX 

a 

Katastrophen  abzuschätzen  vermögen,  welche  dann  auch  unsere  Cultur- 
epoche^**)  hinabstürzen  würden  in  jenes  Völkergrab,  wohin  ihr  bereits 
so  viele,  und  durch  vermodernde  Monumente  kaum  noch  bezeugte, 
in  der  Vergangenheit  vorangegangen  sind. 

Gerne  würde  Mancher  die  aus  mythologischen  Schöpfungs- 
gebilden eines  frühen  Morgengrauens,  unserm  Tageswerk  zwischen- 
fallenden Schlagschatten  daraus  entfernen,  wenn  er  sich  dann  nicht 
der  vollen  Sonnengluth  ausgesetzt  sehen  würde,  da  das  neue  Obdach, 
das  kaum  erst  in  seinen  Fundamenten  gelegt  werden  konnte,  noch 
nicht  unter  Dach  gebracht  ist.  Und  diese  neue  Schutzwehr  für  der 
Menschheit  heiligste  Güter,  für  die  Palladien  der  Cultur,  sie  ist 
es  rathsam,  stark  und  starr  in  ihren  Fugen  zu  festigen,  denn 
sie  wird  der  von  den  Wogen  des  Unverstandes  und  des  Missver- 
standes aufgeregten  Fluth  zu  widerstehen")  haben,  wie  sie  in  dem 
chaotisch  wirren  Donnergetöse  .social-democratischer  Predigten,  nicht 
nur  die  Theologie,  sondern  selbst  die  Religion  zum  sühnenden  Opfer 
verlangt.  Dass  auf  socialem  Gebiet,  wo  Viel  gesündigt^^),  auch  Viel 
zu  sühnen  ist,  kein  Unbefangener  wird  es  läugnen,  wenn  aber  die 
Forderungen,  im  tobenden  Wortschwall  der  Agitatoren,  denen, 
mit  oder  ohne  Schuld,  jeder  verständige  Einblick  in  ihr  eigenes 
Culturleben  abgeht,  mehr  und  mehr  in  gegenseitiger  Ermunterung 
gesteigert,  bis  zum  nationalen  Selbstmord  fortgehen,  dann  wird  es 
sich  schliesslich  kaum  mehr  um  Argumente  handeln  können,  sondern 
nur  um  die  Unschädlichmachung  von  Wahnwitzigen,  oder  je  nach 
der  Ansicht  von  Sachverständigen,  um  eine  Zwangsjacke  oder  ihrer 
Substitute.  Unter  solch'  augenblicklicher  Sachlage  wird  derjenige, 
der  sich  als  integrirender  Theil  im  nationalen  Staatsganzen  (lihlt, 
dieses  auch  in  einer  Form  zu  stützen  haben,  die  in  idealer  Auflassung 
als  eine  noch  unvollkommene  erscheinen  könnte,  sobald  sich  das  Hin- 
streben nach  Vervollkommnung  in  dem  bisherigen  Entwicklungsgang 
erkennen  lässt  und  ein  naturgemässer  Fortgang  erhoff*bar  bleibt.  Das 
europäische  Staatsleben  hat  im  Laufe  der  Geschichte  mannigfache 
Stadien^')  durchgemacht,  in  welcher  es,  durch  innere  Widersprüche 
zerrissen,  Partheien  gegen  Partheien  in  den  Kampf  fuhren  musste; 
und  solche  Partheikämpfe  bleiben  auch  heute  noch  als  unerlässliches 
Correctiv  erforderlich  in  einigen  Ländern.  In  denjenigen  dagegen, 
für  welche  der  glänzende  Morgen  eines  nationalen  Geschichtstages 
angebrochen  ist,  wird  sich  die  feindliche  Stellung  der  Partheien 
in  ihrem  ergänzenden  Zusammenwirken  zum  Besten  des  Ganzen 
abzugleichen    haben,    und    der  Staat,    soviel    über  Einzelheiten    die 


X  VORWORT. 

Ansichten  auseinander  gehen  mögen,  der  Hauptsache  nach  zu  stützen, 
sein  in  der  jedesmaligen  Form,  auch  vielleicht  mit  einigen  solcher 
Mängel,  die,  da  sie  im  organischen  Wachsthumsprocess  von  selbst, 
(und  dann  am  dauerdsten),  ausheilen  werden,  keiner  gewaltsam  ein- 
greifenden Massregeln  bedürfen.  Wie  jedes  Institut  im  nationalen 
Staate  müssen  deshalb  auch  «die  historisch  mit  ihm  verwachsenen 
Religionsformen  als  heilige  **)  erachtet  werden,  weil  soweit  Zwecken 
dienend,  für  deren  Erfordernisse  sie  benöthigt  waren,  unter  An- 
schmiegung an  die  Bedürfnisse,  je  nach  deren  Hervortreten.  Viel- 
leicht ist  auf  dem  bereits  eingeschlagenen  Wege  der  Zeitpunct  nicht 
mehr  allzu  fern,  in  welchem  es  rathsam  erscheinen  wird,  die  allzu 
scholastischer  Züchtung  durch  hierarchische  Interpretationen  entzoge- 
nen Lehren  auf  das  freie  Feld  der  Naturwissenschaften  verpflanzt,  dort 
zu  pflegen,  um  ungekünsteltere  und  nahrhaftere  Früchte  zu  erziehen, 
immer  aber,  ob  in  der  einen,  ob  in  der  andern  Sprache  redend, 
werden  ihre  Gebote  massgebend  sein,  für  den  Bürger  des  nationalen 
Staates,  so  lange  sie  sich  im  Einklänge  mit  der  Ausdrucksweisc 
seiner  Nationalität  verstehen  lassen.  Träte  hier  freilich  eine  Dis- 
harmonie ein,  wagte  es  pfaffische  Vermessenheit,  die  Würde  der 
Nationalität,  diesen  Willensausdruck  eines  national  geeinigten  Staates, 
anzutasten, ,  dann  würde  unter  der  heutigen  Weltanschauung  die  Wahl 
keine  schwere  sein,  zwischen  dem  Lager  der  Gläubigen  und  der 
nach  Wissen  Strebenden.  Möge  indess,  zu  Gunsten  organisch  fried- 
licher Fortentwicklung,  der  in  allen  Kreisen  unsres  Volks  so  schmerz- 
lich empfundene  Riss  seine  Heilung  finden,  damit  eine  naturwissen- 
schaftliche Bearbeitung  des  Geschichtsgebietes  den  Grundstein  für  die 
Religion  der  Zukunft,  methodisch  und  vorbedacht  zu  legen,  sich  im 
Stande  findet,  in  methodischem  Vorbedacht  ohne  Uebereilung,  und 
ungestört  durch  leidige  Polemik  gegen  Dogmen,  deren  unverletz- 
liche Erhaltung  sich  aus  so  vielen  Nützlichkeitsgründen  nicht  nur, 
sondern  auch  Vernunftsgründen  dem  Vernünftigen  empfiehlt. 

Der  Weg  dazu  ist  unsrer  Zeit  deutlich  genug  vorgezeigt  in  der 
inductiven  Durchbildung  der  Psychologie  auf  Grund  der  von  der 
Ethnologie  gelieferten  Materialien,  sobald  es  eben  möglich  sein  wird, 
die  Schwierigkeiten,  welche  hier  sich  in  der  Massenhaftigkeit  des 
erforderlichen  Materiales  anhäufen  müssen,  mit  Hülfe  eines  „novum 
calculi  genus"  zu  lösen,  von  einer  höheren  Analysis,  zur  Bemeiste- 
rung  der  statistischen**)  Accumulationen ,  die  geeignete  Technik  zu 
erlangen,  um  auch  in  den  zerfliessenden  Umrissen  metaphysischer 
Wolkengebilde,  in  welchen  sich  die  "  *        '        *h  gestillten  Ahnungen 


VORWORT.  XI 

mit  einem  Schleier  temporärer  Beruhigung  umziehen,  das  im  Wachs- 
thum  des  Denkens  rythmische  Pulsiren  herauszuhören ,  wie »  es  aus 
natürlichen  Wurzeln,  innerhalb  einer  der  Forschung  zugänglichen 
Umgebung,  zu  jenen  Höhen  emporquillt. 

Indem  der  mythologische  Process  Göttergeschichte  (ein  theogoni- 
scher  Process)  ist,  so  erscheint  die  vorgeschichtliche  Zeit  erfüllt  (nach 
SchelUng)  „von  jenen  inneren  Vorgängen  und  Bewegungen  des  Be- 
wusstseins,  welche  die  Entstehung  der  mythologischen  Systeme  der 
Götterlehre  der  Völker  begleiten  oder  zur  Folge  hatten,  und  deren 
letztes  Resultat  die  Trennung  der  Menschen  in  Völker  war",  und 
nachdem  nun  die  Induction  in  Einzelnfallen  die  genetische  Entstehung 
solcher  Processe  aufgewiesen  hat,  so  wird  sich  in  ihrem  Zusammen- 
treffen mit  den  psychischen  Ergebnissen  der  Deduction  das  Ver- 
ständniss  berühren,  und  das  „innere  Triebwerk"  gegeben  sein,  das, 
wie  Rocholl  (unter  Hinweis  auf  die  bei  der  Verwendung  des  ethno- 
logischen und  linguistischen  Materials  benöthigten  Ausstellungen) 
bemerkt,  in  der  unklar  verbleibenden  Potenzenlehre  vermisst  wurde, 
und  durch  Hegels  Rückkehr  des  Geistes  (im  dritten  Momente)  aus 
dem  Anderssein  (oder  der  Natur  des  zweiten)  zu  sich  (dem  rein 
logischen  Sein  des  ersten)  dialectisch  nicht  ersetzt  werden  konnte, 
sondern  eben  erst  die  naturwissenschaftlich  exacte  Grundlage  ver- 
langte, auf  welcher  Krause's  „Lebenslehre'  vorher  in  die  Einzel- 
momente des  Werdens  im  Sein  zu  zerfallen  hat,  um  die  Windungen 
des  einigenden  Fadens  zu  zeigen  und  den  dunkel  ästhetischen  Genuss 
des  „göttlichen  Kunstwerkes"  unter  den  Sehstrahlen  des  Gedanken- 
reiches zu  klären.  Wem  es  „dürstet  nach  frischer  Unmittelbarkeit", 
der  wird  dann  seine  Erquickung  finden,  Erfüllung  des  von  Rocholl 
ausgesprochenen  Wunsches,  dass  man  „endlich  einmal  gern  einen 
wirklichen  Menschen  statt  der  gemalten"  sehen  möchte. 

Es  liegt  in  der  Natur  des  Denkens  einen  einheitlichen  Abschluss 
anzustreben,  und  einheitliche  Weltanschauung  war  es,  was  in  den 
religiösen  Offenbarungen  sowohl,  wie  in  dem  Ringen  der  Philosophie 
ersehnt  wurde.  Heutzutage  dagegen  stehen  wir  innerhalb  einer  un- 
endlich zerbrochenen  Welt,  und  hier  bleibt  es  widersinnig,  durch 
willkürliche  Machtgebote  ungereifter  Vernunft  eine  Einheit  des  Ur- 
sprungs herstellen  zu  wollen.  Diese  Einheit^*),  deren  wir  bedürfen, 
kann  uns  nur  in  dem  Einklang  harmonisch  zusammenwaltender  Ge- 
setze gewährt  werden,  indem  wir  überall  das  einzelne  Zersplittern 
sich  organisch  zu  grösserm  Ganzen  in  einander  ordnen  sehen,  unter 
der  Herrschaft  eines  gemeinsafn  leitenden  Gesetzes,  und  die  Erkennt- 


XII  VORWORT. 

niss  eines  jeden  solchen,  und  der  sie  aufs  Neue  verbindenden  Har- 
monie des  Kosmos,  ergiebt  sich  als  das  Ziel  der  Forschung,  von  den 
Ahnungen  einigender  Consonanz*')  geschwellt  und  getragen. 

Ars  longa,  vita  brevis,  das  fühlt  sich,  wenn  irgend  wo,  in  der 
Ethnologie,  und  fühlt  sich  besonders  in  ihrem  heutigen  Studium, 
seitdem  diese  bis  dahin  nur  nominelle  Wissenschaft  von  der  Induction 
einen  realen  Boden  unterbreitet  erhalten  hat,  und  jetzt,  wo  sie 
zögernd  die  ersten  Schritte  auf  ihm  wagt,  mit  einem  Schlage,  und  in 
unübersehbarer  Zahl,  neue  Perspectiven  ringsumher  eröffnet  sieht, 
die  sich  auf  allen  Seiten  der  ihr  vorgezeichneten  Bahn  in  unermessene 
(bis  dahin  endlose)  Formen  forterstrecken.  Doch  thue  Jeder  das 
Seine,  aQxij  di  to$  ^fjuttv  navtog,  und  nehme  man  nachsichtig  vorlieb 
mit  dem,  was  sich  bieten  lässt. 

Dieser  erste  Band  des  vorliegenden  Werkes  begreift  die  Reise- 
Erlebnisse  und  (auf  Peru*®)  bezüglich)  einige  culturhistorische  Notizen, 
welch  letzteren  ihre  Erweiterung  (neben  der  geschichtlichen)  im  zweiten 
Bande  finden.  Ein  dritter  Band,  wie  er  vorläufig  in  Aussicht  genommen 
ist,  würde  die  Beschreibung  der  der  Ethnologischen  Abtheilung  (im 
Königlichen  Museum  Berlin 's)  als  Reise-Resultate  eingefügten  Samm- 
lungen zu  begreifen  haben. 

Die  von  Dr.  R.  Kiepert  für  die  Reiseroute  angefertigten  Karten 
basiren  für  Colombien  auf  denen  Codazzi's,  für  Guatemala  auf  der 
Aus,  während  für  Ecuador  die  Villavicencio's  benutzt  ist.  Herr 
Dr.  Reiss  hat  die  Güte  gehabt,  auf  der  Karte  von  Colombien  und 
Ecuador  die  Höhenbestimmungen  einzutragen,  sowie  auf  der  letzteren 
die  neue  Provinzen-Eintheilung  Wenn  die  Resultate  der  langjährigen 
Forschungen,  denen  sich  die  Herren  Reiss  und  Stübel  mit  uneigen- 
nütziger Hingabe,  und  Benutzung  jedes  wissenschaftlichen  Apparates, 
unterzogen  haben,  an  das  Licht  treten,  dann  wird  der  volle  Tag 
für  unsre  Kenntniss  von  Südamerica  anbrechen,  während  dieser  kurze 
Durchritt  nur  einige  gelegentliche  Streiflichter  darauf  werfen  kann, 
in  den  flüchtigen  Beobachtungen,  wie  sie  sich  in  jedem  der  berührten 
Länder  längs  des  Weges  darboten.   . 

Januar  1878. 


Anmerkungen. 

*)  L'induction,  l'analogie  des  hypothöses  fond^es  sur  les  faits  et  rectifiees  sans  cessc 
par  de  nouvelles  observations ,  un  tact  heureux  donnö  par  la  nature  et  fortifi^  par  des 
cumparaisons   nombrcuses  de    ses  indications    avec   l'exp^rience,    tels  sont  les  principaux 


VORWORT.  XIII 

moyens  de  parvenir  h  la  vcrit^  (s.  Laplace).  dti  yaq  m  vnd^o^w  xai  oig  vnagx*» 
n§(fi  lxwn^o¥  ad-Qiir  »ai  vavju^  mg  nlttetmy  tvno^ty  (s.  Aristoteles)  in  Material- 
beschaffung. 

•)  Erst  nach  dem  klaren  und  festen  Abschluss  jeder  einzelnen  Nationalität,  kann 
sich  ein  gedeihliches  Zusammenwirken  im  internationalen  Sinne  herstellen,  um  ein  Zurück- 
fallen in  jene  erst  seit  Kurzem,  und  nicht  ohne  harte  Anstrengungen,  überwundene  Periode 
weltschmerzlichen  Kosmopolitismus'  zu  vermeiden.  Natura  justitiae  in  eo  consistit,  ut  snum 
cuique  thbuatur  (s.  Hobhes),  Die  von  Stimer  für  den  ,, Einzigen  und  sein  Eigenthum" 
gezogenen  Consequenzen  gelten  nicht  für  das  Individuum,  als  solches,  sondern  Hir  die 
Gesellschaft  als  primäres,  und  im  wertem  Sinne  also  für  die  Nationalität,  worin  der  per- 
sönlich Einzige  sich  nur  als  integrirender  Theil  fühlen  kann. 

')  Bald  sieht  man  in  der  Rasse  einen  mit  selbstständigen  Eigenthümlichkeiten  vererbten 
Stamm,  bald  (wie  FaitUutbe  bemerkt)  ,,ce  n'est  qu'un  ^tat  de  l'esp^c  momentan^ment 
fixe  par  l'action  des  drconstance  ambiantes",  bald  g^t  sie  als  ein  Product  aus  Erblichkeit 
und  Umgebungsverhältnissen  (l'her^dit^  et  l'action  des  milieux).  In  diesem  letztem  Falle 
wird  indess  zunächst  (um  die  Rechnungsstörung  durch  das  Absolute  eines  Anfangs  zu  ver- 
meiden) die  Erblichkeit  selbst  wieder  (wie  noch  oft  genug  auch  geschichtlich  nachzuweisen), 
als  secundäres  Product  früherer  Umgebungswirkungen  zu  betrachten  sein,  und  wir  haben 
hier  gleichfalls,  um  die  gesetzlichen  Relationen  zu  erfassen,  in  die  Mitte  des  Kreislaufes 
vom  Entstehen  und  Vergehen  hineinzutreten,  wie  bei  den  negativen  Grössen  im 
buddhistischen  Rechnen,  um  die  Null  des  Seins  in  die  unendlichen  Reihen  einer  Vielheit 
des  Werdens  bei  der  Weltschöpfung  aufzulösen.  Im  Leben  der  Menschheit  steigt  die 
Spirale  in  dem  jedesmal  von  einheitlichen  Gesetzen  beherrschten  Organismen  aufwärts 
von  Familie  und  Stanun  zum  Y^U^c  und  zur  Nation,  mit  internationaler  Erweiterung.  In 
Steffens  Verbindung  der  Urvölker  mit  den  Naturkräften  liegt  die  Vorahnung  der  in  den 
geographischen  Provinzen  unter  historischer  Erweiterung  gegebenen  Vorbedingungen.  Die 
moralische  Temperatur  mit  ihren  Wechseln  (bei  Tretzd)  würde  selbst  erst  aus  den  Be- 
dingungen des  Milieu  oder  der  Monde  ambiante  zu  erklären  sein.  Die  Pflanze  bleibt  in 
gewisser  Hinsicht  von  dem  Boden  abhängig,  auf  dem  sie  wächst,  aber  dennoch  entfalten 
sich  auf  dem  gleichen  Boden  die  verschiedensten  Pflanzen  zur  Blüthe. 

^)  Der  auf  einer,  im  internationalen  Kosmopolitismus  mit  bestimmter  Rolle  beauf- 
tragter, Nationalität  gegründete  Staat,  ist  nicht  der  des  classischen  Alterthnms,  der  sich 
selbst  als  Endzweck  setzte,  sondem  vielmehr  das  naturgemässe  Mittel,  um  ein  höheres  Ziel 
zu  erreichen,  das  aber  nicht,  wie  bei  den  das  Irdische  negirenden  Religionen,  in  einem 
übersinnlichen  (einem  nur  durch  mystische  Hülfen  erreichbaren)  Himmel  liegt.  Dieses 
Streben  geht  vielmehr  gerade  dahin,  durch  eine  in  relativen  Verhältnissen  gefestigte 
Stufenbrücke,  deren  Fundamente  sicher  gelegt  sind,  emporzusteigen,  und  während  dieser 
Arbeit  selbst  das  Zusammenwirken  der  waltenden  Gesetze  weiter  zu  erhellen.  ,, Unter 
dem  Heiligsten  ist  nichts,  als  die  Geschichte,  dieser  grosse  Spiegel  des  Weltgeistes, 
dieses  ewige  Gedicht  des  göttlichen  Verstandes",  ruft  Schelling,  und  dieses  Göttliche 
strebt  in  den  staatlichen  Menschengesellschafteu  zur  Verwirklichung.  Die  Geschichte  ist 
(nach  Hegel)  ,,die  Darstellung  des  Geistes,  wie  er  sich  das  Wissen  dessen,  was  er  an 
sich  ist,  verarbeitet"  (und  in  vergleichender  Psychologie  erkennen  wird). 

*)  Auf  dem  Standpuncte  des  heiligen  Augustin  dagegen  musste  das  wirkliche  Leben 
als  ,,eine  ununterbrochene  Krankheit"  erscheinen,  und  Pascal  bezeichnete  ,,die  Krankheit 
den  natürlichen  Zustand  des  Menschen"  (s.  Feuerbach),  Nach  Machiavelli  haben  die 
Erniedrigung  predigenden  Lehren  des  Christenthums  die  Welt  so  geschwächt,  dass  sie 
den  Schurken  zur  Beute  gefallen  sei  (die  Entartung  lulien's  hätten  die  Kirchendiener 
herbeigeführt). 

«)  Innocenz  IH.  meint  freiHch  das  Gcgcntheil:  Sacerdotium  institutum  fuit  per 
ordinationem    divinam,    regnum   autem   per   extorsionem  humanam,    und  dann  kam  man 


XIV  VORWORT. 

leicht  zu  der  Uebeneugung ,  nt  pontificatus  dignilis  quadragies  sep4iet  lit  major  r%>li 
dignitate ,  was  Lauicnlius  weiter  <s.  Giiultr)  bericliligl  (Papam  este  miliin  Mptiagenties 
quadragies  quater  impcralore  el  regibus  sublimiorem).  Quii  «1^0,  nin  neate  captus. 
ignorat,  potestateni  impcraloris  et  refum  pontiüdbus  esse  subjcctaM?  (A'ir.  ät  Ctirbif)-. 
denn  ,,necesse  est,  ut  spirituali  potestati  subjiciatnr  amnis  saccnliiii  polestaa  {ßeilarminm). 
und  die  weitlichen  Herren  wurden  überhaupt  nur  toleiirt,  «eil  mit  der  schmaUigen 
Wische  der  Priester  lu  beaurtragen:  Est  ergo  princcp*  sacerdotis  quidem  minJMer  et  qui 
sacrorum  olTidorum  illatn  parteni  exercel,  quod  lacerdodl  maoibus  vidctur  indigna  (s.  yeaiini! 

')  Pagani  defendunt  legem  saam,  Jodaei  defendunt  legem  suam,  ergo  el  nos  Chriitiani 
debeinus  defendere  tidem  noMtam  {Amdmta  von  Cantirbtay) ,  freilich  nicht  als  homo 
supm  mundum  (>.  Ambtas."),  sondern  unter  Festhaltung  am  terreslrischen  jus  civitatis 
,,Siamo  Veaeiiani,  poi  Christiani". 

*)  Clericalus  eiimil  a  subjectione  civili  et  transfert  in  subjedionem  ecc1»tasticBm, 
eliam  non  cantenttenle  et  repugnante  luperiore  civili  (s.  Btllannmui).  Suam  belehrt 
die  Völker  mit  dürren  Worten,  dass  sie  sich  auf  Befehl  des  Papstes  gegen  ihre  Könige 
zu  erheben,  oder  sie  selbst  zu  lodten  hüllen  (111  der  defensio  lidei  catolicae).  Cum  eiiim 
non  humanae  constitutioni ,  sed  divinae  legi  potius  imitamur,  quia  potestas  nostra  non 
est  tx  homine,  sed  ex  deo,  nullus  qui  sil  sanae  menliü  ignoral,  quin  ad  officium  nostram 
■peclet,  de  quocumque  mortali  peccalo  corrigere  quemlibet  Chrislianum,  el  si  correclionem 
contempserit  ipsum  per  destrictionem  ecclesiasticam  coercere.  So  spricht  sich  Innoceni  III. 
heim  Streit  der  Könige  Frankreich'«  und  England's  aus.  Nos  deponeremus  regem  ila  ut 
unum  garcionem,  drohle  Bonifaz,  nachdem  er  Philipp  den  Schönen  fUr  einen  Unsinnigen 
erklärt  hatte,  wenn  er  die  Oberherrlichkeit  des  l'apstes  i^chl  anerkennen  würde.  Clerici 
rebellio  In  regem  non  e«l  crimen  laesae  majeslatis,  quia  non  subditus  regi  {«.  Emmanntl 
Sa).  What  sturdy  robbers  and  Iraitois  then.  are  these  (clerks  and  particularly  highphests) 
t«  lords  and  kings  in  refusing  obedience ,  and  in  thui  giving  an  exaniple  10  all  the  men 
of  ihe  land,  to  become  rebeis  against  the  king  and  the  lords  P  Foi  in  Ihis  and  in  what 
ihey  teach ,  they  insiruci  the  commons  of  the  land.  both  in  words  and  deeds.  lo  bc 
iinfailhful  and  rebellious  against  ihe  kiiig  (wie  WicIifTe  bemerkt).  And  where  are  ihere 
grcater  traitors  eilher  to  God  or  holy  church ,  and  especially  to  our  liege  lord  antl  hi<^ 
kingdom?  An  allen  worldly  priest,  and  an  enemy  to  us,  is  made  chi«f  lord  over  the 
grealer  part  of  out  country  (s.  Vaugkan).  So  bereits  im  XIV.  Jahrhunbert.  Zeigen  die 
Sitten  eines  einzigen  BU^ers  nicht  die  nationale  Physiognomie,  so  fehlt  diese  der  Bürger' 
Schaft  (nach  Ariitalitti).  Wie  also,  wenn  ein  ganzer  Stand  sich  offen  fUr  eine  antinalionale 
Physignomie  erkliil?  Doch  darf  von  den  Bekennein  eines  Gregor  VIl.  Alles  das  nicht 
in  Betracht  gezogen  werden :  Si  enim  coeleslia  et  spirilualia  sedes  bea'li  Pelri  solvit  et 
judicfll,  quanto  magis  teriena  el  saecularia'(romanus  pontifex  non  puri  hominis,  sed  veri 
dei  vicem  geril  in  lerris). 

*)  ,,Der  Staat  ist  zunSchst  ein  Naturorganismus.  denn  das  Naturdaiein  des  Menschen 
ist  der  veranlassende  Grund  seiner  Entstehung,  mit  der  Entwicklung  des  Menschen  zum 
Menscheng eschlechlc  gehl  auch  die  Entwicklung  des  Staates  vor  sich,  und  seine  erste 
Form    und  Organisation  ist  eben  die  lutUrliche  Ordnung  der  Familie,    somit  der  patriar- 

Idung  ist  aber  der  Staat 
sufem  Natuiproduct  in  der 
itwicklung  des  genialsten 
,  aber  in  der  Betrachtung 
Menge  von  störenden  und 
ip«>-  Gn  nur  ifirntt  %  luiit 
Auch  Carey  erkennt  die 
he  Form,    in  welcher  sich 


VORWORT.  XV 

die  Freiheit  als  vernttnftige,  die  Vernunft  als  freie  organisirt"  (s.  Rosenkranz)  ^  aber  der 
^Nationalstaat"  der  als  Name  voransteht,  kommt  erst  als  I^etztes  zum  Bewusstsein,  und 
damit  in  jeder  als  ein  besonderer  Gottesgedanke  (bei  StauäenmaUr)  aufgefassten  Indivi- 
dualität ihr  eigenes,  weil  integrirender  Theil  des  Ganzen,  wenn  dieses  den  wahrhaft  natio- 
nalen Character  trägt. 

^)  Feinde  stehen  auf  beiden  Seiten,  auf  der  des  Aberglaubens  (oder  dem  Köhler- 
glauben), wie  der  des  Nichtsglaubens  (was  nichts  schaden  würde),  oder  vielmehr  des 
Nichtswissens.  Vicarii  Petri  et  ejus  discipuli  noiunt  habere  magistrum  Platonem  nee  Vir- 
gilium  neque  Terentium  neque  caeteros  pecudes  philosophomm  (im  IX.  Jahrhundert). 
La  republique  n'a  pas  besoin  ni  de  savans  ni  de  chimistcs,  mit  diesen  Worten  fiel  das 
Haupt  eines  Fürsten  auf  dem  inductiven  Wissensbereich,  und  vor  ihnen  würde  keine 
Wi](sensmacht  schützen.  Quaero  igitur  ad  quam  rem  sdentia  referenda  sit,  si  ad  causas 
rerum  naturalium,  quae  beatitudo  erit  mihi  proposita,  si  sciero  unde  Nilus  oriatar,  vel 
quicquid  de  coelo  Ph3rsici  delirant  (s.  Laetantius). 

'*)    Das  Mittel    (dem    durch    den  Socialismus   drohenden  Umsturz  oder  einer  finstem 
Stagnation  zu  begegnen),   liegt  (nach  A.  Langt)   ,, einzig  und  allein  in  der  rechtzeitigen 
Ueberwindung  des  Materialismus  und  in  der  Heilung  des  Bruches  in  unserm  Volksleben, 
welcher  durch  die  Trennung  der  Gebildeten  vom  Volke  und  seinen  geistigen  Bedürfnissen 
hert>eigeführt  wird".    Eine  solche  Ueberwindung  des  Materialismus  kann  aber  nicht  durch 
Reaction  oder  Opposition  geschehen,  sondern  nur  durch  organische  Fortentwicklung  jenes, 
unter  Mitaufhahme    der  Psychologie  als  inductive  Naturwissenschaft ,    indem  dann  der  bis 
jetzt  materialistisch -körperlich    verstümmelte  Torso   in   Anerkennung  der  geistigen  Inter- 
essen   mit   ihren,    in    voller   Berechtigung    begründeten,    Ansprüchen    die    naturgemässe 
Ergänzung  erhtilten  wird,  und  zwar  nach  der  dem  Durchschnittsmenschen,  wie  er  aus  dem 
Studium  ethnologischer  Thatsachen  hervortritt,  als  geeignet  entsprechender  Norm.     ,,Die 
Anerkennimg  des  socialen  Lebens,  als  eine  Fortsetzung  des  Lebens  der  Natur"  wird  (nach 
Lilknfeld)  über  die  materialistische  Weltanschauung  hinaus  zur  idealistischen  weiterführen. 
Die  Socialstatistik  hat  die  Moralstatistik  einzubegreifen. 

>*)  Froude  setzt  ein  ,, natural  right"  fUr  Regierende  und  Regierte.  Beaucoup  pour  la 
gloire  de  l'homme,  quelque  chose  pour  sa  libertö,  presque  rien  pour  son  bonheur,  sah 
Condorcet  in  der  Geschichte  gearbeitet.  Nach  Lilienfeld  entspricht  die  ökonomische  Seite 
der  socialen  Entwicklung  der  physiologischen  Seite  in  der  Entwicklung  der  Pflanzen  und 
Thiere. 

^)  Jedes  Problem  ist  möglichst  auf  dem  Boden  der  Rechtsverhältnisse  zu  lösen,  wie 
sie  gerade  gegeben  sind ,  und  wenn  einer  Erweiterung  benöthigt ,  genügt  zur  Ein- 
leitung  der  Entwicklung  eine  neu  belebende  Durchdringung,  während  eine  vorherige 
Zerstörung,  um  unvermittelt  Anderes  an  die  Stelle  zu  setzen,  allgemeinen  Umsturz  drohen 
mtfsste.  ^ 

^  Appliquons  aux  sciences  politiques  et  morales  la  m^thode  fond^e  sur  l'obser- 
vation  et  sur  le  calcul,  methode  qui  nous  a  si  bien  servi  dans  les  sciences  naturelles. 
N'opposons  point  une  r^istance  inutile  et  souvent  dangereuses  aux  effets  in^vitables  du 
progr^s  des  lumi^res,  mais  ne  changeons  q'avec  une  circonspection  extreme  nos  institutions 
et  les  usages  auxqueb  nous  sommes  depuis  longtemps  pli^s  (s.  Laplace).  So  strebte 
Qoetelet  dahin,  in  der  Durchschnittssumme  der  Lebensäusserungen  die  Ideale  der  Mensch- 
heit durch  Rechnung  zu  finden  (eine  physiqne  sociale). 

^)  Neben  dem  allgemeinen  Gesetz,  ,,savoir,  que  les  rapports  des  effets  de  la  nature 
soot,  ^  fort  peu  pr^,  oonstants  quand  ces  effets  sont  consider^s  en  grand  nombre"  er- 
weist sich  aus  BemouUi's  Theorem,  ,,que,  dans  une  serie  d'^v^nements  ind^Bniment  pro- 
prolong^e,  Taction  des  causes  reguli^res  et  constantes  doit  Vemporter  ä  la  longue  sur 
Celle  des  causes  irr^guli^s  (s.  Laplate),  ,,Ainsi  des  chances  favorables  et  nombreuses 
^tant    consUmment   attachöes  ä  l'observation  des  principes  6ternels  de  raison ,    de  justice 


XVI  VORWORT. 

et  d'humanit^,  qui  fondent  et  maintiennent  les  soci^t^s,  il  y  a  un  grand  avantnge  k  se 
conformer  a  ces  principes  et  de  graves  inconvcnients  ä  s'cn  ^Carter". 

>*)  Es  fehlt  am  Besten,  am  Anfang",  der  in  ,, einem  Unbeschlossenen,  nach  allen  Seiten 
Grenzenlosen"  (für  die  Philosophie  der  Geschichte)  mangelt,  und  deshalb  in  gesetzlichen 
Durchkreuzungen  der  Mitte  zu  suchen  ist.  ,, Alles  Bestehende  ist  vernünftig"  heisst  aus 
Hegels  Terminologie  in  die  naturwissenschaftliche  Übersetzt,  ,, ist  gesetzlich",  wie  sich- l>ei 
inductiver  Ausbildung  die  Psychologie  auch  im  Geistigen  nachweisen  lassen  wird. 

")  Auch  die  Geschichte  des  Menschheitslebens  besteht  in  einer  Folge  von  Rythmen, 
welche  wohl  gemessen  sind  in  der  Zeit,  welche  in  ihrem  ganzen  inneren  Gehalt  gleichsam 
im  musikalischen  Sinne  melodisch  und  harmonisch  geordnet  sind  (s.  Krause),  Nach 
Richter's  Vorgang  (in  der  Stöchyomctric  oder  Messkunst  chymischer  Elemente)  gewährte 
Dalton  der  Chemie  ihre  mathematische  Grundlage  unter  Berzelius'  inductiver  Beweis- 
führung (und  in  d?m  Gesetz  der  Proportionen,  relativer  Verhältnisse  zu  einander,  ist  ein 
inneres  Gleichgewicht  gewonnen).  Pondere  et  mensura  (s.  Proust)  ordnen  sich  die 
Zusammensetzungen  in  der  Chemie  ,  nach  der  Zahl  die  Wachsthumsgesetze  geistiger  Ge- 
bilde (unter  einer  methodus  ordinata). 

>')  Von  Mango-Capac  wurde  gesagt,  dass  (nach  Gründung  Cuzco's)  ,,häcia  el  levante 
reduxo  hasta  el  rio  Ilamado  Paucar  tampu,  y  al  poniente  conquistö  ocho  leguas  hasta 
el  gran  rio  Ilamado  Apurimac  y  al  medio  dia  atrajo  nucve  leguas  hasta  Quequesana 
(s.  Vega),  Sinchi  Roca  erweiterte  (in  Collasuyu)  die  Grenzen  bis  Chuncara  (oder  bis 
Pucara  de  Umasuyu).  Lloque  Vupanqui  dehnte  (nach  Unterwerfung  der  Ayaviri)  die 
Eroberungen  über  Hatun-CoUa  bis  Chucuytu  aus.  Mayta  Capac  eroberte  Tiahuanaco. 
Capac-Yupanqui  unterwarf  die  Aymaras  und  Quechua.  Inca  Rocca  markirt  einen  Still- 
stand, Yahuar-Huaccac  den  Rückgang,  aber  dann  (nach  Unterdrückung  des  Aufstandes) 
erweiterte  Inca  Viracoche  sein  Reich  (durch  Inca  Pahuac  Mayta)  ,, hasta  los  terminos 
posibles,  porque  al  Oriente  llegaba  hasta  el  pie  de  la  gran  cordillera  y  Sierra  nevada,  al 
poniente  hasta  la  mar  y  al  mediodia  hasta  la  ultima  provincia  de  los  Chancas,  mas  de 
200  leguas  de  la  ciudad  (dann  kam  die  Unterwerfung  der  Poeras  in  Huamanca  und  die 
Huldigung  von  Tucuman  hinzu).  Pachacutec  Inca  unterwarf  Xauxa,  Chucurpu,  HucujUas, 
Huamachuco ,  Caxamarca  und  Vauyu ,  dann  die  Chincha  und  Chimu.  Inca  Vupanqui 
unternahm  Feldzüge  gegen  die  Musu  und  nach  Chile.  Tupac  Inca  Vupanqui  besiegte 
die  Huacrochucu,  Chachapoyas  und  Cafiares.  Iluayna  Capac  besetzte  Quito  und  hatte 
bereits  der  mit  den  europäischen  Landungen  in  Brasilien  von  Osten  her  bis  zu  den 
Chiriguanos  fortgepflanzten  Bewegung  zu  widerstehen ,  während  unter  der  Herrschaft 
seiner  das  Reich  theilenden  Söhne  die  Spanier  im  Westen  eintraten. 


INHALTS-VERZEICHNISS. 


Erster  Abschnitt. 

DIE  REISE. 
Erstes   Capitel   (Nach  Chile)*). 

Abfahrt  —  Ferro  —  Sir  Walter  Raleigh  —  Brasilische  Küste  —  Bahia  —  Strömungen  — 
La  Plata  —  Cap  Virgen  -  Punta-Arenas  —  Cap  Pillar  —  Feuerland  —  Ix>ta  —  Arau- 
canier  —  Valparaiso  —  Santiago  —  Tempel  —  Census  —  Caldera  —  Copiapo  —  Cobija  — 

Iquique  —  Arica  —  Pisco  —  Guano. 

Zweites   Capitel   (Peru  und  Ecuador)   S.  47. 

(Seite  48 — 114  ist  der  stehende  Columnentitel  entsprechend  zu  ändern). 

Callao  —  Lima  —  Pativilca  —  Ancon  —  Pachacamac  —  Eisenbahnen  —  Regenlosig- 
keit  —  Guayaquil  —  Bodegas  —  Balsa-Tambo  —  Chimbo  —  Guaranda  —  Chimborazo  — 
Ambato  —  Trunkenheit  —  Latacunga  —  St.  Bartholomäus  —  Gallo  —  Tiupullo  — 
Quito  —  Panecillo  —  Garcia  —  Moreno  —  Mocha  —  Riobamba  —  Post  —  Alausi  — 
Pumallacta  —  Achupallas  —  Azuay  —  Schneesturm  —  Culebrillas  —  Inca-Pirca  — 
Cafiar  —  Bueste  —  Azogues  —  Cuenca  —  Chordeleg  —  Caja  de  Quinoa  —  Chalapud  — 
Naranjal  —  Schiffbruch  —  Mangrove  —  Payta  —  Piura  —  Catacaos  —  Strohhüte  — 
Sechura  —  Klima  —  Kreuzungen  —  Schädelentstellungen  —  Despoblado  —  Cabo  Verde 

—  Morope  —  Lambayeque  —  Chiclayo  —  Eten  —  Dialect  —  Piedras  de  campanas  — 
Pacas  mayo  —  San  Pedro  —  Facalä  —  Ascope  —  Chicama  —  Truxillo  —  Chanchan  — 

Viru  —  Chimbador  —  Santa  —  Chimbote  --  Chincha  —  Amazonen  —  Leguas. 

Drittes   Capitel  (Columbia)   S.  205. 

Punta  Parina  —  Strohhüte  —  Manta  —  Esmeraldas  —  Tumaco  —  Buenaventura  — 
Daguas   —  Cordova  —  Naranjo  —  Tocola  —  Cauca  —  Cali  —  Huacas  —  Jahreszeiten 

—  Palmyra  —  Ausrüstung  —  Buga  —  Tulua  —  La  Paila  —  Las  Caflas?  —  Mico  — 
Cartago  -;—   Pijaos   —   Cartago  viejo  —   Rio  Hotun   —   St.  Rosa  de  Cabal  —  Aldea  — 


^)  s.  zugleich  Anhang  (S.  685  -691). 


XVlir  INHALTS -VERZEICHNISS. 

Haniules  —  Gewitter  —  Erdbeben  —  Chocö  —  Neira  —  Araniuo  —  SaUmina  — 
Pozo  —  Aguadns  —  Strohhüte  —  Rio  He  Anna  —  Avejoral  —  I,as  Cejas  —  Rio  Negn> 

—  Medellin  —  Ilagui  —  Atto  de  San  Miguel  —  Farallones  —  Alto  de  Obispo  —  I.a5t- 
ttier  —  Caramanla  —  Supia  —  Mamiato  —  Filadclfia  —  Camino  Real  —  Elvira  — 
Foramo  —  Cajones  —  Biscocho  —  Soledad  —  Sl.  Domingo  ■ —  Wege  ^  Gnali  — 
Santa  Ana  —  Honda  —  Magdalena  —  Gaduas  —  Villeta  —  Facatativi  —  Bogota  — 
Chibchas  —  Tequendama  —  SaTana  —  Sopo  —  Choeonia  —  Halo  viejo  —  Ventaque- 
Diada  —  B^räbniss  —  Boyacä  —  Tunja  —  I^s  Cojines  —  Zaque  —  Leiva  —  Infiemito 
Gachela  —  Chiquinquirii  —  Zipaquirä  —  Chin  —  Geschenk  —  PeEtcaderia  —  Fluisfahrt  — 

Raranquilla. 

Viertes  Capitel   (Der  Isthmus  und  Guatemala)   S.  344. 

Colon  —  Panama  —  Costa  Rica  —  San  Juan  del  Sur  —  Bay  von  Fonseca  —  Nicaragua  — • 
Catechisiren  —  San  JoK^  —  Escuinlla  —  Amatitlan  —  Guatemala  —  Piedra  parada  — 
Chimaltenango  —  Tccpan- Guatemala  —  Santa  Crui  de  <3uich*  —  Utallan  —  Toloni- 
capam  —  Olintepeque  —  Qucliailenango  —  Sunil  —  Naguaiismus  —  Maialenango  — 
Retaluleu  —  Pferde  —  Chocoli  —  Alitlan  —  San  Lucas  —  Santa  Lucia  —  Peor-es-nada 

—  Los  Tarros  —  Pantaleon  —  Alolenango  -:-  I^  Antigua  —  Feslfeier  —  Provinzen  — 
Acatcoango  —  Confraderia«  —  Einschiflung   (Californien,  Weltausstellung,  Westindien, 

Rttckkehf). 


Zweiter  Abschnitt  (S.  441). 

AUS  RELIGION  UND  SITTE  DES  ALTEN  PERU. 

{Priesterliches  und  Staatswesen,  S.  607.) 

Anhang  (S.  683—702) 

und  Druckfehler-Verzeichniss  (S.  703  u.  704). 


DIE  REISE 


BaatlMi:  Aiaerlea.  I. 


DURCH  DIE  MAGELLANSTRASSE 

NACH  CHILE. 

Die  Verbindungen  Europas  mit  der  amerikanischen  Westküste  boten 
manches  Lästige,  so  lange  man  auf  Segekchiffe  und  die  Umfahrung 
des  Cap  Hörn  hingewiesen  war.  Eine  bedeutende  Vereinfachung  trat 
ein  durch  Eröffnung  der  Panama-Eisenbahn,  welche  eine  Vervielfäl- 
tigung der  Dampferfahrten  an  der  Küste  zur  Folge  hatte,  und  später 
verbanden  sich  dann  diese  Fahrten  der  Küstendampfer  mit  einer 
Durchschiffung  der  Magellanstrasse,  und  einer  atlantischen  Dampfer- 
linie des  hohen  Seeweges. 

Die  Dampfschiffe  an  der  Westküste  Südamerikas,  wurden  im 
Jahre  1840  von  der  Pacific-Mail-Company  in  Liverpol  eingerichtet, 
und  eben  diese  schloss  daran  zuerst  die  Befahrung  der  Magellan- 
strasse mit  Seedampfern  (1867).  Seitdem  ist  noch  eine  deutsche 
Gesellschaft  hinzugetreten,  der  Kosmos  in  Hamburg,  (sowohl  fiir  die 
Beschiffung  der  Strasse,  wie  für  die  südamerikanische  Küstenlinie), 
während  die  Verbindung  von  Panama  nach  San  Francisco,  und  nörd- 
licher, (mit  dem  Besuch  der  Zwischenhäfen),  von  einer  amerikanischen 
Gesellschaft  besorgt  wird. 

Der  Dampfer  der  Liverpooler  Gesellschaft,  auf  dem  ich  mich 
einschiffte,  Valparaiso,  ein  solid  gebautes,  aber  etwas  krengkes  Schiff, 
verliess  den  Werft  am  5.  Mai  1875  und  in  der  Nacht  des  6  Mai 
sahen  wir  die  Feuer  der  Scilly-Inseln,  wo  damals  gerade  die  ent- 
setzliche Katastrophe  des  Schiller  sich  ereignen  sollte,  die  durch  die 
Telegsamme  bereits  bekannt  zu  werden  anfing,  noch  ehe  wir  den 
letzten  Hafen  Europas  verliessen. 

Die  Mageilandampfer  laufen  in  Bordeaux  an,  für  welchen  Zweck 

wir  auf  der  Gironde  bei  Pouliac  ankerten  und  nach  dem  an  steiler  Fels- 
ig 


4  NACH   CHILE. 

küste  gebetteten  Santander,  in  Lissabon,  wo  ich  Gelegenheit  hatte, 
einige  Bekanntschaft  aus  meiner  Durchreise  im  Jahre  1873  zu  er- 
neuern. 

Die  nächste  Station  bildet  gewöhnlich  Madeira,  auf  welche  Insel 
man  bei  den  atlantischen  Fahrten  fast  immer  zurückgeführt  wird,  da 
sämmtliche  Dampfschiffslinien,  die  afrikanischen,  indischen  und  ameri- 
kanischen dort  ihren  Kreuzungspunct  finden  oder  doch  fanden. 

So  anziehend  und  erfrischend  der  Eindruck  ist,  den  die  bewal- 
deten Höhen  dieser  Oase  beim  ersten  Besuche  machen,  so  wenig 
Verführerisches  bieten  sie  bei  einer  Wiederholung  desselben,  um  an 
das  Land  zu  locken.  Die  Dampfboote  verweilen  meistens  so  kurze 
Zeit,  dass  man  über  die  Unannehmlichkeiten  der  Landung,  wie  sie  an 
an  allen  den  speculativ  auf  die  Unerfahrenheiten  zahlreicher  Durch- 
reisender rechnenden  Hafenplätze  unvermeidlich  sind,  nicht  hinaus- 
kommt, und  höchstens  nur  zu  einem  Spaziergang  in  den  engen  und 
holprigen  Strassen  Zeit  hat,  oder  zum  Ausruhen  In  den  unordent- 
lichen und  schmutzigen  Zimmern  dortiger  Wirthshäuser.  Lohnend 
wird  eine  Ausschiffung  nur,  wenn  längerer  Aufenthalt  Müsse  zu  wei- 
teren Ausflügen  giebt,um  die  malerischen  Naturschönheiten  aufzusuchen, 
die  das  Innere  birgt,  während  der  Totaleffect  besser  an  Bord,  als 
am  Strande  genossen  wird. 

Die  canarischen  Inseln  wurden  zwischen  Tenerif  und  Palmas 
durchfahren  und  dann  (15.  Mai)  kam  Ferro  in  Sicht,  mit  lang- 
gestreckten Felshöhen,  schroff  und  vorspringend,  die  Insel  zu  zeigen, 
auf  der  alte  Seefahrer  den  Wasser  sprudelnden  Baum  und  Geogra- 
phen, seit  1634,  ihren  Meridian  gesucht. 

Die  im  Dolce  far  niente  hingehenden  Tage  unter  dem  in  un- 
veränderter Heiterkeit  strahlenden  Himmel  der  Passate  (im  Golfo  de 
Damas)  brachte  uns  die  Begegnung  mit  der  Flying  Squadron,  die 
aus  6  Schiffen  bestehend,  mit  dem  Flagschiff  Sir  Walter  Raleigh 
heimwärts  kreuzte.  Am  20.  Mai  trat  Nachts  der  erste  Regen  ein, 
bei  Annäherung  an  die  Küste  und  am  22.  Mai  hoben  sich  die  von 
den  Holländern  auf  ihren  brasilischen  Fahrten  „de  Kerk"  genannten 
Felspfeiler  Fernando  do  Noronha's  aus  dem  Meer,  eine,  welligen 
Hügeln  zwischengestreckte  Ebenen  zeigende  Insel  dichter  Waldungen. 
In  dem  dort  erfolgten  Schiffbruch  Gonzalo  Coelho's  im  Jahre  1503 
fanden  Vespucci's  Gefährten  dieses,  im  nächsten  Jahre  Fernando  do 
Noronha  geschenkte,  Eiland  (S.  Joam)  unbewohnt  und  die  Vögel  noch 
so  wenig  an  Störungen  gewöhnt,  dass  sie  sich  mit  den  Händen 
greifen    Hessen.     Später    wechselte    der    Besitz   zwischen   Franzosen, 


BAHTA.  5 

Holländer  und  Portugiesen,  bis  die  Brasilier  jetzt  einen  Deportations- 
platz dort  eingerichtet  haben. 

Am  23.  Mai  zeigte  sich  in  der  Ferne  die  Küste  Brasiliens,  ein 
sandiger  Streif  mit  grauer  Decke,  unter  welcher  niedrige  Wellener- 
hebungen hervortreten.  Dann  erscheinen  die  weissen  Häuser  Oliva's 
auf  den  Höhen,  und  bald  erblickt  man  längs  der  Küste  den  Masten- 
wald im  Hafen  Recife's,  der  unteren  Stadt  neben  Olinda,  als  der 
oberen. 

Der  mit  Ausschluss  Olinde 's  (s.  Av^-Lallement)  die  Stadttheile 
Cidade  do.  Recife,  San*  Antonio  und  Boa  Vista  zusammenfassende 
Namen  Pernambuco,  der  wie  er  (im  Anschluss  an  Fernando)  auch 
geschrieben  wurde,  Fernambuco  (Fernambourg)  hat  mehrfache  Deu- 
tungen erfahren  und  wird  von  Macedo  aus  der  Sprache  der  Cahetes 
als  Paranabuco  (durchlöcherter  Stein)  erklärt.  Doch  schliesst  er 
sich  natürlicher  an  Parana,  die  Bezeichnung  des  Meeres  (oder  grosser 
Flusswasser),  an,  etwa  (nach  Vamhagen)  der  Meeresarm  (Mbuk)  oder 
(bei  Prazeres)  mit  dem  portugiesischen  Zusatz  boca  (Mündung).  Nach 
Thevet  hiess  das  Meer  Paranambouquo  (am  Cap  Frio). 

Bei  der  späten  Ankunft  am  Nachmittage  (Mai  23.)  hielt  sich  das 
Dampfboot  auf  der  Rhede  und  schickte  nur  ein  Boot  an  s  Land,  um 
den  Austausch  der  Postsäcke  zu  vollziehen,  ohne  mit  den  damals 
wieder  (wie  fast  beständig)  vom  gelben  Fieber  inficirten  Wohnplätze 
in  Berührung  zu  kommen.  Es  wurden  alarmirende  Gerüchte  von 
dem  Ausbruch  eines  Krieges  in  Europa  zurückgebracht,  und,  wie  es 
hiess,  sollten  Deutschland  und  England  gegen  einander  in  WaflFen  ge- 
treten sein.  Indess  wurde  dadurch  das  gute  Einvernehmen  an  Bord 
nicht  gestört,  da  die  Verständigeren  einem  Bruche  zwischen  zwei 
durch  die  Gemeinsamkeit  ihrer  Interessen,  in  gegenseitiger  Ergänzung 
derselben,  von  der  Geschichte  selbst  zu  steten  Bundesgenossen  be- 
stimmten Nationen  keinen  Glauben  schenken  weder  konnten  noch 
wollten. 

Am  25.  Mai  fuhren  wir  an  einer  langgestreckte  Küste  hin,  mit 
niedrig  bewaldeten  Erhebungen,  und  sie  lief  aus  in  eine  Hügel- 
spitze, durch  den  Leuchtthurm  gekennzeichnet.  Häuser  lagen  auf 
waldigen  Höhen  und  Einbuchtungen  zerstreut  und  dann  öflFnete  sich 
die  weite  Bahia  de  todos  los  Santos  mit  ihren  Wellenhügeln,  sowie 
ein  Einblick  auf  die  Flussebenen. 

Böte,  von  lärmenden  Mulatten  und  Negern  geführt,  brachten  uns 
ans  Land  nach  der  Ciudad  bassa,  den  Ort  des  Handels  und  der 
Märkte,  während  eine  Hebungsmaschine  für  den  Besuch  der  auf  steilem 


(^  NACH    CHILE. 

Klippenrand  gelagerten  Oberstadt  (ciudad  alta)  benutzt  werden  konnte. 
Die  Häuser  steigen  zum  Theil  bis  acht  EtagTin  auf,  und  die  Strassen 
sind,  besonders  in  der  unteren  Stadt,  wo  sich  der  ganze  Verkehr 
abwickelt,  eng,  schmutzig,  holprig  und  uneben.  In  Folge  der  vielen 
Neger  und  Negerinnen  könnte  man  noch  jetzt  die  Bemerkung  Frezier's 
wiederholen:  ,,la  ville  parait  une  nouvelle  Guinee,"  und  schon  damals 
(1716)  bestand  eine  Hebungsmaschine  zum  Aufsteigen  nach  der  oberen 
Stadt,  während  sie  in  der  Zwischenzeit  ausser  Gebrauch  gekommen 
zu  sein  scheint,  da  die  jetzige  erst  seit  einigen  Jahren  im  Gange  war. 
An  freieren  Stellen  der  Oberstadt  geniesst  man  einen  weiten  Blick 
über  die  Bay,  mit  kaum  sichtbaren  Hügeln  der  Umziehung,  und  auf 
den  Wasserspiegel  zwischen  den  Inseln,  in  diesem,  fast  stets  wie  e? 
heisst,  eine  glatte  Oberfläche  darbietenden  Meeresabschnitt,  der  indess 
in  lebendig  wogendem  Zusammenhange  mit  dem  Ocean  draussen 
verbleibt  und  die  Reihe  der  Küstenflüsse  schweigend  in  sich  herab- 
zieht. Ihre  Wasser  durchfurchen  die  ergiebige  Fläche  des  Reconcavo 
und  befeuchten  längs  des  Rio  de  San  Francisco  die  Rohrzucker- 
felder, wie  die  Plantagen  an  den  übrigen  Ufern,  während  das  als 
Stapelplatz  des  Tabaks  zur  Bedeutung  gelangte  Emporium  Cachoeira 
am  Paraguassuflusse  liegt. 

Am  Paraguassu  spielte  die  romantische  Episode  des  Patriarchen 
der  dortigen  Ansiedler,  des  unter  seinem  indianischen  Beinamen  Cara- 
mura  bekannte  Diego  Alvarez*)  (mit  der  Häuptlingstochter  der  Tupi- 
nambas  auf  der  Insel  Itaparica)  und  die  gefabelte  Mitleidenschaft  des 
französischen  Hofes  wurde  vielleicht  nachträglich  hineingezogen,  um 
ein  Seitenstück  zu  gewinnen  für  die  Courfähigkeit  der  virginischen 
Pacahonta,die  den  Hof  König  Jacobs  so  für  sich  einnahm,  ,,dass  man 
dem  armen  Edelmann,  ihrem  Gemahl,  drohete,  ihn  zur  Rechenschaft 
zu  fordern,  dass  er  eine  königliche  Prinzessin  ohne  des  Königs  Ein- 
willigung geehelichet.** 

Gegründet  wurde  diese  Cidade  de  S.  Salvador  da  Bahia  de  todos 
OS  santos  von  de  Souza  1549  und  in  der  brasilischen  Geschichte  er- 
scheint sie  als  die  classische  Metropole,  die  jetzt  noch  den  Namen  eines 
amerikanischen  Athen  für  sich  beansprucht,  wie  Boston  im  Norden. 
Auch  bildete  sie  als  Hauptstadt  die  Residenz  der  portugiesischen 
Vicekönige  seit  1641,  bis  ihr  diese  Hegemonie  1763  durch  die  Riva- 
lität Rio    de  Janeiros    entrissen    wurde,    von  Mem   de  Sa  (1567)    ge- 

»)  Ell  esta  bahia  de  Tocios  Sanctos  vive  un  Diego  Alvarez,  Portugues,  hecho  cau- 
dillo  de  los  Indicos  (weiss  auch  üviedo). 


RIO   DE  JANEIRO.  7 

gründet,  dem  Vertreiber  der  Franzosen  an  der  Küste.  Im  Jahre  1624 
fiel,  wenn  auch  nur  vorübergehend,  Bahia  in  die  Hände  der  Hollän- 
der, wie  1630  Recife,  und  aus  der  Zeit  der  bis  1654  dauernden 
Herrschaft  ihrer  (1602  gegründeten)  Compagnie  für  Indien  bleiben, 
ähnlich  wie  in  den  portugiesischen  Colonien  Angola 's  und  St.  Thomas*, 
noch  manche  Erinnerungen  zurück,  besonders  an  die  thätigc  und  ein- 
greifende Verwaltung  des  Statthalters  Moritz  von  Nassau. 

Auf  dem  in  dieser  Richtung  durch  Wind  und  Strömung  begün- 
stigten Wege  von  Bahia  nach  Rio-Janeiro  passirten  wir  das  (iir  die 
Küstenrichtung  Brasiliens  sowohl,  wie  für  seine  Vorgeschichte,  als 
Landungsglatz  des,  von  den  Tupis  und  Guaranis  in  ihren  Vorfahren 
gefeierten,  Bruderpaars  beachtenswerthe  Cap  Frio,  und  obwohl  das- 
selbe aus  dem  Gesichtskreis  blieb,  sahen  wir  dann,  am  Mai  28.,  die 
in  pittoresquer  Grossartigkeit  vielgestaltigen  Felsberggipfel  vor  uns, 
welche  die  Bay  von  Rio  de  Janeiro  anzeigen,  und  fuhren  in  diese  ein, 
an  dem  schräg  überliegenden  Pao  assucar  vorbei.  In  ihm,  wie  im  Gavia, 
dem  Kopf  des  schlafenden  Riesen,  dem  Corcovado  (2300  Fuss  hoch) 
u.  s.  w.  verlaufen  die  Gebirgszüge  von  Bangu  und  Jacarepagua,  die  dort 
gleich  der  Tijuca,  ihr  Ende  erreichen.  • 

Die  durch  diese  wundersam  geformten  Pic  umzogene  und  für 
Flotten,  soviel  sich  ihr  böten,  Raum  gewährende  Bay,  die  (nach 
Mouchez)  freilich  jährlich  wasserärmer  werden  soll,  erscheint  um  so 
prächtiger  durch  die  Kaiserstadt  San  Sebastiao*),  die  im  Hintergrund 
sich  am  Ufer  forterstreckt  und  zwischen  den  Hügelthälern  hinauf- 
zieht. Wir  mussten  uns  freilich  mit  dem  Anblick  aus  der  Ferne  be- 
gnügen, da  die  Quarantaine-Verhältnisse  ein  Landen  am  Quai  unmög- 
lich machte  und  nur  ein  Spaziergang  auf  den  mit  Campina  bewachsenen 
Hügeln  der  Insel  Macagui  erlaubten,  wo  sich  das  Kohlendepot  der 
Compagnie  befand. 

Am  nächsten  Morgen  genossen  wir  eines  malerischen  Schauspiels, 
indem  bei  dem  Zerreissen  tief  herabhängender  Nebelwolken  die  ein- 
zelnen Berggipfel  in  ihren  barokken  Umrissen  nach  einander  hervor- 
traten, und  auch  nach  dem  Verlassen  der  Bay  begleitete  uns  anfangs 
eine  sonderbar  zerrissene  Gebirgslandschaft. 


»)  Mem  de  Sa  hicss  Nobrega  seinen  Angriff  auf  die  von  Tamoyos  vertheidigte  Festung 
der  Franzosen  in  Ura^umiri  bis  auf  den  glttckverhcissenden  Tag  des  heiligen  SebasHan 
verschieben  und  fügte  dieser  Eroberung  die  von  Parana  -  pucuy ,  auf  Cats  island  (s. 
Southcy),  hiniu,  worauf  die  nach  Recife  flüchtigen  Franzosen  auch  von  dort  vertrieben 
wurden  (1567). 


8  NACH   CHILE. 

Rio  Janeiro  bildete  den  hauptsächlichsten  Handelssitz  der  (seit 
1504  an  der  Küste  erwähnten)  Franzosen,  bis  zu  ihrer,  die  Pläne 
Villegagnon's  vereitelnder,  Niederlage,  und  das  gute  Einvernehmen, 
in  welchem  sie  damals,  aus  altem  Verkehr,  mit  den  Eingeborenen 
standen,  wird  auch  durch  die  Erzählungen  Hans  Staden's  bezeugt. 

Ausserdem  hat  man  versucht,  wie  die  Priorität  der  afrikanischen 
Entdeckungen  (in  den  Kaufmannshäusem  Dieppe 's  an  der  Goldküste), 
die  der  amerikanischen  für  die  Franzosen  in  Anspruch    zu    nehmen, 
und  schon  im  Jahre  1488  wäre  auf  einem  französischen  Schiffe  Martin 
Alonso  Pinzon    (der  kühne    und    erfahrene    Begleiter    des  Columbus, 
als  Commandant  der  Pinta)  an  der  Küste  Amerikas  gelandet.    Besser 
beglaubigt  ist  seines  Bruders  Vincente  Pinzon s  Verdienst,   als  Ent- 
decker des  brasilischen  Festlandes,  wo  er  (1500)  das  (bald  darauf  von 
Diego  de  Lepe    umfahrenen)  Cap  Augustin  auffand,    in    Begleitung 
Vespucci's,    der    bereits    (1499)    ^^  Hojeda's  Fahrt    von    den    durch 
Columbus    in    Paria    berührten    Punkten    zum    Cabo     de    la    Vela 
(gleichzeitig    mit   der  Guerra's    bis  Codera)  Theil    genommen  hatte, 
und   auf  der  (nach  d'Avezac)  wahrscheinlich    (gleich  der  folgenden) 
vt)n  Coelho  befehligten  Expedition  das  Cap  Roque  erreichte,    sowie 
südlichere    Breiten.     Die   auf  die,    von  Cabral  erhaltene,  Nachricht 
vom  Könige  Portugals  veranlasste  Fahrt  nach  Presilligland  (von  dem 
Handel  mit  Caesalpinia  brasiliensis)    galt    bereits  (1501)  dem  neuent- 
deckten   Paschaol    (Monte    Pascual)    in    der    Kreuzesinsel    (Ilha    da 
Santa  Cruz  oder  Vera  Cruz).     Es  war  die   südwestlich  brasilianische 
Strömung,    die    diesen    Seefahrer,    der   sich    mit  Vasco    de   Gamas 
Instructionen   versehen,    auf  dem  Wege    nach  Indien  fand,    in    den 
Porto  Seguro  des  damals  noch  unbekannten  Continentes  trieb,    und 
aus  diesen  hydrographischen  Verhältnissen  verdient  auch  die  an  das 
Cap  Frio    geknüpfte  Tupi-Guarani-Sage    besondere  Beachtung.     Auf 
meiner  ersten  Reise    nach  Australien,    noch  ehe  Dampf  böte   solche 
Hochseefahrten  unternahmen,    wurde  ich   von  dem  Capitain    unseres 
Segelschiffes,    während   wir    mit    schlaffen    Segeln    an    den    Masten 
hülflos  im  Calmengürtel  umherschaukelten,  vielfach  von  den  Gefahren 
drohenden  Zeitverlustes  unterhalten,  wenn  uns  die  westliche  Aequa- 
torialströmung  an 's  Cap  Roque  treiben  sollte,  und  fehlte  es  nicht  an 
der  Aufzählung   warnender  Beispiele.     Auch    sind    die  Instructionen 
der  Segelanweisungen    über   das  Passiren    des  Aequators  besonders 
mit  Rücksicht  hierauf  niedergelegt. 

Die  Küste  Brasiliens    war    anfänglich    das    eigentliche  America, 
die  America  Provincia    (America  vel  Brasilia   sive   Papagalli    terra). 


MONTEVIDEO.  9 

doch  wurde  dann  der  durch  Hylacomilus  aus  der  Uebersetzung  von 
Amerigo  (Alberico  oder  Amalrich)  Vesputio's  Quatuor  Navigationes 
zur  Geltung  gebrachte  Namen  ein  allgemeiner  für  den  Nuevo  Orbe. 

In  den  spanischen  Entdeckungsfahrten  an  der  südamericanischen 
Küste  lag  zugleich  die  Absicht  zu  Grunde  den  ihnen  nach  der 
päpstlichen  Theilung  vortheilhafteren  Weg  nach  Malacca  aufzufinden, 
und  so  wurde,  als  die  Nachricht  von  der  über  den  darischen  Isth- 
erreich ten  Südsee  nach  Europa  gelangte,  Juan  Diaz  de  Solis  aufs 
Neue  nach  dem  von  ihm  1508  entdeckten  Rio  de  la  Plata  entsandt, 
wo  er  unter  den  Charruas  seinen  Tod  fand  (15 15).  Die  Furcht  vor 
diesen  wilden  Stämmen  in  der  Banda  oriental  verzögerte  die  Grün- 
dung Montevideos,  oder  (s.  Burmeister)  Monte  vireo,  den  von  der 
Natur  angezeigten  Hafen,  bis  1726  (oder  17 17  durch  Zavala),  und  in  der 
Zwischenzeit  begnügte  man  sich  mit  dem  auf  dem  Gebiete  der 
Querandis  angelegten  Buenos-Ayres. 

Das  Ungünstigere  dieser  Lage  trat  uns  deutlich  entgegen,  als 
wir  Juni  2.  vor  Montevideo  ankernd  einen  längeren  Aufenthalt  für 
Ueberfiihrung  der  mitgebrachten  Auswanderer  nach  Buenos-Ayres 
erlitten,  und  machte  er  sich  um  so  lebhafter  fühlbar,  weil  das  Ein- 
laufen in  brasilianischen  Häfen  ein  Landen  in  Uruguay  verbot. 

In  der  Einfahrt  überrascht  die  Mächtigkeit  dieses  aus  dem  Uruguay 
und  dem  bei  dem  Tres-Bocas  mit  Paraguay  vereinigten  Parana  gebildeten 
Silberstroms*)  (Rio  de  la  Plata)  in  dem  Aestuar  des  ungeheuren 
Wasserbeckens,  das  diesseits  der  centralen  Wasserscheiden, — der  Sierra 
geral  gegen  den  Rio  San  Francisco,  dem  Campos  dos  Parexis  gegen 
den  Tapajos  und  Xingu,  der  Cordillere  von  Andacahua  gegen  den 
Madeira^)  — ,  in  den  Flussarmen  des  Paranahyba  mit  der  Erweiterung 
zum  Parana  (dem  sich  der  aus  dem  Nevado  von  Acay  und  Salta 
herabkommende  Jui-amento    oder  Guachipas,    als  Salado   verbindet). 


*)  Von  dem  aus  einem  westlichen  Reich  erhaltenen  Silberschmuck,  den  Cabot  auf 
striner  Entdeckungsreise,  bis  zur  Insel  Apipe,  von  den  Guaranis  kaufte,  erhielt  der  (mit 
dem  Uruguay  den  La  Plata  bildende)  Parana  den  Namen  des  Silberflusses  (1527).  'Von 
dem  auf  dem  Boden  seiner  Entdeckungen  Ermordeten  hatte  sich  früher  der  Name  Rio  de 
Solis  verwendet 

')  Die  Portugiesen  benutzen  eine  Tragestelle  der  Böte  zwischen  dem  Rio  Alegre, 
NebenÜuss  des  Barbados,  der  in  den  mit  dem  Mamor^  und  Beni  den  Madeira  bildenden 
Guapore  oder  Itenes  ßült,  und  dem  Aguapey,  Nebenfluss  des  Jauru,  der  sich  in  dem 
Sumpfterrain  der  Laguna  de  los  Xarayes  mit  dem  Paraguay  vereinigt,  wie  am  Südende 
desselben  der  Cuyaba,  der  in  den  Quellen  seines  Nebenflusses,  des  Tombador,  denen  des 
Estivado,  Nebenfluss  des  Arinos  oder  Tapajos  so  nahe  ist,  dass  die  dortigen  Pflanzungen 
(wie  de  Moussy  bemerkt),  abwechselnd  aus  Wassern,  die  zu  dem  Wassergebiet  des  Ma- 
rafion  gehören  oder  aus  denen  des  Paraguay  (oder  La  Plata)  befruchtet  werden  können. 


10  NACH   CHILE. 

des  Paraguay  (aus  den  siete  lagunas)  und  (seines  aus  dem  Suipacha  der 
Punavon  Jujuy  und  dem  Pilaya  desCinti-Rücken  entstehenden  Zuflusses), 
des  Pilcomayu,  sowie  des  in  den  Küstenketten  (mit  dem  Rio  de  las 
Canoas  in  den  Waldbergen  San  Catharina's)  entspringenden  Uruguay,  die 
nach  Süden  geführten  Wassermassen  des  Contincnte  s  in  sich  aufnimmt. 

Die  Stadt  Montevideo  liegt  amphitheatralisch  auf  ansteigendem 
Wellengrund  neben  einem  von  Befestigungen  gekrönten  Hügelberg, 
auf  den  der  Name  bezogen  wird.  Am  Ufer  waren  vorn  die  ausge- 
dehnten Fabrikgebäude  sichtbar  zur  Herstellung  des  Fleisch-Extractes, 
eines,  fiir  den  Reisenden  besonders,  werthvollen  Proviantmittels.  Die 
für  Montevideo  bestimmten  Passagiere  wurden  vor  der  Abfahrt  auf 
der  felsigen  Flores-Insel  ausgeschifft,  wo  sich  die  Quarantaine-An- 
stalten  finden. 

Im  Gegensatz  zu  der  miasmatisch  geschwängerten  Atmosphäre 
Brasiliens,  wo  an  einigen  Localitäten  das  gelbe  Fieber  endemisch  zu 
werden  droht,  gilt  die  der  La  Plata-Staaten,  wie  in  dem  (durch  neuere 
Erfahrungen  freilich  nicht  durchgängig  bewährten)  Namen  Buenos- 
Ayres  (Gute  Luft)  ausgedrückt  liegt,  für  besonders  gesund,  in  Folge 
der  Luftreinigung  durch  die  trockenen  Pamperos,  die  von  den  Schiffern 
wieder  (gleich  den  Suestados)  für  ihr  Anschwellen  zu  Orkanen  ge- 
fürchtet sind,  was  zwar  in  jeder  Jahreszeit  bevorsteht,  am  häufigsten 
jedoch  in  der  kalten. 

Fünf  Tage  waren  wir  bei  ruhigem  Wetter  unter  einem  heiter 
klaren  Himmel  blasser  Tinten  hingefahren,  als  sich  am  8.  Juni  in 
einer  niedrig  gehobenen  Streichung  dünenartiger  Erstreckung  die 
Küste  Patagoniens  zeigte,  und  dann  der  Absatz  des  Cap  Virgen 
(Cabo  de  las  Virgines),  das  wir  umfuhren,  um  Abends  in  Possession- 
Bay  zu  ankern. 

Als  sich  am  21.  October  1525  den  Blicken  Magellans  dieses  Vor- 
gebirge zeigte,  da  hing  es  von  der  Antwort  des  Ja  oder  Nein  auf 
die  gestellte  Frage  ab,  ob  das  Problem  der  Erdumsegelung  bereits 
seine  Lösung  finden  würde,  denn  widersprechend  lauteten  die  Be- 
richte der  zur  Kundschaft  ausgesandten  Schiffe.  Die  Mannschaft  des 
einen  zweifelte,  die  andern  glaubten  jedoch  aus  der  Länge  des 
gefolgten  Canals,  aus  der  Tiefe  des  Wassers,  aus  den  Strömungen 
und  F'luthen  auf  eine  Strasse  schliessen  zu  können,  und  Magellan 's 
energische  Entschlossenheit,  die  so  eben  erst  wieder,  in  dem  Ueber- 
winterungshafen,  eine  gefährliche  Meuterei  mit  festem  GrifT  erstickt 
hatte,  bedurfte  keiner  langen  Ueberlegung.  Der  bei  Annäherung  an 
Cap  Froward  veränderte  Character  der  Strasse  erregte  für  einen  Augen- 


MAGEUIAEN.  H 

blick  Anstand,  so  dass  von  der  Bucht  des  späten  Port  Famine  wieder 
ein  Recognoscirungsschiff  vorangeschickt  wurde.  In^ess  Magellans 
Entschluss  stand  schon  auf  festem  Grunde,  denn  ohne  weitere  Nach- 
richt von  dem  den  Begegnungsort  verfehlenden  Fahrzeug,  liess  er 
unter  ceremoniellen  Feierlichkeiten  die  Anker  lichten  und  erreichte  nach 
wenigen  Tagen  das  (ersehnte)  Cap  Deseado  (Cabo  de  las  Pillares 
oder  Cap  Pillar)  mit  dem  Anblick  der  offenen  Südsee  vor  sich. 
Während  Loysa  90  Tage  mit  der  Durchfahrt  in  Anspruch  genommen 
war,  Byron  51  Tage,  Wallis  116  Tage,  Bougainville  60  Tage,'  führte 
sie  Magellan  in  weniger  als  3  Wochen  aus,  obwohl  noch  ohne  jede 
Karte  oder  selbst  Vermuthungen  über  den  richtigen  Weg  in  diesen 
Canallabyrinthen. 

Trotz  des  Aufsehens,  das  in  Folge  der  ersten  Erdumschiffung 
die  Entdeckung  der  langgesuchten  Strasse  hervorrief,  verlor  doch 
dieselbe,  bei  ihren  Schwierigkeiten  für  Segelschiffe,  an  Bedeutung,  als 
Schouten  in  Lemaire's  Strasse  die  Regia  Via  gefunden,  und  dann, 
seit  Brower's Umsegelung  von  Staat enisland,  durch  Sharp  und  beson- 
ders durch  Dampier,  das  offene  Meer  im  Süden,  mit  Beseitigung  oder 
wenigstens  weiterer  Zurückschiebung  des  antarctischen  Continentes, 
festgestellt  war.  Erst  mit  der  heutigen  Entwicklung  der  Dampf- 
schifffahrten haben  die  Vortheile  der  Strasse  wieder  ausgenutzt  wer- 
den können,  und  als  das  erste  Dampfschiff  in  der  Magellan-Strasse 
(„wo  nicht  das  allererste,  so  doch  jedenfalls  eins  der  ersten")  bezeichnet 
Kohl  die  englische  königliche  Steam-sloop  Virago,  unter  dem  Com- 
mando  des  Capitain  Housten  Stewart  (1851). 

Der  östliche  Theil  der  Strasse  trägt  den  Character  des  Patago- 
nischen  Landes,  aber  jenseits  Cap  Froward,  der  Südspitze  des  ame- 
rikanischen Festlandes,  tritt  man  in  die  Cordillere  des  Westens  ein, 
und  zwar  in  die  östliche  Kette  derselben,  während  die  westliche 
(die  sog.  Küsten-Cordillere,  aber  seit  Juan  Fernandez  bei  dem  ferneren 
Fehlen  an  Verzweigungen  vom  Andes- System  als  abgezweigt  gel- 
tende) durch  den  Chonos-Archipelago  im  Bogen  nach  dem  Feuer- 
land ausläuft.  In  all  diesen  wild  zerrissenen  Inselgruppen  stehen 
gewissermassen  die  Zwischenthäler  der  Cordillere  noch  inmitten  des 
Meeres,  von  den  Wogen  desselben  erfüllt,  und  nur  die  Bergspitzen 
ragen  über  der  Oberfläche  hervor.  Hieraus  folgt  auch  der  scheinbare 
Eindruck  verhältnissmässiger  Niedrigkeit,  und  Darwin  erklärt  diese 
Täuschung  des  Urtheils  bereits  daraus,  „that  the  whole  mass,  from  the 
summit  to  the  water  s  edge,  is  generally  in  füll  view."  Wenn  neuere 
Beobachtungen    das  Festland    der    amerikanischen  Südspitze  als  sin- 


12  NACH   CHILE. 

kend  bezeichnen,  so  kann  dagegen  der  mit  neueren  Auswurfsmassen 
bedeckte  Isthmus  der  continentalen  Mitte  als  bei  der  Arbeit  der  Er- 
hebung  thätig  angesehen  werden. 

Bei  unserem  Ankern  im  Possession- Bay  hatte  sich,  nach  bereits 
eingebrochener  Dunkelheit,  nur  ein  niedriges  Vorland  unterscheiden 
lassen,  am  andern  Morgen  aber  sahen  wir  die  felsige  Erhebung  vom 
Cap  Possession  vor  uns.  Eine  sandige  Küste  mit  unregelmässigen 
Haufen-Erhebungen  bezeichnet  Patagonien,  (wo  der  vierzackige  Mount 
Aymond  erkennbar  war),  niedrige  Sandstreifen  deuteten  die  Inseln 
des  Feuerlandes  an. 

Nach  einer  Felserhebung  vor  Mount  Orange,  den  von  Bänken 
eingeengten  Eintritt  in  die  First  Narrows  anzeigend ,  folgten  steinige 
Sanderstreckungen  und  darauf  Lehmbänke,  durch  welche  das  Schiff  den 
Weg  zu  lothsen  hatte.  In  Patagonien  breitete  sich  eine  steinige  Sand- 
fläche aus ,  mit  Erhebungen  bei  Cap  Gregory ,  an  der  Seite  des 
Feuerlandes  fielen  lehmige  Sandbänke  ab.  Nach  dem  Passiren  der 
Magdalenen-Inseln  (neben  denen  von  Santa  Marta)  zeigten  sich,  mit 
Gente-Grande-bay  (der  Grossfüssler  und  Jagdgeschichten)  auf  dem 
patagonischen  Festland  niedrige  Hügellinien  mit  Schneestreifen  be- 
deckt, beim  Austritt  aus  den  Second  Narrows,  und  dann  warfen  wir 
Anker  in  der  in  der  Feme  durch  St.  Anna  Point  umzogenen  Bucht 
vor  der  welligen  Hügelwand  von  Punta  Arenas  (Sandy  Point).  Die 
Ansiedlung  liegt  an  Waldkuppen,  hinter  denen  sich  eine  Hügelreihe 
hinzieht,  auf  welcher  in  dieser  Jahreszeit  hier  und  da  Schnee  lagerte. 
Der  Ort  dient  als  Deportationsplatz  und  mag  an  Bedeutung  ge- 
winnen durch  die  jetzt  in  der  Nähe  bearbeiteten  Kohlenminen,  sowie 
kürzliche  Goldentdeckungen.  Die  chilenische  Ansiedlung  (nach  der 
Meuterei,  indem  1843  —  1851  in  Neu  -  Braunschweig  unterhaltenen 
Fort,  1853  hierher  verlegt)  ist  an  die  Stelle  getreten  derjenigen 
Versuche,  die  früher  besonders  in  den  Localitäten  des  Port  Famine 
versucht  wurden,  dessen  Namen  bereits  das  traurige  Schicksal  aus- 
spricht, welches  d  e  meisten  Coloniepläne  betraf  Am  umfassendsten 
angelegt  war  die  des  in  mystischer  Begeisterung  gegen  die  Unbilden 
dortiger  Natur  ankämpfenden  Sarmiento,  der  seinen  Namen  der 
majestätischen  Campana  de  Roldan  gelassen  hat,  aber  obwohl  er  be- 
reits bei  seiner  Besitzergreifung  der  Muttergottes-Inseln  im  Golfo  de 
la  Trinidad,  den  Winden  und  Wogen,  um  ihnen  die  Aufnahme  der 
Ketzerschiffe  zu  verbieten,  die  von  dem  Stellvertreter  Gottes,  dem  hei- 
ligen Vater,  effectuirte  Schenkung  der  halben  Welt,  genau  180  Län- 
gengrade (s.  Kohl)  an  seinen  König  proclamirt  hatte  (1579)  ""^  ^l^o, 


PUNTA   ARENAS.  13 

nachdem  dieser  1580  auch  den  portugiesischen  Antheil  an  sich  ge- 
rissen, bei  der  Gründung  der  Ciudad  del  Rey  Felipe  (1583)  die 
ganze  Welt  fiir  ihn  hätte  beanspruchen  dürfen,  ging  doch  durch  den 
Ungehorsam  des  Klimas  Alles  auf  das  Kläglichste  zu  Grunde,  und 
von  den  letzt  Ueberlebenden  fand  nur  Einer  Rettung  an  Bord  der 
Schiffe  des  in  Drake's  Spuren  folgenden  Cavendish  (1586),  dessen 
Besatzung  die  in  den  Ruinen  Philippopolis'  vergrabenen  Geschütze 
als  Beutestücke  mit  sich  fortführten.  Vielleicht  war  das  die  Strafe 
dafür,  dass  der  Vorschlag  einer  officiellen  Dedication  der  Strasse  an 
die  Muttergottes  (als  „El  Estrecho  de  la  Madre  de  Dios")  nicht  aus- 
geführt, oder  wenigstens  von  den  Geographen  nicht  mit  genügendem 
Eifer  angenommen  war. 

Unser  Aufenthalt  in  Punta  Arenas  beschränkte  sich  auf  wenige 
Stunden,  denn  da  der  Capitain  für  die  gefährliche  Ausfahrt  des  Cip 
Pillar  eine  volle  Verwendung  über  das  Tageslicht  wünschte,  lichtete 
er  um  7  Uhr  Abends  die  Anker  und  passirten  wir  also  den  inter- 
essantesten Theil  der  Strasse  leider  bei  Nacht. 

Ich  blieb  indess  während  derselben  auf  Deck,  um  wenigstens 
das  zu  sehen,  was  die  Lichtbeschränkung  erlauben  würde.  Ungefähr 
gegen  Mitternacht  hoben  sich  die  gigantischen  Umrisse  des  Cap 
Froward  (des  trotzigen  Vorgebirges)  aus  der  Dunkelheit  ab,  als  wir 
im  nächtlichen  Schweigen  der  Natur  daran  vorüber  dampften.  Als 
den,  sämmtliche  Zonen  zweifach  durchsetzenden  Continent  endgültig 
abschneidend,  verdiente  gewiss  dies  gespenstische  Cap  mit  seinem 
Morro  de  Santa  Agueda  eine  Apostrophe,  wie  sie  Camoens  Dichter- 
geist an  das  Südcap  Africa 's  richtete. 

Gleich  nach  dem  Umfahren  desselben  trat  der  von  dem  Capitain 
bereits  vorhergesagte  (und  durchweg  beobachtete)  Wechsel  ein,  in- 
dem wir  in  das  östliche  Thor  des  Cap  Virgen  bei  heiterem  Himmel 
eingefahren  waren,  der  uns  auch  bis  dahin  begleitet  hatte,  jetzt  da- 
gegen unter  grauer  Umfinsterung  des  Himmes  dickes  Wetter  einsetzte, 
mit  Nebelsenkungen  und  Sprühregen,  und  obwohl  die  hohen  Fels- 
wände an  beiden  Seiten  der  (auf  English  Reach  folgenden)  Crooked 
Reach  Schutz  gewährten,  sich  doch  eine  eisige  Luft  fühlbar  machte, 
und  Windstösse,  die  darüber  hinstürmten,  wobei  mitunter  die  als 
Williwaws  gefürchteten  Böen  herabfuhren.  Die  Strasse  ist  von  Höhen- 
zügen eingeschlossen  bis  Port  Gallant,  und  verengert  sich  mehrfach, 
bogenweis  umherziehend. 

In  der  dunkeln  Nacht  traten  auf  beiden  Seiten  die  schwarzen  Fels- 
massen drohend  entgegen,    und    hier   und    da   klafft  zwischen  ihnen 


14  NACH   CHILE. 

eine  Oeffnung,  hinter  welcher  sich  neue  Erhebungen  aufthürmten. 
Bei  Cap  Crosstide  näherte  sich  ein  Bot  der  Eingeborenen,  unter  den 
aus  der  Finsterniss  heraufschallenden  Zurufen  erkennbar  und  dem 
Feuer,  das  oft  in  Radform  emporflackerte,  wenn  der  angezündete 
Baumzweig  vom  Winde  angefacht  wurde.  Indess  entzogen  sich  diese 
Leuchten  immer  rasch  dem  Auge,  da  sie  den  Dampfer,  der  ihret- 
wegen keinen  Aufenthalt  machte,  nicht  zu  erreichen  vermochten. 
Schon  bei  Magellans  F'ahrt  erhielt  das  Feuerland  (wie  in  Puerto  de  San 
Julian  das  Jagdgebiet  der  grossfiissigen  Patagonier)  seinen  Namen 
(tierra  del  fuego)  von  den  nächtlich  gesehenen  Feuern,  und  Fitz  Roy 
beobachtete  den  Gebrauch  der  Pescherähs,  dass  sie,  um  die  Lästig- 
keit der  Feueranzündung  zu  sparen,  glimmende  Spähne  mit  sich 
führten,  wie  es  ähnlich  in  Australien  geschieht. 

Die  Dampfbote  tragen  kein  Bedenken,  die  Fahrt  durch  diese 
westliche  Strecke  der  Strasse  bei  Nacht  zurückzulegen,  da  das  Land 
an  beiden  Seiten  nächste  Annäherung  erlaubt,  und  demselben  mit- 
unter so  nahe  kommen  könnte,  dass  die  Baumzweige  über  das  Deck 
herabhingen,  an  vorspringenden  Puncten,  bis  die  Strasse  zwischen 
parallelen  Bergreihen  eine  gleichmässige  Streckung  annahm.  Steil 
zeichnete  sich  Cap  Quod  ab,  eine  bei  ihrem  ruinenartigen  Vortreten 
von  ununterbrochenen  Weststürmen  verwüstete  Felsruine  und  manche 
eigenthümliche  Formation  erschien  in  phantastischen  Umrissen  unter 
dem  Schleier  des  nächtlichen  Dunkeln. 

Mit  der  Morgendämmerung  leuchtete  aus  dem  Reflex  der  Sonne, 
lange  vor  ihrem  Aufgang,  der  Wiederschein  von  Gletschern  herüber 
und  beim  Austritt  aus  der  engen  Long  Reach  (la  Calle  larga)  sahen 
wir  uns  inmitten  einer  aufgeregten  und  aufregenden  Scenerie.  Wild 
zerrissene  Felsmassen  jagten  nach  Westen  in  vielgestaltigen  einander 
entgegengestellten  Piks  emporgebäumt,  während  links  eine  Wand 
durch  inselartig  zerschnittene  Felsklumpenmassen  ^)  gebildet  wurde, 
mit  Cape  Upright  hervorstehend,  der  Auföffhung  von  Sea  Reach, 
wo  die  Dünung  anfängt  bemerkbar  zu  werden. 

Schnee  lagerte  auf  den  Höhen,  und  bei  Oeff"nungen  drang  rechts 
der  Blick  in  das  Innere,  von  Bergkolossen  getroffen,  und  hie  und 
da  von  dem  Leuchten  hoher  Gletscher  oder  der  weissen  Decke,  worin 
die  übrigen  Höhen  gehüllt  waren,  während  von  dem  Felsgetümmel 


»)  Narborough  nannte  die  Strecke,  vom  Cap  Quod  (Quade)  bis  zur  See,  South-deso- 
büon,  da  ei  nichts  Oederes  gäbe,  als  dieses  Land. 


CAP  PILLAR.  16 

um  uns  her,  bei  der  Insel  Tamar*)  wo  Smyth's  Canal  sich  abzweigt, 
gefrorene  Cascaden  bis  an  das  Meer  herabstürzten. 

Der  bisher  in  Böen  wehende  Wind  wird  gleichmässig  stärker, 
und  die  weiten  Wasser  des  Pacific  fluthen  in  mächtigen  sturm- 
gepeitschten Wogen  dem  Schiffe  entgegen. 

Rechts  erhebt  sich  im  Kampfgetümmel  des  Wasser-  und  des 
Luftmeeres  das  eines  felsigen  Archipelago,  und  links  erscheint  eine 
Reihe  gleichmässig  nach  einander  vorspringender  Felsinseln,  ge- 
schlossen durch  Cape  Pillar  (el  Cabo  de  las  pilares),  in  gigantische 
Säulen  abfallend  bis  zu  den  in  der  Wasserwüste  des  Oceans,  als 
Ausstrahlungen  verschwindenden  Vorfelsen,  die  sich  in  den  Klippen  der 
Spanish  Lanchas,  sowie  der  Apostel  fortstrecken,  in  den  Ocean 
hinaus,  der  uns  jetzt  mit  gewaltigem  Gewoge  entgegen,  in  die 
Strasse  hineinzurollen  begann.  Nur  schwer  kämpfte  der  starke 
Dampfer  dagegen  an  und  oft  vermochte  er  kaum  unter  dem  aufge- 
thürmten  Wogenschwall  seinen  Cours  zu  halten  oder  seine  Position 
zu  wahren,  bis  die  offene  See  gefunden  ist,  die  ihn  dann  als  leichten 
Spielball  aufschäumenden  Kämmen  umherschleudert.  Dem  1750  Fuss 
hoch  aufsteigenden  Cap  Pillar  gegenüber,  zieht  sich  von  dem 
Felsen  der  Westminster  Hall  (mit  den  Lawyer-Inseln)  die  Kette  der 
Sir  John  Narborough- Islands  bis  zum  Cap  Victoria  hin,  während  vor 
der  Strasse  die  Felsen  der  Evangelisten  (Directions-Islands)  aus  dem 
Wasser  aufragen. 

Die  Seeleute  deuteten  unter  dem  vom  Wasser  überrauschten 
Klippenfelsen,  sowie  in  den,  scheinbare  Zufluchtsorte  versprechen- 
den, Buchten  die  Gefahren  aus,  unter  denen  schon  manches  Schiff, 
auch  aus  den  der  englischen  Gesellschaft  gehörigen,  seinen 
Untergang  gefunden  hatte,  und  wenn  die  Schrecken  des  engen 
Strassen-Ausganges  oder  der  Landesnähe  überwunden  sind,  bedrohen 
die  Orkane  des,  hier  nicht  gerade  stillen,  Oceans.  Da  sie  oft  mit 
rasender  Furie  wüthen,  von  Norden  herabstürmend,  und  also  sich  dem 
Fortgang  entgegen  stemmen,  würde  das  Dampf  bot,  wenn  die  compli- 
cirte  Maschine,  mit  welcher  es  arbeitet,  in  einem  kritischen  Augen- 
blicke in  Unordnung  gerathen  sollte,  dann,  hülfloser  als  selbst  ein 
Segelschiff,  dem  Spiel  der  Elemente  anheim  gegeben  sein.  Eine 
Zeit    lang    wählten    die    Dampfböte    den    längeren    Umweg    durch 

')  Betwccn    Capes  Tamar  and  Phillip,  a  space  of  4  leagues,  there  is  a  deep  bight, 

witht  wo  openings,  the  easternmost  in  which  are  glaciers  and  icy  sounds,  extends  to  the 

northcast  for  10  miles  from  the  mouth,    and    the  westernmost    is  the    commencement  of 
Smyth's  Channel  (s.  Parker  King). 


16  NACH   CHILE. 

Smyths  Channel,  der  zwar  in  ruhigeres  Wasser  hinausführt,  andererseits 
aber  so  schmale  Parthien  enthält,  dass  grössere  Fahrzeuge  leicht  in 
ihren  Manövern  behindert  werden.  Die  englische  Gesellschaft  hat 
deshalb  neuerdings  ihren  Capitänen  diese  Strasse  verboten,  die  da- 
gegen von  den  Böten  der  deutschen  Gesellschaft,  weil  kleinerer 
Dimensionen,  mitunter  noch  benutzt  wird.  Die  Stürme  mögen 
sich  im  Pacific  nach  Norden  bis  Coquimbo,  und  einzelne  selbst  bis 
Copiapo,  erstrecken,  und  treten  in  Valparaiso  zuweilen  noch  mit 
grosser  Heftigkeit  auf,  besonders  in  den  Monaten  von  Mai  bis  Sep- 
tember. Grade  damals  war  ein  solcher  Orkan  über  den  Hafen  von 
Valparaiso  hingerast,  und  wir  hatten  in  Montevideo  telegraphische 
Nachricht  empfangen,  von  der  durch  ihn  unter  den  Schiffen  ange- 
richteten Verheerung,  deren  manche  mit  Allem  an  Bord  gesunken 
oder  von  den  Ankern  treibend,  an  der  Küste  gescheitert  waren. 
Indessen  kurz  nachdem  ein  solch  ungewöhnliches  Ereigniss  geschehen 
ist,  fühlt  man  sich  verhältnissmässig  desto  sicherer,  soweit  Wahr- 
scheinlichkeitsrechnungen zulässig  sind. 

Am  12.  Juni  fanden  wir  uns  neben  dem  Archipelago  der  Chonos 
und  (nördlicheren)  Guaitecas  (zwischen  Cap  Tres  Montes  und  Chiloe), 
felsig  aufsteigenden  Inseln,  die  geologisch,  wie  sonst  geographisch, 
und  wahrscheinlich  auch  ethnologisch,  mit  dem  Feuerlande  in  Be- 
ziehung zu  setzen  sind.  Asta  -  Buruaga  dagegen  stellt  die  Chonos 
mit  den  Huilliches  Patagonien's  zusammen,  Molina  nennt  die  Cocaus 
auf  den  Inseln  von  Chiloe  (mit  den  dortigen  Cunchos  verwandt).  Um 
die  Bekehrung  der  Bevölkerung  zu  beschleunigen,  wurde  sie  Ende 
des  i8.  Jahrhunderts  nach  Chiloe  transportirt ,  mit  Ausnahme  der 
nach  Ofqui,  uncf  den  weiter  zu  den  Patagoniern  Geflüchteten.  Mit- 
unter sollen  noch  Begräbnissplätze  in  Höhlen  oder  Mumien  in  Rinden- 
kästen beigesetzt  gefunden  werden,  und  von  den  Schädeln  heisst 
es,  dass  sie  mit  denen  der  Payas  in  Chiloe  übereinstimmen.  Chiloe,  wie 
Molina  bemerkt,  sei  in  der  Chili-dugu  (Sprache  Chili*s)  von  den  Chi- 
lenern, die  ihre  eigenen  Wohnsitze  Chili-mapu  (das  Land  Chili)  ge- 
nannt, als  Chili-hue  (ein  Bezirk  Chilis)  bezeichnet  worden  (oder  das  Ende). 

Entdeckt  wurde  der  Archipelago  von  Ancud  im  Jahre  1558  und 
die  den  Namen  gebende  Hauptstadt,  die  an  die  Stelle  der  von  Castro 
(1566)  gegründeten  Ciudad  de  Castro  trat,  von  Berenguer  1768  ange- 
legt (als  Villa  de  San  Carlos  de  Chiloe).  Das  Presidio  auf  Juan  Fer- 
nandez  datirt  seit  1750.  Neuere  Nachrichten  über  Chiloe  giebt 
Dr.  Martin,  Zeitschrift  für  Ethnologie,  Heft  3,  1877. 

Südlich  von  den  Chonos  erstrecken  sich  neben  denPeyes  oder  Poyas 


FEUERLÄNDER.  1? 

die  Key-yus  (Keyes)  bis  zur  Magelhan-Strasse  (s.  Falkner),  und  alle 
Stämme  im  Westende  der  Magelhan-Strasse  bis  Cap  Tres  Montes 
werden,  ebenso  wie  die  Eingeborenen  des  Golfes  von  Trinidad,  von 
Fitzroy  zu  den  Chonos  gerechnet,  die  ihrerseits  wieder  den  Ali- 
koolip  des  Feuerlandes  ähneln  sollen. 

An  die  CuHlau-cunny  und  Sehuau-cunny,  die  mit  den  Tehuelches 
(oder  Tehuel-cunny)  zu  den  eigentlichen  Patagoniern  (die  Puelches 
bis  zu  der  Berührung  araucanischer  Verwandtschaften)  gehören, 
schliessen  sich  die  Yacana-cunny,  die  in  die  (westlich  durch  Alikoolip 
neben  Yapoos  und  Tekeenica  repräsentirten)  Bewohner  des  Feuer- 
landes übergehen,  auf  dessen  nordöstlichem  Theil  sie  dauernder  oder 
vorübergehend  angetroffen  werden.  ^ 

Unter  den  in  Punta  Arenas  an  Bord  gekommenen  Passagieren 
fanden  sich  einige  Franzosen,  die  in  Folge  eines  Colonisationsprojectes 
ausgewandert  waren,  und  auf  ihren  vorläufigen  Explorationszügen 
mit  den  Yacanacus  in  Berührung  gekommen  waren,  die  sich  von 
dem  Feuerlande  um  die  Halbinsel  Neu -Braunschweig  nach  King 
William's  FV.  Land  herumgezogen  haben,  und  dort  mitunter  in  Rudecr 
böten  mit  den,  die  Strasse  zwischen  Cape  Froward  und  Cape  Pillar 
befahrenden,  Schiffen  zu  verkehren  suchen.  Die  von  den  Reisenden 
gesehenen  Wilden  bedienten  sich  Hunde  Zweierlei  Mischrassen  zur 
Jagd  auf  Guanuco  und  lebten  hauptsächlich  von  Ratten,  zur  Woh- 
nung unter  Büschen  kauernd.  Als  Kleidung  tragen  sie  ein  durch 
Ausstrecken  auf  der  Erde  bereitetes  Guanaco-Fell  auf  dem  Nacken, 
und  während  der  Menstruation  legen  die  Frauen  ausserdem  eine 
Schürze  von  Hundsfell  an.  Zum  Schmuck  werden  Sehnen  um  den 
Hals,  um  Beine  und  Arme  angelegt,  mit  durchbohrten  Steinen  oder 
Muscheln.  Neben  Körben,  die  fiir  Mitführen  der  essbaren  Muscheln 
zur  Nahrung  dienen,  werden  Fellsäcke  getragen,  und  in  diese,  neben 
einem  zum  Nähen  gebrauchten  Knochen  (unter  jedesmaligem  Zu- 
binden des  Fadens),  einige  Kieselsteine,  um  in  der  Rinne  des  Holzes 
die  Feuerspähne  abzuschaben,  welche  dann  durch  Reiben  mit  einem 
andern  Holz  in  Flammen  gesetzt  werden.  Für  gewöhnlich  sucht  man 
den  Funken  in  gestampften  Schwämmen  glühend  zu  erhalten.  Die 
Nahrung  wird  roh  gegessen  oder  auf  Kohlen  geröstet.  Der  Häupt- 
ling trägt  eine  hohe  Spitzmütze  aus  Fellen.  Die  Spitzen  der  Lanzen 
werden  im  Feuer  gehärtet  oder  aus  Kieselstein  gefertigt  (gleich  denen 
der  Pfeile),  unter  Festbinden  mit  Schnüren  und  Kleben  durch  Harz. 
Die  Sehne    der  Bogen    besteht   aus  Thiersehnen.     Statt  der  Steine 

werden    auch    zerbrochene    Flaschenscherben    zur   Verfertigung    von 

2 

Bastian:  America-    I. 


Jg  NACH  CHILfi. 

Pfeilspitzen  .(durch  Abschlagen)  gebraucht.  Das  Haar  wird  (von 
Frauen)  mitunter  in  Kranz  geschoren,  unter  Glattrasiren  des  Scheitels 
(oder  Abbrennen  der  Haare  des  Scheitels),  und  Mädchen  tragen 
drei  Stränge  oder  Flechten  über  die  Stirn. 

Nach  dem  Essen  (oder  als  Zeichen  der  Gastfreundschaft)  bieten 
die  Frauen  (der  Feuerländer)  ihre  Brust  zum  Säugen  an  (der  Adop- 
tionsgebrauch der  Circassier.) 

An  einer  Stelle,  die,  wie  es  schien,  für  religiöse  Ceremonien  be- 
sucht zu  werden  pflegte,  fanden  die  Reisenden  eine  halb  künstliche 
Erhebung,  auf  deren  Plattform  mit  bunten  Steinen  drei  Figuren  aus- 
gelegt waren,  die  eine  einen  Kreis  (oder  Sonne),  die  andere  einen 
Halbmond,  und  die  dritte  eine  Hand  darstellend,  wovon  der  Bericht- 
erstatter einen  kurzen  Umriss  gab.  Von  den  vier  Seiten  her  sollten 
dann,  wie  es  beschrieben  wurde,  vier  schnurgerade  Strassenrich- 
tungen  auf  die  Höhe  zugeleitet  haben,  so  dass  sich  also  —  unter 
gleichzeitigem  Auftreten  der  bis  in  den  hohen  Norden  verfolgbaren 
Symbole  der  Sonne,  des  Mondes  und  der  Hand  —  hier  im  fernen 
Süden  gewissermassen  ein  schwacher  Reflex  jenes  Platzes  in  Cuzco 
gefunden  hätte,  „d'ou  sortirent,  pour  ainsi  dire,  quatre  rues  magni- 
fiques,  qui  representaient  les  quatre  parties  de  la  Monarchie  du  Perou ' 
(s.  Coreal)  im  Ttahuantin-suyu  (der  Inca). 

Unter  den  Büschen  liegen  die  Feuerländer,  an  einander  gedrückt, 
in  niedrigen  Gruben,  mit  einem  Stein  zum  Schutz  gegen  den  Wind 
und  hinter  aufrechten  Hecken.  Auf  dem  Marsch  folgen  sie  einander 
im  Gänsemarsch.  Sie  sind  ihrer  Statur  nach  kurz  und  trägt  die 
ganze  Constitution  das  Aussehen  der  Verkümmerung.  Nach  Fitzroy 
wohnen  die  Yacana  auf  der  östlichen  Insel  von  Tierra  del  Fuego,  die 
Tekeenica  im  südöstlichen  Feuerland,  die  Alikhoolip  zwischen  dem 
Westtheil  des  Beagle-Canal's  und  der  Strasse  von  Magelhan,  die  Huemul 
zwischen  Otway  und  Skyingwater,  die  Pecheray  an  beiden  West- 
seiten der  Strasse  (mit  den  Channel -Indians  und  Chonos  verwandt.) 
Die  zu  den  Tehuelches  gehörigen  Patagoner,  (als  Yanakens  des 
Süden),  die  über  den  Hals  der  Halbinsel  Neu-Braunschweig  nach  Punta 
Arenas  kommen,  sprechen  einen  der  Sprache  der  Yucanacus  ver- 
wandten Dialect.  Sie  bedienen  sich  des  Lasso  und  der  Bolas,  sowie* 
zum  Schmuck  des  Silber,  (zum  Theil  bei  den  Araucanern  verarbeitet), 
während  sie  das  Gold  verschmähen.  Durch  die  (grossen)  Yacana- 
Kunny  (den  Patagoniern  verwandt)  in  der  östlichen  Tierra  del  Fuego 
wird  (nach  Fitzroy)  der  benachbarte  Stamm  der  (kleineren)  Tekeenica 
durch  Einfalle  bedrängt. 


LOTA.  19 

Am  folgenden  Tage  (13.  Juni)  kamen  die  Bergreihen  Valdivien's 
in  Sicht,  sowie  die  Araucaniens,  und  dann  die  Insel  Mocha,  deren 
araucanische  Bevölkerung,  die  bei  der  Entdeckung  (1544)  dem  Acker- 
bau und  Fischfang  ergeben  angetroffen  war,  nach  dem  Flusse  Biobio 
und  dem  am  Nordufer  erbauten  Mochita  verpflanzt  wurde,  um  den 
holländischen  Freibeutern,  die  damals  den  englischen  folgten  und 
1640  von  Valdivia  einen  vorübergehenden  Besitz  ergriffen  hatten,  den 
auf  der  Insel  gefundenen  Stützpunkt  zu  entziehen  (1685).  Die  jetzt 
unter  deutschen  Colonisten  aufblühende  Niederlassung  in  Valdivia 
wurde  unter  der  spanischen  Herrschaft,  weil  durch  das  Zwischen- 
schieben der  unabhängigen  Araucanier  von  den  übrigen  Besitzungen 
(wie  auch  jetzt  noch)  abgeschnitten,  ohne  selbstständiges  Leben  durch 
jährliche  Zuschüsse  erhalten,    und  diente  als  Verbannungsort. 

Am  14.  Juni  liefen  wir  in  Lota  ein,  zwischen  Arauco  und  Coronel  ge- 
legen, und  gleich"  dem  letzteren  Platz  neuerdings  (seit  Mitte  der  50er 
Jahre)  durch  die  Bearbeitung  der  Kohlenminen  (in  der  Tertiär-Formation 
zwischen  der  Cordillere  von  Nahuelbuta  und  dem  Meere)  für  die  Dampf- 

* 

schiff-Gesellschaften  wichtig ,  die  deshalb  dort  Niederlagen  für  ihre  Be- 
dürfnisse besitzen.  Die  lehmigen  und  schmierigen  Strassen  des  Fleckens 
wurden  durch  den  Kohlenstaub  nicht  anziehender,  doch  boten  Spa- 
ziergänge längs  der  bewaldeten  Hügel  von  den  Spitzen  derselben 
mehrfache  Aussichten  über  die  Thalschluchten  und  die  umziehenden 
Bergketten,  die  sich  mit  dem  Blick  auf  das  offene  Meer  zu  einem 
angenehmen  Gesammtbild  erweitern. 

Hier  landeten  die  fiir  Concepcion  bestimmten  Passagiere,  die  an  dem 
(bis  Natividad  schiffbaren)  Flusse  Biobio  gelegene  Hauptstadt  der 
Provinz,  und  unter  den  spanischen  Städtegründungen  eine  der  ältesten, 
da  sie  von  Valdivia  selbst  im  Thal  von  Penco  (1550)  unter  den  jetzt 
ausgestorbenen  Promauca  (einst  die  Mark  der  Auca  oder  Arau- 
canos)  projectirt  wurde,  obwohl  sie  ihre  jetzige  Gestalt  erst  im 
Jahre  1754  erhielt,  als  Concepcion  de  la  Madre  Santisima  de  la  Luz 
(oder  Concepcion  de  Mocha).  Bereits  Herrera  erwähnt  der  Kohle 
bei  Talcahuano,  dem  Hafen  Concepcion's  (und  Stevenson  der  Ausfuhr 
des  Weizens).  Bei  Lota  wurden  Kupferschmelzwerke  errichtet,  um 
die  dortige  Kohle  direct  zu  benutzen.  Zu  Schmidtmayers  Zeit  (1822) 
wurden  die  Kohlen  von  Concepcion  über  Valparaiso  exportirt. 

Im  Getöse  jener  blutigen  Indianerkriege,  das  die  Geschichte 
Chili 's  durchtobt,  hört  sich  der  Biobio  meist  als  der  Name  des  Grenz- 
flusses, hinter  dem  es  den  Spaniern  gelang  Sicherheit  zu  suchen  vor 
den  so  wiederholt  sich  ihnen  überlegen  zeigenden  Araucaniern.     An 

2* 


20  NACH   C  HII.K. 

ihm  war  dann  eine  defensive  Stellung  zu  nehmen,  und  nur  wenn 
diese  verstanden  wurde,  wenn  man,  wie  der  Gouverneur  Juan  de 
Xara-Quemada,  seine  Bemühungen  auf  Instandhaltung  der  Befesti- 
gungen am  Biobio  richtete,  heilten  kurze  Augenblicke  der  Ruhe  die 
blutenden  Wunden,  welche  innerhalb  eines  Zeitraumes  von  300  Jahren 
mehr  als  200  des  Krieges  schlagen  mussten.  Wie  indess  gerade  eine 
harte  Schule  der  Natur  die  beste  Erziehung  angedeihen  Tässt,  zeigt 
der  heutige  Chilener,  und  die  Ueberlegenheit*)  desselben  über  die 
übrigen  Republicaner  Südamerica's,  deren  Vorfahren  in  ertödtender 
Monotonie  ein  nutzloses  Schlaraffenleben  hindehnten,  während  die 
seinigen  im  steten  Waffenlärm  geboren  wurden  und  starben.  Als 
Garcilasso  de  la  Vega  schrieb,  als  das  heroische  Geschlecht  der  Con- 
quistadores  grossgezogen  wurde,  verhielt  es  sich  so  auch  noch  in 
Peru,  und  er  erzählt,  wie  er  unter  dem  Schmettern  der  Trompeten, 
unter  dem  Wiehern  der  Rosse,  unter  dem  Klirren  der  Schwerter 
aufgewachsen  sei.  Hier  aber,  wie  in  Mexico,  wo  gleichfalls  mit  dem 
Haupte  des  despotischen  Regimentes  die  ganze  Kraft  des  einheimi- 
schen Staatsgebäude^  gebrochen  worden  war,  änderte  sich  dies  bald, 
und  obwohl  in  den  Wäldern  der  Montana  ein  manchmal  verheerender 
Völkerzwist  fortdauerte,  waren  es  doch  späterhin  nur  vereinzelte 
Momente,  wenn  das  verweichlichte  Lima  durch  Erhebung  eines  der 
Prätendenten  vom  Inca-sprossaus  seinem  ununterbrochenen  Festesrausch, 
der,  neben  der  elenden  Nüchternheit  der  Provinzen,  die  Hauptstadt 
übersättigte,  emporgeschreckt  wurde,  und  dann  stand  der  Vicekönig 
mit  dem  ganzen  Apparat  eines  von  Madrid  aus  sogleich  in  der  Aus- 
.  rüstung  vervollständigten  Heeres  zu  Gebote.  In  Chile  dagegen  hatte 
Jeder  zur  Wehr  zu  greifen,  Haus  und  Hof  zu  vertheidigen,  oder  einer 
Herausforderung  der  ritterlichen  Araucaner  zu  folgen.  Mitunter  wurde 
die  Hauptstadt  selbst  bedroht,  manche  der  grösseren  Städte  wie 
Imperial,  Osorno  wiederholt  zerstört,  und  so  auch  Concepcion.  Erst 
nachdem  mit  Putapichion's  Tode,  in  der  noch  unentschiedenen 
Schlacht  bei  Alvarrada  die  Linie  der  grossen  Toqui  allmählig  zu 
Ende  ging,  begannen  die  Spanier  festeren  Fuss  zu  fassen,  und 
mit  dem  Friedenscongress  1675  wurden  die  „capitanes  de  amigos" 
gewonnen,    die    dann   zum   Schilde  gegen    ihre    eigenen  Landsleute 


*)  Ebenso  wurden  die  in  dem  Unabhängigkeitskriege  gegen  Spanien  den  Auschlag 
gebenden  Colombier  durch  die  Kriege  gegen  die  wiUlen  Indianer,  die  noch  im  17.  Jahr- 
hundert die  Landstrassen  unsicher  machten ,  gestählt ,  und  Coreal  bemerkt  auf  seiner 
Durchreise  in  Popayan  den  Unterschied,  den  er  an  ihnen  fand,  verglichen  mit  den  in 
Vergnügungen  untergegangenen  Peruanern  und  Mexicanem. 


ARAUCANER.  21 

dienten.  Noch  aber  schwankte  vielfach  das  Kriegsglück,  bis  1726 
im  Frieden  von  Negerrete  die  Grenzwacht  am  Biobio  dauernder 
fixirt  wurde  und  1758  im  Süden  der  Calle-Calle-Fluss  dafür  bestimmt 
werden  konnte ,  so  dass  sich  jetzt  auch  Valdivia  freier  fühlen  durfte. 
Diese  Stadt  war  bereits  in  dem  ersten  grossen  Siegeslauf  Valdivia's 
gegründet  (1552),  Nachdem  jedoch  dieser  Erobererfürst,  trotz  seiner 
ungestümen  Tapferkeit,  der  wohldurchdachten  Feldherrnkunst  Cau- 
polican's  bei  Catiquichas  erlegen  war  und  dann  der  Heldenjüngling 
Lautaro,  dessen  Verrath  die  Feinde  selbst  als  Patriotismus  anzu- 
erkennen gewillt  waren,  die  fremden  Ansiedelungen  vom  Boden  der 
Heimath  vertilgt  hatte,  theilte  auch  sie  das  Schicksal  der  übrigen 
Pflanzstädte,  und  trotz  temporärer  Wiederherstellung  würde  ihre  Zer- 
störung 1599  eine  dauernde  gewesen  sein,  wenn  später  nicht  Gründe 
der  höheren  Politik  hinzugetreten  wären.  In  gleicher  Gegend,  wo 
sich  jetzt  deutsche  Ansiedler  fanden,  beabsichtigten  die  Holländer 
durch  die  Flotte  Elias  Harkman's  eine  Colonie  anzulegen,  und  so 
wurde  der  Blick  Spaniens  auf  diesen  bisher  vernachlässigten  Winkel 
seiner  weiten  Besitzungen  gelenkt.  Der  Vicekönig  Peru  s  sandte  so 
seinen  Sohn,  Antonio  de  Toledo  y  Leiva,  um  Valdivia  wieder  her- 
zustellen (1642),  und  erst  1740  ging  die  Verwaltung  von  der  perua- 
nischen Regierung  wieder  auf  die  chilenische  über. 

Die  Inca  selbst,  wenn  sie  (nach  Eyzaguirre)  nur  bis  zum  Rapel 
oder  Cochapoal  (in  Streifzügen  bis  zum  Maule)  vordrangen,  waren  mit 
den  eigentlichen  Araucanern  nicht  in  Berührung  gekommen,  sondern 
nur  mit  den  Promaucas,  und  diese  bekämpfte  Almagro  bei  Cocha- 
poal (1537).  Ihnen  verwandt  war  der  Ulmen  von  Copiapo,  dem 
durch  Coteo  die  zur  Erkundschaftung  des  Landes  ausgeschickten 
Monroy  und  Meranda  ^Is  Gefangene  zugeführt  wurden. 

Bei  dem  eigentlichen  Volk  der  Araucaner  oder  Auca,  nahe  dem 
Südende  des  Festlandes  zu,   fand   sich   eine  festgeschlossene  Organi- 
sation,   wie   sie   sonst   bei  keinem  andern  Stamm  America  s  hervor- 
tritt,   indess  in  dem  peruanischen  Incastaat  zu  seiner  staatlichen  Er- 
weiterung gedeutet  werden  könnte.    Der  energische  Character  dieser 
sich  der  Kriegsgefahren  freuenden  Indianer  bildet  freilich  den  Gegen- 
satz zu  der    scheuen   Nachgiebigkeit   der  von  Cuzco   unterworfenen 
Nationalitäten,    muss    dagegen    wieder    den    Eroberern    eingewohnt 
haben,  welche  zu  solcher  Unterwerfung  von  dort  auszogen  und  ihr 
weites  Reich  in  Unterwürfigkeit    hielten.     Die  Kriegstüchtigkeit    der 
übrigen  Utanimapu  wurde    besonders  aus  den  östlichen  Puelches  er- 
neuert und  diese  führten  auf  den  gemeinsamen  Ausgangspunkt  zurück, 


22  NACH   CHILE. 

von  WO  die    später  noch   von  den  Chiriguanos  verfolgten  Wege  bis 
Chuquisaca  und  zum  ferneren  Vordringen  nach  Norden  leiteten. 

Ercilla  spricht  wiederholt  sein  Erstaunen  aus  über  die  Feldherrn- 
talentc  und  die  geordnete  Tactik,  die  den  Spaniern  aus  ihren  arau- 
canischen  Gegnern  entgegentrat,  und  welche,  wie  er  meint,  der 
Kriegskunst  der  im  Alterthum  berühmtesten  Nationen  nichts  nach- 
gäbe. Die  im  ersten  Augenblicke  der  Ueberraschung  erlittenen 
Niederlagen  lehrten  jene  neue  Schlachtordnung,  durch  welche  Cau- 
poliacan  eine  auserlesene  Blüthe  der  spanischen  Ritterschaft  ver- 
nichtete, und  rasch  begriffen  die  Araucaner  die  Nothwendigkeit,  ihre 
Bewaffnung  zu  verändern,  indem  sie  die  Bogen  und  Schleuder  (oder 
die  Llaques  genannten  Bolas),  die  gegen  die  weiter  treffenden  Pulver- 
geschütze wirkungslos  wurden,  durch  eine  regelmässige  Vertheilung 
von  Bogen  und  Keulen  ersetzten,  um  rasch  zum  Handgemenge  zu 
kommen.  Schon  siebzehn  Jahre  nach  dem  Erscheinen  der  Spanier 
fingen  die  Araucaner  an,  Pferde  zur  Zucht  zu  verwenden,  und  bereits 
1585  konnte  der  Toqui  Cadeguala  ein  wohlgeordnetes  Reiterregiment 
ins  Treffen  führen.  Trotz  der  Eifersucht,  mit  welcher  die  erblichen 
Ulmenes  die  von  den  rechtlichen  Ueberlieferungen  der  Almapus 
garantirten  Freiheiten  zu  wahren  pflegten,  fügten  sie  sich  doch  mit 
unbedingtem  Gehorsam  der  fiir  die  Freiheit  ihres  Landes  erforder- 
lichen Dictatur  im  Kriege,  und  sobald  dieselbe  proclamirt  war,  legte 
der  Toqui  das  Zeichen  seiner  Würde  in  der  Steinaxt  nieder,  die 
dann  von  dem  militärischen  Toqui  als  Apo  oder  Oberster  (Häuptling 
oder  Vuta  Apo)  aufgenommen  wurde,  um  während  der  Dauer  des 
Kriegszustandes  unter  unumschränkter  Macht  zu  gebieten.  Sich  selbst 
bezeichneten  die  Araucaner  als  Auca  (die  Freien  oder  Franken)  und 
Huertu  (Männer),  während  sie  die  Spanier  mit  dem  verächtlichen 
Beinamen  der  Chiapi  (Räubersoldaten)  oder  Huincun  (Meuchelmörder) 
belegten.  Heute  freilich  (wie  Domeyko  sagt)  „se  eclipsö  el  orgullo 
del  antiguo  arauco."  Im  Munde  der  Inca  meinte  Auca  einen  Ver- 
räther oder  Rebellen,  und  wurden  mit  diesem  Namen  besonders  die 
widersetzlichen  Chancas  belegt,  bei  deren  gefährlichem  Aufstande 
es  der  wunderbaren  Erscheinung  Viracocha's  bedurft  hatte,  um  den 
heiligen  Bezirk  Cuzcos  vor  Entweihung  zu  schützen. 

Der  früher  kriegerische  Character  des  Volkes  spiegelt  sich,  wie 
überall,  in  den  religiösen  Vorstellungen,  und  auch  die  abgeschiedenen 
Seelen  nahmen  Theil  am.  Kampfe  der  Lebenden,  indem  sie  aus  den 
Himmelsregionen,  zu  deren  Horizontberührung  sie  über  das  Meer 
von    degi    charontisch    seelenfuhrenden    Walfisch    getragen    waren, 


CHILENER.  23 

durch  die  Lüfte  nach  der  Heimath  zurückkehrten,  um  im  Augen- 
blicke der  Gefahr  ihren  Nachkommen  zur  Seite  zu  stehen.  Wie  die 
Amakosa  in  der  ersten  Schlachtenreihe  die  Geister  ihrer  Vorfahren 
kämpfen  glauben,  wie  die  Lokrer  ein  Glied  in  der  Schlachtenlinie 
für  das  Herabsteigen  ihres  Heros  offen  Hessen,  so  eilten  den  Arau- 
canern  aus  dem  Seelenlande  von  jenseits  des  Meeres  die  Ahnen- 
geister*) zu  Hülfe,  um  in  den  Lüften,  auf  dem  Wege  der  Milchstrasse 
als  Sterne  leuchtend,  den  Kämpfenden  voranzuschreiten  und  die 
Grenzen  des  Vaterlandes  m  schützen.  Wenn  in  den  Gewittern  die 
Wolkenroller  aufeinander  stiessen,  so  kämpften  dort,  wie  nach  der 
Hunnenschlacht,  die  Seelen  der  Araücaner  mit  denen  ihrer  Feinde, 
und  mit  ermuthigenden  Rufen  wurde  es  jubelnd  begrüsst,  wenn  die 
Sturmgötter,  flüchtige  Nebelmassen  vor  sich  hertreibend,  nach  der 
Richtung  der  spanischen  Besitzungen  vordrangen,  wogegen  man  kla- 
gend die  Seite  des  Vaterlandes  unterliegen  wähnte,  wenn  das  Gewölk 
um  die  eigenen  Besitzungen  sich  zusammenzuballen  begann.  Im 
Streite  mit  solchen  Gegnern  wurden  die  Chilener  gross  gezogen  und 
auch  die  Art  der  Colonisation ,  (die  indess  zugleich  zu  den  Frohn- 
diensten  der  Inquilinos  führte),  trug  zur  Bildung  des  Characters  bei, 
denn  wie  der  adelsstolze  Biscayer  mit  Vorliebe  nach  Peru  auswan- 
derte, der  handeltreibende  Catalane  nach  Mexico,  so  (nach  Poeppig) 
der  arbeitsame  Gallegos  Galizien's  nach  Chili. 

Aus  dem  Entwicklungsgang  der  Nationalität  ist  ein  gewisses 
Bravado  im  chilischen  Character  geblieben,  der,  da  keine  würdigeren 
Objecte  geboten  sind,  an  den  farblosen  und  ephemeren  Revolutions- 
scharmützeln seine  Befriedigung  sucht  und  sich  in  ihrer  Verherr- 
lichung übt.  Meyen  hörte  in  Santiago  „beständig  von  Strategie 
sprechen,  und  die  Operationen  Friedrichs  II.  und  Napoleons  beur- 
theilen,  während  man  hier  zu  Lande  nur  2 — 3  Regimenter  zu  bewe- 
gen hat"  und  an  diese  Bemerkung  wurde  mehrfach  in  Gesprächen 
mit  Chilenern  erinnert,  wenn  höchst  überraschende  Parallelen  zu 
Waterloo,  Königsgrätz  oder  Sedan  gezogen  wurden.  Freilich  wird 
für  die  Betheiligten  auch  das  kleinste  Treffen  ein  directeres,  und  so- 
mit in  verhältnissmässiger  Abschätzung  grösseres,  Interesse  haben, 
als  jene  glänzenden  Ereignisse,  bei  denen  „hinten  in  der  Türkei",  im 


«)  Wie  BobadiUa  von  dem  Greis  Tazotcyda  hörte,   rief  man  im  Kriege   die  am  Auf- 
gang der  Sonne  lebenden  Teotes  (Götter)  an,  dass  sie  zu  Hülfe  kämen,  „ddndolcs  voces 
hasta  el  cielo,  und    wie    der    Häuptling  Misesboy  erklärte,    waren    jene  Götter  die  Vor- 
fahren (nuestros  padres  son  aquellos  teotes).  Die  Götter  Tamagastad  y  ^'P*"°''*^,/'Jl^  "f  ^" 
die  Verstorbenen  in  Nicaragua  als  ihre  Kinder,  sprechend:  Ya  vienen  mis  hijos  C«.        e<io). 


24  NACH    CHILE. 

Morgenlande    einer    anderen    Halbkugel,    die    Völker   auf   einander 

schlagen. 

Der  nächste  Hafen  war  Valparaiso  (Juli  i6.),  das,  so  sehr  es 
sich  seit  meiner  letzten  Anwesenheit  in  neueren  Verbesserungen,  in 
Eisenbahnen,  Telegraphen,  Gasbeleuchtung  u.  s.  w.,  und  überhaupt 
der  Vergrösserung  der  Stadt,  verändert  haben  mochte,  mir  bei  der 
Einfahrt  doch  vertraut  entgegen  trat.  Wenigstens  war  der  Total- 
Eindruck,  wie  durch  die  topographische  Lagerung  von  selbst  ge- 
geben, ziemlich  derselbe,  und  ebenso  wenig  paradiesisch  wie  damals. 
Man  pflegt  zur  Erklärung  anzuführen,  dass  das  erste  Schiff,  das  1 547 
aus  Peru  dort  anlangte,  mit  dejn  Frühling  gekommen  sei,  aber  auch 
diese  Entschuldigung  kann  nur  unter  der  Voraussetzung  gelten,  dass 
die  lange  Reise  längs  der  steinigen  Sandwüste  Atacama's  die  An- 
sprüche an  ein  Paradies  auf  das  bescheidenste  Mass  reducirt  hatte. 
Andere  wollen  das  Paradiesische  in  dem  Klima  finden,  und  dieses 
mag  immerhin  als  ganz  erträglich  gelten,  so  lange  man  kein  besseres 
zur  Auswahl  hat.  Jedenfalls  wirkt  das  dortige  anregender,  als  das 
der  anderen  Theile  Südamerikas,  was  sich  in  der  rührigen  Thätig- 
keit  der  Bewohner  und  in  dem  Aufschwünge  des  Handels  zeigt. 
Schon  1544  wurde  die  Ansiedlung  im  Thal  von  Quintil  zum  Aus- 
schiflfungsplatz  fiir  Santiago  erklärt,  aber  erst  1802  zur  Stadt  er- 
hoben, als  Ciudad  de  Nuestra  Seflora  de  la  Mercedes  de  Puerto 
Claro. 

Coreal  fand  im  XVII.  Jahrhundert  Santiago  durch  das  Aufblühen 
Valparaisos  beeinträchtigt  und  im  Rückgange  begriffen,  wogegen  zu 
Proctor's  Zeit  (1825)  Valparaiso  einfach  als  El  Puerto  (der  Hafen) 
bezeichnet  wurde,  im  Gegensatz  zu  Santiago,  oder  El  Pueblo  (gleich- 
sam Urbs  in  diesem  Falle). 

Schon  während  der  spanischen  Herrschaft,  wo  Chile  durch  die 
Compania  de  las  Filipinas  von  Lima  mit  Handelsproducten  versehen 
wurde,  liefen  gelegentlich  die  von  Cadiz  nach  Lima  bestimmten 
Schiffe  in  Valparaiso  ein.  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  blieben 
in  Valparaiso  für  die  Dauer  des  Winters  nur  die  Ladenbesitzer,  wäh- 
rend sich  die  übrigen  Einwohner  auf  ihre  Landsitze  zurückzogen. 

Im  Jahre  1552  wurde  eine  Zuschrift  an  Pedro  de  Valdivia  ge- 
richtet und  derselbe  um  Einräumung  eines  Wohnsitzes  auf  seinem 
bei  Valparaiso  gelegenen  Grundstücke  ersucht,  für  eine  einzelne 
Person,  die  sich  durch  ihre  Anpflanzungen  erhalten  würde,  damit 
sich  so  an  der  menschenleeren  Küste  Jemand  fände,  um  den  anlan- 
denden Schiffen    die  nöthige  Auskunft    zu    geben.     In    der  Antwort 


VALPARAISO.  25 

wird  für  solchen  Zweck  auf  die  Stelle  eines  verfallenen  Indianer- 
dorfes venviesen,  „que  alli  puede  sembrar  el  christiano,  que  estuviere 
cn  aquel  punto"  (Amunategui). 

Die  Hauptbedeutung  in  Valparaisos  Handel  liegt  in  der  Einfuhr, 
da  CS  fast  ausschliesslich  (neben  dem  neuen  Antheil  Valdivia's)  ganz 
Chile  mit  europäischen  Waaren  versieht,  und  ausserdem  participirt 
CS  in  ausgedehntem  Massstabc  an  dem  Export.  Besonders  fallen 
für  Chile  die  Producte  seiner  Kupferminen  ins  Gewicht,  und  aus  der 
in  den  ersten  Jahren  der  californischen  Gründungen  erforderlichen 
Verproviantirung  des  neuen  Landes  entwickelte  sich  später  die  auch 
bis  Europa  ausgedehnte  Weizen-Ausfuhr  (1853—1859  zugleich  nach 
Australien),  die  grossen  Reichtl\um  ins  Land  gebracht  und  die  Haupt- 
stadt mit  den  Bauten  der  dort  ihren  Ruhesitz  wählenden  Landwirthe 
verschönert  hat.  Zu  v.  Meyen 's  Zeit  war  dagegen  das  nordamerika- 
nische Mehl  billiger  als  das  einheimische.  Gegenwärtig  zeigt  sich 
(nach  Menadier)  eine  stetige  Zunahme  der  Unfruchtbarkeit  in  den 
nicht  bewässerten  Strichen  der  centralen  Provinzen  unter  Erschöpfung 
des  Humus. 

Seit  Entdeckung  der  Silberminen  in  Chanarcillo  (1832)  und  der 
Nachbarschaft  ist  die  Silberausfuhr  aus  Chile  bedeutend  geworden. 
In  der  ersten  Zeit  wurde  besonders  nach  Gold  gesucht,  wie  in 
Quillota  und  im  Thal  des  Flusses  Chile  oder  Aconcagua,  wo  sich 
bei  Uspallata  Reste  der  Inca-Bauten  finden.  Die  Bearbeitung  der 
Eisengruben  war  unter  der  Colonialherrschaft  verboten,  um  die  Ein- 
fuhr von  Spanien  nicht  zu  beeinträchtigen 

Valparaiso  wurde  1822  zum  alleinigen  Freihafen  in  Chile  erklärt, 
und  auch  Coquimbo,  Talcahuano,  Valdivia,  San  Carlo  de  Chiloe 
konnten  von  fremden  Schiffen  besucht*  werden,  Huasco  und  Copaipo 
dagegen  nur  mit  Genehmigung  der  Regierung,  wogegen  die  übrigen 
Häfen  (Quintero,  Concon,  San  Antonio  u.  s.  w.)  ganz  geschlossen 
blieben.  Unter  der  Colonialregierung  (wo  Callao  den  einzigen  puerto 
abilitado  repräsentirte)  hatte  Chile  die  Kornkammer  Peru's  gebildet, 
aber  (nach  dem  Unabhängigkeitskriege)  bedrückten  sich  die  Re- 
publiken dann  in  gegenseitiger  Eifersucht  durch  Zölle,  in  Peru  auf 
Getreide,  in  Chile  auf  Zucker  (s.  Poeppig). 

Durch  Herrn  Elvers  in  dem  deutschen  Hause  Zahn  u.  Co.  wurde 
ich  mit  Herrn  Consul  Schlubach  bekannt,  der  mir  durch  seine  Ver- 
bindungen mit  der  Oster-Insel  eine  interessante  Erwerbung  für  das 
Museum  verschaffte,  und  ausserdem  erneute  ich  eine  Bekanntschaft 
aus  Berlin  in  Herrn  Dr.  Fonck,  dem  Eröffner  des  Perez-Rosales-Pass. 


26  NACH   CHILE. 

In  Folge  der  zahlreichen  Anwesenheit  Deutscher  (besonders  als 
Kaufleute  und  Handwerker)  haben  sich  zwei  Clubgesellschaften  unter 
denselben  gebildet,  die  sich  lebhafter  Betheiligung  erfreuen,  wie 
das  deutsche  Element  überhaupt  in  Chile  eine  sehr  angesehene  Stellung 
einnimmt. 

Als  ich  mich  in  mein  Hotel,  2  oder  3  Treppen  hoch,  über  einen 
den  Steinmauern  aufgesetzten  Holzverschlag  einquartirt  fand,  bot  sich 
Gelegenheit,  darüber  zu  meditiren,  wie  selbst  die  eindringlichen 
Warnungen  solch  verwüstender  Erdbeben,  die  Valparaiso  auf  das 
Genügsamste  an  sich  verspüren  musste,  über  den  augenblicklichen 
Vortheil  so  weit  vergessen  werden  können,  um  Häuser  bis  4  Stock- 
werke und  höher  in  die  Luft  hineinzut)auen,  und  zu  ähnlichem  Schlen- 
drian des  Denkens  bethört  die  Glaubensseligkeit,  die  trotz  aller  vor- 
angegangenen Katastrophen,  bei  den  ersten  Anzeichen  eines  heran- 
nahenden Terromoto  nach  der  Kirche  treibt  und  dort  die  Heerde 
zusammendrängt,  so  dass  die  Despachirung  der  Prädestinirten  dann 
gleich  en  masse  vor  sich  gehen  kann.  Die  Kirche  hat  natürlich  für 
diese  Frage,  wie  für  jede  sie  betrefTende;  die  passendste  Antwort 
bereit,  da  ihre,  nicht  an  die  Beschränkungen  des  gemeinen  Menschen- 
verstandes gebundene,  Logik  mit  der,  den  übrigen  Mirakeln  anzu- 
reihenden, Auszeichnung  begabt  ist,  in  einem  jeglichen  Problem,  auch 
die  einander  widersprechendsten  Gegensätze  zu  ihren  Gunsten  zu 
lösen,  so  dass  die  Entscheidung  stets  in  majorem  dei  gloriam  aus- 
fallen müss.  Freilich  wird  als  solcher  Ruhmesgott,  bei  genauerer  Durch- 
stöberung des  Argumentes,  auf  dem  Grunde  desselben  in  den  meisten 
Fällen  der  Gott  Mammon  entdeckt  werden,  von  dessen  Deification  in 
dem  americanischen  Kirchenthum  manches  Liedchen  zu  singen  wäre. 
Und  damit  vereinen  sich  andere  Parallelen  in  Kapuzinerpredigten  von 
Shamanen  bis  Samanäer. 

Santiago,  dessen  Erreichung  früher  einige  Tage  in  Anspruch 
nahm,  ist  jetzt  durch  eine  Eisenbahn  mit  Valparaiso  verbunden  und 
schon  1842  war  die  Anlage  derselben  in  erste  Berathung  genommen. 
Die  Arbeiten  kamen  indess  erst  1852  zum  Angriff,  bald  nach  Voll- 
endung der  Bahn  von  Caldera  nach  Copiapo,  und  waren  in  kurzer  Zeit 
bis  Vina  del  Mar  fortgeführt,  geriethen  dann  jedoch  in  s  Stocken,  da 
verschiedene  Absichten  über  die  weitere  Richtung  geltend  gemacht 
'  wurden.  So  zögerte  sich  die  Zeit  hin  bis  zum  Jahre  1859,  als  Henry 
Meiggs,  der  dadurch  seinen    in  Californien*)   verlorenen  Fusstritt   in 

I)  Fröbel   erzählt  aus  seinem  Aufenthalt  in  San  Francisco  (1853 — 1855):    ,, In  meine 
Zeit  fiel,  um  Vorgänge  zu  nennen,    welche   mehr   in  einen  Roman  wie  der  ewige  Jude, 


SANTIAGO.  27 

Südamerika  wieder  gewann  und  hier  bald  zum  Eisenbahnkönig  auf- 
stieg, das  Werk  unternahm  und  es  mit  der  dir  den  Yankee  charak- 
teristischen Betriebsamkeit  innerhalb  der  stipulirten  Zeit  ausführte,  so 
dass  am  i.  Juli  1862  eine  Probefahrt  unternommen  werden  konnte. 
Rickard,  der  in  diesem  Jahre  dort  reiste,  hatte  einige  noch  nicht  dem 
Gebrauch  übergebene  Stellen  in  der  Kutsche  zu  umfahren.  Die 
meisten  Schwierigkeiten  boten  sich  an  der  Cuesta  de  Tavon  (754  M. 
hoch ,  an  der  Ueberschreitungsstelle),  einem  der  Querzweige  von  der 
Sierra  von  Chacabuco,  die  von  Juncal  zum  Cerro  del  Roble  verläuft, 
in  der  mittleren  Cordillere.  Es  waren  dort  die  Tunnels  de  los  Loros 
und  de  los  Maquis  auszufuhren,  wie  schon  vorher  der  Tunnel  de 
S.  Pedro  bei  Quillota,  sowie  der  Tufinel  von  Limache,  auf  der  frucht- 
baren Fläche  dieser  Erhebung  und  nahe  am  Meere  ein  Tunnel  (de 
la  Puerta  gruesa)  zwischen  Valparaiso  und  Vina  del  Mar.  Unter  den 
Viaducten  sind  verschiedene  für  ihre  kühne  Ausführung  bemerkens- 
werth-  und  auf  eine  der  Brücken  wird  der  Mapocho  bei  Santiago  über- 
schritten. In  der  gebrochenen  Umgebung  von  Laillai  hat  man  die 
Hälfte  der  Entfernung  zurückgelegt.  Dort  beginnt  das  Ansteigen 
und  eröffnet  sich  eine  grossartige  Scenerie  längs  steiler  Abgründe, 
worauf  nach  dem  Ueberschreiten  des  Passes  der  Weg  durch  An- 
pflanzungen bis  zur  Hauptstadt  führt,  dem  Paris  Südamerikas,  wie  es 
sich  der  Chilener  gerne  schmeichelt,  sagen  zu  können. 

Mein  erster  Besuch  dort  galt  Herrn  Prof  Philippi,  mit  dem  ich, 
als  einem  correspondirenden  Mitgliede  der  geographischen  und 
anthropologischen  Gesellschaften  Berlins,  schon  länger  im  Briefver- 
kehr gestanden  hatte,  und  mit  dem  ich  das  unter  seiner  Leitung 
stehende  Museum  besuchte,  das  neben  naturwissenschaftlichen  auch 
ethnologische  Sammlungen  einschliesst,  und  wo  Einiges  über  späteren 
Austausch,  besonders  mit  Hinblick  auf  die  internationale  Ausstellung 
im  Herbst,  besprochen  werden  konnte.  Am  Abend  wohnte  ich  einer 
Sitzung  der  faculdad  physica  y  mathematica  bei,  wo  ich  neben  an- 
deren Gelehrten  Herrn  Domeyko  kennen  lernte,  und  Gelegenheit 
hatte,  eine  interessante  Vorlesung  über  die  Arbeiten  Gay  s,  in  seinem 


als  in  die  Wirklichkeit  zu  gehören  scheinen,  der  grossartige  Schwindel  eines  der  höchsten 
Beamten  der  Stadt ,  welcher  sich  eine  Summe  von  mehreren  Millionen  fremden  Geldes 
aneignete,  sich  ein  Schiff  kaufte  und  dieses  fiir  sich  und  seine  Familie  mit  allen  Bequem- 
lichkeiten ausrüstete,  seine  Schätze  an  Bord  brachte  und  damit  keck  die  Bay  hinausfuhr. 
An  einem  ihm  nachgeschickten  Dampfer  brach,  sowie  derselbe  die  See  erreichte ,  die 
Maschine,  der  geniale  Schwindler  besuchte  nachher  die  Sand wich.Inseln,Otaheitc,Chma, 
Chile ',  doch  ist  von  dort  (wie  hinzugefügt  werden  muss)  sein  Name  mit  aUcn  E 
San  Francisco  rehabilitirt  worden. 


28  NACH    CHII,E. 

chilenischen  Fundamentalwerk  anzuhören.  Die  Universität  enthält 
5  Facultäten,  ausser  der  genannten,  die  fiir  Philosophie  und  Ge- 
schichte, die  der  Jurisprudenz,  der  Medicin  und  der  Theologie. 
Ferner  finden  sich  in  Santiago  das  Instituto  nacional,  die  Escuela 
de  artcs  y  oficios,  die  Quinta  normal,  die  Bibliotheca  nacional,  die 
mit  dem  Museum  verbunden  ist,  Seminar,  Kriegsacademie  u.  s.  w., 
und  haben  die  wissenschaftlichen  Anstalten  besonders  durch  den 
Präsidenten  Montt  ihre  Förderung  erhalten. 

Ein  beliebter  Vergnügungsplatz  dir  Santiago  ist  der  in  seiner 
geologischen  Structur  bemerkenswerthe  Fels  Sancta  Lucia  der  unter 
der  Stadtverwaltung  Vicuna's  nach  dem  Ankauf  durch  die  Regierung 
(1852)  in  etwas  überladener  Welse  mit  allerlei  Künsteleien  verziert 
ist,  aber  einen  malerischen  Umblick  bietet  auf  die  fruchtbaren  Felder 
rings  um  die  Stadt  und  den  schneeigen  Rücken  der  Cordillere,  sowie 
auf  den  Lauf  des  Mapocho  (ein  Nebenfluss  des  Maipo) ,  der  durch 
seine  reissend  schwellenden  Wasser  der  Stadt  zu  verschiedenen 
Malen  verderblich  geworden  ist,  vor  Vollendung  der  jetzigen  Sicher- 
heitsbauten. Wie  von  diesen  Ueberschwemmungen  hat  Santiago 
manche  Zerstörungen  durch  Erdbeben  erfahren,  und  obwohl  der 
commercielle  Speculationsgeist  der  Hafenstadt  allmählige  Sympathien 
zu  finden  beginnt,  ist  man  doch  vorläufig  in  der  Mehrzahl  der  Häuser 
bei  einstöckiger  Bauart  verblieben.  Das  Hotel  erhob  sich  jedoch 
bereits  in  mehreren  Etagen. 

An  den  Fels  von  Santa  Lucia,  «uf  welchem  die  Spanier  zur  Zeit 
des  Unabhängigkeitskrieges  einige  Befestigungen  aufwarfen  (schon 
Valdivia  die  Fortaleza  Hidalgo)  und  wo  1849  ^^"  astronomisches 
Observatorium  erbaut  wurde,  (in  welchem  dann  Carlos  Moesta  seine 
Beobachtungen  über  die  Oscillation  in  der  Richtung  des  schein- 
baren Sonnenlaufes  anstellte),  fand  sich  zur  Zeit  der  Eroberung  der 
Hauptsitz  der  eingeborenen  Fürsten,  und  einer  jetzt  bereits  längst  in 
der  Blutmischung  der  neuen  Rasse  aufgegangenen  Bevölkerung. 

Im  Allgemeinen  scheinen  die  staatlichen  Einrichtungen  des  alten 
-Chile  mit  den  noch  bei  den  Araucanern  fortbestehenden  überein- 
gestimmt zu  haben,  und  wie  bei  den  Chinesen  sollen  sich  dieselben 
in  der  Hierarchie  des  Himmels  gespiegelt  haben,  während  sonst  Pillan') 


^)  Pillian  is  ihe  grcat  invisiblc  Toqui  and  has  his  Apo-Ulmenes  and  bis  Ulmencs ,  to 
whom  he  assigns  different  situations  in  the  govemement  and  entnists  the  administration 
of  certain  affairs  in  this  world.  Meulen  the  genius  of  good  and  the  fricnd  of  mankind 
and  Wencuba  that  of  evil,  and  the  enemy  of  man,  are  the  two  principal  subo/dinate 
deities.     Epunamun  is  their  genius  in  war  (s.  Stevenson). 


SONNENDIENST.  29 

(wie  der  Gottheitsname  der  Tupi)  auf  den  Donner  bezogen  wird  oder 
aber  (nach  Gay)  auf  die  brennenden  Vulcane,  und  so  auf  die  schreckende 
Macht  der  Erdbeben.  Wenn  Gardiner  von  der  Verehrung  der  Sonne 
oder  Antu  (Intu  im  Quechua)  redet,  so  knüpft  sich  das  in  weiterer 
Durchbildung  an  die  Epoche  der  Inca,  welche'  diese  erhabenste 
Naturerscheinung  den  unterworfenen  Völkerschaften  als  göttliches 
Symbol  aufstellten,  im  Intipintin-Ticcimoyoc-Camac  für  den  rituellen 
Dienst  im  Cultus,  während  die  Verehrung  der,  wie  bei  den  Dacota, 
als  das  „Unbegreifliche"  (s.  Molina)  aufgefassten  Gottheit  Aticsi- 
Viracocha  galt,  und  an  Ticci-Viracocha-Pachacamac,  das  Prinzip  des 
Guten  und  die  Schöpferkraft  der  Welten  (s.  Baiboa),  gerichtet  wurde. 
Von  diesem,  als  Usapu  oder  Wunderbarer  (s.  Acosta)  angerufenen, 
Gotteswalten  durfte  kein  Bild')  verfertigt  werden,  doch  wurde  es  zur 
Fixirung  der  sinnlichen  Aufmerksamkeit-  (wie  in  den  Dhyana-Uebun- 
gcn  des  Buddhismus  durch  Farbenflecke)  durch  eine  flache  Ringform 
oder  ovale  Goldplatte  (s.  Salcamayhua)  allegorisirt,  und  erst  Mayta 
Capac  habe  es  gewagt,  zum  verherrlichenden  Schmucke  Sonne  und 
Mond  im  Umkreis  anzubringen.  In  Yucatan  war  die  Hand  das 
Symbol  der  Gottheit,  als  Kabul,  und  in  der  peruanischen  Gottheit 
Tanga-tanga  (s.  Herrera)  glaubten  die  Missipnaire  ihr  nicänisches 
Rechen-Exempel^)  des  Dreimal-Eins  wiederzufinden  (s.  Acosta).  Einer 
Figur  wird  in  Chuquisaca  nicht  erwähnt,  wohl  aber  (auf  Soquen-Zua 
bezüglich)  in  Boyaca,  als  einer  dreiköpfigen,  und  so  findet  sich  in 
der  Kirche  von  Chalons  (s.  Pardiac)  „une  tete  ä  trois  face»'),  embl^e 


')  Als  nttka$6g  n^r  i^Qtoy  (aus  DanieVs  Prophetenworte)  wird  Gott  Vater  ,,als 
kräftiger  Greis  dargestellt  und  seine  Thätigkeit  besteht  gewöhnlich  darin ,  dass  seine 
Rechte  segnet"  (bei  Duvet  copulirt  ,,Gott  Vater,  mit  Krone  und  Mantel  angethan,  in 
feierlichster  Weise  in  Gegenwart  unzähliger  Engel  das  nackte  erste  Eltempaar").  Pacha- 
chutcc  verbot  dem  Schöpfergotte  Bilder  zu  weihen ,  da  man  ihn  im  Herzen  anzubeten 
habe  (que  interiormente  en  su  corazon  acataban  y  tenian  en  suma  veneracion),  denn  in- 
tern er  nicht,  gleich  der  Sonne  sichtbar  sei,  könne  man  sich  keine  Vorstellung  von  ihm 
machen  und  dürfe  deshalb  auch  keine  Darstellung  versuchen  (s.  Garcilasso). 

')  Von  dem  unter  Athanasius  Namen,  nach  seinem  Tode,  während  der  afrikanischen 
Sectcnstreitigkeiten,  verfassten  Glaubensbekcnntniss  (which  is  so  frequently  read  in  our  chur- 
ches)  bemerkt  Gibbon :  Gennadius,  patriarch  of  Constantinopel,  was  so  much  amazed  by 
ihis  extraordinary  composition ,  Ihat  he  frankly  denounced  it  to  bc  the  work  of  a  drun- 
ken  man  (und  in  Bezug  auf  den  durch  Hunnerich's  Bischöfe  <lem  Evangelium  zugefügten 
Text).  Wie  der  ,, gelehrte  Herr  Director  C'aprov"  (in  der  Ontologia  polemica)  ,,den 
socinianischcn  Zweifel  wider  die  Dreieinigkeit  algebraisch  aufzulösen  gesuchet"  kann  bei 
T.  Haupt  nachgelesen  werden  (1752). 

>)  In  Notrc-dame  zu  Chalons  findet  sich  ,,Gott  mit  dreifachem  Antlitz"  (s.  Didron), 
,,drci  Köpfe  in  einander  geschoben,  so  dass  man  drei  Nasen,  dreifachen  Mund   und  vier 


so  NACH  CHILE. 

de  la  Sainte-Trinit^  *',  wofür  Indien  s  brahmanische  Weisheit  eine  wei- 
tere Erläuterung  liefern  mag,  wie  über  Krishna's  Form  als  Kindgott 
und  Maya  oder  Mara,  seine  jungfräuliche  Mutter. 

Die  das  Staunen  der  rohen  Conquistadores  erregenden  Sonnen- 
tempel der  Inca  haben,  soweit  sie  nicht  durch  Menschenhände  zer- 
stört sind,  in  manchen  Provinzen  des  alten  Reiches  alle  Unbilden  der 
Natur  überdauert  und  erwecken  noch  in  ihren  Trümmern  die  Bewun- 
derung des  Reisenden. 

Gegenwärtig  scheint  der  architectonische  Sinn  weniger  rege,  da 
man  es  bei  dem  Bau  der  Kathedrale  in  Santiago  für  geeigneter, 
oder  etwa  für  frommer  (jedenfalls  für  weniger  billig)  hielt,  Marmor- 
säulen von  Italien  kommen  zu  lassen.  Wer  die  Lust  hätte  sie  anzu- 
sehen, würde  es  ohne  grosses  Bedenken  thun  können,  da  die  Christen 
des  Maipu  nicht  mehr  so  entsetzt  darüber  fühlen,  als  im  Jahre  1832, 
wenn  ein  Nicht  Christ  oder  (wie  Darwin  sich  entschuldigt)  „a  sort  of 
Christian"  ihre  Kirchen  betritt'). 

Doch  wird  man  kaum  grosse  Neigung  zum  Besuche  dieser  Kir- 
chen verspüren,  wenn  man  an  der  Brandstätte  der  aus  der  Feuers- 
brunst vom  Jahre  1843  erneueten,  aber  im  Jahre  1863  durch  das 
gleiche  Element  zerstörten  Jesuitenkirche  vorübergegangen  ist,  und 
auf  der  Inschrift  des  dort  errichteten  Denkmals  von  einer  Hecatombe 
liest,  wie  sie  wohl  kaum  jemals  in  gleicher  Schrecklichkeit  darge- 
bracht ist. 

Zur  Feier  der  „Unbefleckten  Empfängniss"  hatte  sich  die  ge- 
sammte  Jungfrauenschaft  der  Hauptstadt,  für  welche  dieses,  durch 
cölibatische  Beichtberather  vorgetragene  und  erklärte,  Mysterium  be- 
sondere Anziehung  besitzen  musste,  in  der  mit  buntetn  Flitterwerk 
behängten  Kirche  zusammengefunden.  Unter  den  Handtierungen  bei 
der  Messe,  die  der  rohe  Volksmund  unehrerbietiger  Weise  als  Hocus- 
Pocus  (hoc  est  corpus)  bezeichnet  hat,  kam  eine  der  geweihten  Kerzen 
dem  der  Jungfrau  oder  ihrem  Kindlein  geschenkten  Tand  zu  nahe, 
und  weihte    damit   die  fromm   ergebenen  Geber  dem  Flammentode. 


Augen  sieht"  (nach  Art  Triglaw's,  während  Rugiwit's  Vielköpfigkeit,  als  Kriegsgott, 
der  Kartikeya's  entsprechen  würde).  Die  fünf  Köpfe,  welche  in  Folge  liebevoller  Regun- 
gen an  Brahma  hervorgewachsen  waren,  wurde  durch  den  wüsten  Siva  auf  vier  reducirt. 
*)  They  were  much  horrified  at  my  having  entered  one  of  their  churches  out  of 
mere  curiosity.  They  asked  me:  Why  do  you  not  become  a  Christian?"  (s.  Darwin). 
Haigh  hörte  von  einem  englischen  Landsmann,  dass  bei  dessen  Besuche  Santiago's  (1809) 
dort  die  Ansicht  geherrscht  habe,  ,,that  every  Protestant  had  a  tail"  (und  dass  die  Geist- 
lichen diesen  Glauben  begünstigt  hätten). 


JESUITENKIRCHE.  31 

• 

Von  den  in  der  Kirche  Befindlichen <)  entkamen  nur  wenige,  da  die 
Ausgangsthüren  beim  ersten  Andrang  verstopft  wurden  und  die  in  die 
Sacristei  führenden  Nebenthüren  von  den  Geistlichen  absichtlich  ver- 
schlossen sein  sollen,  um  die  Heiligenbilder  und  Reliquien  oder 
sonstige  Kostbarkeiten  in  Ruhe  in  Sicherheit*)  zu  bringen.  Dass 
Heilige  und  Halbgöttinnen,  oder  gar  Göttermütter,  den  sündigen 
Menschen  voranzugehen  hätten,  scheint  in  ihrer  theologischen  Rang- 
ordnung klar  gewesen  zu  sein,  und  nach  consequentem  Gedanken- 
gange würden  die  Angehörigen  sich  auch  kaum  darüber  haben  be- 
klagen dürfen,  wenn  die  brennende  Liebe  der  heiligen  Jungfrau  in 
dem  durch  ihre  eigene  Decorationen  entzündeten  Flammen  die 
irdischen  Jungfrauen  zu  sich  heraufzog.  Hätte  es  sich  um  Ketzer 
gehandelt,  so  würde  das  an  ihren  Leibern  zehrende  Feuer  nur  den 
Vorgeschmack  der  höllischen  Flammen  gebildet  haben,  aber:  „das 
ist  ganz  was  anderes",  wie  der  Fabulist  meint,  .und  die  Interpretationen 
der  Kirche  sind,  wie  bereits  bemerkt,  in  allen  Sätteln  gerecht,  so 
dass  sie  stets  zum  eigenen  Lob  und  Preis  ausfallen  müssen. 

Noch  in  neulichst  (selbst  im  Jahre  1876  mit  deutschem  Druck- 
ort) erschienenen  Büchern  steht  zu  lesen,  wie  es  in  dem  Erdbeben 
von  Ibarra  aus  dem  Jahre  1861  in  Gottes  Plänen  vor  Allem  darauf 
abgesehen  gewesen,  eine  ungläubige  Sippschaft  auszurotten,  die  sich 
zur  leichteren  Verwirklichung  solches  Zweckes  freiwillig  (unter  dem 
Zwange  eines  höheren  Willen  ä  la  Malebranche)  in  einem  Land- 
hause zusammengefunden  hätte  und  nun  dort  in  einem  Krach  er- 
schlagen  werden   konnte.    Die   demiurgische   Maschinerie*)   scheint 


')  Se  abrasaron  sobre  1600  personas,  en  su  mayor  parte,  del  sexo  feminino,  victi- 
mas  del  fausto  de  una  piedad  superstitiosa.  Auf  der  Inschrift  von  dem  Denkmal  wird 
von  der  Zahl  der  lebendig  Verbrannten  gesagt:  2000  mas  ö  menos  (zweitausend  mehr 
oder  weniger). 

')  Although  the  dastardly  conduct  of  the  priest»  on  that  occasion  excited  the  utmost 
indignation  at  the  time,  the  lower  classes  appear  to  be  still  thoroughly  priestriddeo,  be- 
merkt Cunningham  (1868)1  doch  ist  dieses  Epitheton  (eines  ^dastardly"  conduct),  wenn 
ein  solches  ^cuzufügen  wäre,  viel  zu  schwach,  und  wird  sich  auch  schwerlich  ein  nur  ent« 
femt  qualifizirendes  in  irgend  einer  menschlichen  Sprache  finden.  Man  würde  unter  den 
Dialecten  leibhaftiger  Teufel  zu  suchen  haben.  The  town  is  füll  of  priests,  the  people 
are  consequently  indolent  and  iromoral  (in  Santiago).  The  hold  they  have  upon  sodety 
is  quite  surprising.  The  common  people  laugh  at  their  immorality,  yet  they  go  to  them 
for  images  and  pictures  and  they  send  their  wives  and  daughters  to  confess  to  them 
(Head)  1826.  Malgr^  les  scandales  de  ces  Ecd^siastiques  ils  ont  le  sccret  de  se  faire 
encorc  tespcct^s  (1866). 

*)  Der  für  die  Jahreszeit  ungewöhnliche  Regen  wegen  des  Erdbebens  in  Valparaiso 
(1822),  wurde  als  göttlicher  Racheact  für  die  Sünden  betrachtet  und  „the  crime  of  pcr- 
mitting  the  EngUsh  heretics  to  contaminate  the  country"  (s.  Miers).   Soon  afler  the  earth 


32  NACH   CHILE. 

jedoch  etwas  verrostet  gewesen  zu  sein,  da  aus  Versehen  nebenher 
noch  einige  Hundert  mehr  darunter  leiden  mussten.  Auch  im  Jahre 
1877  erklärten  die  Fanatiker  Quitos  in  ihren  von  Priestern  geleiteten 
Processionen  den  Ausbruch  des  Cotopaxi,  als  die  zornige  Antwort 
des  Himmels  auf  das  Einschreiten  des  General  Veintemilia  gegen 
die  Uebergrifle  der  Kirche,  da  er  gerade  12  Stunden  nachher  ein- 
getreten sei,  obwohl  solche  zwölf  Stunden  vielleicht  der  runzligen 
Hexe,  die  im  Vulcan  Masayas  wohnte,  zum  Anzünden  des  Feuers 
erlaubt  werden  möchten,  für  den  Schöpfergott  mit  unbedingter  Macht 
über  die  Elemente  aber  doch  wohl  etwas  abgekürzt  hätte  sein  können. 
So  nahe  es  läge,  einem  solchen  Memento  mori  gegenüber,  vor 
einem  durch  materialistische  Interessen  gefesseltem  Geschlecht  die 
Nichtigkeit  und  Vergänglichkeit  des  Menschlichen  zu  betonen,  desto 
kläglicher  tritt  die  Geistesarmuth  derjenigen  Kapuzinaden  hervor,  die 
solch  imposante  Naturvorgänge  in  das  Jammervolle  kleinlicher  Secten- 
streitigkeiten  hineinzuziehen  sucht.  Und  welcher  Sermon  Hess  sich 
nicht  über  jene  Feuerkatastrophe  Santiago's  predigen,  zumal  wenn 
man  im  Einzelnen  auf  die  Ursachen  und  Motive  der  Ueberfiillung 
des  Gebäudes,  durch  welche  die  grausigen  Scenen  veranlasst  wurden, 
weiter  zurückgehen  wollte,  auf  jene  jesuitischen  Listen  und  Schliche, 
wodurch  der  Sinn  der  weiblichen  Bevölkerung  genugsam  umfangen 
war,  um  sich  willenlos  nach  jeder  Richtung  leiten  zu  lassen.  Zu 
diesen  Mitteln  gehörte  der  fiir  priesterliches  Seelenheil  (und  socialer 
Corruption  des  Körpers)  aufgestellte  Buzon  de  la  Virgen  (Briefkasten 
für  die  heilige  Jungfrau),  dessen  Gebrauch  Tschudi  (1858)  beschreibt: 
„In  diesen  Behälter  konnte  die  weibliche  Bevölkerung  Santiago's 
schriftlich  und  in  Briefform  mit  Angabe  ihres  Namens  und  ihrer 
Wohnung  ihre  Bitten  und  Wünsche  werfen,  um  sie  durch  Ugarte's 
Vermittlung  an  die  Jungfrau  Maria  gelangen  zu  lassen.  Die  Ant- 
worten wurden,  soweit  es  convenirte,  von  Ugarte  mündlich  den  Bitt- 
stellerinnen übergeben.  Diese  Correspondenz  wurde  natürlich  von 
den  Jesuiten  zu  ihrem  eigenen  Vortheil  auf  die  unreinste  Weise  aus- 
gebeutet."    In  Guatemala    richtet    man    (s.  Montgomery)    prayers   in 


quake  of  1835  ^  preacher  in  ihe  city  of  Adoncagua,  attributed  all  the  evils,  that  had 
befallen  Chile  to  the  pemicious  custom  of  reading  heretical  books.  Aus  dem  Erdbeben 
in  Quito  wird  von  dem  Tode  einer  alten  Frau  erzählt:  ,,Sie  ging  an  der  Kirche  St. 
Augustin,  die  am  meisten  gelitten  hat  und  noch  jetzt  unausgebessert  steht,  vorüber,  als 
wieder  ein  starker  Stoss  kam.  Anstalt  nun  rasch  einen  freien  Platz  und  die  Nachbar- 
schaft niederer  Häuser  zu  suchen,  fiel  sie  auf  die  Knie  nieder  und  fing  an  zu  beten,  und 
wenige  Minuten  später  stürzte  ein  Theil  der  Kirche  ein  und  schlug  sie  todt.  Diesen 
Gegenstand  hat  noch  kein  Geistlicher  zu  einem  Traktätchen  benutzt." 


letters  directed  to  the   Sciior  or  Lord  of  Esquipulas  (dem  grossen 
Wallfahrtort). 

Der  letzte  Census  vom  19.  April  1875  hat  in  Chile  eine  Bevölke- 
rung von  2,068,424  (statt  1,819,223  in  1865)  ergeben,  oder,  wie  man 
unter  nöthig  erachteter  Rectificationen  angenommen  hat,  von  2,319,266 
Seelen  (s.  Rumbold).  Darunter  finden  sich  Santiago  mit  148,264  Ein- 
wohnern, Valparaiso  mit  100,926  (oder  111,000).  Die  Indianer  sind 
auf  44,000  berechnet,  20,000  in  Patagonien  und  Feuerland ,  24,000  in 
Auraucanien,  obwohl  hier  (wo  sich  17,000  Lanzen  stellen  licssen)  die 
Zahl  von  70,000  vermuthet  wird  (im  Jahre  1865  wurden  die  Einge- 
borenen von  Arauco  und  Valdivia's  auf  80 — 100,000  Seelen  geschätzt). 

Das  literarische  Leben  ist  ziemlich  rege  in  Santiago,  wo  bereits 
1812  die  erste  Zeitung  erschien,  La  Aurora  de  Chile,  mit  der  damals 
erngeführten  Druckerpre.sse.  Vorher  war  dieser  Hebel  der  modernen 
Bildung  unbekannt  und  damit  auch  die  Segnungen  derselben,  so  dass 
in  dem  nur  von  himmlischen  Segendspenden  beglückten  Südamerica 
gar  wunderliche  Dinge  vorzukommen  pflegten.  In  Folge  von  Wind  und 
Strömungen  ist  die  Reise  von  Valparaiso  nach  Lima  eine  sehr  ein- 
fache, für  die  Rückkehr  aber  bedurfte  man,  so  lange  die  Küste  fest- 
gehalten wurde,  drei  Monate  oder  mehr.  Als  nun  ein  Capitän  den 
vernünftigen  Gedanken  fasste,  für  seine  Fahrt  ins  hohe  Meer  hinaus- 
zusteuern, und  so  innerhalb  20  Tagen  Valparaiso  erreichte,  war  man 
durch  das  Datum  der  Briefe  so  sehr  über  dieses  Teufelswerk  er- 
schreckt, dass  es  angezeigt  schien,  den  Schwarzkünstler  in  dem  Ge- 
fangnisse der  heiligen  Inquisition  sicher  zu  stellen.^)  Aehnliches 
passirte  einem  flandrischen  Blechschneider  in  Lima,  dessen  Kunst- 
stücke über  den  Begrifl*  gingen,  und  da  der  Katholici.smus  gern  an 
gleicher  Ueberweisheit  leidet,  ereignete  sich  ein  Gleiches  noch  im 
vorigen  Jahrhundert  in  der  Schweiz,  was  der  arme  Teufel  mit  seinem 
Leben  bezahlt  haben  würde,  wenn  nicht  einige  französische  Offiziere 
der  französichen  Schweizergarde,  aus  Voltaires  Schule,  für  ihn  ein- 
getreten wären.  Noch  Darwin  hörte  bei  seinem  Besuch  in  Chile 
von  einem  deutschen  Naturforscher,  der  eingekerkert  worden,  weil 
seine  Raupenzuchten  fiir  die  Entwickelung  der  Schmetterlinge  ihn 
der  Hexerei  verdächtig  machten  (ohne  dass  es  sich  in  diesem  Falle 
um  schädliche  Colorado-Käfer  gehandelt  hätte).  Als  Caldelcuch  die 
öffentliche  Bibliothek  Santiago's  besuchte  (18 19),   fand   er  sie  beson- 


»)  Auch  Proctor  hörte  von  ihm  und  sagt .  he  was  burned  by  the  Inquisicion  in  Lima 

for  having  used  magic  during  his  voyage. 

o 
Bastian:  America-    I. 


34  NACH   CHILK. 

ders  reich  an  verschiedenen  Copien  von  Antonio  de  Leon\s  gelehrter 
Arbeit:  ,,La  Question  morale,  si  el  chocolate  quebranta  cl  ayuno'' 
(in  Folio).  Andere  Abhandlungen  beziehen  sich  auf  den  Seehund, 
ob  er  während  der  Fastenzeit  unter  den  Händen  des  Koches  als 
F'^isch  oder  als  Fleisch  zu  betrachten  sei  (s.  Vollmer)  und  viele  Folio- 
bände seien  vollgeschrieben,  in  dem  Streit  zwischen  den  Universitäten 
Cordova  und  Lima  über  die  Fussbekleidung  des  heiligen  Antonius, 
die  nach  der  ersteren  Autorität  in  Sandalen  bestand,  nach  der  letz- 
teren (die  sich  auf  die  von  Pius  VI.  geweihte  Reliquien  stützte)  in 
Schuhen.  Bei  einer  sachlichen  Untersuchung  würde  wahrscheinlich 
San  Crispinus  seine  Schutzbefohlenen  erleuchten  und  so  den  weisen 
Philosophen  die  Entscheidung  erleichtern,  die  auch  Apelles  aner- 
kannte, so  lange  nicht  ultra  crepidam. 

Bei  der  Rückkehr  nach  Valparaiso  nahm  ich  eine  Passage  na'ch 
Lima  in  dem  englischen  Küstendampfer,  die  ein  Verweilen  in  den 
Zwischenhäfen  erlauben,  und  schiffte  mich  (Juni  19.)  an  Bord  der 
Coquimbo  ein.  Dieses  Ein-  und  Ausschiffen  in  den  südamericanischen 
Häfen  beweiset  sich  stets  als  eine  ärgerliche  und  lästige  Zwischen- 
episode, um  nicht  genöthigt  zu  sein,  jeden  der  Schritte  der  Last- 
träger und  die  Ruderschläge  der  Bootsleute  mit  Pesos  zu  belegen. 
Selbst  wenn  vom  Lande,  wie  es  durch  meine  dortigen  FVeunde  ge- 
.schah,  ein  „Experto"  mitgegeben  wird,  bleiben  die  Erpressungen  nicht 
aus,  und  man  fühlt  einen  natürlichen  Widerwillen  auf  das  Commando 
solch  unverschämter  Forderungen,  Gelder  wegzuwerfen,  die  weit 
nützlicher  verwendet  werden  könnten. 

Die  Einrichtung  auf  den  englischen  Dampfern,  obwohl  es  auch 
darüber  nicht  an  Klagen  fehlt,  ist  Alles  zusammengenommen,  ganz 
erträglich,  die  F'ahrt  auf  denen  der  Küste  wird  aber  oft  zu  einer  un- 
angenehmen in  F'olge  der  mangelhaften  Verstauung.  Da  in  jedem 
der  Zwischenhäfen  ein  Theil  der  Ladung  herausgenommen  oder  neue 
hinzugefügt  wird,  fehlt  dem  Schiff  der  richtige  Ballast,  und  tritt  bei 
nur  irgend  bewegter  See  ein  heftiges  Schlenkern  ein,  das  ein  Kentern 
befürchten  lässt.  Erst  kurz  vor  unserer  Ankunft  war  ein  solcher  F^all 
bei  einem  chilenischen  Dampfboot  vorgekommen,  das  auf  See  um- 
schlug und  nur  wenige  Zeit  zur  Rettung  Hess.  Auch  auf  dem  unsri- 
gen  waren  besonders  die  Nacht,  die  wir  auf  ihm  zubrachten,  eine 
sehr  ungemüthliche,  da  an  einigen  Theilen  der  dortigen  Küste  eine 
Kreuzdünung  herrscht,  und  ausserdem  unser  Schiff  einige  Hundert 
Ochsen  geladen  hatte,  die  mit  jedem  Schwanken  in  ihren  Ställen 
hin  und  herrutschten,  und  .so  einen  wahren  Höllenspectakel  anrichteten. 


CCX^UIMBO.  *  35 

Das  eigenthümliche  Rollen  der  See  im  nördlichen  Chili  und  Peru 
(s.  Hall)  tritt  (nach  Mcyen)  ohne  Periodität  ein,  wird  aber  an  einigen 
Oertlichkeiten,  durch  locale  Ursachen  verstärkt,  zu  einem  fast  per- 
manenten. 

Im  Uebrigen  beginnt  hier  bereits  der  stille  Ozean  seinem  Namen 
Ehre  zu  machen,    und   man  muss  früher  sehr  grau  in  grau  gesehen 
haben,    wenn   es  bei  Strafe  der  Excommunication  verboten  war,  im 
Winter    die    Seereise    von    Chile    nach    Peru    zu    unternehmen.     So 
wenigstens  steht  bei  Ulloa  zu  lesen,    der  trotz  seines  guten  Katholi- 
cismus  darüber  zu   murren  wagt,   aber  die  Tröstung  hinzufügt,  dass 
sich    die    ungehorsamen    Capitäne    auf  hoher  See  von    dem  Schiffs- 
caplan  absolviren  lassen  könnten.     Sie  hatten  dann  die  Berechtigung, 
mit  desto   sorgloserer  Gemüthsruhe  den  Gefahren  entgegenzusehen, 
da  sie  gleich    rein   gewaschen    in   die    gefegten  und  geheizten  Vor- 
räume des  Paradieses  eintreten  würden.    Glücklicherweise  hüteten  die 
in  der  Angst  der  Prädestination  schwebenden  Ketzer  (calvinistische 
Holländer    oder    Engländer)    ihr    von    allzu    warmer  Pein    bedrohtes 
Leben  etwas  sorgsamer,   sonst  dürfte  es  um  die  Navigation  dortiger 
Meere  noch  immer  bedenklich  aussehen. 

Am  Morgen  des  20.  Juni  folgte  ein  Bergzug  der  Küste  mit  Cactus 
auf  den  Höhen,  während  sich  hinter  demselben  eine  Kette  von 
schneeigen  Gipfeln  hinzog.  Eine  Depression  trat  vor  bei  der  An- 
näherung an  Tongoi,  dass  wir  um  Mittag  passirten  und  dann  eine 
öde  Berggegend  mit  Felsen  uns  begleiten  sahen.  Hinter  jenen  Fels- 
spitzen liegt  die  Bucht  Herradura,  durch  einen  niedrigen  Hügel- 
rücken von  der  Rhede  Coquimbo's  getrennt,  und  nach  Umfahren  des 
vorspringenden  Punktes  breiten  sich,  von  den  Bergen  der  Kette, 
Hügelhalden  aus,  mit  der  Stadt  Serena  zwischen  grünen  Anlagen, 
die  sich  längs  der  Canäle  des  Elchi-PMusses  bis  zum  Hafen  Coquimbo 
hinabziehen,  dessen  Häuser  in  einem  Winkel  der  Spitze  auf  Stein- 
massen erbaut  sind. 

Da  Serena*)  vonValdivia  nach  dem  Kriege  mit  den  Quillotanern 
am  Meere  erbaut  war,  scheint  diese  Ansiedelung  im  Thal  von  Co- 
quimpi  (Coquimbo)  später  versetzt  zu  sein,  wie  es  von  der  ersten 
Anlage  Bohon's  am  andern  Ufer  des  Flusses  gewiss  ist.  Die  Wahl 
des  neuen  Platzes  wird  Aguirre  zugeschrieben,  dem  Wiederhersteller 

*)  El  nombre  Serena  le  viene  a  esa  comarca ,  de  la  palabra  sema  ,  con  que  se  de- 
signa  una  especie  de  terreno  fertil  de  formacion  vejetal,  que  le  es  comun,  bemerkt  Asta- 
Buruaga  von  Serena  in  Estremadura,  der  Vaterstadt  Valdivia's,  während  ohne  diese  Ety- 
mologie das  chilenische  Serena  vom  heiteren  Himmel  erklärt  werden  könnte. 

3* 


36  «  NACH    CHILE. 

nach  der  Zerstörung  in  dem  Ueberfall  der  Indianer,  Belebt  wurde 
Serena  besonders  durch  die  Entdeckung  der  Minen  von  Arqueros, 
während  sein  Hauptreichthum  in  den  Kupferminen  liegt;  die  in 
Tamaya  wurden  seit  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  bearbeitet.  Schmidt- 
mayer erwähnt  (1822)  einer  stetige  Abnahme  der  Kupferausfuhr  von 
der  chilenischen  Küste,  einmal  wegen  der  Verminderung  des  Brenn- 
materials zur  Bearbeitung,  und  dann  aus  der  Schwierigkeit,  bei  dem 
Mangel  an  Wasser  und  Futter  in  den  trockenen  Wüsten,  die  erforder- 
liche Zahl  der  Lastthiere  zu  unterhalten.  Bei  Wafer's  Anwesenheit 
wurden  im  Fluss  von  Coquimbo  Goldwäschereien  betrieben  (VII.  Jahr- 
hundert). 

Nach  wenigstündigem  Aufenthalt  fuhren  wir  Nachts  weiter  und 
am  andern  Morgen  zeigten  sich  kahl  nach  dem  Meere  abfallende 
Berge.  Hinter  einer  Felsspitze  der  Cuesta  de  las  arenas  liegt  auf 
einer  Abdachung  kahler  Höhen  der  Hafenort  Huasco.  Todt  und  öde 
zogen  sich  zwischen  einstöckigen  Häusern  ein  paar  Strassen,  breit 
und  desto  schattenloser,  im  Sande  hin,  wo  nur  hier  und  da  die  Figur 
eines  für  die  Ankunft  des  Dampfbootes  herabgekommenen  Ansiedler's 
in  dem  schweren  Reitanzug  des  Landbrauch's,  vorüberstolperte,  um 
dann  gewöhnlich  in  einem  der  durch  Zeichen  an  den  engen  Fenster- 
scheiben kenntlichen  Wegehäuser  zu  verschwinden,  die  eine  Mischung 
von  Laden  und  Wirthshaus  darstellen. 

Huasco  (Puerto  de  la  Victoria)  wird  vielfach  in  der  ersten  Zeit 
der  Conquista  erwähnt,  und  dort  sollte  (nach  Martiniere)  Santiago  de 
la  Nueva-Estremadura  zuerst  erbaut  sein,  während  sonst  nur  ge.sagt 
wird,  dass  Valdivia  von  La  Serena  aus  (1544)  den  Tambo  der  Inca  in 
Huasco  oder  Paitanas  habe  wiederherstellen  lassen,  und  als  der  bei 
seiner  Ankunft  (1540)  herrschende  Häuptling  wird  Mercandei  genannt. 

Trotz  des  öden  Wüstencharacter's  in  der  Umgebung  ist  das  Land 
doch  überall,  wo  sich  Wasser  findet,  höchst  fruchtbar,  und  die  Früchte 
Huasco's  (besonders  die  dort  stets  zum  Kauf  angebotenen  Rosinen) 
sind  berühmt. 

Am  Nachmittag  gelangten  wir  längs  felsiger  Vorländer  nach 
Carrizal  am  Abfall  der  Berge,  und  dann  am  Abend  weiterfahrend 
mit  dem  nächsten  Morgen  (Juni  22.)  in  die  Bucht  von  Caldera,  eine 
sandige  Bank  zwischen  Felsen.  In  der  vor  dem  Wharf  hingezogenen 
Strasse  lag  das  Haus  des  deutschen  Consul  Dauelsberg,  von  dessen 
niedrigem  Balkon  man  zwar  nur  in  ödester  Monotonie  die  Wüsten  des 
Sandes  und  des  Meeres  vor  sich  sah,  aber  doch  in  belebender  Er- 
frischung durch  das  Einathmen  der  trockenen  und  reinen  Luft  unter 


CALDERA.  37 

heiterem  Himmel  Aehnlich  anregend  wirkt  auch  die  Wüstenluft 
Arabien's  oder  Afrika's,  und  in  der  Caldera's  erinnert  manches  an 
Cosseir,  den  ägyptischen  Hafen  des  rothen  Meeres. 

Der  bessere  Hafen  Caldera's  ist  an  die  Stelle  des  früher  be- 
nutzten Puerto  de  Copiapö  (und  des  Puerto  Ingles  oder  Caldereta) 
getreten  und  hat  sich  seit  1842  zu  bevölkern  begonnen,  bis  er  1850 
(oder  185 1)  Stadtgerechtigkeit  erhielt,  gleichzeitig  mit  Anlage  der 
PLisenbahn.  Im  vorigen  Jahrhundert  war  die  Küste  noch  völlig 
menschenleer  und  nur  von  fischenden  Chango's  besucht,  die  mit  ihren 
P'amilien  auf  Balsas  oder  F^lössen  wohnten. 

Zwischen  kahlen  Sandfclsen,  anfangs  ohne  jede  Decke,  dann  mit 
Haidekräutern  und  später  mit  niedrigen  Büschen,  brachte  uns  die 
Eisenbahn  durch  die  Desierto  de  Copiapö,  eine  Fortsetzung  des  De- 
sierto  de  Atacama,  nach  Monte-amargo,  und  weiter  zwischen  Büschen 
mit  vereinzelten  Bäumen,  hier  und  da  auch  Wasserlachen,  nach  der 
Station  Piedra  colgada,  von  wo  Anpflanzungen  in  Lehm-Einzäunungen 
bis  Copiapö  begleiteten.  Die  Stationen  sind  Punta  de  Piedra  (425 
Engl.  F.),  Monte  amargo  (430  F*.),  Piadra  colgada  (920  F.)  nach  Co- 
piapö (r2i3  F".)  Bei  Monte  amargo  erschienen  die  ersten  Chanar- 
Bäume  (Gourliea  chilensis)  und  in  der  sumpfigen  Flussebene  von 
Copiapö  ist  die  Brea  (Tessaria  absinthioides)  "herrschend,  aus  der 
früher  ein  Substitut  des  Theer's  gewonnen  wurde  (s.  Philippi.)  Unser 
deutser  Consul,  Herr  Kröhnke,  wollte  meinen  Verbleib  im  Gasthaus 
nicht  zulassen  und  brachte  mich  unter  sein  gastliches  Dach,  wo  ich 
im  liebenswürdigen  Familienkreise  mich  allerdings  besser  aufgehoben 
fand.  An  das  Wohnhaus  schlössen  sich  die  weiten  Fabrikgebäude 
zur  Silbergewinnung  nach  einem  von  Herrn  Kröhnke  eingeführten 
Process  und  er  stand  damals,  als  Director,  der  zum  Betrieb  gebildeten 
Gesellschaft  vor,  die  auch  in  Antafagasta  Werke  aufgesetzt  hatte. 

Am  Abend  führte  mich  mein  Wirth  zum  deutschen  Club,  wo 
sich  eine  Zahl  von  Landsleuten  zusammengefunden  hatte  und  bei 
deutschem  Flaschenbier  geplaudert  wurde,  das  recht  gut,  und  obwohl 
nach  europäischen  Begriften  das  Gegenthcil  von  billig  war,  doch 
nicht  gerade  allzu  theuer  für  die  Preise  solcher  Minenstädte. 

Am  nächsten  Tage  hatte  ich  Gelegenheit,  einige  Sammlungen 
zu  sehen,  die  des  deutschen  Kaufmannes,  Herrn  Lübbren,  die  des 
Lyceo,  und  als  eine  schon  seit  länger  angelegte,  die  einer  ältlichen 
Dame,  Dona  Theresia  Gallo.  Sie  enthielt  Mumien,  bemalte  Thon- 
gefässe,  doppelt  gedrehte  Schnuren,  Kupfermesser  etc.,  das  Meiste 
von  dem  Cimenterio  de  los  Indios  (ein  in  früherer  Zeit  benutzter  Be- 


38  NACH   CIIII.E. 

gräbnissplatz)  herstammend,  den  ich  beim  Pucblo  de  San  Fernando 
auf  einem  Abfall  an  den  Höhen,  auf  denen  der  gerade  Inca-Weg 
beginnt,  liegen  fand.  Es  liessen  sich  niedrige  Erhebungen  von  Stein- 
setzungen zu  20  und  10  bis  circa  200  zählen.  Herr  Kröhnke's  Bruder 
versprach  mir,  gelegentliche  Ausgrabungen  zu  unternehmen,  und  seit 
meiner  Rückkehr  sind  einige  Resultate  derselben  durch  Herrn  Redslob 
hierher  gelangt.     Anderes  verdankte  ich  Herrn  Lübbren. 

Die  Vega^)  an  den  Ufern  des  bei  Juntas  aus  drei  Zuflüssen  (Jor- 
quera,  Manflas  und  Pulido)  entstehenden  Rio  de  Copiapo  ist  ziemlich 
sumpfig,  in  Folge  des  geringen  Falles,  und  schon  auf  halben  Wege 
von  Copiapo  nach  Caldera  versiegt  der  Fluss  im  Sande,  ohne  das 
Meer  zu  erreichen. 

Dapper  dagegen  lässt  den  Fluss  von  Kopajapo  (Copiapo)  noch 
im  Hafen  münden,  und  bemerkt  von  seinem  Thal  (wo  er  die  Namens- 
erklärung von  den  Türkisen  anführt):  „Das  Erdreich  desselben  ist 
das  fruchtbarste  des  gantzen  Chili.''  Aehnliche  Bemerkungen  kommen 
auch  sonst  vor,  und  bei  Almagro's  Zuge  nach  Chili  wird  des  Ueber- 
.flusses  an  Lebensmitteln  erwähnt,  die  er  in  dem  durch  peruanische 
Unterthanen  der  Inca  angebauten  Thal  von  Copiapo  antraf, '  ebenso 
eines  Reichthums  an  Heerden. 

Die  von  Valdivia  während  seiner  Bedrängung  durch  die  Arau- 
caner  nach  Peru  gesandten  Boten  fielen  in  die  Hände  Coteo's,  Unter- 
feldherrn des  in  Chimbo^)  herrschenden  Andcquin's,  Häuptling  (oder 
Ulmen)  von  Copiapo,  dessen  Tochter  Lainacacha  die  Spanier  Monroy 
und  Miranda  vom  Opfertode  befreite,  obwohl  sie  in  Gefangenschaft 
behalten  wurden,  bis  ihnen  (in  Begleitung  des  dort  verheiratheten 
Gasco)  ihr  kühner  Fluchtversuch  gelang.  Das  von  Juan  Bohon  auf 
der  alten  Festung.  (Pucara)  der  Inca*s  1 547  angelegte  Fort  von  Tres 
Puntas  (El  Fucrte)  wurde  in  dem  Aufstand  der  Indianer  von  Copiapo 
zerstört,  und  erst  nach  Sosa's  Durchzug  gelangtes  Aguirre  die  Unter- 
werfung wieder  zu  erzwingen  (1558). 


^)  The  Valley  of  Guasco  and  Copiapo  may  both  bc  considered  as  long  narrow  Is- 
lands, separated  from  the  rest  of  Chile  by  deserts  of  rock ,  instead  of  by  sali  water 
(Darwin).  Der  Rio  de  Copiapo  vermindert  sich  beständig  \on  Fuenles  bis  Copiapo  und 
beginnt  bei  Monlc-amargo  sich  gänzlich  zu  verlieren  (wie  die  übrigen  im  Norden.)  El 
rio  de  Huasco  es  el  primero,  cuya  cantidad  de  agua  sea  bastante  considerable,  para  que, 
despues  de  deducir  la  que  se  evapora  6  infillra,  quedc  una  cierta  cantidad  para  ir  a 
desaguar  en  el  mar  (Pissis).  I5ei  Darwin's  Anwesenheit  (im  Juli)  erfreuten  sich  die  Be- 
wohner (im  Hafen  Copiap6's)  frischen  Wassers. 

^)  Auch  als  \'orsladt  Coj)inpo's,  wie  sich  dieser  Name  vielfach  zur  Bezeichnung  eines 
Aeussersten  verwandt  findet. 


copiAPO.  39 

Da  in  der  ersten  Zeit  der  Colonisation  die  Ansiedelungen  sich 
besonders  im  Süden  Chili's  concentrirten ,  blieben  die  Indianer  Co- 
piapö's  längere  Zeit  hindurch  ungestört,  und  erst  die  Entdeckung 
der  Minen  im  Anfang  des  17.  Jahrhundert  lenkte  die  Aufmerksam- 
keit der  Spanier  dahin.  Dann  war  es  allerdings  um  die  eingeborenen 
Elemente  der  Bevölkerung  bald  geschehen,  indem  sie  unter  den  die 
Ländereien  in  Besitz  nehmenden  Einwanderern  vertheilt  wurden  und 
(nachdem  die  Entdeckung  der  Goldminen  1707  weitere  Zuzüge  von 
Coquimbo  herbeigerufen  hatte),  rasch  der  Bergwerksarbeit  erlagen. 

So  fand  sich  Ende  des  vorigen  Jahrhundert's  die  Provinz  Copiapo 
und  ihr  1744  angelegter  Hauptort  San  Francisco  de  la  Selva  de 
Copiapo  fast  ohne  Menschen  (s.  Alcedo),  und  der  neuere  Aufschwung 
datirt  erst  seit  der  zufälligen  Entdeckung  der  Silberminen  von  Chailar- 
cillo  durch  den  Holzhauer  Juan  Godoi,  zu  dessen  Gedächtniss  in 
Copiapo  ein  Denkmal  errichtet  wurde.  Einer  früheren  Auffindung 
von  Silbererzen*)  durch  einen  Arbeiter  (an  den  Abhängen  der  Berge 
von  Copiapo)  erwähnt  Molina  aus  dem  Jahre   1767. 

Almagro  kam  auf  seiner  von  Inca  Paullu  Tupac  mit  Führern 
und  Wegweisung  versehenen  Expedition  (1535)  von  Choliguin  nach 
Copiapo,  wo  Montriri,  der  Nefie  des  Cazikcn  sich  unterwarf,  während 
die  von  Atacama  voraufgeschickten  Kundschafter,  die  sich  übei*  Hua- 
scar  nach  Coquimbo  begaben,  dort  getödtet  wurde.  In  Cocongagua 
oder  Acongagua  trafen  die  Spanier  dann  einen  ihnen  bereits  vorauf- 
geeilten  Landsmann,  den  wegen  Diebstahls  in  Lima  mit  Ohrabschnei- 
den bestraften  Barrientos,  der  sich  in  diese  fernen  Länder  des  Südens 
geflüchtet  hatte,  um  seine  Schande  zu  verbergen. 

Bei  der  Rückkehr  nach  Caldera  (Juni  25.)  bheb  mir  Zeit  zum 
Besuche  der  Cueva  de  conchas,  einer  mit  Muschelbreccicn  überdachten 
Höhle  in  nahegeleger  Bucht,  und  dann  schiffte  ich  mich  (Juni  26.) 
auf  dem  Dampfer  Limena  ein.  An  den  kahlen  Bergen  öffneten  sich 
hinter  einer  Spitze  die  Bey  von  Chanaral  de  las  Animas,  durch  den 
Rauch  der  vielen  Schmelzwerke  kenntlich. 

Am  nächsten  Morgen  stiegen  in  das  Meer  abfallende  Berge  mit 
ihren  Spitzen  zu  den  Wolken  empor,  und  nachdem  ein  weisser  Stein 
die  Grenzmarke  zwischen  Chile  und  Bolivien  aifgezeigt  hatte,  ankerten 

')  I>os  Depositos  argentiferos  de  Chile  cstdn  siempre  en  relacion  con  las  rocas  volca- 
nicas  antiguas,  se  hallan  situados,  sea  en  el  costadon  de  las  failles,  sea  cn  la  prolon- 
gacion  de  rasgaduras,  por  las  cuales  han  salido  cstas  rocas.  Ilan  sucedido  a  la  inyeccion 
de  las  traquistas  y  de  los  prtrfidos  antiguos,  del  mismo  molo  q\ic  las  solfataras  y  las 
focntcs  termales  han  seguido  cl  derrame  de  las  lavas  de  los  volcancs  ncluales  (Pi^sis). 


40  NACH   CHILE. 

wir  hinter  dem  vorspringenden  Yarrow-Point  in  Autafagasta,  das  in 
sandiger  Bucht  am  Fusse  eines  kahlen  Berges  liegt.  Capjara  (Yarrow) 
bezeichnet  die  Grenze  beider  Staaten,  die  schon  einige  Meilen  südlicher, 
als  mit  dem  neutralen  Gebiet  beginnend,  angenommen  werden  kann. 

Bei  der  Landung  hatte  ich  das  Vergnügen,  die  Bekanntschaft 
des  deutschen  ConsuFs,  Herrn  Volkmann,  zu  machen,  durch  dessen 
Freundlichkeit  das  königliche  Museum  seitdem  mit  einer  interessanten 
Ueberscndung  bolivianischer  Mumien  bereichert  ist. 

Die  Anlage  dieser  noch  ganz  den  unfertigen  Character  einer 
ephemeren  Gründung  tragenden  Ortschaft  wurde  seit  der  Entdeckung 
der  reichen  Minen  von  Caracoles  durch  den  Cateador  (Spürer)  Diaz 
Gana  (1870)  hervorgerufen,  über  deren  Besitzrecht,  nach  längerem 
Streite,  zwischen  Chile  und  Bolivien  eine  Vereinbarung  getroffen  ist. 
Es  bedurfte  in  diesem  aller  Hülfsqucllen  des  Lebensunterhaltes  ent- 
behrenden Lande  einer  Menge  kostspieliger  Einrichtungen,  schon  zur 
Destillirung  trinkbaren  Wasser's  aus  dem  des  Meeres  (durch  Conden- 
sation),-^  doch  wurden  alle  .Schwierigkeiten  überwunden,  wie  immer, 
wenn  es  edles  Metall  zu  schürfen  gilt.  Als  die  Silberwerke  in  Cara- 
coles 1870  zuerst  in  Angriff  genommen  wurden,  bildete  Mejillones 
den  Ausfuhrhafen,  bis  1874  das  bequemere  Antagasta  gewählt  wurde, 
das  der  Salpetergewinnung  wegen  angelegt  war.  Gegenwärtig  ist 
der  Bau  einer  Eisenbahn  beabsichtigt  und  zum  Theil  schon  ausge- 
führt. Wie  Cobiya  wird  auch  Antafagasta  aus  der  argentinischen 
Republik  mit  frischen  Fleisch  durch  Viehheerden  versehen,  die  aber 
in  äusserst  abgemagerten  Zustande  ankommen  und  zum  grossen  Theil 
auf  der  mit  Knochen  besäeten  Strasse  liegen  bleiben. 

Am  nächsten  Tage  (Juni  28.)  liefen  wir  in  die  geschlossene 
Bucht  von  Mejillones  del  Bolivia  ein,  die  von  Bergen  umzogen  ist, 
mit  der  Ansiedelung  auf  einem  niedrig  gehobenen  Vorlande.  Auf 
dem  von  der  Ebene  nach  Leading  Bluff  (mit  vorliegendem  Felsen) 
auslaufenden  Berge  am  Rande  des  braunen  Gipfels  zeigten  sich  gelb- 
lich weisse  Linien  des  Guano,  der  an  einem  Korbweg  herabgeschafft 
wird,  um  direct  in  die  Schiffe  verladen  zu  werden.  Auch  hier  waren 
getheilte  Ansprüche  zwischen  Chile  und  Bolivien,  bis  1867  eine  Ver- 
einbarung getroffen  wurde,  und  die  Bebauung  dieserGuano-Lager  wurde 
erst  1863  in  Angriff  genommen,  als  der  Reichthum  der  peruanischen 
Inseln  abzunehmen  anfing.  Indess  hat  der  Ertrag  geringeren  Werth, 
da  der  geschätztere  Huano  blanco  (der  frischere)  hier  fehlt.  Wie  auf 
dem  Morro  de  Mejillones  wurde  auch  auf  der  Isla  de  los  Alcatrazes 
Guano  gefunden.    Seine  für  den  Dünger  werthvollen  Stoffe  bestehen 


COBIJA.    "  41 

in  phosphorsaurem  Kalk  und  Magnesia -Salzen,  während  der  Gehalt 
an  ammoniakalischen  Salzen  arm  ist. 

Nach  kurzem  Aufenthalt  wurde  die  Fahrt  fortgesetzt,  längs  einer 
vom  schmalen  Küstensaume  steil  aufsteigenden  Bergwand,  welche 
die  Wüste  Atacama  s  trägt. 

Man  findet  sich  hier,  wie  ich  es  zum  zweitenmal  empfand,  in 
einem  wunderbaren  Theil  der  Welt,  stets  ein  blaues,  spiegelglattes 
Meer,  stets  ein  in  ungetrübter  Heiterkeit  strahlender  Himmel,  die 
Luft  gefüllt  mit  Sonnenglanz,  der  aus  dem  Wasser  spiegelt,  und 
(von  dem  Geräusch  des  Dampfers  abgesehen)  Todtenstille  rings 
umher,  da,  wie  der  stille  Ocean,  sich  die  Contouren  der  braunen  Berg- 
mauern des  Landes  in  ununterbrochenes  Schweigen  hüllen. 

Um  Mittag  zeigten  sich  die  ärmlichen  Häuser  Cobija's  (oder 
La  Mar)  am  Fusse  der  majestätischen  Gebirgsmasse ,  über  welche 
die  Pfade  leiten,  um  den  beschwerlichen  Ritt  durch  die  Wüste  Ata- 
cama's  nach  den  bewohnten  Theilen  Boliviens  zu  unternehmen.  Die 
Einmündung  des  Wüstenweges,  am  Portazuelo  und  der  Quebrada 
de  Mal  Paso,  erkannte  sich  oberhalb  der  Ansiedlung,  ist  aber  erst 
durch  einen  Umweg  am  Strande  zu  erreichen.  Bei  der  Landung 
fanden  wir  die  Strassen  des  Ortes,  die  vom  Abfall  aufwärts  leiten, 
der  Siesta  wegen  doppelt  öde,  und  nur  kümmerlich  hatte  man  hie 
und  da  dem  starren  Boden  die  Zucht  eines  Pflänzchens  abzuringen 
vermocht.  Eine  nennenswerthe  Bevölkerung  erhielt  der  1829  erklärte 
Freihafen  erst  mit  Bearbeitung  der  nahen  Kupfergänge  (1858).  Wie 
Tschudi  bei  seiner  dortjgen  Anwesenheit  festzustellen  vermochte, 
wurde  Cobija  1619  gegründet,  an  der  Stelle,  wo  Schiffbrüchige,  die 
an  dem  wüsten  Strande  eine  Capelle  gebaut  hatten,  einige  Fischer- 
hütten antrafen,  neben  spärlichen  Quellen '),  die  beim  Zunehmender 
Bewohner  nicht  länger  ausreichten.  Die  Indianer  sind  später  ver- 
schwunden, bewohntcji  aber  bei  F'euillee's  Besuch  in  Cobixa  noch 
Fellhütten  in  der  Nähe  (1707).  Die  Seehunde,  von  deren  Jagd  die 
Changos  früher  besonders  lebten,  sollten  (gleich  den  Seevögcln)  seit 
J830  sehr  abgenommen  haben,  gleichzeitig  mit  einer  unter  den  Land- 
thieren  ausbrechenden  Seuche  (s.  Philippi). 

Der  Character  der  steilen  Bergabfälle  bewahrt  sich  bis  Toca- 
pillo  oder  Tdpoquilla  (als  Platz  zur  Erzverladung  von  Schmarda 
neben  Paquica    zur  Einschiffung    des  bolivianischen  Guano  erwähnt), 


*)  Von  Paquica  wurde  Wasser  nach  Cobija  gebracht,    um  der  Spärlichkeit    des  dor- 
tigen Brunnens  abzuhelfen  (s.  A.  Snilih). 


42  NACH    CHILE. 

und  dort  wurde  ein  kurzer  Aufenthalt  gemacht,  um  dann  bei  Nacht 
die  Fahrt  fortzusetzen. 

Bis  Loa  tritt  die  Sierra  de  la  costa  hart  an  das  Meer,  dann  zieht 
sich  das  Gebirge  zurück,  und  weiter  (bis  Tarapaca)  fällt  es  in  Vor- 
bergen*) (Lomas)  zum  Strande  ab. 

Für  die  südliche  Grenze  Perus  gilt  die  Quebrada  de  Tucupilla 
oder  Duendes,  wo,  mit  der  Wüste  von  Atacama,  die  Republik  Boli- 
vien beginnt.  Im  Norden  gilt  Loa  als  das  Ende  der  Wüste  Ata- 
cama bezeichnend,  die  sich  in  Chile  von  Copiapo  herauferstreckt. 

Am  nächsten  Morgen  (Juni  29.)  zogen  sich  der  Küste  Bergreihen 
entlang  und  am  Fusse  lag  auf  niedrigem  Vorsprung^)  Iquique  hinter 
kahlen  Inseln •"*),  die  früher  Guano  lieferten. 

Das  Frühstück  konnte  ich  durch  freundliche  Aufnahme  unseres 
Consul's, Herrn  G.H.Sattler,  im  Kreise  deutscherLandsleute  einnehmen, 
den  Arigestellten  in  dem  deutschen  Handelshause  Gildemeister  &  Co., 
das  von  Lima  aus  seine  grossen  Salpeterwerke  bearbeiten  lässt. 
Dieser  Natronsalpeter  ist  die  Lebensquelle  Iquique's,  freilich  keine 
angenehme  für  das  gewöhnliche  Leben,  da  unter  diesem  glühendem 
Himmel  und  auf  solch'  wasserarmen  Boden  der  ammoniakalische 
Geruch  in  den  eng  gekreuzten  Strassen  desto  lästiger  wurde.  Wäh- 
rend ich  noch  an  der  peruanischen  Küste  weilte,  brach  eine  grosse 
Feuersbrunst  aus,  die  fast  ganz  Iquique  in  Asche  legte,  und  seitdem 
ist  es  bereits  wieder  von  einer  neuen  Zerstörung  durch  ein  Erdbeben 
betroffen  worden. 

Am  Nachmittag  weiterfahrend,  an  steil  abfallenden  Bergzügen 
hin,  gelangten  wir  Abends  nach  Mejillones,  mit  der  an  einen  Vor- 
fels angeklebten  Besiedlung,  und  nach  kurzem  Aufenthalt,  nach  Pis- 
agua,  das  (von  einem  Fluss,  der  gleich  dem  von  Loa,  nicht  das 
Meer  erreicht)  an  der  kreuzartigen  Einbuchtung  eines  alten  Kraters 
am  Wasserrande  liegt. 


')  Die  scheinbare  Schichtung  des  Gebirges,  wie  an  mehreren  Stellen  der  Küste  zu 
beobachten,  ist  (nach  v.  Bibra)  durch  Verwitterung  bedingt. 

2)  Iquique  Stands  on  a  Stratum  of  broken  shells  (principally  cytherea)  in  all  stages  of 
degradation  (Bollaert). 

')  Obwohl  die  Insel  Iquique  (der  besonders  die  Aji-Pflanzungen  in  Arica  ihre  Frucht- 
barkeit verdanken).  ,,nun  seit  einem  Jahrhundert  alle  Jahre  mehr,  als  12  Schiffsladungen 
für  die  von  ihr  weit  entlegenen  Gegenden  und  zum  Gebrauche  der  benachbarten  eine 
noch  weit  grössere  Menge  hergegeben  hat,  so  bemerkt  man  doch  immer  noch  nicht,  dass 
diese  Düngung  auch  nur  im  mindesten  weniger  wird ,  oder  die  Höhe  der  Insel  nur  um 
ein  Geringes  abnimmt"  (1761). 


ARICO.  43 

Am  nächsten  Morgen  (Juni  30.)  zeigte  sich  ein  Bergwall,  der 
nach  einigen  Erniedrigungen  zu  der  höheren  Erhebung  des  Morro 
von  Arica  (San  Marcos  de  Arica)  anstieg,  und  hinter  demselben 
blickte  man  auf  eine  Ebene,  die  auf  der  andern  Seite  an  Berge  ge- 
lehnt, sich  mit  Hügelwellungen  in  das  Innere  breitet.  Das  Auge 
flihlte  sich  erquickt  den  nackten  Boden  wieder  unter  Anbau  ver- 
schwinden zu  sehen  und  die  Umgegend  war  im  XVIII.  Jahrhundert 
der  grosse  Productionsplatz  des  in  ganz  Südamerica  zum  täglichen 
Consum  gehörigen  Aji-Pflanze,  deren  Felder,  wie  Alcedo  anfuhrt, 
mit  dem  Guano  einer  Insel,  „nombrada  Iqueine  oder  Iqueique"  (Iquique) 
gedüngt  wurde.  Nachdem  das  alte  Arica,  in  einiger  Entfernung  vom 
Hafen  gelegen,  durch  Erdbeben  und  Plünderung  wiederholt  zerstört 
war,  zog  sich  die  Bevölkerung  (1680)  nach  Tacna,  das  mit  dem  jetzi- 
gen Hafen  Arica  durch  eine  Eisenbahn  verbunden  ist. 

Die  Wichtigkeit  Arica's  als  Handelsplatz  ist  keine  unbedeutende, 
besonders  fiir  Bolivien,  fiir  welches  es,  obwohl  bereits  auf  peruanischem 
Gebiet  gelegen,  als  einziger  Hafen  zu  betrachten  ist,  da  seine  Lage 
fiir  Ein-  und  Ausfuhr  weit  bequemer  ist,  als  die  des  schwer  erreich- 
baren Cobija.  Als  Exportplatz  der  Silberbarren  von  Potosi  war 
Arica  ein  besonderer  Anziehungspunkt  fiir  die  englischen  und  hollän- 
dischen Freibeuter,  und  Lact  erzählt,  dass  es  damals  von  den  Spa- 
niern stark  befestigt  wurde.  Cobija  wurde  dagegen  (im  vorigen  Jahr- 
hundert) zum  Schleichhandel  mit  Potosi  benutzt  (s.  Coleti). 

Da  das  Dampfbot  einige  Stunden  zu  verweilen  hatte,  verschaffte 
ich  mir  von  dem  deutschen  Kaufmann,  Herrn  Dauelsberg,  einen 
Führer  und  Arbeiter,  um  mich  jenseits  des  Morro  nach  einem  Küsten- 
streifen zu  begeben,  wo  bei  dem  letzten  Erdbeben  das  eindringende 
Meer  alte  Indianer-Gräber  bloss  gewaschen  hatte  und  wo  seitdem 
einige  Ausgrabungen  gemacht  worden  sind. 

Die  Mumien  waren,  wie  gewöhnlich,  mit  ihren  Geräthschaften 
beigesetzt,  und  meistens  mit  einer  Bedachung  aus  Binsenmatten  be- 
deckt, weshalb  man,  bei  Einigen,  Begrabung  in  den  Häusern  ange- 
nomrr^n  hat.  An  anderen  fanden  sich  Steinsetzungen  und  die  Kürze 
der  Zeit  erlaubte  nur  die  Aufdeckung  von  drei  Gräbern,  in  deren 
einem  sich  Reibsteine  fanden,  im  andern  Pfeile,  Körbe  und  Kleidungs- 
stücke, im  dritten  eine  Mumie  mit  Zöpfen  zwischen  Beigaben  von 
Töpfen,  Mais  u.  s.  w. 

Das  Wenige,  was  des  Mitnehmens  werth  war,  Hess  ich,  weil  die 
Zeit  für  ein  Verpacken  nicht  ausreichte,    bei  Herrn  Daneisberg  zum 


44  NACH   CHILE. 

Nachschicken,  und  begab  mich  wieder  an  Bord  des  bereits  zur  Ab- 
fahrt fertigen  Dampfers. 

Am  1.  Juli  folgten  wir  einer  Küste  mit  hügelartigen  Erhebun- 
gen, wo  llo  am  Abfall  einer  Steigung  lag,  Zu  Feuillee's  Zeit  pflegte 
bei  Ankunft  eines  europäischen  Schiffes  auf  der  Rhede  von  llo,  sich 
die  Kaufleute  aus  dem  Innern  mit  ihren  Metalladungen  an  der  Küste 
flir  Abhaltung  eines  Marktes  zu  versammeln  (Anfang  des  XVIII  Jahr- 
hunderts). Nachdem  zur  See  hinabziehende  Vorhügel  (mit  Bergen 
dahinter)  passirt  waren,  zeigte  sich  vor  einem  Hügelabhang  am  Fels- 
rand Mollendo  und  die  starke  Brandung,  die  an  diesem  zum  End- 
punct  der  Eisenbahn  nach  Puno  gewähltem  Hafen  das  Landen  meist 
gefährlich  und  oft  ganz  unmöglich  macht.  In  solchem  Falle  werden 
die  für  die  Eisenbahnstation  bestimmten  Passagiere,  welche  die  Fahrt 
auf  ihrem  eigenen  Dampfer  nicht  fortsetzen  wollen,  von  dem  begeg- 
nenden aufgenommen  und  an  einem  nächsten  Hafen  ausgesetzt,  von 
wo  sie,  wenn  sich  dort  Maulthiere  miethen  lassen,  Gelegenheit  haben, 
die  Eisenbahn  zu  erreichen,  gewöhnlich  noch  in  Zeit  für  den  nächsten 
Zug,  da  meistens  alle  acht  Tage  einer  expedirt  wird.  Die  Weisheit, 
weshalb  gerade  dieser  Ort  zum  Eisenbahnhafen  ausgewählt  wurde, 
ist  noch  nicht  ergründet,  soll  jedoch,  wie  Einige  meinen,  in  ein 
Grundstück  bei  Mollendo')  begraben  liegen,  das  bei  der  Ausarbei- 
tung des  Eisenbahnprojectes  dort  grade  käuflich  oder  verkäuf- 
lich war. 

Am  Abend  fanden  wir  uns  vor  Islay,  auf  schroffem  Felsrand  ge- 
legen, an  vorspringender  Spitze  in  Felsinseln  auslaufend,  und  von 
dort  wurde  früher  die  Küstenwüste  nach  Arequipa  gekreuzt,  meist 
in  der  Nacht  (so  bei  meiner  Durchreise  aus  Cuzco  1852).  Ehe  Islay 
1830  gewählt  wurde,  bildete  Quilca  den  Hafen  Arequipa s.  Nach 
Morsell,  der  Quilca  1825  besuchte  war  die  Umgegend  durch  den 
von  dem  (dort  sichtbaren)  Vulcan  zu  Arequipa  ausgeworfenen  Staub 
unfruchtbar  gemacht  und  auch  jetzt  ist  sie  fast  verödet. 

Hohe  Berge  zeigten  sich  am  nächsten  Tage  und  hinter  gezackten 
Felsen  lag  Challa  (einst,  wie  es  heisst,  der  Hafen-Cusco's ,  weil  der 
nächste  am  Meer).  Dann  folgten  niedrige  Vorhügel,  und  der  wüste 
Character  der  Küste  blieb  sich  gleich.  Zur  Inca-Zeit  wird  dort 
überall  eine  zahlreiche  Bevölkerung  angegeben,  und  auch  Laet 
nimmt  auf  ihr  früheres  Vorhandensein  Rücksicht,  indem  er  hinzufügt, 


*)  Im  Jahre  187 1  wurde  der  Hafen  Jslay  von  der  peruanischen  Regierung  als  Ein- 
fuhrhafen geschlossen  und  an  seiner  Stalt  Mollendo  als  Löschungsstelle  fiir  Importwaaren 
bestimmt,  • 


PLSEO.  45 

dass  diese  Küstenplätzc  erst  durch  Verfall  der  Wasserbauten  unbe- 
wohnbar geworden  sei,  und,  jetzt  nutzlose,  Spuren  derselben  werden 
dort  ebenso  gesehen,  wie  an  dem  früher  in  Gärten  ausgelegten 
Mesopotamien  Babylons.  Zum  Theil  bestanden  diese  Bauten  schon 
vor  der  Ankunft  der  Inca,  da  diese  die  Küstenbewohner  mit  ihrer 
Zerstörung  drohten,  um  sie  zur  Unterwerfung  zu  zwingen.  Die  von 
Aethiopien  traditionell  gegen  Aegypten  gerichtete  Drohung,  das 
Land  durch  Ableitung  des  Nils  zur  Wüste  zu  machen,  konnte  von 
den  Inca  mit  mehr  Grund  ausgesprochen  werden,  da  sie  in  der  That 
das  Wasser  zur  Befruchtung  der  Küste  in  ihrer  Hand  hatten.  Nach 
Besitznahme  derselben  waren  dann  auch  sie  es  gewesen,  die  diesem 
Aquäducten  neu  hinzufugten  und  umfängliche  Werke  für  Wasser- 
bassins anlegten. 

Am  folgenden  Morgen  (Juli  3.)  zogen  sich  sandige  Streifen 
zwischen  Erhebungen  hin.  Die  steil  abfallende  Küste  erlaubt  hie 
und  da  in  Unterbrechungen  Einblick  auf  Sandflächen,  die  wellig 
emporrollten.  Dann  gelangten  wir  nach  der  Embocadura  zwischen 
dem  mit  schroffen  Klippen  abfallenden  Festland  und  der  Insel  Bella- 
Vista,  woran  sich  weiterhin  die  niedrigen  Chincha-Inseln  anschlössen. 

In  der  Ferne  öffnete  sich,  bis  am  Horizont  von  der  Cordillere 
begrenzt,  die  hie  und  da  in  Hügel  gebuchtete  Ebene  von  Pisco  mit 
darüber  verstreuter  Vegetation,  und  während  am  Meere  die  Orte 
San  Andreas  und  Puerto  de  Pino  hervortraten,  erschien  im  Innern 
die  Stadt  Pisco. 

Bei  der  Einfahrt  zeigten  sich  auf  der  abgeschrägten  Niederdachung 
des  zum  Meere  abfallenden  Hügellandes  an  einer  Felswald  (gerade 
gegenüber  den  Chincha-Inseln  mit  der  Isla  de  San  Gallan  als  der 
grössten)  zwei  kreuzartige  Dreizack-Figuren,  der  Angabe  nach  etwa  100 
Fuss  hoch  und  50  Fuss  breit,  in  den  Stein  geschnitten  oder  ausgelegt. 

Das  Thal  von  Pisco  gilt  für  eins  der  fruchtbarsten  von  Peru  und 
hängt,  wie  alle  diese  Oasen  der  Küstenwüste  von  dem  solche  gerade 
dort  durchschneidenden  und  mit  seinem  Wasser  belebenden  Flusse 
ab.  Im  Thal  von  Pisco  finden  sich  grosse  Zuckerplantagen  bis  nach 
der  durch  eine  Eisenbahn  verbundenen  Hauptstadt  Ica.  Ausserdem 
gedeihen  die  Trauben,  und  wie  einige  Sorten  Weins  (die  besseren 
trinkbar,  obwohl  etwas  erdigen  Geschmackes),  wird  der  Pisco  ge- 
nannte Liqueur  zur  Ausfuhr  hergestellt,  sowie  eine  feinere  Sorte  des- 
selben, aguardiente  de  Italia  genannt.  Dieser  aus  Trauben  herge- 
stellte Karthäuscr    erfreute    sich    in    bevorzugtem  Masse    päpstlicher 


4(1  NACH   C  HlLß. 

Billigung  und  Schätzung,  indem  Clemens  XIV.  Alle  excommunicirte, 
die  je  von  anderem  trinken  sollten  oder  etwa  dazu  mitwirken. 

Ein  reger  Verkehr  herrschte  dort  während  der  Abtragung  des 
Guano  von  den  Chincha-Inseln,  die  schon  zur  Zeit  der  Inca  (nach 
Garcilasso  de  la  Vega)  für  solchen  Zweck  besucht  wurden,  um  die 
Felder  der  Küste  zu  düngen.  Auf  der  Insel  Iquique's  war  im  An- 
fang des  Jahrhunderts  Guano  gewonnen  worden  (s.  Tschudi).  Zu 
Stevenson's  Zeit  wurde  der  von  den  Huanay-Vögeln  genannte  Guano 
nicht  nur  an  der  Küste  benutzt,  sondern  auch  auf  Maulthieren  in 
das  Innere  verführt. 

Die  Inseln  sind  jetzt  erschöpft,  und  seit  1872  geschlossen,  in 
der  guten  Zeit  aber  waren  oft  hunderte  von  Schiffen  dort  gleich- 
zeitig versammelt,  um  zu  laden,  und  wie  die  Arbeit  der  chinesischen 
Kulies  für  solche  Zwecke  ausgebeutet  wurde,  ist  bekannt. 

In  Folge  der  Küstendampferfahrten  hat  der  Gartenbau  in  Pisco 
einen  besonderen  Aufschwung  genommen,  da  man  die  Früchte,  bei 
dem  raschen  Transport,  bis  Lima  und  weiter  die  Küste  hinab  ver- 
führen kann.  Von  dem  Verschwinden  der  alten  Fruchtbarkeit  spricht 
indess  schon  Dapper,  indem  er  sagt,  dass  die  Eingeborenen  wegen 
des  im  Sommer  auftrocknenden  Flusses  in  Pisco  vom  Gebirge  einen 
Graben  hergeleitet  hätten,  „der  aber  aus  Mangel  des  Volkes,  welches 
durch  die  spanischen  Einfälle  umgekommen,  nunmehr  zerfallen'', 
(1673).  In  Folge  von  Erdbeben  wurde  das  1640  mit  der  Gerechtig- 
keit einer  Villa  versehene  Pisco  in  einiger  Entfernung  von  dem  Hafen 
in's  Land  verlegt  (1687)  und  der  Puerto  de  Pisco  wurde  1830  Villa 
y  Puerto  de  la  Independencia  betitelt,  weil  el  primer  puerto,  en  que 
desembarco  el  Ejercito  libertador,  el  8.  Sept.  de  1820  (s.  Soldan). 
Zur  Zeit  der  Jnca  waren  die  P'ürsten  von  Ica  mit  denen  von  Nasca 
verbündet,  wo  die  Vorrathshäuser  von  Caxamalca  angelegt  wurden. 
Nach  Herrera  war  dies  Caxamalca  der  Mittelpunkt  des  dortigen 
Weinbau. 


PERU   UND   ECUADOR. 


Am  4.  Juli  sahen  wir  eine  niedrige  Küste  mit  Hügelerhebungen 
in  der  Ferne,  dann  die  Insel  San  Lorenzo  und  auf  derselben  ein  mit 
schwarzen  Steinen  ausgelegtes  Kreuz  an  der  abfallenden  Felswand.  Bald 
ankerte  der  Dampfer  in  Callao  und  mit  freundlicher  Unterstützung 
der  Herren  Petersen,  Weiss  und  Bacchelor  (von  der  Firma  Moss 
&  Co.)  fand  ich  mich  unter  Benutzung  des  Eisenbahnzuges,  noch  am 
Vormittag  im  Hotel  Maury  Limas  und  konnte  bereits  am  Abend 
mit  dem  deutschen  Minister,  Herr  Luerssen,  Rücksprache  über  meine 
weiteren  Pläne  nehmen. 

Die  Aussichten  schienen  damals  nicht  besonders  günstig  zu  liegen, 
da  das  Aufstellen  von  Alterthümern  eine  Art  Modesache  werden  zu 
wollen  schien  und  sie  so,  bei  der  mehrfachen  Nachfrage,  auf  allen 
Seiten  festgehalten  wurden.  Die  americanischen  Ingenieure,  die  beim 
Eisenbahnbau  beschäftigt,  die  Funde  aus  erster  Hand  zu  erhalten 
pflegten,  sammelten  meistens  für  die  Schulmuseen  ihres  Heimaths- 
orte's  und  in  Lima  hatten  manche  der  während  der  Goldfluth  der 
letztvergangenen  Jahre  in  unerschöpflicher  Reichthumsquelle  schwim- 
menden Banquier's  und  Kaufleute  unberechenbare  Liebhaberpreise 
für  ausgewählte  Stücke  bezahlt,  deren  dadurch  übermässig  hinauf- 
geschraubte Preisforderungen  zu  zahlen  um  so  bedenklicher  schien, 
weil  sich  bei  der  voraussichtlichen  Reaction  umgekehrt  wieder  der 
Markt  mit  einem  „embarras  de  richesses'*  in  Angeboten  aus  den  Trüm- 
mern jener  dann  zerstreuten  Sammlungen  überschwemmen  mag. 

Auch  bei  Einheimischen  finden  sich  Privatsammlungen ;  die  eine, 
besonders  durch  Gegenstände  aus  kostbarem  Metall  werthvoll,  in  den 
Händen  eines  Bankdirector's,  die  andere,  einem  Arzte  gehörig,  einem 
leidenschaftlichen   Sammler,    der  sich    nur  schwer  von   einem  seiner 


48  NACH  CHILE. 

Stücke  getrennt  haben  würde,  und  dann  die  bekannte  Conde  Marinas. 
Die  früher  in  dem  1826  gegründeten  Museo  national  y  latino  oder 
Museo  de  Historia  natural,  das  1840  in  neue  Räumlichkeiten  verlegt 
wurde,  aufbewahrte  Nationalsammlung  war  bei  der  vorigjährigen 
Austeilung  in  das  Gebäude  derselben  transferirt,  und  dort  geblieben, 
fand  sich  aber,  wie  eine  Besichtigung  ergab,  in  sehr  reducirtem  Zustande 
wenn  mit  früheren  Beschreibungen  verglichen.  Eins  der  prächtigsten 
Representanten  altamerikanischer  Kunstfertigkeit  bietet  aber  der  mit 
Sculpturen  bedeckte  Stein,  den  Raymondi  durch  die  ihm  von  der 
Regierung  zu  Gebote  gestellten  Soldaten,  von  Chavin  brachte  und 
der  damals  in  dem  Ausstellungsgebäude  placirt  war.  Tshudi  fand 
das  Museum  bei  seiner  zweiten  Anwesenheit  in  Lima  (1858)  nicht 
vermehrt,  sondern  vermindert,  in  Folge  der  Diebstähle  des  Verwal- 
ters Solar  unter  der  Präsidentschaft  Echenique's.  Die  Sammlungen 
waren  (schon  1842)  in  dem  Collegium  San  Carlos  mit  der  National- 
bibliothek vereinigt.  Diese  stand  bei  meiner  Anwesenheit  verwaist 
in  Folge  des  kürzlich  erfolgten  Todes  des  Bibliothekars  Virgilio, 
und  hatte  sein  Leichenbegängniss  Anlass  zu  einer  grossartigen  Ova- 
tion gegeben,  gegen  den  Fanatismus,  der  diesem  wegen  seiner  frei- 
sinnigen Schriften  excommunicirten  Geistlichen  das  Begräbniss  ver- 
weigert hatte. 

Von  dem  seit  einigen  Jahren  in  der  Nähe  Lima's  ausgebeuteten 
Todtenfelde  Ancon's  kamen  mitunter  Funde  nach  Lima  zum  Ver- 
kauf, wurden  dann  aber  im  Detail -Verkauf  verzettelt,  und  durch 
Hausirer,  die  sie  anzubringen  suchten,  in  ihrer  Zusammengehörigkeit 
zerrissen. 

Um  mich  zunächst  in  der  Umgegend  zu  orientiren,  beschloss  ich 
einen  Besuch  der  Ruinen  von  Pativilca,  da  mich  der  deutsche  Kauf- 
mann, Herr  Heeren,  mit  einer  Einführung  an  den  dortigen  Plantagen- 
besitzer Herrn  Don  Enrique  Lanarvon  (in  Pacaramonga)  versehen  hatte. 

Hierfür  schiffte  ich  mich  am  6.  Juli  Abends  in  Callao  auf  dem 
Dampfer  Pacific  ein,  der  uns  am  andern  Morgen,  nach  kurzer  Be- 
rührung Huacho's,  nach  Supe  brachte,  einer  sandigen  Küste,  mit 
grünbezogenen  Hügeln  dahinter. 

Bei  der  (wie  überall  in  Peru,  innerhalb  der  Tasca  besondere 
Vorsichtsmassregeln  verlangenden)  Landung  an  der  öden  Küste  traf 
ich  an  den  dortigen  Hütten  ein  Pferd,  das  auf  telegraphische  Nach- 
richt von  Pacaramonga  herabgesandt  war,  aber  ohne  Reitzeug,  da 
dieses  nach  dem  Brauch  des  Landes  hätte  mitgeführt  werden  müs.sen. 
Der  Vormittag  von  10 — i  Uhr  verging  mit  dem  Auftreiben  von  Sattel 


PATIVILCA.  49 

und  Zaum,  und  dann  ritt  ich  mit  dem  als  Pferdejunge  dienenden 
Chinesen  über  einen  breiten  Sandweg,  mit  Hügelbergen  an  der  Seite, 
nach  dem  Dorfe  Barranca,  wo  der  in  Supe  geliehene  Sattel  durch 
einen  andern  zu  ersetzen  war.  Durch  verlassene  Corrals  (da  mit 
Anlage  der  Plantagen  die  Hecrden  abgenommen  haben),  langten 
wir  nach  dem  Passiren  des  Flusses  (mit  Vorrichtungen  zu  Seebädern 
seitlich  vom  Strande)  um  4  Uhr  in  den  Zuckerpflanzungen  Pacar- 
monga's  oder  Pacaramonga  (Parmunca  oder  Pacaramunca)  an,  wo  ich 
in  Abwesenheit  des  Pflanzers  durch  den  holländischen  Ingenieur  der 
Raffinerie,  nach  den  Cerro  de  Horca  begleitet  wurde,  einen  schroff 
in's  Meer  abfallenden  Fels  mit  Abplattungen  auf  der  Spitze.  Sein 
JName  wird  erklärt,  weil  er  zur  Zeit  der  Chimu,  deren  Reich  bis  an 
die  Grenzfestung  Pati-Hiullca  (Pativilca)  gereicht  haben  sollte,  zum 
Herabstürzen  von  Verbrechern  gedient  hätte,  und  am  Flusse  fanden 
sich  vielfach  Spuren  alter  Begräbnisse.  Von  dort  ritten  wir  über 
offene  Felder  und  dann  durch  Buschgestrüpp  nach  den  ausgedehnten 
Resten  der  sog.  Fortaleza  de  los  Incas,  die  aus  Adobe  (ob  nun  von 
den  Inca  oder  gegen  sie,  durch  ihre  V^orgänger,  die  Chimu)  gebaut,  von 
einer  zwischen  Teichsümpfen  gelegenen  Erhöhung  in  breiten  Terrassen 
emporsteigt,  und  durch  einen  vielfach  gewundenen  Weg  betreten 
wird,  an  verschiedenen  Stellen  die  Ueberbleibsel  früherer  Bemalung 
zeigend.  Von  den  an  dieser  viel  umkämpfte  Oertlichkeit  gelieferten 
Schlachten  berichtet  Garcilasso  de  la  Vega. 

Bei  der  Rückkehr  traf  ich  den  Gutsherrn,  der  mir  beim  Abend- 
essen seine  Principien  in  Behandlung  der  chinesischen  Culies  aus- 
einander setzte,  deren  gute  Behandlung  von  dem  Vortheil  des  Pflan- 
zer'si  selbst  verlangt  würde.  P^reilich  musste  er  eingestehen,  dass  nur 
wenige  seiner  Nachbarn  so  verständig  wären,   um   dies  zu  begreifen. 

Die  1856  von  dem  Congress  verbotene  Einwanderung  der  Chi- 
nesen wurde  durch  einen  Beschluss  des  Jahres  1861  wieder  zugelassen 
und  1872  ein  neuer  Vertrag  mit  Portugal  hinsichtlich  Macao's,  des 
Ausfuhrhafen  abgeschlossen,  bis  dann  die  Differenzen  mit  der  chine- 
sischen Regierung  zu  directen  Verhandlungen  führten.  Stevenson,  der 
noch  Gelegenheit  hatte,  die  Sklavenarbeit  in  Peru  zu  beobachten, 
und  von  deu  Negern  auf  den  Plantagen  bei  Barranca  meinte:  „they 
are  more  happy  than  the  labouring  classes  at  home",  bemerkte  zu- 
gleich, dass  das  Verbrecherthum  besonders  aus  den  freigelassenen 
Sklaven  vermehrt  würde,  indem  neun  Zehntel  derselben  von  diesen 
gebildet  würden  (nine  tenths  of  the  convicts).  Trotz  der  so  mit  Auf- 
hebung   der  Sklaverei   verbundenen   Uebel    musste   jedoch    bei  der 

Bastian:  America.  I.  ^ 


50  NACH   CHILE. 

ersten  Rufe  der  Freiheit  dies  menschenentwürdigende  Institut  in  den 
Republiken  fallen,  während  in  Brasilien  die  Abschaffung  allmähliger 
eingeleitet  wurde,  und  so  in  Paraguay,  wo  man  1848  die  „libertad 
de  vientres"  proclamirte,  den  Nachgeborenen  den  Zustand  der  Frei- 
heit gewährend. 

Die  Indianer  Peru's  wurden  von  dem  seit  den  spanischen  Enco- 
miendas  bestandenen  Druck  unter  der  Präsidentschaft  Castillo's  be- 
freit, obwohl  sich  bei  der  natürlichen  Nachgiebigkeit  dieser  Rasse 
noch  immer  mancherlei  Wege  finden  lassen,  sie  in  einer  Art  Knecht- 
schaft zu  halten. 

Als  wir  am  nächsten  Morgen  mit  der  Absicht,  die  Pampa  del 
Medio  mundo  bis  Huacho  zu  kreuzen,  nach  Supe  zurückritten,  schau- 
kelte dort  gerade  ein  kleiner  Dampfer  auf  der  Rhede,  und  um  keine 
Zeit  zu  verlieren,  Hess  ich  mich  einschiffen.  Wie  ich  bald  merkte, 
war  das  etwas  übereilt  gewesen,  denn  da  der  Dampfer  zum  Schweine- 
Transport  nach  Callao  diente,  war  nicht  die  mindeste  Vorrichtung 
für  Passagiere  getroffen,  weder  im  Stehen  oder  Sitzen,  noch  in  der 
Verproviantirung,  und  noch  weniger  natürlich  an  Vorrichtungen  für 
die  Nachtruhe.  Glücklicherweise  nahm  sich  der  Capitain  meiner  an^ 
obwohl  auch  dessen  Kajüte  so  klein  war,  um  kaum  für  ihn  allein 
auszureichen.  Am  Abend  passirten  wir  die  Insel  Don  Martin,  mit 
weissem  Vogeldung  bedeckt,  und  dann  die  „Seal-islands",  auf  denen 
Seehunde  und  Vögel  ihr  Wesen  trieben,  gleichsam  zwei  Vorberei- 
tungsstadien zur  Guanobildung 

Am  nächsten  Morgen  (Juli  9.)  fand  ich  mich  in  Callao  und  mit 
dem  nächsten  Eisenbahnzuge  in  Lima,  das  ich  am  folgenden  Nach- 
mittag für  Ancon  verliess.  Die  anfangs  eine  grüne  Ebene  von  Hügeln 
durchschneidende  Eisenbahn  läuft  dann  in  eine  Sandgegend  aus,  bis 
Ancon,  wo  sich  für  die  Badegäste  ein  Logirhaus  findet. 

Mit  einigen  Arbeitern  begab  ich  mich  früh  am  Morgen  in  die 
sog.  Pampas,  wo  auf  Sanderhebungen  diti  zum  Theil  mit  quadratischen 
Steinsetzungen  angezeigten  Gräber  liegen.  Von  den  in  verschiedenen 
Schichtungen  mit  ihren  Geräthschaftskörben  und  sonstigen  Grab- 
gaben beigesetzten  Mumien  (eingewickelt  in  mehrere  Lagen  und  den 
Kopf  oft  durch  die  Schleuder  umwunden)  konnten  einige  aufgegraben 
werden,  sowie  von  den  künstlichen  Masken  Gesichtern  mit  aufgenähten 
Zierrathen  (die  Cabcza  postiza.)  Auf  dem  Hügel  am  Meer  zeigten 
Ruinen,  aus  Steinschichtungen  aufgebaut,  eine  frühere  Festung.  Eine 
grössere  Menge  von  Schädeln  wurde  gesammelt,  und  nachdem  ich 
mit  einem   dortigen  Practiker  Alles  Nöthige  hinsichtlich   der  Ueber- 


ANXON.  51 

Sendung  nach  Lima  besprochen,  kehrte  ich  am  Abend  mit  der  Eisen- 
bahn dorthin  zurück  (Juli  ii.) 

In  diesem  abgelegenen  Winkel,  der  „Ancon"  mit  Recht  heisst. 
scheint  die  alte  indianische  Begräbnissweise  noch  längere  Zeit  nach 
Ankunft  der  Spanier  fortgesetzt  zu  sein,  da  es  die  Missionäre  nicht 
der  Mühe  werth  gehalten  haben  mochten,  sich  unter  diesen  armen 
Fischern  (wie  sie  noch  Stevenson  kennt)  niederzulassen,  und  sie  zu 
christlichen  Bräuchen  zu  bekehren.  So  finden  sich  manchmal  unter 
den  Grabbeigaben  der  Mumien,  auch  in  anderen  Theilen  Südamerica's, 
von  den  Europäern  eingeführte  Gegenstände  oder  einheimische,  die 
durch  europäischen  Einfluss  in  ihrem  Stil  verändert  sind.  Die  Gräber- 
stätten Ancon's  haben  in  den  letzten  Jahren  vielfache  Besprechung 
gefunden,  seit  Agassiz*  Besuch,  und  durch  Hutchinson,  Squier  etc. 
Neuerdings  waren  die  deutschen  Reisenden,  die  Herren  Reiss  und 
Stiibel,  dort  in  erfolgreicher  Weise  thätig. 

An  einem  der  nächsten  Tage  begleiteten  mich  einige  Freunde 
auf  der  Eisenbahn,  vorüber  an  den  in  der  Umgegend  Lima's  sicht- 
baren Huacas  (worauf  bezüglich  sich  Näheres  bei  Hutchinson  nach 
Steer's  Aufnahmen  findet),  durch  die  Stationen  Miraflores  und  Bar- 
ranca,  nach  dem  Seebadeort  Chorrillo  in  geschlossener  Bucht,  und 
dann,  auf  dort  hinbestellten  Pferden,  (an  Dorfruinen  enger  Strassen 
und  Häusern  mit  winklichten  Räumen  vorbei),  längs  der  brandenden 
See  am  Strande,  nach  den  Ruinen  des  von  den  Inca  dem  Gebäude- 

» 

Complex  des  Landesgottes  im  Reicht^  des  Cuysmancu  oder  Hatun- 
Apu  hinzugebauten  Sonnentempels  in  Pochacamac,  auf  einem  Todten- 
fclde,  das  am  Fest  San  Miguel  von  den  Bewohnern  Lurins  regel- 
mässig ausgebeutet  zu  werden  pflegt. 

Die  beim  Besuch  Hernandez  Pizarro's^)  dicht  bevölkerte  und  als 
Versammlungsort  der  Pilger  (mit  Karavansereien  fürdieselben)  dienende 
Ortschaft  Pachacamac  ist  jftzt  meist  unter  Sand  begraben,  und  bei 
dem  Umblick  von  den  auf  dem  Hügel  gebauten  Terrassen  des  Tem- 
pcl's  sieht  man  im  weiten  Umkreis  die  Reste  der  früheren  Klöster, 
sowie  der  Befestigungen  hervorragen,  in  die  P^inöde  hinaus,  während 
sich  an  der  andern  Seite  das  fruchtbare  Thal  von  Lurin  abhebt  und 
und  im  Meere  die  Felsinseln  von  Pachacamac  zerstreut  liegen,  Fa- 
rallones,  Santo  Domingo  und  Pachacamac  oder  (wie  sonst  genannt). 


*)  Pizarro  begab  sich  dann  Über  Yanias  und  Malca  nach  Vauxa,  wo  Chilicuchima  ein 
Lager  zusaramenzog ,  während  Quizquiz  sich  in  dem  gegen  die  Caribcn  (s.  Xeres)  vcr- 
theidiglen  Cuzco  rüstete  und  den  (icneral  Lluminabi  von  Quito  über  Tazaltoc  nach  Caja- 
marca  zog ,  um  Ruminagui  zu  ersetzen. 

4" 


52  NACH   CHILE. 

San  Francisco,  Sauce,  Pachacamac.  Ein  Plan  der  Trümmerstätte,  so- 
wie eine  Abbildung  des  dort  angetroffenen  Bogcn's  findet  sich  bei 
Squier.  In  Hutchinsons  Mittheilungen  über  Pachacamac  sind  auch 
die  Zeichnungen  Schuniacher's  einverleibt. 

Lurin  wird  von  der  am  Rio  de  Lurin  durchflossenen  Quebrada 
de  Huarochirin  angegeben  (s.  Tschudi),  oder  grenzt  mit  Huarochiri, 
der  Heimath  der  an  Coniraya  (oder  Pariacaca's)  und  Huathiacuri  ge- 
knüpften Volkssagen  und  Fabeln  über  den  Fuchs  (Canis  Azarae), 
eine  amerikanische  Analogie,  (gleich  den  von  Hartt  aus  Brasilien 
mitgetheilten),  zum  indogermanischen  Märchenschatz,  der  wieder  für 
einen  Theil  seiner  Uebereinstimmungen  der  Uebersetzung  des  Buches 
Calilah  uud  Dimna  ins  Syrische  durch  Bud  Periodeutes  verschuldet 
ist.  Die  Tapuyas  (s.  Barlaeus)  „haben  wunderseltzame  Fabeln  unter 
sich  von  einem  Fuchse,  der  sie  bei  irem  Gott,  nenilich  dem  grossen 
Nord-Gestirn,  in  Ungnaden  gebracht  hatt"  (1647),  wie  der  Hase  der 
Hottentotten  bei  dem  Mond.  Jenseits  von  Lurin  liegt  das  Thal  von 
Chilca  und  dann  Mala,  wo  die  so  verderblich  werdende  Zusammen- 
kunft zwischen  Francisco  Pizarro  und  Almagro  statt  hatte. 

Hinsichtlich  der  in  Pachacamac  befindlichen  Gebäuderesten  ist 
die  Frage  noch  nicht  sicher  entschieden,  wie  die  zwei  Tempel,  der 
Eingeborenen  und  des  Inca,  unter  die  am  Fusse  und  auf  der  Spitze 
des  Hügers  befindlichen  Ruinen  zu  vertheilen  sein  würden,  wie  auch 
der  ganze  Plan  der  Anlagen  weiterer  Aufhellung  entgegensieht. 

Durch  bebaute  Felder  an\  Fuss  ersteigt  man  die  kahlen  Hügel, 
mit  Trümmern  bedeckt,  und  blickt  von  deren  Gipfel  auf  der  andern 
Seite  über  das  grüne  (oder  mit  Baumreihen  durchzogene)  Thal  von 
Lurin,  abgegrenzt  durch  Bergzüge,  die  in  eine  Spitze  zum  Meer  aus- 
laufen, das  man  (die  Nadelinseln  umspülend),  jenseits  des  Strandes 
(am  Hügelfusse)  vor  sich  sieht.  Es  lassen  sich  drei  (oder  an  der 
Seite  fünf)  Terrassen  unterscheiden,  un^  auf  der  obersten  springt 
eine  Reihe  von  Böschungspfeilern  aus  den  am  Berge  anlehnenden 
Lehmbauten  zusammengetrockneter  Ziegeln  (Adobe  oder  Tica)  vor. 
In  manchen  ruhen  die  Trockenziegellagen  auf  einem  Unterbau 
roh  behauener  Steine  mit  glatten  Oberflächenseiten  nach  Aussen. 
Am  Abhang  des  Hügels  hin  lag  das  Dorf  (dessen  enge  Gassen  sich 
zwischen  den  Ruinen  der  Häuser  sowohl,  sowie  zwischen  Anbauten 
des  Berges  hinziehen)  und  in  weiterer  Entfernung  (auf  den  Berg  zu) 
zeigen  sich  die  Reste  der  früheren  Ringmauer  (mit  durchgebrochenen 
Thoren).  An  einer  Stelle  des  Dorfes  breitet  sich  eiu  rechteckig 
länglicher  Platz,  mit  einem  Aufgang  von  Stufenterrassen  gegen  Osten 


I.TMA.  53 

ZU.  Die  Thür  der  Häuser  trägt  mitunter  ein  Portal  aus  Schilfreihen 
und  Spuren  rother  Bemalung.  Am  Fusse  des  Hügels  ist  die  Sand- 
region scharf  durch  den  Fluss  Lurin  abgeschnitten,  gegen  das  in 
helleren  und  dunkleren  Nüancirungen  frischen  Grün's  schimmernde 
Thal  gleichen  Namens.  Nachdem  wir  dort  genächtet,  verweilten  wir 
auf  dem  Rückwege  am  Vormittag  nochmals  einige  Zeit  in  Pachaca- 
mac.  An  einigen  der  durch  umherliegende  Schädel  und  Zeugfetzen 
sich  in  den  Spuren  von  Ausgrabungen  als  Begräbnissplätze  erkenn- 
baren Oertlichkeiten  (zwischen  den  Ruinen)  wurden  Eingrabungen  ge- 
macht, und  fanden  sich  neben  den  (zum  Theil  in  Zeug  gewickelten) 
Mumien  (in  sitzender  Stellung)  Thongefässe,  Holzfiguren,  Thierschädel, 
besonders  in  einer  (neben  dem  feinen  Sande)  mit  Asche  ausgefüllten 
Grube,  in  welcher  Holzbalken  eingefügt  waren,  unter  theilweisem 
Aufbau  mit  losen  Steinen.  Ueber  Pampa,  und  dann  durch  Thal  von 
Surco,  kehrten  wir  nach  Lima  zurück. 

Lima's^)  Ruhm  und  Preis  wird  oft  in  den  Reisebeschreibungen 
besungen,  aber  trotz  der  verführerischen  P'arben,  mit  denen  sich  die 
Schilderung  verschönern  lässt,  gehört  es  nach  meinem  Geschmack 
zu  denjenigen  Plätzen  der  Erde,  die  eine  unwillkührliche  Abneigung 
einflössen  und  obwohl  ich  auch  auf  meiner  früheren  Reise  (1852)  den 
Besuch  nicht  vermeiden  konnte,  habe  ich  es  stets  nur  mit  Wider- 
.streben  betreten.  Es  macht  den  Eindruck  einer  mit  falscher  Schminke 
überklebten  Pestbeule,  die  die  gesammten  Säfte  des  Staatskörpers 
an  sich  zieht,  und  sie  in  schädliche  Jauche  zersetzt,  welche  besser  mög- 
lichst rasch  entfernt  werden  müsste ,  um  nicht  noch  grösseren  Schaden 
anzurichten. 

Wenn  man  die  Verhältnisse  im  Innern  des  Landes  gesehen  hat, 
das  ärmliche  Leben  der  trotz  natürlicher  Schlaffheit  gezwungener  Weise 
arbeitsamen  Bevölkerung,  (soweit  sie  nicht  durch  vergebliches  An- 
kämpfen gegen  die  Noth  zu  apathischer  Indolenz  oder  zum  Trünke 
geführt  ist),  wenn  man  den  engen  Massstab,  nach  welchem  dort  Alles 
zugeschnitten  ist,  die  Bescheidenheit  der  Ansprüche  kennt,  so  fiihlt 
man  einigen  Ingrimm  über  die  Mehrzahl  des  nichtsnutzigen  und 
faulen  Gesindels*)  in  der  Hauptstadt,  dieser  Stadt  der  Könige  (Ciudad 

')  Lima,  ihc  capital  of  Peru»  is  admitted  to  he  by  far  the  finest  city  of  South- 
Amcrica  (s.  Proctor),  aber  nicht  die  aiuieliendste  fiir  das  Studium  des  dortigen  Menschen. 

•)  During  the  latter  part  of  the  Spanish  authority ,  the  people  of  Lima  had  beconie 
most  comipt.  Bigotry  had  gone  to  its  extreme  lenght  and  ignorance,  effeminay  and 
vices  of  worst  description  were  common  (Maw).  Viel  besser  ist  es  auch  nachträglich 
nicht  geworden,  und  Manches  schlimmer,  nachdem  die  im  ersten  Aufschwung  wirkende 
Bcgebterung  des  Patriotismus  in  dem  Unabhängigkeitskriege  verraucht  war.     Ohnedem  ist 


54  NACH   CHILE. 

de  los  reyes),  über  eine  Tagediebsbande,  die  in  ihrem  Uebermuth  alle 
Preise  so  hinaufgetrieben  hat,  dass  der  für  die  Arbeit  eines  Tages  ge- 
zahlte Lohn  hinreicht,  um  die  übrigen  sechs  der  Woche  im  Schlendrian 
verprassen  zu  können.  Die  Möglichkeit  eines  solchen  Missverhältnisses 
erklärt  sich  freijich  aus  Peru's  Character  als  eines  Minenlandes,  durch 
welchen  überall  die  sonst  unbegreiflichsten  Inconsequenzen  hervor- 
gerufen werden. 

In  der  Hauptstadt,  wo,  aus  dem  Blutschweiss  der  in  der  Sierra 
spärlichen  Bevölkerung  gcspeis't,  diese  goldenen  und  silbernen  Bäche 
zusammenflössen,  verführte  der  blendende  Glanz  derselben  zu  den 
wahnsinnigsten  Extravaganzen.  Befim  Einzüge  des  Herzogs  de  la 
Palata,  als  neu  eingesetzten  Vicekönigs  Perus,  hatten  die  Kaufleute 
Lima's  die  Strassen  de  la  Merced  und  de  los  Mercaderes  mit  Silber- 
Barren  gepflastert,  deren  Werth  von  F'rezier  auf  8o,oco,ooo  Thaler 
berechnet  wird,  und  die  Pferde  waren  mit  goldenen  Hufeisen  be- 
schlagen. Das  von  dem  Vicekönig  Mexico's  bezogene  Jahresgehalt 
wird  von  Billaud-Varennes  auf  100,000  Ducaten  angegeben,  habe  sich 
aber  auf  das  Fünffache  oder  Sechsfache  belaufen  mit  den  Neben- 
Einnahmen,  und  diese  wurden  noch  höher  gerechnet  in  Peru,  wo 
sich  jenes  nach  Frezier,  damals  schon  auf  40,000  Pesos  oder  (nach 
Caldcleuch)  65,000  Pesos  belief.  Ausserdem  wurde  dem  Vicekönig 
jede  Reise,  ausserhalb  Limas's  mit  10,000  Pesos  besonders  bezahlt, 
ja  für  jeden  Besuch  des  nur  wenige  Stunden  entfernten  Hafens  von 
Callao  sollen  3000  Pesos  in  Rechnung  gesetzt  sqin. 

Peru  oder  vielmehr  Lima  (da  dieses  allein  die  temporären  Vor- 
thcile  zog)  erwies  sich  so  sehr  als  das  verzärtelte  Kind  der  Glücks- 
göttin, dass  bei  der  .schliesslich  drohenden  P>schöpfung  der  Minen 
noch  ergiebigere  Schätze  in  Guano  entdeckt  wurde. 

Während  sich  nun  Peru  in  ungezähltem  Reichthum  wälzte,  wurde 
auf  den  Grund  des  dadurch  hervorgerufenen  Credit  von  dem  im 
Umschwung  des  Revolutionsrades  immer  nur  momentan  das  Staats- 
ruder fassenden  Partheiungen  eine  Staatsschuld  contrahirt,  wie  sie 
sich  In  proportionell  gleicher  Höhe  kaum  je  angehäuft  findet,  und 
bei  der  schwachen  Bevölkerung  um  so  unverhältnissmässiger  hervor- 

Lima's  Rolle  in  demselben  nicht  die  glänzendste,  wie  sich  in  Hall's  Darstellung  zeigt. 
Die  Mönche  boten  ,,a  sad  example  of  idleness  to  thc  not  very  industrious  Citizens  of  l-,iina" 
(Füll).  Les  Ecclcsiastiques ,  qui  sunt  la  plupart  avares,  ignorans  et  artificieiix ,  nc  sc 
soucient  de  la  religion  que  pour  s'attirer  le  respect  et  jmur  la  faire  scrvir  a  leurs  passions 
dereglees  (Cor^al).  Mit  Karvajal's  durch  die  Magellanstrassc  nach  Lima  gelangten  Schiff 
,,kahmen  die  ersten  Ratzen  nach  Peru,  <laher  die  Einwohner  den  Nahmen  Okocha,  das 
ist:  Sündliche  Geschöpfe,  bekahmen,  weil  die* Ratzen  sich  mit  der  Zeit  überaus  vermehrten 
und  das  ^antze  Land  durch  grossen  Schaden  thäten"  (Dapper). 


EISENBAHNEX.  55 

tritt.  Unter  diesem  Ueberfluss  des  Geldes  in  Lima,  wo  die  Pesos 
wieder  auf  der  Strasse  lagen  und  eine  kleinere  Münze  im  Verkehr 
kaum  vorkam,  wurde  durch  die  von  allen  Seiten  zur  Disposition  ge- 
stellten Summen,  die  auch  die  wildeste  Verschwendung  nicht  rasch 
genug  zum  Fenster  hinauswerfen  konnte,  der  Speculationsgeist  rege, 
um  daran  in  einer  oder  anderen  Form  zu  profitiren,  und  mit  den 
Schlagwörtern  des  Tages  wurde  dem  Lande  die  Nothwendigkeit  des 
Eisenbahnbaues  klar  gemacht.  Wie  die  dem  Nordamericaner  eigene 
und  bei  ihm  durchschnittlich  von  einem  practischen  Verstände  ge- 
regelte Rührigkeit  und  fieberische  Thätigkeit,  nachdem  sie  auf  den 
Boden  Südamerica's  verpflanzt  war,  unter  der  Atmosphäre  dortiger 
Gleichgültigkeit  und  Unbesorgtheit  um  die  Zukunft,  wie  sie  dort 
weiter  wuchern  musste,  aufgeblasen  durch  eigene  Selbstbewunderung, 
und  die  auf  engem  Horizont  beschränkte  Selbstgenügsamkeit  der 
Unwissenheit,  und  wie  dieses  Wuchern  gigantische  Proportionen 
anzunehmen  hatte,  als  die  leichtsinnige  F'ortuna  jeder  kindischen 
Launenwandlung  einen  neuen  Seckel  in  den  Schooss  ausschüttete, 
—  Alles  das  versteht  sich  ohne  Mühe  in  seinen  weiteren  Folgen. 

Jetzt  sind  diese  eingetreten.  Die  Minen  sind  so  weit  ausgear- 
beitet, dass  ihre  Fortführung  eine  Verwendung  grösserer  Capitalien 
erfordern  würde,  an  deren  Zurücklegung  in  der  Sorglosigkeit  der 
guten  Zeit  aber  nicht  gedacht  wurde.  Sie  beginnen  also  spärlicher 
zu  fliessen,  und  noch  spärlicher  der  in  den  besseren  Localitäten  bis 
auf  den  kahlen  Fels  fortgekratzte  Guano.  Während  nun  plötzlich 
diese  beiden  durch  den  Glückszufall  geschenkten  Einnahmequellen 
zu  versiegen  drohen,  und  so  Peru,  wenn  auf  seine  regelmässigen 
Hülfsmittel  hingewiesen,  aus  dem  reichsten  Lande  der  Erde  in  eins 
der  ärmsten  verkehrt  zn  werden  im  Begriff  .steht,  während  dieser 
Schritt  über  einen  weit  klaffenden  Abgrund  zu  wagen  sein  würde, 
und  während  um  ihn  zu  wagen,  vorher  sämmtliche  Staatseinrichtun- 
gen erst  auf  einen  radical  verschiedenen  Fuss  gestellt  werden  müssten, 
während  sich  so  vor  den  aus  schmeichlerisch  bethörenden  Träumen 
geöffneten  Augen  plötzlich  dieser  gähnende  Schlund  des  Verderbens 
zu  öffnen  beginnt,  —  in  diesem  Währen  einer  die  Existenz  in  Frage 
stellenden  Krisis,  lastet  auf  dem  Lande  eine  Staatsschuld,  deren 
Zinsen  allein  Alles,  was  sich  noch  als  Jahreseinnahmen  rechnen  Hesse, 
fast  verschlingen.  Ja,  mehr  als  das,  es  lasten  zugleich  die  Unter- 
haltungskosten der  mit  mährchenhafter  Extravaganz  erbauten  Eisen- 
bahnen, da  bei  deren  Mehrzahl,  wie  die  Vernünftigen  in  Peru  selbst  ein- 
gestehen,   der  Betrieb    nicht    einmal  die  Ausgaben   fürr  die  Wagen- 


56  NACH   CHILE. 

Schmierer  deckt  und  das  monatliche  Deficit  sich  nach  erschreckenden 
Summen  berechnet. 

Manche  dieser  Eisenbahnlinien  sind  wahre  Wunderbauten  der 
Ingenieurkunst,  man  hat  an  ihnen,  wenigstens  auf  dem  Papier  der 
entworfenen  Pläne,  im  PLifer  der  Tropengluth  Schwierigkeiten  über- 
wunden, vor  deren  Gedanken  schon  der  Bedächtigere  in  nüchternen 
und  gemässigten  Zonen  zurückgeschreckt  sein  würde,  und  der  eitle 
Peruaner  war  in  Extase,  Grosses  und  Gewaltigeres  sich  vorgesetzt 
zu  haben,  als  kein  anderes  Volk  auf  dem  Erdball.  Theoretisch  war 
Alles  ganz  schön  und  plausibel  dargestellt.  Die  an  werthvollen 
Naturproducten  reichsten  Provinzen  des  Landes  liegen  im  Osten  jen- 
seits der  Andes,  und  da  zu  ihrer  Erreichung  zweimal  die  schneeigen 
Pässe,  der  westlichen  Cordillere  sowohl,  wie  der  östlichen  Andes,  zu 
überschreiten  sind,  Höhen  von  12 — 14,000  Fuss,  von  den  sonst  be- 
schwerlichsten Gebirgspfaden  ganz  abgesehen,  hatte  man  bisher  auf 
einen  Export  von  den  westlichen  Häfen  verzichten  müssen.  Der 
natürliche  Handelsweg,  der  zu  einer  allmähligen  Entwickelung  der 
hier  im  Boden  verschlossenen  Reichthümer  fuhren  könnte,  würde 
längs  der  zum  atlantischen  Meere  abströmenden  Flüsse  liegen  und 
ihnen  zu  folgen  haben.  Da  nun  aber  diese,  ihrem  unteren  Laufe 
nach,  in  den  Händen  der  Portugiesen  sind,  sollten  zu  Gunsten  poli- 
tischer Menschen  Einrichtungen  die  von  der  Natur  vorgezeichneten 
Strassen  in  die  entgegengesetzte  Richtung  gelenkt  werden,  und  zwar, 
da  dieses  mit  schwachen  Maulthieren  unausführbar  blieb,  durch  die 
imposante  Macht  des  Dampfrosses.  So  begann  man  den  Kampf  mit 
der.  Natur,  durch  welchen  die  Cordillere  nicht  nur,  sondern  auch  die 
Andes  bezwungen  werden  sollten,  um  die  Eisenbahnschienen  bis  an 
die  erste  Schiflfbarkeit  der  zum  Süs.swassermecre  des  Maranon  hinab- 
rollenden Quellflüsse  hinauszulegen.  Im  Falle  selbst  dies  technisch 
thunlich  wäre,  im  Falle,  dass  die  Möglichkeit  bewiesen  würde,  unter 
den  zerstörenden  Agentien  aequatorialer  Urwälder  (die  kaum  auf  dem 
Isthmus,  trotz  des  ununterbrochenen  Menschenstroms  hinüber  und 
herüber  abzuwehren  sind)  eine  Eisenbahn  im  Gange  zu  erhalten,  so 
\i^ürden  diese  zunächst  doch  nur  in  eine  menschenleere  Oede  ausge- 
laufen sein,  und  hätte  erst,  wie  bei  den  in  den  Vereinigten  Staaten 
in  die  Wildnisse  des  Westens  hinausgebauten  Bahnen,  die  Ansiedler 
herbeizuziehen  gehabt.  Wie  viel  Jahre,  Jahrzehnte  oder  Jahrhunderte 
unter  den  Hindernissen  eines  vorher  durch  das  Opfer  einiger  Gene- 
rationen in  seiner  Tödtlichkeit  abzustumpfenden  Klimas  mit  Vor- 
versuchen hätten  hingehen  müssen,  braucht  vorläufig  noch  nicht  be- 


C;ELDVERnÄT.T\ISSE.  57 

rechnet  zu  werden,  da  der  Terminus  der  Eisenbahnen  bis  jetzt  erst 
in  respectvoller  Entfernung  bleibt.  Der  Bau  wurde  überall  unter 
einer  Reihe  von  Eröffnungsfeierlichkeiten  eingeweiht,  und  Anfangs 
ging  es  an  den  meisten  Stellen  ganz  flott,  so  lange  man  sich  noch 
in  flacher,  und  in  ihrem  wüsten  Terrain  eine  ungehinderte  Baufläche 
bietender  Küste  fand,  so  dass  jährlich  eine  neue  Meilenzahl  der  schon 
vollendeten  Strecke  zugefügt  werden  konnte.  Sobald  man  aber  den 
ersten  Abfall  des  Bergwalles  erreicht  hatte,  war  es  mit  dem  Vor- 
wärtsgehen vorbei  und  das  Stocken  begann.  Die  Andes  sind  noch 
nirgend  erreicht  und  die  Cordillere  bis  jetzt  nur  in  der  Linie  von 
Arequipa  überschritten,  die  auf  die  schwach  bevölkerte  Hochebene 
von  Puno  ausläuft  und  für  den  wissenschaftlichen  Reisenden  aller- 
dings nicht  nur  sehr  bequem,  sondern  auch  hochinteressant  ist. 
Doch  dürfte  die  Zahl  .solcher  nicht  genügen,  um  sie  remunerativ  zu 
machen,  und  auch  der  bolivianische  Handel,  auf  den  gezählt  wurde, 
fällt  vorläufig  nicht  sehr  ins  Gewicht.  Bei  meiner  Anwesenheit,  wie 
bereits  bemerkt,  wurde  alle  Woche  ein  Train  expedirt,  und  wie  Mit- 
fahrende wissen  wollten,  sollte  sich  auf  demselben  zuweilen  in  der 
vierten  Klasse  ein  Indianer  mit  einem  Sack  Kartoffel  finden.  Die 
Herstellungskosten  dieser  Bahn  betrugen,  nur  fiir'  die  Strecke  von 
Arequipa  bis  Puno  (als  H.  Meiggs  die  Fortführung  übernahm) 
32,000,000  Soles,  die  projectirten  Staatsbahnen  sind  in  ihrer  Ge- 
sammtzahl  auf  128,354,600  Soles  veranschlagt  und  ausserdem  die 
Privatbahnen  auf  24,420,000  Soles,  sowie  die  unter  vermischter  Verwal- 
tung 27,200,000  Soles,  im  Ganzen  etwa  600 — 700  Millionen  Reichsmark. 
Im  Norden  hat  die  eine  der  Bahnen  noch  vor  dem  Küstenpass  von 
Caxamarca  Halt  gemacht,  die  andere  sich  nur  langsam  im  Thal  von 
Santa  fortbewegt,  eine  dritte  sich  bereits  durch  dreifache  Concurrenz 
auf  der  flachen  Strecke  am  Strande  selbst  ruinirt.  Die  einzige 
Eisenbahn,  die  sich  in  Peru  bezahlt,  und  die  dieses  glänzenden  Bei- 
spiels wegen,  weil  den  Haupthafen  des  Landes  mit  der  Hauptstadt 
verbindend,  stets  an  die  Spitze  gestellt  wird,  ist  die  seit  1850  dem 
Verkehr  eröffnete  zwischen  Callao  und  Lima,  etwa  eine  halbe  Stunde 
Fahrt,  während  die  übrigen  Bahnen,  die  in  einer,  selbst  vom  Dampf 
,  wochenlange  Fahrten  erfordernden,  Länge  projectirt  sind,  sämmtlich 
fast  (vielleicht  mit  Ausnalime  der  kurzen  Strecken  bis  Arica  und 
Chiclayo)  das  traurigste  Fiasco  gemacht  haben. 

Um  bei  den  zunehmenden  Enttäuschungen  den  sinkenden  Muth 
wieder  zu  beleben,  wurde  mit  Anspannung  aller  Kräfte  die  Oroya- 
Bahn  bis  zum  Gipfelpass  der  Cordillere,  und  bis  an  die  dort  erforder- 


58  NACH   CHILE. 

liehen  Hochgebirgsbauten,  fertig  gestellt,  denn  da  sie  von  der  Haupt- 
stadt ausgeht,  konnte  man  dadurch  der  Haute  Vol^e  Gelegenheit 
bieten,  in  einem  regelmässigen  Sonntagszuge  die  in  der  That  in 
höchster  Vollendung  ausgeführten  Meisterstücke  americanischer  In- 
genieure längs  des  steil  ansteigenden  Passes  zu  bewundern.  Nach 
dem,  was  ich  in  Lima  von  solchen  Sonntagszügen  erzählen  hörte, 
bezahlen  sie  indess  um  so  weniger,  da  sich  die  Direction  gegentheils 
verpflichtet  hält,  die  vornehme  Gesellschaft,  die  ihr  die  Ehre  des 
Besuches  schenkt,  mit  einem  liberalen  Frühstück  zu  tractiren.  Ge- 
naueres kann  ich  übrigens  nicht  mittheilen,  da  meine  Zeit  keine  Be- 
nutzung der  mir  zugegangenen  Einladung  erlaubte. 

Damals  begann  indess  bereits  in  Lima,  besonders  unter  den 
Kaufleuten^),  die  stets  die  besten  Barometer- Anzeichen  annähernder 
Stürme  besitzen,  das  Gefühl  rege  zu  werden,  dass  nicht  Alles  in  Ord- 
nung sein  dürfte,  und  die  erschreckende  Entwerthung  des  Papiergeldes 
musste  diese  Warnung  allerdings  auch  dem  Tauben  in 's  Ohrschreien. 

Zum  Glück  besass  der  damalige  Präsident,  Herr  Manuel  Pardo 
Pardo,  einiges  Vertrauen,  doch  schien  es  auch  dem  besten  Willen 
unmöglich,  die  so  masslos  von  den  Vorgängern  angehäuften  Schulden 
zu  tilgen.  Unter  günstigen  Verhältnissen  hätte  er  gewiss  Manches 
zum  Besten  des  Landes  gethan,  denn  dass  er  für  die  wissenschaftliche 
Aufgabe  desselben  Interesse  hatte,  ersah  ich  aus  einem  Gespräch,  als 
ich  die  Ehre  hatte,  ihm  durch  unseren  Minister  vorgestellt  zu  werden. 

Um  mich  im  Uebrigen  indess  nicht  mit  fremden  Federn  zu 
schmücken,  sei  zur  Nachricht  für  den  Leser  bemerkt,  dass  dieser 
Excurs  über  die  Eisenbahnen  meist  nach  Hörensagen  verfasst  ist, 
da  mir  keine  Müsse  blieb,  mich  selbst  eingehender  darum  kümmern  zu 
können.  Doch  wird  nach  den  bisherigen  Schönfärbereien  eine  kurze 
Betrachtung  der  Kehrseite  nicht  schaden,  da  Jedem  die  Widerlegung 
und  Berichtigung  von  Einzelheiten  frei  steht.  Ist  die  Sache 
pecuniär^)    gesund,    so  empfiehlt  sie    sich    an  der  Börse  besser,    als 


*)  Helms  erwähnt  eine  ähnliche  Geldkrisis  im  Jahre  1790,  wobei  die  unberechen- 
barsten Preisfluctuationen  eingetreten  seien  (für  denselben  Artikel,  ein  Paar  französischer 
Seidenstrümpfe  z.  B.,  zwischen  40 — 6  Peso)  und  jeder  Kaufmann  ^  seines  Vermögens 
in  dem  Werth  der  Waaren  verloren  habe.  Die  Haupteinnahmequelle  in  Peru  bildete 
stets  das  Zollhaus,  aber  ausserdem  wurde  in  den  50  er  Jahreu  der  jährliche  Nettogewinn 
aus  dem  Guano  manchmal  auf  20  Millionen  Dollars  angeschlagen,  und  damals  waren 
verschiedene  der  reichen  Lager  noch  nicht  in  Angriff  genommen. 

*)  Im  Jahre  1873  giebt  Hutchinson  den  damaligen  Status  und  fährt  dann  fort: 
With  these  data  to  calculate  upon,  we  arrive  at  the  result  that  there  are  now  in 
Peru,  lines  traced  -~'^  -ate  length  of  2979  English  miles.  and  a  total  vaiue  of 


SPIEL.  59 

durch  Bücher,  und  brauchen  etwaige  Angriffe  derselben  nicht  gross 
beachtet  zu  werden. 

Von  dem  traurigen  Zustand  der  Cours-Verhältnisse  hatte  ich 
leider  Gelegenheit,  mich  selbst  überzeugen  zu  müssen,  als  ich  bei 
meiner  Abreise  von  Peru  den  Procentverlust  in  Umwechselung  des 
Papiergeldes  gegen  Silber  hinzunehmen  hatte. 

Sollte  noch  einmal  ein  unverhoffter  Schatz  in  den  Naturreich- 
thümern  des  Landes  angeschlagen  werden,  so  möge  man  sich  wenig- 
stens die  bisherigen  Erfahrungen  zur  Warnung  dienen  lassen  und 
dahin  streben  die  begangenen  Versehen  wieder  gut  zu  machen. 

Der  eingewurzelte  Hang  der  spanisch-creolischen  Rasse  zu  ris- 
kanten Hazafdspielen  macht  alle  Massnahmen  der  Regierung  gegen 
die  Spielhäuser  illusorisch,  und  hat  auch  alle  Schichten  der  Bevöl- 
kerung ergriffen,  in  der  völlige  Hingabe  an  das  Lotto,  deren  Billet- 
hausirer  man  auf  jeden  Schritt  und  Tritt  begegnet.  Leider  indess 
bewahren  ja  auch  civilisirte  Regierungen  die  verderbliche  Lotterie, 
obwohl  doch  kein  grosses  Rechnungstalent  erforderlich  ist,  um  zu  er- 
kennen, dass  die  directe  P2innahme  des  Staates  demselben  in  der  Geld- 
vergeudung seiner  Angehörigen')  und  der  Zerrüttung  geregelter  Er- 

383,250,000  solcs,  or  71,671,875  1.,  so  that  tt)  every  lenscjuare  miles,  and  for  each  thou- 
sand  inhabitants,  there  is  one  English  mile  of  line.  To  the  araount  above  stated  ought 
to  be  added  the  sum  of  85,800,000  «wies,  or  16,087,500  I.  spcnt  chiefly  upon  water-works, 
bcsidcs  the  immense  sums  required  fortheramifications  of  some  railways,  for  which  Mr.  Mciggs 
has  also  contracted  and  which  cannot  be  quoted  at  less  than  125,000,000  soles,  or 
23,437,500  1.  Im  Ganzen  Hessen  sich  also  in  runder  Summe  sagen  100  Millionen  Lstr.  oder 
1800  Millionen  Mark  nnd  würde  dann  jede  englische  Meile  einer  noch  weit  geringeren 
Zahl  als  looo  Einwohner  zur  East  fallen.  Zu  diesen  1000  gehört  keine  unbeträchtliche 
Zahl,  deren  Jahreseinkommen,  wie  Squier  /.eigt,  etwa  12-  -20  Dollar  beträgt,  also  viel- 
leicht (mit  Zulage  gerechnet)  70  Mark,  so  dass  sich  das  Gesammtvermögen  bei  looo  auf 
70,000  Mark  oder  wenn  man  will  100,000  Mark  und  etwas  darüber  normiren  würde, 
vielleicht  auf  120,000  Mark,  und  der  letztere  Fall  würde  sie  dann  ungefähr  befähigen, 
sich  das  Vergnügen  und  die  nationale  Genugthuung  zu  verschaffen,  unter  Aufopferung 
ihrer  gesammten  Habe  eine  englische  Meile  Wegestrecke  mit  Eisenbahnschienen  zu  be- 
legen und  deren  IJefahrung,  oder  zunächst  das  Flüssigmachen  der  Cielder  dafür  (aus  neu  zu 
entdeckenden  Minen  etwaj,  des  Weiteren  abzuwarten,  wenn  sie  dann  in  der  Zwischenzeit 
nicht  als  pfenniglos  Hunger»  gestorben  sein  sollten,  und  die  Bauten  naturgemäss  längst 
wieder  verfallen. 

*)  Eine  Anstalt,  welche  vom  Uebersparen  abhält,  die  Gewinnsucht  aufregt  und  bis 
zu  einem  mächtigen  Hange  steigert-,  die  Spielenden  durch  das  Trugbild  eines  leicht  zu 
erlangenden  Keichthums  vom  unverdrossenen  Fleiss  abhält  und  viele  Familien  der  Armuth 
oder  der  Lnretllichkeit  und  Sittenverderbniss  Preis  giebt ,  wird  durch  ihre  Einträglichkeit 
keineswegs  gerechtfertigt  (Röscher).  Die  auf  die  Congiaria  und  missilia  der  Römer  zu- 
rückgeführte IvOtterie ,  die  ihre  Ausbildung  in  den  an  die  aus  der  Wahlurne  gezogenen 
Senatoren-Namen  angeschlossenen  Weltcomptoire  (nach  Genuo)  erhielt,  wurde  in  Deutsch- 
land (nach  der  holländischen  Waarcnlotterie  Osnabrück's)  mit  der  Stadtlotterie  Hamburg's 


60  NACH    CHILE. 

werbsverhältnisse    hundertfach    und    tausendfach     im    Grossen     und 
Ganzen  wieder  verloren  geht. 

Die  deutsche  Bevölkerung  ist  eine  ziemlich  beträchtliche  und 
neben  Engländern  gehören  die  angesehensten  und  geachtetsten 
Kaufmannshäuser  unserer  Nation  an.  Darunter  besonders  das  alt 
etablirte  der  Herrn  Gildemeister  &  Co.,  deren  beide  Chefs,  Herr  Gil- 
demeister und  Sattler  ich  für  die  zur  Erreichung  meiner  Zwecke  ge- 
währte Unterstützung  zu  besonderem  Danke  verpflichtet  bleibe. 
Ebenso  dem  in  diesem  Geschäft  arbeitenden  Herrn  Ludwig,  der  mir 
in  vielen  Einzelheiten  der  Beschafifung  und  Verpackung  der  Gegen- 
stände Hülfe  leistete. 

m 

Ausserdem  lernte  ich  einige  Landsleute  im  deutschen  Club 
kennen,  der  mit  einer  guten  Bibliothek  versehen  ist,  und  unter  den 
deutschen  Lehrern,  die  von  der  peruanischen  Regierung  berufen  und 
in  verschiedene  Schulen  des  Landes  vertheilt  sind,  die  Herren 
Director  Contze  und  Dr.  Veiten. 

Nachdem  es  mir  möglich  gewesen  war,  durch  Auffindung  der 
halbvergessenen  Sammlung  Ferreyro's  eine  Reihe  der  feineren  Thon- 
gefös.se  altperuanischer  Technik,  die  es  bei  den  damals  grade  exor- 
bitanten Liebhaberpreisen  auf  andere  Weise  zu  erlangen  schwer  ge- 
wesen wäre,  für  die  Sammlung  d^s  Museums  zu  sichern  und  einige 
andere  Alterthümer  (darunter  eines  der  in  voller  Farbenschönheit*)  er- 
haltenen Wappenhemde,  von  denen  nur  einige  Exemplare  gefunden 
sind)  hinzuzuerwerben,  beschloss  ich  zunächst  einen  Ausflug  durch 
Ecuador,  denn  obwohl  man  mir  davon  abrieth,  weil  dieses  Land  für 
völlig  baar  an  antiquarischen  Resten  gilt,  musste  mich  doch  gerade 
diese  Seltenheit  derselben  um  so  mehr  bestimmen,  wenigstens  das 
aufzufinden,  was  etwa  vorhanden  sein  möchte,  und  so  die  hier  bisher 
in  den  Sammlungen  empfundene  Lücke  wo  möglich,  einigermassen 
wenigstens,  auszufüllen. 

Am  21.  Juli  in  Callao  auf  dem  Dampfer  Bolivia  eingeschifft, 
gelangten  wir  am  23.  Juli  nach  Payta  am  Fusse  von  Sandklippen  an 


(1614)  eingeführt  (s.  Bender).  Das  Lotto  do  Genova,  wie  alle  öffentliclien  Spielan- 
stalten wurde  in  England  1806  aufgehoben ,  in  Frankreich  1838.  In  einigen  deutschen 
Ländern  sind  die  Lotterie-Einnehmer  zugleich  die  Traumbuch-Verkäufer  und  bekunden 
damit  handgreiflich,  wohin  das  Lotto  gehört"  (Wuttke). 

>)  Die  Kunst  Baumwollenzeuge  ohne  Beeinträchtigung  des  Gewebes  mit  festen  Far- 
ben zu  behandeln,  sollen  die  Spanier  in  Amerika  gelernt  haben,  doch  kam  sie  in  Europa 
erst  ein  Jahrhundert  später  zur  Ausbildung.  Manche  derartige  Kunstgeheimnisse  wären 
(wie  es  heisst)  nicht  bekannt  geworden  und  mit  der  alten  Cultur  zu  Grunde  gegangen 
sein,  Clavigero  rechnet  unter  diejenigen  Erfindungen  der  Mexicaner,  ,,die  ihren  Namen 
zu  verewigen  verdienen"  die  Kunst  ,,mit  unauslöschlichen  Farben  zu  färben". 


REGENLüSIGKEIT.  61 

sandig  abfallender  Küste  mit  zackigen  Hügeln,  ein  trüber  Anblick  fiir 
aen,  der  über  Panama  von  Europa  kommend,  und  noch  in  Bewun- 
derung der  üppig  reichen  Vegetation  Guayaquil's  in  Ecuador,  diesen 
Hafen,  als  den  ersten  Perus  anläuft. 

Die  Regenlosigkeit  der  peruanischen  Küste,  worüber  bereits 
Cieza  de  Leon')  grübelte,  ist  vielfach  Gegenstand  meteorologischer 
Erörterungen  gewesen,  und  während  Raymondi  sie  local  der  hohen 
Erwärmung  des  Meereslittoral  zuschreiben  will,  hat  man  sie  sonst, 
da  auch  die  Solstitial-Regen  fehlen,  mit  allgemeinen  Processen  in 
Verbindung  bringen  zu  müssen  geglaubt,  zunächst  mit  dem  atlan- 
tischen Passat^). 


')  Bei  dem  Nebeneinander  der  hohen  Gebirge  und  tiefer  Küstenthäler  schliesst  Cieza 
de  Leon  dass  die  ersteren  den  Regen  anzögen,  ohne  den  letzteren  davon  abzulassen. 

')  The  south-east  trade-winds  in  the  Atlantic  Ocean  first  strike  the  water  on  the 
coast  of  Africa.  Travelling  to  the  north -west,  they  blow  obliquely  across  the  ocean  tili 
they  reach  the  coast  of  Brazil.  By  this  time  they  are  heavily  laden  with  vapour,  which 
they  continue  to  bear  along  across  the  continent  depositing  it,  as  they  go,  and  supplying 
with  it  the  sources  of  the  Rio  de  la  Plata  and  the  southern  Iributaries  of  the  Amazon. 
Finally  they  reach  the  snow-capped  Andes ,  and  here  is  rung  froui  ihem  the  List  particle 
of  moisture  that  that  very  low  temperature  can  extract.  Reaching  the  summit  of  that 
ränge,  they  now  tumble  down  as  cool  and  dry  winds  on  the  Pacific  slopes  beyond. 
Meeting  with  no  evaporating  surface,  and  with  to  temperature  colder  than  to  which  they 
were  subjectcd  on  the  mountain-tops ,  they  reach  the  ocean  before  they  again  become 
charged  with  fresh  vapour  and  l)efore,  therefore,  they  havc  any,  which  the  Peruvian 
climate  can  extract.  The  last  they  had  to  spare  was  deposited  as  snow  on  the  tops  of 
the  Cordillerasc  (Maury).  Sicher  ist,  dass  der  Passat  die  Andenkelte  überweht,  selbst  da, 
wo  deren  mittlere  Höhe  12,000  Fuss  erreicht,  denn  er  ist  es,  welcher,  nachdem  er  der 
Ostseite  Regen  und  Waldung  zugeführt  hat,  die  Westseite  Überhin  fallend,  und  trocken 
unter  sich  lassend,  erst  viele  Meilen  weiterhm  das  Meer  wieder  berührt  (s.  Mtihr>).  Bei 
Coquimbo  wird  die  Küste  Südamerica's  welche  am  Cap  Hom  durch  einen  östlich  gerichteten 
Strom  umkreist  wird,  vom  Humboldt-Strom  getroffen,  der  bis  zum  Cap  Blanco  sie  begleitet 
und  erkältend  wirkt,  wie  der  Golfstrom  erwärmend  in  Europa.  Erst  jenseits  der  Brücke 
des  kalten  Stromes  trifft  der  Schiffer.auf  dem  Meere  wieder  eine  Regenzone  in  den  Passaten  des 
Pacific.  Wenn  der,  der  Theorie  nach,  als  aus  der  Polar-Region  zurückkehrende,  in  abwärts 
neigender  Richtung  zum  Aequator  hinwehende  Luftstrom  des  Passate's  nach  der  Ablenkung 
auf  das  Festland  wieder  zur  Höhe  dcf  Cordillere  aufsteigen  sollte,  wird  die  Erklärung 
zugleich  die  Schwängerung  mit  Wassergehalt,  berücksichtigen  müssen ,  der  nicht  nur  an 
den  Quellflüssen  des  Marafion  abgesetzt  wird,  sondern  schon  in  der  ganzen  Weite  seines 
regenreichen  Laufes.  Da  auf  dem  Plateau  der  Cordillere  Ecuador's  neben  den  nicht  feh- 
lenden Winden  aus  Westen  die  östlichen  vorwalten  sollen,  so  könnte  hier  eine  Abglei- 
chung  gegeben  sein,  zwischen  schwer  erkalteter  Luft,  die  in  den  Thälern  in  die  Wasser- 
gebietc  der  grossen  Ströme  widerweht ,  und  dem  dadurch  in  höheren  Schichten  verur- 
sachten Gegenstrom,  doch  wird  erst  eine  Reihe  meteorologischer  Stationen  in  diese 
Windrichtungen,  die  vielfach  local  modificirt  werden,  ein  Gesetz  erkennen  lassen.  Die 
gleichmässigc  Begleitung  der  wärmestrahlendcn  Küste  durch  einen  kühlen  Südwind,  neben 


62  NACH    CHILE. 

Am  25.  Juli  sahen  wir  die  grüne  Küste  der  Insel  Puna  (Isla  de 
Santiago)  mit  niedrigen  Erhebungen,  und  das  Pueblo  de  Puna,  von 
der  Stätte  der  alten  Stadt  verlegt.  Auf  dieser,  zur  Zeit  der  Er- 
oberung als  Piratensitz  gefürchteten  Insel  sind  die  Indianer  jetzt  ver- 
schwunden*). Bei  Pizzaro's  Landung  zählten  sich  20,000,  im  Census 
von  1734  nur  96,  die  bald  darauf  nach  Machala  versetzt  wurden. 

Zwischen  zwei  grünen  Spitzen  fuhren  wir  aus  dem  (bis  Tumbcz 
an  der  Grenze  Perus  erstreckten)  Golf  von  Guayaquil  (Calanta)  in 
den  Fluss  ein  und  folgten  den  Windungen  der  bis  zum  Wasser  mit 
Vegetation  bedeckten  Ufern,  die  sich  zeitweis  in  wiesenartigen  Unter- 
brechungen lichteten.  Hügel  erschienen  aus  der  Ferne  und  in  der 
geöffneten  Umgebung  lag  am  Fusse  waldiger  Höhen  Guayaquil 2),  der 
Hafen  Ecuadors  (nach  dem  Häuptling  Guayas  genannt).  Nach  Zer- 
störungen der  1533  in  der  Bay  von  Charapoto  erbauten  Stadt,  legte 
Orellana  (1537)  eine  andere  an  der  Westseite  des  Flusses  an,  und 
diese  wurde  später  nach  dem  Platze  verlegt,  der  den  Namen  Ciudad 
vieja  empfing,  als  das  jetzige  Guayaquil  (1793)  gegründet  wurde. 
Die  Spanier  unterhielten  in  Guayaquil  ihre  Arsenale  und  bauten 
dort,  aus  dem  Holz  der  Umgebung,  die  Schiffe  für  ihre  am  Pacific 
gelegenen  Colonien. 

Herr  Consul  Bunge  hatte  die  P^'reundlichkeit,  mich  vom  Dampfer 
abzuholen  und  unter  seinem  gastlichen  Dache  aufzunehmen,  im  Kreise 
einer  liebenswürdigen  F*amilie,  wo  die  munter  spielenden  Kinder  in 
Sprache  und  Aussehen  die  Zeichen  der  deutschen  Herkunft  unter 
dem  fremden  Himmel  treu  bewahrt  hatten. 

Unter  meinen  dortigen  Bekanntschaften  nenne  ich  vor  Allem  die 
des  Dr.  Destruyes,  der  sich  schon  länger  mit  anthropologischen 
Studien  beschäftigt  hatte  und  mir  gütigst  einen  Theil  seiner  Samm- 
lungen (meist  aus  dem  früheren  Sitze  der  Huancavilcas)  überliess, 
dann  die  des  Herrn  Dr.  Wolf,  eines  aus  der  Jesuiten  -  Gesellschaft 
ausgetretenen  Naturforschers,  anerkannter  Befähigung,  der  bereits 
einige  wissenschaftliche  Forschungsreisen   in  Ecuador  unternommen 


dem  Wasserstrom,  findet  zun.äcl)st  in  der  Richtung  der  Cordillere  ihre  bestätigende  Deu- 
tune,  und  der  Austausch  zwischen  warmem  Land  und  kaltem  Meer  mag  hier  ein  Aus- 
gleichungsniveau im  Luftraum  herstellen,  neben  welchem  an  beiden  Seiten  Regen  nieder- 
fallen, ohne  es  zu  berühren. 

')  Von  den  zu  Smith's  Zeit  auf  8000  berechneten  Indianern  Powatano's,  waren  nach 
Jefferson  (1787)  nur  100     121  in  den  Pamunkies  übrig. 

2)  St.  Jacobus  de  Guayaquil  alio  nomine  ab  Ilispanis  appellatur  La  Culeta.   (de  Lact). 


JESUITEN.  63 

hatte  und  sich  auf  eine  weitere  nach  den  Gallapagos- Inseln  damals 
vorbereitete. 

Der  Präsident  Garcia  Moreno  hatte  bereits  seit  mehreren  Jahren 
jesuitische  Lehrer,  unter  denen  sich  zum  Theil  ganz  tüchtige  Kräfte 
finden,  zu  sich  berufen,  und  da  dieser  Orden,  neben  den  dreien  der 
übrigen,  noch  das  vierte  Gelübde  unbedingten  Gehorsams  gegen 
den  Papst  angenommen  hat,  musste  seine  Anwesenheit  dazu  bei- 
tragen, die  Lehre  von  der  Weltherrschaft  der  Urbs  Eterna  wieder 
eindringlicher  zu  predigen. 

So  hatte  auch  bereits  der  die  Republik  mit  autokratischer  Hand 
lenkende  Jesuitenzögling  einen  frommen  Staatsstreich  verübt,  und 
das  seiner  Hut  anvertraute  Land  aus  eigener  Machtvollkommenheit 
dem  päpstlichen  Vater  in  Rom  geschenkt,  an  „Seine  Heiligkeit,  deren 
Machtvollkommenheit  sich  über  die  ganze  Welt  erstreckt,  Gläubige 
und  Ungläubige  zusammenbegriffen"  (Su  Santidad,  como  Sucesor  de 
San  Pedro,  y  que  tiene  poder  sobre  todo  el  mundo,  que  comprehende 
Fieles  y  Infieles).  So  wuchs  mit  Ausdehnung  der  Herrschaft  auch 
der  äussere  Glanz. 

Nachdem  Gregor  VII.  der  Tiarra  eine  Krone  hinzugefügt,  wurde 
sie  unter  Benedict  XII.  verdoppelt,  unter  Urban  V.  verdreifacht,  so 
dass  mit  diesen  drei  Kronen')  geschmückt  Sixtus  IV.  (und  Nicolaus  III.) 
keinen  Anstand  nahm,  alle  Neffen  der  Päpste  für  römische  Pompei 
zu  erklären,  und  dann  Santarella  unter  Urban  VIII.  unbedenklich  den 
Beweis  zu  liefern  vermochte,  dass  die  Päpste  die  (nach  Regino) 
bereits  von  Nicolaus  I.  gezähmten  Fürsten,  die  Könige  und  Kaiser, 
wegen  Ungehorsam  (unter  der  von  Innocenz  III.  sich  vindicirten 
Gerichtsbarkeit)  absetzen  könnten  und  ihre  Reiche-)  fortgeben.    Wie 


*)  ,,t>ie  Tausendkünstlerin  oder  Hexenmeisterin,  die  Frau  des  Obristen  Caziken, 
hatte  auf  dem  Kopfe  eine  dreifach  gekrönte  Päbstliche  Cron,  doch  nicht  köstlich,  son- 
dern auss  Stroh  geflochten.  Lass  mir  dieses  widerum  ein  Affenspiel  des  höllischen  Affen's 
sein"  (am  Uruguay)   1691,  Mai  20.  (R.  P.  A.  Sepp,  ,,der  Societät  Jesu  Priester"). 

')  Wie  in  so  vielen  ähnlichen  Fällen  einer  Aufstachelung  zur  Empörung,  empfahl 
Pachal  II.  dem  Grafen  von  Flandern  den  Krieg  gegen  den  häeretischen  Kaiser  als  verdienst- 
volles Werk  zur  Sündenvergebung.  Bonifacius  VII.,  der  in  seiner  Bulle  das  Recht  in 
Anspruch  nahm,  Reiche  zu  geben  und  zu  nehmen,  als  Richter  der  Könige,  heisst  ,,un 
tison  infernal  de  discorde  de  tout  monde  chrestien",  und  zu  solchen  Brandstiftern,  die  von 
der  Halbinsel  aus  Europa  für  Jahrhunderte  hindurch  im  Kriegszustand  hielten,  gehört 
auch  Innocenz  X.,  der,  als  man  nach  dreissig  Jahren  der  Greuel  und  Verwüstung  auf 
den  verheerten  Gefilden  des  Nordens  Frieden  schloss,  denselben  vom  schwelgerischen  Rom 
aus,  jenseits  der  Alpen,  für  nichtig  erklären  wollte  und  Fortsetzung  der  Todtschlägereien 
befahl,  weil  die  päpstlichen  Rechte  beeinträchtigt  seien.    ,,Die  langen  Kriege  zwischen  der 


64  NACH   CHILE. 

musste  es  da  nicht  einem  armen  Präsidenten  bange  werden,  dem 
ohnedies  seine  kurze  Wahlzeit  jeden  Augenblick  durch  eine  Revo- 
lution abgeschnitten  werden  konnte  und  dem  es  widerstrebte,  sich 
mit  dem  Vertheidiger  im  Nebenlande,  Francisco  de  Paula  G.  VigiP), 
dem  mit  Excommunication  ausgezeichneten  Geistlichen,  zu  verbün- 
den, zumal  der  ganze  Continent  von  dem  Papst,  der  darüber  bereits 
bei  der  Entdeckung  verfügt  hatte,  als  Eigenthum  betrachtet  werden 
mochte.  Unter  solchen  Prädilectionen  dachte  man  dann  wohl  nicht* 
an  „cette  foule*)  de  papes,  vomis  de  l'enfer^),  capables  d'aneantir 
la  foi  catholtque"  (s.  Llorente),  worunter  die  heilige  Luitgard  die 
Seele  Innocenz'  III.  in  Höllenflammen  brennen  sah,  die  heilige  Bri- 
gitta  Clemens  VI.  als  Seelenmörder  offenbart  hörte,  Dantes*)  poetisch 
erhellter  Blick  in  Clemens  V.  den  Wolf  erkennt,  der  die  Lämmer 
vom  Wege  der  Seligkeit  fortscheucht,  statt  sie  hinzulenken,  und  die 
Volkstradition  Sixtus  V.  für  seine  Unthaten  vom  Teufel  erstickt 
sein  lässt. 

Und  es  war  noch  gar  Mancherlei,  was  diese  von  Cardinaltugenden^) 
wussten  in  Rom,  wo  man  näher ^)  war  und  deutlicher  sah,  als  im 
entfernten    Escuador.     Alles    indess    passirte    mit    der    Begeisterung 


Tiara  und  der  Krone  hatten  das  Reich  in  unbeschreibliches  Elend  gestürzt,  die  Wuih 
der  Partheien  hatte  alle  Kreise  der  Gesellschaft  mit  unnatürlichem  Hass,  Zwist  und 
Schuld  erfüllt"  (s.  Gregorovius). 

*)  Defensa  de  la  antoridad  de  los  gobiemos  contra  las  pretensiones  de  la  Curia 
Komana  (1852),   Lima. 

')  ,,l^ie  lange  Reihe  der  Päpste,  welche  von  Sergius  111.  bis  auf  Benedict  VIIl.  (905 — 
1024)  fast  ohne  Ausnahme  Geschöpfe  oder  Opfer  des  schändlichsten  Rachegeistes  und 
grösstcntheils  selbst  die  verworfensten  Menschen  waren ,  mit  äusscrster  Frechheit  alle 
Frevel  übend"  (Theiner).  Dazu  kamen  dann  gegenseitige  Fehlbarkeitszeugnisse  wie 
(von  Formosus  nicht  zu  reden)  zwischen  Johann  XVII.  und  Nicolaus  Ul.  und  bei  all  den 
Schismen  in  der  Dreizahl  oder  Vierzahl  der  Unfehlbaren. 

')  In  Dante's  Hölle  wohnen  bereits  drei  Päpste,  Nicolaus  III,  Bonifaz  VIII.  und 
Clemens  V. 

*)  In  einer  kleinen  Blumenlese,  aus  der  sich  für  die  römischen  Pilger  ein  Bouquet 
binden  Hesse,  erscheinen  (unter  Beiseitlassung  der  früheren  Blüthen,  die  etwas  gar  zu  stark 
duften)  Paul  II.,  Clemens  IV.,  Innocent  VIII.,  u.  s.  w.  mit  unehelichen  Kindern,  Paul  III. 
im  Concubinat  mit  seiner  unehelichen  Schwester,  Alexander  VI.  mit  Catharine  Vanoci, 
Innocenz  X.  mit  seiner  Schwägerin  Olympia  Maldachini,  Julius  IL,  als  hellenischer 
Liebhaberei  ergeben,  während  Sixtus  IV.,  dies  (nach  Wesel  von  Groningen)  auf  die  heissen 
Sommermonate  beschränkte ,  Julius  IIL  aber  vom  Erzbischof  von  Benevent  rühmend  fiir 
das  besungen  wurde,  wessetwegeu  die  Pasquinaden  den  Pajisl  und  seinen  geliebten  Cardinal 
mit  Jupiter  und  Ganymed  verglichen.  ,,Mit  Sergius  III.  beginnt  die  römische  Porno- 
kratie,  er  selbst  war  ein  Buhle  der  Marozio,  Johann  ein  Geliebter  der  älteren  Theodora" 
(f  928),  dann  Johann  XII.  und  seines  Gleichen  (s.  Retteberg). 

*)  In  Rom  und  Nachbarschaft  (wie  Gerson  bemerkt)  war  der  Papst  zum  Gespött, 
(da  die  Propheten  eben  allzu  selten  in  ihrem  Vaterlande  gelten). 


ORTHODOXIE.  65 

durch  den  heiligen  Geist^),    wenn  derselbe  auch  etwa  nur  aus  Rom 
im    Postsack    geschickt   wurde,    wie    nach    dem    Concil    von    Trient 
(s.  Vargas).     Das  würde  ohnedem  seinen  Präcedenzfall  finden  in  der 
morgenländischen  Kirche,  wo  der  in  Ketten  von  Kairo  nach  Abyssi- 
nien  geschickte  Patriarch  seine  noch^  entfernter  lebenden  Geistlichen 
mit  aufgeblasenen  Schläuchen    ordiniren    liess.     Bei    den  Chutukten 
sucht  man  die  Inspiration  in  Würfeln  oder  Loosen,  wenn  sie  nicht,  wie 
bei  rothen  und  gelben  Bergpriestern  Tibet's,   im  Lallen  der  Kinder 
redeten.  Wie  weit  die  Geheimnisse  in  Lhassa,  wo  Huc  und  Gäbet  nur 
satanische^)  Nachäfiung  sahen,  mit  den  römischen  inverwandschaftlicher 
Beziehung    stehen,    darüber    könnte    die  Infallibilität  am  Besten  ent- 
scheiden,   und  von    ihr  ist  dann  kein  weiterer  Appell,    denn  „wenn 
die  Kirche  eine  Lehre,    die  in  einem  wissenschaftlichen  System  aus- 
gesprochen ist,  verwirft,    so  hat  ihre  Entscheidung  infallible  Gewiss 
heit  und  schliesst  die  Erwiederung  aus,  dass  sie  den  objectiven  Sinn 
derselben  in  ihrem  wissenschaftlichen  Zusammenhange  nicht  richtig  auf- 
gefasst  hat".  So  gesprochen  im  Jahre  1869  (s.  Zoll).  Nach  Anseimus  von 
Canterbury  (f  1 109)  darf  die  Vernunft  nur  gebraucht  werden,  um  die 
Puncte  des  römisch-katholischen  Kirchenglaubens    zu    erläutern    und 
zu  vertheidigen,  nie  jedoch,  um  sie  zu  bezweifeln  oder  zu  bestreiten. 
Schwierig  ist  dabei  das  gegenseitige  Anathematisiren')   der  Un- 
fehlbaren*) zu  verstehen,  wenn  sie  von  Rom  und  Avignon  ihre  Blitze 
gegen  einander  schleuderten,    oder    die  Nachfolger    ihre  Vorgänger 
(wie  den  Leichnam  des  Papstes  Formosus)  ausgraben   und  als  nach- 
träglich Excommunicirte  beschimpfen  Hessen.     Zuweilen  drehte    sich 
indess  der  Spiess    um    und    kamen   die  Vorgänger  als  rächende  Ge- 
spenster auf  ihre  Nachfolger  zurück,  wie  Papst  Sabinianus,  der  Tra- 


')  La  vie  d'un  Grand  nombre  de  papes  n  H6  teile,  que  ce  serait  faire  insulte  au 
.Saint  Esprit,  que  de  lui  attribuer  de  Finfluence  dans  la  choix  de  ces  monstres  de  vice, 
impos^s  comme  chefe  de  TEglise  chretienne,  so  spricht  ein  Katholik. 

^)  Acosta  beschuldigt  Satan  (den  Vater  der  Lügen)  die  Beichte  und  andere  christ- 
liche Ceremonien  unter  den  Indianern  (Aroerica's)  nachgeahmt  zu  haben.  Hcrthold 
(XIII.  Jahrh.)  nennt  indess  die  Pfennigprediger  (des  Ablasses)  „die  liebsten  Knechte  des 
Teufels"  (s.  Roskoflf). 

•)  Honorius  T.  (f  658) ,  der  sich  für  die  Monotlieleten  erklärte ,  wurde  von  jedem 
Nachfolger  feierlich  verflucht.  Papst  Liberius  (f  366)  ward  durch  seine  arianische  Ketzerei 
verdächtig,  Zosinius  (f  418)  durch  die  Hinneigung  zur  pelagianischen. 

*)  Der  durch  Zurückdatiren  dazu  gemacht  wurde,  denn  während  der  Papst  früher  im 
Grunde  nur  den  Primat  unter  den  Bischöfen  beanspruchte  und  die  Competenzstreitigkeiten 
mit  den  oekumenischen  Concilien  in  der  Schwebe  liess,  gab  ihm  erst  das  fünfte  Lateran- 
concil  (1517)  plenam  jurisdictionem,  und  dann  die  Ordensdisciplin  der  seit  1540  hinzu- 
getretenen Jesuiten  die  bedingslone  Infallibilitas  ex  cathedra. 

Bastiaa:  America-    I-  *^ 


G6  NACH   CHILE. 

dition  zufolge,  an  den  derben  Maulschellen  starb,  die  ihm  der  Geist 
Gregors  des  Grossen  versetzte.  Wie  sich  Bellarmin  und  Tanner 
(t  1632)  über  Sixtus  V.  Bulle  in  Betreff  des  unfehlbaren,  aber  fehler- 
voll revidirten  Textes  der  Vulgata  abfinden  könnten,  bleibt  Sache 
ihrer  Ausleger  (die  in  Ecuador  noch  fehlen). 

Eine  Pferdebahn  fuhrt  an  einigen,  theilweis  künstlichen  Erd- 
hügeln vorbei,  nach  den  Mangle- Sümpfen  von  El  Salado  (Estero 
Salado)  an  einem  Meeresarm,  der  zu  Seebädern  benutzt  wird.  In 
der  Umgegend  Guayaquil's  sowie  auf  den  vorliegenden  Inseln  sind 
mehrfach  Alterthümer  gefunden,  und  im  Dorfe  Chongon  wird  die 
Steinfigur  eines  Affen  aufbewahrt,  und  von  den  Indianern,  auf  die 
Plaza  gestellt,  mit  einer  Art  Verehrung  betrachtet.  Ein  dort  sich 
aufhaltender  Deutscher,  Herr  Glogau,  der  sich  mit  den  Bräuchen 
der  Indianer  vertraut  gemacht  hatte  und  ihre  Schwächen  kannte, 
meinte  dieses  Stück  vielleicht  erlangen  zu  können.  In  der  Stadt 
concentrirt  sich  das  Leben,  auf  den  Malecon  längs  des  Quais, 
während  die  übrigen  Strassen  nur  wenig  besucht  werden  und  es 
ihres  Schmutzes  wegen  auch  nicht  verdienen.  Unter  den  Arcaden 
des  Malecon  sind  die  unteren  Geschosse  der  vorwiegend  aus  Holz 
gebauten  Häuser  für  Läden  oder  Magazine  eingerichtet,  während  das 
obere  Stockwerk  zu  Wohnungen  dient.  Ueberall  findet  man  im 
Innern  Hängematten  aufgehängt,  und  die  Vorliebe  daflir  wird  bei 
der  Plage  der  Mosquito's  begünstigt,  welche  durch  die  Schaukelbe- 
wegung einigermassen  verscheucht  werden  mögen.  Besonders  lästig 
sind  sie  in  der  Regenzeit  des  sog.  Winters,  wo  nur  die  um  Mittag 
unter  dem  Namen  Chanduy  (weil  über  die  Landspitze  Chanduy  hin- 
wehend) einsetzende  Brise  fiir  einige  Stunden  Erfrischung  bringt. 

Für  meine  Reise  in  das  Innere  wurde  als  erstes  Ziel  Quito  aus- 
ersehen und  die  Vorbereitung  dazu  getroffen,  im  Ankauf  des  Reit- 
zeuges, der  Proviantirung  und  sonstigen  Ausrüstung,  sowie  in  Enga- 
girung  eines  Burschen,  eines  im  Lande  geborenen  Negers,  der  früher 
als  Soldat  gedient  hatte  und  so  in  den  meisten  Provinzen  herum- 
gekommen war. 

Am  27.  Juli  befuhr  ich  die,  zwischen  Waldungen  auf  hügeligen 
Erhebungen  angebauten,  (und  an  ungestörten  Stellen  durch  Crocodile 
bewohnten)  Ufer  des  (aus  dem  Zusammenfluss  des  Daule  und  Baba- 
hoya  gebildeten)  Flusses^)  Guayaquil  oder  Guayas  auf  dem  Dampfer 

^)  Bei  Dapper  figurirl  der  Fluss  ,,Aml)ato,  welcher  vom  Gebirge  Quito  sehr  schnäle 
abschlisset".  Der  Fhiss  Ambato  in  der  jetzigen  Provinz  Leon,  gehört  bereits  nach  dem 
atlantischen  Meere. 


noDECAs.  67 

Ecuador,  einem  Nussschälchen,  dessen  obere  Kajüte  gerade  über  der 
auf  dem  Decke  befindlichen  Maschine  lag,  so  dass  bei  einer  der  hier 
nicht  allzu  ungewöhnlichen  Katastrophen  den  Passagieren  die  beste 
Gelegenheit  geboten  war,  sie  zunächst  an  sich  Zu  verspüren.  Gerade 
an  diesem  Tage,  war  wieder  der  uns  entgegenkommende  Dampfer 
Guayas,  ein  Stündchen  ehe  wir  zusammentreffen  sollten,  in  die  Luft 
geflogen,  und  bald  stiessen  wir  auf  die  den  Strom  herabtreibenden 
Trümmer,  sowie  auf  die  grässlich  verstümmelten  Opfer,  die  an  Bord 
genommen,  dort,  wie  weit  es  die  Umstände  zuliessen,  Verpflegung 
fanden.  Am  Nachmittag  landeten  wir  in  ßabahoya  oder  (als  Nieder- 
lagerungsplatz)  Caracoles  (Bodegas),  zwischen  den  auf  Pfählen  ge- 
bauten Häusern,  wo  in  einem  leeren  Raum  mein  Gepäck  unterge- 
bracht und  so  gilt  es  ging  ein  Bett  hergerichtet  wurde.  Vor  Allem 
galt  es  nun  mit  Einem  der  Maulthiertreiber,  die  nach  Ankunft  aus 
dem  Innern  und  Ablieferung  ihrer  Ladung  dort  auf  Rückfracht 
warten,  ein  Abkommen  zu  treffen,  aber,  wie  mir  gerathen  war,  nur 
bis  zur  nächsten  Station,  bis  Gaduas,  denn  obwohl  Bodegas  für  seine 
Zucht  berühmt  ist,  befinden  sich  die  dort  aus  dem  Innern  ange- 
kommenen Maulthiere  meist  im  miserablen  Zustande,  weil  durch  die 
vorangegangene  Reise  bereits  abgetrieben,  ohne  dass  ihnen  genü- 
gende Zeit  zur  Erholung  gegönnt  wird. 

Wie  ich  von  Herrn  Estrada  (dem  kaufmännischen  Agenten  meiner 
Freunde  in  Guayaquil)  hörte,  sind  im  benachbarten  Lomas  Thon- 
gefässe  mit  Knochen  und  Kupfergeräthen  beim  Ausgraben  gefunden 
oder  durch  Ueberschwemmungen  zerstört.  Die  umliegenden  Ge- 
wässer schwärmen  mit  Krokodilen,  deren  Jagd,  seit  der  neuerlichen 
Fabrikation  wasserdichter  Stiefel  aus  Crocodilhäuten  in  Nordamerika, 
zu  einem  Industriezweig  geworden  ist,  den  ein  deutscher  Nimrod,  den 
ich  in  Guayquil  traf,  für  sich  auszubeuten  dachte. 

Am  nächsten  Morgen,  —  aber,  wie  vorauszusehen  war,  einige 
Stunden  später,  als  verabredet,  —  stellten  sich  vor  meiner  Thüre 
zwei  Sattel-Maulthiere  ein  (für  mich  und  meinen  Diener),  sowie  ein 
Lastthier  für  das  Gepäck,  mit  dem  vom  Eigenthümer  beigegebenen 
Arriero  und  wurde  nun  rasch  Alles  reisefertig  gemacht. 

Der  Beginn  des  Weges  ist  sumpfig  und  in  der  Regenzeit  für 
Reitthierc  ganz  unpassirbar,  so  dass  man  dann  nach  dem  Verlassen 
des  Dampfers  in  Bodegas  die  Flussfahrt  in  einem  Bot  bis  Savaneta 
fortsetzen  muss. 

Der  Weg  führt  im  Urwald,  oder  vielmehr  der  wuchernd  ver- 
schlungene Wald  bildet  den  Weg,    zwi.schen    den  Bäumen    hin    und 

5* 


68  NACH   CHILE. 

über  die  umgestürzten  Stämme  fort,  wobei  man  bald  darauf  zu  achten 
hat,  dass  das  Maulthier  nicht  einsinkt  oder  über  die  Hindernisse 
stolpert,  bald  dass  die  überhängenden  Zweige  nicht  in  s  Gesicht  und 
in  die  Augen  stossen  oder  dass  man  sich  nicht  in  den  Schlingen  der 
Lianen  verfängt.  Als  das  dumpfig  düstere  Wald-  ufid  Buschland 
lichter  wurde,  zeigte  sich  beim  Oeflfnen  desselben  eine  bewaldete 
Bergkette,  von  Nebel  umlagert.  Vielfache  Flusswindungen  waren  zu 
passiren  und  dann  führte  der  Weg  an  der  Schlucht  aufwärts,  mit 
Blicken  in  die  Tiefe,  wo  der  Strom  rauscht,  und  empor  nach  den 
von  den  verschiedenen  Grünschattirungen  des  Waldes  und  der  Lich- 
tungen wechselnden  Hügel,  die  sich  um  das  Flussthal  zusammen- 
schlössen. Kleine  Zuckeranpflanzungen  trafen  sich  hier  und  da 
um  Pfahlhütten  zerstreut,  und  das  Guarape  bildete  einen  erfrischen- 
den Trank,  so  lange  man  die  gerade  keinen  Appetit  erweckende 
Behandlungsweise  nicht  näher  inspicirt  hatte.  Einen  grossen  Ver- 
brauch im  ganzen  I.ande  hat  der  in  Kuchen  verkaufte  braune  Roh- 
zucker (Chancacca  oder  Panela),  der  als  Zuthat  beim  Wassertrinken 
betrachtet  wird. 

Der  Weg  führte  im  Zickzack  die  Thalwand  aufwärts,  unter  Fluss- 
übergängen, wobei  das  Zusammentreffen  mit  anderen  Caravanen  bei 
der  Enge  des  Weges  einige  Male  Aufenthalt  verursachte.  Um  6  Uhr 
langten  wir  in'  Balsa-Tambo  an,  eine  spärliche  Ansiedlung  mit  dem 
verfallenen  Character  aller  dortigen  Bauten,  und  ich  Hess  durch  den 
Führer  in  einem  Hause  der  Plaza,  wo  schon  viele  Arriero  sich  mit 
ihren  Ladungen  versammelt  fanden,  einigen  Raum  für  mein  Gepäck 
schaffen.  Auf  der  Gallerie  des  oberen  Stockwerkes  miethete  ich  in 
dem  einzigen  Zimmer  des  Hauses  von  einer  Aufwärterin,  die  von  dem 
Führer  zur  Bereitung  eines  Abendgerichtes  engagirt  war,  ein  Bett, 
das  ich  mich  freilich  erst  nach  einigen  Revisionen  zu  benutzen  ent- 
schliessen  konnte  und  dann  nur,  weil  ich  mich  von  einem  plötzlichen 
Uebelbefinden  befallen  fühlte.  Dasselbe  war  nach  einigen  Stunden 
Schlaf  verschwunden,  hatte  aber  wahrscheinlich  in  den  Ingredienzien  der 
zugerichteten  Mahlzeit  seine  Ursache,  und  so  beschränkte  ich  mich  fer- 
nerhin auf  möglichst  einfache  und  in  ihrer  Genuität  zu  prüfenden  Gerichte. 

Am  nächsten  Morgen  (Juli  29.)  wurde  um  5V2  Uhr  aufgebrochen 
und  längs  der  Schlucht  emporgestiegen,  mit  dem  Pisagua  in  der 
Tiefe  rauschend.  Es  ging  aufwärts  zu  den  von  der  Sonne  beschie- 
nenen Höhen,  —  Alles  ringsum  in  frischer  Feuchte,  wie  aus  dem 
Thau  geboren,  —  und  während  des  Ansteigens  blickte  man  zurück  auf 
die  bewaldet  abfallende  Schlucht,    bis   zu  der  (nach  dem  Meere  er- 


CHIMBORAZO.  (59 

Streckten)  Ebene,  die  unter  der  Umhüllung  der  an  den  Abhängen 
lagernden  Nebel  verschwand.  Der  Weg  (hier  eine  Strasse,  die  von 
der  damaligen  Regierung  des  Präsidenten  Moreno  in  Bau  ge- 
nommen war),  zieht  sich  hinauf  an  den  Bergen,  und  von  Tambu- 
Loma  zeigt  ein  Rückblick  die  parallel  zu  einander  in  der  von  ihnen 
geschlossenen  Thalschlucht  auslaufenden  Höhenzüge.  Mit  der  Er- 
reichung des  Camino  Real,  wo  man  gerade  eine  „königliche  Heerstrasse" 
hätte  vermuthen  sollen,  war  es  indess  mit  diesen  Strassenbauten 
schon  vorbei,  doch  dafür  entschädigte  die  Alpenlandschaft  vor  uns,  und 
hinter  uns  jenes  Nebelland,  das  in  seinen  Lagerungen  fortrollt  über 
den  ungeheuren  Abfall  des  Hochgebirges,  bis  sich  am  Horizont,  ohne 
weitere  Unterscheidung,  Wolken  und  Meer  in  einander  mischen, 
unter  chaotischer  Gährung  das  Sehfeld  einhemmend. 

Wir  näherten  uns  jetzt  einem  jener  Momente,  die  dem  Reisen- 
den zwar  im  Wechsel  des  Eindrucks  gleich  den  übrigen  flüchtig  vor- 
übergehen, die  aber  dann  fiir  Jahre  oder  für  immer  in  der  Erinne- 
rung den  Geist  erhalten  und  beschäftigen.  Es  ist  das  der  erste  Blick 
auf  einen  der  schon  lange  im  geistigen  Auge  gesehenen  Plätze,  deren 
natürliches  Bild  sich  jetzt  mit  dem  der  Gedanken  vereinigen  soll. 
i\ls  die  letzte  Windung  des  Weges,  der  uns  das  grosse  Schauspiel 
enthüllen  musste,  erreicht  war,  hielt  ich  unwillkürlich  die  Zügel  des 
Maulthieres  für  einen  Augenblick  an,  um  mich  auf  den  ersten  An- 
blick des  Chimborazo  vorzubereiten,  der  dann  in  seiner  ganzen 
Majestät  vor  uiis  lag.  Bei  der  Eröffnung  schweift  der  Blick  zu  ent- 
fernten Berghalden,  die  in  Färbungen  verschiedenen  Anbaues  aus- 
gelegt waren,  und  dahinter,  auf  dem  Rücken  einer  zackigen  Berg- 
reihe, stieg  der  mächtige  Schneekegel  empor.  Der  Weg  folgt  längs 
eines  Hügels  mit  grünen  Matten  auf  der  einen  Seite  der  Schlucht, 
und  dort  genossen  wir  eine  neue  Variation  der  prächtigen  Ansicht. 
Eine  in  tiefer  Buchtung  vor  dem  Fu.sse  niedergesenkte  Mulde  hebt 
sich  in  weitem  Abstand  mit  welligen  Hügeln  zu  den  Hochgebirgen 
hinauf,  die  über  einander  emporsteigen,  und  auf  der  Basis  dieser 
grünen  Masse,  die  mit  ihrem  Teppich  die  Tiefen  und  alle  Höhen, 
die  obersten  Gipfel  ausgenommen,  bekleidet,  steigt  der  schneeige 
Kuppeldom  des  Chimborazo  in  die  glänzend  reine  Luft,  unter  der 
Ueberwölbungdesstrahlenden  und  strahlend  zurückgestrahlten  Himmels. 
Der  Smaragden-Glanz  der  grünen  Triften,  die  blendende  Weisse  der 
Schneefelder,  das  Azur  des  blau  prangenden  Himmels  combiniren 
sich  in  dem  goldig  durchleuchtenden  Lichte  der  Sonne  zu  einem 
wunderbar  überwältigenden  Farbeneffekt. 


70  NACH   CHILE. 

Nachdem  wir  auf  schlüpfrigen  Pfaden  in  das  Dorf  San  Miguel 
hinabgeritten  und  wieder  angestiegen  waren,  zog  sich  der  Weg  an 
den  Abhängen  von  Berghügeln  umher  und  gewährte  den  Niederblick 
in  das  tiefe  Thal,  das  mit  den  bunten  Variationen  verschiedenartiger 
Kornfelder  in  lieblichen  Auen  das  Zusammenspiel  seiner  wechselnden 
Färbungen  zu  einem  wohlthuenden  Gesammteindruck  vereinten.  Das 
Thal  von  Chimbo  ist  eins  der  fruchtbarsten  und  würde,  ohne  den 
jetzigen  Verfall,  in  einen  völligen  Garten  verwandelt  sein. 

Wir  hatten  dann  verschiedene  Hügel,  mit  vielgestaltigen  Erhebun- 
gen, und  ausgefüllten  Thalabschnitten  auf  holprig  gebrochenem  Wege 
zu  übersteigen,  und  sahen  schon  seit  länger  die  an  steinigem  Abhang 
gelegene  Bergstadt  Guaranda  vor  uns,  die  uns  die  Ermüdung  der 
Thiere  aber  erst  7  Uhr  Abends  zu  erreichen  erlaubte. 

In  Guaranda  fand  sich  ein  Hotel,  freilich  ein  solches  nach  ecua- 
dorianischer  Landesart,  aber  doch  ein  unter  den  Verhältnissen  dorti- 
ger Reisen  sehr  schätzbarer  Luxus.  Da  ich  einige  Einführungs- 
schreiben dorthin  hatte,  schickte  ich  dieselben  durch  meinen  Diener 
an  die  Adressen,  und  bereits  am  nächsten  Morgen  stellte  sich  Einer 
dieser  Herren  vor,  um  mir  mitzutheilen,  dass  er  bereits  auf  dem  Markt 
den  Ruf  von  meiner  Ankunft  durch  die  Stadt  habe  ergehen  lassen 
(correr  la  voz  oder  el  grito,  wie  er  sich  ausdrückte). 

Ich  fühlte  mich  meinem  neuen  Freunde  für  diese  Aufmerksam- 
keit nicht  gerade  verbunden,  denn  in  Folge  derselben  hatte  ich  eine 
Anzahl  von  Besuche  zu  empfangen,  und  obwohl  sich  dadurch  Ge- 
legenheit geboten  hätte,  meine  Erkundigungen  über  Alterthümer  zu 
vervielfachen,  so  zeigte  sich  doch  bald,  dass  die  Antworten  sehr  monoton 
blieben,  und  nur  Weniges  in  Erfahrung  zu  bringen  sein  würde.  Ausser 
einigen  Kleinigkeiten,  sah  ich  nur  ein  paar  altspanische  Gelasse  aus 
der  früheren  Zeit  der  Colonisation ,  die  immerhin  einiges  Interesse 
hatten  und  dem  Uebrigen  zugefügt  werden  konnten. 

Guaranda,  das  sich  schon  bald  nach  Chimbo's  Gründung  (1534), 
auf  Kosten  .dieses  vergrösserte,  liegt  in  der  Höhe  von  8450  Fuss  an 
einem  bebauten,  aber  auf  den  Höhen  kahlem  Bergrücken,  hinter 
welchem  sich  das  Schneehaupt  des  Chimborazo  erhebt,  und  durch 
die  von  ihm  herabrasenden  Winde  werden  mit  täglicher  Periodicität 
die  Strassen  der  Stadt  gefegt.  Am  Vormittag  brach  ein  solcher 
Orkan  los,  der  alle  Fenster  der  Posada  erzittern  machte,  und  es  sind 
diese  Schneestürme,  die,  der  Erzählung  nach,  schon  manchen  Rei- 
senden, Ross  und  Reiter,  auf  dem  Wege  über  das  Arenal  in  die  Ab- 
gründe geschleudert  haben  sollen.   Es  wird  deshalb  stets  die  Passage 


GUARANDA.  71 

am  frühen  Morgen  angerathen,  und  ich  hatte  demgemäss  meine  An- 
ordnungen getroffen.  In  den  neuen  Thieren,  die  meistens  an  dieser 
Station,  ein  Hauptsitz  der  Arrieros,  gewechselt  werden,  war  ich  dies- 
mal glücklicher.  Einer  der  Bürger,  an  den  ich  empfohlen  war,  hatte 
zwei  Pferde  eines  Gastfreundes  in  Verwahrung,  mit  dem  Auftrage, 
sie  nach  Ambate  zurückzuschicken,  und  überliess  sie  mir  für  den  ge- 
wöhnlichen Miethspreis.  Nachdem  dann  noch  ein  Pack  -  Maulthier 
verschafft  war,  konnte  ich  diesmal  für  eigenen  Gebrauch  ein  wohl- 
gepflegtes Pferd  aus  der  besseren  Rasse  Südamerica's  besteigen,  und 
es  war  das  kein  geringer  Genuss,  nachdem  man  ein  paar  Tage  auf 
dem  Rücken  eines  abgetriebenen  und  abgemagerten  Postkleppefs 
herumgestossen  wurde. 

Da  die  Zahl  der  durch  die  Verkündigung,  auf  dem  Markte  neu- 
gierig Gemachten  bedenklich  wuchs  und  sich  auch  bereits  Appli- 
canten  für  Medicin  darunter  befanden,  war  ich  froh,  als  wir  am  Nach- 
mittage im  Sattel  sassen  und  die  Stadt  verlassen  konnten.  Uebcr 
spärlich  angebaute  Bergmulden  wurde,  am  Fusse  des  Ponga  Loma, 
die  Hacienda  Quino-Corral  erreicht,  d.  h.  eine  einsame  Hütte,  als 
letzter  Vorposten  auf  dem  bewohnten  Boden.  Da  ein  Betreten  des 
Innern  aus  verschiedenen  Gründen  nicht  anzurathen  war,  leg^e  ich 
mich  für  ein  paar  Stunden,  in  den  Poncho  gehüllt,  unter  dem  Vor- 
dache nieder,  Hess  indess  bereits  um  i  Uhr  Morgens  bei  Fackellicht 
Alles  zum  Ausflug  vorbereiten.  In  der  Dunkelheit,  die  nur  unvoll- 
kommen den  Aufbau  des  Terrains  erkenn<^n  Hess,  zogen  wir  über 
die  von  der  Hochkette  auslaufenden  Bergrippen,  auf-  und  absteigend, 
und  auf  Holzbrücken  über  tief  unter  uns  rauschende  Flüsse.  Jenseits 
der  Höhen  erschien  das  Schneehaupt  des  Chimborazo,  um  wieder 
zu  verschwinden,  bis  nach  dem  Passiren  des  Rio  de  Panza,  unter 
Aufhören  der  Vegetation,  der  letzte  Rücken  zum  Arenal  hin  über- 
schritten wurde,  an  einem,  im  Rückblick  das  abfallende  Gebirgsland 
begreifenden  Punkte.  Unter  den  mit  der  Dämmerung  aufsteigenden 
Nebelmassen  trat,  beim  Zerreissen  derselben,  der  Schneeriese  Chim- 
borazo hervor,  an  dem  die  Wolkengeister  gespenstisch  vorüber- 
streiften, und  später  begann  die  Vorderspitze  des  Gipfels,  von  den 
Strahlen  der  Sonne  getroffen,  leuchtend  zu  erglänzen. 

Nachdem  wir  dem  Rio  del  Arenal  über  die  steinige  Hochfläche 
gefolgt  waren,  bricht  diese  dann  in  unebenes  Terrain  nieder,  und 
man  blickt  in  eine  von  Felsen  umzogene  Schlucht,  in  welcher  aus 
einer  Grotte  der  Rio  de  Chorcra  herabfällt. 

Ohne  Aufenthalt  ritten  wir  an  Tortillcras  vorbei   und  weiter  an 


72  NACH   CHILE. 

Chuquipoyo,  beides  Holzverschläge  zum  Schutz  der  vom  Unwetter 
Ueberraschten,  auch  zum  Uebernachten  benutzte  Häuser,  in  welchen 
man  indess  ausser  durchlöchertem  Dach  und  Fach,  Nichts  findet,  aus- 
genommen,  leicht  begreiflich,  gründlichst  angehäuften  Schmutz. 
Doch  würde  das,  bei  den  Nothfällen,  die  hier  eintreten  können, 
nicht  viel  beachtet  werden. 

Von  unserem  hochgelegenen  Standort  blickten  wir  seitlich  über 
weite  Landschaften  hinweg,  die  in  den  vielgestaltigen  Conturcn  eines 
perspectivischen  Ueberblickiis  prangten,  mit  dem  Miniaiurbild  der 
fernen  Stadt  Riobamba  in  der  Mitte,  bis  ein  muldenförmiger  An- 
steig  zu  den  äussersten  Höhen  das  Gemälde  umrahmt. 

Indem  der  Weg  allmählig  wieder  jenseits  der  Lava  -  Bedeckung 
des  Paramo  von  Sanancajas,  niedrigere  Elevationen  erreichte,  sahefi 
wir  wellige  Thäler  um  uns  wogen  mit  tief  eingeschnittenen  Fluss- 
betten der  von  Hochgebirgswänden  abströmenden  Wasser. 

Der  spärliche  Anbau  mehrte  sich,  als  wir  von  einem  Flussbett 
ansteigend,  Mocha  erreichten,  jene  in  den  Kämpfen  der  Cara  sowohl, 
wie  in  der  Geschichte  der  Conquista  vielgenannte  Feste,  und  dann 
erfreute  sich  das  Auge  der  Gärten  am  Wege,  der  an  malerischen 
Schluchten  windend  umherfuhrte,  bis  Abends  5  Uhr  Ambato  in 
einer  Vertiefung  zu  unsern  Füssen  gescheu  und  damit  auch  erreicht 
wurde. 

Das  jetzige  Ambato,  das  durch  seine  Gärten  und  reinlichen 
Strassen,  einen  freundlichen  Eindruck  macht,  wurde  dorthin  von 
der  durch  die  Spanier  am  Flusse  gegründeten  Stadt  verlegt,  im 
Jahre  1699.  Seine  einheimischen  Bewohner,  die  Hambatos,  welche 
in  die  Stämme  der  Huapanti,  Pillarus,  Quisapinchas  und  Isambas  zer- 
fielen, wurden,  bei  dem  Vordringen  des  7.  Schyri  oder  Königs  (von 
Quitu)  bis  Mocha  den  Caras  unterworfen.  Später  theilten  sie  das 
Schicksal  dieser,  unter  die  Herrschaft  der  Inca  zu  fallen,  und  eine 
sandige  Erhebung  am  Ende  des  Pueblo,  wo  vielfach  alte  Töpfer- 
scherben angetroffen  werden,  führt  noch  jetzt  den  Namen  Inga-Urcu. 
Bei  Ambato  erkämpfte  Atahualpa  den  Sieg  über  Atoco,  Feldherr 
seines  Bruder's  Huasco,  wodurch  ihm  der  Weg  in  die  Länder  seines 
Rivalen  geöffnet  wurde,  Der  Gouverneur  Mera,  den  ich  aufsuchte, 
besass  den  in  diesem  Lande  seltenen  Schatz  einer  Bibliothek,  die  in 
spanischer  Zeit  kaum  möglich  gewesen  sein  würde,  weil  die  Bücher 
der  Erlaubniss  der  Inquisition  bedurften  und  erst  der  Censur  der  Cali- 
ficadores  vorzulegen  waren.  Die  Plaza  bot,  da  es  gerade  Markttag 
war,    einen  belebten  Anblick  und   hatten  sich  dort  die  Indianer  aus 


AMBATO.  73 

der  ganzen  Umgebung  in  ihren  verschiedenen  Trachten  zusammen- 
gefunden. In  der  Posada  wurde  lange  über  das  Miethen  der  Thiere 
verhandelt,  und  da  ich  mir  dieselben  zur  Prüfung  auf  dem  Hofe  vor- 
fuhren Hess,  gelang  es  mir,  wenigstens  für  den  eigenen  Gebrauch,  ein 
frisches  und  feuriges  Pferd  auszusuchen,  einen  der  bequemen  Pass- 
gänger dortiger  Reitart,  auf  denen  das  Reisen  eine  Lust  ist.  Ausser- 
dem war  der  Weg  für  ein  Gebirgsland  ausnehmend  gut,  da  von  dort 
die  von  dem  Präsidenten  Moreno  bis  zur  Hauptstadt  angelegte 
Chaussee  beendet  war,  und  auch  bereits  wöchentlich  einmal  (oder 
zweimal)  von  einer  Diligence  befahren  wurde. 

Am  Nachmittag  (August  i.)  ritten  wir  fort,  längs  der  Schlucht 
über  den  unten  hingewundenen  Fluss  Ambato  (oder  Hambato),  und 
dem  Umblick  wurde  stete  Unterhaltung  gewährt  durch  die  zerklüftete 
Gegend,  worauf  er  fiel,  und  ihre  felsigen  Terrassen,  an  deren  be- 
bauten Stellen  die  Färbung  in  verschiedenen  Schattirungen  wechselt. 
Ueber  den  Fluss  Cutuchi,  der  in  einem  tiefen  Bette  hinströmt, 
fuhrt  eine  in  Steinbogen  erbaute  Brücke.  Seit  dem  Passiren  der 
Wasserscheide  (zwischen  dem  j>acifischen  und  atlantischen  Ocean) 
auf  dem  Arenal  des  Chimborazo,  fanden  wir  uns  im  Flussgebiet  des 
Maranon,  indem  die  Ströme  dieses  Hochbecken's  sich  dorthin  wenden, 
unter  dem  Durchbrechen  der  Andeskette.  Der  auf  dem  Cotopaxi 
entspringende  Rio  Gallo  oder  Pumacunchi  vereinigt  sich,  nach  Auf- 
nahme des  Tacunga  oder  Cutuchi  und  des  Pillaro  oder  Ambato,  unter 
dem  Namen  Patate  mit  dem  (durch  den  Rio  Luto  Riobamba's  ver- 
stärkten) Chambo  und  bildet  dann,  nach  der  Cascade  von  Agoyon 
den  als  Pastassa  bekannten  Nebenfluss  des  Solimoes  (oder  Maranon). 
Auf  der  Heerstrasse  trieben  sich  eine  Menge  Indianer  mit  ihren 
Frauen  und  Kindern  umher,  die  grösstentheils  betrunken,  aus  den 
Sonntagsschenken  in  ihre  Heimathsdörfer  zurückkehrten.  Doch  war 
die  Trunkenheit  keine  lärmende,  sondern  dem  unterwürfig  ergebenen 
Charaoter  der  Indianer  gemäss ,  eine  stillvergnügte,  indem  sie  monoton 
vor  sich  hinschwatzend  im  Trabe  hinter  einander  herliefen  und  die 
im  Rausche  Taumelnden  und  Stürzenden  mit  freundschaftlichsten 
Dienstleistungen  einander  unterstützten.  Besonders  schien  es  Auf- 
gabe der  P>auen,  ihre  Ehemänner  heimzuleiten,  und  suchten  sie  der- 
selben oftmals  mit  einer,  trotz  des  komischen,  fast  rührenden  Zärt- 
lichkeit gerecht  zu  werden. 

Bereits  zu  Torquemada*s  Zeit  begannen  die  Indianer  in  Mexico, 
wie  die  übrigen  Stämme  in  America  und  Africa  seit  der  Berührung 
mit  den  Europäern,    sich  dem  Laster  der  Trunkenheit   zu  ergeben, 


74  NACH   CHILE. 

aber  er  weiss  noch,  dass  dies  früher  nicht  der  Fall  gewesen  (en  su 
gentilidad  no  se  emborrachaban)  und  die  Begleiter  Cortez  fanden 
sie  noch  als  das  „nüchternste  Volk  der  Welt"  (s.  Ramusio).  Von 
einem  Trunkenbold  sagte  man,  wie  Sahagun  bemerkt,  dass  er  „sein 
Kaninchen"  (statt  den  „Affen")  habe  (que  aquel  borracho  era  su  conejo) 
und  der  Rauschtrank  wurde  Centzontotochtli  (400  Kaninchen)  ge- 
nannt, um  die  verschiedenen  Arten  zu  zeigen,  in  welchen  er  sich  bei 
den  unter  dem  Zeichen  Umetochtli  (dem  dritten  Hause  in  der  zweiten 
Constellation  der  Cemacatl)  Geborenen  manifestire.  Gegen  den  Miss- 
brauch spirituöser  Getränke  bestanden  sehr  strenge  Gesetze,  und 
waren  im  Allgemeinen  bei  Festlichkeiten  den  Ueberdreissigjährigen 
nur  zwei  Becher  erlaubt  (s.  Zurita),  wobei  einzig  in  der  Weinlese,  wenn 
unter  Verehrung  des  Gottes  Izquitecatl  die  Maguey  -  Pflanze  zuerst 
angebohrt  wurde,  für  die  Arbeiter  (los  que  nuevamente  horadaban 
los  magueyes  y  hacian  vino  nuevo)  eine  Ausnahme  gemacht  werden 
mochte.  Sonst  konnte  nur  auf  ärztliches  Zeugniss  hin,  Kranken  oder 
der  Stärkung  Bedürftigen,  wenn  sie  sich  an  die  Behörde  wandten, 
ein  freierer  Gebrauch  des  Weins  erlaubt  werden,  ebenso  bei  schwerer 
Arbeit,  oder  (nach  Ortega)  den  Soldaten  auf  einem  Feldzug,  doch 
selten  mehr  als  drei  Becher  (s.  Zurita).  Dagegen  durften  Sechzig- 
jährige, um  sich  nach  den  Mühen  eines  langen  Lebens  zu  erholen, 
ungestraft  trinken,  und  denen,  die  das  siebzigste  Jahr  überschritten 
hatten,  war  ein  uneingeschränkter  Gebrauch  des  Weins  freigestellt, 
dessen  sie  sich  bis  zur  Sinnlosigkeit  bedienen  mochten,  wie  es  in  den 
Bilder -Erklärungen  zu  den  Tafeln  des  Codex  Mendoza  (b.  Kings- 
borough)  ausgesprochen  ist. 

Bei  einer  Windung  des  Weges  trat  hinter  der  abschliessenden 
Bergreihe  der  Schneekegel  des  Cotopaxi  hervor,  dieser  bis  tief  herab 
mit  weissem  Leichentuch  umhüllte  Gigante  unter  der  Mannigfaltigkeit 
der  auf  dem  ccuadorianischen,  oder  äquatorialen  Hochlande,  thronen- 
den Vulcane. 

Die  Häuser  am  Wege  waren  aus  Rohr  hergestellt,  mit  Lehm 
bekleistert,    oder  aus  rohen  Steinen  mit  überhängendem  Strohdach, 

*  

zuweilen  hinter  einem  aufgemauerten  Hofthor.  Die  Einfassungen  der 
Felder  werden  meist  durch  Gräben  hergestellt,  Agave  oder  Aloe 
(Agave  Americana)  bezeichneten  den  klimatischen  Character,  oder  die 
Fruchtbäume  in  der  tieferen  Einsenkung  Ambato's  waren  schon  bald 
nach  Verlassen  der  Stadt  verschwunden. 

Beim  Blick  auf  ein  erweitertes  Thal  zeigte  sich  Latacunga  oder 


LATACUNGA.  75 

Tacunga  (San  Viniente  Martir  de  la  Tacunga),  wo  wir  in  der  Posada 
(Hotel  Bolivia)  abstiegen. 

Als  ich  am  nächsten  Morgen  den  Gouverneur  San  Miguel  auf- 
suchte, lud  mich  derselbe  zum  Frühstück  ein,  wo  ich  mit  Padre 
Menten  zusammentraf,  einem  der  vom  Präsidenten  für  den  Schul- 
unterricht in's  Land  berufenen  Jesuiten.  Er  zeigte  mir  im  Colleg 
(dem  bei  vormaliger  Vertreibung  der  Jesuiten  zur  Disposition  ge- 
stellten Klostergebäude  La  Merced)  ein  physikalisches  Laboratorium, 
viele  werthvolle  Instrumente  enthaltend,  die  durch  einen  im  Auslande 
(in  Cuzco)  verstorbenen  Sohn  Latacunga 's  (Don  Vincente  Leon)  seiner 
Vaterstadt  vermacht  waren.  Auch  einige  ausgegrabene  Urnen  mit 
Bemalung  fanden  sich  dort.  Es  war  von  dem  Erblasser  die  Be- 
stimmung getroffen,  dass  mit  den  für  Errichtung  der  Bildungsanstalt 
ausgesetzten  200,000  Pesos  nicht  nur  Lehrstühle  für  Recht  und  Me- 
dicin,  sondern  auch  für  Chemie  und  Physik  einzurichten  seien,  und 
auf  Boussingault's  Empfehlung  wurde  die  Professur  Cassola  übertragen. 

In  dem  alten  Sitz  der  Llatancunga  oder  Llatan-cungas  (Llacta- 
cunga),  von  denen  Villavicencio  16  Stämme  aufzählt,  werden  grosse 
Tempel  nebst  andern  Gebäuden  erwähnt,  und  erst  nach  längeren 
Kämpfen  gelang  es  den  Scyris  von  Quito  dieses  Land  zu  unter- 
werfen. Es  wird  mehrfach  (auch  in  Dapper's  Erzählung)  von  der 
Verehrung  eines  goldenen  Schafe's,  also  Lama's,  gesprochen,  und 
wir  hatten  auf  der  Landstrasse  diese  Schaf  -  Kameele  gesehen,  frei- 
lich nicht  in  den  grossen  Heerden  peruanischer  Lama's,  son- 
dern einzeln  am  Bändchen  gefuhrt  (nach  Art  der  Alpacca),  als 
seltenes  Hausthier.  Da  die  Existenz  der  Llama  als  letzte  Ressource 
an  das  sonst  fast  nahrlose  Ycho-Gras  (Stipa  Ichu)  oder  Xarave  ge- 
knüpft ist,  kommen  sie  über  die  nördliche  Verbreitung  desselben 
nicht  vor,  während  im  Süden  auch  die  klimatischen  Bedingungen 
eine  natürliche  Schranke  setzen.  In  der  Gattung  Auchenia  tritt  die 
Wirkung  der  geographischen  Provinz  in  ihren  vicarirenden  Schöpfungen 
zu  Tage,  indem  sie  die  Camele  der  alten  Welt  in  der  neuen  vertritt, 
ihren  zoologischen  Characteren  nach  aber  zwischen  den  Familien 
der  Tylopoda,  Cervina  und  Cavicornia  schwankend  bleibt,  und  so 
in  einem  schematisirenden  Genealogienbau  allerlei  Uebergänge  simu- 
liren  könnte,  während  gerade  diese  Erscheinung  mit  einem  bestimm- 
ten typischen  Ausdruck  der  Natur  gestempelt  ist.  Wie  die  heerde- 
weis  gezähmten  Lama  (LIamcani  oder  Lastthier)  den  Kameelen  ent- 
sprechen ,  würden  die  nur  beziehungsweise  domesticirten  Alpaca 
(Allpaco  oder  Geschöpf  des  Landes)  mit  den  Schafen  oder  Ziegen, 


76  NACH  CHILE. 

die  die  Pampas  durchschweifenden  Guanuco  mit  den  Antilopen  oder 
^ehen,  die  auf  hohe  Spitzen  kletternden  Vicuna  mit  den  Gemsen  ge- 
wisse Analogien  bieten.  DieFossilen  fanden  sich  beiWallace^)  aufgezählt. 

Nach  dem  Miethen  neuer  Thiere  ritten  wir  um  Mittag  (August  2.) 
über  eine  steinige  Ebene,  zu  den  Bergreihen  erstreckt,  zwischen 
Felder  hin,  und  bogen  nach  Mulalo  ab,  wo  sich  über  die  deutschen 
Forscher,  die  Herren  Reiss  und  Stübel,  sowie  über  die  Besteigung 
des  Cotopaxi  durch  den  Ersteren,  noch  manche  Traditionen  erhalten 
hatten.  Eine  neben  dem  Vulcan  liegende  Felsmasse  führt  die  Be- 
zeichnung Cabeza  del  Inca  und  soll  in  jenem  Ausbruch  des  patrio- 
tischen Vulcanes  abgestürzt  sein,  der  an  dem  Hinrichtungstage  Ata- 
hualpa's  in  Caxamarca  seinen  Zorn  und  seinen  Schmerz  bekundete. 
Der  steinigen  Ebene  weiter  folgend,  trafen  wir  auf  einen,  wegen  roher 
Eindrücke,  als  Fusstapfen  des  heiligen  Bartholomäus  verehrten  Stein ^), 
auf  dem  bunte  Sträucher  und  Blumen  als  Gaben  niedergelegt  waren. 

Dieser  in  einem  bleiernen  Sarg  von  Indien  (ob  aus  dem  östlichen 
oder  westlichen)  nach  den  liparischen  Inseln  geschwommene  Heilige 
musste  vaterländische  Erinnerungen  wecken,  die  ich  den  Landes- 
kindern verschwieg,  denn  seine  Reliquien  liegen  seit  dem  9.  Jahr- 
hundert in  Aachen  „ein  rechter  Kramladen  zu  derlei  Stampanei", 
wie  Mahler  meinte.  Dort  finden  sich  auch  „beide  howe  tuecher  und 
unser  frawen  hemd"  (ofiOffOQioy.) 

Ausserdem  wurden  die  „Windeln  des  Heilandes"  —  die  (nach 
Claudius  in  Turin)  nur  „alte'*  Windeln  waren,  aber  nach  den  Apo- 
cryphen    doch   jedenfalls  (in  Aegypten)')   rein  gewaschene,  —  oder 

*)  Jede  Familie  der  Cainelidae  bildet  die  Gattung  Camelus  (2  Arten),  ,,eine  hoch 
characteristische  Wüstenform  der  palae -arktischen  Region  von  der  Sahara  bis  zur  Mon- 
golei und  dem  Haikaisee.  Auchenia  (4  Arten)  mit  den  Lamas  und  Alpaccas  ist  ebenso 
characteristisch  für  die  Berge  und  Wüsten  des  südlichen  Theiles  von  Südamerica,  zwei 
Arten,  die  ganz  domesticirt  sind,  bewohnen  die  pcruvianischen  und  bolivianischen  Anden, 
und  zwei  andere  werden  im  wilden  Zustande  gefunden ,  die  Vicufta  auf  den  Anden  in 
Peru  und  Chile  und  der  Guanaco  auf  den  Ebenen  von  Patagonien  und  Tierra  del  fuego." 
In  den  Postpliocän-Ablagerungen  in  Califomien  hat  man  eine  Auchenia  gefunden  und  in 
denen  von  Kansas  eine  Art  der  ausgestorbenen  Gattung  Proca*nelus  (und  diese  mit  den 
lebenden  Kamelen  nahe  verwandte  Gattung  war  in  der  Pliocän- Periode  sehr  zahlreich). 
In  Südamerica  wurde  eine  Art  von  Auchenia  in  den  Höhlen  von  Brasilien  gefunden,  und 
andere  in  den  Pliocän -Ablagerungen  der  Pampas  neben  zwei  ausgestorbenen  Gattungen 
Palaeolama  und  Camelothcrium  (s.  Wallace).     Ein  östlicher  Doppclgänger  ist  der  Vak. 

')  Die  Fusstapfen  des  heiligen  Bartholomäus  werden  vielfach  in  Südamerica  gezeigt, 
während  Andere  sie  dem  heiligen  Thomas  zuschrieben,  und  auch  St.  Antonius  ist  dort  hin- 
geführt, indem  (nach  Temple's  Bericht)  ein  Felsenriss  bei  Potosi  dem  ihm  nachstellenden 
Teufel  zugeschrieben  wird  (wie  ähnliches  an  indischer  Coromandelküste  bei  der  Flucht 
des  heiligen  Thomas).  Divus  Bartholomaeus  praedicavit  Evangelium  Sancti  Matthaei  Tndiis 
iis,  qui  dicuntur  Fortunati  (liieronymus),  auf  einem  Hall)wcgchaus  nach  America. 

')  An  heiligen  Bnmnen   ist   sonst    in    Palästina    kein  Mangel,    wie   sich   (ausser  Ain 


RELIQUIEN.  77 

(wofür  sie  1548  galten)  die  „Josephshosen",  die  „Chaussettes  Saint 
Joseph"  des  Pilger's  Philippe  von  Vigneuelles,  in  Aachen's  Reliquien- 
schatz gezeigt.  „Wer  sie  siehet  erlangt  viell  Vergebung  seiner  Sün- 
den" (Bartholomäus  Sastrowen). 

Floss  vermuthet  in  der  bei  Claudius  von  Turin,  jenem  „häretisch 
gesinnten"  Bilderstürmer,  vorkommenden  Bezeichnung  „alte  Windeln" 
einen  Seitenhieb  auf  die  „damals  schon  im  Aachener  Hofe  vorhande- 
nen, von  Constantinopei  empfangenen  Windeln  des  Herrn  zu  er- 
kennen", so  dass  damit  diese  Reliquien  der  Zeit  Karl  des  Kahlen 
glücklich  gesichert  wären. 

So  lange  die  Genuität  solches  Cultus  für  Millionen  und  Milliarden 
gegenwärtiger  nicht  nur,  sondern  hingegangener  und  kommender 
Geschlechter,  bei  einem  ihre  Geschicke  im  Jenseits  bedingenden 
Glauben  mitspricht,  so  lange  können  die  Details  nicht  scharf  genug 
weiter  detaillirt  werden,  und  mögen  hoffentlich  bald  die  Reliquien 
selbst  aus  dem  Halbdunkel  ihrer  Heiligenschreine  hervortreten  und 
sich  allen  Proben  chemischer  und  physicalischer  Untersuchung  unter- 
werfen, um  daraus  dann  um  so  verklärter  hervorzugehen,  (voraus- 
gesetzt, dass  etwas  dabei  übrig  bleibt).  Das  in  Purificationen  ver- 
narrte Heidenthum  hielt  die  Berührung  der  Todten  iür  verunreinigend, 
und  während  der  diocletianischen  Verfolgung  warf  man  (nach  Euse- 
bius)  die  Gebeine  der  Märtyrer,  um  sie  dem  Cultus  der  Christen  zu 
entziehen,  ins  Meer,  aber,  wie  Basilius  ausführt,  sind  die  im  alten 
Bunde  unreinen  Leichenkörper  im  neuen  mit  heiligender  Gnade 
durchdrungen,  und  schon  die  Gebeine  des  heiligen  Ignatius  wurden 
„als  unschätzbare  Kleinodien"  von  Rom  nach  Antiochien  gebracht 
von  jenen  Christen,  die  Vigilius  (4.  Jahrhundert)  als  cinerarios  und 
idolatros  zu  bezeichnen  wagt,  aber  freilich  dafür  vom  heiligen  Hiero- 
nymus  seinen  Text  gelesen  erhält.  Da  Iür  liefert  der  peruanische 
Mumien  -  Cultus  (in  den  Malqui)  belehrende  Parallelen.  Nicht  nur 
dass  bei  den  Fossilien  und  Aehnlichem  sc  nderbare  Sachen  zusammen- 
gesammelt scheinen,  sondern  in  den,  die  technischen^)  Fertigkeiten  ver- 


Miriam in  Jerusalem)  bei  Ain  Charim  der  Bnmnen  Mariae  findet,  den  sie  l)ei  ihrem  Be- 
suche Elisabeth's  benutzte,  sowie  der  Jesu-  und  Maria -Brunnen  bei  Nazareth ,  aus  dem 
Jesus,  als  er  seinen  Wasserkrug  zerbrach,  das  Wasser  seiner  Mutter  in  dem  Schurztuchc 
zutrug  (s.  Sanutus).  Die  Kaiserin  Helena  Hess  deshalb  steinerne  Gefässe  verfertigen, 
,,das  Vieh  zu  tränken  und  Leinwand  auszuwaschen." 

*)  Auch  die  Spiritualisten  könnten  dies  bedenken.  Auf  der  Pacific-Railroad  erzählte 
mir  einer  der  Mitpassagierc ,  dass  er  «selbst  ein  Stück  des  Gewandes  in  Händen  gehabt, 
das  einer  (oder  eine)  der  ,,Spirits"  unter  seine  Freunde  vertheilt  hätte.  Als  ich  auf  mein 
Fragen  hörte,  dass  dieses  Zeug  durch  Matcrialisirung  der  Aethcratmosphäre  gebildet  sei, 


78  NACH   CHILE. 

schiedenster  Art  damaliger  Erde-  und  Himmelbewohner  illustrirendeii 
Ueberbleibseln  versprechen  die  Reliquien  bei  sorgsamer  Durch- 
forschung eine  Menge  interessanter  Belehrung,  sobald  ihre  Aechtheit 
beglaubigt  ist,  und  mit  Recht  traf  deshalb  schon  Gregor  M.  Vor- 
sichtsmassregeln, als  griechische  Mönche  bei  der  Kirche  des  heiligen 
Paulus  Todtengebeine  als  Reliquien  ausgruben.  Dem  heiligen  Martin 
von  Tours  wurde  es  bei  seinen  Zweifeln  im  Gebet  enthüllt,  dass  die 
bisher  als  heilig  betrachteten  Gebeine  in  einer  rivalisirenden  Kirche 
nur  die  eines  Strassenräubers  seien,  doch  scheinen  später  solche  In- 
dicationen  gefehlt  zu  haben,  als  sich  während  der  Kreuzzüge  eine 
derartige  Fluth  gefälschter  Reliquien,  besonders  aus  Constantinopcl 
ergoss,  dass  das  vierte  Lateran -Concil  sich  (1215)  zu  seinen  Verord- 
nungen veranlasst  sah  (quod  quidem  Sanctorum  reliquias  exponunt 
venales).  Später  freilich  lohnte  es  sich  nicht  mehr  der  Mühe  der 
Fälschung,  seitdem  man  den  Schatz  der  Katacomben  entdeckte,  aus 
dem  sie  fiir  jede  Nachfrage  acht  zu  haben  waren,  denn  da  sich  nach 
der  Inschrift  am  Eingang  der  Katacomben  in  der  Kirche  St.  Sebas- 
tian dort  174,000  heilige  Märtyrer  bestattet  finden,  werden  sich  die 
Knochen  und  Knöchelchen  wohl  nicht  sobald  erschöpfen. 

Auch  in  Lima  standen  Reliquien  feil,  wie  Schmarda  erzählt  und 
zugleich  bemerkt,  dass  ihm  „zwar  nicht,  wie  dem  Commodore  Wilkes, 
die  Schädel  der  Erzbischöfe  zum  Kauf  angeboten'',  dass  es  indess, 
wie  er  nicht  zweifle,  dem  Sacristan  „keine  Mühe  gekostet  hätte, 
einige  neue  oder  wenigstens  in  partibus  zu  ernennen."  Von  manchen 
Heiligen  wurden  so  viel  Köpfe  gezeigt,  wie  das  Ungeheuer  Lernäon 
gehabt  hatte  (nach  Hurter's  Ausdruck). 

Eine  besonders  feine  Distinctionsgabe  (die  indess  auch  un-christ- 
lichen  Priestern  nicht  fehlt)  wird  für  den  Taxationswerth  der  Reli- 
quien erfordert.  „Das  Kreuz,  an  welchem  der  Erlöser  gestorben, 
wird  höher  geachtet,  als  dasjenige,  an  welchem  Petrus  gelitten", 
lehrt  Habert,  aber  es  käme  ferner  auf  die  genaueren  Verhältniss- 
werthe  des  Hypodulischen  an  zum  allgemeinen  Cultus  duliae  (der 
Heiligen  und  Engel),  wie  andererseits  die  heilige  Jungfrau  im  Cultus 

rieth  ich  dem  im  Gcistenerkehr  bewanderten  \'ankee,  wenn  ihm  wieder  derartiges  unter 
die  Hände  käme,  es  nicht  loszulassen,  sondern  einem  Physiker  zu  übergeben,  der  es 
durch  Analyse  auf  den  Lichtäther  weitep  fiir  die  Wissenschaft  würde  verwerthen  können. 
Nach  dem,  W3s  ich  indess  später  persönlich  in  einer  solchen  Geistersitzung  zu  er- 
leben halte ,  glaube  ich  kaum ,  dass  meine  Ermahnung  gefruchtet  haben  wird.  Die  von 
Ammanius  Marcellinus  (in  Bezug  auf  Theodosius)  erwähnte  Tischbefragung,  die  auch  Ten- 
tullian  bekannt  war  (s.  l.ecanu),  erinnert  in  vielen  Einzelnheiten  genau  an  die  noch  iu 
China  übliche  (wie  bei  sibirischen  Schamanen). 


p 


CALLO.  79 

hyperduliae  zur  Auszeichnung  darüber  erhoben  wird,  nnd  der  Cultus 
latriae  für  den  deus  in  pyxide  reservirt  bleibt.  Hinsichtlich  der  theo- 
logischen Ansicht,  „das  Kreuz  Christi  sei  mit  latreutischen  Cult  zu 
verehren",  macht  Bellarmin  „auf  die  grosse  Gefahr  aufmerksam,  der 
man  sich  aussetze,  wenn  man  das  Volk  so  belehre.  Diejenigen,  sagt 
er,  welche  dieser  Meinung  beipflichten,  sind  genöthigt,  sich  so  feiner 
Distinctionen  zu  bedienen,  welche  kaum  sie  selbst,  geschweige  denn 
das  Volk  recht  verstehn"  (s.  Kerker).  Wohl  hat  er  recht,  der  weise 
Mann.  Aber  wenn  man  nun  diese  feinen  Distinctionen  des  Cultus 
latriae,  duliae  und  hyperduliae  (oder  auch  hypoduliae)  auf  den  Fetisch- 
dienst des  Neger's  übertrüge,  so  würde  hier  ebenfalls  wohl  das  ge- 
meine Volk  nichts  „recht  verstehen",  der  scholastische  Tüftler  aber  mit 
Leichtigkeit  eine  Deutung  finden,  die  es  ziemlich  gleichgültig  Hesse,  ob 
man  den  Fetischdienst ")  Reliquiensdienst  nennen  wollte,  oder  umgekehrt 
diesen  jenen.  So  bleibt  es  doch  wohl  besser,  sich  hier  dem  ge- 
heimnissvollen Dunkel  des  Unverständlichen  zu  beugen  und  einer 
durch  Inspiration  erleuchteten  Priesterweisheit,  welche  allein  würdig 
sein  wird,  solche  Mysterien  zu  ergründen. 

In  Südamerica  hat  man  dies  mit  richtigem  Tact  herausgefühlt, 
wie  sich  aus  vielfachen  Mittheilungen  der  dadurch  überraschten  Rei- 
senden schliessen  lässt.  So  erzählt  Coreal,  (oder  doch  Pseudo-Coreal), 
er  sei  mehrfach  Ohrenzeuge  davon  gewesen,  dass  die  Peruaner  ihren 
Kindern  Schweigen  anbefohlen,  wenn  ihnen  von  diesen  religiöse 
Fragen  vorgelegt  wurden,  indem  sie  ihnen  sagten:  „Nimm  dich  in 
Acht,  dass  du  nicht  wieder  so  Etwas  fragst,  sonst  könnte  dich  der 
Teufel  wegholen.  Solche  Dinge  darf  nur  der  Pfaffe  wissen,  denn  er 
besitzt  die  Macht,  den  Teufel  fortzutreiben"^),  (wenn  er  ihn  nämlich 
sollte  holen  wollen). 

Von  dem  heiligen  Stein  gelangten  wir  nach  der  Hacienda  des 
Sertor  Comejo  am  Fuss  des  (Panecillo)  Cerro  de  Callo*)  (oder  Pachu- 
.sala)  im  künstlichen  Ausbau  (der  Tradition  nach). 

Hier    steht  jenes    seit  Ulloa's  Zeit  vielfach  beschriebene  Monu-- 

^J  Wir  sind  nicht  so  thöricht,  sagte  ein  Mexicaner  zu  Zuazo,  die  mit  Hand  ge- 
machten Figuren  fiir  Gölter  zu  halten,  aber  wir  verehren  in  ihnen  die  Sonne,  den  Mond 
und  die  Pbneten  (s.  C'arli).  In  Voruba  heisst  das  Götzenbild :  Alaybawi,  oder  Vermittler 
mit  dem  höchsten  Wesen,  dem  auch  als  Mawu  bei  den  Eweem  nur  durch  Fürsprache 
genaht  wird. 

*)  Garde  -  toi  bien  de  nie  demander  cela  une  autrefois ,  de  peur  qoe  le  diable  ne 
t'emporte.  11  n'y  a  que  le  Padre  qui  doive  savoir  ces  choses,  parcequ'il  a  le  pouvoir  de 
chasser  le  diable. 

')  Velasco  nennt  unter  den  Latacunga  bewohnenden  Stämmen  die  (^nllas  und  CallcK. 


so  NACH   CHILE. 

ment,  das  jetzt  in  der  Hacienda  San  Agostin  de  Gallo  als  Magazin- 
schuppen, bei  Dr.  Reiss'  Besuch  als  „corrales  de  puercos"  (Schweine- 
stall) benutzt  wurde.  Die  Mauern,  mit  oben  verschmälerten  Thüren 
und  Nischen  (Hoco)  im  Innern,  sind  a^s  jenen  an  dem  verbreiterten 
Ende  convexen  Steinen  gebaut,  welche  die  Inca- Werke  (wie  manche 
alt-etruskische  Bauten)  charakterisiren  (in  der  rustificirenden  Manier). 
Cieza  de  Leon  spricht  mit  Bewunderung  von  dem  Anblick,  den  diese 
Monumente  zu*  seiner  Zeit  noch  darboten,  und  erwähnt  die  Nischen 
als  zur  Aufbewahrung  goldener  Schafe  (Lama's)  bestimmt. 

Im  Hügel  des  Cerro  de  Gallo  soll  sich  eine  jetzt  verlorene  Thür 
mit  Bemalung  finden  und  an  die  Stelle  neuerer  Ausgrabungen  wur- 
den frühere  Gärten  der  Inca  von  dem  Volksglauben  hinverlegt.  Doch 
bleibt  es  sehr  zweifelhaft,  ob  Menschenkunst  mit  dieser  Aufrichtung 
etwas  zu  thun  hat,  da  das  Fundament  jedenfalls,  wie  bei  der  P>'ra- 
mide  Gholula's,  natürlich  ist. 

Da  die  Besichtigung  uns  länger,  als  berechnet,  verweilen  Hess, 
gelangten  wir  erst  spät  Abends  auf  einen  in  der  Dunkelheit  nicht 
sehr  bequemen  Pfade  nach  dem  allein  stehenden  Tambo  von  Tiupullo, 
früher  der  Lieblingsplatz  der  Strassenräuber,  um  dort  den  Reisenden 
nach  Quito  oder  nach  Guayaquil  aufzulauern  (wie  zu  Osculati's  Zeil). 
Das  Zimmer  des  Tambo  war  bereits  mit  Reisenden  von  verschie- 
denen Richtungen  her  gefüllt,  und  darunter  traf  ich  einen  deutschen 
Jesuiten,  Pater  Dressler,  der  für  den  Unterricht  in  der  Zoologie  an- 
gestellt war  und  sich  dieser  Wissenschaft  in  dem  noch  so  vielfache 
Ausbeute  versprechendem  Lande  mit  Kifer  und  Erfolg  gewid- 
met hatte. 

Das  Ameublement  des  Raumes  bestand,  neben  einigen  wackligen 
Stühlen,  in  einem  langen  Tisch  und  zwei  Iceren  Bettgestellen.  An 
dem  ersten  wurde  das  Abendessen,  bei  dem  es  ausser  dem  landes- 
üblichen Locro  (dem  Ghupe  Peru's  entsprechend)  allerdings  nicht  viel 
gab,  eingenommen,  die  beiden  letzteren  wurden  von  den  Eingebo- 
.renen  mit  so  natürlicher  Höflichkeit  den  beiden  Fremden,  dem  Pater 
und  mir,  überlassen,  dass  man  sich  nicht  weigern  konnte.  Die  übrige 
Gesellschaft  lagerte  in  ihren  Decken  auf  der  Erde,  oder  auf  dem 
Tisch,  doch  auch  dann  gut  zugedeckt,  da  die  Nacht  empfindlich  kalt 
war.  auf  einer  Höhe  von  11,500  Fuss.  An  Heizung  ist  nirgends  zu 
denken,  da  das  spärliche  Brennmaterial  aus  Gras  zusammengesucht 
werden  muss,  während  in  Peru  wenigstens  noch  die  Dunghaufen  der 
Lama,  welche  für  ihre  Kothentleerungen  bestimmte  Stellen  benutzen, 
einigermassen  aushelfen  (wie  Kameelkoth  in  der  Steppe  und  Wüste). 


TfUPUT.LO.  81 

Schwierig  ist  schon  das  Kochen,  wegen  des  zu  frühen  Siedens  des 
Wassers  und  auch*  der  Brennspiritus,  den  ich  einige  Zeit  bei  mir 
führte,  gab  wenig  Wärme  und  war  langsam  im  Entzünden. 

Auf  dem  Bergrand  des  Despablado  (auch  schon  Paramo  genannt) 
in,Tiupullo  schliesst  sich  einer  jener  Nudo  (Knoten),  die  sich  in  der 
Aequatorialgegend  vervielfältigen.  In  den  zerrissenen  Felsinseln  der 
Magellanstrasse  aus  dem*  Meere  aufsteigend,  streift  das  südamerica- 
nische  Rückengebirge  in  zwei,  und  auch  drei,  Ketten  durch  Chile  und 
breitet  sich  dann  in  Bolivien  zu  dem  nach  Osten  vorgeschobenen 
Hochwall  aus,  der  zur  Scheidung  der  Wasser  zwischen  dem  Maranon 
und  Parana  beiträgt.  Auf  der  Puna  des  Titicaca-See's  scheiden  sich 
dann  bestimmter  jene  beiden  Bergmauern,  die  an  der  Aenderung  der 
Küste  bei  Arica^)  theilnehmend,  als  Cordillere  im  Westen  und  Andes 
im  Osten,  neben  einander  herlaufen,  die  Sierra  Peru's  zwischen  sich 
einschliessend,  besonders  deutlich  in  dem  Nudo  von  Vilcanota  bis 
zu  dem  Nudo  von  Pasco.  Weiter  nördlich  kommen  mit  dem  Zutritt 
von  Küstenketten  (wie  die,  welche  dem  Rio  Santa  seine  zeitweis 
nördliche  Richtung  anweiset)  transversale  Complicationen  vor,  bis 
sich  mit  dem  Zusammenschluss  bei  Loja  das  System  der  Querjoche 
bildet,  das  in  seinen  Knoten  das  Vulcanland  Ecuador's  in  einer  Suc- 
cession  von  eingesenkten  Hochthälern  durchschneidet.  In  dem 
Zwiebelgebirge  von  Pastos  gliedert  sich  dann  die  Drei-  oder  Vier- 
theilung der  columbischen  Andes-Cordillere,  die  mit  ihrem  einen 
Zweige  nach  Osten  hinüberstrebt,  zur  Erreichung  der  Sierra  nevada 
bei  Santa-Martha  (oder  doch  zur  Einhaltung  der  Richtung  dorthin), 
mit  dem  andern  im  Choco  erstirbt,  und  mit  den  beiden  mittleren 
(von  denen  der  sog.  centrale  die  Flusstheile  des  Cauca  und  Magda- 
lena bis  zu  ihrer  Zusammenmündung  trennt)  sich  in  dem  Berggewirre 
Antioquia's  in  einander  schlingt,  gleichsam  den  Endpunct  des  Gebirgs- 
zuges, der,  bei  der  schon  am  Atrato  statthabenden  Möglichkeit  für 
eine  Wasserverbindung  der  beiden  Oceane,  eines  directen  Anschlusses 
an  die,  dann  allmählig  wieder  auf  den  Isthmus  aufsteigenden,  Höhen 
ermangelt  und  nur  theoretisch  bis  zum  nördlichen  Felsgebirge  fort- 
gesetzt werden  kann. 

Die  neue  Richtung,  welche  der  columbische  Cordillere  nimmt, 
ist  gewissermassen  in  dem  Nudo  von  Tiopullo  voraus  angedeutet, 
oder  wenn    man    will,    bereits  in  der   westlichen  Vulcan-Region  des 


')  Bei  Arica  verwandelt  die  Küste  ihr  nordsüdliches  Streichen  in  ein  nordwestliches, 
und  daran  nimmt  (wie  Humboldt  bemerkt)  nicht  nur  die  westliche,  sondern  auch  die 
östliche  Gebirgskette  Thcil. 

Bastian:  America«   I.  ^ 


82  NACH   CHILE. 

Chimborazo.  Ungefähr  auf  gleicher  Höhe  mit  der  Punta  Parina,  dem 
entferntest  in  den  Pacific  auslaufenden  Vorgebirge  Südamerica's  und 
dem  Endpunct  des  von  Chile  heraufreichenden  oder  (in  der  Auf- 
fassung der  südlichen  Hemisphäre)  hinabreichenden  Wüstenstriches, 
verändert  der  Maranon  in  seiner  grossen  Beuge  die  bis  dahin  nörd- 
liche Richtung  in  eine  östliche,  und  nachdem  sich  die  auf  eine  Linie 
zusammengedrängte  Cordillere  im  Nudo  von  Savanilla  wieder  ent- 
faltet hat,  beginnen  sich  bald  die  Wasseradern  zu  sammeln,  die 
(neben  den  Küstenabflüssen  zwischen  Tumbez  und  Naranjal)  zur 
Bildung  des  weiten  Wasserbassin's  im  Golfe  von  Guayaquil  beitragen, 
vom  Azuay  bis  Chimborazo.  Jenseits  des  Chimborazo  und  Carihu- 
airazo  zieht  sich  dann  der  grosse  Vulcanring  umher,  der  (während 
der  Sungai  noch  im  Osten  thätig  ist)  zu  verschiedenen  Zeiten  er- 
loschenen Krater  (des  Altar,  Tunguragua,  Cotopaxi,  Corazon,  Iliniza, 
Pichineha,  Antisana  bis  zum  Cayambe),  zwischen  denen  der  Nudo 
von  Tiupullo  eine  Wand  vorschiebt,  welche  die  Wasserläufe,  die  sich  an 
der  (durch  eine  zwischengedrängte  Kette  getrennteren)  Küste  wieder 
auf  ein  geringes  Mass  reduciren,  nördlicher  sendet  (im  Gegensatz  zu 
den  südlichen  Abläufen  in  dem  Golfe  von  Guayaquil).  Quito  liegt 
bereits,  durch  den  aus  Chillogallo  und  Magdalena  mit  den  Abflüssen 
von  Cantera  und  Sanguna  gebildeten  Machängara  und  Rio  de  San 
Pedro,  im  Flussgebiet  des  Esmeraldas,  und  zugleich  dem  des  Napo 
nahe  gerückt,  aber  durch  die  Kette  Guamane  von  seiner  Quelle  ge- 
trennt, während  man  sich  diesseits  von  Tiupullo  für  den  Osten  noch 
im  Flussgebiet  des  Pastassa  findet,  der  gleich  dem  (im  Oyacache  auch 
vom  Cayambe  nnd  Pisambilla  genährten)  Napo,  seine  Quelle 
dem  hier  als  Vormauer  dienendem  Cotopaxi  entnimmt,  auf  wel- 
chem auch  der  in  den  Fällen  des  Salto  durchbrechenden  Rio 
Pedegral  (als  der  entfernteste  Zweig  des  Esmeraldas)  seinen  Ursprung 
findet.  Der  aus  Pisambilla  und  Cayambe  zusammengeflossene  San 
Francisco  vereinigt  sich  nach  Aufnahme  des  Quijos  und  Cozanga  als 
Coca  mit  dem  Napo. 

Am  Morgen  (August  3.),  ehe  noch  der  Tag  graute,  ritten  wir 
in  einer  grösseren  Gesellschaft,  meist  Kaufleute,  aus  Quito,  die  von 
Guayaquil,  oder  von  Lima  über  Guayaquil,  nach  ihrer  Heimath  zu- 
rückkehrten. Es  wurde  aufgebrochenem  Terrain  eine  öde  Hochfläche 
passirt,  bis  zur  Niedersenkung  in  die  Ebene  von  Machachi  mit  be- 
gleitenden Bergreihen.  Dann  zieht  sich  der  Weg  aufwärts  zum  mul- 
denartigen Abschluss  eines  in  Wiesen  und  Gebüsch  grün  schimmernden 


CUESTA    DE  LA   ROSA.  83 

Thaies   mit    den   Windungen   tief   eingeschnittener  Flussbetten    mit 
überhängender  Vegetation. 

In  einer  Berglandschaft  liegt  Tambillo,  wo  zum  Frühstück  ge- 
rastet wurde.  Vom  Cotopaxi  an  hatten  jetzt  die  berühmten  Vulcane 
Ecuadors  im  Gesichtskreis  gestanden,  Ilinisa  und  Ruminagui,  mit 
den  legendenhaften  Mythen  über  den  alten  Kriegerfürsten  des  Inca- 
heeres,  Cayambi,  dann  Pichincha. 

Es  blieb  noch  die  Cuesta  de  la  Rosa  zu  ersteigen,  einst  ein 
als  gefahrlichster  gefürchteter  Weg,  der  jetzt  durch  Strassen- 
bauten  verbessert  ist,  und  besonders  dieses  Eintrittspasses  zur  Haupt- 
stadt wegen,  soll  es  noch  im  Anfang  des  Jahrhunderts  in  Quito 
Brauch  gewesen  sein,  dass,  wenn  ein  Kaufmann  sich  zu  dem  Unter- 
nehmen einer  Reise  nach  Guayaquil  zu  entschliessen  hatte,  er  vorher 
sein  Testament  zu  machen  und  sein  Haus  in  Ordnung  zu  bringet 
pflegte. 

Von  der  Höhe  konnten  Seitenblicke  auf  ein  in  Bergreihen  ein- 
gefasstes  Thal  geworfen  werden,  und  dann  eröffnete  sich  weiterhin 
die  Aussicht  auf  entfernte  Bergspitzen,  während  am  Ende  der  von 
der  Wand  des  Pichincha  umzogenen  Gebirgsfläche  hinter  dem 
Kegelchen  des  Panecillo  auf  dem  Abhänge  Quito  liegt  (S.  Francisco 
de  Quito). 

Eine  Brücke  (des  Rio  Machängara^))  überschreitend,  fanden  wir 
uns,  bald  nach  Mittag,  in  den  Strassen  der  Stadt  und  nahmen  Logis 
im  Hotel  franc&. 

Nachdem  ich  unter  unseren  Landsleuten  mit  dem  Kaufmanns- 
haus der  Herren  Woodhouse  und  Küsell,  mit  Herrn  Architecten 
Schmidt,  der  mir  vielfach  behülflich  war,  Herrn  Witte  u.  A.  m.  bekannt 
geworden  war,  traf  ich  an  der  Wirthshaustafel  mit  dem  belgischen 
Consul  de  Ville  zusammen,  der  sich  schon  länger  mit  archäologischen 
Studien  beschäftigte,  sowie  mit  einigen  Franzosen,  meist  direct  oder 
indirect  zur  Legation  gehörig.  Eine  deutsche  Gesandtschaft  fand 
sich  nicht,  da  die  diplomatische  Vertretung  mit  der  peruanischen 
verbunden  war,  weshalb  auch  Herr  Dr.  Lührssen  bereits  Quito  zur 
Uebergabe  seiner  Accreditive,  im  Jahre  vorher  persönlich  be- 
sucht hatte. 

Zu  den  Bekanntschaften,  die  ich  machte,    gehörte  die  des  eng- 


*)  El  Machängara  sc  compone  de  las  vertientes  de  Chillogallo,  Magdalena  y  de  los 
riachuelos  de  la  Cantera  y  Sangufia,  que  nacen  del  Pichincha,  atraviesan  la  ciudad  de  Quito 
para  reunirse  al  Machängara,  cl  que  con  los  nombres  de  Santa  Rosa  Güapulo  y  Cum- 
bayä  continua  hasta  desaguar  en  el  Tumbaco  (des  Esmeraldas). 

6* 


34  NAril   CTTTLK. 

lischen  Ministers,  Herrn  Hamilton,  der  eine  hochgelegene  Villa  mit 
herrlicher  Aussicht  bewohnte  (und  aus  dem  Nachlass  des  dort  verstor- 
benen Ministers  der  Vereinigten  Staaten  einige  Alterthümer  besass). 
sowie  eines  in  der  Legacion  angestellten  Schweden,  Herr  L.  Sed- 
jeström,  der  sich  mit  naturwissenschaftlichen  Studien  beschäftigte, 
dann  die  einheimischen  Gelehrten  Dr.  Herrera,  Dr.  Cevallos  u.  A.  m., 
sowie  einige  der  Jesuiten-Lehrer  im  Collegium ,  darunter  den  deut- 
.schen  Padre  Schumacher. 

Von   Alterthümern   wusste    man    nicht    viel,    und    Sammlungen 
.schienen   kaum    zu    existiren.     Als    eine    im  Privatbesitz  befindliche, 
wurde  nur  die  eines  Herrn  Xavier  Velasco  genannt,    der  indess  ab- 
wesend war.     Meine  Ankäufe  waren  deshalb  nicht  sehr  ausgedehnt. 
In  der  Stadt  selbst  haben    sich  keine  der  alten   Monumente    er- 
halten, an  denen  Cuzco,    die  ältere  Incastadt,    so  reich  ist,   und  nur 
an  einigen  Stellen  schwache  Erinnerungen.    In  dem  La  Tola  genann- 
ten Hügel,  am  Fusse  der  Quebrada  findet  sich  eine  spitzbogenartig 
ausgewölbte   Höhle    (mit   Löchern    früherer  Balken),    von    der   eine 
Seitenöffnung    ausläuft,    als  die  den  Inca  zugeschriebene  Sala  de  las 
armas  (Waffensaal).    An  dem  Abhänge  dieses,  von  der  Strasse  überzo- 
genen, Hügel's  wurden  zwei  aus  dem  Felsen  rund  ausgehöhlte  Brunnen 
(in  der  Oeffnung  mit  halbrunden  Steinen  umlegt),  von  denen  der  eine 
ganz,    der    andere    halb    verschüttet    ist,    als  Cuba  de  los  Incas  be- 
zeichnet.    Die  Kirche  St.  Catalina,    auf  hügeliger  Erhebung    in  der 
unteren  Stadt,  steht   auf  dem  Platz    des  Klosterhauses   der  Sonnen- 
jungfrauen, und  früher  waren  an  derselben  zwei  Steine,  mit  den  Bil- 
dern der  Sonne  und  des  Mondes,  eingemauert.     Nach  dem  Heraus- 
nehmen, während  einer  Reparatur,  wurden  sie  nach  dem  Colleg  der 
Jesuiten  geschafft,  und  dort,  wie  Dr.  Herrera    mir  mittheilte,    später 
zerbrochen.     Auf  meinen  Wunsch  wurden  einige  Nachsuchungen  für 
die  Stücke  angestellt,  aber  ohne  Erfolg. 

Dass  so  Weniges  in  Quito  die  Architektonik  der  Incas  anzeigt, 
hat  zunächst  seinen  Grund  in  der  kurzen  Dauer  ihrer  dortigen  Herr- 
schaft, und  dann  in  der  Benutzung  der  vorhandenen  Steine  zum 
Kirchenbau.  Unter  letzterem  Vorwande  soll  Ampudia  die  alten  Ge- 
bäude systematisch  haben  abtragen  lassen,  bis  zum  letzten  Stein,  in 
der  Hoffnung  Schätze  zu  finden,  die  besonders  in  den  Fundamenten 
vermuthet  wurden. 

Der  Mondtempel  wird  nach  der  niedrigen  Höhenwölbung  von 
San  Juan  verlegt,  während  der  Sonnentempel  auf  dem  Kegel  des 
Panecillo  (Javiroc),  ausserhalb  der  Stadt,  gestanden  haben  soll.     Auf 


PANECILLO.  35 

der  Spitze  desselben  trifft  man  allerlei  Reste  verfallenen  Mauerwerks, 
meist  von  spanischen  Befestigungsarbeiten  herrührend.  In  der  Aus- 
sicht von  dort  enthüllt  sich  die  grossartige  Lage  Quitos,  von  der 
man  unten,  oder  gar  innerhalb  der  Stadt,  nur  wenig  gewahr  wird. 
Wenn  man  den  Rücken  gegen  die  in  einer  Vielfachheit  zackiger  Er- 
hebungen aufstrebende  Wand  des  Pichincha*)  wendet,  schweift  der 
Blick  über  die,  am  Abfall  von  Schluchten  umzogene,  Stadt,  und  eine 
wellige  Fläche  jenseits,  zu  dem  fernen  Cayambi,  dem  auf  dem 
Aequator  emporsteigenden  Vulcan,  von  dem  sich  am  Horizont  die 
Cordillere  mit  ihren  Schneehäuptern  herumzieht,  bis  dann  über  eine 
näher  tretende  Berghalde  der '  mächtige  Cotopaxi  hervortritt  und 
weiterhin,  hinter  dem  Muldenthal  von  Chillogalli,  der  zackige  Ilinisa 
sich  wieder  dem  Pichincha  anschliesst,  mit  Sara-Urcu,  Antisana,  Tun- 
guragua,  Altar  oder  Capac-Urcu  u.  s.  w.  in  den  Kreis  eingeschlossen. 

De  Quito  al  cielo,  heisst  es  im  Sprichwort  dieser  hochgelegenen 
Stadt,  als  ob  man  dem  Himmel  dort  bereits  näher  wäre,  ähnlich  wie 
in  Indien  Benares,  wo  man  die  Niederungen  des  Ganges  hinter  sich 
hat,  als  Halbwegehaus  zum  Himmel  gilt,  wegen  seiner  Heiligkeit. 
„Etliche  unserer  Leute  meinten,  dass  sie  nur  einen  Steinwurf  weit  vom 
Himmel  wären",  bemerkt  Wafer,  als  von  den  Barkadeers  (Baranca  bei 
St.  Martha)  die  hohen  Berge  überklettert  wurden. 

Bei  der  Rückkehr  zur  Stadt  betrat  ich,  unter  gelegentlichen 
Vorwänden,  einige  der  ärmlichen  Hütten  der  Cholos  (oder  Gente  de 
Bayeta')  am  Fusse  des  Panecillo,  um  über  die  Umgebung  mit  den 
Indianern  Gespräche  anzuknüpfen,  die  freilich,  bei  der  Scheuheit  der- 
selben, immer  schwierig  im  Beginn,  und,  bei  ihrer  Beschränktheit, 
meist  resultatlos  am  Ende  sind.  So  wurde  ich  auch  hier  durch  mein 
Fragen  (und  das  Wenige,  was  ich  darauf  zur  Antwort  bekam),  nicht 
viel    klüger,    bemerkte  aber  doch,    als  ich  während  des  Anzündens 


')  Neben  dem  Rucu-Pichincha  oder  dem  Alten,  wird  der  Huahua-Pichincha  oder  der 
Junge  unterschieden,  während  in  Guatemala  (nach  Mexico*«  Analogie)  mit  Hua-hua  (oder 
Huc-huc)  wieder  das  Alter  bezeichnet  wird  (und  gua  weit  verbreitet  ist).  Quito  is  built 
on  what  raay  he  called  a  ledge  of  the  volcanic  mountain  of  Pichincha  at  an  elevation  of 
9528  feet  above  the  level  of  the  sea  (Jameson).  Reiss  und  Sttibel  geben  2850  Meter 
Höhe. 

')  Als  Bezeichnung  für  die  Gemeinen,  da  sich  auch,  nachdem  die  Phrase  ,,Todo 
blanco  es  caballero",  politisch  seine  Bedeutung  verloren  haben  sollte,  doch  neue  Rang- 
unterschiede bildeten,  wie  in  den  adlig  hervorragenden  Mantuanos  Venezuela's,  während 
die  durch  päpstliches  Decret  in  die  Rechte  einer  ,, gente  de  razon"  zugelassenen  Indianer 
unter  sich  wieder  das  Ansehen  des  Caciazgo  respecliren.  Üie  Gente  distinguida  und 
Gente  de  Pueblo  unterscheiden  sich  durch  die  Stiefel. 


86  NACH   CHILE. 

einer  Cigarette  unter  einem  dieser  halbdunkelen  Dachüberhänge  um- 
herspähte, zwischen  den  Kochgeräthen  ein  Gefäss  etwas  abweichen- 
der Form,  das  sich  bei  näherem  Besehen  in  der  That  als  ein  antikes 
ergab,  und  beim  Abreiben  des  Schmutzes  auch  Omamentirung  er- 
kennen Hess.  Auf  meine  Erkundigung  hörte  ich,  dass  es  beim  Kar- 
toffelgraben gefunden  war,  und  liess  ich  mich  dann  zu  der  Stelle 
führen,  gerade  am  Aufgang  zum  Panecillo.  An  sich  war  das  Gefäss 
von  keiner  Bedeutung,  da  ich  bereits  eine  grössere  Zahl  weit  kost- 
barerer erworben  hatte,  aber  sein  Interesse  lag  darin,  auf,  dem  Platze 
des  Sonnentempels  gefunden  zu  sein,  und  erregte  es  deshalb  auch 
Aufsehen  unter  den  Archäologen  Quitos,  die.  bis  dahin  unterlassen 
hatten,  Ausgrabungen  auf  dem  Panecillo  anzustellen.  Vielleicht  würde 
ich  mich  daran  versucht  haben,  wenn  nicht  aus  anderen  Gründen 
meine  Abreise  zu  beschleunigen  gewesen  wäre. 

Aehnlich  der  Jungfrau  von  Düna  im  Amt  Herzberg  (s.  Wächter) 
lebt  im  Panecillo,  nach  der  Volkssage,  innerhalb  eines  Palastes  eine 
Jungfrau,  die  einen  armen  Bauer,  der  einst  zum  Schutz  vor  Regen 
unter  einen  Felsen  geflüchtet  war,  einlud,  sie  in  den  Berg  zu  begleiten, 
und  ihm  dort  einen  Maiskolben  schenkte,  der  sich  beim  Nachhause- 
kommen  in  Gold  verwandelte,  da  man  sich  hier  im  wirklichen  Gold- 
land fand,  während  in  den  nur  unedle  Metalle  producirenden  Län- 
dern, solche  Feengeschenke,  die  aus  Gold  schienen,  sich  später  in 
Kohle  oder  Sand  venvandeln.  Nach  Bollaert  bedeutet  Yavira  (der  Name 
des  Panecillo  in  der  Inca-Zeit)  Jungfrau  (nach  darischem  Dialect). 

Die  Stadt  ist  von  Quebraden  durchsetzt,  in  welchen  bei  den 
Regen  die  Wasser  des  Pichincha  hinströmen.  Die  Strassen  laufen 
auf  und  ab,  und  sind,  obwohl  seit  1863  gepflastert,  nicht  von  grösster 
Reinlichheit.  Hassaurek  nennt  Quito  „one  of  the  filthiest')  capitals 
in  Christendom"  und  giebt  über  die  Schmutzereien  vielerlei  Details, 
die  jeder  Reisende  in  Südamerica  vermehren  könnte,  wenn  sich  der 
Ekel  ihrer  Beschreibung  überwinden  Hesse.  Die  aus  Adobes  ge- 
bauten Häuser  mit  doppeltem  Dach  (wegen  der  Platzregen)  sind  meist 
im  oberen  Stockwerk  bewohnt,  während  der  untere  von  Läden  oder 
Wohnungslöchern  eingenommen  wird.  Die  Kostbarkeit  des  Glases 
in  Folge  des  schwierigen  Transportes    bedingt    an    sich  die  Dunkel- 


J)  Dazu  trägt  bei  „the  want  of  water-closels  and  privies  which  are  not  considered 
as  neccssary  fixtures  of  private  residences",  und  in  solcher  Hinsicht  beklagt  Hill  auch  in 
Arequipa  den  „want  of  common  delicacy  even  in  the  fair  sex".  Die  spanische  Bevölke- 
rung wird  so  durch  die  Indianer  beschämt,  denn  die  Häuser  (in  Yucatan):  tenian  una 
portezilla  alras  para  el  servicio  necessario  (Landä). 


QUITO.  87 

heit,  selbst  in  den  besseren  Räumen.  Die  Hausthüren,  neben  wel- 
chen der  Huasicama  oder  Portier  logirt,  sind  meistens  hoch,  damit 
man  beritten  hineingelangen  kann,  und  im  Innern  finden  sich  Höfe 
oder  Corral,  sowie  mitunter  Gärten,  welche  in  den  Klöstern  eine 
grössere  Ausdehnung  zu  besitzen  pflegen. 

Während  der  spanischen  Herrschaft  wurden  unter  dem  allgemei- 
nen Monopol  des  Mutterlandes  diejenigen  Fabrikzweige,  die  den  Colo- 
nien  erlaubt  blieben,  in  Quito  concentrirt,  das  so  zum  Sitz  der  In- 
dustrie gemacht  wurde,  und  auch  der  schönen  Künste  durch  Ein- 
richtung von  Kunstschulen.  In  vielen  Kirchen  Südamerica's  findet 
man  Gemälde  aus  Quito,  und  noch  jetzt  producirt  dort  die  Maler- 
familie der  Sala  s. 

Am  berühmtesten  war  der  Maler  Miguel  de  Santiago  (neben 
Samaniego,  Cortez,  Solis)  und  unter  den  Bildhauern  wird  besonders 
Bernardo  Legardo  genannt.  Manche  Manufacturen,  wie  Teppiche 
und  Aehnliches,  werden  auch  gegenwärtig  bis  in  die  Nebenländcr 
verfuhrt.  Die  Eifersucht  des  Mutterlandes  liess  es  indess  selbst  bei 
den  begünstigten  Ausnahmen  nie  zur  ruhigen  Entwicklung  kommen. 
Als  der  Graf  von  CasaGiron  in  Otavalo  die  Wollenfabrikation  einge- 
führt hatte,  musste  er  auf  Befehl  der  Regierung  die  in  s  Land  ge- 
brachten Maschinerien  wieder  zerstören  und  die  von  Spanien  gehol- 
ten Arbeiter  dorthin  zurückschicken.  Um  Rivalisirungen  der  Colo- 
nien  zu  verhindern,  verboten  die  Spanier  den  Weinbau  in  Quito,  des 
an  der  peruanischen  Küste  betriebenen  wegen,  und  die  Silbergruben 
Neu-Granada's  blieben  unbenutzt  zum  Besten  derer  von  Mexico 
(s.  Lallement).  Nach  F.  Hall  wurde  im  Jahre  1810  der  jährliche 
Werth  der  in  den  Provinzen  von  Quito,  Cuenca,  Casanare,  Guayaquil, 
Tunja,  Socorro  und  Pamplona  hergestellten  Manufacturen  auf  einen 
Werth  von  5  Millionen  Dollars  berechnet. 

Bischof  Calama,  der  die  Escuela  de  la  Concordia  leitete  (1789), 
erkannte  den  Zustand  des  Landes,  der  noch  nicht  den  Luxus  der 
schönen  Künste  erlaubte,  sondern  zunächst  eine  Verbesserung  der 
täglichen  Lebensbedürfnisse  verlangte,  und  setzte  eine  Prämie  auf 
Herstellung  eines  geniessbaren  Brodes,  (obwohl  noch  jetzt  nur  das 
„pan  frances"  dafür  gilt).  Sein  Secretär  Xavier  begründete  die  erste 
Zeitschrift  Quitos  im  Jahre  1792. 

Die  Indianer  Quito 's  gehören  zu  den  Quichua  Redenden,  wie  sie 
auch  im  Allgemeinen  den  Charactfer  der  Sierra-Rasse  tragen.  Ein- 
zeln, aber  nur  zu  bestimmten  Jahreszeiten;  kommen  Vertreter  der 
wilden    Stämme    aus    den    Missionen    am   Napo   zum  Verkauf  ihrer 


88  NACH    CHII>E. 

Landeserzeugnisse  nach  der  Hauptstadt,  und  von  ihnen  rühren  auch 
die  eingeschrumpften  Indianerköpfe  ^  deren  Bereitungsart  von  Ürton 
beschrieben  ist. 

Wie  Padre  Boetzker  mir  mittheilte,  bewahren  die  Colorados  oder 
Yumbos  in  St.  Domingo  die  alte  Sitte,  die  Nasenspitze  zu  durch- 
bohren und  sie  durch  einen  Dorn  offen  zu  halten.  Der  in  dem 
Hause,  welches  verlassen  wird,  begrabene  Todte  wird  durch  einen 
Faden  mit  den  aufgestellten  Speisen  und  Getränken  in  Rapport  ge- 
setzt, bis  die  Verfaulung  des  Leichnams  anzeigt,  dass  die  Seele  die 
Brücke  in's  Jenseits  passirt  hat.  Stevenson  fand  silberne  Haarnetze 
und  sonstigen  Silberschmuck  bei  den  Colorados  in  Gebrauch  (i8io). 
Die  Indianer  in  Zambuja  (bei  Quito)  .tragen  langes  Haar  (wie  in 
Cucnca)  und  (statt  der  Hosen)  ein  Hemdenschurz.  In  Zaupulo 
(zwischen  Quito  und  Ibarra)  hat  sich  eine  Indianerfamilie  erhalten, 
deren  Haupt  jede  Berührung  mit  den  übrigen  Indianern  vermeidet, 
weil  er  sich  von  den  alten  Caziken  abstammend  meint. 

Die  Geschichte  Quitos  geht  noch  vor  der  Ankunft  der  Cara 
auf  frühere  Perioden  zurück  und  erhielt  ihren  vollen  Glanz  mit  dem 
Einzüge  Huayna-Capacs,  durch  dessen  Begünstigung  dann  die  neue 
Hauptstadt  rasch  zur  Rivalin  des  stolzen  Cuzco  emporwuchs.  Wäh- 
rend dieser  alte  Stammessitz  der  Inca's,  durch  Huascars  Gefangen- 
schaft gelähmt,  fast  widerstandslos,  nach  dem  gegen  Atahualpo 
gewagten  Handstreich,  in  die  Hände  der  Spanier  fiel,  wurde  die  Ent- 
scheidung über  das  von  jener  Dynastie  gestiftete  Reich  in  den  Län 
dem  Quitos  ausgekämpft. 

Als  Sebastian  de  Benalcazar,  von  Pizarro  zum  Gouverneur  von 
St.  Miguel  (Piura)  eingesetzt,  auf  dem  Feldzuge  gegen  Quito  nach 
Zoropalta  (im  Land  der  Palta's)  gekommen  war,  stiess  er  auf  den  Inca- 
Fürsten  Chiaquitinta  (Chia-Quitinta),  den  die  in  Quito  befehligenden 
Generäle  Yrruminavi  (nach  derCatastrophe  in  Caxamarca  dorthin  geeilt) 
und  Zopegopagua  mit  einem  Beobachtungscorps  am  Heerwege 
stationirt  hatten.  Nachdem  der  dort  crfochtene  Sieg  die  Spanier  in  den 
Besitz  von  Tumebamba  (und  die  Bundesgenossenschaft  der  Canar) 
gesetzt  hatte,  war  eine  zweite  Schlacht  in  Teocaxas  zu  liefern,  und 
die  Indianer  zogen  sich  dann  unter  kurzem  Widerstände  in  die  erst 
bei  Ambato  und  dann  bei  Tacunga  aufgeworfenen  Befestigungen  vor 
den  von  Riobamba  heranrückenden  Spaniern  nach  Quito  zurück,  das 
Yrruminavi  nach  Verbrennung  der  königlichen  Schlösser  verliess, 
worauf  Benalcazar  von  Panzaleo  dort  einzog  und  mit  Hülfe  der  ver- 
bündeten Canares  einen   nächtlichen  Angriff  Vrruminavi's  (der  durch 


unter(;ang  des  inca-reiches.  89 

die  Yanaconas  in  der  Stadt  von  der  Entfernung  des  auf  seinen  Streif- 
zug ausgesandten  Pacheco  unterrichtet  war)  zurückschlug.  Yrruminavi 
flüchtete  in  die  Berge  von  Yumtfo,  wurde  aber,  nachdem  Zopezo- 
pagua  sich  mit  Quijigalimba  und  den  übrigen  Feldherren  auf  Ampu- 
dia's  Aufforderung  hin  unterworfen  hatte,  durch  Valle  in  seinem  Ver- 
steck aufgefunden  und  von  Benalcazar  hingerichtet. 

In  der  Zwischenzeit  hatte  nochmals  der  General  Quizquiz  aus 
verschiedenen  Mitimaes  ein  Heer  um  sich  gesammelt  und  besonders 
aus  den  in  dem  Blutbade  am  See  Yaguarcocha  übrig  gebliebenen 
Guamaraconas  (von  Carangue,  Otabalo,  Cayambe  und  Umgegend), 
indem  er  ihnen  im  Falle  des  Sieges  über  die  Spanier  die  Rückgabe 
der  ihnen  von  Huayna-Capac,  zur  Strafe  ihres  Aufstandes,  entzogenen 
Ländereien  ihrer  Heimath  versprach. 

Nachdem  Quizquiz  den  auf  Cuzco  beabsichtigten  Angriff,  bei  der 
dortigen  Anwesenheit  Franzisco  Pizarro's  nicht  auszuführen  gewagt, 
und  auch  den  Ueberfall  der  von  Roxas  in  Xauxa  befehligten  Spanier 
fehlgeschlagen  gesehen  hatte,  beschloss  er  (in  Begleitung  des  von 
ihm  gekrönten  Inca  Huayna-Palcon)  den  Kriegsschauplatz  nach  Quito 
zu  verlegen,  traf  aber  (von  Soto  verfolgt)  auf  dem  Wege  dahin  mit 
dem  von  seiner  Zusammenkunft  mit  Pedro  de  Alvarado  (aus  Guate- 
mala) zurückkehrenden  Almagro  zusammen,  der  in  Canar  seinen  An- 
zug hörend ,  die  von  Zota  -  Urco  geführte  Vorhut  bei  Chaparas  zer- 
sprengte und  später  (in  der  Fortsetzung  seiner  Reise  nach  Piura) 
noch  ein  durch  die  Ueberzahl  der  Indianer  für  die  Spanier  gefahr- 
liches Gefecht  mit  der  Nachhut  zu  bestehen  hatte,  während  Quizquiz 
mit  dem  Gros  der  Armee  von  seiner  bisherigen  Route  ablenkend, 
sich  über  den  See  von  Colta  nach  Riobamba  zu  ziehen  suchte. 

Dort  wurde  ihm  indess  der  Weg  durch  Benalcazar  abgeschnitten, 
wodurch  in  seinem  Lager  eine  allgemeine  Entmuthigung  hervor- 
gerufen wurde,  und  als  Quizquiz  im  Kriegsrath  nichtsdestoweniger 
zur  Fortsetzung  des  Widerstandes  ermahnte,  wurde  er  im  darüber 
entstehenden  Streite  vom  Inca  selbst  niedergestossen.  Dieser  suchte 
Zuflucht  bei  seinem  Onkel  Cachulima  (Don  Marcos  Duchicela)  in 
Cacha  und  das  letzte  Heer  der  Epoche  des  Inca -Reichs  zerstreute 
sich  dann  nach  allen  Richtungen,  so  dass  Benalcazar  seinen  Erobe- 
rungszug  nach  Norden  fortsetzen  konnte. 

Schon  am  Tage  nach  meiner  Ankunft  hatte  ich  mich  in  den 
Regierungspalast  begeben,  um  eine  Audienz  bei  dem  Präsidenten 
nachzusuchen,  wurde  dann  aber  von  demselben  sogleich,  ohne  wei- 
tere Ceremonien,  in  sein  Arbeitszimmer  zugelassen.    Die  bedeutsame 


90  NACH   CHILE. 

Stelle,  die  dieser  Mann  in  der  neueren  Geschichte  Ecuadors  gespielt 
hat,  ist  bekannt,  und  gleich  beim  ersten  Zusammentreffen  gewann 
man  den  Eindruck  einer  tiefer  angelegten  Persönlichkeit,  die  bei  der 
sonstigen  Oberflächlichkeit  des  geistigen  Lebens  um  so  durchgrei- 
fender und  nachhaltiger  auf  dasselbe  einwirken  musste.  Durch  die 
in  Paris  verlebten  Studienjahre  zum  Verständniss  der  in  der  Wissen- 
schaft gestellten  Aufgaben  geführt,  blieb  er  auch  nach  seiner  Rück- 
kehr der  ernstlichen  Arbeit  treu,  und  Humboldt  konnte  rühmend 
seines  Namens  unter  denen  der  wissenschaftlichen  Ersteiger  des 
Pichencha  Erwähnung  thun  (1844  mit  dem  Ingenieur  Wisse  und  1857 
mit  dem  um  die  Botanik  Ecuador's  verdienten  Professor  Jameson). 
Als  dann  im  Wechsellauf  der  politischen  Verhältnisse  die  höchste 
Gewalt  im  Staat  in  seine  Hand  gelegt  war,  glaubte  er  sich  zur  Re- 
form des  ihm  anvertrauten  Volkes  berufen,  und  nahm  es  dann  aller- 
dings mit  den  Mitteln,  die  zu  solchem  Zwecke  führen  konnten,  nicht 
allzu  genau,  so  dass  mehr  Menschenblut  geflossen  sein  soll,  als  er- 
forderlich gewesen  wäre.  Wie  so  häufig  ihre  Zeit  überragende  Cha- 
ractere,  fühlte  auch  er  sich  ein  Werkzeug  in  höherer  Hand,  und  als 
gläubiger  Bekenner  der  katholischen  Kirche  musste  er  in  ihr  ge- 
nügende Elemente  finden,  um  den  Fanatismus  zu  dem  Extrem  zu 
treiben,  wodurch  sein  republicanisches  Land  jenem  Papst  geschenkt 
wurde,  der  schon  früher  darüber  verfugt  hatte,  als  er  die  Erde 
zwischen  seine  königlichen  Söhne  theilte.  Hieran  schloss  sich  die 
Berufung  der  Jesuiten  als  Lehrer,  welche,  da  man  besonders  aus 
Deutschland  einige  verhältnissmässig  gut  vorbereitete  Gelehrte  schickte, 
eine  Zeit  lang  unter  den  südamericanischen  Verhältnissen  gewiss 
ganz  nützlich  hätten  wirken  können,  und  auch  ohne  grossen  Schaden, 
da  sich  die  Auswüchse  des  Principe's  später  von  selbst  an  dem 
Widerstände  des  in  seiner  Uebermacht  bereits  genugsam  documen- 
tirten  Zeitgeistes  gebrochen  haben  würden.  Ausserdem  wandte  sich 
der  practische  Sinn  Garcia  Moreno's  besonders  den  materiellen 
Interessen  des  Landes  zu  und  für  ihre  Hebung  wurde  verständiger 
Weise  zunächst  der  Wegebau  in  Förderung  genommen.  Dass  auch 
hier  wieder  Missgriffe  vorkamen,  lehrt  die  ecuadorianische  Eisen- 
bahn ohne  Anfang  und  Ende,  aber  die  erlangten  Erfolge  wird  Nie- 
mand verkennen,  der  auf  der  gegenwärtigen  Reise  nach  Quito  die 
letzte  Hälfte  des  Weges  mit  früheren  Beschreibungen  vergleicht. 

Der  Präsident  ging  bei  unserer  Unterredung  nicht  ohne  Interesse 
auf  die  dargelegten  Pläne  ein,  er  versprach  mir  jeden  Schutz  und 
Förderung  selbstständiger  Arbeiten,    (die   ich  damals  besonders   am 


GARCIA   MORENO.  91 

See  Yaguarcocha  zu  unternehmen  beabsichtigte)  durch  die  Regie- 
rungsbeamten, und  obwohl  zunächst  die  naturwissenschaftliche  Seite  des 
Unterrichts  bei  dem  niederen  Bildungsgrad  des  Landes  in  Förderung 
genommen  werden  müsse,  bewahre  er  doch  die  Hoffnung,  auch  bald 
an  die  Gründung  eines  archäologischen  oder  ethnologischen  Museum's 
denken  zu  können,  und  dann  solle  Anordnung  geti-offen  werden,  dass 
die  Doubletten  systematischer  Ausgrabungen  dem  Berliner  Museum 
abzugeben  sein  würden,  gegen  von  dort  geleistete  Aequivalente. 

Die  schönen  Hoffnungen,  die  dadurch  erregt  waren,  überlebten 
leider  kaum  24  Stunden.  Am  folgenden  Tage  schon,  um  dieselbe 
Stunde,  in  der  ich  eine  Audienz  gehabt  hatte,  wurde  Garcia  Moreno 
von  Mörderhand  getroffen,  und  es  ist  bezeichnend  für  das  südameri- 
canische  Leben,  dass  die  —  den  Präsidenten  der  Republik  —  in  seinem 
Palast,  —  inmitten  der  Hauptstadt,  — auf  dem  Marktplatze  derselben,  ~ 
um  die  Mittagsstunde,  —  nicht  mordenden,  sondern  im  Wuthgrimm  ge- 
mächlich zerfetzenden  und  zerfleischenden  Meuchler  ruhig  und  unauf- 
gehalten  sich  entfernen  konnten ,  bis  sie  erst  viele  Tage  oder  Wochen 
später,  der  Eine  hier  und  der  Andere  da,  aufgespürt  wurden.  Nur 
Einer  von  den  Dreien,  der  in  noch  nicht  gesättigtem  Rachedurst 
nochmals  nach  dem  Verwundeten  umkehrte,  wurde  an  Ort  und  Stelle 
von  den  Soldaten  ergriffen. 

Der  Schreckensauflauf  durch  die  Strassen  gab  uns  Kunde  von 
dem,  was  vorgegangen,  und  das  Unglaubliche,  und  plötzlich  Un- 
erwartete desselben,  füllte  die  ganze  Stadt  mit  rathloser  Panik.  Die 
Kaufleute  beeilten  sich  ihre  Läden  zu  schliessen,  alle  Häuser  wurden 
verbarricadirt  und  verrammelt,  die  Strassen  wurden  von  Truppen 
besetzt,  aber  ohne  bestimmte  Ordre  darüber,  wer  als  Freund  und 
wer  als  Feind  anzusehen.  Man  sprach  von  einer  weit  verzweigten 
Verschwörung,  die  jeden  Augenblick  im  offenen  Aufstand  losbrechen 
würde,  aber  Nfemand  wusste  von  woher  oder  gegen  wen.  In  Gar- 
cia Moreno's  Autokratie  war  eben  die  gesammte  Staatsgewalt  ver- 
körpert gewesen,  und  mit  ihm  war  nun  der  Kopf  gefallen,  ohne  dass 
die  Glieder  wussten,  wem  gehorchen,  oder  für  wen  arbeiten. 

Die  verstümmelte  Leiche  war  in  die  Cathedrale  gebracht,  wo 
ich  sie  bei  Einlass  in  die  Zimmer  der  anschliessenden  Wohnung  auf 
dem  Boden  ausröchelnd  liegen  fand,  von  Aerzten  umgeben,  deren 
Sorge  hier  keine  Hülfe  mehr  leisten  konnte. 

Angstvolle  Spannung  lagerte  über  der  Stadt.  Nur  Wenige  wag- 
ten sich  auf  die  Strassen,  da  überall  die  Posten  anriefen,  und  weder 
über  Frage    noch  Antwort    etwas  Festes   vereinbart   war.     Nur  die 


92  NACH    CHILE. 

Blutlachen  auf  dem  Markt  waren  von  Menschenhaufen  umgeben, 
und  manche  Thräne  wurde  vergossen  dir  den  „Padre  de  la  Patria." 
In  den  anderen  Provinzen  des  Reichs  hörte  ich  später  freilich  den 
Abgeschiedenen  mit  sehr  verschiedenen  Epitheten  belegen,  je  nach 
der  Parteistellung.  Jedenfalls  ist  das  Leben  Garcia  Moreno's  von 
grausigen  Blutspuren ^)  befleckt,  die  sich  nicht  wegwaschen  lassen, 
aber  andererseits  erhebt  ihn  seine  Uneigennützigkeit  in  Geldangelegen- 
heiten so  hoch  über  den  Pfuhl  americanischer  Corruption,  die  auch 
die  heiligsten  Interessen  des  Landes  unbedenklich  selbstsüchtigen 
Zwecken  zu  opfern  bereit  ist,  dass  der  Werth  der  dadurch  dem  Ge- 
meindewesen erwachsenen  Vortheile,  vielleicht  die  Schwere  persön- 
licher Verbrechen  einigermassen  aufwiegen  mag. 

Am  folgenden  Tage  wurden  die  Leichenfeierlichkeiten  abgehalten 
und  Vorbereitungen  getroffen,  den  Commandanten  Campos  Santos 
zu  erschiessen,  den  man  complicirt  glaubte. 

Ueber  die  Hauptstadt  wurde  der  Kriegszustand  verhängt,  und 
man  berieth  darüber,  sich  auf  eine  Belagerung  gefasst  zu  machen,  da 
das  Gerücht  umlief  von  einem  Pronunciamento  in  Guayaquil  und  dem 
Anzug  der  dadurch  zu  den  Waffen  Gerufenen.  Guayaquil  ist  ge- 
wöhnlich der  Centralheerd  der  dortigen  Revolutionen,  wie  es  sich 
auch  bei  der  Constituirung  des  alten  Columbia  eine  Zeitlang  davon 
getrennt  und  selbstständig  hielt. 

Unter  solchen  Umständen  hielt  ich  es  nicht  für  angezeigt,  meinen 
Aufenthalt  in  der  Hauptstadt  zu  verlängern  oder  die  Reise  nach 
Norden  fortzusetzen,  da  diese  Localfehden  zu  geringes  Interesse  ge- 
währten, um  sich  ihrerwegen  des  Zeitverlustes  eines  Einschlusses 
auszusetzen,  der,  wenn  er  vielleicht  auch  weniger  Risico  bot,  als  das 
Leben  auf  der  Landstrasse,  doch  zugleich  auch  weniger  Unabhängig- 
keit, sich  in  die  jedesmalige  Lage  nach  der  vortheilhaftesten  Seite 
zu  schicken. 

Der  Entschluss  der  Abreise  war  indess  leichter  gefasst,  als  aus- 
geführt, da  sämmtliche  Thiere  für  militairische  Zwecke  bereits  requi- 
rirt  waren,  und  auch  kein  Schritt  ausserhalb  der  Stadt,  ohne  Pass- 
erlaubniss,  gethan  werden  durfte.  Die  letztere  erwirkte  ich  mir  ohne 
Schwierigkeit  von  dem  Stadtgouverneur,  und  derselbe  hatte  auch 
die  Freundlichkeit,  mir  die  erforderlichen  Reit-  und  Lastthiere  zu- 
zusagen. Doch  war  er  selbst  nicht  Herr  genug  der  Situation,  um 
dieses  Versprechen  ohne  Weiteres  auszuführen,    und    ich    hatte  nun 


1)    Siehe  darüber  Einiges  bei   Hassaurek.     Four   years    among    Spanish  •  Americans, 
(Lgmlon   l868)  S.  226—234. 


HKLAr,F.RrN(;szrsTAM,>.  93 

eine  lästige  Zeit  davon,  in  den  Bureau's  umherzuwandern,  und  wenn 
bei  meiner  Rückkehr  die  eben  ausgefertigten  Befehle  schon  contre- 
mandirt  waren,  den  Gegenbefehl  nochmals  gegenbefehlen  zu  lassen. 

Wie  ein  Unglück  selten  allein  kommt,  so  auch  hier,  denn  als 
ich  eines  Morgens  erwachte,  sah  ich  mich  vergebens  nach  meinem 
Burschen  und  dem  Caffee  um,  und  als  auch  die  Frühstückszeit  ohne 
ihn  herankam,  begann  ich  über  sein  Schicksal  zu  grübeln,  bis  ich 
durch  indirecte  Nachricht  soweit  beruhigt  wurde,  dass  er  sich  an 
einem  gesicherten  Platze  finde,  nämlich  im  Gefängniss.  Als  alter 
Soldat  hatte  er  mit  einem  andern  Veteran  die  Erinnerungen  an  den 
gefeierten  Präsidenten,  unter  dessen  Fahnen  sie  manchen  Feldzug 
mitgemacht  hatten,  durch  Chicha  oder  Branntwein  aufgefrischt,  und 
als  die  daraus  erwachsenden  Differenzen  zu  thätlichen  wurden,  hatte 
man  ihn,  wie  er  mir  später  erklärte,  ungerechter  Weise  (vir  den  An- 
stifter gehalten,  und  ohne  Weiteres  ihn  eingesteckt,  anstatt  des  Kar- 
nikePs,  welches  an  Allem  Schuld  gewesen.  Wie  sich  das  verhalten 
mochte,  war  mir  ziemlich  gleichgültig,  da  die  Umständlichkeit  der 
Reclamationen  dieselbe  blieb,  bis  ich  ihn  am  Abend  wieder  zu  meiner 
Verfügung  hatte.  Dass  man  ihn  überhaupt  losliess  und  nicht  so- 
gleich zum  Soldaten  einkleidete,  hatte  er  seinem  Dienst  bei  einem 
Fremden  zu  verdanken,  da  diese  während  der  Revolution  eine  Art 
privilegirter  Person  bildet,  und  die  fremden  Wohnhäuser,  besonders 
die  der  Consulate,  in  Zeiten  der  Gefahr  gleichsam  Asyle  bilden,  die 
von  allen  Partheien  respectirt  werden,  weil  bei  den  rascTien  Um- 
schlägen des  Glücksrades  jede  davon  profitiren  mag.  Allerdings 
fehlte  in  Quito  damals  eine  deutsche  Vertretung,  doch  wurde  der 
vom  Auswärtigen  Amt  in  Berlin  ausgestellte  Pass  im  vollsten  Masse 
respectirt. 

Bald  nach  der  erwirkten  Loslassung  des  Burschen  wurde  es  auch 
möglich,  die  benöthigten  Thiere  zu  erlangen,  die  ich  dann  in  einem 
Hofe  des  Wirthshauses  einschliessen  Hess,  um  sie  am  nächsten  Tage 
fertig  zu  haben.  Meine  deutschen  Freunde  begleiteten  mich  eine 
Strecke  Weg,  bis  zur  Hacienda  Arcadia,  von  wo  sie  nach  einem 
Abschiedstrunk  nach  der  Stadt  zurückritten.  Ich  blieb  mit  einem 
jungen  Americaner,  Herrn  Bunce,  der  sich  nach  Guayaquil  begab, 
Nachts  in  Machachi,  wo  es  uns  bei  der  Anfiillung  des  Quartiers  mit 
Offizieren  wegen  des  Truppendurchzugs  einige  Mühe  kostete,  Bett- 
gelegenheit zu  finden. 

Am  nächsten  Tage  (August  1 1 .)  trennten  wir  uns  auf  dem  Wege 
nach  Latacunga,  da  ich  mich  vorher  nach  Gallo  begab,  um  einen  der 


94  NACH   CHILK. 

Incasteine,  ungefähr  grade  eine  Maulthierlast,  mitzunehmen.  Meine 
Ankunft  auf  der  Hacienda  rief,  wie  ich  leicht  bemerkte,  keine  ge- 
ringe Aufregung  hervor,  und  die  Ursache  wurde  mir  später  erklär- 
Hch,  da  die  dort  von  mir  angetroffene  Gutsherrin  eine  nahe  Ver- 
wandte des  in  die  Ermordung  des  Präsidenten  verwickelten  Cornejo 
war,  der  kurze  Zeit  darauf  in  einem  Versteck  in  der  Nähe  gefunden 
und  zur  Erschiessung  nach  Quito  gebracht  wurde. 

In  Latacunga,  wo  ich  die  Nacht  verblieb,  erhielt  ich  einige 
Stücke,  die  m^n  (wie  mir  gesagt  wurde)  eigentlich  für  die  Welt- 
ausstellung in  Philadelphia  gesammelt  hätte,  aber  in  besonderer  Ab- 
sendung zu  befördern  keine  Gelegenheit  finden  würde.  Im  Dorf  San 
Miguel,  wo  ich  am  andern  Tage  nach  Alterthümern  fragte,  empfing  ich 
die  bereits  häufig  gehörte  Antwort,  es  sei  allerdings  Mancherlei  gefun- 
den, aber  im  Laufe  der  Zeit  zerbrochen  oder  sonst  verloren  gegangen. 

Den  weiteren  Weg  nach  Ambato  legte  ich  unter  Schwierigkeiten 
zurück,  da  das  Pferd  meines  Burschen  ermüdete,  so  dass  er  nicht 
mitkommen  konnte,  der  Arriero  aber,  in  Folge  des  Antreffens  eines 
Bekannten,  gleichfalls  unsichtbar  wurde,  so  dass  ich  mich  mit  dem 
Lastthier  allein  fand,  und  bei  den  auf  diesen  unebenen  Landstrassen 
sich  in  steten  Wiederholungen  benöthigenden  Neuschnürungen  des 
Gepäckes,  so  gut  es  jedesmal  ging,  den  Einen  oder  Andern  der  Vor- 
überkommenden zu  Hülfe  rufen  musste.  Beim  Eintritt  in  die  Vor- 
strassen  nahm  ich  einen  Führer,  der  das  ermüdete  Thier  bis  an  die 
Posada  zog  und  auch  das  meinige  war  nur  mühsam  bis  dahin  fortzu- 
bringen, da  man  in  Quito  bei  den  staatlich  vorliegenden  Bedürfnissen 
nicht  wählerisch  hatte  sein  dürfen,  und  nehmen  müssen,  was  sich  bot. 
Ich  machte  dort  die  Bekanntschaft  des  gerade  durchreisenden  Maler 
Salas  und  sah  beim  Spaziergang  durch  die  Stadt  ein  grünes  Steinbeil 
von  einem  Weber  als  Beschwerer  benutzt.  Es  wurden  dann  neue  Thiere 
für  die  Reise  nach  Riobamba  gemiethet  und  am  17.  August  begab 
ich  mich  zum  Nachtquartier  nach  Mocha,  wo  sich  die  Wege  nach 
Guayaquil  und  Riobamba  trennen. 

Ich  hatte  jetzt  einen  neuen  Plan  zu  entwerfen  gehabt.  Obwohl 
die  Entfernung  aus  der  Hauptstadt,  so  lange  der  Weg  noch  offen 
stand,  rathsam  erschienen  war,  konnte  ich  mich  doch  schwer  ent- 
schliessen,  Ecuador  überhaupt  schon  zu  verlassen,  ehe  ich  Weiteres 
vom  Lande  gesehen  hatte.  Die  archäologische  Ausbeute,  die  unter 
Moreno's  Zusagen  vielleicht  eine  glänzende  hätte  werden  können,  war 
bis  dahin  gering,  wenn  auch  immerhin  reicher,  als  man  mir  in  Lima 
zugedacht  hatte,  wo  mir  einer  der  bedeutendsten  Sammler  noch  am 


ALTERTHÜMER.  95 

Tage  meiner  Abreise  sagen  Hess,  den  Besuch  Ecuadors  würde  ich 
besser  sparen,  da  es  eine  Viaje  ä  la  China,  eine  nutzlose  Reise  in's 
Blaue,  sein  würde.  Diese  Meinung  schien  eine  gewisse  Berechtigung 
zu  haben,  da  was  bisher  von  ecuadorianischen  Alterthümern  im  All- 
gemeinen bekannt  geworden  war,  keine  grosse  Bedeutung  besass. 
Eine  gewisse  Ausnahme  mochte  indess  für  die  Umgegend  von  Cuenca 
gelten  dürfen,  in  dessen  Nähe  (in  Chordelcg)  auch  vor  einiger  Zeit 
der  damals  von  Houzey  beschriebene  Tresor  de  Cuenca  zu  Tage  ge- 
fordert war.  Von  einem  andern,  ein  Jahr  vor  meiner  Ankunft  ge- 
machten Funde,  hatte  ich  bereits  in  Guayaquil  gehört.  Man  sollte 
bei  einer  Ausgrabung  im  Bezirk  von  Azogues  3000  grosse  Bronce- 
Aexte  gefunden  haben,  die  dadurch  besonders  merkwürdig  waren>  dass 
sie  eine  Mannigfaltigkeit  figurativer  Ornamentik  trugen,  eine  Art 
Wappenzeichen,  die,  während  sie.  in  Mexico  (im  Anschluss  an  die 
dortige  Bilderschrift)  ähnlich  vorkommen,  in  Südamerica  zu  den 
Seltenheiten  gehören.  Ein  Paar  dieser  Aexte,  die  nach  Guayaquil 
gelangt  waren,  hatte  ich  dort  gesehen,  und  andere  sporadisch  auf 
meiner  Reise,  indess  keine  erwerben  können,  theils  wegen  der  Ab- 
neigung der  Eigenthümer,  in  deren  Hände  sie  gelangt  waren,  diese 
Seltenheit  zu  verkaufen,  theils  wegen  des  hohen  Preises,  der  dafür 
verlangt  wurde.  In  meinem  Besitz  fand  sich  nur  ein  einziges  Stück, 
dass  mir  Dr.  Wolf  überlassen  hatte,  aus  dreien,  die  ihm  geschenkt 
worden. 

Es  lag  so  allerdings  einige  Veranlassung  vor,  Cuenca  zu  be- 
suchen, auf  der  andern  Seite  jedoch  auch  mancherlei  Bedenken.  Die 
Wege  nach  und  von  Cuenca  gehören  zu  den  bösesten  in  Ecuador, 
und  von  meinem  damaligen  Standort  war  die  Uebersteigung  des 
Paramo  von  Azuay  zu  unternehmen,  dessen  Passage  gerade  in 
der  damaligen  Jahreszeit  für  eine  ungünstige  gilt.  Zugleich  würde 
die  Reise  nicht  nur  eine  kostspielige,  sondern  noch  eine  zeitraubende 
gewesen  sein,  und  mit  der  Zeit  hatte  ich  bei  der  Kürze  meines  Ur- 
laubes von  Allem  zu  geizen.  Dann  kam  aber  noch  der  weitere 
Zweifel  hinzu,  ob  sie  nicht  vielleicht  auch  eine  vergebliche  sein 
möchte,  denn  nach  den  mir  zugegangenen  Angaben  sollten  die  Aexte 
bereits  verschwunden  sein,  da  man  sie  als  Kupfer  eingeschmolzen 
und  so  verwerthet  hätte. 

Nach  längeren  Ueberlegungen  hin  und  her,  konnte  ich  es  indess 
schliesslich  nicht  über's  Herz  bringen,  diese  Angelegenheit  ohne 
weitere  Untersuchung  zu  lassen,  und  hielt  mich  verpflichtet.  Näheres, 
soweit   noch   möglich,    darüber   festzustellen.     Jedenfalls   sollte   das 


96 


NArri  imi.E. 


nächste  7.iel  das  auf  dem  Wege  gelegene  Riobamba  sein,  eine  Tage- 
reise von  Mocha. 

Die  kleine  Fonda  in  Mocha  enthielt  nur  ein  enges  Zimmerchen 
dessen  Raum  um  so  beschränkter  wurde,  da  bald  noch  andere  Rei- 
sende mit  einer  Senorita  anlangten,    um  gleichfalls  Nachtquartier  zu 
machen,  so  dass  man  sich  behelfen  musste,  so  gut  es  eben  ging. 

Die  Umgegend  würde  bei  genügender  Müsse  eine  archäologische 
Untersuchung  wahrscheinlich  belohnen,  da  der  Platz  ein  sehr  alter 
•st,  und  schon  in  der  Geschichte  der  Scyri  als  eine  vielfach  um- 
kämpfte Feste  erwähnt  wird,  in  dem  von  Pachanlicas,  Pasates  Peli- 
leos,  Queros  und  Tisaleos  bewohnten  Lande  (s.  Velasco).  Jetzt  ist 
es  em  ärmliches  Dorf,  gleich  den  übrigen,  doch  der  natürlichen  Lage 
nach  eme  strategisch  wichtige  Position. 

Der  Ort  liegt  am  Abhang. einer  Bergkette,  über  welche  die 
Schneekegel  des  Carihuairazo,  des  in  Volkslegenden  bearbeiteten 
Vulcankraters  und  des  Chimborazo  herüberblicken,  während  nach 
der  Seite  des  Abfalles  hin,  vom  Marktplatz,  zugleich  der  des  Tungu- 
ragua  sichtbar  ist.  t 

^"  ^7.  Umfassung  der  Kirche  bemerkte  ich  einige  Säulen-Cäpi- 

K  fi'  AvT''  ,f ''""^*'  ^'^  •"^"  •"'■-  ^gte.  von  tinem  auf  den  Feldern 
befindlichen  Platz,  wo  an  gleicher  Stelle  viereckig  .schräg  behauene 
Sterne  zu  Tage  standen,  welche  zur  Fundamentirung  der  Häuser  be- 
num  wurden.  Viel  mehr  liess  sich,  als  ich  mich  spät  am  Nach- 
mittag dorthin  begab,  nach  den  Erzählungen  nicht  ausmachen 

.  Am  frühen   und  wolkig  trüben  Morgen  verliessen  wir  das  Dorf 
unter  zunehmendem  Regen,  und  gelangten  auf  einem  schlüpfrig  durch 
Bergschluchten  führenden  Weg  an  die  Stelle  des  Paramo.    wo  sich 
der  Weg  nach  Guaranda  von   dem    nach  Riobamba   abzweigt,    die 
Richtung  des  letzteren  einschlagend.    Der  von  Ambato  mitgegebene 
I  eos  em.es  sich  so  stupide  und  unbrauchbar,    dass  ich  nach  allerlei 
ärgerlichen  Auftritten  schliesslich  froh  war.  ihn  nicht  mehr  zu  sehen 
W  eniger  Zufriedenheit  gewährte  dies  meinem  Burschen,  dem  jetzt  die 
Sorge  des  Lastthier's  allein  auflag,  und  da  dasselbe   zugleich     weil 
aus  dem  von  den  Militärbeamten  nicht  beanspruchten  Ausschuks  ge- 
liefert,   kaum    aus   der  Stelle  konnte,    blieb   mir   schliesslich    nichts 
ubng,  als  es  selbst  in's  Schlepptau  zu  nehmen  und  treiben  zu  lassen 
oder  es  nachher  an  den  Schwanz  des  Pferdes,  auf  dem  der  Bursche 
ntt,  zu  binden,  und  meinerseits  das  Vorwärtstreiben  zu  übernehmen 
Nur  so  umgingen  wir  die  Unbequemlichkeit,   auf  der  Strasse  liegen 
zu  bleiben.    Für  eine  Strecke  Weges  schloss  sich  mir  ein  Reisender 


RIOBAMBA.  97 

an,  der  von  der  Hacienda  de  Leyta  bei  Patate  kam  und  von 
mancherlei  Ausgrabungen  erzählte,  die  dort  gemacht  seien. 

Nachdem  sich  der  Blick  auf  das  Hochthal  Riobamba's  geöffnet 
hatte,  erreichten  wir  auf  welligen  Abfällen  die  zerstreuten. Häuser 
des  in  öder  Verlassenheit  fast  menschenleeren  Dorfes  San  Andres. 
Selbst  auf  der  Plaza  war  kaum  ein  lebendes  Wesen  zu  sehen,,  und 
erst  nach  längeren  Verhandlungen,  wobei  wir  uns  allmälig  gezwungen 
sahen,  Entschuldigungen  oder  selbst  Verweigerungen  einfach  zu 
ignoriren,  gelang  es  schliesslich,  die  Thiere  auf  einem  Hof  einzu- 
stellen und  einige  Andeutungen  über  die  Richtnng  zu  erhalten,  in 
welcher  Nachsuchungen  fiir  Futter  vorgenommen  werden  konnten.  • 

Nach  dem  Oeffnen  einer  Cognac- Flasche  und  unter  den  Wölk- 
chen des  Cigarren  -  Rauches  machte  ich  den  alten,  und  von  siecher 
Gebrechlichkeit  an  seinen  Sitz  gefesselten  Patriarchen  des  Hauses, 
etwas  zuthunlicher,  so  dass  er  einige  Notizen  über  Ausgrabungen  bei 
Guano  und  Lican,  sowie  in  der  Hacienda  von  Patate  zu  liefern  im 
Stande  war,  und  selbst  zu  längeren  Erzählungen  bereit  gewesen  wäre, 
wenn  es  mich  interessirt  hätte ,  über  die  Revolutipnskriege,  an  denen 
er,  in  ansehnlicher  Zahl,  persönlich  Theil  genommen.  Einzelnheiten 
zu  hören. 

Schon  beim  Eintritt  in  San  Andres  hatte  ich  am  Wege  einige 
sculptirte  Steine  herumliegen  sehen,  und  einer  derselben,  mit  einem 
Löwen  darauf,  (dem  oft  variirten  Wappen  Leons)  war  der  den  Kirch- 
hof umziehenden  Mauer  angefügt,  von  einer  andern  Ecke  des  Ter- 
rain's  dorthin  geschafft.  Aehnliche  waren  als  Thürpfosten  bei  einem 
Privathause  benutzt,  und  zeigte  einer  darunter  einen  Bewaffneten  mit 
Schild  und  Speer,  ein  anderer  den  Kopf  eines  Puma,  andere 
Affen  u.  s.  w. 

Ueber  steinige  Sandhügel  mit  spärlicher  Vegetation,  senkte  sich 
der  zwischen  Cactushecken  verlaufende  Weg  in  die  von  Bergreihen 
umzogenen  Thalebenen  Riobamba's  (oder  Bolivar's)  hinab,  wo  ich 
mir  in  der  Casa  Posada  ein  Zimmer  einräumen  liess  und  in  der  nahe 
gelegenen  Fonda  die  Mahlzeiten  einnahm. 

Durch  meine  Empfehlungsbriefe  an  einige  Kaufleute,  besonders 
Herrn  F.  Pojol,  konnte  ich  mich  rasch  über  alles  Nöthige  orientiren 
und  die  Ueberzeugung  gewinnen,  dass  Riobamba  nicht  viel  Aus- 
sichten fiir  meine  Zwecke  bieten  würde.  Man  hatte  mir  von  der 
Alterthumssammlung  eines  dortigen  Privatgelehrten  gesprochen,  doch 
fand  sich  derselbe  abwesend,  unter  Mitnehmung  der  Zimmerschlüssel, 
so  dass  mir  die  zurückgebliebenen  Damen  keinen  Zugang  verschaffen 

Bastian  :  America.  I  < 


98  NACH   ClfH.E. 

konnten.  Dieses  Verfehlen  von  Persönlichkeiten,  auf  welche  ich  be- 
sonders gerechnet  hatte,  wiederholte  sich  mehrfach  im  Verlaufe 
meiner  Reise  durch  Ecuador,  weil  gerade  während  der  Saison,  in 
welcher  man  den  Aufenthalt  in  der  Stadt  mit  dem  auf  einem  Land- 
sitze zu  vertauschen  pflegt. 

Herr  J.  A.  Coronel  gab  mir  Nachricht  von  dem  (auch  sonst  er- 
wähnten) Inca-Weg  bei  Lican,  der  längs  des  Abschnittes  der  Berge 
zu  sehen.  Bei  Pantus  sei  aus  flachen  Steinen  eine  Plattform  der 
Inca  aufgemauert.  Er  war  früher  im  Besitz  von  mancherlei  Alter- 
thümern  gewesen,  die  sich  aber  durch  gelegentliche  Geschenke  ver- 
zettelt  hatten.  Oftmals  wurde  mir  von  den  neuen  Bekanntschaften,  die 
ich  machte,  gesagt,  dass  sie  erst  im  vorigen  Jahre  ihre  allmählig 
angehäuften  Sammlungen  dem  Padre  Rencoret  überlassen  hätten ,  der 
während  seines  längeren  A\ifenthalts  in  Ecuador  das  ganze  Land  ab- 
gesucht hatte,  um  eine  würdige  Repräsentation  der  ecuadorianischen 
Alterthümer  für  die  chilenische  Weltausstellung  herzustellen.  Da 
diese  dadurch  unter  Prof.  Philippi  gelang^  sein  werden,  den  Director 
des  Museum's  in  Santiago  so  ist  dagegen  nichts  zu  sagen;  gegen 
die  gedankenlose  Verschenkung  der  Alterthumsfunde  jedoch,  als 
hübsche  Spielereien  aus  Privatfreundschaft  oder  gar  aus  Galanterie, 
habe  ich  mich  oftmals  in  meinen  Gesprächen  mit  den  Landeskindern 
ereifert,  und  ihnen  das  Verbrechen  darzulegen  gesucht,  welches 
sie  dcidurch  an  der  Wissenschaft  begingen.  Sie  gaben  dann  in  der 
Mehrzahl  reuig  ihr  Unrecht  zu,  und  versprachen,  mit  Ausnahme 
der  im  Egoismus  allzu  Verstockten,  künftige  Besserung,  sahen  auch 
die  Bedeutung  grosser  Centralsammlungen  für  das  vergleichende 
Studium  ein,  und  erklärten  sich,  bei  dem  Mangel  eigener  National- 
institute, gerne  bereit,  die  Reliquien  ihrer  Vergangenheit  in  den  euro- 
päischen zu  deponiren.  Ob  diese  guten  Vorsätze  nachhaltiger  sein 
werden,  bleibt  freilich  dahin  gestellt.  Ein  Beispiel  ist  mir  leider  schon 
bekannt  geworden,  wo  sie  den  Weg  in  der  entgegengesetzten  Richtung 
gepflastert  zu  haben  scheinen,  und  würde  ich  dem  Thäter  den  wohl- 
verdienten Strafort,  den  er  sich  dadurch  gewählt  hat,  gerne  gönnen, 
wenn  nicht  vielleicht  dieser  Fall  als  ein,  Zurückfallen  unter  die  Macht 
alter  Gewohnheiten  auf  einige  Milderung  Anspruch   machen  könnte. 

Im  Uebrigen  haben  sich  bereits  mancherlei  erfreuliche  Wirkun- 
gen  gezeigt,  die  der  americanischen  Alterthumskunde  in  verschiedener 
Weise  zu  Gute  gekommen  sind. 

Das  jetzige  Riobamba  ist  eine  neue  Anlage.  Einige  sculptirte 
Steine  auf  dem  Markt  waren  von  der  Trümmerstätte  des  alten,    das 


PURUM  A.  09 

in  dem  durch   seinen  Namen  bekannten  Erdbeben  zu  Grunde  ging, 
dorthin  gebracht  und  gehörten  der  spanischen  Zeit  an. 

Der  Hauptsitz  der  Puruha  fand  sich  in  Caja  oder  Caja-bamba 
und  dort  vollzog  sich  die  Vermählung,  um  die  Königsgeschlechter 
der  Scyri  Quito's  und  der  Duchicela's  (Duchi-Cela's)  Liri-Bamba's  zu 
einigem  Der  Stamm  der  letzteren  hatte  sich,  wie  unter  der  Usur- 
pation der  Inca,  auch  unter  der  spanischen  für  einige  Zeit  noch  rein 
zu  halten  gesucht,  und  lebt  gegenwärtig  in  den  Nachkommen  Juan 
Duchicela's  durch  Einheirathungen  fort.  Ich  besuchte  in  dem  jen- 
seits des  Flusses  Chibuga  gelegenen  Dorfe  Yaruci  das  Haus  des 
Francisco  Xavier  Mayacela  (Maya-Cela)  und  erhielt  dort  einige  Fa- 
milienlisten vorgelegt,  erfuhr  ind6ss  zugleich,  dass  unsere  deutschen 
Reisenden,  die  Herren  Dr.  Reiss  und  Stübel  bereits  eine  Einsicht  in 
sämmtliche  der  noch  vorhandenen  Documente  genommen  und  wäh- 
rend ihres  längeren  Aufenthalts  die  ihnen  wissenswerth  erscheinenden 
Aufzeichnungen  zu  machen  Gelegenheit  gehabt  hatten.  Die  Existenz 
der  historischen  Manuscripte,  von  welchen  Humboldt  in  Riobamba 
sprechen  hörte,  wird  von  Caldas  in  Zweifel  gezogen,  doch  erzählt 
noch  nach  ihm  Stevenson,  dass  er  in  Riobamba  einen  alten  Caciken 
getroffen  habe,  „a  descendant  of  the  Huasta-puncay,  the  ancient  lord 
of  the  surrounding  country." 

Von  dem  Thurm  des  Jesuiten-Kollegium,  auf  welchen  mich  Pater 
Dressler,  den  ich  dort  wieder  antraf,  hinaufführte,  genoss  ich  das 
grossartig  prachtvolle  Diorama  von  Riobamba,  das  Boussingault  in 
dem  schneeigen  Kranze  seiner  Vulcane  und  den  wechselnden  Schau- 
spielen meteorologischer  Processe  so  eindrucksvoll  beschreibt.  Auf 
das  Günstige  der  Atmosphäre  Riobamba's  für  astrortemische  Beob- 
achtungen hat  G.  Jones  aufmerksam  gemacht.  Der  Menschenschlag 
von  Riobamba  oder  Ricbamba  (punto  de  pasar)  gilt  für  klein  und 
besonders  in  Chambo  (am  Fusse  des  Altar)  sollen  sich  die,  Omo- 
tos  genannten.  Zwerghaften  finden.  Aehnlich  wird  der  Menschen- 
schlag bei  Popayan  als  ein  vorwiegend  kleiner  beschrieben. 

In  der  Umgebung  Riobamba's  werden  Erntelieder  gesungen  zur 
Feier  der  Indianerin  Lorenza,  welche,  wild  und  muthig,  bei  dem 
Indianeraufstand  (vor  40  Jahren)  aus  den  geweihten  Gefässen  der 
Kirche  Chicha  getrunken. 

Bei    ihrem  Aufstand    im  Jahre    1871    erhoben  die   Indianer   von 

Yaruquis  einen  der  Ihrigen  als  König  auf  den  Thron,  bis  er  von  den 

Truppen  gefangen    und    füsilirt  wurde.     Der  Name   Yaruqui  kommt 

von  der  Garnison  der  Caras  aus  Yaruqui  (bei  Quito),  welche  von  den 

7* 


100  NACH   CHILE. 

Scyri,  bei  ihrer  Eroberung  dorthin  verlegt  wurde,  neben  Riobamba 
oder  Riobamba,  dessen  Name  von  Lic  (auch  Liribamba)  erklärt  wird, 
als  einer  Poststation  gehörig,  wo  sich  die  Bote  so  beim  Uebertragen 
ihrer  Mittheilung  zugerufen:  Lic  (nimm  Du).  In  Riobamba  fanden 
die  Verhandlungen  statt,  durch  welche  Alvarado*)  seine  in  Guatemala 
gemachte  Ausrüstung  durch  Almagro  an  Pizarro  überliess  und  seine 
Ansprüche  auf  die  Goldländer  gegen  goldene  Baarzahlung  verkaufte. 

Riobamba  oder  Liri-bamba  war  der  alte  Sitz  der  Puruhas,  die 
den  Dienst  des  Con  bewahrt  hatte,  jenes  als  knochenloses  Gespenst 
an  der  Küste  Perus  umhergehenden  Urgottes,  der  dort  vor  dem 
ihm,  bald  aus  Süden,  bald  aus  Norden  (aber  jeden&lls  von  den 
Chimu)  entgegentretenden  Pachacamac  verschwand.  Seine  Erinne- 
rung hatte  sich  in  dem  Cultus  der  peruanischen  Laren  oder  Conopen 
(Con-Tici-Viracocha's)  bewahrt,  und  gleich  dem  ägyptischen  Canopus 
wurde  Con  von  den  Puruha  (s.  Velasco)^)  in  Krugform  dargestellt, 
oder  als  ein  Topf  mit  Menschenkopf,  dessen  geöffneter  Mund  nach 
Oben  gerichtet  gewesen,  um  das  Blut  der  Menschenopfer  zu  ver- 
schhngen,  bis  die  Scyri -Könige  von  Quito  diesen  Brauch  durch  ihre 
Verbote  abgeschafft  hätten.  Ebenso  die  barbarische  Sitte  die  Erst- 
geburt den  Göttern  darzubringen  und  ihre  getrockneten  Leichen 
dann  in  einer  Vase  aus  Metall  oder  Stein  im  Hause  zu  bewahren. 

Die  frühere  Stadt  wird  mit  der  Lage  des  jetzigen  Lican  auf  der 
Mesa  von  Tapi,  in  Verbindung  gesetzt,  eine  alte  Poststation  der 
Inca,  wo  noch  jetzt  vorzugsweise  die  sonst  in  der  Umgegend  seltene 
Lama-Zucht^)  betrieben  wird. 

Die  Post  wurde  von  den  Spaniern  im  Inca -Reich  in  einem  sehr 
geordneten  Zustande  angetroffen,  und  neben  den  für  die  Rast  der 
Reisenden  bestimmten  Tambo  fanden  sich  Botenhäuser  (Chasqui- 
huasi),  für  die  Postillone  oder  Läufer  zum  Wechseln.  Diese  würden 
also  gewissermassen  den  Mutationen  an  den  römischen  Strassen  ent- 
sprochen haben,    wie  jene  den  Mansionen.     Prescott  macht  darauf 


*)  Bei  Alvarado's  Zuge  von  Puerto-Viejo  nach  Riobamba  ,,lloviöles  muchos  dias  cenija, 
que  lan^aba  el  Volcan  del  Quito"  (Gomara). 

')  Une  idolc  d'argile,  qui  repr^sentait  seulement  la  t^te  d'un  horame.  Celle-ci  *avait 
absolument  la  fonne  d'une  mannite,  la  bouche  et  les  levres  ^taient  sur  le  sommet  de  la 
töte,  et  c'est  par  lä  qu'on  versait  le  sang  des  sacrifices,  dont  on  frottait  aussi  la  face  de 
l'idole ,  qui  repr^sentait  le  dieu  de  la  guerre  ou  de  la  vengence.  On  lui  immolait  les 
prisonniers  que  Ton  avait  faits  h  la  guerre,  mais  les  Scyris  abolirent  cette  cofitume 
(s.  Tcmaux-Compans). 

')  £n  este  pueblo  se  tienen  muchas  manadas  de  Runa-llamas,  que  les  sirven  como  de 
*  piaras  para  el  transporte  de  cargas  y  aun  para  cabalgarlos. 


» 


POST.  101 

aufmerksam,  dass  die  Posteinrichtung,  deren  früheste  Spuren,  ausser 
im  alten  China,  sich  in  Persien  fänden,  in  America  bei  „two  barba- 
rian  nations"  (Peruaner  und  Mexicaner)  im  Gebrauch  gewesen,  ehe 
sie  bei  den  civilisirten  Nationen  Europas  einen  Platz  gefunden. 

Als  die  erste  geordnete  Postanstalt  im  mittelalterlichen  Europa 
wird  die  nach  den  Vorgängen  der  Pariser  Universität  von  Ludwig  XI. 
eingerichtete  angesehen.  In  Deutschland  hatte  man  sich  von  den 
durch  die  Handelsinteressen  hervorgerufenen  (und  durch  die  Hansa- 
Städte  geforderten  Botenzügen  Fontego's  (von  Venedig  aus)  abge 
sehen,  mit  den  Metzgerposten  zu  behelfen,  bis  Maximilian  I.  den 
spanischen  Adligen  Baptist  von  Taxis  die  Erlaubniäs  zur  Post  zwischen 
Brüssel  und  Wien  ertheilte  (1516)  und  sein  Enkel  Leonhard  (als  Frei- 
herr von  Turn  und  Taxis)  erhielt 'dann  von  Karl  V.  (1543)  die 
später  zur  Reichspost  führende  Ermächtigung  eines  niederländischen 
General-Postmeister's,  worauf  1 597  der  Titel  eines  kaiserlichen  Gene- 
ralpostmeisters im  deutschen  Reiche  verliehen  wurde.  England's 
mächtige  Briefpost  hat  gegenwärtig  seine  Metropole  in  einen  täg- 
lichen Contact  mit  dem  fernsten  Theile  des  Erdballs  eingesponnen, 
aber  es  ist  ein  junges  Institut,  dessen  Anfänge  nicht  über  die  Zeit 
KarPs  I.  hinausliegen. 

Beim  Abschiede  von  Riobamba  hatte  ich  wieder  einen  vollen 
Kelch  ärgerlicher  Verbitterung  zu  leeren,  wie  er  dem  Reisenden  in 
Südamerica  bei  jedem  neuen  Abschnitt  seines  Weges  neu  kredenzt 
wird,  aus  der  landesbräuchlichen  Zeitverachtung  und  unbedachten 
Wortbrüchigkeit  gemischt.  Nachdem  mir  bisher  auf  den  verschie- 
denen Stationen  die  erwünschte  und  geforderte  Pünktlichkeit  trotz 
aller  angewendeten  Cautelen  fast  jedesmal  durch  die  schlüpfrige  Unzu- 
verlässigkeit  der  Versicherungen  entschlüpft  war,  hatte  ich  mir  vor- 
genommen, diesmal  den  Apparat  so  umständlich  anzulegen,  dass 
keine  Masche  offen  bleiben  sollte. 

Da  der  Besitzer  der  Posada  selbst  die  Lieferung  der  Thiere  an- 
bot, nahm  ich  wiederholte  und  umständliche  Rücksprache  mit  ihm 
über  die  Entfernung  des  Potrero,  wo  sie  sich  fänden,  über  die  Mög- 
lichkeit des  Verlaufenseins  und  wie  dann  Ersatz  zu  schaflfen,  über 
die  Mozo's  welche  die  Thiere  einzufangen  und  zu  bringen  hätten,  wo 
sie  zu  treffen  und  aus  welchen  Gründen  sie  verfehlt  werden  könnten, 
über  den  Zustand  des  Packapparates,  soweit  er  nicht  von  mir  ge- 
liefert war,  über  die  auf  dem  Wege  zur  Stadt  vorzusehenden 
Zwischenfälle,  und  alle  übrigen  Chancen,  nach  deren  sämmtliche 
gründlichste  Erwägung  eine  Stunde  am  Abend    für  die  Ankunft  des 


102  NACH   CHILE. 

Train  fixirt  \iiirde.  Vor  meinen  Augen  bestieg  mein  Wirth  sein 
Pferd,  um  in  eigener  Person  die  Absendung  zu  überwachen,  und  noch 
seine  letzten  Worte  schwollen  mit  Betheuerungen  und  Schwüren,  wie 
man  sie,  ohne  bis  zum  gerichtlichen  Eide  zu  gehen,  nicht  heiliger 
und  feierlicher  erwarten  kann. 

Die  festgesetzte  Stunde  kam,  die  Thiere  aber  nicht,  auch  die  aka- 
demische Viertelstunde  wurde  zugegeben  ohne  ein  Resultat  zu  äussern. 
Bei  Umfrage  im  Hause  hiess  es,  dass  die  Thiere  sich  vielleicht  in 
der  Dunkelheit  etwas  verspätet  hätten,  aber  gleich  da  sein  würden. 
Stunde  auf  Stunde  verfloss.  Als  ich  neue  Botschaft  schickte,  wurde 
Mittemacht  als  äusserster  Termin  gesetzt.  Da  ich  vor  steigendem 
Unwillen  bereits  keine  Ruhe  fand,  erwartete  ich  Mittemacht,  und 
legte  mich  dann,  das  nutzlose  Wachen  zu  sparen,  nieder,  nachdem 
man  auf  mein  Drängen  versprochen  hatte,  Boten  abzuschicken  und 
auch  bereits  abgeschickt  haben  wollte.  Als  ich  nach  kurzem  Schlaf 
noch  vor  dem  Tagesgrauen  erwachte,  war  Alles  leer,  wie  vorher. 
Ich  weckte  den  Burschen  und  liess  ihn  Lärm  machen,  erhielt  indess 
zur  Antwort,  dass  der  Bote  der  Thiere  angetroffen  und  schon  mit 
der  Nachricht  zurück  wäre,  dass  sie  unterwegs  und  jeden  Augenblick 
zu  erwarten  seien.  Es  begann  zu  lichten,  die  schönste  Zeit  flir 
Packen  und  Rüsten,  aber  freilich  unter  der  Vorbedingung  der  Thiere. 
Der  Morgen  kam,  die  Sonne  ging  auf,  Stunde  schwand  auf  Stunde, 
der  halbe  Vormittag  war  hingegangen  und  schon  machte  sich  die 
nahende  Mittagsgluth  fühlbar,  als  man  endlicK  das  lang  erwartete 
Getrampel  hörte  und  nun  die  halb  ermüdet  anlangenden  Thiere  ohne 
weitere  Rasl^zu  packen  und  satteln  hatte,  um  eine  Tagereise  anzu- 
treten, die  sie  schon  zur  Hälfte  wenigstens  hätten  hinter  sich  haben 
sollen. 

Leider  konnte  ich  meinem  Zorn  nicht  seinen  vollen  und  legitimen 
Ausdruck  geben,  da  mein  Herr  Wirth,  durch  Vorschiebung  dringen- 
der Geschäfte  sich  klüglich  aus  dem  Bereich  hielt,  und  dafür  die 
bessere  Hälfte  in  die  Bresche  trat. 

Da  sich  diese  sehr  bald,  als  meine  Worte  nicht  sanft  und  süss 
genug  klangen,  in  das  Noli  me  tangere  weiblicher  Unschuld  und  weib- 
lich hülfloser  Schwäche  hüllte,  so  blieb  nichts  übrig,  als  die  Lippen 
zusammen  zu  beissen  und  in  den  Sattel  zu  springen,  um  wenigstens 
vom  Tage  zu  retten,  was  noch  übrig  war. 

Wir  ritten    einen  Abhang  an  Hügeln    aufwärts,    dann    hinab    zu 

St.  Luis  und  wieder  empor,  wo  uns  ein  Rückblick  von  oben  ein  ge- 

:Schlossenes  Thal  zeigte,  mit  seinen  Höhen  in  den  verschiedenen  Fär- 


r       • 


ALAUSI.  103 

bungen  des  Anbaues  spielend.  Lieber  wellige  Hügelerhebungen 
führte  uns  ein  schlüpfrig  gebrochener  Weg,  den  dei*  gleichzeitige 
Regen  nicht  verbesserte,  besonders  auf  den  sumpfig  durchlöcherten 
Wiesen. 

Als  wir  am  Nachmittag  zu  dem  Fluss  Gamote  hinabkamen,  liess 
ich  diesseits  einen  kurzen  Halt  zur  Fütterung  machen,  dem  am  an- 
deren Ufer  gelegenen  Pueblo  gegenüber,  und  ohne  dieses  zu  be- 
rühren. 

Für  eine  kleine  Strecke  waren  wir  der  mit  Hinblick  auf  die  neue 
Eisenbahn  (gleich  dieser  ohne  Anfangs-  noch  Endpunct)  gebaute 
Chaussee  (Carretera)  gefolgt,  bogen  dann  aber  links  von  derselben 
ab,  auf  sandige  Hügel  hinaus.  Eih  längs  den  Schluchten  hinlaufen- 
der Weg  fiel  zum  Bette  des  Flusses  Tortillas  hinab,  und  stieg  steil 
an  der  andern  Seite  wieder  auf,  um  sich  dann  aufs  Neue  an  steiler 
Bergwand  emporzuwinden,  am  Rande  tiefer  Abgründe.  Der  Mond 
war  aufgegangen,  doch  ist  sein  leicht  täuschendes  Licht  nur  wenig 
nutzbar,  auf  derartigen  Pfaden,  wo  jeder  Fusstritt  Beachtung  erfor- 
dert, und  schon  ein  loser  Stein  die  Reise  zum  unzeitigen  Ende  brin- 
gen konnte.  Eine  freiwillige  Unterbrechung,  bei  der  uns  die  Aus- 
wahl des  Platzes  blieb,  schien  mir  deshalb  vorzuziehen,  und  als  ich 
bei  einer  kleinen  Erweiterung  des  Weges  in  einer  Einbuchtung  des- 
selben eine  Art  von  Felsüberdachung  gewahrte,  liess  ich  dort  ab- 
satteln und  noch  einige  Steine  für  das  Nachtlager  zusammentragen, 
das  indess  dem  gegen  Morgen  auPs  Neue  fallenden  Regen  theilweis 
ausgesetzt  blieb. 

Desto  früher  wkren  wir  auf  den  Beinen,  die  gekoppelten  Thiere 
zu  satteln  und  packen,  und  während  das  vor  sich  ging,  kamen  in 
der  Dämmerung  ein  paar  verdächtige  Kerle  herangeschlichen,  die 
wahrscheinlich  die  Anzeichen  eines  Lagers  bemerkt  hatten,  aber  als 
sie  uns  bewafihet  sahen,  mit  der  Miene  ehrlicher  Reisender  vorüber- 
zogen. Der  Weg  bewahrte  denselben  Character  der  Schluchtenwin- 
dungen und  nach  den  steinigen  Abfällen  bei  Ticsan  blickten  wir  in 
den  engen  Thalkessel  von  Alausi,  das  wir  früh  am  Morgen  er- 
reichten. 

Dieser  Ort  soll  der  Absicht  nach  mit  einer  Station  beglückt 
werden,  bei  dem  Eisenbahnbau  von  Milagro,  den  man  übrigens  be- 
gonnen hat,  ausser  noch  den  Hafen  zu  kennen,  für  den  er  eigentlich 
bestimmt  sein  wird.  Da  es  sich  um- ein  „Milagro"  handelt,  mag  Alles 
gut  gehen,  sonst  müsste  Einem,  beim  Anblick  solcher  Berge  und 
der   Recapitulation    ihrer   geologischen    Structur,    der   Gedanke    an 


104  NACH   CHILE. 

Eisenbahnen  etwas  spanisch  klingen,  selbst  in  diesen  spanischen  Län- 
dern. Wenn  ausserdem  in  der  That  eine  Eisenbahn  zwischen  der 
Provinz  Manabi  und  Pichincha,  und  eine  andere  am  Rio  Yaguatschi 
projectirt  sein  sollte,  so  würde  das  nur  beweisen,  dass  ein  Vertrauen 
auf  übernatürliche  Wunder  zur  Missachtung  und  Verhöhnung  der  in 
den  Naturgesetzen  niedergeschriebenen  Lehren  bethört  hätte.  Bauen 
freilich  wird  sich  mit  der  jetzigen  Vervollkommnung  der  Technik  so 
ziemlich  Alles  lassen,  wenn  man  die  Schätze  Peru's  zur  Verfügung 
hat,  und,  nota  bene,  wenn  man  sie  vergeuden  will,  wie  es  geschehen 
ist.  Aber  hier  ist  wohl  die  Frage  nach  dem  Cui  Bono  an  ihrem 
Platz,  für  jeden,  der  Mühe  hat,  die  Vergeudung  als  Selbstzweck  zu 
verstehen.  Und  das  wird,  ausser  dem  engen  Kreis  der  Betheiligten 
selbst.  Niemanden  leicht  sein. 

Da  es  in  dem  Dorfe  weder  Posada  oder  Fonda  noch  Tambo 
gab  (den  Spcculanten  auf  die  neue  Eisenbahnstation  und  etwaige 
Restauration  also  noch  freie  Bahn  gelassen  ist),  so  sprach  ich  in  dem 
Convent  des  Cura  vor,  und  wurde  von  den  freundlichen,  alten  Herren, 
mit  einem  Frühstück,  so  gut  es  das  Topfglück  eben  gab,  nach 
Kräften  bewirthet. 

Auf  dem  von  dem  Hofe  sichtbaren  Cerro  deutete  man  nahe  der 
höchsten  Spitze  einige  Unebenheiten  an,  bei  denen  sich  Stufenbauten 
unterscheiden  lassen  sollten,  und  Einer  der  Besucher  wollte  ausser- 
dem eine  viereckige  Plattform  aufgemauert  gefunden  haben,  mit  drei 
Vertiefungen  in  regelmässigen  Entfernungen  von  einander. 

Meine  Verhandlungen  über  das  Miethen  von  Thieren  drohten 
sich  in  die  Länge  zu  ziehen,  da  die  nächste  Station  eine  weite  und 
eine  der  schwierigsten  war,  bei  welcher  erst  in  Caffar  mit  einiger 
Zuverlässigkeit  auf  einen  Wechsel  gerechnet  werden  durfte.  Da  ich 
indess  meine  Pässe  bei  dem  Jefe  politico  zur  Geltung  brachte,  und 
an  den  Miethsforderungen  nicht  allzu  viel  mäkelte ,  gelang  es  mir  in 
der  That  bis  Mittag  das  neue  Relais  zu  erlangen,  und  zwar  gute, 
starke  Thiere.  wie  es  deren  für  die  Passage  über  den  Azuay  bedarf, 
welche  ohne  solche  Garantie  zu  unternehmen  ein  grosses  Risico 
sein  würde. 

Nachdem  die  Bergwand  hinter  Alausi  erklommen  war,  fanden 
wir  uns  zwischen  dichten  Nebelwänden,  die  sich  erst  mit  der  Sen- 
kung des  Weges  wieder  lichteten,  als  dieser  durch  Einzäunungen 
nach  dem  Dorfe  Gualasco  führte.  Beim  Durchreiten  der  Strassen 
hörte  ich  mehrere  Male  den  Warnungsruf  vor  dem  Paramo,  er  sei 
„Bravo",  sehr  wild  und  zornig,  doch  galt  diese  Vorsichtsmahnung  wohl 


PUMALLACTA»  105 

mehr  dem  bekannten  oder  verwandten  Führer  aus  dortiger  Nachbar- 
schaft, als  den  Fremden,  um  die  man  sich  nicht  viel  zu  kümmern 
pflegt. 

Unter  einem,  theilweis  von  dem  Sonnenschein  durchbrochenen 
Nebeldache,  das  sich  von  Hügel  zu  Hügel  spannte,  mussten  wir 
nochmals  zu  dem  tief  eingeschnittenen  Fluss  hinab,  um  ihn  zu  kreuzen, 
und  uns  dann  von  der  andern  Seite  wieder  steil  in  die  Höhe  arbeiten, 
bis  wellige  Flächen  nach  dem  Dorfe  Pumallacta  führten,  wo  vor  Haus 
(oder  Hütte)  des  Teniente  Halt  gemacht  wurde,  neben  welchem  es 
überhaupt  kaum  noch  einige  Hütten,  und  jedenfalls  keine  anderen 
Häuser,  gab. 

Da  noch  ein  Stündchen  Tageslicht  blieb,  Hess  ich  in  Folge 
einiger,  noch  gerade  in  Zeit,  auf  mein  Fragen  erhaltene  Mittheilungen 
das  bereits  abgesattelte  Maulthier  wieder  aufzäumen  und  ritt  mit  dem 
Führer  nach  dem  Cerro  de  Pucara,  wo  sich  am  Abfall  zum  Thal 
aufgemauerte  Stufenbauten,  zum  Theil  mit  Spuren  rother  Bemalung, 
zeigen,  und  auf  der  obersten  Plattform,  die  nach  der  andern  Seite 
schroff*  abgeschnitten  ist,  eine  halbrunde  Böschung.  Es  wird  sich 
hier  also  um  jene  Festung  (Pucara)  handeln,  die  mehrfach  in  den 
Feldzügen  der  Inca  gegen  die  Canar  und  Scyri  ihre  P^rwähnung  fin- 
det und  welche  die  Volkssage  durch  einen  unterirdischen  Gang  mit 
den  Bauten  von  Inga  Pirca  verbindet,  doch  Hess  die  einbrechende 
Dunkelheit  nichts  weiter  erkennen,  und  hatten  wir  trotz  der  F'ührung 
einige  Schwierigkeit,  über  das  unwegsame  Terrain  den  richtigen  Pfad 
zu  der  allein  stehenden  Wohnung  zurück  zu  finden. 

Den  Abend  verbrachte  ich  im  Gespräch  mit  dem  Teniente,  in 
dem,  neben  seiner  F'amilie,  mich  (mit  Diener,  Peon  und  Gepäck)  be- 
herbergenden Raum.  Er  wusste  Mancherlei  aus  der  Umgegend  zu 
erzählen  und  besonders  wurde  die  am  nächsten  Tage  bevorstehende 
Passage  des  Paramo  von  Azuay  besprochen.  Die  Wetteranzeichen 
waren  in  den  letzten  Tagen  nicht  die  besten  gewesen  und  überhaupt 
die  Jahreszeit  eine  ungünstige.  Da  mein  sonst  sehr  erfahrener 
Bursche  den  Azuay  nur  einmal  vor  langen  Jahren  in  früher  Jugend 
passirt  hatte,  wurde  gerathen  zu  dem  von  Alausi  mitgebrachten 
Ariero  noch  einen  Führer  hinzuzunehmen,  und  bald  stellte  sich  ein 
Dorfbewohner  oder  (im  F"alle  das  Dorf  etwa  gar  nicht  existirte)  ein 
benachbarter  Hüttner  ein,  der  als  mit  ausgezeichneten  Eigenschaften 
für  den  beabsichtigten  Zweck  begabt,  geschildert  wurde,  und  als 
Erstes  die  Hälfte  des  ausbedungenen  Lohnes  zum  Vorschuss  nahm. 

Ich  Hess  ihn  gleich  bei  uns  bleiben,  und  legte  mich  nun  für  einen 


106  NACH   CHILE. 

Augenblick  nieder,  um  Alles  frühzeitig  in  Gang  zu  haben,  da  ich 
bei  der  Nähe  von  Achupallas  gerne  einen  vorherigen  Abstecher 
dahin  gemacht  hätte.  Ich  schickte  deshalb  den  Diener  und  Peon 
mit  dem  Packthier  direct  nach  der  Richtung  des  Azuay  voraus,  um 
an  der  Quebrada  de  las  tres  Cruzes,  einer  durch  drei  aufgepflanzte 
Kreuze  kenntlichen  Spitze,  auf  uns  zu  warten,  und  begab  mich  mit 
dem  Führer,  über  den  Abfall  am  Fusse  des  Kammes,  zunächst  nach 
Achupallas,  wo  wir  ungefähr  mit  Tageslicht  eintrafen. 

Die  an  dem  Bergesrand  vorspringende  Plattform  trägt,  wie  einst 
den  Sonnentempel,  so  jetzt  die  Kirche,  vor  der  behauene  Steine 
herumlagen  und  in  deren  Mauern  alte  Pfeiler  sich  eingefugt  fanden. 
An  der  schroffen  Plattform  herabsteigend,  traf  ich  in  der  That  die 
Quelle,  von  welcher  Villavicencio  redet,  von  den  Ausflussröhren  mit 
Steinlöwen  und  steinernen  Eidechsen  war  indess  nichts  mehr  zu  sehen. 
Viel  Auskunft  war  nicht  zu  erhalten.  Es  trieben  sich  nur  ein  paar 
Halbindianer  umher,  die  noch  halbverschlafen  durch  das  Ungewöhn- 
liche einer  Fremdenerscheinung  herbeigezogen  waren,  und  die  von 
weissen  Steinen  (oder  Marmor)  redeten,  die  im  Boden  vergraben 
lägen,  sowie  von  Figuren,  die  man  beim  Ausgraben  gefunden,  aber 
zerschlagen  hätte. 

Da  uns  eine  beschwerliche  Tagesarbeit  bevorstand,  durfte  dies 
Gespräch  nicht  länger  ausgedehnt  werden,  zumal  «ohne  einige  Unter- 
suchungen (und  die  Zeit  dazu)  nichts  Vernünftiges  zu  erlangen  ge- 
wesen wäre. 

Auf  den  früheren  Weg  zurückkehrend,  begannen  wir  nun  die 
Höhen  zu  ersteigen,  die  zu  dem  Eingang  der  Hochgebirgsschlucht 
führten,  aus  welcher  eisige  Winde  hervorbrachen,  während  darüber 
eine  graue  Nebelbank  hinjagte.  Es  sah  schon  so  aus,  als  ob  wir 
den  Paramo  etwas  bravo,  wild  und  zornig,  finden  würden.  Der  Pfad, 
mitunter  ein  schlammiger  Moor-Weg,  schlängelt  sich  längs  des  Ab- 
hanges hin,  über  der  tief  gesenkten  Schlucht  und  unterhalb  des  an 
schroffen  Felsen  abfallenden  Kammes  von  Culalu,  während  mir  auf 
der  Bergwand  an  der  anderen  Seite  ein  gradliniger  Streifen,  als  der 
alte  Weg  angedeutet  wurde.  Wiederholt  erscholl  das  Gebrüll  der 
wilden  Ochsen,  ihr  Schnauben  und  Gestampf,  und  wird,  wenn  sich 
in  solcher  Stimmung  findend,  ihr  Begegnen  lieber  gemieden,  zumal 
auf  schmalen  Wegen.  Sie  selbst  schienen  sich  als  frei  zu  betrachten, 
stehen  aber  unter  gewissen  Eigenthumsrechten ,  die  von  demjenigen 
geltend  gemacht  werden  können,  der  dazu  im  Stande  ist. 

An  dem    zum  Rendezvous   bestimmten  Platze    war    von    meinen 


AZUAY.  107 

Thiere  nichts  zu  sehen,  da  die  Directionen  missverstanden  waren. 
Doch  trafen  wir  sie  etwas  weiter  hin,  unter  dem  Anstcig  zur  Spitze, 
und  hatten  sich  Bursche  und  Peon  in  ihre  Poncho  und  sonstigen 
Decken  gehüllt,  zwischen  Steinen  verkrochen,  um  einigen  Schutz 
gegen  die  Kälte  ^)  zu  finden,  die  dort  herrscht.       • 

Der  Führer  legte  uns  die  Frage  vor,  welchen  der  beiden  Wege 
wir  zu  nehmen  wünschten,  den  oberen  oder  den  unteren,  und  konnte 
ihm  darauf  natürlich  nur  geantwortet  werden,  dass  dfese  Frage  seiner 
eigenen  Beurtheilung  überlassen  bleiben  müsste.  Nach  längerer 
Ueberlegung  meinte  er  dann,  dass  der  untere  Weg  nach  dem  mehr- 
tägigen Regen  zu  Sumpfig  sein  würde,  um  ihn  begehen  zu  können, 
und  dass  nichts  übrig  bleiben  möchte,  als  den  oberen  Weg  zu  wählen, 
den  über  das  Cuchillo  (Mes.sergrat),  eine  Entscheidung,  die  bei  einiger 
Erfahrung  unter  den  schlechten  Wetteranzeichen  nicht  hätte  getroffen 
werden  sollen,  was  ich  beim  Zurückkommen  vom  Rathhaus  wusste, 
nicht  aber  freilich  vorher,  so  dass  ich  damals  nichts  einzuwenden  hatte. 

Wo  die  Schlucht  sich  schliesst,  wird  der  Kamm  überschritten, 
neben  einem  die  drei  Kreuze  (QuinzaCruz)  tragenden  Steinhügel  und 
dann  bildete  den  Weg  eine  öde  Hochebene,  rings  umzogen  von  weiss 
bereiften  Kämmen.  Wir  waren  noch  nicht  lange  darüber  fortgezogen, 
als  sich  zu  dem  kalten  Wind,  der  Mark  und  Bein  durchdrang,  ein 
Schneegestöber  gesellte,  das  bald  dichter,  bald  lockrer  fiel,  während 
der  Wind  zum  wüthenden  Sturm  anwuchs.  An  vielen  Stellen  lag 
der  Schnee  so  tief  aufgehäuft,  dass  die  Maulthiere  einsanken  und 
und  nur  mit  Mühe  wieder  hervorgearbeitet  werden  konnten,  und  da 
der  heulende  Orkan  jedes  gesprochene  Wort  abschnitt,  zugleich  auch 
die  mit  treibenden  Schneeflocken  gefüllte  Luft  die  Umsicht  erschwerte, 
hätten  wir  (lir  gegenseitige  Hülfsleistungen  möglichst  dicht  zusammen- 
halten müssen,  ohne  dies  indess  bei  der  Schwierigkeit  des  Weges 
in  der  wünsch enswerthen  Weise  ausfuhren  zu  können.  Bei  dem 
wiederholten  Stürzen  der  Thiere  riss  bald  hier,  bald  da  ein  Riemen 
im  Geschirr,  und  von  den  sorgloser  verwahrten  Theilen  des  Gepäckes 
wurden  einige  von  dem  Sturmwind  über  die  Schneefelder  fortgerissen, 
unter  welchen  Verlusten  ich  besonders  den  meines  Regenmantels 
bedauerte.     Doch    war  jetzt  keine  Zeit  zum  Verzuge,    wir   mussten 


*)  Aqui  comienza  ta  travesia  de  lo  quc  propiamente  se  llama  Paramo  de  Azuay,  en  esta 
elevaciou  se  coire  ya  el  riesgo  de  las  nevadas  tan  temidas  y  tan  teribtes  para  el  viajero 
de^graciado  que  tenga  la  sucrte  de  experimentar  alguna.  Cuantos  infelices  han  sido  vic- 
timas  del  frio  en  estos  lugares!  (Caldas).  Humboldt  bestimmt  den  höchsten  Punct  des 
Assuay-Passes,  wo  der  Weg  Über  die  Ladcra  de  CadUid  führt,  auf  mehr  «ils  14,500  Fuss. 


108  NACH   CHILE. 

voran,  ehe  die  Thiere  zunehmende  Zeichen  von  Ermüdung  zeigen 
würden,  denn  damit  wäre  ein  kritischer  Moment  eingetreten. 

So  ging  es  fort  über  diese  ödesten  der  Oeden  im  hohen  Luft- 
meere, das  die  Schneestürme  aufwühlten  und  im  tobenden  Unwetter 
durchpeitschen.  Bei  momentanem  Aufhellen  blickten  wir  hier  und 
da  durch  die  Oeffnungen  der  auf  der  Schneefläche  hervorstehenden 
Kämme  auf  ferne  Hochgebirge,  die  sich  in  todter  Majestät  umher- 
erstreckten, und  als  wir  uns  mehr  dem  Rande  des  offenen  und  weiten 
Plateau  näherten,  konnten  wir  mitunter  nach  Abwärts  die  eine  oder 
andere  Windung  des  unteren  Weges  erspähen,  der  auf  einem  niedri- 
gen Niveau,  und  also  weit  geschützter,  hinlief.      ' 

Nach  vielfachen  Mühen  wurde  schliesslich  der  Plateaurand  er- 
reicht, und  erblickten  wir  nun  unten  vor  uns  ein  eingeschlossenes 
Wiesenthal  mit  einer  Lagune,  zu  welcher  sich  in  wunderlichen  Schlän- 
gelungen der  deshalb  „Culebrillas"  genannte  Fluss  hinwand.  Der  Ab- 
steig  war  ziemlich  steil  und  nun  geriethen  wir  auf  das  sumpfige 
Terrain  (der  Sümpfe  vonPujol  späterhin),  auf  welchem  es  genauer  Local- 
kenntnisse  bedurfte,  um  die  gefahrlichen  Stellen  zu  meiden.  Dass  der 
vermeintliche  Führer  auch  hier  unbrauchbar  war,  zeigte  sich  bald, 
denn  er  führte  uns  so  tief  in  den  Morast  hinein,  dass  wir  uns  ge- 
zwungen sahen,  die  Thiere^  als  den  einzigen  Ort  festen  Fusstrittes, 
auf  glatte  Steinhügel  zu  lenken,  die  es  unmöglich  war  zu  ersteigen. 
Dabei  gerieth  das  Meinige,  so  gut  es  sich  auch  bis  dahin  bewährt 
hatte,  in*s  Stürzen,  und  indem  mein  langer  Pelz,  den  ich  für  die  Kälte 
auf  dem  Paramo  umgehängt  hatte,  rasches  Abspringen  verhinderte, 
kam  ich  unter  dem  Thier  zu  liegen,  das  sich,  weil  auf  der  Neigungs- 
fläche des  steilen  Hügels  gefallen,  noch  einmal  nach  unten  über- 
schlug. 

Jeder  war  mit  Rettung  seines  eigenen  Thieres  und  eigener 
Person  auf  dem  bodenlosen  Moorboden  so  sehr  in  Anspruch  ge- 
nommen, dass  es  einige  Zeit  dauerte,  bis  Hülfe  kam,  und  konnte 
diese,  bei  der  Verwickelung  der  langen  Sporen  in  das  Riemenzeug, 
erst  nach  der  Absattlung  des  noch  auf  der  Erde  liegenden  Maul 
thieres  geleistet  werden,  um  mich  von  der  aufliegenden  Last  zu  be- 
freien. Als  ich  mich  los  fühlte,  machte  ich  Bewegungsversuche,  und 
wagte,  als  diese  gelungen,  die  Glieder  zu  strecken  und  die  Gelenke 
in  Armen  und  Beinen  zu  versuchen.  Da  zu  meiner  Zufriedenheit 
Alles  heil  geblieben  schien,  bestieg  ich  das  neu  gesattelte  Thier, 
berieth    aber  jetzt    mit    meinem  Burschen  über  die  Fortsetzung  des 


CULEBRILT.AS.  109 

Weges,  da  ich  der  bisherigen  Führung  nicht  länger  Lust  verspürte, 
mich  anzuvertrauen. 

Glücklicher  Weise  machte  ungefähr  zur  selben  Zeit  eine,  Pferde 
zum  Verkauf  führende,  Karavane  aus  dem  unteren  Weg  des  Azuay 
ihre  Erscheinung  auf  der  Wiesenfläche  des  Culebrilla's,  an  der  sich 
beide  Wege  vereinigen.  Da  diese  aus  erfahrenen  Reisenden  bestand, 
welche  bereits  zu  verschiedenen  Malen  auf  dem  Her-  und  Hinwege 
nach  Loja  den  Azuay  überstiegen  hatten,  so  hielten  wir  uns  zu  ihnen 
und  kamen  so  ohne  weiteren  ernstlichen  Unfall  über  den  trügerischen 
Wiesengrund  hinweg. 

Die  sonderbaren  Figuren  des  Culebrillas  boten  viele  Unterhal- 
tung, und  man  hat  selbst  gemeint  Buchstaben  herauslesen  zu  können, 
und  also  eine  künstliche  Anlage,  während  sie  die  natürliche  Folge 
der  in  dieser  Thalrundung  mangelnden  Niveaudifferenz  sein  werden, 
indem  der  Fluss  gleichsam  zweifelnd  schwankt,  ob  er  in  den  See 
zurücklaufen  soll  oder  einige  Tropfen  nach  dem  Naranjal  (zum  Golf 
von  Guayaquil)  abträufeln  lasse. 

Auf  einer  Erhöhung  neben  der  Lagune,  in  welche  der  Culebrillas 
mündet,  stehen  die  m  einem  Rechteck  aus  aufgeschichteten  Steinen 
gebildeten  Mauern,  die  unter  dem  Namen  der  Paredones  bekannt 
sind  (auch  als  Labyrinth  beschrieben)  und  worauf  die  unter  den  fol- 
genden Morästen  in  ihren  Resten  erhaltene  Strasse  führt. 

Dr.  Reiss,*)  der  auf  seinen  sorgfältigen  Untersuchungen  die  Loca- 
lität  des  Azuay  besser,  als  seine  Vorgänger,  kennen  gelernt  hat,  be- 
merkt, dass  die  den  Inca  zugeschriebene  Calzada  sich  darauf  redu- 
cirt,  dass  der  Weg  dort  durch  die  unregelmässige  Oberfläche  der 
alten  Lava  gebildet  ist,  ohne  Anzeichen  von  Pflasterung  und  Cement- 

>)  El  grau  conjunto  de  cerros,  llamados  ,,E1  Azuay"  se  componen  de  rocas  anli- 
guas,  de  csquitas  p6rfiros,  dioritas  etc.  en  el  norte,  de  areniscos  en  el  sur,  las  cuales 
estän  cubiertas  por  una  formacion  volcanica.  Las  esquitas  y  areniscas,  las  ultimas  muchas 
veces  desarrolladas  como  conglomeratos  (Nagel-  fluhe),  que  se  encuentran  en  position 
casi  vertical  y  alineadas  en  direccion  del  sür  al  norte,  se  ven  descubiertas  en  las  lomas 
y  quebradas  hasta  3600  y  3800  metros  de  altura.  De  alla  hasta  las  cüspides  no  se  en- 
cuentra  sino  lavas  en  la  parte  del  sur,  brechas  en  la  del  norte  y  tobas,  lavas  y  aglo- 
meratos  atravesados  por  (ilones  en  el  cenlro  de  la  serrania.  Las  brechas  de  traquita  y 
las  tobas  de  piedra  pomez  se  estienden  muy  16jos  al  rededor  del  Azuay,  formando  capas 
gruesas  en  los  pdramos  de  Zula,  descendiendo  al  oeste  hdcia  la  region  de  los  bosques, 
y  Ilenan  tambien  toda  la  liovft  del  rio  Molobog  cerca  de  Caflar,  de  tal  manera  que 
muchas  veces  es  dificil  reconocer  la  verdadera  estnictura  geolögica  del  terrcno.  Me  pa- 
rece  que  las  erupciones  cerca  de  Ticsan  se  puedan  interpretar '  como  la  vanguardia  del 
gran  centro  volcänico  del  Azuay,  y  talvez  pertenezcan  h.  la  misma  categoria  los  depösitos 
de  tobas  y  brechas  traquiticas  de  Deleg,  de  Sidcay  y  de  Turi  cerca  de  Cucnca.  Aus 
Dr.  Reiss'  Briefe  an  den  Präsidenten  (Quito  1873). 


110  NACH   CHILE. 

Bekleidung.  Schmarda  bemerkt  von  diesem  Platz:  „Hier  sind  die 
Ruinen  eines  grossen  Steinhaus  aus  der  Incazeit,  eine  Art  Hospiz, 
welches  den  Beweis  liefert,  wie  sehr  die  Regierung  der  Incas  an 
Staatsweisheit  und  Humanität  der  gegenwärtigen  Verwaltung  der 
herrschenden  Bevölkerung  überlegen  war,  diese  lässt  die  alten  Her- 
bergen aus  der  Incazeit  verfallen,  statt  jährlich  lo  oder  20  Thaler 
auf  ihre  Reparatur  zu  verwenden;  man  lässt  die  Wanderer,  die  bei 
schlechtem  Wetter  den  Assuai  passiren  müssen,  ruhig  verunglücken; 
vom  Schneesturm  verwehen  und  erfrieren."  Die  Höhe  des  Passes 
wird  von  ihm  zu  13,640  P.  F.  bestimmt. 

An  dem  See  vorbei  hebt  sich  der  Weg  über  Haidehügel,  die 
indess  noch  vielfach  von  sumpfigen  Wiesenflächen  unterbrochen  sind. 
Dann  öffnet  sich  der  Blick  auf  das  anstrebende  Muldenthal  von  Inga- 
Pirca,  in  welchem  hier  und  da  kleine  Flecken  grünen  Anbaues  zer- 
streut erscheinen.  Ueber  Abfälle  zieht  sich  der  Weg  hinab  auf  das 
vom  Fluss  Silante  durchströmte  Hügelthal,  geräth  aber  bald  wieder 
auf  ein  lehmig  gebrochenes  Terrain,  auf  welchem  die  Thiere  oftmals 
bis  an  den  Gurt  einsanken.  Nach  dem  Ueberschreiten  einer  Rasen- 
brücke, steigt  der  glitscherige  Weg  empor  nach  der  Hacienda,  welche 
den  Ruinen  von  Inga  Pirca  angebaut  ist  und  welche  ich,  der  Nähe 
dieser  Monumente  wegen,  der  von  meinen  Begleitern  gewählten, 
zum  Quartier  vorzog,  da  die  Nacht  schon  nahe  war. 

Das  Inga-Pirca  genannte  und  in  der  feinen  Steinfiigung  der  Inca 
(ohne  erkennbaren  Mörtel)  aufgerichtete  Gebäude  (von  paralelopipe- 
dischen  Steinen)  steht  in  kahnartiger  Form,  und  von  Doppelmauer 
umgeben,  auf  einem  schroff"  abfallenden  Hügel,  in  zwei  Stockwerken, 
die  Fenster-Einschnitte,  Thüren  und  Balkensetzungen  zeigend.  Neue 
Räumlichkeiten  sind  hineingebaut,  und  damals  wurde  diese  monu- 
mentale Reliquie  als  Schweinestall  benutzt. 

Auf  einem  nahe  gelegenen  Hügel  findet  sich,  unter  dem  Namen 
Inga  Chungana  eine  Aushöhlung  von  Stein,  mit  geschwungenen 
Verzierungen  auf  der  Oberfläche.  Von  dem  über  den  schroflTen  Ab- 
fall hervorstehenden  Sitz,  unter  dessen  Wölbung  sich  ein  zweiter 
findet,  geniesst  man  eines  romantischen  Einblickes  in  das  Bergthal 
des  Gulanza.  Die  auch  dir  Spielzwecke  erklärte  Rundung  ist  aus 
dem  lebenden  Fels  herausgearbeitet,  oder  vielmehr  der  Hügelfels  ist 
von  der  oberen  Spitze  bis  auf  diese  schmale  Rundung  abgetragen, 
im  Anschluss  an  die  natürliche  Grundlage,  wie  in  den  Teocalli 
Mexico's,  gewissermassen  eine  zögernde  Vorstufe,  ehe  der  Mensch 
selbsständig  freie  Bauten,  mit  künstlich  dafür  zubereitetem  Material, 


INGA-PIR.CA.  111 

ZU  entwerfen  verstand.  Die  weiten  Aussenwerke,  die  in  ihren  Trüm- 
mern zn  verfolgen  sind,  scheinen  (als  die  sog.  Festung  von  Caiiar) 
beide  Denkmäler,  als  Wohnung  und  Gartensitz  (sowie  den  Tempel 
mit  dem  Sonnenbild)  umschlossen  zu  haben. 

Als  ich  mit  einbrechender  Dunkelheit  meinen  Weg  nach  der  Ha- 
cienda,  wo  der  Bursche  mit^  den  Thieren  gelassen  war,  zurücksuchte, 
fühlte  ich  einigermassen  das  Bedürfniss  des  Ausruhens  und  in  Folge 
der  durch  den  Fall  noch  zerschlagenen  Glieder  von  etwas  Pflege. 
Doch  sah  ich  auf  den  ersten  Blick,  dass  darauf  nicht  zu  rechnen 
sein  würde. 

Zu  essen  gab  es,  wie  gewöhnlich,  nichts,  und  obwohl  man  sich 
darein  allmählig  zu  schicken  anfing,  war  es  doch  diesmal  besonders 
hart,  da  wir  den  ganzen  Tag,  von  bald  nach  Mittemacht  an,  schwer 
gearbeitet  hatten,  und  auch  schon  die  letzten  drei  Tage,  seit  der 
Abreise  von  Riobamba,  keine  eigentlich  regelmässige  Mahlzeit  er- 
halten hatten,  das  bescheidene  Frühstück  in  Alausi  vielleicht  aus- 
genoYnmen. 

Da  der  Mensch  indess  ein  Wenig  aus  der  Erinnerung  zu  zehren 
vermag,  und  Phantasie-Begabtere  sich,  wie  es  heisst,  mit  Hoffnungen 
mästen  können,  so  mochte  bei  uns  das  Fasten  noch  hingehen,  wäh- 
rend es  für  die  armen  Maulthiere  um  so  trauriger  gewesen  wäre. 
Ich  liess  deshalb  auch  nicht  nach,  bis  es  auf  fortgesetztes  Andrängen 
gelang,  wenigstens  ein  paar  Mundvoll  für  jedes  zu  erhalten. 

Mit  dem  Nachtquartier  war  es  ebenfalls  schlimm  bestellt.  Der 
ganze  bewohnbare  Raum  des  Hauses  beschränkte  sich  auf  ein  mittel- 
grosses Lehmzimmer,  wie  sie  sich  in  den  landesüblichen  Hütten  fin- 
den, ohne  Fenster,  und  nur  mit  niedriger  Thür.  In  der  Mitte,  etwas 
nach  der  einen  Seite  gerückt,  stand  das  breite  Bett,  in  welchem  das 
Ehepaar  mit  der  ganzen  Kinderbrut  zusammenschlief;  sonst  aber  fand 
sich,  ausser  einer  schmalen  Lehm-Estrade  an  der  einen  Wand,  kein 
überflüssiges  Möbel  im  Zimmer.  Dass  Alles  von  Schmutz  starrte, 
wusste  ich  im  Voraus,  musste  es  indess  zu  meinem  Leidwesen  beim 
Anzünden  einer  Kerze  noch  deutlich  vor  mir  sehen,  während  es  mir 
bei  Tage  durch  das  fensterlose  Halbdunkel  wohlwollender  verhüllt 
gewesen  wäre. 

Da   das  Nachtlager   auf  der  Erde    und    in  solcher  Atmosphäre 
nicht    zu    schwelgerischen  Träumereien  aufforderte,    so  war  ich  am 
nächsten  Morgen  (August  19.)  um  so  eher  auf,  und  konnte  die  Zeit 
bis  zum  Aufpacken  der  Thiere   benutzen,    um   in  der  Quebrada  am  , 
Fluss,  unterhalb  des  Inga-Pirca,  das  Inti-huaca  genannte  Denkmal*  zu  i 


112  NACH   CHILE. 

besichtigen,  indem  auf  einem  schroff  anstehenden  Felsen  zwei  con- 
centrische  Kreise  (der  äusserste  Ring  roth,  der  mittlere  gelb  und  ein 
weisser  in  der  Mitte)  das  Bild*)  der  Sonne  darstellen,  ein  einge- 
buchtetes mit  Punkten  das  des  Mondes.  An  einem  neben  einer  Grotte 
gelegenen  Fels  weiter  unten  findet  sich  ein  ähnliches  Sonnenbild, 
und  an  einem  anschliessenden  Fels  ein  anderes  mit  dickerem  Rand. 
Dies  Sonnenbild  soll  wunderbarer  Weise  hervorgetreten  sein,  als 
Topa  Yupanqui  sich  den  Grenzen  des  Conchoconda  von  Lican 
näherte,  und  die  Priester  der  Inca  begrüssten  die  Erscheinung  des 
göttlichen  Stammvater's  ihres  Fürsten  als  eine  siegverheissende  Vor- 
hersagung. 

Als  Topa-Yupanqui  seine  Rüstungen  begann,  sass  Hualcopo  auf 
dem  Throne  der  Duchicela,  deren  Dynastie  seit  dem  Vermählungs- 
bunde unter  dem  letzten  Scyri  mit  der  Quitos  verschmolzen  war. 
Den  Oberbefehl  der  Truppen  führte  Epiclachima,  der  Bruder  des 
Königs,  der  bei  dem  Vordringen  des  während  seines  Lagers  in 
Cailar  verstärkten  Inca  von  Tiquizambi  auf  Teocaxas  zurückging, 
und  dort  an  den  Grenzfestungen  der  Puruha  eine  Schlacht  anbot,  in 
der  die  überlegene  Kriegskunst  der  Inca  den  Sieg  davon  trug.  Nach 
vergeblichen  Versuchen,  Liribamba  zu  vertheidigen,  sah  sich  Hual- 
copo zum  Rückzug  nach  Mocha  gezwungen.  Dort  jedoch  gelang  es 
Calicuchima,  Epiclachima's  Sohn,  der  an  Stelle  ^  seines  gefallenen 
Vaters  mit  der  Feldhermwürde  bekleidet  war,  alle  Angriffe  zurück- 
zuweisen, so  dass  Capac-Yupanqui  fiir  das  geeignetste  hielt,  sich  mit 
den  soweiten  Erfolgen  seiner  Eroberung  zu  begnügen  und  zum 
triumphirenden  Einzug  nach  Cuzco  zurückzukehren.  Nach  den  vor- 
übergehenden Vortheilen^  welche  Cacha  (Nachfolger  seines  Vaters 
Hualcopo)  für  kurze  Zeit  über  die  von  den  Peruanern  zurückgelassenen 
Garnisonen  erlangte,  wurde  dann  die  Eroberung  des  Landes  durch 
Huayna-Capac  vollendet. 

Der  Eigenthümer  (oder  Verwalter)  der  Hacienda,  auf  welcher 
diese  Felsbilder  liegen,  zeigte  ein  äusserst  scheues  und  ablehnendes 
Wesen,  entweder  weil  er  meinte,  dass  ich  die  von  ihm  (nach  der 
Ansicht  seiner  Nachbarn)  ausgegrabenen  Schätze  aufspüren  wollte, 
oder  dass  ich  selbst  solche  ausgraben  und  ihn  also  durch  die  Con- 
currenz  berauben  wolle.  Es  kostete  mich  einige  Mühe,  bis  ich  ihn 
kirre  machte,  doch  war  er  beim  Abschiede  schon  so  weit  gezähmt, 
um  mir  ein  paar  der  dort  gefundenen  Stücke  zu  überlassen,   freilich 

l        ,  *)   Humboldt  erwähnt    noch    undeutliche   Umrisse   von   Augen    und   Mund ,    die    mit 
•einem  melallischeu  Werkzeug  später  hinzugefügt  scheinen. 


MÖRTEL.  113 

keine  von  besonderer  Bedeutung,  aber  doch  durch  die  Localität  des 
Fundortes  interessante. 

Inga  -  Pirca  liegt  auf  einem  von  der  Hügelkette  nach  Nordost 
schroff,  nach  Westen  (und  Süden)  in  Vorsprüngen  abfallenden  Fels, 
der  auf  halber  Höhe  mit  einer  Mauer  aufgebaut  ist,  auf  welcher  sich 
eine  höhere  Terrasse  findet  mit  einem  länglich  runden  Bollwerk  (am 
Fels  angebaut)  aus  frei  zusammengefugten  Quadersteinen,  und  von 
demselben  erstreckt  sich  weiter  eine  Mauer  mit  Nischen,  sowie  eine  • 
andere  mit  Erhebungen,  auf  niedrigem  Abfall.  Auch  in  der  nahe 
gelegenen  Hacienda  findet  sich  altes  Mauerwerk,  zum  Theil  aus 
grossen  Steinen,  als  Fundament  angebaut.  Auf  dem  Bollwerk  stehen 
die  Reste  anderer  Mauerwände,  denen  ein  neues  Gebäude,  (eine 
frühere  Capellc,  die  später  zum  Schweinestall  benutzt  wurde)  zuge- 
fugt ist,  und  in  ihm  finden  sich  zwei  Fenster,  zwei  Nischen -Ein- 
schnitte, und  Thüröffnungen,  nach  Oben  verengt,  sowie  aus  den 
Wänden  hervorstehend,  Stein-Vorsprünge.  Der  Blick  ist  über  die 
Hügelwellen  auf  die  Berge  von  Canar,  gerichtet,  jenseits  der  vom 
Fluss  Silante  durchströmten  Schlucht.  Auf  der  obersten  Terrasse 
führen  von  beiden  Seiten  in  Höhlungsnischen  Treppen  zum  darauf 
errichteten  Gebäude.  Die  Fensternischen  in  der  Mauer  des  Vor- 
sprungs sind  inwendig  mit  rothem  Mörtel  belegt,  der  gegen  Osten 
gerichtet  in  der  Morgensonne  schimmert. 

Seit  Ulöa's  und  Humboldts  Zeit  sind  sie  mehrfach  beschrieben 
worden,  und  jedesmal  unter  den  Veränderungen,  die  der  Zahn  der 
Zeit  im  Aussehen  hinzugenagt  hatte.  Neuerdings  hat  sich  Herr  Dr. 
Reiss,  auf  seiner  in  Verbindung  mit  der  Dr.  StübeFs  eine  Neugestal- 
tung der  Ansichten  über  Südamerica  versprechenden  Reise  längere 
Zeit  dort  aufgehalten,  und  wird  wohl  bald  eine  detaillirte  Beschrei- 
bung ermöglichen. 

Den  bei  der  genauen  Zusammenfligung  der  Steine  über  das 
Vorhandensein  von  Mörtel  in  den  Inca- Bauten  angeregten  Zweifel 
hat  Humboldt  im  bejahenden  Sinne  entschieden,  und  zugleich  auf 
ein  aus  Asphalt  hergestellten  aufmerksam  gemacht,  neben  dem  von 
ihm  in  Inga  -  Pirca  (Inga-Pillca)  untersuchten,  der  mit  Säuren  braust. 

Dit  Bausteine  (aus  Trapp-Porphyr)  sind  parallelipedisch  behauen, 
mit  convexer  Oberfläche  (schräg  an  den  Rändern),  rustificirt  nach 
Art  des  Bugnato  in  Italien.  Die  Höhe  der  Thüren,  um  den  Eintritt; 
auf  Schultersänften  zu  gestatten,  bedingt  dann,  der  erforderlichen 
Festigkeit  wegen,  die  Einwärtsneigung  nach  Oben. 

Bei  der  Rückkehr  zum  Quartier  fand  ich  Alles  fertig  stehen,  so 

Bastian:  America.  {.  Ö 


114  I^KRU   CNI)   ECUADOR. 

dass  wir  noch  bei  guter  Zeit  aufbrechen  konnten.  Nach  dem  Passiren 
des  Flusses  Silante,  steigt  der  Weg  längs  des  Ufers  empor,  und 
zieht  sich  dann  fort  über  ein  gebrochenes  Hügelland. 

Da  nach  mehrtägigem  Fasten  für  Thier  und  Mensch  eine  ge- 
wisse Berechtigung  zur  Frühstücksrast  vorlag,  Hess  ich  mich  diesmal, 
auf  die  wiederholten  Anspielungen  meiner  Begleiter  dazu  bestimmen, 
als  ich  gegen  Mittag  in  der  Umgegend  allerlei  sonderbare  Baulich- 
keiten hervorragen  sah,    über  die  ich  gerne  Auskunft  gehabt  hätte. 

Ich  ritt  deshalb  nach  einem  Pachthaus  zu,  und  Hess  meine  Thiere 
auf  dem  Hof  einstellen,  obwohl  mir  die  dort  geschäftige  Hausfrau 
auf  mein  Ansuchen  um  Herberge  jedenfalls  nicht  mit  Ja  geantwortet 
hätte.  Meinem  Diener  ihre  Besänftigung,  sowie  die  Besorgung  des 
Frühstücks,  soweit  MateriaHen  dazu  vorhanden,  überlassend,  begab 
ich  mich  nach  dem  Chordeloma  genannten  Hügel,  dessen  Bauten 
sich  als  Festungswerke  erwiesen,  die  zum  Theil  an  den  natürlichen 
Fels  anschlössen.  Am  Schlussbau  stieg  man  auf  breiten  Stufen  empor, 
und  der  Eingang  zu  diesem  führte  durch  zwei  Steinplatten.  Aehn- 
liche  Steinplatten  und  gerillte  Steine,  sowie  aus  losen  Steinen  auf- 
geschichtete Mauern,  fanden  sich  an  verschiedenen  Stellen  der  Ober- 
fläche. Auch  das  Haus,  in  dem  wir  abgestiegen  waren,  stand  auf 
einem  alten  Unterbau,  aus  welchem  grosse  Steinplatten  hervorragten. 
Daneben  zeigten  sfch  breite  Stufen  eingeschnitten,  ujid  an  der  andern 
Seite  verschiedenen  Nischen  und  Ausholungen,  theils  mit  Steinsitzen, 
theils  zu  Bädern. 

Ein  Umblick  zeigte,  dass  sich  in  der  Umgegend  noch  mehr 
solche  Reste  finden  müssten,  so  dass  eine  archäologische  Aufnahme 
angezeigt  wäre,  ohne  welche  es  schwer  sein  würde,  sich  über  die 
Bestimmung  dieser  Werke  und  ihren  Zusammenhang  unter  einander 
klar  zu  werden.  In  der  Nähe  dort  beschreibt  Alcedo  ein  befestigtes 
Tempelschloss  (bei  Cahar)  mit  Gängen  und  Nischen,  worüber  ich  bei 
meinem  raschen  Durchritt  keine  weitere  Auskunft  erlangen  konnte, 
da  ich  Niemand  dafür  Fähigen  antraf. 

Sobald  die  Thiere  abgefressen  hatten,  wurde  gesattelt  und  ge- 
packt, und  über  den  AbfaU  steiniger  Hügel  gelangten  wir  zum  Rio 
Grande,  auf  die  Strasse  nach  Canar  einlenkend.  Wälirend  der  Weg 
mit  spärlicher  Vegetation  bedeckte  Steinhügel  hinanstieg,  erblickten 
wir,  vor  höheren  Bergreihen,  am  Abhang  bebauter  Hügel  die 
Stadt  Cafiar  oder  Hatun- Canar,  mit  drei  hohen  Erdhügeln,  gerade 
vor  dem  Eintritt,  Nario,  Pie  de  Nario  und  Suculoma  genannten,  die 
auf  natürlicher  Felsgrundlage  ruhen,  während    sich  Anbauten  unter- 


TANAR.  115 

scheiden,    sowie   Schichtungen    loser  Erde,    unter  Einschlüssen    von 
Grabhügeln. 

Obwohl  Canar  als  Villa  figurirt  und  zu  den  ältesten  Ortschaften 
von  Südamerica  gehört,  hatte  es  doch  noch  kein  Wirthshaus  ent- 
wickelt, aber  andererseits  die  Gastfreiheit,  die  sonst  solchen  Mangel 
ersetzt,  verloren,  wie  es  schien.  Obwohl  ich  meinen  Diener  zu  allen 
Behörden  und  Autoritäten  des  Orts  umherschickte,  hatte  ich  doch 
mit  meinem  Zuge  auf  dem  offenen  Markt  zu  halten,  und  als  dann 
mein  Bote  nur  mit  Ausreden  der  Abwesenden,  oder  abwesend  Gemel- 
deten, zurückkam,  sprach  ich  im  Vertrauen  auf  St.  Julianus  Hospi- 
tator,  den  Schutzpatron  der  Heiligen  (aus  dem  9.  Jahrhundert),  meine 
Ansicht  über  diesen  Empfang  so  deutlich  aus,  dass  schliesslich  Einige 
der  Umstehenden  hervortraten,  und  mich  nach  dem  Hause  des  Gouver- 
neur brachten,  der,  obwohl  die  Kleinheit  desselben  eine  Aufnahme  nicht 
erlaubte,  mir  ein  gegenüberliegendes  leeres  Zimmer  zum  Abpacken  ver- 
schaffte, und  mich  am  Nachmittage  auch  mit  einigen  Bürgern  bekannt 
machte,  von  denen  ich  verschiedene  sehr  interessante  Gegenstände 
aus  den  dortigen  Funden  erwerben  konnte.  Als  die  bisherigen  Thiere 
zu  verabschieden  waren  und  mit  dem  Führer  von  Pumallacta  zurück- 
kehren sollten,  wollte  mein  Diener  dem  letzteren  nicht  nur  nicht 
seinen  Lohn  ausbezahlt,  sondern  ihn  selbst  zur  Bestrafung  gezogen 
wissen.  Schon  am  Wege  war  er  nach  der  Rücksprache  mit  den 
Leuten  der  Karavane,  mit  der  wir  einige  Stunden  zusammenreisten, 
zu  der  Behauptung  gekommen,  dass  der  Führer  uns  absichtlich  den 
gefahrlicheren  Weg  über  den  Aznay  geführt  hätte,  um  uns  beim 
Ermüden  der  Thiere  im  Schnee  stecken  zu  lassen,  und  dann  am 
nächsten  Tage  die  Leichen  zu  berauben.  Aber  pflegte  er  höhnisch 
triumphirend  zu  schliessen,  „das  Bürschchen  hat  nicht  gewusst,  mit 
wem  er  zu  thun  hat,  mit  einem  alten  Krieger  -  Veteran  gleich  mir 
anzubinden,  er  wusste  nicht,  was  wir  für  Kerls  sind.''  Der  Beschul- 
digte antwortete  auf  Alles  das,  sehr  kleinlaut  und  timide,  und  schien 
in  der  That  überrascht,  als  ich  ihm  den  Rest  seines  bedungenen 
Lohnes  auszahlte.  Noch  erstaunter  würde  darüber  wahrscheinlich 
ein  Indianer  gewesen  sein,  über  deren  Behandlung  eigenthümliche 
Principien  gelten.  Als  die  bei  Culebrillos  eingetroffenen  Reisenden 
von  meinem  Gepäckverlust  auf  der  Höhe  des  Azuay  hörten,  bestanden 
sie  als  dem  Brauch  gemäss  darauf,  dass  der  Indianer,  trotz  des  fort- 
dauernd drohenden  Himmel's  zurückgeschickt  werden  müsse,  um 
die  Sachen  zu  suchen,  und  als  ich  ihn  später  mit  einer  ähnlichen  Nach- 
suchung beauftragte,  von  der  er  ohne  Resultat  zurückkam,  wäre  es  für 


116  PERU   INI)   ECrADOK. 

Alle  selbstverständlich  gewesen,  dassihm  der  Verlust  hätte  abgezogen 
werden  sollen.  Als  ich  ihn  voll  bezahlte,  schien  das  ein  Bruch  des 
Herkommen's  zu  sein.  Die  Schuld  des  Führer's  lag  übrigens  im  Grunde 
wahrscheinlich  nur  darin,  dass  er  sich  nicht  sicher  genug  gefühlt 
hatte,  in  den  Sümpfen  des  unteren  Weges  den  Pfad  zu  finden,  und 
uns  deshalb  über  die  Höhen  führte,  obwohl  es  eigentlich  bereits 
zu  spät^)  am  Vormittag  war. 

Noch  in  der  Dunkelheit  liess  ich  packen,  so  dass  wir  bei  Tages- 
anbruch unterwegs  waren  (August  20.).  Ueber  sumpfige  Moorflächen 
ging  es  aufwärts,  an  dem  Bach  Yoripongo  mit  Wassergefällen;  die 
Luft  füllte  sich  mit  Reifnebel  und  der  schlüpfrige  Weg  erforderte 
stete  Vorsicht.  Hohe  Bergketten  stiegen  in  der  Ferne  auf,  als  wir 
auf  allerlei  Umwegen,  um  auf  dem  schlammigen  Sumpfboden  festere 
Bodenstellen  zu  finden,  den  Bach  Curikinga  erreichten,  dessen  Brücke 
indess  zerbrochen  war,  so  dass  wieder  eine  neue  Richtung  einge- 
schlagen werden  musste.  Wir  geriethen  auf  morastige  Wiesen- 
flächen, wo  ebenfalls  die  Brücke  sich  in  so  verfallenem  Zustand  fand, 
dass  wir  uns  nicht  hinaufwagen  konnten.  Dichte  Nebel  stiegen  aus 
den  Thälem  auf,  uns  entgegenwehend  und  Alles  in  nasse  Schleier 
hüllend.  Die  beständig  einsinkenden  Thiere  begannen  zu  stürzen, 
wenn  sie  in  ihren  gewaltsamen  Sprüngen,  eine  Fussunterlage  zu 
finden,  diese  verfehlten,  und  das  Lastthier  fand  sich  einige  Male  in 
so  bedenklicher  Lage,  dass  wir  fast  schon  die  Hoffnung  aufgegeben 
hatten,  es  wieder  herauszuziehen  und  auf  die  Beine  zu  bringen. 
Glücklicherweise  fanden  sie  sich  in  guter  Condition  und  war  auch 
der  indianische  Führer  ein  zuverlässiger,  mit  den  Pfaden  von  Jugend 
auf  vertraut.  Bei  niedrigen  Büschen,  am  Abhang  nach  dem  Thal, 
begann  der  Absteig  des  Bueste,  von  dem  man  mir  bereits  in  Rio- 
bamba  gesprochen  hatte.  Im  Allgemeinen  wird  in  Ecuador  nicht 
viel  gereist,  und  in  der  einen  Provinz  wenig  von  den  andern  (die  Haupt- 
strassen ausgenommen)  gewusst,  wenn  ich  indess  hin  und  wieder 
Reisende  traf,  die  durch  Canar  gekommen,  so  warnte  man  mich  vor 
den  dortigen  Wegen.  Der  Absteig  des  Bueste  war  indess  noch  als 
der  bessere  genannt,  unter  den  zweien,  die  gewählt  werden  konnten 

^)  Caldas  bemerkt,  dass  man  spätestens  um  5  Uhr  morgens  von  Puma-Llacta  aufzu* 
brechen  und  bei  etwaiger  Verspätung  die  Reise  zum  nächsten  Tage  zu  verschieben  habe, 
da  bei  vorgerückter  Tageszeit  auf  dem  Asuay :  se  corre  el  riesgo  de  una  nevada,  meteoro 
que  ha  sido  funesto  a  muchos  (la  nieve  ö  yelo  que  cubre  al  viajero  for  todas  partes  y 
que  le  embaraza  el  paso  sumergiendole  las  m.os  vezes  hasta  mas  arriha  de  la  rodilla,  cl 
viento  glacial  que  le  azota  y  gela  con  furor,  la  oscuridad  causada  por  la  niebla,  le  opri- 
men,  le  yelan,  le  entorpecen  los  movimientos,  Ic  cansan  y  muchos  vcces  le  hacen  pcrecer). 


AZOGIES.  117 

(im  Vergleich  mit  dem  Absteig  von  Moloboc),  so  dass  man  mir  ge- 
naue Directionen  gegeben  hatte,  wie  er  zu  verfolgen  sei.  Hier  kommt 
dann  leicht  der  Gedanke,  wie,  wenn  es  so  mit  dem  guten  Weg  bestellt 
ist,  wie  es  dann  um  den  schlechteren  aussehen  mag.  Doch  wird 
freilich,  nach  späteren  Beschreibungen,  zwischen  beiden  kein  grosser 
Unterschied  bleiben,  und  lässt  sich  das  Beiwort  schlecht  nicht  viel 
varriiren,  ausser  etwa  nach  der  Jahreszeit  und  dem  Stand  des  Wetter's, 
in  welchem  der  Reisende  sich  über  solchen  Grund  fortbewegt  hat 
Schon  1804  spricht  Caldas  von  dem  „Paso  de  Bueste,  celebre  por  sus 
peligros.''  —  Ueber  kahle  Höhen  mit  vereinzelten  Bäumen  knorrigen 
Stammes  ging  es  hinab,  und  öffnete  sich  dabei  der  Blick  in  eine  zwischen 
Berggruppen  gestreckte  Thalschlucht,  mit  hoher  Kette  dahinter. 
Wir  hatten  hier  die  Wasserscheide  zwischen  pacifischen  und  atlanti- 
schen Meere  passirt,  indem  die  Höhen  von  Canar  noch  entferntere 
Quellen  für  den  Golf  von  Guayaquil  liefern,  der  Fluss  Burgay  (Galoe 
oder  Biblian)  aber,  zu  welchem  jetzt  heruntergestiegen  wurde,  bereits 
zum  Wassergebict  des  Paute  gehört,  der  sich  als  Santiago  mit  dem 
Maranon  vereinigt.  Zur  Bildung  des  Guyaquil-Flusses  tragen  bei:  der 
Daule  vom  Nudo  de  Sandomo,  der  Babahoyo  mit  dem  Rio  de  Cristal 
und  San  Miguel,  der  Baba  von  Mocha,  der  Palenque  mit  dem  Rio 
Alausi,  der  Yaguachi  mit  dem  Guaranda,  und  der  Golf  füllt  sich  von 
Chanduy  (oder  Mondragon)  bis  Tumbez.  Theils  an  trockenen  Stellen 
des  steinigen  Flussbettes,  theils  neben  demselben  erreichten  wir  die 
Ortschaft  Biblian,  und  kamen  dann  längs  einer  Schlucht  an  den  Galoe 
in  der  Thalumgrenzung,  in  welcher  Azogues  (im  Thal  von  Yun- 
guilla)  liegt. 

Ich  hielt  auf  der  Plaza,  die,  weil  gerade  Markttag,  mit  Käufern 
und  Verkäufern  gefüllt  war,  und  da  es  auch  in  dieser  Hauptstadt  der 
Provinz  kein  Gasthaus  gab,  schickte  ich  meinen  Burschen  aus,  ein 
Zimmer  zu  miethen.  Zugleich  hatte  ich  ihm  einen  Empfehlungsbrief 
mitgegeben,  den  ich  für  den  Kaufmann,  Herrn  Vincente  Aguilar,  bei 
mir  führte,  und  bald  machte  dieser  seine  Erscheinung,  um  mich  in 
seiner  Wohnung,  am  andern  Ende  des  Fleckens  zu  accommodiren. 
Solche  Gastfreundschaft  ist  bei  den  Nothfällen,  in  welche  man  ge- 
rathen  mag,  immer  dankbar  anzunehmen,  obwohl  ich  es  sonst  vor- 
zuziehen pflegte,  mir  irgend  einen  Raum,  so  gut,  oder  vielmehr  so 
schlecht  er'  sein  mag,  leer  machen  zu  lassen  und  dafür  zu  zahlen, 
indem  man  dann  nach  Belieben  wirthschaften  kann.  Herr  Aguilar 
konnte  mir  nur  sein  Comptoir  -  Zimmer  anweisen,  wo  Papiere  und 
Kisten   ein  wenig  auf  die  Seite  geschoben  wurden.     Ausserdem  be- 


118  PERU   UND    ECUADOR. 

stand  das  für  dortige  Verhältnisse  ganz  ansehnliche  Haus  neben  der 
umlaufenden  Veranda  nur  aus  def  grossen  Sala,  und  daneben  einigen 
Gemächern  für  Frauen  und  Kinder,  sowie  die  Küche.  Da  mein  Haus- 
wirth  des  Markttages  wegen  in  das  Geschäft  seines  Laden*s,  in  der 
Nähe  der  Plaza,  zurückzukehren  hatte,  blieb  ich  mit  den  Frauen 
allein,  und  da  sich  diese  einem  plötzlich  hineingeschneiten  Wild- 
fremdem gegenüber  in  ungelenker  (und  unter  dem  dortigen  Stillleben 
leicht  erklärlicher)  Verlegenheit  fanden,  hatte  die  Einleitung  eines 
Modus  vivendi  seine  Umstände.  Schon  die  Beschaffung  einer  Wasch- 
schüssel erforderte  Zeit,  und  all  die  umständlichen  Reinigungsopera- 
tionen, die  nach  einem  Ritt,  wie  wir  ihn  so  eben  zurückgelegt  hatten, 
zum  dringenden  Bedürfniss  werden,  liessen  sich  nur  unter  Schwierig- 
keiten vornehmen.  Im  Uebrigen  war  die  Familie  sehr  liebenswürdig, 
nicht  nur  Herr  Aguilar,  sondern  auch  seine  Frau  Gemahlin  und  die 
Uebrigen  der  weiblichen  Mitglieder,  nachdem  wir  bei  Tisch  ver- 
trauter geworden. 

Meine  erste  Frage  war  nun  nach  den  Bronce-Aexten,  das  Haupt- 
ziel, das  mich  zu  dieser  dornenvollen  Reise  von  Riobamba  her  ver- 
lockt hatte.  Mein  Wirth  erinnerte  sich,  von  dem  früheren  Funde 
gehört  zu  haben,  wusste  auch  Mancherlei  von  Ausgrabungen  bei 
Mangang  und  Cujitambo,  sowie  von  den  Alterthümern  Guapang's, 
konnte  mir  aber  über  den  eigentlichen  Gegenstand  meiner  Wünsche 
keine  weitere  Auskunft  geben.  Die  Eigcnthümerin  des  Terrains,  wo- 
her die  Aexte  stammten,  war  ihm  freilich  bekannt,  doch  glaubte  er 
gewiss  zu  sein,  dass  sie  sich  bei  ihr  nicht  mehr  fänden.  So  zeigte 
es  sich  auch,  als  wir  diese  (Senora  Natividad)  noch  am  Nachmittage 
aufsuchten.  Sie  bestätigte  die  Zahl  von  circa  3CXX),  die  ihr  gebracht 
seien,  hatte  aber  Alles  für  altes  Kupier  verkauft,  und  kein  eüiziges 
Stück  mehr  in  Händen. 

Wir  wanderten  so  am  Abend  und  am  nächsten  Tage  in  der 
Stadt  umher,  von  Laden  zu  Laden,  wo  die  Stadtneuigkeiten  venti- 
lirt  wurden,  trafen  auch  den  Einen  oder  Andern,  der  die  Aexte  ge- 
sehen, aber,  wenn  er  selbst  davon  besessen,  sie  zum  Einschmelzen 
hingegeben  hatte.  Das  war  schlechter  Trost,  noch  schlechter,  als 
die  Wege,  die  zurückgelegt  waren,  um  in  solcher  Enttäuschung  zu 
enden. 

In  der  Zwischenzeit  konnte  ich  einige  Kleinigkeiten  erwerben 
und  erhielt  ein  paar  hübsche  Sammlungsobjecte  durch  Herrn  A.  Que- 
vedo,  den  Geschäfts -Compagnon  Herrn  Aguilar's,  der  eine  F'inca  in 
der  Nähe  der  Stadt  bewohnte. 


BRONZE-AEXTE.  119 

Die  Erkundigungen  über  die  Bronce  -  Aexte  gingen  unterdessen 
fort.  Man  schickte  uns  von  Pontius  zu  Pilatus,  aber  ohne  Erfolg. 
Mein  Gastfreund  wusste  keinen  weiteren  Rath,  ebenso  wenig  seine 
andern  Bekannten,  die  er  für  etwaige  Auskunft  herbeigezogen  hatte, 
und  so  sassen  wir  im  Hause  eines  derselben  beisammen,  um  nochmals 
aus  den  hier  und  da  bemerkten  Spuren  die  Wegesrichtung  zusammen- 
zustellen, in  welcher  die  Aexte  zur  schliesslichen  Ruhe  gewandert 
sein  könnten.  Für  die  meisten  war  es  der  Schmelzofen  gewesen, 
darüber  konnte  kein  Zweifel  sein,  doch  mochte  ich  nicht  die  letzte 
Hoffnung  aufgeben,  dass  nicht  vielleicht  einzelne  gerettet  sein  möchten. 

Unter  dem  Hin-  und  Herreden  und  Erwägungen  verschiedener 
Art,  fiel  es  dem  Hausherrn  ein,  dass  sein  Partner,  der  sich  damals 
von  Azogues  abwesend  fand,  vor  längerer  Zeit  in  altem  Kupfer  ge- 
macht hätte,  und  meinte  er  etwas  derartiges  in  einer  Kiste  gesehen 
zu  haben,  die  in  einer  Ecke  stand.  Dieselbe  war  verschlossen,  doch 
übernahm  er  auf  mein  Drängen  die  Verantwortlichkeit,  sie  zu  öffnen, 
und  —  siehe  da,  der  lang  gesuchte  Schatz  lag  vor  uns.  Zwar  nicht 
3000  an  Zahl,  sondern  etwa  nur  300,  doch  noch  genug,  meine  Be- 
dürfnisse zu  befriedigen,  da  ich  bei  der  Durchsicht  zwischen  60  und 
70  mit  Emblemen  verschiedener  Formen  darunter  fand,  und  nun  alle 
diese  zusammenlegte.  Zwar  konnte  ich  sie,  ohne  den  Consens  des 
Eigenthümer's,  noch  nicht  in  definitiven  Besitz  nehmen,  doch  sagte 
mir  Herr  Aguilar  zu,  dass  er  Alles  in  Ordnung  bringen  würde,  und 
da  er  selbst  in  dringenden  Geschäftsangelegenheiten  nach  Cuenca  zu 
reisen  hatte,  beschloss  ich,  ihn  dahin  zu  begleiten.  Bronce -Gegen- 
stände waren  früher  aus  Peru  nur  wenig  bekannt,  und  Humboldt  er- 
wähnt als  grosser  Seltenheit  eines  bei  Vilcabamba  gefundenen  Bronce- 
Meissel's,  den  er  erwerben  und  nach  Europa  bringen  konnte,  um  ihn 
von  Vauquelin  analysiren  zu  lassen.  Der  von  Godin  mitgebrachte 
war  durch  Maurepas  dem  Graf  Caylus  zur  Untersuchung  übergeben. 

Azogues  (nach  seinen  Quecksilberminen  von  Huaischun  benannt) 
hat  neuerdings  commercielle  Bedeutung  gewonnen,  durch  die  Ver- 
fertigung der  feinen  Strohhüte,  die  unter  dem  Namen  von  Panama- 
Hüten  in  den  europäischen  Handel  kommen,  und  hat  diese  Industrie 
gegenwärtig  in  verschiedenen  Plätzen  Wurzel  geschlagen,  in  Peru  in 
Catacaos,  in  Columbien  in  Aguades,, während  sie  sich  ursprünglich  von 
Manavi  (an  der  nördlichen  Küste  Ecuadors)  verbreitet  zu  haben 
scheint.  Im  Uebrigen  fliesst  das  Leben  in  diesen  Binnenplätzen  der 
Cordillere  in  einförmigster  Weise  dahin,  und  wenn  man  auf  die  er- 
eignisslose Geschichte  der  letzten  Jahrhunderte  unter  der  spanischen 


120  J'KRU  rsi)  KcrADOR. 

Colonialregierung  zurückblickt,  kann  der  indolent  gleichgültige  Cha- 
racter,  der  sich  in  der  Bevölkerung  (en  el  seno  de  estas  espesas 
tinieblas,  wie  Caldas  sagt)  herausgebildet  hat,  kein  Wunder  nehmen. 
Nachdem  die  erste  Generation,  zum  Theil  noch  gleichzeitig  mit  der 
energischen  Rasse  der  Conquistadores,  dahin  gegangen  war,  fehlte 
ihren  Epigonen  je'de  Fühlung  mit  der  grossen  Welt,  und  in  diesen 
abgelegenen  Thälem  der  Cordillere  rollten  für  sie  Jahrzehnte  und 
Jahrhunderte  in  monotoner  Eintönigkeit  dahin,  durch  kein  wichtigeres 
Ereigniss  unterbrochen,  als  dann  und  dann  vielleicht  den  Namens- 
wechsel eines  Vicekönig*s  oder  Gouverneur\s.  Erst  das  den  Globus 
erschütternde  Erdbeben,  das  mit  der  französischen  Revolution  am 
Ende  des  vorigen  Jahrhundert's  ausbrach,  machte  sich  auch  in  den 
Bergwinkeln  Südamerica's  fühlbar,  und  es  ist  leicht  verständlich,  wie 
die  so  unmotivirt  aus  ihrer  Lethargie  Aufgerüttelten,  jetzt  den  rich- 
tigen Massstab  der  Beurtheilung  verloren  haben,  und  nun  ihre  inneren 
Zwiste  ungebührlich  ihrer  Wichtigkeit  nach  vergrössern,  obwohl  diese 
für  sie  schliesslich  auch  die  grössere  Wichtigkeit  haben. 

Der  23.  August  war  zur  Abreise  bestimmt,  die  indess  bis  nach 
dem  Frühstück  verschoben  blieb.  Wir  ritten  über  die  hügligen  Vor- 
sprünge im  Thal  des  Azogues  -  Flusses  mit  grünen  Ebenen  an  dem 
steinigen  Bette.  Ueber  Erhebungen  ging  es  aufwärts,  bis  wir  in  das 
Thal  des  Machangara  gelangten.  Beim  Abschneiden  der  Windungen 
desselben  führte  steiler  Ansteig  zu  kahlen  Höhen,  von  denen  der 
Blick  am  Horizont  Bergketten  aufsteigen  sah  und  vor  ihnen  Cuenca, 
in  sein  Thal  gebettet.  Nach  mehrfachem  Auf  und  Nieder  zeigte 
sich  das  längs  des  Flusses  von  Bäumen  beschattete  Thal  des  Machan- 
gara, von  ineinander  geschobenen  Bergreihen  abfallend.  Nach  Passi- 
ren einer  Brücke  fanden  wir  auch  dem  steinigen  Boden  Anpflan- 
zungen abgewonnen  und  betraten  am  Nachmittag  die  Stadt,  wo  das 
Hotel  Columbiano  Logis  bot. 

Cuenca  (Santa  Ana  de  Cuenca)  hat  einen  guten  Namen  in  der 
americanischen  Archäologie,  da  dort  wiederholt  reiche,  und  durch 
ihren  Metallvorrath  zugleich  kostbare,  Funde  gemacht  sind.  Das 
letztere  hat  indess  meist  zu  ihrer  Zerstörung  beigetragen,  so  dass 
man  im  Ganzen  mehr  von  ihnen  gehört,  als  gesehen  hat.  Ich  traf 
in  Don  Garcia  Moreno  einen  der  dabei  thätigen,  der  sein  bedeutendes 
Vermögen,  das  als  eines  angesehenen  Kaufmannes  dortiger  Verhält- 
nisse, durch  Gold-  und  Silberfunde  gemacht  haben  sollte,  —  in  solchem 
Fall  eine  der  seltenen  Ausnahmen  in  der  Lotterie,  wo  die  über- 
wiegende Mehrzahl  Nieten  zieht. 


TOMEBAMBA.  121 

Er  sprach  von  Sammlungen,  die  er  vor  Jahren  nach  Europa  ge- 
sandt, aus  denen  er  indess,  sei  es  in  Folge  der  Unzuverlässigkeit  der 
Agenten,  sei  es  durch  die  Schwierigkeiten  der  Correspondenz  oder  aus 
anderen  Gründen,  nicht  den  erwarteten  Vortheil  gezogen,  und  über 
deren  schliesslichen  Verbleib  ein  fester  Anhalt  fehlte.  Damals  hatte 
er  wenig  mehr  in  seinem  Besitz,  doch  konnte  ich  noch  einige  werth- 
volle  Stücke  von  ihm  kaufen,  die  wahrscheinlich  ihres  verlockenden 
Feingehaltes  wegen  nicht  mehr  lange  der  Zerstörung  entgangen 
wären,  der  sie  theilweise  bereits  anheimgefallen  waren. 

Eine  interessante  Bekanntschaft  machte  ich  dann  in  einem  jungen 
Gelehrten,  Don  Juan  Matavello,  der  bereits  mit  dem  Padre  Rencoret 
für  archäologische  Zwecke  verkehrt  hatte.  Vor  Kurzem  war  ein 
höchst  bemerkenswerthes  Fundstück  in  seine  Hände  gelangt,  eine 
Holztafel  mit  dem  Plan  einer  Stadt,  die  für  das  berühmte  Tomc- 
bamba  erklärt  wurde,  weil  an  einer  Localität  gefunden,  wohin  man 
diese  vielgesuchte  Residenz  der  Inca    versetzen    zu    müssen  glaubte. 

Der  Fundort  lag  südlich  von  Cuenca  auf  dem  Wege  nach  Loja, 
während  Andere  Cuenca  selbst  mit  Tomebamba  identificiren  oder  es 
auch  nördlich  ansetzen.  Bei  dem  Umfang,  der  dem  alten  Tome- 
bamba in  den  Beschreibungen  gegeben  wird,  konnte  der  angetroffene 
Grundriss  immer  nur  ein  Abschnitt  des  befestigten  Theiles  repräsen- 
tiren,  doch  bleibt  er  merkwürdig  genug,  besonders'  auch  durch  die 
zugefügten  F"iguren,  so  dass  ich  um  ein  Modell  bat,  welches  Herr 
Matavello  auch  die  Freundlichkeit  hatte,  in  den  Dimensionen  des 
Orginales  für  mich  anfertigen  zu  lassen.  Das  letztere  wünschte  er 
noch  einige  Zeit  zu  bewahren,  da  es  gerade  beabsichtigt  w^r,  eine 
Gesellschaft  für  archäologische  und  ethnologische  Bestrebungen  zu 
bilden,  und  konnte  ich  ihn  in  diesem  löblichen  Vorsatz  natürlich  nur 
bestärken.  Herr  Oberst  Taylor,  der  sich  bereits  zu  Seemann's  Zeit 
(1845)  ^^  Cuenca  befand,  war  damals  leider  zeitweilig  abwesend,  Hess 
mir  indess  später,  in  Folge  der  eingeleiteten  Correspondenz,  ein 
werthvolles  Geschenk  aus  seiner  Sammlung  zugehen. 

Innerhalb  des  von  Gil  Raminez  Davilos  (1537)  im  Thal  von 
Bamba  gegründeten  Cuenca  finden  sich  keine  Alterthumsreste,  doch 
sprach  mir  Herr  Matavello  von  einigen  vor  den  Thoren  und  be- 
gleitete er  mich,  nebst  einem  seiner  Freunde,  auf  einer  Excursion. 

Vom  Abhang  der  Stadt  (an  derPuente  dos  Vadios)  blickt  man  auf  das 
Thal  des  Ejido,  mit  vier  Flüssen  (Yanuncay,  Machangara,  Baßos  undMata- 
dero  oder  Tumebamba),  zwischen  den  Anpflanzungen  und  von  Bergreihen 
begränzt.  Wenn  man  jenseits  der  Brücke  de  los  Santos  dem  Flusse  Mata- 


122  PERU   UM)   ECUADOR. 

dero  bis  zu  dem  Puma-Pongo  genannten  Orte  folgt,  sieht  man  auf  der 
andern  Seite  einen  aus  Stein  und  Mörtel  gefertigten  Ausbau  des  alten 
Brückenpfeilers.  Dann  leitet  durch  Chaguar  chiribana  der  Weg  auf- 
wärts, am  Hügel  Gapal,  zur  Hacienda  de  las  Monjas,  wo  sich 
weiterhin  Reste  des  alten  Weges  (aus  eingesetzten  Steinen)  unter- 
scheiden, mit  einem  Blick  auf  das  in  Bäumen  und  Anpflanzungen 
wechselnde  Thal  des  Ejido,  von  Wasserstreifen  durchschnitten,  bis 
jenseits  Cuenca's  hohe  Bergketten  aufsteigen. 

Als  Einer  der  gegenwärtig  noch  thätigsten  Grabsucher  wurde 
mir  Don  Antonio  Serrano  genannt,  der  schon  zu  verschiedenen  Malen 
grosse  Vermögen  gemacht,  aber  sie  im  fortgesetzten  Probiren  und 
Sondiren  auch  wieder  verloren  haben  mochte.  Er  schien  besonders 
mit  jenem,  vor  einigen  Jahren  grosses  Aufsehen  erregenden,  Schatz 
von  Chordeleg  verknüpft,  und  da  er  sich  gerade  wieder  an  dieser 
Localität,  auf  seinen  Arbeitsfeldern  beschäftigt  fand,  beschloss  ich  ein 
paar  Tage  zuzugeben,  um  ihn  dort  aufzusuchen. 

Seihst  in  einer  Stadt  wie  Cuenca  hatte  es  Schwierigkeit,  auf 
kurze  Notiz  die  gewünschten  Pferde  zu  bekommen,  und  da  ich  so 
am  Morgen  nur  ein  Pferd  vorfand,  hatte  ich  meinen  Diener  zurück- 
zulassen und  wurde  von  dem  Führer  zu  Fuss  begleitet,  was  indess 
bei  dem  gleichmässig  raschen  Lauf  der  Indianer,  bei  nicht  allzu  lan- 
gen Strecken,  keinen  Aufenthalt  verursachte.  Die  Schwierigkeit  der 
Reitthierbeschafi"ung  an  solchen  Orten,  wo  Jeder  wenigstens  eines, 
wenn  nicht  mehrere,  besitzt,  liegt  eben  in  dieser  Häufigkeit  und  Ge- 
wöhnlichkeit, weil  dadurch  (von  den  vereinzelten  Fällen  eines  frem- 
den Durchreisenden  abgesehen)  niemals  die  Anfrage  zum  Miethen 
gestellt  wird,  und  also,  bei  mangelndem  Bedürfniss,  auch  Nichts  dafiir 
vorgesehen  ist.  Das  im  Stalle  gehaltene  Pferd  kann  Keiner  weg- 
geben (ausser  etwa  für  einen  kurzen  Ritt  innerhalb  der  Stadt),  da  er 
es  jeden  Augenblick  selbst  zu  benutzen  haben  mag  und  es  für  sol- 
chen Zweck  eben  in  seinem  Stalle  hat.  Die  übrigen  Thiere  finden 
sich  in  den  Weiden  der  Fincas  oder  auf  den  Portreros,  oft  in  weiter 
Entfernung,  und  sollen  sich  dort  entweder  fiir  eine  bevorstehende 
Reise  ausruhen,  oder  zum  Verkauf  aufgefüttert  werden.  Sie  sind  also 
Handelsobjecte,  über  die  sich  verhandeln  lässt,  und  wenn  man  dem- 
gemäss  mit  einem  Arriero  ein  landesübliches  Abkommen  trifft,  dass 
er  in  8  oder  14  Tagen  eine  solche  Zahl  von  Thieren  für  solche 
Zwecke  zu  liefern  hat,  so  wird  man  im  Durchschnitt  wahrscheinlich 
ganz  gut  bedient  sein.  Kommt  man  aber  als  Reisender  heute  in 
einen  Ort  an,  um  morgen  mit  frischen  Thieren  weiter  zu  reisen,    so 


CHORDELEG.  123 

setzt  es  eine  Menge  der  ermüdensten  Laufereien,  und  vorausgesetzt, 
dass  man  überhaupt  erlangt,  was  man  sucht,  so  bleibt  es  jedenfalls 
immer  nur  ein  Glückszufall,  wenn  die  Thicre  diensttüchtig  sind. 

Diesmal,  wo  die  bereits  gemachten  Bekanntschaften  in  der  Be- 
schaffung gehoMen,  konnte  ich  über  das  Pferd  nicht  klagen,  und  so 
legte  ich  rasch  die  erste  Strecke  des  Weges  zurück,  über  den  be- 
reits aus  der  Herreise  bekannten  Grund.  An  der  Confluenz  der 
Flüsse  von  Cuenca  und  Azogues  wurde  der  nach  Azogues  weiter 
führende  Weg  verlassen,  und  betrat  ich  eine  wilde  Schlucht,  in  wel- 
cher ein  enger  Reitpfad  an  steilem  Abhang,  auf-  und  absteigend, 
über  dem  in  der  Tiefe  schäumenden  Flussbette  hinführte.  Mit  dem 
am  Moloboc  entspringenden  Azogues  als  Chictitay  vereinigt,  geht 
der  Matadero  durch  die  Boca  del  Pan  in  den  Paute  über  und  ver- 
einigt sich  dann  mit  dem  Rio  Zamora,  als  Santiago,  dem  Maraßon 
zufliessend. 

Eine  Brücke  führte  zu  der  anderen  Seite,  und  nach  einem  An- 
steig  fiel  der  Blick  auf  ein  geschlossenes  Thal,  in  welchem  der  Ritt 
über  einige  Erhebungen  nach  dem  Dorfe  Gualesco  brachte,  wo  ich 
mein  Pferd  zum  Füttern  einstellte,  um  einen  der  dortigen  Gutsbesitzer, 
an  den  ich  empfohlen  war,  aufzusuchen.  Da  ich  ihn  nicht  antraf, 
ritt  ich  ohne  weiteren  Aufenthalt,  mit  einem  neuen  F'ührer,  über  die 
zwischenliegendcn  Hügel  nach  dem  am  Abhang  beginnenden  Dorfe 
Chordeleg  und  zur  Wohnung  des  genannten  Serrano. 

Nur  sein  Söhnchen  war  zu  Haus,  der  mir  indess  Futter  für  das 
Pferd  besorgte  und  einen  Arbeiter  mitgab,  um  seinen  Vater  auf  dem 
Felde  aufzusuchen.  Igh  fand  ihn  am  Rande  einer  tiefen  Grube,  in 
welcher  schon  seit  mehreren  Tagen  ein  halbes  Dutzend  Tagelöhner 
beschäftigt  war,  ohne  indess  bis  so  weit  die  gewünschte  Schicht  erreicht 
zu  haben,  und  nach  den  während  meiner  Anwesenheit  vorgenom- 
menen Erdprüfurigen  schien  es  zweifelhaft,  ob  sie  dort  überhaupt 
angeschlagen  werden  würde.  Wenn  nicht,  so  war  eben  anderswo 
einzustechen,  das  Terrain,  das  man  mir  zeigte,  war  noch  ausgedehnt 
und  weit  genug.  Herr  Serrano  machte  mich  zugleich  auf  die  mit 
Steinen  stufenartig  ausgelegte  F'estung  auf  dem  Hügel  Llaver  (des 
Flusses  Tungohuaicu)  aufmerksam,  und  gegenüber  Chauninchi  mit 
dem  Fluss  St.  Barbara,  wo  dies  paarweise  Vorkommen  ein  vielfach 
wiederkehrender  Zug  scheint. 

Da  es  bereits  zu  dämmern  begann,  wurde  das  Tagewerk  des 
Schatzgrabens  geschlossen,  und  begab  ich  mich  mit  Don  Antonio 
nach  seiner  Behausung,  wo  wir  beim  Nachtessen  und  nach  demselben 


124  PERU  UND   ECUADOR. 

Allerlei  über  Huacas,  und  was  dazu  gehörte,  plaudern  konnten.  Es 
machte  den  Mund  wässern,  von  all'  den  Herrlichkeiten  zu  hören,  die 
in  seiner  langen  Laufbahn  als  Metallspürer  ihm  durch  die  Hände 
gegangen  war.  Leider  war  indess  Alles  zum  Tiegel  prädestinirt  ge- 
wesen, und  so  Nichts  mehr  übrig,  ausser  einigen,  für  ihn  sehr  arme 
Brocken,  die  sich  aber  für  eine  Sammlung  noch  so  werthvoll  er- 
wiesen, dass  ich  gerne  den  verlangten  Preis  dafür  zahlte. 

Die  Anhäufung  der  Alterthümer  in  Chordeleg  mag  vielleicht 
auf  einen  Rückzug  der  vor  den  Spaniern  fliehenden  Indianerfürsten 
in  das  abgelegene  Paute-Thal  deuten,  wo  sie  eine  Zeit  lang,  als  un- 
beachtet, in  Sicherheit  blieben.  Noch  gehen  geheimnissvolle  Sagen 
um  über  die  Höhle  von  Guagua-suma  bei  Jadan  (zwischen  Paute  und 
Cucnca),  wo  die  Geister  der  alten  Könige  erschienen  und  in  Orakeln 
befragt  seien,  und  wo  noch  lange  Menschenblut  in  traditionellen 
Opfern  geflossen,  bis  in  den  Beginn  des  XIX.  Jahrhunderts.  Ebenso 
führt  der  Supay-Urcu  (Fels  des  Supay)  bei  Paute  auf  den  besonders 
unter  Huayna-Capac  verbreiteten  Dienst  dieser  Gottesmacht.  Velasco 
erzählt  von  einer  Cultusstätte  des  Dämon  SupayUrcay  bei  Cuenca, 
wo  die  Indianer  zur  Erntezeit  Kinder  geopfert  hätten,  und  seien  diese 
blutigen  Riten  so  eingewurzelt  gewesen,  dass  weder  die  Könige  von 
Quito,  noch  der  Kaiser  von  Cusco,  noch  der  Papst  von  Rom  (durch 
die  Spanier)  sie  auszurotten  vermocht  hätten. 

Die  Ausgrabungen  von  Chordeleg  begannen  1855,  als  bei  der 
P'undamentirung  eines  Hauses  auf  der  Plaza  Stücke  Gold  gefunden 
wurden,  die,  weil  von  den  Indianern  nicht  geschätzt,  Kindern  zum 
Spiel  dienten.  Besonders  reich  waren  die  Ergebnisse  im  Jahre 
1861—69,  wo  14  grosse  Huacas  geöff*net  wurden,  die  bis  8  Aroben 
und  125  Pfd.  Gold  geliefert  haben  .sollen.  Die  Gräber  sind  aus 
Schichtungen  von  Erde  und  Steinkreisen,  wobei  sich  in  einer  Höh- 
lung der  grösseren  die  Leiche  des  vornehmsten  Todten  findet, 
der  im  vollen  Goldschmuck  (mit  gold  und  silberbelegten  Stäben)  vor 
der  Nische  sitze,  während  um  ihm  eine  Zahl  von  Leichen  (bis  50) 
mit  den  Füssen  gegen  ihn  gelagert  seien.  Jeder  mit  seiner  Goldkrone 
(und  Feder)  auf  dem  Haupt,  sowie  mit  goldenen  Ornamenten.  Da- 
neben finden  sich  Steinsachen  und  Töpferwaaren,  sowie  Fingerringe. 
Die  Goldkronen  waren  mit  Stroh  ausgefüttert,  und  zwischen  diesem 
und  dem.  Metall  trafen  sich  die  Reste  der  Federn,  die  darüber  hin- 
wogten. 

Von  den  Ausgrabungen  bei  Cuenca  war  der  fünfte  Theil  an  die 
Regierung     für    das     colegio     nacional     eingezogen     und     Serrano 


CUENCA.  125 

hätte  bei  einzelnen  Gelegenheiten  bis  zu  einer  Arroba  Gold,  als  sein 
Schuldtheil,  bezahlt.  Sehr  schöne  Goldfunde,  die  ich  in  der  Privat- 
sammlung des  Herrn  Espantoso  in  Lima  gesehen  hatte,  stammen,  wie 
ich  seitdem  aus  ihrer  nur  unvollkommen  erhaltenen  Geschichte 
schliessen  mochte,  der  Mehrzahl  nach  von  Chordeleg. 

Zeitig  am  Vormittag  nahm  ich  Abschied  von  meinem  neuen 
Bekannten,  der  mir  für  künftighin  auch  die  Museen  zu  bedenken  ver- 
sprach und  ritt  über  Gualaseo  nach  Cuenca  zurück,  wo  ich  im  Laufe 
des  Nachmittags  ankam,  diesmal  ohne  Führer,  der  nicht  hatte  folgen 
können,  so  dass  ich  ihm  den  noch  übrigen  Lohn  in  einem  Hause 
der  Strasse  zurückliess,  um  ihm  den  Rest  des  Weges  zu  sparen. 

Cuenca  bildet  gewissermassen  den  Rivalen  Quitos  im  südlichen 
Ecuador,  und  in  Folge  dieser  Partheistellung  wurde  früher  den  als 
Morlacos*)  bezeichneten  Bewohnern  Mancherlei  vorgeworfen. 

Um  für  meine  Weiterreise  gute  Thiere  zu  erhalten,  hatte  ich 
gleich  am  Tage  nach  meiner  Ankunft  in  Cuenca  mit  einem  mir 
empfohlenen  Arriero  Rücksprache  genommen,  und  als  sich  in  der 
Kürze  des  Termins  Schwierigkeiten  zu  bieten  schienen,  diese  durch 
entsprechende  Preiserhöhung  zu  überwinden  gesucht.  Die  Thiere 
kamen  deshalb  ziemlich  zur  ausbedungenen  Zeit,  gleichzeitig  mit 
ihnen  aber  auch  die  Bronze- Aexte  von  Azogues,  deren  Absendung 
ich  Don  Vincente  Agiular,  als  er  von  Cuenca  nach  Azogues  zurück- 
gekehrt war,  nochmals  besonders  an  s  Herz  gelegt  hatte.  So  erfreut 
ich  über  ihre  Ankunft  war,  so  erschrak  ich  doch  nicht  wenig  über 
das  Risico,  dem  sie  ausgesetzt  gewesen,  da  die  Säcke,  worin 
man  sie  aufgenäht,  unterwegs  geplatzt  waren,  und  der  arme 
Indianer,  der  allein  mit  seinem  Maulthier  zwischen  dem  umher- 
gestreuten Inhalt  auf  der  Landstrasse  gestanden,  die  grösste  Mühe 
gehabt  haben  musste,  dieses  Eigenthum  eines  europäischen  Instituts 
in  Sicherheit  zu  bringen.  Ich  hatte  die  Reisethiere  schon  am  Abend 
in  die  Herberge  bringen  lassen,  damit  am  Morgen  Alles  bereit  sei, 
und  nachdem  noch  für  ein  anderes  Thier  geschickt  war»  wurde  ein 
Theil  der  Nacht  mit  dem  sorgfältigen  Einwickeln  und  Verpacken 
dieser  antiquarischen  Werthstücke  verbracht.  Ich  erhielt  während- 
dem Abschiedsbesuche  der  Herren  Moreno,  Moscovo,  Matavello  und 
Anderer,  die  mir  während  meines  Aufenthaltes  in  Cuenca  freundliche 
Unterstützung  meiner  Zwecke  gewährt  hatten,  und  damit  fortzufahren 
versprachen. 

*)  El  Morlaco,  nacido  en  el  seno  de  las  tinieblas  de  su  patria,  se  cree  el  ser  mas 
ImpoTtante  del  universo  y  mira  con  desprecio  cuantos  Ic  rodean  (18O4). 


120  PERU   UM)   ECLADOR. 

Mit  alledem  verzögerte  sich  der  Aufbruch  bis  Sonnenaufgang, 
wann  wir  uns  endlich  in  Bewegung  setzen  konnten.  Doch  trat  bald 
ein  neuer  Aufenthalt  ein,  indem  ich  kaum  nach  dem  Verlassen  der 
Stadt  in  den  Kästen  desjenigen  Maulthieres,  welches  die  in  Azogues 
erworbenen  Thongefässe  trug,  ein  verdächtiges  Klappern  hörte,  und 
deshalb  auf  der  nächsten  Wiese  Halt  machen  liess,  um  auch  diese, 
bei  der  Nachsendung  allzu  oberflächlich  oder  eilig,  wie  es  schien, 
eingesetzten  Gefässe  einer  gründlichen  Umpackung  zu  unterziehen, 
wie  es  ihre  gebrechliche  Natur  erforderte.  Das  scheint  sehr  leicht 
gesagt  nicht  nur,  sondern  theoretisch  genommen,  auch  gethan, 
schwieriger  dagegen  in  der  Praxis  auf  einer  Wiese  in  den  Land- 
strassen Ecuadors  wenn  man  selbst  sich  erst  die  Kisten  machen 
muss  und  jeder  Nagel,  sofern  sich  in  den  umliegenden  Hütten  über- 
haupt einer  auftreiben  lässt,  ziemlich  mit  Gold  aufzuwiegen  hat.  Da- 
bei war  ich  in  F'olge  der  eingetretenen  Verspätungen  sehr  pressirt 
in  der  Zeit,  um  den  Hafen  Naranjal  noch  am  Abfahrtstage  zu  errei- 
chen, weil  ein  Verfehlen  desselben  gleich  acht  Tage  gekostet  haben 
würde,  oder  eine  Geldverschwendung  in  Beschaffung  einer  Privat- 
gelegenheit. Der  Weg  nach  Naranjal  war  aber  noch  weit  und  um 
so  weiter,  weil,  wie  allgemein  bekannt,  unter  den  schlechten  in  Ecua- 
dor einer  der  schlechtesten. 

Anfangs  ging  Alles  allerdings  schön  und  glatt,  da  wir  durch  die 
Ebene  einer  neu  gebauten  Chaussee  folgten ,  welche  indess  mit  der 
durch  die  Natur  des  Bodens  schon  gebotenen  Strasse  auch  ihrerseits 
aufhörte,  als  wir  aus  der  Ebene  in  eine  dunkle  Thalschlucht  ein- 
lenkten an  der  Seite  des  unter  Waldungen  hinfliessenden  Matadero. 
Unter  allmähliger  Hebung  des  Weges  gelangten  wir  auf  Moorflächen 
zwischen  kahlen  Bergen,  und  im  mühsamen  An-  und  Absteigen  waren 
die  gebrochenen  Kämme  derselben  zu  passiren.  Nebelmassen  schweif- 
ten vorüber  und  lagerten  um  die  Gipfel  geballt,  den  Horizont  in 
nächster  Nähe  umdüsternd,  während  beim  Verschieben  der  grau 
wogenden  Massen,  schneebereifte  Höhen  uns  entgegenstarrten.  Trü- 
gerisches Moosgrund  streckte  sich  zwischen  Wasserbächen  und 
Teichen,  und  wo  sich  die  gesuchten  Steine  am  Wege  fanden,  erfor- 
derte ihre  schlüpfrige  Glätte  sorgsame  Vorsicht  selbst  für  den  er- 
probten Fusstritt  des  Maulthieres. 

Dann  begann  der  Ansteig  zum  Rücken  des  Caja  de  Quinoa 
(12,885  F.  hoch),  und  in  schauerlich-grauser  Oede  wieder  starrte 
ringsum  uns  diese  im  Todr\sschweigen  verstummte  Natur,  die  durch 
ihr  Hineinragen    in  erkältende  Luftregionen   den  traulich  heimischen 


*  PARAMO.  127 

Character  der  warmen  Mutter  Erde  zu  verlieren  beginnt.  Nur  auf 
der  Wasserwüste  des  weiten  Meeres  kann  ein  ähnliches  Gefühl  gänz- 
licher Verlassenheit  beschleichen,  wie  es  unter  der  Luftwüste  des 
Paramo  bisweilen  beengt. 

Auf  dem  weichen  Moosgrund  den  Weg  prüfend,  fiel  der  Blick 
beim  Aufschau  auf  eine  wildgebrochene  Umgebung  zwischen  den  in 
Teiche  verwandelten  Flächen.  Vor  uns  stand  eine  Nebelwand  aufge- 
richtet, bei  deren  hier  und  da  schwankender  Vertheilung  wir  Berge 
emporsteigen  sahen  und  Seen  am  Abhänge  gelagert.  Eisig  fühlte 
die  Luft,  eisiger  durchdrang  der  Wind,  und  bei  den  ermüdeten  Thie- 
ren  kam  häufigeres  Hinstürzen  vor,  als  mir  für  meine  theuren  Schätze 
geheuer  schien.  Allmählig  begann  sich  der  Weg  zu  senken  zum  Rio 
de  Padre  machei  oder  Miguel,  und  zwischen  stellenweisem  Busch- 
werk*) von  Quinua-Bäumen  (mit  knorrigem  Stamm)  gelangten  wir 
beim  Dunkelwerden  nach  dem  Tambo  Contra  Yerba,  eines  jener 
grauenhaften  Schmutzlöcher,  das  ich  vielleicht  trotz  der  niedrigen 
Temperatur  zu  betreten  Anstand  genommen  haben  würde,  wenn 
nicht  der  mit  der  Nacht  einbrechende  Sturm  in  seinem  Wüthen  und 
Toben  Niemanden  in  seinem  Bereich  dulden  zu  wollen  schien.  Es 
wurde,  als  ich  das  Gespräch  darauf  brachte,  alter  Indianerwege  er- 
wähnt, wie  sie  sich  neben  dem  Pass  von  Surucocha   finden  sollen. 

Mit  dem  kalten  Morgen  kam  die  Schwierigkeit  die  Thiere  zu 
finden,  die  sich  verlaufen  hatten,  oder  vielmehr,  da  sie  nach  der 
gestrigen  Anstrengung  zum  Laufen  wenig  Lust  verspüren  mochten, 
bei  der  spärlichen  Nahrung  ihren  Weidegrund  weiter  ausgedehnt 
hatten,  als  von  den  Mozos  berechnet  war.  Ob  nun  so  oder  so,  jeden- 
falls ging  kostbare  Zeit  verloren,  so  dass  wir  erst  nach  Sonnenauf- 
gang in  Bewegung  waren.  Bei  frühzeitig  beabsichtigtem  Aufbruch 
ist  es  stets  rathsam,  die  Thiere  nicht  im  Portrero  frei  zu  lassen,  son- 
dern neben  dem  Hause  angebunden  zu  futtern,  doch  war  das  hier 
unmöglich  gewesen,  weil  es  kein  Futter  zu  kaufen  gab.  Der  Tambo 
(d.  h.  die  Tambo  genannte  Hütte)  gehörte  dem  Staat,  War  indess  von 
der  Eigenthümerin  eines  nahen  Corrals  bewohnt,  welche  diese  Er- 
laubniss  wahrscheinlich  mit  der  Bedingung  erlangt  hatte,  den  Reisen- 
den die  ihnen  bei  der  Kost  nöthige  Unterstützung  zu  gewähren.  Sie 
hatte  aber  nichts  hinzu  gebracht,  als  Schmutz,  ohne  je  an  Reinigung 


>)  An  der  Westseite  der  westlichen  CordiUere  von  Ecuador  bildet  Polylepis  lanugi- 
nosa  den  höchsten  Gürtel  der  stammbildenden  Holzpflanzen  (s.  Griesinger)  und  die  Bäume 
verkrüppeln  dort  zu  Buschsträuchen,  im  Gegensatz  zu  dem  hohen  Wald  des  Ostens. 


128  PERU  UNI)   FXUADOR. 

ZU  denken,  wohl  aber  zugleich  den  an  sich  beschrankten  Raum  noch 
mehr  zu  beengen. 

Das  Tagewerk  begann  mit  einem  Moosgrund,  dessen  Passage 
in  der  Hauptsache  darin  bestand,  dass  die  Thiere  in  Sprüngen  über 
die  umherliegenden  Felssteine  zu  gelangen  suchten.  Jenseits  des 
Cerro  sollten  sich  Reste  eines  alten  Weges  finden,  der  der  Inca  zu- 
geschrieben wurde.  Dann  hatten  wir  zum  Rio  Miguel  hinabzusteigen 
und  folgte  eine  bedeckte  Schlucht,  bei  deren  Oeffnen  sich  MoUetura 
mit  einigen  Anpflanzungen,  an  der  Seite  der  niedrigeren  zwischen 
zwei  Bergreihen  liegend  zeigte. 

Wir  trafen  zahlreiche  Schafheerden  am  Wege,  die  auch  für  die 
Schiffe  in  Naranjal  bestimmt  waren,  und  einer  der  Hirten  sprach  mir 
im  Vorübergehen  von  der  grossen  Kälte,  die  .  am  Tage  vorher  auf 
dem  Paramo  geherrscht  und  ihn  fast  getödtet  hätte.  Derartiges  habe 
er,  so  lange  er  droben  weide,  noch  selten  verspürt.  Bei  der  dort  spär- 
lichen Bekleidung  ist  es  dem  durch  dichtere  Verzärtelten  überhaupt 
schwer  begreiflich,  wie  diese  Heerdenhüter  da  oben  aushalten. 

Ueber  hügelige  Vorsprünge  gelangte  der  Weg  in  eine  Schlucht 
und  zog  sich  dann  in  schmalen  Windungen  oben  an  dem  steilen  Ab- 
hang hin.  Man  sah  die  dünne  Linie  in  ihrer  Länge  vor  sich,  aber  an 
einigen  Stellen  gänzlich  verwischt,  dort  nämlich,  wo  ein  Bergsturz 
den  Weg  nivellirt  hatte.  Wie  da  hinüber  zu  kommen  sein  würde, 
war  abzuwarten,  und  ich  fand  dann,  dass  es  auf  losem  Geröll  zu  ge- 
schehen hatte,  wo  ich  manchmal  selbst  nach  dem  Absteigen,  nicht 
ohne  Bedenken  blieb.  Glücklicherweise  waren  solch  kitzliche  Puncte 
nicht  zu  breit,  und  ausserdem  kam  uns  das  Nichtsein  des  Verkehrs 
auf  dieser  ecuadorischen  Landstrasse  zu  Gute,  da  das  Begegnen  einer 
beladenen  Caravane  auf  solchen  Pfaden  im  Kampfe  um  die  Existenz 
einen  Rechtsfall,  oder  wohl  Kriegsfall,  constituirt  haben  würde. 

Die  Schlucht  endete  in  einen  Wald  (mit  Podocarpus-Bäumen 
vorwiegend)  bis  zu  dem  auf  offenem  Terrain  angelegten  Molletura, 
wo  wir  das  spärliche  Nachtmahl  der  Thiere  mit  besserer  Fütterung 
auffüllten.  Auch  war  eins  der  Lastthiere,  das  sich  den  Wegen  nicht 
gewachsen  zeigte,  durch  ein  anderes  zu  ersetzen,  was  nach  einiger 
Zeit  und  unter  Ansprache  der  Behörden,  soweit  solche  in  diesem 
Indianerdorfe  vorhanden  waren,  noch  am  Nachmittag  gelang. 

Es  lag  jetzt  ein  steiler  Aufgang  vor  uns,  und  dann  zogen  wir 
durch  Wald  über  die  Höhen  eines  Bergrückens,  gegenüber  einem 
ähnlichen,  an  dessen  anderer  Seite  sich  Gebäude  aus  der  Inca-Zeit, 
wie  mir  gesagt  wurde,  finden  sollten. 


(lIAt.APUl).  121) 

Mit  einem  Absteig,  zum  Theil  eng  zwischen  Felsblöckcn  in 
schmaler  Rinne,  kamen  wir  auf  die  Wiesen  von  Yerba  buena,  wo  an 
den  dort  befindlichen  Baulichkeiten  gerastet  wurde. 

Am  andern  Morgen  (August  31.)  liess  ich  früh  Alles  in  Bereit- 
schaft setzen,  da  uns  hier  der  Niedergang  zur  Küste  bevorstand,  in 
der  übelberüchtigten  Bajada  von  Chalapud,  die  zwar  seit  Kurzem  an 
einigen  Stellen  verlegt  war,  ohne  sich  indessen  gerade  viel  verbessert 
zu  haben,  so  dass  sie  noch  jetzt  heissen  kann  (wie  bei  Villavicencio)  „el 
terrible  y  molestoso  descenso  de  Chalaput".  Auch  Seemann  beschreibt 
den  „grässlichen  Zustand  der  Strasse  von  Naranjal'*  (auf  seiner  Reise 
von  Cuenca  dorthin),  und  als  Cieza  de  Leon  das  Innere  bereis'te 
fehlte  noch  jede  Verbindung  Tomebatiiba's  mit  der  Küste,  so  dass 
man,  um  dahin  zu  gelangen,  den  Weg  über  St.  Miguel  (de  Piura) 
einschlagen  musste. 

Während  des  beschwerlichen  Absteigs  erhielten  wir  eine  freie 
Aussicht  auf  die  in  grüner  Decke  hinunter  fallenden  Hügel,  bis  auf 
ein  nebliges  Meer,- das  den  Anblick  des  salzigen^ oder  des  Wasser- 
Oceans,  welcher  dort  liegen  musste,  verdeckte. 

Der  Koth,  den  wir  bis  dahin  durchwatet  oder  in  Steinsprüngen 
vermieden  hatten,  verlor  sich  allmählig,  und  wir  fanden  uns  im 
Walde  auf  einem  staubigen  Weg,  wo  unser  Thierzug  lästige  Wolken 
aufwirbelte,  so  dass  man  die  Spitze  zu  halten  hatte.  Beim  Vor- 
handensein von  Wasser,  das  wir  hier  und  da  unter  uns  hervorquellen 
hörten,  würde  sich  das  Terrain  wahrscheinlich  fruchtbar  zeigen,  doch 
war  es  der  Dürre  wegen,  und  wie  es  hiess,  auch  der  tödtlichen 
Krankheitsluft  wegen,  unbewohnt.  In  der  seitlichen  Thalschlucht 
sollten  sich  indess  die  verfallenen  Reste  von  Wasserleitungen  und 
sonst  alten  Gebäuden  finden  (in  der  Quebrada  Tunga).  Wir  folgten 
den  streichenden  Bergreihen  nach  Abwärts  und  versanken  mit  der 
tieferen  Senkung  des  Weges  bald  wieder  in  Koth,  während  uns  die 
Luft  mit  einem  nassen  Nebelmantel  umhüllte.  Noch  weiter  unten 
verwandelte  sich  der  Nebel  in  sprühenden  Regen,  und  hier  würde 
der  natürliche  Weg  ein  so  völlig  unwegsamer  gewesen  sein,  dass  man 
sich  genöthigt  gesehen  hatte,  einige  der  grundlosesten  Stellen  mit 
rohen  Steinen  zu  pflastern,  freilich  in  einer  selbst  für  Maulthiere 
halsbrechenden  Weise,  da  mit  der  einmaligen  Anlage  die  Pflicht  er- 
füllt schien  und  an  Restauration  nicht  gedacht  worden  war.  Wir  hatten 
uns  in  den  engen  Zwischenräumen  unter  den  Steinblöcken  hinzu- 
zwängen, die  manchmal  mit  biegsamen  Zweigstämmen  überlegt  waren, 
und  fanden  uns  dann  in  einem  dichten  Wald,  wo  die  überhängenden 

Bastian:  America.    I.  ^ 


130  PERU  UNI)   ECUADOR. 

Schlingpflanzen  den  Weg  versperrten,  und  zu  durchhauen,  oder  zu 
verbiegen  waren  (am  Rio  Pescado).  Die  Thiere  patschten  in  Schlamm- 
wasser, am  Rio  Naranjal,  bis  zum  Dorfe  Molleturu-urcu,  von  wo 
buschige  Anpflanzungen  nach  Naranjal  führten.  Ein  Einwohner  des 
Orts,  mit  dem  wir  die  letzte  Tagereise  zusammen  gemacht  hatten, 
nahm  uns  in  sein  (gleich  den  übrigen ,  auf  Pfählen  gebautes)  Haus 
auf,  und  liess  ich  mich  zunächst  zu  einem  nahe  liegenden  Weiher 
fuhren,  um  ein  Bad  zu  nehmen,  was  bei  der  geringen  Tiefe  des 
Wassers  allerdings  etwas  mühsam  war.  Der  Fluss  Naranjal  „antes  se 
llamaba  Suya,  asfcomo  la  tribu,  que  habitaba  este  pais"  (Villavicencio). 
Der  Rio  Sua  (oder  Suya)  mündet  zwischen  dem  Rio  Atacamez  und 
Rio  Plätanos  (im  Norden). 

Naranjal  ist  der  (in  einiger  Entfernung  vom  Meere,  am  F^lusse 
aufwärts,  gelegene)  Hafen  von  Cuenca,  und  in  der  Hauptsache  des 
südlichen  Ecuador  überhaupt,  um  die  Communication  mit  Guayaquil 
zu  unterhalten.     Naranjas    oder  Orangen    gab    es    indess   nicht,    und 

obwohl  andere  Früchte    dort    wachsen    sollten,    war    es    auch    diese 

'.  *        . 

schwierig    in    ausgiebiger  Quantität    zu   erhalten,    da    sie   Jeder    nur 

zum  eigenen  Gebrauch  zog,  und  in  so  geringer  Menge,  dass  die  reifen 

beim  täglichen  Nachwuchs  gleich  vom  Haume   fortgegessen  wurden. 

Die  Ueberfahrten  nach  Guayaquil  werden  durch  die  landesüblichen 
Chata,  oder  Kähne  plumper  Construction,  besorgt,  die  für  den  schma- 
len Fluss  zu  gross,  dir  die  See  aber  viel  zu  unbeholfen  sind,  um  die 
geringste  Störung  des  in  den  meisten .  Monaten  freilich  ruhigen 
Wetters  ertragen  zu  können.  Der  grösseren  Sicherheit  wegen,  um  bei 
Unglücksfällen  gegenseitige  Hülfe  leisten  zu  können,  fährt  immer  die 
ganze  F*lotte  zusammen  aus,  und  zwar  an  dem  ein  Mal  in  der  Woche 
dafür  bestimmten  Tage.  Wer  sich  ihnen  nicht  anzuvertrauen  wagte, 
hätte  in  Guayaquil  ein  Dampf boot  zu  chartern,  was  indess  nicht  nur 
bedeutende  Kosten  verursacht  haben  würde,  sondern  in  diesem  F'alle 
auch,  weil  vorher  nach  Guayaquil  zu  schreiben  gewesen  wäre,  be- 
dauerlichen Zeitverlust,  der  in  solcher  mit  Malaria  geschwängerten 
Atmosphäre  ein  doppelt  lästiger  gewesen  wäre. 

Nachdem  ich  mit  dem  in  Naranjal  wohnendem  Capitän  eines  der 
Kähne,  der  besonders  als  das  für  Passagiere  erster  Klasse  einge- 
richtete Staatsschiff"  gerühmt  wurde,  wegen  einer  Passage  verhan- 
delt, hatte,  liess  ich  am  nächsten  Morgen  wieder  aufpacken,  um 
die  Strecke  bis  zum  Hafen  zurückzulegen.  Wir  ritten  durch  Busch- 
wald mit  zerstreuten  Häusern,  und  links  am  Wege  stand,  dicht  über- 
wachsen,   ein  halb  künstlicher  Hügel,  El  Cerrito  genannt,  (von  cler 


EixscuiFFUxr:.  131 

• 

Form   der  Tola),    wo  mitunter  kleine  Funde  gemacht    sein    sollten. 
Vorbei  an  Mate,    wo  in   der  Regenzeit   die  Einschiffung  auf  kleinen 
Canoes  statt   hat,    gelängten  wir  durch   offene  Gegend,    mit  verein- 
zelten Bäumen,  nach  Reveira,    wo  wir  die  Fahrzeuge,  das  Postboot 
an  der  Spitze,  längs  des  Ufers  liegen  sahen.    Jedes  denselben  hatte 
seine  Flagge  ausgesteckt,  und  es  herrschte  eine  ähnliche  (wenn  auch 
durch  südamericanische  Schlaffheit  gemilderte)  Concurrenz,  um  Passa- 
giere   zu    fangen,    wie    mir    aus    früherer    Zeit    von    den    Missisippi- 
Steamern  im  Gedächtniss  war.     Mein  Bursche  würdigte  diese  Appli- 
canten  kaum  einer  Antwort,   um  sich  sogleich  an  Bord  des  Schnell- 
segler A*    zu  begeben,    der  sich  auch  etwas  grösser  zeigte,    als  die 
übrigen.  Die  ,,Superior  Accommodations"  beschränkten  sich  indess  auf 
eine  sog.  Ramada,  d.   h.   einen  Verschlag  auf  dem   Deck,    wo    man 
hineinzukriechen  die  Berechtigung  hatte,  und  dann  einen  überdachten 
Dielenboden  zur  Ausbreitung  des  Bettes  disponibel  besass.     Bei  den 
nicht  überspannten  Ansprüchen  dortiger  Reisen  hätte  das  auch  ganz 
gut  ausgereicht,  für  2  oder  3  Passagiere.     Unglücklicherweise  schien 
es  aber  in  Naranzal  zum  guten  Ton  zu  gehören,  dass  Jeder,  der  auf 
höhere  Bildung  Anspruch  machte,  in  dieser  identischen  Chata  seine 
Passage    zu   nehmen  hatte,    so    dass   im  Laufe  des  Vormittags  eine 
Reisegesellschaft  nach  der  andern  anlangte,  und  sich  bald  das  Zehn- 
fache der  Zahl  zusammenfand,  für  welche  Platz  gewesen  wäre.     Als 
ich  zu  merken  anfing,  wie  die  Sache  ablaufen  würde,  war  es  für  eine 
Aenderung  zu  spät  geworden,    indem    man    sich   bereits  überall   zur 
Abfahrt  fertig  machte,  und  zugleich  die  Auswahl  unter  den  übrigen 
Kähnen    zweifelhaft  blieb,    da   über  jeden    derselben   die   eine  oder 
andere  seine  Sicherheit,  verdächtigende,  Bemerkung  gemacht  wurde. 
Ausserdem  hätte  ich  mich  auch  nicht  gern  von  meinem  Gepäck  ge- 
trennt, das  im  Unterraum  verstaut  war,  und  so  Hess  sich  nur  darauf 
Bedacht  nehmen,    den  von  meinem  Bett  occupirten  Raum,    für  den 
ich,   als  Erster,    den  P^ckplatz   zu  wählen  die  Freiheit  gehabt  hatte, 
durch  das  Umherstcllen   meiner  Siebensachen  soweit  zu  verbreitern, 
als  es  mit  einiger  Zulässigkeit  geschehen  konnte.     Zu  diesen  für  das 
Fahrzeug    eigentlich    schon    zu    zahlreichen    Cajüts  -  Reisenden    (der 
Mehrzahl  nach  des  weiblichen  Geschlechts,    aus  einer  Reihe  älterer 
und  jüngerer  DamenJ    kam  dann    aber  noch   ein  Haufen  von  Deck- 
passagieren, mei.st  ungewaschene  und  ungekämmte  Indianer  der  Puna, 
deren  Schaafhcerden,    einige  Hundert    an  Zahl,   auf  dem  schmalen 
Deck  so    eng    zusammengepfercht  standen,    dass  eine  Passage  vom 

Steuer  zum  Bug,  kaum  anders,  als  über  ihre  Rücken  möglich  war, 

9* 


132  PERV   UND   ECIADOU. 

Am  Nachmittag  war  schliesslich  Alles  bereit  und  setzten  sich 
die  Schiffe  in  Bewegung.  Nächst  auf  das  Postboot,  das  klein  und 
leicht  allen  voraneilte,  folgte  unser  Fregattkahn,  so  dass  ich  wieder 
Vertrauen  zu  ihm  fasste.  Die  Freude  dauerte  indess  nicht  lange, 
denn  ungelenk  und  plump  wie  er  war,  hatte  er  sich  bald  bei  einer 
der  Flusswindungen  am  Ufer  festgerannt,  so  dass  wir  die  übrigen 
Kähne  sämmtlich  an  uns  vorbeipassiren  sahen,  und  nur  noch  ihre 
freundlichen  Grüsse,  auf  Wiedersehen  in  Guayaquil,  entgegennehmen 
konnten.  Die  Arbeiten  der  Matrosen  waren  durch  die  Decküber- 
füllung  natürlich  sehr  erschwert,  und  indem  wir  so  das  Vergnügen 
des  Aufsitzens  noch  einige  Male  genossen,  fing  es  schon  an  zu 
dunkeln,  als  die  Mündung  des  Naranjal-Flusses  erreicht  wurde. 

Unser  alter  Kasten  fing  an  in  seinen  Bewegungen  etwas  Leben 
zu  zeigen,  so  dass  die  Aengstlichen  und  Zarteren,  die  in  diesen  Län- 
dern indess  ebensowohl,  oder  mehr,  dem  unzarten  Geschlecht  ange- 
hören mögen,  sich  in  ihrer  Positur  fiir  die  Seekrankheit  vorzubereiten 
begannen,  deren  Symptome  unser  enges  Zusammenwohnen  nicht 
eben  zu  verschönern  versprachen.  Ich  war  aus  meinem  Verschlag 
emporgetaucht,  und  stand  neben  dem  Capitän  am  Steuer,  der  dabei 
war,  sein  breites  Segel  hissen  zu  lassen,  das  mit  einer  steifen  Brise 
gefüllt,  uns  rasch  von  dem  niedrigen  Ufer  in  das  dunkle  Nachtmeer 
hinaustrieb.  Eben  hatte  ich  ihn  zu  der  schnellen  Reise  beglück- 
wünscht, die  uns  dieser  günstige  Wind  versprach,  als  über  die  Deck- 
ladungen in  heftigster  Eile  ein  Schiffer  herbeigeklettert  kam,  der 
ihm  ein  paar  Worte  zurief,  die  mir  entgingen,  da  ich  nicht  darauf 
achtete.  Ich  hörte  nur  „Que  desgracia",  mit  einer  Verwünschungs- 
formel, aus  dem  Munde  des  Capitäns,  der  das  Steuer  festband  und 
mir  dann  aus  den  Augen  verschwunden  war.  Als  ich  mich  um- 
blickte, sah  ich  meinen  Diener  mit  entsetzter  Miene  auf  mich  zu- 
kommen, und  mir  mit  gedämpfter  Stimme  sagen:  „Herr,  stecken  Sie 
rasch  ihr  Geld  zu  sich,  das  Schiff  ist  voll  Wasser  und  wird  gleich 
sinken."  Wenn  so,  dann  konnte  Geld  hier  nicht  viel  helfen,  und 
weit  mehr  kam  es  mir  ohnedem  auf  die  Sammlungen  an. 

Die  Schreckensbotschaft  flog  durch  das  Schiff,  und  nun  brach 
das  wildeste  Geheul  und  Schreien  aus  unter  Anrufung  der  Jungfrau 
und  aller  Heiligen,  so  viel  ihrer  den  christlichen  Olymp  bewohnen. 
Die  Vernünftigeren  riefen  wenigstens  nur  „Socorro,  Socorro",  mit  der 
ganzen  Kraft  ihrer  Lungen,  obwohl  auch  das  unvernünftig  genug 
war,  da  wir  uns  allein  fanden  auf  dieser  Wasserwüste,  und  die  Be- 
gleitschiffe alle  längst  aus  Sicht  gekommen  waren.  Eine  wilde  Stimme 


SCHIFFBRUCH.  133 

bot  looo  Pesos  für  ein  Boot,  wohl  die  eines  Repiiblicaner's,  der  kein 
Königreich  zu  vergeben  hatte.  Das  einzige  kleine  Canoe  war  ausser- 
dem von  dem  Capitän  in  Anspruch  genommen,  der  sich  entfernte, 
um  Hülfe  zu  bringen. 

Wir  fanden  uns  bereits  in  der  Mitte  des  Golfs,  und  der  dunkle 
Streif  der  Küste  war  kaum  noch  bei  der  schwachen  Nachthelle  in 
der  Entfernung  zu  erkennen.  Dabei  schwankte  das  Schiff  unter 
seinen  Segeln  mit  angebundenem  Steuer  ohne  Leitung  umher,  wäh- 
rend es  doch  das  Erste  sein  musste,  die  Richtung  ;iach  dem  Lande 
zu  nehmen. 

Alles  schien  aber  den  Kopf  verloren  zu  haben,  nirgends  ein 
Commando,  weder  Befehl  noch  Gehorsam,  und  es  war  nur  mit  Mühe, 
dass  ich  das  Schift  in  der  Richtung  nach  dem  Lande  bringen  Hess, 
mit  einem  Mann  am  Steuer.  Meinen  Burschen  hatte  ich  nach  vorne 
geschickt,  zu  sehen,  wie  es  mit  den  Pumpen  stände,  und  war  es  ihm 
wirklich  gelungen,  die  wenigen  Schiffer  zum  Ausschöpfen  zu  ver- 
anlassen. Die  Uebrigen  sangen  im  Chorus  Litaneien  und  Jammer- 
lieder, ohne  dass  jemand  dachte,  Hand  anzulegen. 

Als  wir  die  Planken  in  der  Cajute  fortnahmen,  stand  auch  dort 
schon  der  ganze  Raum  voll  Wasser.  Vorne,  wo  das  Schiff  tiefer 
lag,  war  es  fast  schon  übergelaufen,  und  wankend  schwankende  Be- 
wegungen, die  man  dann  und  wann  unter  den  Füssen  fühlte,  machten 
einen  sehr  verdächtigen  Eindruck,  als  Vorboten  des  Niedergehens. 
Die  Damen  lagen  meist  in  Stupor.  Einige  der  jüngeren  hatten  sich  ver- 
zweiflungsvoll zusammengedrängt,  und  verlangten  von  mir,  dass  ich 
die  Führung  übernehme,  wozu  ich  mich  in  keiner  Weise  befähigt 
halten  konnte.  Ich  forderte  sie  aber  auf,  beim  Ausschöpfen  mitzu- 
helfen, da  die  Rettung  davon  abhängen  würde.  Sie  waren  auch 
sogleich  dazu  bereit,  und  indem  mein  Bursche  mit  einem  der  Schiffer 
hinabsprang,  wo  ihnen  das  Wasser  bereits  an  das  Kinne  reichte, 
bildete  sich  eine  Kette,  um  nun  mit  Töpfen,  Schaalen,  Kannen  und 
allerlei  sonderbaren  Geräthen,  die  gerade  bei  der  Hand  waren,  das 
Ausschöpfen  zu  beginnen. 

Von  den  männlichen  Passagieren  stellte  sich  keiner  ein,  sie  Hessen 
aber,  wenn  die  Gebete  unterbrochen  wurden,  aller  Art  Vorschläge 
laut  werden,  mit  oder  ohne  Sinn,  und  da  ich  als  einen  derselben 
hörte,  die  Ladung  über  Bord  zu  werfen,  rieth  ich  ihnen,  zunächst 
mit  den  Schaafen  auf  Deck  zu  beginnen,  da  diese  sich  vielleicht 
noch  durch  Schwimmen  retten  könnten.  Doch  fehlte  ihnen  dazu 
ebensowohl    die   Energie,    wie    einer  Aufforderung    zur  Mithülfe    zu 


134  PERU   UNI)   ECIADOR. 

folgen.  Da  sie  aber  auf  das  Project  der  Flntladung  zurückkommen 
konnten,  und  dann  die  Bronze -Aexte  ihrer  Schwere  wegen,  wohl 
zuerst  zum  Opfer  gefallen  wären,  Hess  ich  mir  von  meinem  Burschen 
die  beiden  Packete  aus  dem  Wasser  in  dem  Unterraum,  in  dem  er 
stand,  heraufreichen,  und  legte  sie  in  der  Kajüte  neben  mich,  meinen 
Revolver  in  den  Gürtel  steckend. 

Da  der  frische  Wind  fortdauerte,  verkürzte  sich  die  Entfernung 
zum  Lande  und  sahen  wir  die  Umrisse  desselben  etwas  deutlicher 
hervortreten.  Das  Wasser  auch,  das  anfangs  trotz  alles  Schöpfens, 
eher  zu,  als  abzunehmen  schien,  fing  an  sich  um  ein  Weniges  zu 
vermindern,  als  das  Schiff  allmählig  zum  Festsitzen  kam.  Noch  aber 
stand  es  fast  mannshoch,  und  die  Mädchen,  die  tüchtig  gearbeitet 
hatten,  waren  erschöpft.  Ich  goss  den  nächsten  Eimer  über  die  ihre 
Kirchenlieder  Fortplärrenden  aus,  wodurch  sie  etwas  ernüchtert 
wurden.  Einer,  der  in  seiner  kalten  Puna  wohl  nie  die  Wohlthat 
des  Wassers  am  Körper  verspürt  hatte,  kam,  wie  ein  nasser  Pudel 
herbeigeschlichen,  und  sagte:  „Si,  Seiior,  somos  brutos",  um  dann 
einen  Schöpfer  aufzunehmen,  und  soviel  er  es  verstand,  sein  Mög- 
lichstes zu  thun.  Andere  folgten  dann  seinem  Beispiel,  und  so  konnte 
die  Kette  im  Gang  gehalten  werden. 

Der  Kahn  sass  jetzt  in  der  That  fest,  obwohl  in  beträchtlicher 
Entfernung  vom  Lande,  und  da  sich  die  Zahl  der  Arbeiter  vermehrte, 
konnten  wir  hoffen,  das  Wasser  allmählig  zu  vermindern.  Doch  blieb 
soweit  die  Ursache  dieses  Schiffbruches  unbekannt,  da  der  Leck 
noch  nicht  gefunden  war,  und  bei  der  in  einigen  Stunden  zu  erwar- 
tenden Rückkehr  der  Fluth  würden  wir  mit  dem  Flottwerden  auch 
wieder  voll  gelaufen  sein.  Was  wir  in  unbestimmter  Abgrenzung 
auf  der  Wasserfläche  vor  uns  sahen,  war  überdies  nicht  etwa  das 
F'estland,  auch  noch  nicht  einmal  die  in  Mosquito-Wolken  gehüllten 
Baumlabyrinthe  einer  der  unbewohnten  Mangrove-Inseln  oder  Insel- 
Moräste  im  Golfe  von  Guayaquil,  sondern  nur  die  über  das  Wasser 
hervorragenden  Verästelungen  meerumflossener  Gehölze.  Davon 
trennte  uns  jedoch  ein  weites  Schlammmeer  unter  einer  Wasserdeckc, 
über  welche  man  sich  weder  schwimmend,  noch  gehend  hätte  fort- 
bewegen können.  Als  einige  der  Schiffer,  ziuii  Aufsuchen  der  be- 
schädigten Stelle,  über  Bord  sprangen,  geriethen  sie  gleich  bis  über 
die  Brust  in  diesen  Morast,  und  hatten  Mühe,  durch  Anhalten  vor 
dem  Versinken  bewahrt  zu  werden. 

Mitternacht  war  vorüber,    und    es   vergingen   einige   Stunden   in 
gespannter  Erwartung,  wobei  uns  freilich  die  Schöpfarbeit  in  ununter- 


DIE   HEILIGEN.  135 

brochcncr  Thätigkeit  hielt.  Endlich  ertönte  ein  Freudenruf.  Der 
Leck  war  gefunden.  Jetzt  galt  es  ihn  zu  verstopfen  und  an  beiden 
Seiten  mit  Blech  zu  verschlagen,  woflir  geliefert  wurde,  was  an  Zinn- 
dosen da  war. 

Damit  fanden  wir  uns  für  den  Augenblick  in  relativer  Sicherheit, 
und    konnten   jetzt  die  Situation  klar  legen.     Was    man    fand,    war 
unter  dem  Wasserrande  ein  dickes  Loch,  so  breit,  dass  der  Zimmer- 
mann  seinen  Arm  durchgesteckt  hatte.     Wahrscheinlich  hatte  sich 
der  morsche  Kahn  beim  Festsitzen  im  Fluss  einen  Baumstamm  ein- 
gerannt,   und    als    auf  der  See  mit  dem  Setzon  des  Segel's  die  Be- 
wegung begann,   hatten  sich  die  Fugen  gelös't,  so  dass  das  Wasser 
in  Strömen  eingestürzt  war.     Niemand    hatte    es    gemerkt  oder  sich 
darum    bekümmert.     Mein  Bursche    war   von    seinem   Schlafnachbar 
darauf  aufmerksam  gemacht,    dass  sich  Wasser  im  Schiff  finde,  und 
als  er  die  Planken  aufliob,    fand    sich   der  ganze  Raum  schon  voll. 
Er  gab  dann  den  Allarm    und  war  nachher  der  Einzige  unter  den 
Passagieren,    der    thätig    eingriff  und    den  übrigen   in  das  Gewissen 
redete.     Als  Alles  vorbei  war,    zeigte   er  mir  das  auf  der  Brust  ge- 
tragene Bild  der  Virgen  del  Quinche,  die  ihn   diesmal,  wie  in  allen 
Gefahren,    beschützt    habe,    und    diese    nachträgliche    Schmeichelei 
konnte    ihm    gerne    gegönnt   werden,    da    sein    gesunder  Menschen- 
verstand   in    der  Zeit   wirklicher    Gefahr    zunächst    auf  die    eigenen 
Fäuste  vertraut  hatte.     Das  Bild^)  machte  übrigens  Eindruck  auf  die 
Mitpassagiere;    diese  Jungfrau    ist    die    anerkannte    Schutzgöttin    der 
Hauptstadt,    und    wenn    Quito    sich    von  einem    aussergewöhnlichen 
Unfall  bedroht  meint,    beeilt    man    sich,    die    aufgeputzte  Puppe  in 
Procession  dorthin  zu  bringen. 

Am  Morgen  kam  der  Capitän  mit  zwei  leeren  Kähnen,  um  seine 
durchnässte  Ladung,  die  besonders  aus  Cacao  bestand,  darin  über- 
zunehmen  uncf  zum  Trocknen  nach  Naranjal  zurückzuschicken.  Wir 
wagten  uns,  von  der  Fluth  gehoben,  wieder  ins  Meer  hinaus,  hielten 
jetzt  aber  vorsichtig  den  Wasserstand  im  Auge.  Am  Mittag  wurde 
zwischen  Inseln  geankert,   bis  zum  Wenden  der  F^luth,  und  dann  an 


*)  Wer  indes>>  in  Folge  solchen  Präcetlcnzfalles  auf  Amulette  zu  vertrauen  geneigt 
sein  sollte,  thut  wohl,  auf  die  Substanz  derselben  Rücksicht  zu  nehmen,  da  davon  die 
Heilkräftigkeit ,  wi^  bei  den  Indulgenzen ,  abhängen  kann:  Les  indulgences  ne  peuvcnt 
etre  allachöes  a  une  image  de  papier  ou  de  carlon,  ni  ä  une  peinture  sur  toilc,  ni  aux 
croix,  crucifix,  statuettes  ou  medailles  de  plomb,  d'ctain,  ou  de  tout  autre  mati^re,  qui 
puisse  facilement  se  briser  ou  se  d^truire.  Durch  ein  päpstliches  Decret  vom  14.  Mai 
1853  wurden  übrigens  Medaillen  u.  s.  w.  von  Eisen  erlaubt  (quoique  prohib^s  jusqu'ä 
ce  joar.)     Die  Ganga  Africa's  ziehen  Hörn  oder  Leder  vor. 


136  PERU   INI)   ECUADOR. 

der  Insel  Mondra^as  vorbei  (die  gelegentlich  von  Mangreiros  zum 
Holzsammeln  an  gelichteten  Stellen  bewohnt  wird),  liefen  wir  in  den 
Guayaquil-Fluss  ein  und  erreichten  spät  Abends  den  Werft. 

Nachdem  ich  mit  der  freundlichen  Hülfe  Herrn  Bunge's  die  mit- 
gebrachten Sammlungen  für  die  Uebersend*ung  nach  Europa  hatte 
verpacken  können,  schiffte  ich  mich  (Septbr.  4.),  zur  Rückkehr  nach 
Peru,  auf  dem  Dampfer  Arequipa  ein,  in  dessen  Capitän,  Herrn  Cham- 
bers, ich  einen  mit  der  Küste  sehr  wohl  vertrauten  Mann  kennen 
lernte,  der  auch  für  die  Alterthümer  derselben  schätzenswerthes 
Interesse  besass.' 

Wir  liefen  zunächst  eine  niedrige  Küste  an,  die,  mit  Hügeln  in 
der  Entfernung,  sich  hinter  einem  sandigen  Streif  in  grüner  F'ärbung 
zeigte,  der  Landungsplatz  des  am  Flusse  gelegenen  Tumbez,  des 
Rivalen  Puna's,  noch  zu  Pizarro's  Zeit.  Die  in  der  Nähe  befindlichen 
Petroleum -Quellen  finden  neuerdings  ihre  Ausfuhr. 

Dann  folgte  die  öde  Wüste  Payta's,  wo  ich  landete  (Septbr.  7.) 
und  in  dem  Handelshause  Higginson  &  Comp,  durch  den  Sohn  des 
abwesenden  Herrn  Blacker  aufgenommen  wurde.  Dieser,  als  der 
beste  an  der  Küste  Perus  betrachtete,  Hafen  wird  durch  den  jetzigen 
Bau  der  Eisenbahn  wohl  weitere  Belebung  empfangen,  obwohl  die 
Lebensbedürfnisse  meist,  sowie  das  Wasser,  von  Colan  am  Achira- 
F'luss  zu  bringen  sind.  Da  es  in  meiner  Absicht  lag,  einige  der 
Küstenplätze  zu  besuchen,  war  mein  nächstes  Ziel  Piura,  wohin  ich 
noch  denselben  Abend  (7  Uhr)  mit  dem  Correo  (Chasquero  oder 
Postillon)  abreis'te.  Vereinzelte  Buschpflanzen  bemerkten  sich  im 
Sande,  durch  den  wir  nach  dem  Halbwegshaus  des  Tambo  ritten, 
wo  einige  Stunden,  bis  nach  Mitternacht,  gerastet  wurde.  Zwischen 
Sandbergen  (mit  krüppeligen  Algoroba  -  Bäumen  hier  und  da)  ge- 
langten wir  auf  eine  niedrige  Höhe,  von  der  wir  vor  uns  Piura  zwischen 
grünen  Streifen  liegen  sahen,  und  durch  die  grade  mit  dem  Morgen 
erwachende  Stadt  reitend,  in  dem  an  der  Plaza  gelegenen  Hotel  ab- 
stiegen. 

Diese  Stadt  gehört  zu  denen,  in  welchen  von  der  Regierung 
deutsche  Lehrer  placirt  sind,  und  als  ich  sie  im  Gymnasium  auf- 
suchte, fand  ich  sie  im  Schlafrock  und  mit  Pfeife,  nach  alter  deutscher 
Art,  zusamqiensitzen.  Herr  Director  Arndts  war  mir  freundlich  im 
Ankauf  von  Alterthümern  behülflich,  und  ebenso  der  schon  länger 
dort  als  Arzt  ansässige  Dr.  Reusche. 

Diese  (von  der  Landung  in  Tumbez  abgesehen)  älteste  der 
Peruanischen  Städte  wurde  von  Pizarro  1531   in  der  Ebene  von  Tar- 


PIURA.  137 

i^asala')  gegründet,  und  später  nach  dem  jetzigen  Platz  wegen  der 
gesunden  Luft  verlegt,  welche  die  Stadt  noch  jetzt  zum  Kurort  für 
Kranke  macht,  besonders  syphilitische,  zu  deren  Heilung  (nach  der 
Volksansicht)  das  Flusswasser  beitragen  soll,  weil  durch  Sassaparilla- 
Pflanzen  hinrieselnd.  Der  völlige  Mangel  an  Regen,  wenigstens,  wie 
man  meint,  für  siebenjährige  Perioden,  hat  der  Bauart  aus  Adobe 
oder  sonnengetrockneten  Ziegeln,  schwere  Strohdächer  zugefügt,  die 
freilich,  wenn  dann  wieder  einer  der  ausnahmsweisen  Güsse  fallt, 
rasch  demolirt  sind.  Meistens  werden  die  Häuser  nur  aus  einem  mit 
Lehm  und  Kalk  überkleisterteri  Fachgerüst  hergestellt,  so  dass  bei 
heftigem  Regen  Alles  als  aufgelöster  Schmutz  weggespült  werden  muss. 

Die  Fruchtbarkeit  der  dortigen  Gegend  lässt  sich  besonders  für 
Baumwolle  verwerthen,  die  daselbst  einheimisch  auch  ohne  Kultur 
wächst,  und  schon  zur  Inca-Zeit,  oder  auch  vor  derselben,  verarbeitet 
wurde. 

Als  Pizarro  an  der  Küste  landete,  wurde  eine  wirksame  Hülfe 
gefunden,  nicht  nur  in  der  Rivalität  der  Prätendenten,  sondern  auch 
(wie  von  Cortez  in  Mexico)  in  den  Nationalitäten  des  Reiches,  indem 
das  erst  neuerdings  unterworfene  Land  das  auferlegte  Joch  um  so 
unwilliger  ertrug,  weil  noch  die  Leiden  des  Bruderkrieges  hinzukamen. 

So  hatte  der  Häuptling  in  Pavor  (bei  Piura)  allerlei  Klagen  über 
die  Unterdrückungen  durch  Atabalipa's  V^ater  und  auch  der  Häupt- 
ling von  Zaran  war  zu  einem  Bündniss  mit  den  Spaniern  geneigt, 
soweit  ihm  nicht  die  Garnison  der  Inca  in  der  (auf  dem  Wege  nach 
Caxamalca  gelegenen)  PY'stung  Caxa,  wo  dem  Gouverneur  Tribut 
einzuliefern  war,  im  Zaum  hielt,  ähnlich  wie  die  Totonaken,  aus  F'urcht 
vor  den  aztekischen  Garnisonen  nur  in  verstohlener  Weise  mit  dem 
spanischen  Lager  zu  verhandeln  wagten. 

Beim  Ausbruche  des  Bruderkrieges  erklärten  sich  Chalcuchima 
(Chaliquichiana),  Aclagualpa,  Virimanavi,  Zopecopagua, Quizquiz,  Ynca- 
hualpec  und  Ruminaui,  die  alten  Feldherren  aus  den  Feldzügen 
Huayna  Capacs,  für  Atahualpa,  während  das  Heer  Huascar's  anfangs 

')  Am  Rio  Tuiicaranii  licss  Pizarro  den  Caciken  von  Almotaxe  und  die  Edlen  von 
I.achira  verbrennen  (weil  sie  die  Christen  zu  tödten  bcahsichtigten)  und -gründete  dann 
San  Miguel  bei  Tangarara ,  am  Rio  Chira ,  nach  Zarata,  oder  im  Thal  von  Targasala. 
(hit<!o  lässt  Pi/arro,  nach  \'erbrennung  des  Caziken  Amolape  (wegen  der  Tö<ltung  der 
gelandeten  Spanier)  auf  dem  Wege  nach  Chincha  weiter  ziehend ,  die  Stadt  St.  Miguel 
im  Lande  des  Caziken  Tangarala  gründen  und  nach  Ilerrera  wurde  die  Ansiedelung  von 
Tumlxz  nach  St.  Miguel  in  die  Landschaft  Chita  bei  Tangarala  verlegt.  Wie  Xeres 
^gt.  wurde  St.  Miguel  bei  Puechio,  am  Flu-s  Turicarama,  gegründet  im  Gebiet  des 
Caziken  von  Tangarara, 


138  PERU  UNI)   ECUADOR. 

durch  den  General  Atoco  befehligt  wurde,  und  als  dieser  gefallen 
war,  durch  Huancauque  und  Incaroque.  In  Xauxa  befehligte  Curam- 
bayo  (zu  Pizarro's  Zeit)  und  Chialiquichiana  (im  Heer  der  Spanier), 
in  Quito  Zopezopagua  (oder  Yrruminavi)  und  Chiaquitinta. 

Die  tropische  Natur,  die  in'  Ecuador  die  Küste  bekleidet,  be- 
ginnt bei  Tumbez  zu  verschwinden,  und  Piura  liegt  bereits  in  jenem 
grossen  Wüstenstrich,  der  sich  bis  nach  Araucanien  erstreckt,  nur 
längs  der  Flüsse  von  Oasen  durchbrochen.  Eine  der  grössten  dieser 
Oasen  ist  diejenige,  in  welcher  Piura  liegt,  aber  sie  grenzt  wieder 
an  die  grösste  der  peruanischen  Wüsfen,  den  Despoblado  de  Sechura. 
Derselbe  ist  in  den  Augen  der  Dortigen  mit  allen  möglichen,  theils 
wirklichen,  theils  imaginären  Schrecken  gefüllt,  und  wenn  er  deshalb 
von  jeher  von  den  Reisenden  möglichst  gemieden  wurde,  so  sind  sie 
noch  um  so  mehr  jetzt  dazu  geneigt,  wo  die  Küstendampfer  die 
Umgehung  erleichtern.  In  diesem  Fall  zeigten  die  Fahrlisten  jedoch 
so  ungünstige  Daten,  dass  ich  für  den  nächsten  Dampfer  von  Payta 
nach  den  Zwischenhäfen  des  Südens,  über  acht  Tage  in  Piura  hätte 
verweilen  müssen,  und  da  ich  zu  solch  liberaler  Disposition  über 
meine  Zeit  keine  volle  Berechtigung  fühlte,  war  ich  eher  zu  dem 
Wüstenritt  geneigt.  Da  sich  derselbe  aus  verschiedenen  Gründen 
nur  mit  Hülfe  der  Behörden  ausführen  lassen  konnte,  wandte  ich 
mich  deshalb  an  den  Präfect,  der  anfangs  versuchte,  mir  den  Ge- 
danken auszureden,  aber  als  ich  dabei  blieb,  die  nöthigen  Befehle 
erliess.  Eis  giebt  noch  einen  zweiten  Weg  nach  Lambaycque,  der 
sich  (als  der  Rodeo  bekannt),  durch  das  bewohnte  Land  am  Rande 
der  Wüste  umherzieht  (über*  Olmos)  aber  weil  beträchtlich  weiter, 
mehr  Tage  in  Anspruch  nimmt. 

Nachdem  ein  Bote  nach  Sechura  ausgeschickt  war,  ritt  ich  mit 
dem  für  mich  gemiethetcn  Arriero  bald  nach  Mittag  von  Piura  ab 
(9.  Septbr.).  Nach  Passiren  der  Brücke  des  P^lusses  führte  uns  ein 
grün  eingefasster  Sandweg,  später  von  offenem  Wald  umstanden, 
nach  dem  Flecken  Catacaos,  ein  wohlhabender  durch  den  Industrie- 
fleiss  seiner  Bewohner,  die  sowohl  durch  ihre  Töpferarbeit  (auch 
Imitationen  oder  F*alsificationenen  der  älteren),  wie  durch  die  Stroh- 
hutfabrikation aus  Jipijape  oder  Porto-Rico  (Carludovica  palmata)  be- 
kannt sind,  und  selbst  oft  weitere  Handelsreisen  unternehmen.  Dieser 
Arbeitszweig  ist  jetzt  in  verschiedenen  Plätzen  Südamerica's  angepflanzt, 
und  auch  die  Nachahmung  der  Huaca  hat  mehrfache  Concurrenz, 
indem  als  andere  Fabrikplätze  Cascas  (bei  Ascopc)  und  San  Paolo 
(bei   San  Pedro)  genannt  werden.     Im  Anfang  des  Jahrhunderts  be- 


SECHURA.  139 

schreibt  Stevenson  die  Verfertigung  von  Strohhüten  bei  Huacho  aus 
feinem  Schilf,  oder  Mocora  der  bei  Lambayeque  wachsenden  Palme. 

Die  folgende  Gegend  repräsentirte  ein  eigenthümliches  Gemisch 
von  Wüste  und  Anbau.  Der  Boden  war  mit  leichtem  Sand  bedeckt, 
auf  dem  aber  noch  vielfach,  und  oft  in  bedeutender  Ausdehnung, 
Bäume  in  dünn  gelichteten  Waldstellen  zusammenstanden,  und  überall 
sah  man  von  Lehmmauern  umgebene  Chacras,  die  allerdings  von 
Aussen  einen  verfallenen  Eindruck  machten,  die  aber  dennoch  Pflan- 
zungen einschlössen,  welche  in  periodischer  Bewässerung,  meistens 
künstlicher,  gepflegt  wurden.  Nach  dem  Dunkelwerden  gelangten 
wir  an  eine  Brücke,  die  beim  Betreten  so  zu  wanken  begann,  dass 
es  erst  längerer  Untersuchung  des  Führers  bedurfte,  die  Art  des 
Hinüberkommen's  zu  prüfen,  und  an  einigen  unbewohnten  Chacras 
vorbei,  erreichten  wir  mit  dem  Fluss  Sechura  auch  den  gleichnamigen 
Flecken.  Dort  lag  Alles  schon  im  Schlaf  und  irrten  wir  längere 
Zeit  in  den  ausgestorbenen  Strassen  umher,  bis  uns^ein  halbver- 
steckter Lichtschein  nach  einer  Branntweinhöhle  führte,  wo  ein  paar 
Indianer  eben  beim  letzten  Glase  waren,  aber  gerade  noch  Selbst- 
direction  genug  besassen,  uns  nach  dem  Hause  des  Gouverneur's  zu 
führen.  Nach  Anpochen  und  Nennung  des  Namens,  wurden  wir  ge- 
beten etwas  zu  warten,  und  dann  kam  der  Gouverneur,  der  sich 
wieder  angekleidet  hatte,  selbst  hervor,  um  mich  nach  meinem  Logis 
zu  führen.  Vom  Präfecten  benachrichtigt,  hatte  er  sein  Nachtlager 
in  dem  von  ihm  (nach  Landessitte)  gehaltenem  Laden  aufgeschlagen, 
sein  ganzes  Haus  aber  zu  meinem  Empfange  ausgeräumt,  unten  ^en 
Esssaal  und  oben  ein  ganz  niedlich  möblirtes  Balkon  -  Zimmer  mit 
anstosscndem  Schlafgemach.  Nachdem  er  mir  noch  einen  Soldaten 
zur  Bedienung  gelassen,  da  mein  Arriero  zurückkehrte,  sagten  wir 
uns  gute  Nacht,  da,  wie  ich  hörte,  für  die  Weiterreise  bereits  Vor- 
bereitungen getroffen  waren. 

Am  nächsten  Morgen  machte  mich  der  Gouverneur  mit  dem 
Führer  bekannt,  zu  dem  er  einen  mit  dem  Wege  wohl  vertrauten 
Beamten  bestimmt  hatte,  und  dieser  erschien  dann  auch  am  Mittag 
mit  den  Mauleseln,  grossen,  starken  Thieren,  \yie  sie  dort  speciell  für 
diese  Wüstenreise  gezogen  werden.  Mit  geringeren  dürfte  man  sie 
nicht  zu  unternehmen  wagen,  da  hier  über  30  Leguas  wasserloses 
Gebiet  vorliegt,  das  in  einem  Zuge  ohne  Aufenthalt  zu  kreuzen  ist, 
und  wem,  nachdem  er  sich  in  diese  verdorrte  und  glühende  Sand- 
wüste einmal  hineinbegeben  hat,  dort  seine  Thiere  ermüden  sollten, 
dem  würde  es  schwierig  sein,  wieder  heraus  zu  gelangen.     Hierüber 


140  PERU   UND   ECUADOR. 

schien  ein  Vorrath  abenteuerlicher  Geschichten  auf  Lager,  sowie  über 
das  Irregehen  in  diesem  pfadloscn  Meer,  wo  die  Dünen  oder  Meda- 
nos,  statt  Landmarken  abzugeben,  viehnehr  durch  ihre  steten  Ver- 
setzungen die  Verführung  zu  Täuschungen  vermehren.  Eine  andere 
Gefahr  liegt  in  den  aus  Zambos  oder  anderen  Mulattenvariationen 
zusammengesetzten  Banditen-Banden,  die  sich,  wie  in  den  meisten 
Küstenprovinzen  Peru 's,  so  auch  in  der  von  Piura  umhertreiben,  und 
sich  mit  der  Wüste  selbst  zwar  nichts  zu  schaffen  machen,  aber  oft- 
mals an  den  Ausgängen  derselben,  nach  den  bewohnten  Ansiedlun- 
gen  zu,  wo  sie  ihre  Schlupflöcher  haben,  lauern  mögen.  Der  Gou- 
verneur hatte  deshalb  Anfangs  auch  an  eine  Escorte  gedacht,  die 
aber  viel  Umständlichkeiten,  und  vor  Allem  Zeitverlust  bedingt  haben 
würde.  So  schien  es  besser,  sich  mit  der  Bewaffnung  des  F'ührers 
zu  begnügen.  Scchura*)  lag  früher  näher  am  Meer  (bei  der  Punta  de 
la  Aguja)  und  seine  Bewohner  werden  noch  von  AIcedo  (Will.  Jhrhdt.) 
als  eigenartige  Rasse  beschrieben,  die  ihren  besonderen  Dialect 
sprach.  In  der  Yunga- Sprache  (mit  Plinbegriff  der  der  Chimu  in 
Truxillo)  wurde  der  nördliche  Dialect  (Sek  genannt)  in  Sechura  ge- 
sprochen. Von  Pativilca  bis  Chilca  bei  Pisco  war  die  Mochica-Sprache 
verbreitet,  gemischt  mit  der  alten  Sprache  Chinchasuyu's,  die  sich 
südlich  von  Pisco  erhielt. 

Der  Einfluss  der  geographischen  Provinz,  zunächst  für  den  phy- 
sischen Habitus,  tritt  besonders  prägnant  bei  den  Bewohnern  der 
höhen  Bergländer  Südamerika's  hervor,  indem  in  ihnen  unter  den 
Tropen  Elevationen^)  erreicht  werden  können,  welche  anderswo  schon 
längst  unzugänglich  sind,  und  sich  also  dort  schlagender,  als  es  anderswo 
möglich  sein  könnte,  der  klimatische^)  Unterschied  hervorhebt.  In- 
dem hier  die  verschiedenen  Zonen  oft  nur  auf  wenige  Stunden  Ent- 


')  Da  der  Fluss  Sechura  einen  Theil  des  Jahres  austrocknet,  bilden  die  Anwohner  für 
ihren  Gebrauch  die  Casimbas  genannten  Reservoirs  (s.  Soldan). 

2)  Caldas  zieht  seinen  ,,tennino  superior  i.  dondc  ha  llevado  al  hombre  la  cultura  y  los 
ganados"  genannte  Linie  bei  einer  Elevation  von  4900  varas  castellanas  sobre  el  mar  (um! 
5320  als  Ende  der  Pflanzen). 

')  Los  que  han  nacido  en  la  basa  de  la  cordillera  padecen  cuando  suben  rdpida- 
mente  ä  sus  faldos.  Cuando  un  habitante  por  ejemplo ,  de  las  orillas  del  Magdalena 
sube  d  la  esplanada  de  Bogota,  siente  que  sus  orinas  se  aumentan  y  necesita  evacuarlas 
con  frecuencia ,  los  labios  se  le  secan  hasta  el  punto  de  mudar  la  piel  de  estas  partes 
delicadas,  los  ojos  se  le  enciendan,  la  nariz  distila  aburidantcmente  y  una  sed  arJliente 
Ic  obliga  a  beber  las  aguas  heladas  de  estas  regiones.  Caldas  berechnet  das  Lufige wicht 
an  der  Küste  für  den  Indianer  auf  35,604  Pfd.  und  an  der  Grenze  bewohnbarer  Höht 
auf  13,857  Pfd.  weniger. 


INDIANER.  141 

fcrnung  auseinander  liegen,  zieht  die  Gefahr^)  des  Acclimatisations- 
proccsses  und  der  daraus  drohenden  Krisis  einer,  wenn  nicht  tödtlichen, 
doch  in  chronische  Schwäche  verlaufenden,  Krankheit  )  eine  Barriere, 
die  bei  den  Incas  in  der  Auswahl  ihrer  Mitimaes  volle  Beachtung  fand. 
In  der  untersetzten  Figur  mit  überwiegendem  Rumpftheil  und 
verhältnissmässig  kürzeren  Gliedmassen  tritt  der  breite  Brustkasten^), 
als  durch  das  Athmen  in  verdünnter  Luft,  welche  der,  für  eine  ge- 
ringere Elevation  normalen,  Lunge  asthmatische  Beschwerden  bereitet, 
nothwendig  bedingt,  besonders  in  den  äquatorialen  Hochländern  Süd- 
Amerika's  hervor,  wo  die  geographische  Lage  das  Anstreben  eines 
erhabenen  Niveaus  ermöglicht,  wogegen  bei  den  die  zum  Maranon  ab- 
fallenden, Thäler  der  Andes  bewohnenden  Indianern^)  sich  schon  bald 
die  Anfänge  der  lang  und  hager  schmächtigen  Figur  bemerkbar  zu 
machen  beginnen,  wie  sie  in  den  Rothhäuten  am  ^ausgeprägtesten 
vorliegt,  und  ebenso  (wie  in  verstärktem  Masse  in  Patagonien)  bei 
den  Araucanern  erkennbar  ist.  Die  nördlichen  Indianer-Reste  am 
westlichen  Abhänge  der  Cordillere  werden  eher  kurz  beschrieben, 
aber  fleischig,  wogegen  die  ähnliche  Figur  bei  den  Quechua  mehr 
durch  das  Knochengerüst  bedingt  ist.  Es  wird  damit  gesagt  sein, 
dass  auf  dem  zu  beschränkten  Territorial  der  westlichen  Flächen 
ebenso  wenig,  wie  ein  selbssständig  bestimmt  botanisch-geographischer 
Typus,  auch  kein  anthropologischer  einen  selbstständigen  Ausdruck 
gefunden  hat,  und  dass  also  nur  von  dem  Hochlande  hinabgestreckte 


*)  Die  Hewohner  sind  ,,re(luits  a  la  residence  sedentaire  par  la  crainte  des  malheurs, 
qui  pourraient  cruellement  les  altendre,  sils  couraient  apr^s  d'autres  lieux"  bemerkt  Jour- 
danet,  und  so  spricht  auch  aus  den  einheimischen  Traditionen  überall  die  Anhänglichkeit 
an  die  Scholle  des  Mutterbodens  hervor. 

')  Andererseits  können  bei  bereits  vorhandener  Störung  diese  Verhältnisse  zur  nor- 
malen Herstellung  benutzt  werden ,  wie  in  den  von  den  Schwindsüchtigen  Lima's  be- 
nutzten Luftbädern  der  Sierra.  Auch  dies  war  bereits  den  alten  Eingeborenen  bekannt, 
indem  Herrera  mittheilt,  dass  in  Mexico  Kranke  zum  Klimawechsel  nach  den  an  Michoacan 
grenzenden  Provinzen  geschickt  wurden.  Doit  waren  von  der  Regierung  Hospitäler  er- 
baut, die  mit  Revenuen  dotirt  waren,  so  dass  die  Armen  (nach  Las  Casas)  unentgeltlich 
behandelt  wurden,  und  die  angestellten  Aerzte  hatten  sich  einem  Examen  zu  unterwerfen 
(s.  Bustamente). 

*)  Dr.  Bennett  (in  Cuzco)  had  examined  the  lungs  of  Indians  of  the  Sierra  afler 
decease,  and  had  found  them  of  considerably  greater  volume,  than  those  of  the  people  of 
the  lower  country  (s.  S.  Hall). 

*)  Die  Indianer  (Guatemalas)  dilT^rent  beaucoup  suivant  les  climats  oü  ils  vivenl, 
ceux  de  la  tierra  fria  sont  petits,  trapus,  bien  membres,  susceptibles  de  grandes  fatigues 
et  tr^s  adonn^s  h  Tivrognerie,  tandls  que  ceux  de  la  tierra  caliente  sont'grands,  maigres, 
paresseux  et  encore  plus  sensibles  k  l'attrait  des  boissons  alcoholiques  (Dollfuss). 


142  PERU   UM)   ECUADOR. 

Zweige  angetroffen  werden,    die    sich   unter  der  veränderten  Umge 
bung  neu  modificirt  haben. 

Anthropologisch  haben  die  Quechuas  und  Verwandte  bei  d'Or- 
bigny  ihre  Beschreibung  gefunden  (die  Chibchas  bei  Uricoechea), 
und  sie  ergeben  sich  daraus  im  Allgemeinen  dem  Medium,  in  wel- 
chem sie  leben,  gemäss,  als  Brustmenschen,  während  Lallemant  die 
Botocuden  (am  Muucuri)  als  Bauchmenschen  bezeichnet,  der  Rumpf 
auffallend  „gross  im  Verhältniss  zu  den  Extremitäten,  und  besonders 
der  Bauch  entwickelt".  Ebenso  bei  den  von  ähnlichem  Milieu  ab- 
hängigen Negern,  wo  die  noch  regsamere  Functionii;ung  der  Eebcr 
in  der  pigmentirten  Hautschicht  eine  weitere  Completirung  erhal- 
ten hat. 

So  liegt  es  in  der  Natur  der  Sache,  dass  die  Neger  auf  den  für 
sie  schwieriger,  bewohnbaren  Ilochterrassen  Südamerika's  fast  gänz- 
lich fehlen,  während  sie  sich  in  den  Ebenen  der  Küste  sehr  wohl 
befinden,'  und  auf  den  mittleren  Höhen  in  einer  Vielfachheit  von 
Mischlingen  die  Abgleichung  eines    modus  vivendi  gefunden   haben. 

Für  die  Einwirkung  der  klimatisch-geographischen  Umgebung 
zur  allmähligen  Acclimatisation  sind  die  Beobachtungen  an  den  Hüh- 
nern beachtenswerth,  die  auf  dem  Hochlande  Bogota's  einige  Gene- 
rationen gebrauchten,  bis  sie  sich  in  der  Legezeit  accommodirt  hatten, 
und  ebenso  in  Cuzco  anfangs  beständig  ausgestorben  sein  würden, 
wenn  nicht  erneuert,  wie  Garcilasso  de  la  Vega  erzählt. 

In  Mexico  dagegen,  also  in  Nordamerika  (wo  Flora  und  Fauna 
dem  europäischen  Character  näher  steht),  vermehrten  sie  sich  anfangs 
auf  einem  für  ihre  Existenz  jungfräulichen  Boden  (wie  der  Waizen  bei 
erster  Einführung  in  Californien)  in  solchen  Massen,  dass  Motolinia 
die  zu  den  Märkten  führenden  Wege  mit  ihnen  voll  fand  (los  cami- 
nos  llenos  de  los,  que  van  cargados  de  ellas  en  sus  jaules  ligeras), 
und  hörte,  dass  auf  den  fünftägigen  Märkten  von  Tepcacac  (Tepeaca) 
jedesmal  (und  ebenso  auf  dem  von  Acapetlayocan)  Ceciquipilii  (que 
quiere  decir,  8000  aves)  verkauft  wurden,  und  dass  die  grössere  Quan- 
tität Geflügel  sei,  zwar  auch  einheimisches  (gallos  y  gallinas  de 
Tierra  oder  Puter),  aber  vorzugsweise  „gallinas  y  pollos  de  Castilla", 
und  zwar  trotz  der  Epidemie,  welche  (wie  oft  im  Beginn  solcher 
Ueberproduction)  grosse  Mengen  im  Jahre  1539  weggerafft  habe,  in- 
dem damals  in  manchen  Häusern  bis  500  Hühner  gestorben  seien 
und  Kapaune  bis  200  (que  en  esta  tierra  no  hacen  capones  ä  doce- 
nas,  mas  ä  cientos). 


Miscnuxc;KN. 


143 


Je  nach  der  halben  oder  ganzen  Acclimatisation  oder  dem  in 
den  Kreuzungen  eingeleiteten  Gemiseh  findet  sich  eine  bunte  Farben- 
scala  in  der  americanischen  Menschenrasse. 

In  Peru  werden  unterschieden : 

Chinos  von  Indianern  und  Negerinnen, 
Quarterons  von  Weissen  und  Mulattinnen, 
Quinterons  von  Weissen  und  Quarteroninncn, 
Zambo-Negro  von  Neger  und  Mulattinnen, 
Mulatto-Oscuro  von  Negern  und  Mestizin, 
Zambo-Chino  von  Neger  und  Chino, 
Chino-oscuro  von  Indianer  und  Mulattin, 
Mezti/o  C'laro  von  Indianer  und  Mestizin, 
Chino-Cholo  von  Indianer  und  Chino, 
.  Zambo-C'laro  von  Indianer  und  Zambo, 
Zambo  von  Mulatten  und  Zambo, 
Quatralvo  von  Spanier  und  Mestizin, 
Tresalvo  von  Mestizen  und  Indianerin  stammend, 
oder  (nach  Stevenson): 

(,'  o  I  o  u  r. 


F  a  t  h  e  r. 

M  o  t  h  e  r. 

European. 

European 

Creole 

Creole 

White 

Indian 

Indian 

White 

White 

Mestiso 

Mestiso 

White 

Mestiso 

Mestiso 

White 

Negro 

Negro 

White 

White 

Mulatto 

Mulatlo 

White 

White 

Quarteron 

Quarteron 

White 

White 

Quinteron 

Negro 

Indian 

Indian 

Negro 

Negro 

Mulatto 

Mulatto 

Negro 

Negro 

Zambo 

Zambo 

Negro 

Negro 

Chino 

Chino 

Negro 

Negro 

Negro 

White 

White 

%  White,  ^j,  Indian  —  Fair 

\  White,  %  Indian 

White-often  very  Fair 

White-but  rather  Sallow 

Sallow-ofteu  Hght  Hair 

%  White,   \  Negro  —  often  Fair 

%  White,  %  Negro  —  dark  copper 


%  White,  \  Negro  —  Fair 


Children. 
Creole 
Oeolo 
Mestiso 
Mestiso 
Creole 
Creole 
Creole 
Mulatto 
Zambo 
Quarteron 
Mulatto 
Quinteron 
Quarteron 
Creole 
Chino 
Chino 
Zambo 
Zambo 
Zambo 
Zambo 

Zambo-chino  *Vi6  Negro,   */,,  Indian 
Zambo-chino  ^/^  Negro,  %  Indian 
Negro 


%  White,  %  Negro  —  Tawny , 
%  White,  \  Negro  —  very  Fair 
%  White,  \  Negro  —  Tawny 
White-light  Eyes,  fair  Hair 
%  ^>g^o,  %  Indian 
\  Negro,  %  Indian 
%  Negro,  %  White 
%  Negro,  %  White 

'Vi6  Negro,   Vis  ^^*^»^e  —  I^^r^ 
^«  Negro,   \  White 


Aus  Guatemala  giebt  Thompson  folgende  Liste: 

Mestisa  aus  Spanier  und  Indianerin 
Castisa  aus  Spanier  und  Mestisa-Frau 
Espauola  aus  Castiso  und  .Spanierin 
Mulatto  aus  Neger  und  Spanierin 
Morisco  aus  Spanier  und  Mulattin 
Albina  aus  Morisco  und  Spanierin 
Tomatras  aus  Albino  und  Spanierin 


144  I'ERU   INI)   KCIADOR. 

Tente-en-el-aire  aus  'l\)riiafras     und  Spanierin 

Iajxo  aus  Neger  und  Indianerin 

C'aribujo  aus  Lovo  und   Indianerin 

Harsino  aus  Coyote  und  Mulattin 

Grifo  aus  Lovo  und  Negerin 

Albarazado  aus  Coyote  und  Indianerin 

Chanisa  aus  Indianer  and  Mcsii/in 

Mechino  aus  Coyote  untl  Lova 

Aus  der  argentinischen  RepulWik  hesnerkt  de  Mdussy : 

l^s  degres  de  nietis*;age  du  blanc  avec  le  noir  dans  le  bassin  de  la  Plata  se  classml 

ainsi  (nous  prenons  pour  type  l'union  du  l)lanc  avec  la  femme  de  couleur,    ce  qui  est   le 

cas  le  plus  commun): 

I««*  degre.  —  Blanc       \  ,  .  ,  ,»         i  %  ^^  sang  africain,  ou  negre. 

^-  !  produisint  le   mulatre    I  f    ,  ^  !  *^ 

Negresse  J  |  Ji  de    sang   europeen  ,    ou    caucasien. 

2c  degre.    —  Blanc        ]         ,   .         ,  I  i  d«^  ^ang  noir. 

^  ,,  ,*  }  produisent  le  quarteron  I   ?    , 

Molatressel  l  i  "<^  sa"ß  caucasien. 

3«  degre.  —   Blanc         1         ,   •  „  (  V  **«  ^^^S  "**«''• 

^  \  |)roduisenl  1  oclavon       {  -    , 

QuarteronneJ  l  ^  de  sang  caucasien. 

ae  degr^.    —  Blanc         \  ,  .      ,         ,  ,  1   Vie  *^«^  ^^^R  noir. 

^        **  ^^  >    produisent  un  blanc     {    ''"     , 

OctavonneJ  |   '7,5  de  sang  caucasien. 

Au  <iuatrienie  degr^,  les  traces  du  sang  du  noir  ne  sont  plus  reconnaissables,  excepte 
dans  quelques  cas  excptionels  ou  Ton  retrouve  chez  les  enfants  provenant  de  l'union  du 
blanc  et  de  l'octavon,  tantot  des  cheveux  un  peu  crepus,  tantöt  le  teint  basane,  tantot 
(juelque  cho.sc  de  l'odeur  propre  ä  la  race  africaine.  ()n  cn  voil  aussi  de  rares  exemples 
chcz  des  individus  qui  n'ont  que    Ysa  ^*^  ^^^S  "^'''* 

Les  m^tis  resultant  du  melange  de  sang  caucasien  avec  le  sang  Indien  se  rapprochent 

plus  vite  du  type  blanc.     Ainsi: 

ler  degrc.  —  Blanc        I    produisent  le  Chino     f  J^  sang  Indien. 

Indienne  |  ou  Cholo  \  ^  sang  caucasien. 

\     produisent  le  sang-      t 
2«  degr^.  —  Blanc         I     '^  ..  I  J  sang  Indien. 

*  China  "^^»'^'  "^'"'"^'  ^^-^''     I  %  sang  caucasien. 

J        (^hino  ou  Cholo        ( 

\t  degre.    —  Blanc         ]  ,   .       ,  ,     ,  ,  (  X  ^ang  indien. 

"^        *•  - , .  .  \    produisent  le  blanc         :, 

Melisse      J  \  ^  sang  caucasien. 

II  est  presque  impossible  de  reconnattre  chez  le  metis  du  troisieine  degre  le  J^  de 
sang  indien,  qui  coule  dans  ses  veines,  car  il  a  tout  ä  fait  l'apparence  caucisienne ;  seulc- 
ment  il  est  remarquable  par  le  noir  de  la  prunelle  et  de  la  chevelure,  et  quelque  chose 
d'un  peu  ardent  dans  le  teint;  bcaucoup  d'Europeens  presentent  d'ailleurs  le  m^me  aspect. 

Die  Mutalos  Cambahiyos  (bei  Puerto  Yiejo)  nacieron  de  mezcla  de  negros  y  negros 
cimarroncs  con  los  Indios. 

Von  Mulatten  unter  einander,  Mestizen  u.  s.  w.  entstehen  die  Tenles-en-el-ayre  (in 
der  Luft  Schwebenden),  weil  weder  Schwarzen  noch  Weissen  sic)i  nähernd 

Der  Trigcnio  entsteht  aus  Weissen  mit  Mestizen, 
Der  Qualrogenio  aus  Weissen  und  Trigenio  u.  s.  w., 
Der  Weisse  mit  Mulattin  giebt  den  Terceron, 
Der  Weisse  mit  Tercerona  den  Quarteron  u.  s.  w. 

Sprösslinge  reiner  Rasse  zwischen  Negern  (in  America)  geben  die  Chinos  (s.  Mühlcn- 
pfordl)  in  Mexico..  Aus  dem  Mulatten  oder  Mestizen  mit  einer  weissen  Frau  (ebenso 
dem  Quinteron  mit  einer  Qualcrona),  entsteht  der  Salto -atras  (weil  zu  den  Farbigen 
zurückgehend). 


KREUZUNGEN.  145 

Der  Peruaner  nennt  deii  Geruch  des  Europäer  Pezunna,  des  Indianer  Posco,  des 
Neger  Grajo. 

Von  Terceron  y^ulata,  sowie  von  Quarteron  und  Terceron  kommt  der  Tente-en- 
e!-aire  (porque  ni  salian  a  blancos,  ni  retrodeciam  d  negros  ö  indios),  dazu  von  Quarte- 
rones  mit  Negern  der  salto  -  atrds  (porque  daban  un  paso  hacia  la  raza  negra  de  que 
venian)  in  Columbia  (J.  Acosta). 

Der  Mulatte  stammt  von  Weissen  und  Neger, 

Mamelucos  von  Weissen  und  Indianer, 

Cafuzos  von  Indianer  und  Neger, 

Curibocos  von  Cafuzos  und  Indianer, 

Xibaros  von  Cafuzos  und  Neger, 

Cabaclos  als  angesessene  Indianer  (in  Brasilien). 

Im  Norden  der  argentinischen  Republik  wurden  zur  spanischen  Zeit  die  Mestizen  als 
Cholos  bezeichnet,  im  Süden  als  Chinos  (s.  de  Moussy).  In  den  argentinischen  Städten 
wird  die  Hirtenbevülkerung  der  Pampas  als  Gau.cbos  (gatchu  oder  Gefährte)  bezeichnet, 
mais ,  en  r^alite,  ce  nom  ne  doit  s'appliquer  qu'aux  vagabonds  (s.  de  Moussy).  Als 
torrespondirendes  Element  findet  Darwin  den  Guasos  in  Chile. 

Criollo:  Nombre  que  se  da  d  los  hijos  de  padrcs  europaeos,  nacidos  en  America 
(el  hijo  de  padres  europaeos  nacido  en  America),  auch:  el  negro  que  no  es  bozal. 

Bozal  :    El  negro  recien  llegado  de  su  pais  (vom  Zwangs- Zaum  benannt.) 

Ladino:  El  que  sabe  otra  lengua  6  lenguas  ademas  de  la  suya,  Sagaz,  advertido 
Se  dice  del  indio  criado  en  las  poblaciones  grandes,  que  ha  aprendido  algun  oficio  y 
sabe  el  castellano  (in  America),  als:  Epiteto  que  antiguamente  se  apiicaba  al  romance 
6  castellano  antigua  (El  megro  ö  negra,  que  ya  esta  baslante  instniido,  hablando  y  enten- 
diendo  suficientemcnte  el  castellano  in  Cuba), 

Baqueano:  perito  (in  America),  prdctico  de  los  caminos,  abgeleitet  von 

Baguear  (naut.),  segeln  mit  Wind  und  Strömung. 

Wo  die  Mischung  so  eigenthümlich  wird,  dass  sie  weder  Anhaltspuncte  fUr  den  Neger 
noch  für  den  Indianertypus  zulässt,  gebraucht  der  Volksmund  die  Bezeichnung  ,,no  l'en- 
ticnde"  (ich  verstehe  dich  nicht)  in  Honduras  (s.  Scherzer). 

In  Mexico  unterscheiden  sich  Gachupones  oder  Chapetones  (spanischer  Herkunft), 
Creolen  (als  von  spanischen  Eltern  im  Lande  geboren),  Lepero  (Indianer  der  Städte), 
Kanchero  (Ackerbauer),  Vaquero  (Viehzüchter)  unter  den  Hacendados.  Von  Indianer- 
siämmen  zählt  Brantz  Mayer  circa  150  auf  (und  ähnlich  Mühlenpfordt).  Die  Spanier 
hiessen  (in  Mexico)  Gachupines  oder  Pferde-Menschen  (s.  Mühlenpfordt).  Sonst  früher 
aus  Achtung,  jetzt  zur  Schmach,  Godos. 

Obwohl  es  in  dem  Worte  Creole  ausgesprochen  liegt  und  durch  dasselbe  ausgespro- 
chen wird,  dass  mit  ihm  die  einheimisch  im  Lande  Geborenen  bezeichnet  werden  sollen, 
so  dass  es  auch  seine  Anwendung  auf  Neger  oder  die  Nachkommen  importirter  Haus- 
thiere  finden  kann,  beschränkte  sich  die  specifische  Bedeutung  (weniger  freilich  in  Brasi- 
lien) in  der  Mischungsterminologie  doch  auf  die  in  den  Colonien  geborenen  Kinder  der 
Europäer  und  deren  Abkommenschaft,  da  es  für  diese  während  des  Kampfes  gegen 
die  herrschenden  Fremden  zum  Partei  wort  wurde,  welches  nach  Erkämpfung  des  Sieges 
allerdings  nicht  absichtlich  festzuhalten  gesucht  wird ,  da  die  früher  anklebende  Neben- 
deutung der  Unterordnung  noch  nicht  völlig  abgestreift  ist.  So  erklärt  Robertson  Creoles 
als  ,,descendants  of  Europeans  settled  in  America"  (als  unterschieden  von  den  Cha- 
pctones). 

Die  Creolen  (in  Amerika  von  spanischen  Eltern  Geborenen)  gründeten  den  Charpe- 
toncs  gegenüber  (die  siqh  auf  die  Stellung  ihrer  Familie  am  Hofe  von  Madrid  stützten) 
ihren  Stolz  auf  die  Abstammung  von  den  ersten  Eroberem  (I^allement).  Mit  der  dritten 
Generation  gingen  die  Mestizen ,  mit  der  fünften  die  Mulatten  durch  Verwischung  der 
Merkmale  in  die  Creolen  über  (in  Columbien). 

Bastian:  America.  I.  I^ 


140  VV\<V  INI)  E( HAnou. 

Los  que  vuljjamicntc  se  llaman  CViollos  (in  Iioj^ota)  Iiahlnn  cl  {«liomri  I'^p.inol  c*»rt 
nias  puere/a  castellana,  (juc  todos  los  dcmas  <lc  las  Indias  (ricdrahita). 

Neben  den  Casta»;  (gemischter  Ab-^tammung)  nennt  Clavigero  aJs  Si^lme  der  in  Ame- 
rika scsshaften  Europäer  (Asialer  und  Afrikaner)  CrioUos  oder  Creolen ,  obwohl  ,, diese 
Benennung  eigentlich  nur  solchen  Nachkommen  von  Europäern  gehört,  deren  Blut  nicht 
mit  amerikanischem,  asiatischem  und  afrikaniscliem  vennischt  ist". 

Notandum  est  discrimen  inter  Indos  et  Indianos,  nam  hi  sunt  (juidem  nati  in  India, 
sed  a  parentibus  Europaeis,  vel  saltem  ab  illis  oriundi  et  pleri^ue  ab  Hispanis,  Indi  autem 
sunt  prognati  et  oriundi  a  meris  Americanis,  wird  aus  Chile  g*'^agt.  Doch  hat  man,  seit 
dem  Gebrauch  der  Bezeichnung  Creole,  es  be«^uemer  gefunden,  die  Bewohner  Amerika'« 
(und  <lcs  westlichen  Indien)  als  Indianer  von  den  Indiem  des  östlichen  (und  eigentlichen) 
Indien  zu  unterscheiden. 

Die  Kopfentstellungen  der  Peruaner,  die  nach  den  Provinzen 
wechselten,  als  Cayta-uma,  Palta-uma  u.  s.  w.  von  Gosse  jedoch  in  zwei 
Typen  zusärnmengefasst  werden,  haben  (seit  Pentlandt's,  Castelnau's, 
Ruschenberger\s,Pöppig's  u.  A.  craniologischen  Beiträgen)  vielfältige  Be- 
handlung erfahren  und  (wie  in  Tahiti)  Deutungen  ihres  (zunächst  auf 
die  am  Körper  geübte  Ziersucht,  gleich  dem  Tättowiren,  Durchbohrun- 
gen u.  s.  w.,  zurückführenden)  Zweckes.  Pachacuti  behauptet,  dass 
von  Inca  Manco  Capac  das  Kopfpressen  der  Kinder  eingeführt  sei, 
um  seine  Unterthanen  thöricht  und  schwach,  (und  also  unterwürfiger) 
zu  machen,  und  dass  Lloque  Yupanqui  eine  neue  Form  angeordnet 
habe.  Nach  d'Orbigny  dagegen  gingen  die  herrschenden  Inca  aus  den 
durch  ihre  avarischen  Köpfe  bekannten  Aymaraes  der  peruanisch- 
bolivischen  Sierra  hervor,  indem  er  die  abgeplatteten  Köpfe,  die 
neben  den  natürlichen  in  den  Gräbern  am  Titicaca  gefunden  wurden, 
auf  jene  bezieht,  und  in  Polynesien  dachte  man,  je  nach  der  Model- 
lirung,  Staatsmänner  oder  Krieger  zu  erzeugen,  während  Beobach- 
tungen bei  den  Chinook  jeden  Einfluss  auf  die  Function  des  Gehirns 
läugnen.  Auch  Forbes  meint,  dass  die  verlängert  ausgedrückten 
Schädel  in  den  Gruben  der  Aymares  den  Fürsten  gehört  hätten.  Bei 
den  von  Bibra  an  der  Algodonbay  gefundenen  Skeletten  der  Aymara 
waren  nicht  nur  die  männlichen,  sondern  auch  die  weiblichen  Schädel 
abgeplattet.  In  Nicaragua  presste  man  (auf  Anweisung  der  Götter) 
die  Köpfe  der  Kinder  zwischen  Bretter,  um  sie  für  die  zu  tragenden 
Lasten  zu  stärken  (s.  Oviedo). 

Da  das  Profil  von  vor-incaischen  Statuen  im  Aymara-Lande  nicht 
die  Abplattung  zeigt,  wohl  aber  einen  langohrigen  Schädel,  so  setzt 
d'Orbigny  den  Ursprung  jener  Sitte  in  die  Herrschaft  der  (die  Ohren- 
verlängerung als  Ehrenzeichen  gewährenden)  Incas,  von  denen  Yahuar 
Huacac  die  Provinz  Carangas  (13.  Jahrhrdt.)  eroberte.     Die  Unregel- 


SCHÄDEL.  147 

mässigkeiten  auf  den  Schädeln^)  der  Chinchas  (an  der  peruanischen 
Küste)  scheinen  Folge  von  Familienzeichen  (oder  Rangzeichen),  da 
sie  sich  in  nahe  liegenden  Huacas  (Begräbnissplätzen)  ganz  verschie- 
den finden. 

Blake  unterscheidet  neben  der  brachycephalischen  Rasse  (in  Peru) 
eine  dolicephalische  (die  Aymaras).  Der  von  Squier  in  den  Chulpas 
der  Collas  (beim  Titicaca-See)  gefundene  Schädel  ist  (nach  Davis)  bra- 
chycephalisch.  Morton  schreibt  den  Dolychocephalismus  der  Inca  nur 
der  künstlichen  Entstellung  zu.  Eine  Reihe  von  Messungen  ist  von 
Virchow  gegeben,  in  den  Abhandlungen  der  anthropologischen 
Gesellschaft  Berlin's.  S.  Zeitschrift  für  Ethnologie  (1877).  D'Or- 
bigny  theilt  die  südamericanischen  Menschen  in  die  ando-peruvianische 
Rasse  (mit  Peruanern,  Antisiern,  Araucanern),  die  pampaische  (mit  den 
Pampas,  Chiquitos,  Moxos)  und  die  Brasilo-Guaranische  (mit  Gua- 
rani  und  Botocuden),  obwohl  dabei  die  localen  Schläge,  die  hier 
gerade  im  Anschluss  an  die  klimatisch-geographischen  Bedingungen 
des  Milieu  bedeutsam  sind,  an  verschiedenen  Stellen  durch  einander 
gewürfelt  werden. 

Nach  Torquemada  war  die  Art  der  durch  Binden  (wie  durch 
die  Ammen  Frankreichs  oder  im  mittelalterlichen  Genua)  hervorge- 
brachte Kopfentstellung  in  den  verschiedenen  Theilen  Peru's  wech- 
selnd, oft  in  Form  eines  Hammer's  oder  eines  Schiffes,  und  besonders 
„de  la  hechura  y  forma  de  una  coroga  6  de  un  mortero  de  barro, 
muy  empinado  y  alto.  Cieza  beschreibt  die  künstlich  entstellten 
Köpfe  der  Collas^)  als  lang  und  hinten  flach. 


*)  Der  abgeflachte  Occipitalknochen  der  peruanischen  Schädel  (der  äusserer  Pressung 
zugeschrieben  wird) ,  wurde  von  Rivero  auch  an  einem  (nach  d'Outrepont  siebenmona- 
tigen)  Fötus  aus  einer  schwangeren  Mumie  in  der  Höhle  von  Huichay  (bei  Tarma)  ge- 
funden. In  den  peruanischen  Kindern  beginnt  das  (in  den  ersten  Monaten  getrennte) 
Os  interparietale,  von  dem  4.  oder  5.  Monate  an,  mit  der  Umgebung  zu  verwachsen. 
(Rivero).  The  largeness  of  size,  regularity  of  shape  and  position  of  the  interparietal  bo- 
nes  distinguish  them  from  the  ossa  Wormiana  and  seem  to  confirm  the  opinion,  that  the 
ancient  Peruvian  skuUs  are  peculiar  and  mark  a  distinct  and  lower  type  of  Organization 
(s.  Rivero's  und  Tschudi's  Alterthümer  in  Hawkes  üebersetzung).  Die  Huancas  finden 
sich  in  den  Departements  von  Jussin  und  Ayacucho  (und  soll  die  Kopfentstellung  auch  bei 
mumificirten  Embryos  beobachtet  sein).  Bei  Tschudi  dienen  die  Huancas,  mit  Chinchas 
und  Aymaraes,  zu  seiner  Dreitheilung.  Von  den,  Aucas  (Abgetrennte)  genannnten, 
Flachköpfen  (oder  auch  Langköpfen)  wird  gesagt,  dass  sie  sich  während  der  Herrschaft 
der  Quichua  von  den  Rundköpfen  geschieden  gehalten  hätten,  um  ihre  Unabhängigkeit  zu 
bewahren.     Das  Material  über  den  Inca-Knochen  ist  neuerdings  vermehrt. 

')  Los  Collas  y  Puquinas  y  otras  naciones  de  Indios  usan  formar  las  cabe^as  de  los 
nifios  en  diversas  figuras  con  mucha  supersticion ,  lang  (chucu)  oder  breit  an  der  Stirn 
(Palrohoma).     Die   von  den  Cossibos  oder  Conibos  (s.  Castelnau)  befolgte  Abplattungs- 

•       10* 


148  PERU   UND.  ECUADOR. 

Zur  Herstellung  werden  im  Allgemeinen,  wie  im  nördlichen 
Amerika  und  Ostasien  ebenso,  Holzbretter  gedient  haben,  zwischen 
denen  der  Kopf  des  Kindes*),  in  der  Wiegenbefestigung  desselben  ein- 
geschnürt wurde. 

Den  Peruanern,  welche  verschiedene  Kopfformen  (Caito,  Oma, 
Ogalla)  hervorzubringen  pflegten,  wurde  dies  durch  eine  Synode  (1585) 
verboten,  bemerkt  Meyen,  und  gegen  das  Abflachen  der  Köpfe  unter 
den  Collas  waren  im  Besonderen  die  Ordenanzen  des  Vizekönigs 
Toledo  gerichtet. 

Für  den  gegenwärtigen  Stand  der  peruanischen  Schädelfrage 
sind  neben  den  Arbeiten  von  Bernard  Davis,  die  von  Witson,  Wy- 
man,  Warren,  sowie,  im  Anschluss  an  die  vom  Cönsul  Hutschinson 
der  Anthropogical  Society  of  Great  Britain  and  Ireland  (1873)  einge- 
schickten Schädel,  die  dort  durch  Busk  eingeleiteten  Besprechungen 
zu  vergleichen,  während  die  nach  Berlin  gelangten  Schädel  ihre  Be- 
handlung durch  Virchow  (s.  Sitzungsberichte  der  anthropologischen 
Gesellschaft)  erhalten  haben. 

In  der  Nachbarschaft  Peru's  fand  sich  die  Kopfentstellung  zu- 
nächst bei  den  durch  Tupac  Yupanqui  |s.  Garcilasso  de  la  Vega) 
unterworfenen  Cafiari,  die  deshalb  Palta  huma  (Palta-uma)  oder 
Kopfflacher  genannt  wurden  und  mit  den  Paltas  bei  Loxa  grenzten, 
von  denen  ebenfalls  ein  Pressen  des  Kindeskopfes  zwischen  Brettern 
erwähnt  wird. 

Bei  den  Caras  in  Quito  (s.  Velasco)  herrschte  (wie  bei  den 
Caraiben)  eine  ähnliche  Sitte  und  ebenso  bei  den  ihnen  verwandten 
Caragues  oder  Mantas  (bei  Manta),  den  (namensähnlichen)  Caranga 
(westlich  von  Oruro),  die  neben  der  Abflachung  der  Schädel  auch 
die  Ohrverlängerung  übten. 

Im  Cauca-Thal  wird,  ausser  der  Kopfabplattung  der  Pijaos  und 
der  Chancos  (zwischea  Cali  und  Anserma)  von  einer  zwischen  An- 
serma  und  Quinbaya  geübten  Entstellung  des  Kopfes  durch  aufge- 
bundene   Bretter   gesprochen    (s.  Cieza  de  Leon),    und   am    Magda- 


methodc  von  Manta  (qui  consistait  h.  aplatir  la  lete  d'avant  en  arri^re,  de  moniere  ä  pro- 
duire  un  front  haut  et  large  et  qii'on  d^signait  par  le  nom  d'Oina)  war  von  den  Inca 
impos^e  aux  enfants  mdles  des  populations,  ou  ils  recrutaient  leurs  arm^es  (s.  Gosse). 

*)  En  muchas  partes  usan  los  Indios  apretar  la  cabega  de  la  criatura  con  dos  ta- 
blillas  una  en  la  frente  y  otra  en  el  cerebro,  con  que  la  dexan  ancha  por  ambas  partes 
y  llaman  palta  ulma,  otros  usan  muchas  supersticiones  quando  trasquilan  el  cabello  k  sus 
hijos  la  primera  vez  6  quando  les  cortan  las  ufias,  haziendo  grande  fiesta  y  ofreciendoles 
plala,  oro,  ropa  y  otras  cosas,  creyendo  que  con  esso  les  dan  Ventura,  sagt  Montenegro 
(Bischof  von  Quito). 


KOPFENTSTELLUNG.  149 

lenenthal  stellten  (nach  de  Torres)  die  Panches  eine  breite  Stirn  her 
durch  zwei  Bretter,  welche  hinten  und   vorne    festgebunden  wurden, 
während  ihnen  Piedrahita  für  solchen  Gebrauch  noch  die  Coyaimas 
und  Natagaimas  zur  Seite  stellt. 

In  Cumana  kennt  Herrera  eine  Kopfverbreiterung,  und  Gomara  er- 
zählt, dass  man  dort  den  Kopf  der  Kinder  zwischen  baumwollene 
Kissen  gepresst  habe,  um  das  Gesicht  zu  erweitern  (para  ensanchar 
la  cara).  Simon  dagegen  spricht  von  Brettern:  Desde  ninos  con 
unas  tablillas  ponenla  la  cabega  muy  ancha  por  detras  y  por  delante. 
Caulin  lässt  die  Mato-  Matos  am  See  Cabiya  (des  Orenoco)  die  Köpfe 
entstellen,  und  nach  Simon  fand  sich  Abplattung  des  Kopfes,  vorn 
und  hinten,  bei  den  den  Caraiben  verwandten  Stämmen  der  Chesi- 
goto,  Pargoto,  Pilagoto. 

In  der  Pampa  del  Sacramento,  wo  die  Indianer  die  Haarknoten 
mit  Federn,  die  Gelenke  mit  Schnüren  schmückten,  wird  neben  einer 
Durchbohrung  von  Kinn  und  Nasenknorpel  (zur  Einfügung  von  Zier- 
rathen)  eine  Abplattung  des  Kindeskopfes  erwähnt,  und  zwar  vorne 
(nach  Oben)  und  hinten,  „um  dem  Mond  zu  gleichen,  wenn  er  voll 
ist".  Die  Conibos  (bei  Loreto)  flachen  den  Kopf  „de  manera  que  la 
frente  huye  y  la  cabeza  se  alarga  mucho  por  atras"  (Raymondi). 

Bei  den  Cayiri  (von  Ceara)  gilt  die  Bezeichnung  Cabeza-chata 
(s.  Macedo)  und  die  Omaguas  (am  Maranon)  mit  länglich  flachen 
Köpfen,  por  artificio  (s.  Berredo)  heissen  bei  ihren  Nachbarn  Cam- 
pevas  (Plattköpfe)  oder  Cambebas  (Canga  oder  Acanga-apeba). 

In  Yucatan  findet  sich  auf  den  5culpturen  die  zurückfliehende 
Stirn,  und  im  westlichen  Nordamerica  haben  besonders  die  (auch 
ihres  Jargons  wegen  bemerkenswerthen)  Chinook  Aufmerksamkeit 
gefunden.  Im  Osten  wird  bei  den  Choctaw  eine  Kopfentstellung  er- 
wähnt, und  (nach  Pattie)  wohnen  am  Bighorn,  der  in  den  Platte-Fluss 
fällt,  die  Tschopunish  (Plattköpfe)  genannten  Indianerstämme.  Zu 
Soto's  Zeit  wurde  die  Kopfentstellung  bei  den  Natchez  geübt,  und  in 
Chicora  (am  Cabo  Santa  Helena  und  Jordan)  wird  von  einer  künst- 
lichen Vcrkrüppelung  der  Caziken-Kinder  geredet  (wie  anderswo  von 
Ausreckung  zu  Riesenlänge). 


Als  wir  die  erste  Neigung  der  Sonne  abwartend,  kurz  nach 
Mittag  von  Sechura  aufbrachen,  geriethen  wir  noch  innerhalb  des 
Dorfes  in  Noth.  Am  Ende  desselben,  hart  am  Rande  der  Wüste, 
die  dort  beginnt,  steht  die  durch  ihren  hohen  Thurm  von  weithin 
sichtbare  Kirche,    und    an  der  Mauer  hatten  sich  solche  Berge  von 


15<J  l'KRr    IM)   ECUADOR. 

weissem  Flugsand  aufgehäuft,  dass  unsere  Thiere  darin  versanken, 
und  nur  mit  Mühe  wieder  hervorgearbeitet  werden  konnten.  Dann 
kamen  wir  auf  harten  Steingrund,  weil  der  beständig  von  Süden 
blasende  Wind  den  Sand  in  die  halbwinkelförmigen  Medanos  oder 
Dünen  zusammengeweht  hat,  die  überall  hervorstehen,  aber  durch 
den  häufigen  Wechsel  ihre  Stellung  und  Lage  auch  den  effahrenen 
Führer  irre  leiten  können.  Rechtshin  erstreckte  sich  die  Fläche  zum 
Meer,  das  nicht  mehr  sichtbar,  und  nur  an  einzelnen  Stellen  durch 
unbestimmtes  Flimmern  am  Horizont,  unter  der  niedergehenden 
Sonne,  angedeutet  war,  während  in  weiter  Ferne  die  Spitze  der 
Punta  Aguda  auslief  Auf  der  linken  Seite  beschränkte  die  Uneben- 
heit des  Bodens  das  Auge,  das  nach  allen  Richtungen  in  eine  stumme 
Einöde  hinausblickte.  Die  Sonne  tauchte  in  vollem  Glänze  ihre  Kugel 
unter,  und  dann  setzten  wir  unsern  Weg  beim  Sternenlicht  fort,  bis 
wir,  Abends  9  Uhr,  die  erste  Raststation,  la  Parada  de  los  Medanos, 
erreichten,  wo  wir  in  einer  Sandmulde  lagerten,  und  den  Thieren 
etwas  von  dem  mitgeführten  Futter  vorwarfen.  Ein  Lastthier  war 
zum  Tragen  desselben,  sowie  einiger  Provisionen  und  des  Wasser's 
zu  unserem  Getränk  mitgenommen,  während  die  Maulesel  desselben 
für  mehr  als  48  Stunden  völlig  entbehren  mussten.  Aus  der  Um- 
gegend dieser  Dünenstation  wurden  verschiedene  Spukgeschichten 
erzählt,  von  umgehenden  Geistern,  die  in  dem  dort  in  der  Nähe,  der 
Sage  nach,  sichtbaren  Mauerwerk  Schätze  hüteten,  sowie  über  die 
Erscheinung  von  Fabelthieren,  die  sich  auf  die  verwilderten  Pferde 
und  t)sel,  sowie  die  aus  ihnen*  gekreuzten  Maulthiere  (caballos,  mulos 
y  burros  silvestres)  beziehen  mochten,  die  dort  existiren  und  von 
ausgekratzten  Knollen  (una  rayz  llamada  Yuca  del  Monte)  leben  sollen 
Eine  in  der  Nähe  befindliche  Huaca,  aus"  weissem  Sand  aufgesetzt, 
die  Huaca  der  Medana  blanca,  gilt  für  verzaubert,  da  jedes  lebende 
Wesen,  das  in  ihren  Bereich  gelangt,  ob  Mensch  oder  Thier,  unfehlbar 
zu  Grunde  gehe.  Der  Halte-Stationen  finden  sich  drei  am  Wege,  und 
für  jede  ist  die  Rastzeit  von  i — 2  Stunden  genau  bestimmt,  damit 
die  Thiere  in  dem  ertragungsfähigen  Zeiträume  der  Wasserentbehrung 
und  Futterbeschränkung  hindurchgelangen.  So  waren  wir  um  10  Uhr 
wieder  im  Sattel  und  setzten  die  ganze  Nacht  unsern  Ritt  fort,  im 
einförmig  ausgreifenden  Trabe,  bis  wir  am  andern  Morgen  einen 
Klumpen  verkrüppelten  Gebüsches  vor  uns  sahen,  an  der  zweiten 
Station,  dem  sog.  Cabo  verde,  ungefähr  der  Hälfte  des  Weges  und 
der  einzigen  Stelle,  wo  eine  Spur  verdorrter  Vegetation  sichtbar  ist. 


CABO   VERDE.  151 

Im  Boden  wird  sich  also  Wasser^)  finden,  doch  tritt  es  nirgends 
hervor,  und  stillten  wir  so  den  Durst  durch  eine  der  mitgenommenen 
Wassermelonen,  die  sich  in  der  Umgegend  von  Payta  und  Sechura  in 
vorzüglicher  Güte  finden. 

Als  in  Sechura  von  der  Unsicherheit  des  Weges  geredet  wurde 
und  von  den  umherstreifenden  Vagabunden,   die  in  früherer  Zeit  oft 
schon  in  der  Umgebung  von  Cabo  verde  auf  der  Lauer  lagen,  sprach 
der  Führer  von    einer  Caravanc  von    Kaufleuten    aus  Catacaos,    die 
auf  dem  Wege  zur  Messe  in  Monsefu  seien,  und  am  Morgen  unseres 
Abreisetages  aufgebrochen  waren.     Er  hatte  gehofft,  sie  noch  einzu- 
holen und  trafen  wir  sie  auch  in  der  That  hier  in  Cabo  verde,  aber 
nachdem  sie  ihren  Ruhetermin  bereits  beendet  hatten  und  wieder  beim 
Anschirren  waren.     Indem  wir  dagegen  unsern  Thieren  erst  ihre  Rast 
zu  gönnen  hatten,  und  die  Zeit  hier,  wie  gesagt,  den  Entfernungen 
gemäss  knapp    berechnet   werden    muss,    so    war   eine    gegenseitige 
Accommodation    nicht  möglich^  und   blieben  wir  allein  zurück.     Als 
die  Sonne  höher  stieg,  sattelten  wir  mit  ihr,  und  folgten  ihrem  Tages- 
lauf,   da    sie  bei    dem   ungehinderten  Horizont,    in    der,   braungraue 
Erde    und    blaugraue  Luft,    umziehenden  Kreislinie  in   jedem  Tritte 
sichtbar  war,    und    uns    mit    der    vollen  Wärmegluth    ihrer  Strahlen 
überschüttete.     Zugleich  aber  wehte  uns  ein  ununterbrochener  Wind- 
strom aus  Süden   entgegen,    und    zwar  ein,    trotz    der  heissen  Luft- 
schicht um  uns,  so  eisiger,  so  in  das  Mark  dringender,  dass  ich  mich 
hier,  nicht  fern  vom  Aequator  und  auf  dem  Niveau  des  Meeres,  un- 
willkührlich  an  gewisse  Empfindungen  aus  meiner  sibirischen  Winter- 
reise erinnert  fühlte.  In  einförmiger  Monotonie  währte  die  Wüste  fort, 
aus  Sand  oder  Kies,  und  hier  und  da  den  gebleichten  Knochen  der 
umgekommenen  Thiere  und  ihrer  Skelette.     An  einer  Stelle  sah  ich 
einige  Pfeilerstummel,  die,  wie   der  Führer  sagte,  aus  der  Zeit  „del 
Rey"  herrührten,  als  der  Weg  abgesteckt  gewesen.     Auch  Kreuze 
wurden    ausgedeutet,   an  Plätzen,    wo  Reisende    durch  die  Banditen 
ermordet  worden.     Mit  Sonnenuntergang  ^  erreichten  wir   die  Parada 
de   los  Callejones,    und  sahen  am   Ende    der  weiten  F'läche  vor  uns 
ein  paar  schwarze  Punkte  sich  herumbewegen,    die    mir  der  Führer 
als  Wagen  aus  Morone  erklärte,    welche  das  am  Meeresstrandc  ge- 
wonnene Salz  fortschafften,  wie  dort  auch  Pottasche  aus  dem  Lito- 
Kraute  bereitet  wird  (nach  Soldan). 

*)  Prosopis  siliquastrum  wurde  von  Philipp!  seihst  inmitten  der  Wüste  von  Atacama 
an  vereinzelten  Stellen  hier  und  da  getroffen,  auf  Befeuchtung  durch  einen  unterirdischen 
Quellcnlauf  deutend. 


152  PERU   UNI)   FXUAPOK. 

Die  Rast  auf  dem  nackten  Erdboden  war  wegen  der  Kälte  des 
Windes,  gegen  den  wir  nur  in  dem  Aufstapeln  des  Gepäcks  einen 
kleinen  Schutz  gewinnen  konnten,  so  wenig  eine  Erholung,  dass  ich 
zum  baldigsten  Aufbruch  trieb,  nachdem  die  Pflicht  gegen  die  Thiere 
erfüllt  war. 

So  dunkelte  eine  andere  Nacht  über  unsern  Sätteln,  aber  wäh- 
rend der  Character  der  Wüste  in  der  Hauptsache  derselbe  bleiben 
mochte,  war  meine  Auffassung  desselben,  wenigstens  in  der  zweiten 
Hälfte,  nach  Mitternacht,  eine  wesentlich  verschiedene. 

Ich  ritt  wie  in  einer  Gespensterwelt  dahin,  vor  mir  erhoben  sich 
mächtige  Terrassen,  die  in  Riesenstufen  über  einander  aufstiegen, 
und  beim  Annähern  zurückwichen,  sich  höher  und  höher  aufbauend. 
Auf  ihnen  wechselten  in  Phantasmagorien  gigantische  Pilaster,  die  in 
Pyramidenthürmen  geneigt  und  quer  überdeckt  standen.  Es  waren 
nicht  die  Säulen  und  Kuppeldome,  wie  ich  sie  bei  einem  ähnlichen 
Ragl,  während  eines  Nachtrittes  in  Syrien,  um  mich  gesehen  hatte, 
sondern  gleichsam  eine,  in  der  Luft  zwischen  Himmel  und  Erde  auf- 
gerichtete, und  den  ganzen  Raum  erfüllende  Theaterbühne  mit 
Coulissen  -  Reihen  an  beiden  Seiten.  Das  durch  die  längere  Ent- 
behrung des  Schlafes  ermüdete  Auge  hatte  das  Vermögen  verloren, 
selbst  wenn  ich  beim  Erwachen  aus  dem  Halbschlaf  es  aufmerksam 
darauf  richtete,  genauer  zu  unterscheiden,  und  construirte  sich  so 
bei  mangelnder  Accomodation  aus  verschwimmenden  Eindrücken 
diese  phantastische  Scenerie,  die  den  an  sich  weiten  Horizont  in 
nächste  Nähe  rückte,  ohne  dass  er  zu  erreichen  war.  Trotz  dieses 
Traums,  der  die  Sinne  umfing,  erinnerte  mich  doch  zuweilen  das 
Sicherheitsgefühl  auf  den  Weg  zu  achten,  und  einige  Male,  wenn 
mir  die  von  den  sich  ziemlich  selbst  überlasscnen  Thieren  gefolgte 
Richtung  unsicher  zu  werden  schien,  rüttelte  ich  einen  Führer  auf, 
der  dann  aber  gleichfalls  bald  wieder  auf  dem  Sattel  einnickte.  Am 
sichersten  orientirt  man  sich  für  das  Allgemeine  nach  dem  Winde, 
der  immer  in  derselben  Richtung,  und,  wie  wir  reisten,  entgegen  in 
das  Gesicht  weht. 

Morgens,  etwa  3  Uhr,  sahen  wir  Buschwerk  am  Wege  und  dann 
die    Corral    oder   Potrero's    des    beim    Fluss    Pozuelos*)    gelegenen 

*)  Nach  Alcedo  (der  die  Entfernung  der  Wüste  von  Sechura  bis  Morrope  au! 
40  leguas  oder  bis  zum  Rio  de  Pozuelos  auf  32  Icguas  angiebt)  los  que  no  son  muy 
präcticos  en  este  desierto  se  exponen  a  gran  riesgo  siempre  que  se  parnn  a  descansar  o 
que  duermen,  porque  luego  no  conocen  el  Camino  y  una  vcz  perdida  la  direccion  es  un 
milagro  de  la  providencia  que  no  perezcan  de  hambre  y  sed,  de  que  se  cuentan  rauchos 
exemplares  (XVIII.  Jahrhundert).    Die  Orientirung  geschieht  ausser  durch  die  Windrich- 


BANDITEN.  153 

Dorfes  Motupe  oder  Morope,  wo  wir  die  Thiere  in  einen  derselben, 
in  welchen  verschiedene  Arrieros  lagerten,  hineintrieben,  ohne  sonst 
Jemand  zu  sehen  oder  von  Jemand  gesehen  zu  sein,  was  uns  bei  der 
in  diesem  Dorfe  für  die  Strassenräuber  geübten  Spionage  ganz  recht  war. 

Als  wir  eben  nach  Auftreibung  einigen  Futters  für  die  getränkten 
Thiere  uns  auf  die  Poncho  zum  Schlaf  hinwarfen,  ritten  die  zwölf  Kaufleute 
aus  Catacaos  an  uns  vorbei.  Alle  stattlich  bewaffnet  und  auf  Angriffe 
vorbereitet.  Wir  hätten  uns  gern  angeschlossen,  doch  wollte  die 
Natur  ihr  Recht  haben,  für  die  Thiere  sowohl,  wie  für  uns. 

So  tief  indessen  auch  der  Schlaf  war,  in  welchen  ich  verfiel,  so 
musste  ich  ihn  doch  bereits  nach  etwa  ijj  Stunden  abschütteln,  da 
mich  der  Führer  mit  der  Nachricht  weckte,  dass  eine  andere  Kara- 
wane im  Aufbruch  begriffen  sei,  und  dass  er  bei  der  Unsicherheit  des 
Weges  dringend  riethe,  diese  Gelegenheit  nicht  vorübergehen  zu 
lassen.  Ich  hätte  mich  allerdings  im  Nothfall  mit  meinem  Regierungs- 
papier im  Laufe  des  Tages  an  die  Behörden  zur  Beschaffung  einer  Escorte 
wenden  können,  aber  da  man  in  solchen  Spitzbubennestern  nie  weiss, 
wie  weit  die  Beauftragten  selbst  wieder  mit  den  Plünderbanden  unter 
einer  Decke  spielen,  und  da  ich  jedenfalls  eine  beträchtliche  Zeit  bis 
zur  Erreichung  eines  derartigen  Zweckes  hätte  opfern  müssen,  so 
bequemte  ich  mich  lieber  wieder  zum  Aufsteigen  und  Fortreiten. 

Die  Karawane,  mit  der  wir  zogen,  sah  allerdings  gerade  nicht 
so  aus,  als  ob  sie  uns  viel  Schutz  gewähren  könnte,  da  sie  solchen 
wohl  eher  von  uns  erwarten  mochte.  Es  war  eine  beträchtliche  Zahl 
von  Eseln  und  Maulthieren,  die  besonders  mit  getrockneten  Fischen 
beladen,  nach  der  Messe  von  Monsefu  reisten,  und  die,  wenn  sie 
eine  werthvollcre  Ladung  geführt,  gewiss  grade  zur  Anlockung  der 
Räuber  gedient  haben  würden.  Da  der  Führer  jedoch  einige  Be- 
kannte, wie  ich  sah,  unter  den  Arrieros  hatte,  so  Hess  sich  seine 
Absicht  verstehen,  und  wollte  ich  keine  Einwendungen  machen. 

Der  sandige  Character  des  Weges  dauerte  zwar  fort,  doch  war 
die  Umgebung  mit  Büschen  bedeckt,  und  auch  nach  dem  Meere  zu 
endete  die  Fläche  in  den  gebirgigen  Ausläufern  der  vorspringenden 
Caps.  In  der  Ferne  zeigten  sich  Anzeichen  der  Ansiedelungen  in 
der  Umgebung  Lambayeqüc's,  als  plötzlich  auf  der  Seite  des  Weges 
zwei  Schüsse  fielen,  die  eine  grosse  Verwirrung  in  die  Karawane 
brachten.     Die  besser  Berittenen  sprengten  im  vollen  Lauf  der  Stadt 

tuiig  im  Allgemeinen,  auch  durch  das  Riechen  des  Sandes,  der,  wenn  mit  Mist  gemischt, 
den  Pfad  der  Maulthiere  anzeigt,  (und  Nachts  nach  den  Sternen ,  besonders  der  Richtung 
des  südlichen  Kreuzes,  das  auch  über  die  Stunden  Angaben  zulasst). 


154  PERU   TNI)   ECUADOR. 

ZU,  unter  dem  Vorwand  wahrscheinlich,  Hülfe  zu  holen,  (oder  sonst 
bester  Absicht,  wie  zu  ihrer  Ehre  angenommen  werden  mag),  die 
andern  mit  Eseln,  Maulthieren,  Frauen  und  Kindern  drängten  sich 
im  Knäuel  zusammen,  und  wussten  nicht,  ob  vorwärts  oder  zurück. 
Ein  paar  der  Arriero's  hielten  aber  Stand,  gut  oder  schlecht,  wie  sie 
gerade  bewaffnet  waren,  und  da  auch  mein  Führer  seine  Doppelbüchse 
in  Bereitschaft  setzte,  zu  der  meinerseits  ein  ffaar  Revolver  kamen,  so 
hielten  es  die  Banditen^),  als  sie  beim  Näherkommen  die  Gegenwart 
von  Fremden  erkannten  und  so  Bewaffnung  voraussetzen  konnten, 
für  besser,  den  Zug  unbelästigt  zu  lassen,  und  verschwanden  nach 
ein  paar  Reiterschwenkungen  wieder  hinter  den  Büschen,  aus  denen 
sie  hervorgetaucht  waren. 

leh  liess  indess  jetzt  mein  Thier,  das  sich  trotz  der  langen  Tour 
noch  überraschend  frisch  zeigte,  rüstig  vorangehen,  und  nachdem 
wir  den  Fluss  Lambayeque  passirt  hatten,  betraten  wir  an  einigen 
verfallenen  Alterthumsresten  vorüber  die  ebenso  verfallenen  Strassen 
der  Stadt,  und  nahmen  Logis  im  Hotel.  Da  ich  hier  den  Terminus 
an  der  Küsten  -  Eisenbahn  erreicht  hatte,  verabschiedete  ich  den 
Führer,  der  seine*  Aufgabe  ganz  zur  Zufriedenheit  ausgeführt  hatte. 
Die  Rasse  dieser  Maulthiere  von  Sechura  ist  eine  sehr  bemerkens- 
werthe,  und  es  bleibt  erstaunlich,  wie  rasch  und  aus  welch'  (ver- 
hältnissmässig)  beschränktem  Bedürfnisse  schon,  sich  hier  eine  feste 
Specialität  hervorgebildet  und  fixirt  hat.  Vor  dem  Abgang  von 
Sechura  (am  Sonnabend)  waren  die  Thiere  bis  zum  letzten  Augen- 
blick gut  gefüttert,  getränkt  und  gebadet  worden.  Was  sie  am 
Wege  frassen,  war  kaum  der  Rede  werth,  zu  trinken  hatten  sie 
nichts,  und  dennoch  sah  ich  Montag,  vor  dem  Betreten  Morope's, 
dem  ersten  Ort,  wo  es  wieder  Wasser  gab,  das  eine  der  Maulthiere 
(vielleicht  bei  der  Witterung  der  Feuchtigkeit)  reichlich  und  wieder- 
holt stallen.  Auch  sahen  sie  bei  der  Ankunft  in  Lambayeque  durch- 
aus nicht  sehr  abgefallen  aus,  sondern  noch  ziemlich  rund  und  glatt. 

Nachdem  ich  ein  kurzes  Frühstück  eingenommen,  begab  ich 
mich  den  ziemlich  langen  Weg  zurück  nach  den  alten  Bauten,  die 
ausserhalb  der  Stadt  bemerkt  waren.  Sie  bestehen  aus  Luftziegeln 
und  zeigen  eine  beträchtliche  Ausdehnung,  sind  aber  an  vielen  Stellen 


*)  Ihr  Vorhandensein  scheint  eine  altberechtigte  Eigenihünilichkeit  grade  auf  diestr 
Wegestrecke,  da  schon  Stevenson  während  der  Reise  von  Lambayeque  nach  Mcrope  be- 
merkt: The  read  between  these  towns  is  often  frequented  by  robbers  who  are  gcnerally 
nmaway  slaves,  Simarones,  who  lurk  among  the  low  brushwood  on  the  roadsidc  and 
attack  the  passengers  (1807). 


LAMBAYEQUE.  •  155 

unter  dem  angewehten  Sande  begraben.  Neben  den  hohen  Mauern 
des  Hauptgebäudes  liegt  eine  Gräberstätte,  wo  Knochen  und  Töpfe 
■gefunden  sind.  Die  Vorbauten  auf  einem  nahegelegenen  Hügel  ent- 
hielten Nischenthüren  und  Dachreste  aus  Schilfstroh,  und  man  blickte 
von  dort,  über  die  Aussenwerke,  auf  das  in  einiger  Entfernung  be- 
merkbare Meer  hinaus.  Rothe  Bemalung  Hess  sich  hier  und  da  auf 
dem  Mörtel  erkennen.  Diese  Lambayeque  angehörigen  Monumente 
verknüpfen  sich  dadurch  mit  der  für  die  alte  Geschichte  Peru's  be- 
deutungsvollen Landung  Naymlap's  und  seines  Gefolges,  (worüber 
Weiteres  im  Geschichtlichen  des  zweiten  Theils). 

Da  um  die  Mittagszeit  auf  diesem  verbrannten  Boden  die  Sonnen- 
gluth  mit  doppelter  Schwere  lastete,  hielt  ich  nach  den  zwei  durch- 
wachsen Nächten  ein  längeres  Exponiren  nicht  für  rathsam  und  kehrte 
nach  dem  Hotel  zurück,  um  das  Gepäck  für  die  Abreise  am  Nach- 
mittag zu  ordnen. 

Früher  lag  Lambayeque  der  Küste,  und  seinem  Hafen  San  Jose, 
näher,  es  erlangte  aber  erst  bei  seiner  Versetzung  grössere  Bedeu- 
tung, als  sich  die  Bewohner  des  1586  ausgeplünderten  Miraflores 
oder  Saiia  (Santiago  de  Saiia  de  Miraflores)  dorthin  zogen.  Wie 
diese  einst  durch  ihren  Wohlstand  und  Ansehnlichkeit  an  der  Küste 
den  ersten  Rang  einnehmende  Stadt  unter  wiederholten  Zerstörungen 
durch  Naturereignisse  litt,  so  wurde  auch  Lambayeque  davon  be- 
troffen, und  bei  meiner  Anwesenheit  lag  noch  die  halbe  Stadt  in 
Trümmern,  in  Folge  der  letzten  Ueberschwemmungen  ihres  Flusses. 
Die  vorübergehende  Blüthe  dieser  Stadt  im  Anfang  des  Jahrhundert's 
verdankte  sie  der  dortigen Etablirung  des  Königlichen  Tabakmonopols. 

In  der  Nähe  sind  mancherlei  Funde  gemacht  worden,  so  eine 
Urne  aus  Gold  bei  La  Pava,  wo  sich  die  Anlagen  früherer  Dörfer 
unterscheidcp,  Goldsachen  in  der  Huaca  Rachada  (bei  Chipang),  und 
dergleichen  wurden  durch  periodischeRcgen  in  dem  fast  trocknen  Fluss- 
bett des  Rio  de  la  Leche  ausgewaschen  bei  Montope  (zwischen  Lam- 
bayeque und  Olmos). 

Die  Eisenbahn  führte  durch  eine  in  Anbau  und  Gebüsch  (mit 
Algarroba  -  Bäumen  (Prosopis)  wechselnde  Ebene  nach  Chiclayo,  wo 
ich  in  der  Posada  ein  Unterkommen  fand,  und  am  nächsten  Morgen 
den  deutschen  Plantagenbesitzer,  Herrn  Sohlfs,  aufsuchte,  der  in  der 
Nähe  bedeutende  Zückerpflanzungen  und  Raffinerien  besitzt.  Durch 
ihn  wurde  ich  dann  mit  dem  Subpräfectcn  (bei  Abwesenheit  des 
Präfecten)  bekannt,  und  konnte  während  meines  dortigen  Verweilen  s 
einige  Kleinigkeiten  erwerben.  Die  Umgegend  scheint  ziemlich  reich 


156  PERU   UNI)   ECUADOR. 

an  Alterthümern,  da,  wie  mir  gesagt  wurde,  solche  mitunter  an 
Markttagen  von  den  Indianern  zur  Stadt  gebracht  werden.  In  den 
Aufzügen  der  Indianer  wird,  neben  der  Trommel,  die  Chirimiya  ge- 
nannte Flöte  alter  Form  gespielt,  meist  durch  Bleibelegung  verziert, 
wie  früher  durch  Gold  und  Silber.  Auch  die  (in  den  Gräbern  aus 
Stein-Material  gefundene)  Pansflöte  ist  noch  in  Gebrauch,  besonders 
in  Ecuador,  und  sieht  man  sie  für  augenblickliche  Benutzung  von  den 
Indianern  aus  dem  überall  gebotenen  Rohr  angefertigt.  An  manchen 
der  Häuser  waren  Baumzweige  ausgesteckt,  zum  Zeichen,  dass  es 
frische  Chicha  gab. 

An  einigen  Theilen  Peru  s  haben  die  Indianer  eine  Abneigung 
gegen  die  Ausgrabung  von  Alterthümern  oder  gestatten  sich  die- 
selbe doch  nur  an  bestimmten  Jahrestagen,  vornehmlich  denen  hoher 
Feste  (als  Gründonnerstag,  Charfreitag  u.  s.  w.).  Besonders  ist  auch 
das  Fest  des  Schutzheiligen*)  dazu  auserschcn,  wie  sich  auf  ihn  über- 
haupt alle  Interessen  im  Leben  der  kleinen  Ortschaften  concentriren 
und  von  ihm  zugleich  wieder  alle  Interessen  absorbirt  werden,  auch 
die  der  weltlicher  Gesinnten. 

Die  von  dem  Indianer  am  Festtage  des  Heiligen  an  die  Cura 
zu  zahlenden  Contributioncn  verschlingen  ungefähr  den  ganzen  Er- 
werb seiner  Familie  während  eines  Jahres,  bemerkt  UUoa  aus  Peru, 
indem  ihre  Höhe  den  Zwang  bedingt  „para  cntregar  al  fin  del  afio 
todo  lo  que  han  podido  acquerir".  Der  Weltgeistlichc  kaufte  damals 
das  Curat  meistbietend  um  den  höchsten  Preis,  der  dann  durch  die 
Indianer  wieder  zu  zahlen  war,  „lo  que  sc  da  por  cada  curato  son 
sumas  tan  crecidas,  que  se  hace  increibles''  (UUoa).  Es  werden  einige 
Items  aus  den  für  die  Begräbnisskosten  aufgestellten  Rechnungen 
mitgetheilt,  die  nach  geltendem  Usus  (oder  Abusus)  jedes  Mal  in 
solcher  Weise  taxirt  waren,  um  durch  ihr  Total  sich  mit  dem  Ganzen 
der  Erbschaft  zu  decken  und  diese  zu  amortisiren,  so  dass  den  Erben 
weitere  Sorgen  und  Processe  gespart  waren. 

In  Lima  hatten  (im  vorigen  Jahrhundert)  die  heiligen  Vermächt: 


')  Wie  in  Ecuador  nimmt  er  activen  Anlheil  an  den  Festen.  As  soon  as  the  dance 
commenced ,  two  of  the  mcn  took  the  apostle  on  their  Shoulders  %nd  made  him  join  in 
the  dance ,  passing  through  all  its  figures  and  variations.  Even  in  the  circle  -  dance  the 
Saint  merrily  participated ,  and  when  the  word  was  given  to  wheel  about  (damos  una 
vuelta),  his  carriers,  who  could  not  tum  round  with  their  load,  without  breaking  up  the 
circle ,  danced  backwards  (s.  Hassaurek).  Das  Concil  von  Gangra  (4.  Jahrhundert)  ana- 
thematisirt  bereits  diejenigen,  welche  die  Feste  der  Märtyrer  (natalitia)  verachten  Sollten, 
doch  glichen  sie  oft  mehr  den  ,, christlichen  Satumalien",  wie  Hurler  die  Narrens-  (und 
Esels)-Festc  nennt. 


ABLASS.  157 

nissc  (zum  Schaden  der  Verwandten,  der  Gläubiger  und  der  Armen, 
wie  hinzugefügt  wird)  die  Kirchen')  Lima's  so  bereichert,  „qu'il 
ne  reste  presque  plus  de  biens  ä  fond  aux  gens  du  monde,  la  nature 
de  leurs  biens  est  r^duit  aux  effets  mobiliers"  (Frezier).  Ako  aus 
lauter-  und  rein -religiösem  Egoismus  für  das  eigene  Seelenheil,  be- 
raubte man  die  verarmenden  Verwandten  des  Mittels  für  das  ihrige 
zu  wirken,  denn  „hujus  modi  gratiae  et  dispensationes  non  conce- 
duntur  pauperibus,  quia  non  sunt,  ideo  non  possunt  consolari"  (am 
Schlüsse  der  Taxenbestimmungen  für  den  Kauf  des  Ablasses).  Schon 
Columbus  feiert  in  seinen  Briefen  die  Macht  des  Goldes,  um  selbst 
das  Paradies  zu  erkaufen,  und  „ecce  volant"  (die  Seelen)*),  rief  Bern- 
hard Samson  beim  Verkauf  jedes  Ablasszettel's  (s.  Ammann),  die 
bei  Tetzel  alle  Sünden  vergeben,  ,.non  solum  commissa,  sed  etiam 
committenda*'  (von  den  durch  Butterbriefe  zu  Sühnenden  aufwärts  bis 
zu  jenen  höchsten,  die  in  Emanuel  Sa's  und  Franciscus  Toletus' 
jesuitischer  Moral  bereits  vergeben  sind). 

Die  Geistlichen,  denen  diese  für  das  Jenseits  eingezahlten  Schätze 
ihrem  Niessbrauch  nach  zunächst  zu  Gute  kamen,  waren  für  die 
Colonien  in  Spanien  aus  solchem  Ausschuss  oder  (hier  besser)  Aus- 
wurf) der  europäischen  Klöster  recrutirt  (s.  Barry),  dass  die  Capitäne 


*)  Lima  puss<^'dant  190^000  habitants,  compte  7oeglises(celafait  une^glise  pourayoohabi- 
ants).  Pour  en  avoir  autant  ä  Paris,  il  nous  cn  faudrait  700.  Or,  en  comptant  tout,  6glises, 
chapelles,  temples,  synagogues,  nous  en  avons  88,  soit  une  par  21,500  habitants  (Carrey). 

•)  Nach  5k)lis  y  Valenguela  hatten  die  Jesuiten  den  Indianern  Bogota's  gelehrt:  ,,es 
scycn  zwei  Götter,  einer  der  Reichen,  der  andere  der  Armen,  jener  sei  viel  mächtiger, 
als  dieser," 

•)  Summa  (juidem  cura  notavi  ac  comperi  maximam  parlem  vestrum  quotcunque  in 
Indiam  venistis,  tales  esse,  ui  non  dico,  caelum  atque  Angeli,  sed  terra  et  daemones  ipsi  vos 
exosos  invisosque  habeant ;  schrieb  Bischof  Lopez  de  Zunegua  den  americanischen  Geistlichen 
(1552).  Die  Schilderung  des  Hischof  Ratherius  von  den  Geistlichen  seiner  Zeit  (in 
Europa)  ist  indess  nicht  viel  besser  (X.  Jahrhundert).  According  to  the  testimony  of 
the  most  zealous  catholics,  many  of  the  regulär  clergy  in  the  Spanish  Settlements 
arc  not  only  destitute  of  the  virtues  becoming  their  profession,  but  regardless  of  that 
cxtcmal  decorum  and  respect  for  the  opinion  of  mankind  which  presenre  a  semblance  of 
worth ,  wbere  the  reality  is  wanting  (Robertson),  Benzoni  hörte  von  dem  damaligen 
Obcrrichter  Guatemala's,  man  müsse  den  König  bitten,  keine  Priester  wieder  nach  Ame- 
rica zu  schicken  propter  flagitia  corum  et  intemperantissimas  libidines  (XVI.  Jahrhundert). 
Man  versteht  leicht  den  Einfluss  solcher  Beispiele  auf  die  Indianer,  ,,animas  tan  tiemas 
y  blandas,  como  la  cera  blanca,  para  imprimir  en  ellas  el  sello  de  cualquiera  doctrina 
catolica  ö  erronea  y  qualesquier  costumbres,  buenas  ö  malas,  que  les  enseflaren"  (Torque- 
mada).  Those  of  the  clergy  of  Bogota ,  who  choose ,  live  in  open  adultery  (Stewart). 
Die  Priester  (in  Cuzco)  ,,give  the  example  of  irregulär  domestic  habits,  by  the  greater 
part  of  thcra  keeping  an  ama  or  housekeepcr"  (s.  Hall).  Das  Verhältniss  der  Geistlich- 
keiten unter  den  Weissen,  sowie  unter  den  Indianern  war,  mit  Ausnahme  der  ersten  Zeit 
der  späteren  Missionen  entwürdigend  für  die  Kirche  (sagt  Kortkamp).    llie  priests  in  Lima 


158  PERU  UND   ECUADOU. 

in  Cadiz  lieber  ihre  Abreise  um  einen  Monat  verschoben,  damit  sie 
sich  der  Pflicht  entzogen,  sie  mitzunehmen  (1820).  Thomas  Gage  er- 
zählt aus  eigener  Erfahrung,  wie  die  Missionäre  für  die  Colonien  von 
Spanien  bei  Gläsern  des  guten  Weins  von  Xeres  recrutirt  wurden 
(1625).  Es  schien  „instituto  peculiar  en  aquellos  eclesiasticos  el 
sobresalir  ä  todos  los  demas  en  las  pervertidas  costumbres  de  su 
desarreglada  vida"  (die  besondere  der  Aufgabe  dieser  peruanischen 
Geistlichen,  allen  Uebrigen  in  den  schlechten  Beispielen  eines  wüsten 
Lebenswandels  voranzugehen)  und  Tschudi  kannte  einen  Pfarrer  in 
Huacho,  der  20  Maitressen  hielt  und  ihnen  aus  seinen  Einkünften 
Monatsgehalte  zahlte.  Nach  Terey  trifft  man  häufig  den  Cura  mit 
einem  ganzen  Haufen  angeblich  verwais'ter  Neffen  und  Nichten  um 
sich,  die  Kinder  eines  hypothesirten  Bruders  in  Südamerica.  Im 
Ganzen  gilt  es  den  Gemeindegliedern  noch  als  das  geringere  Uebel, 
wenn  der  Pfarrer  seine  Köchin  oder  sonstige  Haushälterin  als  Con- 
cubine  hält,  weil  sie  dann  eher  ihre  eigenen  Frauen,  schon  gegen- 
seitiger Eifersucht  wegen,  garantirt  glauben.  Auch  den  Yucatanesen 
ist  der  Usus  oder  Abusus  der  Hermanas  politicas  oder  companeras 
(vulgo  Köchinnen)  nicht  unlieb  und  macht,  wie  Stephens  bemerkt, 
den  Dorfpfarrer  eher  populär,  „as  it  is  supposed  to  give  him  settled 
habits." 

Um  der  aus  der  Ehelosigkeit  der  Priester  entspringenden  Sitten- 
losigkeit  entgegenzutreten,  ist  von  manchen  Seiten  die  Aufhebung 
des  Cölibate's  urgirt,  wie  für  Peru  von  Vigil  in  seinen  Streitschriften, 
und  unter  Maria  Theresia  hatten  manche  Gemeinden  in  Mähren  ver- 
heirathete  Seelsorger  verlangt,  um  ihre  Ehefrauen  gegen  Angriffe 
zu  sichern.  Doch  würde  dadurch  der  Gehorsam  in  den  Reihen  des 
päpstlichen  Heeres  erschüttert  werden  können.  „Wenn  man  den 
GeistHchen  die  Ehe  gestattet,  so  ist  die  römische  päpstliche  Hierarchie 
zerstört,  das  Ansehen  und  die  Hoheit  des  römischen  Bischofs  ver- 
loren, denn  verheirathete  Geistliche  werden  durch  das  Band  der  Frauen 
und  Kinder  an  den  Staat  gefesselt  und  hören  auf,  Anhänger  des 
römischen  Stuhls  zu  sein",  wie  der  Cardinal  Staatssecretär  Pallavicini 
bei  den  Berathungen  über  die  Priesterehe  bemerkte  (unter  Pius  VI.) 

Wegen  des  Unwesens  der  Büsserinnen   in  der  Kirche  hatte  der 


are  disgusting.  Many  have  I  seen  absolutely  drunk  in  the  street  and  I  only  wish  this 
was  the  worst  thing,  I  had  to  say  of  them  (s.  Brand).  Tratando  de  recojerme,  nie 
dijo  el  cura  si  queria  tomase  conmigo  el  lecho  su  bellisima  hija.  Me  asegurö  que  no 
habia  tenido  otra  comunicacion  que  con  mi  compafiero  en  caso  igual,  so  erzählt  Manuel 
•Mxs  seinen  Erlebnissen  auf  der  peruanischen  Sierra  (18 12). 


^  V«  • 


COELlüAT.  '        1Ö9 

Patriarch  Nektarius  die  Poenitentiarien  aufgehoben,  aber  von  den 
Klöstern  Perus  erzählt  Ulloa:  las  mugeres  hacen  officios  de  los  legos 
(Frauen  dienen  als  Laienbrüder),  und  mochten  so  die  subintroductae 
(instaaxim  oder  äyan^rai)  oder  extraneae  (dilectae  oder  ascititiae) 
ersetzen,  als  keusche  Jungfrauen,  die  mit  ehelosen  Geistlichen  in 
einem  Bette  schliefen,  weil  auch  unter  den  Flammen  unverletzt  blei- 
bend, nach  des  strengeren  Cyprian's  Urtheil  dagegen  Dinge  dabei 
treibend,  die  sich  selbst  einer  maieutikischen  Untersuchung  entzögen 
(s.  Theiner).  Als  einst  der  heilige  F>anciscus  und  die  heilige  Clara 
(in  der  Kirche  von  Asei)  zusammen  beteten,  loderten  die  Flammen 
ihrer  Liebe  ^)  so  heiss,  dass  sie  aus  den  Fenstern  hervorschlugen,  und 
schon  die  Spritzen  herbeieilten.  So  zu  sehen  an  einem  Kirchen- 
Gemälde  Quito's  (s.  Hassaurek).  Bei  Picart  findet  sich  (nach  anderer 
Version)  die  genauere  Beschreibung  dieses  Ereignisses,  wie  „Madame 
Sainte  Ciaire"  entra  pour  diner  bei  St.  Franciscus,  und  wie  sich  die 
beiden  Heiligen  während  des  Tischgespräches^)  erhitzten. 

Bei  Barry 's  Anwesenheit  in  Peru  (1820)  feierte  ein  Prior  die  Ge- 
burt eines  Sohnes  mit  seiner  Concubipe  mehrere  Tage  lang  mit 
„Banquetes,  Fandangos,  Fuegos  artificiales  y  otros  diversiones",  und 
solch'  lustigen  Lebens  giebt  es  genug  in  den  Conventen.  Der  katho- 
lische Clerus^)  in  den  Staaten  Südamerica's  handelt  so,  als  ob  der 
Dienst  der  Unzucht  ihm  vorzugsweise  obliege  und  er  dem  freilich 
nicht  minder  verdorbenen  Laien  mit  seinem  Beispiel  vorleuchten 
müsse  (bemerkt  Theiner). 

Es  war  ein  eigenthümliches  Verhängnis^,  dass  gerade  damals^), 
als  der    durch    die  Jubiläen  (eine    christliche  Auflage    des  jüdischen 


')  Gleichsam  (fiXTQ<i)  xai  tto^^  yvrrofityot  (Theodoret). 

')  On  trouve  ici  fort  ordinaire,  que  les  religieux  aillent  assez  souvent  visiter  les  reli- 
gieuses,  qui  ont  embrasse  le  m^me  ordre,  passant  une  partie  du  jour  ä  goutcr  leur  musique 
et  ä  manger  leurs  confitures,  bemerkt  Billaud-Varennes  aus  Mexico  (1817).  I^ie  ameri- 
canischen  Klöster  dienten  zugleich  als  Freudenhäuser  (nach  Schepeler). 

*)  Sacerdotes  modern i  sunt  angeli  incubi  per  luxuriam  (s,  Holkot).  Nach  Normann 
nahmen  die  Geistlichen  in  Vucatan  an  allen  festlichen  Ausschweifungen  eifrigsten 
Antheil. 

-•)  Bereits  die  Synode  von  Magon  (585)  hatte  Geldopfer  gegen  die  Bürde  der  Sünde 
empfohlen,  und  später  steigerten  sich  die  Geldeintreibungen  von  Rom  in  solcher  Weise,  dass, 
wie  Bernhard  von  Clair\'eaux  an  Papst  Eugen  111.  schrieb,  seine  Legaten  die  französische 
Kirche  schlimmer  als  die  Magyaren  geplündert  hätten.  Besonders  aus  Anlass  der  Kreuz- 
züge erwiesen  sich  als  ergiebige  Einnahmequelle  die  Crusado-Bullen,  die  noch  in  Ame- 
rica alle  zwei  Jahre  zur  Erlaubniss  der  Fastenspeisen  ausgegeben  wurden,  aber  die  von 
Papst  Martin  IV  von  den  Gläubigen  Europa's  aus  Vorwand  eines  Kreuzzuges  erhaltenen 
Summen  wurden  zum  Besten  seines  Freundes  Karl  von  Anjou  im  Kriege  gegen  Arragonien 
verwandt.     Urban  II.  erliess  zu  Clermont  in  Bezug  auf  die  Kreuzzüge  Plenar-Indulgenzen, 


160  PERU   UND   ECUADOR. 

Jobel  oder  Jobble)^)  gesteigerte  Ablassschwindel  das  ganze  Institut 
der  katholischen  Kirche  in  eine  auf  das  Jenseits  trassirende  Wechsel- 
bank*) verwandelt  und  der  pecuniäre  Gewinn  im  Seelenschacher  zum 
einzigen  Zielpunct  gemacht  war,  die  Goldländer  America's  entdeckt  und 
also  gleich  mit  aller  Art  Indulgenzpapicren  überschwemmt  wurden,  mit 
jenen  Bullen,  welche  Jovellanos  bezeichnet,  als  periodische  Veröffent- 
lichungen höchsten  Preises,  geringsten  Werthes,  undeutlichsten  Druckes 
und  schlechtesten  Papiers  (die  Wenige  lesen  und  Niemand  versteht, 
Alle  aber  kaufen).  Welch'  ein  plötzlicher  Umschlag  für  die  Indianer, 
die  bisher  in  ihrer  düsteren  und  melancholischen  Religion  die  gering- 
sten Vergehen  mit  Blutentziehungen  und  peinigenden  Kasteiungen 
gebüsst  hatten,  und  die  jetzt  die  schärfsten  Vergehen  mit  ein  paar 
Groschen^)  abkaufen  konnten,  sofern  man  sie  ihnen  gelassen. 

So  ist  es  nicht  zu  verwundern,    wenn    wir  diejenigen  Conquiata- 
dores  und  ersten  Missionäre,  die  das  Land  noch  in  seinem  ursprüng- 


Gregor  VI.  fiir  den  Kirchenbau,  Gregor  VII.  dagegen,  um  den  Krieg  gegen  den  Kaiser 
Heinrich  IV.  in  Gang  zu  halten.  Papst  Johann  XVI.  inventa  les  cannonisations  pour  mul- 
tiph'er  leS  richesses  de  son  Iresor  (s.  Llorente) ,  und  bei  dem  Veq>achten  des  Ablassver- 
triebts  an  Kaufleute  entstanden  solch  schreienden  Missbräuche,  dass  sich  selbst  der 
träge  Reichstag  (1522)  zu  Beschwerden  veranlasst  sah. 

*)  Nachdem  in  Folge  eines  zufallig  auftauchenden  Volksaberglaubens  im  Jahre  1299 
(s.  Cajetanus)  die  Jubelfeier  1300  (durch  Bonifaz  VIII)  eingeführt  war,  wurde  sie  bald 
als  so  profitabel  erkannt,  dass  Clements  VI.,  dem  der  hundertjährige  Zwischenraum  zu 
lang  schien,  eine  neue  für  1350  verkündete,  Urban  VI.  die  Berechnung  nach  der  Lebens- 
dauer Christi  für  alle  33  Jahre  wünschte,  und  Paul  II.  einen  25jährigen  Cyclus  festsetzte. 
Als  Karl  VI.  im  Jahre  1400  wegen  des  damals  wüthenden  Krieges  den  Besuch  Rom's 
verbot,  half  sich  Bonifaz  IX.  mit  einem  Nachjubiläum ,  und  erleichterte  den  Ankauf  des 
Ablasses  dadurch,  dass  er  den  an  der  Pilgerschaft  verhinderten  für  den  dritten  Thoil  der 
Reisekosten  in's  Haus  geschickt  wurde.  In  Clemens  VII.  zur  Feier  des  Jubeljahres  er- 
lassenen Bulle  wurde  den  Engeln  des  Paradieses  der  Befehl  ertheilt,  d.iss  sie  die  Seelen  der 
auf  der  Reise  Sterbenden,  ohne  Ansehen  der  Person,  und  ohne  im  Fegefeuer  eine  Station 
zu  machen,  direct  in  das  Paradies  zu  führen  hätten.  ,,Was  der  Papst  immer  vermeint 
zur  V^ermehrung  seines  Reichs,  Ansehens,  weltlicher  Pracht,  fleischlichen  Wollüsten  dien- 
lich; wann  er  seine  Blutsverwandten  bereichem,  Krieg  führen  wolle  u.  s.  w.,  dieses  Alles 
und  noch  mehr,  hat  er  vermittelst  Ablass's  zu  erwerben  getrachtet"  (s.  Hattinger). 

')  Der  Religionsstifter  selbst  sollte  palästinensischer  Handelsspeculation  gefolgt 
sein:  Clement  V.  assure,  que  Jesus-Christ,  comme  un  bon  pfere,  a  araass^  un  tresor  inlini 
qu'il  a  confi^  k  Saint-Pierre  et  ä  ses  successeurs ,  pour  ötre  distribu(§  aux  fid^les  (s.  Bou- 
vier).  Que  Ic.  indulgcnces  s'appliquent  par  mani^re  de  paünent#aux  fidMes,  qui  vivent 
encore,  rien  n'est  plus  Evident,  puisque  l'Eglise  tire  de  son  tresor  et  offre  pour  eux  un 
prix  tr^s-capable  d'^teindre  leurs  dettes,  et  que  ce  prix  ayant  une  fois  etö  accept^  de 
Dieu,  comme  il  l'a  ^t6,  on  ne  peut  dire,  qu'il  pardonne  k  titre  graluite  (Collet).  Die 
Uebersetzung  des  Wortes  Poenitentia  durch  Busse  (Ersatz)  beweist  bereits,  wie  Kurtz  be- 
merkt, die  frühe  Verflachung  des  Begriffs. 

•)  '  verführerisch  ist  es  da  nicht,   seines  Heiles  immer  wieder  auf's 

J*Jeue  '  d  doch  ein  heilloses  Leben  zu  führen  (bemerkt  Hase). 


MORAL.  161 

liehen  Zustand  gesehen,  schon  wenige  Jahre  nach  der  Besitznahme 
über  den  Verfall^)  der  früheren  Ordnung  und  Gesittung  klagen^)  hören 
und  die  vorher  zur  Civilisation')  heranreifenden  Indianer  jetzt  rasch 
in  thierische  Stumpfheit  verfallen  sahen. 

Im  Lob  der  natürlichen  Moral*)  welche  die  Indianer  in  ihren  ur- 


*)  Habemos  destruido  con  nuestro  mal  ejcmplo  gente  de  tanto  goviemo  como  eran 
estos  naturales,  y  tan  quitados  de  cometer  delitos  ny  excesos,  sagt  in  seinem  Testament 
(1559)  ^cr  Letzte  der  Conquistadores  (Antonio  de  la  Calancha). 

')  Die  Ursache,  dass  die  guten  Sitten  der  Indianer  verloren  gingen,  war  (nach  Padre 
Fray  Torribio)  el  haberse  sujetado  i  los  Espafioles.  Por  que  desde  entonces  comien^  k 
no  haber  aquel  concierto  y  policia  y  justicia,  que  antes  solian  tener  entre  ellos.  Und 
ausserdem  bemerkt  Torquemada :  Crecieron  estos  reinos,  asi  en  gente,  como  en  autoridad, 
hasta  la  entrada  de  nuestros  Espafioles,  que  descaeciö  y  se  disminuyö  en  todo.  In 
Vucatan,  wie  Landa  bemerkt,  glaubte  man,  dass  die  Frauen  tugendhaft  gewesen,  ehe  die 
Spanier  gekommen  seien,  und  dass  sie  darin  Recht  hätten  (tenian  razon),  segun  los  vie- 
jos  aora  Uoran  (quel  aveu  pour  un  ev^que,  setzt  Brasseur  hinzu).  Siendo  Gentiles  y 
paganos,  nos  dan  ejemplo,  si  ejemplos  deben  tomarse  de  cosas  moralmente  virtuosas, 
sagt  beim  Rückblick  auf  die  politischen  Institutionen  (in  Mexico)  Torquemada,  von  den 
Indianern,  die  dagegen  zu  dieser  Zeit,  ,,criados  entre  gente  espafiola  y  entre  la  immen- 
sidad  de  sus  opresiones  y  trabajos  ya  es  la  gente  mas  apocada  de!  Mundo.  Bischof 
Garces  von  Tlascala  rühmt  in  seinem  Briefe  an  P^pst  Paul  III.  die  guten  Anlagen  und 
Fähigkeiten  der  Indianer,  paribus  paria,  rationis  optimae  compotes  sunt  et  integri  sensus 
ac  capitis,  sed  insuper  nostratibus  pueri  istorum  et  vigore  spiritus,  et  sensuum  vivacitate 
dcxteriore  in  omni  agibili  el  intelligibili  praestantiores  reperiuntur.  Las  Casas  rühmt  die 
Gelehrigkeit  der  Indianer  auch  in  den  moralischen  und  speculativen  Wissenschaften,  sowie 
die  Klugheit  in  ihrer  politischen  Regierung  (s.  Clavigero),  und  Zumarraga  nennt  sie 
massig,  sinnreich  und  talentvoll  (1531).  Wie  der  Bischof  Zumarragua  erzählt,  wandten 
ihm  die  Alten  unter  den  Indianern  bei  seinen  Bekehrungsversuche  ein,  dass  sie  vor  dem 
Christenthum  glücklicher  und  besser  gewesen.  ,,Die  heutigen  Mexicaner,  bemerkt  Clavi- 
gero, sind  den  alten  nicht  mehr  gleich,  sowie  die  jetzigen  Griechen  wenig  ähnliches  mit 
denen  aus  den  Zeiten  des  Plato  und  Pericles  haben".  Als  der  Bischof  Basiidas  in  Coro 
einem  Indianer  einige  Schurkereien  vorwarf,  antwortete  ihm  derselbe,  dass  er  ja  Christ 
werden  wolle  (me  voy  haciendo  chripstiano) ,  und  Oviedo  setzt  hinzu,  dass  er  beab- 
sichtigt habe,  damit  auszudrücken,  er  wolle  jetzt  ein  Schurke  werden,  gleich  den  Christen 
(oder  Spaniern).  Un  homme,  qui  se  sent  charge  des  crimes,  se  croit  ensuite  en  bien 
rcconcilie,  avec  l'^glise,  lorsqu'il  apr^s  avoir  entendu  la  sainte  messe,  il  a  eu  l'hon- 
neur  de  baiser  la  robe  de  St.  Franyois  ou  la  manche  d'un  Dominicain,  qu'il  re- 
commence  k  nouveaux  frais  ses  injustice  avec  la  mSme  impunit^,  bemerkt  Coreal  aus 
Lima  (1666). 

*)  Draper  stimmt  Carli  bei,  ,,dass  zur  Zeit  der  Eroberung  der  sittliche  Mensch  in  Peru 
dem  Europäer  überlegen  gewesen"  und  bemerkt  hinsichtlich  der  americanischen  Men- 
schenopfer (als  Theil  einer  religiösen  Feierlichkeit  und  unbefleckt  durch  Leidenschaft): 
,,Es  gab  kein  Schauspiel  auf  dem  americanischen  Continent,  über  welches  ein  recht- 
schaffener Mensch  so  tief  für  sein  Geschlecht  hätte  erröthen  können,  als  das  im  west- 
lichen Europa  dargebotene,  wenn  der  Ketzer,  dem  das  Geständnbs  durch  die  Tortur  er- 
presst  war,  in  einem  ärmellosen  Kleide  mit  darauf  gemalten  Bildern  abscheulicher  Bedeu- 
tung zu  seinem  Pfahle  schritt"  (in  den  Auto-da-f6's).  Sans  doute  l'homme  moral  flu  P^rou 
^tait  infiniment  plus  perfectionn^  que  l'Europeen  (meint  Carli). 

*)  Es  verdad,   que  en  tiempo  de  su  gentilidad  no  mentian,   como  aora  en  su  Chri- 

Bastiao:  America.  L  ^^ 


162  PERU  UND   ECUADOR. 

sprünglichen  Verhältnissen  geleitet  hatte,  vereinigen  sich  die  Entdecker 
Mexico's  und  Peru's,  dass  aber  solche  Tugenden  der  Heiden  in  der 
Werthabschätzung  höchstens  als  glänzende  Laster  zu  gelten  haben, 
darüber  haben  sich,  (seit  Lactantius)  gewiegte  Autoritäten  bereits  ge- 
einigt, und  mitunter  wurde  den  Indianern  sogar  das  Uebermass  ihrer 
Tugendhaftigkeit  vorgeworfen,  da  sie  nicht  einmal  etwas  zu  beichten*) 
hätten,  und  deshalb  tückischer  Weise  den  Beichtvater  der  Möglich- 
keit beraubten,  den  Kauf  eines  Ablasszettels  anzuempfehlen. 

Ohne  Einkünfte  würde  aber  die  Kirche  ihre  kostbaren  Institute 
nicht  aufrecht  halten  können,  und  deshalb  blühte  sie  nie  mehr,  als 
wenn  das  Ablassgeschäft  in  Flor  stand. 

Freilich  soll  nach  Mariana  auch  in  Rom  gerade  beim  Jubeljahr 
(1500)  die  Sittenverderbniss  grösser  gewesen  sein,  als  je,  aber  dort 
verstand  m^  wenigstens  die  Lehre  Thomas  von  Aquino  über  den 
Thesaurus  supererogationis  perfectorum  oder  meritorum  superabun- 
dantium,  und  konnte  seine  Unerschöpflichkeit  herausrechnen,  wenn 
Albert  M.  und  Alexander  von  Haies  zusammenstimmten,  dass  bereits 
ein  Blutstropfen  für  das  Total  der  Sündenvergebungen  genügt  haben 
würde,  und  jetzt  noch  der  ganze  Ueberschuss  der  Heiligen  und  Mär- 
tyrer^) hinzukomme. 

stiantsmo  mienten  tanto,  que  apenas  sahen  los  mas  decir  la  verdad,  bemerkt  Padre  Fray 
Toribio  von  den  Indianern,  welche  als  Erklärung  angaben:  ,,que  como  la  cntrada  de  los 
Espafloles  y  las  guerras,  que  les  sohrevinieron,  dieron  tan  gran  baibön  k  la  tierra,  perdieron 
en  muchas  cosas  el  rigor  de  su  justitia,  el  castigo  y  orden  politico,  que  guardaban»  y 
como  les  faltö  la  jurisdicion,  que  antes  tenian,  no  podian  reprimir  los  vicios,  que  ja  de 
golpe  se  iban  introduciendo,  por  lo  cual,  ni  podian  castigar  los  mentirosos,  ni  otros  nin- 
gunos  pecados,  que  tn  su  gentilidad  tenian  por  graves  y  dignos  de  castigo,  y  que  como 
la  gente  comun  se  hallö  lihertada,  y  no  sujeta  h.  estos  rigores,  soltö  el  freno  al  vicio  y 
corriö  tras  la  soltura,  sin  temor  ni  miedo"  (s.  Torquemada).  Das  Taufwasscr  machte  in- 
dess  Alles  wieder  gut.  Die  Aufzählung  aller  der  von  Chlodwig  unter  den  Greueln  seiner 
Zeit  begangenen  Schandthaten,  schliesst  Gregor  von  Tours  mit  dem  Satze,  dass  ,,Golt 
täglich  seine  Feinde  vor  ihm  niederstreckte  und  seine  Herrschaft  vergrösserte ,  weil  er 
rechten  Herzens  vor  ihm  wandelte  und  that,  was  in  seinen  Augen  wohlgefällig  war". 
Loebell  vermuthct  bei  dieser  erstaunlichen  Folgerung  eine  Verschreibung  des  Manuscripts, 
(da  es  noch  nicht  ein  Versehen  des  Setzers  sein  konnte).  Doch  wird  das  Gehirn  des  frän- 
kischen Mönchs  den  Zusammenhang  wohl  verdaut  haben. 

*)  Viele  Indianer  fanden  sich  (wie  Torquemada  klagt)  de  tanta  simplicidad  y  pure^a 
de  alma,  que  no  sahen  pecar,  tanto  que  los  confesores,  con  algunos  de  ellos,  se  hallan 
mas  embara^ades,  que  con  grandes  pecadorcs,  buscando  alguna  materia  de  pecado,  por 
donde  les  puedan  dar  el  beneficio  de  la  absolucion  (und  die  Kundschaft  für  den  Verkauf 
der  Ablasszettel  zu  vermehren). 

•)^ufficiat  Martyri,  propria  delicta  purgasse,  meint  der  Kirchenpfeiler  Tertullian, 
aber  (tröstet  sich  die  Orthodoxie)  ,,alors  il  etait  cngag6  dans  les  erreurs  de  Montan 
(s.  Bouvier)  und  (nach  Thomas  von  Aquino)    multum    operibus  poenitentiae    supereroga- 

•»*am  debitorum  suorum  (die  Heiligen). 


STELLVERTRETUNG.  163 

Wenn  indess  Rom  sehr  wohl,  wie  in  Petrarca's^)  Schriften,  mit 
Babylon  verglichen  werden  mag,  würde  die  Sittenverderbniss  doch 
bereits  in  der  reinigenden  Kraft  der  dortigen  Atmosphäre  ihre  natür- 
liche Läuterung  finden,  und  wer  etwa  ein  Uebriges  thun  wollte, 
brauchte  nur  den  von  Bonifacius  VIII.  für  die  Beter  in  der  St.  Petrus- 
Kirche  (1300)  ertheilten  Ablass  für  ein  Geringes  zu  erkaufen,  non 
solum  plcnam,  sed  longiorem,  imo  plenissimam  omnium  suorum  ve- 
niam  peccatorum.  Damit  war  dann  Satanas  mit  allen  seinen  Heer- 
schaaren  ein  billiges  Fallbein  gestellt,  und  sie  mussten  wohl  auf  den 
leckeren  Bissen  verzichten,  so  sehr  ihnen  auch  zum  Verschlingen  des- 
selben der  Mund  bereits  gewässert  haben  mochte,  zumal  die  schlechte 
Erfahrung  mit  Hrowitha's  Vicomte  Theophilus  (bei  Rutebeuf  zur 
Witzigung  dienen  musste. 

Es  war  im  Einklang  mit  dem  sanften  und  liebevollen  Character 
der  höchsten  Kirchenfürsten,  diese  Gnaden,  zu  deren  Ertheilung  sie 
Vollmacht  besassen,  dem  armen  Menschengeschlecht  möglichst  oft 
zuzuwenden. 

Eine  frühere  Beschränkung  auf  100  Jahre  war  von  Alexander  VI. 
zu  Gunsten  der  heiligen  Anna  auf  30,000  Jahre  verlängert,  und  ausser 
dem  Jubeljahr  -  Ablass  des  XIII.  Jahrhunderts  blieb  noch  die  Wahl 
zwischen  dem  Fortiuncula-Ablass  der  Franciscaner  oder  dem  Rosen- 
kranz-Ablass  der  Dominicaner,  die  sich  in  der  Reclame  möglichst 
überboten. 

Noch  bequemer  war  es  in  früherer  Zeit,  als  sich  der  Ablass  so- 
gar durch  Stellvertretung  gewinnen  Hess  (wie  in  China  ein  reicher 
Verbrecher  einen  Substituten  zum  Kopfabschlagenlassen  vorschieben 
kann),  und  von  einem  fränkischen  Grossen  wird  berichtet,  dass  er 
die  vorgeschriebene  Busse  einer  siebenjährigen  Fastenzeit  durch  drei- 
tägiges Fasten  von  120  Vasallen  erledigte.  Andere  Redemptionen 
(im  Abkauf)  gab  es  die  Fülle.  Zunächst  hatten  die  Büssungsvor- 
schriften  in  Theodorus'  Liber  poenitentialis  zu  Regino's  von  Prym 
Taxirung  der  Redemptionen  geführt,  und  daraus  folgten  die  weiteren 
Milderungen  in  den  Indulgenzen  von  selbst,  wobei,  leicht  erklärlich, 
die  Geldabfindungen  sich  für  die,  welche  sie  leisten  konnten,  am  be- 
quemsten boten,  und  für  die  Annehmer  leider  als  die  vortheil- 
haftesten  und  deshalb  willkommensten. 


')  Veritas  ibi  dementia  est,  abstinentia*  vero  rusticitas,  pudicitia  probrum  ingcns 
(Petrarca)  am  römisfhen  Hof  in  Avignon  (dem  Babylon  an  der  Rhone).  Nach  Vincente 
Pazos  ist  die  katholische  Religion  in  den  spanischen  Colonien  nur  ,,ei]ie  Masse  abergläu- 
bischer Ceremonien  und  das  Werkzeug  für  Geiz  und  Unterdrückung". 


164  PERU   UND   FXUADOR. 

Obwohl  die  volle  Vergebung  der  Sünden,  die  von  Gregor  VI. 
bereits. angedeutet  war,  ihre  eigentliche  Ausbildung^)  erst  später  unter 
Urban  IL  fand,  so  trat,  sie,  nach  ihrem  ganzen  Nachdruck,  bereits  in 
den  Segnungen  hervor,  die  Anselmo  von  Lucca,  Gregors  VII.  Legat, 
denen  verhiess,  die  im  meineidigen  Treuebruch  das  Schwert  gegen 
Heinrich  IV.  zücken  würden,  den  Kaiser  des  heiligen  römischen 
Reiche's,  und  König  der  deutschen  Stämme,  deren  nationale  Ent- 
wicklung in  jahrhundertelangem  Siechthum  durch  diesen  ultramon- 
tanen Krebsschaden  des  Papstthum's  zerfressen  wurde.  Dieser 
Kirche  gegenüber  gilt  noch  heute  das  von  Voltaire  missverständ- 
licherweise  auf  die  Religion  angewandte  Wort:  „Ecrasez  l'infame." 
Und  einem  Deutschen  muss  ein  solcher  Stossseufzer  selbst  noch  mehr 
aus  vollem  Herzen  kommen,  als  dem  Franzosen,  dessen  Geschichte 
doch  wenigstens  für  eine  Zeitlang  durch  die  nationale  Reaction  der 
gallicanischen  Kirche  vom  ultramontanen  Alp  erleichtert  war,  wie 
den  Niederländern  die  Unabhängigkeit  der  Utrechter  Kirche  zu  Gute 
gekommen  ist. 

„Das  Uebermass  des  Strafleiden's  bei  den  Heiligen  (die  in  einem 
Masse  leiden  und  dulden  mussten,  wie  es  als  zeitliche  Strafe  für  ihre 
Sünden  nicht  angemessen  war)  kann  Anderen  zugewendet  wecden", 
und  „aus  dem  so  gebildeten  Gemeingut  schöpft  also  die  Kirche, 
wenn  sie  für  Lebende  und  Gestorbene,  wenn  sie  entweder  einen 
theilweisen  oder  einen  vollständigen  Ablass  ertheilt,  wenn  sie  ihn 
unbedingt  oder  nur  unter  gewissen  Bedingungen  zur  Anwendung 
bringt",  lehrt  Möhler,  und  Bouvier:  „Die  Kirche  (in  Verleihung  der 
Ablässe)  zahlet  der  Gerechtigkeit  Gottes  den  Preis,  welchen  wir  Ihm 
wegen  der  Sünden  schulden,  und  übt  zugleich  einen  Act  der  geist- 
lichen Gerichtsbarkeit  aus,  indem  mittelst  ihrer  Gewalt  der  Schatz 
der  Kirche  aufgeschlossen  und  das  Band  der  persönlichen  Strafe  ge- 
lös't  wird,  durch  Substitution  der  Strafe  eines  Andern."  Nach  Wil- 
helm von  Segnelay  dagegen  (dem  Bischof  von  Auxerre)  „verspricht 
die  Kirche  durch  die  Ablässe  Vieles,  was  Gott  nicht  erfüllen  werde", 
indem  es  nur  darauf  ankäme,  die  Menschen  durch  eine  Art  frommen 
Betrug  zu  guten  Werken  anzureizen  (s.  Schröckh»). 


')  Das  Glaubensverlangen  an  die  Ablässe  war  begründet  auf  die  Entscheidung  des 
Concils  von  Tricnt,  die  ,,indulgentiarum  usum  christiano  populo  maxime  salutarem,  et 
sacrorum  Conciliorum  auctoritate  probatum  in  Ecclesia  retinendum  esse  docet  et  praecipit, 
eosque  anathemate  damnat,  qui  aut  inutiles  esse  asserunt,  vel  eas  concedendi  in  Ecclesia 
potestatem  esse  negant."  Qui  donc  os^rait  pr^ferer  son  jugement,  ou  les  opinions  diver- 
gentes des  h^r^tiques  modernes  h  cette  d^finition  pr^cise  d'un  Concile  oecum^nique  (1S55). 


BULLEN.  165 

Besonders  herrschten  einige  Controversen  darüber,  ob  der  Papst 
ebenso  frei  und  ungehindert  über  das  Jenseits  verfügen  könne ,  wie 
der  Beherrscher  des  unterhimmlischen  Reiches  in  Beforderuug  oder 
Degradü*ung  seiner  nach  dem  Oberhimmel  verzogenen  Mandarinen- 
seelen,  und  kam  dafür  zunächst  das  Purgatorium  üi  Betracht. 

Die  Ansichten  über  diesen  etwas  intriguanten  Punkt  bleiben  in- 
dess  bis  heutzutage  )  getheilt. 

Von  den  in  Süd- America  verkauften  Bullen  vergab  the  „general 
bull  for  the  living  or  of  the  holy  Crusade"  (s.  Stevenson)  Gottesläste- 
rung, milderte  die  Fasten beschränkungen  und  befreite  von  Gelübden 
(exepting  those  which  would  contribute  lucre  to  the  church  by  her 
fulfilment).  The  price  of  this  precious  paper  varied  according  to 
the  rank  of  the  sinful  purchaser  (und  wurde  den  Armen  billiger  ab- 
gegeben). The  Bull  of  composition  or  accommodation  is  monstrous, 
for  it  gives  to  the  possessor  of  stolen^)  property  a  quiet  conscience 
and  absolute  possession,  on  condition,  that  he  has  stolen  it  evading 
the  punishment  applicable  by  law,  that  he  knows  not  the  person, 
whom  he  has  robbed  or  defrauded  and  that  the  knowledge  of  this 
accommodating  bull  did  not  induce  him  to  commit  the  theft.  Neben 
„the  bull  of  lacticimos  or  milk  food"  (um  solche  Leckerbissen  am 
Fasttage  zu  erlauben)  fand  sich  dann  „the  Bull  for  the  dead  (a  kind 
of  safe  conduct  to  paradise)." 

Vollmer  zählt  unter  den  in  Lima  verkauften  Bullen  besonders 
auf:  die  Kreuzigungsbulle  (die  von  allen  Gelübden  und  Eiden  dis- 
pensire,  ausser  denen,  welche  zum  Vortheil  der  Kirche  gethan  sind), 

')  Les  ames  des  fid^les,  dctenues  dans  le  purgatoire,  quoique  appartenant  a  Töglise, 
ne  sont  plus  sous  la  Jurisdiction  ecclesiastique .  le  Pape  et  Ics  öv^qucs  ne  pcuvent  donc, 
cn  vertu  de  leur  autorile  divin  les  delier  directement  de  leurs  pechös  ou  de  la  peine  düe 
a  leuis  Peches.  Par  consequent  ils  ne  peuvent  faire,  que  les  indulgences  leur  soient  appli- 
quees  per  modum  absolutionis ,  cumme  aux  vivants,  mais  sculcment  per  modum  solutio- 
nis et  suffragii  (1855).  Es  blcilU  nun  eine  unentschiedene  Frage,  ob  Gott  aus  Gerechtig- 
keit gezwungen  ist  (s.  Ferraris)  die  Erlösung  zuzugestehen,  oder  ob  dies  zum  Theil  von 
seinem  guten  Willen  abhängig  bleibt  (nach  Billuart),  und  bei  solchen  Zweifeln  ist  es 
immer  möglich,  dass  die  Seele  im  Fegefeuer  ,,peut  encore  avoir  besoin  de  notrc  assistance" 
(«lass  man  also  besser  fortfahrt,  noch  ftir  weitere  Messen  zu  zahlen).  Holton  hörte  in 
der  Kirche  Las  Nicves  (in  Bogota)  ein  Ave  sprechen  für  den  Gründer  derselben,  wenn 
er  sich  noch  im  Fegefeuer  finden  sollte  (after  a  terrible  roasting  of  near  300  years). 
Nach  Angeli  (von  Toumay)  finden  sich  die  Seelen  im  Fegefeuer  unter  der  Gerichtsbarkeit 
des  Papstes  (1476)  und  sind  also  auf  seinen  Ablass  zu  entlassen. 

•)  Personas  veridicas  y  competcntes  rae  informaron  que  todo  ratero  que  no  espera 
absolucion  en  cl  confesonario  de  su  propia  Cura,  ä  menos  que  no  restituya  lo  hurtado, 
halla  en  Chinquinquird  quien  le  remita  el  pecado,  'medianle  un  tributo  a  la  Virjen.  Es- 
traflo  modo  de  haccr  cömplice  y  encubridora  a  la  inocentc  imdjenl  La  pluma  se  resiste 
a  trazar  las  consecuencias  lamentables,  que  sc  deducen  de  talcs  abusos  (1853). 


1G6  PERU    UND   ECUADOR. 

die  Bulle  de  Laticinios  (die  am  Fasttage  andere  Speisen  zu  essen 
erlaube  und  alle  Gewissensscrupel  vollkommen  beschwichtige),  die 
Bulle  für  die  Todten  (eine  Eintrittskarte  in  den  Himmel,  eine  Contre- 
marke,  ein  Entlassungsschein  aus  dem  Fegefeuer)  und  die  Compo- 
sitionsbulle,  die  „dem  menschlichen  Geist  die  höchste  Ehre  macht", 
denn  sie  „sichert  nämlich  dem  Diebe,  Räuber,  Raubmörder  den 
völlig  rechtmässigen  Besitz  des  geraubten  Eigenthum's  unter  der  Be- 
dingung, sich  für  den  zehnten  Theil  des  Werthes  eine  solche  Com- 
positionsbulle  zu  kaufen,  es  darf  indessen  Niemand  mehr,  als  zwanzig 
solcher  Bullen  wöchentlich  nehmen"  (1819). 


In  Chiclayo  führte  mich  Herr  Sohlfs  in  die  Häuser  einiger 
Bürger,  die  zuweilen  Interesse  für  Aufbewahrung  von  Alterthümern 
bewiesen  hatten,  und  ausserdem  lernte  ich  einen  Deutschen  kennen, 
der  einige  Zeit  auf  den  Guano  -  Inseln  gelebt  hatte,  und  mir  lieber- 
bleibsel  dort  gemachter  Sammlungen  überlassen  konnte. 

Mit  Herrn  Brosse,  der  im  Geschäft  des  Herrn  Sohlfs  beschäftigt 
war,  ritt  ich  über  eine  theilweis  angebaute  Ebene  und  dann  über 
eine  Sandfläche  mit  Buschgrün,  an  den  Paredones  genannten  Lehm- 
mauern (auf  einem  Hügel)  vorbei  nach  San  Jose,  einem  wegen  starker 
Dünung  des  brandenden  Meeres  nur  in  Flössen  Landung  erlaubenden 
Hafen,  gleich  vielen  an  der  peruanischen  Küste.  Von  dort  begaben 
wir  uns  über  eine  theilweis  buschige  Sandfläche,  an  der  Huaca  del 
Mirador  vorbei,  nach  der  Huaca  del  Chotun  (Chatuna)  mit  rückwärts 
geneigten  Adobe-Mauern.  Ein  Rundweg  führt  zu  der,  Hauseinthei- 
lungen  zeigenden,  Plattform,  wo  die  Schilfstöcke  der  Dächer  (oder 
der  untern  Etage)  hervorstecken.  Der  Blick  fällt  über  die  mit  Busch- 
grün überzogene  Sandfläche  auf  das  Meer  und  seitlich  auf  eine  Ebene 
mit  den  parallelen  Mauerreihen  der  in  niedrigen  Mauerresten  hervor- 
stechenden Dörfer,  die  von  der  Festung  ausliefen. 

Als  wir  bei  der  Rückkehr  über  San  Jose  den  von  dort  mit- 
genommenen Führer  zu  rasch  entliessen,  waren  wir  nahe  daran,  bei 
der  täuschenden  Einförmigkeit  der  Umgebung  in  die  Irre  zu  gehen, 
da  der  Weg  trotz  der  Localkenntniss  meines  Begleiter's  schon  ver- 
loren war,  wie  una  noch  eben  vor  Sonnenuntergang  die  Orientirung 
von  einer  Anhöhe  zeigte.  In  den  Einzäunungen  tritt  oft  die  Maguey 
auf,  eine  in  ihren  verschiedene  Theilen  (Fasern,  Blätter,  Stamm  u.  s.  w.) 
sehr  nutzbar  zu  verwendenden  Pflanze,  obwohl  sie  sich  in  Peru  zu 
der  in  Mexico  üblichen  Pulque  -  Bereitung  nicht  eignen  soll  oder, 
wegen  der  Gewöhnung  an  Chicha,    nicht  dafür  gezogen  wird.     Die 


MONSEFL\  167 

« 

Cacteen  (wie  Griesingcr  bemerkt)  bilden  „das  bedeutendste  Verbin- 
dungsglied zwischen  den  mexicanischen  und  peruanischen  Anden 
und  neben  den  grossen  aufrechten  Cereen  (C.  peruvianus)  fehlen  als 
zweite  Form  der  Succulenten  auch  die  Agaven  nicht",  dagegen  ent- 
behrt Südamerica  des  mexicanischen  „Gürtel  von  Nadelhölzern'*,  der 
an  der  Isla  de  Pina's  (von  Westindien)  am  Meeresrande  auftritt.  Im 
südlichen  Chili  (in  Chiloc)  zieht  sich  der  Wald  von  Nadelhölzern 
und  antarctischen  Buchen  bis  zum  Feuerlande  hin. 

Am  nächsten  Vormittag  fuhr  ich  mit  der  Eisenbahn  über  die  Sta- 
tion Monsefu,  wo  das  Fest  des  Don  Cautivo  (des  Herrn  Gefangenen, 
als  passenden  Heiligen  für  die  Landstreicher)  gefeiert  wurde,  durch 
Buschwerk  und  Anbau  nach  Eten,  von  wo  man  auf  den  Cerro  am 
Meere  blickt  neben  dem  dort  gelegenen  Puerto  de  Eten. 

Herr  Sohlfs  hatte  mir  ein  Empfehlungsschreiben  an  einen  dort 
seit  lange  ansässigen  Kaufmann  gegeben,  Don  Valentyn  Castro,  durch 
den  ich  Auskunft  über  die  durch  den  Zauberstab  der  Hypothese 
mit  den  Chinesen  zusammengebrachten  Indianer  von  Eten  zu  erhalten 
hoffte.  Er  nahm  mich  gern  als  Gastfreund  auf,  bemerkte  mir  aber  so- 
gleich, dass  es  bei  dem  verschlossenen  Characterder  Indianer,  und  bei 
der  allgemeinen  Abgeneigtheit,  über  ihre  Besonderheiten  zu  sprechen, 
schwer  sein  wurde,  meinen  Zweck  in  der  Kürze  zu  erreichen,  zumal 
damals  der  mit  dem  Messfest  von  Monsefu  verbundene  Jahrmarkt 
fast  die  ganze  Bevölkerung  dorthin  gezogen  hatte,  so  dass  der 
Ort  nahezu  menschenleer  stand. 

Da  ich  meinen  Aufenthalt  bis  zum  andern  Mittag  ausdehnte, 
gelang  es  mir  indess,  aus  ein  paar  in  den  Vormittagsstunden  er- 
haschten Gelegenheiten  ein  kurzes  Vocabularium  zu  erhalten,  das 
Herr  Sohlfs  bei  gebotener  Gelegenheit  zu  vervollständigen  versprach. 

Die  Traditionen  der  Ansiedler  deuten  auf  die  Abfahrt  von  Sechura 
als  sie  in  der  Morgenfrühe  an  dieser,  deshalb  Eten,  genannten  Küste 
landeten,  und  damals  sollen  alle  die  dort  umherliegenden  Orte  durch 
Dialectverschicdenheiten  vereinzelt,  und  dasJdiom  von  Monsefu  noch 
bis  vor  Kurzem  in  einigen  Resten  erhalten  gewesen  sein.  UUoa 
spricht  noch  von  verschiedenen  Sprachen,  die  in  Sechura^)  und  den 
Valles  geredet  wurde. 

Wahrscheinlich  war  der  hinter  der  grossen  Wüste  gelegene  Be- 
zirk bei  dem  nördlichen  Feldzug  der  Inca  unangerührt  liegen  ge- 
lassen und  so  auch  von  der  centralen  Sprachreinigung  nicht  betroffen 


*J  Von  Sechura  auch  Alcedo:  Ilablan  un  idioma  distinlo  de  los  dcmas  dcl  Peru  (1788). 


168  PERU   UNI)   ECUADOR. 

wordea,  während  die  Sprache  der  Chimu  sich  bei  der  Conquista 
schon  im  Zersetzungszustand  durch  das  Quechua  fand,  und  ähnlich 
die  der  übrigen  im  heissen  Lande  als  Yunga  einbegriffenen  Stämme. 

Der  letzte  Greis,  der  noch  den  Dialect  von  Monsefu  verstand, 
soll  vor  einigen  20  Jahren  gestorben  sein  und  ebenso  gilt  der  Dia- 
lect von  Sechura  für  verloren,  obwohl  in  den  Begrüssungsformeln 
noch  einige  Worte  aus  ihm,  wie  es  heisst,  sich  erhalten  finden. 

Von  der  letzten  Einwanderung  nach  Eten,  deren  Bewohner  ur- 
sprünglich von  Tumbez  stammen  und  dort  in  Folge  von  Krankheits- 
fallen ausgewandert  sein  wollen,  wird  gesagt,  dass  sie  aus  Sechura 
gekommen,  und  als  die  Emigranten,  in  der  Sandwüste  von  Recke 
und  Monsefu  verloren,  vergeblich  an  die  dortigen  Indianer  sich  um  Hülfe 
gewandt,  während  ihnen  solche  von  den  Franciscanern  Chiclayo's  ge- 
währt wurde,  die  dadurch  die  Besorgung  der  kirchlichen  Functionen 
erhielten,  bis  ein  Curat  begründet  wurde. 

Die  erste  Ansiedlung  Eteng's  (donde  amanecera)  oder  Eten  s  lag 
am  Meere,  bei  der  „Capilla  del  Milagro",  wo  in  der  Hostie  ein  Christus- 
bild erschien,    und    in  der  Nähe  finden    sich  die  Las  Campanas  ge- 
nannten Glocken,    mit   Löchern,  wie  sie  von  den  Engeln  mit  ihren 
Klöpfeln  geschlagen  wurden. 

Neben  Resten  der  alten  Tracht  (der  sog.  Capuz  bei  den  Frauen) 
und  neben  der  besonderen  Sprache,  bewahren  sich  in  Eten  einige 
Gebräuche,  die  nach  der  den  Missionairen  geläufigen  Weise  mit  denen 
der  Juden  verglichen  werden,  wie  Uebernahme  der  Wittwe  beim  Tode 
des  Bruders  durch  den  Schwager  u.  s.  w. 

Früher  war  es  Sitte,  beim  Eintritt  in  das  Haus,  während  der  Aus- 
sprechung des  Grusses  die  Augen  niederzuschlagen,  mit  vorgebeug- 
tem Haupt,  damit  die  Frauen,  wenn  gegenwärtig,  Zeit  hätten,  sich 
zurückzuziehen,  ehe  das  Gespräch  begann.  In  ähnlicher  Weise  war 
ein  strenges  Vermeiden  der  Frauen  in  den  canarischen  Inseln  gebo- 
ten (s.  de  la  Pena),  und  wer  eine  Frau  auf  einsamem  Wege  traf, 
musste  ausweichen  und  einen  anderen  Pfad  einschlagen,  oder  sich 
für  ihren  Vorbeigang  in  ein  Versteck  stellen,  da  es  mit  dem  Tode 
bestraft  wurde,  wenn  er  mit  ihr  zusammen  gefunden  wurde. 

Bei  einer  Hochzeit  in  Eten  sitzt  die  Frau,  ohne  indess  selbst  zu 
essen,  zwischen  den  Eingeladenen,  während  der  Bräutigam  keinen 
Sitz  nehmen  darf,  sondern,  um  aufzuwarten,  neben  dem  Tisch 
steht. 


ETEN.  169 

Was  sich  unier  den  in  Folge  der  Fcsieszeit  ungünstigen  Verhältnissen  eines  kurzen 
Besuches  von  der  Sprache  dieses  Ortes,  wo  man  allen  derartigen  Fragen  m^Uchst  aus- 
zuweichen suchte,  niederzeich  Den  Hess ,  beschrankt  sich  auf  das  Folgende.  Die  zum  Theil 
bedeutenden  Abweichungen  rühren  wahrscheinlich  davon  her,  weil  ich  bei  der  geringen 
Zahl  der  Auszufragenden,  Jeden  zu  Hülfe  nahm,  und  mitunter  auch  spanische  Peruaner, 
die  ^-ielleicht  nur  den  Jargon  gaben,  durch  welchen  sie  sich  mit  den  Eingeborenen  ver* 
Ntändigten,  doch  schien  es  besser,  vorläufig  nichts  zu  ändern,  bis  ich  das  durch  Herrn 
Sohlfs  freundlich  in  Aussicht  gestellte  Vocabularium ,  wofür  ich  ein  Schema  zurückliess, 
erhalten  haben  werde. 

Sol:  Cheang. 

Mond:  Rem. 

Estrella:  Tsi. 

Mar:    Nin  (El-nln)  oder  Ning. 

Piedra:  Pong. 

Agua:  Hchi  (Hchais). 

Fuego:  Ochh. 

Sal:  Gchrupu  (Opel)  oder  Chrüp. 

Hombre:  Xjovel. 

Muger:  Metschenko  (Mctscherre). 

Padre:  Erf  (Nievel),  Abb. 

Madre:  Minieng  (äng). 

Hermano:  Mitso. 

Hermana:  Tschanka. 

Ojo:  Tassack. 

Orejas:  Meden. 

Cabeza:  Chätz. 

Cabello:  Sak. 

Dientes:  Utzan. 

Mano:  Metzan. 

Brazo:  Oken. 

Boca:  Sap. 

Nariz:  Fon. 

Lengua:  Aetz. 

Puerta:  Karr. 

Casa:  Anik. 

Olla:  Palja  (paya). 

Palo:  Püp. 

Cuchara :   Chhim. 

Maiz :   Mang. 

Cama:  Chadick. 

Huevo:  Melju. 

Gallina  Nyain  (nyan). 

Pata:  tuiz. 

Hilo:  Pap. 

Concha:  Tschaiya, 

Comida:  Hchyonkick. 

Negro:  Fag  (chafka). 

Blanco:  Zikku  (tsekku),  zikuyo. 

Rubro:   Cuchh  (cucho). 

Viento:  Küza. 

Mucho  viento:  Peflang  küza. 

Hay  mucha  luna:   Penang   tchi  riem. 


170  PERU  UND   ECUADOR. 

Da  me  sal:  Metang  gchnipu. 

Da  me  agua;  Mctang  hchd  (inetang  tu  hchä). 

No  hay  agua:  Tanchki  hchä  (tangcsta  chha). 

Hay  agua:   Tschi  nang  hchd. 

Donde  hay  agua:  Ininki  rao  hchd  (Inin  chi  hchd). 

No  tiene:  Tain  pesta. 

IJama  este  muchacho:  Chipko  tocho. 

Como  le  Ilamas:  Emmis  pochh  (eminjun  pockh  tocho). 

Ha  comido  Ud:  Akus  phelno  (phcnno). 

Todavia  no  hc  comido:  Tästing  phenno. 

Pero  comer^  esta  tarde:  Me  chena  (cena)  phono  (phenno). 

Quieres  comer:   Taslock  phennon.      , 

Esta  maöana  ya  he  comido:  Unman  phunno  (phenno). 

Ya  he  comido:  Ackinn  phenno  (akuin  phenno). 

Voy  a  comer:  Istaper  moin  phenno. 

Vengo  a  comer:  Tanol  phenno. 

No  como :  Manan  tjang  phenno. 

Ponga  la  mesa:  Phötän. 

Ayer:   Pelen. 

Llegar^  mafiana :  Tanta  nyesma. 

Comer^  esta  tarde:    Ilschang  man  narra. 

La  iglesia  es  mas  grande  que   la  casa :    Uctz   son   bchi  iglc^ia  tschuzan  tschi    mongang. 

Ponga  la  cuchara  sobre  la  cama:  Metang  ai  chim  ilang  chadick. 

Donde  has  puesto  la  cuchara:  Inis  noko  ai  chim. 

Quema  mucho  el  sol:  Peftang  tscheb  chheang. 

Mucho  calor:  Peüang  ochh. 

Mucho  Uueve :  Peflang  nam. 

Ilave  frio:  Peftang  tschaan  (peöang  as   kützo). 

Ven  paraca:  Tanan  men  (tanan  men  pen). 

Anda  vete:  Anche  (anche  aien  pen). 

Anda  ligero:  Anche  mickerr, 

Traigame  el  caballo:  Tan  cochh  (metanaia  cochh). 

Traigame  la  comida:  Metan  hchyonkik. 

Traiga  el  cuchillo:  Metan  (metang)  ai  cuchillo. 

Quieres  beberagua:  Taslock  man  hchd  (lokes  manem  hchd). 

Ya  bebi:  Akin  man. 

Que  traes:  Itchis  mit. 

Cuanto  vale:  Ichiug  pochh. 

Teh:  no. 

Ah:  si. 

La  olla  se  quebrö,  matang  paiya. 

Da  la  olla  a  este  hombre:  pikang  paya  nyovel.  * 

Da  la  cuchara  a  esta  mujer:    picker  nai  chim  ai  metscherr. 

Dedonde  eres:  iningchi  (inchis  chi). 

Soy  de  Eten:  kanang  chi  Eten. 

De  donde  vienes :  inis  tscha  chcm  (inschis  sta) ,  enschusta. 

A  donde  vas:  inis  tück. 

Hay  mucha  gente:    kanang  chi  nasiob  njovel  (peöang  chi  njovcl). 

No  hay  gente:   tanchi  njovel. 

No  hay:  tan  ichiste. 

Hablaste  con  este  hombre:  akis  muilke  ay  njovel. 

Has  visto  mi  compafiero  'tassack  mi  Ischankas). 


SPRACHLICHES.  171 

No  hc  visto:  T.inyack  (tanyack  eshto 

Va  voy:  angum  lück. 

Va  a  dormir:  autschis  syadit. 

Va  he  dormido:  anin  tsyat. 

No  he  dormido:  tan  tsyat. 

Va  a  dormir:  amotschi  tschyadas. 

Vamos  pronto,  ya  es  tarde:  Amotsch  mikerr  anang  närem. 

\'amos:  amotsch. 

Me  daele  mucho  la  cabeza:  peüang  r6menchätz. 

Vengo  de  la  casa:  inschista  ennäkschit  niesne  (enäkitsch). 

Voy  a  la  casa:  istapi  emiäkem. 

Cuando  llegaste:  inchyangas  ter. 

Liego  ahora:  tschukri  inta. 

He  llegado  ayer:  peli  nin  tel. 

Llegar^  maftana:  nyesma  intassi. 

No  ha  llegado  todavia:  tostin  ta. 

Que  has  hecho:  eches  noko. 

Porque  has  hecho;  egmes  no  ko  Ischo. 

No  puedo  hacerlo:    tain  no  keste  noko. 

Voy  cn  brcve:  istapi  mikerr. 

Vaestä:  anangchi. 

Hay :  kanang  chi. 

Mocho:  nahyoffer. 

No  csti:  ämes. 

No  esta  aqui :  tan  lo  kcsta  men, 

A  quien  pertenece  esta  bestia:    ining  tschi  mo  chhoch  (koch),  inyung  su  chhoch. 

Pertenccc  a  mi  padre:  kanangtschi  mi  uievel. 

Es  la  bestia  de  mi  hermano:  tschang  keyo  chhoch. 

Menkong  aio:  bota  esto. 

ßota  esta  arcna:  navyock  arena. 

Hay  mucha  arena:  kanang  tschi  nasyoffer  arena. 

Hay  mucho  pescado:  kanang  tschi  nanyoff  tjyak. 

Pescado  salado:  tjyak  pärr. 

Va  es  cocido  el  pescado:  anung  tschi  aya  tjyak. 

El  mar  es  bravo:    kanang   tschi  ning. 

Como  esta  el  mar:  emmen  tschi  ning. 

Abre  la  puerta:   otkang  kerr  (ohtkang  karr). 

Cierra  la  puerta:  napang  kerr  (karr). 

Encienda  la  vela:  chebkun  vela. 

Sabcs  el  castellano:  kapcs  kan  el  castellan  [capaz  del  casiillano]. 

No  s6,  tain  ka:  (pesta  kan). 

De  noche:   akan  näschim. 

De  tarde:  akan  narcm. 

De  maftana:  akan  unam. 

Mia  casa:  min  yang. 

Tuya  casa:  czin  yang. 

Vo:  mom, 

Vos:  zan« 

Bosca:  singan. 

No  parece:  tannyock  esto. 

Ponga  la  olla  sobre  la  mesa:  follon  mesa  nang  paiya. 

Pooga  la  oUa  debajo  la  mesa:  follon  paiya  mesan  seka. 


172  PERU  UND  ECUADOR. 

El  agua  es  buena,  pefta  mo  chhä, 

El  agua  no  es  buena ,  tang  esta  zupa  mo  chhä. 

Camino,  künno. 

Donde  esta  el  Camino,  ennjuna  mo  kunno. 

El  Camino  es  derecho,  tirkinam  mo  kunno. 

Muy  cerca,  menana. 

Muy  lejos,  sietena. 

Conoces  este  hombre,  tsahames  mun  nyovel. 

No  conozco,  tain  tschameste. 

Hilo  blanco,  zikuyo  püp. 

Ililo  Colorado,  cucho  pup. 

Techo,  tschap. 

Ufia,  mädie. 

Vaca,  fahk. 

Paja,  faij. 

Ilueso,  chotti. 

l.eiia,  fatschka. 

Flaco,  cötschike. 

Enfermo,  ulang. 

Grande,  uhzscht. 

Bueno,  penjo  (pefto^. 

Malo,  ätestott, 

trabajar,  lokankab. 

Maiz,  man. 

Guava,  ohzit. 

Camote,  open. 

Yuca,  err. 

Frijole,  päckke. 

Aji,  ähpp. 

chicha,  qüützcho. 

Came,  contro. 

Unnik,     i 

äput     2 

sopit     3 

nopit    4 

igmets  (egmels)     5 

tscheiza    6 

niete     7 

changes  (chhänges)  8 

tap    9 

tschetsche     10 

10  pesos,  nasop  (napong). 

Cuantos  caballos  tiene  Ud:  Iske  tschipa  kochh. 

Tengo  10  caballos,  tschinpa  napon  kochh. 

Tengo  II  (onze)  caballso,  tschinpo  onze  kockh. 

Nasop,   10 

I^ksop,  20 

Tsoksop,  30 

Noksop,  40 

Igmetsop,  50 

Sutsasop,  60 

Nietesop,  70 


STROHHÜTE.  iTö 

Ollanges  sop  80 

Tapes  sop,  90 

Xapacher,   100 

Pachpacher,  200 

Sok  pacher,  300 

Nok  pacher  400 

Igmets  pacher,  500 

Tzeitza  pacher,  600 

Niete  pacher,  700 

Hay  pacher,  800 

Tapacher,  900 

Napach,   looo 

Xa  patakon,   i  peso 

Aput  patakon,  2  pesos 

Aput  patacon  nok  real,  20 

Sopit  patakon  zeitze  real,  30. 

Die  provincielle  Tracht  der  Bewohner  von  Eten  beginnt  sich 
zu  verlieren,  doch  sind  unter  ihnen  einige  industrielle  Gewerbege- 
sckicklichkeiten  bewahrt,  wozu  besonders  die  Anfertigung  der  Stroh- 
hüte gehört.  Die  ordinären  Strohhüte  in  Eten  und  Monsefu  heissen 
Machitos,  die  feineren  Calagualas,  Siete-quinces,  Huambrilos  u.  s.  w. 
Auch  Cigarrentaschen  (und  Aehnliches)  werden  aus  dem  gleichen 
Material  gefertigt.  Die  Jipijape  (Carludovica  palmata)  wächst  be- 
sonders an  der  nördlichen  Küste,  und  es  sind  die  unentfalteten  Wedef, 
die  das  Material  zu  den  Strohhüten  liefern.  Auf  dem  Hochlande 
verfertigt  man  sie  auch  aus  zerschlitzten  Palmblättern  nach  Entfer- 
nung der  Blattrippen  (und  trocknendem  Aufrollen). 

Als  der  Train  auf  der  Rückkehr  durch  Monsefu  passirte,  ging 
das  Kirchenfest  noch  ebenso  lärmend  fort,  wie  auf  der  Hinfahrt,  da 
es  eben  mehrere  Tage  währt.  Die  unverschämte  Verwegenheit  der 
durch  solche  Gelegenheiten  herbeigezogenen  Banditen  zeigt  sich 
darin,  dass  sie  trotz  der  von  Monsefu  zusammengedrängten  Menschen- 
menge in  der  vorigen  Nacht  eine  Karavane  auf  dem  Wege  von  dort 
nach  Eten  beraubten,  und  hörten  wir  es  dort  von  einem  Boten,  der 
am  Morgen  früh  angejagt  kam,  um  ärztliche  Hülfe  zu  suchen.  Uebri- 
gens  kam  zu  gleicher  Zeit  in  Chiclayo  selbst,  auf  offener  Strasse, 
ein  Raubanfall  vor.  Aus  den  unruhigen  Mulatten  von  Lambayeque 
und  Chiclayo  wird  besonders  die  peruanische  Cavallerie  recrutirt,  und 
die  die  ganze  Küste  mehr  oder  weniger  infestirenden  Banditen,  die 
früher  auch  den  Weg  von  Callao  nach  der  Hauptstadt  zu  einem  un- 
sicheren machten,  bestehen  besonders  aus  den  von  Negern  abstam- 
menden Mischungen,  während  dem  Indianer  die  nöthige  Energie  fehlt, 
wenn  nicht  in  Massen  vorhanden. 


174  PERU  UND   FXUADOR. 

Bei  der  Rückkehr  nach  Chiclayo  machte  ich  mit  Herrn  Brosse 
einen  andern  Ausflug  nach  der  Zucker-Hacienda  Pomalco,  hinter 
welcher  sich  die  Erhebungen  der  Huaca  de  la  Cria  hinziehen,  mit 
einem  Blick  auf  die  Huaca  Boro.  In  den  Ausgrabungen  finden  sich 
Adobe,  sowie  Stroh  der  Dächer,  und  wurde  auch  von  Goldfiguren 
gesprochen.  Herr  Schutt  von  Chiclayo,  der  längere  Zeit  als  Agent 
auf  den  Maccabi-Inseln  gewohnt,  machte  mir  interessante  Mittheilun- 
gen über  die  dort  unter  den  Guano  angetroffenen  Gegenstände. 

Am  17.  September  begab  ich  mich  zur  Einschiffung  nach  dem 
Hafen  von  Eten.  Es  war  der  letzte  Eisenbahnzug,  der  sich  ohne- 
dem durch  die  Festgäste  von  Monsefu  am  Wege  verspätete,  und  so 
erst  nach  dem  Dunkelwerden  in  der  Endstation  ankam,  für  die  ich 
der  einzige  Passagier  war. 

Beim  Aussteigen  in  den  Sand  erhaschte  ich  gerade  noch  den 
letzten  der  verschwindenden  Schaffner,  um  mich  über  die  Richtung 
zu  Orientiren,  wo  unter  den  Hütten,  die  in  einiger  Entfernung  zu 
liegen  schienen,  die  Posada  zu  suchen  wäre.  Dieselbe  war  ver- 
schlossen, gleich  allen  übrigen,  und  nur  aus  den  Ritzen  schimmerte 
etwas  Licht.  Als  nach  wiederholtem  Pochen  geöffnet  wurde,  mass 
mich  der  Wirth  von  Kopf  bis  zu  Fuss  und  schien  zweifelhaft  über 
den  späten  Gast.  Er  Hess  mich  schliesslich  mit  meinem  Gepäck  ein, 
ereiferte  sich  aber  höchlichst  über  die  Zumuthung,  dass  er  noch  ein 
Abendessen  liefern  sollte,  obwohl  sich  meine  Ansprüche  nur  bis  zu 
zwei  weich  gekochten  Eiern  verstiegen  hatten.  Mit  Sonnenuntergang 
schien  dort  nachtschlafende  Zeit  an  der  Tagesordnung. 

Am  nächsten  Morgen  begab  ich  mich  zu  dem  Eisenbahndirector, 
an  den  ich  eine  Empfehlung  hatte,  und  traf  unter  den  Angestellten 
einige  deutsche  Landsleute,  die  mir  versprachen,  die  dort  mitunter 
vorkommenden  Alterthümer  im  Auge  behalten  zu  wollen. 

Am  Cerro  de  Eten  liegen  auf  theilweis  ht)hler  Unterlage  zwei 
mit  Löchern  (welche  als  Fingergrifie  der  Engel  erklärt  werden)  ver- 
sehene Steine,  die  beim  Anschlagen  klingen,  und  als  piedras  de  cam- 
panas^)  vom  Himmel  gebracht  sein  sollen.  Man  blickte  von  dort 
über  die  sandige  und  grüne  Ebene  zum  Meer,  neben  vereinzelten 
Hügeln  in  der  Entfernung,    und  weiterhin,   auf  die  Capilla  del  Mila- 


1)  £1  aüo  de  1649  sucedi6  el  prodigio  autenticado  de  aparecer  en  la  hostia  de  la 
custodia  un  hermoso  niilo,  que  viö  todo  el  Pueblo;  en  su  immediacion  hay  dos  piedras 
grandes  desiguales,  que  tocandolos  con  otra  pequefia  tienen  el  sonido  de  una  campana, 
wird  von  dem  (in  Folge  der  durch  den  Wind  geänderten  Dünen)  verlegten  Pueblo  von 
Eten  bemerkt  (s.  Alcedo). 


PACASMAYO.  175 

gro,  wo  die  Pilgrimfathers  der  Etenser  gelandet  sein  sollen,  ehe  sie 
raubend  nach  ihrer  jetzigen  Ansiedlung  zogen. 

Auch  in  Eten  herrscht  jene  die  Communication  mit  der  Küste 
erschwerende  Dünung,  die  die  Verwendung  der  Balsas  oder  Flösse 
nothwendig  macht,  während  der  einzelne  Indianer  auch  die  Caballitos 
oder  Potrillos  gebraucht,  in  Rückwärtskrümmung  zusammengebun- 
dene Schilf-Pferdchen  (aus  Totora).  Von  ihnen  standen  verschiedene 
längs  des  Strandes  angelehnt,  um  zu  trocknen.  Die  Balsas  benutzen 
für  An-  und  Abfahrt  die  nach  den  Tageszeiten  wechselnden  Wind- 
richtungen oder  Fluthströmungen,  lassen  sich  indess  auph  durch  das 
Zwischenstecken  der,  Garuas  genannten,  Planken  in  den  Fugen  der 
Flossbalken  einigermassen  steuern  und  lenken. 

Die  Einschiffung  geschah  (seit  der  kürzlichen  Herstellung  des 
Hafens)  auf  einer  weit  in's  Meer  hinauslaufenden  Werft,  wo  man  auf 
einem  Stuhl  durch  eine  Maschine  in's  Boot  hinabgelassen  wurde, 
um  an  Bord  des  Dampfers  geführt  zu  werden  (Steamer  Santiajo). 

Noch  bei  Nacht  ankerten  wir  vor  Pacasmayo  und  am  andern 
Morgen  (September  19.)  begab  ich  mich  ans  Land,  um  den  Laden 
des  Herrn  Gayburu  aufzusuchen.  Die  sandige  Küste  zeigte  verein- 
zelte Hügel  in  der  Entfernung,  unter  denen  sich  künstlich  abge- 
plattete bemerken. 

Pacasmaya  war  zum  Endpunct  der  Eisenbahn  nach  Cajamorca  be- 
stimmt, und  hat  man  dieselbe  auch  in  der  Ebene,  sowie  für  den  ersten  An- 
steig  bis  St.  Magdalena  ausgeführt,  aber  gerade,  wo  die  Terrain- 
schwierigkeiten beginnen,  liegen  gelassen.  Auf  diesem  Wege  nach 
Cajamorca,  dem  durch  Atahualpa's  Gefangennehmung  bekanntem  Be- 
gräbnissplatz der  altperuanischen  Geschichte,  sollen  sich  vielerlei 
Fekinschriften  finden,  -die  bei  Hutschinson  abgebildet  sind,  am  Yonam- 
Pass  des  Flusses  Jejetepeque. 

Meinem  Wunsch,  sogleich  Thiere  zur  Weiterbeförderung  zu  er- 
halten, konnte  nur  unvollkommen  entsprochen  werden,  indem  sich 
neben  einem  Pferde  nichts  anderes  auftreiben  liess  als  ein  Esel.  Da 
ich  indess  den  grösseren  Theil  meines  Gepäckes  vorangeschickt  hatte, 
liess  sich  der  Rest  zwischen  dem  Esel  und  dem  noch  dem  Reitthier 
Zufügbaren  theilen,  während  der  Führer  (oder  Eseltreiber),  wie  er  es 
auch  gewohnt  war,  die  Reise  zu  Fuss  zu  machen  hatte. 

Wir  überschritten  eine  kiesige  Ebene,  die  sich  später  mit  Grün 
bekleidete,  und  passirten  von  Sand  angewehte  Hügel,  hinter  denen 
sumpfige  Niederungen  lagen  auf  dem  Wege  nach  San  Pedro.  Es 
fand  sich  keine  eigentliche  Posada  oder  (in  der  Landesbezeichnung) 


176  PERU   UND   FXUADOR. 

Hotel,  sondern  nur  ein  Cafe,  wo  sich  die  Schlafaccommodation  nach 
den  Umständen  schickte.  Den  Abend  verbrachte  ich  bei  dem  ita- 
lienischen Kaufmann  Arigoni,  der  mich  zu  Tisch  eingeladen  hatte 
und  manches  über  dortige  Ausgrabungen  erzählen  konnte.  Auch  be- 
schaffte er  einen  ihm  bekannten  Arriero,  um  über  die  Weitereise  zu 
verhandeln.  Die  Umgebung  San  Pedro's  galt  früher  für  eine  der 
reichsten  in  denValles,  und  aus  ihr  wurde  Lima  besonders  mit  Korn 
versorgt,  bis  nach  dem  Erdbeben  von  1687  jene  Unfruchtbarkeit  ein- 
trat, die  das  Absenden  der  Schiffe  aus  Callac  nach  Chile,,  der  künf- 
tigen Kornkammer,  veranlasste  und  so  den  ersten  Grund  zum  Wohl- 
stand dieses  Landes  legte. 

Bis  am  nächsten  Morgen  (September  20.)  die  neu  gemietheten 
Thiere  fertig  standen,  kamen  wir  schon  etwas  spät  in  den  Vor- 
mittag hinein,  und  passirten  dann  eine  steinige  Sandebene  mit  Hügel 
auslaufen  umzogen.  Die  Gegend  begann  für  eine  Zeit  lang  wieder 
den  Character  der  Wüste  anzunehmen.  Halbkreisförmige  Sanddünen 
standen  umher,  und  an  verschiedenen  Stellen  zeigten  sich  einge- 
steckte Pfähle  zur  Wegerichtung.  In  der  Ferne  erschien  das  Meer, 
mit  dem  Cerro  de  Malabrigo,  und  dann  gelangten  wir  durch  Anbau 
und  Busch  am  Nachmittage  nach  dem  Dorfe  Pachang,  wo  kurze  Rast 
zum  Füttern  gemacht  wurde.  Nach  einer  bebauten  Gegend  mit  kah- 
len Hügeln  in  Isolirungen,  passirten  wir  durch  eine  Hügelschlucht 
(Cerro  prieto)  mit  festungsartigen  Huaca  auf  den  Ausläufern.  Auf 
sandiger  Ebene  mit  grüner  Decke  kamen  wir  an  Hacienden  vorüber, 
und  dann  führte  uns,  bald  nach  Sonnenuntergang,  ein  Sandweg  im 
Busch  zu  der  Hacienda  Facalä,  wo  ich  in  der  grossen  Halle  des 
Hauses  den  von  meiner  Ankunft  bereits  unterrichteten  Plantagenbe- 
sitzer, Herrn  Julius  Pflücker,  mit  seinem  Personal,  gerade  beim  Abend- 
essen fand,  das  mir  nach  unserem  Ritt  sehr  willkommen  kam. 

Dem  Wohnhaus  gegenüber  lag  auf  dem  kleinen  Hügel  von 
St.  Jose  eine  alte  Lehmfestung,  und  von  dort  blickt  man  über  die 
Ebene,  mit  den  weiten  Zuckerpflanzungen  dieser  und  umliegender 
Hacienden.  Die  Raffinerie-Gebäude  finden  sich  neben  dem  Wohn- 
haus und  ebenso  die  Lagerungsräume  mit  den  Wohnungen  für  die 
Arbeiter.  Die  grösste  der  Plantagen  in  diesem  fruchtbaren  Thal 
von  Chicama  gehört  Herr  Albrecht,  gleichfalls  ein  Deutscher,  an  den 
ich  ein  Einführungschreiben  mitführte,  aber  ihn  leider  verfehlte,  so  dass 
ich  keine  Gelegenheit  hatte,  die  den  Beschreibungen  nach  sehr  um- 
fangreichen Anlagen  zu  sehen.  Der  Betrieb  dieser  Plantagen  erfor- 
dert eine  grosse    Capitalanlage,    schon   bei   der   ersten  Begründung. 


KÜSTENWEG.  177 

Bei  dem  Mangel  an  Wagen  und  Transportmitteln,  soll  die  Heran- 
schaffung der  schweren  Maschinen  während  der  wenigen  Meilen  vom 
Hafen  oft  mehr  kosten,  als  die  ganze  Fracht  von  England  heraus, 
um  das  Cap  Hörn  herum,  eine  Seereise  von  vielen  Monaten. 

Beim  Morgenritt  durch  die  Hacienda  zeigte  mir  Herr  Pflücker 
einen  isolirten  Diorithügel,  auf  welchem  Ausgrabungen  gemacht 
waren.  Als  wir  dann  an  das  Ende  der  Hacienda  Facalä  gelangten, 
wo  sie  mit  der  Hacienda  St.  Clara  zusammenstösst,  war  die  Schei- 
dungslinie eine  Strecke  lang  durch  altes  Gemäuer  bezeichnet,  das, 
wie  sich  ergab,  zu  den  Baulichkeiten  an  dem  Kü.stenwege  der  Inca 
gehört  hatte.  Es  finden  sich  viereckige  Einschlüsse  an  einem  zum 
Theil  über  dem  Boden  erhöhten  und  von  zwei  Lehmwänden  einge- 
schlossenem Weg,  auf  dessen  einem  Theil  die  Mauer  der  jetzigen 
Felder  errichtet  ist,  wogegen  er  sich  beim  Eintritt  in  den  Busch, 
seinem  Laufe  nach  verfolgen  lässt.  Die  Wände  sind  aus  Adobe- 
Klumpen,  mit  der  Hand  geformt,  aufgeführt,  in  Kanten  auslaufend 
(trapezoidförmig).  Den  Beschreibungen  den  Chronisten  nach,  war 
dieser  Weg  von  beiden  Seiten  mit  Bäumen  beschattet. 

Am  Nachmittag  ritt  ich  mit  dem  englischen  Ingenieur,  der  für 
die  Maschinerien  der  Zuckerbereitung  angestellt  ist,  nach  dem  Flecken 
Ascope,  wo  ein  deutscher  Arzt,  Dr.  Schumann,  prSicticirt.  Auf  dem 
Rückweg  sahen  wir  jetzt  trocken  liegende  Bewässerungscanäle  aus 
der  alten  Zeit,  am  Abhänge  eines  Steinhügels  auf  einer  durch  Adobe 
aufgeführten  Terrasse  mit  verschiedenen  Bauresten.  Durch  das  aus- 
gedehnte Bewässerungsnetz  soll  früher  das  ganze  Thal  in  einen 
blühenden  Garten  verwandelt  sein,  wogegen  die  jetzt  wieder  in  Gang 
gesetzten  Irrigationsanstalten  so  spärlich  sind,  dass  beständig  Rechts- 
streitigkeiten zwischen  benachbarten  Hacienden  über  die  Ansprüche 
zur  Verwendung  des  Wassers  auf  ihren  Feldern  und  sonstiger  Be- 
nutzung vorkommen.  Viele  Theile  dieses  Sara  genannten  Districts 
der  Thäler  (von  Piura  bis  Truxillo)  bleiben  so  in  der  Hauptsache  auf  die 
Thaubefruchtung  durch  die  Garua  hingewiesen.  Die  Zuckerplantagen 
dieses  Thaies  sind  jetzt  mit  der  besten  Art  DampfMaschinerie  aus 
Europa  versehen,  obwohl  der  Transport  wie  gesagt,  sehr  kostbar  zu 
stehen  kommt.  Noch  im  Anfang  dieses  Jahrhunderts  waren  Wasserräder 
eine  Seltenheit,  und  zeigte  man  in  Haura  das  in  der  Hacienda  der 
Jesuiten  zum  Zerkleinern  des  Zuckerrohrs  benutzte,  als  das  erste,  das 
in  Peru  ausgeführt  worden  (s.  Stevenson).  Ursprünglich  wurde  das 
einheimische  Zuckerrohr  (Creolla)  angebaut,  bis  sich  das  tahitische, 
das  1806  in  Guayaquil  eingeführt  war,  weiter  verbreitete. 

Bastian:  America.  L  12 


178  PKRU  UNI)   FXUADOR. 

Da  Herr  Pflücker  in  geschäftlichen  Angelegenheiten  nach  Tru- 
xillo  gerufen  war,  ritten  wir  durch  die  Zuckerpflanzungen  an  verschie- 
denen Stadien  der  Reife,  und  dann  über  trockenes  Land  nach  der 
Eisenbahnstation  Kaseaga,  hätten  dort  aber  so  lange  auf  den  Zug 
warten  müssen,  dass  wir  den  Ritt  fortsetzend,  das  steinige  Bett  des 
in  der  damaligen  Jahreszeit  in  grosser  Breite  trocken  liegenden 
Flusses  Chicama  (zwischen  den  Bergen  Yulcaguanca  und  Yana- 
guanca  in  Huamachuco  entspringend)  kreuzten,  und  in  dem  gleich- 
namigen Dorf  Chicama  in  einer  von  Chinesen  gehaltenen  Fonda 
frühstückten.  Am  Nachmittag  war  die  Ladung  der  Güterwagen  be- 
endet, und  fuhren  wir  durch  eine  Sandebene,  worin  zerstreute  Huacas 
in  verfallenen  Gebäuden  sichtbar  sind.  Nach  der  Piedra  gorda  zeig- 
ten sich  aus  rohen  Steinen  aufgerichtete  Erhebungen,  theils  als  alte 
Assequien  oder  Bewässerungsläufe,  theils  als  frühere  Wege  der 
vergangenen  Zeit,  «nd  in  der  Ferne  erblickte  man  Huanchaco,  den 
Hafen  Truxillo's.  Durch  Busch  und  dann  Anbau  erreichten  wir  die 
Eisenbahnstation  Truxillos,  wo  wir  unser  Gepäck  nach  dem  Hotel 
schickten  und  auf  dem  Wege  dahin  in  einer  von  Chinesen  eingerich- 
teten Restauration  zu  Abend  assen. 

Truxillo  wurde  von  Pizarro  in  dem  mächtigsten  der  Küstenreiche, 
dem  der  Chimu  gegründet,  neben  der  Hauptstadt  dieses  Volkes,  und 
noch  jetzt  finden  sich  die  ausgedehnten  Ruinen  derselben  zwischen 
Truxillo  und  Huanchaco. 

Von  einigen  Bürgern,  mit  welchen  ich  durch  Herrn  Pflücker  be- 
kannt geworden  war,  wurde  eine  Parthie  arrangirt,  die  sich  am  Vor- 
mittag zusammenfand.  Nach  Verlassen  des  Stadtthores  kamen  wir 
am  Dorfe  Mansiche  vorbei,  auf  die  (in  Salpeterausschwitzungen  das 
Getränktsein  mit  organischen  Stoffen  beweisende)  Ebene  von  Chan- 
chan ^)  mit  vielfachen  Hügelresten  der  alten  Bebauung.  Man  er- 
kannte die  früheren  Felder  mit  den  Zeichen  der  Berieselung  und 
den  Spuren  der  Sequien,  die  dazu  gedient  hatten.  Nach  einem 
hohen  Lehmgebäude  beginnen,  an  Strassen  und  Plätzen,  die  Trümmer 
der  Häuser,  zum  Theil  in  Complexen,  und  hat  man  an  verschie- 
denen Stellen,  auf  der  einen  Seite  den  Blick  auf  die  See,  auf  der 
andern  auf  den  Cerro  von  Mochi,  auf  dessen  Vorhügel  sich  Ueber- 
bleibsel  eines  Sonnentempels  finden.  An  der  durch  die  Auffindung 
des  Pesce  chico  berühmten  Huaca  de  Toledo  oder  Llomayoahan 
(Tomayoahuan)  vorbei,  kehrten  wir  (nach  kurzer  Rast  unterwegs)  nach 

^)  Der  Ortsname  Chan-chan    findet  sich    bei  Valdivien    in  Chile    (s,  Stevenson),    im 
Lande  der  Cafiar  u.  a.  O. 


CHAXCHAK.  179 

Truxillo  zurück,  nachdem  wir,  so  viel  es  die  Zeit  erlaubte,    die  ver- 
schiedenen Quartiere  dieser  alten  Stadt  durchritten  hatten. 

Bei  der  Rückkehr  lenkten  wir  in  eine  Schenkhütte  neben  dem 
Wege  zu  einer  Art  Piknik  ein,  wobei  es  sich  um  den  beissenden 
Aji  und  die  seinen  Brand  auf  der  Zunge  löschende  Chicha  handelte. 

Umgeben  sind  die  Ruinen  von  Chanchan  (bei  Mansiche)  durch 
verfallene  Festungen  (aus  Adobe,  in  bogigen  Quer-  und  Spitzlagen 
durch  Lehm  überzogen),  an  welche  sich  die  Reste  viereckiger  Häuser 
anschliessen,  bald  von  Strassen  durchzogen,  bald  auf  Plätzen  zusam- 
mengehäuft oder  dieselben  umgebend.  Die  Einschlüsse  finden  sich 
innerhalb  einer  Mauer  (Lehmbau  auf  Grundlage  roher  Steine),  dann 
auch  in  zwei  Mauern  (wobei  die  äussere  aus  Adobe,  die  innere,  mit 
einer  Thür,  aus  Lehm  und  Steinen  hergestellt  ist)  oder  in  drei 
Mauern  (das  Centrum  von  einer  aus  Lehm  und  Steinen  zusammen- 
gesetzten Plattform  gebildet,  und  mit  unterirdischen  Gängen  durch- 
brochen). Die  Lehmmauem,  an  Schilfstöcke  gelehnt,  neigen  pyra- 
midalisch  nach  Innen,  und  auf  engen  Plätzen  unterscheidet  sich  das 
Stroh  früherer  Dächer.  Die  Wände  einiger  Häuser  zeigen  in  Lehm 
dreieckige  Form,  oder  ovale  Durchbrechung  (nach  Art  der  von 
Columbarien)  und  in  andern  finden  sich  viereckige  Nischen  aus  Lehm 
über  Schilfstöcken  gebildet.  Freie  Plätze  dienten  zum  Theil  dem 
früheren  Anbau  (mit  Spuren  der  Berieselung),  während  andere  (an  der 
Aushöhlung  durch  Steinlagen  umgebene)  Wasser-Reservoirs  erkennen 
lassen.  Die  Wände  einiger  Häuser  sind  in  parallelen  Linien  auf  Lehm 
verziert,  zwischen  welchen  sich  verschiedentlich  gezackte  Ornamen- 
tirungen  zeigen,  und  andere  blätterartig.  In  einem  weiten  Gebäuderest 
(mit  Stufen  an  der  Seite),  aus  welchem  im  oberen  Geschoss  die 
glatten  Innenwände  der  Zimmer  stehen  geblieben  sind,  (neben  einer 
Terrasse),  finden  sich  an  der  Aussenwand  vielfache  Verzierungen  auf 
dem  Lehm,  strahlen-  und  sternförmig.  Vor  der  Stadt  stehen  (im 
Dreieck  zu  einander)  die  Huaca  de  Toledo  (deren  Ausgrabung  dem 
Staat  80,000  Pesos  als  Fünftel*)  zahlte),  die  Huaca  de  la  Esperanza 
und  die  Huaca  de  la  Concha.  Der  Weg  nach  Huanchaco  (dessen 
Kirche  im  Ruinenfelde  sichtbar  ist)  durchschneidet  die  Trümmerstätte 
bei    der  Capilla   de  San  Jose.     Neben  gebrannten  Ziegeln  trifft  man 


1)  Oder  nach  anderen  Berechnungen  noch  weit  mehr.  Durch  Gutieirez  de  Toledo 
wurde  1566  als  Fünftel  85547  Castellanos  de  oro  (Lst.  222,422)  und  femer  47,020  Casiel- 
lanos  de  oro  (I.st.  122,252)  im  Jahre  1592  in  die  Staatskasse  aus  den  Huaca's  bei 
Truxillo  gezahlt  (s.  Markham). 

12* 


180  P^KV  UND   KCUADOk. 

an  einer  Stelle  auf  eine  Schlackenanhäufung   und    an   vielen  Plätzen 
sind  Ausgrabungen  begonnen. 

Der*  erste  Eindruck  dieser  Ruinen  ist  der  eines  labyrinthischen 
Durcheinander,  und  wird  deshalb  leicht  auch  als  solcher  wiederge- 
geben. Erst  Squier's  vielwöchentliche  und  sorgsame  Aufnahmen  wer- 
den einigen  Anhalt  Hefern,  eine  Klärung  in  dieses  Gewirr  zu  bringen. 

Zu  meinen  Bekanntschaften  in  Truxillo  gehörte  u.  A.  Herr  O'Do- 
novan,  der  eine  kleine  Privatsammlung  besitzt,  und  Herr  Torribio 
Polo,  damals  Secretair  der  Prefectur,  mit  linguistischen  Arbeiten  be- 
schäftigt, sowie  Herr  Barera,  der  im  Besitz  des  im  Correo  Peruano 
beschriebenen  Figurenstücks  ist,  das  für  ein  Museum  gesichert  wer- 
den sollte. 

Ausserdem  traf  ich  mit  einem  der  bekanntesten  Huaceros  Peru 's 
zusammen,  mit  dem  Oberst  La  Rosa  von  Truxillo,  der  sich  seit  1833 
mit  solchen  Schatznachguchungen  beschäftigt,  besonders  in  Aufspü- 
rung des  Pesce  grand'e,  worüber  indianische  Traditionen  Andeutun- 
gen gegeben  haben  sollten,  nachdem  die  Schatzkammer  des  Idol 
Pesce-chico  (kleinen  Fisches)  gefunden  war. 

Wenn  sich  auch  nur  ein  Zehntel  des  von  ihm  Erzählten  bewahrheiten 
sollte,  so  muss  er  zu  Zeiten  im  Golde  gewühlt  haben,  fand  sich  damals 
indess  wieder  verarmt,  obwohl  noch  voll  von  weiteren  Plänen.  Gold-  und 
Silberfunde  waren  sogleich  in  klingende  Münze  verwandelt  und  so 
für.  immer  verschwunden,  aber  auch  von  all'  den  übrigen  Alterthums- 
schätzen,  die  trotz  seiner  gleichgültigen  Beschreibung  die  Aufmerk- 
samkeit spannen  mussten,  war  nichts  mehr  in  seinem  Besitz. 

Er  hatte  sie  mit  vollen  Händen  nach  allen  Seiten  verschenkt  und 
jede  Spur  schien  verloren.  Als  ich  wiederholt  mein  Bedauern  dar- 
über aussprach,  schien  es  ihm  schliesslich  selbst  leid  zu  werden,  und 
eines  Vormittags  ging  er  mit  mir  bei  allen  seinen  Freunden  umher, 
die  er  in  guten  Tagen  so  reichlich  bedacht  hatte.  Doch  war  nichts 
mehr  zu  machen,  der  Zwischenraum  der  Jahre  hatte  Alles  verwischt, 
und  das  Examen  endete  stets  in  derselben  Weise,  dass  die  Sachen 
entweder  zerbrochen  oder  verloren  gegangen  seien.  Bald  hatte  man 
sie  weiter  verschenkt,  bald  beim  Umzüge  oder  der  Rückkehr  von 
einer  Reise  vermisst,  am  gewöhnlichsten  aber  waren  sie  den  Kindern 
zum  Spielzeug  gegeben,  und  dann  nicht  mehr  gesehen.  Unsere 
Visiten  waren  völlig  erfolglos,  doch  konnte  ich  andere  Gegenstände 
in  Truxillo  erwerben,  und  einige  mir  von  La  Rosa  gegebene  Andeu- 
tungen befähigten  mich  später,  bei  der  Rückkehr  nach  Lima,  den 
Rest   einer   von    ihm  vor  10  Jahren    dorthin    geschickten  Sammlung 


TRUXILLO.  181 

unter  altem  Gerumpel  auf  dem  Boden  eines  Hauses  wieder  aufzu- 
finden und  grossentheils  anzukaufen.  Dazu  gehörten  verzierte  Holz- 
stöcke, die  der  Angabe  nach  bei  dem  Aufdecken  der  Huacas  (zuge- 
mauerten Häusern  der  Vornehmen)  in  den  Händen  sder  am  Eingang 
stehenden  Indianer  angetroffen  waren.  Die  imieren  Wände  der  Zimmer 
seien  mit  Ornamenten  ausgelegt  gewesen,  und  an  den  Wänden  hätten 
Prunksitze  gestanden,  sowie  Holzfiguren  von  Affen  zwischen  den 
Pfeilern.  Der  Goldschmuck  fand  sich  der  Hauptsache  nach  an  den 
Skeletten  selbst. 

Die  Alterthümer  von  Truxillo  gehören  zu  den  beliebtesten,  und 
mit  Recht,  da  die  Chimu  in  künstlerischer  Fertigkeit  hervorgeragt 
haben  müssen.  Ich  machte  deshalb  den  Oberst  darauf  aufmerksam, 
dass  bei  dem  neuerdings,  in  Peru  selbst  bereits,  regeren  Interesse, 
auch  in  den  Alterthumsstücken  unedlen  Materiale's  Geldwerth  stäke, 
und  daiss  er  am  besten  thun  werde,  mit  den  Museen  in  Verbindung 
zu  treten.  Der  in  den  letzten  Jahren  durch  das  Sammeln  einiger 
Amateurs  sehr  hoch  hinaufgetriebene  Preis  seltener  Stücke  in  Lima 
hat  auch  bereits  zu  Fälschungen  Anlass  gegeben,  nicht  nur  zu  der  von 
Urnen,  die  ich  in  den  Läden  Payta's  zu  einem  festen  Marktpreis  den 
Matrosen  als  acht  verkaufen  sah,  sondern  auch  von  Bronzegüssen. 
Ich  wurde  darauf  bei  der  Durchsicht  einer  Privatsammlung  in  Lima 
aufmerksam,  und  den  dadurch  erhaltenen  Directionen  folgend,  ge- 
langte ich  in  die  am  Stierplatz  Truxillo's  gelegene  Werkstatt,  aus 
welcher  diese  Productionen  hervorgingen. 

Auch  bei  einem  Besuche  Moche's,  auf  der  nach  dem  Hafen  Sa- 
laverry  weiter  gehenden  Eisenbahn,  konnten  einige  Kleinigkeiten  er- 
worben und  Nachrichten  über  Ausgrabungen  erhalten  werden. 

Truxillo  (Lima  en  miniature,  also  ein  Klein -Paris  oder  Klein- 
Lima,  wie  es  der  Peruaner  nennt)  hat  seit  seiner  Gründung  einen  aristo- 
kratischen Character  bewahrt,  auch  dann  noch,  als  das  Ritterliche  in 
die  Auffassung  Don  Quijote's  überspielen  musste,  und  hat  selbst  jetzt, 
trotz  der  revolutionären  Umwälzung,  noch  nicht  ganz  mit  ihm  ge- 
brochen. Documente  werden  nicht,  weil  vergilbt,  als  werthlos  be- 
trachtet, und  manche  Häuser  tragen  die  Wappenzeichen  über  dem 
Thore.  Unter  den  besseren  Gebäuden  hat  besonders  das  des  Herrn 
Iterrigui  peruanischen  Ruf,  und  scheinen  darin  grosse  Kosten  verbaut 
zu  sein.  Von  dem  platten  Dach  desselben  konnte  ich  in  die  Gassen 
des  von  hohen  Mauern  umgebenen  Nonnenkloster's  blicken,  das  allein 
noch  in  der  Stadt  erhalten  ist,  aber  in  der  Zahl  seiner  Insassinnen 
sehr  reducirt.    Ausserdem   genoss  man  eines  Ueberblickes  über  die 


182  PERU   UND   F.CUADOR. 

grüne  Ebene  von  Truxillo  bis  zum  Meere,  mit  Huaman  zwischen 
Salaverry  und  Huanchaco,  und  auf  der  andern  Seite  zu  den  in  iso 
lirten  Höhen  emporstrebenden  Bergen,  wo  am  Fusse  des  jetzigen 
Cerro  del  Sol  (vor  dem  höheren  Cerro  del  Mochi)  die  halbkreis- 
förmig ausgebuchtete  Ruine  des  Sonnentempel's  aufsteigt,  während 
seitlich,  nach  dem  Strande  zu,  die  zerstreuten  Trümmerstätten  von 
Chanchan  hervorstehen. 

Nach  längeren  Verhandlungen  mit  dem  Maestre  de  posta,  die 
noch  durch  Herrn  Pflücker,  vor  seiner  Rückreise  nach  Chicama,  ein- 
geleitet waren,  hoffte  ich  schliesslich  ein  befriedigendes  Abkommen 
mit  ihm  getroffen  zu  haben  und  fixirte  den  Tag  der  Abreise  (Sep- 
tember 27.).  Dass  die  Thiere  statt  vor  Sonnenaufgang,  nach  dem- 
selben eintrafen,  war  aller  Versprechungen  ungeachtet,  kaum  anders 
erwartet  worden,  dass  aber  ein  dem  Aussehen  nach  ganz  passables 
Reitpferd  sich,  ehe  ich  das  freie  Feld  erreichte,  als  hinkend  erwies, 
konnte  durch  alle  Entschuldigungen  und  Erklärungen  des  Führers 
nicht  wegdisputirt  werden.  Vor  den  Küstendampfern  war  der  Land- 
weg von  Truxillo  nach  Lima  sehr  frequentirt.  Im  Anfang  des  Jahr- 
hunderts noch  wurde  die  Reise  oft  auf  Literas  gemacht,  an  zwei 
Maulthieren  befestigten  Sänften. 

Ueber  Mochi  gelangten  wir  an  die  Küste  bei  Salaverry,  und 
nachdem  der  vorspringende  Cerro  am  Strande  überstiegen  war,  auf 
eine  Sandebene  mit  Dünen.  In  der  Feme  erschien  der  Cerro  von 
Guanape  und  die  gleichnamigen  Inseln.  An  sandig  bewehten  Hügeln 
vorüber  erreichten  wir  zwischen  Kuppengebüschen  und  Cactuspflan- 
zungen  den  aus  Quellen  am  Berge  Izquiocda  und  den  Pedernales 
entspringenden  Fluss  Viru,  wo  sich  aus  der  buschigen  Sandebenc 
in  der  Ferne  gezackte  Hügelketten  zeigten  und  von  einer  höheren 
Bergreihe  isolirte  Höhenspitzen. 

In  Viru  (San  Pedro  de  Viru)  sprach  ich  bei  Don  Manuel  La 
Portilla  vor,  dem  Arzte  des  Platzes,  der  bei  meiner  Ankunft  mit 
einer  Elle  hinter  dem  Ladentische  stand,  da  er  nach  Landessitte  ein 
solches  Kleingeschäft  mit  seinem  andern  verband.  Wir  haus'ten  am 
Nachmittag  ganz  gemüthlich  zusammen,  assen  mit  einander  auf  dem 
Ladentisch,  und  genossen  später,  vor  der  Thür  sitzend,  die  Abend- 
kühle bei  Cigarren  oder  Cigaretten  und  Chicha,  bis  ich  mich  dann 
auf  Geheiss  meines  Wirthes  in  seinem  Gemach  hinter  dem  Laden 
zur  Ruhe  legen  musste,  während  er,  ich  weiss  nicht  wo,  geschlafen 
haben  mag. 

In  Viru  sind  manch'  interessante  Gegenstände  gefunden  und  ver- 


VIRU.  183 

schiedene  der  Hiiaceros  in  Truxillo  waren  dort  gleichfalls  thätig  ge- 
wesen. Einer  derselben  erzählte  mir,  in  einem  Grabe  Federspulen 
mit  Läusen  angetroffen  zu  haben,  was  auf  den  von  Garcilasso  de  la 
Vega  (und  ähnlich  in  Mechoacan)  erwähnten  Tribut  Bezug  haben 
könnte.  Doch  ist  gerade  Viru  und  Truxillo  das  Land  der  Blattläuse 
(Pilcay  im  Quechua)  in  den  zur  spanischen  Zeit  aus  Mexico  erneuerten 
Cochenille  -  Pflanzungen ,  die  jetzt  überall  in  Folge  der  chemischen 
Farbenmischungen  in  Verfall  sind.  Bei  manchen  der  Zeuge  aus  den 
Huaca  scheint  das  Roth  mit  Cochenille  aufgetragen.  Die  drei  Thäler 
(oder  Oasen)  von  Viru,  Chimu  und  Chicama  galten,  als  Los  Valles, 
für  den  fruchtbarsten  Theil  Peru's,  bis  das  Erdbeben  von  1687  diesen 
Character  verändert  hätte.  In  der  Capelle  der  Hacienda  St.  Ilde- 
fonso  (in  der  Nähe  von  Viru)  wurde  eine  im  Haut  -  Relief  verzierte 
Steinschale  aufbewahrt,  die  (in  einer  Huaca  gefunden)  jetzt  zum 
Weihwasser  benutzt  wird.  In  einigen  der  Huacas  bei  Viru  hat  man 
neben  den  Alterthümern  altspanische  Münzen  gefunden  und  Kreuze 
zwischen  gemischt  (aus  der  ersten  Zeit  der  Conquista). 

Einige  wollen  von  Viru  den  Namen  Peru's  ableiten,  während 
hier  zunächst  an  das  Darien  benachbarte  Biruqueta  (und  wenn  man 
will,  den  Fluss  Biru)  zu  denken  ist.  Bei  den  Botocuden  findet  sich 
Viru  (iir  den  sonst  in  Brasilien  als  Ava  (der  polynesischen  Kava  ähn- 
lich) bezeichneten  Rauschtrank. 

Am  nächsten  Morgen  war,  mit  der  Unterstützung  meines  Wirthes, 
der  die  Länge  der  bevorstehenden  Tagereise  kannte.  Alles  prompt 
in  Ordnung,  so  dass  wir  rechtzeitig  fortkamen.  Er  hatte  mir  selbst 
einen  leihweisen  Ersatz  meines  hinkenden  Gaules  angeboten,  doch 
lehnte  ich  dieses  Opfer,  sich  seines  einzigen  Reitpferdes  zu  berauben, 
dankend  ab.  Wir  ritten  über  Sand  dahin,  zwischen  Gebüsch,  und 
dann  auf  sandiger  Ebene,  mit  stellenweis  grünem  Ueberzug,  bis  zum 
Hügel  von  Chao.  Dort  bog  der  Weg  ab,  durch  steinige  Höhen  mit 
Sand,  in  eine  trostlos  öde  und  zugleich  wilde  Scenerie  führend,  als 
wir  diese  vom  Winde  gleichsam  in  verschiedene  Richtungen  ge- 
jagten Steinhügel  vor  uns  sahen,  theils  vom  flatternden  Sandmantel 
umweht,  theils  nach  Abwerfen  dieses,  nackt  und  kahl.  Nachdem 
wir  einen  Blick  aufs  Meer  gewonnen,  näherten  wir  uns  dem  Strande, 
und  fanden  unter  Büschen  hervorquellendes  Wasser  in  der  Hacienda 
Chao,  wo  die  Gewinnung  von  Holzkohlen  aus  dem  Gestrüpp  be- 
trieben wird. 

Nachdem  wir  eine  Strecke  an  dem  bei  der  Ebbe  harten  Strande 
längs  der  Brandung,  hingeritten  waren,  wurde  wieder  einwärts  nach 


184  PERU   UND   ECUADOR. 

den  Hügeln  abgebogen.  Dort  stand  uns  ein  beschwerlicher,  und  für 
die  in  dem  Sande  versinkenden  Thiere  ermüdender  Aufsteig  durch 
Dünenhügel  (los  Cocombas)  bevor,  und  dann  trieben  wir  zur  Eile 
auf  einer  flachen  Ebene  von  Steinsand,  seitlich  vom  hier  und  da 
am  Horizonte  sichtbaren  Meere,  um  die  in  weiter  Ferne  halbkreis- 
förmig begrenzende  Hügelkette  noch  bei  Tageslicht  zu  erreichen. 

Im  Vergleich  mit  früheren  Erkundigungen  war  mir  bereits  seit 
einiger  Zeit  die  Richtung,  der  wir  folgten,  zweifelhaft  vorgekommen 
und  hatte  ich  den  Führer  wiederholt  darauf  aufmerksam  gemacht, 
der  indess  bei  seiner  Ansicht  beharrte,  bis  er  schliesslich  den  un- 
richtigen Weg  eingestehen  musste,  so  dass  aus  der  Rectification  ein 
bei  dem  Heranrücken  des  Abenddunkel's  desto  unangenehmerer  Zeit- 
verlust erwuchs.  In  der  Nähe  der  Hügelkette  sahen  wir  ein  paar 
Schuppen,  die  zur  Salzbereitung  benutzt  wurden,  und  lagen  die  bunt- 
gefärbten Salzstücke  überall  auf  der  Ebene,  die  nach  dem  Meere  zu 
grüne  Färbung  zeigte.  Beim  Ansteig  öffnete  sich  zwischen  kahlen 
Hügeln  der  Blick  auf  eine  überwachsene  Fläche,  die  sich  bis  zu  der 
Hügelkette  von  Santa  erstreckte,  und  seitlich  war  die  Insel  Cor- 
covas,   vor  dem  Cerro  des  Puerto  de  Santa,  sichtbar. 

Die  Sonne  war  schon  untergegangen  als  wir  die  Hacienda  Gua- 
dalupite  erreichten,  wo  man  mich  für  mein  Nachfragen  an  das  Herren- 
haus verwies.  Dort  fand  ich  indess  Niemand  vor,  als  einen  andern 
Fremden,  einen  Rechtsanwalt  aus  Lima,  der  sich  Geschäfte  halber, 
wie  es  schien,  auf  dem  Gute  aufhielt.  Da  er  gerade  beim  Abend- 
essen war,  lud  er  mich  zur  Theilnahme  ein,  und  dann  suchten  wir 
uns  in  den  verschiedenen  Stuben,  die  alle  offen  standen,  diejenigen 
Plätze  aus,  die  am  besten  für  die  Nachtruhe  convenirtcn. 

Am  nächsten  Morgen  wurde  der  Aufbruch  verzögert,  weil  der 
sog.  Chimbador  zu  erwarten  war,  nämlich  der  Führer  über  die 
Furten  des  Santa  -  Flusses ,  diesmal  ein  Chinese.  Man  bedient  sich 
zu  diesem  Zweck  einer  besonderen  Rasse  hochbeiniger  Pferde,  die 
ebenfalls  als  Chimbadores^)  bezeichnet  werden,  und  ab  wir  durch 
Büsche,  die  Ufer  des  Flusses  erreicht  hatten,  setzte  ich  mich,  wie 
es  verlangt  wurde,  auf  die  Kruppe  des  hohen  Pferdes  hinter  den  auf 

*)  Chimbador  ist  (nach  Veigl)  ein  peruanisches  Wort  (Chimba,  oder  das  entgegen- 
gesetzte Ufer  des  Flusses,  wie  chimbani,  tibersetzen),  mit  spanischer  Endung  (s.  Murr). 
Here  Indi'ans  constantly  attend  with  horses  to  guide  travellers  across  the  rapids,  keeping 
a  horse  on  each  side  of  them,  the  Upper  one  to  break  the  force  of  the  current  of  the 
river  and  the  other  to  support  the  traveller's  horse,  in  case  it  should  be  unable  to 
resist  the  stream  or  should  stumble  ovcr  the  large  roUing  stones  at  the  bottom,  bemerkt 
Proctor  bei  der  Passage  des  Santa. 


SANTA.  185 

der  Hacienda  zugetheilten  Führer.  Da  ich  indess  beim  Erreichen 
der  ersten  Sandbank  bereits  gemerkt  hatte,  dass  dieser  Fluss  nicht 
so  gross  von  andern  verschieden  sei,  um  solcher  Umständlichkeiten 
zu  bedürfen,  so  liess  ich  mir  mein  eigenes  Pferd  bringen  und  voll- 
endete auf  ihm  den  Uebergang.  Dieser  grösste  der  peruanischen 
Küstenflüsse  strömt  in  einem  breiten  Bette  und  wird,  wenn  von  der 
Regenzeit  gefüllt,  allerdings  die  vollste  Vorsicht  des  Reisenden  be- 
anspruchen. Cieza  de  Leon  traf  bei  seiner  Durchreise  dort  Balsas 
oder  Flösse  zur  Ueberfahrt  und  1795  legte  man  eine  Strickbrücke 
an,  die  aber  durch  das  Anschwellen  des  Flusses  1806  fortgerissen 
wurde.  Wie  Laet  von  Reisenden  hörte  (im  XVII.  Jahrb.),  wurden 
kürbisartige  Früchte  für  die  Flösse  zusammengebunden  und  diese 
dann  durcTi  voranschwimmende  Eingeborene  gelenkt.  Die  Umgegend 
bietet  manche  Reminiscenzen  aus  der  Geschichte  der  Inca  und  ist 
noch  reich  an  alterthümlichen  Resten. 

Ein  sandiger  Weg  durch  Pflanzungen  führte  nach  Santa  (Santa 
Maria  de  la  Parilla),  wo  ich  beim  Hause  des  Gouverneurs  vorritt, 
und  in  dessen  Abwesenheit  von  seiner  Frau  aufgenommen  wurde. 

Nachdem  ich  den  Führer  der  Hacienda  entlassen,  kam  es  zu 
einigen  Diflerenzen  mit  dem  von  Truxillo  mitgebrachten  Arriero,  der 
unter  der  Drohung  der  Rückkehr,  bereits  geleistete  Zahlungen  noch- 
mals verlangte  und  sich  für  solche  Erpressung  aus  den  Strassen  Santa's 
einige  Vagabunden  hinzugesellte.  Da  diese  indess  nicht  den  Eindruck 
machten,  den  er  erwartet  haben  mochte,  so  bequemte  er  sich  schliess- 
lich zum  Weitergehen.  Zwischen  Hecken  gelangten  wir  an  die 
Küste,  und  kehrten  nach  kurzer  Einwärtsbiegung,  an  Ranchas  (los 
Cocos)  vorüber,  durch  eine  Hügelöffhung  zu  ihr  zurück,  im  Gasthaus 
von  Chimbote  absteigend,  wo  ich  zunächst  durch  den  Wirth  die 
gekreuzte  Unterschrift  des  Arriero  auf  der  Empfangsbescheinigung 
als  Zeugen  bestätigen  liess. 

In  der  Nähe  Chimbote's  liegen  Spuren  alter  Bauten  an  ver- 
schiedenen Stellen,  und  die  dort  gemachten  Funde  wurden  besonders 
von  den  americanischen  Ingenieuren  monopolisirt,  die  für  den  Bau 
der  Eisenbahn  durch  das  Santa-Thal  angestellt  sind.  Ihre  Bekannt- 
schaft war  um  so  interessanter,  da  ich  bei  der  Gelegenheit  diese 
Privatsammlungen  besichtigen  konnte. 

In  Chimbote  finden  sich  die  Leichen  theils  in  liegender,  theils 
in  hockender  Position,  und  wurden  bei  den  ersten  Grabhügeln  bessere 
Arbeiten  angetroffen  (von  feinem  Thon).  Meistens  sind  neun  Töpfe 
gestellt,    einer  am  Kopf  und  vier  zu  jeder  Seite.     An  einigen  Orten 


186  PERU    UNI)   FXUADOR. 

haben  sich  kopflose  Skelette  angetroffen,  (wie  ähnlich  auf  den  Guano- 
Inseln),  in  anderen  Köpfe  allein  liegend.  In  den  Mund  waren  oftmals 
Kupferstücke  gesteckt,  durch  deren  Zerfall  der  Knochen  danngefärbt  er- 
scheint. Auch  dieChibchas  legten  den  Todten  den  Obolus  desCharon  in 
den  Mund,  und  russische  Popen  verliehen  Pässe  an  den  heiligen  Petrus. 

In  Huaca  Tambo  (bei  Chimbote)  ist  auf  steilem  Felshügel  ein 
grosser  Stein  placirt  für  Signale  und  ähnliche  Zwecke  auf  dem  Wege 
nach  Huaraz  oder  dem  nach  Santa. 

Der  Dampfer  Santiago,  auf  dem  ich  mich  einschiffte  (Octbr.  i.) 
lief  in  die  geschlossene  Bucht  von  Samanco  ein,  dann  (nach  fels- 
hüglicher  Küste)  in  Puerto  de  Casma  (Felsspitze  und  Dünen  mit 
Hügel  dahinter),  und  (nach  sandbeWehten  Hügeln)  in  Huarmey  (Gu- 
armey)  oder  Huallmi  an  gehobener  Küste  (durch  seine  Chicha  be- 
rühmt). Nach  dem  Berühren  von  Supe  und  Huacho  wurde  Callao 
erreicht  und  dann  mit  Lima  wieder  das  Hotel  del  Comercio. 

In  Lima  vorgefundene  Schreiben  aus  Berlin  mussten  mich  be- 
stimmen, von  weiteren  Reisen  in  Peru,  wie  sie  besonders  für  das 
südliche  Hochland  in  Ueberlegung  gezogen  waren,  abzusehen,  und  auch 
der  anfanglich  beabsichtigte  Besuch  der  bis  zum  December  währenden 
Ausstellung  in  Santiago  wurde  aufgegeben,  weil  nach  den  in  den 
Zeitungen  enthaltenen  Berichten,  die  südamericanische  Ethnologie 
nicht  in  derjenigen  Ausdehnung  vertreten  schien,  um  bei  der  sonst 
beschränkten  Zeit  ein  solches  Opfer  für  dieselbe  zu  rechtfertigen,  auch 
ausserdem  Dr.  Philippi's  dortige  Anwesenheit  die  Möglichkeit  gab, 
das  Nöthige  in  Correspondenzen  zu  besprechen. 

Ich  entwarf  deshalb  den  Plan  zu  einem  Besuche  Columbia's,  über 
dessen  ursprüngliche  Bewohnerschaft,  so  häufig  sie  auch  in  den 
Annalen  der  Eroberung  erwähnt  wird,  neuere  Nachrichten  nur  wenig 
geliefert  sind,  und  von  deren  alter  Cultur,  die  z.  B.  bei  den  Chibchas 
in  jeder  Weise  der  Aufmerksamkeit  und  des  Studiums  würdig  ist,  in 
den  Museen  bis  dahin  fast  alle  Repräsentationen  fehlen.  Sollte  dieser 
Mangel  in  ihrer  Seltenheit  überhaupt  begründet  gewesen  sein,  so 
hätte  sich  mit  einer  flüchtigen  Durchreise  zwar  nicht  mehr  machen 
lassen,  als  bei  Sachverständigen  Interesse  für  Sammlungen  zu  er- 
wecken und  für  die  spätere  Vermehrung  derselben  Einleitung  zu 
treffen.  Indessen  haben  einige  günstige  Verhältnisse  es  möglich  ge- 
macht, bei  der  Anwesenheit  dort,  nach  beiden  Richtungen  hin  thätig 
sein  zu  können  und  werthvolle  Erwerbungen  zurückzubringen. 

Vorher  beschloss  ich  noch  in  der  Kürze  von  Lima  aus  den  Sitz 
der  Chincha  zu  besuchen,  deren  Name«    "'•  pi^-^'^'^'s  Zeit,  längs  der 


CHINCHA.  187 

ganzen  Küste  gehört  wurde,  während  er  sich  später  oft  in  der  allgemeinen 
Bezeichnung  als  Yungas  (für  die  Bewohner  heisser  Tiefländer)  verlor. 
Am  6.  October  schiffte  ich  mich  deshalb  in  Callao  auf  dem 
Dampfer  Quito  ein,  und  am  nächsten  Morgen  lagen  wir  vor  Cerro 
Azul,  (dem  Hafen  Canetes)  neben  einem  Hügel  an  vorspringendem 
Punkt  der  Küste  mit  hinteren  Höhenreihen.  Dort  stand  jene  impo- 
sante Festung,  welche  selbst  bei  den  sonst  nur  auf  Zerstören  be- 
dachten Eroberern  einen  solchen  Eindruck  zurückliess,  dass  die  Vice- 
könige  eine  Zeit  lang  eine  Garnison  besoldeten,  um  sie  im  Status  quo 
zu  erhalten,  später  indess  die  Demolirung  anordneten,  um  das  Mate- 
rial für  den  Aufbau  des  Castells  von  Callao  zu  verwenden. 

Längs  einer  gehobenen  Küste  ankerten  wir  am  Mittag  vor  Tambo 
del  Morro,  in  einer  mit  Hügeln  durchzogenen  Ebene.  Nach  dem 
Landen  engagirte  ich  einen  Platz  in  dem  am  Nachmittag  abgehenden 
Omnibus  und  sahen  wir  an  der  Seite  des  Weges  verschiedene  Huaca  s 
auf  den  umherstehenden  Erdhügeln  mit  oftmals  glattem  Mauerwerk 
an  der  Aussenseite. 

Durch  eine  bebaute  Ebene  gelangten  wir  nach  dem  theilweis 
verlassenen  Flecken  von  Chincha  baja  und  dann  zwischen  den  Lehm- 
raauern  der  Anpflanzungen  nach  Chincha  alta. 

Eine  eigentliche  Posada  fand  sich  nicht,  sondern  nur  ein  Billard- 
Zimmer,  in  dem  man  zu  Essen  erhalten  konnte.  Da  der  Wirth  indess 
ein  Deutscher  war,  so  that  er  ein  übriges  und  nahm  mich  am  Abend 
mit  nach  seiner  Wohnung,  wo  mir  ein  Zimmer  für  die  Nacht  ein- 
geräumt wurde.  Hätte  ich  nach  etwaiger  Anwesenheit  gewisser 
leichtfüssiger  Insecten  gefragt,  würde  er  mir  wahrscheinlich  zu  ant- 
worten gehabt  haben,  wie  Proctor's  Wirth  in  der  Sierra  auf  desfallsige 
Erkundigung:  Si  Senor,  macho  y  hembra!  Denn  sie  waren  da,  nicht 
nur  Männchen  und  Weibehen,  sondern  auch  die  ganze  Jugend.  Am  be- 
rüchtigtsten in  diesem  Punkte  gilt  Bogota,  obwohl  ich  in  meinem  dort 
begünstigten  Logis  nicht  viel  verspürte.  Abt  Röchalmus  empfiehlt  das 
Kreuzeszeichen  gegen  Flohbisse,  da  sie  von  den  Teufeln  herrührten 
(1270  p.d.),  doch  scheint  es  für  uns  Schwachgläubige  seine  Kraft  verloren 
zu  haben. 

Bei  den  Silberschmieden  Chincha's  Hessen  sich  einige  Erwerbungen 
machen,  die  sonst  für  die  Münze  bestimmt  gewesen  sein  würden. 

Wie  Mexico  den  Europäern  unter  der  von  den  Acolhua  her- 
geleiteten Bezeichnung  Culhua,  wurde  Peru  den  Europäern  zuerst  in 
einer  an  die  Chincha  angeschlossenen  Bezeichnung  bekannt,  die  sich 
bei    den    Inca    zur    Nennung    ihrer    nördlichen    Provinz,  als 


188  PERU  UNI)   ECUADOR. 

Chincha-suyu  erweitert  hatte.  Pizarro  suchte  auf  seiner  ersten  Reise 
vorzudringen  bis  Chinchama,„develck  een  landt  isnietverre  van  Panama." 
Früher  hatte  er  Caspar  de  Morales  auf  seiner  Entdeckungsfahrt  begleitet 
bei  dem  Besuche  des  Flusse's,  wo  der  Cacique  Biru  oder  Biruquete 
angetroffen  wurde.  Von  all  diesen  Ländern  am  australischen  Meere 
hatte  Baiboa  im  Namen  der  spanischen  Monarchen  Besitz  ergriffen, 
„so  lange  die  Welt  dauere  und  bis  zum  jüngsten  Gericht  aller  sterb- 
lichen Geschlechter." 

In  Caiiete  wurde  der  erste  Weizen  angepflanzt,  der  durch  Dona 
Maria  Escobar  (1540)  in  Lima  eingeführt  und  unter  die  Colonisten 
vertheilt  war.  Don  Francisco  Carabantes  brachte  den  Weinstock  aus 
den  Canarien  (s.  Cordova)  und  Don  Antonio  de  Rivera  Ableger  der 
Olive  aus  Sevilla,  die  er  in  einem  ummauerten  Garten  bei  Lima  pflanzte 
und  durch  eine  eigends  dafür  bestimmte  Wache  von  Negern  hüten 
Hess.  Dennoch  war  in  einer  Nacht  einer  der  Schösslinge  verschwunden, 
und  wie  sich  später  ergab,  nach  Chile  gebracht  worden,  stellte  sich  aber 
nach  einiger  Zeit  wieder  auf  dem  ursprünglichen  Besitzthum  ein,  als  in 
einer  Veröffentlichung,  die  durch  alle  Provinzen  circulirte,  die  Rückgabe 
des  Gestohlenen  bei  Strafe  der  Excommunication  anbefohlen  wurde. 

In  Quito  wurde  Getreide  zuerst  durch  den  Mönch  Rixo^)  aus- 
gesäet,  und  der  Topf,  worin  es  gebracht  war,  in  dem  dortigen  Francis- 
canerkloster  aufbewahrt,  wohl  eine  der  verehrungswürdigsten  Reliquien, 
die  die  Kirche  je  aufzuweisen  hatte,  da  sie  doch  wenigstens  eine 
Bedeutung  hat,  und  zwar  eine  eminent  practische.  Jedenfalls  würde 
ich  sie  für  meine  Person  dem  Blutbehälter  des  heiligen  Stephan,  den 
Speuss-Kasten  und  sonstigen  Reliquarien  vorziehen. 

Am  nächsten  Morgen  fuhr  ich  nach  Tambo  del  Morro  in  dem 
Omnibus  zurück,  einem  nicht  gerade  in  elastischen  Federn  hängenden 
Stuhlwagen,  der  bei  dem  Rütteln  auf  dem  unebenen  Wege  Stösse 
^nach  allen  Richtungen  versetzte  und  die  eng  zusammengepferchten 
Passagiere  über  einander  warf.  Die  Erfahreneren  kannten  bereits  die 
halbrechenden  Stellen  des  Weges,  und  riefen  bei  Annäherung  ah  die- 
selben ihre  Warnung  aus,  so  dass  man  sich  bei  halbschwebendem 
Anhängen  an  Decken  oder  Wände  des  Kasten's  in  solche  Position 
setzen  konnte,  dass  der  Stoss  weniger  lebensgefährlich  verlief. 

Bei  der  Einschiffung  am  Tambo  del  Morro  war  die  Dünung 
wilder,    als  am  Tage  zuvor,    und    die  Abfahrt  erforderte  besondere 


*)  The  vase  is  still  shown  in  which  Father  Rixi  brought  the  first  whcat  from  Europe, 
it  was  sown  in  what  is  now  the  San  Francisco  Plaza ,  the  chief  market  -  place  of  the 
city  (Orton).    • 


BRANDUNG.  189 

Vorsicht.  Trotzdem  wurden  wir  innerhalb  der  Brandung  einige  Male 
von  den  Wellen  überschüttet,  so  dass  ich  nass  an  Kleidern  und  Ge- 
päck an  Bord  des  Dampfers  gelangte  und  dort  dem  Stewart  die 
Sachen  zum  Trocknen  übergeben  musste.  Noch  schlimmer  erging 
es  dem  Passagier  eines  zweiten  Bootes,  der  von  der  rollenden  See 
in  Schrecken  gesetzt,  so  eiligst  die  Treppe  des  Dampfer's  hinauf- 
kletterte, dass  ihm  dabei  seine  Seitentasche  in's  Meer  fiel,  die  der 
Angabe  nach  circa  30,000  Pesos  enthielt.  Auf  die  versprochene  Be- 
lohnung begannen  längs  des  Schiffes  Haak -Versuche,  die  bei  dem 
steten  Wechsel  der  Position  und  der  Tiefe  des  Wassers  eigentlich 
hoffnungslos  schienen,  aber,  als  mit  Eifer  fortgesetzt,  schliesslich 
doch  den  versunkenen  Schatz  heraufförderten.  Die  Matrosen  be- 
anspruchten aber  jetzt  die  Procente  der  Salvage,  und  als  nur  der  ver- 
sprochene Preis  von  50  Pesos  ausgezahlt  wurde,  warf  der  Finder, 
ohne  sie  eines  Blickes  zu  würdigen,  die  Handvoll  Scheine  über  Bord. 
Im  gleichen  Augenblick  sprangen  von  allen  Seiten  die  Bootleute  und 
die  auf  den  Verkaufsböten  befindlichen  Jungen  ins  Wasser,  um  aufzu- 
fischen, was  oben  schwamm,  während  der  Eigenthümer,  um  sich 
dem  auf  Deck  ausbrechenden  Tumult  zu  entziehen,  in  das  Boot,  das 
ihn  gebracht  hatte,  zurückeilte,  und  nun  zwar  auf  der  Rückfahrt  zum 
zweiten  Mal  die  Gefahr  der  Brandung  zu  passiren  hatte. 

Bei  der  Einschiffung  in  den  der  Dünung  ausgesetzten  Küsten- 
plätzen wird  man  meist  auf  dem  Rücken  (oder  den  Schultern)  eines 
Negers  an  die  ausserhalb  der  Strandbrecher  gehaltenen  Böte  ge- 
tragen, und  die  Mannschaft  dieser  beobachtet  dann  die,  in  periodischer 
Dreizahl  gewöhnlich,  einrollenden  Wogen,  um  eine  günstige  Gelegen- 
heit zu  benutzen,  damit  der  Punkt,  wo  sie  beim  Aufstossen  am 
Meeresgrund  zu  branden  beginnen,  rasch  passirt  werde,  ehe  die 
nachfolgende  Schwellung  das  (dann  dem  Umwerfen  ausgesetzte  Boot) 
erfasst.  Ebenso  wird  bei  der  Landungsfahrt,  im  Meer  am  Aussenrande 
der  Brandung,  ein  günstiger  Zeitpunkt  abgewartet,  ehe  sich  die  Boots- 
leute hineinwagen. 

Am  nächsten  Tage  war  ich  in  Callao  und  bald  darauf  in  Lima 
zurück,  wo  in  den  freundlich  zur  Disposition  gestellten  Magazin- 
räumen der  Herren  Gildemeister  &  Co.  die  Verpackung  der  soweit 
gesammelten  Gegenstände  vorgenommen  werden  konnte,  während 
ich  zugleich  die  Zeit  benutzte,  um  mit  einigen  der  Privatsammler 
Rücksprache  über  etwaigen  späteren  Doubletten-Austausch  zu  treffen. 
Auch  mit  der  zur  Förderung  der  Künste  niedergesetzten  Commission, 
wurde  ein  Uebereinkommen  getroffen,  und  der  Kaiserliche  Minister- 


190  PERU  UNI)   ECUADOR. 

Resident,  Herr  Dr.  Luerssen,  hatte  die  Güte,  die  Fortführung  dieser 
Verhandlungen  zu  übernehmen.  Auch  wurde  ich  durch  ihn  mit  ver- 
schiedenen Pepsönh'chkeiten  bekannt,  die  in  einer  oder  andern  Weise 
mit  den  Zwecken  meiner  Reise  in  Beziehung  treten  konnten,  folgte 
auch  mitunter  den  ergangenen  Einladungen,  ohne  indess  mit  den 
gesellschaftlichen  Verhältnissen  in  nähere  Berührung  zu  kommen. 

Hinsichtlich  der  Demoralisation  in  Lima  ist  viel  geschrieben  worden, 
und  liegt  sie  so  sehr  in  den  financiell  anomalen  Verhältnissen  dieser 
Stadt  begründet,  dass  bei  den  davon  Ergriffenen  zum  Theil  mildernde 
Umstände  mitwalten  dürften,  und  denen,  die  sich  frei  gehalten,  um 
so  grössere  Ehre  gebührt.  Ueber  die  sittliche  Corruption  zu  ur- 
theilen,  muss  längerer  Erfahrung  überlassen  bleiben,  da  mir  weder 
meine  kurze  Zeit  noch  meine  Neigung  erlaubt^,  genaueren  Einblick 
in  diese  ephemer  socialen  Verhältnisse  zu  suchen.  Soweit  meine 
eigene  Bekanntschaft  geht,  würde  ich  jede  Verdächtigung  der  Damen 
in  Lima  für  ebenso  ungerechtfertigt  halten,  wie  in  der  alten  Welt, 
aber  vielleicht  sind  sie  auch  im  Allgemeinen  besser  als  ihr  Ruf,  und 
das  Zweifelhafte  desselben  mehr  einer  Reminiscenz  aus  der  koketti- 
schen Tracht*)  der  Saya  und  Manta  zuzuschreiben.  Inwiefern  sich 
bei  der  raschen  Durchreise  des  Inneren  das  eheliche  Leben  zu  be- 
obachten Gelegenheit  bot,  war  gerade  den  Frauen  jede  Achtung  zu 
zollen,  indem  sie  in  der  Stille  ihrer  häuslichen  Wirthschaftlichkeit 
lebten,  und  dennoch,  von  ihrer  Zurückgezogenheit  aus,  das  ganze 
Familienwesen  zu  ordnen  und  zu  lenken  schienen.  Stevenson,  dem  sein 
langer  Aufenthalt  in  Peru  ein  gutes  Recht  zur  Beurtheilung  seiner 
Zeit  sichert,  erklärt,  „that  conjugal  and  paternal  affection,  filial  piety, 
beneficence,  generosity,  good  nature  and  hospitality  are  the  inmates 
of  almost  every  house "  (in  Lima). 

Die  Frau  repräsentirt  die  stabilere,  die  passive  und  weniger  zu 
activer  Thätigkeit  geneigte  Hälfte  der  Gesellschaft,  und  wie  Cicero 
zutreffend  beobachtet  hatte,  dass  sich  altvaterische  Redensarten  länger 
im  Munde  der  Frauen  erhalten,  so  auch  bei  ihnen  Reminiscenzen  in 
Sitten  und  Gebräuchen  der  guten  alten  Zeit.  Während  eines  Sta- 
diums der  Verkümmerung,  eines  Sinken's  des  Socialzustandes  ge- 
winnen sie  deshalb  an  Präponderanz^)  über  ihre  in  haltloser  Depra- 
vation  zusammenbrechenden  Gefährten    männUcher  Seite,    und  üben 


')  Die  Tracht  der  Tapadas  wurde  in  Spanien  seit  1586  durch  verschiedene  Edicte 
verboten   (weil  Liebesabenthcuer  begünstigend),  erhielt  sich  jedoch  in  den  Colonien. 

')  The  ladies  of  Lima,  who  are  certainly  a  superior  race  of  beings  to  the  males, 
are  in  this  cily^of  vice  and  enervation  the  principal  actoi^  (s.  Procter). 


AMAZONEN.  191 

dann  oft,  wenn  auch  hinter  den  Coulissen  verbleibend,  einen  heil- 
samen Einfluss  auf  die  Verkehrsstimmung  aus,  weil  den  raschen  Nieder- 
gang verzögernd,  so  dass  Zeit  und  Gelegenheit  gegeben  ist  zu  neuer 
Sammlung  und  Vorbereitung  zu  Reformen.  Dass  in  ganz  America 
das  weibliche  Geschlecht  eine  gewisse  Hegemonie  beansprucht,  ist 
leicht  ersichtlich,  und  obwohl  sich  dieselbe  in  den  anglosächsischcn 
Ländern  Nordamerica's  aus  den  bereits  zu  Tage  getretenen  Wir- 
kungen keineswegs  wünschenswerth ,  oder  gar  empfehlenswerth  be- 
weist, sondern  dort  vielmehr  baldigste  Beschneidung  erheischen 
wird,  so  verdient  sie  dagegen  in  den  romanischen  Colonien  diejenige 
Pflege,  die  sie,  in  Folge  ihrer  Superiorität  eben,  auch  bereits  empfängt. 

Bereits  vor  der  europäischen  Einwanderung  fanden  sich  manche 
Züge  eines  Mutterrechtes  in  verschiedenen  Theilen  America  s,  auch 
in  den  nördlichen  vielfach  hervortretend,  besonders  deutlich  aber  in 
den  südlichen  und  dort  durch  mythisch  -  traditionelle  Ausmalungen 
erweitert. 

Seit  Orellana  bei  seiner  Entdeckungsfahrt  auf  dem  Süsswasser- 
mcer  Südamerica's  von  den  mit  dem  Häuptling  Apuria  kämpfenden 
Coniapuyara  (hohen  Damen)  gehört,  und  der  Maranon  mit  dem  Namen 
des  Amazonas  auftrat,  wurde  der  Glaube  an  das  Weiberland  befestigt 
bei  der  Besetzung  des  Hochlandes  Cundinamarca,  wo  sich  bis  zur 
spanischen  Zeit  gynaikokratische  Vorrechte  erhalten  hatten. 

In  Bogota  hörte*)  Quesada  von  der  Frauen  -  Nation  (der  Ama- 
zonen), wo  die  Sklaven  nur  bis  zum  Schwängern  behalten  und  die  Söhne 
den  Vätern  zurückgeschickt  wurden  (s.  Oviedo).  Dagegen  wären  die 
Töchter  behalten  und  grossgezogen  worden. 

Zur  Aufsuchung  dieses  jenseits  des  Gebirgskammes  gelegenen 
Landes  entsendete  er  seinen  Bruder  zunächst  nach  dem  Gebiet  von 
Menza,  wo  der  viel  besprochene  Tempel  der  Sonne  stand.  Doch 
hatte  die  Expedition  unverrichteter  Sache  zurückzukehren,  da  ihr  die 
hohen  Berge,  wie  Antonio  de  Lebrixa  bemerkt,  den  Weg  verlegten, 
so  dass  sie  nicht  an  ihr  Ziel  gelangen  konnte.  Indess  erhält  auf  Feder- 
mann's  Zuge  das  Thal  von  Vararida  die  Bezeichnung:  El  valle  de 
las  Damas,  „welches  zu  teutsch  das  frawen  thal  gchaissen  ist"  (Kiflf 
haber). ' 

Als  Rio  de  las  mugeres,    von  Frauen  umwohnt,    wird  zu   Guz- 


')  De  Ulla  nascion  de  mugeres  (s.  Oviedo)  que  de  eiert os  csclavos  que  compran  se 
empreflan  (und  den  Sohn  dem  nach  dem  Beischlaf  losgelassenen  Vater  schicken,  die 
Tochter  aufziehen).  Die  Mugeres  amagonas  (am  Rio  de  Santa  Martha)  wurden  regiert 
per  una  mager  sefiora  (Jaravita  genannt). 


192  PERU  UNI)   ECUADOR. 

mans  Zeit  der  Fbss  Zapuatlan  genannt  (s.  Herrera),  und  Ribeiro 
hörte  (1541)  von  den  Amazonen  bei  den  Urtuses,  Baraza  bei  den 
Tapacures,  Condamine,  vom  Häuptling  Pacorilha  unterrichtet,  am 
Cuchivara,  und  fand  er  unter  den  Topayos  die  grünen  Steine,  die 
von  der  Mündung  des  Cayame,  dem  Sitz  der  Amazonen,  gekommen. 
Die  Königin  der  Amazonen  wurde  Quabimilla  genannt,  quod 
ipsorum  lingua  aureum  caelum  significat  (s.  Apollonius)  oder  Jarativa 
(zu  Perez  Zeit)  und  (nach  Oviedo)  herrschte  die  Amazonenfürstin 
Conori  am  Maranon  über  die  Caciquen  Rapio,  Toronoy,  Yag^uarayo, 
Topayo,  Quenyuco  und  Chipayo.  Nach  Gomara  war  die  Insel  jener 
Amazonenkönigin  Guanomilla  (cielo  de  oro)  oder  Quabimilla  dem 
Häuptling  Leuchen  Golma  in  Chile  unterworfen.  Von  St.  Miguel  de 
Neveri  bis  zum  Wohnsitz  des  Caciquen  Chapachauru  in  Temeurem 
finden  sich  an  der  Küste  viele  Plätze*)  unter  Herrschaft  von  weib- 
lichen Häuptlingen  (besonders  der  einer  von  Frauen  bedienten  Oro- 
comay)  zur  Zeit  Hieronymo  DortaFs  (bei  Paria).  Ein  weiblicher 
Häuptling  (oder  eine  Cazika)  wurde  1534  am  Flusse  Zenu  angetroffen. 

Dicen  que  ai  tierra,  donde  las  mugercs  reinan  y  mandan,  schreibt 
Gomara  von  den  Chibchas. 

Schmidel  erzählt  Ausführliches  von  den  Gold-  und  Silbersachen 
des  Königs  der  Scherves  am  Rio  Parabol,  welche  als  Beute  aus  den 
Kriegen  mit  den  Amazonen  heimgebracht  wären,  und  diese  mit  dem 
Reiche  des  Königs  Jegnes  benachbarten  Amazonen  sollten  sich  die 
rechte  Brust  abbrennen  und  einige  Male  im  Jahre  von  ihren  Gatten 
besucht  werden. 

Als  solch  glücklich  Bevorzugte  werden  bei  Acuna  die  Guacosis 
oder  Guacaras  (am  Cunuris)  namhaft  gemacht,  bei  Gilij  die  Vokearas, 
die  mit  den,  Aikeambenanoes  genannten,  Amazonen  verkehrten,  bei 
Van  Heuvel  die  Caraiben  am  Mariwin,  und  auch  Columbus  hatte  an 
der  Bay  von  Samana  über  die  östlich  wohnenden  Caraiben  gehört, 
von  welchen  die  Frauen  der  Insel  Matinino  regelmässige  Besuche 
empfingen. 

Gonzalo  Lopez  wollte  im  Dorfe  Ciguatan  (in  Xalisco)  Frauen 
gefunden  haben,  die,  als  Amazonen,  alle  vier  Monate  zum  Ge- 
schwängertwerden von  den  Jünglingen  der  Umgegend  besucht  wür- 
den,   und    dass    sie,    als  Erwiederung    der    bewiesenen    Gunstbezeu- 


*)  Donde  las  mugeres  eran  reynas  6  cacicas  y  seftoras  absolutas,  y  mandan  y  gobier- 
naii  y  no  sus  maridos,  aunque  los  tengan  (s.  Oviedo).  Die  weissen  Frauen,  die  am 
Meeresarm  wohnten  (bei  Aztatlan)  wurden  als  Göttinnen  angesehen  (nach  Guzman). 


WAFKENHANDWERK.  193 

gungen,  die  Felder  während  ihrer  Anwesenheit  zu  bestellen,  auch 
später  die  etwa  geborenen  Knaben,  wenn  ihnen  zugeschickt,  bei  sich 
aufzunehmen  hatten,  wogegen  die  Töchter  ihre  Erziehung  bei  den 
Müttern  fanden  (s.  Oviedo). 

Nach  den  Tapacuras  wohnten  die  Amazonen  östlich  von  Moxos 
(s.  Bazane),  aber  die  Erkundigungen  Raleigh's,  welcher  anfangs  die 
Amazonen  südlich  vom  Maranon  in  Tobago  placirte,  führten  sie  später 
nach  Guayana,  wo  die  Urisan  oder  Amazonen  mit  den  Querin  gren- 
zen sollten  (s.  Glenn).  Gilij  hörte  bei  den  Tamanaken  von  den 
Aikeam  benano  (den  allein  lebenden  Frauen)  und  nach  den  Macusi 
wohnten  die  Amazonen  an  der  Quelle  des  Mazeruni.  Im  Jahre  1726 
werden  sie  am  Iriyo  bei  Para  angetroffen. 

Die  Cunhaetä  imenu  eyma  (Frauen  ohne  Männer)  finden  sich 
nach  der  Quelle  des  Rio  Nhamunda  (im  Gebirge  Icamaba  oder  Ica- 
mava)  verlegt,  und  (noch  von  Martins)  werden  die  Ycamiaba  oder 
Amazonen  am  Rio  Nhamunda,  wo  Orellana  mit  ihnen  kämpfte,  zu  der 
Horde  der  Sorimao  unter  den  Omaguas  gerechnet. 

In  der  Hauptsache  reduciren  sich  die  Amazonensagen  auf  die 
Theilnahme  der  Frauen  an  dem  Waffenhandwerk  der  Männer  bei 
kriegerischen  Horden,  mitunter  wird  ihnen  aber,  gewissermassen  in 
einer  Art  Gegensatz  zu  den  Frauenmännem,  die  überall  in  Nord- 
und  Südamerika  mit  einem  Anstrich  von  Heiligkeit  bekleidet  erschei- 
nen, der  Character  voa  Männerfrauen  beigelegt,  in  mehr  neutraler 
Geschlechtslosigkeit.  So  sagt  Herrera,  dass  sich  unter  den  Indianern 
Brasilien's  Frauen  finden,  die  das  Gelübde  der  Keuschheit  übernom- 
men hätten,  und  als  Männer  gekleidet  in  den  Krieg  zögen,  und  (nach 
Oviedo)  war  in  Nao  oder  Zamba^)  (bei  Cartagena  oder  Caramari)  der 
Brauch  anerkannt,  dass  unverheirathete  Frauen,  die  ihre  Keuschheit 
zu  bewahren  wünschten,  Bogen  und  Pfeil  aufnahmen  und  dann  die 
Männer  auf  ihren  Kriegszügen  begleiteten. 

In  Zeiten  der  Noth  ergriffen  auch  die  verheiratheten  Frauen 
die  Waffen,  um  sich  in  Reih  und  Glied  zu  stellen,  wie  gegen  Hojeda 
(1509),  gegen  Benalcazar  in  Quito,  in  Cumana  und  bei  Tupis  (s.  Her- 
rera) oder  gegen  Soto  bei  Tula  in  Florida,  wo  auch  in  Mavila,  dem 
Sitz  des  mit  Cofa  kämpfenden  Caziken  Tascaluya,  Frauen  und 
Männer  in  Kampfgenossenschaft  lebten. 


*)  In  Nao  oder  Zamba  (zu  Pedro  de  Heredia's  Zeit)  acostumbran  las  mugeres,  que 
no  quieren  casarse,  traer  arco  (t  flechas  como  los  Indios,  e  van  ä  la  guerra  con  ellos  6 
guardan  castidad  (Oviedo).  In  den  chinesischen  Berichten  grenzt  das  Frauenland  mit  Fusang. 

Bastian:  America.  J.  1«^ 


194  PERU  UND   ECUADOR. 

Belligerant  haucl  secus  ac  viri  bemerkt  De  Laet  von  den  J'rauen 
der  Waytaquases  am  Cap  Frio. 

Als  Guzman  nach  dem  Pueblo  de  Ziguatlan  gelangte,  „no  se 
hallo  sino  mujeres,  y  muy  poco  ö  casi  ningun  varon,"  und  da  die 
Frauen  bei  der  Abwesenheit  ihrer  Männer  auf  einem  Kriegszuge 
bereit  gewesen  sein  würden,  persönlich  Haus  und  Heerd  zu  verthei- 
digen,  so  war  der  Name  der  Amazonenstadt  bald  fertig. 

Hierfür  gilt  also  Thevenot's  Ausspruch:  „II  n'en  est  rien"  mit  den 
Redereien  von  Amazonen  am  Maranon,  wo  sich  die  Frauen  in  Ab- 
wesenheit ihrer  Männer  auf  dem  Fischfang  gegen  die  Angriffe  von 
Flusspiraten  zu  wehren  pflegten  (wie  es  anderswo  ebenso  geschehen 
würde,  so  lange  der  wilde  Zustand  noch  keine  Nervositäten  zuge- 
lassen hat). 

Nach  Ciguaton  oder  dem  Lande  der  Frauen  (m  Lopez  Zeit) 
kamen  die  Jünglinge  der  Umgegend  „quatro  meses  del  ano  ä  dormir 
con  ellas,'  aber  Oviedo  hörte  später  von  Nuno  de  Guzman:  „ques  muy 
grand  mentira  degir  que  son  amagonas." 

Dass  diese  Mythen  in  den  socialen  Verhältnissen  Südamerika\s 
einen  natürlicheren  Boden  fanden  als  anderswo,  zeigt,  (wenn  auch 
manche  Züge  von  den  Spaniern  aus  ihren  Schulerinnerungen  hin- 
sichtlich der  pontischen  Amazonen  übertragen  sind)  ihr  Wurzeln 
auf  einheimischer  Grundlage  aus  den  altperuanischen  Traditionen. 

Schon  Zapalla,  der  Gegner  des  kriegerischen  Cari  von  Coquimbo, 
bekämpft  im  Collao  die  Amazonen,  schon  vor  den  Inca,  aber  zur  Zeit 
des  Frieden  stiftenden  Viracocha,  und  der  später  geschichtliche 
Viracocha  schickt  von  Loxa  aus  eine  Expedition  zu  den  Cofanes, 
um  das  Land  der  mit  den  Männern  kämpfenden  Frauen  aufzu- 
suchen. 

Auf  dem  Feldzuge  gegen  Caravaya  (s.  Salcaymahua)  war  es 
Tupac-Inca-Yupanqui  beschieden  (gleich  einem  zweiten  Iskander)  an 
die  Grenzen  des  Frauenlandes  Huarmi-Auca  zu  gelangen  und  auf 
den  beschwerlichen  Wegen  der  Andes  bauten  in  Escay-oyas  Affen 
Rankenbrücken  über  die  Flüsse,  wie  Hanuman  und  seine  Gesellen 
die  Brücke  über  den  Meeresarm  für  Rama. 

Als  die  durch  die  Frauen  der  Quillaca  in  Harmi  -  Pucara 
(Frauenfestung)  besiegten  Quichua  von  den  Collas  bedrängt  wurden, 
erlitten  diese  eine  Niederlage  gegen  Tapac-Inca-Yupanqui,  und  Chuchi- 
Capac  mit  seinen  Häuptlingen  flüchtete  unter  Frauenverkleidung  in 
die  Provinz  der  Lupacas,    wo  sie  indess  (gleich  den  Huaca  von  Inti 


UNIVERSITÄT.  195 

u.  A.  m.)  in  die  Gefangenschaft  der  Inca  fielen  und  in  den  See  von 
Urcos  geworfen  wurden  (s.  Santa  Cruz). 

Bei  Almagro's  Expedition  nach  Chili  erzählten  die  Indianer  von 
einem  Flusslande,  dass  nur  von  Frauen  bewohnt  würde  (nach  Zarate). 
Sie  duldeten  keine  Männer  unter  sich,  ausser  zu  gewissen  Zeiten,  um 
Kinder  von  ihnen  zu  empfangen.  Brächten  sie  Söhne ^)  zur  Welt,  so 
schickten  sie  dieselben  ihren  Vätern  zu.  Die  Mädchen  dagegen  be- 
hielten sie  bei  sich,  um  sie  zu  erziehen.  Sie  würden  von  einer  Kö- 
nigin, die  den  Namen  Gabaymilla  (Goldhimmel)  führe,  regiert  und 
ständen  unter  der  Oberhoheit  eines  benachbarten  Fürsten  (s.  Külb). 
Orellana  erfuhr  von  den  Indianern  am  Maranon,  dass  einige  Tage- 
reisen weiter  ein  Land  sich  befände,  das  nur  von  Weibern  bewohnt 
werde.  Sie  verständen  es  trefflich  Krieg  zu  führen  und  vertheidigten 
sich  tapfer  gegen  ihre  Nachbaren  (Zarate). 

In  Yucatan^)  hörte  Grijalva  (nach  Peter  Martyr)  von  Amazonen, 
„que  havia  Amagonas  en  ciertas  islas"  (s.  Gomara),  und  Cordova  kam 
(15 17)  von  Cuba  aus  nach  der  Isla  de  Mugeres  mit  vielen  Götzen 
„de  las  diosas  de  aquella  tierra,  como  Aixchel,  Ixchebeliax,  Ixbuni^, 
Ixbunieta"  (s.  Landa).  In  dem  „Punta  de  las  Mugeres"  genannten  Vor- 
gebirge Yucatan's  fanden  die  Spanier,  wie  Garcia  erzählt:  „muchos 
idolos,  que  parecian  mugeres." 

In  Colima  soll  Sandoval  von  den  Amazonen  in  Civatlan  gehört 
haben  (s.  Gomara),  aber  nach  Herrera  war  es  nur  die  Uebersetzung 
dieses  Namens  Civatlan  oder  Cuatlan  (lugar  de  mugeres),  welche 
Anlass  gegeben  habe  zu  den  über  eine  reiche  Amazonen-Insel  jen- 
seits Yucatan  umlaufenden  Erzählungen.  , 

Guzman  vermuthete  die  Amazonen  jenseits  Azatlan  (1530),  wäre 
indess  (nach  Samano)  auf  dem  Feldzuge  gegen  die  Teuler  Chichi- 
mecas  nach  dem  „Pueblo  de  las  Amazonas"  gekommen,  zwischen  Tepic 
und  Culiacan    gelegen    (wo    es  also    die  Liebhaber  suchen  könnten). 


Bei  einem  Besuche  Professor  Raimondi's,  der  damals  an  seinem 
Werke  über  Peru  arbeitete,  hatte  ich  Gelegenheit  die  Universität  zu 
sehen,  in  deren  Nähe  er  lebt.  An  demselben  Platz  mit  Bolivar's, 
in  München  (gleich  der  Bogota's)  gegossenen,  Bronzestatue  lag  das 

')  Im  Haine  Anua  oder  Frauenland  (auf  Neu-Guinea)  sollen  (nach  M'Farlanc)  die 
geborenen  Knaben  getödtet  werden.  Solo  tienen  un  pecho  (die  Amazonen  «südlich  vom 
Marafion). 

')  Punta  y  islas  de  Mugeres  y  Amagona;;  (bei  Cozumel)  wurden  so  genannt,  porque 
vieron  que  estas  mugeres  destas  islas  ques  dicho ,  eran  todas  ellas  flecheras  y  pelean  con 
arcos,  assi  como  los  indios  (s.  Ovicdo). 

13* 


196  PERU   UNI)   ECUADOR. 

frühere  Gebäude  der  Inquisicion,  das  den  Namen  gab,  der  jetzt  in 
Plaza  de  la  Independencia  geändert  ist. 

Man  hat  mit  Recht  behauptet,  dass  die  spanische  Inquisition*) 
besonders  durch  den  Staat  ausgenutzt  wurde,  und  dass  sie  insofern 
zum  Theil  den  Character  eines  Staats  instituts  trug.  Aber  auch  als 
solches  war  sie  einzig  und  allein  unter  den  kirchlichen  Lehren  mög- 
lich, und  wenn  die  Päpste  nachher  mitunter  in  Opposition  standen, 
bezog  sich  das  nur  auf  die  befürchtete  Beschränkung  ihrer  eigenen 
Macht  durch  einen  mächtigen  Rivalen,  und  also  auf  Streitigkeiten 
innerhalb  der  Kirche,  so  dass  diese  immer  die  ganze  Verantwortung 
für  solchen  Schandfleck  der  Civilisation  zu  tragen  haben  würde, 
einen  doppelt  schändlichen,  da  eine  edle  und  begabte  Nation  dadurch 
veranlasst  wurde,  sich  das  Grab  eigener  Erniedrigung  zu  graben. 

Jedoch  besass  dieses  finstere  Gerichtstribunal  immerhin  durch 
seinen  Reflex  auf  die  Atmosphäre  leichtfertiger  Umgebung  eine  Art 
sittlichen  Hintergrund  und  war  dort  Angriffen  ausgesetzt,  weil  man- 
chen Ausschweifungen  (der  Geistlichkeit  selbst)  dadurch  ein  Zügel 
angelegt  wurde. 

Si  no  fuera  por  la  inquisicion,  el  confesionario  seria  un  burdel 
(sagt  Villanueva).  Die  Mönche  führten  in  Südamerika  (wie  Hamilton  be- 
merkt) „as  dissolute  a  hfe  in  the  new  world  as  in  the  old.  A  fcw  years 
before  a  dominican  friar  seduced  seven  young  girls  at  Bogota,  to 
whom  he  acted  as  father  confessor.  They  were  all  pregnant  nearly 
at  the  same  time."  Auf  Klage  der  Verwandten  durch  die  Inquisition 
nach  Spanien  geschickt,  wusste  er  sich  durch  Bestechungen  zu  recht- 
fertigen   und    konnte    nach  einem  Kloster  Cartagena's  zurückkehren, 


*)  Neben  dem  römischen  Slrafprozess ,  der  auf  dem  Prinzip  der  Anklage  gegründet 
war,  fiihrte  Innocenz  III.  («J*  12 16)  den  inquisitorischen  oder  Untersuchungsprozess  (bei 
Zunahme  der  Ketzer,  wie  Waldenser,  Albigenser  u.  s.  w.)  ein,  woraus  sich  unter  Bestä- 
tigung Sixtus'  IV.  die  spanische  Staatsinquisition,  besonders  durch  die  Anusim  oder  Ma- 
ranatha  (Maranos)  als  Xuevos  Chrislianos  oder  verkappte  Juden  veranlasst,  herausbil- 
dete (1478).  Der  15 16  mit  Juan  Quevedo  durch  Ferdinand  V.  in  Amerika  vorbereiteten 
Inquisition  wurde  durch  Carl  V.  verboten,  die  getauften  Indianer  wegen  Haeresie  zu  ver- 
folgen (1538).  Desto  ärger  wtithete  man  aber  gegen  die  weissen  Ketzer.  Bischof 
Loaysa  in  Lima  hielt  bereits  im  Voraus  drei  Auto-da-f(6  ab,  ehe  noch  das  Inquisiüons- 
tribunal  in  Peru  aufgeschlagen  war  (1569),  und  sein  erstes  Auto-da-f6  wurde  1573  durch 
die  Verbrennung  eines  französischen  Haeretikers  eingeweiht.  La  inquisicion  vino  cn  157 1, 
y  ya  en  1574  hubo  (en  Mejico)  un  auto  de  f^,  en  que  fueron  quemadas  cinco  personas 
(Pimentel),  ohne  die  Verfolgung  der  noch  heidnischen  Indianer.  Die  Geistlichen  sind  all- 
mächtig in  Amerika  (bemerkt  Coreal),  ,,de  sorte  que  la  plus  grande  h^resie  et  la  plus 
digne  du  feu,  c'est  de  contredire  leur  volonte  et  de  s'opposer  h.  leur  scntiraens  et  ä  leur 
passions.  Ce  qui  regarde  les  dölmuches  n'est  qu'une  bagatelle.  II  est  facile  d'en  avoir 
rabsolution"  (1666). 


INQUISITION.  197 

indem  die  Kirche  absolvirte,  wo  das,  wenigstens  halb- weltliche  Ge- 
richt der  Inquisition  verurtheilt  hatte,  und  ein  ganz  weltliches  auf 
das  Strengste  gestraft  haben  würde. 

Als  auch  die  „Iglesias  de  Ultramar"  mit  dem  Institut  der  Inqui- 
sition beglückt  wurden,  sahen  sich  die  Indianer  eine  Zeit  lang  von 
dieser  Wohlthat  ausgeschlossen,  weil  sie  als  Unmündige  betrachtet 
wurden,  und  nicht  einmal  des  Verbrennens  werth. 

Philipp  IL  setzt  1571  Inquisitions-Tribunale  ein,  in  Lima,  Mexico 
und  Carthagena.  Bald  darauf  erhielt  auch  die  Flotte  ihre  besondere 
Inquisition  und  dann  folgte  die  des  Heeres.  Bei  dem  Autodafe  Lima's 
1639  wurden  aus  72  Verurtheilten  11  verbrannt  und  i  in  efiigie,  bei 
dem  von  Cuenca  (1654)  aus  57  Verurtheilten  10  dem  Feuertode  über- 
liefert. 

Das  erste  Autodafe  in  Mexico*),  bei  dem  einige  Franzosen  und  Eng- 
länder verbrannt  wurden  (1569),  ward  mit  solchem  Glanz  gefeiert, 
dass  nur  die  Gegenwart  des  Hofes  fehlte,  wie  man  meinte,  um  dem 
in  Valladolid  1559  gleich  zu  kommen  (s.  Llorente). 

Während  des  Unabhängigkeitskrieges  brach  das  Tribunal  vor  der 
Volksrache  zusammen,  aber  Tschudi  lernte  noch  1842  in  Lima  einen 
bejahrten  Krüppel  kennen,  den  die  Inquisition  in  seinen  jungen  Jah- 
ren auf  die  Folter  gespannt  und  alle  Gelenke  im  Körper  ver- 
renkt hatte. 

Der  während  der  schönen  Tage  der  Guano  Ausbeutung  und  der, 
im  Vertrauen  auf  sie  und  die  Silberminen  durch  unumschränkten  Cre- 
dit ermöglichten,  Geldanleihen  in  der  vom  Fett  des  Landes  und 
seiner  Hoffnungen  genährten  Hauptstadt  zusammenströmende  Geld- 
überfluss  hat  in  Lima  mancherlei  Verschönerungen  in  Spaziergängen 
und  anderen  Belustigungsplätzen  hervorgerufen,  sowie  auch  hygie- 
nische Verbesserungen,  obwohl  die  letzteren  in  geringerem  Mass- 
stabe, als  wünsch enswerth  wäre,  und  oft  nicht  ohne  Opposition^)  da- 


*)  Bei  dem  inexicanischen  Au(o-da-fe  1579  wurde  auch  der  irländische  Literat  Lamport 
verbrannt,  weil  seine  Schriften,  wie  es  in  der  Verurtheilung  heisst,  Dinge  enthielten,  die 
gegen  die  heilige  Inquisition  gerichtet  seien. 

')  Ehe  von  dem  Vice-König  Abascal  der  neue  Friedhof  ausserhalb  Lima's  angelegt 
war,  all  the  dead  were  buried  in  the  churches  or  rather  placed  in  vaults,  many  of  which 
had  wooden,  trap-doors,  opening  in  the  (loors,  and  notwithstanding  tHe  plentiful  use  of 
lime,  the  stench  and  othcr  disgusting  effects  were  sometimes  almost  insufferable  (s.  Steven- 
son). Aber  trotz  dieser  im  dortigen  Klima  doppelten  Gesundheitsschädlichkeiten  bedurfte 
es  bei  den  Bigotten  militärischen  Zwanges  zur  Einführung  der  Reform.  In  Leon  the 
practice  of  burying  in  the  churches  has  always  prevailed,  and  is  peri)etuated  thiough  the 
influence  of  the  priests,  who  derive  a  considerable  fee  from  each  burial.   The  consequence 


198  PERU  UND  ECUADOR. 

gegen.  Doch  werden  die  von  der  Natur  begabten  Bewohner  dieser 
Länder,  seit  sie  durch  die,  von  den  Republiken  decretirtc,  Auf- 
hebung der  Klöster  von  dem  schwersten  Alp  befreit  sind,  bald  un- 
behinderter im  Geiste  freier  Entwickelung  voranzuschreiten  beginnen. 

Das  literarische  Leben  in  Lima  verlief  sich  so  ziemlich  in  den 
Spalten  der  Zeitungen  und  blieb  der  Hauptsache  nach  auf  die  Tages- 
politik gerichtet.  Zur  Hebung  des  Unterrichts  hat  die  Republik 
Peru 's,  gleich  der  Columbiens,  fremde  Lehrer  eingeführt,  während  in 
Ecuador  die  Jesuiten  zurückberufen  sind,  deren  frühere  Wirksamkeit 
innerhalb  der  Missionen  in  Südamerika  noch  erinnerlich  bleibt  und 
als  ihre  Zeugen  an  manchen  Plätzen  umfangreiche  Ruinen  zurück- 
gelassen hat. 

Wie  weit  freilich  über  das  damals  erreichte  Niveau  weitere 
Früchte  zu  erwarten  gewesen,  bleibt  um  so  mehr  dahin  gestellt,  weil 
oft  schon  während  der  Anwesenheit  der  Gründer  der  V^erfall  eintrat. 

Dass  die  Vertreibung  der  Jesuiten  im  vorigen  Jahrhundert  grade 
für  Südamerica  von  tief  eingreifenden  Folgen  gewesen,  ist  bekannt 
und  vielleicht  lehrt  jetzt  ein  neues  Experiment,  welchen  Einfluss  ihre 
Restitution  haben  dürfte. 

Obwohl  die  Jesuiten,  als  dem  heiligen  Stuhl  geweihte  Streiter,  im 
speciellen  Dienste  des  Papstes  in  die  Welt  hinauszogen,  wurden  sie 
doch,  nach  einem  Jahrhundert  der  Probe  bald  diesem  selbst  unbequem. 
Ihre  Gefahr  für  jedes  (ob  politisches  oder  kirchliches)  Gemeinwesen 
lag  eben  darin,  dass  sie  einen  Staat  im  Staate  bildeten,  und  zwar  trat 
dies  um  so  bedenklicher  hervor,  weil  sie  durch  ihre  simulirte  Unter- 
ordnung unter  das  päpstliche  Regiment  das  weltliche  unterminiren 
mussten.  Als  geschlossen  organisirte  Phalanx  begannen  sie  bald 
überall,  mit  der  durch  ihre  Grundsätze  gestatteten  Unbedenklichkeit^) 
der  Mittel  wähl,  sich  Monopole  zu  schaffen,  für  die  geistigen  Inter- 
essen nicht  nur,  sondern  auch  für  die  wirthschaftlichen. 

Durch  die  gute  Verwaltung  und  grossen  Gewinne  der  Hacienda  „son 
los  padres  de  la  Compania  los  que  dan  la  ley  (in  Lima,  Quito  und  ande- 
ren Hauptstädten)  sobre  los  precios"  der  Verkaufsartikel  (schreibt  Ulloa). 


is,    that    the    ground    within    and    around    the   churches    has   become   (if  the  term  is  ad- 
missible)  saturated  with  the  dead  (Squier). 

*)  In  seinem' Briefe  über  ,,los  buenos  efectos  producidos  en  su  diöcesis  por  cl  e^trafia- 
niiento  de  los  Jesu itas"  schreibt  der  Bischof  von  Buenos  -  Ayres  (al  Conde  de  Aranda;: 
Se  han  encontrado  en  poder  de  los  Padres  los  aiitos  originales,  que  para  su  beatifica- 
cion  y  fidelidad,  dolosamente  formö  en  las  llamadas  Misiones  su  General  D.  Pedro  Ce- 
vallos,  violentando  y  aterrando  a  los  testigos  (aun  de  graduacion)  para  que  fimiasen  fal- 
samente  (1767). 


JE>UITEN.  IW 

Wenn  das  den  übrigen  Gesellschaftsklassen  zum  Stimulus  gedient 
hätte,  und  ebenso  ihr  unter  festerer  Aufsicht  geregelteres  Leben  den 
geistlichen  Orden,  so  würden  sie  in  diesen  Einzelnfallen,  wie  auch 
in  anderen  geschehen  ist,  anregend  haben  wirken  können,  obwohl 
die  Folgen  schliesslich,  als  immer  nur  der  egoistischen  Tendenz 
dienend,  verderblich  ausschlagen  und  desshalb  abgeschnitten  werden 
mussten,  wie  es  im  Consensus  der  Staatsgcsellschaften  im  vorigen  Jahr- 
hundert erkannt  worden. 

Bei  der  drohenden  Rückkehr  dieses  im  Geheimen  wirkenden 
Orden's  hat  man  nun  in  Südamerica  vielfach  geglaubt,  ihn  durch 
einen  andern  Geheimorden  bekämpfen  zu  müssen,  nämlich  den  der 
Freimaurer,  ein  sehr  unglücklicher  Gedanke  jedenfalk,  sowohl  der 
Vergleichungen  wegen,  die  leicht  provocirt  werden,  als  weil  man  damit 
den  Gegnern  eine  Waffe  in  die  Hand  giebt,  die  von  den  Getroffenen, 
zumal  bei  selbstwilliger  Verpflichtung  znm  Stillschweigen,  kaum  parirt 
werden  kann. 

Es  beweist  ein  gänzliches  Missverstehen  der  hier  angezeigten 
Taktik,  wenn  man  einem  in  Dunkelheit  wirkenden  Intriguanten  auf 
seinem  eigenen  Felde  dunkler  Nacht  entgegentreten  zu  müssen  meint, 
und  wer  hier  dann  mit  ehrlichen  Waffen  kämpfen  will,  muss  um  so 
sicherer  dem  unterliegen,  der  sich  bei  der  Zweckheiligung  der  Mittel 
kein  Gewissen  daraus  macht,  hinterrücks  zu  morden. 

Der  wahre  Gegner  des  jesuitischen  Glaubensfanatismus  ist  die  induc- 
tive  Naturwissenschaft,  die  mit  blanker  Waffe  gerüstet  dasteht,  am 
hellen  Tage  des  Sonnenscheines,  der  alle  die  dämonischen  Gespenster, 
wenn  sie  sich  überhaupt  aus  ihren  Verstecken  hervoru'agen  sollten, 
rasch  in  seinem  Glanz  zerstreuen  wird. 

Wenn  der  des  phantastischen  Aufputzes  mit  salomonischen 
Tempelomamenten  entkleidete  Freimaurerbund,  in  seinem  Hervor- 
gehen aus  den  Hüttenordnungen  der  Steinmetz  •  Bruderschaften  und 
sonstigen  Bauhütten,  in  der  historischen  Entwickelung  für  einige 
Stadien  seiner  Existenz,  gleichzeitig  mit  dem  der  Rosenkreuzer,  eine 
gewisse  Berechtigung  nachweisen  kann,  so  ist  er  doch  jetzt  längst 
anachronistisch  geworden,  und  droht  überall  in  die  Nichtigkeiten*)  der 


')  Lais^ez  nou^  aniuser  avec  ccs  extravagances,  puibjue  cc  u'est  qu'une  fantaisie,  qui 
n'offense  personnc,  (juellu  quc  Mjit  M>n  origioe  cl  son  objet,  bchrieb  bei  Benedict's  XIV. 
(t  *75^)  Kxcomraunication  der  Freimaurer,  ihm  ein  zu  diesen  gehöriger  Freund  aus  Neapel, 
und  der  Pap*^t  ,  der  über  den  Hricf  eine  gute  l.ache  halte,  antwortete  seinem  Freunde, 
er  brauche  nicht  bange  zu  scin^  ,,car  surement  il  ne  dess^cherait  pas  pour  cela",  comme 
on  pretend,  qu'il  cn  arrivait  autrefois  a  ccux ,  qui  etaient  excummunies  (s.  Llorente). 
Wenn  es  so  gefahrlich  wäre,  würde  der  l'apst  auch  etwas  zu  viel  auf  dem  Gewissen  haben. 


200  PERU  UND   ECUADOR. 

Oddfellow's  und  ihrer  Consorten  zu  verlaufen,  wenn  auch  gerade  in 
den  noch  jüngeren  Verhältnissen  der  Vereinigten  Staaten  Momente 
eintreten  mögen,  wo  eine  Vigilance-Comittee,  gleich  der,  welche  San 
Francisco  rettete,  angezeigt  sein  mag,  oder  ein  Kluxkux-Club  sein 
Wesen  treiben  mag.  In  Europa  sind  aber  die,  in  Africa  durch  die 
Existenz  eines  Purrah-  oder  Semo- Bundes  characterisirten.  Zustände, 
wie  sie  im  Mittelalter  die  Vehmgerichte  hervorriefen,  seit  Jahrhun- 
derten überwunden,  und  dass  in  unserer  Zeit  keine  Geheimnisse  mehr 
verborgen  gehalten  werden  können,  wird  der  in  diesen  mysteriösen 
Bund  Eintretende  bald  erkennen,  und  die  von  Cato  den  Auguren 
beigelegte  Begrüssungsweise  auch  bei  den  Freimaurern  vermuthen. 
Obwohl  aus  eigener  Erfahrung  nur  von  drei  Graden  geredet  werden 
kann,  dürfte  doch  auch  der  mit  entsprechender  Erleichterung  der 
Börse  zum  neunten  oder  dreissigsten  der  schottischen  Grade  Auf- 
gestiegenen dem  inomeiv  nicht  viel  näher  sein,  als  der  sich  der 
Privilegien  auf  der  neunten  Stufe  des  Egbo-Ordens  Erfreuende,  und 
wird  kaum  etwas  hinzugelernt  haben,  wenn  er  sich  nicht  für  Lord  Der- 
went-Water's  stuartische  Prätensionen  interessirt.  Gewiss  ist  nichts 
leichter  zu  erfüllen,  als  das  abgelegte  Gelübde  der  Verschwiegenheit, 
denn  so  sehr  die  Eingeweihten  ihr  Gedächtniss  martern  möchten, 
sie  würden  nur  gestehen  können,  dass  es  eben  nichts  zu  gestehen  gäbe, 
und  noch  weniger  Etwas  zu  enthüllen,  ausser  etwa  liberale  Sentenzen, 
wie  sie  heutzutage  Jeder  im  Munde  führt,  oder  Proclamirung  humaner 
Grundsätze,  die  alle  Ehre  verdienen,  aber  nicht  solch  umständlichen 
Apparates  benöthigten.  Vielleicht  dürfte  der  Mehrzahl  der,  nach  der 
Ueberraschung  durch  die  Einweihung,  Entnüchterten  das  Wort 
Lessing's  auf  der  Zunge  liegen,  der,  als  befragt,  ob  er  im  Freimaurer- 
bunde nichts  Verdächtiges  gefunden,  in  der  Antwort  meinte,  dass  er 
dann  doch  wenigstens  Etwas  gefunden  haben  würde. 

Der  abgelebte  Formelkram  einer  rasch  vorübergegangenen  und 
von  dem  Umschwung  des  Zeitenrades  längst  fortgerissenen  Epoche 
vermag  es  nicht,  die  geeignete  Waffe  zu  liefern,  um  mit  der  alten 
und  immer  neu  gehäuteten  Schlange  des  Aberglaubens  iu  kämpfen, 
die  mit  den  aus  der  Nachtseite  der  Menschennatur  gesogenen  Glau- 
bensdünsten ihre  Opfer  befangen  hält. 

Hier  können  nur  die  offenen  und  deutlichen  Lehren  der  Wissen- 
schaft das  bannende  Entscheidungswort  sprechen,  um  den  bösen 
Spuk  in  seine  Tiefe  zurückzuscheuchen,  und  der  freien  Entwicke- 
lung  freie  Bahn  zu  öffnen. 

„Die  Freimaurerei  ist  die  Kunst,  mit  den  durch  die  Vernunft  zum 


LEGUA.  201 

Endzwecke  der  Menschheit  gegebenen  Gesetzen  (deren  Wissenschaft  die 
Moral  bildet)  durchaus  übereinstimmende  Handlungen  hervorzubringen" 
(nach  Fessler),  und  zwar  unabhängig  von  dem  Unterschiede  der  Con- 
fession,  des  Landes,  des  Ranges  (unter  symbolischen  Gebräuchen, 
die  von  den  Handwerksmaurern  und  Steinmetzen  entlehnt  sind)  in 
der  Bauhütte  (nach  den  Grundsätzen  des  Christenthums)  Humanität 
fördernd    (um    die   Bestimmung  der  Menschheit  zu  erreichen). 

Für  Alles  das  bedarf  es  keiner  Geheimbündelei ,  sondern  für  die 
Ziele  der  Menschheit  ist  ein  gemeinsames  Zusammenwirken  auf  der 
Breite  des  in  Arbeitstheilung  errichteten  Wissensgebäudes  erforder- 
lich, und  selbst  die  in  den  Vordergrund  geschobenen  Wohlthätig- 
keitszwecke  verlieren,  weil  partielle,  an  sittlichem  Werth,  da  jeder 
als  Nächster  gelten  muss,  ob  Freimaurer  oder  nicht.  Wenn  Zeit  und 
Lust  für  die  Fortsetzung  nichtssagender  Ceremonien  bleibt  oderdieMög- 
lichkeit,  ihnen  einen  neuen  Sinn  zur  Unterhaltung  unterzuschieben, 
wird  die  Fortexistenz  des  Freimaurerordens  Niemand  geniren,  es  ist 
aber  besonders  für  Südamerica  rathsam,  diese  Bundesgenossenschaft 
im  Kampfe  gegen  die  Kirche  abzulehnen,  da  es  sich  hier  um  ernstere 
Dinge  handelt,  und  einen  allzu  gefährlichen  Gegner,  als  dass  es  ge- 
stattet wäre,  mit  ihm  zu  spielen. 

Dass  solcher  Mysterienschleier  zu  selbstsüchtigen  Zwecken,*)  von 
Unscrupulösen  auch  im  schlechten  Sinne,  ausgenutzt  werden  kann, 
versteht  sich  ohnedem  von  selbst,  und  so  lange  erden  offenen  Blick 
behindert,  bindet  sich  die  freie  Wissenschaft  in  der  Bundschaft  einen 
Stein  an's  Bein,  der  dem  Gegner  dann  eine  Handhabe  zu  Angriffen 
giebt,  die,  so  ungerechtfertigt  sie  an  sich  auch  seien,  doch  die  Unein- 
geweihten täuschen  mögen. 

Hinsichtlich  der  bei  dem  Schwankenden  der  peruanischen  (oder 
iiberhaupt  südamericanischen)  Legua  oft  in  Betreff  des  Wegemaasse's 
täuschenden  Angaben  der  Reisenden  über  zurückgelegte  Entfernun- 
gen, bemerkt  Raymondi  (1874): 

„Fast  überall  in  Peru  bedient  man  sich  der  Legua,  um  Entfer- 
nungen anzugeben,  aber  man  muss  eingestehen,  dass  der  Gebrauch 
dieses  Wortes  ein  sehr  elastischer  ist  (es  preciso  confesar,  que  no 
hay  palabra  mas  eslästica  que  esta  entre  nos  otros),  da  die  Länge  an 

^)  The  first  polittcal  subject  in  order  is  the  furious  contest  that  for  len  ycars  was 
carried  on  between  two  political  societies,  known  as  ihe  Escoces  and  Vorkinos  (Scötch- 
Frce-Masons  and  York-Free-Masons),  whose  secret  organizations  were  eraployed  for  poli- 
tical purposes  by  two  rival  paities  (s.  Wilson)  in  Jalapa ,  wo  es  (nach  Suarez  y  Navairo) 
zwischen  den  Generälen  Bravo  und  Guerrero  zum  Kampf  kam  (1828). 


202  PERU   UND   ECUADOR. 

jedem  Ort  eine  verschiedene  sein  mag.  Im  Allgemeinen  wird  sich 
indess  sagen  lassen,  dass  die  durchgängig  gebrauchte  Legua  unge- 
fähr, mehr  oder  weniger,  fünf  Kilometer  entspricht,  also  Varas  5983). 

In  manchen  Gegenden  des  Innern,  auf  sehr  gebrochenem  Terrain, 
st  die  Legua  meistens  kürzer,  und  überschreitet  selten,  wie  sich 
sagen  liesse,  4  Kilometer  (Varas  4786).  Im  Uebrigen  muss  beachtet 
werden,  dass  die  Legua  von  Peru  weniger  ein  Maass  des  Weges,  als 
ein  zeitliches  ist,  und  als  solches  wechselt  seine  Länge,  je  nachdem 
man  von  einem  flachen  Lande  redet,  wo  ein  rasches  Vorwärtsgehen 
möglich  ist,  oder  von  einem  gebirgigen,  auf  dem  sich  allerlei  Hinder- 
nisse in  den  Weg  stellen.  So  lässt  sich  z.  B.  berechnen,  dass  man  auf 
guten  Thieren  jede  Stunde  zwei  Leguasvon  fünf  Kilometer  zurücklegen 
mag,  wenn  es  sich  um  die  Küste  handelt,  und  zwei  Leguas  von  vier  Kilo- 
meter im  Innern.  Um  diese  gleichen  Entfernungen  im  gewöhnlichen 
Reisepass  (al  paso  llano  de  Camino)  auf  Maulthieren  zurückzulegen, 
wird  es  gewöhnlich  anderthalb  Stunden  bedürfen,  d.  h.  etwa  eine 
Stunde  für  %  Legua,  mehr  oder  weniger,  und  auf  schlechteren  Thieren, 
oder  mit  dem  Gepäck  auf'Lastthieren  reisend,  benöthigt  man  eine 
Stunde  für  jede  Legua  von  5  oder  4  Kilometer,  je  nachdem  die 
Küste  oder  das  Innere  in  Frage  kommt. 

Nach  einigen  Departamenta  sind  Beamte  geschickt  worden,  um 
die  Oertlichkeiten  auszumessen  und  die  Routen  festzustellen,  und 
diese  haben,  wie  es  scheint,  geographische  Leguas  von  5,555  Meter 
6666%  Varas)  gemessen,  welche  im  Vergleich  mit  den  gewöhnlich 
gebrauchten  sich  als  sehr  lange  ergeben  und  dies  soll  nach  einer 
bei  den  Bewohnern  der  von  ihnen  besuchten  Plätze  vorherrschenden 
Ansicht,  absichtlich  geschehen  sein,  um  die  Meilengelder  zu  ver- 
ringern, da  jene  Beamten  im  Auftrage  der  Regierung  geschickt  waren. 

Allgemein  gesprochen,  macht  man  im  Lande  keinen  Gebrauch 
von  diesen  Itinerarien,  und  wenn  von  den  durch  die  Regierungsbeamten 
gemessenen  Entfernungen  gesprochen  wird,  so  heisst  es  nicht  einfach 
Legua,  sondern  die  (officiellen)  Legua  der  Regierung  (leguas  del 
Estado).  Auch  pflegt  man  solchen  Leguas  den  Namen  desjenigen 
hinzuzusetzen,  der  sie  gemessen  hat.  So  z.  B.  heissen  sie  im  Depar- 
tamento  de  Amazonas  die  Leguas  Aguilar  s,  in  Ancachs  kennt  man 
sie  unter  dem  Namen  Canas'  leguas  und  im  Departamento  von  Puno 
werden  sie  bezeichnet  als  Castanon's  leguas. 

Hieraus  geht  hervor,  dass  das  Wort  Legua ^)   in  Peru  eine  sehr 


*)  La  Legua  cubana  6  provincial  tiene  5CXX)  Varas  Cubanas  ö  208^  Cordeles  =  5^75 1 
171 10  Varas  Castellanas,  6  5075  Varas  6  Pulgadas,  i  Linea,   ii  Puntos  6  10,9824  Puntos 


cocA.  203 

unbestimmte  Bedeutung  hat,  da  es  zwischen  Entfernungen  von  4000, 
von  5000  und  bis  zu  5555  Meter  schwanken  mag. 

Eine  andere,  sehr  eigenthümliche  Methode,  Entfernungen  zu 
messen,  und  die  von  den  Indianern  einiger  Theile  Peru's  verwandt 
wird,  wie  z.  B.  in  der  Provinz  Pataz,  ist  die  nach  Cocadas  (Coca-Bissen). 

Bekanntlich  findet  sich  bei  der  Mehrzahl  der  peruanischen  In- 
dianer der  Gebrauch,  die  Blätter  der  Coca  (Erythroxylon  Coca)  zu 
kauen,  was  ihnen  als  stärkendes  Reizmittel  dient,  und  sie  befähigt, 
körperliche  Anstrengungen  zu  ertragen,  ohne  reichlicherer  Ernährung 
zu  bedürfen. 

Es  ist  dabei  nun  in  Beachtung  zu  ziehen,  dass  die  durch  das 
Kauen  einiger  Cocablätter  gewährte  Anregung  in  ihrer  Wirkung  für 
einen  umschriebenen  Zeitraum  fortdauert,  und  wenn  das  Coca-Kügel- 
chen  (AcuUico  oder  Prümchen),  das  im  Mund  gehalten  wird,  nicht 
durch  neue  Blätter  seinen  Ersatz  findet,  so  geht  die  Anregung  vor- 
über und  gleichzeitig  beginnen  dann  die  körperlichen  Kräfte  zu 
sinken.  Diese  Zeitdauer,  während  welcher  die  Aufregung  anhält, 
oder,  besser  gesagt,  die  Entfernung^),  welche  innerhalb  dieses  Zeit- 
raumes zurückgelegt  werden  kann,  bezeichnet  dasjenige,  was  der 
Indianer  der  Provinz  Pataz  unter  dem  Namen  der  Cocada  begreift. 

Aus  dieser  Auseinandersetzung  folgt,  dass  die  Cocada  ein  Maass 
der  Zeit  ist,  und  nicht  des  Weges,  wie  es  ebenso,  nach  dem  oben 
Gesagten,  in  manchen  Fällen  für  die  Legua  gilt,  und  demgemäss 
wird  die  zurückgelegte  Entfernung  eine  sehr  verschiedene  sein,  ob 
in  flacher  Ebene,  ohne  irgend  welche  Hindernisse,  oder  in  einem 
gebrochenen  Terrain  mit  Auf-  und  Absteig. 

Als  Resultat  aus  den  während  meiner  Reise  gemachten  Beob- 
achtungen, lässt  sich  ableiten,  dass  der  Beginn  der  Anregung  einige 
(8 — ig)  Minuten,  nachdem  die  Cocablätter  in  den  Mund  eingeführt 


Castellanos  =  4242,3640650  Metros.  V  como  la  legua  de  20  al  grado  ecuatorial  com- 
pone  6^*58,22366  Varas  Cubanas,  75,1711  Varas  Castellanas  menor  que  la  Icgua  Kspafiola 
de  6656,82  Varas  Castellanas,  ese  grado  imporla  131.164,47320  Varas  Cubanas,  eslo  es, 
caben  en  el  26,23289  Leguas  Cubanas  6  26  Leguas  Cubanas  y  cerca  de  \~~  1  Legua 
Cubana  tiene  2,63235  Millas  Ingleses  La  Legua  Cubana  cuadrada  43.402,78  Cordeies 
cuadrados  Cubanos  =  133,95919  Caballerias.  La  Legua  Corralera  =  105,28067175  Ca- 
ballerias  =  0,78590975  de  aquella  Legua  cuadrada  Cubana.  La  Legua  Ecuatorial  cua- 
drada 757361,69427521  Varas  Castellanas  mas  que  la  Legua  Cubana  cuadrada  de 
25.757.361,69427521  Varas  Castillanas  cuadradas  (Pichardo).  La  Legua  de  Corral  6  Cor- 
ralera =  105,28067175  Caballerias  (la  quarta  parte  del  Corral).  Montoja  setzt  die  Legua 
ecuatorial ,    als  5565   m.  (sonst  5564  ™'  5). 

')    Wie  man  in  Westphalen   nach  einer   Pfeife  Tabak,    oder  dem  Rauchen  derselben 
die  Entfernungen  angiebt. 


204  PERU  UND   ECUADOR. 

sind,  anzusetzen  ist,  und  dass  sie,  wenn  man  keine  neuen  Blätter  zu- 
fügt» 35  —  40  Minuten  dauern  wird.  So  würde  die  Cocada  als  ein 
Zeitmass  zu  betrachten  sein,  das  zwischen  35 — 40  Minuten  schwankt, 
und  während  welches,  nach  der  Marschweise  des  beladenen  Indianer's, 
auf  einem  ebenen  Terrain  etwa  3  Kilometer  zurücklegbar  sind  oder 
höchstens  2  Kilometer  beim  Bergsteigen. 

Während  meiner  Fussreisen  zwischen  der  Ansiedelung  Tayabambe 
und  dem  Fluss  Huallaga  hatte  ich  Gelegenheit,  das  eben  dargelegte 
genauer  zu  beobachten.  Ich  kann  hinzusetzen,  dass  die  Indianer  ihre 
festen  und  bestimmten  Plätzen  haben,  an  welchen  sie  ausruhen  und 
die  verbrauchte  Coca  durch  neue  ersetzen,  und  da  sie  hierfür  immer 
einen  etwas  offenen  Platz  wählen,  oder  die  Höhe  eines  Hügel's,  so 
werden  dadurch  einige  Cocada's  länger,  als  andere.  In  solchen  Fällen 
sah  ich  sie  im  höchsten  Grade  der  Erschöpfung  an  dem  Ausruheplatz 
ankommen,  und  bemerkte  oftmals  die  äussersten  Anstrengungen  zur 
Beschleunigung  des  Schrittes,  um  den  genannten  Ort  zu  erreichen, 
wo  sie  sich  dann  mit  der  schweren  Last  niederfallen  Hessen,  und 
einige  Minuten  gleichsam  bewegungslos  liegen  blieben,  ehe  sie  sich 
wieder  daran  machten,  ihr  Lieblingskraut  zu  kauen.  Es  war  dann 
immer  bewundernswerth  zu  sehen,  wie,  nach  8  —  10  Minuten  einer 
Labung  von  der  Coca,  sie  sich  neu  belebt  fühlten,  oder,  nach  ihrer 
Ausdrucksweise,  gerüstet  und  befähigt,  mit  ihrer  Last  von  vier  Arro- 
ben  die  Reise  bis  zur  nächsten  Cocada  fortzusetzen,  indem  am  Tage 
6 — 8  Cocadas  zurückgelegt  wurden.'* 

Die  Coca,  gleich  all'  den  narkotischen  Excitantien,  die  sich  in 
verschiedener  Art  auf  der  Erde  im  Gebrauch  finden,  wird  durch  ihre 
Wirkung  in  Stählung  der  feinsten  Federn  des  Körpers  (im  Nerven- 
system) momentan  raschere  Erfolge  zeigen,  in  der  Dauer  aber  natür- 
lich die  Maschine  um  so  gründlicher  verbrauchen,  da  sich  diese 
normal  nur  durch  die  in  grösserer  Masse  zugeführten  Nahrungsmittel 
des  Feuermaterials  bei  langsamer  und  regelmässiger  Verbrennung  im 
Stande  erhalten  lässt. 


COLUMBIEN. 

Auf  dem  Dampfer  Arequipa  (15.  October)  eingeschifft,  berührten 
wir  am  15.  October  Payta,  passirten  Nachts  Punta  Parina,  dann  Cap 
Blanco  unter  Eintritt  einer  wärmeren  Temperatur,  wofür  Humboldt 
als  botanischen  uud  klimatischen  Wendepunkt  den  Hügel  Amotape 
zwischen  Punta  Parina  und  Cap  Blanco  ansieht,  und  gelangten  nach 
Einlaufen  in  Tumbez  und  Passiren  der  zwischen  den  Flüssen  Tumbez, 
und  Santa  Rosa  (am  Rio  Ana-capa)  liegenden  Grenze  Peru's  und 
Ecuadors,  am  folgenden  Tage  nach  Guayaquil  (16.  October).  Die 
an  mehreren  Berührungspuncten ,  besonders  in  den  Andesländem, 
zweifelhafte  Grenze  zwischen  Ecuador  und  Peru  hat  sich  nach  dem 
Uli  possidetis  vom  Jahre  18 10  zu  ergeben.  An  der  Küste  kann  der 
nördliche  Zweig  des  Tumbez-Flusses  dafür  angenommen  werden. 

Als  Pizarro  nach  seinen  Kämpfen  beim  Pueblo  Quemada,  wo  später 
Almagro  den  Verhau  (Palenque)  zerstörte  (gegen  Verlust  seines  Auges), 
nachChicama  gekommen  war  und  durch  den  ihn  dort  nach  seinem  Umher- 
kreuzen erreichenden  Almagro  von  der  Entdeckung  des  Rio  San  Juan 
(Patia)  gehört  hatte ,  führten  die  Fahrten  des  von  ihnen  ausgeschick- 
ten Piloten  Bartholomäus  de  Ruyz  (jenseits  der  Flüsse  San  Juan  und 
Cartagena)  über  die  bewohnte  Isla  de  Gallo  nach  der  Bay  von  San 
Mateo*)  und  dann,  nachdem  bei  Coaque  (der  Fluss  Cuaque,  auch  als 
Name  des  Bergzuges)  das  Handelsfloss  aus  Tumbez  angetroffen  war, 
nach  der  Punta  de  Pasaos  (unter  dem  Aequator)  an  den  Mündungen  der 
Quiximies  (Cojimies)*)    genannten   Flüsse    bei    Cap    San    Francisco. 

»)  Das  Cabo  San  Mateo  liegt  östlich  von  Manta. 

')  Die  Ortschaften  Cojimies  (Cuagues ,  Camarares  u.  s.  w.)  an  dem  vor  den  Inseln 
Cojimies  ausmündenden  flusse  Cojimies  gehören  zum  Canton  Montechristi  in  der  Provinz 
Manavi'  (s.  Villavicencio). 


206  COLUMBIEN. 

Nachdem  Pizarro  über  die  Isla  de  Gallo  zur  Bay  von  San  Mateo  ge- 
folgt war,  drang  er  dort  erst  bis  Jacamez*)  und  nach  der  Umkehr 
aufs  Neue  bis  TerapuUa  vor^),  wandte  sich  darauf  aber  nach  der 
Isla  de  Gallo  zurück,  wo  sich  die  Indianer  vor  den  Fremden  auf  das 
Festland  zurückzogen.  Mit  den  dreizehn  Gefährten,  die  nach  der 
Rückberufung  durch  Juan  Tafur,  bei  Pizarro  verblieben,  begab  er 
sich  später,  der  grösseren  Sicherheit  wegen,  nach  der  Isla  Gorgona 
(San  Felipe),  bis  Bartolomäus  de  Ruyz  Verstärkungen  aus  Panama 
herbeiführte  und  dann  die  Fahrt  bis  Tumbez  fortgesetzt  wurde. 

In  Guayaquil  (wo  ich  mich  von  den  Bekanntschaften  meines 
früheren  Besuches  jetzt  verabschiedete),  verweilten  wir  bis  zum  Mor- 
gen des  18.  October,  wann  wir  Puna  passirten  und  in  der  Ferneden 
Morro  erblickten.  Die  Küste  erstreckt  sich  niedrig,  mit  einiger  Vege- 
tation, vor  schwach  gehobenen  Reihen  welliger  Hügel  in  der  Ferne. 
Das  Land  fiel  dann  aus  Sicht,  und  als  wir  wieder  näher  kamen,  er- 
blickten wir  an  niedriger  Küste  die  hügelig  gestreckte  Erhebung  von 
Punta  Santa  Elena,  dem  Landungsplatz  der  Giganten,  wo  sie  ihre 
Brunnen')  gruben  und  dann  durch  Himmelsfeuer  vernichtet  wurden. 
Eine  schwach  gehobene  Küste  zieht  sich  umher  bis  Balasuta. 

Bei  Punta  Elena  und  sonst  in  der  Umgegend  Guayaquil's  werden 
die  Strohhüte  von  den  ganzen  Strohhalmen  geflochten,  in  Catacaos 
(in  Peru)  von  getheilten  (nach  Kochen  in  Schwefel),  wie  in  Eten  in 
natürlicher  Färbung  (und  auch  von  Rohr)  nebst  Cigarrentaschen. 
Vorzugsweise  werden  die  Strohhüte  in  Manavi  gefertigt,  und  das 
beste  Stroh  wächst  bei  Punta  Elena,  wo  man  die  feinen  Strohhüte 
nur  bei  Nacht  arbeitet.  Vor  etwa  30  Jahren  begann  die  Ausfuhr 
des  Strohes  nach  Catacaos,  später  nach  Eten  und  dann  nach  Azo- 
gues  (in  Columbien  nach  Aguadas). 

Am  nächsten  Morgen  erschienen  geschwungene  Hügel  an  der 
Küste,  während  wir  uns  zwischen  diesen  und  der  Insel  Plata  befan- 
den, dann  weisse  Klippen  mit  grünschwarzer  Decke,  und  die  Punta 
San  Lorenzo   mit  detachirten  Felsen.     Wir  begleiteten  ein  schwach 


*)  Unter  den  Vorgebirgen  an  der  Mündung  des  Ksmeraldsis  bis  zum  Cap  San  Fran- 
cisco wird  James  (zwischen  Sua  und  Tortugas)  mit  Punta-gorda  und  Galera  aufgezahlt. 
Der  Rio  Chones ,  der  mit  dem  Tosagua  verbunden  ,  in  die  Bay  von  Caraccas  mündet, 
nimmt  in  der  Höhe  von  Zama  die  Flüsse  Platanos,  Chagualü  und  Mosquitos  auf. 

')  Pulla  bezeichnet  Nebelgewölk,  wie  inTuc-Pulla  (arena  como  nieblina). 

')  Das  Wasser  der  jetzigen  Brunnen  gilt  für  ausnehmend  gesund,  und  wie  Villa- 
vicencio  bemerkt,  werden  die  Leute  dort  sehr  alt.  Hacen  una  vida  larga ,  pasando  regu- 
larmente  de  80  aiios  (so  konnten  sie  wohl  zu  Riesen  auswachsen). 


MANTA.  207 

geneigtes  Hügelklippenland  bis  Punta  San  Mateo,  und  dann  eine  ge- 
brochene Tafelebene,  der  zackige  Hügel  folgten.  Im  Rückgrund  lag 
Monte  Christo,  nach  Zerstörung  der  alten  Seestadt  angelegt,  und  wir 
ankerten  vor  dem  jetzt  Manta  genannten  Hafen.  Die  gestrüppartig 
bewachsene  Küste  hebt  sich  zu  niedrigen  Hügelzügen,  und  an  dem 
Fusse  des  Zackenhügels  dahinter  erscheinen  die  Häuser Monte-Christo's, 
während  seitlich  in  der  Feme  der  Cerro  de  Hojas  sichtbar  ist,  der 
alte  Rathssitz  der  Cara,  deren  Steinsessel  jetzt  zum  Theil  nach 
Europa  transportirt  sind,  um  in  den  Museen  aufbewahrt  zu  werden. 
Neben  den  Steinsesseln  wurden  sculpirte  Stfeine  gefunden,  mit  Figu- 
ren und  Schlangen  umgeben,  und  eine  interessante  Series  steinerner 
Alterthümer  von  dort,  die,  zum  ersten  Mal  die  eigenthümliche  Cultur 
der  Caras  in  einiger  Mannigfaltigkeit  zu  repräsentiren  vermögen,  sind 
in  Folge  der  damals  eingeleiteten  Beziehungen  in  der  Zwischenzeit  in 
das  Museum  Berlin's  gelangt. 

Beim  Landen  in  Manta  führte  uns  ein  Spaziergang,  ausserhalb 
der  sich  aufwärts  ziehenden  Häuser  des  Ortes,  zwischen  Gestrüpp 
und  Cactus  über  wellige  Kugelerhebungen  mit  niedrigen  Erdhügeln, 
aus  Steinen  an  der  Spitze  aufgebaut,  mit  Reihen  längs  gestellter 
Steinen.  Aus  Manta  antigua  (mit  der  Hauptstadt  Cancebi),  wo  Rui- 
nen von  Steinhäusern  übrig  geblieben  sein  sollen,  fand  sich  am  Hause 
des  Herrn  Calderon  im  Hafen  eine  Steinfigur*),  ein  doppelköpfiges 
Thier  vorstellend,  für  den  Gebrauch  als  Trommel. 

Am  nächsten  Morgen  liefen  wir  in  die  Bay^)  von  Caraccas  (Bahia 
de  San  Antonio  de  Caracas)  ein,  eine  weite  Bucht  von  Klippenhügeln  um- 
zogen. Wir  landeten  an  der  Ortschaft  Caraccas  oder  Caraquis,  auf 
einer  Sandfläche  am  Fusse  kuppiger  Hügel,  von  denen  sich  eine  Höhen- 
reihe umherzieht,  gegenüber  dem  Ausfluss  des  Chones-Flusses.  Vom 
Cerrito,  einem  Kuppenhügel  hinter  dem  Dorf,  blickt  man  auf  das 
Aestuarium  des  Flusses  zwischen  Hügelreihen,  und  jenseits  des  vor- 
springenden Punctes  auf  das  Meer  an  der  Bucht.  Nach  der  Volks- 
tradition hätte  früher  in  der  Bay  von  Caraquis  eine  grosse  Stadt  ge- 
standen, die  vom  Meer  verschlungen*)  wurde,  und  besonders  in  der 

'}  Von  den  Ri$^sen  von  Punta  Elena  ,,siehel  man  noch  jetzund  etliche  steinerne 
Bildsäulen  ausserhalb  I*uerto  Viejo"  l)emerkl  Dapper,  und  dass  Juan  Holvius  damoch 
jjesucht  (nach  W'eitfliet). 

'j  In  der  Bay  von  Caraccas  wc  bad  a  fine  view  of  the  gigantic  Chimborazo,  towering 
in  awful  majcsty ,  with  his  snow-crowned  summit  far  ahove  the  clouds,  erzählt  Morrell. 
Kin  solcher  Anblick  ist  selbst  in  («uayaouil  selten,  ausser  an  begünstigten  Tagen. 

•)  AIcedo  bemerkt  vc»n  der  Bahia  de  C'araqucs  (bei  Cabo  Pasao):  ,,en  ella  hubo  un 
pueblo  que  tenia  el  mismo  nombre,  aiyas  niinas  permanecen". 


208  COMJMBIEN. 

Morgendämmerung  wird  noch  mitunter  der  Klang  der  versunkenen 
Glocken  gehört  und  fernes  Singen  (indem  sich  in  Folge  des  Regens  eine 
Aushöhlung  gebildet  haben  mag,  die  dröhnt).  Bei  der  Rückkehr  an 
Bord  erlitten  wir  längeren  Aufenthalt  durch  Reissen  der  Ketten,  mit 
denen  der  kleine  Hülfs- Dampfer  die  Ladungskähne  zu  schleppen 
hatte. 

Das  Cap  Pasaos  bildete  nach  Unterwerfung  der  dortigen  Stämme 
(der  Pasaos)  die  nördliche  Grenze  des  Incareichs  an  der  Küste  (unter 
Huayna-Capac).  Die  Bay  von  Caranguis  (Caraquis)  gilt  als  der  Lan- 
dungsplatz der  Caras,  die  unter  ihrem  Häuptling  Caran  auf  Balsas 
(Flössen)  dort  angekommen  seien  und  die  Vorbereitungen  trafen, 
um  die  alte  Dynastie  der  Quitus  auf  dem  Hochlande  zu  stürzen. 

Am  folgenden  Tage  (October  21.)  zeigte  sich  eine  hohe  Küste, 
die,  mit  einer  höheren  Linie  aufgesetzt,  zur  Punta  Galera  ablief. 
Nach  vor  einander  geschobenen  Hügelzügen  bei  Atacames  (mit  der 
Cabo  San  Francisco)  zog  sich  die  Küste  an  einer  weiten  Bucht 
herum  bis  Punta  Verde,  die  Mündung  des  Esmeraldasflusses  (seitlich 
vom  Cap  Gordo)  an  einer  Oeffnung  zwischen  dem,  hinter  Sandland 
aufsteigenden,  Hügeln  einschliessend.  Der  in  Quito's  alter  Geschichte 
classische  Strom  windet  sich  zwischen  grün  bewaldeten  Hügeln  her- 
vor, mit  vorgeschobenen  Kuppelhöhen  an  der  Mündung.  Die  Ort- 
schaft (Limones)  liegt  am  Fusse  hoher  Waldhügel  mit  Häusern  auf 
einer  Sandbank  hinter  der  grünen  Insel  im  Fluss.  Am  Nachmittag 
trat  Regen  ein,  der  auch  die  Nacht  fortdauerte. 

Die  Provinz  Esmeraldas  mit  der  Hauptstadt  San  Mateo  de  Es- 
meraldas  ist  auffälliger  Weise  beständig  im  Dunkel  geblieben,  ob- 
wohl man  theoretisch  urtheilend,  denken  sollte,  dass  gerade  sie  vor- 
zugsweise Beachtung  verdiene,  weil  so  zu  sagen  die  natürliche 
Commuftication  der  schon  in  ihrem  Flussgebiet  gelegenen  Hauptstadt 
mit  dem  Meere  bildend.  Es  scheinen  hier  einige  besondere  Hinder- 
nisse vorzuliegen,  denn  an  Versuchen  hat  es  im  Ganzen  nicht  gefehlt, 
die  natürlichen  Schätze  dieser  Provinz  zur  Würdigung  zu  bringen, 
wie  durch  Pablo  Durango  Delgadillo  1621,  durch  Franzisco  Perez 
Menacho  1626  und  ebenso  Vicentio  Justinian  Menacho,  durch  Her- 
nando  de  Soto  Calderon  17 13  und  (1746)  besonders  durch  Pedro 
Maldonado  y  Sotomayor  (der  Begleiter  Condamine's)  „el  ilustre  Qui- 
teno  Maldonado",  und  wurden  bei  dem  letzteren  bedeutende  Erfolge 
verzeichnet,  die  indess  sein  frühzeitiger  Tod  verhindert  hat,  zu  dauern- 
den zu  machen. 

Eine    directe  Strasse    nach   Quito    wurde   von    einer   englischen 


ESMERALDAS.  209 

Geselkchaft  (Ecuador  Land-Company)  beabsichtigt,  die  ihre  Arbeiten  am 
Pailon  begann,  mit  Anlegung  einer  Niederlassung  in  San  Lorenzo  (in  der 
Nähe  der  Goldlager  von  Barbacoas,  Playa  de  Oro  und  Wimbi). 
Die  vom  Baron  de  Carondelet  nach  La  Tola  vorgeschlagene  Strasse 
wurde  zwar  in  Angriff  genommen,  aber  liegen  gelassen,  da  sich  der 
Fluss  la  Tola  als  Seeschiffen  unzugänglich  bewies.  Bei  La  Tola  in  der 
Nähe  des  Pailon,  neben  Punta  Verde  (wo  am  San-Jago-Fluss  die  be- 
sonderssprachigen Cayapos  leben),  werden,  in  Tolitos  genannten 
Erdhügeln  Alterthümer  gefunden.  Der  Esmeraldas^)  führt  seinen 
Namen  von  den  Smaragden,  aber  bei  der  dortigen  Anwesenheit 
Stevenson's  wagten  die  Indianer  nicht  die  alten  Gruben  aufzusuchen, 
weil  sie  durch  einen  Donnerblitzc  speienden  Drachen  bewacht 
würden. 

Ein  interessantes  Alterthumsstück,  eine  Goldmaske  mit  Silber- 
belegung nach  Aussen,  hatte  ich  bereits  früher  aus  den  Anschwem- 
mungen bei  Esmeraldas  zu  erwerben  Gelegenheit  gehabt,  und  auch 
durch  den  Atacamez  werden  in  der  Regenzeit  alterthümliche  Funde 
ausgewaschen,  besonders  thönerne. 

Die  Erwerbung  der  erwähnten  Antiquität  war  der  Begünstigung 
durch  glücklichen  Zufall  zu  danken.  Als  ich  bei  meinem  ersten  Aufent- 
halt in  Guayaquil  über  Alterthumsfunde  Erkundigungen  einzog,  wurde 
mir  von  einer  versilberten  Goldmaske  geredet,  die  vor  vielen  Jahren 
von  P^smeraldas  nach  Guayaquil  gebracht  sei  und  zu  dem  Merkwür- 
digsten gehöre,  was  jemals  angetroffen  worden.  Wo  sie  sich  zur 
Zeit  befände,  wusste  damals  keiner  der  in  Guayaquil  Befragten, 
obwohl  verschiedene  sich  erinnerten,  sie  noch  vor  nicht  allzu  langer 
Zeit  gesehen  zu  haben. 

Auf  der  Reise  nach  Quito  war  gleichzeitig  mit  mir  in  Guaranda 


1)  Der  Esmeraldas  bildet  sich  aus  der  Vereinigung  des  (luaillabamba  mit  dem  (wie 
Stevenson  sagt)  bei  Tacunga  entspringenden  Rio  Blanco  und  in  den  letzteren  fliesst  der 
Piti,  dessen  Schiflfbarkeit  auf  dem  Wege  von  Quito  her  zu  benutzen  wäre.  Seine  fernsten 
Quellen  entnimmt  der  Esmeraldas  aus  dem  Cotopaxi  in  dem  Rio  Pedegral,  der  als 
Salto  in  Wasserfallen  die  Bergwand  des  Rumiftaguy  und  Sincholagua  durchbricht, 
den  auf  dem  letzteren  entspringenden  Rio  Sincholagua  aufnehmend  (als  Rio  Tita) 
und  dann  mit  dem  aus  dem  llinisa  und  Chisinche  (unter  dem  Namen  Machachi) 
zusammengeflossenen  San  }*edro  (vom  Nudo  de  Tiupullo  her)  verbunden,  als  Guangapolo, 
der  nach  der  Vereinigung  mit  dem  Rio  de  la  Alcantarilla,  als  Tumbaco  (den  Zufluss  des 
Machdngara  empfangend)  mit  den  Wassern  des  Guaillabamba  dessen  Namen  empfangt, 
und  dieser  bildet  dann  (in  der  Nähe  des  Puerto  de  Quito  oder  Canigüe)  mit  dem  durch 
den  Toachi  (aus  den  Bergen  von  Moreta)  vergrosserten  Rio  Blanco ,  der  Confluenz  des 
Tofo  (von  San  Juan  Urcu)  und  des  Chaloya  (am  Pichincha  entspringend),  den  Esmeraldas 
(s.  Villavicencio). 

Bastian:  America.  I.  1*» 


210  COLUMBIEK. 

ein  auf  der  Reise  nach  Guyaquil  begriffener  Herr  eingetroffen,  der 
zwar  in  einem  andern  Hotel  wohnte,  mich  indess  aufsuchte,  weil  von 
der  Ankunft  eines  Europäers  hörend.  Um  den  Besuch  möglichst  zu 
verwerthen,  brachte  ich  das  Gespräch  auf  einheimische  Alterthums- 
funde  und  kam  dabei  auch  auf  die  silberne  Goldmarke  zu  sprechen. 
Mein  Reisegefährte  kannte  sie  und  konnte  mir  nach  einigem  Umher- 
kramen in  seinem  Gedächtnisskasten  auch  den  Namen  desjenigen 
nennen,  bei  dem  er  sie  zuletzt  gesehen,  und  zwar  in  Guayaquil.  Da 
er  sich  jetzt  dorthin  begab,  bat  ich  ihn  um  vorläufige  Nachforschun- 
gen, und  nahm  diese  selbst  auf,  als  ich  nach  einem  Besuche  Quitos 
über  Cuenca  nach  Guayaquil  zurückgekehrt  war. 

Doch  schien  nicht  viel  Hoffnung,  zu  reüssiren.  Meine  Freunde 
des  Landes  Hessen  nichts  unversucht,  weder  Polizei,  noch  Post,  noch 
Börse,  soweit  sie  vorhanden,  um  die  gewünschte  Adresse  auszu- 
machen und  fanden  schliesslich  auch  das  entlegene  Haus,  in  welchem 
der  mir  Genannte  vor  einigen  Jahren  zuletzt  gewohnt  hatte.  Indess 
war  er,  wie  es  bereits  als  Vermuthung  ausgesprochen  war,  aus  dem- 
selben fort  und  verschwunden,  und  zwar,  verschiedener  Gründe 
wegen,  ohne  Rücklassung  .seiner  Adresse.  So  schien  die  Sache  aus- 
sichtslos, denn  obwohl  dieselben  Gründe  auch  voraussetzen  Hessen, 
dass  das  gesuchte  Werthstück  nicht  mehr  als  todtes  Capital  in  seinen 
Händen  sein  würde,  blieben  doch  alle  Umfragen  bei  den  Gold-  und 
Silberschmieden  der  Stadt,  wo  es  hätte  versetzt  sein  können,  ohne 
P>folg,  und  ich  hatte  meinerseits  nach  Peru  abzureisen. 

Als  ich  nach  einigen  Monaten  von  dort  zurückkehrte,  und  mich 
auf  dem  Wege  nach  Columbien  an  Bord  des  englischen  Dampfers 
Arequipa  fand,  unterhielt  ich  mich  eines  Tages  mit  dem  denselben 
führenden  Capitän  Chambers  über  die  Alterthumskunde  Ecuadors, 
für  welche  er  durch  seinen  längeren  Aufenthalt  an  der  Küste,  und  bei 
seiner  Ansässigkeit  nach  der  Verheirathung  in  Guayaquil,  ein  warmes 
Interesse  gewonnen  hatte.  Er  erzählte  mir  von  verschiedenen  Fun- 
den, die  er  theils  gesehen,  theils  besessen,  und  darunter  von  einem, 
der  durch  seine  Provenienz  von  P^smeraldas  meine  Aufmerksamkeit 
erregte.  Da  er  sich  noch  in  seinem  Besitz  befand,  in  seinem  Hause 
in  Guayaquil,  versprach  er  ihn  mir  bei  unserem  Anlaufen  dort  zu  zei- 
gen, und  obwohl  wir  uns  am  Lande  verfehlten,  brachte  er  ihn  an 
Bord.  Dort  erkannte  ich  nun,  (woran  ich  bei  der  ersten  Beschreibung 
kaum  recht  gedacht  hatte),  in  dem  mir  gezeigten  Stück  die  lang  ge- 
suchte (joldmaske  und  hatte  Gelegenheit,  sie  in  Müsse  zu  bewun- 
dern.    Damit  war  sie  freilich  noch  nicht  mein  Eigen  und  mit  passio- 


TCMACO.  211 

nirten  Sammlern  ist  es  in  Betreff  solcher  Unica  nicht  immer  leicht 
zu  verhandeln.  Einige  Tage  gingen  noch  mit  Plänkeleien  hin,  doch 
war  glücklicherweise  das  Object  mit  uns  auf  dem  Schiff,  und  als  wir 
Buenaventura  erreichten,  war  der  Kauf  bereits  abgeschlossen,  so  dass 
ich  diese  durch  Capitän  Chambers  gerettete  Reliquie  der  Cara  den 
andern  Sammlungsobjecten  für  das  Museum  zufügen  konnte. 

Am  Morgen  (October  22.)  bemerkte  sich  in  der  Ferne  waldiges 
Land,  sowie  die  niedrige  Küste  bei  Punta  Mangles  und  nach  Um- 
fahren der  zwischen  Waldvegetation,  auf  grünen  Wiesenstrichen  Pal- 
men tragenden  Insel  del  Morro,  gelangten  wir  in  den  von  dieser, 
der  Insel  Viciosa,  und  der  Insel  Tumaco  gebildeten  Hafen  von 
Tumaco,  auf  einer  niedrigen  Insel  zwischen  Grün  gelegen.  Bei  der 
Landung  fanden  wir  das  Jungle-Gras  sich  bis  an  die  Häuser  erstrecken, 
was  den  Verkehr  auf  eine  Strasse  beschränkte.  Ein  kleiner  Dampfer 
lag  zur  Abfahrt  bereit  nach  dem  1610  angelegten  Barbacaos  an  einem 
Nebenfluss  des  Patia*)  nördlich,  während  der  Mina,  der  die  Grenze 
zwischen  Ecuador  und  Columbien  markirt,  südlich  hinter  der  Morro- 
Insel  mündet. 

Nach  Stevenson  läuft  dieser  Fluss^)  zwischen  der  Punta  de 
Manglares  und  Tumaco  mit  9  Mündungen  aus  und  Tumaco  (called 
Gorgona,  which  takes  its  name  from  that  of  the  Cacique  Gorgona^), 


*)  Der  seinen  Ursprung  am  S*>tarä  fiiulende  Patfa  nimmt  den  auf  dem  Paramo  de 
Chimbalan  entspringenden  Pasio  auf. 

^)  Zwischen  der  südlichen  Mündung  des  Mira  und  des  Santjago  münden  die  Flüsse 
Mataje,  Chuirctas  und  San  Pedro,  zwischen  Santjago  und  Esmeraldas  die  Flüsse  San 
Miguel  (mit  Zapallos,  Vacu  und  Anzoles),  Molinos,  Ballenita,  Lagartos,  Ostiones,  Verde 
und  Colopa,  zwischen  Esmeraldas  und  Chones  die  Flüsse  Atacames,  Sua,  Platanos,  Ga- 
lera,  Buche,  Muisnc,  Macha,  Monipiche,  Portete,  Pedeniales,  Daulc,  Cojimies,  Cuaque, 
Camarones,  Palmar,  IJallena,  Muchachos,  Venado  und  Briseilo,  zwischen  Chones  bis  zur 
Punta  Santa  Elena  die  Flüsse  Pacoche,  San  Jose,  San  Lorenzo,  Boca,  Gallo,  Salango, 
Ayampe,  Don  Pancho,  Manglar-alto  und  Valdivia.  Dann  folgt  der  Golf  von  Guayaquil 
( Villa vicencio).  Bei  dem  Rio  Mira  als  Grenzfluss  nimmt  Ecuador  die  Mündung  Tumaco, 
Neu-Granada  (oder  Columbien)  die  Mündung  Mangles  in  Anspruch.  In  Villavicencio's  Dar- 
stellung nimmt  der  Chota  (oder  der  mit  dem  Pisco  verbundene  Rio  Blanco)  nach  der  Con- 
fluenz  mit  dem  Mira  (neben  dem  Tumaco  oder  La  Gorgomilla)  den  Namen  dieses  an 
(zeitweis  auch  Concepcion  und  Cuajara  heissend  bis  zum  Durchbruch  der  Cordillere),  und 
nachdem  dieser  Mira  sich  am  Desculgadcro  in  zwei  Arme  getheilt  hat,  läuft  er  mit  sieben 
Mündungen  aus  (por  siete  bocas). 

•)  Nach  Benzoni  fand  Pizarro  durch  die  Indianer  des  Festlandes  vertrieben,  die  In- 
sel Gorgona  unbewohnt.  Nach  Velasco  traf  Pizarro,  zum  Esmeraldas  kommend,  zuerst 
in  der  Bay  von  San  Mateo  die  Anzeichen  des  Reichthums  und  geselliger  Ordnung,  die 
er  suchte,  und  zog  sich  von  der  Isla  del  Gallo,  unter  Erwartung  von  Verstärkungen, 
später  nach  der  Ciorgona  genannten  Insel  zurück,  die  weiter  im  Meere  lag.  Gegen  West-Süd- 
NVcsten  von  Gorgona  liegt  die  untere  Insel  Gallo,  heissl  es  bei  Dappcr  (und  so  wechselnd). 

14* 


212  COLUMIUE?^. 

who  govcrned  thc  island  on  the  first  arrival  of  the  Spaniards)  liegt 
an  3  Mündungen  (Roca  Grande,  Rio  Claro  und  Mira). 

Unter  strömendem  Regen  verlegten  wir  am  Abend  unseren 
Ankerplatz  jenseits  der  Barre  am  Morro,  um  dann  bei  Nacht  die 
Reise  fortzusetzen. 

Bei  Stevensons  Wanderung  durch  die  dortigen  Küstenvölker, 
um  die  Strassenrichtung  nach  Quito  festzustellen,  besuchte  er  von 
dem  neu  gebildeten  Dorf  der  Cayapos  (am  Cayapas-Flusse)  aus,  die 
noch  unabhängigen  Malabas  am  Rio  St.  Miguel  (Nebenfluss  des 
Cayapas),  die  sich  (mit  einem  dem  Quichua  ähnlichen  Dialect)  als 
Nachkommen  der  Puncay  von  Quito  bezeichneten,  die  frei  geblieben, 
als  der  Conchocando  von  Lican  sich  Yupanqui-Inca  hätte  unterwerfen 
müssen.  Nach  Villavicencio  reden  die  Cayapos  und  die  Colorados 
allerdings  die  Allgemeinsprache  des  Quichua,  haben  aber  ausserdem 
ihr  besonderes  Idiom  bewahrt,  weshalb  er  sie  (die  der  „familia  Cayapu" 
und  der  „familia Colorados")  getrennt  hielt  von  der,  neben  denQuitus,  die 
Lojanos,  Caiiazes,  Puruhas,  Tacungas,  Imbaburenos,  Cotacachos  ein- 
schliessenden  „familia  Quitus",  zu  welcher  noch  die  Yumbos  (als  Napos, 
Canelos,  Santo  Domingo  de  los  Colorados,  Intags,  Nanegales,  Gualeas) 
hinzugerechnet  werden  (in  der  Bezeichnungsweise  den  Yungas  Boliviens 
entsprechend,  wogegen  in  Peru  der  Name  westlicher  verwandt  wurde). 
Nachdem  der  Missionar  Estevan  (1598)  die  Indianer  in  Esmeraldas 
in  Ansiedlungen  vereinigt,  war  dort  eine  Goldmine  aufgefunden  und 
bearbeitet  worden,  bis  der  Aufstand  der  Wilden  die  Stadt  San  Miguel 
zerstörte.  Nach  Villavicencio  wurde  das  Goldlager  um  Quininde 
durch  Resavala  aufgefunden. 

Die  Beschwerden  einer  Reise  durch  den  Unvald  an  dieser 
Küste  können  bei  Gerstäcker  nachgelesen  werden,  und  hier  (in  den 
nördlichen^)  und  noch  unzugänglicheren  Strichen)  war  es,  wo  Pizarro 
manches  Jahr  hindurch  unter  Leiden  und  Mühseligkeiten  jeder  Art 
mit  seinen  Gefährten  das  kümmerlichste  Dasein  führte,  aber  aufrecht 
gehalten  durch  die  aus  unbestimmter  nur  und  schwankender,  aber 
prophetisch  lautender  Kunde  geschöpften  Hoffnungen  auf  das  Gold- 
land im  Süden.  Als  sich  eines  Tages  in  dem  durch  seinen  Namen 
die  Lage  kennzeichnenden  Puerto  de  Hambre,  die  ausgehungerten 
und  in  zerrissenen  Kleidern  verlumpten  Spanier  wieder  verzweiflungs- 
voll durch   das   4icht  verschlungene  Untergebüsch   drängten,   ob  sie 


*)  Als  sie  die  Bucht  San  Malhco  erreichten,  glaubten  sie  vielmehr  Alles  schon  über- 
standen und  sich  am  Ziel  ihrer  Wünsche. 


ZOLLHAUS.  213 

nicht  etwa  eine  menschliche  Lichtung  finden  würden,  gelang  es  ihnen 
nach  unsäglichen  Strapazen  bei  einer  kleinen  Anpflanzung  herauszu- 
kommen, wo  sie  gierig  über  den  ärmlichen  Vorrath  an  Lebensmitteln 
als  ihre  Beute  herfielen.  Die  ihnen  zuschauenden  Indianer  hatten  sie, 
halb  verwundert,  halb  mitleidig  gefi*ag^,  wie  der  Chronist  \)  mittheilt, 
warum  sie  denn  nicht  säeten  und  ernteten,  statt  sich  so  umherzutrei- 
ben, um  fi*emdes  Eigenthum  zu  rauben,  und  all'  diese  Mühe  und  Ar- 
beit auszustehen?  Als  man  in  Mexico  erstaunt  war,  weshalb  so  wenig 
Leute  so  viel  Gold  nöthig  hätten,  erklärte  Cortez  den  Gesandten 
Montezuma's,  dass  seine  Soldaten  an  einer  in  Spanien  grassirenden 
Herzkrankheit  litten,  für  welche  es  kein  anderes  Heilmittel  gäbe,  als 
Gold,  und  dass  sie  deshalb,  dorthin  gekommen,  um  möglichst  baldige 
und  reichliche  Einlieferung  dieser  Arznei  nachsuchten.  Von  den  In- 
dianern bemerkt  dagegen  Davila  ausdrücklich,  dass  sie  von  der 
Krankheit  der  Habsucht  frei  gewesen  (libros  de  la  enfermedad  de  la 
codicia)  und  freigebigsten  Sinnes  (son  inclinadissimos  ä  ser  liberales). 

Am  Morgen  in  der  Nähe  der  auswärts  gelegenen  Insel  Gor- 
gona*),  wo  Pizarro  (wie  auf  der  Isla  de  Gallo),  in  leidensvollen 
Prüfungstagen  für  sein  gewagtes  Unternehmen  gestählt  wurde,  war 
das  Land  aus  Sicht,  bis  in  der  Ferne  vereinzelt  niedrige  Erhebungen 
erschienen  am  Cabo  de  Baco,  mit  umherziehender  Küste.  Weisse 
Klippen  fielen,  mit  Grün  bestreift,  bis  in  das  Wasser  über,  und  nach 
dem  Fels  St.  Paul  öffnete  sich  in  weiter  Bucht,  dicht  bewachsen, 
der  Hafen  Buenaventura,  mit  der  Ortschaft  zwischen  Büschen,  seitlich 
von  der  Mündung  des  Daguas. 

Die  Landung  sowohl  im  Canoe,  wie  das  Warten,  in  dem  ver- 
fallenen Schuppen  der  Douane,  auf  die  Revision  des  Gepäcks,  dann 
der  Transport  dieses  nach  dem  Laden  des  Herrn  Rodas  und  weiter 
nach  dem  mir    in   einem  unbewohnten  Hause   angewiesenen  Zimmer 


M  Porque  (fragten  sie)  no  >embraban  y  cogiaii ,  sin  andar  tomando  los  bastimentos 
a  gcnos,  passando  tanto  trabajo  (s.  Heirera). 

5)  En  la  Costa  de  Barbacoas  estan  las  islas  de  Gorgona  y  Tumaco,  siendo  la  ultima 
poblada  (Mosquera).  Die  der  Insel  Gorgona  gegenüber  liegende  Küste  zieht  sich  über 
die  Punta  de  Manglares  nach  dem  Ancon  de  Sardinas  (bei  den  Mündungen  des  Mira)  und 
jenseits  des  Rio  Santjago  nach  der  Day  San  Mateo  bis  Cap  San  Francisco,  zwischen 
welchem  und  dem  Cap  Pasaos  die  (Vaiximies  genannten  Flüsse  münden.  Die  Bahia  del 
Pailon  liegt  in  dem  Golf  des  Ancon  de  Sardinas  zwischen  der  südlichen  Mündung  des 
Mira  und  der  Mündung  des  Rio  Santjago ,  der  sich  nach  Aufnahme  der  Flüsse  Bogota 
und  Cachavi,  sowie  des  (auf  den  Bergen  von  Cotocachi  entspringenden)  Cayapas  (mit  den 
Indianern  Cayapos)  in  die  Arme  des  Tola  und  Pailon  (welcher  den  Zweig  Poza  abgiebt) 
scheidet. 


214  COLUMIUEN. 

—  Alles  das  gewährte  zur  Landeskelintniss  beitragende  Illustrationen, 
deren  Annehmlichkeiten  aber  freilich  durch  den  ununterbrochenen 
Regen  sehr  verwässert  wurden.  Buenaventura  ist  das  Land  des 
Regens,  und  im  Gegensatz  zu  Piura,  wo  oft  in  sieben  Jahren  kein 
Tropfen  fällt,  mögen  für  Buenaventura  manche  sieben  Jahre  oder 
mehr  dahin  gehen,  ohne  einen  völlig  trockenen  Tag.  Alles  triefet 
und  träuft,  und  giesst  und  fliesst,  im  platschenden  Regen  von  Oben, 
und  patschend  im  unten  aufgewühlten  Koth.  Die  Einwohner  be- 
trachten selbst  den  Regen  als  das  Palladium  ihrer  Stadt,  indem  er 
durch  die  Wucht  seiner  Wassermassen  alle  Schädlichkeiten  fortspüle, 
jedes  Ungeziefer,  wie  Scorpione,  Centipeden  und  sonst  kriechendes 
Gewürm  mit  sich  fortreisse,  und  eine  radicale  Klärung  bewirke,  von 
der  allerdings  der  Schmutz  zurückbleibt.  Bei  nur  kurzem  Ausbleiben 
des  Regens  fülle  sich  die  Luft  in  diesem  Malaria-Kessel  gleich  so  mit 
tödtlichem  Dunst,  dass  kein  Leben  darunter  bestehen  bleiben 
könne. 

Man  hatte  mir  in  einem  leerstehenden  Hause  die  obere  Etage 
zur  Disposition  gestellt,  die  ich  auf  einer  baufälligen  Treppe  ohne 
Unfall  erklomm,  und  nun  neben  einem  langen  Corridor  mit  allerlei 
Winkeln  und  Ecken,  über  ein  halbes  Dutzend  grosse  Zimmer  vor 
mir  hatte,  mit  halb  oder  ganz  ausgehängten  Thüren,  und  im  Uebri- 
gen  rattenkahl,  ohne  jedes  bewegliche  Möbel.  Indess  war  der  Raum, 
wie  ich  bald  ausfand,  nicht  gerade  allzu  gross,  da  die  Zahl  der  wirk- 
lich trockenen  Stellen,  wo  der  Regen  weder  in  Strömen,  noch  auch 
in  Tropfen  fiel,  sich  als  eine  sehr  reducirte  zeigte,  so  dass  ich  mein 
Gepäck  demgemäss  zu  vertheilen  hatte.  Da  ich  mich  noch  nicht 
wieder  in  Marschordnung  befand  und  auch  noch  ohne  Diener,  dessen 
Mitnahme  auf  dem  Dampf boot  nur  unnöthige  Kosten  verursacht 
haben  würde,  so  fand  ich  mich  auf  eigene  Bedienung  hingewiesen, 
und  suchte  für  das  Abendessen  so  gut  es  ging  einen  Ersatz  zu 
simuliren,  da  der  draussen  prasselnde  Regen  nicht  dazu  einlud,  in 
den  dunklen  und  schlüpfrigen  Strassen  nach  einer  Fonda  umherzu- 
suchen. 

Obwohl  der  Kaufmann,  dem  ich  empfohlen  war,  durch  seine 
ihm  einmal  monatlich  von  der  Dampferpost  zugehende  Correspon- 
denz  in  Anspruch  genommen  war,  schickte  er  mir  doch  am  andern 
Morgen  einen  Bootsmann,  um  über  die  Fahrt  auf  dem  Daguas  zu 
verhandeln,  die  (der  Fluth  wegen)  für  den  Abend  festgesetzt  wurde, 
um  bei  Nacht  die  Strecke  bis  Cordova  zurückzulegen,  und  von  dort 
die  Landreise  nach  dem  C —    '    *        "  ^mnnen. 


BLENAVENTURA.  215 

Am  Tage,  nachdem  ich  die  wasserdichte  Vernähung  des  Ge- 
päckes beaufsichtigt  hatte,  trieb  ich  mich,  so  viel  es  der  Regen  er- 
laubte, in  dem  Ort  umher,  der  auf  dem  unebenen  Grunde  dieser  Insel 
hier  und  da  treppenartig  aufsteigt 

Buenaventura  wurde  von  Juan  Ladrillo  angelegt  für  Pascual 
d'Andagoya,  von  dem  es  mit  seinen  anderen  Ansprüchen  cedirt  wer- 
den musste.  Als  Cieza  de  Leon  auf  seiner  Reise  durch  das  Hoch- 
land in  Cali  venveilte,  hörte  er  von  diesem  einsamen  Hafen  am 
Meere,  wo  sich  auf  Anordnung  des  Cabildo  5 — 6  Personen  aufhalten 
mussten,  und  mit  den  Kosten  der  Kaufleute  unterhalten  wurden,  um 
bei  Ankunft  der  Schiffe  aus  Mexico  oder  Nicaragua  Nachricht  geben 
zu  können.  Die  Indianerdörfer  waren  dann  verpflichtet  eine  Anzahl 
Träger  an  die  Küste  herabzusenden  und  die  Güterlasten  auf  den  für 
Saumthiere  nicht  passirbaren  Wegen  nach  Cali  schaffen  zu  lassen. 
Vaca  de  Castro  suchte  den  versteckten  Hafen  umsonst,  obwohl  er 
auf  einem  Felsen  Segelweisungen  eingehauen  fand,  und  wurde  erst 
durch  ein  zu  der  Expedition  Andagoya's  gehörendes  Schiff,  das  er 
auf  dem  Meere  antraf,  orientirt.  Nachdem  Andagoya  bei  seinen 
Verhandlungen  im  Kloster  Cali  oder  Lile  mit  Benalcazar  über  ihre 
gegenseitigen  Rechtstitel,  durch  den  Abfall  seiner  Leute  der  Gefan> 
genschaft  überliefert  war,  blieb  später  nur  der  Hafen  Buenaventura 
in  seinem  Regierungsbezirk  und  was  er  weiter  bis  Sanct  Matheo  und 
Catacamez  colonisirte  (s.  Oviedo).  Der  von  Pascal  de  Andagoya 
zurückgelassene  Gouverneur  Payo  Romero  wurde  in  dem  Aufstand 
des  Caciquen  Tamayo  gctödtet  und  die  Ansiedlung  im  Hafen  Buena- 
ventura zerstört,  bis  durch  Johan  de  Andagoya  (Sohn  des  Pascal  de 
Andagoya)  wieder  hergestellt.  Im  Jahre  1821  wurden  während  des 
Krieges  Befestigungen^)  angelegt. 

Nach  Sonnenuntergang  stellte  sich  der  Bootsmann  ein,  um  das 
Transferiren  des  Gepäckes  vorzunehmen.  Er  war  allein,  da  seine 
übrigen  Collegen  sich  des  Festtages  wegen  in  ihren  Branntwein- 
spelunkcn,  oder  sonst  unzurechnungsfähig,  finden  mochten,  und  so  be- 


*)  Unc  douzaine  de  cases  peuplces  de  negres  et  de  muldtcs,  une  casemc  gardee 
par  onze  soldats,  Irois  pi^ces  de  canons  comme  batterie,  1a  maison  de  gouverneur ,  construite 
tle  meme,  que  Celle  de  la  douane  en  paille  et  en  bambous,  sur  une  petite  ilc 
iiomm^e  Kascakral  (Cascajal),  couverte  d'herbes,  d'^pines,  de  fange,  de  seq>cns  et  de  cra- 
patids,  voilä  San-Buenavcntura  (Mollien)  1823.  Im  Jahre  1826  wurde  Buenaventura  zum 
Freihafen  erklärt.  Im  vorigen  Jahrhundert  war  Buenaventura  un  pequeflo  pueblo,  que 
solo  subsiste  por  razon  de  las  embarcaciones  que  Uegan  h  cl,  porque  es  de  muy  mal 
tcmperamento  y  de  dificil  entrada,  y  el  camino  de  tierra  a  la  ciudad  de  Cali  tan  äspero, 
que  solo  sc  hace  en  hombros  de  Indios,  por  las  inaccesihles  montaüas  (Alcedo). 


216  COLUMHIEN. 

gleitete  ich  ihn  für  jede  Ladung  mit  einem  Licht  die  dunkle  Treppe 
hinunter,  bis  er  in  dem  Regen  der  dunkleren  Strassen  mit  seiner 
Tracht  verschwand.  Als  ich  zuletzt  folgen  wollte,  gerieth  ich  in  ein 
unrichtiges  der  zum  Lehmufer  des  Flusses  hinabführenden  Parallel- 
Gässchen,  und  hatte  lange  unter  dem  Platzregen  zu  suchen,  da  sich 
weder  eine  Menschenseele  auf  den  Strassen,  noch  Böte  der  Boots- 
leute an  den  Landungsplätzen  fanden.  Das  von  ihm  gemiethete 
Fahrzeug  war,  nach  der  Form  der  auf  dem  Daguas  gebrauchten, 
ein  ausgehöhltes  Canoe,  mit  einem  niedrigen,  am  Morgen  aus  Stroh 
hergestellten,  Regendach  am  einen  Ende,  unter  welches  ich  sogleich 
hinunterkroch,  um  die  halb  liegende,  halb  sitzende  Stellung  einzu- 
nehmen, die  der  enge  Raum  allein  erlaubte.  Der  Bootsmann  hatte 
sich  für  einen  letzten  Abschiedstrunk  wieder  entfernt,  und  nur  einen 
kleinen  Knaben  zurückgelassen,  der,  als  ich  ihn  ungeduldig  über  den 
Verzug  zum  Aufsuchen  fortschickte,  so  lange  wegblieb,  dass  ich 
mich  schon  gefasst  machte,  die  Nacht  in  diesem  von  Oben  und  von 
Unten  schwimmenden  Bett  am  Ufer  festgebunden  zu  verbringen,  da 
ich  durch  die  Hut  des  darin  befindlichen  Gepäckes  an  eigener  Ent- 
fernung verhindert  wa^. 

Als  ich  aus  dieser  Ungewissheit  noch  eben  rechtzeitig  erlös't 
worden  war,  fuhren  wir  längs  waldiger  Vorsprüngen  durch  die  Bay,  die 
etwas  bewegter  war,  als  für  meine  Nussschaale  zuträglich  schien,  und 
dann  durch  einen  engen  Canal  zwischen  hohen  Büschen  in  die  Mün- 
dung des  Daguas  ein,  wo  uns  zu  beiden  Seiten  eine  dichte  Vegeta- 
tion begleitete.  Das  Boot  wurde  über  die  Stromschnellen  fortgestakt, 
wobei  es  besonderer  Vorsicht  bedurfte,  die  herabtreibenden  Baum- 
stämme zu  vermeiden.  Oft  auch  war  bei  niedrigem  Wasser  das  Fahr- 
zeug zu  schieben  oder  fortzuziehen,  wofür  sich  der  Bootsmann  von 
dem  mitgenommenen  Knaben  helfen  Hess,  und  wenn  wir  dann  unter 
den  Büschen  des  Ufer's  hinstreiften,  fuhren  wieder  die  spitzen  Bambus 
durch  das  Dach  der  Ramada,  so  dass  schon  die  Aufmerksamkeit 
darauf  den  Schlaf  verhindert  haben  würde. 

Als  durch  das  Gebüsch  ein  schwaches  Licht  das  Vorhandensein 
eines  Hauses  am  Ufer  anzeigte,  dachte  der  Bootsmann  dort  Halt  zu 
machen,  was  ich  nicht  zuliess.  Als  wir  indess  einige  Zeit  nach 
Mitternacht  an  einem  zweiten  Hause  vorbeikamen,  war  er,  ehe  ich 
es  verhindern  konnte,  am  Ufer  verschwunden,  und  ich  genoss  nun 
in  einem  festgebundenen  Canoe  eine  Variation  des  einförmigen  Re- 
gensgeräusches durch  gelegentliches  Gesumme  der  Tanzmusik,  bei 
der  sich  der  Bootsmann    tnit  andern  seines  Berufes,  von  seiner  Nacht- 


DAGUAS.  217 

arbeit  erholte.  Da  ich  auch  dies  Mal  das  Canoc,  des  Gepäckes  wegen, 
nicht  verlassen  konnte,  und  der  dem  Jochen  nachgesandte  Knabe 
seinerseits  Unterhaltng  fand,  blieb  nichts  übrig,  als  mit  Schüssen 
Lärm  zu  schlagen,  bis  der  Bootsmann  es  schliesslich  gerathen  fand, 
sich  wieder  einzufinden  und  die  Stangenarbeit  fortzusetzen. 

Beim  Morgengrauen,  Grau  in  Grau,  schoss  der  Fluss  über  Steine, 
aber  zwischen  denselben  erspähete  mein  Navarche  manche  Sandbank, 
die  ihm  ein  einladendes  Plätzcjien  zum  Frühstück  schien,  so  dass  ich 
ihm  wiederholt  und  eindringlich  meine  Absicht  auszudrücken  hatte, 
diese  unerquickliche  Regenfahrt  bald  möglichst  und  ohne  weiteren 
Aufenthalt  zu  vollenden,  wie  es  beim  ,Uebereinkommen  über  die 
Nachttour  auch  zur  Bedingung  gestellt  war. 

So  langten  wir  noch  ziemlich  zeitig  am  Vormittage  in  Cordova 
an,  wo  das  Gepäck  einen  schlüpfrigen  Klippenabfall  hinaufzuschaffen 
und  dann  nach  der  Ansiedelung  zu  bringen  war,  einem  Hütten-Com- 
plex  auf  einem  Platz,  in  düsterer  Lichtung  des  Waldes.  Das  war  der 
mit  dem  Ausbau  des  Weges,  stationsweis  allmählig  vorwärtsgeschobene 
Terminus  der  Landreise  aus  dem  Innern,  wo  aber  die  anlangenden 
Arrieros  wegen  des  gänzlichen  Mangels  an  Futter  immer  nur  ein 
paar  Stunden  verweilten,  um  ihre  durch  die  Spärlichkeit  desselben 
längs  des  Weges  bereits  halbverhungerten  Thiere  nicht  völlig  auf- 
zureiben. Da  hier,  wie  in  verschiedenen  Theilen  des  südlichen  und 
centralen  America ,  die  Telegraphen  den  (Posten  und)  Wegen  voran- 
gegangen sind,  so  kann  man  auch  von  Buenaventura  einen  solchen 
benutzen,  um  Nachricht  von  dem  Reserviren  der  nöthigen  Trans- 
portmittel zu  geben.  Bei  meiner  Anwesenheit  im  Hafen  konnte 
das,  des  Sonntag's  wegen,  nicht  geschehen,  und  so  sah  ich  auch 
gerade  die  letzten  Karavanen  auf  ihrem  Rückweg  verschwinden,  als 
ich  den  Ort  betrat,  und  musste  mich  nun,  bis  neue  ankommen  sollten, 
auf  Warten  vorbereiten,  indem  ich  ein  durch  den  Agenten  des  Kauf- 
mannes in  Buenaventura  verschafftes  Haus,  oder  vielmehr  einen 
Zimmerverschlag  an  der  Strasse,  bezog.  Früher  war  der  Endpunkt 
der  Landreise  am  Daguas  (von  Kali  aus)  in  Juntas  gewesen,  und  sind 
die  Leiden  der  damaligen  Bootfahrt  bis  Buenaventura  bei  Mollien 
nachzulesen.  Seit  der  zunehmenden  Tabaks  -  Ausfuhr  von  Palmyra, 
der  Rivalin  Kali's  im  Cauca-Thal,  hatte  man  die  Verlängerung  des 
Landweg's  bis  zum  Hafen  projectirt,  kam  aber  nur  bis  zu  anderen 
Stationen,  abwärts  von  Juntas,  längs  des  Daguas.  und  die  gegenwärtig 
letzte  derselben  reprägentirt  dieses  Cordova,  eine  um  so  ephemerere 
Gründung,    da  sie   auch  dem  Princip    nach    nur  ephemer  sein  soll. 


218  COLl'MBIEN. 

Alles  roch  nach  Fieber,  wie  es  bei  so  frischen  Ausrodungen  im 
regengeschwängerten  Urwald  nicht  anders  sein  kann,  und  wie  es  das 
Aussehen  nicht  nur,  sondern  auch  die  Klagen  der  wenigen  Bewohner 
auf  diesen  Kodcn  bestätigten.  Die  Hauptzahl  derselben  bestand  in 
den  Beamten  des  dortigen  Zollhauses,  dessen  Bedeutung  hier  mitten  im 
Lande  mir  erst  durch  den  Aufenthalt  bei  Revision  des  Gepäcks  ver- 
ständlich wurde,  da  ich  vielleicht  sonst  noch  ein  Arrangement  mit 
einem  der  im  Abzug  begriffenen  Arrieros  hätte  machen  können. 
Glücklichen\'eise  langte  gegen  Abend  ein  anderer  an,  und  so  traurig 
seine  Thiere  auch  aussahen,  so  blieb  doch  keine  Wahl,  als  sie  zu 
miethen,  und  die  Abreise  festzusetzen  für  den  Moment,  wo  er  nach 
dem  Wiedereröffnen  des  Zollhauses  am  nächsten  Morgen  die  For- 
malitäten für  die  von  ihm  abgelieferte  Ladung  erfüllt  haben  würde. 
Meinerseits  konnte  ich  nichts  zur  Beschleunigung  thun,  da  in  diesen 
Ländern  höchstens  die  in  der  Central -Hauptstadt  verschafften  Pässe 
einigen  Eindruck  machen,  und  auch  sie  meist  nur  einen  geringen. 
Einer  der  Zolloffiziere  half  mir  indess,  aus  dankbar  anzuerkennenden 
Privatrücksichten,  mit  ein  Paar  Sporen  aus,  die  ich  mitzubringen  ver- 
gessen und  in  ganz  Cordova  nicht  aufzutreiben  fand,  obwohl  ich  ohne 
solche  mein  reducirtes  Maulthier  wahrscheinlich  schon  nicht  von  der 
Plaza  Cordova 's  fortgebracht  hätte,  geschweige  denn  längs  des  Weges. 

Mit  alledem  war  ein  Theil  des  Morgens  hingegangen,  bis  ich  es 
besteigen  konnte,  um  mit  dem  Arriero,  und  einem  Lastthier  für  das 
nöthige  Gepäck,  die  Reise  anzutreten,  während  der  Rest  meiner 
Sachen  mit  der  von  den  Maulthiertreibern  nachgeführten  Karavanc 
in  Kali  zu  empfangen  war. 

Wir  stiegen  am  P'luss  empor  und  dann  durch  eine  Lichtung,  mit 
hohem  Urwald  darüber,  und  hohem  Urwald  in  Abgründen  nieder- 
fallend. Von  dem  hingewundenen  Weg  öffnete  sich  der  Blick  auf 
die  Wasser  des  Daguas,  als  wir  Sucre  erreichten,  die  nur  noch  von 
einzelnen  Individuen  bewohnte  Bodegas  (oder  Stapelort)  vor  Anlage 
von  Cordova.  Längs  des  Daguas  lief  dann  der  Weg  durch  Urwald 
fort,  und  zeigte  hier  und  da  den  reissend  strömenden  P'luss  in  seinen 
Hervorwindungen  aus  dicht  bewaldetem  Hochgebirge.  Zwischen 
Bergzügen  von  Wald  gelangten  wir  nach  Pureto,  der  jetzt  gleichfalls 
verlassenen  Bodega,  die  der  Anlage  von  Sucre  vorhergegangen  war. 

Wie  bisher,  den  Aufsteig  am  rechten  Ufer  des  Daguas  verfolgend, 
passirten  wir  den  Neh^nfln«;«;  Vibora,  dann  Pina,  während  uns  vor- 
springende Bergzüg  bedeckt,  entgegentraten.  Es  zeig- 
ten sich  die  Wassei  >altillo    und   dann   die    noch  brau- 


V 


JUTTAS.  219 

Sender  dahinstürzenden  des  Salto,  wo  früher  die  Böte  zu  entladen 
und  die  Waaren  über  Land  zu  schaffen  waren,  als  noch  die 
Fiussfahrt^)  bei  Juntas  begann,  oberhalb  welches  Punktes  jede  Bc- 
schiffung  unmöglich  ist.  Das  Pueblo  Junta  liegt  auf  einem  insel- 
artigen Vorsprung  an  der  Conflucnz  des  Pepito  und  Daguas,  und 
man  sieht  dort  den  alten  Weg  über  die  Berge  emporsteigen.  Wir 
wandten  uns  nach  dem  neuen  Weg,  längs  des  Daguas  hin,  der  auf 
einer  Holzbrücke,  unter  Zahlung  von  Brückengeld,  überschritten  wird. 

Der  Weg  windet  sich  am  Abgrund,  unter  welchem  der  Daguas 
schäumend  dahinbraus't,  und  zieht  sich  bei  der  Schlucht  von  Limen- 
cita,  wo  ein  vereinzeltes  Waldhaus  den  Wildpark  der  Natur  zum 
reizenden  Gärtchen  umgeschaffen  hatte,  in  Bergthäler  hinein,  mit 
Abfällen  zum  Fluss. 

Da  sich  die  Dunkelheit  bereits  hinabgesenkt  hatte,  wurden  die 
engen  Weg- Windungen  bei  dem  ungesicherten  Tritt  der  ermüdeten 
Thiere  störend,  und  kam  uns  deshalb  das  Licht  ganz  willkommen, 
das  aus  der  einsamen  Ansiedelung  von  Naranjo  herüberschimmerte. 
In  der  Veranda  des  Haupthauses  sass  die  Familie  von  Grossmutter 
bis  Enkel  beisammen,  und  wies  dem  Arriero  Platz  für  die  Thiere 
an,  während  für  Gepäck  und  Nachtlager  eine  Ecke  des  Zimmer's 
eingeräumt  wurde. 

Während  die  Familienglieder  vor  dem  Niederlegen  eine  Jagd  in 
ihren  Kleidungsstücken  anstellten,  wurde  ich  von  ihnen  wohlmeinend 
und  ohne  Umschweife  vor  den  nächtlichen  Besuchen  gewarnt,  denen 
sie  vorzubeugen  suchten,  und  sparte  ich  deshalb  nicht  das  mitge- 
führte Inscctenpulver. 

Gesprächsweise  hörte  ich  von  ausgegrabenen  Urnen,  sowie  Pfun- 
den von  Steinäxten,  und  war  mir  von  den  letzteren  auch  durch  die 
Wegearbeiter  bei  Sucre  erzählt.  Indess  hatte  man  aus  den  Ersteren 
Nichts  des  Aufbewahren's  werth  gehalten,  und  auch  von  den  letzte- 
ren waren  damals  keine  vorhanden,  so  dass  ich  nur  eine  Adresse  in 
Buenaventura  zurücklassen  konnte,  bei  der  sie  bei  späterer  Gelegen- 
heit abgeliefert  werden  könnten,  wenn  das  Gedächtniss  bis  soweit 
vorhalten  würde. 

Die  Strassenbauten  hatten  am  Anfang  des  Tagesmarsches  Wände 


*)  La  navigation  du  haut  Dagua  est  difficile  et  dangercuse.  La  vie  du  voyageur  y 
depend  souvent  d'un  cri,  d'un  gestc,  d'un  coup  d'oeil  du  Boga,  qui,  de  rarri^re,  commande 
la  manoeuvre  (s.  Saffray).  Im  XVII.  Jahrhundert  hatten  sich  die  Kaufleute  auf  dem 
Wege  von  Cali  nach  Buenaventura  durch  die  Indianer  hindurchzukämpfen  unter  einer 
Regierungscscorte  (s.  Coreal). 


220  COLUMBIExV. 

von  roth  mergligem  Thon  blosgelegt,  oft  auf  grauschiefrigem  Lehm 
mit  Abdrücken  von  Pflanzen,  und  dann  standen  splintrig  fasrige  Felsen 
vor,  mit  durchsetzenden  Gängen  von  Dioritschiefer.  Deshayes  unter- 
scheidet am  unteren  Daguas  vier  Thonschichten,  eine  rothe,  grün- 
liche, gräuliche  und  graue,  die,  auf  Sandunterlage  ruhend,  nach- 
einander verschwinden,  während  der  Porphyr  und  die  Quarzblöcke  des 
Flusses  das  anstehende  Gebirge  kennen  lehren.  Den  von  Thon- 
schiefer  bedeckten  Porphyr  bei  Juntas  hielt  er  dem  Syenit  ent- 
sprechend, der  in  Peru  auf  granitischer  Basis  ruhend  erkannt  ist. 
Im  Gegensatz  zu  den  kahlen  Höhen  Perus  deutet  dieses  dicke  Thon- 
polster  am  Westabhange  Columbien's  einen  characteristischen  Unter- 
schied an,  indessen  einen  aus  der  geringeren  Elevation  und  der 
feuchten  Atmosphäre  leicht  erklärbaren. 

Am  nächsten  Morgen  zog  sich  der  Weg  über  den  Daguas  hin, 
zwischen,  einander  entgegen,  schrofi"  vorspringenden  Bergmassen,  (am 
Rande  einer  derselben,  grün  bedeckt  mit  vereinzelten  Bäumen),  bis 
zum  Austritt  in  die,  vor  einer  Bergwand,  abfallende  Wellenebene 
zwischen  dem  Litako  und  Daguas,  an  der  Abzweigung  des  directen 
Weges  nach  Palmyra.  Wir  folgten  dem  nach  Cali,  einem  Aufsteig, 
und  dann  hinab  zum  Daguas,  der  verschiedentlich  gekreuzt  wurde. 
Auf  schmalen  Wegen  zogen  wir  oberhalb  des  Flusses  hin,  und  dann 
über  Berghalden,  an  dem  Pueblo  Pereheira  seitlich  vorüber,  bei  der 
Quebrada  Honda. 

Nach  dem  Passiren  des  Flusses  Platanal  erschienen  schroffe  Ab- 
hänge, die  sich  unter  den  Coloritnüancirungen  von  Blutroth  bis 
Orangegelb  an  den  Unebenheiten  der  grünen  Decke  in  bunten  Far- 
benmassen abmalten.  Die  Stille  wurde  nur  durch  den  grellen  Pfiff 
des  Eisenbahnpfeifer's  unterbrochen,  der  freilich  in  dieser  Unwegsam- 
keit noch  lange  auf  die  Ankunft  des  prophetisch  verkündeten  Feuer- 
rosses  zu  warten  haben  wird. 

Aus  dem  Koth  lehmiger  Wege  gelangten  wir  auf  eine  wellige 
Hochebene,  der  Blick  auf  die  zur  Montana  Tocota  auslaufende  Berg- 
wald fallend,  mit  bewaldetem  Rücken. 

Bei  dem  Ermüden  der  Thiere  hatte  der  Arriero  mit  mir  ge- 
wechselt, konnte  aber  bald  das  so  übernommene  auch  seinerseits 
nicht  weiterbringen  und  hatte  sich  zum  Fussmarsch  zu  bequemen. 
Als  wir  deshalb  in  dieser  Einöde  (bei  Semita)  an  einer  kleinen  Wege- 
hütte vorüberkamen,  wurde  dort  am  Nachmittage  Halt  gemacht,  ob- 
wohl es  mit  den  Provisionen  für  die  Thiere  sehr  spärlich  aussah, 
und  die  für  die  Menschen  sich  auf  Null  reducirten.  Am  Fusse  einer 


Cauca-thal.  221 

schroffen  Quebrada  floss  der  Daguas,  zu  dem  ich  auf  schlüpfrigen 
Pfaden  hinunterzugleiten  suchte,  wurde  jedoch  dabei  vom  Regen  über- 
rascht, der  uns  in  dem  Schmutzloch  der  Behausung  zusammenpferchte. 

Am  Morgen  (October  28.)  lag  keine  Verführung  zum  Rasten  vor, 
obwohl  sich  die  Thiere  mit  der  kärglichen  Kost  nur  wenig  erholt 
hatten.  Durch  eine  wellig  und  kuppig  gehobene  Ebene,  grün  besprenkelt 
mit  den  Flecken  von  Busch  und  einzelnem  Anbau,  hoben  wir  uns 
zu  einer  rückwärts  geneigten  Bergwand  empor,  die  sich  bewaldet 
umherzog.  Nach  dem  Passiren  des  Daguas  und  der  mit  Pflan- 
zungen verbundenen  Häuser  von  Tocota,  stiegen  wir  auf  rothem  Pfad 
(an  den  kothigeren  Stellen  theilweis  roh  gepflastert)  zum  bewaldeten 
Gipfel  empor,  der  von  Nebelwolken  umhängt  war.  Auf  dem  Kamm 
ging  es  im  Walde  fort,  mit  Niedersteig  an  den  zum  Daguas  fliessen- 
den Bächen  von  San  Antonio,  die  auf  der  letzten  Gräte  der  Wasser- 
scheide entspringen,  und  dann  aufsteigend  zu  dieser,  mit  einem  Rück- 
blick über  bewaldete  Höhenrücken. 

Bei  der  nächsten  Windung  des  Weges  blickt  man  über  waldig 
abwärts  rollende  Berggehänge,  auf  eine  fern  in  der  Tiefe  unter  weiter 
Mächtigkeit  gebreitete  Ebene,  aus  deren  ununterbrochenem  Grün 
flimmernde  Wasserbecken  hervorschimmern,  und,  jenseits  derselben, 
auf  eine  in  unübersehbarem  Zuge  ansteigenden  Hochgebirgswand, 
auf  ihren  Höhen  eine  wolkige  Nebelwand  tragend.  Es  ist  dies  das 
Thal  des  grossen  Cauca  -  Flusses ,  der  in  seinem,  die  Mitte  durch- 
theilenden,  Laufe  zwar  durch  überragende  Ufer  verdeckt  wird,  seine 
das  fruchtbare  Grün  erzeugende  Gegenwart  aber  in  den  ausgetretenen 
Seen -Erweiterungen  bezeugt,  und  der  den  Horizont  abschneidende 
Riesenwall  redet  von  der  centralen  Cordillere,  die  den  Lauf  des 
Cauca  von  dem  seines  Zwillingsstromes,  dem  Magdalena,  und  dem 
Thal  derselben,  scheidet. 

An  den  Ausläufern  der  Bergwand,  (mit  einer,  parallel  in  Ein-  und 
Ausbuchtungen  folgenden,  gegenüber),  windet  sich  der  Weg  abwärts, 
und  am  Fusse  der  Quebrada  fliesst  der  Vacatal,  der,  mit  dem  Santa- 
Rosa  verbunden,  in  den  Cali  mündet,  einen  Nebenfluss  des  Cauca. 

Nach  kurzer  Frühstücksrast  bei  einem  Hause  an  einer  Quelle 
(Montanuelo),  sassen  wir  wieder  auf,  um  uns  von  den  Thieren,  so 
weit  sie  sich  durch  diese  kurze  Ruhe  dazu  gestärkt  hatten,  weiter 
tragen  zu  lassen.  An  den  in  schroffen  Schwingungen  abfallenden 
Bergen  zieht  sich  der  Weg  hin,  und  dann  auf  einen  Ausläufer  zwi- 
schen den  Flüssen  Vacatal  und  Kali  zu  beiden  Seiten  unten,  mit  dem 
Blick  auf  die  Ebene,   worin,    am  P*usse    der   Vorberge,    Cadi    liegt, 


222  COLÜMBIEN. 

während  Palmyra  in  der  Mitte  der  weiten  Fläche  erkennbar  ist.  Das 
Herabsteigen  fortsetzend,  passirten  wir  den  Fluss  Cali  auf  einer  Fürth, 
oberhalb  der  Brücke,  und  konnten  dann  im  Hotel  Columbia  in  Cali 
(Santiago  de  Cali)  die  müden  Thiere  ihrer  Bürde  entledigen. 

Ausser  einem  dort  ansässigen  Deutschen,  Herrn  Price  (oder 
Preuss),  der  ein  americanisches  Kaufmannsgeschäft  mit  Laden  be- 
treibt, lernte  ich  dort  durch  einen  mitgebrachten  Empfehlungsbrief 
den  Gutsbesitzer  Don  Ricardo  Rengifo  kennen,  von  dem  ich  einige 
interessante  Alterthumsstücke  erhielt,  sowie  den  Arzt,  Dr.  Vincente 
Uribe,  der  lange  im  Choco  gelebt  hatte  und  mir  Mittheilung  der  dort 
gesammelten  Vocabularien  versprach.  Im  Verfolg  anderer  Bekannt- 
schaften wurde  durch  Don  Francisco  Valencia  eine  Tour  durch  die 
Umgegend  arrangirt,  wofür  mir  Herr  Price  mit  seinem  Pferde  aus- 
half Am  linken  Ufer  des  Cali  hin  stiegen  wir  an  den  Berghügeln 
aufwärts  auf  dem  zur  Hacienda  La  Paz  führendem  Wege.  Von  dort 
schauten  wir  auf  die  weite  Thalfläche  des  Cauca  zurück,  in  wech- 
selnder Mannigfaltigkeit  den  Raum  bis  zur  jenseitigen  Bergwand  mit 
parkartigen  Baumgruppen,  mit  Wiesen  und  Anpflanzungen  füllend, 
zwischen  denen  Lagunen  hervorblickten,  sowie  hie  und  da  der  Wasser- 
faden des  gewundenen  Flusses.  In  den  auf  den  Weideflächen  gra- 
senden Heerden  trugen  die  Kälber  am  Halse  schwere  Lederringe 
mit  Zacken,  zum  Schutz  gegen  die  Condore,  welche  die  schwächeren 
mit  ihrem  Niederstossen  bedrohen. 

Hinter  dem  ersten  Bergrücken  gelangten  wir  auf  eine  abfallende 
Ebene  (las  Huacas),  wo  mehrfach  Ausgrabungen  gemacht  waren  und 
noöh  Topfscherben  umherlagen.  An  einigen  Stellen  fanden  sich 
Reste  im  Kreis  gestellter  Steine,  und  aus  einer  benachbarten  Quebrada 
brachte  einer  der  Begleiter  Bruchstücke  von  Steingeräthen  herauf. 
Die  von  den  Conquistadores  bei  Cali  angetroffenen  Gorrones  sind  ausge- 
storben, doch  haben  aus  ihnen  die  Stämme  von  Cajamarca  bei  Ro- 
danilla  (zwischen  Cali  und  Cartago)  einige  Worte  ihrer  Sprache  be- 
wahrt (Gorron,  der  Fisch).  Bei  ihnen,  wie  bei  den  meisten  der  be- 
nachbarten Stämme  wird  der  Gebrauch  von  Nasenringen  (Caricuris) 
erwähnt.  Die  alten  Thonfiguren  zeigen  zugleich  die  über  den  Mund 
herabfallenden  Nasenringe,  wie  sie  aus  Gold  gefertigt  von  den  Frauen 
in  Darien  (s.  Cullen)  noch  getragen  werden  (1865).  Diese  Sitte  der 
Quillucinga  (oder  Metallnasen)  scheint  auch  durch  das  Magdalenenthal 
verbreitet  gewesen  zu  .sein,  da  sie  sich  an  den  Tunjas  der  Chibchas 
gleichfalls  erkennen  lässt. 

TT„i        ^jj^  Loma  del  Tablazon,  die  Reste  aus  rohen  Steinen  auf- 


CALL  223 

geworfener  Befestigungen  auf  den  Gipfelhöhen  zeigte,  ritten  wir  nach 
der  hoch  über  Cali  hängenden  Loma  de  las  Cruces,  wo  man  eine 
malerische  Aussicht  auf  das  Thal  des  Cauca  geniesst,  über  die  zu 
Füssen  liegende  Stadt  hinweg.  Ein  nahe  gelegenes  Landhaus,  die 
Finca  de  las  Limones.  gab  Gelegenheit,  einige  Directionen  über  dor- 
tige Alterthümer  zu  erhalten,  und  der  Verwalter  begleitete  uns  nach 
dem  sog.  Piedra  de  Ataud  oder  Sargstein.  In  einem  geschlossenen 
Bergthal  liegt  neben  einem  Waldbach  ein  cyclopischer  Bau  aus 
grossen  Längssteinen,  mit  stufenartigen  Einschnitten,  circa  12  Fuss 
lang  und  6  Fuss  hoch,  ursprünglich  etwa  12  Fuss  breit,  mit  Ein- 
schluss  der  von  Schätzesuchern  durch  Pulver  abgesprengten  Stücke. 
Der  oberste  Stein  ist  mit  dreieckiger  Kante  zwei  anderen  eingesetzt, 
und  durch  eisenartiges  Cement  verbunden. 

In  der  benachbarten  Finca  des  Herrn  Payon  fand  sich  eine  neu 
ausgegrabene  Huaca,  eine  Höhlung  mit  einer  Vertiefung  im  Innern, 
worin  eine  mit  Knochen  gefüllte  Tinaja  angetroffen  war,  7  Fuss  im 
Umfang,  sowie  einige  kleinere. 

Auf  dem  Rückweg  sahen  wir  in  der  Quebrada  de  Vacatal  eine  in 
den  Hügel  eingearbeitete  Höhle  mit  gerundetem  Eingang,  und  kamen 
von  dort  am  Abend  nach  Cali  zurück.  Nach  ihrem  jetzigen  Platz  wurde 
diese  im  Anschluss  an  Benalcazar  s  Vorbereitungen  für  seinen  Ent- 
deckungszug (1537)  gegründete  Stadt  (en  los  estados  deCalamboz)  durch 
Miguel  Lopez  verlegt  (beim  Thal  von  Lile).  In  der  Nähe  hatte  der 
Häuptling  Petecuy  seinen  Sitz,  dessen  Wohnungshalle  Reihen  ausge- 
stopfter Menschenkörper,  wie  sie  auf  dem  Isthmus  gefunden  wurden, 
einschloss,  und  aus  ihnen  redeten,  wie  Cieza  de  Leon  mittheilt,  die 
einfahrenden  Dämone. 

Von  den  Alterthümern  im  Cauca-Thal  ist  nur  wenig  bekannt, 
und  relativ,  im  Ganzen  genommen,  wahrscheinlich  auch  nur  wenig 
vorhanden.  Weder  Mollien  noch  Holton')  geben  ausführlichere  Mit- 
theilungen und  auch  Hamilton  deutet  bei  seinen  Erwähnungen  als 
Seltenheit  darauf  hin.  Indess  Hess  sich  schliesslich  doch,  trotz  eines 
raschen  Durchrittes  mancherlei  erwerben  und  hörte  ich  zugleich  an 
verschiedenen  Plätzen  von  ausgedehnten  Funden,  die  sich  damals  aller- 
dings   alle    schon    zerstreut    und    verloren  hatten.     Vielleicht  tragen 


^)  Holton  sah  one  of  tliosc  curious  Indian  graves,  called  a  guaca  (in  der  Hacienda 
l>ci  Vijes).  Sonie  arc  simple  scjuare  pils  excavated  in  the  ground  covered  over  ftrst  with 
logs  and  ihen  with  earth.  Others  have  side  excavations  in  them  and  very  oftcn  small 
passages  running  from  onc  to  anothcr  (1853). 


224  COLUMßlEN. 

die  gepflogenen  Gespräche    dazu    bei,    dass    bei    künftigen  Gelegen- 
heiten auch  ihr  archäologischer  Werth  Berücksichtigung  findet. 

Das  von  mir  in  Cali  bewohnte  Hotel  war  in  dem  südamericani- 
schen  Character  eines  Caravanserai  mit  Restauration,  indessen  eines 
der  besseren  dieser  Classe  und  unter  der  Leitung  einiger  Damen,  die 
in  verwandtschaftlichen  Verhältnissen  zu  dem  verdienstvollen  Bota- 
niker Triana  standen.  Sie  gehörten  der  Familie  Caicedo  an,  die  vor 
den  letzten  Verwüstungen  der  Bürgerkriege  sich  im  Besitz  weiter 
Landgüter  befand,  noch  zur  Zeit,  als  Holton  dort  reis'te,  der  vielfach 
der  genossenen  Gastfreundschaft  zu  erwähnen  Anlass  hat.  Die  jun- 
gen Mädchen,  die  den  Lesern  seines  Buches  bekannt  sind,  fand  ich 
im  vorgerückten  Alter  wieder,  und  nicht  mehr  in  der  romantischen 
Halbwilderniss  einer  Columbianischen  Hacienda,  sondern  in  Küche  und 
Vorrathskammer  eines  in  die  beengenden  Stadt-Atmosphäre  mitein 
geschlossenen  Gasthauses. 

Für  einige  Tage  ging  es  in  demselben  sehr  lebendig  zu.  Eine 
umherreisende  Seiltänzerbande  hatte  dort  neben  mir  ihr  Quartier 
aufgeschlagen,  und  brachte  die  Tage  mit  Einüben  von  Probestücken 
zu  und  mit  Aufstecken  der  für  Befestigung  der  Seile  dienenden 
Stangen,  bis  dann  eines  Abends  die  durch  emphatische  Placate  an- 
gezeigte Function  Statt  hatte,  zu  der  sich  die  Honoratioren  der  Stadt 
auf  ihren  Plätzen  einfanden. 

Da  das  von  mir  occupirte  Zimmer  einen  guten  Besichtigungs- 
punct  abgab,  wurden  mir  dort  von  meinen  neuen  Bekannten  andere 
zugefügt,  mit  denen  sich  Allerlei  über  Land  und  Leute  besprechen 
liess,  freilich  über  die  von  mir  als  Thema  bevorzugte  Vorge- 
schichte nicht  so  viel,  wie  ich  gewünscht  hätte.  Eher  liessen  sich 
noch  abgerissene  Notizen  über  den  Chocö  erlangen,  da  die  Anziehung 
der  dort  vermutheten  Goldbergwerke  für  Einige  stark  genug  ge- 
wesen war,  am  sie  über  die  Barriere  des  unnahbaren  Klimas  hin- 
wegzuheben. 

Wie  erzählt  wurde,  sollte  eine  mit  Zeichen  beschriebene  Rolle 
(aus  Baumrinde)  nebst  einem  Goldring  und  sonstigen  Goldsachen  einst 
bei  Santa  Rosa,  am  Flusse  Cali,  ausgewaschen  sein,  aber  später 
dem  Indianer,  der  sie  nach  der  Stadt  zu  bringen  hatte,  verloren  ge- 
gangen und  nicht  wieder  aufzufinden  gewesen  sein. 

Den  von  Hamilton  gegebenen  Bericht  über  die  in  den  Bergen 
von  Cucuana  bei  dem  Paramo  von  Baragal  (1824)  geöffnete  Huaca, 
mit  geschmückten  Skeletten,  hörte  ich  durch  den  Sohn  des  Dr.  de  la 


FUNDE.  225 

Roche,  der  die  Autorität  dafür  bildet,  bestätigen,  als  ich  ihn  in  Mc- 
dellin  aufsuchte,  wo  er  damals  als  Arzt  practisirte. 

Ausserdem  wurden  mancherlei  Funde  ^)   erwähnt. 

Die  sonstigen  Vergnügungen  der  Stadt  beschränkten  sich  in  der 
Hauptsache  auf  Hahnenkämpfe ,  deren  hohes  Schauhaus  neben  dem 
schattigen  Prater  stand,  der  jenseits  des  Flusses  zum  öffentlichen 
Belustigungsplatz  diente,  soweit  für  eine  solche  in  diesen  Ländern 
Bedürfniss  vorliegt. 

*)  In  Agua  sucia  (bei  Kali)  6ndet  sich  La  Piedra  del  Sol,  ein  Stein  mit  dem  Zeichen 
der  Sonne  und  des  Mondes,  sowie  der  Sterne.  Auf  der  Loma  del  Tablazon  und  der 
Loma  de  las  Cruces  (bei  Cali)  finden  sich  Spuren  von  Befestigung.  In  den  Huacas  von 
La  Paz  (bei  Call)  finden  sich  Gräber.  In  der  Quebrada  des  Vacotal  am  FIuss  Rosa 
(Nebcnfluss  des  Cali)  findet  sich  in  einem  Hügel  eine  von  den  Indianern  gearbeitete 
Höhle.  Im  früheren  Gebiet  des  Caciquen  Ambimbe  unter  den  Vumbos  (zwischen  Cali 
und  Cartago)  wurde  eine  Huaca  geöffnet.  In  Guengue  (am  rechten  Ufer  des  Cauca) 
finden  sich  Huacas  in  Form  viereckiger  Kasten ,  12  Fuss  tief,  und  darunter  schliesst  ein 
Stein  die  Oeffnung  zum  Eingang  des  Saales,  wo  die  Leichen  sich  gegenüber  in  Stein- 
särgen liegen,  in  der  Nähe  von  Palmyra,  wo  andere  Huaca  bei  la  Ruysa  (bei  La  Flo- 
rida) aufgedeckt  sind,  in  welchen  ein  schräger  Eingang  zu  dem  Gewöll)e  hinabgeht,  wo 
der  Todte  auf  der  Erde  liegt.  In  den  Huacas  von  Las  Pavas  (am  Cauca)  finden  sich 
grosse  Thonkrüge  mit  Knochen  gefüllt.  In  einer  Huaca  von  St.  Rosa  wurde  eine  grosse 
Tinaja  gefunden,  mit  den  Knochen  des  Leichnams  duin,  ebenso  vergoldete  Barren  aus 
Thon.  Bei  Santa  Rosa  finden  sich  Huacas  mit  einem  langen  Eingang,  von  dem  in  ver- 
schiedenen Punkten  Wege  auslaufen ,  zu  den  Behältern  der  Todten ,  im  Kreuz  zu  ein- 
ander. In  der  Loma  de  agua  sucia  (bei  Cali)  sind  Steinäxte  gefunden  (neben  Thon- 
sachen).  In  den  Huacas  von  Naranjal  (bei  Manizales)  fand  sich  die  Figur  von  Indiane- 
rinnen im  dünnen  Goldkleid,  das  mit  Figuren  verziert  war.  Bei  Manizales  enthielten 
einige  Huacas  dünne  Goldbleche,  die  über  die  Lippen  gelegt  waren.  In  den  Huacas 
bei  Arayo  wurde  fein  Steinkasten  angetroffen ,  den  Todten  enthaltend,  während  die  Töpfe 
längs  der  Wand  aufgestellt  waren.  In  Salado  bei  Tocatä  (zwischen  Kali  und  Cordova) 
finden  sich  Huacas  in  verschiedenen  Abtheilungen,  welche  die  ausgestreckten  l>eichname 
enthalten.  Bei  Vuaceri  (zwischen  Buga  und  Palmyra)  ist  in  den  Huacas  eine  weibliche 
Steinfigur  gefunden.  In  Masamoras,  zwischen  Popayan  und  Bolivar,  enthielt  eine  Huaca 
kreuzweis  darüber  gelegte  Steine,  Auf  den  Höhen  um  Buga  sind  indianische  Vasen  aus- 
gegraben. In  Burilla  (bei  Tulua)  finden  sich  Spuren  alter  Salzminen  in  der  centralen  Cor- 
diUere  und  daneben  Höhlen  zum  Bewohnen  (mit  Küchengeräthen  aus  Thon).  In  den 
Huacas  in  Pcüalasco  (in  Tolima)  sind  unter  einem  Gewölbe  ein  mit  Strohdach  gedecktes 
Haas,  und  die  Leichname  darin  angetroffen,  sowie  mitunter  Sessel  aus  Thon.  In  Jen 
Anschwellungen  des  Rio  San  Juan  de  Mico  wurden  oft  durch  Auswaschung  der  Huacas 
Thonstücke,  Mörtel  u.  dergl.  herabgeführt.  In  V'asano  am  rechten  Ufer  dts  Cauca  (zwi- 
schen Cali  und  Cartago)  sind  Huacas  in  Zimmerabtheilungen  (mit  Tinajones  an  den 
Wänden)  ausgegraben.  In  den  Huacas  bei  Tulua  fanden  sich  Muschelarmrmge  und  gol- 
dener  Nasenschmuck,  sowie  thöneme  Idole  mit  Goldstaub  gefüllt.  In  Las  Pavas  (zwischen 
Palmyra  und  Cordova)  sind  in  den  Höhlungen  der  Huacas  Thonsachen  gefunden,  oft 
grosse  Tinajones.  Beim  Graben  für  den  Bau  eines  Hauses  in  Palmyra  kamen  Thonsachen 
zu  Tage.  In  Agua  clara  (bei  Palmyra)  finden  sich  Huacas.  In  St.  Barbara  (bei  Pal- 
myra) stiess  man  auf  Tinajoncs  und  Reibsteine.  In  Socha  (bei  Chicamocha)  finden  sich 
Säulenstücke  (mit  Gesichtern).  In  Jamundi  (vom  Häuptling  Amundi  genannt)  oder 
Chamundi  (zwischen  Cali  und  Popayan)  sind  Alterthümer  gefunden. 

Bastian :  America.  I.  15 


226  COLUMBIEN. 

Das  schönste  und  gesundeste  Vergnügen  wurde  jedenfalls  durch 
ein  tägliches  Bad  in  den  frisch  strömenden  Wassern  des  Cali  ge- 
boten, wenn  eine  passende  Stelle  in  nicht  zu  weiter  Entfernung  ge- 
funden war. 

Einer  meiner  gefälligen  Bekannten  schleppte  mich  nach  der 
Kirche  de  la  Merced,  um  mir  ein  steinernes,  jetzt  übermaltes,  Bild 
der  Jungfrau  zu  zeigen  mit  dem  eine  Frucht  haltenden  Säugling  auf 
dem  Arm,  als  Virgen  de  los  Remedios,  deren  syrische  Reminiscenzen 
auch  im  Buddhismus  ihre  Analogien  finden.  Diese,  die  geschlitzten 
Augen  der  Indianer  zeigende  Figur  war,  wie  auf  dem  daneben  hängen- 
den Bilde  abgemalt,  an  den  Ufern  des  Daguas  gefunden,  und  zwar 
an  einer  Stelle,  (dem  sog.  Queremal),  welche  allein  die  gegen  ner- 
vöse Krankheiten  verwandte  Quereme  -  Blume  (Thibaudia  Quereme) 
erzeugen  sollte,  von  der  indess  nichts  vorräthig  war.  Im  XVIII.  Jahr- 
hundert nach  Cali  gebracht,  verschwand  das  Idol,  weil  es  wahr- 
scheinlich an  dem,  diesem  Gelichter  auch  in  Indien  eigenem,  Heim- 
weh litt,  das  gleich  der  Herzkrankheit  von  Cortez'  Soldaten  nur 
durch  Gold  kurirbar  zu  sein  pflegt.  Da  sich  diese  Remedios  vor- 
räthig fanden  oder  doch  auftreiben  Hessen,  wurde  es  in  feierlicher 
Procession  nach  Cali  zurückgebracht,  wo  es  jetzt  von  den  Bürgern,  als 
theuer  erkauftes  Gut,  mit  um  so  höherem  Stolze  ihr  Eigen  genannt 
wird.  Die  Quere-me  (Liebe-mich)  Blume  dient  zugleich  für  Vergiss- 
meinnichtsgaben  und  wird  gern  von  den  einheimischen  Dichter- 
talenten besungen. 

Für  die  von  Cali  aus  beabsichtigte  Route  war  die  Jahreszeit  keine 
besonders  günstige,  xdoch  musste  sie  genommen  werden,  wie  sie  sich 
bot,  da  ein  Warten  kaum  dienlich  gewesen  wäre,  und  schon  bei  der 
Zeitbeschränkung  nicht  in  Frage  kommen  konnte. 

Wenn  man  in  Südamerica  einen  Verano  (Sommer)  und  einen  In- 
vierno  (Winter)  unterscheidet,  so  versteht  man  unter  dem  ersteren  die 
trockene  (und  windige)  Zeit,  unter  dem  letzteren  die  Zeit  der  Regen, 
und  schiebt  oft  noch  (der  kleinen  Regenzeit  entsprechend)  ein  Invier- 
nillo  (Winterchen)  ein.  Die  Folge  der  Jahreszeiten  bedingt  sich,  wie 
überall,  durch  die  geographische,  in  diesen  mächtigen  Erhebungs- 
massen aber  auch  zugleich  durch  die  topographische  Lagerung  des 
Ortes,  da  bis  hoch  in  die  Luftregionen  hinauf  die  sonst  regelmässigen 
und  gleichartigen  Strömungsrichtungen  eine  Ablenkung  erfahren 
mögen,  und  so  den  aus  allgemein  meteorologischen  Bedingungen 
er\varteten  Umlauf  der  Erscheinungen  local  durchbrechen. 

In  Columbien    fällt   für  das  Caucathal   die  trockene  Zeit  in  die 


JAHRESZEIT.  227 

Monate  März  —  Mai  und  December  —  Februar,  der  Regen  in  die  Mo- 
nate Juni — August  und  September — November,  und  ungefähr  ähnlich 
in  Bogota,  obwohl  auf  dortiger  Sabana  fast  beständig  Hinneigung 
zu  Regen  zu  erwarten  ist.  In  der  Zeit  von  Juni  bis  August  sind  die 
Paramo  der  dort  herrschenden  Stürme  wegen  gefürchtet.  In  Antio 
quia  fällt  in  den  nach  dem  Choco  gerichteten  Wäldern  Regen  im 
Mai  —  August,  sowie  im  September  —  November,  in  den  nach  dem 
Cauca  zu  liegenden  im  April  —  Juni,  sowie  im  August  und  ferner 
im  September — November. 

„Im  Allgemeinen  fällt  (für  Columbien)  die  Regenzeit  in  das  Solsti- 
tium  des  Juni  und  die  trockene  Zeit  in  das  des  December.  Auf  dem 
Isthmus  findet  sich  die  gleiche  Unterscheidung  zwischen  trockener 
und  regnerischer  Zeit,  aber  es  lässt  sich  behaupten,  dass  die  trockene 
Jahreszeit  erst  20  Tage  nach  dem  Solstiz  des  December  beginnt 
und  20  Tage  vor  dem  des  Juni  sein  Ende  erreicht,  so  dass  die  regne- 
rische Zeit  die  trockene  an  Länge  übertrifft.  An  der  ganzen  Küste 
des  Pacific,  von  Cupica  bis  an  die  südliche  Grenze  der  Republik, 
sowie  im  Innern  des  Choco,  im  südlichen  und  nördlichen  Darien  bis 
Portobelo,  fehlt  die  trockene  Zeit  gänzlich,  indem  das  ganze  Jahr 
hindurch  Regen  fällt"  (s.  Mosquera^). 

Da  sich  aus  verschiedenen  Ueberlegungen  Palmyra  als  der  ge- 
eignete Ort  erwies,  die  Reise  durch  Columbien  vorzubereiten,  brach 
ich  am  Novbr.  4.  mit  Miethsthieren  dorthin  auf  Auf  einer  Ebene  mit 
Busch  und  Anpflanzungen  hatten  wir  durch  stehendes  Wasser  zu  pat- 
schen, das  aus  den  Ueberschwemmungen  des  Cauca  zurückgeblieben 
war,  und  erreichten  dann  die  niedrigen  Ufer  dieses  Flusses,  wo  uns 
eine  Strickfahre  an  das  andere  Ufer  beförderte.  Dort  ritten  wir  über 
einen  durch  zähen  Morast  lästigen  Weg^)  und  längs  Baumstämme,  die 
darüber  lagen,  durch  einen  gestrüppartigen  Wald,  in  welchem  nur 
in  weiten  Intervallen  eine  halbvermoderte  Umzäunung   an  der  Seite 


>)  Pucde  fijarse  que  desde  260  Metros  de  altura  sobre  el  nivel  del  Mar,  hasta  3100, 
estan  divididas  las  cstaciones  como  dejamos  espuesto,  pero,  de  3100  Metros  h  los  mayores 
alturas  conocidas,  succde  todo  lo  contrario.  Cuando  domina  la  estacion  scca  en  aquellas 
lugares,  las  g^andes  alturas  estdn  cubiertas  de  nubes  y  hay  grandes  temporales  acom- 
pafiados  de  granizo,  y  es  la  ^poca  en  que  hay  crescientes  de  los  rios  que  bajan  de  las 
cordilleras  y  sc  aumentan  las  nieves  perpetuas  de  las  cordilleras  nevadas  y  en  los  licmpos 
de  la  estacion  pluviosa  las  cordilleras  estän  secas,  no  hay  temporales  y  el  frio  es  mas 
moderado.     In  Peru  herrscht  oft  entgegengesetzte  Jahreszeit  in  einzelnen  Provinzen. 

^)  Some  of  the  worst  roads  in  the  world  on  account  of  mud  (zwischen  Palmira  und 
Kali).  Its  desperate  character  might  at  once  be  known  by  seeing  Pontederia  azurea  grow- 
ing  therc  (s.  Holton). 

15* 


228  COLUMBIEK. 

Anpflanzungen  andeuten  sollte,  (ob  nun  frühere  oder  erst  beabsich- 
tigte), und  passirten  mit  Matten  bedeckte  Brückenstege  über  den 
Fluss  Machal,  der  in  den  Cauca  einmündet.  Kurz  darauf  zeigte  sich 
ein  Theil  des  Gepäckes  verloren  gegangen,  so  dass  sich  der  Führer 
auf  die  Suche  zu  begeben  hatte,  während  ich  seine  Rückkehr  bei 
einem  einzeln  stehenden  Hause  erwartete.  Nachdem  dann  der  Wald 
häufiger  von  Anpflanzungen  unterbrochen  war,  traten  wir  ins  Freie 
auf  eine  v^on  Heerden  belebte  Wiese,  deren  grüne  Fläche  in  die 
Ferne  hinanwellte  zum  begrenzenden  Bergzug  und  an  der  unteren 
Hälfte  desselben  hinauf. 

In  Palmyra  fand  ich  das  ganze  Hotel  durch  eine  reisende  Theater- 
gesellschaft in  Anspruch  genommen,  und  wurde  des  weiteren  Suchen's 
durch  die  freundliche  Aufnahme  der  deutschen  Kaufleute  der  Firma 
Blume  &  Co.  überhoben.  Drei  Brüder  führen  dies,  besonders  die 
Palmyra  -  Tabake  vertreibende  Geschäft,  und  sie  überliessen  mir  die 
höhere  Etage  des  Comptoirhauscs,  die  leer  und  unbenutzt  stand,  da 
sie  für  ihre  Familien  besondere  Wohnungen  gewählt  hatten.  Herr 
Max  Blum  bewohnte  mit  Frau  und  Kindern  ein  Landhaus  vor  der 
Stadt,  und  begleitete  ich  ihn  dahin  am  Sonnabend,  um  den  nächsten 
Tag  mit  seiner  Familie  zu  verbringen.  In  der  Nähe  dieser  Hacienda 
Beringo  wurde  bei  Agua  clara  ein  welliger  Grund  mit  Huacas  ange- 
zeigt, und  war  überhaupt  mancherlei  in  der  Nähe  von  Palmyra  ge- 
funden, so  dass  ich  einige  kleine  Erwerbungen  machen  konnte. 

Mehrere  der  dortigen  Kaufleute  hatten  mit  den  wilden  Stämmen 
in  den  Bergwildnissen  um  Popayan  verkehrt,  und  kannten  Verschie- 
denes von  dort  gefundenen  Alterthümern.  In  der  Nähe  Popayan's 
soll  vor  Kurzem  eine  grosse  Steinfigur  ausgegraben  sein,  die  man 
nach  der  Stadt  zu  schaffen  suchte,  aber  auf  halbem  Wege  liegen 
lassen  musste. 

Die  Coconucos  von  Puraze  (bei  Popayan)  reden  besondere 
Sprache  und  auch  bei  den  Stämmen*)  um  Paniquita  (bei  Popayan) 
ist  ihre  eigene  Sprache  erhalten. 


')  Bei  Mocoa  am  Putumayo  wohnen  die  Andaquies.  Zwischen  dem  Quindiu  und 
lbagu6  haben  sich,  in  die  Wälder  zurückgezogen,  Indianer  erhalten,  und  so  in  den  Beiden 
des  oberen  Calima.  Die  (im  Sammeln  der  China  -  Rinde  unterstützenden)  Vuambia  (saco 
de  fique)  oder  Silvia  (bei  Popayan  mit  Silviones  und  Tortoraes)  sprechen  gleiche  Sprache, 
wie  die  Indianer  von  Pitayon  und  die  Indianer  von  Imbi6.  Die  Sprache  der  Silvianos 
(bei  Popayan)  ist  von  der  der  wilden  Paezes  verschieden:  fucgo,  ippin;  blanco,  guass, 
viejo,  penche;  cabeza,  huete;  pelado,  topio.  Die  Lengua  Jeona  wird  swischen  Putumayo 
und  Caquetd  gesprochen ,  und  ausserdem  als  Jeona  ein  Nebenfluss  des  Xingu  bezeichnet 
(Zeona). 


PALMYRA.  229 

Nachdem  der  für  meine  Reise  durch  Columbien  zu  entwerfende 
Plan  vielfach  besprochen  und  das  Für  und  Wider  der  zu  wählenden 
Transportmittel  hin  und  her  erwogen  war,  schien  es  am  gerathensten, 
da  ich  mich  zunächst  nach  Antioquia  begeben  wollte,  Thiere  zu 
kaufen,  statt  am  Wege  von  gemietheten  abhängig  zu  bleiben. 

Für  den  Ankauf  wurden  Sachverständige  aller  Art  zu  Rathe 
gezogen,  und  auch  ein  Diener  war  empfohlen,  der  indcss  am  Vor- 
abend der  Reise  durch  einen  Armbruch  invalide  wurde,  und  durch 
einen  andern  ersetzt  werden  musste.  Nachdem  dann  die  Einzeln- 
heiten des  Sattelzeuges  und  der  Geschirre  stückweis  zusammengesucht 
und  componirt  waren,  nachdem  die  Provisionen  mit  sonstigem  Zubehör 
gekauft  und  der  wasserdichte  Schutz  vorgesehen  war,  konnte  ich 
am  Nachmittag  des  i6.  November  Palmyra  verlassen,  um  die  Nacht 
in  der  CafTeeplantage  der  Hacienda  St.  Rita  zu  verbringen,  ^unter 
gastfreundlicher  Aufnahme  durch  den  deutschen  Besitzer  derselben, 
Herrn  S.  Eider.  Von  ihm  erhielt  ich  die  erste  Kunde  über  die 
glückliche  Beschiffung  des  Putumayo,  da  ihm  gerade  ein  Zeitungs- 
blatt aus  Rio  Janeiro   mit  einem  Bericht  darüber  zugegangen  war. 

Die  Grenzstreitigkeiten  der  spanischen  Republiken  unter  einander 
bewegen  sich  auf  Grund  der  früheren  Jurisdictionen  des  Vicekönig- 
thums,  oder,  unter  dem  anfangs  ungetheilten  der  Präsidentschaften 
innerhalb  desselben,  und  ausserdem  liegen  sie  sämmtlich  im  Process 
mit  Brasilien,  wobei  auf  die  Controversen  zwischen  Spaniern  und  Por- 
tugiesen, sowie  die  damals  abgeschlossenen  Verträge  zurückgegriffen, 
und  im  Allgemeinen  das  Uti  possidetis  vom  Jahre  1810  als  Besitz- 
titel gesetzt  und  verlangt  wird.  Lange  kümmerte  man  sich  wenig 
um  die  noch  für  keinen  Besitzer  nutzbaren  Länder  und  erst  die  Ent- 
wicklung der  Dampfschifffahrt  auf  dem  Maranon  hat  die  Aufmerk- 
samkeit wieder  darauf  hingelenkt,  besonders  in  Columbien,  das  be- 
droht ist  durch  das  rührige  Vordringen  der  (americanischen)  Portu- 
giesen von  allen  seinen  Ausmündungspunkten  in  das  Süsswassermeer, 
und  also  von  jedem  Hafen  abgeschnitten  zu  werden. 

Schon  im  vorigen  Jahrhundert  waren  die  Portugiesen  1771  bis 
Iza  am  Putumayo  vorgedrungen,  wurden  aber  durch  den  Vertrag  von 
Ildefonso  wieder  bis  zur  Westmündung  des  Yupurä  zurückgewiesen 
(1777),  und  in  dem  Vertrag  von  Badajoz  (1801)  suchte  man  der 
Grenze  noch  mehr  Genauigkeit  zu  geben.  Doch  wurden  bald  wieder 
brasilische  Raubfahrten  auf  dem  Putumayo  verzeichnet,  um  die  In- 
dianer als  Sklaven  fortzuführen  und  die  Sassaparilla- Sucher  setzten  den 
Rio  Yaguas    als  Grenze    (1853),    wie    solche    an    der  Confluenz    des 


230  COLUMBIEX. 

Yaguas  mit  dem  Putumayo  1859  offiziell  festzustellen  gesucht  wurde. 
Der  Dampfer  Para  befuhr  bis  Bello  Jardin  am  Putumayo.  Die  Co- 
mision  demarcadora  del  Brasil  con  cl  Peru  fixirte  die  Grenze  ^)  in 
Guequi  am  Putumayo  (1869),  während  die  colombische  Regierung 
den  ganzen  Lauf  des  Putumayo  in  Anspruch  nimmt,  und  an  der  Boca 
del  Urari  (Nebenfluss  des  Iza).  Ueber  Dr.  Reiss'  Antheil  an  der 
jetzigen  Eröffnung  des  Putumayo  für  den  China-Export  hat  derselbe 
in  den .  Verhandlungen  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin, 
selbst  berichtet  (1877). 

Mit  dem  Aufbruch  am  nächsten  Morgen  (November  16.)  lag 
mein  Weg  für  die  folgenden  Tage  am  rechten  Ufer  des  Caucaflusses, 
wo  Buschwald  mit  Anpflanzungen  und  Wiesen  wechselten,  zwischen 
den  aus  dem  begleitenden  Bergwall  herabströmenden  Nebenflüssen, 
die  nach  einander  (mit  dem  Nimapurut  und  Maima  beginnend)  zu 
passircn  waren,  mitunter  nicht  ohne  Schwierigkeiten,  da  sie  mit  der 
einsetzenden  Regenzeit  zu  schwellen  begannen.  Manche  derselben 
verlangen  deshalb  auch  jährlich  ihre  Opfer,  und  als  wir  jenseits  des 
Pueblo  Cerrito,  vor  welchem  ein  Markt  abgehalten  wurde,  den  Fluss 
Las  Huavas  durchritten,  bemerkte  mir  mein  Bursche:  „Este  rico  ahoga 
mucha  gente."  Er  war  durch  vielfache  Reisen  im  Lande,  theils  als 
Arriero,  theils  als  Diener,  mit  jedem  Weg  und  Steg  wohl  vertraut, 
in  sein  jetziges  Engagement  indess,  da  es  sich  um  rasche  Gewinnung 
eines  Ersatzmannes  gehandelt  hatte,  etwas  improvisirt  eingetreten, 
da  er  so  eben  erst  von  einer  schweren  Krankheit  genesen  war.  Er 
fühlte  sich  noch  immer  ziemlich  unwohl,  und  nachdem  wir  das  Pueblo 


^)  Nach  Erörterung  der  früheren  Verträge  sucht  Otero  nachzuweisen:  el  derecho  que 
assiste  a  Columbia  para  reclamar  del  Imperio,  como  linea  divisoria  entre  los  dos  paises, 
la  que  partiendo  del  punto  del  rio  Vavari  en  donde  haya  de  terminar  la  linea  Este-Oesie 
que  se  trace  desdc  la  confluencia  del  Guapore  i  del  Mamorö,  el  Vavari  Aguas  abajo 
hasta  el  Amaz6nas,  este  en  todo  su  curso  hasta  la  boca  mas  occidental  del  Vu- 
purd,  (jue  (salvo  la  rectificacion  del  caso)  llamarcmos  cl  brazo  Avatiparand.  Siguc 
este  brazo  hasta  el  Caquetd  o  Yupurd,  y  remonta  sus  aguas  hasta  donde  recibe  el 
desague  de  la  laguna  Maraki,  por  la  cual  continua  la  linea  en  direccion  al  Norte 
hasta  el  Rio  Negro,  frente  a  la  desembocadura  del  Cababuri.  Sigue  por  el  Rio 
Ncgro  hasta  la  union  del  Casiquiare,  i  este  en  todo  su  curso  hasta  donde  se  des- 
))rendc  del  Orinoco  (1869).  Villa vicencio  (seflalando  la  alta  cadena  de  montaüas  que 
componen  la  cordillera  del  Putumayo  como  limite  entro  las  dos  republicas  del  Ecuador 
y  Nueva  Granada)  bemerkt  über  Ecuador's  Grenzen  mit  Peru :  Si  la  Cedula  de  1802  ha 
dado  derechos  aparentes  al  Peru  para  pretender  la  propriedad  de  Quizos  y  Mainas,  no 
sc  los  dd,  ni  aun  en  apariencia  siquiera,  sobre  los  terrenos  de  Canelos  y  Gualaquiza 
(1860).  Am  Rio  Zamora  und  Bobonaza  (bis  zur  Confluenz  mit  dem  Pastassa)  waren  der 
Englischen  Gesellschaft  Landes-Cessionen  gemacht  (wie  am  Pailon,  in  Atacamez  und  bei 
Molleturo). 


BUGA.  231 

Sonzo,  wo  sich  an  einem  niedrigen  Höhenzug  mit  Thalbuchtungen 
die  beiden  Arme  des  Sonzoflusses  vereinigten,  passirt  hatten,  musste 
zu  seiner  Erholung  in  einem  Hause  am  Wege  eine  längere  Rast  ge- 
währt werden,  so  dass  mich  ein  solcher  Beginn  der  Reise  etwas 
bedenklich  machte.  Doch  stellte  sich  seine  Gesundheit  an  den  fol- 
genden Tagen  wieder  her  und  hat  für  den  Rest  der  Reise  keine  fer- 
neren Hindernisse  in  den  Weg  gelegt. 

Bis  zu  seinem  Eintritt  in  die  verengenden  Gebirge  Antioquien's 
(abwärts  von  Cartago)  bewahrt  das  Caucathal  von  Palmyra  an  (und 
noch  von  oberhalb)  überall  seine  mächtige  Breite.  Wir  ritten  in  der 
Mitte  zwischen  der  mittleren  Cordillere  rechts  und  dem  rechten  Ufer 
des  Cauca  zur  Linken,  durch  den  Abfall  der  mit  den  niederströmen- 
den Bächen  durchsetzten  Ebene  hin,  und  sahen  dabei  in  weiter  Ent- 
fernung am  anderen  Ufer  den  begleitenden  Zug  der  Küsten-Cordillere. 
Diese  trat  deutlicher  hervor  bei  der  Einmündung  des  Buga-Flusses 
(Rio  de  las  Piedras),  wo  sich  auch  auf  unserer  Seite  das  Terrain 
durch  Annäherung  des  rechten  Gebirgszuges  in  Unebenheiten  zer- 
bricht. 

In  Buga,  wo  sich  eine  Brücke  in  Bau  befand,  waren  die  Zimmer 
des  sog.  Hotel,  wenn  überhaupt  vorhanden,  besetzt  und  fand  ich 
deshalb  Aufnahme  bei  einem  Geschäftsfreund  meiner  Bekannten  in 
Palmyra,  bei  Don  Juan  de  Dios  Restrepo,  bei  dem  ich,  da  er  aus 
Antioquia  stammte  und  seine  Gemahlin  aus  Bogota,  Manches  über 
beide  Provinzen  hörte.  Wir  waren  auf  dieser  ersten  Tagereise  be- 
reits von  Regenschauern  überrascht,  den  Vorboten  der  nassen  Jahres- 
zeit, die  das  Reisen  im  Caucathal  durch  Austreten  der  Flüsse  zu  er- 
schweren drohte. 

Buga  (Guadalaxara  de  Buga)  wurde  1 570  durch  Alvaro.  de  Mcn- 
doza  gegründet  und  einige  Zeit  lang  als  Nueva  Galicia  bezeichnet, 
wegen  der  vielen  Gallegos,  die  sich  dort  niedergelassen  hatten. 

Da  es  noch  allerlei  nachträgliche  Besorgungen  gab,  konnten  wir 
erst  am  Mittag  (November  17.)  die  Weiterreise  antreten.  Auf  ge- 
brochenem Terrain  kamen  wir  in  Quebraden,  und  dann  durch  Busch 
und  eingezäunten  Wald  an  den  Sanchon-seco-Fluss ,  (wo  auf  der 
Höhenkette  und  grünen  Hügelkuppen  die  Häuser  des  Pueblo  Todos 
los  Santos  zerstreut  lagen),  dann  an  den  Fluss  San  Pedro.  Rechts 
zogen  sich  waldige  Hügel  her,  von  der  Cordillere  auslaufend,  mit 
geöffneten  Stellen,  links  breiteten  sich  Wiesen  mit  Wald  umsäumt, 
auf  der  Niedemeigung  zum  Cauca,    und    auf  dem  andern  Ufer  des- 


232  COLUMBIEN. 

selben  erschien  in  der  Ferne  die  westliche  Cordillere,  grün  an  den 
Abhängen  und  die  Höhen  blau  duftig  umflort. 

Nach  einigen  Häusern  am  Wege,  wo  Erfrischungen  in  dem 
Landesgetränk  der  Chicha  verkauft  wurden,  nahm  uns  ein  morastiger 
Wald  auf  mit  verfallenen  Brückenstegen,  bis  wir  am  Abend  den  Fluss 
Tulua  erreichten.  In  dem  gleichnamigen  Pueblo  war  für  Fremde  nichts 
vorgesehen  und  hatten  wir  eine  Zeit  lang  in  den  Strassen  umherzu- 
wandern, bis  es  möglich  war  ein  Zimmer  zu  miethen,  von  einer  da- 
neben wohnenden  Frau,  die  zugleich  die  Bereitung  eines  Abendessens 
übernahm.  Durch  Besuche,  die  sich  einstellten,  hörte  ich  Manches 
über  die  in  dortiger  Gegend,  besonders  bei  Vasano,  gefundenen  Alter- 
thümer  und  konnte  einige  Kleinigkeiten  erwerben.  Hier  war  der 
Sitz  des  Häuptlings  Calarcä  zur  Zeit  der  Conquista. 

Nachts  fiel  ein  heftiger  Platzregen,  der  bis  zum  Morgen  an- 
dauerte. 

Der  Aufbruch  wurde  möglichst  früh  in's  Werk  gesetzt  und 
passirten  wir  auf  einer  Rohrbrücke  den  Fluss  Tulua.  Ueber  eine 
grüne  Ebene  mit  Waldsäumen  ging  es  fort,  dann  an  welligen  Hügel- 
ketten über  den  Fluss  Morales,  und  durch  morastigen  Wald  zum 
Fluss  La  Valeta.  Hinter  dem  Pueblo  St.  Vincente  fanden  wir  uns  in 
einer  parkartigen  Waldlandschaft.  Dort  rundeten  die  Mango  ihre 
laubigen  Kuppeldome,  gleich  den  Mangoe-coves  in  Indien,  dort,  die 
indische  Banyane  ersetzend,  streckte  die  mächtige  Seiva  (Bombax 
ceiva)  ihre  weiten   ästigen   Arme,   dort  hüllten  sich  die  Tamarinden 

« 

in  dichtes  Laubgezweig,  während  aus  dem  der  Orangen  die  Früchte 
hervorglühten,  schlanke  Palmen  aufstrebten,  das  Zuckerrohr  im 
lachenden  Grün  schimmerte,  die  breiten  Blätter  junger  Bananen  durch 
Frische  erfreuten    und    hoch  der  Mais    in    den  Feldern  emporstand. 

An  leicht  gezackter  Hügelkette  mit  grüner  Bewaldung  gelangten 
wir  zu  den  erhöhten  Ufern  des  Buga-la-grande,  und  am  welligen 
Hügelabhang  öffnete  sich  dann  der  Blick  über  abfallendes  Waldgrün 
zur  westlichen  Cordillere,  wo  Ortschaften  sichtbar  waren. 

Während  des  Frühstücks  in  einem  Landhaus  bei  dem  Pueblo 
Buga-la-Grande,  kehrte  dort  ein  Kirchenhausirer  ein.  Heilige  im 
Kasten  tragend,  die  er  gegen  entsprechende  Remuneration  der  Be- 
wunderung und  Verehrung  ausstellte.  Scherzer  erzählt  aus  Nicaragua 
von  der  bemalten  Holzfigur  eines  Santo,  „die  in  einen  Kuhsack 
(Zurron)  wohlverpackt  von  Dorf  zu  Dorf  wanderte,  und  von  dem 
„Heiligenbesitzer''  gegen  Geld  oder  Geschenke  sehen  gelassen  wurde, 
„wie    die  Savoyardenknaben    ihre  vierbeinigen  Künstler  von  Ort  zu 


WIRTEL.  233 

Ort  tragen".  Der  von  Desmontes  (in  Costa  Rica)  „für  baare  fünf 
Pesos"  angekaufte  St.  Caralampius  gab  sein  erstes  Heiligendebüt 
unter  der  Schnapsbewirthung  der  Indianer  durch  den  Klausner,  der 
das  Geschäft  zu  etabliren  dachte. 

Am  Fluss  El  Overo  kamen  wir  zum  gleichnamigen  Dorf,  dessen 
Kirche  malerisch  in  einer  Anpflanzung  von  Pappelweiden  lag,  über 
welcher  die  Arme  der  dazwischen  wachsenden  Seiva  sich  ausbrei- 
teten. Daneben  zeigte  sich  Cana  fistule  mit  hängenden  Luftwurzeln 
und  vielblättrige  Quassimo. 

Beim  Fluss  Morales  kamen  wir  über  das  aus  früherem  Anbau 
in  die  Verwilderung  zurückgefallene  Territorium  der  Hacienda  La 
Paila,  und  folgte  ein  dichter  Wald,  der  durch  Räubereien  berüchtigt 
war.  Ein  paar  Männer  mit  Doppelflinten,  die  uns  entgegen  kamen, 
waren  auf  der  Jagd  nach  einem  Tieger  begriffen,  der  sich  in  der  Um- 
gegend gezeigt  und  die  Heerden  angefallen  hatte.  Die  Rohrbrücke 
über  den  Fluss  La  Paila  war  nicht  zu  benutzen,  so  dass  wir  einen 
Umweg  zu  machen  halten,  eine  Fürth  aufzusuchen. 

In  einer  Wildniss  von  Guajava-Bäumen  führte  uns  der  Weg  über 
Schlamm  und  kiesigen  Mergel  zum  Fluss  Las  Canas,  wo  durch  die 
grüne  Ebene  Hügelkuppen  sich  zerstreut  zeigten. 

Auf  einer  Anhöhe  lag  ein  Hüttenhaus  mit  dem  Annex^  einer 
kleinen  Zucker-Trapiche,  und  dort,  wo  ein  Blick  über  die  von  dem 
Hintergrund  der  Cordillere  zum  Cauca  abfallende  Waldebene  gewährt 
war,  schlugen  wir  unser  Nachtquartier  auf,  nachdem  ich  den  Fluss 
zu  einem  Bad  benutzt  hatte.  In  der  schmutzigen  und  dunkelen  Stube 
war  die  ganze  Familie  beisammen,  die  weiblichen  Mitglieder  meist 
damit  beschäftigt  Baumwolle  zu  Fäden  zu  drehen,  mit  Beihülfe  von 
Wirtein  aus  Holz  oder  Thon,  die  überall  gemacht  werden.  Mitunter 
sah  ich  auch  die  verzierten  Thonwirtel,  die  in  Huacas  gefunden 
waren,  dazu  benutzt,  (und  konnte  sie  dann  meist  eintauschen),  oder 
Wirtel  aus  Stein,  wobei  man  mir  auf  mein  dahin  zielendes  Fragen 
erwiederte,  dass  diese  alten  Steinwirtel  allerdings  die  brauchbareren 
seien,  aber  „quien  haria  el  agujero?" 

Da  die  Wände  voll  von  Wanzen  krabbelten,  und  deshalb  ein 
Niederlegen  auf  den  Bänken  nicht  rathsam  schien,  Hess  ich  mein 
Gepäck  in  der  Mitte  des  Zimmers  aufbauen,  um  die  Decken  darüber 
auszubreiten.  Es  wurde  viel  von  Tiegern  gesprochen,  für  welche 
man  Fallen  gestellt  hatte,  und  fast  von  jedem  der  hier  in  kurzen 
Entfernungen  folgenden  Flüsse  die  eine  oder  andere  Geschichte  über 
die    in   diesem    oder    dem    vorigen  Jahre    dort  Ertrunkenen   erzählt. 


234  COLUMBIEN. 

Während  der  ganzenNacht  klatschte  der  Regen  auf  das  Dach  hernieder. 
Die  Häuser  sind  meist  mit  überhängendem  Dach  gebaut,  alsTapia,  einem 
viereckigen  Bretterkasten  mit  hineingestampftem  Lehm  vergleichbar. 
Der  nächste  Morgen  (19.  November)  führte  uns  auf  gebrochenen 
Grund,  mit  einem  Blick  auf  kuppige  Hügelketten  und  Ebenen  da- 
hinter, dann  über  sumpfige  Wiesen  durch  Wald.  In  der  Quebrada 
Honda  waren  die  Thiere  vom  Burschen  an  der  Hand  zu  führen,  um 
den  Tritt  zu  prüfen.  Einem  unebenen  Wege  folgend,  sahen  wir  von  . 
einer  niedrigen  Erhöhung  die  ganze  Gegend  weithin  mit  Wasser- 
teichen bedeckt,  aus  den  Ueberschwemmungen  der  durch  Regen  ge- 
wachsenen Bäche  in  der  Quebrada  honda.  Da  wir  von  einem  Vorüber- 
ziehenden hörten,  dass  ein  Umgehen  nicht  möglich  sei,  Hessen  wir 
uns  die  besten  Stellen  des  Ueberganges  andeuten  und  steuerten 
darauf  los.  Wir  waren  indess  noch  nicht  weit  in  das  Wasser  hinein- 
gekommen, als  die  Thiere  in  etwas  alarmirender  Weise  einzusinken 
begannen,  bis  an  den  Bug  und  darüber,  so  dass  ich,  um  trockene 
Füsse  zu  retten,  die  Beine  kreuzweis  über  den  Sattel  legte,  während 
dieser  Operation  aber,  bei  einem  neuen  Sturz  des  Thieres,  hcrunter- 
kollerte,  und  nun  alle  Kleider  so  durchnässt  hatte,  dass  ich  unter  dem 
nächsten  Baum  zum  Umkleiden  halten  und  das  Gepäck  öffnen  lassen 
musste.  Als  dieser  trockene  Grund  erreicht  war,  fanden  wir  uns  in 
einer  zerstreuten  Ansiedlung  (Pueblo  Victoria)  mit  vereinzelten  Land- 
oder Bauernhäusern,  die  in  ihren  Gehegen  umherstanden,  und  be- 
gaben uns  nach  derjenigen  Wohnung,  welche  uns  als  die  des  Corregidor 
angezeigt  wurde.  Dort  erhielten  wir  die  unangenehme  Nachricht, 
dass  an  ein  Weiterkommen  zunächst  nicht  zu  denken  sei,  indem  der 
San  Juan  del  Mico,  einer  der  gefährlichsten  Flüsse  des  Weges,  von 
dessen  Tücke  bereits  zu  verschiedenen  Malen  geredet  war,  so  ange- 
schwollen sei,  um  selbst  die  Weiterbeförderung  der  Post  unmöglich 
gemacht  zu  haben.  Der  Correo  (Postillon)  lag  bereits  seit  dem  vorigen 
Tage  dort  im  Quartier,  und  obwohl  er  am  Vormittag  mit  einem  landes- 
kundigen Führer  mehrmals  abzugehen  versuchte,  nur  auf  dem  Reit- 
thier  ohne  weiteres  Gepäck,  sahen  wir  ihn  doch  am  Abend  erfolg- 
los zurückkommen.  So  musste  man  sich  schon  darin  ergeben.  Im 
Laufe  des  Tages  langten  noch  andere  Passagiere  an,  die  sich  eben- 
falls zum  Halt  gezwungen  sahen,  und  das  Gespräch  drehte  sich  natür- 
lich besonders  um  unser  Hinderniss.  Man  schalt  auf  die  Regierung, 
die  das  Land  ohne  Wege  und  Brücken  verkommen  lasse,  und  machte 
sich  das  bei  dem  Mico  am  fühlbarsten,  da  an  dem  Platz,  wo  wir 
den,    mitunter   ein   Aufenthalt   von    3 — 3   Wochen   eintreten 


FLÜSSE.  235     ' 

konnte.  Die  verschiedenen  Opfer  wurden  aufgezählt,  die  das  Wag- 
niss  der  Passage  über  den  Mico  in  der  Regenzeit  bereits  mit  dem 
Leben  bezahlt  hatten,  und  wurde  darunter  ein  Elephantenführer  ge- 
nannt, der  mit  seiner  Menagerie  von  Bogota  gekommen.  An  das 
Ertrinken  eines  Engländers  im  Flusse  Honda  knüpfte  sich  eine  län- 
gere Erzählung,  da  sein  Leichnam  mit  einer  Geldkatze  um  den  Leib 
später  abwärts  aufgefunden  sei,  und  die  plötzliche  Wohlhabenheit 
eines  der  dortigen  Gutsherren  solchem  Umstände  zugeschrieben 
wurde. 

Da  am  nächsten  Morgen  (November  22.)  das  Wetter  ein  besseres 
Aussehen  annahm,  machten  wir  uns  auf  den  Weg  und  gelangten 
zwischen  Hügelkuppen  an  die  schroffe  Schlucht,  in  welcher  der  Mico 
hinströmt.  Um  für  die  Führung  des  Thieres  bei  dem  starken  Fall 
des  Wassers  und  der  Unsicherheit  des  Bodens  festen  Sitz  zu  behal- 
ten, mussten  Schuhe  und  Strümpfe  ausgezogen  und  die  Beinkleider 
aufgestreift  werden,  da  auch  hier  das  Wasser  bis  über  die  Steigbügel 
reichte,  doch  fand  man  sich  dann  am  anderen  Ufer  wieder  in  trocke- 
nem Zeug.     Die  frühere  Brücke  über  diesen  FIuss  war  eingefallen. 

Auf  den  sumpfigen  Wiesen,  die  sich  anschlössen,  fanden  sich 
noch  einige  Teiche  von  ähnlicher  Tiefe,  so  dass  ich  mich  ein  paar 
Mal  auf  das  höhere  Pferd  eines  Mitreisenden  setzte,  um  die  Lästig- 
keit des  Kleiderwechsels  zu  sparen.  Im  Dorfe  Naranjo  oder  Obando 
frühstückten  wir  beim  Cura,  Herrn  Basilio  Bueno,  der  einige  Lieb- 
haberei für  Alterthümer  besass,  und  Manches  darüber  wu.sste.  Er 
stellte  mir  ein  junges  Mädchen  als  seine  Tochter  vor,  was  mich  in 
sofern  einigermassen  überraschte,  weil  ich  zwar  schon  sonst  in  Süd- 
Amerika,  besonders  in  Peru,  nicht  nur  eine,  sondern  auch  ein  Dutzend 
Töchter  im  Hause  des  Herrn  Pfarrer  kennen  gelernt,  sie  aber  dann 
als  Nichten  eingeführt  gehört  hatte.  Hier  lag  der  Fall  indess  so, 
dass  er  früher  verheirathet  gewesen,  und  erst  als  Wittwer  ordi- 
nirt  war. 

Der  Weg  folgte  am  Fusse  welliger  Vorberge  aus  der  mittleren 
Cordillere,  die  sich  herumzieht,  mit  zeitweiligem  Blick  auf  die  west- 
liche Cordillere,  jenseits  des  bewaldeten  Thals,  das  zum  Cauca  ab- 
fällt. Der  Fluss  Sancha  Guanavana  war  von  einer  bedeckten  Brücke 
überspannt.  Durch  Wald  gelangten  wir  auf  sumpfige  Wiesen  mit 
tiefen  Wasserlachen,  und  dann  an  eine  Brücke,  die  sich  in  ihrem 
brokfälligen  Zustand  nur  zu  Fuss  passiren  liess,  während  der  Bursche 
durch  die  Fürth  watete,  die  Thiere  nach  sich  ziehend.  Der  Weg 
war  so  schlecht,    dass   man   nach    allen  Richtungen   hin    für   festen 


236  COLÜMBIEN. 

Auftritt  hatte  suchen  müssen,  und  dabei  auch  das  Privateigenthum 
nicht  respcctiren  können,  so  dass  die  Umzäunungen  einer  Hacienda 
an  verschiedenen  Stellen  zerbrochen  waren,  um  über  ihre  Trümmer 
wieder  auf  die  Hauptstrasse  zu  gelangen.  Zwischen  welligen  Kuppen 
mit  dichtgrünem  Anbau  lag  das  Dorf  Saragossa,  und  um  dasselbe 
wölbten  sich  dunkle  Waldlauben,  über  welche  die  rothen  "Blumen 
des  BoboBaumes,  der  die  Cacao-Pflanzungen  beschattet,  hervorleuch- 
teten, während  die  Gartenanlagen  an  den  Häusern  von  Palmen  und 
Bananen  geschmückt  wurden.  Ueber  Wiesen  und  wogend  schwellen- 
den Erhebungen  ging  es  weiter  in  freundlicher  Umgebung.  An 
einem  Fels  am  Wege  bemerkte  ich  Nischen,  deren  Zweck  mir  un- 
verständlich war,  bis  ich  hörte,  dass  der  Stein  wegen  seines  salpetri- 
gen Gehaltes  von  dem  Vieh  ausgeleckt  wurde. 

Beim  Hervorwinden  des  Weges  zwischen  den  Felswänden  zweier 
Höhen,  öffnet  sich  der  Blick  auf  eine  von  Wiesenhügeln  umzogene  La- 
gune, hinter  welcher  die  weissen  Häuser  Cartago's  im  Waldgrün  ein- 
gebettet liegen,  während  die  in  der  Ferne  dunkelnden  Berge  der 
westlichen  Cordillere  (jenseits  des  Cauca)  den  Horizont  abschliessen. 

In  den  Strassen  angelangt,  lenkten  wir  unsere  Thiere  nach  dem 
Gasthaus,  hörten  aber  von  der  Wirthin,  dass  sie  nur  eine  Fonda  halte, 
d.  h.  eine  Restauration  zum  Speisen,  während  die  eigentliche  Posada 
zum  Logiren  seit  einiger  Zeit  eingegangen  sei  und  keine  andere 
existire.  Ich  wartete  also  dort,  bis  mein  Bursche,  der  in  der  Stadt 
umhergefragt  hatte,  ein  Zimmer  zu  miethen,  mit  der  Nachricht  zu- 
rückkam, das  er  ein  ganzes  Haus  gefunden  habe,  das  wir  noch  den 
Abend  bezogen,  selbstverständlich  ohne  Ameublement,  aber,  was 
wichtiger  war,  mit  einem  bequemen  Stall,  um  unsere  Thiere  für 
einige  Tage  zu  verpflegen,  da  sie  sich  bereits  sehr  angegriffen  zeig- 
ten. Wie  ich  später  hörte,  stand  dieses  in  seinen  zwei  Etagen  sehr  ver- 
fallene Haus  deshalb  leer,  da  es  für  nicht  geheuer  galt.  Die  früheren 
Bewohner  hatten  es  verlassen,  weil  durch  Erscheinungen  erschreckt, 
und  seitdem  wusste  man,  dass  es  dort  umging.  Andere,  die  mit  der 
magischen  Wissenschaft  vertraut  waren,  hatten  sich  daran  gemacht, 
diesem  Spuk  auf  dem  Grund  zu  gehen,  da  er  auf  Schätze*)  deute, 
und  solche  sollten  denn  dort  auch  heimlich  ausgegraben  sein.  Aus 
weiteren  Enthüllungen  erfuhr  ich,  dass  es  mit  rothem  Licht  brenne, 
wo  Gold,  mit  blauem,  wo  Silber  vergraben  sei.  Letztere  Farbe  ist 
auch  den  deutschen  Schatzgräbern  bekannt  (s.  Wuttke). 

'       ^)  Almost  every  old  house  in  Bogota  is  said  '^'  '    ^  treasures  taken  out 

pr  lo  have  Ihcni  remaining  still  in  their  walls  (Sf 


CARTAGO.  237 

In  den  Huacas^)  bei  Cartago  ist  ein  goldener  Nasenschmuck  ge- 
funden worden,  der  über  den  Mund  herabhing,  und  daneben  ein 
goldener  Brustschmuck,  zweimal  durchbohrt  für  die  Befestigung. 
An  Arme  und  Beine,  sowie  um  den  Gürtel,  waren  Goldringe  gelegt. 

Die  Huacas  wurden  in  verschiedener  Weise  beschrieben :  In  einer 
Huaca  von  La  Paz  (bei  Cartago)  führten  von  dem  Eingangssaal  mit 
glatt  abgeschliffenen  Wänden  verschiedene  Thüren  (viereckig  und 
gebogen),  mit  Verzierungs  -  Guirlanden  umgeben,  in  di^  Begräbniss- 
räume, wo  die  Leichen  neben  einander  ausgestreckt  lagen,  mit  den 
Köpfen  auf  einer  niedrigen  Erdbank.  An  den  Seiten  standen  die 
Töpfe  aufgereiht,  daneben  der  Stein  zum  Mahlen  (mit  dem  Griffstein) 
und  die  Steinbeile.  Die  Todten  waren  mit  Goldschmuck  (an  Nase, 
Ohren,  Armen,  Beinen  und  Gürtel)  verziert.  Die  elastisch  ineinander 
gedrehten  Goldringe  Hessen  sich  nach  dem  Aufwickeln  wieder  zu- 
sammenfügen. Die  Knochen  sind  meistens  weich,  erhärten  aber  in 
der  Luft.  Die  Thüren  waren  theils  durch  Steine,  theils  durch  Schilf 
geschlossen.  In  den  Huacas  von  Las  Piedras  (bei  Cartago)  führten 
verschiedene  Thüren  (zum  Theil  mit  Steinen  geschlossen)  in  die  Be- 
gräbnissräume, und  und  um  jede  Thür  zog  sich  eine  Reihe  wechselnd 
zusammengesetzter  Zeichen  in  rother  und  gelber  Farbe. 

Bei  Honda  (zwischen  Buga  und  Cartago)  erkennt  man  die  Hua- 
cas durch  eine  Einsenkung  der  Erde.  In  der  Tiefe  von  lo — 12  Fuss 
findet  sich  ein  Saal  (etwa  20  Fuss  lang  und  breit),  aus  welchem 
Stufen  zu  einer  in  nur  rohem  Stil  gebildeten  Thür  führen,  die  den  Saal 
mit  Rückschlag  schliesst.  Nach  den  Anzeichen  der  Zähne,  zerfallener 
Knochen  u.  s.  w.  lag  der  Todte  in  der  Mitte,  die  Steinäxte,  Töpfe 
(zum  Theil  mit  Chicha  gefüllt)  neben  sich,  während  in  die  Ecken 
Figuren  aus  Thon  gestellt  werden  und  in  die  Nischen  Goldsachen. 
In  der  Hacienda  de  las  Piedras  (bei  Cartago)  finden  sich  in  den 
Huacas  neben  Menschenschädeln  die  Knochen  von  Mastodonten  nieder- 
gelegt. In  einigen  der  Huacas  von  Las  Piedras  (bei  Cartago)  sind 
Reste  gelber  Erde  gefunden,  die  zum  Färben  benutzt  wurde,  und  an 


^)  Aus  den  Huacas  von  Jericö  wurde  mir  ein  Schneckengehäuse  von  Kupfer  gezeigt 
und  andere  Funde  waren  in  den  Iluacas  von  Bartholo  (bei  Pacora)  gemacht.  In  Ham- 
roondi  (zwischen  Cali  und  Popayan)  sind  Huacas  ausgegraben  und  ebenso  in  Dapa  (l^ei 
Cali).  Die  Huacas  bei  Naranjo  enthalten  verschiedene  Abtheilungen,  und  in  der  innersten 
derselben  sind  die  I-eichen  auf  die  Erdegelcgt,  In  einigen  sind  Seemuscheln  gefunden  (auch 
bei  Manizales).  In  manchen  der  (oft  mit  bearbeiteten  Steinen  ausgelegten)  Huacas  (bei 
Cartago  Viejo)  ist  der  Gang  mit  altcmircnden  Seiten-Nischen  besetzt.  In  einigen  der  Hua- 
-^s  bei  Cartago  hat  man  eiserne  Hufeisen  gefunden  (als  Beutestücke  aus  spanischer  Zeit). 


238  COLUMBIEN. 

der  Thür  des  inneren  Gemaches  (in  einer  Huaca)  fand  Heraclio 
Ochoa  aus  Cartago  eine  Figur,  die  ich  mir  von  ihm  hinzeichnen  liess, 
und  die  eine  Aehnlichkeit  mit  den  Calenderzeichen  der  Chibchas  er- 
gab. In  der  Huaca  von  Saragossa  sind  die  Thüren  von  dem  Hauptsaal 
zu  den  Nebenzimmern  mitHolz  gestützt.  Oft  sollen  sich  gegen  lOoSchä- 
del  zusammen  finden.  Der  Thon  der  Figuren  ist  mit  Gold  ge- 
backen, das  sich  ausschlämmen  lässt.  Aehnliches  wird  von  den  Thon- 
gefässen  Yucatan's  gesagt,  und  giebt  den  Grund  ab,  weshalb  auch 
in  diesen  einfachen,  und  doch  für  ihren  Zweck  wichtigen  Gegen- 
ständen die  Alterthumswissenschaft  durch  Zerstörung  Raub  erleidet. 
Zu  meinen  Bekanntschaften  in  Cartago  gehörte  Herr  Elias  Rodri- 
guez,  Manuel  Estrada,  Elias  Renteria  u.  A.  m.,  von  denen  ich 
zum  Theil  interessante  Alterthümer  erwerben  konnte,  die  ich,  in 
eine  Kiste  verpackt,  an  die  Herren  Blum  in  Palmyra  abgehen  liess, 
um  mit  den  dort  zurückgebliebenen  nach  Europa  verschifft  zu  werden. 

Das  von  Jorge  Robledo  (1540)  unter  dem  Schutze  seines  Hei- 
ligen gegründete  Cartago  lag  zwischen  den  Flüssen  Otun  und  Quin- 
diu,  wurde  aber  in  Folge  der  Einfälle  der  Pijaos  und  Pimaes  nach 
der  jetzigen  Stelle  am  Rio  de  la  Vieja  verlegt,  nach  der  dort  ihres 
Schmuckes  von  den  Soldaten  beraubten  Greisin  benannt.  Karsten 
hat  durch  die  von  ihm  aufgefundenen  Versteinerungen  den  geolo- 
gischen Character  dieses  früheren  Süsswasserbeckens  festgestellt, 
das  er  durch  die  Aufstauung  der  Wasser  oberhalb  Anserma  ent- 
stehen lässt. 

Dort  und  in  der  Umgegend  haben  sich  noch  allerlei  Erzählungen 
von  wilden  Indianerstämmen  erhalten,  die  sich  nach  den  schwer  zu- 
gänglichen Gipfeln  der  seitlichen  Cordilleren  zurückgezogen  hätten, 
und  in  der  Tradition  hat  der  Name  der  Pijaos  einen  gewissen 
Schrecken  für  die  Ansiedler  bewahrt.  Der  Häuptling  der  Quinchias 
(zwischen  Anserma  und  Cartama)  bewohnte  (zu  Badillo's  Zeit)  „un 
fuerte  y  espacioso  cercado,  todo  el  coronado  de  las  cabezas  de  los 
hombres''  (Piedrahita). 

Am  Rio  de  la  Vieja  (bei  Cartago)  kommen  öfterer,  wie  es  heisst, 
oberhalb  der  äussersten  Ansiedelung,  Maiz  und  andere  Spuren  der 
indianischen  Ansiedelungen  an  der  Quelle  zu  Tage.  Das  Innere  der 
westlichen  Cordillere  gilt  von  Indianern  bewohnt,  da  am  Oberlauf 
der  Flüsse  mitunter  Wurzeln  und  andere  Spuren  von  Ansiedelungen  zu 
Tage  treten.  In  den  verlassenen  Salzminen  des  Pailon  (zwischen 
Buga  und  Cartago)  kommen  gelegentlich  Indianer  (der  mittleren  Cor- 
dillere) herab,  um  die  ^en  Hunde  zu  tödten  und  etwa 


INDIANER.  239 

herumliegende  Werkzeuge  zu  stehlen.  In  den  Wildnissen  der  west- 
lichen Cordillere  bei  Vasono  werden  dorthin  zurückgezogene  Indianer 
vermuthet,  indem  sich  ihre  Spuren  am  Wege  finden,  und  Jäger  mit- 
unter den  Ton  von  Glocken  gehört  haben  wollen,  aus  dem  Besitz 
ihrer  früheren  Herrin,  Luysa  de  Espada,  unter  welcher  sie  in  An- 
siedelungen zusammenwohnten.  In  Folge  der  Einfalle  der  wilden 
Pijaos  wurde  Cartago  Viejo  nach  dem  jetzigen  Platz  Cartagos  ver- 
legt. In  der  westlichen  Cordillere  dort  finden  sich  die  Pijaos, 
als  Menschenfresser.  In  diesen  an  verschiedenen  Punkten  spukenden 
Pijaos  sind  auch  wohl  die  als  riesig  beschriebenen  Chancos  auf- 
gegangen, die  zu  Cieza's  Zeit  die  Wege  zwischen  Kali  und  Anzerma 
(anzer  oder  Salz)  oder  Santa  Ana  de  los  Caballeros  unsicher  machten. 

Die  gegenwärtig  in  der  Umgegend  von  San  Agostin  angetroffenen 
Andaquies  scheinen  von  einem  wilden  Einfall  herzurühren,  durch 
welchen  die  Halbcivilisation,  von  der  die  Steindenkmale  zeugen,  zer- 
stört wurde,  und  diese  werden  jetzt  mit  abergläubischer  Scheu  be- 
trachtet. In  der  Nähe  von  Timana  (bei  San  Agostin)  finden  sich  (nach 
der  Tradition)  Gebäude  von  Thieren  getragen,  und  der  Besucher  dort 
muss  stillschweigend  kommen  und  fortgehen,  weil  lautes  Reden  Un- 
gewitter  herbeizieht.  Das  Mauerwerk  besteht  aus  einer  fremden 
Steinart,  die  künstlich  zusammengesetzt  sein  sollen  (wie  ähnliche  Mei^ 
nungen  in  Assam  und  sonst  umlaufen).  Die  im  Dorf  wohnenden 
Indianer  reden  ihre  eigene  Sprache.  Die  bereits  von  Codazzi  be- 
schriebenen Monumente  von  San  Agostin  haben  kürzlich  durch 
Dr.  Stübel  eine  genauere  Aufnahme  gefunden. 

Ich  hielt  meinen  Burschen  zu  möglichster  Pflege  der  Thiere  an, 
im  täglichen  Baden  und  guter  Fütterung,  und  hatten  sie  auch  be- 
ständig die  Krippe  mit  Mais  oder  geschlagenen  Zuckerrohrstücken 
voll,  schienen  sich  indess  nur  langsam  zu  erholen. 

Doch  konnte  ich  mir  keinen  längeren  Aufenthalt  erlauben,  und 
wurde  deshalb  am  Morgen  (Novbr.  26.)  die  Weiterreise  angetreten. 
Ausserhalb  der  Stadt,  der  sich  Cacao-Pflanzungen  unter  den  sie  über- 
schattenden^) Bäumen  anschlössen,  passirten  wir  den  Rio  de  la  Vieja 
auf  einer  Barkenbrücke  und  stiegen  dann  an  einem  buschigen  Hügel 
empor,  wo  ein  seitlicher  Niederblick  auf  die  bewaldeten  Ebenen  des 
Caucathales  fiel  mit  der  Cordillere  jenseits.  Der  Wald  stand  im 
Blumenflor,    und  wir   schauten  auf  ein    bewaldetes  Muldenthal,  von 


^)  Die  die  Cacao  -  Pflanzungen   beschattenden  Baume  werden    im  Guatemaltekischen 
(s.  Brasseur)  Muh  genannt  (madres  de  cacao). 


240  '  COLUMBIEN. 

dem  Rio  de  la  Vieja  durchschlängelt,  während  darüber  hinaus  die 
Spitze  des  Quindiu  (der  gewöhnliche  Passweg  nach  Bogota)  hervor- 
ragte. 

Am  Pueblo  Cerrito  vorbei,  führte  der  breite  Weg  durch  Wald 
über  das  wellige  Plateau  der  Hügelkuppen,  von  denen  in  der  Ferne 
der  leicht  gezackte  Bergzug  des  Cuchillo  de  Loza  aufsteigt.  Aus 
dem  Busch  der  kantig  gefächerten  Cafia  bravä  gelangten  wir  auf  ein 
offenes  Plateau,  am  Pueblo  Chicero.  Ein  weites  Berg^heater  erschloss 
sich,  nach  vorne  mit  dem  Cuchillo  de  Loza,  von  dem  sich  auf  der 
einen  Seite  die  westliche  Cordillere  am  Horizont  umherzieht,  wäh- 
rend auf  der  andern  langgestreckte  Bergzüge  zum  Quindiu  streifen. 
Unterhalb  Cartago's  beginnt  die  Einengung  des  Cauca  zu  jenem 
Schluchtenbette,  in  welchem  er  durch  das  Gebirgsland  Antioquia 
hinströmt. 

Der  Weg  folgte  durch  Wald,  der  sich  zu  den  waldigen  Vor- 
hügeln des  Cuchillo  de  Loza  forterstreckt,  und  später  wurden  seitlich 
liegende  Ansiedelungen  passirt.  Wir  ritten  längs  einer  hochbewal- 
deten Bergschlucht,  aus  welcher  das  Rauschen  des  Rio  Hotun  (eines 
Nebenflusses  des  Cauca)  herauftönte,  und  dann  lag  eine  Berglandschaft 
mit  zusammenschliessenden  Höhenwäldern  vor  uns. 

Nachdem  wir  zum  Fluss  San  Juan  hinab  und  auf  der  anderen 
Seite  wieder  aufwärts  gestiegea  waren,  wurde  das  auf  einer  Hügel- 
kuppe gelegene  Pueblo  Pereira  oder  Cartago  viejo  erreicht,  an  dem 
bewaldeten  Berge  des  Cuchillo,  über  welchem  der  weisse  Kegel  des 
Paramo  de  Ruyz  aufsteigt,  während  hinter  einem  dunkeln  Hoch- 
gebirge, das  sich  zum  Paramo  del  Quindiu  fortsetzt,  der  scheeige 
Paramo  St.  Isabel  in  Zacken  darüber  hervorsteht. 

Wir  fanden  ein  Unterkommen  im  Hause  des  Wenceslaus  Gallego, 
dessen  damals  allein  anwesende  Schwester  die  Wirthschaft  führte. 
Nach  der  Strasse  zu  war  mit  dem  Hause  ein  kleiner  Laden  ver- 
bunden, und  der  dortige  Ladentisch  bildete  mein  Bett  während  unserer 
Anwesenheit.  Das  in  Cartago  den  meinigen  hinzugefügte  Lastthier, 
anstelle  des  nach  Palmyra  zurückgesandten,  wurden  mit  einer  Gelegen- 
heit an  den  Eigenthümer  besorgt. 

Diese  ganze  Gegend  des  bis  dahin  nur  von  Nare  aus  geöffneten 
Antioquia  bildete  eine  unzugängliche  Waldwildniss,  ehe  die  in  jüngster 
Zeit  rapide  zunehmende  Bevölkerung  die  Barriere  hier  (wie  an  der 
andern  Seite  nach  dem  Zenu)  durchbrach  und  in  die  Provinz  des 
Caucathales  abzuströmen  begann.  Auf  dem  Wege  dahin  blieben 
etappenweis  Colonisten  zurück,  und  so  besiedelte  sich  allmählig  ein 


fELSZEICIIEN.  241 

zur  Zeit  der  Conquista  bereits  dichter  bevölkertes  Land,  das  dann  kurz 
nach  den  ersten  spanischen  Gründungen  von  den  diesein  einem 'plötz- 
lichen Aufstande  zerstörenden  Indianern  verlassen  und  so  in  die  Oede 
des  aufwachsenden  Waldes  verkehrt  war.  Als  nun  neuerdings  wieder 
eine  Einwanderung  begann,  stiess  man  nicht  nur  auf  die  Fundamente 
spanischer  Städte,  wie  in  Cartago  viejo  (dem  alten  Cartago,  das  dem 
jetzigen  vorherging),  sondern  auch  auf  die  Alterthümer  der  ursprüng- 
lichen Eingeborenen,  welche  dann  bald  von  den  Nachgrabungen  der 
Schatzgräber  ausgebeutet  wurden.  Einer  der  thätigsten  von  Cartago 
viejo  war  Don  Manuel  Pereira  gewesen,  von  welchem  der  Ort  selbst 
den  Namen  Pereira  (aus  Dankbarkeit  für  die  von  ihm  zugefügten 
Verschönerungen)  angenommen  hatte,  und  obwohl  dieser  selbst  sich 
damals  in  Bogota  befand,  traf  ich  doch  einige  der  in  seiner  Schule 
gebildeten  Nachfolger.  Von  diesen  gab  mir  Jose  Maria  Gallego 
mancherlei  Aufschluss  über  die  Lage  der  (auch  hier  Huacas  ge- 
nannten) Grabstätten,  von  denen  ich  eine  bis  zu  dem  unteren  Schluss- 
stein aufgraben  liess,  bei  dessen  Wegnahme  sich  das  Innere  mit 
Wasser  gefüllt  zeigte.  Verschiedene  Ergebnisse  der  früheren  Aus- 
grabungen  konnten  von  ihm  und  Anderen  erworben  werden. 

Durch  die  Bekanntschaft  des  Schulmeisters,  Don  Jesus  Hormasa, 
wurde  ich  auf  das  Vorhandensein  von  Felsinschriften  in  der  Umge- 
gend aufmerksam  gemacht,  und  er  selbst  erbot  sich  als  Begleiter,  um 
sie  mit  einem  Führer  aufzusuchen.  Auf  sumpfigem  Weg  stiegen  wir 
einen  Hügel  des  Pueblo  zum  Fluss  hinab,  der  (nach  Zurückschicken 
der  Thiere)  hoch  über  seinem  brausenden  Bette  unter  den  Schwan 
kungen  einer  in  weiten  Maschen  geöffneten  Rohrbrücke  passirt  wer- 
den muss,  zu  welcher  man  erst  an  einem  Rohrgeländer  empor  zu  klet- 
tern hat. 

Nach  dem  Erklimmen  der  bewaldeten  Hügel  an  der  andern 
Seite  auf  einem  steilen  Sumpfweg,  gingen  wir  über  eine  im  neuen 
Ausroden  geschaffene  Lichtung  fort,  meistens  über  den  auf  einander 
liegenden  Baumstämmen  balancirend.  Als  wir  den  Abhang  nieder- 
zusteigen hatten,  fehlte  jeder  Weg,  der  erst  mit*  der  Machete  durch 
den  verschlungenen  Wald  zu  öffnen  war,  bis  zu  der  Quebrada  de  las 
Frias,  wo  in  dem  Rio  Hotun  mit  Zeichen  bemeisselte  Steine  lagen,  die 
indess  erst  nach  der  Entkleidung  zum  Baden  genügend  untersucht 
werden  konnten,  um  sie  zu  copiren.  Es  schien  eine  Art  Landkarte, 
die  für  Orientirung  über  die  Lage  der  in  den  Bergthälern  zerstreuten 
Dörfer,  hier  an  die  Fürth  (wo  in  alter  Zeit  der  Weg  vorüber  gegan- 
gen   sein   wird)    gestellt   war.     Der  einfallende  Regen  beschleunigte 

Bastian:  America.  I.  16 


242  COLUMBIEK. 

unsern  Rückweg,  ohne  indess  freilich  den  schon  genügend  sumpfigen 
Weg  zu  verbessern. 

Unter  den  Huaceros  von  Cartago  vicjo  hat  sich  eine  bestimmte 
Terminologie  gebildet  über  die  verschiedenen  Formen  der  Huacas 
und  so  unterscheidet  man:  Cajones  (tief  und  schmal),  Resbalon  (mit 
schrägem  Eingang),  Embudo  (trichterförmig),  Tajo  abierto  (nach 
unten  erweiterter  Eingang),  Quadra  (rechteckig),  Cancöl  (mit  hölzer- 
ner Wandbekleidung),  Tambor  (rund  und  tief). 

Auch  hier  wurde  von  nächtlichen  Geräuschen  erzählt,  die  auf 
Plätzen  gehört  werden,  wo  Schätze  begraben  lägen,  und  Bäume  ge- 
zeigt, neben  denen,  um  sie  anzudeuten,  rothe  oder  blaue  Lichter 
(die  Zeichen  des  Goldes  oder  Silbers)  gesehen  seien. 

Vielfach  ist  die  Meinung  verbreitet,  dass  die  Indianer  Columbiens 
die  Mischung  der  Bronze  nicht  gekannt,  und  so  das  Kupfer  nur  mit  Gold 
in  einer  Art  von  Tumbago  zusammengearbeitet  hätten,  weswegen  (in 
Folge  solcher  Schlussziehung)  daraus  hergestellte  Gefässe  als  beim 
Ausschmelzen  belohnend  vermuthet  und  deshalb  zerstört  wurden,  ähnlich 
wie  der  Thon  der  Gefässe  (was  ebenso  in  Yucatan  geglaubt  wird)  mit 
Golderde  gemengt  sein  sollte.  Daneben  geben  die  Künsteleien  der  Vasen, 
bald  mit  doppeltem  Boden,  um  das  eingegossene  Wasser  verschwin- 
den zu  lassen,  bald  pfeifend,  als  Sibladores  u.  s.  w.  Anlass  zu 
allerlei  Muthmassungen.  Für  Bereitung  der  schwarzen  Parbe,  die 
auch  zum  Bemalen  des  Körpers  (mit  der  rothen  verwandt)  wird,  dient 
die  Chague  genannte  Frucht.  In  Murri  werden  im  Flusse  Stücke 
von  Conundrum  (Tibi  genannt)  gefunden,  hart  genug  zum  Stein- 
schneiden, und  die  Sattler  von  Medellin  benutzen  sie  zum  Schleifen 
von  Messern  (wie  R.  White  mittheilte). 

In  den  Huacas  von  Cartago  viejo  gehen  von  dem  Eintrittssaal 
Thüren  (durch  Steine  geschlossen)  zu  verschiedenen! Nebenräumen 
aus,  in  welchen  der  Todte  liegt,  glücklichen  Falles  mit  Goldringen, 
Goldgürtel  und  goldenem  Brustschmuck.  Die  in  den  Tinajones  ent- 
haltenden Knochen  sind  gebrannt,  und  vor  derThür  finden  sich  Kohlen. 
Die  Caziken,  wenn  man  auf  ihr  Grab  stösst,  tragen  neben  Nasenring 
und  Ohrenplatten  (sowie  Brustschmuck)  eine  goldene  Krone  (nach  der 
Erzählung).  In  einer  Huaca  bei  Cartago  viejo  soll  sich  ein  drei- 
fach geschliffener  Dolchdegen  aus  Gold  gefunden  haben. 

In  den  Huacas  von  Naranjo  trifft  man  gelegentlich  die  Goldfigur 
des  Huacuco  genannten  Fisches,  der  unter  den  Steinen  lebt,  sowie 
durchlöcherte  Smaragden.  Der  goldene  Nasenschmuck  hat  die  Form 
eines  Halbmondes.     Von  den  baumwollenen  Geweben  sind    einzelne 


AUSGRABUNGEN.  243 

Reste  zu  erkennen.     Die  kleinen  Thongefässe    zeigen  verschiedenar- 
tige Formen  der  Nachahmung. 

Cartago  viejo  wurde    in    dem    von    dem  Caziken  Tacrumbi    be- 
herrschten Gebiet  von  Quinbaya  oder  Kimbaye  (wie  auch  jetzt  eine 
Localität  zwischen  Cerrito  und  Cartago  Viejo  heisst)  gegründet,  zur  Zeit 
Robledo's,  der  den  Rest  der  geflüchteten  Bewohner  bei  Las  Estan- 
cias    (zwischen  Buga    und  '^^ulua)    niederhauen    Hess.     Von    den    bei 
dem    späteren  Einfall    zur  Zerstörung    der    spanischen  Niederlassung 
betheiligten    Indianern^)  ist  während    der    jetzigen   Erneuerung    der 
Kolonisation   'der    letzte  im  Jahre  1871  gestorben  und  .soll  ein  Nach- 
komme desselben   noch  in  San  Francisco    (bei  Cartago  viejo)  leben. 
Die    von    den    Spaniern   angetroff*enen   Indianer    von    Quinbaya 
feierten    bei    ihren  Tänzen    in  Heldengesängen    die  Thaten  der  Vor- 
fahren,   die    in    einer    fernen    Gegend    zum    Ruhm    emporgestiegen 
waren.     Sie    fanden    sich    als  Eroberer   auf  einem    fremden    Boden, 
über  einer  von  ihnen  unterjochten  Völkerschicht,  und  neben  ihnen  war 
bereits  wieder  ein  weiter  Grenzstrich  wüst  gelegt  durch  Yrrua,   den 
benachbarten    Häuptling   von  Carrapa.     Zugleich    aber   waren,    wie 
Cieza  de  Leon  bemerkt,  Spuren  erhalten  eines  älteren  und  ursprüng- 
lichen Stammes  von  Eingeborenen,  welcher  den  neuerdings  unterge- 
gangenen Geschlechtern  bereits   lange  vorhergegangen    sein  musste, 
denn  auf  seinen  Gräbern  war  bereits  ein  dichter  Wald  aufgeschossen 
und  wurzelten    alternde  Baumstämme.     So    hatte    sich    zur  Zeit   der 
Conquista  die  Menschengeschichte,  wie  noch  im  Rückblick  deutlich, 
wenigstens  viermal  erneuert,  wenn  nicht  in  den  Vorzeiten  unzählbar 
mehr,  und   jetzt   begann   die    aus  transmarinen  Keimen  eingepflanzte 
Schöpfung  der  Spanier  im  XVI   Jahrhundert.     Sie   erlebte  kaum  ihr 
hundertjähriges  Stiftungsfest,    ehe    nicht    auch  sie  wieder  unter  die 
aufwuchernde  Wilderniss  zurückgesunken  war,   und  erst  seit  wenigen 
Decennien  hat  die  Axt  nochmals    auf's  Neue    begonnen    die  Wälder 
zu  lichten,  um  alle  die  nach  ^einander  hier    begrabenen  Ruinen  dem 
Tageslichte  bloszulegen. 

Eine  zweite  Ausgrabung,  die  angeboten  wurde,  des  Zeitmangel's 
wegen  ablehnend,  Hess  ich  die  Abreise  vorbereiten,  und  stiegen  wir 
am  28.  November  den  morastigen  Weg  zum  Hotun  hinab,  um  den- 
selben auf  einer  bedeckten  Brücke  zm  passiren.    Nach  dem  Ansteigen 


')  Als  einige  Reste  der  damals  geredeten  Sprache,  wie  sie  in  der  Erinnerang  ge- 
blieben waren,  gab  man  mir  die  folgenden:  Terre,  huevo;  Tenremu,  gallina;  Termujina, 
gallo;  Mungua-puluma,  Tucan;  Vigi,  venado;  Camiand,  comejo;  Chirivalicha,  como  sc 
va  Ud. ;    Huachi  minangi,  venga  paracd. 

16* 


244  COLUMBIEK. 

über  bewaldete  (oder  zum  Theil  bebaute)  Hügel,  durchritten  wir  den 
Fluss  Fraile ,  und  begannen  dann  den  Ansteig  des  Cuchillo  de  Loza. 
Der  oftmals  ganz  unpassirbare  Weg  bot  auch  jetzt  ^^ine  Reihe 
sumpfiger  Stellen,  welche  die  Maulthiere  in  stürzenden  Sprüngen  zu 
passiren  hatten,  und  das  von  mir  gerittene  misste  bei  einer  solchen 
Gelegenheit  seinen  Fusstritt  und  kam  so  plötzlich  zu  Fall,  dass  mir 
kaum  noch  Zeit  blieb,  rasch  aus  dem  Sattel  zu  springen. 

Beim  Rückblick  längs  der  abfallenden  Hügelketten  schauten  wir  auf 
bewaldete  Höhenerstreckungen,  von  grünen  Lichtungen  unterbrochen, 
bis  zu  der  von  der  jenseitigen  Cordillere*  begrenzten  Waldebene  des 
Cauca,  worin  ein  Zweig  des  Quindiu,  mit  der  Quelle  der  Vieja, 
ausläuft  (zwischen  Cartago  und  Pereira,  indem  sich  der  Weg  um  die 
Spitze  herumwindet). 

Der  Aufsteig  wurde  durch  Einsenkungen  unterbrochen,  und 
dann  folgte  ein  neues  Ansteigen  über  Hügelkämme.  Der  Weg  war 
an  Stellen  derartig,  dass  ich  das  Reitthier  durch  den  Burschen  leiten 
lassen  musste,  da  der  tiefe  Sumpf  ein  Absteigen  verbot.  Wäh- 
rend, in  seitlichen  Blicken  bewaldete  Bergzüge  erschienen,  die  sich 
an  die  dunkle  Cordillere  des  Quindiu  anlehnten,  ging  es  im  steten 
Auf  und  Ab,  bis  zum  Alto  de  las  Cruces.  Hier  blieb  schliesslich  kein 
Rath,  als  zu  Fuss  einen  Pfad  zu  suchen,  und  das  Reitthier  dem  Bur- 
schen zu  überlassen,  um  es  in  der  einen  oder  anderen  Weise  aus 
den  Sumpflöchern  herauszubringen,  worin  es  festzustecken  begann. 
Sobald  es  einigermassen  frei  geworden  war,  sass  ich  wieder  auf,  da  sich 
der  Wegf  mit  hphen  Camellones  gefüllt  hatte,  deren  Zwischenräume 
in  Wasser  schwammen.  Auf  der  Höhe  öffnete  sich  der  Blick,  jenseits 
eines  Berghügels  (worin  Santa  Rosa  liegt)  über  Kuppen  niedriger 
Höhenzüge  bis  in  die  Ferne,  wo  neblig  die  Cordillere  von  Neira  an- 
steigt. Nach  dem  Niedergang  zum  Rio  frio,  folgten  wir  einem  stei- 
nigen Weg,  passirten  den  zwischen  Felsen  brausenden  Rio  Frio  auf 
einer  bedeckten  Brücke  und  stiegen  'dann  zu  Santa  Rosa  empor, 
wo  mir  Don  Luis  Maria  Buritica  sein  an  dem  Festtage  nicht  benutztes 
Gerichtsbureau  zum  Absteigequartier  überliess.  Aus  dort  stattge- 
habten Ausgrabungen  Hessen  sich  einige  Erwerbungen  von  Bürgern 
der  Stadt  machen. 

St.  Rosa  de  Cabal  liegt  an  dem  Umzüge  der  vom  Wege  nach 
Manizales  auf  einer  Abflachung  durchschnittenen  Hügelkette,  und  über 
den  Höhenkuppen  der  andern  Seite  erscheint,  hinter  der  Cordilleren- 
ketfe,  der  schneeige  Krater  des  Ruyz,  woran  sich  der  Kamm  St.  Rosa 
'     m  Zusammenhang  mit  dem  Paramo  St.  Isabel. 


%  t' 


I 


GRABSTEINE.  245 

Bei  frühem  Aufbruch  am  nächsten  Morgeoi  (29.  November)  kamen 
wir  zwischen  Busch  und  Anbau  zum  Fluss  Italia  und  dann  an  einem 
steilen  Abhang  in  Sumpflöcher  hinein,  wo  die  Thiere  zu  stolpern 
und  stürzen  begannen.  Dann  fanden  wir  uns  zwischen  Hügeln  innerhalb 
einer  in  wechselnder  Mannigfaltigkeit  gewandelten  Pflanzenwelt,  und  es 
war  ein  lieblicher  Morgen,  der  um  uns  tagte.  In  den  Strahlen  der  über  die 
Berge  hervortretenden  Sonne  zitterte  im  schillernden  Grün  ein  thau- 
gefeuchtetes  Blättergeflimmer  rings  umher,  in  einem  mit  dem  Kamm 
des  Ruyz  neben  dem  Hochgebirgsgrat  abgerundeten  Horizont, 
während  auf  der  anderen  Seite  vielgestaltige  Hügelkuppen,  gruppen- 
weis,  mit  ihren  unter  und  durch  einander  geschobenen  Reihen,  in  einem 
Ocean  von  Grün  emporstiegen,  fortgesetzt  bis  zu  jenem  Kamm  des 
Hochgebirges,  der  neben  den  scljneeigen  Längskanten  des  Ruyz  in 
der  Luftgrenze  den  Kreisabschluss  bildete. 

Der  nächste  Fluss  wurde  an  einer  Fürth  passirt,  neben  der  für 
Fussgänger  bestimmten  Brücke,  und  dann  zog  sich  der  Weg  auf- 
wärts mit  einem  Seitenblick  auf  breite  Bergtreppen,  die  sich  in  flachen 
Plateaus  zum  Hochgebirge  erhoben.  Beim  Niederwenden  zum  Rio 
Campo  alegre  und  der  bedeckten  Brücke  darüber,  ritten  wir  auf 
grünen  Wiesen  zwischen  Wald  und  dem  Fluss  entlang,  (der  nach  der 
Verbindung  "mit  dem  Rio  Clara  in  den  Cauca  einmündet).  Viel- 
gestaltige Hügel  hoben  sich  um  uns  empor  in  den  geschwungenen 
Faltungen  ihrer  grünen  Decke  und  an  den  Abfällen  derselben  lagen 
Häuser  angeklebt.  Als  wir  die  Höhe  von  St.  Barbara  erreichten, 
schweifte  die  Umschau  über  ein  in .  grünen  Wäldern  aufragendes 
Bergland,  während  sich  neblig  am  fernen  Horizonte  die  Cordillere 
von  Anserma  abzeichnete  (am  andern  Ufer  des  Cauca). 

An  dem  Haus,  wo  wir  zur  Fütterung  rasteten,  waren  grosse 
riachsteine  umhergestellt,  von  einer  benachbarten  Huaca  hergebracht, 
deren  verschiedene  in  dortiger  Gegend  aufgedeckt  waren. 

In  Stufenwindungen  ging  der  Aufsteig  fort,  mit  linkem  Seiten- 
blick auf  eine  hinwellende  Welt  von  Bergthälern,  während  rechts  be- 
waldete Hügelhöhen  her\^ortraten.  Nachdem  wir  über  den  F'luss 
St.  Julian  längs  einer  Fürth  passirt  waren,  gelangten  wir  auf  eine  Platte 
bewaldeter  Hügelkuppen  und  stiegen  dann  weiter  empor.  Von  der 
Spitze  öffnete  sich  nach  vorne  hin  der  Blick  über  hingestreckte  Berg- 
länder und  in  der  Ferne  standen  im  Einschnitt  grüner  Berge  die 
Mamas  des  Cauca  hervor.  Dann  senkten  wir  uns  zum  Rio  Claro 
grande  hinab,  der  beim  Hervorwindcn  aus  enger  Bergschlucht  durch 
eine  Brücke  überspannt  war,  und  auf  der  andern  Seite  ging  es  aufs 


246  COLUMHIEX. 

Neue  aufwärts.  Links  zeigte  der  Blick  tief  gefaltete  Hügelfurchen  in 
Waldungen  umhüllt,  jenseits  welcher  sich  Bergthäler  bis  zum  nebli- 
gen Horizonte  fortstreckten,  während  rechts  bewaldete  Gebirgshöhen 
hervortraten.  Die  Antioquener  beschreiben  die  Wege  ihres  Landes, 
indem  sie  die  fünf  Finger  aufrecht  in  die  Höhe  heben,  besagend, 
dass  Alles  Hügel  und  Thal  sei.  Besondere  Lästigkeit  kommt  hinzu 
durch  die  beständig  erforderliche  Wiederordnung  des  Sattelzeugs, 
obwohl  dasselbe  am  Maulthier  durch  Riemen  über  Brust  und  Hinter- 
bein möglichst  befestigt  zu  werden  pflegt. 

Ein  wiederholter  Auf-  und  Absteig  folgte,  der  uns  auf  ein  offenes 
Plateau  brachte  (von  Royo),  von  wo  wir  Manizalcs  auf  glattem  Hügel- 
kopf vor  uns  liegen  sahen,  aber  noch  durch  tiefe  Bergquebraden 
von  uns  getrennt.  Da  zugleich  Rejjen  eintrat,  und  die  Thiere  kaum 
vorwärts  zu  bringen  waren,  hielt  ich  an  einem  alleinstehenden  Hause, 
um  dort  die  Nacht  zu  verbringen.  Es  war  das  eines  Ansiedler's  in 
dem  dortigen  Waldland,  und  am  Abend  kam  ein  Nachbar  beih  ihm 
zu  schlafen,  der  am  Tage  auf  der  Rozeria  (Lichtung)  seines  neuen 
Wohnplatzes  gearbeitet  hatte,  aber  denselben,  weil  erst  kürzlich  einge- 
wandert, noch  nicht  zur  Behausung  hatte  einrichten  können.  Vor 
der  Thür  war  ein  Pfad  durch  den  vom  Regen  überschwemmten  Hof 
mit  flachen  Steinen  gepflastert,  die  einer  in  der  Nähe  geöffneten 
Huaca  entnommen  waren.  Für  das  Abendessen  wurde  der  Bursche 
von  der  Hausfrau  unterstützt  und  Nachts  der  Tisch  zur  Bettstelle 
hergerichtet.  Der  Aufbruch  am  nächsten  Morgen  (Novbr.  30.)  führte 
uns  zunächst  hinab  zum  Fluss  Arroyo,  der  in  den  Chinchina  fällt. 
Nach  einem  Aufsteig  längs  bewaldeter  Hügelkuppen  ging  es  abwärts 
zum  Pueblo  Aldea,  auf  plattenförmigem  Vorsprung  gelegen,  und  dann 
in  die  Tiefe,  auf  steilem  und  schlüpfrigem  Pfad,  an  den  Fluss  Chin- 
china, der  von  einer  bedeckten  Brücke  überspannt  war.  Darauf  be- 
gann der  Ansteig  zur  Höhe  des  Hügels,  an  dessen  Fuss  er  floss, 
und  zeigte  uns  dabei  ein  Rückblick  den  im  Anbau  ausgelegten 
Hügelabhang  des  Fleckens  Aldea,  an  dessen  Fusse  der  vom  Hoch- 
gebirge her  durch  grüne  Berghalden  herabströmende  Chinchina  sich 
herumwnndet,  um  nach  Verbindung  mit  dem  Rio  St.  Clara  grande  und 
St.  Julian  in  denCauca  zu  münden.  Der  Aufsteig  setzte  sich  unter  wieder- 
holten Einsenkungen  des  Weges  fort,  /um  Plateau  hinaufgewunden, 
bis  in  die  Strassen  von  Manizales,  wo  wir  im  Hotel  Bogota  abstiegen. 

Hier  war  nun  ein  temporärer  Halt  zu  machen,  da  sich  die  Un- 
fähigkeit der  Thiere,  die  Reise  in  ihrem  damaligen  Zustande  fortzu- 
setzen, unzweifelhaft  herausstellte.     Bei  dem  von  hier  beabsichtigten 


MANIZALES.  247 

Besuche  Medellin*s  hatte  ich  anfangs  daran  gedacht,  von  dort  über 
Nare  weiter  zu  gehen,  um  mich  dann  für  Bogota  einzuschiffen.  Da 
ich  aber  vor  der  Unsicherheit  der  Dampfbootfahrten  auf  dem  Mag- 
dalena, besonders  in  damaliger  Jahreszeit  gewarnt  wurde,  weil  ich 
das  Risico  wochen-  oder  monatelangen  Warten's  in  Nare  laufen 
konnte,  zog  ich  vor  bei  der  Landreisc  zu  bleiben,  die  die  Disposition 
über  die  Zeit  besser  in  der  Hand  lässt,  und  beschloss  deshalb,  von 
Medellin  auf  Manizales  zurückzukehren,  um  dann  den  Paramo  des 
Ruyz  nach  St.  Ana  im  Magdalenenthal  zu  kreuzen.  So  Hess  sich 
auch  eine  entsprechende  Disposition  über  die  Thiere  treffen,  indem 
ich  dieselben  in  Pflege  und  Kost  bis  zu  meiner  Rückkehr  nach  Mani- 
zales zurücklassen  konnte,  die.  Hin-  und  Herreise  nach  Medellin  aber 
mit  gemietheten  Thieren  ausführen. 

Zu  den  ersten,  die  ich  dort  (in  Manizales)  aufsuchte,  gehörte 
der  Cura  Joaquim  Baena,  von  dessen  Interesse  für  die  Alterthümer 
des  Landes  mir  bereits  gesprochen  war.  Auch  fa  nd  ich  in  der  That 
in  seinem  Besitz  eine  kleine  Sammlung,  die  bereitwillig  dem  Museum 
überlassen  wurde,  und  erhielt  ausserdem  mancherlei  Notizen  für 
fernere  Direction.  Dazu  gehörte  eine  Mittheilung  über  Felsinschriften 
bei  Aldea,  weshalb  ich  am  andern  Tage  dorthin  zurückritt,  und  ob- 
wohl ich  von  dem  Cura  des  Ortes  keine  Auskunft  erhalten  konnte, 
doch  durch  einen  von  der  Possession  des  Jesus  Maria  Salazar  mit- 
genommenen Führer  Steinplatten,  die  aus  Huacas  stammten,  antraf, 
und  nach  längerem  Suchen  auch  die  Quebrada,  in  welche  wir,  unter 
Eröffnen  des  Weges  niederstiegen,  und  an  dem  unter  einem  Gebüsch 
liegenden  Stein  die  Zeichen  copiren  konnten,  von  welchem  der  Name 
„Quebrada  de  los  Hieroglyphos "  entnommen  ist.  Nach  einem  Bad  an 
der  Brücke  des  Chinchina  kehrten  wir  dann  am  Nachmittag  nach 
Manizales  zurück.  An  einem  andern  Tage  begab  ich  mich  mit  eini- 
gen der  dort  gemachten  Bekanntschaften  nach  einer  Hacienda  (in 
der  Quebrada  del  Perro)  am  Abfall  zum  Chinchina -Fluss,  wo  auf 
einem  säulenartigen  Bergfels  sich  eine  Höhle  findet,  zu  der  wir  an 
der  steilen  Wand  durch  Anhängen  an  Gebüsch  oder  Stein  hinaufzu- 
klettern hatten.  Sie  soll  früher  als  Opferhöhe  gedient  haben,  und 
ist  unter  dem  Namen  El  Tesoro  (der  Schatz)  bekannt,  den  man 
durch  Ausgrabungen  dort  gesucht  hat,  manche  der  geologischen 
Gestaltungen  durch  die  Phantasie  zu  künstlichem  Bauwerk  umbildend. 

Während  im  Magdalenenthal  und  auf  seinen  Höhen  die  Fels- 
schriften meist  mit  rother  Farbe  aufgemalt  sind,  zeigen  sich  die  des 
Caucathales  eingegraben    und  sie  kommen  an  verschiedenen  Stellen 


248  COLUMBIEN. 

vor,  wie  bei  Caramanta  am  Cauca,  in  Mico  (bei  Tiritibi),  in  San 
Francisco  (bei  Cartago  viejo),  im  Berg  des  Morron  (sowie  in  der 
Quebrada  del  Rio  Frio),  bei  Sumara  (am  Rio  Sucio),  in  Santa  Rosa 
(bei  Filadelfia) ,  in  La  CastiHa  (bei^Kali).  In  Sasaima  auch  findet  sich  ein 
mit  Zeichenfiguren  beschriebener  Stein,  und  als  dort  Ausgrabungen 
gemacht  wurden,  soll  man  unter  denselben  auf  eine  urnenartige  Erd- 
aushöhlung gestossen  sein,  mit  einer  lebendigen  Kröte  darin  aufge- 
schlossen (wie  sonst  in  Stein). 

Von  der  Platte,  auf  welcher  die  Häuser  von  Manizales  he- 
gen, bückt  man  nach  verschiedenen  Seiten  auf  bewaldete  Hügel- 
thälcr,  mit  mannigfachem  Anbau  geöffnet.  Dem  Lauf  des  Flusses 
Chinchina  zugewandt,  sieht  man  unten  auf  einer  niedrigen  Terrasse 
Aldea  vor  sich  liegen,  und  die  die  Thälcr  umschliessenden  Hügel 
fallen  in  vielfachen  Einbuchtungen  ab  von  den  zu  Hochgebirgen  auf- 
steigenden Bergen,  über  welche  der  schneeige  Kamm  des  Ruys 
herüberschaut,  neben  einer  weissbedeckten  Savanna,  auf  deren  an- 
derer Seite  der  Paramo  von  Isabel  aufsteigt. 

Der  Pfarrer  Baena  konnte  mir  mancherlei  Mittheilungen  machen, 
über  die  nach  dem  Chocö  zu  lebenden  Indianerstämmc,  unter  welchen 
er  in  verschiedenen  Orten  functionirt  hatte,  und  da  ich  bei  den  fast 
täglichen  Besuchen  in  seinem  Hause  näher  mit  ihm  in  Berührung 
kam,  that  es  wohl,  hier  einen  Geistlichen  kennen  zu  lernen,  wie 
sie  der  katholischen  Kirche  America's  nur  häufiger  zu  wünschen 
wären,  ein  Mann  voll  Sanftmuth  und  Milde,  der  aber  dennoch  in 
seinem  Aeussern  die  Würde  seines  Amtes  in  anspruchsloser  Weise 
wahrte.  Eine  Sinecure  sind  bei  der  weiten  Ausdehnung  der  Diöcesen 
diese  Pfarrstellen  nicht,  wenn  sich  der  Inhaber  seine  Pflichten  ange- 
legen sein  lässt,  in  drei-  oder  viermaligem  Messelesen  am  Tage,  in 
dem  Besuchen  der  Kranken  und  Verscheidenden,  in  den  Berathungen 
der  in  den  verschiedensten  Lebensangelegenheiten  zu  jeder  Tages- 
zeit seine  Wohnung  Aufsuchenden.  Sein  Haus  war  auch  von  dem 
weiblichen  Anhang  frei,  der  sonst  in  diesen  Ländern  beim  Eintritt 
in  die  Convente  sogleich  die  Uebertretung  einer  freiwillig  über- 
nommenen Pflicht  beweis't,  und  der  Pfarrer  lebte  nur  mit  seiner  alten 
Mutter  zusammen,  einer  guten  und  lieben  Frau,  die  rüstig  unter  den 
dienenden  Dirnen  im  Hause  wirthschaftete,  und  den  Trostbedürf- 
tigen bei  Abwesenheit  ihres  Sohnes  theilnehmcnde  Tirleichterung  ge- 
währte oder  die  Anliegen  durch  ihre  Fürsprache  erleichterte.  Auch 
sie  war  gerne  bereit,  mir  Allerlei  über  die  Indianergebräuche,  die 
sie    in   Begleitung    ihres    Sohnes    auf  seinen    verschiedenen   Pfarren, 


GEWITTER.  249 

kennen  gelernt  hatte,  zu  erzählen,  und  Weiteres  wurde  mir  durch 
Vermittelung  einiger  Verwandten  versprochen,  die  sich  noch  auf  ge- 
nauerer Kenntniss  bedürftigen  Localitäten  fanden. 

In  der  Kirche  liegt  ein  grosser  Stein,  flach  und  glatt,  und  mit 
Löchern  zwischen  regelmässig  gezogenen  Linien  (aus  einer  Huaca 
dorthin  gebracht).  Der  Thurm  der  Kirche  zeigt  einen  Riss  von  dem 
Tage  des  Erdbeben's  in  Cucutä,  bei  welchem  auch  die  Thür  durch 
einen  Blitzstrahl  getroffen  wurde.  Es  scheint  also  hier  die  in  Cauca 
gerühmte  Wunderkraft  zu  fehlen.  Beim  Wiederaufbau  Caloto's  (nach 
der  Zerstörung  durch  die  Paezes)  wurde  seine  Glocke  dadurch  be- 
rühmt, dass  sie  durch  ihren  Klang  Gewitter  zertheile,  und  so  wurden 
über  das  ganze  Land,  bis  nach  Quito  hin  (zu  Ulloas  Zeit)  aus  dor- 
tigen Metallstücken  gemachte  Glöckchen^  als  Amulette  gegen  Blitz- 
schlag getragen. 

Im  Uebrigen  schützt  die  heilige  Barbara^)  (die  Heilige  der  Ka- 
nonen) gegen  Blitzstrahl,  und  genicsst,  wenn  auch  nicht  unbedingtes, 
doch  mehr  Vertrauen,  als  St.  Migdio^),  welch  unglückseliger  Heiliger 
mit  der  Abwehrung  der  Erdbeben  beauftragt  ist,  aber  in  diesen 
Vulcanländern  so  wiederholt  und  so  eclatant  seine  Unfähigkeit  docu- 
mentirt  hat,  dass  er  in  tiefen  Misscredit  gefallen  ist.  Vielleicht  wäre  es 
an  der  Zeit  in  massgebenden  Kreisen  diesen  bedauerlichen  Stand 
der  Dinge  in  ernstliche  Erwägung  zu  ziehen,  und  aus  der  Legenda 
aurea  einen  Heiligen,  der  sein  Fach  gründlich  versteht,  an  die  Stelle^) 

*)  Auf  dem  Altarbild  ihres  Tempels  zu  Ferrara  wird  St.  Barbara  (Schutzpatronin  des 
Kriegerstandes)  von  Martyr-Jungfrauen  im  Himmel  empfangen  (als  Walkyren) 

')  Wahrscheinlich  St.  Emygdius  oder  St.  Emydius,  der  Bischof  von  Ascoli  (f  303 
p.  d.),   der  die  Erde  segnend  dargestellt  wird,  um  Erdbeben  zu  verhüten. 

*)  Ein  Fräcedtnzfall  liegt  vor:  denn  der  peiuanische  Congress  unter  der  Präsident- 
schaft Toppe-Taglcs  (nachdem  Bolivar  die  Conspiration  Riva-Aguero's  unterdrückt  hatte) 
,,made  a  great  and  niost  important  reform  by  cbanging  the  patron  saint  of  the  armics, 
because  they  had  not  been  successful  under  the  old  one"  (s.  Proctor).  Als  mitwirkende 
Ursache  bei  dem  aus  Leo  des  Isaurier  beschränktem  Menschenverstände  entsprungenen 
Ikonoklasmus  bezeichnet  Draper,  neben  dem  Spott  der  siegreichen  Mohamedaner,  ,,dic 
entdeckte  Unfähigkeit  dieser  Wunder  wirkenden  Götzen  und  Fetische,  ihre  Anbeter  oder 
sich  selbst  gegen  einen  ungläubigen  Feind  zu  schützen"  (so  dass  das  gegen  die  Götter- 
statuen der  Heiden  gerichtete  Lieblingsargument  sich  jetzt  gegen  seine  Erfinder  wandte). 
Indess  musste  es  nur  an  Ausdauer  oder  an  Glauben  gefehlt  haben  ,  denn  dass  sonst  die 
Heiligen  gezwungen  werden  konnten,  das  ihnen  von  den  Menschen  AufA-legte  auszu- 
führen (in  Segenssprüchen,  wie  ihre  Gegner  in  Beschwörungsformeln),  wusste  bereits 
Gregor  von  Tt)urs.  und  die  dadurch  unterrichteten  Stadtbewohner  hielten  ihren  heiligen 
St.  Martin  gut  in  Ordnung,  da  ihm  für  einen  Wiederholungsfall  der  bewiesenen  Lässig- 
keit oder  Widersetzlichkeit  l>ereits  Degradirung  oder  selbst  Amtsentsetzung  notificirt  war. 
In  Cuzco  verehrt  nun  le  Christ  des  tremblements  de  tcrre  (une  statue  de  bois  «rnoe  de 
longs  cheveux  denou<is  et  dune  ja<iuette  blanche  a  la  grecque)  le  pallad ium  de  la  ville 
(s,  Carrey).     In  Guatemala  verliess  man  sich  eine  Zeit  lang  zum  Schutze  gegen  ?>dbeben 


250  COLUMBIEN. 

ZU  setzen,  um  für  alF  das  Gold  und  Silber,  das  aus  Südamerica 
in  den  Religionsschatz  geflossen  ist,  jetzt  endlich  auch  einmal  einen 
reellen  Gegendienst  zu  leisten.  Früher  hätte  das,  trotz  der  von  der 
Synode  Frankfurt  a.  M.  auferlegten  Beschränkung  (794  p.  d.)  kaum 
grosse  Umstände  gemacht,  indem  sich  selbst  ein  frommer  Hund  zum 
Heiligen  creiren  Hess,  in  dem  als  Märtyrer  und  Kinderheiligen  ange- 
rufenen St.  Guinefortis  von  Lyon,  und  die  an  eine  starke  Dosis  ge- 
wöhnten Mönche  von  Lixinux  würden  (1170)  kaum  grosse  Schwie- 
rigkeit gefunden  haben,  einen  oder  andern  der  in  den  trunkenen  Prü- 
geleien ihres  Refectorium*s  Erschlagenen  als  Heiligen  zu  suppliren. 
Jetzt  freilich  hat  sich  der  heilige  Stuhl  die  Heiligsprechung  als  Reser- 
vatrecht vorbehalten,  doch  wird  sich  auch  mit  ihm  vielleicht  reden 
lassen  und  zunächst  mit  dem  Advocatus  diaboli^),  um  es  mit  dem 
Examen  nicht  allzu  genau  zu  nehmen. 

„Erst  Papst  Alexander  III.  nahm  das  ausschliessliche  Privilegium 
der  Heiligsprechung  für  seinen  Stuhl  in  Anspruch  und  eröffnete  hier- 
mit zugleich  eine  reichlich  fliessende  Quelle  für  die  Einkünfte  der 
römischen  Curie.  Die  Canonisation  einer  fürstlichen  Person  wurde 
auf  100,000  Thaler  taxirt,  gewöhnlich  kostete  eine  Heiligsprechung 
70,000  Gulden"  (s.  Roskoff),  also  ein  etwas  theures  Vergnügen,  das 
zugleich  der  Ruhe  des  Todes  beraubte,  um  neue  Plackereien,  und 
oftmals  unvernünftige  genug,  aufzuerlegen. 

In  Südamerica  jedoch  finden  sich  schon  im  eigenen  Lande*),  weisse 


besonders  auf  St.  Sebastian.  Im  Kloster  San  Francisco  (in  Lima)  wurde  die  Figur  der 
heiligen  Jungfrau  gezeigt,  di^  bei  Beginn  des  Erdbebens  (1630)  tumed  ils  face  towards 
the  grand  altar  of  thc  church,  cast  its  eyes  upon  ihe  box,  in  which  the  host  rests  and 
holding  up  its  hands,  implored  the  divine  mercy  which  was  granted  by  the  cessation/of 
the  shocks  (s.  Hall).  In  der  Oberpfalz  hilft  der  Colomani  -  Segen  St.  Coloman's  (mit 
St.  Kilian)  gegen  Gewitter. 

*)  Da  bei  der  auf  die  Beatification  folgenden  Canonisation  der  Propiotor  fidei  von 
Amtswegen  Bedenken  zu  erheben  hat,  wird  er  Advocatus  diaboli  genannt  und  die  spä- 
teren Bedenken  erhalten  von  dem,  advocatus  dei  genanntem,  Ceremonienmeister  ihre  Be- 
seitigung. Bei  den  für  die  Beatification  erforderlichen  Wundem  werden  drei  Klassen  unter- 
schieden, supra  naturam ,  contra  naturam  und  praeter  naturam  (also  Unnatur  in  jeder 
Form).  Die  erste  Heiligsprechung  fand  durch  Johann  XI.  (993  p.  d.)  auf  dem  latera- 
nischen Concil  statt,  in  dem  heiligen  Ulrich,  Bischof  von  Augsburg. 

*)  Ce  que  je  remportai  de  plus  pr^cieux  de  cette  capitale  fut  un  os  du  Corps  de 
de  Saint-Rose  de  Lima,  dont  le  Cure  de  Saint-S^bastien,  un  des  plus  distingues  pour  la 
vertu  et  pour  la  naissance,  me  fit  present,  ayant  conjointement  avec  les  Rev^rens  P^res  Do- 
minicains  une  partie  consid^rable  du  Corps  de  la  Sainte.  Je  le  priai,  en  me  faisant  ce 
präsent,  de  me  donner  un  certificat,  comme  cet  os  6tait  veritablement  de  la  Sainte,  ce  qu'il 
m'accorda  et  fut  confirOle  par  une  attestation  de  trois  Notaires.  Je  Tai  apport6  k  Paris  dans 
un  reliquaire  d'or  enrichi  d'emeraudes  et  donnc  a  M.  Languet,  ancien  Cure    de  Saint-Sul- 


ERDBEBEN.  251 

nicht  nur,  sondern  (wie  der  Neger  St.  Martin  de  Poras  in  Lima)  auch 
schwarze  Retter  in  derNoth,  und  Guatemala  verdankte  (i7io)dieRettung 
bei  dem  Ausbruch  des  Vulcans  seinem  Bischof  (Maurus  de  Lareategui). 
„Dieser  ergriff  nämlich  das  heilige  Tabernakel,  zog  damit  vor  die 
Stadt,  wandte  sich  zum  tobenden  Feuerberg,  herrschte  ihm  zu,  dass 
er  inne  halten  und  verstummen  solle  und  ertheilte  ihm  seinen  Segen. 
Auf  diese  Stimme  und  auf  dieses  Zeichen  begannen  die  Flammen 
alsbald  sich  zurückzubiegen,  verschwanden  dann  vollends,  erloschen, 
und  Guatemala  war  gerettet"  (s.  Balluffi). 

Im  Grunde  war  dies  durchaus  kein  so  starkes  Stück,  da  Calixtus  III. 
selbst  einen  Cometen  (1456)  zu  exorcisiren  vermochte,  und  unglaub- 
lich konnte  es  den  einheimischen  Gelehrten  auch  nicht  gerade  klin- 
gen, denn:  „Estos  curas,  nacidos  y  muchos  de  ellos  envejecidos  en  los 
bosques  de  Cuenca,  oyeron  por  la  primera  vez  los  nombres  de 
astronomia  y  botanica",  als  Caldas  dort  durchreiste  (1804). 

Uebrigens  gab  es  unter  den  Indianern  in  Südamerika  einen 
Magier,  der  noch  viel  mehr  verstand,  als  unser  HerrPapst^),  nämlich 
Obera,  der  Priesterhäuptling  der  Guaranis.  Als  in  seinem  Himmels- 
bereich ein  Comet  erschien,  begnügte  er  sich  nicht,  ihn  nutzlos  weg- 
zufluchen,  sondern  er  bannte  dieses  Ungeheuer  in  seinen  Dienst,  und 
hetzte  ihn  gegen  seine  Feinde,  die  Spanier.  Wer  war  nun  wol  der 
Klügere  von  den  beiden?  Sonst  stimmte  die  Ansicht  über  die  Co- 
meten überein,  „porque  estos  Indios  (tambien  como  nostros  los 
Castellanos)  conocen  de  ellos,  significar  hambres,  pestilencias  y  guerras" 
(Torquemada). 

Dagegen  legte  der  Erzbischof  von  Bogota  (wie  Stewart  hörte) 
die  Erdbeben  den  Judios  (oder  Protestanten)  zur  Last  (wie  die 
Indianer  früher  ihrem  Chibchacum).  Als  der  Gewaltigste  erweis  t  sich 
der  heilige  San  Franciscus,  der  den  göttlichen  Beschlüssen  offen  zu 
trotzen   wagt:    „St.  Frangois  preserve    le    Monde    de  la  foudre,  que 


pice  (de  la  Blanchardi^re).  Im  Sanetuarium  dieser  heiligen  Rosa  (in  Lima)  wurden  (bis 
180$)  ein  Paar  Würfel  gezeigt ,  mit  welchen  Christus  in  höchsteigener  Person  sie  durch 
ein  Spiel  zu  unterhalten  sich  bemühte,  wenn  sie  durch  Fasten  und  Gebet  zu  ermüden  be- 
gann   (so  dass  auch  die  Hazardspieler  ein  schützendes  Prototyp  vorschieben  konnten). 

*)  Lorsque  nos  Papes  pr^tendaient  encore  a  l'infallibilit^ ,  ils  ne  proposaient  pas  a 
la  foi  des  fid^les  un  moindre  miracle  que  celui  qu'admettent  les  Thibetains  en  faveur  de 
leur  Archipretre.  II  est  egal  de  croire  qu'un  homme  ne  saurait  se  tromper,  ou  de  croire 
que  dieu  daignc  successivement  inspirer  a  plusieurs  hommes  une  meme  volonte,  une  m^me 
inlenüon  (1772).  Gott  ist  überall,  ausser  in  Rom,  wo  er  seinen  Statthalter  hat  (s.igt  das 
Volkswort). 


_fi. 


252  COLUMBIEN. 

J.  Christ  lance  dessus,  en  le  couvrant  de  son  cordon",  abgebildet  zu 
sehen  bei  Picart  (1734)- 

Maui,  der  Heros  der  Maori,  macht  kürzeren  Process  und  dreht 
dem  Unterweltsgott  einen  Arm  ab,  so  dass  er  die  Erde  nicht  mehr 
so  stark  erschüttern  kann,  und  wenn  der  brasilische  Apostel  Paye- 
Sume  über  die  wilden  Thiere  herrschte,  die  ihm,  wie  Orpheus,  ge- 
horchten, so  scheint  er  die  Sache  besser  angefasst  zu  haben,  als  die 
Kirche  von  Lausanne,  die  nicht  einmal  mit  Würmern  und  Engerlingen 
fertig  werden  konnte,  denn  obwohl  nach  rechtskräftigem  Verhör, 
unter  Bestellung  eines  Vertheidigers,  feierlichst  ausgewiesen  (s.  Horst), 
soll  sich  dieses  Geschmeiss  doch  wenig  daran  gekehrt  haben. 

Mehr  Vertrauen  dürften  Reliquien  verdienen,' wenn  sie  sich  so  gut 
bewähren,  wie  die  gegenUngewitter  empfohlenen Mctallstücke.  Bei  der 
erwähnten  Zerstörung  Caloto's  (1641)  durch  die  mit  Pijaos  verbundenen 
Paezes,  versuchten  die  Indianer  vergeblich  die  Kirchenglocke  in 
Stücke  zu  schlagen  und  stürzten  sie  dann  aus  Aerger  in  einen  Ab- 
grund hinab,  „desde  donde,  es  fama  alli,  la  oyeron  tocar  siempre  que 
habiä  tempestad,  la  que  se  deshacia  al  instante.  Y  habiendo  vuelta 
a  reedificar  la  ciudad  a  poca  distancia,  sacaron  aquella  campana, 
hicieron  otra  con  parte  de  su  metal,  y  conservan  el  resto  como  ac- 
creditada  reliquia  contra  tempestades,  en  una  arca  de  dos  llaves,  de 
las  cuales  ticne  una  el  cura  y  otra  el  obispo  de  Popayan,  repar- 
tiendo  pedacitos  de  ella  para  incluirlos  por  lenguetas  en  otras  cam 
panitas  pequenas  (s.  Alcedo).  Nach  Missionair  Velasco  vergoss  die 
Glocke  Blut,  als  die  Indianer  darauf  losschlugen. 

Diese  von  den  Indianern  misshandeltc Glocke  von  Caloto  ergab  also 
durch  die  steigende  Nachfrage  eine  so  reiche  Einnahme,  dass  man  (wie 
gesagt)  für  angezeigt  fand,  den  Schatz  der  wunderthätigen  Splitter  un- 
ter zwei  Schlüsseln  zu  bewahren,  deren  einen  der  Pfarrer  bewahrte, 
den  anderen  der  Bischof  von  Popayan. 

Solch'  heilkräftigen  Zauber,  wie  er  sich  hier  aus  einem  künstlich 
gemischten  System  ergiebt,  dem  reinigenden  Metallklang  der  Alchy- 
misten,  und  der  theologischen  Vorstellung  von  der  Wirksamkeit 
kirchlicher  Weihe,  sucht  der  Obiah-Mann*)  oder  sonstige  Ganga  durch 


*)  Selbst  schwarz,  oder  seinem  schwarzen  Ciegner  gegenüber,  je  nachdem  sich  die 
schwarze  oder  weisse  Magie  (die  Goetie  oder  Theurgie)  in  der  Farben-Idiosyncrasie  des 
durch  Eigennutz  geblendeten  Auges  malt.  ,,Man  könnte  sagen,  die  Zauberei  sei  das  ille- 
gitime Wunder,  das  Wunder  die  legitime  Zauberei,  die  Legitimität  aber  ist  so  relativ, 
wie  die  Orthodoxie"  (wie  Soldan  meint).  ,,Alle  Zauberei  kommt  aus  der  Brunst  und  aus 
dem  Hasse,  und  damit  heilt  man  auch",  erklärte  ein  Piache  (s.  von  Martius).  Dafür  kann 
die  siebeute  Frage  im  Hex^nhammer  verglichen  wcrdjn. 


OIX)CKENKLAXG.  253 

subjective  Phantasien,  um  dem  Fetisch  einen  Grigrih  einzufügen, 
der  für  seine  Zwecke  dann  ebenso  wirksam  schützt.  Die  Wirksam- 
keit des  Glockentones  in  Verscheuchung  der  Dämone^),  wozu  das 
Sistrum  der  Iris  sowohl,  wie  das  Gebetsrad  der  Lamaisten  ein  ent- 
sprechendes Analogon  bilden,  leitet  sich  in  seinen  einfachen  Formen 
zurück  auf  das  Schwirr-Instrument^)  der  Australier  oder  die  durch 
ganz  America  weit  verbreitete  Maraka  oder  Zauber-Rassel.  Aus  solchen 
Anfängen  lässt  sich  Mancherlei  erlernen,  und  wie  der  moderne  Spiri- 
tismus, der  im  alten  China  schon  längst  bekannt  war,  im  Westen  der 
Hauptsache  nach  den  indianischen  Medawin  oder  Zitterhütten  des 
Jossak^ed  (oder  südlicher  des  Boyez)  zu  verdanken  ist,  so  könnte  die 
(von  Schwager)  in  Innocenz*  VIII.  Bulle  (1484  p.  d.)  gesuchte  Quelle 
des  Hexenwesen's,  —  wenn  sich  auch  in  der  Vauderie  (dem  Vaudoux 
Hayti's)  oder  der  Waldenserei  vor  dem  Tribunal  von  Arras  (1460), 
in  den  Processen  von  Trier  (1239  —  40),  in  dem  von  Toulouse  (1275), 
in  dem  Verfahren  gegen  die  Templer  u.  s.  w.  Vorläufer  finden  lassen,  — 
ihre  volle  Strömung  in  dem  Malleus  Maleficarum  (1487  p.  d.)  doch 
vielleicht  erst  durch  die  Kenntnisse  erhalten  haben,  die  damals  durch 
die  portugiesischen  Entdeckungsfahrten  aus  dem  afrikanischen  Feti- 
schismus geschöpft  wurden.  Dabei  erhielt  dann  das  von  dem 
Neger  in  seiner  naiven  Beschränktheit  nur  unklar  über  das  Treiben 
des  Endoxe  Vermuthete  und  Gefürchtete  in  jenen  lateinischen  Docu- 
menten,  unter  entsprechender  Vermehrung  der  Scheiterhaufen  für 
die  Menschenopfer,  seine  wissenschaftlich-methodische  Durchbildung, 
und  wie  Manches  sich  auch  jetzt  noch  aus  Africa  lernen  liesse,  das 
bezeugt  jener  englische  Bischof,  der  in  Unkenntniss  der  auf  seiner 
hochkirchlichen  Erziehungsanstalt  ausgeschlossenen  Bücher  der  Tü- 
binger Schule  über  ihre  Grundzüge  erst  von  seinen  Zöglingen  in  den 
Kaffer-Missionen  zu  unterrichten  war. 

Anfangs  war  es  der  Teufel,  der  überall  spukte,  auch  im  Bauch ') 

• 

*)  Dass  sie  auch  in  den  Ungewiltem  umherfahren,  weiss  man  in  allen  fünf  Erdthei- 
len.  Sprenger  erörtert  in  seinem  15.  Capitel  die  Frage,  wie  die  Hexen  ,, Hagel  und 
Gewitter  erregen  und  Blitze  auf  Menschen  und  Vieh  herabzubringen  pflegen". 

')  Neben  den  heiligen  und  mitunter  (s.  Salvado)  auch  erblichen  Magensteinen,  wobei  das 
Gehörte  zugleich  für  orakelhafte  Ausdeutung  dienen  kann,  wie  in  ApoUo's  wahrsagendem 
Klapperstein,  durch  den,  in  den  Händen  geschwungen,  •Helenos,  Laomedon's  Sohn ,  den 
Atreiden  den  Tag  von  Troja* s  Eroberung  prophezeite. 

')  Als  der  Novize,  der  dem  Abt  zuhört,  erwähnt,  dass  es  in  seinem  Bauche  während 
des  Schreiten's  geknurrt  habe,  ruft  Richalmus:  Ah,  das  thnn  sie  (die  Teufel)  mir  täglich 
an  (s.  Roskoff ).  Da  der  Novize  auf  die  Frage,  weshalb  er  nicht ,  wie  gewöhnlich 
gegessen,  antwortet,  dass  er  voll  und  satt  gewesen,  warnt  ihn  der  Abt:  sich  in 
Acht    zu  nehmen,    dass    sich  die  Teufel,    wie  er  gehört,   gegen  ihn  verschworen  haben, 


254  COLUMBIEN. 

oder  in  den  verzogenen  Mundwinkeln.  Da  man  indess  trotz  aller 
Bannungsformeln  ihn  nicht  zu  erwischen  vermocht  hatte,  hielt  man 
sich  später  Heber  an  Sündenböcke  von  Fleisch  und  Blut,  die  sicht- 
bar und  fühlbar  verbrannt  werden  konnten,  indem  man  die  Theorie 
aufstellte,  dass  der  Teufel  sich  eines  Werkzeuges  zu  bedienen  habe, 
dem  er  die  Kraft,  durch  Berührung  zu  schädigen,  mittheile.  Doch 
Hess  man  auch  wieder  zu,  dass  sich  die  Teufel  durch  Luftverdichtung 
einen  Körper  bilden  könnten,  ähnlich  wie  innerhalb  des  Spiritismus 
die  Secten-Ansicht  von  der  Materialisation  Geltung  erlangt  hat. 


Manizales,  gleich  den  meisten  Gründungen  in  Antioquia,  .macht 
einen  freundlicheren  und  betriebsameren  Eindruck,  als  man  sonst  in 
Südamerika  zu  erhalten  gewohnt  ist,  wie  überhaupt  der  Antioquener 
eine  grössere  Thätigkeit  entwickelt  und  oft  in  Ecuador  und  Peru 
angetroffen  wird,  als  Ladenbesitzer,  Kaufmann,  Gastwirth  u.  s.  w. 
Wegen  ihres  handelsbeflissenen  (freilich  auch  händelsüchtigen)  Cha- 
racter's  hält  man  sie  in  der  Hauptsache  von  den  durch  die  Inqui- 
sition bekehrten  Juden  stammend,  die  von  Spanien  nach  den  Colonien 
geschafft  wurden,  und  meist,  wie  es  heisst,  in  diesem  sonst  gemie- 
denen Bergland  ihren  Aufenthalt  angewiesen  erhielten. 

In  der  Umgegend  von  Manizales  liegen  noch  Indianer-Inseln  zer- 
streut, auf  dem  ganzen  Wege  zum  Chocö,  wo  sie  sich  in  grösseren 
Mengen  zusammenschliessen.  Auf  verschiedenen  Punkten  werden 
Alterthümer  gefunden,  so  in  Naranjal  (bei  Manizales),  wo  die  ein- 
zelnen FamiHen  verschiedene  Dialecte  reden. 

Die  Indianer  bei  Andes  (in  der  Montaiia  des  Choco)  tragen  einen 
Federschurz  und  verzieren  sich  das  Haar  mit  Blumen  und  Federn. 
Neben  d^m  Nasenschmuck  stecken  sie  runde  CyHnder  (glänzender 
Oberfläche)  in  die  durchbohrten  Ohrläppchen.  Auf  der  Brust  sind 
sie  quer,  an  den  Armen  längsstreifig  bemalt  (in  verschiedenen  Farben) 
und  auch  auf  den  Backen. 

Die  Sprache  dieser  Indianer  bei  Andes  wurde  von  denjenigen  in 
Manizales,  die  sie  gehört  hatten,  mit  Vogelgezwitscher  vergHchen 
(wie  in  Africa).    In  den  Sabanas  der  Montaiia   zwischen  Chocö  und 

ihm  die  Speise  zu  entziehen,  una  auf  die  Einwendung  des  Novizen,  dass  er  doch  nicht 
mit  vollem  Bauche  essen  könne,  erklärt  ihm  Richalmus  weiter:  ,,Das  bewirken  sie  (diese 
Teufel),  auch  mir  haben  sie  oft  den  Bauch  gross  gemacht,  den  Mund  mit  Schleim  ge- 
füllt und  auf  alle  Weise  den  Appetit  geraubt,  bis  ich  mich  vor  Tische  mit  Weihwasser 
sprengte".  Das  Alles  steht  im  schönsten  Küchenlatein  zu  lesen  aus  dem  XUL  Jahrhun- 
dert. Bereits  früher  erzählt  Gregor  Tourensis  von  einem  Salat,  worin  der  Teufel  steckt, 
den  die  damit  beschäftigte  Nonne  unversehens  mitass. 


CHoco.  255 

Santa  Rosa  sollen  sich  behaarte  Indianer  finden.  Die  Indianer  des 
Chocö  theilen  das  Jahr  in  zwei  Carrä  nach  dem  jährlich  zweinlaligen 
Blühen  der  Carrä  genannten  Leguminose  (alle  6  Monate).  Wenn  sich 
die  Indianer  von  Chami  und  aus  Darien  beim  Fest  in  Quibdo  zu- 
sammenfinden, tauschen  sie  die  Mädchen  zum  Verheirathen  aus.  Im 
Choco  wird  die  Frau  auf  Probe  genommen.  Die  Frauen  gebären 
im  Wasser  (im  Choco)  und  bedienen  dann  den  Ehemann  (nach  dem 
Bade).  Bei  der  Geburt  eines  Kindes  unter  den  Indianern  in  Po- 
payan  steht  die  Frau  vom  Bette  auf,  um  den  Mann,  der  sich  hinein- 
legt, zu  bedienen  (und  mit  Hühnersuppe  zu  pflegen),  und  so  kehren 
vielfach  Gebräuche  der  Couvade  in  Südamerica  wieder. 

Die  ihre  Zähne  schwärzenden  Indianer  des  Chocö  tragen  einen 
Nasenring,  dessen  Platte  über  den  Mund  herabfällt.  Der  Todte 
wird  mit  seinem  Schutzthier  begraben.  Im  Choco  kaut  man  die 
Frucht  der  Chontadura  Palme,  um  daraus  Chicha  zu  bereiten. 

Die  Indianer  des  Chocö  präpariren  das  Gift  für  Blasrohrpfeile 
aus  drei  F'roscharten  (einer  rothen,  gelben  und  schwarzen),  die  im 
Moos,  mit  bedeckten  Händen  gesammelt,  und  dann  durchstochen  über 
Feuer  auf  einem  Kessel  gedreht  werden,  um  die  dicke  Flüssigkeit, 
die  ausschwitzt,  abzuwinden.  Die  Pfeile  sind  an  beiden  Enden  spitz 
und  werden  an  dem,  dem  vergifteten  entgegengesetzten  Ende,  mit 
Moos  umwunden,  um  die  Oeffnung  zu  füllen.  Für  die  aus  der  Palme 
Carmana  verfertigten  Blasröhre  (Ugu)  wird  d^  Froschgift  (Basu- 
nearä)  gefertigt,  indem  der  Frosch  (Basu)  mit  aufgespaltenem  Munde 
gereizt  wird,  um  die  Drüsen  zur  Absonderung  zu  bringen,  (und  so 
verschiedene  Bereitungsweisen  oder  Erzählungen  darüber). 

Die  Embara  bede  (Muttersprache)  genannte  Sprache^)  wird  von 
San  Juan  bis  zum  Atrato  (und  unter  den  Cunas  von  St.  Blas)  ge- 
redet, und  die  Dialecte  des  Chocö  stammen  davon  ab,  mit  Aus- 
nahme des  selbstständigen  Dialecte'«  von  Noaima  (unter  Toadasitos, 
Chaimies,  Andagada  u^  s.  w.).  Näheres  über  die  sprachlichen  Ver- 
hältnisse ist  in  einem  von  Dr.  Vincente  Uribe  in  der  Zeitschrift  für 
Ethnologie  veröflfentlichten  Aufsatz  mitgetheilt  (1876). 


')  Antomia  heisst  der  (böse)  Gott ;  Caperai  der  Dämon ;  Chaibalas,  die  Zauberpriester 
im  Chocö;  Pichia,  Sonne;  Uanta,  Mond;  Cancaüa,  Sterne;  Joro,  Erde;  Naün,  Wind; 
Tibischua,  Feuer;  Pania  (Vania),  Wasser,  (Namburi  am  Rio  Verde);  Aba,  i;  Om^,  2; 
Ompe,  3;  Quimane,  4;  Chuä  somd,  5;  Chua  aba,  6;  Ome  chua  soma,  10  (2  x  5);  Ki- 
mane  chua  soma,  20  (4  x  5)  u.  s.  w.  Der  San  Juan  in  Chocö  heisst  To-schuruma  oder 
Rio  (to)  grande  (schuruma) ;  Atrato  (to  oder  FUjss).  Am  (^uito-Fluss  (linker  Nebenfluss 
des  Atrato)  ündet  sich  (über  den  Isthmus  von  San  Paulo)  Landverbindung  mit  San  Paulo 


256  CiMX'MBIEX. 

Im  Cauca  -  Thal  sind  die  zur  Zeit  der  Conquista  angetroffenen 
Indianerstämme  verschwunden,  im  Magdalenenthal  haben  sich  Reste 
nur  in  einzelnen  Schluchten  erhalten,  besonders  am  rechten  Ufer 
(bei  Opon  und  Carare),  sowie  unter  Verlust  der  Sprache  auf  den 
Hochflächen.  Zersprengte  Trümmer  finden  sich  in  der  mittleren  Cor- 
dillere  zurückgezogen  (oft  unter  dem  allgemeinen  Namen  der  Pijaos). 

Im  Chocö  leben  die  Stämme  grösstentheils  noch  wild,  haben 
sich  indess  gleichfalls  sehr  an  Zahl  vermindert.  Als  die  von  den 
Jesuiten  (1654)  im  Choco  organisirten  Missionen  Privatleuten  über- 
lassen waren  und  die  Indianer  zum  Arbeiten  in  den  Minen  gezwungen 
wurden,  entschlossen  sie  sich  zur  Auswanderung,  und  waren  eines 
Tages  plötzlich  verschwunden,  so  dass  Negersklaven  eingeführt 
werden  mussten  (Velasco). 

Nachdem  ich  mit  dem  Arriero  Rudolfo  Velez  über  das  Zurück- 
bleiben meiner  Thiere  und  Miethen  neuer  ein  Uebereinkommen  ge- 
troffen, war  ich  am  Nachmittag  des  3.  December  zur  Abreise  fertig. 
Nach  einem  Absteig  zum  Fluss  Olintia,  ging  der  Weg  auf  und  nieder 
über  mannigfaltige  Hügelkuppen  unter  grüner  Decke,  mit  zerstreuten 
Häusern  an  den  Strassen. 

Nach  dem  Passiren  des  Flusses  Aguila  und  dann  des  Flusses 
Vacaica,  neben  einer  seitlichen  Bergwand  mit  Wald,  erhoben  wir 
uns  aufwärts  zum  Pueblo  rico,  wo  in  dem  Hause  des  Prospero  Velez, 
eines  der  mir  genannten  Schätzesucher,  nach  Alterthümem  gefragt 
wurde.  Vor  uns  sahen  wir  gebrochenes  Hügelland,  mit  Neira  in 
einer  Thalmulde,  während  seitlich  sich  die  Cordillere  des  Chocö  hin- 
zieht. Gegen  Abend  langten  wir  in  Neira  an  und  suchten  in  dem 
Hause  des  Cura  Morin  ein  Nachtquartier  nach. 


am  San  Juan,  und  Humboldt  hat  die  in  früheren  Kriegszeiten  hergestellte  Communication 
zwischen  den  beiden  Meeren  erörtert,  während  eine  neue  Aufnahme  für  das  IVoject  eines 
von  Seeschiffen  befahrenen  Canal's  von  Selfridge  geschehen  ist.  Die  zwischen  Cartago 
und  Marmato  wohnenden  Chamie  reden  eine  besondere  Sprache :  Mochana,  tigre:  tägerah, 
g.illina;  intschitragan,  tossino  (manteca);  pilschango,  escoba,  (in  der  Sprache  von  Chami). 
Stämme  der  Chamie  (des  Choco)  strecken  sich  an  die  Grenze  Antioquia's.  Bei  Caflas 
gordas  in  Antioipiia  finden  sich  Indianer  mit  besonderer  Sprache  (und  so  bei  Nomana). 
Los  indigenas  del  Estado  de  .\nti04uia  se  componian  de  tres  naciones  principales,  los 
Catios,  los  Nutabes,  y  los  Tahamies.  Los  primeros  moraban  al  occidente  del  Cauca; 
los  segundos,  sobre  el  mdrgen  derecho  del  rio,  ocupaban  la  parte  central  del  Estado, 
y  los  Ultimos  se  extendian  por  el  Oriente  y  sur.  Los  Vamccies,  tribu  tstablecida  häcia 
Zaragoza,  presentaban  tambien  algunos  rasgos  particulares  (Posada  Arango).  Chocö  ist 
genannt  nach  dem  Ruf  der  Waldtaube.  Bei  Toasita  (am  Choc6)  finden  sich  Indianer 
besonderer  Sprache  (in  verschiedenen  Stämmen),  und  ebenso  an  der  Mündimg  des  Dagua 
bei  Buena Ventura,  wohin  die  wilden  Bogacs  in  Canoes  kommen^ (als  Bogas), 


ARANZAZO.  257 

Am  nächsten  Morgen  ritten  wir  über  gebrochenes  Hügelland, 
und  nach  dem  Passiren  der  Brücke  über  den  Fluss  Tapia  ging  es 
auf  und  nieder.  Vom  Fluss  Cervata  stiegen  wir  zu  den  Kalkfelsen 
des  Alto  de  Cardon  hinan,  und  die  Erhebung  setzt  sich  auch  jenseits 
des  Flusses  Chinchojo  fort,  wo  uns  Reisende  begegneten,  die  durch 
Shlero's  im  Rückensessel  getragen  wurden.  Mit  dem  Blick  auf  weit- 
hin streichendes  Bergland,  gelangten  wir  nach  Muela,  wo  zur  Fütte- 
rung gerastet  wurde,  und  dort  erblickten  wir  Salamina  auf  einem 
Vorsprung  seiner  Bergwand  gelegen.  Nach  manchem  Auf  und  Nieder 
wurde  der  Fluss  Aranzazo  passirt,  um  dann  den  steilen  Ansteig 
zum  Pueblo  Aranzazo  zu  erklimmen.  Jenseits  grüner  Schluchten 
schweift  der  Blick  über  ein  Gewoge  von  Bergwäldern  bis  zu  der 
blauen  ,Cordillere  des  Westens  am  Horizont.  Auf  und  ab,  und  dann 
hinunter  in  die  Bajada  von  Manzanillo.  Abseitens  der  Strasse  fan- 
den wir  nach  einigem  Suchen  das  uns  ausgedeutete  Haus  des  Scho- 
lastico  Velez,  der  sich  den  Pfad  seines  Hofes  mit  Steinen  aus  den 
Huacas  gepflastert  hatte,  von  denen  einer  ein  Menschengesicht  zeigte 
und  die  Umrisse  der  Figur.  Nachdem  wir  den  Fluss  Pichinche 
passirt  hatten,  und  einen  neuen  Ansteig  begannen,  erwies  sich  das 
eine  Maulthier,  das  schon  die  letzte  Hälfte  des  Tages  schwer  weiter 
zu  bringen  gewesen,  völlig  unfähig,  einen  andern  Schritt  zu  thun,  so 
dass  es  ganz  ledig  gelassen  werden  musste.  Nur  mit  Mühe  gelang 
es  uns,  in  dieser  menschenleeren  Gegend  und  unter  der  einbrechen- 
den Dämmerung  Zeichen  von  Bewohnung  in  nicht  allzu  weiter  Ent- 
fernung ausfindig  zu  machen,  und  das  erste  beste  Haus,  das  wir 
trafen,  musste  als  Nachtquartier  gewählt  werden.  Leider  traf  diese 
Wahl  die  schlechteste  von  Allen,  eine  enge,  von  Schmutz  starrende 
Hütte,  voll  ungewaschener  Kinder,  und  schon  für  die  regelmässige 
Zahl  der  Bewohner  viel  zu  klein.  Wenigstens  gelang  es  mir  durch 
eine  Belohnung  einen  Trunk  frischen  Wassers  in  einem  Bambus- 
Rohr  aus  dem  Flusse  zu  erhalten,  denn  da  derselbe  am  Fusse  eines 
tiefen  Abfalles  floss,  begnügten  sich  die  Eingeborenen  lieber  mit 
dem  Wasser  der  nächsten  Pfütze.  Um  die  Annehmlichkeiten  voll 
zu  machen,  brach  bei  Nacht  ein  Gewitter  aus,  so  dass  der  heftig 
fallende  Regen  die  Communication  mit  der  freien  Luft  noch  mehr 
abschnitt. 

Am  nächsten  Morgen,  da  das  Maulthier  einigermassen  herge- 
stellt schien,  waren  wir  so  früh  wie  möglich  auf  den  Beinen,  um 
über  Hügel  zum  Fluss  Pozito  hinabzufallen,  auf  einem  zwischen  zwei 
Abgründen,    am  Kamme  h ingeschlängelten  Wege.     Dann  folgte  ein 

Bastian:  America.  I.  17 


258  COLUMBIEN. 

steiler  Aufsteig  und  der  Rückblick  zeigte  hohe  Bergwälder,  über 
welche  in  der  Ferne  der  Grat  des  Ruyz  mit  seiner  Kuppel  her- 
überschaute. Auf  der  Höhe  entlang  gelangten  wir  nach  dem  Alto 
de  Palma,  wo  die  Strasse  nach  Bogota  gekreuzt  wird,  und  dann 
hinab  nach  Salamina,  von  einer  Wand  hoher  Bergwälder  (jenseits  einer 
Schlucht)  umzogen.  Die  Ladung  voraussendend,  erkundigte  Ich 
mich  auf  dem  Markte  nach  der  Wohnung  des  Eladio  Gomez,  die 
ich  in  einer  der  Strassen  auffand,  aber  bei  der  Abwesenheit  des 
Häusherrn,  die  gewünschte  Auskunft  über  Alterthümer  nur  unvoll- 
kommen erhalten  konnte.  Als  ich  beim  Absteig  das  Lastthier  ein- 
holte, fand  ich  dasselbe  bereits  wieder  auf  das  Aeusserste  reducirt 
und  den  Burschen  im  Kampfe  mit  seiner  Störrigkeit.  Nachdem  wir 
den  Fluss  Frisolero  in  einer  Schlucht  passirt,  zogen  wir  über  Hügel 
und  dann  hinab  zum  Fluss  San  Lorenzo  oder  Pozo,  wo  ich  mich, 
während  Fütterung  der  Thiere  in  einem  dort  für  Assistenz  der  Rei- 
senden gelegenen  Hause,  durch  ein  Bad  erquickte.  Aus  Pozo  hat 
sich  bei  Cieza  de  Leon  die  Bemerkung  erhalten,  dass  die  Köpfe  der 
Idole  Leichenschädeln  geglichen  hätten  (wie  ähnlich  auf  den  Sculp- 
turen  von  St.  Lucia  de  Cotzmalguapan).  Im  Lande  der  aus  Arma 
stammenden  Indianer  von  Pozo,  die  unter  dem  Häuptling  Pimaraque 
siegreiche  Kriege  mit  den  Paucüres  (unter  dem  Häuptling  Timana) 
und  den  Carrapas  geführt  hatten,  fand  Robledo  Festungen  aus 
Gaduas  (Bambus- Verhaue)  und  ein  der  aufgehenden  Sohne  gegen- 
übergestelltes Holzbild,  dem  allwöchentlich  ein  vorher  im  Käfig  ge- 
mästeter Gefangener  geopfert  wurde  (s.  Piedrahita). 

In  Robledo  s  Briefen  (1545)  stellt  er  den  kriegerischen  Indianern 
von  Pozo  die  verträglichen  und  reinlichen  von  Anserma  gegenüber.  Die 
Caziken,  gravitätischen  Auftreten's  und  langsam  bedachtsamer  Rede, 
seien  auf  den  Schultern  ihrer  Unterthanen  getragen  worden  und 
hätten  Dubio  genannte  Stühle  mit  sich  geführt  [ähnlich  den  Bari 
am  Weissen  Nil],  um  sich  darauf  zu  setzen,  oder  in  Ermangelung 
solcher  auf  die  Kniee  der  Frauen,  von  denen  sie  stets  begleitet 
waren  (quando  le  falta  el  duho  y  no  se  le  traen,  asientase  en  las 
rodillas  de  una  de  aquellas  sus  mugeres).  Nasenringe  werden  als 
Schmuck  erwähnt  (s.  Oviedo). 

In  den  Huacas  in  Salamina  soll  sich  mitunter  ein  goldenes  Tisch- 
chen mit  goldenem  Stuhl,  auf  welchem  die  Goldfigur  des  Caziken 
sitzt,  finden,  mit  einem  Hund  an  einer  Seite  und  einem  hühnerartigen 
Vogel   an   der  andern.     In  den    Huacas    von    Salamina    sind  Thon- 


AGUADA.  259 

stücke  angetroffen  mit  dem  Plan  der  Huaca,  ihren  Gängen  nach  (mit 
Nebenverzweigungen). 

Am  Nachmittag  begann  ein  steiler  Aufsteig,  den  ich  zu  Fuss 
zurücklegte,  da  das  Reitthier  beladen  worden  war,  um  das  Lastthier 
zu  erleichtern.  Der  Blick  über  die  Schlucht  des  Flusses  Pozo  traf 
am  Ausgang  derselben  auf  blaue  Berge  vor  einer  Einbuchtung, 
innerhalb  welcher  Marmato  liegt.  Unter  den  Windungen  des  Weges 
öffnete  sich  ein  Rückblick  auf  Waldberge  jenseits  der  Schlucht,  mit 
Salamina  auf  Bergespitze.  Der  durch  das  Licht  des  aufgegangenen 
Mondes  erhellte  Weg  wand  sich  auf  dem  Kamm  noch  höher  empor, 
bis  zum  Alto  de  las  Collas,  wo  wir  in  einem  an  der  Strasse  allein- 
stehenden Hause,  das  mit  einem  Laden  zum  Verkauf  von  Reise- 
bedürfnissen verbunden  war,  Aufnahme  für  die  Nacht  fanden,  und 
nach  dem  Abendessen  nicht  lange  auf  den  Schlaf  zu  warten  brauch- 
ten. Doch  hatte  ich  noch  vorher  von  meinem  Burschen  die  Opera- 
tion der  Ausziehung  einer  Nigua  aus  der  Fusssohle  vornehmen 
zu  lassen,  übrigens  der  einzigen  dieser  Sandflöhe,  durch  die  ich  hier 
in  America,  oder  bei  meinem  letzten  Besuche  in  Africa,  wo  sie  eine 
allgemeine  Plage  schienen,  belästigt  worden  bin.  Wahrscheinlich 
schützt  ein  stetes  Tragen  dünner  Wollstrümpfe. 

Am  nächsten  Morgen  folgten  wir  über  den  Kamm  weiter,  und  dann 
abwärts  in  eine  langgestreckte  Thalmulde,  von  Nebel  umweht.  Nach 
dem  Durchreiten  des  Fleckens  Pacora  ging  es  auf  und  nieder,  bis 
hinab  zum  Fluss  Pacora  unter  dichtem  Regen. 

Ein  Aufsteig  führte  uns  in  die  Quebrada  del  forno  empor,  und 
höher  zum  Alto  de  Loza.  Ueber  den  Kamm  ging  es  auf  und  ab  in  win- 
denden Travesias;  der  lehmige  Morastweg  war  in  Cajones  unterbrochen 
und  wir  kamen  nur  langsam  aus  der  Stelle.  Mit  dem  Niederblick 
auf  wellige  Waldberge  erschauten  wir  zwischen  grünen  Wiesen- 
mulden Aguada,  das  am  Nachmittag  erreicht  wurde.  Vor  der 
Stadt  fanden  wir  Aufnahme  in  dem  Hause  Domingo  Echeverry's, 
der  daselbst  an  der  Strasse  lebt,  den  des  Weges  ziehenden  Reisen- 
den wohlbekannt,  und  gerne  mit  ihnen  über  die  Neuigkeiten  aus 
der  Fremde  redend.  Es  war  dort  ein  belebter  Durchgangspunkt, 
und  zogen  mehrfach  auch  Auswandererfamilien  vorüber,  die  Frau  mit 
dem  Hausgeräth  und  den  Kindern,  der  Mann  mit  den  Ackerbau- 
Instrumenten  und  dem  Beil,  um  sich  im  Walde  seine  neue  Heimath 
zu  öffnen. 

Das  Nächste  war  nun  über  das  Weiterkommen  zu  berathen,  da 

bei    der   Unbrauchbarkeit    des    Lastthieres    ein    anderes    gemiethet 

17* 


260  COLUMBIEX. 

werden  musste.  Ich  begab  mich  deshalb  noch  vor  Abend  mit  dem 
Burschen  nach  der  Stadt,  um  mit  dem  Einen  oder  Andern  der  mir 
angezeichneten  Pferdebesitzer  Rücksprache  zu  nehmen.  Da  war  in- 
dess  stets  dieselbe  Antwort,  dass  ein  Fertigstellen  bis  zum  nächsten 
Morgen  unmöglich  sei,  und  dass  ich  einige  Tage  zu  warten  haben 
würde.  Um  solchen  Zeitverlust  zu  vermeiden,  gelang  es  mir  endlich 
bei  Einem  durchzusetzen,  dass  noch  bei  Nacht  ein  Bote  nach  dem 
Potrero  geschickt  wurde,  damit  das  Thier  rechtzeitig  anlange ,  doch 
konnte  es  nicht  für  den  ganzen  Weg  nach  Medellin  gegeben  werden, 
sondern  nur  bis  zur  nächsten  Station,  so  dass  mir  die  nicht  gerade 
angenehme  Aussicht  auf  nochmalige  Wiederholung  dieser  Mieths- 
weitläufigkeiten  eröffnet  wurde. 

Am  nächsten  Morgen  war  das  Thier  auch  wirklich  da,  aber  mit 
so  frischen  Wunden  (in  Folge  früherer  Bepackung),  dass  ich  mich 
nicht  entschliessen  konnte,  esbeladen  zu  lassen,  und  auf  meine  nach- 
drücklichen Vorstellungen  einen  Ersatz  durch  Stellung  eines  für  andere 
Zwecke  bestimmten  Thiereserlangte,  so  dass  wir  uns  noch  am  Vor- 
mittag auf  den  Weg  machenkonnten. 

Aguades  ist  ein  betriebsamer  Ort,  der  einen  wohlhabenden  Ein- 
druck macht  und  sich  rasch  entwickelt  hat.  Die  Strohhüte  Antio- 
quia's  werden  besonders  in  Aguades  gefertigt,  und  die  feinsten  der- 
selben, aber  weniger  dauerhaften  (weil  von  gesiedetem  Stroh)  in  Bu- 
ritica  bei  Sopetra.  Vor  Einführung  der  Strohhutfabrikation  in 
(Aguada)  Aguades  (1855),  wurde  sie  hauptsächlich  in  Dörfern  am 
Cauca  geübt. 

Am  Hügel  hin  ging  es  dann  hinab,  mit  welliger  Fortsetzung  in's 
Thal,  aufsteigenden  Nebeln  entgegen.  Am  Wege  begegneten  wir 
einer  Caravane  von  Auswanderern,  einige  Pferde  vor  sich  hertreibend 
und  die  Kinder  in  Sesseln  tragend.  Weiter  abwärts  standen  wir  an 
der  Schlucht  des  Rio  de  Arma,  wo  ein  Bergu'all  vor  tritt,  und  aut 
den  Vorbergen  zieht  sich  an  steiler  Wand  der  Weg  zum  Alte  de 
Purima  hinauf  Seitlich  fällt  der  Blick,  beim  Ausgang  des  Fluss- 
bettes, durch  die  Oeffnung  auf  fortstreichende  Berge,  zwischen  denen 
einige  Windungen  des  Cauca  in  der  Entfernung  sichtbar  sind. 

Auf  steilem  Weg  zwischen  Abgründen  stiegen  wir  hinab  in  die 
enge  und  heisse  Thalschlucht  des  Rio  de  Arma,  die  wir  mit  den 
Maulthieren  der  dort  zusammentreffenden,  und  von  den  beschwerlichen 
Wegen  an  beiden  Seiten  einen  Ruheplatz  suchenden,  Caravanen  o-e- 
füllt  fanden,  sowie  mit  Treibern  und  Arrieros  das  kleine  Haus  an 
der  Brücke.    Der  Weg  nach  dem  jetzt  fast  ganz  unbewohnten  Arma, 


RIO  DE  ARMA.  261 

eine  der  ältesten,  und  einst  der  stolzesten,  Gründungen  in  diesem 
Lande,  soll  seit  einiger  Zeit,  wie  ich  in  Avejoral  hörte,  durch  Erd- 
rutschungen  fast  verschüttet  und  im  höchsten  Grade  lebensgefährlich 
sein  (bis  eine  Reparatur  vorgenommen  werden  sollte).  Nach  dem 
Caciquen  Pipinvtam,  dessen  Goldgefässe  stets  nur  einmal  benutzt 
wurden,  ist  der  Cerro  bei  Arma  benannt.  Das  alte  Arma  fand  sich 
bei  Las  Tapias  (bei  Neira). 

Bei  Robledo's  Durchzug  erhielt  die  „Loma  de  los  Armados" 
ihren  Namen  von  den  auf  ihr  in  goldener  Rüstung  gesehenen  Krie- 
gern. Von  dort  waren  die  Eroberer  der  umliegenden  Striche  aus- 
gezogen, die  sich  in  Pozo  und  Nachbarschaft  festgesetzt  hatten,  un- 
ter den  Verwandten  der  Indianer  von  Pacora  (Paucura),  wo  im  Be- 
zirk des  Häuptling's  Pimaua  ein  der  Sonne  geweihtes  Idol  verehrt 
wurde.  Auch  in  Arma  wird  jener  wüsten  Menschenfresserei  erwähnt, 
die  Cieza  de  Leon  in  Caramanta  (im  Lande  des  Häuptlings  Cau- 
roma)  und  allen  Nebenländern  getroffen  haben  will,  und  die  in  ihrer 
Ausmalung  alles  Aehnliche  übertrifft,  da  sie  sich  Glicht  nur  auf  das 
Mästen  der  Gefangenen  beschränkte,  oder  der  mit  ihnen  grossgezo- 
genen Kinder,  sondern  bis  zu  dem  in  Afrika  bei  den  Anziko  erwähn- 
ten Menschenfleischverkauf  auf  den  Märkten  fortgeschritten  sein  soll 
und  noch  weiter.  Ein  befreundeter  Cazike,  der  die  Spanier  besuchte, 
habe  drei  junge  Frauenzimmer  mit  sich  geführt,  die  ihm  das  Bett  be- 
reiteten, zwei  als  Matraze  und  das  dritte  als  Kopfkissen.  Nachdem  sie 
dann  diesem  Zwecke  bis  zum  Morgen  genügt,  seien  sie  ausserdem 
noch  zu  Provisionen  bestimmt  gewesen,  oder  doch  die  Eine  dafür, 
um  nämlich  zum  Frühstück  zu  dienen.  So  könnte  die  Anthropophagie- 
Witterei  in  der  Vorgeschichte  hier  nach  Behagen  ihre  volle  Sättigung 
finden,  wenn  sie  sich  auf  die  gleichzeitigen  Chronisten  zu  stützen  beliebt. 

Am  andern  Ufer  des  Rio  de  Arma  begann  aus  der  Sohle  des 
Thals  ein  steiler  Ansteig,  und  dann  bei  einer  Windung  in  die  Höhe 
folgt  der  Weg  über  einen  Bergkessel,  an  Häusern  in  pflanzlichem  An- 
bau vorüber,  während  auf  der  anderen  Seite  aus  schroffer  Felswand 
ein  Wasserfall  herabstürzt. 

Nach  manchem  Auf  und  Nieder  machten  wir  Halt  in  der  Be- 
sitzung des  Eufrasio  Echeverry,  dessen  Tochter  (eine  Verwandte 
unseres  Wirthes  in  Aguadas  und  durch  ihn  empfohlen)  anwesend 
war.  Der  Balcon  an  der  Rückseite  des  Hauses  hing  in  der  Luft 
über  einer  welligen  Bergschlucht  und  das  Rauschen  der  dort  hervor- 
quellenden Wasser  wiegte  uns  bald  in  Schlaf.  Einige  Kleinigkeiten 
aus  umliegenden  Huacas  hatten  vorher  erworben  werden  können. 


262  COLUMBIEN. 

Der  frühe  Autbruch  am  nächsten  Morgen  (December  8.)  führte 
zum  steilen  Ansteig  auf  schlüpfrigen  Pfaden,  mit  Blicken  auf  die 
längs  der  Bergschlucht  bis  in  die  Tiefe  des  Abgrundes  hinabstür- 
zenden Gewässer.  Der  Weg  stieg  an  und  ab,  bis  Avejoral  erreicht 
war,  auf  welliger  Ebene  gelegen  an  einer  Bergerhöhung.  Dort  war 
das  Pferd  zu  übergeben  an  eine  angezeigte  Adresse',  und  es  blieben 
nun  die  Verhandlungen  über  Miethcn  eines  neuen  Thieres,  wodurch 
wir  mit  allerlei  Umständlichkeiten  und  Störungen,  aus  der  Unzuver- 
lässigkeit  der  Zusagen,  bis  Nachmittag  hingehalten  wurden. 

Ich  benutzte  die  Zeit  um  einige  der  dortigen  Einwohner  aufzu- 
suchen, Francisco  Villegas,  Lucio  Restrepo ,  Eniilio  Arango,  von 
denen  sich  P>werbungen  machen  Hessen,  und  wanderte  dann  in  den 
Strassen  umher,  deren  Häuser  weisse  Tüllflaggen  aushängen  hatten, 
zur  Festes-Feier  der  unbefleckten  Empfängniss. 

An  solchem  Tage  findet  sich,  im  Bewusstsein  der  ihr  zugedach- 
ten Hauptrolle,  die  junge  Damenwelt  in  besonderer  Aufgewecktheit 
und  Regsamkeit,  alle  die  Senoritas,  Dofia  Concepcion  und  Dofta  Incarna- 
cion  und  sämmtliche  Maria's  selbstverständlich,  da  es  mit  den  Beicht- 
vätern, den  Padres  oder  Fratres,  Mancherlei  zu  erörtern^)  gibt  und  unter 
ihrer  Hülfe,  wenn  sie  zum  Studiren  überhaupt  Gelegenheit  gehabt 
hätten,  die  ganze  Reihe  der  einsichtigen  Controversen  von  den  Ebio- 
niten^)  bis  aufScotus  und  ferner,  in  den  jungfräulichen  Gehirnen  sich 
durchsiebten  Hessen. 


^)  Holton  fand  in  Bogota  ,,the  perpctual  virginity  of  Mary"  a  delicate  point  to  dis- 
cuss,  und  fügt  hinzu:  ,,Decency  forbids  my  quoting  the  words  in  which  this  doctrinc  is 
taught  in  the  child's  catechism".  Um  indess  solche  Wunden  zu  heilen,  bleibt  leider 
nichts  übrig,  als  sie  in  aller  ihrer  Scheusslichkeit  offen  zu  legen.  Mögen  sie  die  Augen 
Erwachsener,  wenn  es  nicht  anders  geht,  beleidigen,  wenn  dadurch  erreicht  werden  kann, 
dass  wenigstens  nicht  der  reine  Kindessinn  bereits  fürs  ganze  Leben  vergiftet  werde.  Inder 
Absicht  eine  Illustration  zu  liefern  über  die  Wirkung  des  Catholicismus  auf  die  americanische 
Gesellschaft  fand  Hall  diese  Aufgabe  ,,at  once  revolting  and  ungracious",  so  dass  er  davon 
abstand,  um  das  Risico  zu  meiden,  ,,of  shocking  the  feelings  of  many,  who  may 
agree  with  nie  in  thinking,  that  it  is  scarcely  possible  to  treat  such  a  subject  in  detail 
(and  by  delails  alone  can  it  be  done  effectually)  without  a  painful  degree  of  indelicacy." 
Ein  so  tief  sitzender  Krebsschaden  verlangt  indess  starke  Mittei  und  beim  Bedecken  mit 
Schönpflästerchen  schwärt  die  Wunde  um  so  tiefer  nach  Innen  weiter. 

3}  Die  Ebioniten  stellten  die  Unversehrtheit  der  Jungfrauschaft  Mariae  schon  in  der 
Empfängniss  und  Geburt  (ante  partum  et  in  partu)  in  Abrede,  Eudoxius  und  Eunomins 
nur  nach  der  Geburt  (post  partum),  während  sie  die  Antidikomarianiten  nach  der  Geburt 
noch  ehelichen  Umgang  pflegen  Hessen  (postquam  genuit  salvatorem,  copulata  est  viro), 
und  Jovinian  (magister  luxuriae)  bestritt  die  Würde  der  Virginität  überhaupt.  Die  Kirche 
lehrt  dagegen;  virgo  concepit,  virgo  peperit,  virgo  post  partum  illibata  permansit  als 
(iH7i(<Q(^iyog  (seit  553  p.  d.)  und    bei   Ignatius    heisst    diese   Jungfrauschaft    und    Geburt 


AVEJORAL.  263 

Alles  das  hat  dazu  beizutragen,  um  den  reinen  Glauben  zu 
läutern  in  der  Mystik  der  katholischen  Kirche,  bei  welcher  neuer- 
dings besonders  „die  Anbetung  des  heiligen  Herzens  Jesu*)  und  die 

Mariae  ,,eiD  dem  Teufel  verborgenes  Geheimniss"  (und  so  wohl  allen  Anatomen  und 
(iynäkologen).  Cyrill  Alex,  in  seinen  Quaestiones  ix  rrjg  doy^itaat^g  navonhng  hat  aus- 
führlich erörtert:  cur  non  christiparam  sanctam  Virginem  existimare  debemus,  sed  deipa- 
ra^,  und  die  heilige  Anna  ergäbe  sich  dann  als  Grossmutter,  so  dass  wir  auch  hierin  vor 
den  Rothhäuten  des  blinden  lleidenthums  nicht  zurückzustehen  brauchten,  schon  ohne  den 
Teufel  und  seine  CJrossmutter  mitzurechnen.  Bei  den  Huronen  wurde  neben  dem  Schöpfer- 
gotte  Yoscaha  (oder  Ataouacan)  seuie  Grossmutter  Ataensig  verehrt  (s.  Sagard).  Nach- 
dem Scotus  die  Empfängniss  als  unbefleckte  angedeutet,  und  die  Pariser  Universität  sich 
dorthin  geneigt,  wurde  sie  auch  vom  Concil  (1439)  angenommen,  aber  wie  Bandelli  nach 
der  Disputation  (1481)  erklärte,  müsse  nicht  der  8.  Dezember,  der  Tag  der  Samen- 
mischung ,  der  doch  nicht  unbefleckt  sein  könne,  sondern ,  da  die  Seele  erst  80  Tage 
nach  erfolgtem  Beischlaf  m  die  Frucht  gegossen  wird,  der  25.  Februar  gefeiert  werden. 
Der  8.  Dezember  war  durch  neunmonatliches  Zurückrechnen  vom  vermeintlichen  Geburts- 
tag gefunden  (8.  September).  Dennoch  aber  verbot  die  Bulle  des  Papstes  die  Lehre  von 
der  unbefleckten  Empfängniss  Ketzerei  zu  nennen,  und  bald  wurde  dann  vielmehr  jeder  Zweifel 
schon  zur  Ketzerei  (eines  .\ntidicomarianiten).  L'Abbe  l'Avocat  (biblioth^caire  de  la  Sor- 
bonne) convient,  que  les  F^ranciscains  ont  puise  dans  l'Alcoran  le  dogme  de  l'immaculöe 
Conccpcion,  dont  les  anciens  Chretiens  n'ont  en  aucun  soup^on  (,,Mahomet  est  le  plus 
ancien  auteur,  qui  ai  fait  mention  de  l'immaculee  Concepcion  de  laVierge").  Nach  der 
in  der  katholischen  Theologie  herrschenden  Meinung  (des  Creatinismus)  erschaff"!  Gott  zu 
jeder  Erzeugung  (in  dem  Empfängniss  zur  Befruchtung)  eine  Seele,  und  verbindet  sie 
mit  dem  Fötus,  ob  aber  im  ersten  Moment  seines  Daseins  oder  erst  nach  einer  bestimm- 
ten Zeit,  (bei  früher  üblicher  Annahme  von  40  Tagen),  darüber  schwankt  diese  geistliche 
Naturkunde.  Wenn  femer  nun  die  Erbsünde  zunächst  die  Seele  betriff"!,  so  ist  nach  einem 
römischen,  auf  die  Constitution  Alexanders  VIL  (1661)  gestellten  Dafürhalten  mit  der 
Empfängniss  Mariae  der  Moment  gemeint  ,  wo  die  von  Gott  geschaffene  Seele  dem  Körper 
eingegossen  wird  (Perrone :  primo  illo  instanti ,  quo  anima  B.  M.  Virginis  a  deo  crcata 
et  in  corpore  infusa  est),  und  dieses,  wieder  nach  einer  römischen  Bezeichnung  als  con- 
ceptio  passiva  von  der  blos  leiblichen  Empfängniss  als  der  conceptio  activa  (im  neueren 
Sinne)  unterschieden,  gewährt  eine  Handhabe,  um  sich  der  grossen  mittelalterlichen 
Gegcn-Autoritäten  durch  die  Ausrede  zu  entledigen,  sie  hätten  gamicht  gemeint,  was  die 
Kirche  unter  der  conceptio  immaculata  verstehe  (s.  K,  Hase).  Nach  Einigen  wurde  durch 
ein  Wunder  des  heiligen  Geistes  die  Reinigung  am  I^eib  des  Zeugenden  vorgenommen, 
nach  Anderen  lag  sie  darin,  ,,dass  der  heilige  Geist  im  Momente  nach  der  Empfängniss 
das  gelöste  und  befruchtete  Ei,  ein  durchsichtiges  Bläschen,  den  Keim  des  künfiigen 
Menschen  von  der  Erbsünde  reinigte",  und  führt  das  Dogma  zu  Anderem  (was  ,, unter 
roheren  Völkern  zarte  Scheu  ungedacht  lässt").  Mit  der  Reliquie  von  Sacromonte,  11a- 
mado  de  Valparaiso  (bei  Granada)  wurde  das  Manuscript  des  heiligen  Caecilius  gefun- 
den, die  unbefleckte  Empfängniss  bezeugend  (1588),  und  trotz  der  Nachweise  für  Unzu- 
verlässigkeit  wurde  in  Clemens  Bulle  (1708)  das  Fest  der  Empfängniss  zum  unbefleck- 
ten. Im  Jahre  II39  wurde  die  Empfängniss  Mariae  gefeiert,  ut  honoretur  et  conceplus, 
<iui  honorandum  praeivit  partum.  Quoniam  si  ille  non  praecessisset,  nee  Lste  esset  qui 
honoratur  (obgleich  der  heilige  Bernhardt  meint,  wenn  das  so  fortginge:  et  de  avis  et 
pfX>avis  id  ipsum  posset  pro  simili  causa  quilibet  flagitare,  et  sie  tenderetur  in  inflnituni  et 
festomm  non  esset  numerus).     Und  wozu? 

*)  Die  Verehrung  des  heiligen  Herzens  Jesu  (seit  Margaret  Alaquoque   vom   heiligen 
Stuhl  approbirt)  liegt  in  folgendem  Satz  des  Concil  von  Vienne  ausgesprochen :  Dei  Ver- 


264  COLUMBIEN. 

innige  Verehrung^)  der  unbefleckten  Jungfrau  Maria"  in  Betracht  kom- 
men. Vielleicht  findet  mancher  in  den  Ausdrücken,  wie  Dideron 
in  einigen  Bildern,  „un  mani^re  hardie  d'exprimer  la  divine  con- 
cepcion'*,  besonders,  wenn  es  sich  um  einen  Drauf-  und  Drein- 
schlägcr^)  gleich  dem  alten  Damianus')  handelt,  vielleicht  stösst 
auch  der  Jurist  auf  Widersprüche,  in  Betreff*  der  ehelichen  An- 
sprüche Robertos  von  Citeaux  (IQ89),  von  Tanchelin  (f  1124)  nicht  zu 
reden,  oder  was  bedenklicher  scheinen  dürfte,  Arzt  und  Anatom  auf 
unmassgebliche  Zweifel,  aber  „die  wissenschaftliche  Forschung  hat 
sich  fortwährend  an  der  Kirche  zu  orientiren,  denn  die  Vernunft 
kann  in  ihren  Forschungen  irren,  die  Offenbarung  aber  wird  durch 
das  infallible  Lehramt  der  Kirche  stets  von  jedem  Irrthum  rein  be- 
wahrt und  unfehlbar  richtig  verkündet"  (Zobl.)  Die  himmlischen  In- 
spirationen filtrirten  ohne  Verunreinigung  durch  ein  irdisches  Gefäss, 
so  unsauber  dasselbe  auch  sein  mochte,  wie  ebenfalls  ein  Johann  von 
Salisbury,  als  gehorsamer  Sohn  der  Kirche,  mit  solch'  physikalisch- 
biologischem Wunder  seine  Gewissensscrupel  beschwichtigen  mochte, 
wenn  er  nach  freimüthiger  Aufzählung  all'  der  Unsittlichkeiten  im 
Leben  der  Päpste  mit  dem  Ausrufe  abschloss:  „Deinen  Lehren  will 
ich  folgen,  o  heiliger  Vater,  nicht  jedoch  deinen  Thaten!" 


bum  pro  omnium  operanda  salute  non  solum  affigi  criici  et  in  ea  mori  voluit ,  sed  etiam 
emisso  jam  spiritu  perforari  lancca  sustinuit  latus  suum,  ut  exinde  profluentibus  undis 
aquae  et  sanguinis  formarclur  unica  et  imraaculata  ac  sancta  virgo  matcr  ecclesia,  conjiix 
Christi,  sicut  de  latere  primi  hominis  soporati  Eva  sibi  in  conjugem  est  formata.  Es  er- 
innert das  einigermassen  an  die  antillische  Genesis,  nach  deren  Lehren  die  erste  Frau  aus 
dem  Eitervva^ser  einer  Beingeschwulst  am  Ersten  Mann  geschaffen  wurde. 

*)  Als  die  Synode  von  Pisloja  ,,die  Verehrung  des  heiligen  Herzens  Jesu  als  eine 
neue,  irrthümliche  oder  wenigstens  gefährliche  Andacht"  tadelte,  weil  durch  dieselbe  die 
Menschheit  Jesu  getrennt  von  seiner  Gottheit  angebetet  werde,  wies  Papst  Pius  VI.  (in 
seiner  Bulle)  diese  Vorwürfe  gegen  den  vom  apostolischen  Stuhl  approbirten  Cultus  zu- 
rück, und  erklärte,  ,,dass  der  Menschheit  Jesu  zwar  nicht  ihrer  selbst  wegen,  wohl  aber 
wegen  ihrer  hypostatischen  Vereinigung  mit  der  göttlichen  Natur  des  Logos  eine  und  die- 
selbe Anbetung,  wie  dem  menschgewordenen  Sohne  Gottes  zu  erweisen  sei".  Solche 
Hypostasien  haben  wohl  bereits  Manchen  zur  Apostasie  getrieben. 

*j  Dieser  seinen  Beichttöchlern  die  Kuihenhiebe  nicht  bei  Dutzenden  sondern  zu 
Hunderten  applicirende  Schuldespot,  dereine  dieser  Schülerinnen  die  Apostolicorum  verbc- 
rum  disciplinam  bis  zu  einer  Busse  von  lOO  Jahren  steigern  liess,  hielt  sich  doch  für  den 
auserwählien  Liebling  der  Himmelskönigin,  obwohl  sie,  wie  er  meinte,  mit  Gott  Vater 
weit  weniger  Umstände  mache,  denn  sie  tritt  vor  ihn  ,,non  soUmi  rogans  sed  impcrans, 
domina,  non  ancilla." 

*)  Missus  est  ergo  angclus  Gabriel  a  deo  ad  virginem,  tjuae  jMjstquam  ei  locutub  est, 
sensit  deum  suis  illapsum  visceribus .  (erzählt  der  heilige  Damian),  nachdem  Gott,  durch  die 
Schönheit  der  Jungfrau  in  Liebe  zu  ihr  entbrannt ,  in  einem  himmlischen  Convent  den 
Engeln  die  bevorstehende  Fleischwerdung  verkündet ,  und  an  den  Engel  Gabriel  einen 
Brief  geschickt. 


CONXEPCIOX.  265 

Die  infallibeln  Aussprüche  werden  hier  ohnedem  noch  durch 
die  Offenbarungen  der  heiligen  Brigitta*)  gestützt,  die  von  den  Con- 
cilien  zu  Constanz  und  Basel  anerkannt  sind,  und  dies  genüge  dem- 
jenigen, welchem  dasDecret  von  1854  anachronistisch  erscheinen  sollte. 

Bei  den  heissblütigen  Südländerinnen  hat  diese  Lehre  immer  in 
besonderer  Gunst  gestanden,  und  aus  Galanterie  für  sie  dann  wieder 
mancher  Spanier  den  Degen  zu  Ehren  der  Unbefleckten  gezückt. 
In  Lima  galt  schon  im  vorigen  Jahrhundert  Maria  als  solche,  „desde 
el  primero  instante  de  su  ser  natural"  (absque  labe  concepta),  und 
in  Folge  der  Bemühungen  von  Kapuzinern  und  Jesuiten  um  „Vimma- 
culee  conception",  bemerkt  damals  Frezier:  „on  en  fait  mention  au 
commencement  de  toutes  les  actions,  meme  lesplus  indifferents",  wie 
auch  anderswo,  bereits  beim  gleichgültigsten  Gruss. 

Man  setzte  Alles  daran,  diese  wunderbare  Lehre  möglichst  tief 
dem  Gemüthe  einzuprägen,  und  wunderbar  in  der  That  muss  sie 
sein,  wenn  sie  der  Moral  zu  Gute  kommen  sollte,    da   sonst  ein  Cui 


*)  Die  heilige  Brigitta  erhielt  bei  der  Erscheinung  der  Gottesmutter  die  Offenbarung: 
,,Es  ist  Wahrheit,  dass  ich  empfangen  bin  ohne  Erbsünde",  wogegen  der  heiligen  Ca- 
tharina  von  Siena  offenbart  wurde,  dass  erst  nach  der  Empföngniss  der  heilige  Geist  die 
Jungfrau  vom  Makel  der  Erbsünde  gereinigt  habe.  Pius  IX.  declarirte:  Doctrinam,  quae 
tenet,  beatissiraam  Virginem  Mariam  in  primo  instanti  suae  conceptionis  fuisse  singulari 
omnipotent  is  dei  graiia  et  privilegio,  intuitu  meritorum  Christi  Jesu  salvatoris  humani 
generis  ab  omni  originalii  culpae  labe  praeservatam  immunem,  esse  a  deo  revelatam  atque 
idcirco  *ab  omnibus  fidelibus  firmiter  cunstanterque  credendam  (1854)  am  Fest  der  unbe- 
fleckten Emi)fängniss  Mariae.  Bei  den  unberechenbaren  Vortheilen  eines  Glaubens 
daran,  mochte  auch  das  Unglaubliche  geglaubt  werden.  In  der  gewöhnlichen  Schablone 
der  Marienlegenden  kommen  eine  Menge  Geschichten  vor,  wie  Roskoff  bemerkt,  ,,in 
welchen  Maria  Diebe  und  andere  Taugenichtse  begünstigt  und  Mirakel  wirkt,  nur  weil 
jene  ihrer  eingedenk  waren",  und  aus  solchen  Legenden,  die  durch  die  Dogmen  des 
Cultus  gestützt  werden ,  gestaltet  sich  der  Gottesdienst  des  Volkes  mit  dem  Massstabe 
für  seine  Moral. 

£1  demonico  esta  muy  mal 

Y  no  tiene  mejoria, 

Porque  no  puede  disturbar 

La  devocion  de  Maria 
so  sang  man  in  Lima,  aber  diese  Frömmigkeit  erscheint  (meint  Frezier)  Irop  melde  de  vices 
et  de  sensnalitd;  ,,d'ailleurs  ils  vivent  tous  dans  une  forte  presomption  de  leur  salut,  fonde/ 
sur  la  protection  de  la  Vierge  et  des  Sainls,  qu'ils  croyent  meriter  par  quel<iues  exercices 
de  Confrairie,  dans  lesquelles  les  Meines  les  ont  associez."  Indess  trotz  dieser  Auswahl 
himmlischer  Protection  wurde  auch  zugleich  die  schwarze  Kunst  requirirt  und  die  Frauen 
Lima's  trugen  die  Higa  (Hand  mit  ausgestrecktem  Daumen),  damit  das  böse  Auge  ihrer 
Schönheit  nicht  schade  (s.  Frezier).  Dieselbe  Beobachtung  findet  sich  bei  Coreal.  Nelle 
strade  vedi  vagare ,  passeggiare ,  affaccendarsi  preti ,  frati  d'ogni  ordine,  d'ogni  colorc 
c  foggia  di  vcstiario,  a  cappe  nere,  bianche,  beati,  beato  di  N.  S.  del  Cannine,  monachc, 
cappuccine  ed  un  sine  fine  di  Ürdini  (Osculati)  in  Quito  (1854).  Das  diebische  und  mörde- 
rische Gesindel  in  Rom  ist  am  meisten  fromm  und  kirchlich  (heisst  es  bei  Mundt.) 


266  COLUMBIEN. 

bono?  sehr  nahe  läge  und  der  beschränkte  Laienverstand  nicht  nur 
keinen  Nutzen,  sondern  eitel  Corruption  darin  sehen  möchte.  Bereits 
bei  der  ersten  Einführung  des  Festes  warnte  Bernhard  von  Clair- 
veaux  vor  den  vielfachen  Verwicklungen,  die,  wenn  man  auf  die 
Ascendenten  zurückzugehen  hätte,  bei  dieser  Lehre  drohen  würden, 
und  sie  haben  sich  auch  bei  der  heiligen  Anna^)  bereits  so  gehäuft, 
dass  man  sich  bis  jetzt  nicht  weiter  gewagt  hat.  In  America  be- 
sonders scheint  man  die  Subtilitäten  dieses  Dogmas  zur  Schärfung 
des  Verstandes,  für  den  es  sonst  weiter  Nichts  zu  thun  gab,  ge- 
eignet gehalten  zu  haben,  und  als  Thomas  Gage  im  XVII.  Jahr- 
hundert in  den  theologischen  Lehrstuhl  der  Universität  Guatemala's 
eingeführt  wurde,  um  in  Betreff  der  Geburt  der  heiligen  Jungfrau 
die  Ansicht  Thomas  von  Aquino  gegen  Juarez  und  seine  Anhänger 
zu  vertheidigen,  nahm  diese  These,  wie  er  bemerkt,  für  mehrere 
Jahre  hindurch  die  volle  Aufmerksamkeit  des  Publicum's  in  An 
Spruch.  Besonders  picant  müssen  diese  Erörterungen  über  die 
jTQoyoytxij  dficcQua  oder  urviÄerliche^)  Sünde  (s.  N.  Cabasilas)  und 
was  dazu  gehört,  in  Peru  gewesen  sein,  wo  sich  die  Lebensweise 
der  Geistlichen,  wie  Ulloa  auseinandersetzt,  nur  insofern  von  der  der 
verheiratheten')  Laien  unterschied,  dass  sie  nicht  an  eine  Frau  ge- 
bunden waren,  sondern  die  Concubinen  beliebig  wechseln  konnten,  und 


*)  Gerson  besingt  ,,la  genealogie  compliquee  des  trois  mariages  de  Sainfre  Anne 
avec  Joachim,  Cleophas  et  Salomas,  eile  eut  de  ces  trois  ^poux  les  trois  Maries  qui  €pou- 
serent  Joseph,  Alph^e  et  Zdbedee."  Auf  Le  F^vre's  Abhandlung  de  Una  ex  tribus  Maria 
und  Agrippa's  Annae  Monogamia  etc.  ,,les  sorbonistes  prirent  feu  pour  la  defense  de  la 
Trinuba  et  Tiipara"  (und  Beda  de  nepotibus  B.  Annae).  Le  culte  de  Sainte  Anne  a  ete 
regle  en  1584  par  une  bulle  de  Gregoire  XIII.  (s.  Lichtenberger).  Welcher  Muth  der 
Kirche  all'  diesen  Complicationen,  und  den  aus  den  apocryphischen  Nebenkindem  Maria's 
drohenden,  in  das  Gesicht  zu  sehen!  und  wohl  lässt  sich  die  Frage  wiederholen:  Cui  bono? 
Leo  X.  soll  allerdings  aufrichtig  eingestanden  haben ,  wozu  die  Fabeleien ,  wie  er  sie 
nannte,  gut  seien.  Auch  liess  sich  so  der  Grossmutler  Lillis  (bei  Schemberk)  eine  gleich- 
werthige  entgegenstellen. 

3)  Ohne  Schaam  (perdida  enteramente  la  verguenza  y  el  rubor)  nahmen  die  Geist- 
lichen Peru's  irgend  welche  Frauen  zu  sich,  die  ihnen  beliebten,  ,,y  aun  parece  que  esta 
causa  en  ellos  efectos  mas  considerables ,  no  conteniendose  su  viciosa  inclinacion  dentro 
de  los  limites  de  una  mediana  relaxacion,  sino  pasando  al  extremo  de  la  disolucion  y  del 
escändalo,  y  excediendo  en  todo  a  los  seglares  mas  desarreglados  y  menos  contenidos", 
so  spricht  nicht  etwa  ein  Protestant  oder  ein  Pamphletenschreiber,  sondern  ein  spanischer 
Suatsbeamter,  an  die  Regierung  seines  Landes  einen  Bericht  übersendend,  um  durch  den 
StaatssecreUir  vorgelegt  zu  werden  ,,a  S.  M.  C.  El  Seüor  Don  Fernando  VI." 

2)  In  dem  scandalösen  Treiben  der  peruanischen  Geistlichen  war  am  Schlimmsten 
das  der  Mönche,  indem  ,,sus  ideas  de  honor  y  decencia  estdn  reducidas  h  limites  muy 
estrecha^"  (s.  Barry).  Die  Klöster  ,,son  en  Mejico  un  pantano  de  comipcion"  (Manuel 
del  Rivero). 


LAS  CEJAS.  267 

dass  ihre  Kinder  keinen  Taufschein  vorzeigen  konnten  (XVIII.  Jahr- 
hundert). 


Kurz  vor  Sonnenuntergang  brachen  wir  auf,  einen  Pferdejungen 
als  Peon  mit  uns  führend,  trotz  welches  Anwesenheit  aber  schon 
gleich  ausserhalb  des  Flecken's  Aufenthalt  entstand,  da  das  Pferd 
eine  Gelegenheit  am  Wege  benutzte,  umzukehren  und  im  Carriere 
die  Richtung  nach  seinem  alten  Futterplatz  einschlug.  Mit  ein- 
brechender Dunkelheit  passirten  wir  die  Quebrada  de  las  Yeguas 
und  geriethen  auf  einen  zerklüfteten  Weg,  wo  die  Unsicherheit  des 
Mondlichtes  den  Fortgang  nicht  rathsam  machte.  Wir  klopften  des- 
halb die  Bewohner  eines  an  der  Strasse  gelegenen  Hauses  heraus 
(bei  las  Toldas),  und  richteten  uns  dort,  wie  es  eben  ging,  für  die 
Nacht  ein,  die  Thiere  im  Hofe  zusammengekoppelt  haltend. 

Bei  Kerzenlicht  wurde  gesattelt,  so  gut  und  so  rasch  es  im 
fallenden  Regen  sich  machen  Hess,  und  der  erste  Dämmerungsschein 
erwartet,  um  unsern  Marsch  fortzusetzen  (Decbr.  9.).  Ueber  Hügel, 
unter  mehrfachem  Aufenthalt  durch  Reparaturen  des  zerreissenden 
Sattelzeugs,  kamen  wir  an  eine  enge  Schlucht  am  Fluss  Las  Dantas 
und  dann  an  den  mit  diesem  vor  seiner  Mündung  in  den  Cauca  ver- 
bundenen Fluss  St.  Catalina.  Die  Vegetation  zeigte  eine  besondere 
Physiognomie  in  den  starr  aufstehenden  und  gerade  niederfallenden 
Blättern  der. Pflanzen. 

Ueber  Hügelreihen  und  wellige  Flächen  mit  den  Flüssen  Vuelle, 
dem  steinigen  Bett  des  Las  Piedras  und  dem  Pantanillo  gelangten 
wir  durch  ein  Felsenthor  an  der  Wasserscheide,  in  das  Flussgebiet 
des  Rio  Negro,  der  sich  als  Nare  mit  dem  Magdalena  vereinigt. 
Getrennte  Hügelketten  durchschnitten  den  Horizont  und  dann  blick- 
ten wir  auf  eine  im  hellen  Grün  der  Wiesen  und  dem  Dunkel  der 
Wälder  schattirte  Ebene,  von  niedrig  streifenden  Bergketten  umzogen. 
Nach  fernerem  Aufsteig  zur  Anhöhe,  ritten  wir  in  die  Ebene 
hinab,  und  den  Fluss  Hondita  passirend,  nach  Las  Cejas  am  Fusse 
einer  Hügelkette,  vor  dem  abgelös'ten  Ausläufer  derselben. 

Nachdem  die  Thiere  dort  in  der  Casa  posada  eingestellt  waren,  galt 
es  für  uns,  lange  Wege  zu  machen  nach  den  Potreros  der  ausser- 
halb des  Fleckens  wohnenden  Arriero's,  und  mit  diesen  ebenso  lange 
Unterhandlungen,  um  noch  vor  Ablauf  des  Tages  zum  Abschluss 
zu  kommen.  Bei  der  Rückkehr  nach  dem  Gasthaus,  fand  ich  das- 
selbe mit  einer  lärmenden  Gesellschaft  junger  Brauseköpfe  gefüllt, 
die  ihr  Gelage,  wie  ich  hörte,  bereits  seit  mehreren  Tagen  und 
Nächten    fortsetzten,    und  in    unbedachtester  Weise    durch  Hof  und 


268  CO  LUMBIEN. 

Vorzimmer  auf  ihren  Pferden  umhersprengten,  wobei  ihnen  die  durch 
mein  Gepäck  neu  hinzugekommenen  Hindernisse  eine  besonders  be 
liebte  Zielscheibe  zu  bilden  schienen.  Da  es  sich  um  eine  halbsinn- 
lose Trunkenheit  handelte,  schien  mir  ein  völliges  Ignoriren  der 
bessere  Plan,  und  machte  ich  nur  die  Wirthin  darauf  aufmerksam, 
dass  ich  bei  etwaigen  Beschädigungen  Ersatz  verlangen  würde.  Die- 
selbe besass  auch  noch  genügenden  Einfluss,  ein  ernstliches  Zu- 
sammentreffen  zu  verhindern. 

Erst  spät  am  Nachmittag  konnten  wir  die  Reise  fortsetzen,  durch 
eine  angebaute  Ebene  und  dann  durch  Buschwald.  Unter  den  gra- 
senden Heerden  bemerkte  ich  Kälber  mit  einem  Ring  in  der  Nase, 
um  sie  am  Saugen  zu  hindern-  Mit  Mondschein  ging  es  weiter 
durch  das  Pueblo  San  Antonio  hindurch,  und  dann  abwärts  zum  Fluss 
Vuelle,  bis  wir  nach  Passiren  der  Brücke  desselben  die  Stadt  Rio 
Negro  betraten,  wo  einige  Nachtschwärmer  auf  der  Strasse  uns  noch 
den  Weg  nach  der  Casa  posada  angeben  konnten.  Auf  dem  Hofe 
derselben,  um  welchen  die  Logirzimmer  herumliefen,  fand  sich  der 
für  Hahnenkämpfe  benutzte  Circus  (Gallchisco), 

Rio -Negro  (Rionegro  y  Nare)  wurde  im  Jahre  1545  gegründet 
und  gewann  besonders  bei  der  Verlegung  von  Santiago  de  Arma 
Zuwachs  seiner  Bevölkerung,  unter  Entwickelung  des  Handels  auf  der 
Wasserstrasse  des  Magdalena  über  Nare. 

Geldangelegenheiten  zu  ordnen,  hatte  ich  dort  am  nächsten 
Morgen  einen  Kaufmann  aufzusuchen,  so  dass  sich  die  Abreise  etwas 
verzögerte.  Dann  zogen  wir  über  die  Wellenausbreitung  der  mit 
Flüssen  durchschnittenen  Ebene,  oft  durch  Stellen  schwarzen  Moor- 
grundes unterbrochen.  Jenseits  derselben  blieb  die  dreifache  Hügel- 
kette de  los  Tambores  (primera,  segunda,  tercera),  die  über  die 
Wasserscheide  in  das  Flussgebiet  des  Cauca  zurückführt,  zu  über- 
schreiten, mit  Depressionen  dazwischen,  wo  am  Wege  die  violette 
Mirabeüa  ihre  Blumen  entfaltete.  Von  der  Höhe  San  Ignazio  (bei 
Santa  Elena)  blickten  wir  auf  die  Breite  des  von  der  hohen  Berg- 
kette (die  den  Cauca  abschneidet)  eingefassten  Längsthals,  das  in  grüne 
Beete  getheilt,  von  dem  blinkenden  Wasserstreifen  des  Rio  Medellin 
durchwunden  wird,  und  in  der  Mitte  der  Fläche  auf  die  mit  ihren 
Strassen  und  Plätzen  sichtbare  Stadt  Medellin,  in  blühende  Gärten 
eingebettet,  gleich  einem  Juwel  im  strahlenden  Smaragdenglanz  und 
majestätischer  Umfassung. 

Wir  betraten  einen  gewundenen  Absteig,  oft  mit  tiefem  Nicder- 
fall,    wo    die   Strassenbauten    Felsblöcke    umhergeschleudert   hatten, 


MEDELLlX.  269 

aber  dennoch  tiefe  Schlammstellen  zurückgelassen,  von  denen  die  uns 
entgegenkommenden  oder  an  den  seitlich  hervorbrechenden  Quellen 
sich  reinigenden  Männer  und  Frauen  die  Spuren  an  ihren  Beinen  bis 
über  das  Knie  trugen,  und  durch  die  auch  unsere  Maulthiere  keine  ge- 
ringe Mühe  hatten  hindurchzukommen.  Am  Wege  trafen  wir  die  Trans- 
porte einiger  Maschinenstücke,  die  für  den  in  Medellin  beabsichtigten 
Bau  einer  Münze  bestimmt  waren.  Mehr  als  dreissig  Träger  waren 
mit  langen  Bambussltöcken  dabei  beschäftigt,  und  der  Transport  von 
Nare  sollte  bereits  mehrere  Monate  gedauert  haben. 

Ein  gerader  Weg  leitete  dann  hinab  in  die  Ebene,  wo  wir  die 
Strasse  mehrfach  durch  die  zwischen  den  Umzäunungen  der  seitlichen 
Potrero's  eingefügten  Thore  gehemmt  fanden,  die  es  von  dem 
Reisenden  erwartet  wird,  nach  dem  Oeffnen  sorgfältig  wieder  zu- 
schliessen.  In  Medellin  nahm  ich  im  Hotel  Medellin  Logis  und  ver- 
abschiedete das  Miethspferd,  um  dann  über  die  Thierfrage  in  Betreff 
der  Rückreise  Entscheidung  zu  treffen. 

Unter  den  verschiedenen  Bekanntschaften,  die  ich  dort  zu  machen 
Gelegenheit  hatte,  ist  zunächst  die  des  Herrn  Robert  White  zu  nennen, 
eines  englischen  Ingenieurs,  der  damals  in  der  Verwaltung  verschiedener 
Minen  beschäftigt  war  und  meinen  Zwecken  vielfach  förderlich  ent- 
gegengekommen ist.  Dann  besichtigte  ich  die  Privatsammlung  des 
Herrn  Leocardio  Arango,  von  dem  ich  einige  interessante  Erwerbungen 
machen  konnte,  ebenso  geschenksweise  von  Herrn  Manuel  Uribe  Angel, 
und  bei  sonst  gebotener  Gelegenheit.  Einige  Objecte  aus  den  Hua- 
cas  finden  sich  in  dem  Museum*)  des  Zeughauses,  wohin  ich  von 
dem  deutschen  Consul  begleitet  wurde,  der  mich  auch  bei  dem  Prä- 
sidenten des  Staates,  Herrn  Ricaredo  de  Villa  einführte.  Aus  einem 
Privatbesitz  wurde  mir  eine  eigenthümliche  Goldfigur  mit  Visir^) 
gezeigt,  die  damals  nicht  käuflich  war,  und  in  der  kleinen  Sammlung 
des  Herrn  Daniel  Botero  sah  ich  ein  interessantes  Stück  in  einer 
kleinen  Goldfigur  menschlicher  Gestalt  mit  rüsselartiger  Nasenver- 
längerung, die  bei  Amalfi  gefunden  war.  Leider  schien  der  Besitzer 
eher  geneigt,  dieses  in  seinen  Augen  mehr  niedliche,  als  wichtige 
Stücklein  seinem  Schwesterchen  als  Spielzeug  zu  überlassen,  statt  es 

*)  In  Betulia  (nördlich  von  Carolina)  wurde  ein  (im  Museum  Medellin's  aufbewahrter) 
Mammuth-Zahu  auf  unterirdischem  Steinpflaster,  neben  einer  Wasserleitung  zur  Salzberei- 
tung, gefunden  (wie  Robert  White  gehört  hatte). 

')  Visire  werden  mehrfach  erwähnt,  besonders  bei  Grijalva's  Zuge,  der  ein  solches 
(aus  Holz  mit  Goldplatten)  auf  der  Insel  St.  Lazarus  erhielt,  ein  anderes  (mit  Edel- 
steinen auf  dem  Nasenschutz)  in  Mexico  und  bei  San  Juan ,  ebenso  derartiges  Colon 
(nach  Alfons  de  UUoa)  vom  Caziken  Evacanayavi. 


270  COLUMBIKN. 

in  einem  Museum  zu  deponiren.  Da  ich  ihn  indcss  vor  meiner  Ab- 
reise wenigstens  so  weit  bringen  konnte,  eine  sorgfaltige  Aufbewah- 
rung zu  versprechen,  besinnt  er  sich  vielleicht  noch  eines  Besseren 
und  hat  mir  der  Consul  versprochen,  die  Sache  im  Auge  zu  behalten, 
oder  jedenfalls  eine  Abzeichnung  zu  besorgen,  da  die  für  den  Ab- 
schiedsbesuch am  letzten  Tage  bestimmte  Schlussbesprechung  mit 
dem  Eigenthümer  durch  dessen  Abwesenheit  unmöglich  geworden  war. 

Da  es  mir  wünschenswerth  schien,  von  den  vielfachen  Resten 
eingeborener  Stämme  in  den  verschiedenen  Provinzen  sprachliche 
Notizen,  ehe  die  Möglichkeit  dafür  verloren  gegangen,  zu  erhalten,  liess 
ich  in  Zusammenstellung  der  hauptsächlichsten  Worte  ein  Vocabu- 
larium  im  Spanischen,  mit  offenem  Raum  für  Hinzufügung,  drucken, 
um  es  besonders  unter  die  Cura  des  Landes  zu  vertheilen.  Dr.  Andres 
Posada  Arango  sagte  mir  seine  Hülfe  dafür  zu,  und  auch  mit  Dr.  Vin- 
cente Laroche  konnte  ich  darüber  reden.  Einige  wurden  bereits  bei 
meiner  Anwesenheit  verschickt,  und  die  Sammlungsobjecte  für  das 
Museum  verpackte  ich  in  Kisten,  die  es  der  Consul  übernahm,  nach 
Baranquilla  zu  senden,  um  dann  nach  Europa  verschifft  zu  werden. 
Mit  einem  Sohn  des  verstorbenen  Ingenieur  Greiff,  der  mehrfach  im 
Atrato-Gebiet,  in  den  seit  der  Conquista  wenig  mehr  genannten  Berg- 
zügen von  Abibe  gereis't  hatte,  suchte  ich  Einleitungen  zu  treffen, 
wenn  ausser  den  veröffentlichten  Karten  etwa  noch  Manuscripte  vor- 
handen seien,  diese  zur  Benutzung  zu  erhalten. 

Die  Abura  (Aburra),  von  denen  das  Thal  Medellin's  bewohnt 
war,  verschwanden  in  der  ersten  Zeit  der  Conquista,  zum  Theil,  wie 
es  heisst,  im  Selbstmord^)  durch  Erhängen,  während  ihr  auf  Ameisen 
(Habura)  bezüglicher  Name  (als  Myrmidonen)  grosse  Mengen  (oder 
Erdabkunft)  anzuzeigen  scheint. 

Im  Valle  de  San  Bartolome  (oder  Aburra)  „ahorcaronse  algunos 
de  los  naturales"  (aus  Furcht  vor  den  Spaniern)  en  la  entrada  de 
Texelo  y  en  los  alojamientos  de  Robledo  (s.  Piedrahita). 

Benzoni    erwähnt    das    Selbsterhängen    der   Indianer   (mit   ihren 


*)  Quando  entramos  cn  este  valle  de  Aburra  fue  tanto  cl  aborresciiniento  que  nos 
tomaron  los  naturales  dcl,  que  ellos  y  sus  mugeres  se  ahorcavan  de  sus  cabellos  6  de 
los  maures  de  los  arboles  y  aullando  con  gemidos  lastismeros  dexaban  alH  los  cuerpos  y 
abaxaban  las  animas  ä  los  infiemos.  Daraus  macht  die  Uebersetzung  (der  für  America  in 
dankenswerther  Weise  thätigen  Hackluyt  Society):  When  we  entered  thisvalley  of  Aburra, 
the  detestation  we  conceived  for  the  natives  was  such,  that  we  hung  them  and  their 
women'to  the  boughs  of  trees  with  their  hair,  and  amidst  grievous  moans  we  left  their 
bodies  there,  while  their  souls  went  down  to  hell.  Das  wäre  doch  etwas  zu  arg  filr  den 
guten  Cieza  de  Leon,  der,  wenn  auch  von  den  Fehlem  seiner  Zeit  nicht  frei,  lange 
nicht  zu  den  Schlimmsten  gehörte. 


ABITRRA.  271 

Haaren  an  Bäume)  aus  Santa  Martha  (um  den  Bedrückungen  der 
Spanier  zu  entgehen).  In  einigen  Theilen  Mexico's  flohen  bei  An- 
kunft der  Spanier  die  Indianer  in  die  Berge  (porque  entendian,  que 
era  acabado  el  Mundo  y  que  todas  las  Generaciones  avian  de  perecer), 
weil  sie  meinten,  dass  es  mit  der  Welt  zu  Ende  sei,  und  dass  das 
Menschengeschlecht  zu  Grunde  zu  gehen  hätte  (wie  es  sich  für  ihre 
Geschichtsperiode  auch  erfüllte). 

In  der  Umgegend  sind  mancherlei  Altcrthümer  bekannt  gewor- 
den: In  Fronteiro  finden  sich  Erdhaufen  über  den  Gräbern  und  in  Murri 
sind  diese  mit  einem  Kranze  Palmen  umpflanzt.  Ebenso  erhob  man 
am  Fluss  Sinu  Erdhaufen  über  die  Gräber,  wie  in  der  Cordillere  del 
Choco.  In  Savanaleta  brava  (bei  Fredonia)  wurde  eine  Romana  aus 
Gold  (neben  Steinchen)  zum  Goldwägen  in  den  Huacas  gefunden,  und 
eine  Vase  in  Menschenfigur,  die  Arme  in  Froschbeine  auslaufend. 
Dort  suchte  man  den  Tititiribi  (Schatz)  der  Indianer.  In  den 
Huacas  von  Porto  Rico  führen  zu  den  goldreichen  Niederlagen 
Stufen  hinüber  und  Goldhütchen  wurden  in  den  Huacas  von  Enfeme- 
nina  (beim  Alto  de  Morron)  gefunden.  Andere  Huaca  wurden  im 
Cerro  St.  Rita  bei  St.  Domingo  ausgegraben.  In  St.  Barbara  fanden 
sich  Huacas  mit  einem  Kasteii  aus  glattem  Stein  seitlich  und  oben, 
wie  auch  die  Thür  von  einem  solchen  geschlossen.  Die  Beisetzung 
wird  verschieden  beschrieben.  Bei  Malfi  (am  Force)  finden  sich  Reste 
der  von  den  Indianern  bearbeiteten  Goldminen;  als  Patia  (mit  For- 
men) bei  Medellin.  In  Savaleta  brava  (bei  Fredonia)  soll  der  für 
eine  kleine  Hand  berechnete  Bronzegriff"  eines  (stählernen)  Dolch- 
schwertes gefunden  sein.  Manches  trägt  schon  spanischen  Einfluss. 
In  Caxamarca  an  dem  in  den  Rio  Rupa  (Nebenfluss  des  Cauca)  mün- 
denden Agua  de  Rey,  wegen  der  Güte  seines  Wassers  so  benannt, 
sind  die  Indianer  erst  vor  Kurzem,  bis  auf  wenige  Nachkommen, 
verschwunden  (auf  dem  Wege  von  Roldanilla  nach  dem  Choco). 

Die  Gründung  der  Stadt  Medellin  (1674)  knüpfte  sich  an  das 
Dorf  Ana,  welches  bereits  in  dem  von  Luis  Tejedo  entdeckten  Thal 

* 

von  Aburra  bestand,  wo  1541  San  Bartolome  erbaut  war.  Bei  der 
republicanischen  Umgestaltung  Columbien's  wurde  der  Regierungssitz 
der  Provinz  Antioquia  von  Santa  F^  de  Antioquia,  wo  der  Bischofs- 
sitz verblieb,  nach  Medellin  verlegt. 

Unter  der  ungestört  gleichartigen,  des  klimatischen  Wechsel  ent- 
behrenden Natur  jener  von  der  übrigen  Welt  isolirten  Hochebenen 
Südamerica's  gleiten  die  Tage  in  ebenmässigem  Flusse  dahin.  Man 
erhebt  sich  mit  der  Sonne,  man  fühlt  die  Stunden  in  der  zunehmenden 


212  COLUMßlEX. 

Hitze,  dann  in  der  Abnahme  derselben,  und  man  wünscht  sich  wieder 
die  Buenas  noches,  wenn  die  Abendglocke  den  Tagesschluss  verkündet. 
Zweimal  am  Tage  erschallt  dieser  zur  Andacht  rufende  Ton.  Be- 
sonders frappirend  ist  der  Eindruck  auf  dem  rührigen  Markt  einer 
grossen  Stadt  am  Morgen,  wo,  während  die  Monstranz  bei  der  Messe 
erhoben  wird,  mit  dem  ersten  Glockenanschlag  alles  irdische  Treiben 
unterbrochen  ist,  die  Rede  im  Munde  stockt,  der  Wandrer  still  steht, 
der  Arbeiter  anhält,  das  ganze  Land  gleichsam  von  einem  Zauber- 
schlage getroffen  scheint,  ohne  Laut,  ohne  Bewegung,  mit  entblösstem 
Haupt  oder  auf  den  Knieen  die  Lösung  des  Bannes  durch  das  dritte 
Geläut  erwartend.  Es  lägen  hierin  die  Keime  zu  einem  feierlich 
erhabenen  Cultus,  der  aber  durch  die  Alltagsroutine  in  frivoler  Gleich- 
gültigkeit, unter  den  zur  Gewohnheit  gewordenen  Formen,  abgeleiert 
wird  und  bei  der  Verworrenheit  naturwidrig  verquickter  Vorstellun- 
gen, wenn  man  dem  Gedankengang  auf  den  Grund  geht,  auch  nie 
darauf  hoffen  kann,  sich  in  einem  Selbstheilungsprocess  zu  verjüngen. 
Die  in  America  strengere  Beobachtung  dieser  Abendmessen  mag 
durch  Anschluss  an  frühere  Gebräuche  unterstützt  sein,  wie  sie  z.  B. 
in  Mexico  bestanden  zu  haben  scheinen.  „In  dem  Götzenhause  des 
Abgottes  Quetzalcoatlh's  verrichteten  die  Woche  hindurch  vier 
Priester  den  Götzendienst.  Diese  schlugen,  wenn  die  Sonne  unter- 
ging, eine  grosse  Trummel,  welche  weit  über  die  Stadt  klung.  Hier- 
auf packte  sich  ein  Jeder  geschwinde  nach  Hause,  Thüren  und 
Fenster  wurden  zugeschlossen.  Alles  ward  plötzlich  so  stille,  als 
wenn  nirgend  Menschen  wohnten.  „In  der  Frühstunde  rührte  man 
eben  dieselbe  Trummel,  und  alsdann  mochten  die  Reisenden  erst 
wegziehen.  Auf  dem  inwendigen  Platze  des  Götzenhauses  stund  ein 
erhobenes  Schaugerüste,  da  zur  bestimmten  Festzeit  die  Schauspieler 
sich  sehen  Hessen,  und  etliche  ahrtige  kurtzweilige  Spiele  vorstelleten. 
Zuweilen  stelleten  sie  sich,  als  wenn  sie  stumm,  taub,  blind,  lahm, 
höckericht  oder  auf  andere  Weise  gebrechlich  waren,  und  bähten 
den  Abgott  um  Genäsung.  Zuweilen  waren  sie  angetahn  als  Schlan- 
gen, Nattern,  Krokodillen  oder  anderen  verschlingenden  Thieren  und 
fochten  mit  einander'*  (Dapper).  „Ein  Jeder  treibet  wunderseltsame 
Possen.  Dieser  spielet  den  blinden  Mann,  jener  den  Kröpeler,  der 
Eine  stellet  sich  taub,  der  Andere  machet  einen  schiefen  Mund"  (beim 
Tanz  der  Nicaraguer)  unter  dem  Trinken  von  Kakavata  (aus  Kakao). 
Aus  solchen  Schauspielen  der  Gebrechlichen  im  Tempel  ergab  sich 
dann  leicht  die  miraculeuse  Heilung,  innerhalb  des  geweihten 
Bezirkes. 


ITAGUI.  273 

Die  von  Manisales  mitgebrachten  Thiere  hatte  ich  nach  der  Wei- 
sung des  dortigen  Arriero  seinem  Verwandten  Antonio  Maria  Velez 
in  Itagui  übergeben,  und  ich  besprach  nun  mit  ihm  die  Rückreise, 
unter  dringender  Vorstellung  über  die  Nothwendigkeit  guter  Thiere, 
damit  sich  nicht  die  Beschwerden  und  Verzögerungen  der  Hinreise 
wiederholten.  Der  Mund  floss  so  sehr  von  schönsten  Versprechungen 
über,  und  der  Betheuerungen  waren  so  viele,  dass  ich,  da  auch  meine 
Freunde  ernstlich  mitgeredet  hatten,  nochmals  wieder  Vertrauen  zu 
fassen  begann,  aber  freilich  bei  der  ersten  Ansicht  der  ins  Hote 
geschickten  Thiere  bald  darin  schwankend  werden  musste. 

Da  ich  Itagui  auf  meinem  Wege  zu  passiren  hatte,  brach  ich  in 
Begleitung  von  Herrn  H.  White  (Bruder  des  Ingenieurs)  am  Morgen 
des  festgesetzten  Tages  auf,  um  durch  ein  fruchtbares  Thal  im 
blühendsten  Anblick  längs  kuppig  gewellter  Hügelkuppen  den  Flecken 
Envejado  zu  erreichen.  Dort  sandte  ich  den  als  Führer  mitgenom- 
menen Peon  nach  dem  Potrero  des  Arriero  und  erlangte  auch  ein 
anderes  Thier  im  Austausch,  das  sich  allerdings  jedoch  schliesslich 
um  nichts  besser  erwies  und  das  mir  schon  insofern  unlieb  war,  weil 
man  statt  des  verlangten  Maulesel's  ein  Pferd  untergeschoben  hatte. 
Doch  hier,  wie  immer,  sprach  die  Zeit  mit  und  die  Furcht  vor  un- 
nützem Aufenthalt  in's  Unbestimmte.  Mit  dem  Beschlagen  und  sonsti- 
gen Vorbereitungen  ging  mehr  Zeit  hin,  als  für  das  Frühstück  nöthig 
gewesen,  und  nachdem  ich  dann  von  meinem  Begleiter,  der  nach 
Medellin  zurückkehrte,  Abschied  genommen,  trat  ich  mit  einem 
Diener  und  dem  aus  Manisales  ausserdem  engagirten  Führer  die  Reise 
an,  die  diesmal  den  Weg  auf  dem  andern  Ufer  des  Cauca  wählen 
sollte,  auf  dem  linken  Ufer,  während  das  rechte  zur  Herreise  be- 
nutzt war. 

Wir  ritten  durch  ein  von  Bergketten  geschlossenes  Thal,  mit 
Anbau  in  voller  Vegetation  an  den  Abhängen  und  stiegen  dann  auf 
Hügeln  empor.  Der  über  ein  steiniges  Bett  brausende  Fluss  Aburra 
wurde,  bei  seinem  Hervorwinden  aus  den  Höhen,  auf  einer  Brücke 
passirt.  Zwischen  grünen  Hügeln,  buschig  bekränzt,  gelangten  wir 
nach  dem  Pueblo  Laveria,  wo  wir  uns  den  Durchritt  erst  frei  machen 
lassen  mussten,  da  die  Plaza  durch  Pallisaden  geschlossen  war,  für 
die  am  Nachmittag  erwarteten  Stierkämpfe. 

Im  steinigen  Flussbett  des  Aburra  ging  es  fort  und  dann  einen 
lehmigen  Weg  mit  Camellones  aufwärts  zu  kuppig  gewellten  Hügel- 
strecken, Sumpfteiche  umgehend  oder  durchwatend.  Steil,  auf  stufen- 
artigem Absätze,  im  Waldgebirge  emporsteigend,  an  der  Seite  einer 

Bastian:  America.  I.  *^ 


274  COLUMBIEN. 

schroffen  Schlucht,  in  welcher  der  Salina,  der  Mina  und  andere 
Quellflüsse  des  Aburra  ihre  Wasser  brausend  hinabstürzten,  blickten 
wir  von  der  Höhe  nieder  auf  ein  in  Bergketten  zerfallendes  Waldland, 
durch  welches  sich  der  Rio  Miel,  Nebenfluss  des  Garzo  (in  den  Rio 
Negro  mündend)  seine  Bahn  bricht.  Von  dort  wandten  wir  uns 
rechts  hin  auf  die  Höhen,  wo  in  der  Ferne  die  Ketten  des  Cauca 
hervortraten,  und  in  der  Caseria  des  Alto  de  San  Miguel  wurde  die 
Nacht  verbracht,  eine  bei  der  Elevation,  in  der  wir  uns  fanden,  kalte 
und  ausserdem  stürmisch  wilde. 

Noch  beim  Mondschein  wurde  gesattelt,  um  mit  Tagesgrauen 
auf  dem  Weg  zu  sein.  Wir  ritten  über  einen  Höhenkamm,  von  dem 
der  San  Miguel  tief  unten  in  seitlicher  Schlucht  zum  Cauca  hinab- 
stürmte, und  mit  den  Blicken  verfolgten  sich  abwärts  streifende  Berg- 
reihen bis  zu  der  über  dem  Cauca  lagernden  Nebelwolke,  während 
jenseits  die  Wand  der  Cordillere  am  Choco  den  Horizont  abschliesst. 
Auf  sandigem  Weg  ging  es  auf  und  nieder,  und  Teiche  machten 
•Ausweichen  nöthig.  Seitlich  zeigte  sich  Fredonia  auf  einem  Hügel- 
kamm, am  Fusse  der  schräg  geneigte  Kegel  des  Cerro  Bravo,  nach 
rechts  hin,  und  auf  der  linken  Seite  windet  sich  zwischen  tiefen 
Bergschluchten  der  Rio  de  las  Piedras,  der  nach  seiner  Vereinigung 
mit  dem  Vuelle  zum  Cauca  fliesst.  An  der  quer  vorgelagerten  Hügel- 
kette gelangten  wir  auf  den  Kamm  zum  Pueblo  St.  Barbara.  Hier 
sandte  ich  meinen  Diener  über  Avejoral  den  früheren  Weg  nach 
Manisales  zurück,  um  an  allen  den  Puncten,  wo  ich  auf  der  Herreise 
für  Sammlungen  Aufträge  gegeben,  die  Resultate  einzuziehen  und 
die  Rechnungen  zu  berichtigen.  Meinerseits  folgte  ich  mit  dem  von 
Medellin  engagirten  Führer  der  neu  gewählten  Richtung,  über  einen 
gewundenen  Hügelkamm,  im  wechselnden  An-  und  Absteig  hinrei- 
tend. Rechts  bricht  durch  den  Fuss  tiefer  Schluchten  der  Vuelle 
seinen  Weg,  links  fallen  die  streifenden  Bergzüge  in  eine  grün  wellige 
Ebene  ab,  aus  der  die  Windungen  des  Rio  Poblanco  erscheinen,  und 
in  der  Ferne  aus  der  Ebene,  unterhalb  der  Cordillere  von  Chocö, 
einzelne  Puncte  des  Cauca  hervorschauen.  Zum  Hügel  Condorcillo 
aufsteigend,  fanden  wir  uns  in  grünbrauner  Haide- Vegetation  und 
rasteten  zur  Fütterung  in  einem  Haus  des  Alto. 

Dann  ging  es  fort  über  den  Kamm,  mit  seitHchem  Niederblick 
auf  das  in  hellem  und  dunklem  Grün  wellende  Thal  des  Cauca  auf 
.seinem  linken  Ufer,  während  sich  seine  Wasser  am  rechten  längs  des 
Bergwalles  schlängelnd  hinziehen.  Zum  Zwischenthal  des  Sitio  Viejo 
hinübergelangt,  zogen  wir  aufwärts  längs  des  Hügelkammes  herum, 


FARALLONES.  275 

und  stiegen  dann  an  dem  schroff  zur  Mitte  der  Höhe  abfallenden 
Felsberg  der  Ventana  nieder,  während  auf  der  anderen  Seite  der 
gedoppelte  Fels  der  Faredones  (mit  einer  Ausbuchtung  dazwischen) 
von  der  jenseitigen  Bergu'and  absteht.  Ueber  wellige  Erhebungen, 
mit  Sumpfstrecken  unterbrochen,  senkten  wir  uns  tiefer  durch  dichte 
Vegetation  und  bei  steigender  Gluthhitze  der  Mittagssonne  in  der 
Niederung.  So  gelangten  wir  zum  Cauca,  der  sich  reissend  aus  den 
Bergen  hervorwälzt  und  die  in  der  Mitte  gelegene  Insel  Cosunuta 
umrippelt.  Der  von  Cali  (und  oberhalb)  bis  Cartago  in  breiter  Ge- 
mächlichkeit das  weite  Thal  durchwindende  Cauca,  nimmt  mit  der 
felsigen  Vermauerung  beim  Eintritt  in  Antioquia  den  Character  eines 
mächtigen  Bergstromes  an  und  verliert  seine  Schiffbarkeit.  Nur  an 
wenigen  Stellen  wird  auf  dieser  Strecke  seines  Laufes  die  Ueberfahrt 
gewagt;  einer  dieser  Fährplätze,  der  von  Caramanta,  findet  sich  hier, 
bei  den  Farallones  (oder  Mamas),  und  auf  unser  Zeichen  kam  nach 
einiger  Zeit  das  Canoe  vom  jenseitigen  Ufer  herüber,  mit  dem  Strome 
herabtreibend.  Als  die  Einschiffung  vorbereitet  wurde,  zeigte  sich 
das  Lastthier,  das  bereits  während  des  ganzen  Tages  schwer  fortzu- 
bringen gewesen,  so  matt  und  krank,  dass  es  nicht  gewagt  werden 
durfte,  mit  ihm  den  starken  Strom  zu  durchschwimmen.  Ich  sah 
mich  deshalb  zur  Rückkehr  nach  einem  in  der  Nähe  gelegenen  Hause 
gezwungen,  wo  man  uns  Aufnahme  gewährte.  Vor  dem  Abendessen 
begab  ich  mich  für  ein  Bad  zum  Rio  Poblanco,  der  aus  engem  Thal 
in  den  Cauca  mündet.  Dieser  tritt  dort  aus  der  Enge  hervor, 
zwischen  dem  Felsberg  der  Ventana  und  dem  doppelgipfligen  Hügel 
der  Farallones,  die  Insel  Mocha  umkreisend,  und  das  linke  Ufer  durch 
seine  Strömung  unterwaschend.  Als  bei  meiner  Rückkehr  die  Haus- 
genossen von  dem  Bad  im  Rio  Poblanco  hörten,  bekreuzten  sie  sich, 
denn  sein  Wasser  werde  ängstlich  gemieden,  weil  Fieber  zeugend. 
Solcher  Weisheitssprüche  laufen  viele  um.  In  Peru  meint  man,  dass, 
wer  von  der  Küste  aus  die  Sierra  besuche,  sich  acht  Tage  lang 
weder  Hand  noch  Gesicht  waschen  dürfe.  Da  nun  (bei  meiner  ersten 
Reise)  einem  solchen  Zustand  jeder  andere  vorzuziehen  schien,  verletzte 
ich  diese  Vorschrift  und  erregte  dadurch  nicht  geringes  Entsetzen 
unter  den  Gläubigen.  Um  das  Wasser  zu  vermeiden,  wird  überhaupt 
gern  jede   Entschuldigung  hervorgesucht,    so  dass   das  Waschen*) 


*)  For  weeks  to  gether  the  most  respectable  inhabitants  never  wash  their  bands, 
faces  or  teeth  and  the  sligtbest  sickness  seines  as  a  pretext  for  delaying  the  Operation, 
bemerkt  Dünn  in  Guatemala  (1827).  In  Ecuador  (s.  Ilassaurek)  it  is  generally  believed 
that  washing  one's  face  with  cold  water  will  produce  wclling,  fever  and  rheumatism. 

18* 


276  COLCMRIFA. 

überall  nur  sparsam  geübt  wird.  Ich  hatte  die  Gewohnheit,  so  oft 
wir  auf  der  Reise  zu  einem  Halt  kamen,  mir  als  erstes  ein  paar 
Schaalen  oder  Gläser  kaltes  Wasser  über  den  Kopf  zu  giessen,  und 
konnte  sicher  darauf  rechnen,  ebenso  oft  Tag  für  Tag  den  erschreck- 
ten Ausruf  zu  hören:  No  Hace  daflo?  (wird  es  nicht  schaden?),  so 
dass  ich  immer  die  Antwort  vorräthig  hielt.  Auch  über  die  Speisen 
herrschen  allerlei  Vorurtheile,  und  oft  betreffen  diese  gerade  die  ge- 
sundesten, wie  die  Bananen.  Allerdings  kommt  es  auch  bei  ihnen 
nicht  nur  auf  die  Sorte,  sondern  darauf  an,  zu  wissen,  wie  und  wann 
man  sie  zu  essen  hat,  und  sind  die  Fasern  sowohl  zu  entfernen,  wie 
die  innere  Saamenschicht  (wenn  nicht  schon  durch  die  Cultur  ent- 
'  fernt)  übrig  zu  lassen.  Einige  Ueberlegung  lehrt  Alles  dergleichen 
leicht.  „Washing  my  face  created  much  speculation  at  the  village  of 
Las  Minas,"  erzählt  Darwin,  der  Gefahr  lief,  wegen  solch  mahomeda- 
nischer  Reinigungen  für  einen  Türken  gehalten  zu  werden,  nach  der 
herrschenden  Ansicht,  dass  alle  Haeretiker  als  Türken  zu  betrachten 
seien  (that  all  hereticks  are  Turcs).  Wo  im  Caucasus  Bezirke  der 
Christen  und  Mohamedaner  zusammenstossen ,  suchen  die  Ersteren 
oft  einen  Ehrenpunkt  darin,  recht  viel  Schweinefleisch  zu  essen  und 
viel  Wein  zu  trinken,  dagegen  selten  oder  nie  zu  waschen,  um  sich 
so  durch  positive  sowohl,  wie  negative  Beweise  von  den  Mohame- 
danern  zu  unterscheiden.  Ebenso  betrachteten  die  Missionaire  in 
Mexico  die  vielfach  von  der  früheren  Religion  vorgeschriebenen 
Waschungen  mit  verdächtigem  Auge,  und  auch  in  Indien  wurde 
oft  gegen  das  Baden  gepredigt,  da  der  durch  das  Taufwasser  Be- 
netzte sich  später  um  den  Schmutz  des  Körpers  nicht  viel  zu  küm- 
mern brauche,  wofür  die  mitunter  als  Schweinepriester  bezeichneten 
Priester  oder  Mönche  mit  gutem  Beispiel  vorangingen. 

Obwohl  das  Pferd  am  nächsten  Morgen  noch  schwach  auf  den  Beinen 
war,  schien  ein  längerer  Aufenthalt  doch  nichts  zu  frommen.  W-ir  brach- 
ten deshalb  das  Gepäck  in  das  Canoe,  während  die  an  der  Leine  ge- 
haltenen Thiere  seitlich  daneben  herzuschwimmen  hatten.  Das  Fähr- 
boot wurde  erst  längs  des  Ufer's  den  Fluss  hinaufgebracht,  weit  ober- 
halb der  am  andern  Ufer  zur  Landung  bestimmten  Stelle,  und  dann 
steuerten  wir  in  den  offenen  Fluss  hinaus,  wo  wir  bald  von  der  Ge- 
walt der  Strömung  gefasst,  mit  reissender  Geschwindigkeit  abwärts 
trieben,  indem  die  Bootleute  alle  ihre  Kräfte  anstrengten,  sich  wäh- 
renddem dem  Ufer  mehr  und  mehr  zu  nähern,  so  dass  wir  schliess- 
lich an  einem  Vorsprung  darauf  stossen  mussten.  Die  Thiere  waren 
aus  dem  Zappeln  ins  Schwimmen  übergegangen,   da   sie   das  Boot 


FÄHRE.  277 

mit  sich  führte,  hatten  aber  so  mühsam  gegen  die  Wucht  des 
Wassers  zu  kämpfen,  dass  es  zum  Thcil  von  der  geschickten  Lei- 
tung des  Arriero  abhängig  blieb,  um  den  Kopf  oben  zu  behalten. 
Das  Pferd  begann  bereits  Wasser  zu  schlucken,  und  wenn  die  Ohren 
nass  werden,  hiess  es,  ist  das  Thier  verloren.  Solche  Verluste  er- 
eignen sich  dort  so  häufig,  dass  sich  über  den  Ersatz  bei  Mieths- 
thieren  ein  bestimmter  RechtsUsus  festgesetzt  hat. 

Am  jenseitigen  Ufer  ging  es  erst  längs  des  Cauca  und  dann 
weiter  in  die  Höhe.  Beim  Rückblick  zeigte  sich  das  untere  Thal 
des  Cauca  mit  Wellenbergen  durchzogen,  und  zwischen  den  Fa- 
rallones  steht  der  Kamm  des  Espinal  hervor. 

Wir  ritten  über  einen  schmalen  Pfad  am  Abgrunde  hin,  als  das 
Lastthier  in's  Stürzen  kam,  und  ehe  es  verhindert  werden  konnte, 
die  Tiefe  hinabrollte.  Hier  war  guter  Rath  theuer.  Ich  schickte 
den  Burschen  hinab,  die  Localität  zu  exploriren,  und  er  rief  mir  von 
Unten  herauf,  dass  das  Thier  noch  am  Leben  sei  und  zunächst  von 
seiner  Ladung  befreit  werden  müsse.  Da  ein  Ochsentreiber  des 
Weges  kam,  hielt  ich  ihn  an,  uns  Hülfe  zu  leisten,  und  so  wurden 
erst  die  Stücke  des  Gepäckes,  dann  aber  auch  das  Pferd  herauf- 
gebracht, und  zwar  heil  an  seinen  Gliedern,  wogegen  alle  aussen  am 
Gepäck  angebundenen  Gegenstände  zertrümmert  waren,  und  sich 
dasselbe  von  den  zerbrechlichen  Sachen  des  Innern  vermuthen  Hess. 
Bei  solchen  Gelegenheiten  denkt  man  an  die  Strohumhüllungen,  mit 
denen  die  alten  Conquistadores  auf  den  von  ihnen  passirten  Berg- 
pfaden, wo  jetzt  kein  Pferd  mehr  durchkommen  würde,  die  ihrigen 
einzuwickeln  gehabt  hätten,  um  bei  den  gefährlichen  Neigungen  sie 
hinabgleiten  zu  lassen.  Die  Indianer  gebrauchen  noch  jetzt  für  per- 
sönliche Benutzung  die  sogenannten  Strohpferde,  um  rasch  am  Ab- 
hänge herabzukommen. 

Unter  vorsichtiger  Fortsetzung  des  Weges  wechselten  wir  im 
An-  und  Absteig,  mit  einem  Blick  auf  muldenartige  Einbuchtung, 
die  zu  der  Cordillere  des  Choco  hingewendet  sich  erhebt.  Auf 
Waldpfaden  ging  es  weiter,  und  mitunter  war  eine  breitere  Oeffnung 
ausgehauen.  Hier  und  da  stand  eine  Rohrhütte  am  Wege,  wo  man 
die  Vorbereitung  des  Strohs  betrieb  für  die  Hutfabrication.  Beim 
Aufsteig  öffnete  sich  der  Blick  auf  ineinander  geschobene  Höhen- 
züge, mit  dem  Rücktritt  des  Cafton  von  Arma  (jenseits  des  Cauca), 
links  dagegen  auf  den  oben  bewaldeten  Cordillerenzug  des  Choco, 
während  an  den  Abhängen  der  Wald  mit  grünen  Oeffnungcn  unter- 
brochen ist. 


278  COLUMBIEN. 

Ueber  Erhebungen  weiterziehend,  rasteten  wir  in  einem  allein- 
stehenden Hause,  und  da  sich  das  Lastthier  völlig  aufgebraucht 
zeigte,  Hess  ich  das  Reitthier  bepacken,  und  setzte  den  Weg  zu  Fuss 
fort,  nur  beim  Passiren  nasser  Stellen  das  mit  dem  Sattel  belegte 
Lastthier  benutzend.  Beim  Aufsteig  öffnete  sich  der  Blick  auf  die 
in  einander  streichenden  Bergreihen  von  Avejoral  und  Aguades  (am 
andern  Ufer  des  Cauca),  während  der  Paramo  in  Sonzon  das  Berg- 
Panorama  abschliesst.  Im  Wald  windet  sich  der  Weg,  und  auf  der 
Cordillere  des  Choco  springen  die  Quellen  des  Chantano,  der  unter- 
halb des  Paso  von  Caramanta  in  den  Cauca  mündet.  Zwischen 
engen  Wänden  ging  es  auf  lehmigen  Wegen  vorwärts,  und  nach  dem 
Aufsteig  im  Wald  hatten  wir  langen  Travesias  zu  folgen,  bis  wir 
erst  nach  Einbruch  der  Dunkelheit  die  einsame  Hütte  auf  dem  Alto 
de  Obispo  erreichten,  wo  die  Kälte  die  Bewohner  beständig  innerhalb 
des  engen  Raumes  der  vier  Wände  zusammenzuhalten  schien,  nach 
den  auf  solch'  stete  Benutzung  führenden  Schmutzablagerungen  zu 
urthcilen. 

Am  nächsten  Morgen  war  mir  das  Beladen  des  Lastthieres  nicht 
ohne  Bedenken,  doch  blieb  in  dieser  Einöde  keine  andere  Wahl.  Die 
Wege,  wie  zum  Theil  schon  am  Tage  vorher,  waren  schlimmer  Art  auf 
diesen  Berggräten.  Wir  ritten,  den  Abgrund  entlang,  am  Rand  des  Wald- 
gebirges hin,  und  der  Blick  traf  die  jenseitigen  Berge  auf  der  andern 
Seite  des  Cauca,  mit  der  Wand  der  Wasserscheide  (nach  dem  Magda- 
lena zu)  die  Ferne  begrenzend.  Ich  ritt  voran,  und  als  ich  eine  beson- 
ders gefährliche  Stelle  passirte,  die  mit  glitschigen  Steinen  schräg  ab- 
gleitete, rief  ich  dem  Burschen,  der  mit  dem  Lastthier  folgte,  die 
Warnung  zu,  Vorsicht  zu  üben.  Kaum  hatte  ich  mich  aber  im  Sattel 
wieder  zurecht  gesetzt,  als  ich  einen  Schrei  hinter  mir  hörte,  den 
Ruf  „Patron,  Patron!"  und  beim  Umblicken  das  Lastthier  über  dem 
Abgrund  schweben  sah,  nur  durch  den  niederhockenden  Peon  an 
dem  Gurte  des  Packapparates  noch  gehalten.  Ehe  es  mir  möglich 
war,  auf  dem  engen  Wege,  zwischen  steiler  Wand  und  tiefer  Schlucht, 
zu  wenden,  hörte  ich  bereits  das  Gepolter  des  im  Niederrollen  die 
Bäume  brechenden  Pferdes,  und  als  wir  am  Rande  standen  und  in 
die  dunkle  Tiefe  hinabschauten,  wiederholte  sich  das  Krachen  noch- 
mals in  drei  Absätzen,  die  wahrscheinlich  die  Punkte  bezeichneten, 
wo  ein  momentaner  Aufenthalt  statt  hatte  durch  Büsche,  die  dann 
gleichfalls  dem  Gewicht  nachgaben ,  so  dass  der  Körper  weiterrutschte. 

Die  Vorwürfe,  die  ich  dem  Burschen  machte,  halfen  jetzt  nicht. 
Zwar  hatte  er,    wie    ich    gesehen,    sich   im    letzten  Augenblick  alle 


CARAMAXTA.  279 

Mühe  gegeben,    das  Thier  zu  halten,    aber  er   hätte  besser  gethan, 
dem  Fall  überhaupt  vorzubeugen,   was  vielleicht  bei  grösserer  Sorg- 
falt möglich  gewesen  wäre.     Die  Schlucht   fiel    mit   solcher  Schroff- 
heit ab,  dass  wir  nirgends  die  Möglichkeit  sahen,  hinunterzuklettem, 
und  die  Büsche,  mit  denen  sie  bewachsen  war,  verhinderte  das  Hinab- 
sehen, so  dass  wir  über  die  Lage  des  Thieres  keine  Gewissheit  hatten. 
Bis  zum  nächsten  Dorfe,    mehrere  Stunden  entfernt,    fanden   sich  in 
dieser  völlig  unbewohnten  Gegend  weder  Haus  noch  Ansiedelung,  so 
dass  auf  keine  Hülfe  zu  rechnen  gewesen  wäre,  wenn  sie  uns  nicht 
durch  einen  unverhofften  Zufall,  und  zwar  in  der  geeignetsten  Weise, 
die  sich  wünschen  Hess,  in  einer  Parthie  Waldarbeiter  geboten  wäre, 
die  gerade  im  richtigen  Augenblick  des  Weges  vorüberzogen.  Anfangs 
hielten  sie  es  für  unmöglich.  Etwas  zu  thun,  Hessen  sich  jedoch  durch 
die    versprochene  Belohnung    bewegen,   *einen    Versuch  zu  machen. 
Da    sie    die  Gegend    kannten,    ermöglichten  sie  an  einer  etwas  ent- 
fernten Stelle  das  Niedersteigen  in  die  Schlucht,  und  als  sie  uns,  beim 
Anlangen  in  der  Tiefe,  aus  derselben   zuriefen,  waren  ihre  Stimmen 
noch  eben  verständlich.    Mit  den  Machetes  wurde  eine  freiere  Bahn 
geöffnet,  auf  welcher  unter  grossen  Anstrengungen  die  Gepäckstücke 
hinaufgeschleift  wurden,    und  nach  mehrstündiger  Arbeit  schliesslich 
auch  das  Pferd,  indessen  mehr  todt,  als  lebendig.     In  der  Zwischen- 
zeit hatte  sich  ein  Knabe  zu  uns  gefunden,    der  aus  einer  irgendwo 
in  der  Umgebung  gelegenen  Alpenwirthschaft  auf  einem  Pony  Käse 
nach  der  nächsten  Ansiedelung  führte,  und  ich  veranlasste  ihn.  den 
Käse  auf  seinen  Rücken  zu    nehmen,    und    mir  das  Thier  für   mein 
Gepäck  zu    überlassen.     Alle  mitgcfuhrten  Thongeräthe    der  Samm- 
lungen, wie  sich  später  beim  Auspacken  zeigte,  waren  selbstverständ- 
lich zertrümmert,    wenn  überhaupt  noch  welche  aus  dem  Sturz  vom 
vorigen  Tage  übrig  geblieben  waren.    Einer  der  Arbeiter  wurde  be- 
zahlt, um  neben  dem  Pferde  am  Wege  zu  bleiben,  und  es,  wenn  aus- 
führbar, nach  einer,  La  Triste  genannten,  Manga  (oder  Potrero,  dort 
herum),  zu  schaffen,  wo  es,  im  Falle  die  Verletzungen  zu  überleben 
wären,  durch  den  Peon    bei   seiner  Rückkehr   nach  Medellin  wieder 
mitgenommen  werden  sollte. 

Wir  setzten  dann  unsere  Reise  auf  dem  schlüpfrigen,  und  häufig 
sumpfigen  Randweg  fort,  unter  beständigem  Auf  und  Ab,  mit  einem 
Niederblick  auf  zerklüftete  Reihen  der  jenseits  des  Cauca  aufsteigen- 
den Waldberge,  bis  zu  der  gleichmässiger  fortlaufenden  Wand  des 
Wasserscheidegebirges,  an  dessen  Kante  der  Gletscher  des  Ruys 
hervorragte.     Beim  Absteig  sahen  wir  Caramanta  (nicht  Benalcazar's 


280  COLUMBIEN. 

Gründung  nach  einem  in  der  Conquista  berühmten  Namen)  auf  Hügel- 
wellen liegen,  von  dunkeln  Bergwäldern  umschlossen,  und  rasteten 
dort  in  einem  Laden,  um  das  an  Geschirr  und  Packzeug  angerichtete 
Unheil,  so  gut  es  anging,  wieder  auszubessern.  Es  war  dies  ein  in 
trauriger  Waldöde  verlassenster  Platz,  wo  nur  einzeln  mitunter  eine 
schlaffe  Menschenseele  über  die  todte  Plaza  hinschlich,  und  ich  er- 
kannte bald  die  Schwierigkeiten,  die  sich  hier  dem  Miethen  eines  neuen 
Thieres  entgegenstellen  würden.  Erst  nach  längerem  Suchen  fand 
ich  ein  Individuum,  in  welchem  genug  Speculationsgeist  steckte,  um 
sich  der  Sache  überhaupt  anzunehmen,  und  dann  war  ich  natürlich 
so  ganz  in  seine  Hand  gegeben,  dass  ich  nur  froh  sein  musste,  eine 
Möglichkeit  zu  sehen,  den' drohenden  Zeitverlust  mit  irgend  welchen 
Geldopfern  abkaufen  zu  können. 

Gegen    meine   anfängliche  Erwartung  konnten  wir  in  Folge  der 
gemachten  Anstrengungen  bereits  am  Nachmittage  aufbrechen,  und 
stiegen  in  einer  Waldschlucht  zum  Rio  Caila  hinab,  dann  über  kuppige 
Waldhügel  zum  Rio  Arquio  weiter  ziehend.     Im  Aufsteig,  längs  des 
Rio  Mona,    gelangten  wir   zum    Alto   de  Taiza,    wo    für   die  Nacht 
Schicht  gemacht  werden  musste.     In  der  Nähe  des  Hauses  fand  ich 
einen  hohen  Punkt,  der  eine  gute  Umsicht  gewährte.  Ueber  Mulden, 
in  Waldberge  eingesenkt,  schaut  man  auf  das  vom  Rio  Supia  (neben 
dem    gleichnamigen    Pueblo)    durchflossene   Thal   (in    Umbria    oder 
Umbiä),  das  auf  der  einen  Seite  der  Morro  von  Marmato  (Cruz  de  la 
Leche)  abschliesst,    auf  der  andern  die  mit  gesägten  Sierra  -  Gipfeln 
eingeschnittene   Bergkette    des  Rio  Sucio,    hinter  welcher   sich  der 
hohe  Bergwall  der  Cordillere  von  San  Juan  (jenseits  Chami)  erhebt, 
während  in  der  Mitte  der  Blick   über  vereinzelte  Höhen    bis  zu  den 
Bergen  jenseits  des  Cauca  reicht.    Von    einem   benachbarten  Gipfel 
sah  man  Avejoral  und  Sonzon  auf  ihren  Höhen,  nach  der  einen  Seite 
bis  zu  den  Bergen  von  Ceja,  und  nach  der  andern  die  Wölbung  bis 
zum  Cerro  del  Oso    (bei   Cartago  viejo),    während    der  Ruyz   durch 
den  Morro  des  Cruz  de  la  Leche  verdeckt  wurde,  und  in  der  Tiefe 
eine   Linie    des    hingewundenen  Cauca    erkennbar   ist.     Am  Abend 
wurden  die  drei  Strassen  nach  den  Bergwerken  von  Marmato  discu- 
tirt,  deren  jede  aber  in  solcher  Accumulation  negativer  Annehmlich- 
keiten zu  schwelgen  schien,  dass  ich  die  Entscheidung  darüber  dem 
Peon  und  dem  ausserdem  engagirten  Führer  überliess.  Die  bequemste 
wäre  wohl  die  durch    das  Thal  des  Supia  gewesen,    doch    bedingte 
sie  einen  so  zeitraubenden  Umweg,  dass  ich  nicht  dazu  rathen  wollte. 
Die  Supias  fand  Vadillo  (1537)  als  zahlreichen  Stamm,  in  obere  und 


MARMATO.  281 

untere  getheilt,  von  denen  jetzt  nur  der  Name  in  der  Ansiedelung 
übrig  ist.  Supia  lieferte  früher  (wie  auch  Marmato)  reiche  Gold- 
gewinnung aus  porphyritischem  Syenit. 

Die  Schichtensysteme  von  Kalk-  und  Thonschiefer  am  Nord- 
rande des  Gebirges  von  Antioquia  werden  von  Karsten  in  ihren 
Lagerungsverhältnissen  denen  der  Kalke  von  Bogota  parallelisirt. 
Die  Goldminen  Cuyr-cuyr  in  Caramanta  suchend,  sow^ie  das  Feder- 
haus (Buhio  de  las  plumas)  und  den  Tempel  Trabuco  (halb  Gold, 
halb  Stein),  wovon  die  Indianer  Buritica's  erzählt  hatten  (todo  {u6 
burla,  w^ie  Oviedo  zufügt),  kam  Vadillo  nach  der  Ansiedlung  Biru 
neben  dem  von  Benalcazar  als  Anserina  bezeichneten  Ort  (nach  einem 
Fisch).  Als  er  nach  Cali  gelangte,  bewies  er  den  dortigen  Spaniern, 
dass  sie  nicht,  wie  sie  meinten,  am  Rio  Darien  wohnten,  sondern  am 
Rio  St.  Martha  (dem  Cauca,  der  sich,  mit  dem  Magdalena  oder  Santa 
Martha  verbindet). 

Ueber  die  Lage  des  alten  Caramenta,  das  in  der  Vorgeschichte 
mit  einem  gewissen  Glänze  genannt  wird,  herrschen  verschiedene 
Angaben.  Wie  die  Volkssage  umläuft,  ging  es  durch  den  Ueber- 
muth  seiner  Bewohner  zu  Grunde.  Ein  Händler  aus  Quito  habe 
dort  ein  prächtiges  Zeugstück,  wie  es  nur  selten  in  die  abgelegenen 
Plätze  des  Innern  gelangte,  zum  Verkauf  angeboten,  und  obwohl 
der  Cura  es  für  sich  und  zum  Schmucke  der  Kirche  gewünscht, 
hätten  es  ihm  die  reichen  und  gottlosen  Laien  nicht  gegönnt.  So 
sei  über  diese  „Corte  de  una  manta"  ein  Streit  ausgebrochen,  und 
in  demselben  der  Gottesmann  ertränkt,  indem  man  ihn  in  ein  Boot 
ausgesetzt,  das  bei  Antioquia  gefunden  wurde.  Als  natürliche  Folge 
traf  himmlische  Strafe  (in  Form  von  Erdbeben)  das  sündige  Nest, 
und  so  liegt  es  jetzt  verödet  und  am  Verscheiden.  Die  Virgen  de 
las  Armas  wurden  von  dem  unheiligen  Grunde  nach  Rio  Negro 
gebracht. 

Der  Aufstieg  am  nächsten  Morgen  brachte  uns  auf  kaum  passir^ 
baren  Wegen  zum  Cuchillo  (dem  Grätenkamm  oder  Messer)  der  Cruz 
de  la  Leche  und  dann  geriethen  wir  zwischen  dem  Höhenwald  in 
Sümpfe  und  ein  solches  Gewirr  umgestürzter  oder  halbverfaulter  Baum- 
stämme, das  oft  weites  Ausweichen,  unter  Oeffnen  eines  neuen  Pfades, 
sofern  es  die  abfallende  Schlucht  erlaubte,  erforderlich  war.  Wenn 
die  feuchte  Nebelschicht,  die  uns  einhüllte,  den  Durchblick  erlaubte, 
schauten  wir  von  Wald  auf  Wald,  Wald  am  Berg  und  Wald  im  Thal, 
vor  uns  und  zurück.  Als  wir  die  Häuser  von  San  Jorge  erreichten,  sahen 
wir  den  am  Rande  des  Bergkessels  umhergezogenen  Weg,  oder  viel- 


282  COLUMBIEN. 

mehr  an  manchen  Stellen  sahen  wir  ihn  nicht,  weil  unter  Erdrutschen 
verschwimden,  und  konnten  nur  theoretisch  in  Gedanken  die  Linie 
verfolgen,  bis  zu  den  an  fast  frei  schwebenden  Unebenheiten  ange- 
klebten Häusern  des  Bergwerksortes  Marmato,  auf  einem  nicht  nur 
durch  die  Natur,  sondern  auch  durch  die  Minenarbeit  des  Menschen 
unterwühlten  Terrain.  Herr  Carl  Greiffenstcin,  ein  deutscher  Hütten- 
mann, nahm  mich  freundlich  in  den  Kreis  seiner  Familie  auf,  so  dass 
ich  wieder  in  reinlicher  Stube  ausruhen  konnte  und  zugleich  den 
seltenen  Genuss  einer  Bibliothek  zur  Disposition  hatte.  Eis  war  das 
um  so  gemüthlicher  in  Folge  der  halb  weihnächtigen  Stimmung, 
die  sich  von  dem  deutschen  Vater  auch  über  die  eingeborene  Mutter 
und  die  spanisch  redenden  Kinder  verbreitet  hatte.  Neben  dem 
Director  der  Gruben,  Herrn  Hoskin,  und  einem  seit  vielen  Jahren 
dort  beschäftigten  Deutschen.  Herrn  Gärtner,  lernte  ich  einige  der 
ansässigen  Landeskinder  kennen,  von  denen  ich  Mittheilungen  über 
dortige  Alterthümer  und  Aussicht  auf  Beschaffung  derselben  erhielt. 

Da  das  mitgebrachte  Lastthier  nach  Caramanta  zurückzuschicken 
war,  begannen  hier  aufs  Neue  die  Schwierigkeiten  des  Miethens, 
und  obwohl  mir  meine  Landsleutc  eine  Adresse  verschafften  und  selbst 
die  Verhandlungen  möglichst  eifrig  betrieben,  fehlte  doch  am  Mor- 
gen die  am  Abend  vorher  versprochene  Beschaffung,  und  ging  der 
erste  Theil  des  \'ormittags  mit  Botschaften  hin,  bis  das  Erforder- 
liche zusanunen  war.  Auch  der  in  Medellin  engagirte  Bursche,  der 
wahrscheinlich  das  Beste  aus  der  Situation  zu  machen  gedachte, 
kehrte  eine  unverschämte  Seite  heraus,  so  dass  es  einige  Mühe 
kostete,  ihm  seinen  Standpunkt  klar  zu  machen,  obwohl  das  vor- 
sichtiger, als  eigentlich  meine  Neigung  war.  geschehen  musste,  da 
ich  noch  für  einige  Tage,  weil  ausserhalb  der  eigentlichen  Heer- 
strasse, ziemlich  auf  ihn  angewiesen  blieb. 

Wir  ritten  längs  der  Felswand  und  dann  abwärts,  auf  engen 
Pfaden,  wo  es  bei  einer  uns  für  die  Bergwerke  entgegenkommenden 
Caravane  von  Lastthieren  lange  Deliberation  über  das  Ausweichen 
gab.  Prächtige  Blumen  schmückten  die  Bäume  am  Wege  und  in 
einer  kleinen  Zuckerpflanzung  fanden  wir  Guarapo  zur  Erfrischung. 
Nach  An-  und  Absteig  durch  Quebraden  erblickten  wir  die  Streifen 
des  Cauca  am  Fusse  der  jenseitigen  Berge  und  erreichten  seine  Ufer 
beim  Paso  de  Mona,  wo  der  zwischen  Felsen  eingeengte  (und  etwas 
unterhalb  durch  eine  Tarabita  überspannte)  Strom  brausend  hin- 
strömte. Das  zur  Ueberfahrt  bestimmte  Canoe  war  so  broktällig  und 
voll  Wasser,  dass  wir  die  Thicrc  nur  einzeln  passiren  konnten,  und 


FILADELFIA.  283 

das  Sattelthier  begann  im  Ankämpfen  gegen  das  reissende  Gewässer 
zu  ermüden,  glücklicherweise  schon  dem  Lande  nahe,  so  dass  es  ein 
rascher  Griff  an  den  Ohren  noch  über  der  Oberfläche  hielt,  bis 
es  Boden  unter  den  Füssen  fühlte. 

Nachdem  Alles  hinübergeschafft,  kreuzte  ich  in  der  letzten  Fahrt 
des  Canoe,  und  fand  dort  den  Burschen  gemüthlich  unter  einem 
schattigen  Baum  campiren,  die  Thiere  dagegen,  die  er  hüten  sollte, 
in  der  Wildniss  des  Waldes  irre  gegangen. 

Da  der  von  Marmato  bis  dahin  mitgegebene  Führer  noch  bei 
mir  war,  nahm  ich  seine  Hülfe  für  das  Wiederauffinden  in  Anspruch, 
was  sich  nach  einigem  Zeitverlust  auch  ermöglichte,  und  cntliess  ihn 
dann,  nachdem  er  uns  die  weitere  Direction  über  den  beim  Erstei- 
gen  der  Uferberge  zu  verfolgenden  Pfad  gegeben.  Dennoch  hatte 
mein  Bursche  denselben  bald  verloren,  und  wir  würden  uns  schwer 
orientirt  haben,  ohne  das  Auffinden  einer  Hütte,  wo  die  gegebene  In- 
formation allerdings  eine  spärliche  war.  Ich  erreichte  freilich,  dass  die 
dort  allein  anwesende  Frau  eines  ihrer  Kinder  mitgab,  doch  wagte  das- 
selbe nur  aus  der  Ferne  uns  zu  folgen,  Erklärungen  zucufend,  die  sich 
schwer  verstanden.  Indess  kamen  wir  soweit,  unter  den  Trocha's  oder 
Waldwegen  einen  deutlichem  Pfad  vor  uns  zu  sehen,  und  gelangten, 
unter  gelegentlichen  Rückblicken  auf  den  Cauca  zwischen  seinen  engen 
Bergwänden,  nach  dem  Alto  de  Palmas,  und  weiter  entlang  der  Höhe, 
mit  der  Umschau  auf  zerstückelte  Berge,  nach  dem  Alto  de  Tam- 
bor,  wo  man  uns  bei  dem  Herannahen  der  Nacht  gerne  Quartier 
gab,  besonders  in  Erinnerung  an  einen  zu  den  Minen  Marmato's 
gehörigen  Engländer,  der  in  Folge  eines  Falles  auf  diesen  hals- 
brechenden Wegen  mehrere  Monate  in  dem  dortigen  Hause  ver- 
pflegt war,  bis  zur  Heilung  eines  Beinbruches.  Es  bot  sich  hier 
eine  freie  Aussicht  auf  die  Bergreihen  jenseits  des  Cauca,  die  den 
Lauf  des  Rio  Sucio  abschneiden. 

Beim  Aufbruch  am  Morgen  ritten  wir  jenseits  der  Höhen  in 
grünen  Bergfaltungen  nieder,  von  Quebraden  mit  Wasserbächen 
unterbrochen.  Bei  der  Abzweigung  des  Weges  nach  Salamina  (auf 
welcher  Strasse  die  Producte  der  Minen  Marmato's  nach  dem  Mag- 
dalenenthal  geführt  werden),  sahen  wir  Filadelfia  vor  uns,  auf  einer 
Berghöhe  unter  dem  Kamm  gelegen.  Der  Weg  ging  zum  Flusse 
Masire  nieder,  von  hoher  Bambusbrücke  (für  FussgängerJ  überwölbt, 
aber  dann  beim  Wieder-Aufwärtssteigen  verloren  wir  ihn,  und  hatten 
längere  Zeit  darnach  zu  suchen.  Beim  Treiben  des  Lastthiers  er- 
hielt  ich  von  demselben   einen  Schlag  ans  Bein,   der  indess  glück- 


284  COLUMBIEN. 

licherweise  durch  den  Riemen  des  Steigbügels  aufgefangen  war,  und 
so  keine  Folgen  von  Bedeutung  hatte.  Nach  mehrfachem  Auf  und 
Nieder  fanden  wir  den  Ansteig  nach  Filadelfia  und  erreichten  es  um 
Mittag.  Von  Don  Juan  Borranecha,  einem  Gastfreund  Herrn  GreifTen- 
steins  in  Marmato,  wurde  uns  während  des  Füttems  der  Thiere  ein 
Frühstück  vorgesetzt,  und  hörte  ich  einiges  über  dortige  Alterthums- 
funde.  In  der  Kirche  sah  ich  zwei  Steinkufen  aufbewahrt,  die  aus 
den  Gräbern  dorthin  gebracht  waren. 

Durch  die  Fürsorge  unseres  Wirthes  konnten  wir  uns  einem 
Reisenden  anschliessen,  der  eine  Strecke  desselben  Weges  zog  und 
soweit  seine  Führung  anbot,  denn  bei  dem  Mangel  einer  eigentlichen 
Heerstrasse  erforderte  es  hier  genaue  Localkenntniss,  sich  unter  den 
undeutlichen  Waldpfaden  zu  orientiren.  Nach  manchem  Auf  und 
Nieder  gelangten  wir  zur  Quebrada  honda  und  hatten  dann  einen 
schroffen  Ansteig,  wo  an  einigen  Stellen  die  Geschichten  der  von 
dort  hinabgestürzten  Thiere  erzählt  u-urden.  Auf  der  Höhe  fort- 
reitend, fanden  wir  uns  plötzlich,  ohne  es  zwischen  der  Gras -Vege- 
tation bemerkt  zu  haben,  auf  einer  schmalen  Felsbrücke  mit  jähem 
Abfall  zu  beiden  Seiten,  wo  kürzliche  Regen  das  Erdreich  so  weit 
weggewaschen  hatten,  um  kaum  Raum  für  den  Auftritt  zu  lassen. 
Unter  dem  Blick  auf  Berghöhen,  gelangten  wir  mit  Sonnenuntergang 
nach  dem  Alto  de  Morron,  wo  in  einer  der  zerstreuten  Hütten  Nacht- 
quartier gemacht  wurde.  Beim  Gespräch  über  Alterthümer  oder 
Huacas  wurde  Mancherlei  gezeigt,  und  Einige  der  gerade  Anwesen- 
den begaben  sich  nach  ihren  umherliegenden  Wohnungen,  von  denen 
sie  in  der  Nacht  mit  kleinen  Objecten  einer  oder  anderer  Art  zu- 
rückkehrten, die  sich  erwerben  Hessen. 

Am  nächsten  Morgen  waren  wir  mit  der  ersten  Dämmerung 
unterwegs  und  zogen  abwärts  über  Hügel.  Neben  dem  Fluss  Tarea 
findet  sich  das  Etablissement  des  Salado,  wohin  das  Salzwasser  eines 
Bergflusses  in  Bambusröhren  geleitet  wird,  lieber  Waldhügel  reitend, 
blickten  wir  auf  ein  zerbrochenes  Bergland,  stiegen  dann  nieder  zum 
Flusse  Tupia  und  wieder  aufwärts.  Nachdem  wir  die  Abzweigung 
des  Weges  von  Neira  nach  Aranjajo  passirt  hatten,  gelangten  wir 
am  Vormittag  nach  Neira,  und  fanden  uns  wieder  auf  dem  sog.  Camino 
real,  dessen  Bezeichnung  man  jetzt  aus  den  Vergleichungen  besser 
verstand.  Nach  einem  Frühstück  mit  dem  dortigen  Arzt,  Dr.  Alejandro 
Londoftez,  stellte  ich  Erkundigungen  über  die  bei  meiner  Herreise 
gegebenen  Aufträge  an,  hörte  indess,  dass  mein  Diener  bereits 
durchpassirt   war   und  Alles    erledigt    hatte.     Einiges    konnte   nach- 


ELVTKA.  285 

träglich  noch  hinzu  erworben  werden,  und  als  ich  am  Nachmittag 
die  vorige  Strasse  wieder  zurücklegte,  kamen  mir  aus  verschiedenen 
der  Häuser  die  Leute  mit  Alterthümern  entgegen,  die  sie  in  der 
Zwischenzeit  gesammelt  hatten.  Andere  versprachen,  die  ihrigen 
nach  Manisales  zu  bringen.  Noch  vor  Abend  fand  ich  mich  dort, 
und  Wieder  in  meinem  früheren  Zimmer  des  Hotel  Colombia,  wo 
sich  mein  Diener  mit  den  von  ihm  mitgebrechten  Sachen  bereits 
vorfand. 

Nachdem  das  Bisherige  zusammengelegt  und  der  nöthige  Ver- 
packungsapparat aufgetrieben  war,  wurden  einige  Kästen  gefüllt, 
für  deren  theil weisen  Transport  ich  einen  Lastträger  miethete,  auf 
dessen  Rücken  sie  nach  dortigen  Erfahrungen  sicherer  ruhen  würden, 
als  auf  dem  eines  Lastthieres. 

Meine  Maulesel  schienen  sich  etwas  erholt  zu  haben,  obwohl 
nicht  in  dem  Maasse,  wie  es  wünschenswerth  gewesen  wäre.  Doch 
konnte  ihnen  keine  weitere  Müsse  gegönnt  werden,  und  nachdem 
ich  noch  die  fehlenden  für  den  Kistentransport  (ausser  dem  durch 
den  Peon  zu  besorgenden)  hinzugemiethet,  wurde  Alles  für  die 
Weiterreise  vorbereitet. 

Wie  immer  am  ersten  Tage,  verzögerte  sich  der  Aufbruch 
(Dec.  30.),  so  dass  wir  erst  nach  Sonnenaufgang  die  Stadt  verlassen 
konnten,  um  über  wellige  Hügel  den  Alto  del  Ferro  zu  erreichen. 
Von  dort  fanden  wir  uns  in  Waldhügeln,  am  Rande  von  Waldbergen 
und  mit  Waldhöhen  ringsum.  Es  war  uns  gerade  noch  ein  Nieder- 
blick in  ein  grünes  Hügelthal  gegönnt,  als  sich  Wolken  auf  den 
Gipfeln  sammelten  und  Nebel  in  den  Thälern.  Im  Aufsteigen  durch 
das  Waldgebirge  führte  uns  ein  enger  Felsenweg  am  Abgrunde  hin, 
und  unter  vielfachen  Windungen  setzte  sich  der  Ansteig  unter  strömen- 
dem Regen  fort  nach  Elvira,  einem  zur  Zollerhebung  für  den  zu  er- 
bauenden Weg  dort  hingesetzten  Stationshaus,  auf  kalter  Höhe  gelegen 
(des  Alto  de  Arena).  So  gut  es  ging,  wurde  die  Ladung  zusammen- 
gestellt und  Schutz  gegen  den  Regen  (und  die  Kälte)  in  der  Nacht  ge- 
troffen. Bei  dem  gänzlichen  Mangel  an  Futter,  mussten  die  Thiere  leider, 
gegen  meinen  Wunsch,  zum  Weiden  frei  gelassen  werden,  und  ging 
dadurch  am  nächsten  Morgen,  wo  ich  frühzeitigst  aufzubrechen  dachte, 
kostbare  Zeit  durch  das  Suchen  derselben  verloren.  Dass  es  im 
Uebrigen  nichts  für  die  leibliche  Verpflegung  gab,  verstand  sich 
nach  den  bisherigen  Erfahrungen  eigentlich  von  selbst,  obwohl  man 
es  bei  dieser  zum  besonderen  Besten  der  Reisenden,   oder  doch  für 


286  COLUMBIEK. 

ihre  Besteuerung,  angelegten  Station  vielleicht  anders  hätte  erwarten 
können.  Indess  pflegt  das  auf  solchen  Reisen  die  geringste  Sorge 
zu  machen,  da  man  bald  zur  Einsicht  kommt,  dass  es  sich  beim 
Essen  im  Grunde  nur  um  allerlei  Angewohnheiten  handelt,  die,  wenn 
man  sich  dadurch  gebunden  glaubt,  lästig  werden,  die  aber  ebenso 
leicht  und  ohne  Schwierigkeit  abgelegt  werden  können.  Um  dem 
Körper  seinen  Unterhalt  zu  geben,  genügt  weit  weniger,  als  man 
gewöhnlich  meint,  und  das  Benöthigte  wird  meistens  in  der  einen 
oder  anderen  Weise  aus  den  landesüblichen  Nahrungsmitteln  zu 
wählen  sein,  in  den  südamerikanischen  Ländern  am  besten  in  der 
Chocolate.  Davon  lässt  sich  für  Wochen  und  Monate  existiren, 
etwa,  wenn  es  zu  haben  wäre,  unter  Zusatz  in  der  Schaale  gekoch- 
ter Eier,  (da  eine  andere,  und  jede  künstliche,  Bereitung  aus  ver- 
.schiedenen  Gesichtspunkten  bedenklich  ist)  oder  gelegentlich  einer 
Mazamorra,  einer  Art  Maisgrütze,  die  den  Feinschmeckern  freilich 
keine  Variation  bietet,  aber  nahrhaft  ist.  Ich  zog  sie  stets  den  Ge- 
backen oder  sonstigen  Gerichten  vor,  und  auch  bei  uns,  wo  in  Privat- 
häusem  die  Küchen  überA\'acht  werden  mögen,  wäre  eine  genauere  In- 
spection  der  Bäckereien  empfindsamen  Naturen  nicht  anzurathen.  Ich 
beneidete  oft  in  meinen  indischen  Erinnerungen  die  Bramanen,  die 
an  den  Ufern  eines  klaren  Stromes  von  ihren  frisch  gebadeten 
Frauen  oder  Töchtern  den  Reis  frisch  gewaschen  in  frischem  und 
und  reinem  Wasser  in  frisch  gespülten  Töpfen  jedesmal  für  augen- 
blicklichen Gebrauch  zubereitet  erhielten,  und  solche  Erinnerungen 
wirkten  besonders  mächtig  in  dem  Dunkel  schmutziger  Hütten,  wo 
glücklicherA\'eise  diese  Dunkelheit  wenigstens  verbietet,  zu  sehen, 
was  im  Dunkeln  zusammengemischt  wird,  das  Wie  und  das  Worin. 
Doch  ist  es  nicht  gerade  da  am  Schlimmsten,  wo  man  deutliche 
Warnung  erhält,  um  sich  vorsehen  zu  können,  während  unter  schein- 
bar eleganter  Decke  V^ieles  vor  sich  geht,  was  man  besser  nicht 
ausdenkt.  Bei  den  luxuriös  gekünstelten  Mahlzeiten  der  grossen 
Dampfer  (und  so  im  kleinerem  Styl  auf  den  kleinen)  gehört  es  zur 
Etiqette,  dass  bei  jedem  Gang  Teller  und  Besteck  längs  der  ganzen 
Tafel  gewechselt  wird,  und  wenn  man  nicht  wohl  begreifen  kann,  wie 
bei  der  auf  jedem  Schiffe  (besonders  bei  schlechtem  Wetter)  unaus- 
bleiblichen Beschränkung  des  Raumes  und  des  reinen  Wassers,  alle 
diese  Sachen  beständig  gewaschen  und  abgetrocknet  werden,  so 
brauchte  man  nur  an  heissen  Tagen  einen  Blick  auf  die  schweiss- 
triefenden  Kellner  zu  werfen,  die  mit  der  Serviette  auf  dem  Rücken 


RUY2.  287 

• 

jetzt  heimlich  die  Stirn  und  dann  offen  das  Messer  und  die  Gabel 
abwischen.  Hätte  man  die  einmal  bereits  rein  gegessenen  Teller  lieber 
behalten,  so  würde  das  für  sehr  unschicklich  gegolten  haben,  und 
ebenso  beklagte  sich  die  auf  guten  Ton  Anspruch  machende  Klasse  von 
Passagieren  (bei  einer  Fahrt)  über  die  Rücksichtslosigkeit  der  Verwal- 
tung, ihnen  papierne  Servietten  vorzulegen,  obwohl  dieselben  doch 
gewiss  fiir  die  Schiffsverhältnisse  sehr  angemessen  waren,  viel 
hundertmal  reinlicher,  da  immer  neu,  als  die  hundertmal  gewasche- 
nen und  nie  reinen  Leinwand-Servietten. 

In  Ecuador  ist  das  stehende  Gericht  die  Locro  genannte  Kar- 
toffelsuppe, die  der  Chupe  (Zuppa  oder  Suppe)  Peru's  entspricht, 
und  dort  oftmals,  gerade  nicht  für  weitere  Verbesserung,  aus  ge- 
frorenen Kartoffeln  hergestellt  wird.  Dann  bleiben  die  Kleister- 
klumpen um  so  fester  für  den  Geschmack  des  Indianers,  der  in  diesem 
Gericht  überhaupt  nur  im  Wasser  abgekochte  Kartoffeln  sucht  und 
die  Flüssigkeit  der  Wärme  wegen  mitisst.  Rationeller  scheint  die 
fast  durchgängige  Abneigung  gegen  Milch,  da  diese  thierische  Ab- 
sonderung für  den  Magen  des  Erwachsenen  schwerlich  die  in  der 
Diätetik  gerühmten  Vorzüge  besitzt,  jedenfalls  nicht  auf  Reisen. 

Wenn  es  der  Zustand  der  Thiere  erlaubte,  ging  ich  den  ganzen 
Tag  bis  zum  Halt  am  Abend  fort,  nachdem  ich  mir  beim  Aufbruch, 
während  des  Packens,  mit  Brennspiritus  (so  lange  derselbe  währte), 
rasch  eine  Tasse  Caffee  angefertigt  hatte,  und  wenn  meine  Begleiter  nach 
einem  weiteren  Frühstück  verlangten,  so  liess  ich  sie  sich  ihren  Antheil 
aus  demVorrath  in  die  Tasche  stecken,  um  während  des  Marsches 
davon  zu  zehren.  Im  nüchternen  Zustand  erträgt  man  die  Mittags- 
hitze besser    und  kann  sich  dann  vor  dem  Schlafengehen  pflegen. 

Mit  dem  Lastträger  der,  noch  durch  den  Burschen  zu  ordnen- 
den, Maulthierladung  vorangehend,  gelangten  wir  am  nächsten  Morgen 
bei  allmäligem  Anstieg  in  einen  gestrüppartigen  Wald,  mit  knorrigen 
Zwergbäumen,  die  gleich  den  Steinen  mit  einer  Moosdecke  über- 
zogen waren.  Feuchtkalte  Nebel  wogten  in  der  Luft,  mit  gelegent- 
lich sonnigem  Durchblick,  und  der  ganze  Abfall  ringsum  war  mit 
Nebel  gefüllt  wie  durch  einen  herabhängenden  Vorhang,  bei  dessen 
zeitweisem  Zerreissen  das  Schneedach  des  Ruys,  an  dessen  Fusse 
wir  hinritten,  geisterhaft  herüber  grauete. 

Durch  Haidebinsenaufmuldigen  Flächen  (schneeig  und  bereift)  kamen 
wir  auf  moorigen  Grund,  wo  Aeste  zum  brückenartigen  Uebergang,  gelegt 
waren,  und  dann  auf  eine  Moorhaide,  von  welligem  Wald  begrenzt.  So 
waren  wir   über  die  Wasserscheide   zwischen  Cauca  und  Magdalena 


288  COLUMBIEN. 

fortgekommen,  und  erreichten  die  Quebrada  des  Sinca,  ein  Neben- 
fluss  (gleich  a'ndern  Bächen  am  Wege)  des  Aguacatal,  der  zum  Mag- 
dalena fliesst.  Vor  uns  stieg  der  gezackte  Berg  des  Cerro  bravo 
auf  und  wir  ritten  dann  in  einen  Bergkessel  hinein  zwischen  einer 
wunderbar  gestalteten  Scenerie  von  Waldfelsen  in  der  Form  von 
Säulen,  Thürmen,  Wänden  u.  s.  w.  in  der  Quebrada  der  Cajones,  an 
einem  Nebenfluss  des  Guali,  der  in  den  Magdalena« mündet.  Auch  hier 
waren  alle  Bäume  mit  Mooslagen  bekleidet,  wodurch  die  Staffage 
weiter  ausgefüllt  wurde.  Der  mit  dem  Tolima  durch  die  schnee- 
bedeckte Hochebene  des  Herveo  (Erve)  verbundene  Ruyz  beschliesst 
als  letzter  im  Norden  die  Vulcanreihe  der  mittleren  Cordillere  und 
auf  ihn  kommt  Granit  und  Gneiss  zum  Anstehen. 

Der  Peon  war  auf  dem  Wege  zurückgeblieben  und  langte  bei 
der  einzeln  stehenden  Gebirgshütte  der  Cajones,  wo  wir  zum  Füttern 
kurze  Rast  gemacht,  erst  an,  als  wir  bereits  zum  Aufbruch  fertig 
waren,  so  dass  er  für  einige  Ruhe  zurü<;kgelassen  werden  musste, 
um  nachzukommen. 

Durch  einen  Waldweg  (jenseits  der  Quebrada  de  letras)  ritten 
wir  über  Bergrücken  zwischen  Abgründen,  am  Alto  de  Jolumbar, 
und  folgten  einem  gewundenen  Absteig,  der  mit  felsigen  Stellen 
durchbrochen  längs  der  Tiefe  hinlief  Als  der  Abend  herannahte, 
dichtete  der  Nebel  um  uns  her,  und  ich  dachte  deshalb,  als  wir  das 
erste  Haus  am  Wege  erreichten  (des  Morron)  dort  Halt  zu  machen. 
Da  der  beschränkte  Platz  indess  bereits  durch  andere  Reisende  occu- 
pirt  war,  und  uns  der  nächste  Wohnplatz  so  nahe  beschrieben  wurde, 
dass  wir  ihn  mit  den  letzten  Resten  des  Tageslichtes  noch  erreichen 
zu  können  glaubten,  gingen  wir  weiter,  fanden  aber  bald,  dass  wir 
uns  in  den  Entfernungen,  die  stets  in  beliebigster  Weise  angegeben 
werden,  getäuscht  hatten.  Nachdem  die  Sonne  untergegangen  war 
und  der  Nebel  schwerer  geworden,  tappten  wir  aufs  Gerathewohl, 
dem  Instinct  der  Thiere  überiassen,  über  den  holprig  abfallenden 
Weg  dahin,  nur  aus  verschiedenen  Anzeichen  merkend,  dass  wir  uns, 
am  Rande  einer  tiefen  Schlucht  befanden.  Wenn  die  Felswand  auf 
der  anderen  Seite  mitunter  zurücktrat,  hemmte  der  Wald  in  der 
Dunkelheit  jede  Umsicht,  so  dass  wir  zweifelhaft  blieben,  wo  der 
Wohnplatz  gelegen  sei,  oder  ob  wir  ihn  nicht  bereits  passirt  seien. 
Ein  verfallenes  Thür  Gehege  am  Wege  bemerkend,  schickte  ich  den 
Burschen  zum  Orientiren  aus,  doch  kam  er  nach  längerem  Suchen 
mit  der  Nachricht  zurück,  dass  es  sich  nur  um  einen  verlassenen 
Potrero  handle,   und  von   menschlichen  Spuren  nichts  zu  sehen  sei. 


INDIANER-WEGE.  289 

Es  war  bereits  finster,  als  wir  das  einzelne  Haus  von  Biscocho  er- 
reichten, wo  man  indess  bereitwillig  das  Nöthige  fertig  machte,  da- 
mit wir  diese  Sylvesternacht  dort  verbringen  könnten.  Noch  wäh- 
rend derselben  erhielt  ich  durch  einen  des  Weges  kommenden 
Wanderer  die  Nachricht,  dass  mein  Peon  mit  den  Kisten  krank  am 
Wege  liegen  geblieben  sei,  und  galt  es  nun  vor  Allem  durch  Geld- 
angebote einen  an  ihn  abzuschickenden  Gehülfen  zu  finden. 

Am  nächsten  Morgen  war  weder  der  Lastträger  noch  der  Bote 
angekommen,  so  dass  die  Stunden  in  der  Frühe  mit  Warten  ver- 
loren gingen.  Un.ser  Wirth  stammte  aus  Antioquia,  woher  viele  Co- 
lonisten  (auch  die  von  St.  Domingo  und  Soledad)  nach  dem  Staat 
Tolima  gekommen,  in  welchem  wir  uns  (seit  der  Quebrada  de  letras) 
befanden.  Das  Haus  lag  über  einer  steilen  Schlucht  die  (unter  einem 
Blick  auf  jenseitige  Bergwand)  zu  dem  in  der  Tiefe  brausenden 
Aguacatel  hinabfällt. 

Als  der  Peon  anlangte,  war  er  so  abgemattet  und  erschöpft,  dass 
ich  einen  andern  für  den  Weiter- Transport  der  Kisten  zu  engagiren 
hatte,  und  unter  allmähliger  Klärung  der  nassen  Nebelschichten, 
setzten  wir  den  Weg  fort,  der  uns  durch  den  Bergwald  führte,  bald 
an  einer,  und  mitunter  auch  an  beiden  Seiten  durch  eine  Schlucht 
begleitet  Nach  vielfachem  Auf  und  Nieder  erreichten  wir  Sole, 
dad  auf  einem  Bergabfall,  zu  dem  weissgraue  Nebel  aus  den  Thälern 
emporstiegen.  Wir  ritten  rasch  hindurch,  hatten  aber  ausserhalb 
längere  Zeit  zu  warten,  da  der  neue  Peon  auf  dem  dort  gerade  ab- 
gehaltenen Markt  allerlei  Geschäfte  abmachen  zu  müssen  glaubte. 
Im  Absteig  durch  Bergwald  gelangten  wir  in  das  enge  Xhal  des 
Guali ,  von  hohen  Waldbergen  umzogen,  und  passirten  über  eine 
Brücke.  Beim  steilen  Aufsteig  hatten  wir  einen  Rückblick  auf  die 
Bergwaldthälcr  des  Guali,  und  jenseits  der  Höhe  lag  auf  einer  Fläche 
St.  Domingo,  wo  uns  die  Erschöpfung  der  Thiere,  von  denen  der 
die  Kisten  tragende  Maulesel  bereits  einen  für  den  Inhalt  gefährlichen 
Sturz  gethan  hatte,  am  Nachmittage  schon  zum  Bleiben  zwang. 

Von  einer  Hügelspitze  hinter  dem  Hause,  worin  ich  mich  ein- 
quartiert hatte ,  blickte  man  längs  der  Vorberge  des  von  dem  neblig 
umhüllten  Ruyz  herumgezogenen  Cafton  des  Guali  durch  eine,  auf  der 
andern  Seite  vom  Cerro  de  Caisales  geschlossene,  Oeffnung  in  die 
fernen  Ebenen  des  Magdalena  und  auf  die  Höhen  von  Gaduas  jen- 
seits. An  der  Seite  des  Hügels  markirte  sich  aus  demselben  abge- 
schnitten ein  alter  Indianer- Weg,  der  von  den  Höhen  vom  Ruyz  (und 
weiter  vom   Cauca  herkommen    und    in    seinem  Fortgehen  bis    zum 

Bastian:  America.  I-  1«^ 


29i)  COLUMHIEX. 

Cerro  de  Carrisales  verfolgbar  sein  soll.  Cieza  de  Leon  erwähnt 
alter  Strassen,  die  von  dem  Thal  von  Abura  für  Handelsverbindun- 
gen  nach  Osten  gegangen  seien,  und  in  den  mit  Anbau  bedeckten 
Hügeln  von  Picara  (zwischen  Pacora  und  Cartago)  war  jenseits  der 
östlichen  Cordillere  das  fruchtbare  Thal  von  Arbi  durch  den  Ver- 
kehr bekannt. 

Im  Paramo  St  Isabel  trifft  man  tief  eingeschnittene  Canalones, 
als  alte  Pfade  der  Indianer,  wie  sie  auch  vomQuindiu  zumCauca  führen, 
und  werden  jene  von  der  Volk.ssage  der  Donna  Maria  la  Parda  zuge- 
schrieben, der  traditionellen  Erbauerin  der  Kathedrale  von  Bogota,  die 
in  einer  Kutsche  fahrend,  mit  solchem  Reichthum  der  Heerden  ge- 
rei.s't,  dass  beim  einmaligen  Durchzug  sich  die  Wege  öffneten,  die 
besonders  in  der  Richtung  auf  Salados  (zur  Salzgewinnung)  und  den 
Minen  (mit  Metallgruben)  kenntlich  sind.  In  der  Cordillere  zwischen 
Manisales  und  Honda  gelten  die  Linien  der  alten  Wege  durch  die 
Indianer  eingetreten.  Ausserdem  finden  sich  solch  alte  Wege  (tief 
eingeschnittener  Canalones)  auf  dem  Paramo  del  Ruyz  (am  Wege 
von  Manizales  nach  Ambalema),  auf  dem  Paramo  del  Herveo  (am 
Wege  von  Salamina  nach  Honda),  und  auf  dem  Paramo  von  Agua- 
catal  von  Soledad  über  Fresno  (statt  über  St.  Domingo)  nach  St.  Ana 
(und  Honda).  Am  Alto  de  Carisales  (zwischen  St.  Domingo  und 
St.  Ana)  haben  sich  Spuren  alter  Wege  (die  jetzigen  kreuzend)  er- 
halten. Bei  Tamesas  (jenseits  des  Cauca)  finden  sich  Reste  in  Fels 
gehauener  Wege.  Die  Canalones  auf  der  hohen  Cordillere  beim  Salado 
der  Hacienda  de  Paila,  (von  Palomina,  der  sie  mit  demGelde  der  Indianer 
gekauft,  auf  seinen  Mayordomo,  den  Colorado  Caicedo  übergegangen), 
werden  (in  neugebildeter  Sage)  derDoftaLuisaP2spada  zugeschrieben,  die 
vom  Choco  gekommen,  um  ihren  Gefährten  Palomina  zu  suchen.  In 
der  Nähe  des  Salado  findet  sich  ein  in  der  Ferne  glänzender  (aber 
beim  Näherkommen  verschwindender)  Fels,  unter  welchem  Palomina 
seine  Schätze  (als  die  der  Indianer)  vergraben  haben  soll.  Am  PMusse 
Hotun  bei  Cartago  viejo  treffen  sich  Canellones  der  Indianer  in  der 
Richtung  des  Paramo  von  St.  Isabel  nach  Anserma.  Auf  der  Höhe 
von  Cartago  viejo  erkennen  sich  die  Spuren  alter  Niederlassung 
durch  die  Reihen  der  Trümmer  und  Reste  der  dorthin  führenden 
Wege.  Die  Umgebung  von  San  Agostin  zeigt  die  Spuren  alter  Be- 
ackerung und  gezogener  Gräben  in  der  Nähe  der  Ruinen.  Bei  Bo- 
gota fanden  sich  Reste  alter  Strassen  (1729),  que  iban  a  Subya,  Chia 
y  Tenjo,  y  otros  en  el  Nuevo  Reino,  que  parecian  calgadas  (Gar- 
cia).   Als  die  Spanier  zuerst  bei  Opon  auf  das  Hochland  gelangten, 


SANTA   ANA.  21)1 

„toparon  muchos  caminos  quc  atravesaban  de  unas  partes    a  otras" 
(Oviedo). 

Am  nächsten  Morgen  (Januar  2.)  waren  wir  früh  auf  den  Beinen, 
und  ritten  über  den  Sattel  zwischen  Waldhöhen,  durch  seitliche  Oeflf- 
nungen  zwischen  den  Bäumen  zurückblickend,  wo  der  Rio  Bomilla 
seine  Wasser  zum  Magdalena  abführt  und  jenseits  der  Schlucht  des 
Guali  die  breite  Schneewand  des  Ruys  mit  weissem  Glanz  auf  gelbem 
Felsen  lagert,  die  auf  ihren  im  Waldesgrün  dunkelnden  Vorbergen 
ruhen.  Der  Weg  ging  zur  Quebrada  de  Vejuco  hinab,  und  wieder 
aufwärts,  wo  mitunter  über  tiefe  Abgründe  geworfene  Baumstämme 
einen  glitschrigen  Pfad  bildeten,  an  kurzen  Wendungen  auf  schmalem 
Räume  mit  keiner  oder  eingefallener  Brüstung. 

Beim  Fortgang  zum  Cerro  Carrisales  sprach  ich  an  einem  ab- 
seits gelegenen  Hause  vor,  wo  man  mir  die  alte  Strasse  der  Indianer 
zeigte,  welche  den  jetzigen  Weg  schneidet,  und  sich  durch  den  Wald 
verfolgen  lässt.  Mit  einem  Blick  auf  welliges  Waldland  ritten  wir 
über  schmale  Bergsattel  mit  abfallenden  Waldschluchten,  hinter  denen 
Hochgebirge  anstanden.  Als  die  Höhe  erreicht  war,  schaute  man 
über  die  Vorberge  auf  welliges  Waldland  herab,  das  unter  phantastisch 
hervorstehenden  Formgestaltungen  der  Gesteine  zur  Ebene  des  mäch- 
tigen Magdalena  fortrollt  und  sich  dort  in  dem  Sonnenbrand  der  weiten 
Fläche  aufzulösen  schien.  Zum  Cerro  de  ovejas  hinabkommend,  übersahen 
wir  jenseits  des  waldigen  Vorlandes  eine  offene  Gegend  mit  Fels- 
höhen, hinter  denen  der  Magdalena  fliesst,  während  sich  in  der  Ferne 
bis  zum  Quindiu  hohe  Gebirge  unter  ihrer  Nebeldecke  erheben. 

Nach  kurzer  Rast  zur  Fütterung  ritten  wir  in  Waldbergen  weiter 
auf  engem  Weg,  durch  tiefe  Schluchten  gewunden.  An  dem  Stations- 
haus zur  Revision  des  Wegegeldes  erkannten  wir  auf  der  andern 
Seite  des  Guali  den  Minenplatz  Fresno.  Nach  manchem  Auf  und 
Nieder  auf  Wegen,  die  durch  Viehthore  gesperrt  waren,  gelangten 
wir  auf  buschig  offene  Hügel  mit  einem  Niederblick  in  angebaute 
Thalsenkungen.  Von  der  Höhe  übersah  man  eine  weite  Ausdehnung 
flacher  Berge,  die  in  sanften  Absenkungen  zum  Thal  des  durch  vor- 
stehende Felsreihen  verborgenen  Magdalena  abfallen,  in  dessen 
Fläche  sich  stellenweis  braune  Savannen  ausbreiten,  während  jenseits 
eine  hohe  Cordillere  aufsteigt,  hinter  verschiedentlich  gestalteten 
Bergreihen.  Das  auf  einer  Hügelfläche  gelegene  Santa-Ana  wurde 
bei  weiterm  Absteig  gegen  Abend  erreicht,  und  ein  Kaufmann  räumte 
uns  einen  Theil  seines  ausserhalb  der  Stadt  (neben  dem  Potrero  für 

die  Thiere)  gelegenen  Waarenmagazins  aus,  damit  wir  darin  hausen 

19* 


292  rOLUMBTEN. 

und,  so  gut  es  ging,  für  die  Nacht  wohnlich  einrichten  konnten.  Als 
ich  mich  zum  Essen  in  einer  Fonda  nach  dem  Flecken  begab,  lernte  ich 
dort  den  englischen  Minenbesitzer,  Herrn  Powers,  kennen,  der  mir  in 
seinem  Hause  eine  kleine  Sammlung  von  Alterthümem  zeigte,  für 
die  er  sowohl,  wie  seine  Frau,  ein  anerkennenswerthes  Interesse 
besitzt. 

Bald  nach  Mitternacht  weckte  ich  meine  Leute,  aber  eins  der 
Maulthiere  hatte  sich  in  der  Manga  verlaufen,  und  konnte  erst  bei 
Anbruch  des  Tageslichtes  gefunden  werden.  Gleichzeitig  machte 
sich  ein  prasselndes  Donnergerausch  aus  der  Ferne  hörbar,  der 
Niedersturz  eines  Regensturmes  in  dem  Walde,  und  obwohl  wir  noch 
trocken  packen  und  autbrechen  konnten,  waren  wir  doch  bald  am 
Wege  von  demselben  erreicht.  Durch  gebrochenes  Terrain  ging  es 
vorwärts,  buschig  bewaldet  mit  Anbau,  und  dann  über  einen  Fels- 
grat abwärts  zu  dem  in  den  Magdalena  fliessenden  Guamo,  dessen 
geschwollene  Wasser  in  der  Fürth  bis  über  den  Steigbügel  reichten. 
Wir  ritten  über  eine  Binsen-Ebene  zwischen  flachen  Hügelhöhen, 
Buschwaldung  mit  Anbau  tragend,  zu  einer  gezackten  Felsreihe  hin, 
mit  sparsamem  Grün.  Nach  venschiedentlichem  Durchwaten  des 
Guamo  in  seinen  Windungen,  rasteten  wir  in  dem  Weghause  La 
Guardia,  wo  sich  die  Strasse  nach  Mariquita  abzweigt. 

Dieser  unter  dem  Namen  San  Sebastian  del  Oro  im  Lande  des 
Häuptlings  Marqueta  durch  Francisco  Pedroso  (1550)  gegründete 
und  im  Jahre  1553  nach  der  Ebene  von  Guali  verlegte  Ort  (der 
Begräbnissplatz  Ximenez  de  Quesada's)  war  einst  durch  den  Reichthum 
seiner  Goldgruben  (wie  Santa  Ana  durch  Silberminen)  ein  weit  be- 
rühmter. Jetzt  soll  er  sich  im  tiefen  Verfall  befinden  und  schon  im 
vorigen  Jahrhundert  wird  bemerkt:  „Ha  vcnido  a  mucha  decadcncia 
ja  ciudad,  que  cra  antes  la  mas  opulenta  y  de  mas  riqueza,  quo 
habia  en  el  reyno". 

Am  Mittag  ritten  wir  über  eine  in  hcisser  Sonncngluth  brennende 
P^l)ene,  von  sanft  abfallenden  Höhenreihen  auf  der  einen,  von 
phantastisch  gezackten  Felsgipfeln  auf  der  andern  Seite  umgeben, 
mit  spärlichen  Streifen  von  Buschland.  Ohne  Schutz  gegen  die  ab- 
prallenden Strahlen  streckte  sich  die  Weite  der  offenen  Savannen 
zwischen  zwei  Hügelketten  bei  der  Quebrada  Badillo,  und  in  wun- 
derbar seltsamen  Formen  zauberten  sich  aus  den  Felsen  Thürme, 
Kuppen  und  Festungen  hervor,  mit  senkrechten  Mauern  abfallend, 
oder  im  zackigen  Zinnenkranz  emporstarrend. 

Bei  spärlicher  Buschvegetation  führte  uns  ein  steiniger  Sandweg 


HONDA.  293 

durch  das  verdorrte  Gestrüpp.  Zwischen  zwei  gegen  einander  ge 
schobenen  Felsreihen  liegt  vor  dem  dahinter  erhobenen  Hochgebirge 
in  der  Tiefe  Honda  (San  Bartolom^  de  Honda),  während  seitlich 
eine  Barranca  klafft,  in  deren  Mitte  der  Guali  strömt. 

Am  Nachmittag  hatten  wir  uns  in  dem  Hotel  von  Honda  instal- 
lirt  und  ging  ich  über  die  Brücke  des  Guali,  um  ausserhalb  der  Stadt 
einen  passenden  Platz  zum  Baden  aufzufinden.  Der  Guali  rauscht 
über  Kicslager  zwischen  felsigen  Ufern  zu  seiner  Confluenz  mit  dem 
Magdalena,  dessen  breiter  Wasserstreif  an  einem  terrassenartigen 
Vorsprung,  unter  der  Felshöhe  des  Ufers,  aus  den  Bergen  her- 
vortritt. 

An  der  Wirthstafcl  in  Honda  lernte  ich  den  schon  seit  längerer 
Zeit  dort  ansässigen  Deutschen,  Herrn  Weckbecker,  kennen,  der  mir 
freundlich  seine  Unterstützung  anbot,  um  die  mitgebrachten  Kisten  nach 
Europa  zu  befördern,  da  gerade  an  dem  Landungsplatz  Bodegas 
(unterhalb  Honda)  ein  Dampf boot  für  die  Thalfahrt  nach  Baranquilla 
fertig  lag. 

W^ir  ritten  so  am  andern  Morgen  auf  ebenem  Wege  am  Ufer 
hin  nach  dem  Landungsplatz,  wo  der,  auf  dem  andern  Ufer  sichtbaren 
Station  Bodegas  gegenüber,  der  Dampfer  Bolivar  im  Flusse  lag,  und  der 
Capitän  Duncan  sagte  mir  freundlichst  vorsichtige  Behandlung  der 
übernommenen  Kisten  zu,  deren  Einschiffung  ich  dann  überwachte. 
Von  Herrn  Treffrey  in  Honda,  einem  Engländer,  der  viele  Jahre 
hindurch  an  verschiedenen  der  dortigen  Minenplätzen  betheiligt  war, 
erhielt  ich  verschiedentliche  Auskunft  über  die  zu  Zeiten  von  ihm  ge- 
sammelten Alterthümer. 

Herr  Weckbecker  hatte  den  Versuch  gemacht,  den  Magdalena 
oberhalb  Honda,  das  eigentlich  als  das  Ende  der  Beschiffung  gilt, 
befahren  zu  lassen,  und  ein  kleines  Dampfboot  war  in  der  That  bis 
Neiva  gelangt,  freilich  nicht  ohne  Ueberwindung  vieler  Schwierig- 
keiten. Bei  meinem  zweiten  Besuche  in  Honda  war  das  Dampfboot 
(Feldmarschall  Moltke)  gerade  von  Neyva  zurückgekehrt  und  lag 
oberhalb  der  Wasserschnelle,  die  es  im  Beisein  der  für  dieses  Schau- 
spiel versammelten  Bewohnerschaft  glücklich  passirte,  um  dann  bei 
der  Bodega  anzulegen.  Als  die  drei  Eroberer,  Quesada,  Benal- 
cazar  und  Federmann  von  Bogota  an  den  spanischen  Hof  zu  reisen 
beschlossen,  begaben  sie  sich  über  Anapoyma  und  Tocayma  nach 
Guataqui  (im  Lande  der  Panches),  wo  die  Brigantinen  gebaut  waren, 
und  schifften  sich  dort  ein.  Als  sie  auf  ihrer  Fahrt  durch  das  Ge- 
räusch   des    Falles    von    der  Verengung    bei    Honda    benachrichtigt 


•^M  CilLlMBIKX. 

wurden,  lit-ssLn  sie  das  Gepäck  über  Land  schatten,  bis  sie  auf  der 
keine  weiteren  Hindernisse  bietenden  Stelle,  die  zur  Anlage  des 
künftigen  Hafen's  bestimmt  wurde,  die  Wasserfahrt  fortsetzten.  Die 
Hohe  Hondas  betragt  (nach  Boussingault)  636  Fuss. 

Mein  Bursche  hatte  zwar  gern  die  abgemagerten  Thiere  sich  einige 
Tage  im  Klee  von  Honda  auffüttern  lassen,  aber  ein  solcher  Reich- 
thum  von  Zeit  stand  mir  nicht  zur  Verfugung  und  ging  es  am 
Januar  6.  wieder  fort.  Gleich  ausserhalb  der  Stadt  hatten  wir  die 
Quebrada  seca  zu  passircn,  die  trotz  ihres  Namens  voll  Wasser  stand. 
Mein  Bursche,  der  für  die  Bergwcgc  Antioquia's  das  Fussgchcn  vor- 
gewogen hatte  und  auch  hier  noch,  um  seinen  Gehalt  zu  verbessern, 
auf  das  Reiten  verzichtete,  wollte  sie  auf  dem  Lastthier  passircn,  fiel 
aber  mitten  drin  ins  Wasser  hinein,  was  ihn  in  Folge  des  Gelächters  der 
Zusehenden  in  eine  so  ärgerliche  Laune  setzte,  dass  er  bald  darauf 
mit  den  Wegebeamten  in  Streit  gerieth,  den  ich  zu  schlichten  hatte. 
Am  Ufer  des  Magdalena  waren  die  Thiere  abzupacken,  um  neben 
dem  Canoe  übergeschwemmt  zu  werden,  und  an  der  andern  Seite 
Wurden  sie  dann  aufs  Neue  bepackt. 

DerWeg  führt  Anfangs  längs  desMagdalena  hin,  der  dort  zwischen 
gen  fliesst,  mit  theilweis  steilem  Abfall,    und  steigt  dann  auf  buschi- 
Bergcn  Hügeln  an,  mit  Rückblick  durch  den  Wald  auf  die  Bergländer 
jenseits  des  Magdalena.    Im  allmähligen  Ansteigen,  mit  dem  Blumen- 
baum der  Mataraton  am  Wege  blühend,  gelangten  wir  nach  der  Ha- 
cienda  Las  Cruces,  gerade  um  die  Mittagszeit,  wo  eine  Rast,  beson- 
Thiere,  wünschenswerth  war.    Auf  unser  Anfragen  nach 
lie  Thür  indess  geschlossen,    und  wurde  uns  notificirt, 
ilie  des  Hausherrn    abwesend   sei  und   es  Nichts   gäbe, 
impfang  war  an  sich  kein  ungewöhnlicher,  doch  schien 
smaligen  Falle  nicht  angebracht,  da  auf  diesem  frcquen- 
von   dem  Ausschitfungsplatz  Honda    nach    der    Haupt- 
ntische Hacienda  Las  Cruces  von  den  Baedeckern    des 
>liche  Raststation   angegeben  war,  und  so  Hess  ich  mich 
/eiteres   abweisen.      Nach    einigen    Intriguen    mit   dem 
lal,  dessen  weibliche  Schwächen  mein  Bursche  herauszu- 
erreichten  wir  schliesslich  auch  das  Gewünschte,   und 
igleich  möglich,  mich  der  prächtigen  Aussicht  zu  freuen, 
der  am  Abfall  gelegenen  Gartenbrüstung  der  Hacienda 
eiten  Hinblick  überschaute  man,  in  der  Tiefe  unten,  den 
gdalena,    von    neblig    fernen  Hochgebirgen    durch    die 
äsend,  bis  die  von  den  Seiten   begleitenden  Berge  sich 


MAGDAT.EXA.  295 

ZU  der  Verengung  bei  Honda  zusammendrängten,  und  jenseits  stan- 
den vielfach  gestaltete  Höhenreihen  hervor. 

Wir  setzten  dann  den  Aufsteig  am  Bergabhang  fort,  und  auf  der 
grösseren  Erhebung  goss  sich  das  Bild  in  einen  neuen  Rahmen,  in- 
dem wir  über  herabwallende  Bergwellen  auf  das  flache  Thal  des 
Magdalena  blickten,  mit  niedrig  geöffneten  Bergreihen  an  der  anderen 
Seite,  bis  zu  dem,  im  Nebel  dunkelnden,  Hochgebirge,  wo  an  klaren 
Tagen  der  Schnee  des  Tolima  sichtbar  ist. 

Der  Weg  von  Honda  bis  Bogota,  der  (obwohl  nach  der  Haupt- 
stadt des  Landes  führend)  in  fast  300jährigem  friedlichen  Besitz  ein 
, »blosser  Wasserriss"  geblieben  war,  eine  ,, Kluft",  in  der  bisweilen 
nicht  zwei  Maulthiere  sich  begegnen  konnten,  entstand  rasch,  (wie 
Humboldt  bemerkt)  während  eines  blutigen  Bürgerkrieges,  denn  „als 
die  Spanier  wieder  auf  einige  Zeit  in  den  Besitz  von  Neu-Granada 
kamen,  liessen  sie,  um  die  militärische  Communication  zu  erleichtern 
und  in  Folge  einer  grausamen  politischen  Reaction,  den  Weg  von 
Honda  nach  Bogota  durch  Sträflinge  aus  der  republicanischen  Parthei 
enveitern  und  ausbessern"  (1816). 

Jenseits  des  Alto  del  Salto  ^)  ritten  wir  durch  ein  gezacktes  Fels- 
thor und  schauten  dann  nieder  in  ein  wellig  gebrochenes  Thal  mit  dem 
Flecken  Gaduas  am  Fusse  der  jenseits  schliessenden  Bergkette,  dessen 
Anblick  indess  bei  der  nächsten  Windung  wieder  verschwand.  Der 
Weg  schlängelte  sich  auf  Hügelpfaden  durch  eine  parkartige  Garten- 
gegend, deren  nicht  geringste  Empfehlung  in  der  Stille  und  Menschen- 
leere lag.  Die  ungestörte  Meditation,  mit  dem  beständigen  Wechsel 
neuer  Anregungen  aus  der  geographischen  Umgebung  auf  einem 
historischen  Hintergrund,  bildet  den  höchsten.  Genuss  solcher  Reisen, 
unter  gleichzeitiger  Befreiung  von  voreilig  unreifen  Fragern  und 
nothgedrungen  frühzeitiger  Antwort,  wie  es  im  täglichen  Verkehr 
bedingt  liegt. 

Beim  Niedersteigen  gelangten  wir  in  die  Ebene  des  Flusses 
Guadelal,  ein  Nebenfluss  des  Rio  Negro,  der  in  den  Magdalena  fällt. 


')  Die  Höhe  des  Alto  de  Sargenio  wini  angegeben  auf:  1676,1  Meter  (nach  Hum- 
boldt), 1372.9  Meter  (nach  Lewy),  1401,2  M.  (nach  Mosquera);  die  des  Alto  del  Trigo 
auf:  1943,3  M.  (nach  Lewy),  1871,1  M.  (nach  Mosquera);  des  Alto  de  Roble  auf: 
2763,46  M.  (nach  Humboldt),  2767,9  M.  (nach  Lewy);  dann  Facatativa  zu:  2630  M. 
(nach  Lewy),  2590  M.  (nach  Mosquera);  femer  Villeta  zu:  1083,6  M.  (nach  Humboldt), 
837,5  M.  (nach  Lewy),  790,83  M.  (nach  Mosquera),  839  M.  (nach  Perez)  und  Gaduas 
zu:  1149,9  M.  (nach  Humboldt),  1008,6  M.  (nach  Mosquera),  995,7  M.  (nach  Lewy), 
1026  M.  (nach  Perez). 


2V)()  COLI  MBIEN. 

und  verbrachten,  im  Angesicht  von  Gaduas,  die  Nacht  in  einem 
Hause  in  der  Nähe  der  Brücke,  da  es  für  die  Fütterung  der  Thiere 
vortheihaft  geachtet  wurde,  ausserhalb  der  Stadt  zu  bleiben.  Allzu 
häufig  mochte  solche  Vorliebe  für  das  Landleben  dort  nicht  sein, 
denn  nach  der  Rechnung^),  die  mir  mein  Hauswirth,  oder  vielmehr 
die  Frau  Hauswirthin,  am  nächsten  Morgen  präsentirte,  schien  sie 
sich  durch  den  Einen  Reisenden,  der  bei  ihr  hängen  geblieben  war, 
für  alle  die  übrigen  entschädigen  zu  wollen,  die  vorbei  zu  ziehen 
pflegten. 

Gaduas  führt  den  Namen  von  der  den  Bambus  ersetzenden 
Gaduas  latifolia  (Bambusa  latifolia  y  Gadua),  die  in  ihren  Wachsthum 
weite  Strecken  zu  bedecken  pflegt.  Die  Seltenheit  der  Blüthe  hat 
Mutis  diese  niemals  und  Caldas  nur  ein  oder  zwei  Mal  finden  lassen. 
Holton  war  glücklicher,  übersieht  indess,  indem  er  sich  für  den  allein 
so  bevorzugten  Botaniker  hält,  dass  sie  von  Humboldt  bereits  am 
Casiquiare  und  im  Caucathal  angetroff'en  war. 

Beim  frühen  Aufbruch  ritten  wir  durch  die  leeren  Strassen  von 
Gaduas,  während  die  Stadt  noch  im  Schlafe  lag,  und  begannen  auf 
der  andern  Seite  die  Höhe  zu  ersteigen.  Nachdem  sich  der  Weg 
in  eine  Schlucht  nieder  gewandt,  erhob  er  sich  aufs  Neue,  während 
aus  den  Thälern  unter  uns  Nebel  emporstiegen.  An  der  Seite  des 
Berges  blickten  wir  in  ein  hügelig  gebroches  Thal,  von  dunkelen 
Hochgebirgen  eingeengt.  Jenseits  der  Quebrada  San  Pedro  über- 
schritten wir  einen  Hügelvorsprung  und  sahen  dann  in  der  Tiefe  das 
schmal  eingeengte  Thal  von  Villeta  vor  uns,  am  Fusse  hoher  Berg- 
züge, einst  der  Sitz  der  mit  den  wilden  Panches  grenzenden  Colimas 
(Verwandte  der  Muzos). 

Bald  waren  wir  unten  und  fanden  in  der  Restauration  des  Hotels 
einen  weiss  gedeckten  Tisch,  mit  Couverts  und  Zubehör  belegt. 
Auch  Weinflaschen  standen  umher,  halbe  und  gan2e,  die  indess,  trotz 
der  zierlichen  Etiquetten  berühmter  Bordeaux-Firmen ,  lieber  unbe- 
rührt gelassen  wurden,  nicht  nur  des  Preises  wegen,  sondern  auch 
bei  den  Zweifeln  über  einen  für  den  Export  präparirten  Inhalt. 


')  Squier  beschreibt  sein  Nachtlager  in  Chuluncayani  auf  der  nackten  Erde  (innocent 
uf  briish  or  broom)  mit  Futter  für  die  Maullhicre,  sowie  Chupe  (Kartoffelsuppe)  und  zwei 
Kücken  mit  einer  Flasche  Brandy  zum  Nachtessen,  ,,for  which  our  enterprisinjj  host  char- 
{;cd  me  sixty-four  dollars.  There  was  no  charge  for  bedding  and  lights,  for  these  we 
supplied  ourselves".  Dafür  war  indess  die  Kartoffelsuppe  auch  weniger  dünn  als  gewöhn- 
lich, und  den  Brandy  würde  man  anderswo  für  keinen  Preis  haben  kaufen  können,  weil 
überhaupt  nicht  vorhanden. 


FACATATIVA.  21)7 

Am  Nachmittag  zogen  wir  durch  die  Ebene  am  Fluss  Samakotc, 
der,  da  die  Brücke  zerbrochen  war,  in  einer  Fürth  gekreuzt  wurde. 
Beim  Aufsteig  an  buschigen  Höhen  gelangten  wir  vom  Alto  de  Sa- 
litre,  mit  Hinblick  auf  schluchtenzerklüftete  Berge,  zum  Alto  de  Gasan 
und  dann,  auf  dem  Kamm  Bergkuppen  übersteigend,  nach  Agua  larga, 
wo  wir  in  der  Bodega  Aufnahme  fanden,  unter  einem  Gewirr  von 
Lastthieren  und  Karren,  da  sich  hier  der  Terminus  (oder  der  Anfang) 
der  Fahrstrasse  von  Bogota  findet.  Bis  dahin  hatten  wir  auf  dem 
Wege  von  Honda  herauf  noch  mehrfach  Lastträger  angetroffen, 
Männer  und  Frauen,  keuchend  unter  ihren  Lasten,  die  der  Gebrech: 
lichkeit  oder  ihres  Umfanges  wegen  nicht  auf  den  Rücken  von 
Thieren  transportirt  werden  konnten.  Grössere  Möbelstücke  für  Bo- 
gota, Piano,  Spiegel  u.  s.  w.  erfordern  stets  einen  ganzen  Gang 
von  Arbeitern  zur  Fortschaffung. 

Beim  Aufbruch  am  nächsten  Morgen  folgten  wir  den  Empor- 
windungen der  Fahrstrasse,  verliessen  sie  aber  für  einen  kürzeren 
Durchschnitt,  um  erst  später  darauf  zurückzukehren.  Vor  uns  stieg 
im  schroffen  und  mächtigen  Abfall  die  auf  ihren  Böschungen  mit 
Wald  bekleidete  Felswand  des  Ccrradero  auf,  gleichsam  als  Pfeiler- 
stützen  des  Plateaubecken,  die  (bei  dem  Durchbruch  nach  der  ande- 
ren Seite)  abgeflossenen  Seen  tragend.  Unter  allmähligem  Aufstei- 
gen zogen  wir  über  grüne  Hügelwellenrücken  mit  Busch,  und  beim 
Herauswinden  des  Weges  nach  Abwärts,  sieht  man  die  weite  P'läche 
der  Sabana  von  Bogota  vor  sich,  mit  vereinzelten  Höhen,  zwischen 
welchen  Facatativa  liegt.  Nebel  verhüllten  die  weitere  Aussicht, 
während  uns  ein  ebener  Weg  über  die  Bodega  Mazanas  nach  Faca- 
tativa brachte,  in  das  Hotel  Cordova. 

Mit  einem  Führer  begab  ich  mich  nach  dem  Cerro  de  las  Cuevas,  um 
die  Piedras  pintadas  zu  suchen,  an  dem  Abhang  umher  liegende  Fels- 
blöcke, auf  denen  mit  rother  Farbe  die  verschiedenen  Figurenzeichen 
aufgemalt  sind.  Mitunter  werden  durch  Ueberhang  Höhlen  gebildet 
(in  dem  hier  vorwaltenden  Sandstein),  und  auf  einem  der  Steine  findet 
sich  eine  tiefe  Wasserkufe.  Von  der  Höhe  blickt  man  über  die  freie 
Ebene,  bis  der  ferne  Horizont  von  den  Bergen  Montserrat  und  Gua- 
delupe,  an  deren  Fusse  Bogota  liegt,  geschlossen  wird.  Jenseits  des 
Flusses  von  F'acatativa,  ein  Nebenfluss  des  Bogota  (der  in  den  Magdalena 
mündet),  finden  sich  auf  dem  Cerro  de  animas  umhergestreute  Fels- 
blöcke, und  einer  derselben  (mit  einer  Wasserkufc  und  abgleitender 
Aushöhlung  auf  der  Oberfläche)  zeigte  an  verschiedenen  Stellen 
Spuren    rother  F'arbe    (von  ausgeriebenen  Figuren).     Eine    daneben 


298  COIA'MHIEN. 

gebaute  Hütte  war  von  den  Bewohnern  verlassen  worden,  da  sie 
durch  unterirdische  Getöse  geschreckt  wurden,  die  sich,  trotz  der  dort 
eingekratzten  Kreuze,  nicht  hatten  bannen  lassen.  Vielleicht  die  ruhe- 
losen Seelen,  von  denen  der  Cerro  den  Namen  hat.  Das  von  India- 
nern verwandte  Roth  aus  Bixa"(s.  Piedrahita)  wurde  im  Anfang  der 
Conquista  auch  von  den  Spaniern  zum  Schreiben  der  Briefe  benutzt, 
wie  bei  dem  von  I^zaro  Fönte  aus  Pasto  an  Quesada  gesandten. 
Der  letzte  Zipa  flüchtete  vor  den  Spaniern  nach  Facatativa,  wo  neben 
der  dortigen  Grenzfestung  seine  Spuren  verloren  gingen,  bis  man  die 
.halbver\veste  Leiche  später  in  einem  Dickicht  fand. 

Von  Facatativa  kann  man  sich  die  Bequemlichkeit  einer  Dili- 
gence  bis  zur  Hauptstadt  gewähren,  doch  kam  es  mir  schliesslich,  für 
diesen  einen  Tag  mehr,  nicht  darauf  an,  zumal  ein  solcher  im  Lande 
ungewohnter  Luxus  auch  mit  etwas  ungewöhnlichen  Preisen  zu  er- 
kaufen ist. 

Wir  sattelten  deshalb  und  packten  am  nächsten  Morgen  mit  der 
Sonne,  und  störenderweise  auch  mit  dem  Regen,  der  uns  den  Vor- 
mittag hindurch  begleitete.  Auf  der  angebauten  Ebene,  von  kahlen 
Höhen  eingefasst,  erreichten  wir  Quatro  Esquinas,  wo  sich  vier 
Strassen  kreuzen,  die  von  Mesa  nach  Funza,  der  alten  Hauptstadt 
des  Zipa,  und  die  von  Facatativa  nach  Bogota. 

Von  dort  ging  der  Weg  auf  sumpfigen  Wiesen  (dem  Rückstand 
der  entleerten  Seen  in  der  Erniedrigung  der  Mitte)  zwischen  Feldern 
zum  Rio  del  Puente  Grande,  und  hier  begann  man  Bogota  deutlicher  am 
Fuss  dunkler  Berge  zu  erkennen.  Durch  Anbau  mit  Häusern  passir- 
ten  wir  die  Lagune  von  Fontibon,  mit  dem  Blick  auf  Bogota,  das 
sich  der  Bergreihe  angelagert,  hin-  und  hinaufzieht.  Ein  mit  Bäumen 
eingefasster  Weg  führte  uns  dann  zur  Hauptstadt,  wo  ich  im  Hotel 
frances  abstieg,  aber  auf  die  freundliche  Einladung  des  deutschen 
Ministerresidenten,  Herrn  von  Gramatzki,  am  nächsten  Tage  nach 
seiner  Wohnung  umzog. 

**  Durch  den  Gesandtschaftssecretair,  Herrn  Harassowitz,  war  ich 
bald  über  die  Verhältnisse  in  Bogota,  sowie  die  dortigen  Samm- 
lungen orientirt,  und  konnte  den  Ankauf  der  grössten  derselben,  Herrn 
Gonzalo  Ramos  gehörig,  effectuiren. 

Mehrfach  fand  man  in  den  Gräbern  der  Chibchas^)  Mumien  mit 


*)  En  una  historia  del  Orden  de  Santo  Domingo,  impresa  a  fines  del  Siglo  XVII., 
menciona  el  historiador  como  merilo  grande  de  uno  de  los  misioneros,  cl  haber  des- 
cubierto    varios    dcposilos    ocultos    de    idolos,    mantas    pintadas,  y  ,,olros  objetos,  apro- 


BOGOTA.  299 

Kupfer-  oder  Qoldstücken  im  Munde,  und  mitunter  auf  der  Mumie 
die  Figur  eines  durchschnittenen  Frosches,  indem  als  Zeichen  der 
Freundschaft  die  andere  Hälfte  von  dem  Gefährten  für  sein  Begräbniss 
bewahrt  ward.  In  Gausa  (bei  Gambita)  fanden  sich  unterirdische 
Aushöhlungen^),  in  denen  Thongefässe  mit  Figuren  angetroffen  sind. 
In  der  Hacienda  de  Gomez  (früher  Vergara's)  in  Casa  blanca  (bei 
Bogota)  ist  eine  Höhle ^)  aufgedeckt  worden,  aus  der  astronomische 
Zeichen  beschrieben  wurden. 

Die  Indianer  Cundinamarca  s,  die  Nachkommen  der  alten  Chibchas, 
haben,  wenn  auch  an  ihrem  physischen  Habitus  noch  erkennbar,  im 
Uebrigen  in  dem  jetzt  gesunkenen  Zustande  die  meisten  ihrer  Eigen- 
thümlichkeiten  verloren.  Sie  werden,  als  Bewohner  hochgelegener 
Gegenden,  von  denen  des  tiefen  Magdalenenthals  als  Moscas  (Muys- 
cas)  bezeichnet,  ähnlich  wie  in  Peru  der  Name  der  Quichua  (von 
dem  in  kälteren  Strichen  wachsenden  Stroh)  nicht  nur  dem  speciell 
so  bezeichneten  Stamm,  sondern  überhaupt  den  Serranos  der  Sierra 
beigelegt  wurde. 

Wie  in  Cuzco  würde  in  Bogota  die  Temperatur^),  bei  dem  grossen 
Unterschied,  sobald  sich  die  Sonne  zum  Untergang  neigt,  Abends  ein 
Feuer  recht  wohl  erwünscht  machen,  aber  die  Einheimischen  ziehen 
vor,  sich  in  ihre  Mäntel  zu  hüllen,  und  so  die  Stunden  bis  zum  Zu- 
bettegehen  zu  verbringen.  Mollien  meint,  es  geschähe,  weil  man  die 
geheizte  Luft  für  gesundheitsschädlich  hielte,  aber  wenn  auch  vielleicht 


piados  al  culto  del  diablo,"  y  quemandolo  todo,  ardiendo  en  la  hoguera  multitud  de  cargas 
de  ,,embelecos  y  hechizerias,"  dice  el  fraile,  cuando  eran  sin  duda  preciosidades  inoccntes 
ö  por  Ventura  los  archivos  historicos  de  los  Chibchas  (s.  Ancizar). 

*)  In  dem  Cerro  von  Tequisa  wurde  durch  Ausgrabungen  eine  Höhle  gefunden  mit 
Leichen  und  Grabbeigaben.  Auf  dem  Cerro  von  Cota  wurden  beim  Regen  Sachen  von 
Gold  und  Kupfer  ausgewaschen.  In  der  Lagune  von  Fuquene  findet  sich  ein  Stein,  auf 
welchem  Zeichen  eingegraben  sind.  In  Guachantiva  wurde  ein  Steindolch  (in  Gräbern) 
gefunden.  In  einem  Hause  bei  Chibota  tjaf  man  steinernes  Geräth.  In  einem  Grabe  bei 
Leiva  wurde  eine  verzierte  Macana  aus  Holz  (mit  Widerhaken)  gefunden  (von  Velez  in 
Anüoquia). 

*)  Mumien  wurden  bei  Bogota  (in  Höhlungen)  gefunden ,  sowie  bei  Tunja  u.  s.  w. 
In  einer  Höhle  am  rechten  Ufer  des  Magdalena,  zwischen  Nare  und  Buenavista  (am 
linken  Ufer)  sind  in  künstlichen  Räumen  Thonfiguren  gefunden  worden,  eine,  wie  erklärt 
wurde,  mit  einem  Elephantenrüssel ,  eine  andere  mit  Tapirkopf  u.  s.  w.  Zwischen  der 
Mündung  des  Fusagasuga  und  Rio  Bogota  sind  in  einer  Höhle  bei  Peflaliza  Bilder  der 
Sonne  in  einer  Höhle  gefunden.  In  Labranza  (bei  Soachi)  sind  alte  Thon-  und  Stein- 
sachen angetrofen. 

•)  ,,Man  verlässt  ein  Klima  von  27 ^y"  mittlerer  Temperatur  und  steigt  in  eine  Zone 
von  I4®,j"  aus  der  tierra  caliente  des  Magdalena- Stromes  in  die  tierra  fria  der  Llanura 
de  Bogota",  bemerkt  Humboldt,  der  die  mittlere  Wärme  von  Quito  ll®,j  R.  (120,3  nach 
Boussingault)  fand,    ,,das  ist  fast  die  mittlere  Wärme  von  Rom"  (und  ähnlich  Bogota's). 


3(K)  COLUMBIEN. 

eine  solche  Erklärung  zum  Vorwande  benutzt  wird,  liegt  der  natürliche 
Grund  zunächst  in  der  Sparsamkeit  des  Feuermaterials*)  in  nächster 
Nähe,  uncl  der  Indolenz,  es  aus  der  Ferne  zu  beschaffen.  Ausserdem 
ist  selbstverständlich,  dass  der  Gebrauch  der  (z.  B.  in  Pasco  üblichen) 
Braseros  leicht  gefährlich  werden  kann  unter  Verschluss  der  Thüren, 
wie  bei  dem  Tode  der  spanischen  Officiere,  wodurch  im  Beginne 
des  Bürgerkrieges  die  Zerstörung  von  Reyes  herbeigeführt  wurde. 

Die  jährliche  Mittel  wärme  von  Bogota  bei  8 130  Fuss  Höhe  und 
4^  36'  Breite  ist  die  jährliche  Mittelwärme  von  Rom,  wie  Humboldt 
bemerkt,  und  auf  solche  aus  Kreuzung  der  physikalischen  Verhält- 
nisse ergebenen  Mitteln  werden,  ihrer  geographischen  Umgebung 
nach,  die  ethnologischen  Typen  für  die  historischen  Weiterwirkungen 
zu  begründen  sein. 

Unter  den  in  Bogota  befindlichen  Gebäuden  ist  man,  neben  der 
Sternwarte^),  besonders  stolz  auf  die  Kathedrale,  weil  der  Riss  zu 
derselben  von  einem  nationalen  Architecten  entworfen  wurde,  und  so 
hat  sich  hier  an  die  Persönlichkeit  der  reichen  Wohlthäterin,  die 
besonders  die  Geldmittel  geliefert  habe,  ein  Sagenkreis  ankristalli- 
sirt,  der  ihren  Namen  auch  in  den  entfernteren  Provinzen  bekannt 
gemacht,  und  dabei  moderne  Vorfälle  mit  den  ältesten  Traditionen 
des  Landes  in  einander  verwoben  hat.  Eine  solche  Mythjsirung 
wurde  durch  die  tragischen  Schicksale  der  Kathedrale-  selbst  er- 
leichtert. Der  erste  Bau  stürzte  zusammen,  gerade  als  er  vollendet 
war,  am  Abend  vor  der  Einweihung.  An  der  zweiten  Construction 
wurde  von  1572  bis  1770  gebaut,  ohne  sie  der  Vollendung  näher  zu 
bringen,  ebensowenig  wurde  mit  der  Fortsetzung  1790  gefördert 
oder  der  späteren  1797,  und  im  Jahre  1805  ward  auf  Befehl  des 
Vicekönigs  das  Gebäude  geschlossen,  das  bereits  drohende  Zeichen 
baldigen  Zusammensturzes  zeigte.  Im  Jahre  1807  ging  man  an  den 
Abbruch,  und  als  dann  die  neue  Cathedralc  projectirt  wurde,  erlitt 
auch  sie  durch  den  Tod  des  Architecten  Domingo  Petrez  (181 1)  Ver- 
zögerung und  kam  erst  im  Jahre  1823  zu  Ende. 

Der   Grundstein   der  Kathedrale    (in  Bogota)   wurde  durch  Juan 


')  The  only  fire  places  in  thc  cily  are  in  the  Bisliop's  palace  and  in  that  of  the 
güvernnicnl.  A  short  tinie  after  one  of  ihcse  cumfortable  fixturcs  hacl  been  erected,  the 
occupant  of  the  house  died.  The  good  people  atlributed  his  death  to  the  the  fire -place 
(in  Bogota),  und  macht  der  Mangel  von  Kaminzügen  bei  Gebrauch  der  Kohlenbecken 
allerdings  Vorsicht  nöthig. 

')  Dieses  auf  Mutis'  Anregung  1802 — 1803  erbaute  Observatorium  (cl  mas  clevado 
cn  el  mundo)  wurde  von  Caldas  auf  2636,412  M.  Höhe  bestimmt. 


KATHEDRALE.  'AM 

de  los  Barrios  (den  ersten  Erzbischof)  gelegt,  und  seit  Zapata  de 
Cardenas  ist  sie  mit  dem  Kopf  der  heiligen  Elisabeth,  Königin  von 
Ungarn  bereichert  worden  (Ja  cabeza  de  Santa  lsabel,  reyna,  de 
Hungria),  es  esta  gloriosa  Santa  patrona  de  todo  el  reyno  por  voto 
especial  de  las  ciudades  (r.  Piedrahita). 

Neben  dem  englischen  Minister,  Herrn  Bunch,  einem  langjährigen 
Residenten,  lernte  ich  den  Kaufmann  Herrn  Benedix  Koppel  kennen, 
sowie  seinen  Compagnon,  Herrn  Schrader,  der  sich  gerade  von 
seinem  Aufenthalt  aus  Bucaramanga  zum  Besuch  in  Bogota  fand, 
dann  den  Bankdirector,  Herrn  Salomon  Koppel,  und  unter  den  Ein- 
gebornen  den  mir  von  Cartago  vicjo  her  bereits  dem  Namen  nach 
bekannten  Herrn  Percira,  sowie  einen  jungen  Gelehrten,  Herrn  Saenz, 
der  manche  Auskunft  zu  geben  vermochte,  und  Herrn  Rulino  Cuervo, 
in  dessen  wohl  ausgestatteter  Bibliothek  sich  auch  deutsche  Bücher 
fanden,  und  in  dessen  Sammlung  jene  kostbaren  Aiterthümer,  die 
jetzt  das  königliche  Museum  schmücken,  in  der  öffentlichen  Biblio- 
thek konnte  ich  die  noch  ungedruckten  Manuscripte  der  späteren 
Bände  von  den  Werken  Padre  Simons  consultiren  und  erhielt  durch 
den  Bibliothekar,  Herrn  Malo,  überhaupt  jede  Erleichterung.  Ebenso 
wurde  mir  solche  für  etwaige  Reisen  durch  den  Präsidenten  ver- 
sprochen, bei  dem  ich  durch  unscrn  Minister  vorgestellt  war. 

In  Bogota  (Bacata),  das  vor  der  Conquista  nur  den  gelegent- 
lichen Landsitz  des  in  Funzha  rcsidirendcn  Fürsten  bildete,  trifll  man 
keine  anderen  Aiterthümer  als  die  aus  der  ersten  und  ältesten  Zeit 
der  spanischen  Ansiedlung  auf  diesem  Boden.  Vor  dem  Thore  je- 
doch, jenseits  der  Brücke  Arango,  findet  sich  (zu  Chamisera  ge- 
hörig) eine  wellenförmige  Erhebung  des  Terrains,  als  künstliche 
Hügel,  in  denen  Schädel  gefunden  sind  (wie  auch  sonst  auf  der  Sabana). 
Im  Hinblick  aufCaldas  und  seinen  Lehrer,  den  gleichsam  natura- 
lisirten  Mutis,  auf  den  Botaniker  Triana,  auf  Mosquera  und  seinen 
Gegner,  den  um  sein  tragisches  Ende  vielbetrauerten  Arboledo,  auf 
den  Maler  Gregorio  Vasques  Ceballos  (Anfang  des  XVII.  Jahrhun- 
'       "     "  beanspruchte    Titel   eines  Neu- 

unter  relativer  Vergleichnng  mit 
ca,  eine  ähnliche  Rechtfertigung 
:n.  Herrn  Ancizar,  dessen  inter- 
grinacion  de  Alpha"  (por  las  pro- 
n  cn  1850  —  51)  mir  später  die 
konnte  ich  bei  seiner  damaligen 


3()2  COLUMBIEN. 

Abwesenheit  leider  nicht  treffen.  Herr  Uricoechea,  der  Verfasser 
der  Antiguedades  Nueva-Granadinas,  fand  sich  in  Europa. 

Bogota  wurde  auf  der  Stelle  des  Pueblo  Teusaquillo  oder  Thybza- 
quillo  (1538)  gegründet,  nachdem  Quesada  am  Flusse  Sabandija  mit 
Benalcazar  zusammengetroffen  und  vonPasco Nachricht  bezüglich  Feder- 
manns  eingetroffen  war,  der  über  Pascote  nach  Sumapaz  gezogen. 
Sein  Ausgangspunkt  war  Coro  gewesen  und  das  jahrelange  Umher- 
irren in  jenen  undurchdringlichen  Bergwäldern  hatte  seinen  Truppen 
nur  Thierfelle  zur  Bekleidung  gelassen,  während  Benalcazar's  Beglei- 
ter aus  Quito  in  dem  üppigen  Gewände  der  reichen  Beute  Perus 
erschienen,  und  ihnen  Quesada  gegenüberstand,  mit  den  Resten  jener 
stolzen  Ritterschaft,  die  sich  unter  Lugo  nach  St.  Martha  eingeschifft 
hatte.  Nachdem  die  drei  Geistlichen^)  die  blutige  Entscheidung, 
worauf  man  sich  bereits  vorbereitet,  verhindert,  begaben  sich  die 
Feldherren  zusammen  nach  Guataqui  zur  Einschiffung  (mit  Land- 
transport über  Honda),  uni  ihre  Sache  dem  Kaiser  vorzulegen. 

Die  bisher  nur  wenig  beachtete  Cultur  der  Chibchas^)  kann  für 


')  En  cada  cual  de  los  tres  campos  avia  el  mismo  numero  de  combatientes ,  ni  uno 
mas  ni  menos,  que  fue  a  ciento  y  setenta  y  tres,  un  clerigo,  y  un  religioso,  con  la 
diferencia  de  qae  el  religioso  del  canipo  de  Quesada  era  de  Santo  Domingo,  el  de  Fedre- 
man  Agustino  y  el  de  Benalcazar  <le  la  Merced  (s.  Piedrahita).  Ternan  a  grand  maravilla 
juntarse  gente  de  tres  gobernaciones ,  como  la  del  Piru  6  Venezuela  y  Sancta  Marta,  en 
una  parte  tan  lexos  de  la  mar,  assi  de  la  del  Sur,  como  de  la  del  Norte.  Plega  ä 
Nuestro  Sefior  sea  para  mas  servicio  suyo  de  Vuestra  Magestad  (heisst  es  in  dem  offi- 
ciellen  Bericht  der  Zeitgenossen). 

')  Die  Eingesässene  (die  man  Mexas  nennet)  bewohnen  zwo  Landschaften,  nähmlich 
Bogota  und  Tunia.  Eine  jede  derselben  erkante  (vor  der  Spanier  Ankunft)  ihren  eignen 
Herren.  Das  Mannsvolck  ist  wohlgebildet:  und  die  Frauen  seynd  Ahrtiger  von  Ange- 
sicht (auch  nicht  so  schwartz)  als  irgend  andere  in  der  nachbahrschaft.  Sie  tragen  weisse 
(schwartze)  und  vielfarbige  Baumwollene  Mäntel :  etliche  auch  eckichte  Mützen  vol  Baum- 
wollener Bluhmen.  Die  Luft  alhier  ist  so  gemässiget,  dass  man  wenig  unterscheid  zwi- 
schen Sommer  und  Winter  findet.  Die  Heuser  seynd  aus  Bretem  zusammen  gefilget  und 
mit  langem  Stroh  gedeckt.  Die  vornehmste  Speise  bestehet  aus  Mais  und  Kassavi.  Der 
Mais  wachset  alhier  an  einem  Schilfrohr  in  Kornähren.  In  iederAhre  stecken  gemeinig- 
lich siebenhundert  Kömer.  Man  pflantzet  diese  Frucht  in  eine  warme  und  feuchte  Erde. 
Wan  ein  Scheffel  ausgesäet  worden ,  ämtet  man  gemeiniglich  dreyhundert  wieder  ein. 
Doch  der  Mais  ist  unterschiedlich :  grober,  und  feiner,  den  man  Moroche  nennet.  Das 
Blat  zusamt  dem  Rohre  giebet  ein  gesundes  Futter  vor  die  Pferde.  Die  Zubereitung  der 
gemeldten  Indischen  Speise  oder  des  Brohtes  der  Indier  geschiehet  auf  unterschiedliche 
Weise.  Etliche  kochen  sie  im  Wasser  gahr :  andere  brahten  oder  rösten  sie  in  der  Asche 
oder  mahlen  die  Maiskörner  zu  mahle  :  welches  sie  zum  Teige  knähten ;  daraus  man  als- 
dan  Brähtscln  (Krängel,  Kuchen,  Tahrten)  und  Zweygebackenes  machet.  Auch  lassen 
etliche  den  Mais  im  Wasser  weichen  (und  gahren)  zu  einem  Geträncke,  welches  die 
Trunckenschaft  veruhrsachet.  Sonsten  gebrauchen  sie  auch  Kassavi ,  aus  der  Wurtzel 
Juka  zubereitet:  Diese  Wurtzel  (welche  gross  und  dicke  zu  seyn  pfleget)  wird  in  stücken 
zerschnitten  und  geraspet,  oder  klein  zerrieben;  und  dieses  zerriebene  zuletzt  ausgepresset, 


CIIIBCIIAS.  303 

das  vergleichende  Studium  menschlicher  Gesellschaftsgeschrchte  als 
eine  der  wichtigsten  bezeichet  werden,  da  sich  in  ihr  eine  Menge 
archaistisch  primitiver  Züge  erhalten  haben^  die  in  einer  wechsel- 
volleren Geschichtsbewegung  rasch  verloren  zu  gehen  pflegen,  hier 
aber  in  Folge  der  fast  völligen  Abgeschlossenheit  bewahrt  blieben. 
Für  das  königliche  Priesterthum  von  Sogamoso,  für  die  Stellung  des 
Zaque  als  Kronfeldherrn,  für  den  Aulschwung  seines  Rivalen  in  Bo- 
gota finden  sich  vielfache  Analogien  in  Africa,  Polynesien,  Asien 
und  hier  besonders  in  Japan,  wo  die  von  Joritomo  begründete  Würde 
vorübergehend  einen  Doppelgänger  zur  Seite  hatte,  und  vorüber- 
gehend auch  der  Mikado  selbst  in  das  Schisma  eines  südlichen  und 
westlichen  Hofes  (Nan-tsjo  und  Fok-tsjo)  gespalten  war.  In  Ausverfol- 
gung solcher  Parallelen  gewinnen  dann  die  local  hervortretenden 
Differenzen  einen  doppelten  Werth,  und  muss  die,  im  Anschluss  an  die 
polare  Disposition  (wie  bei  Kamschadalen  und  Eskimo  hervortretend) 
zum  Humor  geneigte  Anlage  der  Japaner  in  ihrer  insularen  Isolirung  eine 
auf  ähnlichem  Hintergrund  und  unter  gleichem  Grund  ton  gerade  in  ihrer 
Verschiedenheit  von  dem  melancholischen  Character  der  Serranos^) 
instructive  Färbung  hervorrufen.  Solch'  düstere  Stimmung  durch- 
zieht überall  die  Vorgeschichte  des  alten  America's,  und  wie  der 
König  Tenochtitlan's  an  seinem  Krönungstage  mit  Todtengewändern 
bekleidet  wurde,  so  sangen  dem  Fürsten  Bogotas  an  seinem  Fest 
die  das  symbolische  Netz  führenden  Greise  von  der  Hinfälligkeit 
alles  Irdischen^),  und  wenn  wieder  von  Inca  Roca')  (bei  Vega)  seine  Kla- 


und  von  seinem  Safte  (der  ein  tödtliches  Gift  ist)  entlediget,  also  dass  <yn  pUtter  Küche 
daraus  wird.  Aber  man  findet  auch  eine  Ahrt  der  Wurtzel  Juka,  welche  kein  solches 
(iift  oder  keine  solche  schädliche  Feuchtigkeit  bey  sich  hat.  Diese  kan  man  lange  zeit 
bewahren,  also  dass  sie  gesund  bleibet,  und  ihren  guhten  geschmack  unverändert  behält. 
Ja  sie  leben  auch  ferner  von  der  Wurtzel  Jomas,  und  den  sogenannten  Rüben  Kubias, 
als  auch  von  allerley  Wildbrät  Vögeln  (und  Fischen),  welche  in  den  Flüssen  und  Meeren 
überflüssig  gefangen  werden  (s.  Dapper).  Huncahua,  Fürst  derMuyscas  in  Hunca  oder  Tunza, 
unterwarf  die  Umgegend  von  Opon  zu  den  Grassteppen  von  San  Juan  de  los  Llanos. 

')  How  different  must  be  the  Constitution  of  the  minds  of  these  women,  from  that 
of  their  fair  sex  in  the  Pacific  Islands,  where  all  is  gaiety,  good  humour  and  indifTerencc 
aboot  the  fulure,  bemerkt  Hill,  als  er  (trotz  aller  Bemühungen  seinerseits  und  denen 
eines  scherzhaften  Landsmannes,  den  starren  Gesichtern  der  Mädchen  und  Frauen  auf 
lem  Markte  Puno's  einen  freundllichen  Zug  abzugewinnen)  quitted  the  market  without 
having  the  pleasurc  of  seeing  one  of  them  smile. 

*)  Unser  Leben  fliegt  flüchtig  dahin  in  dieser  Weh,  rasch  ist  es  vorüber,  gleich 
jener  kurzen  Spanne  des  Sonnenscheins,  in  welchem  man  sich  in  kalter  Winterszeit  er- 
wärmen mag  (no  tencmos  vida  permaneciente  en  este  mundo ,  y  es  tan  breve  como  el 
rato,  que  uno  se  pone  al  Sol,  en  tiempo  de  frio,  para  calentarsc)  heisst  es  in  mexica- 
nischcr  Todtenklage  (mit  angelsächsischer  Analogie). 

*)  Vom  Inca  Mayta  -  Capac    erzählt   Santa  Cruz ,    dass    ihn   während   der  Dauer  des 


304  roiA'MBIEN. 

gen  über  die  Vergänglichkeit  des  Lebens  erhalten  sind,  so  war  es 
auch  in  Tezcuco  ein  gekrönter  Dichter,  der  nach  diesem  alten 
Menschenleid  die  Weise  seiner  Elegien*)  stimmte. 

Y  los  gustos  de  esta  vida 

Sus  riquezas  y  mandos  son  prestados 

Son  sustancia  fingida 

Con  apariencias  solo  matizados. 
Der  Zaque  herrschte  über  proselenitische  Arcadier  in  dem  Berg- 
lande Tunja's  und  erkannte  in  dem,  den  jedesmaligen  Wahlact  der 
Kurfürsten  beeinflussenden,  Papst  von  Sogomoso  den  Stellvertreter 
des  Prophetengottes,  der  Zipa  dagegen  hatte  nach  seinem  Streit  mit 
dem  Ggatavita  manche  der  priesterköniglichen  Ehren  für  sich  selbst 
beansprucht,  so  das  er  nicht  nur  sein  heiliges  Angesicht^)  gemeiner 
Beschauung  entzog,  sondern  auch  die  bei  dem  römischen  Flamen 
sowohl,  wie  sonst  religiösen  Persönlichkeiten  beobachtete  Aufbewah- 
rung seiner  Abfalle  durchführen  liess.  Der  Speichel  Atahualpas  von 
Peru  wurde  von  einer  Hofdame  mit  einem  weissen  Tuche  aufgefan- 
gen, wie  ähnlich  früher  am  Hofe  des  Micado,  und  wenn  der  Bogota 
ausspuckte,  oder  sich  räusperte,  war  gleich  ein  Hof  bedienter  zur 
Hand,    damit    diese   geheiligte  Substanz*)    nicht  in  den  Schmutz  der 


Capac-Raymi-Festes  liefe  Schwermuth  erfasst  habe,  dass  seine  Augen  nur  auf  den  Tod 
hingerichtet  gewesen,  von  dem  der  Schlaf  ein  tägliches  Bild  sei  mit  der  Wiederkehr  der 
Nacht,  die  im  unveränderten  Umlauf  auf  den  Tag  folge,  wie  der  Tod  dem  Leben.  Den 
Sinncsfr^uden  entsagend,  sei  er  vom  Thron  herabgestiegen,  um  (gleich  dem  Kaiser  eines 
von  niemals  setzender  Sonne  beschienenen  Reiches),  sein  Leben  unter  harten  Kasteiungen 
im  Kloster  zu  beschliessen,  (nach  einem  in  buddhistischen  Reichen  häufigen  Vorgang). 

')  Die  vier  Gedichte ,  die  vom  König  Ne/ahualcoyotl  erhalten  sind ,  wurden  von 
Ixtlilxochitl  aus  dem  Aztekischen  in's  Spanische  übersetzt .  sollen  indess  (nach  Granados 
y  Galvez)  ursprünglich  im  (^tomitischen  geschrieben  sein.  Ausserdem  hal>e  er  zu  Ehren 
des  Schöpfergottes,  dem  eine  nennst öckige  Pyramiden  -  Pagode  errichtet  war,  60  Hymnen 
(oder  Psalmen)  verfasst,  die,  wie  Clavigero  erwähnt,  auch  noch  bei  den  Spaniern  in 
hoher  Schätzung  standen.  Bezeichnend  ist  es,  dass  dieser  königliche  Psalmensänger  an 
derselben  Schwäche  litt,  die  unter  der  Verherrlichung  seines  Rivalen  in  Zion  zu  ver- 
schwinden pflegt.  Durch  die  Reize  der  jungen  Azcaxochiil  mit  dem  Liebespfeil  ge- 
troffen, wusste  er  das  durch  ihre  Vermählung  gebotene  Hinderniss  <ladurch  wegzuräumen, 
dass  ihr  Ehegatte,  der  altvenliente  Offizier  Temictzin,  auf  dem  nächsten  Feldzug  in  Folge 
insgeheim  gegebener  Befehle  verschwand  und  als  todt  betrauert  werden  musste,  nach 
En<le  der  Trauerzeit  aber  eine  Hochzeit  gefeiert  werden  konnte,  um  das  Land  mit  dem 
Thronerben  Nezahualpilli  zu  beschenken.  So  hätte  auch  hier  eine  Veranlassung  /u 
klösterlichen  Kasteiungen  gefunden  werden  können. 

')  Ebensowenig  durfte  dem  Inca  von  Angesicht  zu  Angesicht  geredet  werden,  wie 
Pizarro  erzählt,  und  ,,no  le  miraban  b,  la  cara"  (bei  mexicanischen  Königen). 

')  Quando  tosia  6  hagia  sefial  de  escopir,  luego  los  caciques  y  mas  principales  scfio- 
res  indios  que  ccrca  del  estaban,  alongaban     los    bragos  tendiendo  pueslo  sobre  ellos  un 


PRÜFUNGEX.  305 

Erde  falle.  Noch  weiter  trieben  es  andere  Stämme^),  ähnlich  wie 
sich  gewisse  Reliquien  des  Dalai  Lama  der  Verehrung  bewahren, 
und  andere  Koprolithen^)  sogar  fanden  sich  in  den  Heiligenschreinen 
katholischer  Kirchen. 

Die  Vorbereitungen  zum  Herrscherdienst  waren  sehr  schwer, 
da  der  zum  Nachfolger  designirte  Prinz  mehrere  Jahre  in  der  Ab- 
geschlossenheit eines  Kloster  s  zuzubringen  hatte,  um  sich  dort  unter 
Büssungen  und  Fasten 3)  (strenger,  als  im  buddhistischen  Khyoung) 
zu  kasteien.  Die  Krönung  selbst  war  mit  allerlei  erschwerenden 
Umständen  verknüpft,  in  einigen  Fürstenthümern  Mexicos  sogar  mit 
Beschimpfung  am  letzten  Tage,  der  als  der  Thronerhebung  vorher- 
gehend, noch  Licenz  dafür  gab,  wie  es  ähnlich  im  Herzogthum 
Kärnthen  sowohl,  wie  unter  den  Kingships  am  Gabun  vorkam. 

Der  in  solchen  Austeritäten  erzogene  Fürst  liess  gleiche  dann 
wieder  seine  Untergebenen  empfinden,  und  die  für  ein  Kronamt  an- 
gemeldeten Candidaten  mussten  sich  erst  einer  gefährlichen  Prüfung 
unterziehen,  um  ihre  Befähigung  darzuthun.  Unbekleidet  vor  dem 
Rath  abgelebter  Graubärte  aufgestellt,  wurden  ihnen  die  schönsten  der 
Bayadcren  im  schmucklos  reinen  Gewände  der  Eva  vorgeführt,  die 
unter  verführerischen  Lockungen  vor  ihnen  tanzten,  — wie  Mara's  Toch- 
ter vor  den  zu  des  ascetischen  Siva's  Ehren  gepeinigten  Eremiten  (oder 
wie  es  die  rachsüchtige  Tochter  der' Herodias  vor  Johannes  Baptista 
versucht  zu  haben  scheint),  —  und  das  leiseste  Anzeichen*)  eines  Reizes 
zu  sinnlicher  Regung  erklärte  sie  für  unwürdig  als  Richter  des  Volkes 


muy  delgado  y  rico  velo  6  toalla  blanca,  en  que  escopitssc  y  ellos  postrados  ö  de  ro- 
dillas  res^ibian  ac^uella  saliva,  quel  Bogota  despedia  6  alcangaba,  como  una  cosa  santa 
y  preciossa,  pero  no  miraban  en  esse  tiempo  en  la  cara  del  Bogota,  sino  volvian  la  ca- 
bega  6  otra  parte,  hasta  que  avia  escopido  aquel  grand  principe  (Oviedo). 

*)  Bei  den  Guaicanes  herrschte  der  Brauch,  que  quand  leurs  caciques  fönt  leur  neces- 
sitez,  ceux  qui  sont  autour  de  lui  tendent  la  main  pour  recevoir  cette  ordure  (s.  Coreal). 

')  Duo  stercora  asini  a  diutumitate  temporis  in  lapides  conversa,  quo  Christus  vectus 
est  in  Hierosolymam ,  ex  itinere  isto  ab  eo  rejecta  ,  obtuUt  Beckae  Priorissae  in  Fretels- 
heim  (bei  Leibnitz). 

')  Dabei  galt  um  so  weniger  eine  Stellvertretung  oder  Ausnahme  zu  Gunsten  hoher 
Geburt  (wie  etwa  bei  den  Türken,  wo  der  Sultan  am  Raniadhan  -  Fest  einen  frommen 
Moslim  für  sich  fasten  lassen  mag),  da  gegenthcils  Verbrechen  und  jede  Uebertretung 
der  Religionspflicht  um  so  härter  bestraft  wurde,  je  höher  der  Angeklagte  in  der  Gesell- 
schafts -  Scala  stand ,  da  er  sich  um  so  weniger  durch  Abweichung  vom  Tugendwege 
hätte  erniedrigen  sollen. 

♦)  Statt  solcher  Demonstratio  ad  oculos  begnügt  man  sich  in  Rom  mit  mündlicher 
Beantwortung  jener  vier  Fragen,  welche  es  die  Praxis  angezeigt  hatte,  dem  Bischof  vor- 
zulegen, ehe  seine  Ordination  gestattet  war  (s.  Mabillon). 

Bastian:  America.  I.  20 


306  COLUMBIEN. 

ZU    fungiren    und   unpartheiisch    über   kitzliche  Rechtsfragen  zu  ent- 
scheiden. 

Als  Fürsprecher  bei  dem  Himmel,  um  seine  Gunst  in  richtiger 
Regelung  der  Jahreszeiten,  dem  sündigen  Lande  zu  erhalten,  galten 
unschuldige  Kinder,  und  solche  wurden  von  reisenden  Kaufleuten  in 
einem  fernen  Walddorf  aus  einer  (durch  die  gastliche  Aufnahme  des 
einst  dort  durchgezogenen  Propheten)  dafür  privilegirten  Familie 
aufgekauft  und  zum  Verhandeln  in  die  verschiedenen  Provinzen  ver- 
führt, um  dort  als  Mojas  in  dem  Tempel,  unter  halbgöttlichen  Ehren, 
aufgezogen  zu  werden.  Wenn  dann  im  Aufwachsen  die  ersten 
Zeichen  der  Pubertät  hervortraten,  wurden  sie  als  Guesa  oder  Weg 
(der  Eingangspforte  zum  Himmel)  geopfert,  der  Gott  dem  Gott,  und 
ihr  Platz  durch  andere  der  heiligen  Kindlein  ersetzt.  Für  Alles 
das  finden  sich,  unter  der  einen  oder  andern  Verkleidung,  Analogien 
in  sämmtlichen  Theilen  der  Welt,  wo  immer  religiöse  Gefühlsstre- 
bungen  zu  theologischen  Dogmen  ausgetüpfelt  sind,  und  schon  bei 
den  Naturstämmen  liegen  die  Keime  für  dasjenige,  was  bei  einge- 
schlagenen Irrwegen,  oft  unter .  grausigen  Entstellungen  aus  über- 
künstelten Culturvölkern  später  entgegentritt. 

Durch  die  am  Berge  aufsteigenden  Strassen  Bogota's  gelangt  man 
ausserhalb  der  Stadt  zur  Capella  de  Egypto  (unter  dem  Kloster  auf 
dem  Guadelupe,  neben  Montserrat^)  und  von  dort  blickt  man  jen- 
seits der  Stadt  über  die  Savana  bis  zu  den  umziehenden  Randgebir- 
gen. Auch  von  verschiedenen  Theilen  der  Stadt  geniesst  man,  bald 
im  weiteren,  bald  im  engeren  Umfange,  das  ähnliche  Schauspiel,  ynd 
von  den  Fenstern  der  Gesandtschaft  hatten  wir  gerade  den  schneeigen 
Kegel  des  Tolina*)  vor  uns,  durch  die  Kuppen  des  Paramo  de  Ruyz 
mit  der  gestreckten  Mesa  de  Herveo^)  oder  Erveo  verbunden,  so  oft 
sie  sich  an  klaren  Tagen  am  Horizont  abzeichnet. 

*)  Die  Capelle  dieses  Berges  (521  M.  über  Bogota)  ist  nach  der  heiligen  des  Berges 
bei  Barcelona  genannt  und  auch  Guadelupe  hat  ausser  auf  diesem  Berge  (3255  M.  oder, 
über  Bogota,  610  M.)  viele  Ableger  in  America  gelassen.  Das  Fest  U.  L.  F.  von  Gua- 
delupe ist  Patrocinium  für  das  ganze  ehemals  spanische  Südamerica  (von  dem  Wallfahrts- 
ort bei  Mexico).  Das  Bild  von  Xueslra  Sefiora  de  Guadelupe  .(h*^^  Guadelupia  oder 
Aquae  Lupiae  in  Estremadura)  war  während  der  Pest  von  Gregor  III.  in  seinen  eigenen 
Händen  bei  der  IVozession  umhergetragen  und  dann  dem  Erzbischof  Leander  von  Sevilla 
überschickt,  während  der  saracenischen  Zeit  aber  von  einem  Priester  in  einem  Marmor- 
Grabe  verborgen  gehalten,  bis  es  dort  später  von  Hirten  wieder  aufgefunden  wurde. 

')  Es  zeigte  sich  dann  am  Horizont  Bogota's  ,,la  Gran  Sierra  nevada  de  Quindio."  La 
masa  conica  de  Tolima  la  termina  por  el  Sur,  y  la  Mesa  del  Herveo  por  el  norte.  Entre 
estas  dos  montafias  estd  el  paramo  de  Ruiz,  que  no  esotra  cosa  que  una  sierra  erizada  ue 
puntas  diferentes  y  caprichosas,  de  las  cuales  unas  tocan  el  termino  inferior  de  la  nieve, 
otras  lo  pasan,  y  en  fin  otras  no  llegan  ä  el  (s.  Caldas), 

•)  Etwa  Hervidero  (wie  der  Hervidei^  '''»  t^'«^«*«  \n  Nicaragua). 


suACiii.  307 

Der  Character  eines  alten  Seebeckens,  das  auf  dieser  Hoch- 
terrasse lagerte,  bekundet  sich  überall  und  die  Mythe  lässt  die  Ent- 
wässerung (eine  Analogie  zu  Mandjusri's')  Schwerthieb)  durch  Bochica 
geschehen,  an  dem  Wasserfall  von  Tequendama,  den  ich  in  den 
ersten  Tagen  meines  Aufenthalts  besuchte. 

Wir  ritten  durch  die  von  Randgebirgen  umzogene  Savana,  über 
die  niedrigen  Wellungen  kahler  Hügelerhebungen,  an  deren  näherem 
Zusammentritt  Suachi  (der  Fundort  der  Mastodonten-Knochen)  liegt. 
An  Wasserlachen  führt  der  Weg  über  ein  unebenes  Terrain  mit 
Mergelbänken,  und  sahen  wir  dann  ein  im  niedrigen  Hügelkranz 
geschlossenes  Thal  mit  abfallender  Neigung  (nach  Fusagasuga  zu), 
wo  wir  bei  der  Venta  der  Puente  grande  unsere  Thiere  einstellten. 
Zu  meinem  nicht  geringen  Erstaunen  bemerkte  ich  bald,  dass  hier 
an  Ort  und  Stelle  dieser  grösste  Löwe  Bogota's,  der  es  über  den 
ganzen  Globus  berühmt  gemacht  hat,  kaum  recht  bekannt  war, 
wenigstens  nicht  als  ein  solcher.  Wie  ich  nachher  hörte,  gehen  die 
Besuche,  die  sich  in  der  Hauptsache  auf  einzelne  Sonntagsparthien 
aus  Bogota  beschränken,  von  Suachi  aus,  wo  allerdings  einige  Vor- 
bereitungen für  die  Besichtigung  getroffen  sein  sollen,  hier  in  dieser 
noch  näher  liegenden  Venta  schien  man  indess  nicht  recht  zu  ver- 
stehen, um  was  es  sich  bei  meiner  Absicht  handle. 

Als  ich  von  dem  Wasserfall  sprach  und  wiederholt  den  Namen 
Tequendama  nannte,  meinte  ßiner  der  Beisteher  schliesslich  zu  be- 
greifen, auf  was  ich  hinauswolle,  und  bot  seine  Führung  an,  der  ich 
folgte.  Wir  gingen  über  die  Felder  auf  eine  der  Venta  gerade 
gegenüber  liegende  Schlucht  zu,  woraus  eine  ungeheure  Dampf- 
wolke emporstieg,  in  welcher  ich  bereits  die  heissen  Dünste  der 
Tiefthäler  vermuthct  hatte,  mit  denen  durch  den  Absturz  des 
Wasserfalles  eine  directe  Communication  zu  der  kälteren  Luft  des 
Hochplateau's  geöffnet  ist. 

Als  wir  nun  an  den  Fuss  dieser  Schlucht  gelangten,  brachte  mich 
der  Führer  zu  einem  Wasserbache,  den  man  aufgedämmt  hatte,  um 
das  Rad  einer  Zuckermühle  zutreiben,  und  das  war  sein  Wasserfall, 
der  meiner  Bewunderung,  und  grö.sserer  Verwunderung,  frei  gestellt 
wurde.  Indess  lag  doch  bereits  ein  Zusammenhang  mit  meinem  Ziele 
vor,  denn  die  Hacienda  dieser  Zuckerfabrikanten  hiess,  wie  sich  auf 
meine  Erkundigungen  ergab,  Tequendama,  musste  also  in  näherer 
Beziehung  zu  dem  Wasserfalle  stehen.     Als  ich   mich  genauer  über 

')  Als  christliche  Analogie  dieses  Bodhisatwa  würde   sich  St.  Majolus  ergeben,    der 
durch  sein  Gebet  ein  Sumpfinnd  austrocknete. 

20* 


308  COLLTMIHEN. 

das  Terrain  orientirt  hatte,  fand  ich,  hier  die  Confluenz  der  beiden 
Flüsse  vor  mir  zu  haben,  den  Bogota  und  den  Agua  Clara,  durch 
welche  der  Durchbruch  hergestellt  ist,  und  ich  konnte»  so  den  Eintritt 
der  aus  der  Hochebene  gesammelten  Gewässer  bis  zu  ihrem  Eintritt 
in  die  in  Wolkendampf  gehüllte  Schlucht  verfolgen.  Da  die  schon 
späte  Stunde  Weiteres  nicht  erlaubte,  besichtigte  ich  die  übrigen 
Theile  der  Hacienda  und  traf  dabei  mit  den  Eigenthümern  derselben 
zusammen,  von  denen  ich  genauere  Nachweisung  über  den  besten 
Weg  zum  Fall  erhielt. 

Als  wir  am  nächsten  Morgen  die  Thiere  fertig  machten,  langte 
bei  unserem  Wegehaus  eine  Truppendivision  an,  die  in  der  Nacht 
von  Bogota  abmarschirt  war  und  nach  kurzem  Aufenthalt  nach  Fu- 
gasuga  weiter  ging,  um  eine  dort  ausgebrochene  Revolution  zu  unter- 
drücken. Der  Führer,  den  wir  noch  am  Abend  vorher  engagirt 
hatten,  hielt  sich  Anfangs  verborgen,  um  nicht  etwa  von  den  Sol- 
daten aufgegriffen  zu  werden,  schloss  sich  uns  aber  auf  dem  Wege 
an,  und  zeigte  sich  besser  informirt,  als  der  gestrige. 

Jenseits  der  Hacienda  stiegen  wir  an  dem  Rio  de  Aguas  ciaras 
auf,  (an  dem  nach  Mesita  in  Tierra  caliente  führenden  Weg),  und  dann 
hinab  zum  Rio  de  Bogota,  längs  der  Ufer  folgend,  und  unter  ge- 
legentlichen Absenkungen  emporgehoben.  Nach  dem  Eintritt  in  den 
Hügelauschnitt  fliesst  der,  vorher  träge,  Fluss  theils  ruhiger,  theils 
in  Wasserschnellen,  durch  ein  enges  Schluchtenthal,  zwischen  den 
anfangs  kahlen,  dann  mit  Wald  bestandenen  Hügeln,  an  welchen 
schroffe  Felsen  anstehen,  und  Felsblöcke  auf  den  Abhängen  umher- 
liegen. Jenseits  zeigen  sich  höhere  Felsenberge,  und  an  verschiedenen 
Stellen  schieben  sich  schroffe  Felswände  vor.  Nach  einer  Einengung 
zwischen  Felshügeln,  wo  der  Fluss  unter  uns  in  Cascaden  über  Fels- 
gesteine braus't,  gewinnt  das  Thal  wieder  einige  Breite ,  bis  eine  neue 
Verengerung  folgt,  bei  welcher  sich  ein  Sumpfpfad  (neben  dort  bear- 
beiteten Kohlengruben)  seitlich  'abzweigt,  und  dann  in  den  Wald 
leitet,  wo  das  Getöse  des  Wasserfalles  aus  der  Ferne  hörbar  wird. 

Ein  enger  Weg  führte  stellcnweis  am  Abgrund  hin,  und  da  mein 
Sattelthier  unterwegs  ein  Hufeisen  verloren  hatte,  kam  es  viel- 
fach ins  Glitschen.  Doch  war  es  bald  mit  dem  Reiten  überhaupt 
vorbei.  Nachdem  die  Maulesel  auf  einem  morastigen  Wiesen- 
fleck zurückgelassen  waren,  begannen  wir  zu  Fuss  das  steile  Abstei- 
gen, meist  zwischen  Gebüsch,  dann  über  durcheinander  geworfene 
Felsblöcke,  bei  deren  steilem  Abfall  sich  ein  kleiner  Vorsprung  bietet, 
mit  einem  freien  Blick  auf  den  majestätischen  Wasserfall  gegenüber. 


TEQUENUAMA.  309 

Aus  einer  niedrigen  Walderhebung  sieht  man  über  sich  den  Fluss- 
streifen hervortreten ,  der  dann  zwischen  drei  Felszacken  auf  eine 
niedrige  Terrasse  fällt,  und  von  ihr,  in  eine  Schaummasse  aufgelöst, 
gigantischen  Lakenfaltungen  vergleichbar,  in  den  durch  eine  unter- 
brochen steile  Felswand  gebildeten  Abgrund  hinabstürzt,  wo  er  in  der 
Tiefe,  aus  welcher  der  Wassergischt  sprühend  wieder  aufspritzt,  sich 
in  den  Windungen  seines  zwischen  Felsen  eingeengten  Weiterflusses 
hier  und  da  aus  der  düsteren  Vegetation  hindurch  erkennen  lässt.  Die 
früher  in  masslosen  Uebertreibungen  angegebene  Höhe  des  Falles 
wurde  durch  die  Messungen  von  Gros  und  Acosta  (1840)  zu  449  Fuss 
bestimmt,  ziemlich  übereinstimmend  mit  den  Angaben  Humboldt's, 
der  in  dem  die  horizontalen  Schichten  des  Kalkstein  s  (neben  dem 
auf  Thonunterlagen  ruhenden  Sandstein)  durchbrechendem  Querthal 
eine  geologische  Grundlage  der  an  den  Wasserfall  geknüpften  Mythen 

andeutet. 

Bei  der  Rückkehr  öffnete  sich  der  zur  Umkränzung  der  Rand- 
berge schweifende  Blick,  auf  die,  bis  zu  den  Erhebungen  von  Suachi, 
angebaute  Savana,  durch  welche  der  Rio  de  Bogota  in  scharfen  Win- 
dungen hinfliesst  und  darauf,  an  die  Hügelreihen  gelangt,  sich  erst  eine 
Zeit  lang  längs  dieser  hinzieht,  bis  er,  Felsgestein  umströmend,  in  den 
Ausschnitt  eintritt  und  dort  für  seine  weiteren  Schicksale  verschwindet. 

Die  Communication  Bogotas  mit  der  Küste  ist  eine  umständ- 
liche. Entweder  muss  der  lästige  und  langwierige  Weg  gewählt 
werden,  den  ich  vom  Pacific  heraufkam,  (und  der  allerdings  für  einen 
Punct  in  dem  Richtweg  durch  den  Quindiu  abgekürzt  werden  kann), 
oder  man  ist  auf  die  Dampfschifffahrt  von  Honda  bis  zum  atlan- 
tischen Meere  hingewiesen.  Diese  ist  allerdings  ein  grosser  Gewinn 
im  Vergleich  zu  den  früheren  Bootfahrten,  die,  den  Fluss  aufwärts, 
noch  zu  Humboldt's  Zeit  zwei  Monate  oder  mehr  in  Anspruch  neh- 
men mochten,  bleibt  indess  immer  eine  unzuverlässige,  denn  auch  jetzt 
mag  bei  ungünstigem  Wasserstande  ein  Monat,  und  selbst  der  zweite, 
darauf  hingehen,  während,  wenn  Alles  nach  Wunsch  abläuft,  die 
Thalfahrt  in  einer  Woche  oder  weniger  zurückgelegt  werden  kann. 
Das  Dampfboot,  welches  ich  bei  Honda  traf,  hatte  damals  bereits 
einige  Wochen  mit  Warten  auf  die  Abfahrt  verloren,  und  wurde 
dann  noch  für  ein  paar  Wochen  länger  festgehalten.  Man  findet  sich 
deshalb  bei  der  Abreise  von  Bogota  stets  in  der  quälenden  Unge- 
wissheit,  ob  man  nicht  vielleicht  in  Honda  die  kostbarste  Zeit  zu 
verlieren  haben  werde,  obwohl  dann  bei  dieser  Thalfahrt  im  Nothfall 
wenigstens  der  Ausweg  bleibt,  ein  Boot  zu  miethen,  mit  dem  man 
den  Fluss  abwärts  keinen  grossen  Aufenthalt  zu  fürchten  haben  wird. 


310  '  COLLMBIEN. 

wenn  Alles  regelmässig  geht.  Auf  dem  Papiere  sind  die  Abfahrts- 
zeiten der  Dampfschiffe  für  bestimmte  Tage  angesetzt,  und  da  mir 
bis  zum  nächsten  noch  einige  Zeit  in  Bogota  zur  Verfügung  blieb, 
beschloss  ich  einen  Besuch  in  Tunja,  dem  classischen  Fürstensitzc 
der  alten  Chibcha's,  als  Residenz  des  Zaque. 

Da  ich  meinen  Burschen,  dessen  Landeskenntniss  in  Bogota  (oder 
schon  vorher,  beim  Ausritt  aus  Antioquia)  zu  Ende  war,  für  seine 
Rückkehr  nach  Palmyra  verabschiedet  hatte,  nahm  ich  einen  neuen 
Führer  an,  in  Gestalt  eines  alten  Postboten,  von  dem  sich  also  vor- 
aussetzen liess,  dass  er  jeden  Steg  und  Weg  auf  dem  vielfach  von 
ihm  durchstrichenen  Terrain  kennen  würde. 

Nachdem  mit  Hülfe  Herrn  Harassowitz'  Alles  vorbereitet  war, 
ritt  ich  um  Mittag  (Januar  31.)  von  dem  Hause  des  Herrn  Ministers 
ab,  und  zwar  mit  Maulthieren,  denn  obwohl  man  sich  der  strengen 
Etiquette  Bogota's  gemäss,  auf  solchen  innerhalb  der  Stadt  eigentlich 
nicht  sehen  lassen  darf,  hielt  ich  mich  als  Fremder  doch  weniger 
daran  gebunden,  zumal  auch  Nebenstrassen  gewählt  werden  konnten. 
In  den  wirklichen  Bergländern  Südamerica's  weiss  man  das  Maulthier 
vollauf  zu  würdigen,  und  steht  es  auch  dem  Geldpreise  nach,  bei 
bester  Qualität,  in  höherer  Schätzung  als  ein  Pferd,  da  nun  aber  die 
nächste  Umgebung  Bogotas  eine  Ebene  ist,  auf  der  die  Cockneys  ihren 
Sonntagsritt  zu  Pferde  machen  können,  blicken  sie  bereits  wieder  ver- 
ächtlich auf  das  dem  nützlichen  Esel  näher  stehende  Maulthier  hinab. 

Jenseits  der  Stadt  zogen  wir  durch  die  baumgrüne  Sabana  mit 
den  Höhenzügen  ihrer  Randberge,  die  sich  vor  uns  in  einander,  oder 
doch  näher  zusammenschoben.  Nach  dem  Passiren  des  Rio  Patin, 
ein  Nebenfluss  des  Sopo,  der  in  den  Bogota  mündet,  sahen  wir  rechts 
den  Weg  nach  Guatavita*)  abbiegen  und  an  dem  Randgebirge  empor- 
steigen, das  diesen  heiligen  See  auf  seinen  Gipfeln  trägt,  aus  dem  sich 
die  für  die  geographische  Entdeckung  Südamerica's  so  folgenreiche 
Mythe  vom  Eldorado  über  ungeheure  Femen  verbreitet  hat.  Etwas 
niedriger  liegt  die  Lagune  von  Suesca,  die  beim  Anschwellen  durch 
die  Quebrada  von  Tibusaneque  in  den  Funzha  abfliesst. 

Der  vorspringende  Punct  des  Tocar  wurde  zwischen  zerstieuten 

*)  En  la  Tacunga  tomö  Luis  Da^a  un  Indio  Esirangcro,  que  dixo  scr  de  una  gran 
Provincia,  Uamada  Cundirumarca,  sujeta  a  un  Poderoso  Stüor,  que  tuvo  dos  Afios  pasa- 
dos  una  gran  Batalla  con  cicrtos  Vecinos  buyos,  muy  valientcs,  llamada>  los  Chicas,  que 
|)or  haverle  puesto  en  mucho  aprieto,  havia  embiado  a  este  y  h  otros  mensageros  a  pedir 
ayuda  h.  Atahualpa,  und  nach  der  Gefangennahme  dieses  in  Caxamalca  war  er  mit  Vrm- 
minavi  nach  Quito  gekommen  (s.  Herrera).  Die  vom  Guatavita  mit  den  Chibchas  (Chi- 
cas) geführten  Kriege  sind  aus  der  Ueberlieferung  im  El  Camero  bekannt  (durch  Fresle). 


CHOCONTA.  311 

Felsblöcken  überschritten,  und  links  erschien  Chia,  (der  Stammesheerd 
der  Fürstcnfamilic  des  Zipa),  am  jenseitigen  Randgebirge.  Die  Le- 
guas  sind  hier  kilometrisch  abgesteckt  und  bedeutend  kürzer  als  in 
Antioquia,  wie  sich  auch  mit  Ecuador  und  Peru  vielerlei  Verschieden- 
heiten finden.  An  der  Brücke  del  Comun,  über  den  Sopo  in  der 
Ebene,  zieht  sich  ein  steinig  sandiger  Weg  über  die  Ausläufer  des 
Randgebirges,  längs  bebauter  Höhen,  und  bei  dem  Hervortreten  des 
Wallfahrtsortes  Chipaquira  in  der  Ferne  gelangten  wir,  an  Wasser- 
lachen vorbei  nach  dem  Wegehaus  am  Puente  del  Sopo,  das  zum 
Nachtquartier  ausersehen  war.  Der  Sopo,  einer  der  Quellzuflüsse 
des  Rio  de  Funza  (oder  Bogota),  wird  in  der  Mythologie  der  Chib- 
chas  unter  denjenigen  Berggewässern  genannt,  welche  Chibchacum 
anschwellen  lässt,  um  die  Säbana  mit  der  Wasserfluth   zu  bedecken. 

Am  nächsten  Morgen  passirten  wir  die  Brücke,  unter  welcher 
der  Sopon  braust,  und  ritten  dann  über  eine  flachgewölbte  Sabana 
längs  der  Höhen,  in  welche  die  Kranzgebirge  mit  verschiedenen  Reihen 
ausliefen.  Am  Rande  hin  gelangten  wir  zu  den  Dörfern  Tupo-Zipa 
und  später  Altan-Zipa,  mit  Gruppen  von  Kuppelhügeln,  dann  über 
die  bebuschte  Steinhöhe  des  Alto  de  la  Laja  in  ein  umschlossenes 
Thal  niedersteigend.  Sequila  liegt  rechts  am  Fusse  der  Berge,  wäh- 
rend links,  jenseits  der  Ebene,  Suesca  an  ihrem  Rande  erscheint, 
einst  eine  viel  umstrittene  Mark  (in  den  Kämpfen  der  Rivalstaaten 
um  die  Hegemonie). 

Durch  die  in  engem  Kreis  umschlossene  Säbana  erreichten  wir 
die  Brücke  des  Hato-viejo  und  stiegen  an  dem  Abschluss  auf,  über 
nackte  Berge  mit  spärlichem  Grün.  Ueber  wellige  Erhebungen  zur 
Höhe  gelangend,  blickte  man  zurück  in  das  Thalbecken,  während 
vor  uns  zackige  Gebirgsreihen  emporstiegen.  In  ein  enges  Thal 
niedersteigend,  trafen  wir  aufs  Neue  den  Rio  Hatoviejo  und  folgten 
längs  der  schmalen  Niederung  an  den  Hügeln  dem  Wege,  der  bei 
einer  Windung  in  den  Flecken  Choconta  eintritt,  die  in  den  Feld- 
zügen der  Zipa  und  Zaque  vielgenannte  Festung. 

Nach  einer  Rast  in  der  dortigen  Posada  ritten  wir  über  theilweis 
bebaute  Ebenen,  die  wellig  fortrollten  zu  kahlen  Hügeln,  und  dann 
ansteigend,  entlang  dem  Flussbett  des  Hato  viejo. 

Der  Bursche  hatte  mir  bereits  mehrfach  sein  Bedenken  über  die 
Sicherheit  des  Weges  geäussert,  und  bald  nach  dem  Ausritt  aus  der 
Posada,  wo  allerlei  Verhandlungen  vorgegangen  waren,  wurden  wir 
ausserhalb  der  Stadt  durch  eine  Parthie  Berittener  überholt,  die 
mitten  zwischen  uns  hindurchjagten,    bei   der  Rückkehr   die  Thiere 


312  COLUMBIEX. 

nochmals  auseinanderschoben,  und  dann  an  einem  Trinkhause  am 
Wege  anhielten,  um  sich  für  Weiteres  zu  stärken.  Ich  nahm  das 
Aussehen  an,  als  ob  ich  in  dem  Benehmen  nichts  Auffälliges  be- 
merkte, und  nur  als  bei  einer  neuen  Carambolage  einer  der  Ritter 
mit  mir  in  persönliche  Berührung  kam,  deutete  ich  mit  ein  paar 
gleichgültig,  aber  entschieden  gesprochenen  Worten  darauf  hin,  dass 
es  mir  lieber  sein  würde,  wenn  wir  die  geeignete  Distanz  hielten. 
Wir  fanden  die  Gesellschaft  noch  einige  Male  an  einsamen  Stellen  des 
Weges  auf  uns  warten,  wo  sie  uns  vorbei  passiren  Hessen,  um  dann 
wieder  voran  zu  reiten,  und  da  es  besser  schien,  die  Dunkelheit  zu  ver- 
meiden, kehrte  ich  beim  Herannahen  derselben  in  einem  Wegehause,  dem 
Pucblo  Hato  viejo  gegenüber  ein,  um  dort  die  Nacht  zu  verbringen. 

Mala  gente,  mi  amo,  sagte  der  Bursche,  der  sich  sehr  zufrieden 
zeigte,  dass  die  Sache  ohne  weitere  Zuspitzung  verlaufen  wäre,  da 
diese  zum  Theil  bekannten  Rowdies,  aus  kleinen  Landbesitzern  der 
Umgebung,  es  darauf  angelegt  haben  konnten,  einen  Streit  zu  pro- 
vociren,  unter  dessen  Entschuldigung,  und  dann  im  Wortwechsel  ge- 
steigertem Muth,  sie  eine  beiläufige  Gelegenheit  zur  Bereicherung  und 
einem  Raube  hätten  finden  können,  an  dessen  gewerblicher  Ausübung 
sie  sich  noch  durch  Gewissenszweife  im  Ehrenpuncte  behindert  fühlen 
mochten.  Vielleicht  wurden  sie  auch  durch  das  Gepäck  enttäuscht, 
das  sie  beim  wiederholten  Vorüberreiten  ihren  Inspectionen  unterzogen, 
da  ich  darauf  hielt,  ihm  stets  ein  unscheinbares  Aeussere  zu  geben, 
und  diesmal  ohnedem   der  grössere  Theil   in  Bogota  geblieben  war. 

Die  Beschaffung  des  Futters  bot  an  dem  gewählten  Rastplatz 
einige  Schwierigkeit  und  ausserdem  musste  ein  Reitthier  in  Cur  ge- 
nommen werden,  das  an  dem  einen  Fusse,  in  Folge  von  Hufspal- 
tungen, zu  lahmen  begann. 

Am  nächsten  Morgen  (Februar  2.)  fanden  wir  uns  mit  dem 
Frühesten  auf  dem  Wege,  längs  des  Rio  Hato-viejo  und  dann  an  den 
Höhen  ansteigend,  mit  einem  Blick  auf  verworfene  Hügel,  hinter 
welchen  das  dreizackige  Gebirge  von  Tumieque  (neben  Pesca)  sich 
erhebt.  Längs  des  Flusses  Las  Pilas,  ein  Nebenfluss  des  Hato-viejo 
gelangten  wir  auf  kahle  Hügel  mit  hervorstehenden  Steinen  zwischen 
Grün.  Der  Ansteig  ging  fort  über  wellige  Höhen,  zwischen  Busch 
und  Gestrüpp  mit  Haidekraut,  zum  Paramo  von  Ventaquemada.  Jenseits 
erschien  in  der  FemeBoyaca  (Bolivar  sRuhm  verkündend)  und,  in  der  an 
der  Bergwand  heraufgezogenenThalhöhlung  das Pueblo  Ventaquemada. 

Abwärts  längs  einer  hinstreifenden  Berg\vand  mit  zackigen 
Spitzen,    erreichten    wir    den  Fluss  Albarazin,    der    durch  den  Upia 


15EGUÄBNISS.  313 

zum  Mcta  flicsst,  so  dass  hier  die  Wasserscheide  zwischen  Magda- 
lena und  Orinoco  gekreuzt  war. 

Nach  Einschlagen  eines  Richtweges  über  einen  alten  Pfad,  der 
jedoch  theilweis  durch  Verhaue  unwegsam  gemacht  war,  kehrten  wir 
zu  der  Strasse  zurück,  und  stiegen  durch  schräg  geneigte  Ein- 
schnitte in  den  Felsen  hinab,  zum  Flecken  Ventaquemada ,  wo  wir 
die  Casa  de  assistencia  indcss  geschlossen  fanden,  da  der  Eigenthü- 
mer  derselben  der  Messe  beiwohnte,  und  die  Functionen  ihn  noch 
längere  Zeit  entfernt  halten  konnten.  Wir  gingen  deshalb  weiter  zu 
einem  Landhause  ausserhalb,  um  Futter  für  die  Thiere  zu  finden, 
Auf  offener  Bahre  wurde,  im  langen  Zuge  seiner  Verwandten  und 
Freunde  ein  Todter  vorbei  getragen,  um  in  der  Kirche  des  Ortes 
eingesargt  und  beigesetzt  zu  werden. 

Bei  einem  früheren  Aufenthalt  in  Peru  bemerkte  ich  den  Ge- 
brauch in  einer  Franlciscaner-Kapuze  zu  begraben,  der  vielleicht  auch 
jetzt  noch  bestehen  mag,  da  er  in  der  katholischen  Kirche  alt  ist, 
und  obwohl  durch  das  Cohcil  von  Basel  beseitigt,  in  Südamerica  von 
den  zahlreichen  Klöstern  der  Franciscaner-Mönche  es  erneuert  wurde , 
um  ihre  Beichtkinder  in's  Paradies  einzuschmuggeln*).  Im  Grundeist 
es  nicht  St.  Peter,  der  in  seiner  Thürdienststelle  dadurch  getäuscht 
wird,  sondern  St.  Franciscus  selber,  der,  wenn  er  seinen  jährlichen 
Besuch  im  Fegefeuer  abstattet,  alle  die  er  in  grauen  Mönchskutten 
liegen  sieht,  für  die  Seinigen  hält  und  mit  sich  fort  nimmt.  St.  Peter 
weiss  wahrscheinlich  nichts  von  diesem  frommen  Betrug,  weil  er  mit 
seinem,  im  Dienste  Rom's  stehenden  Schlüssel,  schwerlich  auf  die 
von  einem  Bettelmönchorden  ausgehende  Anordnung  hin  sich  zum 
Oeffnen  verstehen  würde.  Im  Uebrigen  scheint  es  verständiger,  sich 
in  dem,  dem  Ordensgeneral  der  Carmeliter  (Simon  Stock)  übergebenem, 
Obergewand  der  heiligen  Jungfrau  (deren  Hemd  und  Unterkleid  in 
Aachen  ausgehängt  ist),  begraben  zu  lassen,  da  man  dann  wenigerlange 
(eine  Woche  blos)  zu  warten  braucht,  als  bei  dem  jährlich  nur  einmal 
wiederholten  Besuch  des  heiligen  Franciscus.  Der  Preisunterschied  wird 
kaum  ein  erheblicher  sein,  und  es  kann  sich  nur  aus  der  geistlichen 
Indolenz  erklären,  dass  man  sich  selbst  über  ähnliche,  das  gesammte 
Schicksal  der  Zukunft  betreffende  Fragen  nicht  genauer  unterrichtet 
und  Einige  sogar  6cxx)  Pesos  zahlen,    um    sich    in  Lima  hinter  dem 


^)  Morientes  in  profcssione  et  habitq  Ordinis  Minorum  ultra  annum,  non  passuros  in 
poenis  Purgatorii ,  quoniam  B.  Franciscus  ex  divino  privilegio  quotannis  ad  Purgatorium 
descendit,  suosque  omnes  ad  Coelum  dedudt  (XII.  Jahrhundert),  durch  das  Concil  von 
Basel  ausgemerzt  (aber  in  Peru  wieder  erneuert). 


314  COLUMBIEN. 

Altar  bei  den  Augustinern  begraben  zu  lassen,  während  doch  schwer- 
lich aus  den  Actenstücken  eine  Bulle  aufzustöbern  sein  wird,  um 
hierfür  im  jüngsten  Gericht  als  Document  angeführt  zu  werden.  Da- 
gegen hat  für  das  Scapulier  bereits  der  Unfehlbzre  gesprochen. 

Nach  der  Bulla  sabbatina  (Johann  s  XXII.)  befreit  die  heilige  Jung- 
frau alle  die,  welche  ihr  Scapulier  (des  Ordens  zum  Berge  Carmel) 
getragen,  am  Samstag  nach  ihrem  Tode  aus  dem  Fegefeuer,  und 
Bouvicr,  der  früher  die  Aechtheit  dieser  Bulle  anzweifelte,  hält  es 
für  seine  Pflicht,  dasjenige  zu  widerrufen,  was  in  den  ersten  beiden 
Ausgaben  des  Werkes  über  diesen  Punkt  gesagt  sei  (1844). 

Bouvier  dürfte  im  Ganzen  als  eine  gute  Autorität  anzusehen  sein, 
da  sein  Werk  bereits  1838  in  der  siebenten  Originalausgabe  (von  den 
Nachdrücken  abgesehen)  erschienen  ist,  und  er  könnte  also  denen 
zum  Studium  empfohlen  werden,  die  sich  über  diese  Gegenstände 
vor  einem  Besuche  Südamerica's  zu  unterrichten  wünschen  sollten. 
Es  herrscht  dort,  wie  schon  der  rege  Ablasshandel  beweisst,  eine 
im  Allgemeinen  stricte  Frömmigkeit  und  so  verlangt  man  auch  von 
dem  leichtfertigen  Fremden  einige  Decenz.  Wenn  das  die  Erhebung 
der  Monstranz  in  der  Messe  begleitende  Läuten  gehört  wird,  fällt 
Alles,  im  Haus  oder  der  Strasse,  auf  die  Kniee,  oder  entblösst 
wenigstens  das  Haupt.  Da  das  letztere  an  warmen  Tagen  auch  sonst 
häufig  ein  Bedürfniss  ist,  pflegte  ich  dieses  in  Quito  immer  besonders 
zu  jener  Zeit  zu  empfinden,  um  zwei  Zwecke  zu  vereinigen.  Wenn 
es  sich  indess  nicht  rasch  genug  fühlbar  machte,  habe  ich  mitunter 
das  grollende  Murren  einer  auf  dem  Strassenpflaster  koieenden  Bet- 
schwester über  den  Ketzer  anhören  müssen. 

« 

Im  vorigen  Jahrhundert  gab  man  solchen  Namen  der  Ketzer*) 
oder  Häretiker  in  Cuenca  „ä  tous  ceux  qui  ne  portent  pas  une  Rosaire 
pendu  au  col"  (s.  Condamine),  und  da  bei  der  Ermordung  des  französi- 
schen Chirurgen  Seniergues  bereits  die  ominösen  Rufe  gehört  wurden, 
hätten  sie  leicht  zu  der  weiteren  seiner  gelehrten  CoUegen  führen 
können,  die  (obwohl  gute  Katholiken)  keine  Rosenkränze  getragen  zu 
haben  scheinen.  Da  wäre  Nuestra  Sefiora  del  Rosario  anzurufen  ge- 
wesen, die  Nebenbuhlerin*)  von  Nuestra  Sefiora  de  las  Mercedes  und 

*)  ,,Wer  zu  Rom  nur  kein  KeUer  ist,  dem  schaden  allda  kein  Sünden",  heisst  es  im 
Volksmund  (Leistner),  aber  anders  in  Clemargis'  Liber  de  comipto  ecclesiae  statu  (1414). 

*)  Blutiger  war  die  Rivalität  in  Mexico  zwischen  Unserer  lieben  Frau  der  Remedios 
und  Unserer  lieben  Frau  von  Guadelupe,  die  auf  den  Fahnen  der  Godos  und  Patrioten  in 
der  Schlacht  einander  entgegen  getragen  wurden.  Dagegen  erschien  die  heilige  Jungfrau 
von  Guapulo  bei  ihrem  Fest  in  Quito  in  der  Uniform  des  General-Capitain's,  zu  welcher 
Würde  sie  von  dem  König  von  Spanien  (seit  der  Bitlschrift  1797)  ernannt  war. 


ROSENKRANZ.  315 

Nucstra  Seftora  dcl  Socorro  im  Streit  um  den  Vortritt  bei  der  Fun- 
cion  im  Jahre  1643  0^^    Santiago). 

Hinsichtlich  des  Materials  sind  die  Bestimmungen  ziemlich  genau, 
doch  bleibt  manche  Auswahl.  Nach  dem  Beeret  der  Congregation 
(1820)  dürfen  Rosenkränze  aus  leicht  zerstörbarem  Stoff  nicht  bene- 
dicirt  werden,  wohl  aber,  wenn  aus  festen  Glas-  und  Crystallkörnern, 
wogegen  in  Rom  gläserne  und  crystallene  Rosenkränze,  wenn  auch  aus 
compacter  Masse,  nicht  zur  Benediction  vorgelegt  werden  dürfen  (1844). 

Ist  man  dann  mit  dem  Rosenkranz  einmal  vertraut  geworden,  so 
kann  man  ihn  noch  zu  mancherlei  Dingen  benutzen  und  die  Limefiier 
zählten  in  allen  Dingen  und  bei  jedem  Vorhaben  auf  den  Rosen- 
kranz, —  „cette  pieuse  invention  de  Saint  Dominique  Guzman,  laquelle 
ils  croyent  descendue  du  ciel",  —  selbst,  wie  Frezier  zufügt:  „aussi 
pour  la  reussite  de  leurs  intrigues  amoureuses."  So  wird  sich  die  kleine 
Auslage  für  dieses  bei  der  vielfachen  Concurrenz  ziemlich  billige 
Möbel  schon  bezahlt  machen,  besonders  bei  der  nachgiebigen  Sym- 
pathie der  peruanischen  Geistlichkeit*).  Nach  dem  Heiligenkalendcr 
reichen  ohnedem  die  Liebeleien  über  die  Erde  hinaus.  Nicht  nur 
wurde  der  heilige  Hermann  (Praemonstratehser)  durch  einen  Engel 
mit  Maria  vermählt,  sondern  auch  die  heilige  Godeberta  (f  700  p.  d.) 
mit  Christus  durch  den  Ring  des  heiligen  Eligius  und  (nach  Petrus 
de  Natalibus)  Catharina  AI. 

Eine  besondere  Aufsicht  erfordern  die,  während  der  Kreuzzüge 
aus  dem  Orient  nach  Europa  gekommenen,  Rosenkränze  schon  ihrer 
verdächtigen  Herkunft  wegen,  da  sie  sich  zurückverfolgen  lassen 
bis  zu  jenem  Lhassa,  wo  nach  dem  durch  persönlichen  Einblick  ge- 
schärften Urtheil  französischer  Missionäre  der  böse  Feind  sein 
äffisches  Possenspiel  mit  dem  heiligen  Papstthum  treibt.  Und  auch 
innerhalb  der  Heerde  selbst  scheint  es  gerade  in  den  den  Rosen- 
kranz und  seinen  Ablass  betreffenden  Fragen  unter  jenen  Vexirmasken 
zu  spuken,  in  welchen  nur  das  geübte  Auge  den  Teufel  von  dem 
als    heilig  Approbirten    zu    unterscheiden  vermag,    und  ergiebt  sich 

*)  ,,La  raayor  parte  de  los  desordenes  ö  todos  los  que  ce  cometen  en  los  fandangos 
disolutos"  in  Peru  fanden  ihre  Urheberschaft  in  den  Geistlichen  bei  Anwesenheit  Ulloa's, 
der  es  desshalb  auffallig  finden  darf,  ,,no  solo  el  que  las  personas  de  un  estado  como  cl 
religioso  concurran  inconsideramente  a  los  escandolos  de  los  reglares,  mas  t^ue  sean  ellos 
los  que  en  aquella  manera  los  inventan,  y  los  que  dan  la  norma  a  los  demas  para  tener 
una  vida  tan  perdida  y  desastrada."  Den  Grund  findet  er  in  der  Heiligkeit  der  Kirche, 
die  nicht  durch  weltliche  Gerichtsbarkeit  verletzt  werden  darf,  in  ,,la  confianza  pues  y  la 
ibertad  de  que  ninguna  justicia  tendrd  atrevimiento  para  entrar  en  estas  casas"  (die  in 
Bordelle  verwandelte  Häuser  der  Geistlichen).  Fiamma  dal  ciel  su  le  tue  treccia  piovc, 
Petrarca's  (über  den  päpstlichen  Hof  in  Avignon). 


316  COLUMBIEN. 

dafür  Manches  in  den  Streitigkeiten  der  Dominikaner  mit  den  Fran- 
ciscanern,  die  ihre  Schutzpatrone')  immer  höher  und  höher  zu  schieben 
wusstcn:  Gelobet  sei  die  heilige  Dreifaltigkeit  —  die  uns  den  heiligen 
Ablass  geit        Jesus,  Maria,  Franciscus  (bei  Cochem). 

Während  und  nach  dem  Frühstück  sprachen  Reisende  oder 
Nachbarn  in  dem  Hause  vor,  und  wurde  gesprächsweise  manche 
Notiz  über  die  Alterthümer  der  Umgegend  erlangt,  besonders  in 
Betreff  der  Ramiriqui's,  der  ältesten  Hauptstadt  des  Landes,  nach 
deren  an  dem  Berge  angedeuteten  Lageort  ein  directer  Weg  von 
Ventaquemada  fuhrt. 

Beim  Aufbruch  stiegen  wir  empor  mit  seitlichem  Blick  auf  die 
fernen  Berghalden  Turmeque's  (einst  eine  Markgrafschaft  des  Zaquc 
gegen  den  angrenzenden  Zipa)  und  passirtcn  in  aufgewirbelten  Staub- 
wolken den  Alto  de  la  tierra  negra.  Gegenüber  dringt  der  Einblick 
in  geöffnete  Bergreihen,  in  der  Ferne  von  nebliger  Hochwand  be- 
grenzt, während  davor  eine  steile  Gebirgswand  sich  in  der  Quere 
zwischenschiebt,  ihre  Quellen  zum  Meta  sendend. 

Von  welliger  Hochebene  stiegen  wir  hinab  zum  Rio  Boyaca, 
welcher  auf  einer  Brücke  überschrittene  Nebenfluss  des  Meta  mit 
seinen  Wassern  ein  zerklüftetes  Thal  durchbricht.  Aufsteigend 
wenden  wir  uns  um  schroffe  Felshügelspitzen  und  dann  über  Hügel- 
abfälle hinab.  Beim  neuen  Aufsteigen  kreuzten  wir  den  rechtshin 
abgezweigten  Seitenweg  nach  Sogamoso  (dem  altgeheiligten  Priester- 
sitz) und  gelangten  neben  moosig -grünen  Höhenreihen  nach  dem 
Paramo  Casedon. 

Den  Windungen  des  Weges  auf  der  Höhe  folgend,  öffnete  sich 
bei  einer  Biegung  desselben  der  Blick  auf  ein  flaches  Steinthal,  in 
muldenförmiger  Höhlung,  wo  in  der  Ferne  Tunja  sichtbar  wurde. 

Von  dem  Bach  Moral,  der  mit  dem  Gallinazo  vereinigt  zum 
Rio  de  Sogamoso  fliesst  (also  in  dem  Wassergebiet  des  Magdalena), 
windet  sich  der  Weg  an  den  Bergen  abwärts,  hin  nach  Tunja  am 
steinigen  Hügelabhang. 

An  der  Plaza  lag  die  Casa  de  assistencia  y  posada,  wo  wir  ab- 
stiegen und  suchte  ich  noch  denselben  Abend  den  deutschen  Lehrer, 
Herrn  Holtschick  auf,  den  Director  der  Escuela  normal,  durch  den 
ich  mit  Herrn  Martin  Guerra  bekannt  wurde.  Derselbe  erklarte  mir  die 
Lage  seines  Hauses,  als  in  dem  Umfang  des  einst  von  dem  Zaque  be- 


*)  Qoand  il  n'y  aurait  que  le  livrc  appele  des  Conformites  de  Li  vic  de  S.  Fraui^ois 
i  U  vic  de  Jesus  Christ  qui  en  feist  foy,  il  est  toai  evident,  que  le  diable  (s,  Badios) 
diese  Nachahmung  hen'orgenifcii  hat  ^inn  Aujranus  Frdn>:>.\:r.oniai  . 


ALTERTHÜMER.  317 

wohnten  Palastes  fallend,  dessen  Haupttheil  den  Platz  begriffen  hatte, 
auf  welchem  jetzt  die  in  der  Nähe  liegende  Cathedrale  steht.  Don 
Martin  Guerra  war  im  Besitz  der  von  Herrn  Manuel  del  Castillo  an 
ihn  übergegangenen  Sammlung  von  Alterthümern  der  Chibchas,  die 
es  mir  nach  längeren  Unterhandlungen  mit  ihm,  während  meines 
Aufenthaltes  in  Tunja,  möglich  war,  für  das  Museum  zu  er 
werben. 

Nachdem  ich  am  folgenden  Tage  dem  Präsidenten  des  Staates, 
Don  Juan  del  Carmen  Rodriguez,  meine  Papiere  präsentirt  hatte,  wurde 
ich  von  Herrn  Holtschik  und  einem  seiner  Freunde,  dem  in  der 
Landesgeschichte  wohl  bewanderten  Advocaten,  Herrn  Ricardo  Mon- 
ray,  auf  einem  Ausfluge  begleitet,  für  den  mir  ein  Pferd  geliehen 
wurde,  um  meine  Thiere  ungestörter  dem  Ausruhen  zu  überlassen. 

Ausserhalb  der  Stadt,  auf  dem  Hügel,  an  welchem  sie  liegt, 
finden  sich  auf  einer  abfallenden  Felsplatte  zwei  kissenartige  Steine 
(los  Cojines  genannt)  in  runder  Form,  mit  oben  glatt  abgeschrägter 
Seite  hervorgearbeitet,  und  nach  Osten  gerichtet.  Sie  gelten  als 
Betplätze,  in  der  Richtung  von  Sogamoso,^)  für  den  Zaque  und  sein 
Königsgemahl,  und  sollen,  nach  Andern,  auch  zu  Kindesopfern  und 
dem  Blutsprengen  unter  den  Strahlen  der  aufgehenden  Sonne  benutzt 
worden  sein. 

Am  Hügel  ansteigend,  von  dessen  Höhe  wir  auf  das  Thal  zurück- 
blickten, fand  sich  jenseits  desselben,  seitlich  im  Wege,  ein  Stein  mit 
rothen  Figurenzeichen  bemalt  (an  der  Strasse  nach  Leiva).  Weiter- 
hin am  Fusse  eines  steinigen  Hügel's  (Cafiada  verde),  liegt  ein  roh 
für  Säulenanfertigung  behauener  Felsstein,  neben  einem  glatten,  und 
sonstigen  Spuren  von  Bearbeitung  zeigen  sich  an  den  dortigen  Blocken. 

*)  In  der  Nähe  des  Flusses  Ramiriqui  finden  sich  verarbeitete  Säulen  (vigas  del 
diablo),  die  der  Teufel  dort  gelassen,  weil  er  die  in  einer  Nacht  zu  bauende  BrUcke  (wie 
übernommen  warj  nicht  bis  zum  Hahnenschrei  hatte  vollenden  können.  In  der  Nähe  der 
Ruinen  bei  Leiva  wurde  am  Eingang  eines  Grabes  ein  Indianer,  mit  einer  Keule  in  der 
Hand,  sitzend  gefunden,  während  im  Innern  eine  Frau  mit  Kind  begraben  lag.  Zwischen 
Chiquinquiid  und  Saboya  findet  sich  in  einem  abgeschlossenen  Thal  ein  Steinweg,  der 
zu  einem  aus  rohen  Steinen  künstlich  aufgeführten  Hügel  führt,  auf  welchem  Goldkrönen 
und  sonstige  Alterthümer  gefunden  seien.  Zwischen  Ramiriqui  und  Viracacha  findet 
sich  ein  mit  Zeichen  beschriebener  Stein ,  sowie  bei  Sutepelado  ein  roth  beschriebener 
u.  a.  a.  O.  Bei  Nachgrabungen  auf  dem  Tempclplatz  von  Sogamoso  sind  Holz  und 
Kohlen  angetroffen.  In  der  Nähe  des  heiligen  Quelles,  in  welchem  der  Oberpriester  (von 
Sogamoso)  badete,  fand  sich  (bei  den  Ausgrabungen  des  Cura  Rueda)  ein  Stück  des 
Tempel's  in  hartem  Holz  (ähnlich  dem  der  Macana).  Dem  Nacken  der  Leichen  in  den 
Gräbern  in  Sora  war  ein  Napf  mit  Kohlen  untergestellt.  Sogamoso  hiess  von  Alters  her 
Moniquira,  wie  der  jetzt  Infiemito  genannte  Platz  zwischen  Leiva  und  Moniquirä,  wo 
Steine  zum  Tempelbau  hergerichtet  wurden.     Die  Säulen  Leiva's  beschreibt  Velez. 


318  COLUMBIEK. 

Von  dort  erscheint  in  ferner  Gebirgslandschaft  zwischen  zwei 
Höhenreihen  der  nebh'g  hervorschauende  Pik  von  Ibague,  der  den 
heiligen  See  gleichen  Namen's  (jetzt  der  See  von  San. Pedro)  trägt, 
aus  dem  Bachue  hervorgegangen,  die  Urmutter  des  Menschen- 
geschlechts für  die  Chibchas.  Neben  dem  See  San  Pedro  sollen 
sich  noch  zwei  kleinere  finden,  die  den  Namen  Ibague  bewahren, 
und  wie  Herr  Monray,  der  in  jüngeren  Jahren  einmal  hinaufgeklom- 
men, erzählte,  scheint  der  obere  See  in  einerSteinbeckenform  den  Gipfel 
des  Berges  zu  füllen.  Selbst  kühne  Jäger  nähern  sich  nur  zögernd 
dieser  Stelle,  die  in  ödester  Stille  in  die  höheren  Schichten  der  Luft- 
region emporragend,  durch  den  Eindruck  unbestimmt  geisterhafter 
Scheu  unentweiht  bleibt  und  doppelt  gefürchtet,  wenn  die  um  den 
Gipfel  zusammengeballten  Wolken  in  schreckhaften  Gewittern  her- 
vorbrechen. Man  darf  die  schweigende*)  Luft  dort  nicht  durch 
Menschenrede  unterbrechen,  da  schon  ein  Laut  die  Geister  der  Un- 
wetter herbeirufen  mag,  und  wenn  man  in  das  in  Todtenstarre 
ruhende  Wasser  einen  Stein  wirft,  entstehen  entsetzliche  Hagelwetter, 
noch  mehr,  wenn  gar  ein  Schuss  abgefeuert  wird.  Im  See  Tota 
erschien  der  Teufel  in  Gestalt  eines  schwarzen  Fisches  (walfisch- 
artig), von  Andreas  de  Vargas  gesehen  (s.  Piedrahita). 

Wir  hielten  uns  so  lange  auf,  dass  der  Weg  in  der  Dunkelheit 
über  das  Felsgestein  zurückzufinden  war,  bis  uns  die  aus  der  Tiefe, 
freilich  nur  vereinzelt,  hervorleuchtenden  Lichter  Tunja's  dorthin  führten. 

Am  nächsten  Tage  begab  ich  mich  mit  Herrn  Holtschik  nach 
dem  Fusse  des  Vorhügel's  derjenigen  Höhe,  auf  welcher  Tunja  liegt, 
und  dort,  durch  eine  überbrückte  Quebrada,  die  zu  der  Zerklüftung 
des  Nuevo  Mundo  führt,  abgetrennt,  findet  sich  im  Thal  eine  Sumpf- 
•  stelle,  als  Ueberrest  des  Pozo  Donato,  mit  einem  Abfluss  nach  dem 
tiefem  Theil  des  schräg  geneigten  Thaies,  durch  welches  (in  der 
Nähe  der  jenseitigen  Hügel)  der  Rio  de  las  Gailinazas  hinfliesst,  mit 
dem  sich  (an  dem  Pozo  Donato  vorüberfliessend)  der  Rio  de  la  Vega 
vereinigt,  um  den  Sogamoso  zu  bilden. 

An  den  (nach  dem  spanischen  Besitzer  später  benannten)  Pozo 
Donato  knüpft  sich  die  einheimische  Legende  von  der  Verschüttung 
der  Chicha  durch  die,  vor  der  Strafe  ihrer  Mutter  mit  dem  in 
Schwesterehe  verbundenen  Priester,  Fliehende,  und  Hunsahua,  der 
älteste  Heroen  -  Name  der  Chibchas  führt,  so  zu  den  älteren  Laches 


>)  ,, Unter  der  Haupt^udt  Quito  siedet  und  scheumct  im  Table  Chilo  ein  Brunnen- 
wasser, nachdem  ein  Mensch  heller  oder  leiser  reilet,  und  wan  man  ganli  stille  M:hweigel, 
bleibet  es  unbeweglich  stehen"  (Dapper). 


TUNJA.  319 

hinüber,  die  ihren  Cultus  den  Steinen  zuwandten,  und  demnach  vor 
Allem  solch  heiligen  Versteinerungen,  wie  sie  hier  statt  hatten. 

In  Erinnerung  an  seine  alten  Cultusplätze  ist  Tunja  auf  eine  neue 
Auffrischung  derselben  bedacht  gewesen,  und  so  prangt  auf  einer 
Höhe  neben  der  Stadt  eine  Capelle  der  Virgen  von  Chiquinquira. 
Wie  diese  Doppelgängerin  dorthin  gekommen  und  ob  sie  das  Recht 
dortiger  Existenz  besitzt,  unbeschadet  der  Wirksamkeit  des  Origi- 
nales, ist  bereits  mehrfach  Gegenstand  eines  gelehrten  Streites  zwi- 
schen den  in  Hagiologie  und  Teratologie  Bewanderten  gewesen. 

Nach  der  vorwiegenden  Ansicht  scheint  die  heilige  Madonna 
von  Chiquinquira  ihre  nicht  mehr  in  der  guten  alten  Zeit  (gleich 
dem  unverwüstlichen  in  Aachen)  angefertigten  Gewänder  so  faden- 
scheinig gefunden  zu  haben,  dass  eine  totale  Umkleidung  geziemend 
erschien.  Da  sich  eine  solche  nicht  gut  öffentlich  vornehmen  liess, 
habe  man  insgeheim  das  Bild  in  das  Haus  eines  in  Tunja  sesshaften 
Künstlers  gebracht,  der  in  der  abgelegenen  Strasse  einer  entfernten 
Vorstadt  wohnte  und  so  mit  der  Jungfrau  dort  ungestört  wirth- 
schaften  konnte.  Damit  indess  in  der  Zwischenzeit  der  goldene 
Strom  der  Pilgerfahrten  nicht  abreissen  möge,  habe  man  ein  trüge- 
risches Ebenbild*)  an  die  leere  Stelle  des  Altars  gesetzt,  unbeküm- 
mert um  das  Seelenheil  derer,  die  nun  durch  heidnische  Verehrung 
eines  todten  Holzes  in  den  höllischen  Abgrund  sanken,  statt  in  den 
Armen  der  Göttermutter  emporgetragen  zu  werden.  Die  Strafe  blieb 
nicht  aus,  denn  das  Bild  in  Tunja  begann  zu  jungen,  und  für  den 
gewissenhaften  Kritiker  ist  jetzt  bei  der  künstlerisch  hergestellten 
Aehnlichkeit  guter  Rath  theuer.  Ob  sich  also  in  Chiquinquira  das 
ächte  Original  findet,  oder  das  von  dem  Restaurator  in  Tunja  ange- 
fertigte Duplicat  oder  etwa  das  anfängliche  Duplicat,  und  ob  man 
nicht  vielleicht  in  Tunja  das  Original  behalten,  oder  sich  mit  dem 
Duplicat  des  Restaurators  begnügte,  als  bei  Rückgabe  des  Originals 
das  in  Chiquinquira  bereits  eindressirte  Duplicat  entgegengenommen, 
und  ob  das  Original  sich  überhaupt  an  einem  der  beiden  Orte,  und 
dann  an  welchem  ?  findet  oder  auch  vielleicht  an  beiden,  was  für  die 
Wunder  der  Ubiquität  ja  Kinderspiel  wäre,  oder  ob  es  sich  etwa  an 
keinem  der  beiden  finde,  und  anderswo!  —  oder  nirgends,  oder  überall, — 
alles  das  sind  feingesponnene  Fragen,  die  noch  manchen  Scharfsinn 
abstumpfen  mögen,  und  bis  dahin  wird  es  für  die  Gläubigen  rathsam 

*)  Una  pintura,  que  se  encontro  muy  nialtratada  en  un  paxar  el  afio  1586  por  una 
devota  muger,  llamacla  Maria  Ramirez,  y  sin  haberla  retocacio,  colocö  a  renovarse  (Alcedo). 
Dies  stimmt  nicht  mit  andern  Darstellungen. 


320  COMiMRIEN. 

sein,  um  sicher  zu  gehen,  an  beiden  Orten  Verehrung  darzubringen, 
oder  noch  besser,  und  auch  bequemer  freilich,  an  keinem  von  beiden. 
Für  actenmässige  Darstellung  kann  ich  hier  übrigens  nicht  aufkom- 
men, da  ich  nur  aus  der  Erinnerung  erzähle.  Beim  Zurückgehen  auf 
Namen  heisst  es,  dass  Antonio  de  Santana,  der  auf  dem  von  Que- 
sada  erhaltenen  Lande  in  der  Nähe  eines  alten  Tempels  (wie  es 
auch  bei  dem  peruanischen  Pilgerort  Copacabana  geschah)  die 
Kirche  Chiquinquira's  baute,  dem  in  Tunja  lebenden  Maler  Narvaez 
Auftrag  zum  Malen^)  eines  Jungfrauenbildes^)  gegeben,  und  als  dieses 
abgeblasst  geworden,  trat  plötzlich,  während  Santana's  Nichte  betend 
davor  knieete  (im  Jahre  1586)  jene  Restauration  ein,  welche  auf  Ver- 
anlassung der  Dominicaner  Bogotas  von  dem  Erzbischof  Zapata  de 
Cardenas  als  Mirakel')  bestätigt  wurde,  und  an  der  Kirche  ist  seitdem 
(bis  1823)  fortgebaut. 

Vom  Pozo  Donato  ziehen  sich  sumpfige  Stellen  aufwärts  bis  zu 
der  in  lauwarmem  Wasser  fliessenden,  und  mit  einer  Bade-Einrichtung 
versehenen  Fuente  oder  Quelle  am  Fusse  der  um  Tunja  herum- 
geschlungenen Hügelkette. 

In  der  Ferne  blickt  man  auf  die  Umrisse  einer  wildromantischen 
Gebirgslandschaft,  die  das  heilige  Thal  von  Sogamoso  in  sich  birgt, 
angelehnt  an  die  Gebirgswand,  welche  die  Wasserscheide  des  Ori- 
noko abschneidet. 

Dort  liegt,  auf  einer  selten  genahten  Höhe,  da  die  gespenstisch 
in  der  Einsamkeit  verdünnter  Luftschichten  schweifenden  Schrecken 
gefürchtet  werden,  das  weite  Wasserbecken  des  Tota-See\s,   dessen 


*)  Cochrane  horte  eine  andere  Darstellung,  dass  nämlich  die  Hütte  der  Indianerin,  welche 
das  Bild  der  Jungfrau  von  dieser  seihst  erhalten,  durch  einen  Sturm  zerstört  wurde,  und 
dass  sich  darauf  der  Pfarrer  sogleich  dahinhegeben  ,,and  with  rauch  trouble  rescued  the 
sacred  relic,  piecemcal,  from  the  ruins;  no  sooner  wtre  the  diffcrent  pieces  deposited  near 
each  other,  than  they  flew  togcther  in  a  miraculous  nianner  and  fornied  a  perfect  picture 
as  before." 

')  Das  Bild  der  Jungfrau  in  Cluadalupe  wurde  in  einer  Matte  vom  Himmel  herab- 
gereicht und  durch  den  Indianer  Juan  Diego  dem  Bischof  Juan  de  Zumarragua  übergeben. 
Das  in  der  Abtei  des  heiligen  Remigiiis  (seit  Chiodowig's  Krönung)  verwahrte  Gel  war 
(nach  Casaneus)  durch  eine  Taube  in  einem  Fläschchen  vom  Himmel  gebracht. 

')  I^rga  informacion  se  hizo  de  este  milagro,  por  örden  del  Arzobispo  Don  Prai 
Luis  Zapata  de  Cardenas  (über  die  Erneuerung  des  von  Alonso  de  Narvaez  gemalten 
Bildes).  Da  die  Papiere  von  Ancizar  in  Bogota  (185 1)  gesehen  wurden,  sind  sie  vielleicht  in 
dortigen  Archiven  noch  zu  finden  und  könnten  von  demjenigen  aufgesucht  werden,  der 
sein  Seelenheil  in  Chiquinquira  riskiren  will.  Es  wird  dort  indess  vor  Bauernfängern 
gewarnt,  vor  vagabundirenden  Priestern,  die  den  Reisenden  am  Wege  abfangen,  ,,cle- 
rigos  sueltos  6  curas  errantes,  que  caen  sobre  Chiquinquira  como  gorriones  sobrc  semen- 
teras  (a  recojer  de  los  peregrinos  el  dinero)." 


SOGAMOSO.  321 

Grösse  zu  beschreiben,  erzählt  wird,  dass  zwei  feurige  muthige  Rosse, 
die  in  Folge  einer  Wette  von  entgegengesetzten  Punkten  losgelassen 
seien,  sich  im  Laufe  desselben  Tages  nicht  getroffen  hätten. 

Aus  dem  Tota-See  fliesst  auf  der  durch  den  Paramo  von  Gacha- 
ncque  und  den  Paramo  de  Pefla  negra  (bis  zum  Paramo  de  las 
Cruces)  gebildeten  Wasserscheide  der  Upia  zum  Meta,  und  somit 
zum  Orinoco,  während  die  übrigen  Seenbecken  durch  den  Suarez 
oder  Sogamoso  zum  Magdalena  entleert  wurden.  In  der  Nähe  von 
Iza  (bei  Sogamoso)  soll  sich  ausnahmsweise  ein  warmer  Fleck  finden, 
wo  Platanen  wachsen  (in  der  sonst  kalten  Umgebung),  in  Folge  vul- 
canischer  Erhebungen  und  dadurch  ausgebrochener  warmer  Quellen, 
die  das  Klima  milderten. 

Als  die  Spanier  oder  Ochies,  nachdem  sie  den  kriegerischen 
Suamos  aus  Iraca  vertrieben,  sich  dem  durch  wunderbare  Propheten- 
P>scheinungen  geheiligtem  Tempel  von  Sogamoso  näherten,  dem 
Sitz  eines  alten  Priesterkönigthums,  nach  Art  Melchisedeck's,  gingen 
auch'  diese  Gebäude  (gleich  denen  Delphi 's  beim  Einfall  der  Gallier) 
unter  ihren  beutelustigen  Händen  bald  in  Flammen^)  auf,  und  in 
diesen  verbrannte,  wie  Acosta  erzählt,  der  alte  Xeque  „6  sacerdote 
con  larga  barba  cana",  und  ähnlich  hatte  Cortez  auf  seinem  Zuge 
nach  Honduras  in  den  Tempeln  die  bei  dem  Flüchten  der  Bevölke- 
rung allein  zurückgebliebenen  Priester  angetroffen,  die  entschlossen 
waren,  mit  ihren  Göttern  zu  sterben,  und  die  Ankunft  jener  gefürch- 
teten Fremden  erwarteten,  wie  die  römischen  Senatoren  die  Horden 
des  Brennus. 

Darwin  bei  der  Lagoa  Marica  von  einer  alten  Sklavin  erzählen 
hörend,  die  auf  der  Flucht  durch  die  Verfolger  entdeckt,  sich 
durch  den  Herabsturz  in  einen  Abgrund  zerschmetterte,  fügt  hinzu: 
„In  a  Roman  matron  this  would  have  bcen  called  the  noble  love  of 
freedom,  in  a  poor  negress  it  is  merely  brutal  obstinacy." 

Unter  den  vom  Hohenpriester  Sogamoso's  zur  Wahl  des  Zaque 
bestellten  Kurfürsten  führte  der  Herrscher  von  Tundama  den  Vorsitz, 

>)  Der  Brand  des  Tempel's   in   Sogamoso   dauerte   wegen  der  Härte  des  Holzes  fünf 
Jahre : 

V  en  cste  tiempo  nunca  faltö  humo 
En  el  compäs  y  sitio  donde  estava, 
und  da  kein  anderer  Schriftsleller  widerspräche,  müsse  er,  meint  Piedrahita,  darin  Castella- 
nos  glauben,  wegen  seiner  Zuverlässigkeit  (mucho  lo  dcfiende  su  buen  credito).  Los 
cimentaban  sobre  esclavos  vivos  (die  Holzpfeiler  des  Tempel's),  wie  Juan  Vasquez  gehört 
hatte  (nach  einer  weit  verbreiteten  Sitte).  Es  prueba  de  la  sumptuosa  machina  deste 
famoso  templo,  el  que  todos  los  historiadores  assegnran,  que  durö  cinco  afios  entre  sus 
maderas  el  fuego  (Zamora). 

Bastian:  America,  t.  21 


322  COLUMBIEN. 

und  dieser  mit  den  Goatas,  Chitagotos,  Serinzas  und  Tobacicas  ver- 
bündet, suchte  (1539)  einige  Zeit  den  Spaniern  Widerstand  zu  leisten. 
Nach  dem  Unterliegen  bezahlte  er  allerdings  um  so  theurer,  da 
beim  Goldauswägen  der  Abkaufssumme,  Maldonado  —  nicht  zufrieden, 
wie  Brennus  „seinen  ehernen  Degen  in  die  Schale  der  Gerechtigkeit" 
zu  werfen,  ausserdem  —  mit  dem  zum  Zertrümmern  der  Metallgeschirre 
dienenden  Hammer  so  hart  das  Haupt  seines  Gegners  traf,  dass  er 
todt  auf  dem  Platze  blieb. 

In  Tunja,  dem  Geiste  einer  alten  Königsstadt  würdig,  herrscht 
acht  aristokratischer  Ton,  und  auch  jetzt  in  der  Republik  prangen 
noch  manche  Häuser  über  ihren  Thüren  mit  dem  Steinwappen,  die 
der  König  Spaniens  seinen  treuen  Vasallen  verliehen.  In  Colum- 
bien,  oder,  nach  der  früheren  Ausdrucksweise,  in  dem  „Reyno  de  la 
Nueva  Granada"  hat  sich  das  Blut  der  eigentlichen  Conquistadores 
mehr,  als  in  den  andern  spanischen  Ländern  America 's  rein  und  un- 
verfälscht erhalten,  oder  ist  doch  genauer  in  alle  seine  Abträufe- 
lungen verfolgt,  so  dass  die  auf  den  Listen  der  mit  Ximenes  und 
Quesada,  mit  Federmann  und  mit  Benalcazar  Eingetretenen  basirenden 
Generalogien  dicke  Folianten  füllen,  die  oft  die  einzige  und  einst 
die  beliebteste,  Lecture  im  Lande  bildeten.  Es  wurde  dies  durch 
manche  Gründe  erleichtert,  die  sich  aus  der  Besitznahme  des  Landes 
und  der  Art  der  Ansiedelungen,  dann  auch  durch  die  einförmige  Abge- 
schlossenheit erklären  und  besonders  in  Vergleichung  hervortreten. 

In  Chita  (in  Suata)  finden  sich  (am  Resguardo  de  Chita)  einige 
Indianer,  die,  als  schlank  und  wohlgebaut  (mit  gebogener  Nase)  sich 
von  den  (kleinen)  Indianern  Tunja's  (mit  vorstehenden  Backenknochen 
und  breiten  Schultern)  unterscheiden,  den  Anordnungen  ihres  Häupt- 
ling's  aus  ein^r  heimlich  verehrten  Familie  folgend. 

Das  Reich  des  Zipa  in  Bogota  war  bereits  vor  den  Spaniern 
gefallen,  während  diesen  die  Existenz  Tunja 's  noch  immer  unbekannt 
blieb,  denn  die  als  Führer  dienenden  Indianer  wussten  sie  von  dieser 
heiligen  Hauptstadt  fern  zu  halten,  so  dass  sie  Wochen  lang  in  ihrer 
Nähe  umherzogen,  ohne  sie  zu  Gesicht  zu  bekommen.  Erst  der 
Verrath  des  Häuptlings  von  Baganique,  der  die  Hinrichtung  seines 
Vaters  zu  rächen  dachte,  leitete  sie  auf  die  richtige  Spur,  und  als 
sie  dann  eines  Nachmittags,  wie  Piedrahita  erzählt,  die  in  den  Strahlen 
der  am  westlichen  Himmel  niedersteigenden  Sonne  glitzernden  Dächer 
der  Paläste  und  Tempel^)  erschauten,  eilten  sie  im  Sturmschritt  vor- 


*)  En  qiie  pendientes  laminns  de  oro  liruiiido,  repercutian  sus  rcsplaiulorcs ,  y  cosno 


ZAQUE.  323 

wärts,  die  reiche  Beute  zu  sichern.  Vergebens  versuchte  der  Zaque 
Quimuinchatecha  sie  durch  Geschenke  bringende  Gesandte  aufzu- 
halten, sie  beschleunigten  den  Lauf,  erstürmten  den  Palast,  und  be 
mächtigten  sich  des  im  Kreise  seiner  Grossen  thronenden  Königs  (este 
principe,  hombre  corpulento  y  anciano  y  de  mirada  feroz)  *),  den,  wie 
bemerkt  wird,  sein  Körperumfang  an  der  Flucht  verhinderte,  so  dass 
er  gleich  einer  Termitenkönigin  inmitten  seines  Baues  (einer  in  laby- 
rinthischen Gängen  angelegten  Wohnung),  ergriffen  wurde.  Wie  in 
diesen  abgelegenen  Bergthälern,  fand  sich  ebenso  auf  den  vereinzelten 
Inseln  Polynesiens,  in  dem  als  Atua  vergötterten  Priesterkönige,  solche 
Beleibtheit,  und  im  Unterschiede  von  den  schlankeren  Araucanern, 
neigten  auch  die  Indianer  der  nördlichen  Küste  zur  Fettleibigkeit, 
wie  Stevenson  bei  denen  Perus  bemerkt:  it  is  common  saying,  that 
a  jolly  person  is  „tan  gordo  como  un  cacique." 

Nachdem  die  zur  Verteidigung  ihres  Herrscher's  zusammen- 
gedrängten Edlen  niedergemetzelt  waren,  ging  es  an's  Plündern  und 
die  Beute  erwies  sich  so  reich,  dass  die  Spanier  ein  zweites  Peru^) 
angetroffen  zu  haben  meinten. 

An  die  Alterthümer  von  Tunja  schliessen  sich  zunächst  die  des 
benachbarten  Ramiriqui'),  wo  steinerne  Säulenpfeiler  erwähnt  werden, 
und  neuerdings  sollen  in  Sogamoso  Unterbauten  des  Tempels  ent- 
deckt sein.  Meine  durch  die  vorläufig  fixirte  Abfahrtszeit  des 
Dampfers  in  Honda  umschriebene  Zeit  erlaubte  mir  keine  weiteren 
Explorationen  auf  diesem  für  die  Geschichtskenntniss  der  Chibcha 
schätzereichen  Gebiet,    und    ich    konnte    mir    nur  die  Zugabe   eines 


cslavan  juntas,    tocandose    con   el    ayre  las  unas  ä  las  otras,    formaban  la  mejor  musica, 
que  hasta  entönces  avia  sonado  h.  oidos  de  \o9,  Espaüoles  (Zamora). 

^)  Hallandose  impossibilitado  de  poder  la  persona  por  sus  pies,  ni  por  los  agenos, 
respecto  de  su  mucha  corpulencia.  In  Quito  (wie  Hassaurek  bemerkt)  corpulency  is  very 
frcquent  among  women,  but  very  rare  among  men.  Caqongi,  der  von  Nufio  de  Guzman 
verbrannte  König  von  Mechoacan  (dessen  Asche  die  Indianer  heimlich  in  die  Berge  ent- 
führten) wurde  genannt :  Pero  Panga,  porque  era  gruesso  (s.  Oviedo). 

*)  Quantas  veces  salian  con  alguna  (presea),  vueltos  a  Quesada  le  repetian:  ,,Peni» 
Peru,  Scflor  General,  que  otro  Caxamarca  hemos  encontrado"  (Piedrahita). 

*)  Nachdem  die  Caziken  in  Sogamozo  und  in  Ramiriqui  oder  Tunja  die  Männer  aus 
gelber  Erde,  die  Frauen  aus  hohlstengligen  Pflanzen  geschaffen,  befahl  der  Sogamoso 
seinem  Neffen  in  Ramiriqui  (zum  Lichtgeben)  als  Sonne  zum  Himmel  zu  steigen,  und 
folgte  (da  es  noch  nicht  genug  schien)  selbst  als  Mond  für  die  Nacht.  Zum  Andenken 
wurde  in  Sogamoso  das  Fest  Huan  gefeiert,  mit  trauernden  Gesängen  über  die  Ver- 
gänglichkeit des  Lebens  und  Ungewissheit  der  Zukunft ,  worauf  das  allgemeine  Klagen 
und  Weinen  durch  die  von  den  Caziken  mit  Rauschtränk^n  zur  Tröstung  angestellten 
Festlichkeiten  in  Freude  verwandelt  wurden  (s.  Simon). 

21* 


324  COLUMBIEN. 

etwas  weiteren  Rückweges  erlauben,  auf  dem  sich  die  Monumente 
von  Leiva  kurz  berühren  Hessen. 

Anfangs  dachte  ich  den  Weg  dorthin  durch  das  Thal  von  Iguaque 
(Ibague)  zu  nehmen,  das  sich  mit  romantischen  Reizen  geschmückt, 
am  Fusse  des  den  Pik  tragenden  Gebirgszuges  hinwinden  soll, 
leider  aber  nahmen  die  in  unerwarteten  Einzelnheiten  sich  häufenden 
Schwierigkeiten  in  der  Verpackung  der  gekauften  Sammlung,  mit 
den  sonst  hinzugekommenen  Erwerbungen,  einen  Tag  mehr  Zeit  in 
Anspruch,  als  berechnet  war,  und  ich  sah  mich  bereits  gezwungen, 
genau  nach  Tagen  zu  zählen. 

Nachdem  deshalb  die  wohlverwahrten  Kisten  einigen  Last- 
trägem zum  Transport  nach  Bogota  übergeben  waren,  schlug  ich  (am 
Febr.  6.)  den  directen  Weg  nach  Leiva  ein,  und  wurde  für  den  Anfang 
desselben  durch  Herrn  Holtschik  begleitet.  Ueber  steinige  Höhen 
ritten  wir  hinab  zu  einem  von  Felshügeln  umzogenen  Thal,  das  sich 
zu  der  Ebene  des  Tocaita  und  Sameia  erweitert,  und  rasteten  um 
Mittag  in  Sora,  im  Hause  eines  Bekannten  meines  Begleiters,  der 
dann  hier  Abschied  nahm,  um  nach  Tunja  zurückzukehren. 

Am  Nachmittag  folgte  der  Weg  über  steinige  Höhen,  unter 
seitHchem  Niederblick  in  die  Ebene,  verlief  indess  mitunter  so  un- 
deutlich, dass  wir  ihn  verfehlten,  und  uns  erst  durch  Erkundigungen 
wieder  ins  Geleis  setzen  lassen  mussten. 

An  den  Abhängen  der  auslaufenden  Höhen,  und  vorüber  an 
felshüglig  begrenzten  Ebenen  jenseits,  gelangten  wir  zum  Salchiva- 
Fluss  und  seinen  durch  das  Wasser  warmer  Quellen  zerlöcherten 
Steinen.  In  dem  steinigen  Bergland,  das  wir  dann  betraten,  blickte 
man  von  der  Höhe  auf  das  von  Felshügeln  umzogene  Thal  des 
Klosters  Candelaria,  zu  Randhöhen  auslaufend,  an  denen,  unter 
steilerem  Gebirge,  Leiva  liegt  oder  La  Villa  {Villa  de  Leiva). 

Es  fand  sich  dort,  von  Hotel  nicht  zu  reden,  weder  eine  Posada, 
noch  Fonda,  noch  Venta,  selbst  keine  Casa  de  assistencia,  und  die 
Einwohner  schienen  ebenso  wenig  geneigt  oder  gewohnt,  Fremde 
aufzunehmen,  und  da  wegen  des  Feiertags  die  Behörden  in  ihren 
Amtsstuben  nicht  zu  finden  waren,  der  Cura  aber  seinerseits  wieder  in 
Anspruch  genommen,  so  gelangte  ich  erst  nach  langem  Parlamentiren 
unter  Dach  und  Fach  in  einem  Hause  der  Plaza,  denn  die  von  einem 
Freunde  mitgegebenen  Empfehlungen  konnten,  wegen  Abwesenheit 
auf  Reisen,  nicht  ihrer  Adresse  präsentirt  werden. 

Nach  meiner  Einrichtung  suchte  ich  dann  den  Cura  auf,  den  ich 
auf  dem  Balcon  des  Conventes  mit  ein  paar  Collegen,  die  zum  Besuche 


LEIVA.  325 

gekommen  waren,  gerade  den  Abendsegen  murmelnd  fand,  was  eine 
gemessene  Zeit  in  Anspruch  nahm,  und  obwohl  es  unter  den  dreien 
in  ziemlich  jovialer  Weise  abgemacht  zu  werden  schien,  doch  nicht 
wohl  unterbrochen  werden  durfte.  Nachher  hatten  wir  indess  ein 
ganz  anregendes  Gespräch,  da  der  Pfarrer  gerade  in  der  Nähe  von 
Iguaque  längere  Zeit  angestellt  gewesen,  und  so  mancherlei  darüber 
wusste. 

Am  Ende  der  steilen  Bergwand,  an  welcher  Leiva  liegt,  schneidet 
sich  der  die  Lagune  San  Pedro  tragende  Cerro  von  Iguaque  ab, 
dessen  gleichnamiger  Quellbach  in  den  Moniquira  fallt,  und  dieser 
in  den  Satchika,  einen  Zweigarm  des  Suarez,  des  mit  dem  Sogamoso 
vereinigten  Nebenfluss  des  Magdalena. 

Im  Privatbesitz  (des  Herrn  Pedro  Ferro)  sah  ich  eine  bei  dem 
See  von  Iguaque  gefundene  Goldfigur,  die  eine  Frau  (mit  vorstehender 
Nase)  ein  Kind  auf  dem  rechten  Arm  haltend,  darstellte,  also  gleich- 
sam Bachue  mit  dem  dreijährigen  Knaben.  Die  anfangliche  Aus- 
sicht auf  Ankauf  wurde  durch  die  spätere  Abwesenheit  des  Eigen- 
thümers  wieder  verschoben,  und  bleibt  nur  die  Hoffnung,  dass  dieses 
durch  seinen  P^undort  interessante  (sonst  den  bekannten  Tunjas  ähn- 
liche) Stück  in  den  noch  fortgesetzten  Verhandlungen  gesichert 
werden  möge.  Einige  kleinere  Ankäufe  von  Gold-  und  Silbersachen 
konnte  ich  bei  einem  Goldschmied  oder  Platero  (Silberschmied) 
ausführen,  dem  sie  zum  Einschmelzen  übergeben  waren,  darunter 
auch  ein  paar  in  den  Gräbern  gefundene  Smaragden,  welcher  in 
seinen  Beziehungen  zum  Cultus  der  grünen  Steine  für  die  ameri- 
canischc  Archäologie  bedeutungsvoller  Edelstein  in  reichhaltigster 
Menge  aus  den  Minen  der  Muzos*),  schon  in  alter  Zeit,  gewonnen 
wurde.  Da  in  einigen  Flüssen  Antioquias  Conundrum  gefunden 
werden  soll,  der  (als  Rubin)  alle  Steine  (ausser  dem  Diamant)  ritzt, 
wäre  das  Schleifen  erklärbar. 

Am  andern  Tage  kam  Herr  Ricardo  Monray,  seinem  mir  in 
Tunja  gegebenen  Versprechen  gemäss,  nach  Leiva  herüber  und  mit 
einem  von  dem  Cura  gestellten  Führer  folgten  wir  der  nach  Moni- 
quira  fuhrenden  Strasse,    abwärts   durch  ein  steiniges  Thal,  das  an 

*)  Levy,  who  analysed  with  great  care  the  Emeralds  from  the  Muzo  mines  of  New- 
Granada,  found  that  they  contained  an  organic  matter,  a  simple  combination  of  carbaret 
of  hydrogen ,  and  that  the  intensity  of  the  color  depended  apon  the  amount  of  this 
organic  matter,  contained  in  the  Emerald  (Streeter).  In  Klaprotb's  Analyse  findet  sich 
neben  Kiesel  und  Thon  ein  Eisen-Oxyd  und  Chrom- Veibindung  (ausser  organischem  Bc- 
standtheil).  Condamine  fragt,  wie  die  Peruaner  verstanden,  ,,arrondir  et  polir  des  emeraudes 
et  les  percer  de  deux  trous  coniques,  diametralement  oppos^s  sur  un  axe  commun"? 


326  COLVMBTEN. 

einer  Höhenwand  aufgestreckt,  von  niedrigen  Erhebungslinien  durch- 
zogen \nrd ,  hinter  welchen  der  Fluss  Iguaque  (oder  Tibito)  fliesst. 
Von  dem  bisherigen  Wege  ablenkend,  durchritten  wir  den  Fluss  von 
Leiva,  und  stiessen  auf  umherliegende  Steinblöcke,  die  zur  Verarbei- 
tung gedient  hatten.  Auf  einem  gerade  abgeernteten  Kornfeld,  bei  der 
El  Infiernito  genannten  Stelle,  fanden  sich  in  die  Erde  eingerammte  und 
an  der  Spitze  abgebrochene  Pfeiler  in  Reihen  neben  einander.  In  der 
ersten  Reihe  stehen  21  Steine  (i^  Fuss  von  einander),  dann  folgt  eine 
Oeffnung  (6  Fuss  breit)  und  weiterhin  eine  Reihe  von  7  Steinen. 
Ihnen  gegenüber  in  28  F'uss  Entfernung  stehen  10  Steine  und  dann 
in  verschiedenen  Zwischenräumen  5  Steine.  Weiterhin  fanden  sich 
auf  dem  Boden  halbcylindrische  Steinblöcke  (10  14  Fuss  lang) 
mit  einem  umlaufenden  Einschnitt  an  dem  einen  Ende,  um  die  beim 
Ziehen  (zum  Hinschleppen  nach  dem  Bauplatz  des  Tempels*))  ver- 
wandten Stricke  umzuschlingen  (wie  an  fortgeschleiften  Baumstämmen 
durch  Einkerbung),  und  für  die  Befestigung  derselben  sind  zugleich 
Aushöhlungen  der  Länge  nach  sichtbar.  Die  umfassende  Rille 
findet  sich  am  dicken  Ende,  während  die  Steine  nach  Unten  hin 
spitziger  zulaufen.  Eine  grössere  Anzahl  härterer  Steine,  die  zum 
Abschlagen  tauglich  sind,  ^^aIrden  in  der  Nachbarschaft  umherliegend 
angetroffen.  Eine  ähnliche  Steinanordnung  findet  sich  jenseits  des 
Baches  Moniquira  und  von  dort  ist  das  gleichnamige  Pueblo  an  einem 
I^ängsabfall  des  Thaies  in  einiger  Entfernung  sichtbar.  Gegenüber 
erhebt  sich,  neben  der  Bergwand  Leivas,  der  Pik  von  Iguaque,  und 
die  beiden  Steinreihen  liegen  in  der  Richtung  desselben,  sowie,  bei 
fernerer  Verlängerung  darüber  hinaus,  in  der  von  Sogamoso. 

In  der  Nähe  von  Casa  blanca  (zwischen  Tunja  und  Leiva)  werden 
(am  Abhänge  des  Cerro  von  Ibaque)  die  Las  Pulpitas  genannten  Fel- 
sen erwähnt,  neben  einem  Stein,   der  in  eine  Doppelthür  (mit  einer 

*)  Nachdem  der  Prophet  in  Sogamoso  (in  Tmi;a)  verschwunden  war,  verbreitete  sich 
die  Vorhersaguug,  da>s  eine  Jungfrau  durch  die  Strahlen  der  Sonne  in  Guacheta  empfan- 
gen würde,  und  als  sich  deshalb  die  beiden  Töchter  des  Fürsten  den  Sonnenstrahlen 
aussetzten,  fühlte  sich  die  Kine  geschwängert  und  gebar  einen  grünen  Stein,  der  in  ihpcm 
Busen  bewahrt,  sich  in  ein  Kind  verwandelte,,  das  später  als  Garanchacha  zum  Cariken 
von  Ciuachcta  erliobtn  wurde.  Von  dem  Hohenpriester  in  Sogamoso  als  Sohn  der  Sonne 
begrüsst  und  gefeiert,  vertriel)  Garanchacha  den  Caci<]uen  von  Ramiriqui  und  schlug  seine 
Residenz  in  Tunja  auf,  wo  er  durch  einen  geschwänzten  Herold  bedient  wurde  (s.  Simon). 
Auf  Garanchacha,  der  seinem  Vater  einen  Sonnentempel  bauen  wollte,  folgte  der  Cazike 
Queminchatocha.  Als  der  von  der  Jungfrau  in  Ciacheta  gebome  Huaca  (Götterstein)  sich 
in  einen  Menschen  verwandelte,  usurpirte  dieser  (als  Garanchacha)  die  Macht  des  Zaque  in 
Hunsa  und  baute  seinem  Vater  (der  Sonne)  aus  Stein  (s.  Acosta)  einen  Tempel,  dessen 
unvollendete  Anfänge  bei  Leiva  gezeigt  werden. 


SEENABFLUSS.  327 

Säule  in  der  Mitte)    ausgearbeitet  ist,    indem    zugleich    in  der  einen 
Höhlung  eine  Thür  durch  die  Mittelwand  führt. 

Auf  der  Rückkehr  fand  sich  einer  der  Felsen  am  Wege  mit 
rothen  Zeichen  beschrieben.  Der  ganze  Boden  ist  dicht  mit  Ver- 
steinerungen verschiedener  Art  bestreut  und  sah  man  besonders  unter 
den  Ammonitenformen*)  einige  durch  Grösse  und  Erhaltung  ausge- 
zeichnete Exemplare.  Wie  die  Ammoniten  schliesst  die  Kalkfor- 
mation die  Smaragden  Muzo's  ein,  die  dort  im  bergmännischen  Be- 
triebe gewonnen  werden.  Die  geographische  Configuration  ruft  auch 
hier  die  geologische  Katastrophe  zurück.  Ueber  dem  alten  Seenbecken^) 
Tunja's  erhoben  sich  die  von  Chivata  und  Soraca.  Der  See  von  Toca 
wurde  in  den  Tunja's  entleert,  der  dann  über  Paipa  zum  Sogamoso 
floss,  wo  der  Durchbruch  bei  Gameza  Statt  hatte.  Der  ältere  See 
von  Leiva  (mit  dem  See  von  Fuquene  communicirend)  brach,  den  Aus- 
fluss  des  See's  von  Samaca  aufnehmend  nach  dem  Saravita  oder 
Suarez  durch,  und  mit  diesem  Erguss  der  Wasser  in  den  Magdalena 
bereitete  sich  das  auftrocknende  Land  für  die  Bewohnbarkeit. 

In  Leiva  angekommen,  besichtigte  ich  die  runden  Steinsäulen, 
welche  unter  Zufügung  von  Posteil  und  Capital  längs  der  zu  der  casa 
de  las  Capellanias  gehörigen  Halle  in  der  Zwölfzahl  aufgestellt  sind, 
von  den  Ruinen  von  Moniquira  dorthin  gebracht.  Einige  andere 
finden    sich  in  Privathäusern  eingefügt  (und  im  Kloster  Ecce-homo). 

Mit  Moniquira  verknüpfen  sich  die  Traditionen  des  alten  Todten- 
cultus,  und  die  Steindenkmäler  dort  führen  auf  die  Sage  von  dem 
begonnenen  Bau  des  Sonnentempels  durch  Garanchacha,  den  von 
einer  Jungfrau  geborenen  Sonnensohn,  der  für  eine  Zeit  lang  den 
Thron  des  Zaque  in  Hunsa  usurpirte. 

Am  folgenden  Morgen  erfrischte  ich  mich  durch  ein  Bad  in  der 
Quebrada  la  Colorada  und  weiter  oberhalb  an  dem  Pozo  de  la  Vieja, 
wo  man,  mit  Leiva  unterhalb  zu  Füssen,  das  Thal  überblickt,  findet 
sich  ein  mit  Figuren  eingegrabener  Stein. 

Im  Laufe  des  Vormittags  Hess  ich  zum  Aufbruch  fertig  machen 
und  folgten  wir  abwärts  dem  Thal  entlang  zum  Fluss  Satchica.    Stei- 

*)  Die  Versteinerungen  aus  der  jungen  Kreide-Epoche  gleichen  denen  der  europäischen 
Gault-Schichten,  und  zeigen  sich  characteristisch  durch  die  Polythalamien-Reste ,  wie  die 
ältere  Kreide,  von  Karsten  in  zwei  Unterabtheilungen  geschieden,  durch  die  Mannigfal- 
tigkeit der  Cephalopoda. 

')  Echando  una  ojea<la  a  la  provincia  liniitrofe  de  Tunja ,  se  viene  en  conocimiento 
tle  <|ue  en  clla,  conio  en  la  de  Tundama,  existia  un  sistema  de  lagos  a  mayor  altura, 
c<mtenidos  por  harreras,  cjuc  en  cierta  ^poca  fueron  necesivamente  ronipicndose  hasta  der- 
ramar  el  ultimo  sobre  el  de  Sogamoso  por  Paipa  (nach  Codazzi), 


328  COLl'MBIEN. 

nige  Hügel  mit  sj^arlichem  Grün  umzogen  das  in  zerstreuten  Bäumen 
bestandete  Thal  und  jenseits  des  Flusses  Suta  kamen  wir  zum  gleich- 
namigen Pueblo,  wo  ein  Markt  von  Töpfer\^'aaren  Statt  hatte.  Uebcr 
Höhen  gelangten  wir  weiter  zum  Fluss  St.  Barbara,  dessen  Wasser 
beim  Durchwaten  der  Fuhrt  bis  an  den  Sattel  reichten,  und  jenseits 
des  Dorfes  Tinjaca  ging  es  längs  des  Flusses  La  Candelaria  fort.  An 
dem  durch  Rundgebirge  gebildeten  Schluss  des  Thaies  liegt  Rariqui 
und  dann  wurde  der  Fluss  Salado  passirt.  Aufsteigend  an  steiniger 
Höhe,  blickten  wir  zurück  in  ein  wellig  gebrochenes  Thal,  und  hatten 
dann  im  Regen  einen  schlüpfrigen  Weg  zu  passiren,  auf  welchem  die 
Thiere  vielfach  ins  Gleiten  kamen.  Als  der  Gipfel  erreicht  war, 
traten  in  kühner  Gestaltung  schräg  durchsetzende  f^elswändc  ent- 
gegen, gleichsam  fliegend  und  schwebend,  und  unter  der  Abzwei- 
gung des  Weges  nach  Chiquinquira  wurde  der  Aufsteig  fortgesetzt. 
Robles  mit  gelb  trocknen  Blättern  zwischen  Grün  begleiteten  den 
Weg  und  rothe  Blumen  in  dem  feinstrahligen  Laub  der  Pegalosa. 
Wir  durchritten  einen  Wald  hügeliger  Berggipfel  und  rechts  fiel  der 
Seitenblick  auf  ein  von  Gebirgsvorsprüngen  umschlossenes  Thal  mit 
dem,  den  (mit  dem  Rio  de  Moniquira  zu  vereinigenden  Suarez  aussen- 
denden) See  Fuquene,  durch  die  Höhen  von  Samacä  (bei  Ubate)  von 
dem  früheren  Funzha's  getrennt. 

Auf  der  winkligen  Brücke  der  Quebrada  Honda  fand  eine  Be- 
gegnung mit  Lastthieren  statt,  bei  der  das  Ausweichen  manchen 
Machtgriff  erforderte.  Teichlachen  mit  tiefem  Wasserstande  machten 
den  an  sich  schlechten  Weg  noch  schwerer,  und  mein  Reitthier  zeigte 
sich  völlig  erschöpft,  so  dass  ich  umsatteln  lassen  musste  auf  ein 
anderes,  das  durch  das  Zufussgehen  des  Führers  dafür  frisch  ge- 
halten war.  Der  Mond  war  aufgegangen  und  bei  seinem  Schein 
setzten  wir  unsere  Strasse  fort,  bis  in  ein  hochumschlossenes  Thal 
unter  grün  dunkelnder  Bekleidung,  wo  wir  in  der  Casa  de  a>sistencia 
des  Fueblo  Gacheta  Aufnahme  verlangten.  Diese  wurde  auch  gewährt, 
dagegen  hatte  die  Beschaflfung  des  Futters  seine  Schwierigkeiten,  da 
bei  der  späten  Stunde  alle  Verkaufsschuppen  leer  standen,  so  dass 
mancherlei  künstliche  Auskunftsmittel  zu  ersinnen  waren,  den  armen 
Thieren  das  Fasten  zu  versüssen,  (besonders  durch  Chancacca). 

Der  Aufbruch  am  nächsten  Morgen  früh  führte  uns  durch  das  Thal 
zum  Hügeldurchschnitt  und  dann  wieder  m  eine  frische  Fläche  von  Piks 
umzogen.  Ueber  Hügclvorsprünge  her\'ortretend,  erblickten  wir  seit- 
lich ein  g^n  gedecktes  Thal,  mit  graden  Gräben  quadratisch  durch- 
zogen, und  gelangten  dann  in  die  Ebene  hinab,  unterhalb  eines  iso- 


PIKGER.  329 

lirten  Hügels,  bis  nach  Ubate  weiter  am  Fuss  der  begrenzenden 
Hügelkette,  wo  wir  im  Hotel  Americano  rastend,  den  Thieren  die 
halbe  Hungercur  der  vorigen  Nacht  zu  ersetzen  suchten. 

Gegen  Mittag  ging  es  weiter  durch  eine  Ebene,  die  sich  von 
Hügeln  umschlossen,  zum  Bergthal  verengte,  von  einem  Felsenkranz 
zinnenartig  gekrönt.  Jenseits  des  Dorfes  Sutamacho  gelangten  wir  auf 
Höhenflächen  und  durch  den  Fluss  Sutapelado,  der  bei  Zusammen- 
bruch der  Brücke  in  einer  Fürth  passirt  wurde,  nach  dem  gleich- 
namigen Pueblo.  Der  Regen  vermehrte  so  die  Schlüpfrigkeit  des 
Weges,  dass  ich  bei  dem  steten  Gleiten  der  Thiere  das  von  mir  ge- 
rittene eine  Strecke  lang  führen  lassen  musste. 

Aufwärts  steigend  blickten  wir  auf  eine  wellige  Einsenkung  von 
einer  Höhe,  jenseits  welcher  Tausa  (Suta-Tausa)  liegt.  Abbiegend 
links  nach  Boquera,  folgte  der  Weg  längs  kühn  streifender  Berg- 
gipfel, die  dann  in  einen  Felsrand  abfallen,  worunter  Waldbäche 
rauschen.  Ueber  Hochebenen  ging  es  fort,  zwischen  Steinblöcken  auf 
dem  grünen  Boden,  oberhalb  welches  Nebelwolken  streifen,  und  dann 
öffnete  sich  der  Blick  auf  ein  fortschweifendes  Thal,  mit  seitlichem 
Hügelhöhen,  vom  W^olkenflor  überhängt,  während  gegenüber  der 
breite  Hügel  von  Nemocodom,  mit  der  Ortschaft  am  Fusse,  her- 
vortritt. 

Nachdem  ich  zur  Erholung  des  Reitthieres  hatte  umsatteln  lassen 
müssen,  begannen  wir  den  Absteig,  über  Hügel  fortwindend,  zur  Casa 
blanca  am  Fuss.  * 

In  Manchen  der  Begegnenden  erkannten  sich  Pilger  für  Chi- 
quinquira  und  zwar  vorwiegend,  wie  es  schien,  junge  Pärchen,  die 
allerdings,  besonders  auf  der  schönen  Seite,  etwas  trübselig  drein- 
schauten, da  sie  von  den  schlimmen  Wegen  wohl  erzählen  gehört, 
aber  sie  noch  nicht  erprobt  gehabt  haben  mochten,  bis  die  rauhe  Wirk- 
lichkeit herantrat,  und  die  Zugabe  des  bösen  Wetters,  die  hätte  erspart 
werden  können,  natürlich  lieber  nicht  mit  in  Rechnung  gezogen  worden 
war.  Nach  Allem  wird  es  ihnen  indess  nur  zu  Gute  gekommen  sein,  da 
in  Folge  solcher  Leiden  und  Strapazen  die  Verdienste  der  Pilgerfahrt 
in  desto  höherer  Taxirung  in's  Credito  geschrieben  sein  müssen. 
Im  Allgemeinen  allerdings  führt  die  römische  Geistlichkeit  auf  Erden 
nicht  so  genau  Buch  von  Soll  und  Haben,  wie  die  des  Dalai-Lama 
und  sonst  buddhistische  über  Bun  und  Bab,  aber  bei  den  epuranischen 
Verwaltern  des  Thesaurus  überschüssiger  Einnahmen  wird  man  derarti- 
ges doch  voraussetzen  müssen,  zumal  bereits  Versuche  gemacht  sind, 
den  Capitalvorrath  zu  berechnen,  nach  dem  Taxationswerth  jedes  von 


33()  COLUMBIEN. 

den  Contribuenten  vergossenen  Blutstropfen  unter  Entwerfung  einer 
Scala  für  die  Tugendhandlungen.  Wie  viele  solcher  bei  unseren 
jungen  Pilgern  und  Pilgerinnen  auf  dem  Wege  nach  Chiquinquira 
hinzukommen  werden,  mag  ungewiss  bleiben,  und  was  kommt  es 
auf  ein  paar  Schulden  mehr  oder  weniger  an,  wo  die  ganze  Schaar 
der  frommen  Heiligen  es  sich  sauer  werden  lässt,  die  Bilanz  in  Ord- 
nung zu  halten. 

In  Bogota  wird  Alles  nach  strenger  Etiquette  reg^lirt  und  dazu  (wie 
man  sagt)  gehört  unter  den  Bestimmungen  des  Cour  d'amour,  dass  ein 
Ritter  seine  Dame  nur  dann  auf  Reisen  mitnehmen  darf,  wenn  er  sich 
verpflichtet,  sie,  die  Jungfrau,  zur  heiligen  Jungfrau  in  Chiquinquira  zu 
führen.  Wie  gern  wird  deshalb  diese  Pilgerfahrt  unternommen,  die  in  so 
eindringlicher  Weise  das  Angenehme  mit  dem  Nützlichen  verbindet, 
und  wie  sehr  wird  Nächstenliebe  gelehrt,  in  den  8-  14  Tagen,  wo 
man  einzig  und  allein  auf  gegenseitigen  Liebesdienst  und  Hülfe- 
leistungen angewiesen  ist,  bei  den  Fährlichkeiten  einsamer  Wege,  in 
den  eng  zusammenführenden  Nachtquartieren,  und  besonders  in  den  für 
Alles  vorbereiteten  Pilgerhäusem  des  heiligen  Wallfahrtsortes,  dessen 
Atmosphäre  sehr  reinigend  wirken  muss.  Hiermit  soll  indess  nicht  - 
selbst  wenn,  wie  oft  (auch  in  Rom  nach  Cato's  Bemerkung)  bei  civi- 
Msirten  und  uncivilisfrten  Stämmen  den  Unverheiratheten  grössere 
Licenz  gewährt  sei  ein  Schatten  auf  die  Frauenwelt  Bogota's  ge- 
worfen werden,  da  eine  rasche  Durchreise  nicht  zu  generalisirendem 
Urtheil  über  sociale  Verhältnisse  berechtigt..  Im  Allgemeinen  giebt 
die  Haltung  des  weiblichen  Geschlechts  im  Innern  dieser  südamerica- 
nischen  Länder  wenig  Anlass  daran  zu  mäkeln  und  auch  von  der 
Hauptstadt  Ecuador's  bemerkt  Hassaurek,  that  there  is  less  immo- 
rality  in  Quito,  than  in  any  other  capital.  Ein  gleiches  Lob  (worüber 
Steuart  freilich  anderer  Ansicht  ist)  wird  von  Hamilton  (1825)  Bogota 
gezollt,  und  über  Lima  liegt  Stevenson's  günstiges  Urtheil  vor,  von 
mehr  (oder  doch  gleich  viel)  Gewicht  vielleicht,  als  das  der  oft  ober- 
flächlichen Tadler. 

Chiquinquira  ist  in  der  Nähe  eines  in  Trümmer  liegenden  Indianer- 
tempels gebaut,  wo  neben  Schädel  und  Knochen,  gelegentlich  auch 
alter  Schmuck  gefunden  wird,  an  der  Seite  des  Loma  de  los  Ahor- 
cados,  und  dieser  Name  scheint  (wie  bei  Pativilca)  auf  die  Verehrung 
des,  Odin  (dem  Gott  der  Erhängten)  verwandten,  Luftgeistes  Supay 
zu  führen,  der  (wie  Cieza  de  Leon  bemerkt)  von  Kali  bis  Chile 
Opfer  empfing.  Die  Virgen  von  Chiquinquira  und  die  Virgen  del 
Carmen  werden  als  „Hermanitas"  oder  Schwesterchen  (die  letztere  die 


ZIPAQUIRA.  331 

jüngere)  betrachtet,  und  als  dritte  schliesst  die  Virgen  von  Mongui 
diese  jungfräuliche  Trinität  (der  Grazien).  In  Bogota  wird  besonders 
die  Virgen  von  Montserrat  hochgehalten,  die  beim  Mangel  an  Regen 
nach  der  Hauptstadt  gebracht  und  dort  in  Procession  herumgeführt 
wird.  Wie  es  sich  im  Grunde  mit  dieser  Ubiquität  der  Jungfrau  *)  ver- 
hält, scheint  im  Uebrigen  eine  noch  ungelöste  Frage  in  dem  katho- 
lischen Cultus,  wenn  sie  nicht  vielleicht  durch  die  Präcendenzfälle 
der  Heiligen  entschieden  ist. 

Durch  die  Ebene  fortreitend,  passirten  wir  den  Fluss  Pedregal 
und  kamen  dann,  nach  einigen  An-  und  Absteigen,  auf  einen  schlüpf- 
rigen Weg  mit  engen  Erdbrücken,  auf  denen  die  Thiere  schwer 
festen  Fuss  fassten.  Dadurch  wurden  manche  Ausweichungen  be- 
dingt, und  da  der  bewölkte  Mond  nur  beschränkte  Umsicht  ge- 
stattete, verlor  der  Führer  die  Richtung,  so  dass  wir  Mühe  hatten, 
uns  in  der  Nacht  zurecht  zu  fragen  und  Zipaquira  zu  erreichen. 

Nachdem  ich  mir  im  Hotel  ein  Zimmer  hatte  geben  lassen,  traf 
ich  mit  Herrn  Harassowitz  zusammen,  der  in  Geschäften  von  Bogota 
herüber  gekommen  war  und  mir  über  die  während  meiner  Abwesen- 
heit vorgefallenen  Ereignisse  Mittheilung  machen  konnte. 

Am  Morgen  besuchte  ich  die  an  einem  Hügel  hinter  der  Stadt 
gelegenen  Salzwerke,  die  grosse  Einnahmequelle  Columbiens,  und 
betrat,  nach  Besichtigung  des  Eindampfverfahrens,  einige  Schachten. 

Das  Steinsalz  (von  Zipaquira)  kommt  stets  als  Hangendes  eines 
schwarzen  thonigcn  Kalkes  am  Fusse  hoher  senkrechter  Abstürze  ge- 
schichteterGesteine  der  Kreide  vor,  deren  Schachtenköpfe  in  einem  Halb- 
kreis der  Salzbank  zugewendet  sind  (Karsten).Von  Buch  rechnet  das  Stein- 
salz und  die  Gypse  der  Mina  de  Rute  von  Zipaquira  zur  Kreidegruppe. 

Die  Steinsalz-Niederlage  von  Zipaquira  wird  mit  Gyps  und  Salz- 
thon  auf  700  Fuss  Mächtigkeit  angesetzt  (bei  Humboldt).  „Auf 
fast  gleicher  Höhe  gehen  Steinsalz-Flöze  zu  Tage  aus  bei  Enemocon, 
westlich  von  Gachansipa  und  bei  San  Juan  zwischen  Sesquiler  und 
Chaleche,  ja  tief  am  entgegen  gesetzten  östlichen  Abfall  der  Cor- 
dillere  von  Bogota,  gegen  die  Provincia  de  los  Llanos  hin,  finden 
sich  Salzthon  und  reines  Steinsalz  bei  Chamesa**. 


')  Wilson  (1855)  fühlte  die  Indignation  ,,at  being  iniposed  upon  by  a  counicrfcil" 
(a  child's  doli,  covered  with  paste  jewel)  in  der  CapcUe  der  Virgen  de  los  Remedios,  die 
mit  den  Spaniern,  deren  Schutzpatronin  sie  im  Unabhängigkeitskriege  gebildet  hatte,  ge- 
flüchtet war  vor  ihrer  die  Aufständischen  schützenden  Kivahn,  der  Virgen  de  Guadalupe 
(in  Mexico),  von  Benedict  XIV.  als  acht  bestätigt,  auf  die  Autorität  des  Peon  Juan  Diego, 
und  dieser  (wie  der  Berichterstatter  meint)  probably  was  an  habitual  liar,  yet  when  he 
bears  testiraony  to  a  miracle,  he  is  presumed  to  speak  the  truth. 


332  COLIMHIEX. 

Auf  dem  Salzhandcl  aus  diesen  Ladern  begründete  sich  die 
Superioritat  des  Reiches  der  Chibchas.  und  die  weiten  Beziehungen, 
die  dort  eingeleitet  waren. 

Den  am  Opon-Flusse  gefundenen  Spuren  des  Salzes  nachgehend, 
gelangten  die  Spanier  über  Cipaquira  nach  Bogota,  und  in  Pasca 
hörte  Ouesada  von  den  Goldminen  Xc\*\a's.  deren  Producte  gegen 
Salz  ausgetauscht  wurden  fs.  CKnedo).  Im  Abfall  nach  dem  Ama- 
zonenthal hatte  dann  das  Salz  zu  Anknüpfungen  bis  nach  den  perua- 
nischen Flüssen  geführt. 

Am  Vormittag  liess  ich  die  Thiere  zurüsten.  da  der  mir  angebotene 
Wagen  auf  sich  warten  liess,  und  zogen  wir  des  von  jetzt  ab  ebenen 
Weges  durch  die  Sabana  weiter,  an  gipfligen  Bergen  hin,  und  unter  ihren 
Kuppen  oder  Spitzen.  In  Caxica*)  war  der  Cura,  an  den  ich  einen 
Brief  mitführte,  abwesend,  und  begaben  wir  uns  deshalb  auf  einem 
Feldweg  nach  Chia,  wo  ich  die  Thiere  einstellte,  und  dann  die 
beiden  Cura  dort  aufsuchte,  von  denen  sich  einige  interessante  Gegen- 
stände erwerben  Hessen,  darunter  die  Goldfigur  eines  Bogen  und 
Pfeil  führenden  Kriegers.  Auch  wurde  mir  versprochen,  dass  zum 
Besten  der  Alterthumskunde  ein  Aufruf  von  den  Kanzeln  geschehen 
solle,  unter  der  Empfehlung,  die  Sammlungen  durch  die  deutsche 
Gesandtschaft  in  Bogota  dem  Berliner  Museum  einzuschicken.  Ob 
diese  schönen  Versprechungen  über  die  Worte  hinausgekommen 
sind,  habe  ich  seitdem  keine  Gelegenheit  gehabt,  beurtheilen  zu 
können,  mochte  aber  auf  alle  Falle  daran  erinnert  haben. 

Ein  auf  dem  Curat  gegebener  Ortskundiger  brachte  mich  in  der 
Nähe  des  Fleckens  zu  einem  Ackerfeld,  wo  ein  kreisförmiger  Erd- 
aufwurf, unter  dem  Namen  Tau  bekannt,  die  Stätte  des  finüheren 
Fürstenpalastes  anzeigen  soll,  oder,  wie  Andere  meinen,  den  Circus 
der  feierlichen  Spiele  bei  der  Weihe  des  inChia  residirenden  Dauphin.*) 

Ich  begab  mich  dann  mit  meinem  Burschen  durch  die  Felder  nach 
der  Puente  del  comun.  wo  wir  auf  den  bei  der  Hinreise  bereits 
zurückgelegten  Weg  wieder  einlenkten. 


*)  Bei  Caxka  wurde  Quesada  von  den  Tnippcn  dts  Zipa  abgegriffen,  ,  Jlevando  por 
fta  y  bukdera  U  momia  de  nno  de  sus  \-alienies  guerrcros"  (^s.  Acosu"*. 
*)  Nacbdem  der  in  Bogota  residirende  Tbusquesusa,  gegen  den  der  Fürst  von  Chia 
bei  den  Spaniern  seine  Anspröcbe  geltend  machte,  von  Tocoiavita  (FacaUtiva)  fliehoKi, 
gcstofbcn  war,  bemächtigte  sich  Saquesa,  der  Sohn  des  früher  als  Feldherr  befehligoidcn 
Fanten  von  Chia,  der  Krone  und  knüpfte  mit  Qucseda  Verhandlungen  an .  obwohl  auch 
er  als  Usurpator  galt,  wahrend  der  von  der  Schwerter  des  letzten  legitimen  Königs  m 
Cbia  geborene  Sohn  als  der  rcchimäs^ge  Erbe  betrachtet  wurde  (s,  Touion). 


GESCHENK.  333 

Gerade  als  wir  dort  anlangten,  setzte  mit  Sonnenuntergang  ein 
strömender  Regen  ein,  doch  lag  mir  daran  Bogota,  bei  dem  Vielen, 
was  es  dort  vor  der  Abreise  noch  zu  thun  gab,  möglichst  bald  zu 
erreichen,  und  so  ritten  wir  in  die  bewölkte  Sabana  hinein,  bis  es 
sich  später  in  der  Nacht  aufklärte,  und  Bogota  in  vollem  Mondschein 
erreicht  wurde. 

Bei  der  späten  Nachtstunde  hatte  ich  mir  im  Hotel  Americano, 
da  das  andere  besetzt  war,  ein  Zimmer  geben  lassen,  wurde  aber 
am  nächsten  Tage  von  unserem  Minister  mit  der  früheren  Herzlich- 
keit unter  seinem  gastlichen  Dache  aufgenommen. 

Es  lag  mir  nun  vor  Allem  ob,  die  von  Tunja  bald  nach  mir 
eintreffendenKisten  oder  sonstigen  Gegenstände  (unter  denen  die  für  be- 
sondere Sorgfalt  frei  in  der  Hand  zu  tragenden  indess  gerade  zer- 
brochen waren)  für  den  Transport  nach  Europa  fertig  zu  stellen,  und 
ebenso  die  in  Bogota  gemachten  Ankäufe  zu  verpacken.  Ich  übergab 
sodann  die  ganze  Zahl  der  Kisten  dem  Pächter  der  Post,  um  sie 
rechtzeitig  für  den  Abgang  des  Dampfschiffes  in  Honda  dort  abzu- 
liefern. 

Am  Tage  vor  meiner  Abreise  veranstaltete  der  Minister  eine 
tertullia  literaria,  einen  literarischen  Cirkel,  bei  der  sich  die  Spitzen 
der  Behörden  und  der  Gelehrtenwelt  Bogotas  zusammenfand.  Ich 
hielt  eine  kurze  Ansprache,  in  welcher  ich  auf  die  Bedeutung  der 
altamericanischen  Alterthümer,  und  besonders  auf  die  wenig  gekann- 
ten Columbien's  hinwies,  und  dies  fand  so  guten  Boden,  dass  man  noch 
denselben  Abend  zur  Bildung  einer  anthropologischen  oder  archaeo- 
logischen  Gesellschaft  schreiten  wollte,  ohne  dass  ich  nachträglich 
erfahren  habe,  ob  diese  Absicht  zur  Ausführung  gekommen  ist. 
Einen  directen  Erfolg  konnte  ich  indess  verzeichnen,  in  dem  hoch- 
sinnigen Entschluss  des  Herrn  Rufino  Cuervo,  der  nach  dem  Vor- 
trage zu  mir  kam,  um  mir  seine  kostbaren  Alterthumsschätze,  wofür 
er  alle  meine  Kaufvorschläge  bis  dahin  zurückgewiesen  hatte,  für 
das  königliche  Museum  als  Geschenk  anzubieten.  Und  da  sie  in  der 
Zwischenzeit,  in  der  Hauptsache  heil  und  unversehrt,  angelangt  sind, 
bleiben  sie  der  Wissenschaft  gesichert. 

Nach  dem  Frühstück  am  i6.  Februar  nahm  ich  mit  freund- 
lichem Dank  für  die  gewährte  Förderung  meiner  Zwecke  von  dem 
Herrn  Minister  Abschied  und  setzte  mich,  zur  Abreise  aus  Colum- 
bien,  mit  meinem  Zuge  in  Bewegung. 

Wir  verbrachten  die  Nacht  in  Facatativä,  die  folgende  (Febr.  17.) 
am  Alto  del  Trigo,  den  wir  freilich  erst  in  dunkler  Nacht  erreichten, 


334  COLUMBIEN. 

und  fanden  uns  am  Abend  darauf,  bald  nach  Einbruch  der  Dunkel- 
heit, in  Pescaderia,  dem  Honda  gegenüberliegenden  Fischerdorf 
(Febr.  i8.). 

Am  folgenden  Morgen  (Febr.  19.)  begab  ich  mich  nach  der  Bodega 
de  Bogota,  und  dann  an  Bord  des  in  der  Mitte  des  Flusses  ankern- 
den Dampf boots  (Venquoechea),  um  mit  dem  Capitän  (Bradford)  eine 
Passage  zu  arrangiren.  Er  theilte  mir  mit,  dass  er  nur  noch  auf  die 
Post  und  die  Regierungsdepeschen  aus  Bogota  warte,  um  dann  so- 
gleich Dampf  und  fertig  zu  machen,  da  der  Wasserstand  augenblick- 
lich ein  günstiger  sei,  aber  in  der  jetzigen  Jahreszeit  für  seine  Dauer 
kein  Vertrauen  einflösse,  so  dass  er  ängstlich  fühle,  wegzukommen. 

Am  liebsten  wäre  ich  gleich  auf  dem  Dampfboot  geblieben, 
hielt  ich  es  für  besser,  um  sofort  die  unverzügliche  Verschiffung 
der  zu  erwartenden  Kisten  besorgen  zu  können,  ans  Land  zurück- 
zukehren. Dort  in  der  Bodega  war  indess,  wie  ich  jetzt  sah,  auch 
nicht  die  mindeste  Vorbereitung  für  Fremdenaufnahme  getroffen, 
obwohl  dieser  Platz  als  der  Hafen  Bogota's  für  Europa  zu  betrachten  ist. 
Die  unteren  Räume  der  Bodegas  waren  Magazine,  die  einfach  abge- 
schlossen werden,  ohne  einen  Wächter  da  zu  lassen,  und  die  einzige 
Person,  die  im  ganzen  Ort  wohnte,  war  der  Telegraphist,  der  ein 
kleines  Zimmer  über  dem  Magazin  besass,  indess  gerade  im  Begriff 
war,  auch  dieses  abzuschliessen,  und  sich  am  Sonnabend  Abend  für 
den  Sonntag,  und  bis  Montag  früh,  nach  Honda  zu  begeben.  Glück- 
licherweise konnte  ich  noch  eben  mit  ihm  Rücksprache  nehmen,  dass 
er  mir  sein  Zimmer  überliess,  denn  ausserdem  fand  sich  nur  in  einer 
abseits  gelegenen  Hütte  ein  altes  Weib,  das  den  durchkommenden 
Arrieros  und  Bootsleuten  Schnaps  verkaufte.  Sie  war  halbtaub  oder 
altersschwach  und  aus  natürlicher  Trägheit  jeder  Verführung  unzu- 
gänglich, um  sie  durch  glänzendes  Metall  für  irgend  welche  Hülfe 
zu  gewinnen.  So  war  ich  auf  mich  allein  angewiesen,  da  die  Boots- 
leute nach  dem  andern  Ufer  zurückgekehrt  waren,  und  mein  Bursche 
mit  den  Thieren  (ausser  einem,  das  ich  etwaiger  Fälle  wegen,  für 
mich  zurückbehalten)  nach  Pescaderia,  um  sie  dort  in's  Futter  zu 
stellen. 

Als  am  nächsten  Morgen  die  Kisten  aus  Bogota  noch  nicht  an- 
gekommen waren,  trieb  es  mich  nach  Pescaderia,  wo  indess  noch 
jede  Nachricht  über  die  Post  fehlte,  und  dann  nach  Bodegas  zurück- 
gekehrt, ging  der  Vormittag  mit  Warten  hin,  während  sich  auf  dem 
DampferdieVoybereitungszeichen  zur  Abreise  erkennen  Hessen.  Endlich 
gegen  Mittag  zeigten  sich  die  ersten  Maulthiere  des  Correo,  und  jetzt  hiess 


EINSCHIFFUNG.  335 

es  in  unter  der  in  übereilter  Confusion  durcheinander  geworfenen  La- 
dung die  betreffenden  Kisten  zusammenzusuchen,  und  ohne  dass  für 
Geld  und  gute  Worte  in  dem  allgemeinen  Wirrwarr  die  geeigneten 
Leute  zu  gewinnen  waren,  au  ihre  Hinschaffung  zum  Ufer  und,  nach 
dem  Niederlassen  an  dem  steilen  Abhang,  ihre  Einschiffung  zu  achten. 
Auch  über  die  Canoe  hatte  man  keine  Verfügung,  da  sie  nur  für 
Anordnung  des  Correo  und  zu  seiner  Verfügung  sich  pflichtgemäss 
eingefunden  hatten.  Die  ersten,  in  welche  man  meine  Kiste  noch  mit 
hinein  schaffen  wollten,  waren  bereits  so  überladen,  dass  ich  auf  das' 
ernstlichste  dagegen  protestiren  musste,  um  diesem  Risico  des  Unter- 
sinkens auf  dem  reissend  strömenden  Fluss  vorzubeugen.  Zum  Glück 
kam  bald  darauf  der  am  Wege  aufgehaltene  Leiter  der  Carawane 
an,  der  in  Bogota  mit  besonderer  Instruction  für  die  Hut  dieser  als 
Staatseigenthum  unter  dem  Namen  der  Gesandtschaft  verzeichneten 
Gegenstände  versehen  war,  und  der  mir  nun,  so  gut  es  sich  machen 
Hess,  die  wünschenswerthe  Unterstützung  gewährte.  Jedenfalls  musste 
Alles  rasch  und  ohne  Aufenthalt  vor  sich  gehen,  da  der  Dampfer 
nicht  länger  warten  wollte,  und  fühlte  jch  mich  nicht  wenig  erleich- 
tert, als  ich  sämmtliche  Kisten  neben  mir  auf  dem  Deck  sah.  In 
meiner  Freude  verabschiedete  ich  auch  ohne  Verzug  den  Burschen, 
dem  ihm  über  seinen  Lohn  gegebenen  Geschenk  ein  weiteres  bei- 
fügend, und  gleich  darauf  war  der  Dampfer  in  Bewegung.  Erst  als 
ich  in  der  Kajüte  jetzt  etwas  zur  Ruhe  kam,  sah  ich,  dass  eine 
Menge  Sachen  aus  meinem  Privatgepäck  in  der  Eile  am  Lande  zurück- 
gelassen waren,  darunter  einige,  die  ich  schwer  vermisste,  weil 
schwer  zu  ersetzen,  wie  den  besseren  meiner  Revolver.  Indess  konnte 
ich  im  Ganzen  froh  sein,  da.ss  noch  Alles  so  abgelaufen  war,  und 
nichts  Wichtigeres  zu  Grunde  gegangen,  was,  als  wir  mit  den  Kisten 
auf  unserem  zerbrechlichen  Canoe  von  der  Gewalt  der  Strömung 
gefasst,  ein  paar  Steinplatten  zutrieben,  die  zwischen  dem  Ufer  und 
dem  Ankerplatz  des  Dampfers  lagen,  möglich  genug  gewesen  wäre. 
Die  Maulthiere,  für  die,  wie  immer  in  solchen  Fällen,  bei  der  bevor- 
stehenden Abreise  keine  Aussicht  des  Verkaufen's^)  gegeben  war, 
wurden  nach  Bogota  zurückgeschickt,  wo  mir  Herr  Harassowitz 
freundlich  versprochen  hatte,  sich  ihrer  anzunehmen. 


*)  Indem  ihm  ftir  seine  vor  wenigen  Monaten  gekauften  Maulthiere  weniger,  als  das 
Drittel  des  Kostenpreises  geboten  wurde,  und  auch  sonst,  machte  Scherzer  auf  seinen  america- 
nischen  Reisen  die  ,, kostspielige  Erfahrung,  dass  in  den  Augen  des  Eingeborenen  Alles, 
dessen  er  sich  entledigen  will,  nutzlos  ist,  während  das  Unbedeutendste,  was  er  anzu- 
kaufen wünscht,  einen  unschätzbaren  Werth  hat." 


336  COLUMBIKK. 

Nach  einigen  Stunden  Fahrt  legten  wir  Abends  in  Conejo  an, 
wo  neben  Holz  auch  Ladung  eingenommen  und  die  Nacht  ver- 
bracht wurde. 

Der  Capitain  suchte  am  folgenden  Morgen  (Febr.  21.)  die  Ab- 
fahrt zu  beschleunigen,  da  sich  die  Anzeichen  des  fallenden  Wassers 
mehrten  und  wir  gerne  noch  vorher  über  die  seichteren  Stellen  hin- 
weggekommen wären. 

Diese  Dampfer  des  Magdalena  sind  im  Allgemeinen  nach  dem 
Princip  und  dem  Styl  der  auf  dem  Mississippi  fahrenden  gebaut, 
mit  einem  oberen  Deck,  wo  sich  die  Cajüten  finden,  die  Maschinen 
darunter  und  das  Steuerhaus  darüber.  Da  man  ein  Badezimmer 
nebst  allen  Waschapparaten  zur  Disposition  hatte,  und  das  aus  der 
Mitte  des  breiten  Stromes  geschöpfte  Wasser,  wenn  auch  lau  und 
muddig,  doch  ohne  Schaden  in  beliebiger  Quantität  zu  trinken  war, 
so  gab  die  Hitze,  die  bei  der  Ablesung  vom  Thermometer  er- 
schreckt haben  würde,  keine  weitere  Belästigung,  sondern  eher  Unter- 
haltung, in  der  Genugthuung,  .sie  erfolgreich  bekämpfen  zu  können. 

Wie  in  der  Bauart,  kommen  diese  Dampfer  auf  dem  Magdalena 
denen  des  Mississippi  in  der  Zahl  der  Unfälle  nahe,  und  der  In- 
genieur unseres  Schiffes,  wie  sich  aus  einem  Gespräch  ergab,  hatte 
sich  bereits  auf  vier,  der  Capitain  aut  drei  verunglückten  Schiffen 
gefunden,  bei  denen  sie  stets  nur  durch  einen  Glückszufall  entkom- 
men waren;  einmal  aus  Feuer,  ein  anderes  Mal  beim  Umschlagen, 
beim  Sinken,  Auffliegen  u.  s.  w.  Solche  Missgeschicke  haben  der 
dortigen  Dampfschifffahrt  seit  ihrem  Beginne  angehaftet,  und  Stewart 
erzählt  aus  dem  Jahre  1836,  dass  der  damalige  Monopolist  Elvers 
wahrscheinlich  sein  Vorrecht  verlieren  dürfte,  da  es  ihm,  bei  Unter- 
gang seiner  zwei  Dampfer,  nicht  möglich  sein  würde,  den  über- 
nommenen Verpflichtungen  bis  1837  nachzukommen.  Die  Fahrt  war 
zu  der  Zeit  noch  mit  Champas  oder(wie  Stewart  vorzog)  mit  Bongas  zu 
machen  und  ist  über  die  Aergernisse  mit  den  Bogas  bei  ihm  zu 
lesen.  Thomson  befuhr  den  obcm  Magdalena  mit  Balsas  von  Neiva 
bis  Honda  oder  vielmehr  bis  Fusagasuga,  um  dort  die  Landreise 
nach  Bogota  zu  beginnen  (1825). 

Zwischen  bewaldeten  Ufern,  über  welche  blaue  Berge  herüber- 
blickten, gelangten  wir  nach  dem  Ausfluss  des  Rio  Negro,  und  dann 
am  vorspringenden  Ufer  vorbei,  (mit  den  Sonnplätzen  der  Crocodile 
am  Strande),  nach  Fluss  Miel,  sowie  Abends  bis  Velasquez  zur 
Holzeinnahme. 

Am  folgenden  Morgen  kamen  wir  bei  dem  gesunkenen  Wasser- 


EISENBAHNPROJECTE.  337 

standq  auf  einer  Sandbank  zum  Festsitzen  (bei  Gaimital)  und  hatten 
uns  mehrere  Stunden  abzuarbeiten.  Nachts  blieben  wir  in  der  Mün- 
dung des  mit  weissen  Wassern  fliessenden  Nar^,  bei  der  Bodegas 
oder  dem  Hafenort  (eine  Reihe  halbverfallner  Hütten)  fiir  das  den 
Fkiss  weiter  aufwärts  gelegene  Dorf,  der  hauptsächlichste  (und 
früher  der  einzige)  Eintritt  in  den  Staat  Antioquia. 

Bei  der  Reise  in  der  Provinz  Antioquia  erscheint  der  steil  herab- 
fallende Narefluss  wie  eine  beschwerliche  Leiter,  auf  der  man  von  dem 
Ufer  des  niedrigen,  heissen  und  feuchten  Magdalenenfluss  auf  die  hohen, 
gemässigten  und  frischen  Gegenden  in  den  Cordilleras  de  las  Andes 
hinaufsteigt,  bemerkt  Gosselmann,  der  die  Landtour  von  der  Bodega 
bei  Juntas  und  der  Confluenz  des  Rio  Verde  und  Nare  begann  (1825). 
Die  Saumthierstrasse  nach  Antioquia  vom  Nare  wurde  1806  -1809 
angelegt,  doch  reiste  Gosselmann  wieder  mit  Silleros.  Jetzt  kann  der 
ganze  Weg  ohne  besondere  Schwierigkeit  zu  Maulthier  gemacht 
werden. 

Nachdem  ein  Canoe,  auf  welches  wir  bereits  in  Conejo  gewartet 
hatten,  mit  den  letzten  Regierungsdepeschen  eingetroffen  war,  wurde 
am  Vormittag  weiter  gedampft,  an  Angostura  vorüber.  Das  Wasser 
wurde  sehr  seicht,  und  ankerten  wir  an  einer  Sandbank,  um  ringsumher 
zu  lothen  (bei  Garrapata).  Viele  Baumstümpfe  trieben  im]  Strom, 
die  besonders  die  Nachtfahrt  verbieten.  Nachdem  wir  am  Remolero 
grande  angelegt  hatten,  wo  die  Eisenbahnlinie  für  Medellin  projectirt 
wird,  fuhren  wir  zu  einem  Holzplatz  und  verblieben  dort  die  Nacht. 
Man  hat  bei  dieser  Eisenbahn  Antioquia's  besonders  im  Auge  ge- 
habt, den  Fluss  an  einer  Stelle  zu  treffen,  von  wo  die  Schifffahrt 
bereits  möglichst  frei  bliebe,  und  mit  ähnlichem  Gesichtspunkt  hat. 
man  am  andern  Ufer  den  Terminus  für  die  Eisenbahn  in  Bogota 
ausgewählt.  Bei  der  letzteren  schienen  die  Ingenieure  sonderbarer 
Weise  geneigt,  den  Bau  auf  der  Sabana  von  Bogota  zu  beginnen,  wo 
allerdings  keine  Schwierigkeiten  vorliegen,  aber  eben  deshalb  auch  die 
noch  beschränkten  Verkehrsverhältnisse  keiner  Damplbeschleunigung 
bedürfen,  indem  damit  nichts  Neues  hinzugefügt  werden  könnte. 
Man  würde  allerdings  dort  jede  neu  vollendete  Meile  in  der 
Hauptstadt  ausposaunen  können  und  auch  für  die  Direction  grössere 
Bequemlichkeiten  gefunden  haben,  als  in  den  miasmatischen  Urwäl- 
dern am  Flussufer,  aber  diesen  wäre  schliesslich  doch  immer  zu  trotzen 
gewesen,  wenn  sich  überhaupt  ein  practisches  Resultat  ergeben 
sollte,  und  wenn  man  dort  den  Anfang  machte,  würde  die  vollendete 
Strecke    der  Ei.senbahn    selbst    die  Materialien    fiir    den    Bau   weiter 

Bastian:  America*  I-  22 


338  COLUMBIEN. 

befördert  haben,  wo^^ej^cn  ein  vorheriger  Transport  auf  den  bis- 
herigen Wegen  des  Landes  bis  Bogota,  um  sie  dort  erst  zu  benutzen, 
wahrscheinlich  durch  das  Unberechenbare  der  darin  verursachten 
Kosten  fast  das  Ganze  des  soweit  angesammelten  Materials  ver- 
schlungen hätte,  noch  ehe  der  erste  Spatenstich  geschehen  wäre. 

Am  nächsten  Morgen  (Febr.  24.)  kamen  wir  auf  einer  Sandbank 
zum  Aufsitzen,  und  obwohl  wir  uns  durch  Auslegen  des  Ankers 
befreiten,  kamen  wir,  trotz  des  Lothens  in  dem  Canal,  aufs  Neue 
zum  Festrennen  bei  Murrillo,  dem  F^ndpunkt  eines  früheren  Weges 
nach  Remedio.  Nach  Passiren  des  verlassenen  Puerto  Berrio  nahm 
uns  wieder  eine  Sandbank  in  ihre  Arme  auf,  so  dass  wir  die  Nacht 
dort  zu  verweilen  hatten. 

Am  näch.sten  Morgen  (Febr.  25.)  gingen  die  Bemühungen 
weiter,  flott  zu  werden,  und  da  das  Feuermaterial  ausging,  war  erst 
ein  Boot  nach  dem  nächsten  Holzplatz  am  Ufer  zu  schicken.  Die 
An.strengungcn  der  Maschine  befreiten  uns  für  einen  Augenblick, 
doch  Sassen  wir  bald  wieder  in  der  Mitte  des  Flusses  und  hatten 
uns  dort  für  die  Nacht  einzurichten. 

Der  folgende  Tag  (I^^ebr.  26.)  brachte  eine  Fortsetzung  der  auf 
Loskommen  gerichteten  Abqiiälungen.  Das  Dampfschiff  arbeitete 
sich  etwas  näher  zum  Ufer,  um  dort  die  Stricke  zum  Abziehen  um 
Bäume  zu  legen,  doch  brachen  viele  dieser  Stützen.  Da  das  Wasser 
fortfuhr  zu  fallen,  wurde  dem  Capitain  die  Lage  bedenklich,  und 
.schickte  er  zurück  nach  Rcmolino,  um  ein  Canoe  zu  miethen,  das 
längs  des  Dampf boots  gehalten  werde,  um  im  Falle  fortgesetzten 
Aufenthaltes,  die  Mail  darin  einzuschiffen  und  abzusenden.  Auch 
mir  war  diese  Verzögerung  sehr  unangenehm,  da  ich  zu  einem  be- 
stimmten Tage  in  Baranquilla  eintreffen  musste,  um  den  Post- 
dampfer nicht  zu  verfehlen,  indem  ein  derartiges  Zu.spät  dann  einen 
ferneren  Aufenthalt  von  14  Tagen  involvirt  haben  würde.  Ebenso 
hatte  ein  anderer  der  Passagiere,  ein  F2ngländer,  Herr  Rouquette,  auf 
die  Benutzung  des  nächsten  Dampfers  gerechnet,  und  so  schlug  ich 
ihm  vor,  uns  gleichfalls  nach  einem  Canoe  umzusehen,  damit  wir 
nicht  die  Zeit  mit  nutzlosem  Warten  verlören.  Ich  besprach  mit 
dem  Stewart  des  Schiffes  den  Ankauf  von  Provi.sionen ,  die  freilich 
nicht  im  Ueberfluss  vorhanden  waren,  und  packte  einige  Kleinig- 
keiten zu.sammen,  um,  wenn  die  Absendung  des  Canoe  mit  der 
Po.st  beschlossen  würde,  auch  meinerseits  fertig  zu  sein. 

Ciegen  Abend    waren    wir  genügend  befreit,    um  den  Holzplatz 


CARARE.  339 

San  Antonio  erreichen  zu  können,  bei  Bartholomea,  und  ergingen 
wir  uns  dort  etwas  im  Walde,  soweit  Pfade  vorhanden. 

Am  folgenden  Morgen  (Febr.  27.)  wurde  hin  und  her  gekreuzt 
den  Canal  zu  finden,  und  gelangten  wir  nach  der  Mündung  des  Rio 
Carare  mit  gleichnamigem  Pueblo,  das  in  dem  Project  der  Eisenbahn 
von  Bogota  zum  Endpunkt  bestimmt  ist. 

Hier  konnten  wir  uns  in  relativ  freierem  Fahrwasser  denken, 
während  jeder  Aufstoss  oberhalb  unter  Umständen  ein  wochenlanges 
Festsitzen  mit  sich  ziehen  mochte. 

Während  der  Fluss  in  majestätischer  Breite  durch  tropischen 
Urwald  dahinströmte,  sahen  wir  die  Mündung  des  unter  dem  höheren 
Ufer  hervorwindenden  Flusses  Opon  bei  einem  vorspringenden  Punkt 
mit  Bäumen.  Dieser  Anblick  hatte  einst  für  die  Entdeckung  der 
hinter  und  über  uns  liegenden  Hochlande  entschieden,  als  San  Martin 
den  bereits  cntmuthigten  und  durch  Krankheit  decimirten  Gefährten 
Quesadas  die  Freudenbotschaft  seiner  Entdeckung  brachte,  wie  es 
Castilla  besingt. 

Wir  erreichten  dann  Baranca  Bermejo  oder  Puerto  Santander, 
aufwärts  am  Rio  La  Colorada  gelegen,  die  Bodega  dagegen  am  Mag- 
dalena, an  dem  früheren  Weg  nach  Bucaramanga. 

Als  wir  landeten,  um  uns  die  Ansiedlung  anzusehen,  fanden  wir 
dort  das  ausgelassene  Treiben  des  Carnevals,  das  sich  indess,  neben 
einigem  Aufputz,  in  der  Hauptsache  durch  ein  gegenseitiges  Wasser- 
begiessen  Luft  machte  (besonders  unter  den  Mulatten). 

Die  in  die  Stämme  am  Carare  und  Opon  getheilten  Tepunas, 
die,  verschiedene  Dialecte  redend,  in  den  Wäldern  leben,  befahren 
diese  Flüsse,  auch  am  Ufer  des  Magdalena  mitunter  streifend,  und 
um  sie  zu  vermeiden,  halten  sich  die  Canoes  auf  dem  Magdalena, 
in  ihren  Thal-  und  Bergfahrten,  meist  am  andern  Ufer.  Aus  der  in 
die  Dialecte  des  Opon  und  Carare  zerfallenden  Sprache  der  Tepunas 
wurde  mir  das  Wort  Tali  für  den  Cayman  mitgetheilt.  Wenn  diese 
Wilden  einen  Feind  getödtet  haben,  so  sollen  sie  ihn,  wie  gesagt 
wird,  mit  ihren  Pfeilen  bespicken,  und  so  zur  Warnung  am  Wege 
liegen  las.sen. 

An  der  Mündung  des  Sogamoso-Flusses  legten  wir  an  der  Bodega 
de  Sogamoso  an,  und  bei  dort  eingeleiteten  Gesprächen  über  Alter- 
thümer  hörte  ich,  dass  an  der  Flussbank  mitunter  Töpfe  gefunden 
werden,  und  auf  dem  nahe  gelegenen  Campo  viejo  steinerne  Pfeilspitzen. 

Beim  Weiterfahren   stiessen   wir  aufs  Neue   auf,   konnten  indess 

noch  einen  Holzplatz  erreichen,  die  Nacht  zu  verbringen. 

22* 


340  COLUMBIEN. 

Bei  der  Abfahrt  am  nächsten  Morgen  (Febr.  28.)  liefen  wir  auf, 
und  kostete  es  manche  Anstrengungen,  bis  das  Schiff  abgezogen 
war.  Wir  hielten  uns  so  dicht  am  Ufer,  dass  die  Baumzweige  aufs 
Deck  reichten,  und  schickten  ein  Canoe  aus  zum  Lothen.  In  der 
Ferne  erschienen  die  blauen  Berge  Antioquia's  über  den  niedrigen 
Wald  herüber.  Vorüber  an  San  Pablo  (dem  früheren  Hafenort  An- 
tioquia's im  Thale  Nore)  kamen  wir  zum  Flu.ss  Cisnotera,  und  dann 
nach  Patulia,  wo  in  bunter  Bemalung  zur  Feier  des  Carnevals  ge- 
tanzt wurde.  Die  Berge  Bolivars  erschienen  auf  der  andern  Seite, 
und  dann  zeigte  der  Wald  mitunter  offene  Stellen,  wogegen  er  sich 
nach  der  Mündung  des  Lebrija,  bei  der  Bodega  de  Soto,  wieder 
buschig  herabdrängte,  während  die  Berge  Ocafla's  in  wolkiger  Ferne 
sichtbar  wurden.  Vom  Holzplatz  Ceilateo  gelangten  wir  im  Mond- 
scheine nach  dem  Puerto  nacional,  wo  der  Flecken  selbst  indess 
zurück  liegt. 

Am  Morgen  aufbrechend  (Febr.  29.),  fuhren  wir  zwischen  Wald 
und  buschigem  Ufer,  aus  denen  sich  der  Fluss  Tamalameque  hervor- 
wand, während  vorn  der  Ccrro  de  Bacca  hervorstand,  und  sich  der 
Strom  durch  fischende  Wasservögel  belebte.  Von  hier,  an  dem 
nach  dem  gefangenen  Häuptling  Tamalameque  genannten  Flusse, 
schlug  Alfinger  die  Richtung  nach  dem  Innern  ein,  in  welcher  er 
nach  dem  Thal  von  Chinacota  geführt  wurde,  wo  ihn  seine  Soldaten 
zu  begraben  hatten. 

In  diesen  Niederungen  hatten  die  Mosquito  zugenommen  und 
scheint  es  hier  ebenso  wenig  Hülfe  gegen  sie  zu  geben,  wie  anderswo. 
Als  der  officielle  Heilige  für  dieses  Amt  wird  der  heilige  Marcus, 
Bischof  von  Arethusa  (f  362  p.  d.)  aufgestellt  sein,  da  er  sein  Mar- 
tyrium unter  Mücken  und  Fliegen  erlitt,  doch  bleibt  dies,  oder  jeden- 
falls doch  das  Wirksame  seiner  Anrufung,  in  der  Praxis  zweifelhaft, 
wie  selbst  in  der  Orthodoxie  Best-Beschlagene  seufzend  eingestanden. 

Am  Pueblo  blanco  und  dem  Berg  Media  luna  vorüber,  wurden 
die  Auseinanderzweigungen  des  Flusses  oder  Canal  nach  Mompas 
angedeutet.  Bei  dem  buschig  niedrigen  Ufer  am  Cafton  de  Sobo, 
sind  Felsen  unter  Wasser  zu  vermeiden  (bei  Juana  Sanchez)  und 
dann  erreichten  wir  das  Pueblo  Atiho,  wo  Carnevalstänzer  an  Bord 
kamen,  um  Geschenke  zu  erhalten.  Der  Fluss  wand  sich  zwischen 
flachen  Inseln,  mit  Busch  und  Bäumen  und  von  Wasser  bedeckten 
Felsen  (bei  Conchitas).  Zwischen  zwei  Landabschnitten  tritt  der 
Rio  Perico  hervor  und  am  linken  Ufer  erhebt  sich  der  Hügel  Guaya- 
vol,  wo  wir  bei  einem  nahen  Holzplatz  anlegten. 


CONFLÜENZ.  341 

Bei  der  Weiterfahrt  fanden  wir  uns  zwischen  Inseln  und  gesenkter 
Umgebung.  Um  niedrigen  Erdvorsprung  herumbiegend ,  tritt  der 
Cauca  dem  aus  dem  Magdalena  kommenden  Cafton  de  Lobo  von 
Vorne  entgegen,  und  geht,  eine  kleine  Seitenausbuchtung  nach  Rechts 
zurückwerfend,  aus  einer  weiten  Wasserfläche  mit  Strudeln  linkswärts 
(oder  rechts  vom  Lobo  aus)  als  Cauca  weiter  (um  sich  bei  Tocoloa 
mit  dem  bei  Mompos  vorüberfliessenden  Arm  des  Magdalena  zu  ver- 
einigen), indenf  die  Flüsse  im  rechten  Winkel  zusammentreten. 

Zwischen  Inseln  gelangten  wir  nach  Magangue,  wo  (wie  bereits 
an  den  übrigen  Plätzen)  die  für  dort  bestimmte  Post  abgegeben 
wurde,  im  Austausch  gegen  die  mitzuführende.  Bei  Nacht  gelangten 
wir  nach  Albajcda,  wo  Musik  herüberschalltc  und  der  Carnevals- 
tanz  mit  Lichtern  fortgesetzt  wurde.  Der  Fluss  zeigte  hier  be- 
trächtliche Breite,  und  die  Nähe  der  See  machte  sich  im  unruhigen 
Wetter,  mit  gelegentlichen  Squalls,  bemerkbar,  so  däss  wir  für  den 
Rest  der  Nacht  ans  Ufer  legten.  Bei  der  Boca  de  Tacalao  läuft 
der  Magdalena  (von  Mompos)  mit  breiten  Streifen  in  eine  Wasser- 
erweiterung aus. 

Am  nächsten  Morgen  (März  i.)  gelangten  wir  nach  Sambranon 
mit  spärlich  bewachsenen  Sandhügeln,  liefen  aber  dann  wieder  auf 
und  brachen  die  Steuerkette,  so  dass  zur  Herstellung  der  neuen  das 
Land  gesucht  werden  musste.  In  der  Flusserweiterung  bei  Calamar 
zweigt  sich  ein  Canal  für  directe  SchiflTahrt  nach  Cartagena  ab. 
Die  Zahl  der  Passagiere  vermehrte  sich  hier  beträchtlich,  wie  wir 
deren  auch  bereits  an  anderen  Stationen  aufgenommen. 

Nach  der  Holzstation  bei  Santa  Rita  traten  die  Ufer  zurück, 
und  sahen  wir  eine  weite  Wasserfläche  vor  uns.  Gegen  Abend 
wuchs  die  Stärke  des  Windes,  es  wehte  fast  wie  auf  offener  See, 
und  die  Wellen  gingen  beständig  über  unser  niedriges  Unterdeck. 
In  der  Dunkelheit  bemerkte  man  mir  undeutlich  in  der  Ferne  einige  • 
Streifen ,  die  die  niedrigen  Küstenlinien  andeuteten.  Da  die  Haus- 
maschinen dieser  Dampf  boote  mit  ihrem  flachen  Tiefgang  eben  nicht 
für  stürmisches  VV^ctter  vorbereitet  sind,  waren  wir  ganz  zufrieden, 
als  plötzlich  Wogen  und  Wind  nachliessen,  und  wir  uns  in  dem 
engen  Canal  fest  stecken  fanden,  der  nach  Baranquilla  fuhrt.  Da 
ein  anderes  Schiff"  vor  uns  lag,  und  bei  dem  schmalen  Raum  ein 
Passiren  nicht  möglich  war,  hatten  wir  dorjt  die  Nacht  zu  verbleiben 
und  konnten  uns  erst  am  nächsten  Morgen  an  die  Werft  von  Baran- 
quilla (Baranca  del  Malambo)  hinarbeiten. 


342  COLUMBIEN.  ^* 

Nachdem  ich  mein  Gepäck  nach  dem  Hotel  Colombiano  trans- 
ferirt  hatte,  begab  ich  ^lich  zu  dem  deutschen  Consul,  Herrn  Merkel, 
um  mit  ihm  das  Nöthige  über  die  Verschiffung  der  an  Bord  befind- 
lichen Kisten  zu  besprechen  und  die  angekauften  Goldsachen,  die 
ich  persönlich  mitgebracht  hatte,  im  Besonderen  zu  verpacken.  Durch 
die  Freundlichkeit  desselben  wurde  Alles  aufs  Beste  besorgt.  Bei 
ihm  traf  ich  einen  am  Zenuflusse^)  ansässigen  Landbesitzer,  der  mir 
in  dieser  interessanten,  aber  seit  Hercdia's  reicher  Ausbeute  fast  ver- 
gessenen Localität  die  Alterthumskunde  zu  beachten  versprach,  und  auch 
in  Betreff  von  Santa  Martha  konnte  Einiges  mit  Herrn  Consul  Merkel,  der 
dort  Geschäftsfreunde  besass,  beredet  werden.  Die  Sierra,  die  an 
klaren  Tagen  völlig  sichtbar  sein  soll,  erkannte  sich  damals  nur  in 
undeutlichen  Umrissen  in  der  Ferne.  „Im  neuen  Continent  wurde  der 
ewige  Schnee  der  Tropen-Region  zuerst  in  dem  Gebirge  von  Citarma 
(Nevados  de  Santa  Marta)  gesehen,  neun  Jahre  nach  Columbus  erster 
Entdeckung  und  zwar  von  Rodrigo  de  Bastidas.  Diese  Erscheinung 
machte  grosses  Aufsehen  und  Petrus  Martyr  de  Anghicra  ahndete 
schon,  dass  die  untere  Grenze  des  ewigen  Schnee's  umgekehrt  mit 
der  Breite  an  Höhe  zunehmen  müsse"  (A.  von  Humboldt). 

Bei  Santa  Martha,  von  wo  sich  die  Herrschaft  der  Tayronas 
(am  Rio  San  Diego),  mit  der  von  Garcia  de  Lerma  (1530)  zerstörten 
Hauptstadf  Posigueica  (San  Pedro),  über  die  Urabaes  Cartagena's 
(bis  Darien)  erstreckte,  glichen  die  den  kriegerischen  Guajiros  be- 
nachbarten Chiquimilas  den  Chocoes  Antioquia's  (s.  Piedrahita).  Pedro 
de  Lerma  brachte  grosse  Goldbeute  aus  dem  Valle  de  Tayrona 
(que  es  grande  y  rico)  in  kalter  Sierra  (s.  Hcrrera),  wie  Bastidas 
von  Bonda  (zwischen  Santa  Martha  und  Bondigua).  Den  Bondas 
waren  die  Bodiguas  und  Jeribocas  verbündet  (nach  Alccdo).  „Die 
Indianer  von  Santa  Marta  waren  in  unterschiedlichen  Künsten  be- 
,  rühmt.  Sonderlich  wissen  sie  baumwollene  Tücher  mit  Bildwerken 
von  Tiegertieren,  Leuen  und  Adlern  überaus  zierlich  zu  machen.  Die 
Wände  ihrer  Heuser  seynd  mit  vielerley  Farben  übermahlet,  und  der 
Boden  ist  mit  Matten  aus  Binsen  sehr  artig  geflochten  belegt" 
(Dapper). 

Der  nächste  Tag  konnte  zu  einigen  Aufbesserungen  der  durch 
die  lange  Landreise  etwas  in  Anspruch  genommenen  Ausrüstung  ver- 


*)  In  Tatabe  wohnten  die  Guaka  und  7xm\.  ,, Dahin  man  von  allen  Enden  her  die 
Leichen  zu  führen  und  köstlich  zu  l)ej;raben  pflegte.  .Aus  diesen  Gräbern  oder  Grab- 
mählern  bekahmen  nachmals  die  Spanier  so  überaus  viel  und  köstliche  Schätze,  dass  sie 
nicht  zu  schätzen  waren"  (Dapper). 


^  MÜNDUNG.  343 

wandt  werden,  und  am  folgenden  Morgen  (März  4.)  führte  uns  die 
Eisenbahn  durch  sandiges  Strauchland,  und  spärlich  bewachsene 
Sandhügel,  nach  dem  Hafen ^)  Savanilla,  oder  vielmehr  (da  das  Pueblo 
seitlich  bleibt)  zunächst  nach  dem  Zollhaus  (im  Puerto  Salgar),  von 
wo  die  Sachen  dann  zum  Einschiffungsplatz  zu  transportiren  waren. 
Da  ausser  dem  englischen  Dampfer  der  Royal  Mail  (Parä),  auf  wel- 
chem ich  meine  Passage  zu  nehmen  hatte,  noch  der  französische  Post- 
dampfer zur  Abfahrt  fertig  lag,  und  das  Boot  die  Passagiere  beider 
führte,  unter  erstem  Anlaufen  an  letzteren,  hatte  man  die  Augen  auf- 
zuhalten, dass  in  der  Verwirrung  der  Gepäckstücke  und  der  eiligen 
Abmachung,  keine  Verwechselung  vorkam.  Einige  der  meinigen 
erhaschte  ich  gerade  noch  zur  rechten  Zeit,  um  sie  bei  mir  zu  be 
halten,  bis  wir  uns  an  Bord  des  Parä  befanden. 


*)  Davis  landete  nn  den  Barkadeers  (Baranka)  am  Mngdalcnenfluss  (1702). 


DER  ISTHMUS  UND  GUATEMALA. 

Am  nächsten  Morgen  kreuzten  w'if  einige  Zeit  vor  der  stolzen 
Bay  Cartagena's  ^),  um  dort  Passagiere  und  Post  aufzunehmen  und  ge- 
langten am  folgenden  nach  dem  durch  die  beim  Landen  entgegen- 
tretende Statue  seinen  Namen  als  Colon  verkündenden  Aspinwall, 
von  wo  ich  mich  am  Morgen  darauf  mit  der  (bei  meiner  früheren 
Durchreise  erst  halb  vollendeten)  Eisenbahn  nach  Panama  begab,  und 
dort  durch  die  Freundlichkeit  des  Herrn  Consul  Lunar  in  den,  meinem 
Hotel  gegenüber  liegenden  Club  eingeführt,  durch  die  Bibliothek 
desselben  mir  über  die  Tage  des  Wartens  bis  zum  Abgang  des 
americanischen  Dampfers  forthelfen  konnte,  auch  Gelegenheit  hatte, 
mit  dem  Deutschen,  Herrn  O.  Wirsing,  Rücksprache  über  etwa  aus 
der  Umgegend  von  David  zu  erwerbende  Alterthümer  zu  nehmen, 
sowie  über  die  von  Veragua  und  Chiriqui,  mit  gleichzeitiger  Rück- 
sicht auf  dortige  Felsinschriften  und  deren  Copien. 

Auf  der  Hochebene  von  Veraguas  wurden  Alterthumsreste  der 
Dorachos  gefunden,  die  in  dem  (californischen)  Suchen  nach  Gold 
meistens  freilich,  ehe  sie  archäologisch  bekannt  wurden,  zu  Grunde 
gegangen  sind.  In  Chiriqui  lieferten  die  Gräber  von  Bugaba  Gold- 
und  Kupferfiguren,  Goldschmuck  die  bei  Bugabita,  und  ähnlich  den  am 
Golfe  dulce,  die  Gräber  bei  Bogueron,  während  von  den  Gräbern  des 
Boquete  am  Vulcan  von  Chiriqui  Töpfergeschirr  zu  Tage  gefördert 
wurde.  Bei  Calderas  in  Veraguas  findet  sich  eine  Piedra  pintada,  mit 
Figuren  beschrieben  (und  Aehnliches  auf  den  Inseln  des  Golfs  von 
Panama). 

Die  mit  den  Häuptlingen  Penonome,  Rota,  Core  u.  s.  w.  in  die 
Berge    geflüchteten  Indianer   von  Panama    wurden    im  Falle    fortge- 

*)  Carthagena  gehörte  unter  den  Städten  America's  zu  den  durch  ein  Tribunal  der 
Inquisition  beglückten  und  diests  in  Madrid  zur  Verschönerung  fürstlicher  Hochzeiten  (wie 
1632  und  1680)  benutzte  Institut,  hätte  von  Rechts  wegen  noch  jetzt  zu  bestehen,  dj. 
(nach  Lamnier)  die  Aufhebung  in  Spanien  eine  ungültige  ist ,  weil  ohne  Genehmigung 
des  Papstes  erfolgt  (1860).     Jure  et  virtualiter  tribunal  illud  extare  adhuc  censendum. 


PANAMA.  345 

setzten  Widerstandes  von  dem  Könige  bei  Felipe  Gutierre's  Colo- 
nisirung  in  Sklaverei  gegeben,  und  unter  den  Verfolgungen  gingen 
Alle  zu  Grunde  (y  asi  todos  perecieron).  Bei  der  fortdauernden 
Widersetzlichkeit  der  Indianer  in  Veragua  kamen  die  Ansiedler  in 
grosse  Noth  „creciö  la  hambre  y  la  desventura  llegö  ä  lo  extremo 
que  podia,  porque  acabado  de  comer  los  perros,  y  los  caballos, 
quando  no  se  hallaba  algun  Indio  que  comer,  huvo  algunos,  que  ma- 
taron  un  christiano  enfermo,  y  se  le  comieron".  Colon  war  dagegen, 
auf  seinem  Wege  vom  Cap  Gracias-a-dios  (im  Lande  Zerabora)  nach 
Retrete  zum  Namen  Puerto  de  Bastimento  veranlasst  worden,  wegen 
„la  abundancia  de  viveres  y  las  sementeras  de  maiz,  que  se  veian  en 
las  islas  y  en  la  costa  firme". 

Herrera  bemerkt  von  den  im  Schnitzwerk  und  Malereien  ge- 
schickten Indianern  von  Panama,  dass  sie  den  Dämon  Tabira  (Tuyra*) 
in  den  Antillen)  verehrt  und  ihre  Tänze,  Riten  und  religiösen  Cere- 
monien  denen  der  Antillen  geglichen*)  hätten.  Columbus  erwähnt 
Kupferve^'arbeitung  und  das  Gold  wurde  besonders  aus  den  Minen 
von  Cana  gewonnen,  welche  die  Spanier  seit  1615  verwildern  Hessen, 
damit    sie  nicht  länger  die  Buccaneer    und    Flibustiers    herbeizögen. 

Die  Leichen  der  verstorbenen  Häuptlinge  wurden  am  Feuer  ge- 
trocknet und  um  dem  nachfolgden  Neffen  zu  huldigen,  küsste 
man  ihm  die  Füsse  während  er  im  Bette  lag  (besaban  los  pies 
al  Hijo  6  Sobrino,  que  heredaba,  estando  en  la  cama).  Auch 
dieses  hätte  (per  anticipationem)  als  vom  Widersacher  ge- 
lehrte Nachäffung  römischer  Sitte  gelten  können,  als  Höh- 
nung der  Pontifen,  deren  heilige  Füsse  seit  Nicolas  I.  den  Hul- 
digungskuss  der  Gläubigen  empfingen,  denn  als  der  florentinische 
Gesandte  den  seit  Monaten  bettlägrigen  Papst  besuchte  (Innocenz  VII.), 
wurde  ihm  gnädigst  die  Gnade  gestattet,  den  aus  den  Schweissdecken 
entgegengestreckten  Fuss  küssen  zu  dürfen.  Noch  inbrünstiger  ist 
die     Labung    des    frommen     Indianers,    wenn    er    das    Fusswasser 


*)  Der  Tuyra-Fluss  (Rio  Danen)  entspringt  auf  dem  Altos  de  Aspave,  el  punto  de 
intenscccion  de  la  cordillere  terciaria,  que  viene  de  Baudö,  jünger,  als  die  Serrania  del 
Darien,  so  dass  vor  der  Erhebung  jener,  die  Wasser  des  Atlantic  und  Pacific  communi- 
cirten ,  und  der  Isthmus  dann  als  Insel  geblieben ,  oder,  wenn  mit  Costa-Rica  bereits 
zusammenhängend,  als  Halbmsel  (s.  Codazzi).  In  ähnlicher  Weise  deutet  die  Ebene  von 
Tehuanttpec  den  früheren  Zusammenfluss  der  beiden  Meere  an  zwischen  dem  bei  Jucillan 
gesenkten  Gebirge  von  Oaxaca  und  dem  bei  Tonala  gesenkten  (oder  ansteigenden)  von 
Chiapas,  und  dann  den  Hochplateau's  Guatemala's. 

')  Los  bailes,  ritos  y  religion  parecian  mucho  h.  los  de  la  Espaliola  y  Cuba  (havia 
muchos  brujos,  que  chupaban  las  criatunis  por  el  ombligo). 


346  DER   ISTHMUS  UND   GUATEMALA. 

seines  brah manischen  Vater's  hinuntertrinkt,  um  die  Flecken  der  sün- 
digen Seele  rein  zu  waschen.  In  der  Ethnologie  ergiebt  sich  als  der 
psychologische  Grund  solch*  weit  verbreiteter  Fussverehrung  die  Vor- 
stellung, dass  der  bereits  im  Himmel  weilende  Gott-Heilige  als  letzte 
Beziehung  zur  irdischen  Welt  nur  seinen  Fussabdruck  zurückgelassen 
habe,  weshalb  man  solche  auch  überall  als  Prophetenwerk  den  Steinen 
eingedrückt  findet  (auf  dem  Oelberg  Jerusalem's  wie  auf  Adam's 
Pic,  und  in  America  durchweg). 

Nachdem  Baiboa  in  Yaviza  am  Tuyra  zuerst  im  Golf  San  Miguel 
die  Südscc  betreten,  wurde  in  der  Nähe  der  von  Diego  de  Albites 
und  Pedro  de  Gusman  angetroffenen  Fischerhütte,  wo  sich  die  India- 
ner zum  Fang  der  (dann  in  Blättern  gedörrten)  Fische^)  neben  Netzen 
aus  Agavefasern,  auch  der  Angeln  (ausSchildkrötenschaalen  hergestellt) 
dienten,  von  Pedro  Arias  Davila  (1518)  am  Fusse  des  Hügels  Ancon, 
bedas  von  dem  atlantischen  Meere  nach  dem  pacifischen  verlegte  Pa- 
nama gegründet,  nach  Uebertragung  der  Kathedrale  aus  Antigua  del 
Darien  (1519)  zur  Ciudad  erhoben  (1521),  und  besonders  durch  die 
Bewohner  jener  Ansiedlung,  sowie  Acla's  (an  der  Mündung  des  Agla- 
monte  oder  Caledonia)  bevölkert.  Nach  Morgans  Streifzug  (1670) 
erhielt  es  durch  Fernandez  de  Cordova  seine  neue  Lage,  durch  Me- 
cado  de  Villacosta  seine  Befestigungen,  während  die  Panama-vieja's 
in  Ruinen  geblieben  ist. 

Seinen  Aufschwung  verdankte  Panama  der  Entdeckung  Peru's, 
dessen  Reichthümer  einen  ununterbrochenen  Menschenschwarm  über 
Chagres  (San  Lorenzo  de  Chagre)  herbeizogen,  trotz  der  entsetz- 
lichen Mortalität,  welche  innerhalb  30  Jahren  40,000  Spanier  ihr  Grab 
auf  dem  Isthmus  finden  Hess. 

Nach  fester  Etablirung  der  umliegenden  Colonien,  sowie  nach 
Gewöhnung  an  den  südlichen  Seeweg,  würde  Panama  in  Bedeutungs- 
losigkeit zurückgesunken  sein,  wenn  es  nicht  durch  die  goldenen 
Botschaften  aus  Californien,  denen  bald  die  aus  Australien  folgten, 
zu  einem  neuen  Tageswerk  erweckt  worden  wäre. 

Mein  ursprünglicher  Plan  war  gewesen,  mich  mit  dem  englischen 
Postdampfer  nach  Greytown  zu  begeben,  um  dann  die  Reise  durch 
Nicaragua  zu  unternehmen.  Doch  rieth  man  mir,  in  Colon  sowohl, 
wie  nachher  in  Panama  davon  ab,  da  in  der  damaligen  Jahreszeit 
die  grössere  Wahrscheinlichkeit  vorliege,    dass  die  Landung  tmmög- 


>)  Die  Aguja  genannten  Nadclfische  wurden  in  grossen  Zügen  von  Haien  bei  Panama 
auf  den  Strand  gejagt  und  gefischt  zur  bestimmten  Jahreszeit  (s.  Oviedo). 


COSTA  RICA.  347 

lieh  sei,  und  ich  dann  dem  Dampfer  nach  St.  Thomas  hätte  folgen 
müssen.  Bei  der  Abfahrt  von  Colon,  dessen  ungesunde  Atmosphäre 
ich  jedenfalls  während  der  Liegetage  des  Dampfers  zur  Ladung  ver- 
meiden wollte,  war/  ich  noch  unbestimmt,  und  als  ich  auf  der  Eisen- 
bahnverwaltung meinen  Fall  vorlegte,  traf  man  im  Hinblick  auf  den 
wissenschaftlichen  Zweck  der  Reise,  die  Einrichtung,  dass  mir,  im 
Fall  der  Rückkehr,  die  Erleichterungen  eines  Retour-Billets  zu  Gute 
kommen  sollten.  Für  die  paar  Stunden  Eisenbahn  waren  nach  der 
regelmässigen  Preisliste  25  Dollar  zu  zahlen,  also  für  Hin  und  Zurück 
5oDoliar,  das  (mir  zu  2  sDollar  angerechnete)Retourbillct  kostete  dagegen 
nur  loDollar,  und  wenn  ich  zurückgekommen  wäre,  wollte  man  15  Dollar 
wieder  herausgeben,  so  dass  ich  dann  die  doppelte  Fahrt  für  weniger  als 
den  halben  Preis  der  einfachen  gemacht  haben  würde,  und  für  ein 
Fünftel  der  eigentlichen.  Im  Allgemeinen  ist  solche  Ermässigung 
nur  für  die  in  Panama  und  Colon  Ansässige  bestimmt,  die  häufig 
den  Weg  zurückzulegen  haben,  während  für  die  durchreisenden 
Fremden  der  hohe  Ansatz  festgehalten  wird,  und  auch  jede  kleine 
Nebenausgabe  hier  auf  dem  Isthmus  enorm  aufläuft,  da  Alles  nur 
darauf  berechnet  ist,  den  durchfliessenden  Strom  auszubeuten. 

Am  II.  März  brachte  uns  ein  Tug  an  Bord  des  Costa  Rica,  (des 
americanischen  Dampfers  der  Pacific  Küste)  wo  wir  mitten  in  der  Nacht 
anlangend,  uns  möglichst  rasch  in  der  engagirten  Kajüte  installirten. 
Der  Ankerplatz  findet  sich  bei  den  alten  Perlen-Inseln,  in  der  Nähe 
des  jetzt  als  Vcrgnügungsplatz  benutzten  Taboga's,  einst  das  Besitz- 
thum  Hernafido's  de  Luque,  des  Kirchenlehrers  (und  clerigo  presby- 
ter(5),  der  für  den  Licentiaten  Gasper  de  Espinosa  mit  Pizarro  und 
Almagro  das  Triumvirat  abschloss,  „para  descubrir  y  conquistar  las 
tierras  y  provincfas  de  los  reinos  Uamados  del  Peru '. 

Die  Abfahrt  zögerte  nicht  lange  und  am  nächsten  Morgen  sahen 
wir  die  Küste  bei  Punta  Mala  in  hüglichen  Bergreihen  übereinander- 
geschoben,  am  folgenden  (März  13.)  Inseln  und  getrennte  Höhen- 
züge vom  Golfe  dulce. 

An  streifenden  Höhen  hinfahrend,  sahen  wir  (März  14.)  in  weiter 
Bay  sandige  Küstenflächen  (mit  Buschwald)  vor  zurückweichenden 
Zügen  und  ankerten  am  Puerto  Puntas  Arenas,  dem  Hafen  der 
Hauptstadt  Costa -Rica 's,  wo  ich  mit  dem  Vertreter  des  deutschen 
Consulates,  Herrn  Rohrmoser,  Einiges  dortige  Sammlungen  Be- 
treffende, worüber  bereits  correspondirt  worden  war,  besprechen 
konnte.  Unter  den  centralamericanischen  Republiken  hat  Costa-Rica 
einen  stetigeren  Aufschwung  genommen    (wie  Chile    unter  den   süd- 


348  DER  ISTHMUS   UND   GUATEMALA. 

americanischen).  Unter  den  Spaniern  dagegen  wurde  diese  „Costa 
de  los  Contrastes"  wenig  beachtet,  als  ein  nutzloses  Land,  dem  sein 
(veränderter)  Name,  wie  Juarros  meint,  aus  Ironie  gegeben  sei,  oder 
zur  Anlockung,  •  wie  Erics  grünes  Land  in  Grönland  der  Isländern. 
Die  als  frühere  Anwohner  des  Golfs  von  Nicoya  genannten  Orotifter 
wiesen  in  ihren  Verwandtschaften  nach  Nicaragua. 

Die  Nicoya-Bucht  wurde  von  Espinosa  entdeckt  mit  dem  ersten 
der  in  der  Südsee  (auf  der  Perleninsel  Panama 's)  gebauten  Schiffe. 

Niedrigeren  Küstenreihen  mit  unterbrochener  Erhebung  unregel- 
mässiger Zackung  folgten  wir  am  März  15.  Nachdem  der  breit  vor- 
springende Point  Helena  passirt  ist,  erweitert  sich  die  Salinas-Bay 
und  jenseits  einer  niedrigen  Höhenreihe  steigt  der  Kegel  des  Vul- 
can's  von  Ometepec ^)  auf.  Wir  ankerten  im  Golf  von  Papagayo'),  in 
der  Bay  von  San  Juan  del  Sur,  die  sich  mit  Strauchhügcln,  hinter 
schmalen  Sandstreifen  in  der  Mitte,  halbkreisförmig  umherzieht,  nach 
der  Spitze  zu  schroff  abfallend.  Hier  gewissennassen  liegt  der  von 
der  Natur  beabsichtigte  Durchbruch  des  Isthmus  in  den  Seen  Nica- 
raguas ausgedrückt,  und  der  im  ununterbrochenen  Strom  uns  vom 
Land  her  entgegen-  (also  gleichsam  vom  Atlantic  herüber)  wehende 
Sturmwind  zeigt,  dass  an  dieser  Stelle  die  sonst  von  der  Cordillere 
gebildete  Scheidung  der  beiden  Meere  (wenigstens  in  ihrem  atmo.sphä- 
rischen  Theile)  fehlt,  und  auch  die  See  bemerkte  sich  in  dieser  be- 
schränkten Localität  bewegt  und  aufgeregt,  im  auffälligen  Gegensatz 
zu  dem  glatten  Spiegel,  den  wir  vorher  und  später  durchfahren. 
Solche  Constanz  der  Windrichtung  könnte  ebenso,  wie  der  Golf- 
strom, zu  jener  Stauung  des  Wassers  beitragen,  wodurch  die  bei 
Projecten  über  die  Durchstechung  des  Isthmus  von  Corinth  sowohl, 


*j  Er  liegt  auf  der  gleichnamigen  Insel  im  See  Nicaiagua,  wie  wesilich  davon  der  Vulcan 
Mombacho  und  zwischen  dem  See  Nicaragua  und  dem  Managua-See  der  ZwillingsvulcanNindiri 
oder  Masaya  In  Sicht  des  letzteren  vermieden  es  die  spanischen  Seeleute  der  Entdeckungs- 
^eit  zu  ankern ,  da  sie  auf  ihm  Teufel  kämpfen  sahen ,  die  den  Schiffen  allerlei  Schliche 
spielten,  die  Anker  lös'ten,  die  Taue  zerschnitten  und  andere  den  ,,Spirit's"  geläufige 
Albernheiten  trieben.  Der  Padre  Frai  Toribio  Motilinia  ,  der  Apostel  Mexico's  (el  Apos- 
tolico  Varon)  stützte  sich  auf  Gregor  M,,  um  den  Vulcan  in  Masaya,  als  Eingang  zum 
Höllenfeuer,  zu  beweisen,  nach  Analogie  des  Aetna  in  Sicilien,  denn  dort  hatte  (nach 
Francisco  de  Mayroncs)  ein  frommer  Eremit  mit  eigenen  Augen  gesehen ,  wie  der  ost- 
gothische  König  Theodorich,  nackt  und  unbeschuht,  die  Hände  auf  dem  Rücken  zu- 
sammengebunden, vom  Papst  Johannes  und  dem  Schwiegersohn  Boelius'  herbeigefiihrt 
war,  um  in  den  glühenden  Mund   von  Mongibel  hinabgestürzt  zu  werden. 

')  Die  Papagayos  genannten  Landwinde  sind  trocken,  im  Unterschied  von  den,  Chu- 
basco  genannten  Gewitterstürmen,  sowie  den,  schwere  Brandung  verursachenden,  Tempo- 
rales oder  Regen  winden. 


CORINTO.  349 

wie  des  Isthmus  von  Suez,  geäusserten  Ansichten  von  verschie- 
dener Niveaudifferenz  der  Meere  (hier  in  einem  Höherstehen  des 
atlantischen)  veranlasst  wurden.^)  Bei  San  Juan,  Nacascolo  u.  s.  w. 
wurde  der  bereits  von  den  alten  Chronisten  erwähnte  Fang^)  der 
(tyrischen)  Purpurschnecke  betrieben,  zur  Färbung  des  Hilo  morado 
durch  Ausdrücken  des  Saftes  aus  dem  Schalthier  (s.  Baily).  Bei 
Diriamba  fanden  sich  Anpflanzungen  von  Maulbeerbäumen  zur  Ein- 
richtung der  Seidenzucht. 

Nach  dem  Entladen  wurden  die  Anker  gelichtet,  und  folgten 
wir  niedrigen  Kuppelerhebungen  der  mit,  oft  schroff  abfallenden, 
Stfauchhügeln  einwärts  streifenden  Küste,  unter  weisslich  umflortem 
Himmel,  in  welchem  sich,  aus  einer  helleren  Schicht  hervorragend, 
der  dunkle  Umriss  des  Omotepec,  von  leicht  vorgelagerten  Wölkchen 
umkränzt,  heraushebt. 

Am  nächsten  Morgen  zeigte  sich  die  Küste  in  Kuppen  zerfallen, 
und  aus  kurzem  Bergrücken  stieg  mit  scharf  abgeschnittenem  Krater 
der  Vulcan  Chinandega  empor.  Eine  felsige  Spitze  umfahrend,  wur- 
den wir  von  der  Bay  aufgenommen,  an  welcher  Corinto  auf  einer 
Insel  liegt.  Bei  einem  Besuch  am  Lande  wurde  leider  durch  die 
Krankheit  des  Herrn,  an  den  ich  empfohlen  war,  die  beabsichtigte 
Rücksprache    unmöglich    und    die   Kürze    unseres  Aufenthaltes   ver- 


*)  Wird  neben  dem  vermutheten  Sinken  der  Küste  in  der  südlichen  Magellanstrasse 
der  Aufbau  der  ihätigen  Vulcane  im  centralen  Isthmus  in  Betracht  gezogen »  so  würden 
mit  dieser  geologischen  Theorie  auch  die  Projecte  für  DOrchstechung  der  Meerenge  zu 
rechnen  haben.  Für  den  in  Nicaragua«  als  den  scheinbar  empfehlenswerthest  vorgeschla- 
genen Weg  würde  es  zur  Schiff  barm  ach  ung  des  San  Juan  (neben  andern  Operationen) 
der  Sprengung  und  Wegräumung  der  Felsen  an  den  Stromschnellen  bedürfen ,  und  die 
Möglichkeit,  oder  selbst  der  dauernde  Nutzen  solcher  Vornahmen  bliebe  in  Frage  gestellt, 
wenn  die  Massen  von  Homblendegestein  sich  als  die  Resultate  einer  stetig  fortdauern- 
den Hebungserscheinung  ergeben  sollten.  Baily  filhrt  den  Fall  einer  spanischen  Brigan- 
tine an,  die  im  Jahr  1648  den  Fluss  von  Carthagena  nach  Granada,  hinaufgefahren  war, 
aber  bei  der  beabsichtigten  Rückkehr  das  Fahrwasser  verschlossen  fand,  und  nach  mehr- 
jährigem Warten  in  Granada,  wohin  sie  zurückgebracht  worden  war,  auseinander  ge- 
nommen werden  musste.  Gage's  Mittheilung,  worauf  Scherzer  bei  Squier's  Citat  anspielt, 
könnte  sich  deshalb  auf  eine  frühere  Zeit  beziehen,  zumal  in  nautischer  Terminologie  die 
Bedeutung  des  durch  die  Namen  Ausgedrückten  gewechselt  hat.  Der  Erste,  der  den 
aus  der  Lagune  Granada's  (in  Nicaragua)  in  das  Nordmeer  auslaufenden  Fluss  befuhr, 
war  (wie  Torquemada)  erwähnt  ,,el  Capitan  Calero,  el  cual  se  atreviö  y  se  metiö  en  una 
fragata,  que  es  una  fusta,  como  vergantin  pequeiio,  y  con  estas  navegan  aquellas  lagunas 
y  el  rio  (dann  entdeckte  sich  der  Desaguadero)  Creese  que  la  mar  del  Sur  estä  mas  alta, 
que    la    mar    del   Norte    (weil   der  Abfluss    nach    diesem  Statt  habe). 

')  Suelen  andar  ballenas  por  aquella  costa  (von  Nicaragua)  zur  Zeit  der  Entdeckung 
(«5.  Herrera). 


350  DER   ISTHML'S   UND   GUATEMALA. 

hinderte  weitere  Schritte.  Realejo  (de  la  Concepcion  oder  de  la  Posses- 
ston) bildete  den  alten  Hafen  Leons,  oder  im  Besonderen  Chinandeg's, 
(3  Leguas  entfernt),  liegt  aber  selbst  noch  i  Legua  von  dem  Aus- 
schififungsplatz  (früher  Puerto  de  Realejo)')  neben  dem  Hafen  Nagius- 
colo.  „Ausser  dem  (vom  Seestrande  entfernt)  an  dem  Estero gleichen  Na- 
mens gelegenen  Ort  bezeichnet  Realejo  auch  zugleich  die  an  dessen 
Ausmündung  durch  zwei  vorliegende  Inseln  gebildete  Hafenbucht'* 
(Rcichardt).  Der  Hafen  wird  durch  die  Mündungen  der  Flüsse  Rea- 
lejo und  Telica  gebildet,  mit  zwei  Einfahrten  um  den  Nord-  oder 
Südrand  der  Insel  Cardon.  In  dem  Nord-Creek,  der  nach  Realejo 
führt,  ankern  stromaufwärts  die  Schiffe  neben  der  Aseradores-  oder 
Corinto  Insel  vor  der  Ansiedelung  Corinto.  Der  Vulcan  Viejo  dient 
als  Landmarke.  Vom  Monotomba  am  Managua  -  See  verfolgt  sich 
die  Vulcanreihe  in  Axusco,  Las  Pilas,  Orota,  Telica,  Santa-Clara  bis 
zum  Viejo. 

Bei  der  Abfahrt  wurden  wir  von  einem  flachen  Küstenstreif  be- 
gleitet, an  welchem  der  Chinandega  zwischen  niedrigen  Bergkuppen 
isolirter  Gruppen  aufsteigt,  und  weiterhin  erscheint  eine  niedrig  ein- 
gekerbte Höhenreihe.  Dann,  nach  einem  Abfall,  sieht  man,  hinter 
braunen  Sandhügeln,  breit  den  seit  seinem  Ausbruch*)  1835  weithin 
gefürchteten  Vulcan  Coseguina  aufsteigen,  während  sich  in  der  Ferne, 
über  einem  offenen  Landstrich,  der  Umriss  des  Vulcan's  Conchagua 
abmarkirt.  In  gleichmässig  flacher  Erhebung,  schroff  abfallend, 
streckt  sich  die  schwach  begrünte  Küste  fort  bis  zur  Spitze  des 
Coseguina- Point,  und  dann  folgten  wir  einer  steil  abstürzenden 
Küstenwand  mit  dem  Vulcan  Chinandega  dahinter.  Vorne  zeigt  sich 
als  Rundhügel  die  Tiegcrinsel  von  Amapala  und  daneben  in  gleicher 
Reihe  die  Inseln  Conchaguita  und  Manguera,  bis  auswärts  der  Vul- 
can von  Conchagua,  mit  sattelförmigem  Eindruck,  vorspringt,  und 
mit  freistehenden  Klippen  die  Felsinsel  der  Farallones  aufsteigt. 

Von  Chinandagua  (in  Nicaragua)  öffnet  sich  der  weite  Golf  der 
von  Niflo  (auf  Gonzalez'')  Expedition)  entdeckten  Fonseca-Bay),  um 


*)  Von  den  zwei  Zugängen  des  Hafens  in  Realejo  bemerkt  Torquemada:  por  la  un.i 
entran  los  que  van  de  la  Nueva  Espafia  al  Peru,  y  salen  por  la  otra.  AI  contrario  es  de 
los  que  vienen  del  Peru.  Es  wurden  dort  viele  Schiffe  gel)aut,  da  man  damals  (1540) 
statt  nach  Tonnen,  nach  Pferden  zählte  (como  en  Espana  cuentan  por  toneles,  acd  cuen. 
tan  por  caballos). 

')  Bis  Mexico  und  Vucatan  verspürt  und  selbst  in  Jamaica  und  Bogota  fühlbar. 

^)  Gil  Gon/.ales  Davila  (rcconocio  cl  golfo  de  Papagayos,  Nicaragua,  la  Posesion, 
la  Bahia  de  Eonseca)  benannte  die  Bay  von  P'onseca  nach  dem  Bischof  und  die  Insel 
Petronilla  ,,por  una  Sobrina  suya"  (Herrera). 


AMAPALA.  351 

den  sich  in  nebliger  Feme  die  Küste  von  Honduras  herumzieht,  bis 
sich  die  Rundhüjg^elinsel  von  Amapala  vorlegt,  während  seitlich  die 
Insel  von  Conchaguita  dem  Conchagua  (auf  dem  Festlande  San  Sal- 
vador s)  vorangeschoben  steht,  und  der  Vulcan  San  Miguel  ein  un- 
deutlich schwankendes  Rückbild  projicirt.  Wir  fuhren  vorüber  an 
den  bewaldeten  Höhenzügen  von  Conchaguila  und  der  anstossenden 
Inseln,  dann  an  Amapala's  braunem  Fels  mit  zerstreutem  Grün,  und 
um  die  Spitze  zum  Ankerplatz  vor  der  Ansiedelung,  wobei  wir,  in 
dieser  geschlossenen  Bay  mit  gezackten  Inseln,  den  Conchagua  dar- 
über vorstehen  sahen,  während  aus  nebliger  Ferne  der  Vulcan  San 
Miguel  herüberblickte.  Abends  begab  ich  mich  mit  einigen  Passa- 
gieren ans  Land,  doch  bemerkten  wir,  da  gerade  die  Kriegserklä- 
rung Guatemalas  erfolgt  war,  so  umständlich  militärische  Vorberei- 
tungen, dass  es  besser  schien,  sich  ihren  Weitläufigkeiten  zu  ent- 
ziehen, zumal  der  Sohn  des  feindlichen  Präsidenten,  der  sich  unter 
den  Passagieren  des  Dampf bootes  fand,  zu  unserer  Bootparthie  ge- 
hörte. Uebcr  Einiges  erhielt  ich  Auskunft  durch  den  deutschen 
Kaufmann,  Herrn  Jühl,  der  uns  nach  unserer  Rückkehr  an  Bort  dort 
besuchte. 

Am  Morgen  fuhren  wir  zwischen  der  Insel  Conchaguita  und  dem 
Conchagua  nach  La  Union  (dem  Hafen  St.  Miguels)  hinüber,  an  der 
geschwungen  abfallenden  Küste.  Der  dort  für  die  Hauptstadt  lan- 
dende General  Delgado,  der  über  die  Alterthümer  der  Inseln  in  der 
Bay  (auch  über  die  der  Insel  Monotambito  am  See  Managua) 
Mancherlei  berichtete,  übernahm  die  Besorgung  eines  Briefes  an  den 
Consul.  Das  frühere  Vice-Consulat  des  Hafens  fand  ich  beim  Landen 
dort  aufgelös't.  Auf  der  Halbinsel  San  Lorenzo  in  der  Bay  von  Fonseca 
sollen  sich  Steinfiguren  der  Indianer  häufiger  finden,  und  auch  Indianer- 
Inseln  haben  sich  erhalten,  wie  unter  dem  im  Dorfe  Conchagua  ge- 
redeten Idiom.  Dialectisch  wechselt  (wie  zwischen  Cuzco  und  Quito) 
o  und  u  zwischen  Nicaragua  und  San  Salvador,  wie  yol  und  yul 
(für  Herz).  Hinsichtlich  der  Alterthümer  Nicaragua*s  (nica  oder  Wasser 
in  San  Salvador)  hörte  ich  von  dem  Capitän  des  Dampfers,  dass 
er  einen  americanischen  Bevollmächtigten  für  die  Weltausstellung  in 
Philadelphia  herausgebracht  habe,  um  auf  den  Inseln  der  Seen  die 
Arbeiten  Squier's  fortzuführen. 

Die  hervorstehenden  Inselhügel,  den  runden  Amapala s  und  den 
.sattelförmigen  Sacatc's  einschliessend,  i.st  die  Bay  von  der  mit 
vereinzelten  Kuppen  und  gezackten  Erhebungen  wechselnden  Küste 
in  der  Ferne  un\zogen. 


352  DER   ISTHMIS  UNI)   (ilATEMALA. 

Die  Isla  de  Tigre  ist  (nach  Dollfuss)  ein  alter  Vulcan,  der  geo- 
graphisch und  geologisch  mit  dem  Vulcan  von  Conchagua  in  Be 
Ziehung  steht.  Politisch  gehört  die  dem  Puerto  de  Tempisque  in  der 
Estera  Real  gegenüberliegende  Tiger-Insel  (und  der  Freihafen  Ama- 
pala  auf  ihr)  mit  Sacate  grande,  Guegucnsi,  Exposicion  iDisposicion) 
zu  Honduras,  wie  Conchaguita  und  die  Neben  -  Inseln  {Manguera. 
Perez  und  Punta  Sacate)  zu  San  Salvador  (innerhalb  der  Bay  von 
Fonseca).  Unter  den  verschiedenen  Projectcn  zur  Durchstechung 
des  Isthmus  würde  sich  das  von  Honduras,  wenn  sonst  die  Terrain- 
sch\n*erigkeiten  eine  Möglichkeit  der  Ausführung  gegeben  hätten, 
dadurch  empfohlen  haben,  dass  es  an  der  pacifischen  Seite  in  der 
Bay  von  Fonseca  einen  guten  Hafen  besass,  und  dieser  wurde  dann 
auch  in  den  Argumenten  auf  das  gründlichste  ausgebeutet.  Nicara- 
gua besitzt  den  südlichen,  Honduras  den  östlichen,  San  Salvador 
den  nördlichen  Theil  des  nördlich  durch  den  Vulcan  Conchagua, 
südlich  durch  den  Vulcan  Coseguina  begrenzten  Golfes  von  Fonseca 
oder  der  Fonseca- Bay. 

Die  Lander  Nicaragua  s  wurden  bei  der  ersten  Entdeckung  dicht 
bevölkert  angetroffen,  und  voll  Indianer,  aber  schon  zwölf  Jahre 
später  „estaban  muy  disminuidos  por  la  mucha  priesa.  que  se  havian 
dado  en  hacer  esclavos,  por  el  grande  interes,  que  de  ello  remetaba 
ä  los  govemadores,  ä  los  ministros,  y  a  todos.  traiendo  quince  6 
veinte  caravelas,  que  no  hacian  otra  cosa,  que  cargar  esclavos  y 
llevarlos  ä  vender  ä  otras  partes"  (s.  Herrera).  Allerdings  hatte 
schon  Isabelle  viele  Bestimmungen  zu  Gunsten  der  Indianer  getroffen, 
und  ihre  VersklaN'ung  wurde  in  den  königlichen  Gesetzen  in  ver- 
schiedenen Paragraphen  verboten.  Doch  blieb  der  Deutung  über 
den  Namen  der  Canibalen  oder  Cariben*),  die  sammt  und  sonders 
rechtlich  für  Sklaven  erklärt  \*'urden,  viel  freien  Spielraum  (da  ihr 
anthropologisches  Kopfmass*)  damals  noch  weniger  festgestellt  war, 
als  jetzt)  und  auch  in  den  für  besondere  Expeditionen  ausgefertigten 


')  FocTon  dados  por  esclavos  y  «beides,  para  que  los  pudiessen  matar,  catiTar  y 
robar  (los  Caribes  de  Caribana). 

')  Nach  neuesten  Listen  80  Breite  und  74  Höhe  (zu  100  iJmge).  Uebrigens  hat 
sich  fÄr  die  vielgeschmahten  Cariben  auch  bereits  einige  Ehrenrettung  gefunden ,  dcrzu- 
folge  sie  ,,als  ein  unverdorbener  Volksstamm  mit  besseren  Regungen"  erkannt  wurden. 
So  mögen  sich  die  Caraiben  des  XV'.  Jahrhunderts  auf  den  Aniillen  an  ihren  Namens- 
TcUem  des  XIX.  in  Guayana  ein  Muster  nehmen,  obwohl  Herrera  auch  von  diesen 
(X\l.  Jahrhunderts)  sagt:  AI  I-evante  de  la  isla  de  la  Trinidad  y  Rio  de  San  Juan  de 
las  Amazonas,  estä  la  provincia  de  los  Indios  Aruacas,  porte  de  ellos  Caribes,  y  todo« 
belicosos,   que   no  estin  pacißcos   (von  Figueroa   in  Unterscheidung  von  den  Goados  als 


ZUNGENFERTIGKEIT.  353 

Instructionen,  wie  in  den  vom  Bischof  von  Burgos  an  Pedrarias  mit- 
gegebenen, worin  es  heisst,  däss  man  den  Indianern  zwei,  drei  oder 
mehrere  Male  die  Wohlthaten  darlegen  sollte,  die  sie  unter  der 
Regierung  Sr.  Katholischen  Majestät  geniessen  würden,  wogegen  sie, 
wenn  Widerstand  zeigend,  der  Sklaverei  verfallen  sein  würden.  Dies 
wäre  zu  geschehen  durch  „Castellanos,  que  sabian  la  lengua",  wie 
dies  jedoch  in  neu  zu  entdeckenden  Ländern  fremdsprachiger*)  Stämme 
ausgeführt  und  die  Sprachfertigkeit  in  neuen  Zungen  verlangt  wer- 
den sollte,  wird  nicht  dabei  gesagt.  Doch  möchte  sich  auch  dafür 
Rath  finden.  „Die  Gabe  in  fremden*)  Sprachen  zu  reden  und  dies 
Gesprochene  zu  verdolmetschen"  fällt  (für  römische  Orthodoxie) 
in  die  achte  Klasse  der  xaqUsiAoxa  und  Wärter  stellt  es  als  „gewiss" 
hin,  dass  „auch  Sündern  Charismen  mitgetheilt  werden  können"  (1850). 
Insofern  hätte  für  die  spanischen  Sünder  nichts  im  Wege  gestanden, 

Cariben  definirt,  in  der  allgemeinen  Confusion  ,,sobre  saber,  quales  eran  Caribes  y  quales 
no").  Torquemada  erklärt  Cariben  von  Carith  (occursus  ignis)  und  ihre  Sprachen,  als 
,,Hebraico  corrompido".  In  Georg  Hom's  punischer  Welt  gehören  die  Cariben,  als  Cani- 
bale,  zum  Geschlecht  der  Hanibale,  oder  umgekehrt. 

*)  The  hrst  missionaries,  in  their  ardor  to  make  proselytes,  admitted  the  people  of 
America  into  the  Christian  church,  without  previous  Instruction  in  the  doctrines  of  religion 
and  even  before  they  themselves  had  acquired  such  knowledge  of  the  Indian  language, 
as  to  be  able  to  ex  piain  to  the  natives  the  mysteries  of  faith  or  the  precepts  of  duty. 
Resting  upon  a  subtile  distinction  in  scholastic  theology ,  between  that  degrec  of  assent, 
which  is  founded  on  a  complete  knowledge  and  conviction  of  duty,  and  that  which  may 
be  yielded,  when  both  these  arc  imperfect,  they  adopted  this  stränge  practice,  no  less  in- 
consistent  with  the  spirit  of  a  religion,  which  addresses  itself  to  tbe  understanding  of 
men,  than  repugnant  to  the  dictates  of  reason  (s.  Robertson).  Als  Boscana  den  Califor- 
niem  lehrte  durch  den  süssen  Nameu  von  Jesus  und  Maria  den  Teufel  zu  vertreiben,  sagte 
der  Häuptling  einer  Rancheria:  ,,Sce  how  this  padre  cheats  us.  Who  believes  that  the 
devil  will  leave  us,  by  the  sign  of  the  cross.  If  it  were  to  be  done  by  dancing,  as  autho- 
rized  by  Chinigchinich,  he  would  depart,  but  that  he  will  do  so,  by  the  means,  which 
he  says,  I  do  not  believe"  (s.  Robinson).  In  seiner  (dem  Consistorialpräsidenten  Paul 
von  Fuchs)  dedicirten  Predigt  spricht  Christian  Colhard  (in  Müncheberg)  ,,vom  Exor- 
cismo  bei  der  heiligen  Taufe,  dass  so  oft  er  solchen  ratione  officii  gebrauchen  müsse, 
ihm  allezeit  Furcht  und  Zittern  darüber  angekommen"  (1698). 

')  ,, Ausdrücklich  wird  in  den  Canonisationsacten  neben  den  vielen  andern  Wundem, 
die  Gott  durch  Xavier  wirkte,  auf  glaubwürdig  beschworene  Zeugnisse  hin  die  ihm  ver- 
liehene Sprachengabe  hervorgehoben,  die  sich  in  mannigfacher  Weise  äusserte,  bald  so, 
dass  er  die  zur  Predigt  nöthige  Sprachej  wunderbar  schnell  erlernte,  bald  so,  dass  er  die 
Sprache  mancher  Völker  so  zierlich  und  fertig  sprach,  als  wäre  er  bei  ihnen  geboren  und 
erzogen  worden,  bald  dass  er  mehrere  Sprachen,  ohne  sie  erlernt  zu  haben,  redete,  bald, 
dass  wenn  Leute  verschiedener  Nationen  zugleich  ihn  predigen  hörten.  Jeder  in  seiner 
Sprache  ihn  verstand"  (Schrödl).  Mitunter  muss  die  Sprache  beim  Predigen  des  Evan- 
geliums unwesentlich  gewesen,  und  so  vom  heiligen  Augustin  erachtet  sein,  als  er  sie 
sah:  ,,multos  homines  ac  mulieres  capita  non  habentes"  (vidimus  et  in  inferioribus  parti- 
bus  Ethiopiae  homines  unum  oculum  tantum  in  fronte  habentes).  So  vermehrt  sich  das 
Capitel  der  glaubensstärkenden  ,,Incredibilia." 

BastUn:  America.  I.  ^ 


354  DER  ISTHMUS   l'XD  GUATEMALA. 

zumal,  wenn  sie  heilige  Männer  von  dem  Schlage  Franciscus  Xavier  s 
mit  sich  führten,   (doch  selten  vom  reellen  Gehalt  dieses  Letzteren). 

Ausserdem  scheint  in  diesen,  manchmal  wohl  etwas  seltsamen 
Sprachen,  das  christliche  Lehrsystem  verschiedentlich  verstanden  zu 
sein,  wenn  sich,  von  chinesischen  Taiping  abgesehen,  nach  den 
wunderlichen  Propheten^)  schliessen  lässt,  die  unter  Odjibway,  Karen, 
Maori  und  sonst  vielfach  aufstanden,  wie  auch  in  Grönland. 

Die  (grönländische)  Prophetin  Maria  Magdalene  gründete  mit 
ihrem  (Jesus  genannten)  Ehemann  Habakkuk  die  halbchristliche  Secte 
am  Fjord  von  Kangerdlugmatsiak  (1790).  Hexen ^)  wurden  getödtet 
und  Tänze  um  die  Gräber  abgehalten  unter  Küssen  (s.  Rink).  In  der 
Mission  der  Herrenhuter  von  Frederiksdal  erhob  sich  (1753)  der  Pro- 
phet Mathaeus  (der  nach  einem  Anfall  von  Schwermuth  in  die  Ein- 
samkeit getrieben)  sich  Gabriel  nannte  und  nach  der  Unterhaltung 
mit  dem  Heiland  Gebetversammlungen  abhielt,  wo  man  sich  die 
Hände  zerschnitt,  das  Blut  zu  saugen. 

An  falschen  Heiligen,  vor  denen  bereits  St.  Augustin ^)  warnt, 
hat  es  bekanntlich  nie  gefehlt,    und  die  Unterscheidung  war  häufig 


^)  The  Corpus  Christi  (Texas)  Ranchero  (of  January  12.)  has  the  following  Statement: 
,,Great  excitement  exists  at  the  present  time  among  de  Mexicans  in  the  western  Texas 
and  indeed  among  many  Americans  occasioned  by  the  report,  that  a  Saint  has  myste- 
riously  appeared  in  Mexico,  at  some  point,  near  Carmargo,  who  possesses  the  power  to 
feed  thousands  of  peeple  with  two  or  three  tortillos,  each  gctting  all  he  can  eat,  eures 
all  diseases,  flesh  is  heir  to,  restores  sight  to  the  blind,  in  fact  perfonns  all  sorts  of  mira- 
cles.  He  says  that  he  will  be  killed  in  Mexico  and  requests  that  his  murderer  may  not 
be  punished.  Apparently  but  16  or  17  years  of  age,  he  has  a  gfeat  beard  of  patriarchal 
lenght  and  as  an  evidence  that  he  is  no  impostor,  it  is  reported,  that  Gen.  Vidaurri 
has  him  clearly  shaven  and  then  told  him,  if  he  was  really  a  man  of  God,  as  he  pro- 
fessed,  to  cause  his  beard  to  reappear  upon  his  face.  The  Saint  requested  his  interro- 
gator  to  turn  his  back  for  a  few  moments  what  he  did,  and  after  muttering  a  prayer  and 
going  through  some  mysterious  ceremony,  his  face  was  covered  with  beard  the  same, 
as  before"  (Boston  Journal,  Febr.  18.,  1861.  Eine  weitere  Illustration  könnte  der 
Pietismus  deutscher  Colonien  liefern,  gegen  dessen  fanatische  Excesse  das  brasilianische 
Militär  auszurücken  hatte,  und  leider  so  Manches  in  der  Heimath,  ohne  in  der  Feme  zu 
suchen. 

')  Nach  Loos  sind  die  Hexenprozesse  eine  neu  erfundene  Alchymie,  um  aus  Menschen- 
blut Gold  und  Silber  zu  machen  (durch  Confiscation  der  Güter  und  Kopfgeld  an  die 
Hexenrichter).  Nach  Spee  hungert  die  Inquisition  nach  den  Verurtheilungen  der  Hexen, 
,,als  die  Brocken,  davon  sie  eine  fette  Suppe  essen  wollte."  Nach  Agrippa  war  oft 
persönliche  Steuer  zu  zahlen,  um  nicht  vor  das  Gericht  gezogen  zu  werden.  Au  lieu  de 
Taute],  sur  lequel  les  prßtres  de  Vitzilipuzli  ^gorgeoient  des  hommes,  les  dominicains  ^1^- 
vferent  des  buchers,  c'^toit  toujours  les  m^me  sacril^ges,  les  mömes  abominations  sous 
une  autre  forme  (Paw). 

')  Wie  oft  zuchtlose  Soldaten  von  Privatpersonen,  durch  Fälschungen  kaiserlicher 
Vollmachten,  Lieferungen  erpressten,  so  konnten  schlechte  Christen  den  Namen  Christi  dazu 


DER  ANTI-PAPST.  355 

um  so  misslicher,  weil  die  Missionaire,  wenn  sie  auch  überall  ohne 
Schwierigkeit  listigen  Teufelsspuk ^)  oder  doch  den  Widersacher  ihres 
heiligen  Papstthums^)  herauswitterten,  doch  für  sich  selbst  den  neuen 
Eindrücken  im  fremden  Lande  nicht  immer  ganz  unzugänglich  waren, 
und  übernatürliche  Kräfte^)  in  ihren  Gegnern  anefkennen  mochten, 
wenn  sie  auch  als  Katholiken  nicht,  gleich  protestantischen  Missio- 
nairen*)  (Africa's),  sich  durch  die  Schrifterklärung  der  Wilden  hätten 
beeinflussen  lassen. 


missbrauchen,  von  den  Mächten  oder  Engeln,  die  im  Besitz  der  Wundergabe  seien,  von 
ihnen  selbst  zu  verrichtende  Wunder  zu  erpressen,  meint  Augustin,  so  dass  das  entschei- 
dende Merkmal  eines  Wunders  also  in  dem  Zweck  des  Thaumaturgen  ruht  (als  göttliches, 
wenn  zu  Ehren  Gottes).  Bischof  Alexander  folgert  die  Ewigkeit  des  Sohnes  (als  Xoyog) 
daraus,  dass  der  Vater  sonst  aloyog  gewesen  sein  würde. 

*)  Ximenes  (Pfarrer  von  Santo-Tomas  Chichicastenango)  sah  in  dem  Popul  Vuh  (der 
Quiche)  ,,une  agence  diabolique  qui  aurait  travesti  ä  dessein,  dans  la  cosmogonie  quichee, 
le  r^cit  des  livres  saints"  (s.  Brasseur  de  Bourbonog). 

')  Das  indess  selbst  nicht  immer  Farbe  bekannte :  Papst  Liberius  (•]•  366)  trat  zum 
Arianismus  Über  (um  den  Gegenpapst  Felix  II.  zu  beseitigen),  Zosimus  billigte  die  pela- 
gianische  Ketzerei,  bis  er  sie  verdammte  (^  418),  Papst  Symmachus  (•]•  514)  stritt  gegen 
Laurentius'  Anklagen,  Vigilius  (-j-  555)  wechselte  die  Ansicht  (nach  politischen  Um- 
ständen), Honorius  I.  (-J*  638),  der  sich  für  die  Monotheleten  erklärte,  wurde  von  jedem  Nach- 
folger feierlich  verflucht,  Sergius  I.  (•}•  701)  wurde  Papst  durch  Bestechungen,  die  Päpsten 
Johanna  ward  eingeschoben  als  Johann  VIII  (-J*  882)  zwischen  Leo  IV  («j*  855)  und  Bene- 
dict m  (858),  der  Leichnam  des  Formosus  (-J*  896)  ward  durch  seinen  Nachfolger  Bonifaz  VI, 
ausgegraben  und  beschimpft,  Bonifaz  VII.  entfloh  mit  Kirchenraub  nach  Constantinopel, 
t  983),  Sylvester  III.  Gegenpapst  des  schändlichen  Benedict  IX.  (•}•  1059),  verkaufte 
seine  Ansprüche  an  Gregor  VI.  Nimis  diu  illuserunt  credulitati  orbis  christiani  Pseudo- 
Isidori  decretales  (s.  Theiner). 

•)  Während  einer  Dürre  in  Martinique  fragte  ein  Negerknabe  (von  9 — 10  Jahren)  die 
ihn  erziehenden  Missionaire  ,,s'ils  vouloient  une  grosse  ou  une  petite  pluye,  les  assurant, 
qu'il  la  ferait  venir  sur  le  champ.  Cette  proposition  ötonna  ^trangement  nos  P^res,  ils 
consulterent  entre  eux,  et  enfin  la  curiosit^  l'emportant  sur  la  raison,  ils  consentirent  que 
l'enfant,  qui  n'^toit  pas  encore  baptis^,  fit  venir  une  petite  pluye  sur  leur  jardin  (der 
durch  Keimen  von  drei  Orangen  herbeigezogen  wurde).  Les  P^res  Temple  Rosi^,  Bpur- 
not  et  Fraisse,  Religieux  de  notre  Ordre  etoient  pr^sens,  quand  cette  pluie  tomba  et 
avoient  vu  toutes  les  ceremonies  (les  deux  premiers  encore  vivans  en  cette  ann^e  1718). 
Le  P^re  Temple  demeure  au  couvent  de  Ntmes  et  le  P^re  Rosi6  h.  la  Martinique  aussi 
bien  que  le  N^gre  (erzählt  Labat,  der  einen  Neger  blutig  peitschen  und  mit  Pfeffer 
waschen  liess,  weil  er  einem  Kranken  den  am  4.  Tage  einzutretenden  Tod  vorhergesagt, 
wie  es  geschah).  Un  n^gre  convaincu  d'^tre  sorcier  et  de  faire  parier  une  petite  figure 
de  terre,  fut  condamne  par  la  Justice  de  l'Isle  h.  6tre  brul^  vif  (nachdem  er  noch  vorher 
auf  Herrn  Vanbel's  Wunsch  mit  Erlaubniss  des  Richters  einen  Stock  hatte  reden  lassen). 

*)  Mayhew  hörte  von  Ninigret  (Häuptling  der  Narraganset)  ,,that  so  long  the  English 
conld  not  agree  among  themselves,  what  religion  was,  it  ill  became  them  to  teach  others" 
(s.  Drake).  In  der  Kathedrale  von  Notre-Dame  wurde  im  November  1793  ^*^  Courte- 
sane  Maillard  durch  Heber  und  seine  Genossen  auf  den  Hochaltar  erhoben,  als  Göttin 
der  Vernunft,  und  im  April  1802  wurde  eben  dort  die  Wiederherstellung  der  katholischen 
Religion  gefeiert. 

23* 


356  DER  ISTHMUS  UND  GUATEMALA. 

Als  Gabriel  de  Roxas  von  Diego  Lopez  de  Salcedo  zur  Ent- 
deckung des  Isthmus  ausgeschickt  wurde,  erhielt  er  als  seine  In- 
struction den  Indianern  zu  verkünden,  dass  der  Gott,  der  diq  Men- 
schen geschaffen,  für  ihre  Vereinigung  die  Kirche  eingerichtet  und 
„dexö  ä  un  hombre,  llamado  San  Pedro,  con  su  poder"  (ab  seinen 
Stellvertreter).  Y  que  este  San  Pedro  estableciö  reyes  en  el  uni- 
verso,  los  cuales  havian  estado  y  estaban  debajo  de  la  obediencia, 
y  amparo  de  la  iglesia,  y  que  despues  de  su  muerte,  havian  suce- 
dido  pontifices,  ä  quien  habia  quedado  su  poder,  und  dass  Einer 
von  diesen  die  Länder  der  dortigen  Götzendiener  den  „Catolicos 
Reyes  de  Castilla  y  de  Leon"  geschenkt  habe,  und  dass,  wenn  sie 
nicht  gehorchen  wollten,  nachdem  Alles  gehörig  erklärt  sei  (por  las 
mas  sufficientes  lenguas),  mit  aller  Strenge  zu  ihrer  Bestrafung  vor- 
gegangen würde  (s.  Herrera).  So  waren  die  Lehren  des  america- 
nischen*)  Kirchenrechtes. 

Nach  Pedro  Pizarro  forderte  ein  (später  auf  dem  Bischofssitze 
fortwüthender)  Mönch  in  Caxamarca  den  Sonnensohn  zur  Unterwerfung 
auf,  indem  ihn  der  (künftige)  Marquis(der  frühere  Schweinejunge)*)  dann 
als  Bruder  behandeln  und  in  seinem  eigenen  Lande  beschützen  würde. 

Man  fühlte  um  so  weniger  Scrupel  in  America  etwas  unbedenk- 
lich vorzugehen,  da  den  Spaniern  eine  Zeit  lang  zweifelhaft  blieb, 
ob  sie  es  dort  überhaupt  mit  Menschen  zu  thun  hätten,  denn  die 
geographische  Unkenntniss  gestattete  noch  nicht  die  kühnen  See- 
fahrten in  kühneren  Hypothesen  zu  ent^^'erfen,  um  Adams  oder 
Noah's  erste  Nachkommen  über  die  Wüste  des  Ocean's  zu  führen, 
^ind  gegen  die  Zulassung  von  zwei  Adam,  einen  für  jede  Atmosphäre, 
wie  es  Theophrastus  Paracelsus  meinte,  lagen  orthodoxe  Bedenken 
vor.     So   blieb   die  Natur   dieser  Antipoden    eine  firagliche,    und  es 


')  Auf  des  Bachillcr  Enciso  Noüfication,  dass  er  beauftragt  sei,  ihre  Unterwerfung 
entgegenxunehinen,  antworteten  die  Caiiken  \-on  Zenu:  „que  el  Papa  daba  que  no  era  suio' 
y  que  el  rey,  que  pedia  y  tomaba  la  merced,  debia  de  ser  algun  loco»  pues  pedia  lo  que 
era  de  otros,  que  fuese  ü  lomarlo"  (Herrera).  Eine  ähnliche  Verwunderung  erwähut  Ben- 
zoni  bei  Atahualpa,  der  auf  Valverde'^  Auseinandersetiung  geantwortet  habe,  dass  der 
Papst  ein  Thor  sein  müsse,  n\it  solcher  Freigebigkeit  firemdes  Eigenthum  wegzuschenken. 
Die  Statthalterschaft  des  Papstes  wurde  von  St,  Cyrill  erklärt,  der  in  Alexandrien  die 
Mönche  zu  offener  Rebellion  bewaffnete  (die  Zahl  der  Heiligen  mit  dem  heiligen  Thau- 
luasius  bereichernd)  und  för  die  Mutter  Gottes  auf  den  Rauber>Synoden  gegen  Nestorius 
kämpfte. 

*)  His  prindpal  occnpation  was  that  of  a  s^ineherd  (s.  Prescott),  was  sich  dann  in 
der  Volkssage  weiter  Yerandcm  vermochte,  mamö  una  puerca  dertos  dias  (s.  Gomora). 
PiiaiTo's  Unkenntniss  im  Schreiben  veranlasste  den  Inca  zu  Zeichen  der  Missaditung,  die 
seinen  Tod  beschleunigt  haben  sollen. 


THEILUNG  DER  ERDE.  357 

bedurfte  einer  ausdrüeklichen  Bestimmung  durch  Paul  III.,  dass  man 
die  Indianer  als  wirkliche  Menschen  (utpote  veros  homines)  anzu- 
sehen habe,  während  sie  bis  dahin  (wie  Pauw  meint)  nur  als  eine 
Art  von  Satyrn  oder  grosser  Affen  gegolten  hätten,  und  so  das  feh- 
lende Mittelglied  für  eine  in  der  damaligen  Volksschule  einzuführende 
Descendenzlehre  ebenso  trefflich  ergänzt  haben  würden,  wie  es  bei 
dringenden  Zeitbedürfnissen,  unter  den  schwarzen  Sklaven  in  den 
südlichen  Staaten  derjenigen  Union  gesucht  wurde,  deren  begründende 
Constitution  bereits  für  alle  Menschen  Freiheit  und  Rechtsgleichheit 
proclamirt  hatte.  Es  blieb  noch  die  Hinterthür  einer  durch  die  Farbe 
gekennzeichneten  Inferiorität  der  Rassen,  oder  in  den  spanischen 
Colonien  die  Ausschliessung  der  Eingeborenen  von  der  Rangklasse 
der  gente  de  razon^)  (oder  der  Blancos). 

There  is  not  in  the  history  of  mankind  any  thing  more  singular 
or  extravagant  (bemerkt  Robertson),  als  die  Form,  unter  welcher 
Ojeda  und  Nicuessa,  nach  Berathung  von  Spaniens  vornehmsten 
Geistlichen  und  Rechtskundigen,  autorisirt  wurden,  von  den  dem  König 
durch  den  Papst  geschenkten*)  Ländern  America's  Besitz  zu 
nehmen  (1509). 

In  diesem  Document  wird  den  Indianern  America's  die  notarielle 
Mittheilung  gemacht,  dass  nachdem  die  von  einem  Mann  und  einer 
Frau  stammenden  Menschen  sich  über  die  Erde  verbreitet  und  viele 
Völker  gebildet,  Gott  (Dios  nuestro  Seflor)  die  Aufsicht  darüber 
einem  gewissen  Jemand  gegeben,  der  sich  San  Pedro  genannt  habe 
(a  uno,  que  fue  llamado  San  Pedro)  und  ihn,  als  den  Herrn  und 
Meister,  zum  Haupt  des  Menschengeschlechtes  gemacht  habe,  damit 


^)  On  ne  prit  pas  d'abord  les  Americains  pour  des  hommes,  mais  pour  des  Orang- 
Outangs,  pour  de  grands  singes,  qu'on  pouvoit  d^truirc  sans  remords  et  sans  reproche.  En6n, 
pour  ajouler  le  ridicule  aux  calamit^s  de  cc  temps,  un  Papc  fit  une  Bulle  originale,  dans 
laquelle  il  declara  qu'ayant  envi6  de  fonder  des  ^v^ch^s  dans  les  plus  riches  contr^es  de 
r  Amerique ,  il  plaisait  a  lat  et  au  Saint  -  Esprit  de  reconnottre  les  Americains  pour  des 
hommes  v6ritables ;  de  sorte  que  dans  cette  decision  d'un  Italien,  les  habitans  du  nouveau 
Monde  seroient  encorc  maintenaut,  aux  yeux  des  fidelles  une  race  d'animaux  equivoques. 
II  n'y  a  pas  d'exemple  d'une  pareille  decision,  depuis  que  ce  globe  est  habit^  par  des 
signes  et  par  des  hommes.    (VIII.  Jahrh.) 

')  Ob  Portugal  oder  Spanien  war  durch  die  Linie  nicht  immer  leicht  zu  bestimmen. 
„La  cual  linea  diste  de  cada  una  de  las  islas  que  vulgarmeute  dicen  de  los  Azores  e 
Cabo  verde  cien  leguas  hacia  el  Occidente  y  Mediodia"  und  habe,  nach  ihrer  Scheidung 
an  Spanien  oder  an  Portugal  alle  Länder  zu  geben,  die  sich  1493  nicht  im  christlichen  Besitz 
fanden.  Alexandre  VI.  (ce  Pretre  si  m^prisable)  ,, forma  le  projet  ctrange  de  fair  couronncr 
un  de  S€s  bdtards  Empereur  de  l'Allemagne"  und  schenkte,  um  für  dieses  Project  Hülfe 
zu  erhalten,  die  ,,Barbaros  novi  orbis,  quos  Indos  vocant"  an  Spanien  (s.  Pauw). 


358  DER  ISTHMUS  UND  GUATEMALA. 

ihm  Alles  diene  und  unterwürfig  sei  (diöle  ä  todo  el  mundo  a  su 
servicio).  Diesen  hat  man  Papst  (Papa)  genannt,  was  sagen  will*), 
der  wunderbar  Höchste,  der  Vater,  der  Schutzherr  (que  quiere  decir 
admirable  mayor,  padre  y  Guardador).  Einer  von  diesen  Höchsten 
im  Weltall  (Superior  del  Universo)  habe  nun  alle  Inseln  und  Fest- 
lande im  Ocean  dem  katholischen  Könige  von  Castilla  zum  Geschenk 
gemacht  (hizo  donacion  de  estas  islas  y  Tierra-firme  del  Mar  Oceano 
a  los  catölicos  reyes  de  Castilla)  und  es  wäre  den  Bewohnern  dort 
deshalb  anzurathen,  sich  ohne  Verzug  den  Befehlen  der  Kirche  und 
des  von  derselben  bestätigten  Königs  zu  unterwerfen,  da  sie  dann 
auf  gnädige  Behandlung  hoffen  dürften,  wogegen  wenn  nicht,  mit 
Feuer  und  Schwert  gegen  sie  gewüthet*)  werden  würde. 

Eine  ähnliche  Aufforderung  richtete  Gil  Gonzalez  Davila  an  den 
Häuptling  von  Nicaragua,  der  erstaunt  herbeieilte,  diese  Fremden  zu 
sehen,  über  welche  er  sich  bei  dem  Dolmetscher  erkundigte,  ob  sie 
vom  Himmel  gekommen,  oder  mit  den  Wolken  niedergefahren,  oder 
etwa  herabgeflogen.  Er  legte  dann  folgende  Fragen  den  Spaniern 
vor:  Ob  sie  etwas  von  einer  Fluth  wüssten,  von  welcher  die  Erde 
überschwemmt  gewesen,  und  ob  eine  zweite  zu  erwarten  stünde? 
Ob  die  Erde  dadurch  untergehen  würde,  dass  sie  sich  umkehre,  oder 
dass  der  Himmel  herabfalle?  Wann  und  wie  Sonne  und  Mond  ihr 
Licht  verlieren  würden  und  ihren  Umlauf  beenden?  Femer  erkun- 
digte er  sich  nach  der  Ursache  der  Dunkelheit  bei  Nacht,  und  der 
der  Kälte,  jene  zwei  Mängel  in  der  Natur,  da  es  doch  besser  schiene, 
wenn  es  immer  hell  und  immer  warm  wäre?  In  welcher  Weise  der 
Gott  der  Christen,  der  Himmel  und  Sonne  geschaffen,  zu  verehren 
sei,  wie  sie  es  mit  den  andern  Göttern  hielten,  denen  des  Meeres, 
der  Erde,  der  Menschen,  wie  mit  den  Herren  der  fliegenden  Vögel, 
der  schwimmenden  Fische,    und    aller   übrigen  Dinge    in  der  Welt? 


*)  Auf  welcher  Etymologie  die  Elite  der  spanischen  Geistlichen  und  Juristen  bei 
dieser  Worterklärung  basirt,  wird  nicht  gesagt,  der  Profane  weiss  nichts  davon.  Pabst  a 
papa,  quod  cujusdam  j^atemitatis  nomen  est  (vom  nanag  der  Kinder).  ,,Zu  Rostock 
nannte  man  die  Pennale  Half-Papen  (halbe  Studenten),  denn  Papen  hiess  man  in  frühe- 
ren Zeiten  alle  Studenten"  (später  als  Schimpfwort).  T^y  TtQo^ityo^ivofuror  fiiy  "Artt»' 
virngoy  dt  xiij^ym  ndnay  (Diod.). 

*)  Yo  entrare  poderosamente  contra  vosotros,  y  vos  hare  guerra  por  todas  las  partes 
y  maneras,  que  yo  pudiere,  y  vos  sujetar^  al  jugo  y  obediencia  de  la  Iglesia,  y  de  su 
Magestad,  y  tomar^  vuestras  mugeres  y  hijos  y  los  hare  Esclavos,  y  como  tales  los  ven- 
derö  y  dispondrö  de  ellos,  como  su  Magestad  mandare,  y  vos  tomar6  vuestros  bienes  y 
vos  hare  todos  los  males  y  dafios  que  pudiere,  also  ungefähr  dieselbe  Mission,  in 
welcher  die  Kinder  Israel  durch  ihren  ,,eyfrigen"  Gott  mit  den  fetten  Ländern  der  Ka- 
nanäer  beschenkt  wurden. 


PLUTONISMUS.  359 

Woher  denn  eigentlich  die  Seelen  kämen?  und  weshalb  sie  den 
Körper  schon  nach  so  kurzer  Lebenszeit  zu  verlassen  hätten,  da  sie 
doch  unsterblich  seien  ?  Dann  stellte  er  eine  Frage  darüber,  ob  der 
heilige  Vater  in  Rom,  der  Stellvertreter  Christus,  des  christlichen 
Gottes,  dem  Tode  unterworfen  bliebe,  und  ob  der  Kaiser,  der  König 
Castilien's,  von  dem  so  Grosses  erzählt  würde,  sterblich  sei?  Und 
wozu  diese  paar  Menschen  soviel  Gold  nöthig  hätten?  (y  para 
que  tan  pocos  hombres,  querian  tanto  oro).  Die  Spanier,  fügt  Her- 
rera  hinzu,  waren  nicht  wenig  erstaunt,  solche  Worte  aus  dem 
Munde  eines  Barbaren  zu  hören  (un  hombre,  medio  desnudo,  Bar- 
baro,  y  sin  letras),  aber  der  Anführer  dieses  Streifcorps,  der  ein  ver- 
ständiger Mann  war  (que  era  discreto)  hatte  für  Alles  eine  Antworte 
und  genügte  diesem  wissbegierigen  Frager  so  gut,  dass  derselbe  sich 
zufrieden  gab.  Als  er  nach  Panama  zurückkehrte,  hatte  er  512,524 
Pesos  zusammengerafft,  doch  war  das  Gold  von  keinem  besonders 
feinen  Gehalt  (Oro  baxo),  wie  der  gewissenhafte  Chronist  nicht  unterlässt, 
besonders  zu  erwähnen.  Um  diese  Mängel  der  Natur  zu  verbessern,  hätten 
die  Spanier  gerne  den  Vulcan  von  Masaya  ausgeschöpft,  denn  wie 
sie  die  forschungsliebenden  Indianer  belehrten,  rührten  die  Donner- 
geräusche desselben  von  dem  geschmolzenen  Golde  her,  das  darin 
kochte,  während  die  Heiden  eine  alte  und  runzliche  Teufelsköchin  darin 
hausen^)  glaubten.  Der  Missionär  der  Expedition  (Frai  Blas  Iniesta, 
de  la  orden  de  Santo  Domingo),  der  auf  Davila's  bestem  Pferde 
(con  el  mejor  caballo)  zum  Predigen  in  den  Dörfern  umherzog,  be- 
nutzte deshalb  die  Gelegenheit,  eine  lange  Kette  anfertigen  zu  lassen 
(150  Bragas),  und  liess  sich  diese  auf  den  Crater  hinaufschlcppcn. 
Leider  erwies  sie  sich  zu  kurz,  so  dass  der  von  der  Hitze  abgc- 
schmolzene  Metallhafen'),  der  daran  gehängt  war,  herunterfiel,  und 
sie,  minus  desselben  und  ohne  ihr  Gold,  wieder  in  das  Lager  zurück- 


*)  Er  antwortete  (nach  Gomara)  ,,lo  mas  filosoficamente»  quepudo",  so  philosophisch 
es  ihm  möglich  war.  Wie  viel  Philosophie  dieser  brave  Kriegsmann  gehabt  haben  mag, 
oder  ob  Überhaupt,  bleibt  dahin  gestellt,  aber  wohl  besser  gar  keine  Philosophie,  als  die 
himverzwickte  damaliger  Scholastik.  Augustin  basirt  die  Forderung,  an  Christum  zu 
glauben,  auf  das  Unglaubliche,  ,,denn  jam  ergo  tria  sunt  incredibilia ,  quac  tamcn  facta 
sunt"  und  noch  viel  mehr :  ecce  tot  incredibilia  tribus  illis  incredibilibus  addimus,  und  so 
könnte  man  das  Unglaubliche  am  Christenthum  auch  wohl  zugeben.  Omne,  quod  non 
est  ex  fidc,  peccatum  est. 

')  Durch  das  Ungeheuer  Typhon  (als  Comct  in  Aegypten)  in  der  Sonne  ange- 
griffen, entzündete  ihn  Jupiter  durch  die  geschleuderten  Pfeile  und  stürzte  über  ihn  den 
Aetna,  qui  ex  eo  adhuc  ardere  dicitur  (s.  Hygin).  Aehnlich  erklärt  Orelie  I.  seinen  Araucancm. 

*)  Oviedo,  der  mehrere  Capitcl  der  (infiemo  deMassaya)  Hölle  von  Massaya  widmet, 
erzählt  den  Versuch  der  Goldausschöpfung,  durch  einen  Kessel,  von  Pedro  Ruyz. 


360  DER   ISTHMUS  UND  GUATEMALA. 

zukehren  hatten,  „bien  espantados"  (voll  Furcht  und  Schrecken).  Mit 
dieser  ersten  Leccion  in  der  Naturlehre  durch  die  Jünger  des  gött- 
lichen Stellvertreters  in  Rom  wird  sich  der  Fürst  von  Nicaragua 
auch  wohl  zufrieden  gegeben  haben  und  weiteres  Fragen  für  über- 
flüssig erachtet. 

Ausserdem  hatten  die  Eingeborenen  bald  andere  Sachen  von 
den  Spaniern  zu  lernen,  worin  diese  besser  bewandert  waren.  Als 
Martin  Estete  von  Pedrarias  Davila  zur  Besiedelung  des  Desaguadero 
(in  Nicaragua)  abgeschickt  wurde,  nahm  er  von  Granada  die  Sklaven- 
ketten mit,  die  dort  unter  drei  Schlüsseln  in  einer  Kiste  verwahrt 
wurden,  um  einzuschmieden ,  wen  ihm  beliebe  (por  herrar  muchos  a 
SU  voluntad).  Die  zu  Lastträgern  gepressten  Indianer  wurden  in 
einen  Gang  zusammengekettet,  und  wenn  Einer  ermüdete,  so  half 
man  sich  über  die  Unbequemlichkeit,  die  ganze  Reihe  aufzulösen, 
damit  hinweg,  dass  man  ihm  den  Kopf  abhieb,  so  dass  der  Rumpf 
herausfiel  (por  no  quitarle  el  Argollo,  le  quitaron  la  cabeza);  wie  es 
auch  auf  den  Expedicionen  in  Venezuela  vorgekommen  sein  soll. 
Aus  Verzweiflung- enthielten  sich  die  Indianer  Nicaragua's  Jahre  lang 
ihrer  Frauen,  um  keine  Sklaven  für  die  Fremden  zu  gebären  (para 
•  que  no  pariesen  esclavos  para  los  Castellanos).  Die  Väter  und  Brüder 
der  von  Lopez  de  Salcedo  in  die  Sklaverei  Geführten  flüchteten  (in 
Nicaragua)  in  das  Waldgebirge,  um  dort  Hungers  zu  sterben  (adonde 
se  consumian  de  hambre).  Weiteres  bei  Las  Casas,  der  indess  in 
seinem  entschuldbaren  Eifer  des  Guten  vielleicht  etwas  zu  Viel  thut. 

Die  chilenischen  Indianer  beklagten  sich,  dass  man  ihnen  das 
Christenthum  bringe,  um  sie  zu  Sklaven  zu  machen,  wie  Coreal  be- 
merkt, indem  er  zufügt:  „il  me  semble  que  cela  est  assez  v^ritable." 
Als  der  Italiener  Hieronymus  Benzo  auf  die  Klagen  des  Häuptling's 
in  Nicaragua  über  die  Bedrückungen  der  Christen  erwiderte,  dass 
sich  auch  gute  Spanier  darunter  finden  möchten,  antwortete  er,  dass 
er  unter  ihnen  „niemahls  andere,  als  böse  Buben  gekennet"  (s.  Dapi>er). 

Unter  der  einheimischen  Regierung  Nicaragua's  wurden  Diebe 
zu  Sklavendiensten  verurtheilt,  die  sie  so  lange  zu  leisten  hatten,  bis 
der  Schaden  gut  gemacht  war,    und   in  Peru    fehlte  die  Sklaverei^) 

*)  Von  den  Sklaven  Mexico's  bemerkt  CUvigero:  ,,In  Ansehung  der  die  Sklaven 
betreffenden  Gesetze  verdienen  die  Mcxicaner  den  Vprzug  vor  den  culüviitesten  Nationen 
des  alten,  und  vielleicht  auch  des  heuügen  Europa.  Vergleichen  wir  die  Mexikanischen 
Gesetze  mit  der  Römer,  Lacedimonier  und  anderer  bekannter  Völker  ihren,  so  finden 
wir  in  den  letzten  eine  zurückschreckende  Barbarei,  in  den  ersteren  Menschlichkeit  und 
Rücksicht  auf  die  Gesetze  der  Natur.  Was  verräth  mehr  menschliche  Gesinnungen,  als 
Ge>ctze,    welche  den  Kindern  der  Sklaven  die  Freiheit  zusprechen;*  welche  den  Sklaven 


SKLAVEN.  361 

ganz,  wie  Velasco  gegen  Robertson  behauptet,  indem  die  Kriegs- 
gefangenen für  öffentliche  Zwecke,  Mitimaes  zu  auswechselnder  Co- 
lonisation,  verwandt  wurden. 

Neben  den  aus  Kriegsgefangenschaft  oder  durch  Verurtheilung 
wegen  Verbrechen  Versklavten  bestand  in  Mexico  das  auch  in  Siam 
und  an  der  Goldküste  (ebenso  unter  den  Kimbunda  in  den  Fuka  x>der 
Hafuku)  bekannte  Institut  der  Pfand'sklaverei,  das  sich  in  Mexico 
auf  den  HuehuetlatlacoUi  (alte  Dienstweise)  genannten  Rechtsbrauch 
begründet,  indem  sich  verschiedene  Familien  vereinigen  mochten, 
einen  Sklaven  zu  liefern,  den  sie  seinem  Herrn  „lebendig"  zu  er- 
halten hatten,  und  bei  Dienstuntauglichkeit,  in  Krankheitsiallen 
oder  beim  Tode  durch  einen  andern  zu  ersetzen  hatten.  Auch  konn- 
ten sie  nach  einer  bestimmten  Zeit  ein  anderes  Familienglied  an  die 
Stelle  des  früheren  substituiren,  und  wenn  der  Herr  so  einen  frischen 
Sklaven  als  Ersatz  für  den  durch  die  bisherige  Dienstzeit  bereits 
Angegriffenen  erhielt,  pflegte  er  dann  noch  eine  besondere  Gratifi- 
cation  der  ursprünglichen  Kaufsumme  zuzulegen.  In  Zeiten  der  Be- 
drängniss,  besonders  während  einer  Hungersnoth,  die  auch  in  Rajpu- 
tana  die  Ursache  freiwilliger  Versklavung  zu  sein  pflegte,  vermehrte 
sich  seitens  der  Bedürftigen  das  Angebot  zu  Sklavendiensten  bei 
den  Wohlhabenden  und  Begüterten,  und  nahm  mitunter  solchen 
Umfang  an,  dass  Regierungsmassregeln  nöthig  wurden,  um  dagegen 


ein  Eigenthum  an  ihren  Gutem,  und  was  sie  durch  ihren  Fleiss  verdienen,  einräumen; 
welche  vom  Herrn  fordern,  seinen  Sklaven  menschlich,  und  nicht  wie  das  Vieh,  zu  be- 
handeln; welche  ihm  kein  Recht  über  sein  Leben  gaben,  ja  ihm  nicht  einmal  erlaubten, 
!>olchen  auf  dem  Markte  zu  verkaufen,  wenn  er  nicht  auf  gehörige  Weise  bewies,  dass 
der  Sklave  nicht  zu  bessern  und  zu  gebrauchen  wäre.  Wie  ganz  anders  waren  die  römi- 
schen Gesetze  beschaffen.  Sie  räumten  den  Herren  die  grösste  Gewalt  ein,  so  dass  ihnen 
nicht  nur  alles  Eigenthum  der  Sklaven  gehörte ,  sondern  dass  sie  auch  Macht  über  ihr 
L^ben  hatten  und  ihnen  solches  nehmen  konnten,  wenn  es  ihnen  beliebte.  Sie  durften 
die  Sklaven  auf  das  Unmenschlichste  behandeln,  sie  mit  grausamen  Martern  belegen,  und 
was  die  harte  Denkungsart  dieser  Nation  noch  mehr  verräth,  so  erweiterten  sie  auf  der 
einen  Seite  die  Gewalt  der  Herren  immer  mehr,  und  schränkten  auf  der  andern  das  ein, 
was  die  Sklaven  einigermassen  begünstigte.  Das  Gesetz  Fufia  Caninia  erlaubte  den 
Herren  nur  eine  gewisse  Anzahl  Sklaven  frei  zu  lassen.  Das  Silanianische  Gesetz  ver- 
ordnete, dass,  wenn  ein  Herr  umgebracht  ward,  alle  in  dessen  Hause,  oder  an  jedem 
Orte  in  der  Nähe,  wo  sie  seine  Stimme  hören  konnten,  befindlichen  Sklaven  hingerichtet 
werden  sollten.  Ward  er  auf  einer  Reise  erschlagen,  so  kostete  es  allen  bei  ihm  befind- 
lichen Sklaven,  und  auch  denen,  welche  die  Flucht  nahmen,  das  Leben,  ihre  Unschuld 
mochte  noch  so  sehr  am  Tage  liegen.  Das  Aquilische  Gesetz  machte  keinen  Unterschied, 
ob  man  einen  Sklaven  oder  ein  Stück  Vieh  verwundete.  So  weit  ging  die  Barbarei  der 
gesitteten  Römer.  Die  Gesetze  der  Lacedämonier  waren  nichts  menschlicher,  denn  ein 
Sklave  hatte  keine  gesetzmässige  Hülfe  wider  den,  der  ihn  beleidigte."  (1789). 


362  DER  ISTHMUS  UND   GUATEMALA. 

einzuschreiten.  So  sah  sich  der  König  Nezahualpilli  von  Tezcuco 
veranlasst,  ein  Gesetz  zu  erlassen,  wodurch  Alle  diejenigen,  die  in 
der  Nothzeit  des  Jahres  1505  — 1506  vom  Hungerstode  bedroht,  das 
Sklavenjoch  übernommen  hatten,  wieder  in  Freiheit  gesetzt  wurden, 
und  ähnlich  wird  (bei  Sahag^n)  von  Montezuma  erzählt,  dass  er  Alle 
die  edlen  Familien  Angehörigen,  die  sich  während  der  unter  seiner 
Regierung  ausgebrochenen  Hungersnoth,  um  das  Leben  zu  fristen, 
in  den  Sklavenstand  begeben  hatten,  aus  eigenen  Mitteln,  zum  Theil 
für  den  doppelten  Preis,  loskaufen*)  Hess,  durch  die  von  dem  Ge- 
richtshof Tlacxitlan  eingesetzten  Beamten. 

Auch  die  unter  anderen  Titeln  erworbenen  Sklaven  standen 
unter  dem  Schutz  der  Gesetze,  und  so  lange  keine  Anschuldigung 
durch  schlechtes  Betragen  vorlag,  durfte  sie  ihr  Herr  nicht  beliebig 
verkaufen,  ausser,  wenn  er  nachweisen  konnte,  dass  ihn  seine  zer- 
rütteten Vermögensumstände  zu  solchem  Schritte  zwängen. 

Wenn  sich  Spieler  (wie  bei  alten  Germanen)  als  Sklaven  (in 
Mexico)  verkauften  (s.  Duran),  oder  Huren,  um  sich  den  benöthigten 
Schmuck  zu  verschaffen,  so  brauchten  sie  sich  erst  ein  Jahr  nach- 
dem sie  die  Vorschusssumme  erhalten  hatten,  zum  Dienst  zu  stellen, 
indem  sie  in  der  Zwischenzeit  eben  Gelegenheit  behielten,  zum  Ver- 
such, die  zum  Zurückzahlen  (oder  Wiederfreikauf)  benöthigten  Sum- 
men durch  ihr  Gewerbe  sich  zu  verschaffen.  Nach  Camargo  waren 
die  Gemeinen  (Macehuales)  froh,  für  einen  Edlen  (in  Mexico)  zu 
arbeiten,  wenn  sie  sich  dadurch  dessen  Schutz  sicherten,  was  inso- 
fern an  Vorkommnisse  unter  dem  Feudalwesen  erinnert,  weil  in  Tlas- 
cala  und  Tenuchtitlan  ähnliche  Verhältnisse  bestanden,  wie  sie  zur 
Ausbildung  jenes  im  mittelalterlichen  Europa  führten,  obwohl  die 
feinere  Ausbildung,  wie  überall,  sich  nach  den  localen  Bedingungen 
characteristisch  differenciiren  musste. 

Wie  die  (von  den  Chololtecas  stammenden)  Nicoyas  oder  Mangues 
in  der  Sierra  des  Innern,  wohnten  die  Nicaraguas  (zu  den  Mexicanem 
Anahuac  s  gehörig)  nach  der  Küste  des  Südens  zu  (bei  Torquemada). 
Aus  ihren  alten  Wohnsitzen  (zwischen  Xoconochco  oder  Soconusco  und 
Tehuantepec*)  wurden  sie  durch  die  Tyrannei  der  sie  überziehenden 


*)  Mandö  a  sus  vasallus,  que  juntasen  todos  los  esclavos  hidalgos,  que  se  habian 
comprado,  luego  el  seüor  mandö  dar  h  sus  dueüos,  d  cada  uno  su  paga  ö  sus  dones 
(fue  la  paga  doble  del  precio  que  habian  dado). 

')  Mit  Abzweigung  nach  Chiapa,  während  Remesal  die  Verwandschaft  durch  Ein- 
wanderung der  Nicaraguer  nach  Chiapa  herstellt. 


BEVÖLKERUNG  363 

• 

Olmecas  (die  als  ihre  alten  Feinde  aus  Mexico  gefolgt  waren)  ver- 
trieben und  brachen  auf  Rath  ihrer  Priesterfürsten  heimlich  auf, 
Quauhtemallan  (unter  Verweilung  bei  Escuintla)^)  durchziehend,  wo 
der  in  Cholulteca  oder  Chorotega  sterbende  Prophet  die  von  dem 
Zorn  der  Götter  betroffenen  Nicoyer  voranziehen  liess,  den  Olmecas 
künftige  Wohnsitze  am  Golf  von  Lucar  bei  der  Insel  Chira  bis  zu 
dem  (auch  Casitren,  Orotifla  und  Chorote  einschliessenden)  Bezirk 
von  Nicoya  (wo  nach  der  Sitte  Panuco 's  Lippenpflöcke  getragen  wur- 
den) anweisend  und  den  Nicaraguas  Ansiedlungen  am  Süsswassersee. 

In  Quauhtemallan  (Guatemala),  wo  sie  Pipiles  (Junker  oder  Infanten) 
genannt  wurden,  siedelten  sie  sich  in  den  Ortschaften,  „que  llaman 
los  Egalcos"  (la  maior  y  mejor  huerta^)  y  mas  abundante  y  rica  de 
Cacao  y  algodon),  im  „Pueblo  de  Mictlany  el  de  Yzcuintlan"  u.  A.  m. 

Ein  Theil  dieser  Auswanderer  drang  bis  zum  nördlichen  Mt;er 
vor.  Vom  Desaguadero  (wo  ein  mexicanischer  Dialect  geredet  ward) 
bis  nach  Nombre  de  Dios'),  und  dann  zur  Aufsuchung  des  Südwasser- 
sees zurückkehrend*),  fanden  sie  denselben  jedoch  von  den  Nicoyas 
besiedelt,  die  ihnen  die  Niederlassung  an  der  benachbarten  Lagune 
von  Leon  (Xolotlan  der  Pipiles  oder  Nagarando  der  Mangnes^) 
empfohlen.  Mit  diesen  Wohnplätzen  auf  die  Dauer  aber  nicht  zu- 
frieden, wandten  sie  sich  aufs  Neue  nach  Nicaragua  und  nahmen 
durch  verrätherischen  Ueberfall  Besitz  von  dem  Lande,  indem  sie  die 
Nicoya's  vertrieben. 

Aus  dieser  Darstellung  geht  hervor,  dass  die  von  der  (azte- 
kisch) Mexicanischcn  als  eigenthümlich  verschiedene  Cultur  der 
Guatemala  durchziehenden  Cholutecas  sich  mit  den  Nicoyas  (Mangnes 


*)  Eine  Wiederholung  des  zwischen  Tonala  und  Tuxtia  gelegenen  Exuintla,  auf  dem 
Wege  von  Tehuantepec  (und  dem  Flusse  Guasocualco)  nach  Guatemala  gelegen. 

')  Don  Pedro  de  las  Huertas(in  Guatemala). 

')  Colon  fand  das  Land  bei  Puerto  Bello  (bis  Nombre  de  dios)  bei  zahlreichen  An- 
siedelungen als  Garten  ausgelegt.  Als  indess  Nicuesa  unter  den  Chuchurries  bei  Nombre 
de  dios  (mit  der  Chuchurra  -  Sprache)  eine  Festung  baute ,  hörten  die  (vergeblich  seine 
Vertreibung  versuchenden)  Indianer  auf,  das  Land  zu  bebauen,  und  zogen  sich  in  das 
Innere  zurück,  so  dass  ein  Theil  der  Ansiedler  Hungers  starb  (s.  Herrera).  Davila  zog 
die  Ansiedler  in  Acla  (an  der  Mündung  des  Aglamonte  oder  Caledonia)  nach  Nombre 
de  dios  (in  Panama). 

*)  Cutatura,  Fürst  von  Pariz  (Parita),  der  die  (mit  den  Nata  in  Veragua  kämpfen- 
den) Riesen  (tättowirten  Körj>ers)  von  Escoria  (que  se  preciaban  de  Caballeros  y  Valien- 
tes)  besiegt  hatte,  trieb  die  von  Nicaragua  (bis  Tubrabä)  einfallenden  Menschenfresser 
nach  der  Meeresküste  zurück  (s.  Herrera).  Valientes  und  Ramas  werden  zwischen  Punta 
Gorda  und  der  Lagua  von  Chiriqui  (Aburema)  erwähnt. 

*)  Dr.  Berendt  fand  Ueberbleibsel  der  Mangue  oder  Chorotega  (mit  den  Chapaneca 
verwandt)  in  den  indianischen  Ansiedlungen  an  den  Seen  von  Masayo  und  Apoyo. 


364  DER   ISTHMl  S  UND  GUATEMALA.  ' 

oder  Mangues)  oder  Managuas  (Omaguas  in  weiteren  Wandlungen) 
verknüpft,  während  aus  den  späteren  Nachwanderungen  aus  Mexico, 
die  ältesten  bereits  mit  den  angetroffenen  Besitzern  des  Landes  in 
eine  Art  verwandtschaftliches  Verhältniss  getreten  waren,  das  sie  an- 
fangs ihren  ursprünglichen  Verwandten,  die  nachher  ankamen,  fremd 
entgegentreten  Hess,  obwohl  sich  dann  ein  gemeinsamer  Bund  wieder- 
herstellten im  feindlichen  Gegensatz  zu  eingeborenen  Stämmen. 

Nach  Herrera  hatten  die  in  Folge  einer  Dürre  nach  Nicaragua 
ausgewanderten  Mexicaner  die  mexicanischen  Riten  und  Bücher  ein- 
geführt, da  diese  sich  nur  bei  den  Choroteken  fanden,  die  sich  auch 
in  ihren  Opfer  -  Ceremonien  von  den  übrigen  Stämmen  Nicaraguas 
unterschieden.  Neben  dem  Orotifia  oder  (nach  Oviedo)  Orotiflaruba 
und  dem  Chontal  (der  rohen  Serranos),  sowie  dem  Mexicanischen, 
nennt  er  als  die  älteste,  und  geachtetste  (gewissennassen  officielle 
oder  heilige)  Sprache  das  Corobici,  das  hauptsächlich  in  Chuloteca 
geredet  wurde ,  so  dass  sich  hier  also  noch  eine  Choluteca  -  Sprache 
zufügen  Hesse,  um  die  Fünfzahl  voll  zu  machen,  während  Gomara 
das  Coribici,  als  die  geachtetste,  das  Chorotega,  als  die  älteste  und 
einheimische  Sprache  aufführt,  neben  dem  uncultivirten  Chontal, 
dem  Orotifta  oder  Mama  und  dem  weitverbreiteten  Mexicanisch. 

Hält  man  unter  Identificirung  der  Chorotegen  und  Choluteken 
ihre  frühere  Einwanderung  fest,  so  könnten  sie  bei  der  Niederlassung 
unter  autochthonen  Coribici^)  die  dadurch  gebildete  Mischsprache 
(während  der  Rest  der  ursprüngHchen  Sprache  nur  für  Sacral-Zwecke 
verbleiben  mochte)  als  die  einheimische  (späteren  Zuwanderungen 
gegenüber)  haben  gelten  lassen,  wie  es  in  bestimmten  Districten  für 
die  Chontalen  der  Berge  und  die  als  Mama  auf  Guatemala  weisen- 
den Orotifta  gelten  mochte.  Die  Mexicaner  selbst  hätten  dann  nach- 
her bei  ihren  Ansiedelungen  im  Lande  der  Chorotegen  theilweis 
diese  Namen  auch  für  sich  angenommen  (ähnHch  den  nebeneinander 
herlaufenden  Bezeichnungen  der  nicht  auf  Wales  beschränkten  Britten 
und  Anglo- Sachsen  in  Gross-Britannien  oder  England),  wobei  freilich 
schon  die  (Chorotegen  oder)  Choluteken,  als  in  ihrer  Auswanderung 
der  Zeit  der  Tolteken  noch  näher,  die  von  diesen  erst  auf  die  Azteken 
übergegangenen  Bücher  in  archaistischeren  Formen  mitgebracht 
haben  würden. 


*)  In  Coro  -  Bici  (VL\i  oder  Vitzi)  kann  wieder  die  weitreichende  Bezeichnung  der 
Victoli  ru  Olmecas  (und  Mixtecas)  liegen  (durch  Itza  u.  s.  w.),  während  Coro  seine  süd- 
liche Affinitäten  findet.    In  Xayarit  (Jalisco's)  wurde  das  Cora  (oder  Ateacari)  geredet. 


PHILOI^OPHIE.  365 

Neben  den  aztekisch  redenden  Niquires  nennt  Squier  den  Dia- 
lect  der  Choluteken,  und  mit  diesem  den  dirischen,  nagrandinischen, 
orotinischen  und  chondalischen.  In  Chontal  (chontalli  oder  Fremder) 
liegt  die  allgemeine  Bezeichnung  des  Barbarischen  (wie  in  Popoluca), 
besonders  gegenüber  den  Nahoas  oder  deutlich  Redenden.  Nach 
Fröbel  sind  die  zu  den  Lencas  gehörigen  Walwas  (am  Rio  Mico) 
zu  den  Chontales  zu  rechnen.  Nach  Levy  gehören  die  Pantasma 
und  Rama  zur  Nachkommenschaft  der  alten  Chontales,  die  Poyas, 
Toakas,  Wawas,  Toonglas  zu  den  Xicaques  (in  Honduras),  die 
Carca,  Siquia,  Ulua  zu  den  Caribsi  Nicaraguas  (als  Smoos). 

Als  im  Auftrage  des  Gouverneurs  Pedrarias  Davila  der  Mönch 
(vom  Orden  de  la  Merced)  Francisco  de  Bobadilla  in  Begleitung  des 
Schreibers  Bartolomäus  Perez  (unter  Hülfe  von  drei  Dolmetschern) 
einer  Versammlung  von  dreizehn  Häuptlingen,  Vornehmen  und 
Priestern  (trege  caciques  6  principales  6  padres  6  sacerdotes  de 
aquellos  infernales  templos)  über  die  Herkunft  der  Landesbewohner 
befragte,  hörte  er,  dass  ihre  Vorfahren  aus  dem  Westen  gekommen, 
von  den  Ticomega  und  Maguatega  genannten  Ländern,  von  wo  sie, 
weil  durch  die  Eroberungsvölker  bedrückt,  ausgewandert  seien.  In 
verschiedenen  Orten  wurde  ein  Examen  über  die  religiösen  An- 
sichten angestellt,  und  die  Antworten  finden  sich  bei  Fernandez  de 
Oviedo  y  Vald&  erhalten  (s.  Amador  de  los  Rios). 

Die  Teotes  (Götter)  waren  die  Vorfahren  (in  Nicaragua)  und  die  im 
Kriege  Gefallenen  gingen,  um  ihnen  zu  dienen,  zur  Sonne,  die  in  den 
Häusern  Sterbenden  dagegen  unter  die  Erde,  während  in  der  Säugezeit 
sterbende  Kinder,  ehe  sie  Mais  gegessen,  in  den  Häusern  der  Eltern 
wieder  auflebten  (s.  Oviedo)  als  noch  nicht  an  das  Irdische  durch 
Nahrung  gefesselt,  weshalb  (nach  dem  Verzehren  solcher)  die  Götter 
Tonga's  (wie  die  Byamma)  nicht  zurückkehren  konnten. 

Nicht  die  Leiber  lebten  fort,  wie  Bobadilla  in  Nicaragua  hörte, 
sondern  der  aus  dem  Munde  hervorgehende  Athemhauch  (yulio*)) 
und,  wenn  man  sage,  dass  das  Herz  fortdaure,  so  sei  damit  die  das 
Herz  belebende  Kraft  gemeint  (no  va  el  coragon,  mas  va  aquello, 
que  les  hage  ä  ellos  estar  vivos,  y  ido  aquello,  se  queda  el  cuerpo 
muerto).  Der  Körper  verfault  in  der  Erde,  aber  das  Herz  geht  nach 
oben  (wurde  von  dem  Greis  Coyevet  hinzugefügt),  und  mit  solchem 


*)  Yulio  (ques  el  dnima)  del  bueno  va  arriba  con  los  dioses,  y  la  del  malo  va  debaxo 
de  la  tierra,  hörte  Bobadilla  von  Astochimal  (in  Nicaragua). 


366  DER   ISTHMUS  UND  GUATEMALA. 

Herzen  ist  die  Lebenskraft^)  gemeint  (que  aquel  coragon  que  va  es 
el  que  los  tiene  vivos,  e  salido  aquel,  se  mueren),  und  ebenso 
Astochimal :  „No  va  el  coragon,  sino  aquello,  que  aca  los  tenia  vivos 
y  el  ayre  que  les  sale  por  la  boca,  que  llaman  yulio",  nicht  dagegen 
das  Körperliche  (aca  veo  los  huesos  y  podrir  la  came). 

Für  den  künftigen  Aufenthalt  der  Seelen  werden  auch  in  Mexico 
verschiedene  Plätze  angenommen,  einige  gingen  zur  Unterwelt  (al 
infiemo  oder  der  Hölle),  andere  zum  Himmel  (al  cielo),  andere  zum 
Paradies  (al  Paraiso)  und  in  dem,  was  sie  von  der  Hölle  sagten, 
hatten  sie  recht  (en  decir  que  iban  al  infiemo,  decian  verdad),  fugt 
Torquemada  hinzu,  denn  alle  ungetauften  Heiden  hätten  zur  Hölle 
zu  gehen,  ewige  Strafen  zu  leiden  für  immer  und  immer  (iban  al 
infiemo  ä  padecer  penas  ctemas,  a  siempre).  „Wann  man  die  Sache 
recht  erwäget,  so  fordert  eben  die  Liebe  Gottes,  die  Er  gegen  sich 
selbst  heget,  die  ewige  Verdammniss  des  ungläubigen  Sünders" 
(Fresenius).  Nach  Hülsemann  sind  nicht  nur  die  unmündigen  Kinder, 
sondem  schon  die  Embryonen  verdammt.  Die  Supralapsarier,  indem 
sie  die  Vorherbestimmung  zur  Sünde  bekämpften,  setzten  den  Rath- 
schluss  der  Verdammung  schon  vor  den  Sündenfall. 

Von  diesen  zu  unerbittlich  für  alle  Ewigkeit  fortdauernden  Qualen 
consignirten  Indianern  bemerkt  Torquemada  an  einer  andern  Stelle, 
dass  sie  ihrer  Natur  nach  von  solcher  Einfachheit^)   und  Seelenrein- 


^)  Aus  solchen  Vorstellungen ,  wie  aus  ähnlichen ,  an  sich  unschuldigen ,  auch 
im  Christenthura ,  z.  B.  im  Kloster  von  Carrhes  (s.  Assamann.)  und  sonst,  wucher- 
ten die  blutigen  Riten  der  Menschenopfer  hervor,  indem  in  den,  aus  fanatischer  Parthei- 
sucht die  sanfteren  Lehren  Quetzalcoatl's  bekämpfen,  den  Sccten  priesterliche  Aberweis- 
heit plausibel  zu  machen  wusste,  dass  es  menschlicherseits  geeignet  schiene,  den  die 
Natur  durchwaltenden  Elementarmächten  zu  Hülfe  zu  kommen,  und  sie  mit  erneuernder 
Zufuhr  von  Lebenskraft  zu  nähren,  die,  als  im  Herzen  concentrirt,  am  wirksamsten  aus 
den  Herzen  von  Menschen  zu  gewinnen  sei,  (und  Hessen  sich  besonders  die  der  Feinde 
empfehlen).  Augustin  bemerkt,  dass  das  Fleisch  des  (nach  Origenes  Ausdruck)  geschlach- 
teten Menschensohnes  zu  essen,  dem  Uneingeweihten  als  ein  verbrecherisches  Gebot  er- 
scheinen möchte.  So  bezeichnet  Averroes  die  Religion  der  Christen  (neben  der  schweini- 
schen des  Islam  und  der  kindischen  der  Juden)  als  eine  unmögliche,  weil  sie  das  an- 
beteten, was  sie  ässen.  Ecquem  tam  amenten  esse  putas,  qui  illud,  quo  vescatur,  deum 
credat  esse,  bemerkt  Cicero  über  die  Feste  der  Ceres  und  Bachus  (als  Getreide  und  Wein), 
aber  nach  dem  Pater  Lescalopier  ist  es  eine  ausserordentliche  Weisheit,  dasjenige  zu  essen, 
was  man  für  einen  Gott  hält.  Nos  stulti  propter  Christum  (s.  Bayle),  Mensch  i.  d.  Gtsch. 
lli.  in.  S.  i6i.  Eucharistiae  nostrae  umbram  quandam  et  simulachrum  hatte  der  Teufel 
in  Cuzco  eingeführt  (nach  Joseph  a  Costa),  bei  einer  (das  Trinken  des  Eideswassers  in 
Siam  durch  Essen  eines  geweihten  Teiges  ersetzenden)  Ceremonie,  während  in  Mexico  der 
religiöse  Character  vorwaltete  (beim  Geniessen  des  Gottes  Tlacahuepancuexcoch). 

*)  De  tanta  simplicidad  y  purega  de  Alma,  que  no  saber  pecar,  tanto  que  los  con- 
fesores ,   con  algunos  de  ellos ,   se  hallan  mas  embaragados ,  que  con  otros  grandes  peca- 


MYTHOLOGIE.  367 

heit  gewesen,  dass  die  Missionaire  in  der  Beichte  ihre  Noth  mit 
ihnen  gehabt  hätten,  da  in  der  That  Nichts  zum  Beichten  vorgelegen 
hätte,  weil  sie  keine  Sünde  begangen.  Und  wenn  sie  sich  in  solcher 
Weise  nichts  derartiges  zu  erinnern  vermochten,  so  sei  das  nicht 
etwa  Stumpfsinn  oder  Unwissenheit  gewesen,  da  sie  im  Uebrigen 
recht  gut  Rechenschaft  abzulegen  gewusst  hätten.  So  war  erst  die 
Krankheit  hervorzurufen,  um  das  Heilmittel  verwendbar  zu  machen. 
Der  Franciscaner  Marcus  de  Xlicia  nennt  die  Peruaner  sanft,  nach- 
giebig, friedlich,  die  den  Spaniern  auf  das  liebevollste  und  ehr- 
erbietigste entgegengekommen  seien,  aber  dennoch  die  grausamste 
Behandlung  erfahren  hätten.  Nach  Ondegardo  hatten  die  Spanier^) 
in  vier  Jahren  mehr  zu  Grunde  gerichtet,  als  die  Inca  in  400  auf- 
gebaut. 

Unter  dem  Himmel  verstanden  die  kriegerischen  Azteken  das 
Sonnenhaus,  nach  welcher  Walhalla  die  in  der  Schlacht  Gefallenen 
von  der  Walkyre  Teoyaomiqui  getragen  wurden,  um  in  schimmern- 
dem Waffenschmuck,  und  Erzesklang  im  Schildertanz,  die  Sonne  auf 
ihrer  Morgenbahn  zu  begleiten,  bis  zum  Zenith,  wo  ihnen  von 
Westen  her  mit  Tanz  und  Gesang  die  Seelen  der  im  Kindbett  Ver- 
storbenen^) begegneten,  so  dass  sie  also,  gleich  Odin s  Söhnen  oder 
den  Rittern  an  Phra-In 's  Tafelrunde,  ein  fröhlicheres  Dasein  führten, 
als  die  Seelen  der  hellenischen  Heroen,  zu  jammervollen  Schatten- 
Existenz  im  Hades  (oder  Niflheim)  verbannt. 

Die  christlichen  Missionaire  in  America  fühlten  sich  besonders 
verletzt  durch  diesen,  schon  von  Tertullian  in  so  drastischer  Weise 


dores ,  buscando  alguna  materia  de  pecado ,  por  donde  les  puedan  dar  el  beneficio  de  la 
absolucion.     Y  esto  no  por  torpega  6  ignorancia,  porque  dan  muy  buena  cuenta. 

1)  Me  parexe,  se  puede  afiimar,  que  hideron  mas  dafto  los  espadoles  en  solos 
quatro  aflos,  quel  Ynga  en  quatrocientos ,  porque  la  tomaron  sin  Horden,  wie  früher 
(auch  besonders  für  die  Heerden)  beobachtet  (1571). 

')  Nachdem  jene  Feen  dann  die  Begleitung  der  Sonne  zur  abendlichen  Ruhe  Über- 
nommen, wurde  sie  von  den  Todtenseelen  im  nächtlichen  Schweigen  auf  einer  Bahre 
durch  das  Dunkel  der  Unterwelt  (Mictlan)  getragen,  um  am  nächsten  Morgen  wieder 
emporzusteigen,  neu  vejjüngt  im  vollen  Glanz  des  Kriegerschmuckes  strahlend.  Auch  die 
schottischen  Feen  haben  mit  dem  Kindergebären  zu  thun,  da  sie,  den  ihnen  selbst  zuge- 
stossenen  Unfall  abzuwenden,  andern  Wöchnerinnen  beistehen.  In  Mexico  war  dieses 
Geschäft  der  Artemis  als  Ilithyia  oder  der  Juno  als  Lucina  im  Besonderen  der  Göttin 
Yoalticitl  (Ticitl  oder  Hebamme)  tibertragen.  ,,Herr  Swinden,  Doctor  in  der  Theologie 
und  Prediger  in  der  Kirche  zu  Curton",  spricht  seine  Ansicht  dahin  aus,  dass  der  Sonnen- 
körper ,, wirklich  das  Geföngniss  ist,  darin  der  Teufel  geworfen  worden  und  in  welchem 
seine  Engel  und  er  gepeinigt  werden"  und  stützt  sich  hierfür  darauf ,  dass  an  ,, unterschied- 
lichen Orten  dunkele  Flecken,  welche  wie  Höhlen  oder  Löcher  aussehen"  (durch  ein 
grosses  Telescop  im  Jahre  1635  in  Rom)  entdeckt  wurden. 


368  DER  ISTHMUS  UND   GUATEMALA. 

bekämpften  Unglauben  hinsichtlich  der  Auferstehung  des  Fleisches,  die 
auch  dem  von  Baker  interpellirten  Negerhäuptling  nicht  in  den  Kopf 
wollte,  und,  wie  Torquemada  bemerkt,  hatten  sie  als  frühere  Lehrer 
dafür  die  Athener  (por  primeros  maestros  k  los  Atenienses),  die  ihrer- 
seits wieder  von  den  Stoikern  und  Epicuräem  bethört*)  seien. 

Auch  über  andere  Puncte  esoterischer  Doctrin  hätten  die  hei- 
ligen Männer  Europas  und  America's  auf  gleicher  Plattform  colle- 
gialische  Argumentation  pflegen  können.  Wie  überall  hielt  man 
in  America  ebenfalls  das  Allerheiligste  des  Tempels  den  Profanen 
(besonders  selbstverständlich  den  Ungläubigen)  unnahbar  verschlossen, 
doch  konnte  ein  derartiges  Gesetz  den  Spaniern  gegenüber  natürlich 
nicht  in  Geltung  gehalten  werden.  Als  solche  in  Hayti  einmal 
(erzählt  Herrera)*)  in  den  inneren  Räumen  einer  Capelle  umherspa- 
zierten, fanden  sie  eine  künstliche  Sprachvorrichtung,  mittelst  welcher 
der  Cacique  im  Namen  der  Zemes  oder  Idole  durch  Orakel  zum  Volk 
redete,  und  erzürnt  über  diesen  Betrug,  hätten  sie  die  Maschine  in 
Stücke  zerbrochen.  Als  der  Cacique  dieses  zu  seinem  Schrecken 
bemerkte,  beschwor  er  die  Spanier  ja  nichts  davon  seinen  Unter- 
thanen  zu  verrathen,  denn  ohne  diesen  Kunstgriff  würde  es  ihm  un- 
möglich sein,  sie  in  Ordnung  zu  halten  (que  no  le  dixesen  ä  los  In- 
dios, porque  con  aquella  astucia  los  tenia  en  obediencia).  Sehr 
ähnlich  müsste  wohl  die  theologische  Antwort  in  Neapel  ausfallen, 
wenn  eine  Entschuldigung  dafür  verlangt  würde ,  dass  noch  im  Jahre 
1877  die  italienische  Regierung  durch  Kanonensalven  und  Aufziehen 
der  Nationalflagge  das  Wunder  des  heiligen  Januarius  zu  bestätigen 
hatte.    Also  „tout   comme    chez   nous",    wenn    man   Grosses    mit 


*)  Este  mal  sentimiento ,  que  tenian  estos,  de  esta  verdad  tan  derta  y  averiguada, 
les  nacia  del  error  de  los  Estoicos  y  Epicureos,  que  tenian  por  burla  la  resurreccion  de 
los  cuerpos,  el  cual  ycrro  y  ceguera  confiesan  Hormcio,  Lucano,  Seneca  y  Piaton  (s.  Tor- 
quemada). Ueber  ähnliche  Contraverse  neuerer  Missionaire  siehe:  Der  Mensch  in  der 
Geschichte,  Bd.  II.,  S.  313  (Leipzig  1S60).  Auf  den  sechsten  ,,Eanwurff  gegen  die 
Wahre  Auferstehung  der  Todtcn  als  Wiederherstellung  aller  Leiber  derer  Menschen"  ant- 
wortet Frisch:  ,, Magere  und  ausgezehrte  Leute  können  wieder  dick  und  fleischigt  werden. 
Sterben  sie  mager  und  dürre,  so  haben  sie  nicht  weniger  in  der  ^Auferstehung  zu  hoffen, 
als  die  dicken  und  fetten,  denn  beyde  bekommen  ihren  L'rstoff  als  ihren  eigenen  Leib 
wieder  und  nichts  mehr  oder  weniger.    Alles  Fremde  fault  w^"  (1748). 

')  Era  hecho  artifidosamente ,  porque  la  estatua  era  hueca,  y  por  detris  tenia  un 
cafka  hueca,  como  una  cerbatana,  que  salia  a  un  rincon  de  la  iglesia,  que  estaba  ador- 
nada,  y  encubierta  con  verdura,  adonde  se  escondia  la  persona,  que  por  aquella  caila 
hablaba,  lo  que  el  Cacique  queria,  que  el  Cemi  dixere,  y  conociendo  los  Castellanos  este 
engafto,  le  despedazoron,  y  viendo  el  Cacique  descubierto  el  secreto,  con  grande  instancia 
TOg6  £  los  Castellanos,  que  no  lo  dixesen  i.  los  Indios,  porque  con  aquella  astucia  los 
tenia  en  obediencia  (Herrera). 


6()TZEK/  369 


...  .  -  ^  ,■•1, 

Kleinem  vergleichen  will,  aber  was  den  kleinen  Kindern  erlaubt  sein' 

mag,     sollten    die    aufgewachsenen    Grossen    nicht    mehr    ernstlich' 

treiben. 

Als  Bobadilla  den  Indianern  Nicaragua's  erklärt  hatte,  dass,  wenn 
sie  gute  Christen  geworden  seien,  Gott  (Nuestro  Seftor  y  la  gloriosa* 
Virgen  Santa  Maria)  stets  zur  rechten  Zeit  regnen*)  lassen  würde  (llo- 
veria  ä  sus  tiempos  y  les  daria  buenos  temporales),  Hessen  sie  sich* 
taufen  und  erhielten  Heiligenbilder,  wobei  ihnen  nach  den  Beschlüssen 
des  Concil  von  Constanz,  die  Unterschiede  ^)  der  Hagiolatrie  und  Idola- 
trie erklärt  wurden  (wie  „en  el  concilio  de  Constanga  fueron  aprobadas"), 
und  Oviedo  erzählt  unter  den  zur  Bekräftigung  des  neuen  Glaubens 
dienenden  Wundem,  dass  ein  Spanier,  der  bei  einem  Maskenspiel 
zwischen  Mohren  und  Christen,  die  Damen  aufgefordert  habe,  da  Alles 
Scherz  sei,  sich  auf  die  Seite  der  Mohren  zu  schlagen,  sogleich  vom 
Pferde  gestürzt  und  gestorben  sei.  Die  Moral  solcher  Festspiele  hat 
ein  neuer  Reisender  in  Centralamerica  nach  einem  von  ihm  gesehenen 
erzählt.  Jener  auf  ganz  besondere  Veranstaltung  des  höheren  Straf- 
gottes (tantaene  animis  coelestibus  irae)  in  der  Stadt  Leon  in  Nica- 
ragua im  Jahre  1538  vom  Pferde  zu  Tode  geworfene  Spötter  hiess 
Andreas  de  Garavito  und  war  ihm  der  Umzug  aus  Mahomet's  Para- 
dies (wie  Nicaragua  genannt  wurde)  nach  seinem  neuen  Logis,  bei 
der  Nähe  des  „Infierno"  de  Massaya,  bequem  gemacht. 

Als  während  des  Colloquiums  Bobadilla  die  Indianer  fragen  Hess, 
ob  ihre  Götter  stürben,  antworteten  sie  verwundert,  wie  sie  denn 
sterben^)  könnten,  da  sie  doch  Götter  seien?  (Dios  es,  como  avia  de 
morir?)  und  auf  die  weiteren  Erkundigungen,  woher  die  Götter  ge- 
kommen seien,    erklärten  sie  sich  unfähig  darüber  etwas   zu  wissen 


>)  Dies  Argument  wurde  um  so  besser  verstanden,  da  man  in  Mexico  bereits  den 
(auch  in  Africa  bekannten)  Brauch  adoptirt  hatte ,  den  König  bei  seiner  Thronbesteigung 
schwören  zu  lassen,  dass  er  während  seiner  Regierung  gehörig  regnen  lassen  wolle,  und 
das  Land  vor  Ueberschwemmung  schützen  (s.  Carli).  Als  Regenmacher  waren  unter  den 
Heiligen  besonders  St.  Isidorus  und  St.  Desideratus  bewährt  gefunden. 

')  paraque  no  se  repressentasse  en  los  mdios  aquel  error  de  los  griegos,  wie  Oviedo 
zufflgt,  der  für  das  Genauere  auf  die  Definitionen  hinweist,  im  Besonderen  auf  die 
Werke  des  Bienaventurado  Santo  Antonio  de  Floren^ia  (Buch-,  Capitel-  und  Paragraphen- 
Zahl,  wenn  die  Neophyten  in  Nicaragua  nachschlagen  wollten).  Das  Concil  von  Trient 
traf  genauere  Unterscheidungen  zwischen  adorare  und  venerare  (wie  sonst  zwischen 
laji^Kt  und  öovXta). 

•)  Auf  Vincente  Valverde's  Predigt  soll  Atahualpa  mit  dem  Hinweis  auf  Pachacamac's 
Schöpfung  aus  dem  Nichts  geantwortet  haben,  hinzufügend:  Vous  autres  Espagnols 
croiös  tant  qu'il  vous  plaira,  en  Jesus  Christ,  qui  est  mort,  h  ce  que  vous  dites,  crucifi^; 
pour  moi,  je  sais  que  le  Soleil  ne  meurt  pas  (s.  Coreal). 

Bastian:  America.  I.  ^ 


/ 

t 


370  DER   ISTHMUS   UNI)   (UIATEMALA. 

(no  lo  sabemos  ni  alcancamos).  Der  über  dieses  „Ignoramus"  der 
in  der  Nacht  des  Heidenthums  Befangenen  bekümmerte  Mönch  be- 
gann dann  seine  Predigt  aus  der  Schrift,  wobei  er  ihnen  (wie  Oviedo 
bebierlct)  Alles  das  sagte,  wodurch  sie  für  den  neuen  Glauben  ge- 
wonnen werden  könnten  (las  cosas  que  le  paresciö  que  les  debia 
decir  mas  para  los  atraer  a  nuestra  sancta  fee  cathölica).  Der  Erfolg^ 
war  um  so  mehr  gesichert,  da  die  Indianer  im  vollen  Gefühl  mensch- 
licher Unwissenheit,  die  fremden  Teotes  oder  Halbgötter  (wie  die 
Spanier  genannt  wurden)  selbst  um  Auskunft  gebeten,  und  wenn  sie 
Bobadilla 's  Fragen  nicht  beantworteten,  von  ihm  ihre  eigenen  Zweifel 
gelöst  wünschten  (degidnos  vos,  Padre,  el  como  y  lo  demas). 

Was  die  Spanier  hier  als  neuen,  und  ihnen  eigenthümlichen  Ge- 
brauch, einführten  (costumbre  que  introdujeron  los  Espaftoles  en  la 
conquista,  sagt  Oviedo)  war  das  sogenannte  „Aperrear"^)  nämlich  der 
Gebrauch,  die  Eingeborenen  den  Hunden  vorzuwerfen  (echar  ä 
perros),  um  sie  bei  lebendigem  Leibe  zerfleischen  zu  lassen,  und 
hierfür  erhielten  solche  Hunde  Antheil  an  Sold  und  Beute,  gleich 
den  übrigen  Soldaten,  oder  wenn  sie  sich  besonders  brav  bewiesen, 
auch  gleich  den  Offizieren  (no  solo  ä  la  de  los  so  Idados,  sino  tam- 
bien  a  la  de  los  oficiales  aun  capitanes). 

„Mit  Wehmuth  möchte  ich  sagen,  bemerkt  man,  wie  systema- 
tisch zu  Werke  gegangen  wurde,  alle  Keime  des  Guten  und  Edlen 
in  dem  Volke  Mexico's,  welches  Fähigkeiten  zu  Allem  besass,  in 
welchem  sich  Gelehrigkeit  und  Sanftmuth  paarten,  nach  und  nach 
zu  ersticken,  um  es  auf  jene  Stufe  herabzuziehen,  auf  welcher  es  zur 
Sklaverei  geeignet  war.  Statt  ihrer  von  den  Vätern  angeerbten 
Götzen^)  gab  man  ihnen  neue  aus  Holz  geschnitzte  Heiligenbilder, 
ohne  dass  man  sie  den  wahren  Gott  kennen  lehrte"  (s.  Heller). 

There  is  less  crime  in  an  Indian  camp  of  500  souls  than  there 


*)  Im  ,,Diccionario  national  de  la  lengua  Caslillana",  findet  sicherklärt:  ».Aperrear", 
echar  a  alguno  ä  los  perros  braves,  para  que  le  maten  y  despedacen,  dazu:  ,,aperreamiento", 
o  accion  y  efecto  de  aperrear,  »^aperreador",  que  aperrea,  ,,aperreado"  etc.  Die  gegen  die 
Indianer  verwandten  Canes  Alanos  (s.  Angleria)  waren  früher  von  den  Alanen  gegen 
die  Spanier  gebraucht  (bemerkt  Pauw). 

')  Als  die  Missionaire  in  Mechoacan  die  Idole  der  Fischerei  wegnahmen  und  ver- 
brannten, hörten  die  Indianer  auf,  Fische  zu  liefern,  weil  sie  dieselben,  der  Hülfe  ihrer 
Schutzgötter  beraubt,  jetzt  nicht  mehr  in  das  Netz  zu  locken  vermöchten,  und  von  selbst 
hineinzugehen  seien  diese  Wasserbewohner  zu  klug.  Man  rieth  ihnen  indess  wohlmeinend, 
es  zunächst  mit  dem  Kreuz,  das  die  guten  Padre's  zu  gewähren  geneigt  seien ,  nochmals 
zu  versuchen,  weil  sie  sonst  ein  schwereres  Kreuz,  von  ihren  politischen  Machthabem  auf- 
erlegt, zu  tragen  haben  würden.     Das  gab  Stoff  für  Kreuzfragen. 


Missionen.  371 

IS  In  a  civilized  village  of  but  half  that  numberj    bemerkt  Al.  Ross 
(unter  den  Stämmen  von  Columbia). 

Der  zerrüttende  Einfluss,  den  das  unbedachte  Predigen  der  für 
andere  Verhältnisse  und  andere  Völker  modificirten*)  Dogmen  orien- 
talischer Religion  auf  die  Eingeboreneil  vielfach  ausübte,  machte  sich 
in  America  besonders  in  den  vorher  bereits  civilisiften  Staaten  be- 
merklich, wo  die  gesammte  Klasse  der  Gebildeten,  in  det  Verquickung 
der  Religion  und  Wissenschaft,  als  Gegner  der  neuen  Lehfe  •  be- 
trachtet und  unter  harten  Verfolgungen  möglichst  ausgerottet  wurdö, 
wie  es  auch  schon  bei  den  unter  einfacheren  Verhältnissen  lebenden 
Stämmen^)  geschah.  Aus  dem  Mexicaner  und  Peruaner,  wie  wir  jetzt 
ihn  finden,  kann  man  nicht  auf  die  alte  Cultur  zurückschliessen,  so 
wenig')  oder  weniger,  wie  aus  dem  heutigen  Griechen  oder  Römer 
auf  seine  classischen  Vorfahren.  II  n'y  a  plus  de  Piaton  dans  Athenes, 
ni  de  Cic^ron  dans  Rome  (Voltaire). 


Bei  der  Abfahrt  passirten  wir  Berginseln  und  die  vom  hohen 
Rücken  auslaufende  Spitze  des  Festlandes,  um  dann  einer  in  gezackt 
streifenden  Berghügeln  schweifenden  Küste  zu  folgen,  mit  dem  als 
grossartigen  Kegel  aufsteigenden  Vulcan  St.  Miguel  (2153  M.  hoch) 
herüberblickend. 

Am  nächsten  Morgen  (März  18.)  in  einem  offenen  Landstrich,  in 


')  Toraarsuk,  who  by  the  Gfeenlanders,  was  considered  as  the  supreme  being,  on 
whom  they  were  dependent  for  any  supematural  aid,  and  in  whose  abodes  in  the  depth 
of  the  earth  all  those  persons ,  who  ha<k  striven  and  suffered  for  the  benefit  of  their 
fcllow  men  should  find  a  happy  existence  after  death,  was  transformed  into  the  Christian 
devil,  and  those  spirits  over  whom  he  ruled,  and  whom  he  assigned  to  the  angakoks 
as  their  guardian  spirits,  were  presented  as  his  subordinate  demons.  Consequently,  their 
ideas  conceming  good  and  evil,  recompense  and  punishment  after  death,  were  liable  in 
some  measure  to  be  tumed  topsy-turvy  (s.  Rink).  Das  verwirrt  auch  die  Neophyten  in 
China  u.  a.  O. 

')  On  account  of  the  amalgamation  of  religious  observances  with  the  social  customs 
and  laws,  totally  subverting  the  anthority  of  the  angakoks  was  the  same  as  abolishing 
the  only  institntion  that  could  be  considered  to  represent  appointed  magistrates  and  law- 
givers  (s.  Rink).  The  dass  of  angakoks  comprised  the  most  eminent  persons,  both  as 
regards  intellectual  abilities,  personal  courage,  and  dexterity  in  pursuing  the  national  trade 
(und  wenn  gelegentlich  ihre  Autorität  missbrauchend,  zeigen  diese  Priester  der  Esquimaux 
,, nothing  distinguishing  them  from  ony  other  naüon"). 

')  Father  Le  Jeune,  answering  in  one  of  his  letters  the  objections  made  to  the  pro- 
spect  of  Converting  and  civilizing  the  Indians,  says,  that  it  was  admitted  on  all  hands, 
that  they  were  superior  in  intellect  to  the  French  peasantry  of  that  time,  bemerkt  Gallatin, 
der  von  eben  diesen  Indianern  America' s  zufügt:  ,,They  have  exhibited  repeated  proofs  of 
intellectual  powers  apparently  very  superior  to  those  of  the  African,  and  not  very  inferior 
to  those  of  the  European  race". 

24- 


372  DER  ISTHMUS  UND  GUATEMALA. 

welchem  der  breite  Vulcan  von  Sanct  Vincent  (2400  M.)  ansteht, 
sahen  wir  an  einem  schmalen  Küstenstreif  die  Forterstreckung  hinter 
einander  aufsteigender  Bergreihen,  in  deren  letzter,  neben  einem 
breiten  Bergrücken,  der  spitzige  Vulcan  von  San  Salvador  (2300  M.) 
sich  erhebt.  Zwischen  La  Union  und  La  Libertad  war  1853  (als 
Hafen  San  Vit^cente's)  La  Concordia  geöffnet. 

Nachdem  wir  vor  La  Libertad  (dem  directen  Hafen  der  Haupt- 
stadt San  Salvador 's,  aber  nur  als  offene  Rhede  benutzbar),  am  Fusse 
welliger  Strauchhügel  geankert,  folgten  wir  einem  in  Felshügeln  zer 
klüfteten  Uferland  an  der  Balsam-Küste.  Breite  Bergrücken  schauten 
über,  neben  dem  Isalco  und  dann  sahen  wir  die  Spitze  Ayacutla's 
in  niedriger  Buschgegend  gelegen,  während  dahinter  der  breite  Vulcan 
von  St.  Ana  und  Sonsonate  (mit  dem  Vulcan  von  Naranjo),  und 
weiterhin  der  Vulcan  von  Isalco  sichtbar  ist,  dessen  Entstehung 
(gleich  dem  von  Jorullo)  in  das  vorige  Jahrhundert  (1770)  fällt 
(1825  M.  hoch).  Bailey,  der  1834  einen  noch  lebenden  Augenzeugen 
traf,  setzt  die  Erhebung  des  Vulcan's  zwischen  1750 — 1760  (des  Jo- 
rullo 1759).  Dagegen  hörte  Stephens  (1841)  eine  andere  Erzählung 
von  einer  Erinnerung  aus  den  Knabenjahren,  dass  die  Hebung  des 
Vulcan's  Izalco  seit  1798  begonnen  habe. 

Als  ich  am  nächsten  Morgen  in  Acajutla  landete  (in  einem  Stuhl 
am  hohen  Muello  heraufgezogen),  bot  sich  dort  unter  einem  hervor- 
rieselnden Wasserquellchen  eine  Gelegenheit  zum  Bade.  Acajutla, 
durch  Alvarado  1534  entdeckt,  bildet  den  Hafen  Sonsonate's.  Da  der 
von  Sonsonate  exportirte  Balsafi  während  der  spanischen  Colonial- 
regierung  zunächst  nach  Lima  verschifft  werden  musste,  und  erst 
von  dort  aus  in  den  Handel  Europa's  gelangte,  figurirte  er  auf  dem 
Markt  als  „peruanischer  Balsam". 

Am  folgenden  Tage  (Mai  20.)  ankerten  wir  vor  San  lose  de  Gua- 
temala (oder  Zapote)  und  nach  dem  Ueberstehen  der  Zollformalitäten 
hatte  ich  Zeit  zu  einem  (durch  den  feinen  Schwarzsand  freilich  be- 
schwerlichen) Bade  in  der  Brandung  des  Meeres,  ehe  ich  mich 
gegen  Mittag  in  der  von  dem,  Hotel  betitelten,  Holzschuppen  ab- 
gehenden Diligence  einpferchte,  die  bis  auf  den  letzten  Platz,  gleich 
ihren  Beiwagen,  besetzt  war. 

Der  alte  Hafen  Guatemala's  war  Istapa,  wo  Alvarado  1534  bis 
1539  seine  Flotten  baute.  Doch  ging  der  Handel  meist  über  Son- 
sonate. Die  Ausfuhr  bestand  zur  spanischen  Zeit  in  Indigo  (und 
Cochenille),  wobei  Einfuhr  von  Waaren  nu%  bis  zur  Höhe  jener  ge- 
stattet war  (s.  Thompson),    um    die  Handelsbilanz   nach   damaligen 


EXUINTLA.  373 

Theorien  zu  erhalten.  Im  Jahre  1827  suchte  man  den  Puerto  de 
Independencia  zu  öffnen  neben  dem  Fischerdorf  Raudal  an  der  Mün- 
dung des  Michatoyat. 

Der  Stille  Ocean  ist,  soweit  er  die  Ufer  von  Guatemala  bespült, 
von  einer  unabsehbar  einförmigen  aber  schmalen  Düne  begrenzt, 
hinter  welcher  sich  zahllose,  von  Krokodilen  bevölkerte  Sümpfe  von 
Brackwasser  ausdehnen  (Bernouilli). 

In  dem  schwarzsandigen  Gestrüpp- Wald ,  den  wir  durchfuhren, 
waren  wir  bald  in  eine  dichte  Wolke  Staub  gehüllt,  und  wurden  um 
so  länger  darin  aufgehalten,  weil  Hindernisse  des  Weges,  wie  quer- 
über gefallene  Baumstämme,  häufig  ein  Umfahren  derselben  benö- 
thigten.  Bei  einem  Brunnen  am  Wege  wurden  Pferde  gewechselt  und 
ebenso  in  dem  Hüttencomplex  von  Naranjo,  jenseits  welches  sich 
Lichtungen  zeigten  und  im  engeren  Theil  der  Strasse  trafen  wir 
Ochsenkarren,  die  mit  Caffee  beladen  zum  Hafen  zogen,  für  das 
Ausweichen  warten.  Eine  weitere  Station  zum  Pferdewechsel  bildete 
der  Flecken  Masagua*)  und  hinter  dem  Rio  Virgen  war  an  offener 
Stelle  über  den  Bäumen  ein  ferner  Bergzug  sichtbar.  Erst  nach  An- 
bruch der  Nacht  erreichten  wir  unter  allmähligem  Ansteigen  Escuintla 
oder  (mexicanisch)  Izintepeque  (La  Concepcion  Escuintla),  wo  wir  in 
dem  Hotel  bereits  erwartet  wurden.  Die  Elevation  ist  1380  F.  oder 
(s.  DoUfuss)  442  M.  über  dem  Meer. 

Beim  Aufbruch  am  Morgen  (Mai  21.)  sahen  wir  in  einer  durch 
ihre  Heiterkeit  erfrischend  anregenden  Atmosphäre  den  spitzigen 
Vulcan  de  Agua  (3753  M.)  neben  dem  doppelspitzigen  und  mit  reifi- 
gen Schneeflächen  überzogenen  Vulcan  del  Fuego  (4001  M.)  vor  uns, 
von  welchen  beiden  Gipfeln  sich  seitwärts  in  geschwungenen  Er- 
hebungen eine  Bergreihe  hinzieht. 

Den  Ansteig  jenseits  einer  Quebrada  fortsetzend,  gewannen  wir  den 
Rückblick  auf  den  Hügelkreis  der  an  der  Höhe  auslaufenden  Senkungen, 
über  die  Ebene  zum  Meere  abfallend.  Wir  fanden  uns  dann  zwischen 
grünen  Kuppenhügeln  bei  San  Pedro  Martyr  (563  M.)  und  von  dem 
Ansteig  em  Fusse  des  Vulcan  del  Agua  zog  sich  der  Weg  in  Win- 
dungen aufwärts.  Seitlich  stürzte  der  Wasserfall  des  Rio  Micatayo, 
der  als  Rio  de  Villalobos  den  See  von  Amatitlan  durchfliesst,  in  zwei 
Absätzen  brausend  in  die  Tiefe,  in  seinen  Cascaden  ein  Miniaturbild 
des  Durchbruchs  von  Tequendama  wiederholend. 


')  A  small  village  built  in  a  circle  cut  out  of  the  wood;  it  like  the  resl   has  its  de- 
cayed  church  and  boasts  its  miraculous  image,  sagt  Dünn  von  IVfasagua. 


374  DER  ISTHMUS  UND   GUATEMALA. 

Von  dort  durchfuhren  wir  eine  gewellte  Ebene,  bis  zu  einem 
niederen  Höhenzug,  über  welchem  die  abgeschnittene  Kegelspitze 
des  Vulcan  Pacaya  (2550  M.)  überblickte.  Ein  starker  Windstrom 
blies  uns  entgegen,  der  besonders  zu  gewissen  Tageszeiten  als  con- 
stanter  gilt,  aus  dem  Eintritt  der  kalten  Höhenluft  in  die  über  der 
Ebene  erwärmten  Schichten  der  Atmosphäre. 

Am  PuebloPalin  (1144M.  hoch)  vorbei,  und  Cocote-Bäumen  mit 
Blüthen  an  blattlosen  Zweigen,  senkten  wir  uns  in  die  Ebene  abwärts, 
durch  breite  Berghügel  windend,  neben  dem  Flusse  Micatayo,  der  aus 
dem  See  Amatitlan  abfliessend,  bei  Istapa  (dem  San  Jose  vorangehen- 
den Hafen  der  Spanier)  ins  Meer  mündet.  Mit  einem  Rückblick  aut 
den  Vulcan  Pacaya  in  3  Kratern,  traten  wir  in  eine  flache  Ebene  hinaus, 
die  mit  ihrem  grünen  Anbau  an  braunkahlem  Höhenzug  lehnte,  und 
seitlich  glitzerte  der  See  (von  Amatitlan).  Zwischen  Lehmmauem,  welche 
die  Cactus-Pflanzungen  (Cactus  opuntia)  für  die  Cochenille  abschnitten, 
und  Spuren  warmer  Quellen,  fuhren  wir  zum  Pueblo  von  Amatitlan 
(1189  M.),  wo  in  dem  Hotel  das  Frühstück  bereit  stand.  Auch 
konnte  ich  den  Aufenthalt  benutzen  unter  den  dortigen  Alterthümem 
einige  der  in  dem  See  gefundenen  Thongefässe  zu  erwerben. 

Im  XVII.  Jahrhundert  war  die  Umgegend  von  Amatitlan  (San 
Christobal  de  Amatitlan)  in  dem  an  Indigo -Pflanzungen  fruchtbaren 
Bezirk  von  Izquinta  oder  Izquintepeque  (Elscuintla)  einem  der  reichsten 
im  Lande,  und  deshalb,  wie  Thomas  Gage  erzählt,  als  fette  Pfründe 
von  den  Pfarramts-Candidaten  umworben.  Später  begann  sie  unter  dem 
allgemeinen  Niedergang  der  Colonien  gleichfalls  zu  verarmen,  und 
erhielt  einen  neuen  Aufschwung  erst  durch  die  Cultur  der  Cochenille*), 
deren  aus  Oajaca  auf  Cactusblättem  geschickte  Insecten  (1817)  durch 
die  Sociedad  patriotica  (oder  economica)  an  die  Nopaleros  zu  An- 
pflanzungen vertheilt  wurden,  zunächst  bei  Alt-Guatemala,  wo  indess 
(nach  Baily)  die  Nopalcultur  bereits  181 1  begonnen  haben  soll.  Jetzt 
fangt  dieser  Erwerbszweig  bereits  wieder  an,  wie  überall  zu  ver- 
welken, vor  der  fortgehenden  Vervielfältigung  chemischer  Farben- 
erfindungen. Früher  >\-urde  Amatitlan  während  der  Saison  von  der 
Hauptstadt  als  Badeort  besucht,  doch  g^lt  das  Klima  wegen  des 
wechselnden  Wasserstandes  am  See  für  ungesund,  und  den  eigent- 
lichen Badeort,  das  Baden-Baden  für  die  Modewelt  Guatemalas, 
bildet  Escuintla,  wo  es  früher  der  gute  Ton  verlangte,   die  Tempo- 


')  Auf  Cuba  bezeichnet  Guagua  (Cochenille)  .,cosa  que  no  cue:»ta  dinero  ni  trabajo  6 
de  precio  bäritisimo"  (Pichardo). 


AMATITLAN.  375 

radas  zu  verbringen.  Im  vorigen  Jahrhundert  bezog  sich  der  haupt- 
sächlichste Anbau  von  Guatemala  auf  den  Indigo,  „superior  in  quality 
to  that  of  any  province  in  India"  (Robertson),  und  ausserdem  war  der 
Cacao^)  Guatemalas  berühmt. 

Baily  rühmt  den  centralamericanischen  Tabak  und  nennt  als  die 
besten  Sorten,  die  dem  cubanischen  gleich  geachtet  werden,  den  von 
Ystepeque  und  Tepetetan  in  Salvador,  sowie  dem  von  Gracias  in  Hon- 
duras und  von  Gualan  in  Guatemala.  Der  Saft  des  Zuckerrohrs  wurde 
vor  Einführung  der  verbesserten  Fabriken  meist  nur  zur  ordinairen  Rapa- 
dura  verarbeitet  (di  Chancacca  des  Südens).  Eine  grosse  Ausdehnung 
begann  neuerdings  die  Kaffeepflanzung  in  Guatemala  zu  nehmen. 
Erst  1818  wurde  der  Kaffeebau  in  Mexico  für  den  Export  betrieben 
(unter  Vermehrung  der  Pflanzungen  von  Orizaba  und  Cordoba),  wie 
1817  in  Brasilien.  Juarros  spricht,  bei  Amatitlan,  von  der  Chapuli  ge- 
nannten Heuschreckenart,  aus  der  sich  Pflanzen  züchten  lassen,  ähn- 
lich den  thierisch-pflanzlichen  Metamorphosen  Sibiriens  (und  mehrfach 
sonst  im  Descendenzglauben  des  Volkswitz)  ^).  Wie  Münster,  bestätigt 
Aldrovandus  (und  Beauvais)  die  Erzeugung  der  Bernacles-Vögel  (Anser 
arboreus)aus  Bäumen  (als  Mittelglieder  in  den  Bestiarien  des  X.  Jahr- 
hunderts). 

.Amatitlan,  (auch  bei  Tepic  in  Mexico),  wird  als  die  Stadt  der 
Bücher  erklärt,  und  in  Yucatan  wurden  die  Analtet  (Holzbände) 
genannten  Bücher  aus  der  Rinde  des  Baumes  Amatl  gefertigt 
(s.  Brasseur),  also  als  Charta  corticea  oder  ^vXoxccQttoy  (in  der  dop- 
pelten Bedeutung  von  über).  Landa  spricht  von  der  Wurzel  eines 
Baumes,  die  das  Material  für  diese  im  Zickzack  zusammengelegte 
Faltenbücher  lieferte  (escrivian  de  una  parte  y  de  otra,  a  colunas, 
segun  eran  los  pliegues). 

Wie  Clavigero  meint,  sei  die  Erfindung  des  Papieres  in  America 
älter,  als  in  Aegypten,  von  wo  sie  nach  Europa  gekommen,  und 
wenn  man  die  für  Abfassung  des  Teoamoxtli  (des  heiligen  Sanges 
oder  Götterbuches)  unter  der  Regierung  Ixtlilcuechahuac  (f  817  p.  d. 


*)  Von  den  Cacao  -  Sorten ,  el  de  la  costa  del  Sur  del  estado  de  Guatemala  era  el 
quo  bervia  para  el  gasto  de  la  casa  real  de  Espaiia  (s.  Montufar).  La  niayor  riqueza, 
que  esta  govemacion  tenia  y  tiene  es  de  Cacao,  porque  ai  niucho  y  muy  bueno,  y  es  la 
principal  moneda,  que  por  toda  esta  Nueva  EspaÜa  se  trata,  bemerkt  Tortiuemada  von 
Quauhtemallan  (Guatemala). 

')  News  beschreibt  den  absterbenden  Baobab,  als  aus  dem  angesammelten  Regen 
Wasser  gewährenden  Baum  (im  Bararetta  -  Lande  der  Galla),  wie  auC  Ferro  vom  Wasser 
sprudelnden  Baum  geredet  wurde.  Tesseraud  (15 14)  betitelt  sein  11.  und  12.  Capitel : 
,,des  arbres  des  quels  les  oiseaux  naissent  et  les  bleds  croissent". 


376  DER  ISTHMUS   UND   GUATEMALA. 

oder  selbst  660  p.  d.)  verwandte  Chronologie  zulassen  würde,  gäbe  sie 
allerdings  ein  früheres  Datum,  als  der  Gebrauch  des  Leinwand- 
oder Baumwollen- Papieres  im  mittelalterlichen  Europa,  wo  für  die 
Fabrication  erst  die  mit  China*)  eingeleiteten  Beziehungen  folgen- 
reich geworden  scheinen  (zum  Ersatz  anderer  Papyros-Substitute). 

Betancourt  spricht  von  den  Geschichtsbüchern  (Texamatl)  der 
Mexicaner,  ebenso  Lorenzana  und  (bei  den  Zapoteken)  Burgoa,  wie 
auch  Sahagun,  Las  Casas,  Ixtlilxochitl  u.  A.  m.  der  einheimischen 
Bibliotheken  erwähnen,  und  Torquemada  eines  Bibliothekars*)  für  Ord- 
nung derselben.  Das  Tonomalatl  genannte  Buch  begriff  das  mexi- 
canische  Rituel  und  in  Yucatan  führt  Herrera,  ausserdem,  auf  die 
Pflanzen-  und  Thierkunde  bezügliche  Bücher  an.  Doch  wurden  die- 
selben dort  ebenso  den  Flammen  geopfert,  wie  auf  dem  Marktplatz 
Tlaltaloloco's  durch  den  Erzbischof  Juan  de  Zumarragua,  der  sich 
bereits  als  Hexen  Verfolger  in  Biscaya  auf  solche  Auto-do-f6's*)  einge- 
übt hatte.  Dafür  erfreute  er  die  fromme  Welt  mit  dem  Bilde  der 
heiligen  Jungfrau  von  Guadeloupe,  die  ihm  durch  den  Indianer  Juan 
Diego  als  im  Himmel  gemalt  und  in  eine,  dort  gleichfalls  verfertigte, 
Matte  eingewickelt  überbracht  worden  war,    und  in  diesem  Geister- 


*)  Nachdem  die  Bereitung  des  in  Samarcand  (704  p.  d.)  zur  Kenntniss  gekonunenen 
Baumwollenpapier^  durch  Joseph  Amru  bei  den  Arabern  eingeführt  war«  kam  es  allmählig 
in  Europa  in  Gebrauch,  bis  im  XIV.  Jahrhundert  das  Linnenpapier  an  die  Stelle  trat 
und  1390  p.  d.  die  erste  Papiermühle  bei  Nürnberg  angelegt  wurde. 

>)  Ein  königlicher  Beamter  tenia  a  su  cargo  todas  las  cosas,  que  escrivian  k  manera 
de  HistoriaSf  y  cuidaba  mucho  de  los  Cronistas  que  k  su  modo  y  en  pintura,  las  histori- 
aban,  notando  el  dia,  el  Mes  y  el  Aüo  (En  estos  ponian  los  hechos  y  batallas  de  los 
reinos,  las  genealogias  de  los  reies,  y  cosas  notables  de  la  republica,  y  todo  andaba  por 
mucha  cuenta  y  orden). 

*)  Great  quantities  of  these  manuscripts  were  treasured  up  in  the  country  (bei  der 
Ankunft  der  Spanier  in  Mexico).  The  ürst  archbishop  of  Mexico,  Don  Juan  de  Zumar- 
raga  —  a  name  that  should  be  «as  immortal  as  that  of  Omar  —  collected  these  paintings 
from  every  quarter,  especially  from  Tezcuco,  the  most  cultivated  capital  in  Anahuac  and 
the  great  depository  of  the  national  archives.  He  then  caused  them  to  be  piled  up  in  a 
,,mountain-heap",  as  it  is  called  by  the  Spanlard  themselves,  in  the  market  place  of  Tlate- 
lolco,  and  reduced  them  all  to  ashes.  His  greater  contryman,  Archbishop  Ximenes,  had 
celebrated  a  similar  auto-da-fö  of  Arabic  manuscripts  in  Granada ,  some  20  years  bcfore. 
Never  did  fanaticism  achieve  two  more  signal  triumphs  (s.  Prescott.  Nach  der  Bücher- 
Vernichtung  des  Papstes  Gregorius  (qui  fit  bruler  les  oeuvres  de  Cic^ron  et  de  Tite-Live, 
pour  emp^cher  qu'on  n'apprit  k  bien  parier  Latin)  ne  resta-t-il  en  Europe  qu'  un  seul 
manuscript  tr^s-mutil6  de  Tite-Live  et  un  seul  des  Histoires  de  Corneille  Tacite,  qu'on 
a  retrouv^  en  Westphalie  (Pauw).  Tippoo  befahl,  die  canaresische  Literatur  in  Mysore 
zu  verbrennen.  Ninus  Hess  (nach  den  Armeniern)  viele  Bücher  verbrennen,  damit  die 
Annalen  nur  von  ihm  sprächen.  Eine  Bücher-Vernichtung  aus  politischen  Gründen  (wie 
in  China)  ist  sowohl  aus  der  Geschichte  Peru's  (wo  pergamentartige  Verarbeitung  der 
der  Felle  erwähnt  wird)  wie  aus  der  mexicanischen  bekannt. 


PAR  A  DIESBLÜMEN.  377 

Seher  liegt  vielleicht  eine  Confusion  der  Volkssage  mit  Juan  von 
Tarequato,  dem,  als  erstem  Indianer,  die  Fürsprache  des  Erzbischofes 
die  Aufnahme  in  ein  Kloster  verschaffte,  obwohl  er  dort  nicht  über 
das  Noviziat  hinauskam  (oder  mit  dem  eine  Zeit  lang  im  Kloster 
von  Tlascala  wohnenden  Indianer  Diego  de  Paredes). 

Die  Kirche  Unserer  Lieben  Frau  von  Guadelupe^)  schloss  sich 
an  den  alten  Tempel  der  Tonantzin  an  (Unserer  Mutter,  im  Mexi- 
canischen),  einer  von  Sahagun  mit  Eva^)  identificirten  Weibgottheit, 
der  Mutter  der  Zwillinge  (s.  Gama),  die  oft  mit  der  (auch  in  männ- 
lichen Wandlungen  erscheinenden)  Centeotl  (der  Korngottheit  bei  den 
Totonaken)  oder  Chicomecoatl  in  Beziehung  gesetzt  wird,  sonst 
aber  mit  Cioacatl  oder  Civa-Coatl,  der  Schlangenfrau,  zusammenfällt. 
Nach  Clavigero  begnügte  sich  Centeotl  oder  Tonacajohua  (Sie,  die 
uns  erhält)  mit  den  Opfern  von  Wachteln  und  jungen  Hasen,  sowie 
von  Tauben  (dem  begünstigten  Vogel  der  Aphrodite  und  Semiramis 
sowohl,  wie  Siva'  und  Paravati's),  und  ausserdem  werden  bei  ihr,  neben 
den  gewöhnlichen  Räucherungen,  Blumen  erwähnt.  So  beglaubigte 
jener  Juan  Diego  seine  himmlische  Sendung  bei  dem  Erzbischof 
zunächst  auch  dadurch,  dass  er  ihm  ein  Bouquet  Blumen')  über- 
brachte, wie  in  der  damaligen  Jahreszeit  auf  Erden  nicht  vorkamen. 
Man  scheint  versäuint  zu  haben,  sie  in  ein  Herbarium  einzulegen,  so 
dass  dem  Botaniker  die  Gelegenheit  verloren  ging,  auf  die  Klima- 
tologie  des  Paradieses  Schlüsse  zu  ziehen,  und  hätte  jene  Matte 
ihren  Platz   m   einem  ethnologischen  Museum  gefunden,    würde  sie 


')  Die  Jungfrauen  von  Guadelupe  und  Remedios  commandirten  in  feindlichen  Lagern 
die  Anneen  im  (mexicanischen)  Unabhängigkeitskriege  gegen  einander.  Nuestra  Seilora 
de  los  Desemparados  (in  Valencia)  wurde  während  des  französischen  Krieges  zum 
Generalissimus  ernannt. 

*)  Se  llama  Civacoatl,  que  quiere  decir  muger  de  culebra,  y  tambien  la  llamaban 
Tonantzin  que  quiere  decir  Nuestra  Madre.  En  estas  dos  cosas  parece  que  esta  diosa  es 
nuestra  madre  Eva,  la  cual  fu^  engafiada  de  la  culebra  (de  noche  voceaba  y  bramaba 
en  el  aire).  Sainte-Rose  de  Lima  (la  Vierge  m^re  de  Dieu  lui  ajouta  un  sumom,  ordon* 
nant  qu'elle  s'appelldt  de  Sainte-Marie)  merita  ensuite  d'entendre  de  J^sus-Christ  lui-m£me 
CCS  paroles:  ,,Rose  de  mon  coeur,  soyez  mon  ^pouse"  (Adrien  de  Riancey). 

•)  En  Mexico  el  verdadero  Dios  tenia  templo  aparto  y  adonde  ahora  esta  Nuestra 
Seilora  de  Guadalupe  que  es  Tepeyäcac  (esto  es  lugar  junto  al  cerro,  el  cual  se  llamaba 
Tonan  6  de  nuestra  madre)  habia  templo  sobre  el  cerillo  dedicado  k  la  Tzenteotenäntzin, 
(la  apreciable  madre  Nantzin,  que  estä  en  el  cerro  tepeti,  es  la  madre  del  verdadero 
Dios  Tzenteotl)  und  die  Heiligkeit  des  Ortes  war  eine  solche,  dass  kein  Indianer  an 
diesem  Hügel  vorüberging,  ,,sin  subir  k  ofrecer  en  su  ara  los  flores,  que  por  alli  podia 
haber"  (Bustamente).  Nachdem  die  Dominicaner  in  Te{>eacac  die  Götzenbilder  zerstört 
hatten,  wurde  dort  ein  Kloster  der  Franciscaner  erbaut,  wodurch  diese  Stadt  das  ältere 
Quanhtinchan  Überflügehe.  Tepeaca  war  1460  von  den  Mexicanem  erbaut,  intriguirte  aber 
vielfach  mitChoIula,  obwohl  es  1488,  wahrscheinlich  ausRivalität  der  Tempel,  in  Streit  geriet  h. 


378  DER  ISTHMUS   UND   GUATEMALA. 

als   Muster    der    im   Empyreuma    geübten   Industrie    für    die   Kunst- 
industrie ein  eigenthümliches  Interesse  gewährt  haben. 

Bei  Gelegenheit  Centeotl's,  als  nordamericanischer  Emtegottheit, 
bemerkt  ClaWgero: 

„Die  Römer  verehrten  ausser  der  Göttin  Ceres,  noch  ein  Heer 
von  anderen  Gottheiten,  die  blos  für  ihre  Felder  sorgten.  ^  Gegen 
zw'anzigen  war  die  Fürsorge  für  die  Kinder  und  ihre  Erziehung,  und 
verschiedenen  die  Zeugung  und  Geburt  der  Kinder  empfohlen.*) 
Sollte  man  sich  wohl  einbilden,  dass  sie  blos  zur  Bewachung  ihrer 
Thüren  Götter  nöthig  zu  haben  glaubten?  Gleichwohl  war  Forculus 
über  die  Pfosten,  Cama  über  die  Angeln,  und  Limentinus  über  die 
Schwelle  gesetzt.  „Konnte  denn",  ruft  der  heilige  Augustin  aus, 
„Forculus  nicht  zugleich  die  Thüren,  die  Angel  und  die  Schwellen 
bewachen.^"  So  schwach  war  die  Macht  der  Götter  in  den  Augen 
der  Römer.  Schon  die  einigen  beigelegten  Namen  zeigen  zur  Genüge 
die  elenden  Begriffe,  die  ihre  Anbeter  von  ihnen  hegten.  Kann 
man  sich  unwürdigere  Benennungen  einer  Gottheit  denken  als  Jupiter 
Pistor,  Venus  Calva,  Pecunia,  Caca,  Subigus  und  Cloacina?  Sollte 
man  wohl  glauben,  dass  eine  vom  Könige  Tatius  bei  dem  vor- 
nehmsten Abzug  aller  Unreinigkeiten  in  Rom  errichtete  Statue  zu 
einer  Göttin,  Namens  Cloacina,  erhoben  ward:    Dies  war  gewiss  ein 


*)  ,»Seja  sorgte  für  das  neugcsäete  Korn,  Proserpina  für  das  eben  ausgekeimte,  Nodo- 
tus  für  die  Knoten  des  Halmes,  Voluiina  für  die  Knospen ,  Patelana  für  das  Ausbrechen 
der  Blätter,  Flora  für  die  Blumen,  Sege.sta  für  das  neue  Korn,  Lacturcia  für  das  Kom 
in  der  Milch ,  Matuta  für  da>  reife  Getreide,  Tutanus  oder  Tutilina  für  tlas  Getreide  auf 
dem  Botlen.  Dazu  müssen  wir  vor  allen  Dingen  noch  den  G^lt  Sicrculius  setzen,  welcher 
für  das  Düngen  der  Felder  sorgte,  tlcn  IViapus,  welcl.er  e>  gegen  die  Vögel  schützte,  den 
Kuligo,  welcher  die  Inscclen  abhielte,  und  die  Nymphen  Napaeae  [der  Waldweiden], 
welche  den  nährenden  Saft  de>  Getreide»  in  Obhut  nahmen."  D.uu  die  .Vnalogien  aus 
mexicanischen  und  anderen  Feriae  messium. 

^)  Die  Göttin  Opis  stand  dem  Kinde  m  der  Geburt  bey,  Vaticanus  öflfnete  den 
Mund  zum  Schreyen,  Levana  hob  es  vom  Boden  auf,  Cunina  bewachte  die  Wiege,  Car- 
menta  kündigte  sein  Schicksal  an,  Fortuna  schüute  es  bei  allen  Zufallen,  Rumina  leitete 
die  Warzen  der  mütterlichen  Brust  in  des  Kindes  Mund,  Potina  sorgte  für  sein  Trinken, 
Kduca  für  den  Brev,  Faveniia  wischte  ihm  den  Geifer  vom  Munde  ab,  Venilia  erfüllte 
seine  Wünsche,  Volupia  beforderte  sein  Vergnügen,  Agenoria  bewachte  seine  Bewegun- 
gen, Stiroula  machte  es  thäiig  und  gewandt,  Strenua  (Strenia  am  Neujahr)  herzhaft, 
Numeria  lehrte  es  die  Zahlen.  Camoena  das  hingen,  Consus  gab  ihm  guten  Raih,  Senica 
Eatschliessung ,  luventas  sorgte  für  seine  Jugend,  imd  Fortuna  Barbata  hatte  das  Ge- 
schäft, acht  zu  haben,  dass  denn  Mannbaren  die  Haare  wuchsen.  Die  Göttin  Tlaclquiani 
(comedora  de  cosas  sucias)  oder  Tlaculieuil  (Izcuina  oder  Vzstuiname)  galt,  unter  dem 
Namen  Tiacapan,  als  Aellesie  der  vier  Schwestern  (neben  Teicu .  Tlaco,  Xucotzin),  die 
sich  beauftragt  fanden  (in  Mexic.>)  mit  den  ver^chicilenc-i  Akten  ,.de  las  cosas  camalcs" 
(und  so  in  anderen  Dingen). 


WÖCHNERIN.  379 

Gespötte  mit  ihrer  Religion,  und  machte  die  eigentlichen  Götter,, 
welche  sie  verehrten,  verächtlich." 

Die  Schwangeren  wurden  (in  Mexico)  unter  den  Schutz  des 
Gottes  der  Bäder  (Xuchicaltzin)  gestellt,  die  Gebärenden  unter  die 
Gottheiten  Cioacoatl,  Quilaztli  u.  A.  m..  Neugeborene*)  (denen  der 
Tonalpouhqui  das  Horoscop  stellte)  unter  die  Göttin  Chalchihuitlicue 
(es  zu  tragen),  sowie  die  Göttin  der  Wiege  (Yoalticitl)  und  den 
Nachtgott  Yoaltecutli  (in  den  Schlaf  zu  lullen),  während  Luylaztli 
das  Waschen,  Chicomecoat  das  Füttern  besorgte,  und  für  Anderes, 
was  sich  bei  kleinen  Kindern  nöthig  zeigte,  die  Götter  oder  Göt- 
tinnen Yacuviztli  und  Jamamialitzli  u.  A.  m.  bereit  standen. 

Bei  Torquemada    fehlt   der    Bericht   über  Guadelupe^)    in   dem 

')  Varro's  dii  certi,  die  durch  Indigitiren  angerufen  und  später  in  ihren  Functionen 
auf  die  dii  selecti  beschränkt  wurden,  begannen  mit  den  Gottheiten  des  Embryo,  als: 
Janus  Consivius,  (aditum  aperit  recipiendo  semini),  Satumus  a  satu,  (quod  pcrtineat  Sa- 
tumus  ad  semina),  Liber,  (quod  mares  in  coeundo  per  ejus  beneficium  emissis  seminibus 
liberentur)  et  Libera  (hoc  idem  in  feminis  agere),  Alemona,  dea  alendi  in  utero  fetus„ 
Fluonia  (sanguinis  fluorem  in  conceptu  retinet),  Vitumnus  et  Sentinus  (quorum  alter  vitam,. 
alter  sensus  puerperio  largiuntur),  Nona  und  Decima,  a  sollicitioribus  mensis,  Parca  oder 
Partula,  quae  partum  gobemat,  Diespiter,  qui  partum  perducat  ad  diem,  Lucina,  quae  a 
paturientibus  invocctur,  Postverta  (periculi  deprecandi  gratia),  Numeria  u.  s.  w.  Dann 
Opis  (opem  ferat  nascentibus,  excipiendo  eos  sinu  terrae),  Vaticanus  (in  vagitu  os  aperiat), 
Cunina, .  (cunas  tuetur),  Rumina  (propter  rumam),  Ossipaga  u.  s.  w.  Nach  den  Gott- 
heiten des  späteren  Lebensalters  folgten  die  Götter  und  Göttinnen  der  einzelnen  Beschäf- 
tigungen, Gewerbe  u.  s.  w.  Dementsprechend  könnte  Sahagun  mit  mexicanischer  Gelehr- 
samkeit aufwarten. 

')  Cerca  de  los  montes  hay  tres  o  cuatro  lugares  donde  solian  hacer  muy  solerones 
sacrificios,  y  que  venian  ä  ellos  de  muy  lejas  tierras.  El  uno  de  estos  es  aqui  en  Mexico, 
donde  estä  un  montecillo  que  se  llama  Tepeacac,  y  los  espaöoles  Uaman  Tepeaquilla,  y 
ahora  se  Uama  Ntrd.  StA,  de  Guadalupe.  En  este  lugar  tenian  un  templo  dedicado  a 
la  madre  de  los  dioses  que  Ilamaban  Tonantzin,  quiere  decir  nuestra  madre:  alli  hacian 
muchos  sacrifidos  a  honra  de  esta  diosa,  y  venian  d  ellos  de  muy  lejas  tierras,  hasta  de 
mas  de  veinte  leguas  de  todas  ^stas  comarcas  de  Mexico,  y  traian  muchas  ofrendas: 
venian  hombres,  mugeres,  mozos  y  mozas  ä  estas  fiestas:  era  grande  el  concurso  de 
gente  en  estos  dias,  y  todos  decian;  vamos  ä  la  fiesta  de  Tonantzin.  Agora  que  estä 
alli  edificada  la  iglesia  de  Ntrd.  Snd.  de  Guadelupe,  tambien  la  llaman  Tonantzin,  to- 
mada  ocasion  de  los  predicädores ,  que  ä  Nträ.  Srd.  la  Madre  de  Dios  la  Ilamaban  To- 
nantzin. De  donde  haya  nacido  esta  fundacion  de  ^sta  Tonantzin,  no  se  sabe  de  cierto ; 
pero  lo  que  sabemos  verdaderamente  es,  que  el  vocablo  significa  de  su  primera  imposi- 
cion,  ä  aquella  Tonantzin  antigua,  y  es  cosa  que  se  debia  remediar,  porque  el  propio 
nombre  de  la  Madre  de  Dios  sefiora  nuestra ,  no  es  Tonantzin ,  sino  Dios ,  y  nantzin. 
Parece  esta  invencion  satänica  para  paliar  la  idolatria  bajo  la  equivocacion  de  ^ste  nombre 
Tonantzin,  y  vienen  ahora  d  visitar  d  esta  Tonantzin  de  muy  lejos,  tanto  como  de  antes; 
la  cual  devocion  tambien  es  sospechosa,  porque  en  todas  partes  hay  muchas  iglesias  de 
Ntra.  Sra.  y  no  van  d  ellas;  y  vienen  de  lejas  tierras  d  ^sta  Tonantzin,  como  antigua- 
mente.  El  segimdo  lugar  donde  habia  antiguamente  muchos  sacrificios,  d  los  cuales  ve- 
nian de  lejas  tierras,  es  cerca  de  la  sierra  de  Tlaxcala,  donde  habia  un  templo  que  se 
llamaba  Toci ,    en    cl    cual    concurian    gran    multitud    de  gente ,   d  la  celebridad  de  esta 


380  DER  ISTHMUS  UND   GUATEMALA. 

Leben  Zumarraga's,  obwohl  er  es  bis  zum  Ende  beschreibt,  und 
selbst  bis  zur  Wiederöffnung  des  Sarges  durch  Alonso  de  Nava,  wobei 
diesem  und  seinen  Begleitern  beim  Anblick  der  Leiche  mit  lang  ge- 
wachsenem Bart  ihre  eigenen  Haare  zu  Berge  standen  (se  les  ericie- 
ron  y  levantaron  los  cabellos  de  la  cabega),  obwohl  sie  dennoch  eine 
Reliquie  zu  entwenden  wagten,  nämlich  einen  Goldring,  der  wunder- 
barerweise zu  schwitzen  begann.  Im  Uebrigen  weiss  er  von  vielen 
Visionen,  mit  denen  Indianer  begnadigt  wurden,  da  sie  reich  an  der 
heiligen  Einfalt  (esta  simplicidad  santa)  seien,  wie  sie  das  unschul- 
dige Kindesalter  (la  edad  inocente  de  los  Niilos)  beglücke.  Bald 
sahen  sie  den  Gekreuzigten  im  grossen  Glanz,  bald  auf  der 
Hostie  eine  glänzende  Kindesfig^r,  bald  die  Thore  des  Himmels 
offen  mit  vielem  Schönen  darin  (por  la  parte  de  dentro  avia  cosas 
de  grandisima  hermosura).  Der  Indianer  Miguel  de  San  Geronimo 
von  Azcapuzalco  hatte,  als  er  auf  seinem  Boot  über  den  See  nach 
Xuchimilco  fuhr,  die  Erscheinung  einer  Himmelsfrau,  welche,  nach- 
dem sie  die  Stadt  wegen  ihrer  Sünden  mit  Untergang  bedroht  hatte,  in 
einem  Wirbelwind  und  Wasser-Hose  (sit  venia  verbi)  verschwand  (1576). 

Frai  Geronimo  de  Mendieta    empfing    (1588)  in  Tlascala   durch 
eine  alte  Indianerin   in  jenem    vorgerückten  Alter,    in  welchem  die 


üesta  Toci,  que  quicre  decir  nuestra  abuela  y  por  otro  nombre  tzapotlalnanque,  que 
quiere  decir  la  diosa  de  los  temaxcales,  y  de  las  medicinas,  y  despues  acd,  edificaron 
alU  una  iglesia  de  Stä.  Ana,  donde  ahora  hay  monasterio,  y  religiosos  de  nuestro  P.  San 
Francisco,  y  los  naturales  le  llaman  Toci ,  y  concurren  h  dicha  fiesta,  de  mas  de  cuarenta 
leguas,  y  llaman  asi  k  Std.  Ana,  tomando  ocasion  de  los  predicadores  que  dicen,  que 
porque  Stä.  Ana  es  abuela  de  Jesucristo,  es  tambien  nuestra  abuela  de  todos  los  cristia« 
nos;  y  asi  la  han  llamado  y  llaman  en  el  pülpito  Toci,  qüe  quiere  decir  nuestra  abuela, 
y  todas  las  gentes,  que  vienen  como  antiguamente  4  la  fiesta  de  Toci,  vienen  so  color 
de  Stä.  Ana;  pero  como  el  vocablo  es  equivoco  y  tienen  respecto  ä  lo. antiguo,  mas  se 
cree  que  vienen  por  lo  antiguo  que  por  lo  modemo,  y  asi  tambien  en  ^ste  lugar,  parece 
estar  la  idolatria  paliada;  porque  venir  tanta  gente  y  de  tan  lejos  sin  haber  hecbo  Stä. 
Ana  alli  milagros  algunos,  mas  parece  que  es  el  Toci  antiguo  que  no  St&.  Ana;  y  en 
öste  aüo  de  1576,  la  pestilencia  que  hay,  de  allf  comenzö  y  dicen  que  ya  no  hay  gente 
ninguna  alli:  parece  misterio  el  haber  comenzado  el  castigo  donde  comenzö  el  delito  de 
la  paliacion  de  la  idolatria,  debajo  el  nombre  de  Std  Ana.  £1  tercer  lugar  donde  habia 
antiguamente  muchos  sacrificios,  ä  los  cuales  venian  de  lejas  tierras,  ^s  a  la  raiz  del 
volcän,  en  un  pueblo  que  se  llama  Tianquizmanalco  (S.  Juan).  Hacian  en  ^ste  lugar  gran 
fiesta,  a  honra  del  dios  que  se  llamaba  Telpuchtli,  que  es  Tezcatlipuca ;  y  como  d  los 
predicadores  oyeron  decir,  que  S.  Juan  Evangelista  fue  virgen,  y  el  tal  en  su  lengua  se 
llama  Telpuchtli,  tomaron  ocasion  de  hacer  aquella  fiesta  como  la  solian  hacer  antigua- 
mente paliada,  debajo  del  nombre  de  S.  Juan  Telpuchtli  como  suena  por  defuera;  pero 
h  honra  del  Tepuchtli  antiguo  que  es  Tezcatlipuca,  porque  S.  Juan  alU  ningimos  mila- 
gros hd  hecho,  ni  hay  porque  acudir  mas  allf,  que  d  aljuna  otra  parte  donde  tiene  igle- 
sia,    Vienen  d  esta  fiesta  el  dia  de  hoy,  gran  <:antidad  de  |;ente  de  muy  lejas  tierras,  y 


KINDERLALLEN.  381 

Menschen  wieder  kindisch  werden  (en  la  cansada  vej^z  vuelven  los 
hombres  casi  al  estado  de  la  Niftez),  verschiedene  Offenbarungen, 
die  sie  von  kleinen  Mädchen  (una  nifta  de  lo  aAos,  otra  nifta,  ihre 
Nichte,  von  9  Jahren  u.  s.  w.)  mitgetheilt  erhalten,  und  der  Chronist 
freut  sich  hinzufügen  zu  können,  dass  jener  fromme  Mönch  dem 
Geschwätz  von  Kindern  und  alten  Weibern  vollsten  Glauben  ge- 
schenkt habe,  als  ob  ein  Engel  vom  Himmel  gesprochen  (entero 
credito,  como  si  lo  dixero  un  angel  del"  Cielo). 

Der  gewissenhafte  Geschichtsschreiber  führt  nur  diese  wohlbegrün- 
deten (bien  examinada)  und  durch  glaubhafte  Personen  (personas  co- 
nocidas)  bestätigten  Wunder  auf,  denn  sonst  Hesse  sich  ein  dickes 
Buch  vollschreiben  (un  volumen  tan  grande  como  esta  historia  in 
3  FoHobänden),  und  so  folgt  gleich  ein  ganzes  Capitel  voll  von 
Hostien-Spuk.  In  dem  ersten  Fall  darunter  war  von  dem  königlichen 
Notar,  Stephan  von  Coto,  am  6.  December  1591  in  der  Stadt  Huexo- 
zinco  eine  gerichtliche  Aussage  des  Fray  Miguel  de  Estivaliz  vor 
Zeugen  aufgenommen,  dass  er  nämlich  vor  einigen  40  Jahren,  als  er 
mit  der  Wachskerze  dabei  gestanden,  gesehen  habe,  wie  dem  Messe 
lesenden  Priester  (Frai  Pedro  de  Reina)  in  Zinzonza  (einem  Dorfe 
Mechoacan's)    die  Hostie   auf  die  Erde    gefallen,    aber  wunderbarer- 


traen  muchas  ofrendas:  en  cuanto  a  esto  es  semejante  ä  lo  antiguo,  aunque  no  se  hacen 
los  sacrificios  y  crueldades  que  antiguamente  se  hacian;  y  haber  hecbo  esta  paliacion  en 
estos  lugares  ya  dichos,  estoy  bien  certificado  de  un  opuiion,  que  no  lo  hacen  por  amor 
de  los  idolos,  sino  por  amor  de  la  avaiicia  y  del  fausto;  porque  las  ofrendas  que  solian 
ofrecer  no  se  pierdan,  ni  la  gloria  del  fausto  que  recibian  en  que  fuesen  visitados  estos 
lugares  de  gentes  estrailas  muchas,  y  de  lejas  tierras;  y  la  devocion  que  östa  gente 
tomö  antiguamente,  de  venir  a  visitar  estos  lugares  ^s,  porque  como.  estos  montes  son 
se&alados  en  producir  de  si  nubes  que  Uueven  por  ciertas  partes,  antiguamente  las  gentes 
que  residian  en  aquellas  tierras  donde  riegan  estas  nubes  que  se  forman  en  ^stas  sierras, 
advirtiendo  que  aquel  beuefido  de  la  pluvia  les  viene  de  aquellos  montes,  tuvi^ronse 
por  obligados  de  ir  ä  visitar  aquellos  lugares,  y  hacer  gradas  k  aquella  divinidad  que 
allf  residia,  que  enviaba  el  agua,  y  Uevar  sus  ofrendas  en  agradedmiento  del  benefido 
que  alU  recibian ;  y  asi  los  moradores  de  aquellas  tierras,  que  eran  regadas  con  las  nubes 
de  aquellos  montes,  persuadidos  6  amonestados  de  los  dcmonios  6  de  sus  Sätrapas,  to- 
maron  por  costumbre  y  devocion,  de  venir  k  visitar  aquellos  montes  cada  afio,  en  la 
fiesta  que  alli  estaba  dedicada:  en  Mexico,  en  la  fiesta  de  Cioacoatl,  que  tambien  la 
llaman  Tonantnn,  en  Tlaxcala  en  la  fiesta  de  Toci,  y  en  Tianquizmanalco  en  la  de 
Tezcatlipuca;  y  porque  6sta  costumbre  no  la  perdiesen  los  pueblos  que  gozaban  de  ella, 
persuadieron  ä  aquellas  provincias  ä  que  viniesen  como  solian,  porque  ya  tenian  To- 
nantzin,  Tocitzin,  y  Altepuchtli,  que  esteriormente  suena  ö  les  hä  hecho  sonar,  ä  Std, 
Maria,  i  Std.  Ana,  y  ä  S.  Juan  Eyangelista  ö  Bautista;  y  en  lo  interior  de  la  gente 
populär  que  alli  viene,  esti^  claro  que  no  es  sino  lo  antiguo;  y  asi  no  es  mi  parecer  que 
les  impidan  la  venida  ni  la  ofrenda;  pero  si  lo  ^s,  que  los  desengafien  del  error  que 
padecen,  dindolos  ä  entender,  que  aquellos  dias  que  alli  vienen  es  la  falsedad  antigua, 
y  que  no  ^s  aquello  conforme  i,  lo  antiguo,     (Sahagun). 


382^  DER  ISTHMUS  UXÜ  GUATEMALA. 

weise  in  dell  Mund  derjenigen  Indianerin  geflogen  sei,  für  welche 
diese  Dosis  bestimmt  gewesen  (el  la  havia  visto  ir  por  el  aire  ä  la 
boca  de  dicha  Indiana).  Dies  wurde  als  lautere  Wahrheit  befunden 
und  so  ratiffcirt  (es  la  verdad,  y  en  ella  se  afirma  y  ratifica),  und 
da  der  mit  so^lch  heiligen  Sachen  beschäftigte  Mönch  von  der  pro- 
fanen  Schreibekunst  nichts  verstand,  unterzeichneten  für  ihn  drei 
Zeugen,  darunter  der  spanische  Richter  des  District  s  (juez  repartidor 
de  los  Indios  d'e  el  Valle  de  Atlixco). 

Daran  schliesst  sich  die  schreckliche  Erzählung  von  einer  India- 
nerin von  Apozol,  der,  weil  sie  im  Affect  ihre  schlechtere  Hälfte 
zum  Teufel*)  gewünscht,  dieser  in  der  Gestalt  eines  kurz  vorher  Ver- 
storbenen erschien  und  ihr  ein  Eisen  um  die  Kehle  geschmiedet 
habe  (un  hierro   por  la  garganta),    um    ihre    Seele    festzuhalten  und 


*)  Im  Deccmber  1877  «"ählt  die  „Nürnb.  Pr."  folgende  Geschichte  :  In  dem  bayeri- 
schen Marktflecken  Abbach     befindet    sich    eine    kranke  ^    blödsinnige  Schuhmachersfrau. 
Man  war  der  Anschauung,  die  yrau  sei  vom  Teufel  besessen,  und  gegen  den  war  in  dem 
Gnadenorte  Mettenbuch  gewi:  \S  Hülfe  zu  finden ,    dort  muss  er  ausgetrieben  werden.     So 
reiste  man  vorige  Woche,  am   21.  November,  mit  dieser  Frau  nach  dem  Gnadenorte.     In 
Metten  angelangt,  begaben  sie*  sich  in  das  Kloster,  woselbst  die  Frau  von  Herrn  Pfarrer  P. 
Anglhuber  benedicirt  wurde,    ^^ach  der  Segnung  setzte  man  den  Weg  nach  dem  Gnaden- 
orte selbst  fort.     An  demselben,  angekommen,  wurde  nun  ein  Schauspiel   aufgeführt,  wie 
es  betrübender  nicht  gedacht  v  /tfden  kann.     Die  unglückliche  Frau ,    welche  sich  gewei- 
gert hatte,  den  Ort  zu  besuche  tkf   wurde    von  den  beiden  Personen,    die   sie  begleiteten, 
ihrem  Ehemann  und  einer  Ein  ^ohnerin  von  Abbach  und  von  dem  am  Wallfahrtsorte  be- 
schäftigten Tagelöhner  Gerstl  1  nit  Gewalt  und  unter  schweren  Misshandlungen  in  die  dort 
befmdliche  hölzerne  Capelle  g  sbracht.     Vor    dem  Altar    sollte    nun    der   Teufel   aus    der 
Frau  ausgetrieben  und  ihre  Finger,  welche   in    Folge   mehrjähriger  Krankheit  krampfhaft 
eingezogen  waren,   ausgestrec!d    und   damit  ein  Wunder  vollzogen  werden,    das  den  Ruf 
Mettenbuch's  hell  strahlen  liess  über  den  Marpingen's.    Unter  den  grässlichsten  Schmerzen 
und  beispiellosen  Hülferufen  worden    der  Frau  nun  von  dem  Tagelöhner  Gerstl  die  Finger 
der  rechten,  von  der  Einwohnerin  von   Abbach  die  Finger  der  linken  Hand  ausgestreckt, 
während  der  Ehemann  die  Gemarterte  .Hielt.     Die   Finger   sind   allerdings    gestreckt    und 
gerade,  aber  gebrochen  in  den  Gelen kei  1.     Nicht  achtend  der   qualvollen  Leiden ,  wurde 
nun,  da  der  Teufel  noch  nicht  gewichen    war,  die  arme  Frau  unter  erneuten  körperlichen 
Misshandlungen  an  den  Gnadenbrunnen  g  «schleppt,    und  da  sie  sich  weigerte,   von  dem 
schmutzigen  Wasser  zu  trinken,  wurde  ihr    durch  den  Tagelöhner  Gersd  mit  einem  Stücke 
Holz  der  Mund  aufgespreizt  und  ihr  dann  \  nsa.  dem  Wasser  eingegossen.    Ueber  und  über 
mit  Blut  bedeckt,  wurde  sie  wiederholt  in  d  »  Capelle  geschleppt.     Man  wollte  sie  zwin- 
gen, zu  beten.     Nachdem   sie  dies   zu    thun     sich  geweigert,    schlug  und  stiess  man  sie 
erneut,  bis  sie  ein  rettender  Engel  in  Gestalt     ciaes  Polizeiorgancs ,    des  Gemeindedieners 
von  Metten,  aus  den  Krallen  der  Unmenschen    befreite.     Während  des  Vorfalles  war  eine 
grosse  Menschenmenge    anwesend    und   betete     fi**"  die  vom  Teufel  Besessene.     Der  Ehe- 
mann hat  schliesslich  die  Sache   in   Abbach  do  ch   zur  Anzeige   gebracht   und  die  Unter- 
suchung ist  bereits  eingeleitet.     Der  praktische     Arzt   Dr.  Faltermaier  dortselbst  lässt   der 
Misshandelten    ärztliche  Hülfe    angcdeihcn.     Die     Beschreibung   eines  Exorcismus    in  aller 
Form  Rechten's,  lege  artis,  (vom  23.  April  1877)     findet  sich  in  No.  296 — 298  der  Berliner 
Zeitung  Germania  (Dec.  1877),  von  erbaulichen  B.  ^crkungen  begleitet. 


LA   CilM)An   (lUATEMALA.  383 

für  sich  zu  nehmen  (Ilevar  su  alma),  so  dass  man  vom  Himmel  eine 
Deputation  schöner  Knaben  (que  excedian  en  hermosura  ä  los  hijos 
de  Espafla)  abschicken  musste  mit  einem  grossen  Kreuz  (una  cruz 
muy  grande  y  resplandeciente)  in  Procession  getragen,  um  sie  zu 
befreien,  wie  es  durch  den  schönsten  der  Knaben,  mit  einem  Buch 
in  der  Hand,  geschah  (le  quitö  aquel  hierro  que  el  demonio  le 
avia  clavado,  y  luego  desapareciö  toda  aquella  Vision).  Das  an- 
schliessende Capitel  enthält  Berichte  von  Todtenseelen,  die  in  ihren 
Körper  zurückkehrten,  das  nächste  von  Erscheinungen  Verstorbener 
und  andere  Gespenstergeschichten^),  so  dass  die  christlichen  Missionäre 
den  Heiden  Erbauliches^)  genug  zu  erzählen  hatten  (und  der  Mangel 
an  Leihbibliotheken  mit  schauerlichen  Subscriptionsheften  kaum  gefühlt 
sein  wird). 

Bei  der  Weiterfahrt  stiegen  wir  einen  Hügelzug  empor,  unter 
einem  Niederblick  auf  das  in  Beeten  ausgelegte  Thal  mit  engem 
Ausgang,  während  in  einem  Winkel  zwischen  Berghügeln  der  See 
am  Ende  des  begrenzenden  Hügelzuges  glänzt.  Ueber  eine  gewellte 
Hochebene  stiegen  wir  eine  gebrochene  Niederung  hinab  (bei  Villa 
nueva)  und  fanden  uns  dann  zwischen  steinig  sandigen  Hügeln  mit 
brauner  Vegetation. 

Als  wir  das  Flussbett  des  Varna  durchfuhren,  kamen  uns 
deutsche  Landsleute  entgegen,  die  in  Guatemala  die  telegraphisch 
vom  Hafen  gemeldete  Passagierliste  gelesen  hatten  und  niich  jetzt 
in  ihre  Kalesche  aufnahmen,  die  der  Diligence  voraufeilte.  Im  raschen 
Fortgang  über  die  hingebreitete  Fläche  gewannen  wir  bald  den  An- 
blick Guatemalas,  in  der  Ebene  an  niedriger  Höhenreihe  gelegen, 
und  konnten  im  Hotel  den  Reisestaub  abbaden. 

Durch  freundliche  Unterstützung  des  Kaufmanns,  Herrn  Lehnhoff 
(von  der  Firma  Hockmeyer  &  Co.)  vermochte  ich  mich  bald  über  die 
dortigen  Alterthümer  zu  orientiren,  die  sich  hier  und  da  in  Privathän- 
den befanden,  und  von  denen  auch  der  Händler  Morales  früher  einige 

*)  Im  Jahre  1728  ,, machte  ein  Kobold  zu  Wulkow  viel  Aufsehen,  indem  er  Würste, 
Schinken  und  andere  essbare  Dinge  zum  Schornstein  hinausführte,  worüber  umständliche 
Berichte  nach  Hofe  gesandt  werden  mussten,  und  zeitige  Geistliche  bewiesen  aus  der  hei- 
ligen Schrift,  ausErasmus  Francisci  höllischem  Proteus  (u.  s.  w.),  dass  die  Kobolde  ,,certae 
species  spectrorum"  wären,  die  durch  Gottes  Zulassung  erscheinen,  und  sodann  fromme 
Christen  weidlich  ängstigen  und  quälen  konnten"  (König). 

•)  Was  ist  freilich  Alles  das,  aus  tempi  passati,  gegen  die  Beschämung,  welche  unser 
armes  Vaterland  des  XIX.  Jahrhunderts  durch  die  dilarimenta''puerilia  Marpingen's  und 
Dietrichswalde's  in  Folge  pfäffischer  Verdummung  erlitten  hat.  Tantum  religio  potuit 
suadere  malorum. 


384  DEK  ISTHMUS  UND   GUATEMALA. 

besessen.  Interessante  Stücke  enthält  die  Sammlung  in  dem  Museum 
der  1795  gestifteten  Economica  (Sociedad  economica  de  amigos  del 
pais  de  Guatemala)  oder  Sociedad  patriotica,  wo  ich  durch  Herrn 
Juan  Rodriguez  eingeführt,  und  mit  dem  Secrtär,  Herrn  Batres,  be- 
kannt gemacht  wurde,  sowie  später  mit  dem  Director.  Durch 
gleiche  Vermittlung  erhielt  ich  auch  Zutritt  zu  der  Universitäts- 
bibliothek und  die  Benutzung  derselben.  Aeltere  Manuscripte  fanden 
sich  in  den  Händen  Herrn  Juan  Gavarrete's,  der  sie  mir  bereitwillig 
zur  Disposition  stellte,  und  in  dem  Gespräche  mit  ihm  sowohl,  wie 
mit  seinem  Bruder,  Herrn  F.  Gavarrete,  stellte  ich  einen  Plan  zur 
Bereistmg  des  Landes  fest,  damals  noch  in  der  Hoffnung,  auf  der- 
selben, in  Folge  der  abgeschickten  Telegramme,  mit  Herrn 
Dr.  Berendt,  der  sich  in  Coban  aufhielt,  auf  dem  Wege  zusammenzu- 
treffen. 

Der  frühere  Klostergarten  in  dem  jetzigen  Gebäude  der  Univer- 
sität sollte  durch  einen  dort  angestellten  Schweden,  Herrn  Boehn- 
stroem,  in  einen  botanischen  Garten  umgewandelt  werden,  war  aber, 
in  Folge  der  geringen  Unterstützung  aus  den  öffentlichen  Fonds, 
noch  weit  von  dem  Anspruch  auf  einen  solchen  Namen  entfernt. 
Eine  solche  Vernachlässigung  frappirt  um  so  mehr  in  den  centralen 
Ländern  Nordamerica's,  wo  die  Natur  selbst  gewissermassen  alle  Er- 
leichterungen für  den  anzustrebenden  Zweck  an  die  Hand  giebt,  und 
wo  Bernal  Diaz  de  Castillo  bereits  mit  Entzücken  und  Verwunderung 
von  den  prächtigen  Gärten  *)  redet,  die  er  neben  den  Landsitzen  der 
Grossen  angelegt  fand,  mit  Nutz-  und  Zierpflanzen  nicht  nur,  sondern 
zugleich  mit  Heilkräutern  versehen.  Carli  meint  deshalb  auch,  dass 
Europa  die  Idee  der  botanischen  Gärten,  von  denen  er  den  ersten  1 545 
in  Padua  angelegt  nennt  (oder  früher  schon  in  Salerno),  von  den 
Mexicanem  entlehnt  habe,  und  ebenso  gingen  diese  in  den  zoolo- 
gischen Gärten  voran,  wie  die  von  Cortez  beschriebenen  Vogelhäuser 


>)  Neben  den  Gärten  von  Mexico  und  Tezcuco  waren  besonders  die  von  Iztalapan 
und  Huaxtepec  berühmt,  in  Quadraten  ausgelegt,  die  von  Gängen  in  Spalieren  durch- 
schnitten, Fischweiher  einschlössen.  ,,£ine  unglaubliche  Menge  von  Bäumen  und  Pflanzen 
aller  Art  wurden  hier  in  einer  gewissen  Ordnung  gepflanzt  und  aufgezogen,  in  gewissen 
Kntfemungen  standen  auch  kleine  Lusthäuser.  Man  sah  hier  eine  ansehnliche  Sammlung 
nus  fremden  Ländern  gebrachter  Gewächse.  Die  Spanier  erhielten  diese  Gärten  viele 
J.ihre  lang  und  pflegten  allerlei  dem  Klima  angemessene  Arzneikräuter  darin  zum  Ge- 
brauch des  dort  angelegten  Hospitals"  (in  Huaxtepec).  The  torches  were  applied  (s.  Pres- 
cott)  an  Montezuma's  Vogelhaus  (152 1),  und  auf  der  Brandstätte  wurde  ein  Franciscaner- 
Kloster  erbaut 


MOUXDs.  385 

in  Montezuma's^)  Pallaste  beweisen,  und  die  Menagerie  wilder  Thiere^) 
die  bei  den  Höfen  mexicanischer  Könige  sowohl,  wie  bei  den  peru- 
anischen in  Cuzco  geschildert  werden  (im  Anschluss  an  classische 
Aviarien  und  Piscinen). 

Herr  Baron  du  Theil,  der  bereits  für  Brasseur  de  Bourbourg 
thätig  gewesen,  machte  mir  Mittheilungen  über  Alterthumsfunde  auf 
seinen  Besitzungen,  und  einige  alte  Steinfiguren,  die  aus  umliegenden 
Hacienden  nach  der  Stadt  gebracht  waren,  fanden  sich  im  Hofe  des 
Museums,  sowie  an  Strassenecken  aulgestellt. 

WerthvoU  war  mir  zugleich  die  Bekanntschaft  des  nordameri- 
canischen  Ministers,  Herrn  Williamson,  der  sich  bereits  mit  Erfor- 
schung der  einheimischen  Alterthümer  beschäftigt  hatte,  besonders 
in  Betreff  der  Tumulus',  die  man  ausserhalb  Guatemala,  auf  dem 
Wege  nach  Mixo  trifft,  und  in  denen  gelegentliche  Funde  gemacht 
sind.  Von  dort  sieht  man  den  Kegel  des  Vulcan  del  Agua  in  der 
Mitte,  auf  der  einen  Seite  den  Vulcan  von  Pacaya,  mit  zwei  kleinen 
Spitzen  zwischen  Höhen,  und  auf  der  anderen  den  Vulcan  del  fuego 
in  zweifachem  Doppelkegel.  Guatemala  la  Nueva  oder  Santjago  de 
Guatemala  liegt  5060  F.  hoch  in  einem  angenehm  frischen  Klima  und 
durchsichtiger  Atmosphäre  und  wurde  von  den  durch  die  Natur  aus  Alt- 
Guatemala  Vertriebenen  in  dem  Valle  de  las  Vacas  erbaut,, wo  Bar- 
reda    im  Jahre  1529  das  erste  Vieh  aus  Cuba  eingeführt  hatte. 

Auf  der  nahe  gelegenen  Haciendä  de  Naranjo  findet  sich  neben 
zwei  kleinen  Erdhügeln  in  länglicher  Vertiefung  (an  zwei  Stellen)  ein 
Cafetal.  Im  Portrero,  auf  der  Plaza  de  Montezuma  (oder  der  Piedra 
parada)  findet  sich  vor  einem  Erdhügel  (nach  Osten  gerichtet)  ein 
Stein  mit  durchreichendem  Loch  und  Rinne  zum  Abfluss,  neben 
einem  eingekerbten,  und  weiterhin  einem  schräg  geneigten.  In  einiger 
Entfernung  gegenüber  steht  eine  in  Zwischenräumen  unterbrochene 
Reihe  von  5  rohen  Felsblöcken  und  dahinter  (nach  einem  gestreckten 
Hügel  zu)  eine  Gruppe  länglich  hoher  Steine  in  sechseckiger  Gestalt. 
Herr  Williamson  hatte  Zeichnung  und  Beschreibung  vorbereitet. 

Ausserdem  wurden  in  der  Nähe  die  Steinruinen  von  St.  Miguel 
de  Pitapa,  und  die  der  Plaza  de  Montezuma  bei  Naranjo  erwähnt. 
Von  der  letzteren  wurde  ein   sechsseitiger  Stein,   hoch    und   schmal, 

*)  Die  ausführliche  Beschreibung  in  Cortez'  Briefen,  besonders  Segunda  corta-rtlacion 
de  Heman  Cortez'  al  Emperador,  fecha  en  Segura  de  la  Sierra  ä  30  de  Oclubrc  de  1520 
(S.  110 — III  in  Gayangos'  Ausgabe). 

')  Die  wilden  Thiere  der  Menagerien  erschienen  den  Spaniern  als  ,,cosas  infernales", 
da  das  Gebrüll  der  Löwen  und  Tiger,  sowie  das  Hissen  der  Schlangen  für  sie  einen  Höllen- 
spectakel  bildete  (era  gnma  oirlo  y  parecia  infierno). 

Bastian:  America*  I.  ^ 


386  DER  ISTHMUS  UND  GUATEMALA. 

nach  der  Hauptstadt  gebracht  und  findet  sich  an  einer  Strassenecke 
aufgestellt.  Eine  Steinfigur  mit  Ohrverzierungen,  die  aus  der 
Hacienda  del  Incenso  stammt,  steht  bei  der  Kirche  der  Escuela  del 
Christo,  an  einer  Ecke  des  Vorhofes.  In  den  Mogotes  genannten 
Erdhügeln  zwischen  Guatemala  und  Mixco,  sind  bei  Nachgrabungen 
Reibsteine  und  Kupferschaalen  zum  Vorschein  gekommen,  sowie  ver- 
brannte Kohlen. 

Während  meines  Aufenthaltes  wurde  ich  in  einigen  der  dortigen 
Club's  eingeführt,  in  deren  einem  die  überwiegende  Mehrzahl  von 
Deutschen  gebildet  wurde,  und  die  Stiftung  Herrn  Rohrmoser  zu 
danken  war,  dessen  schon  länger  im  Lande  ansässiger  Vater  manche 
Mittheilungen  über  dasselbe  machen  konnte. 

Für  die  Landreise  hatte  ich  mich  aufs  Neue  zu  equipiren,  da  es 
sich  nicht  verlohnt  haben  würde,  die  frühere  Ausrüstung,  auf  Dampfer 
und  Eisenbahn,  unter  Frachtzahlungen,  mitzuführen.  Doch  brauchte 
sie  diesmal  in  weniger  umfassender  Weise  gemacht  zu  werden,  weil 
nur  für  die  letzte  und  kürzere  Tour  bestimmt.  Statt  eines  Kaufes 
der  Thiere  genügte  diesmal  ein  Miethen  derselben,  und  hatte  Herr 
Lehnhoff  zugleich  die  Güte,  mir  ein  bequemes  Reitpferd  aus  seinen 
Stallungen  für  eignen  Gebrauch  zu  überlassen.  Auch  das  Sattelzeug 
erhielt  ich  in  einigen  Stücken  leihweis,  und  konnte  zugleich  bei  den 
abhanden  gekommenen  Waffen,  die  man  wenigstens  der  Etiquette 
wegen  mitzuführen  hat,  neuen  Ankauf  dadurch  vermeiden ,  dass  mir 
ein  anderer  Revolver  für  die  Reise  zur  Verfügung  gestellt  wurde. 

Die  von  dem  früheren  Präsidenten  Carrera  angelegte  Fahrstrasse 
erlaubte  eine  Verbindung  der  Hauptstadt  mit  Quetzaltenango  durch 
eine  Diligence,  doch  würde  mich  dieser  Weg,  der  ohnedem  ein  zeit- 
raubender ist,  von  meiner  Richtung  abgeführt  haben,  so  dass  ich  bei 
dem  Reitthiere  zu  verbleiben  vorzog. 

Nachdem  Alles  vorbereitet  war,  ritt  ich  am  Morgen  des  Mai  29. 
vom  Hotel  ab,  mit  Führer  und  Lastthier,  und  zugleich  ein  Reitthier 
zum  Wechsel  mit  mir  führend.  Durch  die  eingebuchtete  Ebene  (mit 
Erdhügeln  an  der  Seite)  gelangten  wir  zu  der  begrenzenden  Höhen- 
kette, an  deren  Abhang  Mixco  liegt.  Beim  Ansteig  blickt  man 
auf  den  Vulcan  von  Pacaya  mit  vier  Spitzen  (die  beiden  mittleren 
eingesenkt)  und  daneben  die  Vulcane  des  Wassers  und  Feuer's. 

Nach  dem  Hinaufklettern  der  steilen  Strasse  im  Pueblo  Mixo, 
kamen  wir  in  Buschwald  und  ritten  dann  über  welligen  Grund  mit  Wiesen 
über  die  Höhen  gebreitet,  auf  längsstreifende  Bergreihen,  in  spitzigen 
Erhebungen,    blickend.     Beim  Dorf  St.  Jago    die  Brücke    über   den 


CHIMALTENANGO.  387 

dortigen  Fluss  passirend,  gelangten  wir  in  wellig  gebrochenes  Land 
mit  kuppelartigen  Erhebungen  und  ritten  xiann  durch  ofifen  zerstreu- 
ten Wald,  in  welchem  Pino-Bäume  ihren  Harzgeruch  der  (an  der  Isla 
de  Pinos^)  das  Meer  erreichenden)  Fichten  verbreiteten.  Locale 
Wirbelwinde  zogen  in  ihren  Trichtern  Staub  und  abgefallene  Blätter 
empor.  In  einer  Mulde  lag  das  Dorf  Sumpareo  und  bei  einer  Po- 
sada, ausserhalb  desselben,  rasteten  wir  für  Fütterung  der  Thiere 
während  des  Frühstücks. 

Am  Nachmittag  durchritten  wir  eine  gebrochene  Gegend  mit 
Barrankas  und  dann  hügelige  Parks,  abwärts  steigend  in  eine  Ebene, 
deren  umgrenzende  Bergreihe  sich  von  dem  Vulcan  Antigua  in 
Höhen  umherzieht  und  später  niedrig  auflöst.  In  der  Fläche  liegt 
Chimaltenango  (campo  de  los  escudos),  wo  wir  in  dem  Hotel  der 
t)iligenz,  die  hier  die  Verbindung  mit  der  Hauptstadt  (bis  Quetzal- 
tenango)  unterhält,  abstiegen  (6100  F.  hoch). 

Die  niedrige  Erhöhung  der  Kirche  findet  sich  nach  den  dort 
abfliessenden  Bächen  auf  der  Wasserscheide  zwischen  Pacific  und 
Atlantic,  durch  den  in  den  Matagua  mündenden  Piscaya  zum  erste- 
ren,  durch  den  Guacalate  zum  letzteren. 

Chimalcan  oder  Chamalcan,  der  in  der  geheiligten  Fledermaus 
(der  Zotziles)  erscheinende  Gott  der  Cakchiquel,  erhielt  Opfer  von 
Katzen,  als  Symbol  der  Nacht,  neben  blutigen  Dornen  und  Weih- 
rauch. Unter  den  Thon-Idolen  der  Chibchas  findet  sich  die  Fleder- 
maus in  Paaren. 

Beim  frühen  Aufbruch  am  nächsten  Morgen  (Mai  30.)  ritten  wir 
durch  Ebenen,  dann  am  Höhenzug  aufwärts  steigend  und  an  den  Ab- 
hängen von  Hügeln  hin,  die  in  Flächen  verlaufen.  Blumen  blühten 
an  dem  von  feinblättriger  Vegetation  geschmückten  Wege.  Im  hüge- 
ligen Bergland  erblickt  man  drei  Erdhaufen  neben  Trümmerresten, 
die  als  alte  Befestigungen  galten.  Durch  Schluchten  abwärts  kamen 
wir  beim  Flusse  Xeia  zur  Molina  Helvetia  oder  Schweizer-Mühle, 
wo  ich  gastliche  Aufnahme  bei  Herrn  Alfred  Bleuler  fand,  der  dort 
für  ein  Exportgeschäft  Waizen  mahlen  lässt.  Der  Fluss  strömt  durch 
ein  Waldthal,  an  dessen  Seite  eine  bewaldete  Bergwand  emporrragt,  auf 
welcher  mir  die  Ruinen  von  Ochertinamit  (ciudad  de  antes)  oder  Pati- 
namit  angegeben  wurden,  das  königliche  (oder  Tecpan-)  Guatemala. 

Mit  einem  von  Herrn  Bleuler  gegebenen  Führer  begann  ich  den 
Ansteig,  dann  über  buschig  bewaldete  Ebene  folgend  zwischen  seit- 
lichen Tumuli  mit  Steinhaufen.  Bei  der  Abzweigung  der  Strasse 
wurde  der  Bursche  mit  dem  Gepäck  nach  Tecpan-Guatemala  voran- 

^)  Pinus  occidentalis,  dann  Pinus  hirtella  und  Pinus  religiosa. 

25* 


38H  DER   ISTHMUS   UND   GUATEMALA. 

geschickt,  während  ich  mit  dem  Führer  in  die  Schlucht  hinabstieg, 
zu  einem  Flüsschen  in  der  Tiefe,  und  dann  aufwärts  an  der  Berg- 
wand, in  einem  gewundenen  Weg,  eng  ausgeschnitten  aus  dem  Fels, 
als  Theil  der  Aussenbefestigungcn  der  alten  Stadt.  Auf  der  flachen 
Höhe,  die  von  einem  waldigen  Höhenkranz  umgeben  war,  und  an 
einer  Seite  von  hinter  einander  aufsteigenden  Waldbergen,  fanden 
sich  aus  Steinen  aufgeschüttete  Tumuli,  oft  auch  in  Reihen  verfolg- 
bar. Von  dem  höchsten  derselben,  der  Stätte  des  früheren  Palastes, 
überblickt  man  den  Bergwald  in  jetzt  wild  öder  Gegend.  An  eini- 
gen Blöcken  Hess  sich  die  Behauung  erkennen  und  mit  Ornamenten 
sculptirte  Steine  lagen  auf  dem  Platz,  wo  der  Tempel  gestanden  haben 
soll.  Bei  mehreren  der  Hausreste  bemerkte  man  zu  beiden  Seiten,  und 
auch  davor,  Ausschnitte,  die  als  Gräber  gedient,  und  die  (grösstentheils 
verschütteten)  Wände  waren  mit  breiten  Kalkplatten  belegt  gewesen. 

Im  alten  Tecpan-Guatemala,  auf  der  von  den  Cakchiquel  unter 
Baquahol  (dem  Gegner  Hacavitz  s)  in  Besitz  genommenen  Oertlichkeit 
von  Iximche,  befestigte  sich  Jiutemal  oder  Xiutemal  (der  Eponym 
Guatemalas)  in  seinen  Kriegen  mit  Acxoquauh,  dem  Könige  der 
Zutugiles,  bis  er  durch  den  Tod  seines  Vaters  Acxopal  auf  den 
Thron  Utatlan's  berufen,  das  bisherige  Reich  seinem  Sohne  überliess. 

Nachdem  wir  das  umliegende  Terrain  bis  zum  Herannahen  der 
Dämmerung  zu  Fuss  durchschritten ,  begaben  wir  uns  zu  den  angebun- 
denen Thieren  zurück  und  dann  auf  die  Strasse,  die  unsjdurchgebrochenen 
Hügelgrund  nach  (dem  jetzigen)  Tecpan-Guatemala  führte,  am  Fusse 
hoher  Waldgebirge  gelegen.  Ich  traf  durch  den  Burschen  im  Wirths- 
haus  das  Nöthige  vorbereitet,  fand  es  aber  zu  spät  für  eine  genauere 
Besichtigung  der  Kirche,  in  welcher  aus  früheren  Berichten  von  dort 
vorhandenen  Alterthümern  gesprochen  wird.  Einiges  dahingehörige 
sah  ich  auf  dem  Hof  eines  Privathauses  liegen ,  dessen  Eigenthümer 
indess  verreist  war,  so  dass  sich  keine  weitere  Auskunft  erlangen 
liess,  als  dass  die  Steine  von  den  Ruinen  des  Pueblo  viejo  oder  Pati- 
namit  (Ochertinamit  oder  Pueblo  de  antes)  kämen.  Im  Besonderen 
wurde  darunter  ein  steinerner  Löwe  (oder  Puma)  genannt,  im 
Besitz  des  Herrn  Pantaleon  Galindo.  Ausserdem  sprach  man  von 
einer  dort  gefundenen  Steinmaske,  die  bei  Nacht  geredet,  sowie 
von  den  in  einer  Baranka  versunkenen  Glocken,  deren  Töne  noch  mit- 
unter heraufklängen  (dem  Orakelstein  u.  s.  w.). 

Die  Bezeichnung  Ocher-Tinamit  meint  die  Stadt  (Tinamit)  von 
Alters  her  (ocher).  In  der  Umgegend  liegt  das  alte  Mixo,  von 
wo  das  jetzige  (bei  der  Hauptstadt)  besiedelt  wurde. 


LÖSS.  389 

Unter  seinen  Ruinen  (bei  St.  Martin  de  Xilotepeque)  findet  sich 
der  Rest  eines  Tempels  mit  Nischen  in  den  Wanden  (und  Stein- 
figuren umherliegend).  Die  Mauern  sind  mit  einer  Kalkmasse  zu- 
sammengefügt, die  aus  dem  Mahlen  der  Bausteine  selbst  herge- 
stellt ist.  In  St.  Martin  de  Xilotepeque  sollen  Bücher  in  den  alten 
Zeichen  der  Kachiquel- Sprache  erhalten  sein,  besonders  Uebersetzun- 
gcn  der  heiligen  Schrift,  die  in  der  Osterwoche  von  Einem  der 
Indianer  gelesen  werden.  In  der  Umgegend  wird  ausserdem  noch  von 
mancherlei  Alterthümern*)  gesprochen. 

Am  Morgen  (May  31.)  wurde  möglichst  früh  Alles  in  Bereitschaft 
gesetzt.  Wir  ritten  durch  eine  Ebene  am  Fusse  von  Waldhügeln 
hin,  aufwärts  und  dann  hinab  in  ein  gebrochenes  Muldenthal  mit 
Santa  Apollonia.  Aufsteigend  blickten  wir  auf  eine  jenseitige  Berg- 
wand und  stiegen  dann  abwärts  in  offene  Waldebenen. 

Nach  dem  Passiren  des  Flusses  der  Hacienda  Vieja  führte  uns 
auf  gebrochener  Fläche  der  Weg  durch  den  Fluss  Garrache.  Dann 
aufwärts  über  Kuppelhügel  und  hinab  in  ein  enges  Waldthal.  An 
basteienartigen  Höhen  mit  welligem  Abfall  wurde  der  Rio  de  los 
Trapiches  (neben  vereinzelten  Zuckerpflanzungen)  erreicht,  und  dann 
an  schroff  blendenden  Wänden  über  Thonboden^)  emporgestiegen. 


*)  Bei  Mixco  antiguo  sollen  sich  alle  Höhlen  finden,  die  von  den  Indianern  verbor- 
gen gehalten  werden.  Am  Vulcan  de  sieta  orejas  bei  Quetzaltenango  finden  sich  die 
Grundmauern  eines  Quiche-Palastes  und  wurde  dort  neben  anderen  Alterthümern  eine 
Knochenflöte  angetroffen.  In  Malacatang  bei  Huehuetenango  trifft  man  Reste  alter  Woh- 
nungen aus  Stein,  neben  Erdhaufen.  In  Soloma  (zwischen  Comitan  und  Huehuetenango 
finden  sich  Reste  alter  Steinlempel  (beim  Pueblo  San  Juan  Ixoy),  sowie  glasirte  Steine  bei 
San  Matheo  (und  auch  bei  San  Miguel).  In  Zagucalpa  (bei  Santa  Cruz  de  Quichö)  fin- 
den sich  alte  Ruinen.^  In  der  Hacienda  St.  Augustin  ist  eine  Goldkugel  mit  Flügeln  ge- 
funden. Steinfiguren  sind  in  Carmona  am  Vulcan  del  agua  (bei  Antigua)  zu  Tage  ge- 
kommen. Zwischen  San  Pedro  und  Chimaltenango  wurden  Steinfiguren  ausgegraben 
(darunter  Frauen  mit  Schlangen).  In  der  Nähe  von  St.  Luis  findet  sich  aus  Stein  gear- 
beitet die  Figur  eines  Indianers,  auf  den  ein  Tiger  heranspringt.  Bei  Chocolä  trifft  man 
den  Boden  mit  Obsidiansplittem  und  zerbrochenen  Steinspitzen  bestreut.  In  der  Plaza  de 
Montezuma  bei  Naranjo  (in  der  Nähe  Guatemala's)  finden  sich  aufrechte  Steine  zwischen 
künstlichen  Hügeln.  In  St.  Thomas  de  Chichicaste  liegen  unter  Erdhaufen  Alterthümer 
begraben.  In  Zaacalpa  sieht  man  mit  Blumen,  Zweigen  u.  s.  w.  verzierte  Steine,  aus  der 
Zeit  der  Indianer,  späteren  Bauten  an  Kirchen  oder  Brücken  eingemauert,  und  ist  (zwischen 
Santa  Cruz  de  Quichc  und  Coban)  die  Steinfigur  eines  Mannes  mit  Vogel  gefunden.  Bei 
St.  Cruz  Balanga  steht  ein  mit  Zeichen  figurirter  Stein.  In  Panebach  (adentro  de  la  piedra)  sind 
mancherlei  Alterthümer  hervorgefördert  (zwischen  Godines  und  Patzun).  Bei  Techinpatchc 
liegen  alte  Erdhügel  mit  GrSbem.  In  der  Hacienda  von  Quirigua  bei  Istapa  finden  sich  Reste 
alter  Gebäude  und  Götzen  aus  Stein.  Die  Monolithen  von  Quirigua  tragen  Hieroglyphen. 
Im  Pueblo  viejo,  sowie  sonst  am  See  von  Amatitlan,  wurden  Alterthi^mer  gefunden. 

')  Les  argiles  jauues  prennent  un  developement  Enorme  dans  la  belle  plaine  de  Santa 


390  DER   ISTHMUS  UND   GUATEMALA. 

Meiner  Begleitung  etwas  voraus  geritten,  rief  ich  einige  vorüber 
kommende  Indianer  herbei,  um  an  Ordnung  des  verschobenen  Sattel- 
zeuges zu  helfen.  Doch  verstanden  sie  sichtlich  nichts  davon  und 
hatten  sich  auch  nur  zögernd  genähert,  da  sich  hier,  wie  auch  in  einigen 
abgelegenen  Thälern  Südamerica's,  noch  eine  Art  Furcht*)  vor  dem 
fremden  Thiere  erhalten  hat,  welche  nicht  zu  verwischen,  im  Anfang 
der  Conquista  der  Verkauf  von  Pferden  und  Maulthieren  an  die 
Indianer  bei  Todesstrafe  verboten  war.  Besser  hatten  sich  dagegen 
die  energischen  Indianer  des  Südens  damit  abgefunden,  die  sie 
bald  zu  gebrauchen  wussten^). 

Wie  Benzoni  bemerkt,  war  es  zu  seiner  Zeit  ein  geläufiger 
Spruch,  dass  nicht  die  christliche  Ritterlichkeit,  nicht  ihre  Artillerie, 
die  Armbrust,  die  Schwerter  und  Lanzen  aus  schneidendem  Stahl 
oder  sonstige  Vorzüge  der  Bewaffnung,  die  Indianer  bezwungen 
haben,  sondern  das  Pferd  und  der  Schrecken,  den  es  cingeflösst. 
Bei  verschiedenen  Gelegenheiten  wird  in  den  Annalen  erwähnt,  wie 
die  Pferde  im  Ausschlagen  und  Beissen  ihre  Herren  im  Kampf 
unterstützten  oder  durch  furchtlosen  Anlauf  die  Verhaue  einrannten. 

In  dem  Wald  auf  der  Höhe  erreichten  wir  um  Mittag  ein  ein- 
.sames  Haus  (San  Francisco),  wo  zur  Fütterung  Halt  gemacht  wer- 
den konnte.  Mein  Bursche  hätte  diesen  gerne  zur  Nachtrast  ver- 
längert, da  es  ihm  bedenklich  schien,  die  Indianerdörfer  vor  uns,  wo 
man  jedem  Fremden  abgeneigt  sei,  spät  am  Tage  zu  passiren,  und 
schützte  er  auch  die  Ermüdung  der  Thiere  vor.  Doch  konnte  ich 
mir  eine  solche  Zeitverschwendung  nicht  erlauben. 

Wir  setzten  den  Weg  durch  die  Waldfläche  fort,  mit  dem  Blick 
aul  den  Kamm  belaubter  Berge,    und   durchritten  dann  eine  Ebene 


Cruz  de  Quich^  (2018  mdtres)  et  persistent  dans  les  cnvirons  avec  une  teile  intensitc, 
qu'elles  opposent  un  obstacle  sdrieux  aux  investigations  gcologiques  dans  le  puissant  ressaut 
montagneux  qui  söpare  ce  plateau  de  celui  de  Totonikapam  (Dollfus). 

^)  On  a  et^  plus  de  quarante  ans  au  Perou  sans  pouvoir,  ni  par  promesses  cngagcr 
les  Peruviens  h.  ferrer  les  chevaux,  ils  n'oseraient  les  approcher  de  cinquante  pas  et  plu- 
sieurs  tombazent  en  faiblesse  en  les  voyant  de  loin ,  bemerkt  Paw ,  indem  er  damit  die 
von  den  Römern  rascher  überwundene  P'urcht  vor  den  lucanischen  Ochsen  (boves  lucae) 
oder  Elephanten   vergleicht. 

^)  Als  die  Querandis  die  Spanier  unter  Mendoca  überfielen,  ,,ataban  los  Caballos  con 
ciertos  la^os  que  llevaban"  (Herrera).  Ebenso  wagten  die  Vucatanesen  zu  trotzen  und 
die  Indianer  waren  von  grosser  Stärke ,  porque  huvo  tal ,  rjuc  andando  un  Castellanu 
corricndo  con  su  caballo  a  media  rienda,  le  asiö  de  la  piern^y  le  detuvo,  como  si  fuera 
un  carnero  (s.  Herrera).  Auch  die  Chiapaneken  gewöhnten  sich  bald  an  die  Pferde  (sowie 
an  ihre  Zucht),  Das  1537  in  Buenos- Ayres  eingeführte  Pferd  fand  sich  1580  bereite 
an  der  Magellanstrasse. 


SANTA    CRUZ.  391 

mit  welligen  Erhebungen,  später  auf  gebrochenen  Grund  gelangend, 
und  mittelst  einer  Brücke  über  die  dortige  Barranca.  Durch  eine  in 
welligen  Hügeln  rollende  Hochebene  hinreitend,  passirten  wir  seitlich 
Chicastenango*),  wo  die  Indianer  auf  ihren  Milpas  noch  in  alten 
Traditionen  leben,  und  gelangten,  nachdem  wir  in  einer  Barranca 
nieder  und  auf  der  andern  Seite  wieder  emporgestiegen,  mit  An- 
bruch der  Dunkelheit  nach  Santa  Cruz  de  Quich^.  Das  dortige 
Wirthshaus  war  seit  einiger  Zeit  eingegangen  und  als  ich  mich  an 
den  Stellvertreter  des  abwesenden  Jefe  politico  wandte,  wies  er 
mich  in  das  Haus  seiner  Schwester,  wo  ich  in  Folge  solch'  officieller 
Anordnung  das  schmutzige^)  und  dunkle  Erdloch,  das  allein  als 
Fremdenzimmer  zur  Disposition  stand,  acceptiren  und  bei  meiner 
Abreise  mit  höheren  Preisen  bezahlen  musste,  als  sie  in  einem  Hotel 
ersten  Ranges  gefordert  worden  wären.  Dienstfertig  hatte  mir  die  Haus- 
wirthin die  Zubereitung  einer  Abendmahlzeit  offerirt,  und  kam  diese  in 
That  zu  Stande:  in  einer  Wassersuppe,  einem  auf  dem  kleinen  Teller 
noch  kleiner  verschwindenden  Stück  getrockneten  Salzfleisches  und 
einem  gekochten  Ei  bestehend,  auf  einem  ungehobelten  Holztisch ^) 
servirt,  minus  Messer,  Gabel  und  Löffel,  von  welchen  Utensilien 
der  Hausstand  auch  nur  die  letztern  auf  gestelltes  Verlangen  nach- 
zuliefern vermochte,  und  da  der  Rest  ohnedem  überflüssig  war,  Hess 
ich  mein  Besteck  in  dem  Vorrathskoffier  und  machte  den  Burschen  dem- 
selben nur  die  genügenden  Materialien  entnehmen,  um  zu  der  früheren 
Chocolade-Diät  zurückzukehren.  Als  Nationalgerichte  treten  in  Gua- 
temala bereits  (wie  in  Mexico)  die  Frijoles  oder  Bohnen  auf,  zum 
Unterschied  der  südamericanischen  Kartoffel  in  Locro  und  Chupe. 
Der  von  dem  Magistrat  verlangte  Führer  stellte  sich  am  Vor- 
mittag   ein  und  ritt  ich  mit  ihm  fort,    den  Burschen  für  die  Pflege 


*)  Chichicastenango  (Chuvi-La)  heisst  der  Ort  (co)  bei  (tenan)  dem  Chichicaztli- 
Baum. 

')  Der  Boden,  wie  meistens  aus  gestampftem  Lehm,  und  wenn  Clavigero  den  Mexi- 
canern  die  Erfindung  vindicirt,  auf  dem  Boden  des  Hauses  ein  Estrich  zu  schlagen,  (indem 
die  Europäer  dies,  seiner  Meinung  nach,  erst  von  jenen  gelernt  hätten),  so  würden  es  ihre 
Nachkommen  in  America  wieder  vergessen  haben. 

•)  Also  keine  fortschrittliche  Entwicklung  auf  diesem  Boden,  wo  schon  die  mit  dem 
alten  Heros  Votan  verknüpfte  Civilisation  von  der  Einführung  von  Tafeldecken,  Schüsseln, 
Handtüchern  u.  s.  w.  redet  (s.  Cabrera).  Im  Allgemeinen  wird  dergleichen  von  den 
Reisenden  weder  erwartet  noch'  vermisst  werden ,  aber  hier  befand  ich  mich  in  der  alten 
Hauptstadt  und  in  einem  auf  officielle  Empfehlung  von  der  Regierung  angewiesenem 
Logis.  Nach  Carli  hatten  die  Europäer  den  Gebrauch  von  Wärmschüsseln  unter  den 
Tafelgerichten  in  Mexico,  sowie  das  Kochen  in  kleinen  Oefen  statt  auf  offenen  Heerden, 
in  Peru  gelernt,  indem  die  dortigen  Frauen  die  spanischen  unterrichtet  hätten. 


y92  DER   ISTHMUS    UND   GUATEMALA. 

der  Thiere  zurücklassend.  Jenseits  der  Stadt  auf  einem  in  Barrancas 
durchschnittenem  Grunde  liegen  die  Ruinen  von  Utatlan  (Bazac  oder  los 
Edificios)  in  aufgethürmtem  Festungsgemäuer,  zwischen  dem  terrassen- 
artiggeschmälerte  Gebäude  aus  Erde  und  Stein  aufsteigen.  Die  verschie- 
denen Platform  sind  von  tiefgeschnittenen  Barranken  umzogen  und  ein 
enger  Weg  fuhrt  ab  und  auf,  von  einer  zur  andern.  Die  centralen  Pyra- 
miden-Ruinen umschliessen  einen  mit  Platten  bedeckten  Raum,  und 
daneben  unterscheiden  sich  die  Abschnitte  der  Häuser  mit  Steinen 
und  Kalkmasse  aufgeführt,  oder  aus  regelmässig  (länglich)  behauenen 
Steinen  (tuffartig).  Andere  sind  aus  schmalen  Schiefern  zusammen- 
geschichtet. Der  Umblick  umfasst  die  kahl  fortwellende  Hochebene 
von  der  umziehenden  Bergkette  her.  Einige  Kleinigkeiten  wurden 
auf  dem  Trümmerplatz  gefunden,  und  andere  Stücke  konnte  ich  bei 
der  Rückkehr  nach  Santa  Cruz  kaufen.  Wenn  schon  in  Galindo's 
Beschreibung  die  grossartigen  Schilderungen  Fuente's  (bei  Juarros) 
sehr  abgeschwächt  sind,  so  hatten  sich  auch  seit  Stevensons  Besuche 
die  Ruinen  noch  mehr  verändert,  obwohl  ihr  Umfang  immer  noch 
Manches  der  früheren  Bedeutung  erkennen  lässt.  Vieles  jst  bei  dem 
Aufbau  in  den  umliegenden  Ansiedlungen  verwendet,  so  dass  von 
der  „El  Resguardo"  genannten  Festung  sowohl,  wie  vom  „El  Sacrifica- 
torio"  oder  Opfertempel,  und  von  den  „maravillosos  edificios  de  cal 
y  canto"  (s.  Las  Casas)  nicht  mehr  viel  übrig  ist. 

In  der  Vorgeschichte  Gumarcaah's')  (der  Platz  verdorrter  Schilfe) 
oder  Utatlan  (Utitlan),  wohin  durch  Copichoch,  Tamub's  Sohn,  das  Pal- 
ladium des  schwarzen  Steines  (in  irisch-gälischen  Analogien)  gebracht 
wurde,  spielt  der  Name  des  in  die  Reihe  der  vergötterten  Propheten  ein- 
tretenden Priesterfürsten  Gucumatz.  Die  spätere  Königsreihe  beginnt 
mit  Acxopil  (Acxopal),  dem  Sohn  des  auf  der  Wanderung  verstorbenen 
Patriarchen  Nimaquiche,  und  ihm  folgte  sein  Sohn  Jiutemal,  der  bis 
dahin,  als  Erbprinz,  in  Tecpan- Guatemala  residirt  hatte.  Als  Be- 
gründer des  Quiche- Reiches  durch  die  Ausdehnung  seiner  weiteren 
P>oberungen    wird  im  Popul-Vuh  der  Heldenkönig  Quicab  gefeiert. 

Die  Versuche  der  mexicanischen  Könige,  in  Guatemala  festen 
Fuss  zu  fassen,  begannen  (nach  Juarros)  mit  Ahuitzotl,  der  durch 
seine  spionirenden  Gesandtschaften  Intriguen  anzuspinnen  suchte. 
Bald  schon  liefen  unheilkündende  Vorhersagungen  des  dafür  mit 
seinem    Leben    büssenden  Seher    durch    das  Land,    düstere  Zeichen 


^)  Gumarcaah  wird    auch    erklärt   als   unter  dem    liiminel    (call)   ausgebreitet    (mah) 
mit  CO  oder  gu  (folgend). 


UTATLAN.  393 

schreckten  am  Himmel  und  auf  der  Erde,  Feuerkugeln  rollten  durch 
die  Luft,  pestilentische  Epidemieen  rafften  die  Bewohner  dahin,  und 
dann  rückte  Alvarada,  bereits  im  Bunde  mit  den  verrätherischen 
Cakchiquel,  vor  die  Hauptstadt  der  Quich&  (1524),  die  dann  das 
Loos  der  übrigen  America's  theilte.  Von  dem,  was  die  ersten  Ent- 
decker und  Eroberer,  als  Augenzeugen,  dort  und  in  Mexico,  sahen, 
und  uns  in  ihren  Beschreibungen*)  hinterlassen  haben,  ist  jetzt  kaum 


*)  „Bevor  ich  nun  aber  anfange,  von  dieser  grossen  Stadt,  und  anderen,  die  ich 
bereits  zuvor  genannt,  das  Einzelne  zu  berichten,  scheint  es  mir,  dass,  zum 
bessern  V'erständniss,  vorab  etwas  über  die  örtliche  Lage  des  Landes  Mexico  gesagt 
werden  muss,  wo  diese  grosse  Stadt  nebst  einigen  anderen,  deren  ich  erwähnt,  und  zu- 
gleich  die  grösste  Herrlichkeit  dieses  Muteczuma  sich  befindet  Es  ist  nun  diese  besagte 
Provinz  rund,  und  ganz  umgeben  von  hohem  und  rauhem  Gebirge ;  und  das  in  der  Mitte 
liegende  Thal  hat  etwa  siebenzig  Leguas  im  Umkreise;  und  im  besagten  Tbale  sind 
zwei  Landseeen ,  welche  es  beinahe  einneliroen ,  denn  ein  Umkreis  von  mehr  als  fünfzig 
Leguas  wird  mit  Kähnen  beschifft.  Und  eine  dieser  beiden  Lagunen  ist  von  süssem 
Wasser,  die  andere  grössere  aber  von  Salzwasser.  Beide  sind  an  einer  Seite  durch  eine 
kleine  Kette  sehr  hoher,  mitten  im  Thale  befindlicher  Hügel  von  einander  getrennt,  ver- 
einigen sich  aber  endlich  M'ieder  in  ein&ro  engen  Thale,  welches  zwischen  diesen  Hügeln 
und  dem  Hochgebirge  sich  erstreckt,  und  etwa  einen  Armbrustschuss  breit  sein  mag; 
und  zwischen  beiden  I^gunen  und  den  daran  gelegenen  Städten  und  anderen  Ortschaften, 
verkehren  die  Leute  in  Kähnen  zu  Wasser,  ohne  eines  Landweges  bedürftig  zu  sein, 
l'nd  weil  die  grosse  gesalzene  Lagune  steigt  und  fallt,  in  regelmässiger  Fluth  und  Ebbe, 
wie  das  Meer,  so  treten  bei  jeder  Fluth  ihre  Gewässer  zur  andern  süssen  hinüber,  wie 
ein  gewalliger  Strom ,  und  folglich  bei  jeder  Ebbezeit  die  süsse  zur  gesalzenen.  Die 
Hauptstadt  Temixtitan  aber  liegt  in  diesem  gesalzenen  Landsee,  und  von  jedem  End- 
punkte des  Festlandes  bis  zum  Körper  der  besagten  Stadt,  von  welcher  Seite  man  auch 
kommen  möge,  sind  es  allemal  zwei  Leguas.  Sie  hat  vier  Eingänge,  alle  auf  Stein- 
dämmen zugänglich,  welche  von  Menschenhand  gemacht,  und  etwa  zwei  Reiterlanzen 
breit  sind.  Die  Stadt  ist  so  gross  wie  Sevilla  und  Cordova;  ihre  Strassen,  ich  rede 
hier  von  den  Hauptstrassen,  sind  sehr  breit  und  sehr  gerade,  und  einige  der  letzteren, 
j^owie  alle  übrigen,  sind  zur  Hälfte  fester  Boden,  und  zur  andern  Hälfte  Wasser,  wo  die 
Kähne  gehen;  und  alle  Strassen  sind  in  grösseren  Zwischenräumen  durchschnitten,  so 
dass  zwischen  ihnen  eine  Wasser\erbindung  stattfindet;  und  alle  diese  Durchschnitte, 
deren  einige  sehr  breit  sind ,  haben  ihre  Brücken ,  aus  grossen  und  starken  zusammen- 
gefügten Balken  sehr  wohl  verfertigt,  und  dergestalt,  dass  zehn  Reiter  in  Fronte  hinüber 
ziehen  können.  Und  da  ich  einsah,  dass,  wenn  die  Eingeborenen  dieser  Stadt  uns  irgend 
einen  Verrath  spielen  wollten ,  es  ihnen  dazu  nicht  an  Vorschub  fehlte ,  sintemalen  auf 
solche  Weise,  wie  ich  gesagt,  die  Stadt  gebaut  war,  und  sie  nur  die  Brücken  der  Zu- 
gänge abzuwerfen  brauchten,  um  uns  Hungers  sterben  zu  lassen,  ohne  dass  uns  möglich 
gewesen  wäre,  an's  Festland  zu  gelangen :  so  Hess  ich  gleich  nach  meinem  Einmarsch  in 
besagte  Stadt  in  grosser  Eile  vier  Brigantinen  erbauen,  und  bekam  sie  in  sehr  kurzer 
Zeit  fertig,  also  dass  damit  dreihundert  Mann  und  alle  Pferde,  so  oft  es  uns  gefiel,  zum 
Festlande  übergesetzt  werden  mochten.  Es  hat  diese  Stadt  viele  öffentliche  Plätze,  wo 
beständig  Markt  gehalten  wird,  und  allerlei  Handel  im  Kaufen  und  Verkaufen.  Dann  hat 
sie  auch  einen  anderen  öffentlichen  Platz,  so  gross  wie  zweimal  ganz  Salamanca,  ganz  in 
der  Runde  mit  Säulenhallen  umgeben,  wo  täglich  über  sechszigtausend  Seelen  sich  beisammen 
finden,  Käufer  und  V^erkäufer,  so  an  Provisionen  und  Lebensmitteln,   wie  an  Kleinodien 


394  DER   ISTHMUS  UND  GUATEMALA. 

nur  ein  schwacher  Schatten  noch  zu  erkennen,  wofür  man  Cortez 
Bericht  an  den  Kaiser  über  den  Verkehr  und  das  Treiben  im 
alten  Tenochtitlan  vergleichen  mag. 


von  Gold  und  Silber,  Blech,  Messing,  Knochen,  Muscheln,  Hummerschalen  und  Federn; 
auch  verkauft  man  Werksteine,  behauene  und  unbehauene,  Kalk-  und  Ziegelsteine,  Bau- 
holz zugerichtet  und  roh,  in  allerlei  Gestalten.  Auch  ist  da  eine  Jägerstrasse,  wo  alle 
Vögelgeschlechter  feil  sind,  die  das  Land  erzeugt,  als  Hühner,  Rebhühner,  Wachteln, 
wilde  Enten,  Fliegenschnäppei ,  Wasserhühner,  Turteltauben,  Holztauben,  kleine  Rohr- 
vögelein, Papageien,  Geier,  Adler,  Falken,  Sperber  und  Weihen,  und  von  einigen  dieser 
Raubvögel  verkauft  man  auch  die  Bälge  mit  Gefieder,  Kopf,  Schnabel  und  Klauen  daran. 
Man  verkauft  Kaninchen,  Hasen,  Hirsche  und  kleine  Hunde,  welche  verschnitten  und 
zur  Verspeisung  aufgemästet  sind.  Es  giebt  eine  Baumgärtnerstrasse,  wo  alle  im  Lande 
erzeugten  heilkräftigen  Wurzeln  und  Kräuter  sich  beisammen  finden.  Es  giebt  Häuser 
wie  Apotheken,  wo  man  bereitete  Arzeneien  verkauft,  sowol  Tränke,  als  Salben  und 
Pflaster;  es  giebt  Häuser  wie  Barbierstuben,  wo  die  Köpfe  gewaschen  und  geschoren 
werden;  es  giebt  Häuser,  wo  man  fiir  Geld  Essen  und  Trinken  verabreicht.  Es  giebt 
Leute  wie  die,  so  man  in  Kastilien  Ganapanes  nennt,  zum  Lasttragen.  Man  verkauft  viel 
Holz,  Kohlen,  thöneme  Kohlenpfannen  und  Matten  von  sehr  verschiedener  Art,  theils 
Schlafmatten,  theils  feinere  zu  Sitz-  oder  Fussdecken  in  Sälen  und  Zimmern.  Es  giebt 
alle  Arten  der  daselbst  vorfindlichen  Gartengewächse,  besonders  Zwiebeln,  Porre,  Knoblauch, 
Gartenkresse,  Brunnenkresse,  Borretsch,  Sauerampfer,  Karden  und  Artischoken.  Es  giebt 
Früchte  vielerlei  Art,  darunter  auch  Kirschen  und  Pflaumen,  den  spanischen  ähnlich.  Man 
verkauft  Bienenhonig  und  Wachs;  auch  einen  Syrup  aus  der  Maisstaude,  honigartig  und 
süss,  wie  der  des  Zuckkerrohrs ;  auch  den  süssen  Saft  einer  Pflanze,  welche  man  hier 
und  anderswo  Maguey  nennt ,  und  derselbe  ist  besser  als  eingemachter  Most ,  und  aus 
derselben  Pflanze  bereiten  sie  Zucker  und  Wein  und  verkaufen  Beides.  Auch  steht  ziini 
Verkaufe  mannigfaltiges  Baumwollengespinnst  in  Gebinden  von  allen  Farben,  —  man 
glaubt  sich  auf  den  Seidenwaaren-Markt  von  Granada  versetzt ;  aber  Alles  ist  in  grösseren 
Massen  vorhanden.  Man  verkauft  Malerfarben,  so  viele  es  nur  in  Spanien  giebt  und  von 
so  vortrefl'licher  Schattirung  als  irgendwo.  Man  verkauft  Wildhäute  mit  und  ohne  Haar, 
weiss  und  verschiedenartig  gefärbt ;  man  verkauft  viel  Fayence  und  von  ganz  vorzüglicher 
Güte;  man  verkauft  irdenes  Geschirr,  grosses  und  kleines,  Krüge,  Töpfe  und  Fliesen, 
und  andere  unendliche  Arten  von  Töpferwaaren ,  alle  aus  einem  ganz  besonderen  Thon 
verfertigt  und  alle,  oder  doch  die  meisten,  glasirt  und  bemalt.  Man  verkauft  Mais  in 
Körnern  und  in  Broden,  und  derselbe  übertrifft  an  KömerfuUe  wie  an  Geschmack  den 
aller  übrigen  Inseln  und  Festländer.  Man  verkauft  Pasteten  von  Geflügel  und  Torten 
von  Fischen.  Man  verkauft  viele  frische  und  gesalzene  Fische,  roh  und  zugerichtet. 
Man  verkauft  Eier  von  Hühnern,  Enten  und  allen  den  andern  Vögeln,  die  ich  genannt, 
in  grosser  Menge;  auch  Kuchen  aus  Eiern  gebacken.  Kurz,  man  verkauft  auf  besagten 
Märkten  alle  Gegenstände,  die  sich  irgend  auf  der  ganzen  Erde  finden,  und  es  sind  deren 
so  viele  und  von  solchen  Eigenschaften,  dass,  um  nicht  weitläufig  zu  werden,  und  audi, 
weil  sie  nicht  alle  meinem  Gedächtnis^se  gegenwärtig  sind,  und  von  vielen  ich  nicht  ein- 
mal den  Namen  kenne,  sie  lieber  unangeführt  bleiben.  Jede  Gattung  Waaren  stellt  in 
ihrer  besonderen  Strasse  feil ,  ohne  dass  irgend  andere  Waaren  sich  dabei  einmischen 
dürfen,  und  hierin  wird  scharfe  Ordnung  gehalten.  Alles  wird  nach  Zahl  und  Maass  ver- 
kauft; aber  nach  dem  Gewichte  hat  man  bis  jetzt  wenigstens  noch  nichts  verkaufen  ge- 
sehen. Auf  diesem  Platze  steht  ein  sehr  schönes  Haus,  gleichwie  ein  Rathhaus,  wo  stet> 
zehn  bis  zwölf  Personen  sitzen,  welche  Richter  sind  und  alle  auf  besagtem  Markte  vor- 
kommende  Fälle   und  Sachen    entscheiden    und   die  Verbrecher   bestrafen  lassen.     Auch 


QUICHES.  395 

t 

Für  die  in  Guatemala  bestandenen  Reiche  wird  eine  Art  auf- 
rückender Thronfolge  erwähnt,  von  der  sich  auch  sonst  Spuren  finden. 
Des  Königs  Bruder   galt   als   Kronprinz,    schon    bei  Lebzeiten    des 

giebt  es  noch  andere  Personen  auf  dem  Platze ,  welche  beständig  unter  dem  Volke  her- 
umgehen, Acht  haben  und  auf  Alles,  was,  und  auf  das  Maass  womit,  man  verkauft ;  imd 
einiges  habe  ich  zerbrochen  gesehen,  weil  es  falsch  erfunden  wurde.  Es  giebt  in  dieser 
grossen  Stadt  viele  Moscheen  oder  Götzentempel  von  sehr  schöner  Bauart  für  die  ver- 
schiedenen Sprengel  oder  Quartiere  derselben,  und  in  den  vornehmsten  befinden  sich  reli- 
giöse Personen  von  ihrer  Secte.  welche  beständig  darin  wohnen ,  und  für  welche ,  ausser 
dem  Räume  für  die  Götzenbilder,  sehr  schöne  Zimmer  eingerichtet  sind.  Alle  diese  Reli- 
giösen gehen  schwarz  bekleidet  und  verschneiden  weder,  noch  kämmen  ihr  Haar  von  der 
Zeit  ihres  Eintrittes  an,  bis  sie  wieder  herauskommen ;  und  alle  Söhne  angesehener  Fami- 
lien, sowohl  des  Herren-  als  ehrbaren  Bürgerstandes,  treten  in  diesen  Religiousberuf  und 
dessen  Tracht,  von  ihrem  siebenten  oder  achten  Jahre  an,  bis  man  sie  wieder  heraus- 
nimmt, um  sie  zu  verhcirathen ;  und  dies  begiebt  sich  mehr  bei  den  Erstgeborenen,  wel- 
chen die  Erbschaft  der  Häuser  zusteht,  als  bei  den  anderen.  Keine  Gemeinschaft  mit 
Weibern  ist  ihnen  gestattet,  und  kein  Weib  darf  die  besagten  gottesdienstlichen  Häuser 
betreten.  Sie  enthalten  sich  des  Genusses  gewisser  Lebensmittel,  und  zwar  vorzugsweise 
zu  gewissen  Zeiten  des  Jahres;  und  unter  diesen  Moscheen  giebt  es  Eine,  welche  die  vor- 
nehmste ist,  deren  Grösse  und  Einzelheiten  keine  menschliche  Zunge  zu  beschreiben  ver- 
mag; denn  sie  ist  so  gross,  dass  innerhalb  ihres  ganz  von  hoher  Mauer  umzogenen  Um- 
kreises sehr  gut  eine  Stadt  für  fünfhundert  Einwohner  gebaut  werden  könnte.  Im  Innern 
dieses  Umkreises,  und  rund  um  denselben ,  hat  sie  sehr  anständige  Zimmer ,  Säle  und 
Corridors,  wo  die  Religiösen  wohnen  und  sich  aufhalten.  Man  findet  auch  daselbst  wol 
vierzig  Thürme,  sehr  hoch  und  wohlgearbeitet,  in  deren  grösstem  man  fünfzig  Stufen  bis 
zu  seinem  Mittelpunkte  hinansteigt ,  und  der  Hauptthurm  ist  höher  als  der  Tburm  der 
Kathedrale  von  Sevilla.  Sie  sind  so  gut  gearbeitet,  so  in  Mauer-  wie  in  Holzwerk,  dass 
sie  nirgends  könnten  besser  gemacht  oder  gearbeitet  werden ;  denn  die  ganze  Mauerarbeit 
im  Innern  der  Kapellen ,  wo  die  Götzenbilder  stehn ,  ist  mit  Arabesken  verziert  und 
der  Plafond  mit  Stukkaturarbeit;  und  alles  Holzwerk  mit  Mauerarbeit  überzogen,  und 
sehr  bemalt  mit  allerlei  Ungeheuern  und  sonstigen  Gestalten  und  Kunstwerken.  Alle 
diese  Thürme  sind  Begräbnissplätze  grosser  Herren;  und  die  darin  befindlichen  Ka- 
pellen sind  jede  dem  besonderen  Götzen  geweiht ,  zu  welchem  jeder  derselben 
seine  Andacht  verrichtet.  Im  Innern  dieser  grossen  Moschee  befinden  sich  drei 
Säle ,  wo  die  Hauptgötzenbilder  aufgestellt  sind ,  von  erstaunenswürdiger  Grösse 
und  Höhe,  und  mit  vielen  Zierrathen  und  Figuren  künstlich  ausgemeisselt ,  sowol 
in  Stein-  als  Holzarbeit;  und  innerhalb  dieser  Säle  sind  wiederum  andere  Kapellen  mit 
sehr  kleinen  Eingangsthüren  und  inwendig  ganz  ohne  Beleuchtung;  und  hier  dürfen  sich 
nur  jene  Religiösen  aufhalten,  und  auch  diese  nicht  alle;  und  es  stehen  hier  Brustbilder 
und  Gestalten  der  Götzen,  obgleich,  wie  schon  erwähnt,  auch  ausserhalb  viele  befindlich. 
Die  vornehmsten  dieser  Götzenbilder,  und  auf  welche  sie  am  meisten  Glauben  und  Ver- 
trauen setzen,  warf  ich  von  ihren  Postamenten,  und  Hess  sie  die  Treppen  hinabstürzen,  und 
die  Kapellen  reinigen,  wo  sie  gewesen  waren:  denn  selbige  waren  alle  voll  des  bei  den 
Opfern  vergossenen  Blutes;  und  ich  liess  die  Bilder  Unserer  Lieben  Frau  und  anderer 
Heiligen  darin  aufstellen,  worüber  der  besagte  Muteczuma  und  die  Eingebomen  sich  nicht 
wenig  betrübten;  und  zuerst  sagten  sie  mir,  ich  möge  es  nicht  thun:  denn,  wenn  man 
es  in  den  Gemeinden  erführe,  würden  diese  gegen  mich  aufstehen,  weil  sie  dafür  hielten, 
dasss  diese  Götzen  ihnen  alle  zeitlichen  Güter  gewährten,  und  wenn  man  sie  misshandeln 
Hesse,  sich  darob  erzürnen,  und  ihnen  nichts  mehr  geben,  und  die  Früchte  ihnen  auf  dem 
Lande  verdorren  machen  Mürden,  dass  alles  Volk  vor  Hunger  sterbe".  So  Cortez  m  sei- 
nem Briefe  (s.  Koppe). 


396  DER  ISTHMUS  UND   GUATEMALA. 

Königs  (Ahau  -  Apop)  die  Stelle  eines  (siamesischen)  Nebenkönig 's 
(Ahau  Ahpop  Camha)  einnehmend.  Nach  ihm  soll  der  Sohn  des 
Ersten  Königs,  also  sein  Neffe,  das  Erbrecht  (als  Nim  Chocoh  Cawek) 
besessen  haben,  und  dann  (als  sein  eigener  Sohn)  dessen  Vetter 
(als  Ahau  Ah  Tohil).  Hinsichtlich  der  Cakchiquel  werden  zugleich 
zwei  königliche  Geschlechter  vermerkt,  die  umschichtig  den  Thron 
besetzten. 

Bei  den  Chibchas*)  hatte  sich  das  Priesterkönigthum *)  (wie  in 
Meroe  und  Cochin)  durch  eine  Reaction  der  weltlichen  Macht  (was 
am  deutlichsten  in  der  Stellung  des  Zipa  zum  Guatavita  hervortritt) 
gespalten,  obwohl  neben  dem  Schwertfiirsten  (wie  in  Japan)  die 
Gestalt  des  Priesterkönigs  bewahrt  wurde,  aber  nur  in  ihrer  priester- 
lichen Bedeutung. 

In  Mexico,  wo  sich  unter  den  Tolteken  (wenigstens  bis  zum 
König  Metl)  das  Priesterkönigthum  als  solches  bewahrte,  wurde  es  bei 
den  Azteken  (ähnlich  wie  bei  Hebräern)  als  eine  durch  die  politischen 
Verhältnisse  bedingte  Concession  des  Priesterstandes  betrachtet,  wenn 
dieser  neben  sich  die  Existenz  eines  Königs  gestattet  hatte. 

Während  so  in  Tlacopan  und  auch  in  Tezcuco,  wie  überhaupt 
unter  den  (wandernden)  Chichimekenstämmen  (deren  Dynastien  dort 
bei  der  Eroberung  eingesetzt  worden),  die  früher  nur  dem  Tapfersten 
(oder  dem  beim  Ausbruch  eines  Krieges  gerade  Geeignetsten)  über 
tragene  Fürsten  würde  zu  einer  erblichen  geworden  war,  blieb  sie  in 
Tenochtitlan  eine  wählbare,  und  meistens  wurde  der  Hohepriester 
(Mexicatl-Teohuatzin  oder  Teotecuhtli),  der  bereits  die  Würde  eines 
Oberfeldherrn  (Tlacochcalcatl)  bekleidet  hatte,  zum  König  eingesetzt, 
während  der  toltekische  TiteP)  des  (ßafftXsvg  oder)  Topiltzin  (als  eines 
Priesterkönig*s)  unter  den  Azteken  nur  zur  Bezeichnung  eines  hierarchi- 


*)  Der  Zipa  trat  dem  Zaque  (neben  dem  Sogamoso)  gegenüber,  wie  dem  Sei-i-teis 
Shogun  (als  Kronfeldhemi  des  Mikado)  der  Hojo.  Die  Hojo-Familie  verhält  sich  zu  den 
Minamoto,  wie  die  Kujiwara  zum  Kaiserhaus  (nach  dem  Guaichi)  bis  zur  Eroberung 
Kamakura's  durch  Niita  Voshisada  (1333  p.  d.)  Le  dicen  Bogolä,  que  es  como  de^ir 
Soldan,  6  Preste  Johan  6  Emperador  6  el  Supremo  titulo  (Oviedo).  The  Ariki  (priest 
and  chieQ  corresponding  to  the  King,  possessed  both  spiritual  and  temporal  power 
(Thomson)  in  Polynesien. 

')  Majorum  haec  erat  consuctudo,  ut  rex  esset  etiam  sacerdos  et  pontifex  (Servius); 
wie  (bei  Virgil)  Rex  Anius  (und  sacerdos)  oder  (bei  Jornandes)  der  gothische  König  Co- 
monc  (et  rex  illis  et  pontifex). 

•)  Wie  der  Dienst  des  Rex  mit  Janus  in  Rom,  verknüpfte  er  sich  in  Tula  mit  dem 
alten  Gott  Tlaloc.  Der  Fürst  von  Coro  galt  als  Schöpfer  und  Herr  der  Welt  (wie  die 
rcguli  in  Africa). 


SUCCESSION.  .  397 

schenRanges  (als  rex  sacrificulus)  ^)  verblieb.  In  Aricia  fand  sich  (priester- 
lich) der  Rex  Nemorensis  (s.  Sueton),  und  ähnlich  im  südlichen  Indien. 

Wie  in  Bogota  der  Thronfolger  vorher  als  Dauphin  in  Chia  zu 
herrschen  hatte,  mussten  die  Fürsten  in  Huexotzingo  (Tlascala  und 
Cholula)  vor  ihrer  Installirung  den  Grad  eines  Tecuitli  (Tecuhtli) 
durchgangen  sein.  Der  älteste  Sohn  des  Fürsten  (Tlatoani)  hiess 
Tlatopilzintli  und  die  übrigen  Prinzen  Tlatoque. 

Dies  in  geschichtlichen  Zeiten  meist,  nur  für  den  nächsten  Nach- 
folger (den  Kronprinzen)  erkennbare  System  zeigt  sich  unter  archai- 
stischen Verhältnissen  complicirter  ausgebildet*),  wie  in  Guatemala 
und  auf  den  Palau-Inseln  (auch  in 'Mexico). 

In  Tezcuco  hatte  sich  aus  den  durch  Eroberung  eingesetzten 
Dynastien  der  Chichimeken,  deren  verdienstvolle  Krieger  von  Xolotl 
mit  Landschenkungen  belehnt  waren,  eine  Analogie  des  Feudalstaats 
herausgebildet,  und  die  oft  Tlatoani  betitelten  Fürsten  waren  neben  der 
dem  Könige  schuldigen  Huldigung  (einer  Kommandirung  in  der  Vasalli- 
tät)  zu  bestimmten  Heeresstellungen  verpflichtet,  besassen  sonst  aber 
Immunitäts-Rechte.  Wie  im  fränkischen  Reich  machte  sich  auch  hier 
bald  die  Nothwendigkeit  centraler  Einigung  geltend  und  es  wurde  nicht 
nur  eine  Art  HofadeP)  aus  den  Ministerialen  gebildet,  sondern  König 
Techotlalatzin  (Techotlala)  von  Tezcuco  (wo  seine  Gesetze  später  von 
Nechahualcayotl    wieder  hergestellt  wurden),    wusste     zugleich    die 


')  Bei  Dionysius  tritt  der  Rex  sacrificiorum  oder  sacrorum  (Rex  sacrificulus  oder 
Rex  sacriücus)  als  liQuty  ßuaUtig  auf.  Der  Opferköuig  (oder  Königpriester)  opferte  an 
den  Agonalitn  dem  Janus  einen  Widder.  Der  Mico  oder  König  (in  geheimnissvoller 
Weise  erwählt)  galt  (bei  den  Muskogulgee)  als  Repräsentant  des  Grossen  Geistes  (s.  Bat- 
ram). Neben  ihm  steht  der  Kriegsfürst  und  über  den  Priestern  der  Oberpriester  (über  die 
Elemente  gebietend). 

')  Bei  den  Matalcingos,  von  denen  (bei  der  mexicanischen  Eroberung)  die  Bewohner 
von  Conacantepec  nach  Tlaulan  in  Mechoacan  flohen,  herrschte  eine  aufrückende  Reihen- 
folge, als  Erster  Tlatuan ,  dann :  el  segundo,  que  se  llamaba  Tlacatecatl,  y  en  lugar  de 
este  entraba  el  tercero  que  se  llamaba  Tiacuxcalcail ,  y  en  lugar  de  este,  nombraban 
hijo  ö  hermano  del  primero ,  que  era  mas  digno  y  suüciente  para  ello  (Herrera).  Der 
für  Jahre  des  Nothwachses  in  Magazinen  verwahrte  Tribut  der  Ortschaften  oder  Cal- 
pules  wurde  von  den  Tequitlatos  genannten  Beamten  eingeliefert  (aus  den  öffentlichen 
lündereien  und  Jagdgründen). 

•)  Im  königlichen  Palast  (in  Mexico)  fand  sich  der  Hueycalpixqui  als  Verwalter  des 
Tributes,  der  Achcauhtli,  als  Aufseher  über  das  Heer,  der  Hueyaminqui  oder  Oberjäger- 
meistcr  u.  s.  w.  (s.Torquemada).  Die  über  die  Ortschaften  gesetzten  Beamten  oder  Tecuhtli, 
(unter  dem  Hueycalpix(|ui)  berichteten  nach  dem  Palast  durch  die  Boten  Tlayacanque  oder 
Tequitlatoque  und  hatten  ihre  Aufrage  ausgeführt  durch  Gerichtsdiener  oder  Topileque. 
Schuhe  wurden  im  Palast  nur  vom  König  und  seinem  Vertreter  Tlacaclel  getragen 
(nach  Duran). 


398  •  DER  ISTHMUS  UND   GUATEMALA. 

Macht  der  Grossen  durch  eine  Abtrennung^)  der  Gerichtsbarkeit 
vom  Landbesitz  zu  brechen.  Wie  in  Cuzco,  war  auch  in  Mexico 
das  Princip  zur  Geltung  gekommen,  dass  die  vornehmsten  der  Va- 
sallenfürsten periodisch  in  der  Hauptstadt^)  zu  wohnen  hatten,  ähn- 
lich wie  der  Taikun  von  den  Daimio  die  Erbauung  von  Schlössern 
in  Yeddo  zur  zeitweiligen  Residenz  verlangt  hatte. 

Neben  den  zur  Zeit  der  Eroberung^)  belehnten  Fürsten,  deren 
damals  unter  feudalen  Verpflichtungen  erhaltene  Beneficien  dir  sie 
im  Laufe  der  Zeit  oftmals  zum  unbeschränkten  Allodial besitz  wurde 
(als  Erbländereien  oder  Tlatocamilli),  gingen  die  Landverleihungen 
bei  der  Ausdehnung  des  Reiches  fort,  und  es  mochten  auch  nach 
der  Art  der  römischen  Beneficien  an  Veteranen,  oder  sonst  Verdiente, 
Landesschenkungen  gemacht  werden.  Neben  den  Tecuhtli  oder  Pilli 
genossen  die  Wittwen,  Waisen  (und  sonst  Bedürftige)  Befreiung  von 
Steuerzahlung.  Die  Tac-Tecutzin  oder  Teutles  genannten  Herren 
hatten  den  Niessbrauch  der  ihnen  für  Lebenszeit  (von  den  Tlatoque.s) 
verliehenen  Güter  und  unter  ihnen  geboten  die  Tec-cuttli  oder  Tecuhtli 
(aus  der  Klasseder  Pilli  oder  Adeligen)  über  die  Vasallen*)  oder  Tec-calli. 


*)  Die  Tlatoani  oder  Fürsten  Tezcuco's  waren  zu  gewissen  Huldigungen  und  Krieg- 
gestellung dem  Könige  verbunden,  sonst  aber  unabhängig.  Techotlalatzin  bildete  aus 
einem  Theil  derselben  einen  Rath,  der  stets  in  Tezcuco  verweilen  musste  (unter  vier 
höchsten  Würdenträgern)  und  nachdem  er  dann  das  Reich  nach  einer  neuen  Ordnung  in 
Provinzen  eingetheilt  hatte  (wodurch  die  alten  Fürstenthtimer  zerrissen  wurden),  versetzte 
er  Colonisten  aus  der  einen  nach  der  andern,  welche  ihrem  ursprünglichen  Herrn  unter- 
thänig  blieben,  aber  auf  dem  Lande  eines  Fremden.  Die  über  Vasallen  gebietenden 
Fürsten  (ohne  Hoheitsrechte)  hiessen  Tlacahua  (neben  dem  Tlatoani  oder  Souverän). 
Zum  Bruch  des  Feudalsystems  im  Chichimeken  -  Reich  und  Kräftigung  der  Centralisation 
theilte  dieser  Kaiser  Techotl  oder  Techotlalatzin  (wie  von  Andern  erzählt  wird)  die 
Fürstenthümer  nach  einem  andern  Plan  in  Provinzen  unter  Gouverneure  und  versetzte 
Colonisten  mit  Beibehaltung  ihrer  Abhängigkeit  von  dem  früheren  Herrn.  Dadurch 
wurde  der  Aufstand  Tezozomocs  in  Azcapozalco  gegen  seinen  Nachfolger  Ixtlilxochitl 
hervorgerufen,  und  nach  dem  Siege  errichtete  derselbe  sieben  unabhängige  Königreiche 
mit  sich  selbst  an  der  Spitze,  führte  aber  dann  selbst  den  Despotismus  durch  Tribut- 
erhebung ein,  bis  unter  seinem  Sohn  Maxtla  (auf  den  Bruder  Tayauh  folgend)  Nezahual- 
coyotl  (Sohn  Ixtlilxochitl's)  Reich  und  Thron  wiedergewann. 

')  Todos  los  seflores  de  la  tierra  que  eran  vasallos  de  Montezuma  tenian  casa  en  la 
cibdad  e  residian  en  ella  cierto  tiempo  del  aflo  (s.  Oviedo). 

•)  In  Tlascala  war  das  Land  bei  der  ersten  Besitznahme  vertheilt  worden,  indem 
jeder  Tecuhtli  (Adelige)  von  dem  ihm  zugefallenen  Teccalli  oder  Pilcalli  den  besten 
'ITieil  für  eigenen  Gebrauch  reservirte,  und  den  Rest  unter  die  Leute  seines  Gefolges 
(Teixhuihuan  oder  Enkel  des  Herrenhauses)  vertheilte,  gegen  die  Verpflichtung,  das 
Herrenhaus  in  Stand  zu  halten. 

*)  Die  Tec-calli  genannten  Vasallen  zahlten  dem  Tec-tecutzin  oder  Landherm  Tribut, 
und  die  Calpullec  oder  Chinancallec  bearbeiteten  (ausser  dem  an  den  Staat  be- 
zahlten Tribut)  ein  Stück  Land  für  ihre  Herren.    Die  Adeligen  konnten  ihre  durch  Leib- 


FEUDALISMUS.  399 

Wie  anderswo  fanden  die  Könige  Mexico's  ihren  Vortheil  darin, 
neben  dem  erblichen  Landadel  ein  persönlich^)  verpflichtetes  Gefolge 
zu  pflegen,  und  dazu  eigneten  sich  besonders  die  jüngeren  Söhne 
der  Fürsten,  welche  (bei  dem  Majorat)  ohne  ein  bestimmtes  Besitz- 
thum  den  Rang  von  Pipiltzin  (oder  Infanten)  besassen  und  keine 
Abneigung  zeigen  mochten,  in  den  Stand  höriger  Ministeriales 
überzutreten,  für  die  Anziehungen  des  Hof  lebens  ihre  Freiheit  be- 
schränkend. 

Ebenso  wurden  die  für  kriegerische  Verdienste  zum  Rang  der 
Tec-quivac  Erhobenen  (und  deshalb  von  Tributzahlung  Befreiten)  zu 
Dienstleistungen  im  Palast  herangezogen. 

Mitunter  mögen  solche  Ministerialen  von  dem  Könige,  um  gegen 
seine  übermüthigen  Barone,  die  ihn  nur  als  einen  primus  inter  pares 
betrachteten,  ein  Gegengewicht  zu  gewinnen,  besonders  aus  der 
Klasse  der  den  Eingebornen  näher  stehenden  Grossen  genommen 
sein,  und  wenn  gesagt  wird,  dass  die  Häuptlinge  zweiten  Ranges  am 
mexicanischen  Hofe  Otomie's  (Otomites)  geheissen,  so  würde  das 
etwa  in  Analogie  zur  Stellung  des  sächsischen  Adels  am  nor- 
mannischen Hofe  Englands  zu  nehmen  sein. 

Das  für  das  Feudalwesen  (in  seiner  specifischen  Bedeutung 
innerhalb  der  europäischen  Geschichte^))  characteristisch  Eigenthüm- 
liche    liegt    in    dem    durch   die  geschichtlichen  Ereignisse  bedingten 


eigene  bebauten  Länder  (Pillalli)  meist  verkaufen  (obwohl  nicht  an  Macehuales  oder 
Gemeine),  aber  nicht  die  von  dem  Fürsten  als  Lehn  empfangenen,  welche  auf  den 
ältesten  Sohn  tibergingen,  beim  Aussterben  jedoch  zurückfielen.  Die  Pillalli  oder  Erb- 
länder der  Edlen  wurden  bei  der  Thronbesteigung  durch  den  neuen  König  bestätigt. 
Hassaurek  erwähnt  neben  der  Ama  de  Llaves  oder  Schlüsselhalterin  (wie  ähnlich  an 
der  Loango- Küste)  des  Institutes  der  Longas  oder  Guambras,  als  indianischer  Kinder, 
die  in  den  Häusern  zum  Dienststande  aufgezogen  wurden  (Guifiazhiscas,  wenn  von 
frühester  Jugend  an)  in  Ecuador. 

*)  Die  Tecpanpouhqui  oder  Tecpantlaca  genannten  Ländereien  gehörten  den  zum 
Unterhalt  der  fürstlichen  Schlösser  und  Gärten  Verpflichteten ,  die ,  wenn  aus  ihrer  Zahl 
eine  Familie  ausstarb,  dieselbe  durch  eine  andere  ersetzen  konnten ,  ausserdem  noch  zur 
persönlichen  Begleitung  des  Herren  verpflichtet  (s.  Torquemada). 

')  Im  Allgemeinen  findet  sich  in  den  mexicanischen  Staatseinrichtungen  viel  Aehn- 
liches  mit  dem  Feudal wesen,  aber  die  Einzelheiten  (wie  Prescott  bemerkt)  ,,fall  far  short 
of  that  harmonious  System  of  reciprocal  service  and  protection,  which  embraced,  in  uice 
gradation,  every  order  of  a  feudal  monarchy"  (in  Europa).  Die  (in  Christoph's  Feudal- 
monarchie auf  Hayti)  den  (an  höhere  Officiere  und  Regierungsbeamte)  als  Lehen 
übertragenen  Zuckersiedereien  und  Pflanzungen  beigegebenen  Arbeiter  durften  nur  mit 
ausdrücklicher  Erlaubniss  und  mit  Pass  versehen,  die  Besitzung  verlassen  (s.  Jordan). 
Die  Güter  waren  entweder  allodiale  und  erblich,  oder  zufallige  Güter,  mit  Bedienung  des 
Reich's  verbunden  (in  Mexico),  die  Lehnsvasallen   galten  als  Glebae  addicti  (s.  Carli). 


400  DER  ISTHMUS  UND   GUATEMALA. 

*  • 

Einpflanzen  germanischer  Brauchssitten  auf  einen  bereits  von  einem 
römischen  Rechtsgerüst  überbauten  Boden  halbwilder  Stämme. 

Wenn  die  dem  Herzog  näher  stehenden  Mannen  des  Gefolges*} 
mit  Landschenkungen  belohnt  wurden,  so  schlössen  sich  diese  am 
nächsten  an  die  bereits  den  römischen  Veteranen  ertheilten  Bene- 
ficien  an,  und  verbanden  sich  dann  mit  Vasallität,  die,  wie  eine 
orientalische  Tributzahlung,  auch  in  römischer  Clientel  mitredend, 
durch  gegenseitige  Kommendirung  das  Feudum  begründete,  während 
die,  früher  Steuerfreiheit  bei  römischem  Fiscalgut  ausdrückende, 
Immunität,  später  nicht  nur  dem  Staat  zufallende  Abgaben,  sondern 
auch  Ausübung  staatlicher  Rechte  (in  der  Gerichtsbarkeit)  betraf, 
zumal  in  Folge  des  Beispiels,  wenn  ganze  Staaten  in  das  Verhältniss 
der  Vasallität  eintraten. 

In  Frankreich  waren  es  besonders  die  normannischen  Verleihun- 
gen, welche  die  Unabhängigkeit  auch  der  übrigen  bedingten,  und  in 
der  Ertheilung  der  Aemter  an  Lehnsleute  bildete  sich  die  Vor- 
.stellung  von  einem  Feudalstaat  heraus,  einem  „regime  feodale  et 
seigneuriale." 

Auf  die  rechtliche  Ausbildung  in  Deutschland  (bis  zum  sächsi- 
schen Lehnrecht)  übten  besonders  die  Beziehungen  mit  Italien  Ein- 
fluss,  wo  sich  am  Sitze  römischer  Juri.sprudenz  die  durch  die  ger- 
manischen Eroberer  unter  halber  Zerstörung  veränderten  Staatsein- 
richtungen im  longobardischen  Lehnrecht  wieder  restaurirten. 

Was  der  Historiker  gewohnt  ist  (ohne  besondere  Rücksicht  auf 
die  etymologische  Erklärung)  als  Feudal wesen^)  zu  bezeichnen, 
bildet  eine  jener  Phasen  in  der  Entwicklungsgeschichte  eines  Volkes, 


*)  Durch  den  Bogucra  genannten  Gebrauch  erhielt  der  Fürstensohn  (bei  den 
Bechuanas)  die  gleichaltrigen  Knaben  zum  Gefolge  (s.  Livingstune).  Bei  den  Guana  sind 
die  in  derselben  Nacht  mit  dem  Sohn  des  Caziken  geborenen  Knaben  von  diesem  künftig 
abhängig  und  nicht  von  ihrem  Vater  (s.  Azara).     So  vielfach  in  Indien  und  sonst. 

')  Die  Kamharas  (von  Kasson  ausgewandert)  eroberten  Kaarta  (eine  erbliche 
Monarchie).  On  y  remarque  une  sorte  de  vasselage  hi^rarchique  qui  rappeile  la  f^odalite 
du  moyen  dge,  ainsi  les  captifs  du  roi  ressemblent  parfaitement  aux  leudes  ou  fid^les  de 
nos  rois  de  la  premi^re  et  de  la  seconde  race ,  ils  commandent  les  arm^es  et  president 
eux  m^mes  des  captifs,  lesquels  en  possödent  aussi.  Von  den  Nicht*Mohamedanem  wird 
ein  mit  Grisgris  gefüllter  Topf  (Canari)  verehrt.  Bei  den  JolofT  hängt  der  Damel  fiir 
Kriegsdien.ste  von  den  Thiedo  ab  (als  Ungläubigen  neben  den  Marabuten).  ,,In  England 
ist  alles  Privatgrundvermögen  (real  property)  Lehen  (fee  oder  tcnement),  und  auch  die 
französischen  Könige  machten  das  Princip  geltend ,  in  dem  Satz  nul  terre  sans  seigneur, 
eine  seigneurie  directe  et  universelle  de  la  couronne  behauptend,  eine  der  in  einem  he« 
sonderen  Enverbgrund  oder  Besitznahme  begründeten  Ausnahmen  der  Lehnfreiheit  (franc- 
aleu),  welcher  Boden  dann  als  Sonnenlehen  aufgefasst  wurde"  (während  sich  ein  solches 
in  Mexico  wieder  mit  priesterlichen  Ansprüchen  verknüpfte). 


TOTONICAPAM.  401 

■ « 

die  unter  bestimmten  Verhältnissen  stets  in  der  einen  oder  anderen 
Weise  wiederkehren  wird,  und  jedesmal  dann  geprägt  mit  dem 
eigenartigen  Stempel  der  geographisch -historischen  Umgebung.  So 
verkehrt  es  deshalb  sein  würde,  das  europäische  Feudalthum  in 
Africa  und  America  im  Einzelnen  wiederfinden  zu  wollen,  da  jeder 
Continent,  wie  in  seinen  übrigen  Schöpfungen  auch  in  denen  des 
Volksgeistes  selbstständig  dasteht,  so  unrichtig  würde  es  andererseits 
sein,  wenn  es  auch  seinen  allgemeinen  Umrissen  nach  nicht  zuge- 
lassen werden  sollte,  da  vielmehr  gerade  in  der  Vergleichung  der 
DiflFerenzen,  unter  welchen  die  Erscheinungen  eines  einheitlichen 
Wachsthumsprocesses  die  Menschen  unter  verschiedenen  Klimaten 
auch  verschieden  färben,  der  ethnologischen  Forschung  erst  die  Ernte 
fruchtbringender  Resultate  ermöglicht  werden  kann. 


Mit  frühem  Morgen  (April  2.)  ritten  wir  durch  die  noch  schla- 
fende Stadt,  und  dann  auf  hügeligen  Ebenen  dahin.  Zwischen 
Kuppenhügeln  liegt  das  Dorf  Patzile  und  der  Weg  führt  über  den 
Rio  Agua  tibia,  der  zum  Chicoy  fliesst.  Zwischen  Wald  in  kuppigen 
Hochbergen  aufsteigend,  zogen  wir  längs  des  Randes  und  darauf  über 
die  Cuesta  de  Papas.  Es  folgte  das  Niedersteigen  in  ein  enges 
Muldenthal  und  dann  ein  Auf  und  Nieder  zwischen  Bergwäldern. 
Man  findet  sich  hier  auf  der  Wasserscheide,  zwischen  dem  atlan- 
tischen und  pacifischen  Meere  mit  dem  See  von  Atitlan,  indem  in 
den  Letzteren  diejenigen  Wasser  vom  Hochplateau  Totonacipan's 
fallen,  die  nicht  zum  Atlantic  fliessen,  während  auf  dem  von  Quet- 
zaltenango  neben  den  zum  Atlantic  gewendeten  Quellflüssen  andere 
in  den  Pacific  abfallen.  Ein  Beamter  aus  Santa  Cruz,  der  desselben 
Weges  zog,  hatte  sich  zu  mir  gesellt  und  ritten  wir  im  Gespräch 
unserem  Burschen  voraus,  geriethen  aber  im  Kreuzweg  auf  falsche 
Fährte,  und  hatten  in  dieser  Oede  lange  auf  ein  menschliches  Wesen 
zu  warten,  um  wieder  berichtigt  zu  werden. 

Die  Indianer  in  dortiger  Umgegend  haben  sich  oft  wiedersätz- 
lich  gezeigt,  (auch  bei  Dollfuss'  Anwesenheit  in  Santa-Cruz  de  Quich^ 
drohte  ein  Aufstand  gegen  die  Ladinos),  und  sie  berühren  sich  mit 
den  Mames  von  Huehuetenango,  einem  helleren  Menschenschlag  als 
die  Quiches,  welche  bei  ihrer  Zuwanderung  diese  Eingeborenen  vor- 
fanden. Die  (gleich  denen  von  Chiquimula)  mit  ihren  Heerden  im 
Sommer  auf  den  Höhen  umherziehenden  Indianer,  Weizen  säend, 
kommen  im  Winter  tiefer  herab,  Mais  zu  pflanzen  (und  auch  Weizen). 
Im  Norden  des  Departem^aji^  von  Huehuetenango  vereinigen  sich 

Bastian:  America.  I.  26 


402  DER  ISTHMUS  UND   GUATEMALA. 

beim  See  Tazalcuapa  der  Rio  de  la  Pasion  und  der  Lacandon,  um 
den,  alte  Ruinenplätze  bewässernden,  Fluss  Usumacinta  zu  bilden,  im 
Land  der  noch  halbwilden  Lacandones^),  die  sich  in  den  Grenzen 
Vera  Paz's  durch  Feten  erstrecken,  die  Hauptstadt  Flores  umgebend 
bis  nach  Yucatan.  An  einigen  Orten  sollen  noch  steinerne  Ffeil- 
spitzen  im  Gebrauch  sein.  In  den  erbitterten  Partheikriegen  (die 
man  selbst  Rassenkriege  nennen  zu  müssen  geglaubt  hat)  zwischen 
Morazan  und  (dem  Ladino)  Carrera  fand  die  Farthei  der  Serviles, 
den  Liberalen  gegenüber,  einen  treuen  Helfer  an  den  Geistlichen, 
welche  die  Indianer  der  Altos  zu  fanatisiren  wussten. 

Vom  Fluss  Facanabuch  ging  es  aufwärts,  und  von  der  Höhe 
blickten  wir  auf  ein  enges  Thal  in  kurz  gebrochenen  Abschnitten, 
mit  Totonicapam  am  Fusse  des  auf  einer  Platte  aufsteigenden  Berges 
von  Quetzaltenango ,  während  darüber  hinaus  eine  unregelmässig  ge- 
hobene Ebene  sich  in  der  Ferne  verliert,  wo  blaues  Hochgebirge 
erscheint.  Hinabgewendet  gelangten  wir  nach  Totonicapam  (San 
Miguel  Totonicapam),  an  eine  kuppelig  schwellende  Hügelwand  ge- 
lehnt, mit  weiter  Bergwand  umzogen.     (8730  F.  H.). 

Nachdem  ich  mich  in  dem  Hotel  eingerichtet  hatte,  begab  ich 
mich  zum  Einziehen  einiger  Erkundigungen  zum  Jefe  politico,  und 
da  derselbe  verreist  war,  zum  Cura,  den  ich  gerade  am  Schluss  des 
Mittagessens  beim  Dessert  fand  in  einem  aus  Lieblichkeit  und  Schön- 
heit geschlungenen  Kreise  junger  Frauen  oder  Jungfrauen,  die  zärt- 
lich um  ihn  bemüht,  die  schönsten  Früchte  für  seinen  Teller  aus- 
suchten oder  zubereiteten  und  mit  musikalischen  Klängen  die  Zeit 
des  Sonntagsnachmittags  beflügelten. 

Seiner  jovialen  Aufforderung  zum  längeren  Verweilen  konnte 
ich  nicht  folgen,  da  ich  noch  vor  dem  Abendessen  in  einem  Bade 
den  Reisestaub  abzuwaschen  hatte,  und  mich  dafür  nach  dem  Fusse 
des  Hügelabhanges  ausserhalb  der  Stadt  begab,  wo  heisse  und 
warme,  zum  Theil  auch  schwefelhaltige,  Quellen  neben  einander 
hervorsprudeln,    und    dort  in  den  für    öffentliche  und  private  Bäder 


*)  Die  unabhängigen  Lacandones  an  der  Grenze  des  (mexicanischen)  Yucatan's  er- 
schweren oft  die  Comunication  mit  der  (jetzt  in  Guatemala  eingesetzten)  Regierung  von 
Peten.  Im  Handel  mit  den  wilden  Lacandones  binden  die  Indianer  Nachts  einen  Hund 
an  einen  Baum ,  und  finden  am  nächsten  Morgen ,  an  dessen  Stelle ,  Chile  baja ,  aber 
stets  im  gekochten  Zustand,  da  die  Eingeborenen  die  frische  Ausfuhr  zum  Ansäen 
anderswo  vermeiden  wollten.  Die  Lacandones  leben  (in  einzelnen  Familien,  von  denen 
zuweilen  mehrere  unter  einem  gleichen  Häuptling  stehen)  von  Jagd  oder  Fischfang  und 
pflanzen  au  einigen  Orten ,  die  sie  dinn  nach  der  Jahreszeit  auf  ihren  Wanderungen  be- 
suchen, um  zu  ernten. 


OLINTEPEQUE.  403 

angelegten   Räumen    in   verschiedenen    Temperaturgraden    gemischt 
werden. 

In  Totonicapam  findet  sich  einige  Fabrikthätigkeit^  besonders 
die  Verfertigung  der  Jerga  genannten  Wollenstoffe  und  die  musika- 
lischer Instrumente,  wie  ähnlich  in  Quetzaltenango. 

Die  in  Totonicapam  ansässigen  Nachkommen  der  Tlascalaner 
hielten  sich  früher,  unter  ihrem  Vorrecht  des  Cazicazgo  (als 
Adlige)  von  Verheirathungen  mit  den  Gemeinen  (Masagan)  fern, 
und  üben  gegenwärtig  besonders  Handwerke  aus,  als  Tischler, 
Weber,  Schuster  u.  s.  w.  Diese,  mit  den  Spaniern  nach  Totonicapam 
gekommenen,  Tlascalaner,  die  im  Laufe  der  Zeit  ihre  mexicanische 
Sprache  durch  das  Quich^  ersetzt  haben,  wurden  allein  unter  den 
Indianern  zum  Kriegsdienst  zugelassen,  und  bewahrten  ausserdem  ver- 
schiedene Privilegien.  Zur  Zeit  der  Quiche-Monarchy  bildete  Totoni- 
capan  die  Grenzfestung  derselben  in  den  Kriegen  mit  den  Zutugiles 
(und  Pipiles),  in  welchen  damals  schon  das  mexicanische  Element 
seinen  Einfluss  auf  die  Geschichte  Guatemalas  äusserte). 

Mit  zeitigem  Aufbruch  ritten  wir  in  einen  Thalkessel  hinab  und 
über  Vorsprünge  der  Hügelterrassen.  Der  Blick  begriff"  ein  rundes 
Thal  und  den  Lauf  seines  Flusses,  von  zackig  schwellenden  Berg- 
reihen umzogen,  in  deren  Mitte  der  kuglige  Vulcan  von  Quetzaltenango 
sich  emporhebt.  Ins  Thal  niedersteigend,  passirten  wir  über  eine 
Brücke  nach  Salcaja,  wo  ich  die  Zeit  der  Fütterung  zur  Besichtigung 
einiger  nahe  gelegenen  Ruinen  benutzte  und  interessante  Fund- 
stücke dortiger  Ausgrabungen  ankaufen  konnte.  Dann  dem  Weg 
über  Hügelgrund  durch  Felder  folgend,  schlugen  wir  längs  des 
F*lusses  Chiquichel  (Rio  de  Sangre)  den  Weg  nach  ülintepeque  ein, 
am  Fussc  kahler  Höhen.  Der  Cura  war  abwesend  und  das  weib- 
liche Personal  im  Convent  schien  nicht  zur  Gastlichkeit  geneigt, 
doch  nahm  ich  mir  die  Freiheit,  die  Thiere  angebunden  dort  zu 
lassen,  bis  ich  meine  Gänge  ausgerichtet  hatte.  Dieselben  galten 
dem  Auffinden  einer  communicationsfähigen  Persönlichkeit,  aber  in 
diesem  ausgestorbenen  Ort  blieb  keine  Wahl,  als  mich  in  das  Ca- 
bilde  zu  begeben,  wo  ich  den  Herrn  Secretario  mit  den  Alcalden 
dec  Indianer  antraf.  Jede  meiner,  einige  Punkte  der  Alterthümer 
und  Traditionen  betreffenden,  F" ragen  erhielt,  in  Quiche  verdol- 
metscht, in  diesem  würdigen  Senatus  ihre  gemessene  Erwägung ,  so 
abgemessen,  langsam  und  feierlich,  dass  ich  bei  den  durch  die  Kunst 
des  Uebersetzens    oder    durch    die   Kunstlosigkeit^  des  Denkens  zur 

einfachsten    Nullität    reducirten  Antworten,    für    besser    fand,    meine 

26* 


404  DER  ISTHMUS  UND   GUATEMALA. 

Examination     einzustellen    und    mein    Pferd    wieder    aufzäumen    zu 
lassen. 

Jenseits  des  Flusses  gelangten  wir  auf  nackt  welligen  Grund 
nach  Quetzaltenango,  der  Hauptstadt  der  Altos  (8130  F.  h.)  am 
Fusse  des  Vorplateau's,  auf  dem  der  Vulcart  steht,  und  nach  einigem 
Auf  und  Nieder  trabten  wir  durch  die  Strassen  der  Stadt,  von  einem 
der  sog.  Hotels  zum  andern,  bis  wir  unser  Kämmerchen  fanden. 
Quetzaltenango,  nach  dem  Quetzal  -  Vogel  (Pharomacrus  mocinno) 
genannt  (der  sich  auch  in  Quetzalcohuatls'  Namen  findet),  oder  Nima- 
Amag  (Xeluha  oder  XelahunQuieh)  wurde  gleichzeitig- mit  Huehue- 
tenango  (Zakuleu)  durch  die  Quich6  -  Könige  Quicab  und  Cavizimah 
den  Mames  entrissen.  Der  Cerro  Quemado  wird  gewöhnlich  als  der 
Vulcan  de  Quetzaltenango  bezeichnet  (31 10  M.)  und  neben  ihm  er- 
hebt sich  der  Vulcan  de  St.  Maria  (3500  M.). 

Neben  dem  Jefe  Politico,  Herrn  Manuel  Aparicio,  lernte  ich 
den  Cura  Gonzalez  kennen,  einen  alten  Bekannten  Doctor  Berendt's, 
und  der  im  Lande  verheirathete  Deutsche,  Herr  Ernst  Viergatz  be- 
gleitete mich  am  nächsten  Tage  auf  meiner  Tour  in  der  Umgegend. 

Ueber  die  Vorberge  des  Vulcan  La  Quemada  (mit  einem  Rück- 
blick auf  das  Thal  von  Quetzaltenango)  gelangten  wir  in  die  Thal- 
senkung des  am  Fuss  des  Vulcan  Zuftil  gelegenen  Dorfes  Almalungo, 
wo  für  die  heissen  Quellen  eine  Badeanstalt  hergerichtet  ist.  Dann 
^windet  sich  der  Weg  weiter  zwischen  Bergwänden,  bis  zur  Thal- 
senkung des  Sunil  (Zuftil),  und  in  seinem  neben  der  Kirche  gelegenen 
Hause  wurden  wir  gastlich  von  dem  Cura  Santjago  empfangen. 
Nach  gebotenen  Erfrischungen  gab  er  Auftrag,  sein  Reitthier  zu 
bringen,  um  uns  zu  begleiten  und  erklärte  beim  Durchreiten  des 
Dorfes  die  kurzen,  nur  bis  ans  Knie  reichenden  Kleidertrachten  der 
Indianer  aus  der  Legende  der  aus  Rom  gekommenen  Heiligen,  der 
Mutter  und  Schutzpatronin  St.  Catharina,  die  beim  Durchwaten  des 
Flusses  sich  wegen  des  geschwollenen  Wassers  hoch  aufzuschürzen 
hatte. 

In  Sunil  darf  auf  Antrag  der  indianischen  Alcalden  von  der  Re- 
gierung kein^)  Branntwein  verkauft  werden,  und  ebenso  ist  inAtitlan 
nur  Wein  zulässig  für  den,  der  ihn  bezahlen  kann,  während  sich  die 
Uebrigen    mit   dem    einheimischen  Chicha    begnügen. 


*)  Die  Muskogulgee  mit  ihren  Verbündeten  (den  Tschoktah,  Tschikasah  und  Tschi- 
saken)  machen  es  zum  ersten  und  dringendsten  Artikel  in  ihren  Verträgen  mit  den  Weissen, 
dass  keine  Art  geistiger  Getränke  in  ihre  Städte  gebracht  werden  sollten  (s.  Batram). 


NAGÜALISMUS.  405 

An  der  Bergwand  aufsteigend,  Hessen  wir  die  Pferde  zurück*, 
und  eine  über  dem  Thal  von  Sunil  hängende  Kuppe  erklimmend, 
blickten  wir  in  dieses  nieder,  aus  welchem  in  einer  Schlucht  der 
Fluss  Samala  ausfliesst  (mit  dem  Arm  von  Olintepeque  später  ver- 
einigt). Auf  der  Höhe  (eines  Tabaltjich  oder  adoratorio)  fanden  wir 
unter  einer  Höhlung  von  Thonscherben  einen  Aschenhaufen  aufge- 
schüttet, und  daneben  lagen  umhergestreut  die  Calabassenhälften,  in 
denen  der  an  festlichen  Tagen  dort  verbrannte  Copal  *)  verkauft  wird. 
Nachdem  die  Aquich  (Bruyo)  oder  Zauberer  (von  denen  auch  die 
Rechnung  des  20monatlichen  Jahres  im  Calender  zu  führen  ist), 
die  Anrufungen  der  Gottheiten,  deren  Formeln  sich  in  geheimen 
Schulen  fortpflanzen,  gemacht  haben,  dient  das  Verbrennen  am  Un- 
glückstage dazu,  um  den  Feinden  Schaden  zu  thun,  am  Glückstage, 
um  Segen  (reiche  Ernten,  Gesundheit  u.  s.  w.)  zu  erlangen.  Im 
ersten  Fall  wird  dann  das  neben  dem  Aschenhaufen  aufgepflanzte 
Kreuz  verkehrt  in  die  Erde  gesteckt,  und  erklärte  der  Cura,  obwohl 
selbst  indianischer  Abstammung  und  mit  Sprache  und  Sitte  wohl  ver- 
traut, seine  Unfähigkeit,  die  Mischung  heidnischer  und  christlicher 
Ceremonien^)  abzuschaffen.  Ich  ersuchte  ihn,  wenn  an  diesem  Status 
quo  einmal  nichts  zu  ändern  wäre,  ihn  wenigstens  zum  Besten  der 
Ethnologie  zu  verwerthen,  durch  Artikel  für  unsere  Zeitschrift,  sowie 
Bereicherung  der  Sammlungen,  und  sagte  er  das  bereitwillig  zu, 
indem  Herr  Viergatz  die  Vermittlung  übernehmen  wollte. 

Die  (Aquich)  Aquichl  (als  Adivinadores  oderSacchurin)  wahrsagen 
bunten  mit  Bohnen ,  auf  welche  sie  durch  kleine  Oefihungen  blicken 
unter  Anzünden  voh  Kerzen,  und  brennende  Kerzen  dienen  bei  allen 
Ceremonien  der  Indianer,  da  die  Kerzen  zu  denjenigen  der  von  Spaniern 
eingeführten  Neuigkeiten  gehörten,  welche  ihnen  besonders  impo- 
nirten.  Der  zum  Weihrauch  verbrannte  Copal  kommt  zwischen  zwei 
Hälften  einer  Calabasse  von  der  Küste.  Wenn  die  Sachurin  oder 
Wahrsager  bei  Verlusten  befragt  werden,  erkennen  sie  aus  Steinen 
oder  anderen  Zeichen,  wo  sich  das  verlaufene  Thier  oder  das  gestoh- 
lene Gut  befindet. 


*)  Der  Gouverneur  Tcuhtlille  beräucherte  Cortez  und  die  Spanier  mit  Copal  auf 
Kohlenbecken,  eine  Ceremonie,  die  ,,no  se  hacia,  sino  a  los  que  reconocian  por  dieses" 
(s.  Torquemada). 

*)  Concurren  ä  idolotrar  (die  Indianer  Peru's)  en  los  Mochaderos  (en  el  alto  de  los 
cerros)  unter  Steinhaufen  (UUoa).  Betancourt  bezeichnete  (zu  Benzo^i's  Zeit)  die  Indianer 
Guatemala's,  veteri  suae  Idolathae  pertinacissime  esse  affixos. 


406  DER  ISTHMUS  UND  GUATEMALA. 

In  St.  Maria  Tecung,  oder  Tecong  (vom  alten  König  Tecum 
benannt),  zwischen  Quetzaltenango  und  dem  Cerro  de  los  encuentros, 
findet  sich  auf  dem  Berge  ein  Pyramidenstein,  an  dessen  Fuss  die 
Indianer  ihre  Idole  zur  Verehrung  ausstellen  und  in  Krankheitsfällen 
Weihrauch  spenden,  worauf  der  an  dem  heiligen  Stein  hervortretende 
Schweiss  Gewährung  anzeigt.  Ebenso  werden  alte  Gebräuche  der 
Quich6  bei  St.  Maria  Icanul  (bei  Sunil)  geübt.  In  Paramo,  in  der 
Nähe  von  Chimaltenango  verbrennen  die  Indianer  Copal  neben  einer 
dort  befindlichen  Steinfigur,  die  eine  Frau  auf  der  einen,  eine  Kröte 
auf  der  andern  Seite  darstellt.  In  St.  Catharina  de  Istavacan,  bei 
Quetzaltenango)  werden  Adoratorios  mit  Idolen  erwähnt. 

An  solchen  auf  Höhenspitzen  gelegenen  Adoratorios  oder  Ver- 
ehrungsplätzen, welche  Tabaltzich  (lugar  donde  se  oye  la  palabra) 
genannt  werden,  sprechen  (wie  bemerkt)  dieAquich  oder  Zauberpriester 
unter  Verbrennen  von  Copal  ihre  Weiheformeln,  an  glücklichen 
Tagen  zum  Segen,  an  unglücklichen  zum  Fluch. 

Im  Nagualismus,  von  dem  sich  in  Guatemala  viele  Spuren  erhal- 
ten haben,  wurde  der  Name  des  Kindes  nach  Thier-Erscheinungen 
oder  aufgezeichneten  Thierfiguren  gewählt,  auch  nach  Fussstapfen 
in  frisch  gestreutem  Sand^),  wenn  nicht  (s.  Burgoa)  durch  die  Seher- 

■  

kraft  des  Priesters.  Dem  nach  Fasten  in  der  Einsamkeit  schlafenden 
Indianer  (s.  Honduras)  wurde  im  Traum  das  Thier  enthüllt,  das  ihn 
als  Nagual  zum  Schutz  begleiten  würde  (s.  Herrera),  wie  der  Totem 
den  nördlichen  Indianern. 

Den  Dominicanern  gegenüber,  welche  die  einheimische  Bezeich- 
nungsweise beibehalten  wollten,  wurde  für  Gott  das  Wort  Dios  im 
Mexicanischen  von  den  Franciscanern  eingeführt,  die  ebenso  erbittert 
kämpften,  wie  neuerdings  chinesische  Missionaire  über  Shangti,  Tien, 
Shin  oder  Jehovah  auf  dem  Schlachtfeld  des  Chinese  Repository. 
Man  hielt  die  mexicanischen  Heiden  für  so  beschränkt ,  dass  es  erst 
eines  besonderen  Decrete's  bedurfte,  ihnen  die  Zulassung  unter  „Entes 
Racionales"  zu  verschaffen,  und  noch  Pauw  spricht  ihrer  Sprache  die 
Fähigkeit  ab,  metaphysische  oder  moralische  Begriffe  auszudrücken. 
Dagegen  behauptet  Clavigero,  dass  gerade  für  metaphysische  Aus- 
drücke   das  Mexicanische    eine    der    geeignetsten  Sprachen   sei  und 


')  The  use  of  a  medium  (für  orakulare  Befragung)  is  employed  either  in  a  temple  or 
in  a  private  house,  in  some  respects  analogous  to  spirit-rapping,  as  practiced  in  the  Uni- 
ted-States  and  Great  Britain  (bei  den  Chinesen).  Dabei  erwähnt  Doolittle  ,,the  use 
of  a  pen  writing    on    sand   (indem  die  Gabel   oder  Feder   von  zwei  Assistenten  gehalten 

werde). 


IIEIDENTHUM.  407 

mit  Leichtigkeit  Abstracta  bilde,  „wovon  man  weder  im  Hebräischen, 
noch  im  Lateinischen,  Griechischen,  Französischen,  Italienischen, 
Spanischen  und  Portugiesischen  gleichbedeutender  Wörter  kenne". 
Er  giebt  dafür  einige  Uebersetzungen,  für  Wesenheit  (Jelitzli),  Be- 
griff (Ixaxilitzli),  (iedanke  (TIanemilitzli),  HoffrfUng  (Netemachilitzli); 
Persönlichkeit  (Tlacojotl  von  Tlacatl  oder  Person),  Dreieinigkeit  (Jeiti- 
liztli  oder  Dreiheit)  u.  A.  m.,  uud  die  Variationen  für  Teotl  (Gott 
oder  Deus)  oder  Teojotl  (Gottheit)  treffen  sich  mit  verschiedenen 
Vermehrungen  auch  in  anderen  Quellen,  wie  Ipalnemoani :  Er,  durch 
welchen  wir  leben  (der  Lebensgeber),  Amacicacaconi,  der  Unbegreif- 
liche, Cemcacjeni,  der  Ewige,  Tloque-Nahuaque,  der,  welcher  Alles 
in  sich  selbst  hat  (der  Allumfassende),  Cenhuelitini,  der  Allmäch- 
tige u.  s.  w.  Nach  Boturini's  Meinung  <lürfte  sich  das  von  ihm  ge- 
lernte Mexicanische  in  Feinheit  und  Erhabenheit  der  Ausdrucksweise 
mit  jeder  der  ihm  ausserdem  geläufigen  Sprachen  (Lateinisch,  Italienisch, 
Französisch,  Spanisch)  nicht  nur  messen  können,  sondern  sie  selbst  über- 
treffen. Ebensowenig  fehlt  es  dem  Quichua  an  Lobredern,  der 
„highly  cultivated  language"  der  Inca.  Die  Zahlwörter  werden  im 
Mexicanischen  bis  48  Millionen  angegeben,  Caltonzonxiquipilli 
(6cco  X  8000),  und  im  Quichua  zählt  Holguin  bis  90  Billionen,  erklärt 
es  aber  für  fähig,  auch  jede  höhere  Zahl  des  Spanischen  auszu- 
drücken, bis  Pantac  hunu  (Pantakhac  hunu  oder  Pantakhachic  hunu)' 
oder  (patta,  Anhäufung)  Allpattiu  hunu  (pantani,  irren  oder  ver- 
wirren), das  Unendliche  oder  Unzählige  (numero  infinito  y  innume- 
rable,  y  que  hace  desatinar  6  turbarse  al  que  lo  quiere  contar). 
Nihil  (im  Chilenischen)  wird  durch  disjunctive  Gegenfrage  ausge- 
drückt (chem-no),  mit  chem  (quid)  und  no  (etwa  numne)  oder  chcm 
no  rume  (ein  Nirgendnicht). 

Die  von  den  Spaniern  als  Brujos  (Hexenmeister)  bezeichneten 
Aquich,  welche  kleine  Steinfiguren  als  Idole  bewahren,  führen  bei 
den  Quiches  die  erwähnte  Calenderrechnung  nach  20  Monaten,  beson- 
ders für  den  Zweck,  die  guten  und  bösen  Tage  zu  kennen.  In  Honduras 
bezeichnete  man  das  Jahr  ab  Joalar  (cosa  que  va  pasando),  und  in 
Nicaragua  den  aus  dem  Munde  des  Sterbenden  entschwebenden 
Seelenhauch  als  Jule  (eines  Tatagatah).  Bei  den  Zotugil,  von  denen 
Gott  unter  dem  Namen  Juanno  oder  Diego  Martin  verehrt  wird,  bil- 
den Dienstag  und  Sonnabend  die  günstigen  Tage.  Juanno  gilt  als 
Gott  des  Reichthum's,  wogegen  Diego  Martin,  der  Gott  der  Berge, 
im  Vulcane  wohnt. 


408  DER   ISTHMUS  UND   GUATEMALA. 

Nach  den  Pferden  zurückgekehrt,  wurde  der  eng  am  Bergabhang 
schlängelnde  Weg  weiter  verfolgt,  und  an  verschiedenen  Stellen  der 
Schlucht  (an  deren  gegenüberliegender  Wand  ein  Wasserfall  herab- 
stürzt) sahen  wir  weissen  Dampf  aufsteigen  (neben  dem  vom  Brennen 
ties  Monte  herrührenden  Rauch).  Auf  der  anderen  Seite  des  Kammes 
mussten  wir  die  Pferde  verlassen,  um  zu  Fuss  zu  einem  Bach  hinab- 
zuklettern,  und  dort  fanden  wir  uns  auf  schweflig  verbranntem  Grund, 
wo  aus  verschiedenen  Höhlungen  heisser  Dampf  aufsteigt  mit 
Schwefelablagerungen  und  Niederschlägen,  die  Luft  mit  Schwefel- 
geruch der  Sulfataren  schwängernd.  Aus  einem  Erdloch,  wo 
zwischen  Steinen  heisses  Wasser  sprudelt  und  siedet,  drangen  dichte 
Dampfwirbel  hervor,  und  weiterhin  erhoben  sich  dampfige  Wolken 
auf  verschiedenen  Stellen  des  Grundes,  von  dem  man  auf  die  Rück- 
wand des  Volcan  Quemado  blickte. 

Bei  der  Rückkehr  nach  Sunil  verabschiedeten  wir  uns  von  dem 
Pfarrer,  der  in  hoher  Achtung  bei  den  Indianern  zu  stehen  schien 
und  in  seiner  Behandlung  derselben  einen  günstigen  Eindruck  machte, 
wie  überhaupt  die  meisten  Pfarrer,  mit  welchen  ich  hier  oder  da  in 
persönliche  Berührung  gekommen,  sich  ihren  Beruf,  soweit  der  kurze 
Verkehr  ein  Urtheil  erlaubte,  angelegen  sein  Hessen.  Sie  zeig- 
ten sich  meist  anspruchslos  und  wieviel  die  beschränkte  Er- 
ziehung zuliess,  unterrichtet,  von  natürlicher  Milde  und  Güte 
im  Verkehr.  Auch  Stephens  stellt  seinen  Bekanntschaften  ein 
gutes  Zeugniss  aus,  und  sind  die  zum  Theil  auf  sie,  (und  be- 
sonders freilich  auf  die  früheren  Klostermönche),  durch  solche, 
die  durch  längeren  Aufenthalt  im  Lande  besser  mit  demselben  be- 
kannt sein  mussten,  in  alter  und  neuer  Zeit  gehäuften  Beschuldigun- 
gen demnach  mehr  den  corrumpirenden  Lehren  der  Hierarchie,  der 
sie  angehörten,  zuzuschreiben,  als  dem  nationalen  Character,  der  zu  der 
dem  autochthonen  Americanerthum  eigenen  Nachgiebigkeit  neigt, 
dadurch  aber  freilich  auch,  ohne  selbstständige  Willenskraft,  leicht 
in  jeder  Richtung  geleitet  oder  verleitet  werden  kann. 

Als  wir  über  Almalonga  Abends  wieder  in  Quetzaltenango  an- 
langten, wurden  dort  die  Kriegsnachrichten  discutirt,  die  aus  dem 
Feldzuge  gegen  San  Salvador  angelangt  waren. 

Ein  während  der  Nacht  im  Wirthshaus,  wo  wir  lagerten,  einge- 
tretener Todesfall  hielt  die  Zimmernachbarn  wach,  so  dass  der  zeitig 
beschlossene  Aufbruch  beschleunigt  werden  konnte.  Beim  Abreiten 
sah  ich  Musikanten  anlangen,  so  dass  es  sich  wahrscheinHch  um  ein 


NASATENANGO.  409 

Kiftd^)    handelte   und  die  bei  solchen  Gelegenheiten,    auch  in  Süd- 
america.  gewöhnlichen  Gebräuche. 

In  der  Ebene  umfing  uns,  von  dem  Vulcan  St.  Maria  Quetzal- 
tenango  geschlossen,  ein  Thalkessel  von  massiv  gigantischen  Formen, 
und  duftig  schimmerte  die  Luft  um  die  Bergeshöhen.  Ein  Felsthor 
durchreitend,  blickten  wir  auf  eine  Hochgebirgsschlucht,  zwischen 
den  Vulcanen  des  Cerro  quemado  und  St.  Maria's  auslaufend,  bis 
hin  zu  der  in  weiter  Ferne  dunstig  verschleierten  Ebene,  und  auf 
Bergwegen  ging  es  dann  hinab.  Einigeinder  Stadt  vergessene  Gegen- 
stände, deren  Fehlen  jetzt  erst  bemerkt  wurde,  benöthigte  die  Rück- 
sendung des  Burschen,  während  ich  mich  einer  des  Weges  ziehenden 
Caravane  anschloss.  Jenseits  des  Pueblo  Santa  Maria  (neben  dem 
Vulcan  Sunil)  kamen  wir  an  den  Fluss  Samala  und  passirten  ihn 
auf  Brücken,  unter  denen  das  Wasser  über  Klippen  schäumte.  Viele 
Indianer  fanden  sich  am  Wege  mit  Früchten  und  Töpferwaaren, 
nach  den  Märkten  der  Küste  ziehend.  Von  den  reisenden  Frauen 
wurden  einige  getragen.  Wir  passirten  das  Pueblo  Patio  Bola  und 
dann  manches  Auf  und  Nieder  im  buschigen  Wald,  wo  der  Bursche 
uns  wieder  einholte.  Vom  Dorf  San  Francisco  führte  ein  Buschweg 
nach  Mazatenango  (Ort  des  Wildes  oder  der  wilden  Katzen),  und 
dort  einige  Fragen  nach  dem  Gasthaus. 

Als' ich  noch  am  Nachmittage  die  nahegelegene  Hacienda  Herrn 
Gering s  besuchte,  fand  ich  dort  eine  deutsche  Familie,  und  zum 
Besuch  Herrn  G.  Kanter  ausSt.  Luiz,  der  mich  einlud,  ihn  am  folgen- 
den Tage  nach  Retaluleu  zu  begleiten. 

Nach  einem  Bad  brach  ich  am  Vormittag  mit  Herrn  Kanter  auf 
und  folgten  wir  einem  buschigen  Weg  mit  seitlichem  Anbau  zwischen 
Bäumen.  An  der  Brücke  bei  Chitalong  war  ein  schwarzer  Stein  mit 
abgeplattetem  Gesicht  aufgestellt,  und  auch  sonst  sind  ähnliche 
Sculpturen  dort  gefunden.  Ueber  den  Fluss  Samala  kamen  wir,  an 
dem  Indianerdorf  San  Sebastian  vorbei,  aus  dem  Wald  auf  ebenem 
Weg  bis  Retaluleu. 


*)  Bei  der  Bestattung  eines  jung  verstorbenen  Kindes  bemerkt  Saflfray  in  Columbien: 
On  ne  vient  pas  a  un  deuil,  mais  a  une  f^te.  La  mort,  en  faisant  un  vide,  a  laiss^  une 
joie.  II  y  a  un  enfant  de  moins,  un  ange  de  plus.  La  m^re  elle-mSme,  dit-on  (chose 
difficile  ä  croire  tant  eile  est  contraire  a.  la  nature)  ne  pleure  pas.  Ich  habe  (bei  frühe- 
rem Aufenthalt  in  Peru)  diese  trotz  all*  ihrer  Anstrengungen  die  Thränen  nicht  er- 
stickende Mutter  und  die  Festgenossen  so  lange  durch  Darbringung  der  Brant Weingläser 
aufgeheitert  gesehen ,  bis  sie  sinnlos  auf  das  Bett  fielen ,  und  erst  nach  dem  Erwachen 
aus  dem  Rausch,  wenn  sie  sich  allein  fanden,  der  Erleichterung  im  Schmerze  nachgeben 
konnten. 


410  DER  ISTHMUS  UNI)  GUATEMALA. 

Während  die  Indianer  von  St.  Catarina  mit  denen  zwischen 
Sololä  und  Quetzaltenango  zusammenhängen,  haben  sich  die  Indianer 
von  San  Sebastian  an  die  Küste  erstreckt,  bis  nach  „Retaluleu"  oder 
(für  sie)  das  „Ende  der  Welt."  Die  Männer  tragen  einen  carrirten 
Schurz,  die  Frauen  einen  Umschlag  ohne  Brustbedeckung.  Am 
Jahresfeste  wird  die  Figur  des  heiligen  Sebastian  aus  dem  gleich- 
namigen Dorfc  nach  der  Kirche  von  Santa  Catarina  gebracht,  um 
mit  der  dortigen  Heiligen^)  eine  Nacht  zu  verbringen  (im  Lectister- 
nium).  Aehnlieh  besuchen  sich  bei  ihren  Festen  in  Lima  die  Hei- 
ligen St.  Francisco  und  St.  Domingo,  in  der  Procession  ihrer  Geist- 
lichen auf  der  Plaza  mayor  zusammentreffend,  (und  solche  Gegen- 
seitigkeit bestand  im  alten  Mexico  zwischen  Quetzalcoatl  in  Cholula 
und  Camaxtli  in  Tlascala). 

Bei  Tempsky's  Anwesenheit  in  Santa  Catarina  (wo  sich  der  Ge- 
brauch heisser  Dampfbäder  erhalten  fand)  hörte  er  noch  den  Pfarrer 
Don  Vincente  von  Kindesopfern  reden,  die  ins  Geheim  dem  heiligen 
Felsen  dargebracht  würden  (1858). 

In  St.  Luis  wurden  (wie  in  der  Umgebung)  manche  halbheidni- 
sche Gebräuche  fortgeübt,  und  Einer  der  dortigen  Indianer  hielt 
einen  schlangenartigen  Stein,  der  in  einem  Grabe  gefunden  worden, 
als  seinen  Hühnergott,  um  das  Eierlegen  zu  vermehren,  indem  er 
ihm  Copal  verbrennt.  Bei  den  Festtagen  in  Atitlan  beladen  sich 
die  verschiedenen  Indianer  mit  den  einzelnen  Heiligenbildern  und 
laufen  um  die  Wette,  worauf  die  Feier  mit  einer  Prügelei  schliesst. 
Die  Indianer*)  Guatemalas  nennen  sich  selbst  Och-Intis  (Wir,  die 
Indianer),  und  bezeichnen  die  Fremden  als  Cashlaguinal  (gente  blanca) 
oder  (Ahau)  Achau  (Vornehmer  oder  Patron). 

Jede  Familie  der  Quich^  besitzt  ihren  Nagual  oder  (schützenden) 
Talisman,  der  meist  mit  dem  zum  Beschwören  dienenden  Kich-bal 
(kleine  Figuren  aus  Stein  oder  Thon)  durch  einen  Bindfaden  zu- 
zusammengewickelt ist.  Sollte  ein  Fremder  dieses  Palladium  sehen, 
so  verliert  es  seine  Macht,  und  die  Familie  wird  von  einer  Reihe 
von  Unglücksfällen  betroffen  werden.  Jeder  zufällig  am  Wege  ge- 
fundene Gegenstand  (oder  ein  Stück  desselben)  kann  zur  Herstellung 
eines  Nagual  dienen,  oder  demselben  hinzugebunden  werden. 

*)  „Wo  immer  sich  die  Heiligen  in  den  Strassen  begegnen,  hält  man  still  und  lässt 
sie  sich  gegenseitig  umarmen",  bemerkt  Wagner  von  dem  ,, grossen  Spaziergang  der  Hei- 
ligen" in  den  Strassen  von  San  Salvador. 

*)  In  Mexico  wurde  der  Rang  nach  der  Annäherung  zum  Weissen  abgeschätzt  (in 
der  Colonialzeit)  und  durch  das  Decret  ,,que  se  tenga  por  blanco"  wurde  der  Inhaber 
aller  Vorrechte  und  Exemtionen  (fueros)  der  wirklich  Weissen  theilhaft  (s.  Mühlenfordt). 


RETALULEU.  411 

Im  Nagualismus  wird  für  das  Kind  bei  der  Namensgebung  zum 
Schutzgeist  ein  Thier  ausgewählt,  gleich  dem  im  Totem  der  nörd- 
lichen Indianer  vertretenen,  und  wie  Gage  bemerkt,  betrachtete 
man  in  Guatemala  in  besonderer  Verehrung  die  in  Begleitung  eines 
Thieres  dargestellten  Heiligen,  da  die  Indianer  in  diesen  eine  Be- 
stätigung ihres  eigenen  Glaubens  zu  finden  meinten,  also  den  hei- 
ligen Dominicus  mit  seinem  Hunde,  den  heiligen  Antonius  mit  Schwein, 
St.  Hieronymus  mit  dem  Löwen,  St.  Marcus  mit  Stier,  St.  Johannes 
mit  Adler  u.  s.  w. 

Nördlich  von  Quiche  setzen  die  Indianer  der  Gottheit  der  Berge 
auf  einem  Stein  im  Walde  Nahrung  hin  (Brod,  Chocolate  u.  s.  w. 
unter  Beifügung  einer  Serviette)  und  betrachten  es  als  ein  glück- 
verheissendes  Zeichen,  wenn  davon  beim  Wiederkommen  aufgezehrt 
ist,  wie  es  manchmal  durch  vorüberkommende  Reisende  oder  durch 
Jäger,  die  in  abgelegenen  Gegenden  herumschweifen,  geschieht. 

Bei  Bestattungen  geben  die  Quiche's  dem  Todten  neben  seinen 
Geräthschaften  auch  Geld  mit,  um  das  Leben  im  Jenseits  fortzusetzen. 

Die  Anrufungen  der  Gottheit  geschehen  auf  dem  Cuyup  oder 
Berg  (Gott  oder  Herz  der  Berge),  und  neben  der  als  Catate  (unser 
Vater)  angerufenen  Sonne  (Kijch)  wenden  sich  die  Quichd  für  Ver- 
mehrung ihrer  Ernten  oder  Heerden  an  den  Gott  Canil,  sowie  sie  in 
einem  Sternbild  den  Gott  (des  Reichthums)  Unpaz  quahuach  be- 
wahren. Die  Zutugiles,  welche  die  Sonne  (als  San  Bernardino)  durch 
Handkuss  verehren,  bezeichnen  die  Gottheit  als  Nimachavual,  sagen 
indess  auch:  Kanema  chavual  ri  ichh,  die  Sonne  ist  unser  Gott.  Bei 
Mondfinsternissen  wird  gelärmt  und  geklagt,  unter  flehenden  Bitten, 
dass  das  Gestirn  nicht  untergehen,  sondern  zurückkommen  möge. 
Jammernd,  dass  der  Mond  oder  Ikt  (Chatith  oder  unsere  Urahnin) 
sie  verlassen  und  verschwinden  werde,  suchen  die  Indianer  ihm 
durch  ihr  Getöse  bei  seinem  Kampfe  mit  der  Sonne  zu  Hülfe  zu 
kommen. 

In  Retalhuleu  oder  Retaluleu,  dem  Haupt  -  Emporium  der  Costa 
Grande  (und  westlicher  der  Costa-Cuca)  mit  dem  Hafen  Champerico, 
konnte  ich  Herrn  Dr.  Bernouilli  kennen  lernen,  der  durch  seine  Ar- 
beiten über  Guatemala  bereits  bekannt  ist  und  die  Freundlichkeit 
hatte,  mir  einen  Theil  seiner  Sammlungen  zu  überlassen.  Auch 
Herrn  Kanter's  Güte  vermehrte  die  meinigen,  indem  er  einen  Boten 
nach  seiner  Plantage  in  St.  Luiz  schickte,  um  die  von  ihm  dort  auf- 
bewahrten holen  zu  lassen  und  mir  zu  übergeben.  Hierdurch  und 
in  der  Bekanntschaft  einiger  anderer  Landsleute  verzögerte  sich  der 


412  DER  ISTHMUS  UNI)   GUATEMALA. 

Aufenthalt  in  Retaluleu,  so  dass  mein  Bursche  für  sich  und  mich 
den  Rückweg  nach  Mazatenaitgo  bei  Nacht  zu  finden  hatte. 

Der  Aufschwung  dieser  Theile  Guatemala's  datirt  seit  dem  Be- 
ginn des  Kafifeebaues  in  Centralamerica,  der  bald  eine  rasche  Aus- 
breitung gewann.  In  Costa-Rica  wurde  der  Kaffee  zuerst  unter  dem 
Präsidenten  Carillo  durch  Wallerstein  eingeführt  (1834),  und  mit 
dieser  Kaffeecultur  ist  Costa -Rica  unter  den  mittleren  Republiken 
der  „reichste  Staat"  geworden  (bemerkt  v.  Bülow),  während  es  sonst 
diesen  Namen  nur  spottweise  geführt. 

Nach  Zahlung  einer  etwas  überraschenden  Rechnung,  die  bei 
der  standhaften  Unsichtbarkeit  des  Wirthcs  sich  der  Rectificirung 
entzog,  setzten  wir  uns  früh  Morgens  in  Bewegung,  auf  buschigem 
Waldweg,  am  Dorf  San  Pablo  und  seiner  Kirchenruine  vorbei,  her- 
nieder zum  Fluss  Istacapa,  (zwischen  schroffer  Baranca  fliessend),  über 
die  Brücke  und  aufwärts  dann  in  üppiger  Tropennatur.  Das  um  uns 
entfaltete  Panorama  schloss  im  Halbkreis  eine  umherziehende  Berg- 
kette, vom  Vulcan  Quetzaltenango's  in  Erniedrigungen  abgesenkt 
und  weiterhin  aufsteigend  zum  Vulcan  von  Atitlan. 

Als  ich,  um  im  Bach  zu  waschen,  während  des  Tränkens  meines 
Pferdes  absteigend,  dasselbe  von  einem  nebenstehenden  Indianer 
halten  lassen  wollte,  fürchtete  sich  derselbe  den  Zügel  anzufassen, 
und  der  hinzukommende  Bursche  lachte  darüber,  da  die  Indianer 
mit  Pferden  nicht  umzugehen  wüssten.  Als  sie  in  der  ersten  Zeit  der 
Eroberung  die  Pferde  am  Zügel  blutig  schäumen  sahen,  wurden  sie 
in  ihrer  Ansicht  bestärkt,  dass  sie  Menschen  frässen  und  Cortez'  in 
Peten  zurückgelassenes  Pferd  wurde  dort,  als  Gottheit,  mit  Gold- 
darbringungen  statt  des  Futters,  zu  Tode  verehrt.  Auch  hielt  man 
Reiter  und  Pferd  als  Centaur  zusammengewachsen,  wie  Torquemada 
sagt,  man  habe  in  Xocotla  geglaubt,  „que  los  caballos  y  hombres, 
que  iban  caballeros  en  ellos,  eran  una  misma  cosa."  In  Arma  wurden 
die  Indianer  von  den  Spaniern  Robledo's  angewiesen,  Goldschmuck  in 
das  Tränkwasser  der  Pferde  zu  legen,  um  ihren  Durst  besser  zu  stillen 
(s.  Piedrahita),  und  Cortez  forderte  die  Indianer  Cempoala  s  auf,  ihm 
möglichst  viel  Gold*)  zu  bringen,  als  die  beste  Arznei,  um   die  Herz- 


')  Esto  es  vcrdad,  que  muchos  de  los  Indios  resabidos,  estuvieron  con  Animo  de 
tener  al  Oro  por  dios,  pues  con  tanto  cuidado  lo  buscavan  y  guardavan  los  Hijos  del 
Sol,  que  asi  llamavan  k  los  Espailoles  (s.  Torquemada).  Als  der  Häuptling  Hayati  auf 
Cuba  von  der  Ankunft  der  Spanier  hörte,  Hess  er  ein  mit  Gold  gefülltes  Körbchen  durch 
die  Areitos  (Tänze)  seiner  Indianer  verehren,  als  Gott  der  Fremden.  Die  Spanier  in 
Peru,  aus  der  Verblendung  durch  das  Gold  (ca  el  oro  ciega  el  sentido)  han  tenido  dobla- 


PANAX.  V  41 


f} 


krankheit  zu  lindern,  an  welcher  seine  Soldaten  litten.  Die  Erfin- 
dungen, durch  welche  die  ersten  Spanier  Wege  überwanden,  welche 
jetzt  für  Pferde  oder  selbst  Maulthiere  unpassirbar  scheinen,  werden 
mehrfach  beschrieben,  und  mitunter  liessen  sie  dieselben  mit  Stroh- 
unterlagen oder  Umwindungen  Abgründe  hinabgleiten,  ähnlich  wie 
sie  noch  jetzt  von  den  Indianern  für  sich  selbst  bei  Choachi  ge- 
braucht werden.  Pedro  de  Candia  liess  in  den  peruanischen  Andes 
aus  Schlingpflanzen  dicke  Stricke  (largas  maromas)  verfertigen  und 
dieselben  an  Bäumen  befestigen,  um  die  Pferde  steile  Feken^)  hinauf- 
zuziehen (s.  Herrera),  und  auf  dem  Wege  nach  Honduras  suchte 
Cortez  das  Einsinken  der  Pferde  in  die  Moräste  durch  Unterbinden 
von  Aesten  und  Baumzweigen  zu  verhindern. 

An  Erdhügeln  vorbei,  beim  Vulcan  San  Pedro,  gelangten  wir 
nach  Chocolä  oder  Chatulul  („Bei  der  grossen  Zapote"),  der  Hacienda 
Herrn  Jose  Gariolas,  der  wohl  bewandert  in  den  Alterthümern  der 
Umgebung,  durch  seine  Unterhaltung  beim  Frühstück  nicht  nur, 
sondern  durch  verschiedene  Mittheilungen,  den  Anspruch  auf  ver- 
bindliche Dankaussprechung  bei  dem  Abschiednehmen  am  Nach- 
mittag hatte.  Es  liegen  hier  einige  Erdhügel  in  der  Nähe  und 
mancherlei  Gegenstände  waren  gefunden  worden.  Die  ganze  Gegend 
dort  ist  mit  Steinplittern  besäet,  ähnlich  wie  Strecken  im  Caucathal 
(bisCarthago)  mit  Obsidianabsprengungen,  die  ayautschi(Todtensteine) 
genannt  werden,  und"  nach  Dr.  Reiss  aus  Abschwemmungen  von  den 
durch  ihn  und  Dr.  Stübel  aufgefundenen  Obsidianen  bei  Popayan  her- 
rühren. 

Um  die,  zum  Besuch  der  Plantage  verlassene,  Strasse  wieder  zu 
erreichen,  verwies  man  uns  auf  einen  vor  Jahren  geöffneten  Waldweg, 
der  indess  bereits  wieder  so  sehr  verwachsen  war,  dass  es  uns  nicht 
geringe  Mühe  machte,  zwischen  den  undeutlichen  Pfaden  die  Orienti- 
rung  zu  halten  und  zum  Fluss  Agualate  zu  gelangen.  Von  dort  aufwärts 
steigend,  rasteten  wir  für  die  Nacht  in  einer  Finca  am  Wege,  und 
sab  ich  Panan  jenseits  des  Flusses  liegen,  den  ich  für  ein  Bad  auf- 
suchte. 


(los  corazones  y  lenguas,  por  lo  cual  nunca  decian  verdad,  sino  cuando  hallaban  malida. 
Corrompian  los  hombres  con  dineros  para  jurar  falsedades,  acusaban  unos  h  otra  mali- 
ciosaroente  por  mandar,  por  baber,  por  venganza,  por  envidia  y  aun  por  su  pasatiempo, 
mataban  por  justicia  sin  justicia,  y  todo  por  ser  ricos  (s.  Gomara). 

*)  Aviendo  arribado  a  las  sierras  de  Abide  necessitö  tal  vez  para  el  transito  de  los 
cavallos  de  fabricar  andenes  6  estacadas  boladas  en  las  laderas  de  un  elevado  picacho 
(s.  Picdrahita)  bei  Badillo's  Zug. 


414  DER  If;THMU<;  UND  GUATEMALA. 

Ein  unter  den  dort  abzulehnenden  Arbeitern  während  der  Nacht 
ausgebrochener  Streit  begünstigte  durch  seinen  Lärm  den  frühen 
Aufbruch  am  Morgen  (April  i.). 

Nach  Durchreiten  des  Flusses  Panan,  sowie  des  gleichnamigen 
Ortes,  zog  sich  der  Weg  durch  eine  Ebene,  mit  den  Vulcanen  von 
San  Pedro  und  Atitlan  gegenüber.  Im  Auf  und  Nieder  gelangten 
wir,  manchmal  auf  treppenartigen  Absätzen,  zu  einer  Flussschlucht, 
in  üppiger  Tropen -Vegetation.  Nachdem  ich  des  sicherern  Trittes 
wegen,  das  Maulthier  bestiegen,  begann  durch  Wald  ein  steiler  Auf- 
steig, der  oft  fa.st  senkrecht  an  der  Bergwand  hing.  An  einigen 
Stellen  des  Weges  waren  treppenartig  Holzsprossen  eingelegt,  um 
den  Thieren  überhaupt  zu  ermöglichen,  dort  Fuss  zu  fassen.  Seitlich 
fiel  der  Niederblick  in  eine  Hochwaldsschlucht,  aus  der  Nebel  herauf- 
zogen. Nach  einer  Wendung  des  Weges  sahen  wir,  längs  des  Vul- 
can's  von  Atitlan  und  .seiner  abfallenden  Bergschluchten,  auf  die 
weite  Wasserfläche  des  Sees  hinab,  der  jenseits  der  Ebene  von 
hohen  Bergwänden  in  auslaufenden  Winkeln  umschlossen  liegt  und 
sich  auf  der  andern  Seite  mit  Landzungen  in  nicht  übersehbarer  Ferne 
verliert.  Absteigend  durchritten  wir  die  P^bene  und  gelangten  über 
steinige  Strauchhügel  nach  Atitlan,  wo  ich,  nach  Consultirung  mit 
dem  Jefe  politico,  ein  Quartier  in  dem  an  der  Plaza  (der  Kirche 
gegenüber)  gelegenem  Cabilde  nahm,  an  dessen  Veranda,  mit  langen 
Stäben  in  der  Hand,  die  Häupter  der  Indianer  in  schweigender  Linie 
dasassen,  gleich  neben  dem  Gefängniss,  um  dort  die  vor  ihnen  über- 
wiesenen Missethäter  ohne  weiteren  Zwischenfall  einzuspunden.  Nur 
wenige  von  ihnen  radebrechten  ein  Paar  Worte  spanisch,  und 
folgen  die  Indianer  dort  noch  ziemlich  ungestört  ihren  alten  Tra- 
ditionen. Selbst  für  die  religiösen  Feste  hat  der  Cura,  wie  er  mir 
später  beim  Bekanntwerden  mittheilte,  wenig  Einfluss  über  die- 
selben. 

Auf  meine  Frage  nach  der  Stätte  der  alten  Hauptstadt,  wo 
noch  Ruinen  sichtbar  sein  sollen,  zeigte  man  sich  sehr  verschlossen, 
und  hätte  es  wahrscheinlich  mehrerer  Tage  bedurft,  das  Eis  zu  brechen. 
Doch  sollen  manche  der  bearbeiteten  Steine,  die  zum  Unterbau  der 
Häuser  von  Atitlan  verwandt  wurden,  von  diesen  am  Vulcan  ge- 
legenen „Casas  Viejas'*  gebracht  sein.  Bei  Atitlan,  dem  früheren  Sitz 
der  Tecpan- Atitlan  oder  Zutugiles,  berührten  sich  diese  und  die  Cak- 
chiquel,  mit  welchen  und  den  Quich&  sie  bereits  bei  der  Einwande- 
rung verbunden  waren. 

In    seiner  Gründung  geht  Atitlan   auf  Abah    zurück,    der  Stadt 


ATITLAN.  415 

der  Cakchiquel,  von  denen,  bei  dem  Fortzug  der  Uebrigen,  die 
Ah-Tziquinihayi  oder  die  mit  den  Zotzilen  (oder  Cakchiquel)  ver- 
schwägerten Zutugilen  zurückblieben,  während,  als  erster  König 
dieser,  Acxiquat  genannt  wird,  Sohn  des  Acxopil,  der  seinem  die 
Einwanderung  der  verbündeten  Stämme  leitendem  Vater  Nima-Quiche 
gefolgt  war.  Später  entbrannte  dann  der  Krieg  um  die  schöne 
Prinzessin  Hamai-Uleu,  die  „irdische  Rose",  die  an  den  Gestaden  des 
Sees  aufgeblüht  war.  Fuentes  macht  die  mythische  Königin  Atit 
zur  Stammmutter  aller  edlen  Familien  Guatemala's  (vielleicht  in  An- 
knüpfung an  die  Sonne). 

Die  Sprachen  Guatemala's  haben  in  Ximenes  und  später  in  Brasseur  de  Bourbourg  ihre 
Ile  rbeiter  gefunden,  so  dass  hier  nureinige  Aufzeichnungen  folgen  (besonders  aus  dem  Zutugil): 

Tzivanik,  escribir 
Ackomanik,  pintar 
Chress,  verde. 

Chress-azul,  azid  (bei  spanischer  Unterscheidung). 
Chrass,  morado. 
Kang,  amarillo'). 
Sak'),  blanco. 
Kk,  negro. 
Kachh,  cielo. 
Tzi*),  perro. 
Kichh-tzi,  perros. 
Kichh,  raucho. 
Chat,  mazorka. 

Ichin,  mais  (ixim  im  Focoman). 
Kinak,  frijoles. 
'    Cakul,  legumbres. 
Achich,  calla. 
Kab,  panela. 
Caco,  cacao. 
Sük,  tobaco. 
Tubul,  zapote. 
Tschob,  pina. 
Karr,  pescado. 
Ajin,   lagarto. 
Utzilak  ichh,   dia  buena 
Izell  ichh,  dia  mala 
Chuna,  afio. 

Chatith,  nuestra  abuela  (luna). 
Ak*),  fuego       \ 
Ya,  agua  l    bei  Tecpan. 

Ichh*)  (Sonne)  ) 

*)   Nib  (in  Rabinal)  das  Gelb  zum  Färben  der  Töpferei   (s.  Brasseur  de  Bourbourg). 
>)  Zak,  cosa  blanca  (bei  Bourbourg). 

*)  Tsi  im  Poconchi  oder  Pocoman  (nKch  Gage),  wie  Chi  (bei  Chichimeken). 
*)  Brasseur  de  Bourbourg  giebt  Gag,  Feuer,  Ha  (Ya  im  Cakchiquel)  Wasser,  Gih, 
Sonne  im  guatemaltekischen  Vocabular. 
*)  Qvih  im  Pocoman  (s.  Gage). 


416  DER  ISTHMUS  UND   GUATEMALA. 

Kiri,   adios  (im  Cachiquel). 

Chihuahnica  numans,  adios  SeÜora  (hei  Ciudad  vieja). 

Panacachel  (Panjachel),  en  el  palo  podrido  (am  See  von  Atillan). 

Man  ca  v*il-tah,  ich  sehe  nicht  (in  ZufÜgung  von  tah). 
Die    Negationen    im    Quichc  sind  ma ,    man ,    mana  (manan  im  Quechua)  und  mani 
(nach  Gage)  im  Pocoman. 

SachmaloD,  huevo. 

Ahk,  gallina  (acach  im  Pocoman). 

Mama,  gallo. 

Chuti  Ahk,  pollo. 

Kiech,  caballo  (qveh  im  Pocoman). 

Boie  ,    buey  (in  Entlehnung). 

Vakish,  vaca  (,,  ,,         ). 

Akch,  cochon  (ak  im  guatemaltekischen  Vocahular  ßourbourg's). 

Mozef,  niebla. 

Sutz,  nube. 

Tschumil,  estrella. 

Kabrakan,  teiremoto. 

Kokolohai,  tnieno^). 

Kojopäh,   rayo. 

Saktukuhn,  remolino. 

Tschejoch  he   il  ichk  kerei  ikh,  la  luna  peleando  con  el  sol,  eclipse  de  la  luna*), 
bei  den  Zutugiles,  von  Sutxa  oder  Blumen  (im  Mexicanischen)  benannt. 

Quichi  quui  ri  weg,  donde  estä  el  camino'). 

Atush  ubi  rejah,  que  (como)  se  llama  este  rio  (ri-jah). 

Paz  u  biri,  cual  es  su  nombre  deste. 

Vech  (vichin  im  Cakchiquel)  mein  (im  Quichö). 

Avecha  (avichin  im       ,,  dein   (  ,,       ,,      ). 

Rech  (richin  im  »>       )   sein    (  ,,       ,,      ). 

Die    in    den  Gräbern  gefundenen  Idole  von  Stein  oder  Thon   heissen  Achlaval  (bei 
den  Zutugiles). 

Der  Name  der  Tzutuhil  (Zutigil)  wird  auch  erklärt  von  Tzut  (Netz),  als  Fischer,  oder 
von  Tjutuh  (Maisblume)  und  hil  (wachsen)  und  (bei  Brasseur)  als  ,,flor  de  las  naciones." 
Cakchiquel  flihrt  auf  Cak  (roth),    chi  (drinnen)   und  quel  (Stein),    als  die  Anwohner 
des  rothen  Steines  oder  die  dem  rothen  Stein  Entsprungenen. 
Quiche*)  (viele  Bäume)  sind  mit  Waldmenschen  tibersetzt. 

Cabahuil  ist  (im  Quichö)  Name  der  Gottheit ,  Xecach  (debajo  del  cielo)  die  Bezeich- 
nung für  die  Erde  (auch  ,,el  mundo"). 

Die    Wilden    (Barbaren)    empfangen    den    allgemeinen    Namen    Chicop    (wie    sonst 
Chontal  oder  Popolocas). 

Brasseur  giebt,  in  seiner  auf  Ximenes  gegründeten  Grammatik  der  Quiche,  die  Zahl- 
wörter folgendermaassen : 

hun,  cab,  (caib),  ox  (oxib),  cah  (cahib),  oo  (oob),  vakakib,  vukub,  vahxakib,  beleb 
12  3  4  5  6789 

(beleheb),  lahuh,  hulahuh,  huvinak. 
10  II  20 


')  Zah,  tonner,  Zahloh,  sillonner  l'öclair  im  Guamaltekischen  (s.  Bourbourg). 

')  Iq,  luna  im  Guamaltekischen  (bei  Bourbourg). 

•)  Bey  (im  Cakchiquel  und  Tzutuhil)  Be  (im  Quichi),  Weg. 

*)  El  Quiche  se  distingue  mas  del  Cakchiquel,  que  este  del  Tzutuhil  (s.  Bour))ourg). 


WASSERELEMENT.  41 7 

Stephens  dagejijen ,  nach   einer  von  dem  Pfarrer  in  Santa  Cruz  de  Quichc  gelieferten 
Copie,  als: 

hun,    quieb,    dxib ,    quieheb,    hoob,    uacacguil,  venib ,  uahxalquib,  beleheb,  lahuh, 
1234567  8  9  10 

hulahiih,  huuinax. 
II  20 

Sehr    mannigfaltig    ist  der  (iebrauch  der  Nunieral- Anhänge    (wie   sie    in  den  hinter- 
in«!! sehen  Sprachen  vorkommen  und  sonst). 

Vom  Puebia  Atitlan,  hinter  welchen  sich  der  gleichnamige  Vul- 
can  (3572  M.)  erhebt,  blickt  man  auf  die  Ausbuchtung  des  Sees 
am  Fusse  des  Vulcan  San  Pedro  (2500  M.).  An  den  mit  Seegras 
beschwemmten  Ufern  lagen  zwischen  umhergeworfenen  Felsgeröllen 
breite  Canoc  zum  Fischen  mit  Reusen  vorbereitet.  Hinter  gezackten 
Vorbergen,  an  deren  Fusse  (über  dem  See)  das  Pueblo  ruht,  steigen 
die  Vulcane  von  Atitlan  und  St.  Barbara  auf,  während  gegenüber 
der  Vulcan  San  Pedro  schroff  in  die  See  abfällt.  Das  Wasser^),  weil 
noch  nicht  gelothet,  gilt  für  unergründlich  tief  und  war  auf  den  aqj 
Ufer  eingebuchteten  Stellen  mit  schlammigen  Excretionen  bedeckt. 

Nach  der  heiligen  Schöpfungssage  der  Quiche  schwebte  am 
Anfang  der  Dinge  Gucumatz  mit  seinen  Göttergefährten  (als  Elohim) 
über  der  grünen  Exsudation  der  Seengewässer  (gleichsam  dem 
Meeresfette  oder  Viracocha)*).  Nach  Ondegardo  bildeten  die  Peruaner 
aus  dem  auf  den  Flüssen  schwimmenden  Wasserschaum,  aus  dem  im 
Hause  zusammengekehrten  Staub,  aus  Unkräutern  und  sonstigem 
Unrath  eine  Opferform,  von  welcher  sie  räucherten  bei  der  Geburt 
eines  Kindes,  damit  das  Neugeborene  wachsen  und  gedeihen  möge, 
mit  derjenigen  Kraft,  durch  welche  alle  jene  nutzlosen  Dinge  von 
selbst  entständen,  ohne  von  den  Menschen  gepflegt  zu  sein,  und 
sogar  gegen  deren  Wunsch  und  Willen^). 

Bei  dem  See  von  Atitlan  wird  ein  unterirdischer  Abfluss  (im  Vul- 
can von  Atitlan)  vermuthet.  Als  Quellenflüssen  bilden  der  Sukuvalja, 
Sichaja,  Kichajä,  Liboyä,  Kakä,  Lutiyä  den  Rio  Madre  vieja  und  der 
Rio  Navaluate  nimmt  die  Nebenflüsse  Rio  bravo,  San  Francisco  und 
Rio  del  Rancho  auf. 


*)  Foledo  giebt  dem  See  von  Atitlan  eine  Tiefe  von  1800  Fuss.  Su  estension  es  de 
18  miilas  y  su  mayor  anchura  de  9.     Su  elevacion  sobre  el  nivel  del  mar  5300  pies. 

')  Die  Corinthier  waren  aus  Erdschwämmen  entstanden,  corpora  vulgarunt  pluvialibus 
edita  fungis  (Ovid). 

')  Manyfestaron ,  que  cogian  basura  de  casa  de  la  que  barrian  y  espuma  del  rrio  y 
algunas  yerbas  silvestres ,  y  que  esto  les  davan  ciertos  sahumerios ,  diciendo ,  que  ansi 
como  todo  aquello  cre^e  sin  entcnder  en  ello  nadie,  e  aunque  a  todos  les  pese,  que 
ansi  crezca  aquel  nyilo  (im  Thal  von  Yucay). 

Bastian:  Amerka.  I.  2< 


420  DER  ISTHMUS  UND   GUATEMALA. 

Commandanten  Don  Pedro  de  Anda  über  den  morgigen  Besuch  der 
Alterthünner,  von  denen  sich  einige  Proben  bereits  in  seinem  Hause 
fanden,  zunächst  den  Fluss  Santiago  aufsuchte,  um  Staub  und  Sonnen- 
durchhitzung  abzubaden 

Am  nächsten  Morgen  sah  ich  nun  diese  wunderbaren  Alter- 
thümer  vor  mir,  von  denen  ich  in  Guatemala  gelegentlich,  besonders 
durch  Herrn  Juan  Gavarrete,  der  an  der  im  Jahre  1866  dir  ihre  Er- 
forschung niedergesetzten  Commission  Theil  genommen,  hatte 
sprechen  hören.  Obwohl  meine  Erwartunng  dadurch  einigermassen 
gespannt  war,  wurde  sie  durch  die  Wirklichkeit  übertroffen,  indem 
es  kaum  begreiflich  war,  dass  Alterthumsschätze  solcher  Bedeutung, 
seit  ihrer  Entdeckung  im  Jahre  1858  den  wissenschaftlichen  Kreisen 
Europas  unbekannt  geblieben,  obwohl  in  der  Nähe  einer  Verkehrs- 
strasse gelegen.  Ihre  Erhaltung  soweit  war  besonders  Don  Pedro 
de  Anda  zu  verdanken,  der  sich  auch  in  jeder  Weise  zur  Verfügung 
stellte,  um  meiner  Absicht,  sie  für  das  Berliner  Museum  zu  ver- 
werthen,  seine  Unterstützung  zu  geben.  Von  seiner  Hacienda  Peor- 
es-nada,  wo  die  sculptirten  Steintafeln  über  einander  lagen,  ritten 
wir  zu  den  gigantischen  Steinfiguren  -  Kolossen  auf  Los  Tarros  und 
kreuzten  am  Nachmittag  den  Fluss  Pantaleon,  die  gleichnamige  Ha- 
cienda Herrn  Herrera's  zu  besuchen,  wo  die  dort  gefundenen  Stein- 
köpfe aufgestellt  waren  (s.  Zeitschrift  für  Ethnologie,  Jahag.  1876). 

Nachdem  ich  das  Nöthige  mit  Herrn  Pedro  de  Anda  für  einen 
zweiten  Besuch  bei  der  bevorstehenden  Rückkehr  nach  der  Küste 
besprochen  hatte ,  Hess  ich  am  Abend  Alles  vorbereiten,  um  gegen 
Ende  der  Nacht  aufbrechen  zu  können. 

Das  Total  der  von  meiner  Hauswirthin  aufgestellten  Rechnung 
wich  so  sehr  von  demjenigen  ab,  was  ich  mir  ungefähr  aus  den  im 
Voraus  getroffenen  Stipulationen  zusammen  addirt  hatte,  dass  ich  sie 
um  Specificirung  der  einzelnen  Posten  ersuchte,  und  als  sie,  nach 
einigen  Ausflüchten,  sich  dazu  herbei liess,  ergab  sich  auch  eine 
niedrigere  Zahl  als  die  richtige.  Trotzdem  meinte  sie  ganz  unbe- 
troffen,  dass  die  Summe  so  sei,  wie  ursprünglich  angegeben,  hatte  sich 
aber  allerdings  mit  der  durch  die  Berechnung  bestimmten  zu  begnü- 
gen, da  ich  ihr  ebenso  kühl  auseinandersetzte,  dass  nach  Ansicht  der 
nicht  in  St.  Lucia  Wohnenden  das  Ganze  mit  der  Summe  der  Theile 
übereinzustimmen  habe,  und  dass  in  solchen  Fällen  die  Entscheidung 
in  demjenigen  läge,  der  das  Geld  zahle.  So  gab  sie  sich  auch  als 
Empfängerin  zufrieden,  und  verlor  kein  weiteres  Wort  über  das 
Missverständniss,  am  Wenigsten  etwa  eines  der  Entschuldigung. 


ALTERTHÜMER.  421 

Die  ersten  Stein-Monumente  St.  Lucia's  wurden  auf  der  Hacienda 
los  Tarros  gefunden,  im  Jahre  1858  bei  St  Juan  Perdido,  und  gingen 
dort  wieder,  durch  Aufwachsen  des  Monte  verloren,  dann  1863  ^^^ 
auf  der  Hacienda  Peor-es-Nada  und  ebenso  andere  daselbst  1864,  später 
1873  die  der  Hacienda  Pantaleon,  sowie  neue  auf  der  Hacienda  Los 
Tarros,  und  bei  der  jetzt  stetig  wachsenden  Ausbreitung  der  Kaffee- 
Cultur  über  die  tierras  baldias  wird  noch  Mancherlei  zu  erwarten  sein. 

Die  Sculpturen  auf  den  Steinen  von  St.  Lucia  sind  meist  in  einem 
verhältnissmässigen  Bas-Relief,  während,  wenn  aber  oben  die  Gottheit 
darauf  dargestellt  ist,  diese  im  vollen  Haut-Relief  erscheint. 

Von  den  in  der  Umgegend  aufgedeckten  Alterthümem  finden  sich 
einige  in  dem  Hause  des  Commandanten  Pedro  de  Anda,  von  der 
Hacienda  Los  Tarros  dorthin  gebracht,  besonders  grosse  Steinköpfe 
mit  rüsselartig  verlängerter  Schnauze,  und  einige  mit  aushängenden 
Augen.  In  der  Hacienda  Los  Tarros  stehen  noch  an  der  Stelle,  wo 
sie  angetroffen  (etwa  20  Schritte  von  einander  entfernt),  zwei  Stein- 
büsten, mit  ernst  nieder  blickendem  Gesicht  über  Brustverzierungen 
und  in  einem  turbanartigen  Kopfschmuck  mit  seitlichen  Federn 
nach  oben  auslaufend,  während  sich  eine  dicke  Quaste  (mit  Eingriff) 
von  Oben  niederbeugt.  Quer  über  den  Stirnschmuck  ist  ein  Schädel 
gestellt.  Hinten  an  der  Figur  findet  sich  ein  Steinvorsatz,  mit  dem 
sie  an  der  Wand  eingefügt  war  (7 — 8  Fuss  hoch).  Ringsum  zeigen 
sich  leichte  Anschwellungen  des  Terrains  und  Erderhebungen  über 
dem  darunter  liegenden  Tempel  aufgeschüttet. 

In  der  Hacienda  Peor-es-nada  liegen  übereinander  geworfen  (und 
zum  Theil  stellenweis  verstümmelt)  längliche  Steinplatten  mit  Haut- 
Relief-Ausarbeitungen.  Auf  der  einen  hebt  ein  Indianer  (mit  einer 
Quaste  am  linken  Bein),  der  einen  Löwen  oder  Puma  durchbohrt 
hat,  die  Hand  zu  der  in  Meditation  sitzenden  Gottheit  (als  Gesicht 
mit  Kopfschmuck  und  Brustverzierung)  empor,  welche  die  rechte 
Hand  auf  die  Brust  gelegt,  die  linke  niederhängend  hat.  Auf  einer 
anderen  trägt  die  Menschenfigur  einen  Kopf  an  der  Seite  eines 
Skelettes  und  die  Gottheit  lässt  beide  Arme  niederhängen,  mit  den 
Fingern  zum  Greifen  ausgespreizt.  Auf  einem  zerbrochenen  Stein 
hat  die  Gottheit  die  Arme  über  die  Brust  gekreuzt,  und  erscheinen 
unter  ihr  Krebs  und  Fisch.  Auf  einem  andern  Bruchstück  findet 
sich  ein  Zwerg  neben  einem  Skelett.  Eine  andere  Platte  zeigt 
ein  auf  der  Erde  liegendes  Skelett,  das  die  Hände  emporstreckt, 
während  von  oben  eine  Hand  herabgereicht  wird.  An  der  Seite 
finden   sich  10  Kugeln  mit  eingeschlossenen  Hieroglyphen,    die  ver- 


422  DER  ISTHMUS   UND   GUATEMALA. 

wischt  sind.  Auf  einem  Stein  wird  scheinbar  eine  mit  ausgespreizten 
Armen  befestigte  Menschenfigur  von  einem  Adler  mit  geöffnetem 
Schnabel  zerhackt,  in  Wirklichkeit  aber  in  diesem  von  ihm  ge- 
tragen. 

Vor  dem  Hause  des  Commandanten  liegt  (von  Peor-es-nada  dorthin 
gebracht)  eine  Steinplatte  mit  einem  Indianer,  der  eine  Leitertreppe 
emporklettert,  und  in  die  Wand  des  Hauses  ist  ein  Steinkopf  (mit 
doppeltem  Ohrschmuck)  nachtraglich  eingemauert. 

Im  Hof  der  Hacienda  Pantaleon  finden  sich  6  Steinköpfe,  mit 
bandartigem  Kopfschmuck  und  gebogenen  Nasen  in  breiten  Nüstern. 
Zwei  tragen  die  Runzeln  des  Alters.  Eine  hat  ein  Auge  ausge- 
stossen  herabhängen,  eine  andere  (mit  ausfallender  Zunge)  beide, 
und  sie  zeigen  das  Ansehen  von  Greisinnen.  Ausserdem  findet  sich 
ein  Eidechsenkopf-Stein.  Diese  Figuren  wurden  in  einem  Po- 
trero  angetroffen,  zu  3  und  3  einander  gegenübergestellt  (als  ob  einen 
Gang  darstellend)  zu  8  Varas  Entfernung  von  einander,  während  der 
trennende  Zwischenraum  in  Front,  von  Reihe,  zu  Reihe  10  Voros 
mass. 

Die  gegenwärtig  bei  St.  Lucia  befindlichen  Indianer  gehören  zu 
den  Cakchiquel.  Sie  sind  jedoch  erst  nach  der  Entvölkerung,  die  in 
Folge  pestartiger  Krankheiten  am  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts 
eintrat,  dorthin  gewandert,  indem  sie  sich  von  den  benachbarten 
Hochlanden  herabzogen.  In  der  Umgegend  von  Amatitlan^),  dem 
Verbreitungsort  der  Bücher  oder  doch  des  Papiers,  haben  sich  Reste 
selbstständiger  Dialecte  erhalten.  Thomas  Gage  erlernte  dort  das 
Poconchi  oder  (nach  Hervas)  „la  lengua  Pocomana,"  und  erwähnt  dabei, 
dass  die  Pfarrer  sich  Grammatiken  und  Wörterbücher  anzufertigen 
pflegten,  aber  sie  geheim  hielten  für  eignen  Gebrauch,  um  das  Mono- 
pol, die  Indianer  auszubeuten,  für  sich  zu  bewahren.  Auch  jetzt 
steht  es  noch  misslich  mit  der  Erlernung  der  Indianersprache,  da 
hier  nicht  wie  im  Tupi  oder  Quechua  die  Bequemlichkeit  einer  len- 
guageral  geboten  ist,  und  an  der  Universität  findet  sich  kein  Lehr- 
stuhl dafür.     Doch  weiss  man  sich  zu  helfen: 

Wenn  der  Pfarrer  in  Guatemala  die  Sprache  der  Indianer  nicht 
versteht,  überlässt  er  die  Beichte  dem  Sacristan,  der  ihn  dann  über 
die  aufzuerlegenden  Pönitenzen,  wenn  etwas  besonderes  vorkommen 
sollte,   befragt,    und  werden  in  der  Hauptsache  nur  drei  Fragen  ge- 


1)    Amatitlan  (mexicanisch)   significa   ciudad   de   letras  porqiie  en  ella  acostumbraban 
sus  naturales  grabar  en  cortezas  de  arboles  y  enviarlas  h  gran  distancia  (Alcedo). 


ALOTENANGO.  423 

stellt,  als  in  die   Confession  einzuschliessen,  nämlich  über  Raub  oder 
Mord,  über  Hurerei  und  über  den  Glauben  an  Gott. 


Nachdem  wir  (April  12.)  den  Fluss  Pantaleon  passirt  hatten,  mit 
dem  Vulcan  de  Agua  im  fernen  Nebel  und  dem  schroff  geschnitte- 
nen Felsblock  des  Pefion  seitlich,  gelangten  wir  auf  eine  geneigte 
Ebene,  mit  Felssteinen  bestreut.  In  einem  engen  Heckenwege  (zwi- 
schen den  Hacienden)  jagten  uns  ein  paar  wild  gewordene  Ochsen 
mit  den  verfolgenden  Reitern  im  Carriere  hinter  ihnen,  die  sie  soeben 
seitlich  aus  dem  Felde  herangetrieben  hatten,  in  einer  Staubwolke 
entgegen,  so  dass  mein  Pferd  kaum  noch  durch  einen  seitlichen  Satz 
in  die  Einhegung  dem  Spiessen  entging.  Die  Begleitung  mit  dem 
Packthier  war  glücklicherweise  noch  eine  Strecke  an  breiter  Stelle 
zurück,  sonst  wäre  Alles  übergerannt  worden. 

Aufwärts  durch  Wald,  überschritten  wir  grüne  Hügelhalden  mit 
Bächen,  und  stiegen  dann  in  Waldbcrgen  empor,  die  am  Hochgebirge 
lehnten.  Der  Blick  traf  auf  die  breite  Seite  des  Vulcan  de  agua, 
mit  geschwungenen  Linien  zu  der  Depression  auslaufend,  hinter  wel- 
cher das  alte  Guatemala  oder  la  Antigua  (1546  M.)  liegt,  während 
auf  der  andern  Seite  der  niedrigere  der  beiden  Berge,  die  den  Vul- 
can de  fuego  zusammensetzen  (VA  Hijo  genannt),  unter  Aussendung 
einer  Bergreihe  zur  Um^hliessung  der  Hügelebene  mit  gebreiteter 
Wand  vortritt,  dahinter  dagegen  der  höhere  (El  Tata)  überschaut. 
Der  seine  Activität  länger  bewahrende  Kegel  bildet  den  eigentlichen 
Vulcan  de  fuego  (3670  M.  hoch)  neben  dem  Vulcan  von  Acatenango 
(4150  M.  hoch),  als  Pico  mayor  (höhere  Spitze)  des  Vulcan  de 
fuego  oder  Padre  del  Vulcan  bekannt. 

An  Alotenango  vorüber,  am  Fusse  des  Vulcan  de  Agua,  folgten 
wir  dahin,  mit  dem  Blick  auf  Antigua  vor  den  Höhen.  Zur  Fütte- 
rung wurde  gerastet  in  Ciudad  vieja,  an  der  Abdachung  des  Vulcan 
de  Agua  gelegen,  während  rückwärts  sich  der  Doppelgipfel  des 
jüngeren  Vulcan  de  fuego  zeigte  und  der  ältere  mit  seiner  Spitze 
neben  einer  geschwungenen  Erhebung  seitlich  herüberragt.  Beim 
Weiterritt  bhckten  wir  von  der  Plaza  (mit  alter  Kirche)  auf  die  ge- 
schwungen abfallende  Fläche  bis  zu  den  begrenzenden  Berghügeln, 
an  deren  Fusse  La  Antigua  sichtbar  ist.  In  der  Finca  Potreria  fanden 
sich  rohe  Wandbauten,  von  der  ersten  Capelle,  welche  die  Spanier 
in  Guatemala  bauten,  sowie  ein  steinerner  Wasserbehälter  mit  Röhren- 
steinen, und  die  Figur  eines  steinernen  Löwen.  Das  Indianerdorf  Almo- 


424  DER   ISTHMUS   UND   (lUATEMALA. 

longo  ^)  (wrc  jetzt  die  Bäder  genannt  werden)  oder  Tezacualpa  liegt 
am  Abhänge  des  Vulcan  de  Agua.  Durch  angebaute  Ebenen  rei- 
tend, sahen  wir,  während  seitlich  in  einer  Thalmündung  Duete  zwi 
sehen  Teichen  erschien,  vor  uns  Antigua  (Santjago  de  los  Caballeros 
oder  Sanct  Jacobus  de  Guatemala)  am  Fusse  der  Hügelberge,  die 
das  Thal  zwischen  den  Vulcanen  umziehen,  und  zwischen  den  ver- 
fallenen Ueberresten  von  Häusern  und  Kirchen,  (redende  Zeugen  auf 
diesem  Boden  der  Erdbeben),  gelangten  wir  in  den  bewohnteren 
Theil  um  die  Plaza,  und  zu  dem  Hotel  La  Paz.  Herrn  Otto  Bleuler 
aufsuchend  (Besitzer  der  durch  seinen  Bruder  geleiteten  Mühle), 
lernte  ich  den  Jefe  politico  und  einige  andere  Herren  kennen,  und 
konnte  Einiges  zu  den  Alterthümern  Gehöriges  erwerben. 

Dieses  Alt  -  Guatemala,  der  Spielball  so  vielfacher  Naturcata- 
strophen  im  Laufe  seiner  kurzen  Geschichte,  liegt  eingebettet  zwi- 
schen den  beiden  bald  durch  Wasser,  bald  durch  Feuer  Verheerung 
sendenden  Bergen,  und  man  blickt  seitlich  auf  den  breit  aufsteigen- 
den Vulcan  de  Agua  mit  vielfarbigen  Schichtungen,  je  nach  derfi 
Streifen  des  Anbaues  oder  der  \yaldung,  während  unter  Nebelwolken 
in  der  Ferne  die  Umrisse  des  Vulcan  de  fuego  erscheinen  (neben 
dem  Vulcan  von  Acatenango).  Es  ist  ein  pomphaft  grossartiges 
Bild,  das  diese  beiden  Riesenkegel  darbieten,  die  hier,  isolirt  von  ein- 
ander, auf  der  runden  Ebene  anstehen,  in  einer  mit  der  Massen- 
haftigkeit  der  südamericanischen  allerdings" nicht  vergleichbaren  Cor- 
dillere,  aber  dafür  die  von  Nacktheit  starrenden  Höhen  jener,  in 
milderer  Natur,  mit  den  geschwungenen  Linien  eines  bunten  Garten- 
gewandes bekleidet.  In  Folge  dieser  prächtigen  Lage  ist  La  An- 
tigua, trotz  air  der  Schrecken,  von  denen  es  bedroht  wird,  doch  nie 
entvölkert  worden,  und  wenn  auch  verschärfte  Regierungsbefehle 
wiederholte  Auswanderungen  erzwangen,  ist  dennoch  jetzt  der  Rest 
der  „Los  Incorregibles,"  wie  sie  genannt  werden,  zurückgeblieben. 

Der  Anblick  des  Vulcan  de  Agua  gestaltet  sich  um  so  zauber- 
hafter, weil  man  in  einem  Augenaufschlagc,  so  zu  sagen,  die  ge- 
sammten  Zonen  der  Erde,  von  den  Palmen  bis  zu  den  Fichten,  mit 
wechselndem  Anbau  dazwischen,  an  der  Breitseite  seines  Abhanges 
übergreift,  und  die  neben  einander  geschlungenen  Gürtel  umwehen 
den  Pyramiden-Koloss  mit  einem  malerischen  Teppich  wundervollster 
Kunst. 


*)  Das  älteste  Santiago ,  in  welchem  Beatrice  de  la  Cueba ,  die  Wittwe  des  Erobe- 
rer's  Alvarado,  ihr  in  den  Volkssagon  gespenstisch  ausgemaltes  Ende  fand,  wurde  (nach 
Kemesal)  in  derNäheAlmolonga's  (einer  nach  der  Wasserquelle  benannten  Ansiedelung)  erbaut. 


VULCANE.  425 

In  seinem  Namen  Huhnapu^)  bewahrt  der  Vulcan  de  Agua  Er- 
innerungen an  die  mythischen  Traditionen,  die  noch  über  die  halb- 
historischen Einwanderungssagen  der  Quichö  hinausgehen.  Der  Vul- 
can de  St.  Maria  heisst  Yaxcamul  oder  Gagxamul  (im  Anschluss  an 
den  Götter-Dämon  Guagaavitz  oder  Hacavitz). 

Obwohl  der  Vulcan  de  Agua  nicht  bis  ganz  an  die  Schneelinie 
reicht,  wissen  doch  die  Indianer  von  St.  Maria  die  kalten  Monate 
zu  benutzen,  um  auf  der  Neveria  des  Vulcan  de  Agua  (3500  M. 
hoch),  den  zu  Reif  condensirten  Dunst  als  Schneeklumpen  in  Stroh 
verpackt  nach  der  Stadt  zu  transportiren  und  dort  zu  verkaufen. 
Die  Schneelinic  liegt  in  Mexico  zwi.schen  44CO — 4500. M.  und  würde 
also  in  Central-America  (s.  Dollfuss)  noch  etwas  höher  anzusetzen  sein. 

Da  jetzt  die  Semana  Santa  über  diesem  frommen  Lande  ange- 
brochen war,  durfte  nach  strenger  alter  Sitte  vom  Gründonnerstag, 
IG  Uhr  Vormittags,  bis  nach  den  Osterfeiertagen  kein  Reitthier  be- 
stiegen werden,  und  würde  jeder  Reiseweg  nach  einem  so  warmen 
Platz  geführt  haben,  dass  mein  Bursche  nicht  aus  der  Stelle  zu 
bringen  war.  Ich  musste  mich  so  für  die  beiden  Feiertage  darin 
ergeben,  behielt  mir  aber  jedenfalls,  für  Sonnabend  Freiheit  des  Han- 
delns vor,  um  dann  nach  Guatemala  durchzuschlüpfen,  und  dort  den 
Rest  der  beiden  Gefangnisstage  abzusitzen. 

Um  das  Herz  zur  Andacht  zu  stimmen,  wurde  die  erhebende 
Feier  am  Donnerstag  eingeleitet  durch  ein  schnarrendes  Gerassel, 
dem  ähnlich,  mit  welchem  früher  die  Nachtwächter  auf  ihren  melan- 
cholischen Wegen  das  Schnarchen  der  Schlafenden  zu  begleiten 
pflegten,  (denn  hierdurch  waren  die  an  den  Trauertagen  verpönten 
Glockentöne  zu  ersetzen),  und  gleichzeitig  sah  man  an  Laternenpfählen 
und  Fenstern  die  zerlumpten  Puppen  des  aufgehängten  Judas  flattern, 
an  welch'  unglücklichem  Schacherjuden  sich  die  bittere  Rachsucht 
christlicher  Liebe  jetzt  seit  1800  Jahren  noch  immer  nicht  voll  ge- 
sättigt hat.  Dies  gab  dem  Volke  Stoff"  für  den  Rest  des  Tages  zu 
spottender  Verhöhnung  und  allerlei  Possenspiel,  unter  welchen  durch 
den  Zweck  geheiligten  Formen  das  zum  Himmel  hingerichtete  Ge- 
müth  seinem  dunkeln  Sehnen  Luft  machte  und  vorbereitet  wurde 
auf  die  ergreifenden  Scenen  am  folgenden  Tage,  die  nationalen 
Feste)    durch  ganz  Südamerica. 

^)  Chi-Kak-Hunahpu  oder  Am  Feuer  Hunahpu's  (eines  Blasroh rschiesser's). 

')  The  people  of  Quito,  who  have  nothing  to  do  and  nothing  to  see,  look  upon  the 
charch  as  a  theatre  or  concert  -  room ,  (wo  am  Charfreitage  in  einer  Puppenkomödie  die 
Passion  vorgeführt  wird). 


426  DER  ISTHMUS  UND   GUATEMALA. 

An  ihm  waren  die  Strassen  mit  Fichtennadeln  bestreut,  und  über 
sie  zog  sie  hin,  die  von  den  Spitzen  der  Priesterschaft  geleitete  Proces- 
sion.  Voran  St.  Isidor,  eine  menschengrosse  Holzfigur  im  neu  geschnei- 
derten Anzug  unter  einem  Baldachin,  dann  die  heilige  Veronica,  schwarz 
gekleidet  nach  dem  Zuschnitt  derjenigen  Mode,  welche  in  dem  durch 
die  Entfernung  entschuldbarer  Weise  verspäteten  Guatemala  noch 
als  die  neueste  der  Pariser  Balldamen  galt.  Und  hinter  ihr,  was 
wird  dort  von  den  unter  der  Last  keuchenden  Indianern  getragen? 
eine  traurige  Jammerfigur  in  jeder  Beziehung,  jämmerlich  roh  in 
Menschengrösse  aus  Holz  geschnitzt,  und  jammervoll  anzusehen,  denn 
nackt  bis  auf  einen  schmalen  Schurz  wird  der  Rücken  mit  scharfen 
Geissein  zerfleischt,  und  von  den  rothen  Striemen  über  die  magern 
und  gebeugten  Rippen  tropft  dick  das  Blut*).  Dass  hier  der  hypo- 
katastasirte  Schöpfer  des  Himmels  und  der  Erde  vor  den  Augen  vor- 
überzieht,  wird  derjenige  verstehen,  der  in  das,  für  das  Werk  eines 
Trunkenen  erklärte,  Glaubensbekenntniss  eingeschult,  unter  den  scharf- 
splitternden Deductionen  der  Scholastiker  seinen  Menschenverstand 
zusammenzuhalten  fähig  ist,  der  unvorbereitete  Reisende  wird  bei  den 
ärmsten  Naturvölkern,  so  tief  er  auch  hinabsteigen  mag,  eine  relativ 
ähnliche  Incongruenz  zwischen  der  Weltanschauung^)  und  der  Per- 
sonificirung  der  in  ihr  waltenden  Ursächlichkeit  weder  finden  noch 
erwarten.  Vielleicht  überzeugt  ihn  indess  die  folgende  Figur,  „El  Senor 
de  la  caida"  (Jesus  mit  dem  Kreuz  fallend),  der  Kreuzträger  nach  ihm 
vorüberziehend,  oder  die  vermummten  Centurionen,  die  dazwischen 
marschiren,  die  Soldaten  im  Gefolge  und  das  monotonisch  seine 
Lieder  plärrende  Volk,  ohne  ein  Wort  davon  zu  verstehen. 

Einige  Stunden  waren  zur  Erholung  und  Stärkung  gegönnt,  bis 
dann  die  Nachmittagsprocession  unter  dem  herablachenden  Himmel 
ihre    Herrlichkeiten   entfaltete.    Von    Oben    schienen    sie    nicht    ge- 


^)  Stepbens  beschreibt  die  Kreuzesabnahme  in  der  Kirche  Quetzaltenango's  am  Char- 
freitagfest:  ,, Der  Anblick  der  Figur  ist  grauenvoll,  Blut  rieselt  von  den  Wangen  herab, 
ihre  Arme  und  Beine  waren  beweglich ,  und  an  der  Seite  war  eine  klaffende  Wunde  mit 
einem  langsam  ausfliessenden  Blutstrom  zu  sehen."  Das  in  der  Procession  zu  Payta  ge- 
tragene Bild  der  heiligen  Jungfrau  zeigte  sich  (an  der  Stelle  der  von  Anson's  Matrosen 
versetzten  Wunde)  ,,with  a  patch  of  red  wax  on  the  neck"  (A.  Smith). 

')  At  the  very  feet  of  glorious  Chimborazo  and  Pinchincha,  we  see  a  nalion  bowing 
down  to  litlle  images  of  the  rudest  sculpture  (in  Quito).  The  great  thoughts  of  God 
written  all  over  the  Andes  are  unable  to  lift  this  proud  capital  out  of  the  mud  and  mire 
of  mediaeval  ignorance  and  superstition.  The  established  religion  is  the  narrowest  and 
most  intolerant  form  of  Romanism  (s.  Orton).  Üecolampadius  schreibt  im  Capito  über 
den  Risus  paschalis,  als  Missbrauch  der  römischen  Fastenprediger  (1518),  wodurch  dies 
Auferstehungsfest  in  ein  ,, höchst  pöbelhaftes  Possenspiel"  verwandelt  wurde  (s.  Wirz). 


PROCESSION.  427 

kommen,  diese  schwarzen  Engel,  die  mit  Kreuzen  voranliefen,  und  mit 
Kreuzesbildern  folgten  ihnen  Vermummte  unter  hohen  Spitzhüten,  die 
Vorstellung  und  Maskerade  mit'  der  Erinnerung  an  die  geheiligten 
Auto-da-fe  verbindend.  Dann  wurde  ein  gläserner  Sarg  einhergetra- 
gen  mit  einem  Leichnam  darin,  denn  der  grosse  Pan  war  gestorben, 
oder  vielmehr  Dionysius,  der  in  den  Mysterien  wieder  erweckt 
werden  sollte.  Und  wie  damals  die  Frauen  zu  klagen  pflegten,  so 
Maria  mit  ihren  Betschwestern,*)  welche  Lichter  tragend  dahin  wankten, 
in  mehr  traurigem,  als  trauerndem  Gejodel.  Das  Gerattel  nahm  be- 
denkliche Dimensionen  für  das  Trommelfell  an,  und  auf  der  Balustrade 
einer  der  Kirchen  sah  ich  eine  schreckenerregende  Maschine,  die  mit 
Hebelbäumen  und  Radwindungen  arbeitete,  und  ganz  das  Aussehen 
hatte,  geneigt  zu  sein,  bei  Populärerwerden  der  Dampfmaschinen  in 
Guatemala  diese  Erfindung  zunächst  für  solch'  heiligen  Zweck  zu 
benutzen,  damit  man  in  höheren  Regionen  ja  dies  heilige  Schnarren 
in  den  Strassen  des  frommen  Antigua  vernehme. 

Mein  Gedanke  stand  nur  dahin,  aus  diesem,  durch  das  Ueber- 
maass^)  seiner  Gotthingabe  für  einen  in  der  Orthodoxie  nicht  ganz 
Gefestigten  etwas  beengendem,  Nest  möglichst  bald  fortzukommen, 
und  da  zwei  dortige  Deutsche  gleichfalls  gerne  während  der  Fest- 
tage die  Hauptstadt  besucht  hätten,  beriethen  wir  heimlich  einen 
Plan,  wie  wir  uns  im  Stillen  während  der  Nacht  aus  der  Stadt 
hinausschleichen  möchten,  und  dann  die  Fährnisse  des  Weges  in 
bewaffneter  Dreizahl  riskiren.  Die  Volksansicht  opponirte  sich 
dem  Reisen,  wie  gesagt,  bis  nach  den  Osterfeiertagen,  aber  selbst 
officiell  war  es  verboten  von  Donnerstag  um  lo  Uhr  Vormittags 
bis  zum  Glorialäuten  um  lo  Uhr  am  Sonnabend,  und  da  wir 
beim  gehorsamen  Verschieben  der  Abreise  bis  zum  Vormittag, 
dann  wieder  von  dem  Pöbel  aufgehalten  worden  wären,  blieb  als 
einziger  Ausweg,  die  Flucht  unter  dem  Schutze  der  Dunkelheit. 
Möge    uns  diese  Sünde  verziehen  werden.     Doch   schien  auch  unter 


^)  In  der  Procession  (der  heiligen  Jungfrau)  sah  Brand  ,,scenes  shocking  to  human 
nature"  (in  Lima).  The  priesis  are  singing  psalms  and  1  have  seen  them  in  many  of 
their  processions  absolutely  drunk ,  while  singing  thcir  psalms,  and  between  every  verse 
laughing  and  talking  and  even  with  their  arms  round  the  waists  of  the  females  (öffent- 
liche Dirnen,  die  Weihrauch  trugen)  1827. 

')  Although  loath  to  ridicule  any  thing  that  may,  however  distant,  be  connected 
with  religion ,  even  the  ceremonius  pari  of  it,  I  could  nevcr  view  this  in  any  other  light, 
tbaii  an  ecclesiastical  puppet-show ,  a  disgraceful  piece  of  mummery,  bemerkt  Stevenson 
Ton  den  religiösen  Proccssionen  (Quito' s). 


428  DER   ISTHMUS  UND   GUATEMALA. 

den  Gläubigen  all'  dieser  heilige  Apparat  nicht  gerade  entsündigend 
zu  wirken. 

Als    ich    noch    voll  des  Eindruckes  von  all  dem  Wunderlichen, 
das  ich  gesehen,   mich  wieder  weltlichen  Geschäften  zuwandte,  und 
von    meinem  Wirthe    die  Rechnung    einforderte,    erschien    dieselbe, 
von    der  Haushälterin    überbracht,    in   einer   laconischen  Zahl,    aber 
um  das  Doppelte  höher  gegriffen,  als  ich  beim  Eintritt  in  mein  Lot^is, 
aus  den  jüngsten  Erfahrungen  gewitzigt,  ausgemacht  hatte.   Ich  erlaubte 
mir,   die   einzelnen  Posten   mit  den  angesetzten  Preisen  herzunennen 
und  den  Wirth,  unter  Erinnerung  daran,  um  eine  Revision  der  Rech- 
nung zu  ersuchen.    Dieselbe  erschien  dann  nach  einiger  Zeit  in  einer 
zweiten  Form,    in    specificirter  Aufzahlung    und    meinem   Anschlage 
genau  entsprechend.    FAnc  weitere  Erklärung  über  die  frühere  Diffe- 
renz war    nicht    beigefügt.     Als    ich  während    der  Bezahlung  fragte, 
wie  es  käme,  dass  man  anfangs  den  doppelten  Betrag  verlangt  habe, 
meinte    das    allbereite    Mädchen    für  Alles,    darauf   käme    es  weiter 
nicht    an,    der   Herr  Wirth    sei    vorher    etwas    verschlafen    gewesen. 
Wahrscheinlich  hatte  er  sich  in  der  Messandacht  zu  sehr  angestrengt. 
Doch  da  es  auch  mir  darauf  nicht  weiter  ankommen  konnte,  seitdem 
ich    mein    Recht    gewahrt,  und    eine    neue    Illustration    des    Volks- 
characters^)  gewonnen  hatte,  quälte  ich  weder  mich,  noch  das  Wirths- 
personal  mit  weiteren  Fragen,  und  schlummerte  ein  Wenig  auf  einem 
Stuhl,    um    bei    dem    verabredeten  Zeichen    fertig    zu   sein.     Unsere 
Pferde  ziehend,  kamen  wir  auch  glücklich,  obwohl  einmal  von  einem 
halb  schlaftrunkenen  Wächter  angerufen,  zum  Thor  hinaus,  und  fanden 
uns  bei  Anbruch  der  Dämmerung  bereits  weit  von  der  Stadt  im  Freien, 
durch  Hügel  hinwindend  und  dann  über  die  Ebene  galloppirend,  um 
Guatemala  noch  am  Morgen  zu  erreichen. 

Guatemala  zerfällt  gegenwärtig  in  siebzehn  Departements  (s.  F. 
Gavarrete) : 

Amatitlan  mit  der  Hauptstadt  Amatitlan  (14®  28'  39"  Lat.  N.  und  90*^  37'  50"  Lg.  \V.) 

oder  La  Ciudad  de  .Viuatitlaii. 
Chiquimula  ,,     ,,  ,,  La  Ciudad  de  Chi(iuimula  (140  54'    10"   Lat.    N.   und 

89^  32'   17"  l'Ong.  W.). 
Chimaltenango        ,,     ,,  ,,  La  Villa  de  Chimaltenango  (14O38'  19"  Lat.  N.   und 

90O  49'  30"  Long.  \V.). 
Escuintla  ,,     n  m  I-a  Villa  de  Escuintla  (14®  16'  46"  Lat.  N.  und  90 « 

47'  48"  Long.  W.). 

>)  Hall  weist  in  Columbien  hin  auf  die  ,,absence  uf  that  inoral  Stimulus,  which  under 
the  name  of  honor  and  character,  forces  every  respectable  individual  of  European  society 
to  a  linc  of  conduct  conformable  with  bis  Situation"  (und  die  daraus  folgende  Gleich- 
gültigkeit gegen  Lüge  und  Betrug). 


ANTIGUA.  429 

fJuatemala  mit  der  Hauptstadt  La  ciiidad  de  Guatemala  (14**  37'  30"   Lat.  N.  und 

90O  30'  47"  Long.  W.). 
Iluehuetenango      ,,     ,,  ,,  La  Villa  de  Huehuetenango  (i5<*28'  15"  Lat.  N,  und 

91 0  36'  50"  Long.  W.  u.  S.). 
Izabal  ,,     ,.  ,,  El  Pueblo  de  Izabal  (15O  24'  Lat.  N.  u.  89O  9'  Lg.W.). 

Jutiapa  ,,     ,,  ,,  La  Villa  de  Jutiapa   (i4<*  14'  Lat.  N.    und    89 •  50' 

40''  Long.  W.). 
Pcten  .11.  n  La  ciudad    de   Flores    {ly^  9'  47"  Lat.  N.    und    90 •> 

04'  52"  Long.  W.). 
Quezaltenango        ,,     ,,  ,,  La  ciudad  de  Quezaltenango  oder  Xuluha  (14^  15' 32" 

Lat.  N.  und  91*^  34'  20"  Long.  W.). 
Sacatepequez  ,,     ,,  ,,  Antigua  (14®  32'  58"  Lat.  N.  und  90**  44'  5"  Long. 

W.)  oder  La  ciudad  Antigua  de  Guatemala. 
Suchitepequez         ,,     ,,  ,,  La  Villa   de  Mazatenango  (14O  30'  42"  Lat.  N.  und 

90O  33'  40"  Long.  W.). 
San  Marens  ,,     ,,  ,,  La  Villa   de   San  Marcos  oder   El   Barrio   (El  Pueblo 

de  San  Pedro  Sacatepequez). 
Santa  Rosa  .>     n  ..  La  Villa  de   Santa   Rosa  (an    der  Quelle   des  Rio  de 

los  Esclavos). 
Solola  ,,     ,,  ,,  La  Villa  SoloU  (14O  46'  54"  Lat.  N.    und   91  <>  12' 

14"  Long.  W.). 
Totonicapam  ,,     ,,  ,,  Totonicapam  (14®  58' 18"  Lat.  N.  u.  9i<*2i' 45"  Long. 

W.)  oder  La  C'iudad  de  San  Miguel  Totonicapam. 
Verapaz  ,,     ,,  ,,  La    Ciudad    de    Snlamd   (15O  17'   10"    Lat.    N.    und 

90O  24'  47"  Long.  W.). 

und  neuerdings  wurden  nach  Regierungsbeschluss  3  weitere  Departements  zugefügt: 
Zacapa  (aus  Chiquimula  abgezweigt),  Quich^  (aus  bisherigen  Theilen  Solold's  und  Toto- 
ntcapam's  zusammniengeselzt)  und  Jalapa  (innerhalb  lutiapa's). 

Nachdem  ich  die  mitgebrachten  Sammlungs -Gegenstände  unter 
Herrn  Lehnhoffs  freundHcher  Beihülfe  verpackt  und  mit  Herrn 
Williamson  Ansichten  über  die  einheimische  Alterthumserforschung 
ausgetauscht  hatte,  nahm  ich  mit  dem  deutschen  Ingenieur,  Herrn 
Au,  Verfertiger  der  neuesten  Karte  Guatemalas,  Rücksprache  über 
die  in  St.  Lucia  beabsichtigten  Arbeiten  und  brach  zur  Rückkehr 
dahin  am  Nachmittag  des  22.  April  auf. 

Die  gemietheten  Thiere  waren  diesmal  so  elend,  dass  auf  halbem 
Wege  eins  der  Maulthiere  stecken  blieb,  und  nur  nach  völligem 
Entladen  mühsam  weiter  geschleppt  werden  konnte,  so  dass  wir 
erst  nach  Anbruch  der  Dunkelheit  Antigua  erreichten,  wo  ich  dies- 
mal das  Hotel  del  Comercio  wählte.  Noch  am  Abend  suchte  ich 
die  vor  der  Stadt  gelegene  Hacienda  der  Herren  Herrera  auf,  wo 
mir  einige  Alterthümer  versprochen  waren,  und  dann  mit  einem 
Empfehlungsbriefe  Herrn  Lehnhoffs,  den  deutschen  Plantagenbesitzer, 
Herrn  Wyld,  der  mir  die  weiteren  Directionen  für  die  zu  verfolgende 
Strasse  gab.  Die  Beleuchtung  war  spärlich,  als  wir  Nachts  durch  die 
Stadt  nach  dem  Wirthshause  zurückkehrten,  doch  fand  sich  an  einer 


430  DER   ISTHMUS  UND  GUATEMALA. 

Ecken  der  Plaza  eine  Verkäuferin  mit  einem  Kohlenfeuer  sitzend,  um 
für  etwaig  Verirrte  ein  Glas  Tibio  (aus  Chocolade  und  Mais)  warm 
zu  halten.  Kalt  bildet  diese  Mischung  das  Tiste^),  dessen  Präparat 
in  Pulver  verkauft  und  auf  Reisen  mitgefiihrt  wird. 

Am  nächsten  Morgen  gelangten  wir  über  Ciudad  vieja  m  die 
Ebene  von  Dueflas,  und  erhielten  in  der  Hacienda  des  Herrn  Wyld 
ein  Ersatzthier,  sowie  einen  Führer.  Der  mir  bereits  aus  Guatemala 
bekannte  Herr  Zinza,  mit  dem  ich  zusammentraf,  führte  mich  über 
den  aus  der  Schlammüberschwemmung  in  dem  Erdbeben  von  1874 
zurückgelassenen  Sand,  als  sich  längs  der  damals  vom  Vulcan  Aca- 
tenango  (neben  dem  Vulcan  de  fuego)  niedergestreckten  Baranca 
ein.  Bäume  entwurzelnder  und  Felssteine  fortrollender,  Schlamm- 
strom niedergoss,  indem  die  auf  den  Bergrippen  teichartig  ange- 
sammelten Wasser-Reservoirs  durch  die  Erschütterung  ausbrachen 
und  den  bei  der  regelmässigen  Regenzeit  von  der  Baranca  gehöhlten 
Weg  ausfüllten.  Aehnlich  wurde,  bald  nach  der  Gründung,  Ciudad 
vieja  ^)  in  jenem  Schlammwasser- Ausbruch  des  Vulcan  de  Agua  zer- 
stört, in  welchem  Alvarado's  Wittwe,  die  noch  jetzt  in  den  Sagen 
umgehende  Landesbeherrscherin  Beatrice,  ihr  Leben  verlor. 

Nach  einem  Frühstück  mit  Herrn  Zinza  in  seinem  dortigen  Land- 
haus, folgten  wir  dem  Weg  durch  den  Bergwald,  dann  zwischen 
Baumgruppen  am  Vulcan  aufsteigend.  An  schroffen  Bergwänden 
treten  zersplitterte  Felsmassen  hervor  und  bei  weiterer  Erhebung 
zeigt  sich  (bei  der  Hacienda  Caldera)  eine  von  steilen  Bergwänden 
in  grüner  Runde  umzogene  Thalebene.  Das  Aufwärtsgehen  fort- 
setzend, fiel  der  Blick  in  ein  tiefes  Längsthal,  in  welches  Bergreihen 
auslaufen,  während  am  jenseitigen  Abschluss  Hochgebirge  aufsteigen. 

Abwärts  folgten  wir  über  gebrochenem  Grund  nach  Acatenango, 
wo  der  Führer  allerlei  Gründe  für  zeitweise  Entfernung  vorbrachte, 
die  indess  bei  Gewährung  der  Erlaubniss  vermuthlich,  wie  zu  fürch- 
ten stand,  eine  definitive  geworden  sein  würde,  so  dass  ich  ihn  auf 
seinem    Geschäftswege,    um  Alpargates  (Sandalen)    und  Anderes    in 


^)  Das  Tejate  (oder  Teste)  genannte  Erfrischungsgetränk  kann  (nach  Bustamente) 
nur  von  dem  Cacao  blanco  Soconusco's  bereitet  werden ,  während  der  Cacao  Guayaquil 
erst  durch  Mischung  mit  Sand  dazu  vorbereitet  werden  müsste, 

')  Die  Indianer  von  Ciudad  vieja  reden  eine  mexicanische  Mischung.  Alotenango 
wurde  durch  Indianer  von  Panacachel  colonisirt,  so  dass  die  Sprache  abweicht  von  der 
ihrer  Nachbarn.  In  Mixco  wird  eine  Mischung  des  Quiche  mit  Mexicanischem  und  der 
Mayasprache  geredet.  Das  Pocoman,  das  in  Palin  und  Umgegend  geredet  wird  (in  Mixco 
mit  Mexicanischem  vermischt)  ist  ein  dem  Mam  verwandter  Dialect. 


ACATENANGO.  431 

den  Läden  zu  kaufen,  zu  begleiten  vorzog  und  seine  für  den  bevor- 
stehenden Abendweg  werthe  Person  nicht  aus  den  Augen  h'ess. 

Der  Ort  war  voll  von  Indianern,  die  sich  dort  für  ein  Fest  vor- 
bereiteten und  ihre  Heiligen  suchten.  Dieselben  sollten  bei  dem 
Cura  deponirt  sein,  in  einem  Schuppen  hinter  der  Kirche,  wo  ihre 
Holzpuppen*)  im  Gerumpel  durch  einander  liegen,  manche  minus  eines 
Armes  oder  Beines,  eines  Ohrs,  der  Nase,  wenn  nicht  des  Kopfes, 
den  sie,  gleich  dem  heiligen  Dionysius,  bequemer  in  der  Hand 
tragen  mochten.  Wenn  dann  der  Festtag  eines  der  Dörfer  heran- 
kommt, wird,  nach  Zahlung  der  soweit  fälligen  Wohnungsmiethe,  der 
Schutzheilige^)  hervorgesucht  und  dem  Alcalden  überliefert,  um  nach 
aufgeputzter  Toilette  in  lärmender  Procession^)  und  unter  Liebko- 
sungen aller  Art  nach  dem  Dorfe  getragen  zu  werden. 

Die  meisten  Feste  sind  obligatorisch  und  in  Ecuador  waren  die 
Cura's  früher  für  ihren  Unterhalt  in  der  Hauptsache  auf  die  „fiestas 
forzadas'  hingewiesen,  wie  in  Peru  auf  die  Camaricos  genannten 
Geschenke. 


')  Deus  enim  ligneus,  rogi  fortasse  vel  infelicis  stipitis  portio  suspenditur ,  caeditur, 
dolatur,  runcinatur  (Minucius  Felix).  Am  Meisten  gesucht  war  in  Mexico  (XVIII.  Jhrdt.) 
,,eine  Bulle,  vermöge  deren  ein  Jeder,  der  fremde  Gtiter  besitzt,  ohne  es  zu  wissen, 
sicher,  ruhig  und  mit  gutem  Gewissen  das  Eigenthum  davon  behält,  wenn  er  von  30  Du- 
catcn  12  Realen  abgiebt"  (s.  Baumgarten).  Money  will  purchase  absolution  for  any 
crime,  and  worship  (as  in  other  Catholic  countries)  instead  pf  being  directed  to  the  Deity, 
is  addressed  to  the  images,  with  which  the  churches  are  fiUed,  bemerkt  Proctor  aus  Lima 
(1823).     Das  IIo-Tschi  (Feuerpapier)  wird  in  Ablasszetteln  verbrannt  (in  China). 

'j  Nachdem  die  Indianer  (Peru's)  vom  Cura  die  Figur  des  Heiligen  zur  Feier  des 
Festes  erhalten,  ,,rimage  est  portöe  triomphalement  au  Heu  de  la  r^union  oü  eile  sert  h  la 
fois  de  protection  divine  et  d'indulgence  pleni^re  pour  les  ivresses  qui  se  commettent. 
A  chaque  verre  bu  en  commun,  les  convives  portent  d'abord  la  sant^  du  saint,  en  elevant 
leur  verre  de  son  cot^,  apres  quoi,  ils  boivent  sans  remords  comme  sans  mesure"  (Carrey). 
,,Zum  Besten  der  armen  Seelen  im  Fegefeuer  wurde  in  den  Klöstern  der  Charitäts-Becher 
fleissig  geleert"  (m  der  Schweiz).  In  Rom  ist  kein'  grössere  Sund,  denn  arm  sein  (nach 
dem  Volksspruch). 

')  Die  Procession  zu  Ehren  des  Schutzheiligen  des  Ortes  bildet  den  Stolz  des  India- 
ners und  den  Prüfstein  seines  religiösen  Characters,  bemerkt  Stephens  in  Mixco  (1841).  Die 
Geistlichen  (in  Mexico)  beobachteten  eifrig  äusserliche  Andachtshandlungen,  ,,aber  an 
Pflichten,  die  aus  der  Sittenlehre  fliessen,  wird  wenig  gedacht.  Mit  Nachdruck  empfiehlt 
man  eine  hochgetriebene  Verehrung  der  Heiligen ,  die  den  Orden ,  welche  sie  gestiftet 
haben,  otler  die  sie  für  ihre  Schutzpatrone  ausgeben,  viel  einbringt.  Dieses  giebt  ihnen 
grösstentheils  den  Stoff  zu  ihren  Predigten ,  deren  Absicht  mehr  ist ,  die  Leute  zu  einer 
dummen  Bewunderung  der  Wunderwerke ,  als  zu  einer  Nachahmung  des  frommen  Wan- 
dels solcher  Heiligen  zu  ermuntern"  (Jenyns).  The  priests  once  or  twice  a  year  dress  the 
Image  of  the  Jewish  maiden  in  tawdry  attire ,  put  a  tinsel  crown  on  her  head  and  call 
her  the  Molhcr  of  God  and  the  Queen  of  Heaven  and  the  people  fall  down  and  worship 
(Duffield)  in  Lima  (1873). 


432  DER  ISTHMUS  UND   GUATEMALA. 

Im  XVII.  Jahrhundert  verhielt  es  sich  in  Guatemala  ebenso,  wie 
Gage  erzählt,  dass  nämlich  die  Pfarrer  die  Bilder  der  Heiligen  in  der 
Kirche  bewahrten,  und  wenn  die  Zeit  des  Festes  für  einen  derselben 
herangekommen,  die  damit  beauftragten  Indianer  benachrichtigten,  unter 
der  Drohung,  wenn  die  schuldige  Zahlung  nicht  einliefe,  einen  solch' 
unnützen  Heiligen  aus  der  Kirche  hinauszuwerfen,  um  nicht  den  Platz 
unnöthigerweise  beansprucht  zu  haben.  Das  Bild  vererbte  sich  beim 
Tode  des  Verehrer's  nebst  all'  den  Verpflichtungen,  die  daran  ge 
knüpft  waren,  in  der  Familie,  und  wenn  das  ganze  Geschlecht  aus- 
sterben sollte,  so  machte  der  Pfarrer  der  Gemeinde  Mittheilung  dar- 
über, unter  der  Zufügung,  dass  man  sich  jetzt  genöthigt  sehen  würde, 
das  Bild  dieses  Heiligen  zu  entfernen.  Dies  pflegte  grossen  Schrecken 
hervorzurufen,  da  man  dann  den  Zorn  des  Heiligen  in  Unglücks- 
fällen, die  das  Dorf  treffen  würden,  fürchtete,  und  nachdem  man  ihn 
durch  ein  besonders  glänzendes  Fest  zunächst  zu  versöhnen  gesucht 
und  wegen  des  unschicklichen  Aussterbens  seine  Erbfamilie  um  Ver- 
zeihung gebeten  hatte,  wurde  dann  ein  anderes  Familienhaupt  be- 
.stimmt,  die  Unterhaltung  dieses  Heiligen  für  künftighin  zu  unterneh- 
men, nachdem  er  vorher  ausserdem  an  die  Pfarre  den  Kaufpreis  des 
Bildes  und  seines  Schmuckes  ausgezahlt  hatte. 

Hinsichtlich  dieser  frommen  Kirchendiener,  fügt  aber  dann  die- 
selbe Autorität  hinzu,  dass  ihnen  die  einfachsten  Glaubensartikel  des 
Christenthum's  völlig  unbekannt*)  gewesen  seien,  und  dass  man  auf 
keine  Frage  in  Betreff  der  Dogmen  eine  directe  Antwort  erhalte,  son- 
dern immer  nur  die  unterwürfige,  dass  es  sich  wohl  so  verhalten  würde, 
wie  der  Herr  Pfarrer  meine. 

In  die  Schaustücke  der  katholischen  Ceremonien  mischt  sich 
leicht    verständlich    eine  Menge    heidnischer^)  Erinnerungen  ein,  be- 


*)  Gada  Cura  tiene  un  Indio  ciego  deslinado  para  decir  la  doclrina  a  los  demas,  die 
dabei  dann  nicht  mehr  lernen,  als  ,,hicieran  los  papagayos  si  se  les  enseöara"  (m  l*eni), 
und  die  ganze  Sorge  der  Curas  selbst  ,,consiste  en  que  ninguno  dexe  de  llevar  el  pequeüo 
regalilo  que  le  pertenece"  (XVII.  Jahrhdt.).  In  Mexico,  wie  Zavala  bemerkt,  war  der 
Catechismus  Ripalda's,  ,,der  blinden  Gehorsam  gegen  Könige  und  Papst  lehrte"  die 
Grundlage  der  Religion  für  die  Indianer,  die  sonst  weiter  nichts  davon  verstanden 
(nur  auf  das  Wort  des  Missionärs  schwörend ,  der  sie  mit  Hülfe  der  Soldaten  bekehrt 
hatte). 

')  So  color  de  celebrar  la  fiesta  de  la  circuncision  de  Nuestro  Seöor  renuevan  sus 
Ritos  y  Antiguedades  Gentilicias  (in  Honduras),  die  sich  mit  der  Einführung  einer  geord- 
neten Regierung  verknüpfte  (in  der  Wahl  der  Häuptlinge  und  Richter).  Hall  beschreibt 
die  kirchliche  Comödic  (religious  spectacle),  bei  der  sich  die  Figuren  der  Heiligen, 
San  Franciscus  und  San  Domingo  auf  dem  Marktplatz  Cuzco's  zur  Begrüssung  zärtlich 
umarmen  und  küssen,  und  bemerkt,  dass  die  Scenc  so.  packend  gewesen,  dass  Frauen  .ins 


COFRADIAS.  433 

sonders  in  Cuzco  und  Umgebung  (in  Peru),  doch  auch  in  anderen 
Provinzen.  Stevenson  hörte  von  dem  Cura  in  Corongo,  da&s  bei  der 
Jahresprocession  St.  Peters  der  Heilige  im  vollen  Laufe  nach  der 
Kirche  getragen  würde,  dass  aber  die  Indianer  bereit  ständen,  ihn 
mit  einem  Steinregen  zu  überschütten,  um,  zum  guten  Omen  für  die 
Fruchtbarkeit  des  Jahres,  den  Kopf  abzuwerfen,  und  dass  um  diesen 
dann  zwischen  den  Partheien  aus  zwei  Stadtvierteln  ein  Handgemenge 
entstünde,  um  ihn  auf  einer  hohen  Stange  im  Triumph  fortzutragen, 
und  als  Schutz  gegen  Gewitterschlag  über  den  Häusern  aufzu- 
stecken. 

Gegenwärtig  besitzen  die  verschiedenen  Confradias  der  Indianer 
jede  ihren  Heiligen  als  Patron  des  der  Kirche  zugehörigen  Landes, 
und  der  Cura  trägt  Sorge,  ihre  hölzernen  Ebenbilder  nicht  aus  den  Hän- 
den zu  lassen,  um  durch  diesen  Besitz  das  Recht  auf  Zahlung  zu 
begründen.  Sie  werden  deshalb  nur  während  der  Festeszeit  gegen 
Quittung  verabfolgt,  und  müssen  pünktlich,  wenn  der  Termin  abge- 
laufen ist,  in  ihr  Gefangniss  zurückgebracht  werden.  Thomas  Gage 
zählt  in  seinen  Curaten  Mixco  und  Pinola  die  Confraderien^)  auf,  in 
welchen  namentlich  sowohl,  wie  bei  den  Hauptfesten,  er  seine  Zahlung  für 
Messelesen  (auch  zum  Besten  der  Seelen*)  im  Fegefeuer)')  empfing,  näm- 


Rührung  geweint  hätten,  aber  (fahrt  er  fort),  so  ill  understood  was  all  that  passed  by  a 
great  part  of  the  population ,  that  they  even  thought  that  the  saints ,  instead  of  embras- 
ing,  actually  ibught.  Bei  einer  anderen  Procession  der  heiligen  Jungfrau  trug  das  von 
ihr  auf  dem  Arme  gehaltene  Kind  Jesus  ,,a  veritable  cocked  hat  (set  upon  the  head  in 
the  Same  manner  as  that  worn  by  the  late  Emperor  Napoleon)".  Cochrane  wohnte  der 
llahnenmesse  bei  (in  Columbien):  When  the  curate  commences  the  service,  the  people 
Imitate  and  mock  his  gesture,  tone  of  voice  and  manner  of  readiug,  make  all  kinds  of 
noise,  shouting ,  bawling,  hooting  and  imitating  the  crowing  of  the  cock,  with  every 
possible  exertion  of  the  lungs  (1825),  als  Reminiscenzen  aus  christlichem  Mittelalter. 

*)  On  fait  remonter  l'origine  des  confreries,  prises  en  general,  jusqu'a  Numa  Pompi- 
lius  (s.  Bouvier),  aber  die  erste  in  der  christlichen  Kirche  ,,est  celle  du  Gonfalon,  ^tablie 
a  Rom  sous  le  pontificat  de  Clement  V."  (1267).  Las  confraderias  y  hermandades  in  Lima 
beliefen  sich  im  Jahre  1793  auf  die  Zahl  von  20  (s.  Unanue).  A  Rabinal  et  dans  quel- 
ques autres  bourgades  de  la  langue  quichee,  le  titre  qui  d^signe  le  mayordomo  ou  chef 
de  confr^rie  est  Cahauixel,  de  cahau,  p^re,  comme  les  femmes,  qui  ont  la  pr^sidence 
dans  les  confreries  de  leur  sexe  s'intitulent  Chuchuxel,  de  chuch,  m^re  (s.  Brasseur).  So- 
bald die  Geistlichen  ihre  Pfarre  antreten  ,,aplican  lo  general  todo  su  conato  en  hacer  can- 
daV,  zu  welchem  Zweck  ,,uuo  de  sus  arbitrios  consiste  en  las  hermandades,  y  son  tantas 
las  que  forman  en  cada  pueblo,  que  las  iglesias  estan  Uenas  de  Santos  por  todas  partes 
y  cada  uno  tiene  la  correspondiente  hermandad"  (in  Peru). 

')  Despues  de  haber  sacado  los  curas  toda  la  utilidad,  que  les  ha  sido  posible  de 
los  Indios,  hacen  lo  mismo  con  las  Indias  y  Cholas  (in  Peru).  Los  medios  que  buscan 
aquellos  para  enriquecerse,  y  que  aunque  con  sentimiento  vamos  h.  refirir,  podrän  ofender 
OS  oidos  y  hsu:er  titubear  el  concepto,    no    siendo  facil   el  que  se  puedan  creer  (UUoa). 

Bastian:  America*  L  ^ 


434    .  DER  ISTHMUS  UND   GUATEMALA. 

lieh:  die  Cofradia  der  Jungfrau,  des  Rosenkranzes  der  Jungfrau,  des  wah- 
ren KreuÄes,  des  heiligen  Nicolas  von  Tolentin,  des  heiligen  Blasius, 
des  heiligen  Hyacinthus  u.  s.  w.  Dazu  kamen  die  Einnahmen  aus  der 
Praxis  der  Heiligenbilder,  von  denen  sich  i8  in  Mixco  und  20  in 
Pinola  fanden;  und  nun  das  regelmässige  Gehalt  von  den  Alcalden,  sowie 
die  obigen  Geschenke  dazu  addirt,  rechnete  er  seine  Jahreseinnahme 
auf  mehr  als  2000  spanische  Thaler,  während  ihm  sein  Unterhalt  in 
Kleidung  und  Wein  vom  Kloster  der  Hauptstadt  geliefert  wurde, 
und  ebenso,  selbstverständlich,  die  Wohnung. 

Da  er  sich  bereits  an  andern  Punkten  seines  Tagebuches  ganz 
offen  und  ungescheut  dahin  ausgesprochen  hat,  dass  es  ihm  bei 
seinen  kirchlichen  Functionen  in  America  nur  darauf  angekommen 
sei,  möglichst  viel  (und  möglichst  rasch)  Geld*)  zusammenzuscharren, 
für  seine  Rückkehr  nach  Europa,  so  nimmt  er  auch  hier  kein  Blatt 
vor  den  Mund,  und  erzählt  mit  völliger  Unbedenklichkeit  (weil  in 
keiner  Weise  gegen  seine  Zeitanschauung  verstossend),  dass  er  nach 
den  Satzungen  seines  Klosters  allerdings  verpflichtet  gewesen  sein 
würde,  den  Ueberschuss  an  dieses  abzuliefern,  dass  er  indess  vorher 
die  Rechnungen  seiner  Vorgänger  durchgesehen,  und  da  er  in  diesen 
nur  eine  Summe  von  400  Thalern  angegeben  gefunden,  er  seiner- 
seits ein  übriges  gethan,  und  dem  Kloster  grossmüthig  450  Thalcr 
bewilligt  habe.  Da  er  nicht,  gleich  seinen  Collegen,  das  Geld  im 
Spiel  darauf  setzte,  und  überhaupt,  wie  aus  vielen  Zügen  hervorgeht, 
zu  den  verständigeren  und  gesetzteren  Naturen  der  damaligen  Geist- 
lichkeit gehörte,  so  hatte  er  (der  zur  Armuth  verpflichtete  Kloster- 


,,E1    Inventar    nuevos  derechos    es    entre  ellos  una  ciencia  tspcculaliva" ,  bemerkt   M.   de 
Vidaurrc  von  der  peruanisclien  Geistlichkeit  (1823). 

')  L'Eglise  accorde  des  indulgences  applicables  aux  morts,  donc  eile  croit  que  les 
morts  peuvent  ^tre  soulag^s  par  ce  moyen.  Cette  raison  seule  suftirait  pour  opörer  en 
nous  une  enti^re  conviction,  car  vouloir  contesier  ce  que  lEglise  croit  au  pratique  de 
VUnivers,  serait  le  comble  de  folie,  so  argumentirt  man  im  Jahre  1855  (und  unter  dem 
heutigen  Bilde  vom  ,,L'Univers").  Die  Indulgenzen  für  die  Verstorbenen  wurden  zuerst 
durch  Johann  Vlll.  gewährt,  für  die  im  heiligen  Kriege  Gefallenen  (878  p.  d.)  d.  h. 
heilig,  weil  für  die  Kirche  geführt.  Beim  Hinaufrutschen  der  Scala  Santa  erhielt  man  für 
jede  Stufe  neun  Jahre  Ablass,  und  Pius  VIT.  bewilligte  für  diesen  Ablass  ,,anche  applicare 
alle  anime  del  Purgatorio".  Communis  scntentia  Theologorum  est ,  verum  et  proprium 
esse  ignem  ejusdem  speciei  cum  nostro  elementar!  (s.  Bellarmin),  das  Fegefeuer  (seit  mit 
Gregor's  M.  Hülfe  flehende  Seelen  von  dort  erschienen).  Nach  Sanct  Basilius  entbehrt  das 
höllische  Feuer  der  Leuchtkraft,  brennt  aber  dafür  um  so  ärger.  In  Mexico  mussten 
manche  Bullen  ,,von  Jedermann  gekauft  und  in  bestimmten  Zeiträumen  erneuert  werden, 
bei  Strafe  des  Verlustes  gewisser  Rechte  und  Vortheile."  ,, So  konnte  z.B.,  wer  die  ,,Bula 
de  Confesion"  nicht  bcsass,  keine  Absolution  auf  dem  Todtenbette  erhalten,  sein  letzter 
Wille  ward  ungültig,  sein  Vermögen  wurde  vom  Fiscus  eingezogen"  (s.  Mühlenpfordt). 


PKAFFENGELD.  435 

bruder)  bei  seiner  Abreise  ein  Sümmchen  von  mehr  als  9000  spa- 
nische Dollar  guten  Silbers  zusammen,  neben  seinen  Thieren  und 
sonstiger  Reise-Ausrüstung.  „Als  ich  nun  Alles,  was  ich  verkaufen 
wollte,  zu  Gelde  gemacht,  befand  ich,  dass  ich  9CO0  Stück  von 
echten  Spanischen  Geldes  beisammen  hatte"  (wovon  4000  Kronen  in 
Perlen  und  Edelseine  umgesetzt  wurden). 

Indess  gesteht  er  selbst,  dass  es  ihm  nur  durch  besondere  Zuneigung 
des  Himmels  gelungen  sei,  diesen  Reichthum  in  so  kurzer  Zeit  zu 
erwerben,  denn  gleich  beim  Antritt  seiner  Pfarre  seien  drei  Jahre 
auf  einander  gefolgt,  wie  er  sie  sich  günstiger  nicht  hätte  wünschen 
können.  Diese  günstigen  Jahre,  für  welche  sich  der  treue  Seelenhirt 
dem  Himmel  zu  besonderem  Danke  verpflichtet  hielt,  war  die  fol- 
genden: i)  eine  Plage  mit  Heuschrecken*),  die  seinen  Pfarrkindern 
alle  ihre  Pflanzungen  mit  Stumpf  und  Stiel  rattenkahl  auffrassen, 
2)  eine  epidemische  Krankheit,  welche  die  Eingepfarrten  familienweise 
hinraffte;  3)  unzeitiger  Platzregen  und  stete  Ungewitter,  wodurch 
jede  Aussicht  auf  die  Ernte  gestört  wurde.  Während  nun  aber  das 
Land  unter  diesen  Leiden  seufzte,  während  die  Hinterbliebenen 
trauernd  ihre  abgeschiedenen  Verwandten  bejammerten,  während  die 
Noth  in  jedem  Hause  wohnte,  während  dieser  verzweiflungsvollen  Jahre, 
heisst  es  dann  wörtlich  weiter:  „machte  der  Geistliche  die  besten  Ge- 
schäfte", niemals  zahlte  der  geängstigte  Indianer  pünktlicher,  niemals 
zeigten  sich  die  Confraderien  verschwenderischer  in  ihren  Geschenken, 
niemals  war  eifrigere  Nachfrage  nach  den  Schutzheiligen,  niemals 
gab  es  mehr  Messen,  Begräbnisse  und  hinterher,  um  Wiederbevölke- 
rung zu  beschleunigen,  mehr  Heirathen,  niemals  also  rollten  die 
schweren  Dollars,  soviel  ihrer  unter  der  allgemeinen  Armuth  noch 
übrig  waren,  in  den  Seckel  des  Pfarrers.  „Dergestalt  brachte  mir 
ihre  Andacht  noch  viel  mehr  Geld  ein,  als  sonst",  bemerkt  Thomas 
Gage.  Der  durch  diese  unbefangen  freimüthigen  Enthüllungen  ge- 
währte Einblick  in  ein  System,  das  Jahrhunderte  lang  auf  dem  katho- 
lischen America  gelastet  hat,  bedarf  keines  Commentars,  und  dieser 
würde  um  so  entsetzlicher  ausfallen,  weil,  wie  gesagt,  der  ohne  Rück- 
halt Geständige  jedenfalls  (wie  aus  beiläufig  zerstreuten  Notizen  seiner 
Aufzeichnungen  klar  erkennbar  ist)  noch  zu  den  besseren  seiner 
Klasse  gehörte.     Als  er  später  durch  Piraten  des  zusammengescharr- 


*)  Die  Mönche  Peru's  ,,y  fourmillent  comme  autant  de  sauterelles,  qui  s'engraissent 
du  revenu  de  la  terre"  (s.  Coreal).  Auf  Heusehrecken  verstand  sich  am  Besten  St.  Theo- 
dorus  und  wurde  er  dafür  als  Specialität  betrachtet. 


436  t)£R  IStHMUS  UKD  GUATEMALA. 

ten  Mammon's  wieder  verlustig  ward,  erkennt  er  selbst  an,  dass  un- 
recht Gut  nicht  gedeihe  und  beklagt  seine  Ausbeutung  der  Indianer. 
Auch  mag  das  zu  seiner  späteren  Bekehrung  beigetragen  haben. 

Dünn  (in  reflecting  on  the  degraded  and  corrupt  State,  to  which 
the  church  has  arrived  in  these  parts)  versuchte  (1821)  die  Bibeln  und 
Testamente  der  „British  and  foreign  Bible  Society",  und  die  Publica- 
tionen  der  „Spanish  Translation  Society"  in  Guatemala  zu  vertheilen, 
aber  „there  existed  no  demand  for  such  books",  und  ebenso  wenig 
schienen  Resultate  zu  erwarten  von  den  „Spanish  tracts,  published 
by  the  Religious  tract  Society  in  London",  obwohl  er  (wie  zugefügt  wird) 
„could  dispose  of  any  number  of  these  productions".  Nicht  anders  in 
China,  wo  die  christlichen  Tractätchen  den  buddhistischen  Concurrenz 
machen,  mit  um  so  weniger  Erfolg,  als  sie  weder  ip  der  Vertraut- 
heit des  Gedankenkreises,  noch  der  Behandlung  einer  fremden 
Sprache  zu  rivalisiren  vermögen,  und  so  durchschnittlich  keinen  Ein- 
fluss  haben,  wenn  nicht  etwa  einen  missverständlichen,  gleich  dem, 
der  die  Taiping-Revolution  hervorrief. 

Der  Protestantismus,  zunächst  die  anglikanische  Auffassung  des- 
selben, enthält  nur  wenig  Elemente,  um  auf  die  Eingeborenen  ferner  und 
fremder  Welttheile  einzuwirken,  und  hat  sich  in  manchen  Punkten  bereits 
zu  sehr  überlebt,  um  selbst  die  Näherstehenden  erwärmen  zu  können 

Bei  einem  der  auf  dem  englischen  Seedampfer  abgehaltenen  Sonn- 
tagsgottesdienste ^)  wurde  nach  Abhaspeln  der  episcopalischen  Gebetfor- 
meln (an  denen  die  Puritaner  bekanntlich  viel  zu  purificiren  finden), 
ein  Psalm  gelesen,  der  gleich  den  übrigen,  seinen  poetisch  schätzba- 
ren Werth  hatte,  indess  mit  seiner  Begeisterung  für  Zion,  für  dessen 
Mauern  und  Paläste,  für  die  fröhlichen  Töchter,  für  die  vorüber- 
ziehenden Könige  schwerlich  viel  Sympathie  fand  bei  solchen  der 
Zuhörer,  in  deren  Herzen  jener  Name  und  jene  Ereignisse  keine 
patriotischen  Gefühle  zu  zünden  vermögten,  zumal  den  Meisten  wohl 
auch  die  Autopsie  der  Localität  fehlte.  Ausserdem  wurde  mitge- 
theilt,  dass  Schiffe  im  Ostwind  zerbrächen,  was  die  anwesenden  See- 
leute genauer  präcisirt  haben  würden,  und  was  ohnedem  bei  dem 
damals  wehenden  Passat  etwas  in  den  Wind  geredet  war.  Dann 
wurden  zwei  lange  Capitel  aus  dem  Buche  der  Könige  verlesen, 
worin  (neben  einem  durch  ethnologische  Analogien  interessanten  Pfeil- 


^)  Unter  stricter  Beobachtung  des  englischen  Sabbath ,  dessen  Ruhe  in  unserer  fiebe- 
risch überstürzten  Zeit  um  so  unerlässlicher  scheint  und  gewissermassen  ihre  Geltung  mit 
derselben  Noth  wendigkeit  beansprucht,  die  das  rührige  Handels  volle  der  palästinensischen 
Küstenlande  zu  ihrer  Anerkennung  gezwungen  haben  mochte. 


BAUL.  437 

Orakel)  mit  minutiöser  Umständlichkeit  allerlei  Katzbalgereien  er- 
zählt wurden  zwischen  Joas,  Joahas,  dem  Sohn  Jehu's,  Amasia  und 
andern  Untugendhelden,  deren  Thaten  auch  im  Buche  der  Chronica 
verzeichnet  sein  sollten  und,  vor  soviel  tausend  Jahren,  im  Lande 
Israel  für  die  speciell  Interessirten  ihren  Leitartikel  werth  gewesen 
sein  würden,  aber  auf  der  Reise  von  Europa  nach  America  im 
XIX.  Jahrhundert  doch  etwas  gleichgültig  erschienen.  Den  Schluss 
machten  (da  der  vorgeschriebene  Tagestext  keine  Auswahl  zuliess), 
einige  Wundergeschichten,  wie  5000  Mann,  Weiber  und  Kinder 
ungerechnet,  mit  fünf  Broden  und  zwei  Fischen  gespeis't  seien,  und 
dass  es  möglich  gewesen,  auf  dem  Wasser  zu  gehen,  beides  ganz 
hübsche  Allegorien  für  Fälle,  die  auf  langen  Seereisen*)  vorkommen 
mögen,  aber  schwerlich  solche,  wie  sie  zu  seiner  Andacht  von  dem- 
jenigen werden  gewählt  werden,  der  sich  dem  erhebenden  Schau- 
spiel des  Ocean's  hingab,  den  wir  durchfuhren,  oder  Nachts  zu  seiner 
Umwölbung  des  ewigen  Sternenhimmel  emporblickend,  —  „den  gestirn- 
ten Himmel  droben  und  das  moralische  Gesetz  im  Innern",  nach  Kant's 
Worten  —  den  Klängen  sphärischer  Harmonien  im  kosmischen  Gesetzes- 
walten  'lauschte.  Nur  in  einer  mit  den  Resultaten  des  Wissens  ein- 
heitlichen Weltanschauung  werden  wir  die  mit  dem  Zusammenbruch 
Glaubens-Dogmen  wankenden  Stützen  neu  aufrichten  können,  um  das 
immer  gleiche  und  nie  gestillte  Sehnen  der  trostbedürftigen  Menschen- 
brust nicht  ohne  Hoffnung  zu  lassen. 


Nachdem  meine  Begleiter  sich  in  Alotenango  mit  ihren  dortigen 
Bekannten  abgefunden  hatten,  zogen  wir  über  auslaufende  Berghügel 
weiter ,  in  eine  tiefe  Schlucht  (mit  einem  Bach  am  Grunde)  hinab- 
steigend und  dann  empor  an  der  andern  Seite.  Die  locale  Tracht 
der  Indianer  war  vorne  kurz  (über  dem  Knie  abgeschnitten)  und  hinten 
lang  bis  zu  den  Waden  herabhängend.  Ueber  gebrochene  Hügel  im 
Bergland  gelangten  wir  nach  San  Pedro  Pocacap,  wo  ich  den  Burschen 
nach  dem  Cabilde  schickte,  um  ein  Logis  angewiesen  zu  erhalten, 
für  welches  man  das  alleinstehende  Schulgebäude  auswählte.  Nachdem 


*)  Für  den  einen  Fall  bieten  jetzt  die,  von  den  eingeborenen  Begleitern  des  Reisen- 
den oft  noch  mit  argwöhnischer  Scheu  betrachteten,  Lebensmittel  in  concentrirter  Präpa- 
rationsfonn  einigen  Ersatz,  und  für  den  andern  früher  die  Sciopeden  (s.  de  Xivrey),  ,,wann 
sy  komment  auff  das  mör,  so  lauffent  sy  mit  trucken  fiiss  so  behend  als  auff  dem  gras 
oder  herten  erdireich". 


438  DER   ISTHMUS   UNI-)   GUATEMALA. 

wir  uns  dort  eingerichtet  und  niedergelegt,  fühlten  wir  uns  kurz  nach 
Mitternacht  durch  das  Schütteln  eines  Erdbebens  geweckt. 

Früh  wurde  gesattelt  (April  24).  Ein  weisses  Wölkchen  lagerte 
auf  dem  Vulcan  de  fuego,  als  wir  einen  bergigen  Waldweg  dahin- 
ritten.  Jenseits  von  Thalschluchten  wurde  (zu  verschiedenen  Malen) 
der  Fluss  Pantaleon  am  Fusse  schroff  abfallender  Felsen  passirt,  und 
dann  trafen  wir  im  Hügelland  einen  Stein  mit  Jaguar  -  Gesicht  am 
Wege,  und  eine,  einer  Erhebung  jenseits  entsprechende,  Vertiefung. 
Den  Fluss  Chatulia  auf  glatten  Steinen  passirend,  gelangten  wir  zur 
Hacienda  Baul,  wo  ich  aus  den  verschiedenen  Funden  (auch  von  Mahl- 
steinen und  anderen  Alterthümern)  interessante  Thongefässe  erhielt 
und  nach  Santa  Lucia  mitnahm.  Dort  richtete  mich  Pedro  de  Anda 
in  seinem  Hause  ein,  so  dass  ich  mit  ihm,  und  dem  in  Deutschland 
erzogenen  Herrn  Vergilio  Paez,  die  nöthigen  Arbeiten  in  Betreff  der 
Alterthümer  besprechen  konnte,  besonders  als  am  nächsten  Tage 
auch  Herr  Au  eintraf,  und  seine  Zeichnungen  begann. 

Während  der  ersten  Nacht  meines  Aufenthaltes  brach  ein  furcht- 
bares Gewitter  los,  von  dem  das  Haus  erzitterte,  und  auch  später 
fielen  noch  Regengüsse.  Gerade  die  dortige  Localität  soll  Von  der 
Gewaltsamkeit  meteorologischer  Processe  bedroht  sein,  und  dann,  wie 
immer,  besonders  bei  dem  Wechsel  der  Jahreszeiten. 

St.  Lucia  ist  auf  der  einen  Seite  von  dem  Vulcan  von  Atitlan, 
auf  der  andern  von  den  Vulcanen  del  agua  und  del  fuego  umzogen, 
und  die  Communication  dieses,  in  Folge  der  Ausdehnung  der  Kaffee- 
pflanzungen gegründeten,  Ortes  mit  der  Landstrasse  geschieht  am 
nächsten  über  Escuintla  (in  der  Richtung  zur  Hauptstadt). 

Bei  meinem  Aufbruch  (April  27.)  folgten  wir  auf  Waldwegen, 
über  den  Rio  Pantaleon  (und  andere  Bäche)  bis  zum  Rio  Don  Garcia 
und  dann  weiter  nach  dem  Pueblo  Masagua,  auf  der  bereits  mit  der 
Diligence  in  der  andern  Richtung  zurückgelegten  Strasse,  die  Nacht 
in  Naranjo  verbringend. 

Den  folgenden  Morgen  (April  28.)  ritten  wir  zeitig  aus,  so  dass 
noch  vor  der  Hitze,  obwohl  nicht  ohne  Staubwolken,  San  Jose  erreicht 
wurde,  wo  ich  im  Hotel  abstieg,  und  bei  den  Herren  Magee  &  Co. 
einige  Bestimmungen  über  die  zu  erwartenden  Absendungen  zurück- 
lassen konnte.  Ein  Rcgiertingsdampfer  kam  mit  VeKvundeten  aus 
dem  Kriegsschauplatz  in  .San  Salvador,  (wo  sich  der  Präsident  Barrios 
im  Feldlager  befand),  und  dann  langte  der  Postdampfer  Montana  an, 
auf  dem  ich  mich  (April  30.)  zur  Weiterreise  einschiffte. 

Nachdem  wir  am  Mai  3.  in  der  engumschlossenen  Bay  von  Aca- 


RÜCKKEHR.  439 

pulco  geankert  waren  und  die  Gelegenheit  hatte  benutzt  werden  können, 
mit  Herrn  Droege,  (von  der  Firma  Oettling  und  Gehricke)  dortige  Er- 
werbungen zu  besprechen,  wurde  Mai  12.  das  Golden  Gate  durchfahren 
und  betrat  ich  wieder  das  seit  meiner  Anwesenheit  1853  beträchtlich 
veränderte  San  Francisco,  wo  ich  indess  in  Herrn  Dr.  Behr  noch 
einen  alten  Bekannten  damaliger  Zeit  antraf. 

Am  17.  Mai  begab  ich  mich  mit  dem  Dampfer  nach  Donahue 
und  der  mit  Eisenbahn  von  dort  nach  Calistoga,  um  am  folgenden 
Tage  in  der  Kutsche  die  Geyser  zu  besuchen  und  dann  am  nächsten 
über  Cloverdale  mit  der  Eisenbahn  nach  Vallejo  zurückzukehren 
(und  mit  dem  Dampfer  nach  San  Francisco). 

Der  grossartige  Durchschnitt  des  Continentes  längs  der  Pacific 
Railroad  führte  am  23.  Mai  über  die  Sierra  nevada,  darauf  durch 
das  Humboldt -Plateau  nach  Ogden  (Mai  25.),  unter  einem  Besuch  in 
der  City  of  the  Latter  Saints,  (ein  lehrreiches  Beobachtungsobject 
für  die  Entstehungsgeschichte  der  Offenbarungs-Religionen) ,  und 
dann  nach  jener  Station  zurück  (Mai  27.),  um  den  Weg  über  die 
Black  Hills  nach  Omaha  (Mai  29.)  fortzusetzen,  und  über  St.  Louis 
nach  Philadelphia,  wo  ich  in  der  Nacht  des  31.  Mai  ankam,  also 
etwa  ein  Jahr  nach  der  Abfahrt  von  Europa. 

Während  der  Besichtigung  der  Ausstellung,  wo  ich  besonders 
mit  Herrn  Dr.  Rau  das  von  den  Smithsonian- Institution  ausgestellte 
Departement  amcricanischer  Prähistorie  durchsah  (einige  für  das 
Museum  eingeleitete  Erwerbungen  der  freundlichen  Besorgung 
durch  Herrn  Consul  Meyer  überlassend),  dann  die  Sammlungen 
der  Academie  durchging  und  einer  Sitzung  ihrer  Mitglieder  bei- 
wohnte, traf  ich  mit  dem  von  Guatemala  nach  den  Vereinigten  Staa- 
ten herübergekommenen  Herrn  Dr.  Berendt  zusammen,  mit  welchem 
besten  Kenner  der  central -americanischen  Alterthümer  nun  die 
Untersuchungen  auf  dem  Ruinenfelde  von  St.  Lucia  eingehend  be- 
sprochen werden  konnten,  indem  es  möglich  wurde  diesen  Gelehrten 
zu  bestimmen,  seine  Thätigkeit  den  dortigen  Monumenten  zuwenden 
zu  wollen. 

Nachdem  ich  mit  ihm  Washington  und  die  Sammlungen  der  Smith- 
sonian-Institution  unter Director  Henry  undProf  Baird  besucht  hatte,  so- 
wie in  Begleitung  von  Dr.Bessels,  die  bei  den  Erforschern  des  Westens, 
Dr.  Hayden,  Major  Powellund  LieutenantWheeler,  aufgehäuften  Mate- 
rialien, begab  ich  mich  nach  New -York,  wo  ich  (nach  Benutzung 
der  dortigen  Bibliotheken  und  Besichtigung  des  Park -Museums  unter 
Dr.  Bickmore,  sowie  Beiwohnung  einer  Sitzung  der  Ethnologischen 


44()  DER   ISTHMUS   UNI)   GUATEMALA. 

Gesellschaft)  durch  die  von  Europa  eingelaufenen  Briefe  zu  einem 
Besuche  Westindiens  veranlasst  wurde. 

Am  I.  Juli  in  San  Juan  auf  Porto-Rico  ankommend,  unternahm 
ich,  durch  Herrn  Eiders  mit  den  nöthigen  Directionen  versehen,  eine  Be- 
sichtigungder  Umgegend  von  Caguas  (Juli  4.)  und  dortiger  Alterthümer, 
sowie  der  Höhle  bei  Truxillo  Alto,  befuhr  dann  (unter ^Erwerbung 
von  Museumsstücken)  die  Küste,  mit  Verweilen  in  Mayaguez,  konnte 
in-Portau-Prince  mit  dem  Deutschen  Consul,  Herrn  Dr.  Glaser,  über 
die  Alterthümer  Hayti's  (Juli  11.)  Rücksprache  nehmen,  in  Santjago 
de  Cuba  (wo  der  damalige  Stand  der  Rebellenfrage  keine  weiteren 
Ausflüge  gestattete)  mit  Herrn  Consul  Schumann  über  die  dortigen,  und 
begab  mich  dann  längs  der  Häfen  der  Südküste  Cuba's  nach  Batabano 
und  mit  der  Eisenbahn  nach  Havana  (Juli  19.).  Bei  der  unheimlichen 
Atmosphäre  des  gelben  Fiebers,  die  in  damaliger  Jahreszeit  über 
dieser  Stadt  lagerte,  beendete  ich,  so  rasch  es  ging,  meine  dortigen 
Geschäfte,  (Juli  22.)  und  kehrte  mit  dem  Dampfer  nach  New-York 
zurück,  wo  ich  mich,  nach  Befreiung  aus  der  Quarantäne,  (die  Besor- 
gung der  eingeleiteten  Erwerbungen,  auf  freundliches  Entgegen- 
kommen des  Herrn  Generalconsul  Schumacher,  in  dessen  Hände 
lassend)  im  Dampfer  Mosel  (Aug.  5.)  einschiffte,  und  über  Southamp- 
ton  nach  London  begab,  um  nach  Studien  in  der  Bibliothek  und  (mit 
freundlicher  Unterstützung  des  Herrn  Director  Frank)  in  den  Samm- 
lungen des  British  Museum,  den  Heimweg  nach  Berlin  anzutreten 
(Ende  August). 

Diese  Rückreise  durch  die  Vereinigten  Staaten,  mit  dem  Be- 
suche Utahs  und  dem  Aufenthalte  auf  den  Antillen,  bleibt  weiterer 
Behandlung  vorbehalten. 


AUS  RELIGION  UND  SITTE 
DES  ALTEN  PERU. 


Vor  der»  Zeit  der  Inca,  die  den  Sonnencultus  zur  Geltung  brach- 
ten, wird  unter  den  peruanischen  Stämmen  eines  vielgestaltigen 
Götzendienstes  erwähnt,  der  sich  wie  immer  mit  allerlei  Zauberwesen 
verknüpft  zeigt.  Zu  der  Verehrung  der  Naturgegenstände,  die  sich 
an  die  Traditionen  über  die  Herkunft  anschloss,  kam  die  der  Vor- 
fahren, und  ausserdem  treten  dann  bestimmte  Götterfiguren  auf. 

Die  Carangues  (bei  Otavalo)  verehrten  (nach  Garcilasso)  Löwen 
(Puma),  Tiger  (Jaguar) und  Schlangen,  dieChachapuyas  neben  Schlangen 
den  Condor,  die  Pumallacta  die  Puma,  die  Quitus  Wildthiere  und 
Bäume,  die  Caftar  Bäume  und  bunte  Steine  (neben  dem  Mond),  die 
Huancapafhpas  (mit  Canas  und  Colluas)  Thiere,  Felsen  und  Flüsse. 
Verehrung  grosser  Schlangenbilder  in  Peru  ermähnt  Oviedo.  Fische 
waren  längs  der  Küste, (von  Truxillo  bis  Tarapaca)  neben  dem  Meer 
oder  Mama-cocha  (die  Gottheit  der  Küste,  wie  das  Gewitter  der  Sierra) 
heilig,  der  Fuchs  (des  Tempels  von  Pachacamac)  den  Conchucos, 
und  bei  der  Tödtung  wurden  seinem  Balg,  der  bekleidet  aufgestellt 
wurde,  sühnende  Opfer  gebracht  (wie  dem  Bären  bei  den  Ostjäken). 
Die  Parianas  genannten  Flamingoes  wurden  als  Schützer  der  Häuser 
hochgehalten  (wie  anderswo  Störche). 

Auch  Würmer  und  Insecten  fanden  mit  Bäumen  und  Steinen 
Verehrung  in  Manta,  wo  (ausser  den  Küstengottheiten  des  Meeres 
und  der  Fische)  ein  Smaragd  heilig  galt  (s.  Benzoni),  und  nach 
Garcilasso  wurden  diesem  als  Göttin  verehrten  Smaragd,  Umifla  ge- 
nannt (bei  Velasco),  kleinere  Smaragden  als  Töchter  geopfert,  wie 
in  Guamachuco  die  Priester  in  den  gefundenen  Steinen  Kinder  Cate- 
quil's  erkannten. 

In  Cac-Yavini  (beim  Desaguadero)  bildete  ein  conischer  Hügel 
das  Heiligthum,  anderswo  Seen,  Flüsse  oder  Quellen,  und  aus 
solchen  redeten  die  Hapi-fiuftus  (Dämone),  seit  sie  von  Manco  Capac 


444  RELIGION   UND   SITTE. 

den  verschiedenen  Stämmen  als  ihre  Pacariscas  oder  Ursprünge  an- 
gewiesen waren. 

Daraus  ergeben  sich  leicht  die  Schutzgottheiten  der  Stämme, 
die  in  Steinthürmen ,  als  Marka,  verwahrt  wurden  und  die  zum 
sicheren  Zurückhalten  in  einem  Korb  (wie  in  Mexico  in  Bündeln) 
aufbewahrten  Idole  wurden  bekleidet,  um  je  nach  dem  Geschlecht 
von  männlicher  oder  weiblicher  Priesterschaft  bedient  zu  werden. 

In  Capacuyo  wurde  der  Dämon  Cana-chuap-yauirca  in  dunkeln  ^) 
Gemächern  angerufen  (s.  Santa  Cruz)  und  die  Caviftas  hielten  in 
ihrem  Tempel  von  Ausancata  ein  Idol  der  Gottheit  in  furcht- 
barer Wandelung.  Die  Annäherung  an  völlige  Menschenähnlich- 
keit scheint  (wie  in  Mexico  bis  zu  allegorisirenden  Verschnörke- 
lungen)  vermieden  zu  sein,  indem  die  Figur  auf  dem  Schlangen- 
stein von  Chavin  (nach  Raymondi)  nur  drei  Finger  hat  (gleich  den 
Götzenbildern  der  Maori),  die  Figur  des  Gewandes  aus  Ancon  4 
Finger. 

Bei  den  Tempeln  an  der  nördhchen  Küste  Peru's  berichtet 
Zarate  die  Aufstellung  zweier  Figuren  als  schwarzer  Böcke.  Bei  den 
Lupaca  fanden  sich  (nach  Bertonius)  die  Idole  Ano  Ano,  Pachapaqui, 
Ccapia,  Huana  Hatucachi  u.  s.  w.  Die  Chincha  hatten  sich  in  Chincha- 
camac  ihren  eigenen  Schöpfer  gebildet. 

Sonst  galt  auch  die  Göttin  Guagalmojon,  als  Ahnfrau,  ^nd  wurde 
mit  ihren  10  Kindern  neben  den  Göttern  Tantuzoro  und  Guarasgaide 
verehrt,  welche  hufeisenförmigen  Schmuck  am  Kinn  trugen.  Die 
Cunas,  aus  Stöcken  mit  einem  Gesicht  gebildet,  wurden  um  Schutz 
der  Kinder  gebeten. 

Gleich  den  Mumien  der  Incas  wurden  auch  die  von  Heroen 
(wie  des  Caxaparca  und  seines  Sohnes  Huaratana  in  Huahualla)  ver- 
ehrt. Die  Huancas  verehrten  ihren  Heros  Huarivilca  in  einem  Quell. 
Der  Huaca  Huari  in  Quichumarca  unterstützte  beim  Häuserbau. 
Die  Conopen^)  führen  in  ihrer  Form  auf  Ge^ichtsurnen  (egyptischer 
Canopen). 


*)  Der  Dämon  Orometua  wohnte  auf  Tahiti  neben  dem  Wharre  no-te  Orometua  (oder 
Häuser  des  bösen  Orometua)  genannten  Kasten  mit  den  Schädeln  erschlagener  Feinde 
(nach  Cook). 

>)  Saüacmama  (in  Chanca)  tenia  la  forma  de  un  linajon  muy  grande  y  se  encon- 
traba  en  medio  de  octo  tinajones  de  igual  figura,  cercado  de  muchas  linajas  y  cäntaros 
y  de  dos  llimpis  de  barro  con  que  brindaban  los  Indios  k  la  Huaca.  Hallabase  Uena 
de  chicha  (s.  Rivero).  Der  von  den  Huacas  Besessene  (in  Parinacochas)  wurde  von 
Krämpfen  befallen. 


CO^OPA.  445 

Die  die  Lamas  schützenden  Göttinnen  Pallasillu  und  Ynca-uillu 
wurden  in  einer  Sänfte  getragen.  Das  Idol  Huanacauri  erhielt  Ver- 
ehrung als  Ahn  der  Inca  (auf  seinem  Hügel).  Die  Götzenfigur  Chuqui- 
yllayllapa  war  mit  Canipo  (Gold-Medaillen)  geschmückt.  Bei  den 
Huacas  wurden  Hatun-apu,  Hualpa-huanatayuca  und  Apu-Allastu  an- 
gerufen. 

Unter  den  Dixes  (Amulettes)  wurden  die  Opas^)  genannten  Idole 
nach  gebrechlichen  und  verkümmerten  Menschen  gebildet  (s.  Ulloa). 

In  Huarochiri  wurden  neben  Huay-huay  die  Göttinnen  Chupixa- 
mor  und  Mamayoc  verehrt,  in  Puna  der  Kriegsgott  Tumpal,  bei  den 
Conchucos  der  Gott  Catequilla  und  die  Waldgeister  Huarclalla,  deren 
Stimmen  gehört  wurden,  auch  bei  Tauca  (nach  Oliva)  auf  den 
Kergen. 

In  Andahuaylas  fand  ein  verstorbener  Zauberer  (als  Conopa  der 
Huacanqui)  Verehrung,  indem  er  jährlich  neu  bekleidet  und  täglich 
gespeist  wurde  (s.  Arriaga)  und  ebenso  in  Uramarca.  Beim  Fest 
Situa  wurden  die  Götzen  Chuquilla  (des  Donners)  und  Viracocha 
nach  ihren  Tempeln  in  Puca-marca  und  Quichuar-lancha  in  Procession 
getragen.  Ati  galt  als  Gott  ungünstiger  Omen  und  der  Gott  Maillar 
strafte  mit  Lähmung  diejenigen,  die  schlecht  »von  ihm  sprachen. 
Der  Gott  Acuchuccacque  erhielt  Opfer  (in  Guamachuco),  wenn 
Kinder  oder  Lama's  in  Zwillingen  geboren  wurden.  Yupanqui  stellte 
für  den  Schöpfer  eine  Goldstatue  mit  erhobenem  Arm  auf  (s.  Molina). 
Bei  Cahacay  wurden  in  einer  Höhle  zwischen  Mumien  drei  Giganten 
verehrt,  und  daneben  fanden  sich  in  einer  andern  Höhle  Knochen 
geopferter  Lama  mit  Trompeten  (in  Peru). 

Die  alten  Gräber  der  Riesen  wurden  als  Huari  verehrt.  Im 
Osten  wurden  Agan-Yamoc  und  Yagan-Yahicnac  von  den  Peruanern 
verehrt.  Bei  den  Caras  wird  eines  Heroen-Cultus  Erwähnung  gethan, 
einer  Verehrung  der  Halbgötter  Pacha  und  Cacha.  Der  in  Chili  (neben 
Mura-Poanta)  verehrte  Gott  Pillan  schwebte  in  den  Lüften.  Von 
den  neun  Guacas  (Huacas)  oder  Idolen  von  Guamachuco  wurde,  neben 
Ulpillo,  Pomacama,  Caoquilca,  Quingachuco,  Nomadoi,  Garacayoc, 
Quanacatequil,  Llaiguen,  besonders  Casipoma  gefürchtet,  und  das  als 


*)  Opo  Geba  Snoelat  (de  Opperherr  der  Menschen,  die  alles  opschrift)  hat  (nach 
den  Halfoercn)  die  Insel  Boeroe  geschaffen  (s.  Willer).  In  Üpu  (dem  Unsichtbaren)  ver- 
ehrten die  Mexicaner  die  höchste  Gottheit.  Mahopa  or  Mahopa-icüas  is  the  equivalent  in 
the  Hidatsa  language  for  those  terms  in  other  Indian  tongues,  which  are  usually  transla- 
tcd  ,,the  Great  Spirit".  In  this  language  it  may  be  (figuratively  perhaps)  applied  to  the 
Itakatetas  or  any  thing  eise  of  a  very  wonderful  or  sacred  nature  (s.  Matthews). 


446  KET.l(;iON   UNI)   SITTE. 

Löwe  (Puma)  brüllende  Idol  Casipuma,  dessen  offenes  Maul  stets 
Opfer  verlangte  (und  so  weit  aufgeschlitzt  war,  um  ganze  Lamas  zu 
verschlingen),  wurde  von  Huaynacapac  auf  seinen  Kriegszügen  mit- 
geführt. Der  Gott  Paucar  wurde  als  Papagei  dargestellt.  Als  Inga 
Roca  den  vom  König  Guacarrariia's  verehrten  Stein  umstürzen  Hess, 
flog  daraus  der  Dämon  in  Gestalt  eines  Papageies  hervor  (s.  Monte- 
sinos).  Für  Namen  peruanischer  Idole  macht  Ternaux-Compan  fol- 
gende Zusammenstellung:  Huaulluto,  Quicanlauto,  Atahuanca,  Apuxil- 
lene,  Huagnaxilliu,  Huamancantac,  Alecpang,  Achcay,  Yaromarca, 
Apuyurac,  Huaynayurac,  Caxaparac,  Churoquella,  Catequilla,  Chanca, 
TauUoma,  Chaupinamoc,  Namacoya,  Pariaccaca,  Quenac,  Huauri, 
Huanchovilca,  Humivilca,  Mamayoc,  Malbicayan,  Sanumama,  Sian, 
Xampay  etc. 

Die  Compa  oder  Larca-villana  genannten  Steine  wurden  in  den 
Wasserläufen  vor  der  Aussaat  verehrt  und  in  den  Pflanzungen  die  Chichic 
oder  Huanca  (Chacrayoc  oder  Herr  der  Chacra)  genannten  Steine 
zum  Schutz  der  Landsitze  (Chacra).  Diese  als  Compas  erscheinenden 
Steine  lieferten  Wasser,  die  Mamateras  (Cylindersteine)  Maisärnten. 
In  jeder  Ortschaft  Perus  fand  sich  der  Stein ^)  Guachecol  als  Schutz- 
gott aufgestellt,  und  die  den  einzelnen  Ayllos  zukommenden  Huacas 
wurden  als  locale  Schutzgötter  in  Marca-aparac  oder  Marcacacharao 
(marcayoc  oder  marca-clarac)  angesehen,  zur  Beschützung  des  Dorfes 
(s.  Arriaga).     Zupay  (Supay)  wohnte  im  Centrum  der  Erde. 

In  Huaca*)  lag  der  Eindruck  des  Wunderbaren  ^),  durch  welchen 
der  Schneeberg  bei  Arequipa  seine  Verehrung  erhielt,  und  ähnlich 
bemerkt  Garcilasso,  dass,  indem  heilige  und  bewunderswürdige 
Dinge  Vilca  genannt  werden,  dadurch  dem  von  Cuzco  aus  gesehe- 
nen Eisgipfel    sein  Namen  Vilca-ftuta    beigelegt  sein,     „Tout  ce  qui 


*)  Die  auf  den  Anhöhen  zur  Verehrung  zusammengelegten  Steinhaufen  (in  Peru) 
hiessen  (s.  Ulloa)  Mochaderos  (muchar  oder  Küssen).  Suelen  los  Indios  ofrecer  maiz  coca 
y  plumas  de  aves  y  echar  las  ojetas  viejas  y,  quando  no  Ilevan  otra  cosa,  piedras  a  las 
cumbres  (Montenegro).  Mixcoa,  Gott  des  Handels,  wurde  in  Nicaragua  durch  Stein- 
haufen (an  Wegen  und  Plätzen)  repräsentirt  (Oviedo),  wie  Mercur  oder  Hermes.  Die 
Sonorer  trugen  während  der  Reise  Steine  auf  Haufen  am  Wege,  damit  sie  nicht  ermüden 
(s.  Pfefferkorn).     Und  so  entsprachen  mongolische  Oln>  den  Apachetas  Peru's. 

')  Pichardo  erklärt  Guaca  (in  Cuba)  ,,el  hoyo  subterräneo  donde  se  de|X)sitan  pla- 
tanos  u  otros  fnitos  para  que  se  maduran  mas  prontamente." 

')  Die  Attigovautaner  (nördlich  von  St.  Lorenz)  bezeichneten  die  Dämone  als  Oki 
und  ,,omnia  quae  communem  rationem  excedunt  aut  quae  admirantur,  eodem  nomine"  (s.  de 
Laet).  Die  Dämone  bei  den  Manhatter  (bei  New-Vork)  ,,suo  idiomate  Menutto  vcl  Me- 
netto,  et  quicquid  mirabile  est  et  captum  humanuni  videtur  superare,  id  similiter  vocant 
Menetto." 


iiUACA.  447 

ötait  öxtraordinaire  en  son  genre  ötait  regarde  comme  une  divinitö" 
(in  Peru).  Was  immer  das  Uebrige  an  Schönheit  übertraf,  wurde  in 
Peru  als  Huaca  verehrt  (bemerkt  Molina). 

In  Caxamalca  de  la  Nasca  wurde  ein  Sandhügel  als  Huaca  ver- 
ehrt, wegen  „aquella  maravilla  de  ser  un  cerro  altissima  de  arena  en 
medio  de  otros  muchos  todos  de  pefla"  (s.  Acosta).  In  Lima  ver- 
ehrte man  ein  „Arbolazo  deforme*',  und  ebenso  wurden  besonders  ge- 
staltete Steine  oder  Früchte  verehrt,  oder  Wurzeln,  wie  die  ausser- 
gewöhnlichen')  Kartoffelknollen,  llallahuas  genannt.  Der  Verehrung 
alter  Bäume  ^)  als  Huaca  (Guaca)  erwähnt  Acosta. 

„Guaca')  es  lloro'*,  weil  man  klagend  in  den  Tempel  eintrat  (s.  Za- 
rate)  und  in  Tumbez  wurde  das  Idol  des  Tempels  mit  Weinen  verehrt 
(wie  schon  die  Anrufungen  in  wehklagendem  Ton  geschahen),  während 
die  Huaca  ^)  (Guaca)  des  Stammes  auch  die  Bedeutung  des  Schöpfers 
erhalten  konnte.  Quando  invocan  la  Huaca  la  llaman  Runap-camac 
6  criador  del  hombre  (s.  Arriaga).  lieber  das  Schwankende  in  dem 
Ausdruck  Huaca*)  hat  Garcilasso  de  la  Vega  sich  des  Weiteren  aus- 
gelassen. The  nature  gods  are  called  Huaca  and  the  ancestral  dei- 
ties  Pacarina  or  Pacarisca.  Nach  Apolonius  heissen  die  mit  Figu- 
ren bezeichneten  Steine  Huacas,  die  in  den  Tempeln  statt  der 
Sonne  verehrt  wurden.  Unter  den  Ursprüngen  war  in  Peru  der  von 
der  Sonne,  eines  königlichen  Suryavansa)  der  edelste,  wie  (in  Japan) 
Tensodaijin  (und  sein  Stamm  unter  den  Kami). 


')  Todas  las  cosas  que  parescian  notables  de  fuentes  y  manantiales  y  puquios  y  pie- 
dras  ondas  y  valles  y  cumbres  quellos  llaman  apachetas  (1571).  Die  Brasilier  begrüssen 
Sonne  und  Mond  mit  Tch,  the,  als  ob  zu  sagen,  wie  wunderbar  (bemerkt  Coreal). 

*)  Wenn  die  Indianer  dem  als  Walleechu  verehrten  Baum  nahe  kamen,  ,,they  offer 
their  adorations  by  loud  shouts"  (und  so  beim  ersten  Anblick  der  Sierra).  In  Santa 
Maria  de  Tule  wurde  eine  heilige  Cypresse  wegen  ihrer  aussergewöhnlichen  Form  ver- 
ehrt. In  einem  Baum  (in  Chiapa)  wurden  (beim  Umhauen)  viele  Steine  gefunden ,  als 
Obsidianmcsser ,  die  diesem  (weil  dort  allein  stehend)  heiligen  Baume  geopfert  waren 
(s.  Herrera),  und  so  im  heiligen  Baume  bei  Tule  zwischen  Tlacolula  bei  Mitla  und  Oajaca. 

*)  Potiguara  natio  modum  aliquem  habet  fascinandi  eos  quibus  male  volunt,  ut  mo- 
riatur,  faciendo  magnam  nassam,  quam  vocant  Jequie  guacu,  atque  hie  modus  fascinandi 
dicitur  ipsis  Anhamombicoab  (s.  Marcgrav). 

*)  La  orden  por  donde  fundavan  sus  huacas,  que  ellos  llamavan  a  las  idolatrias,  hera 
porque  decian,  que  todas  criava  el  Sol,  y  que  les  dava  madre  por  madre,  que  mostravan 
a  la  tierra,  porque  decian  que  tenia  madre,  y  tenian  Ic  echo  su  bulto  y  sus  adoratorios, 
y  al  fuego  decian  que  tambien  tenia  madre  y  al  mais  y  ^  las  otras  sementeras,  y  k  las 
ovejas  y  ganado,  decian  que  tenian  madre,  y  a  la  chicha,  que  el  brevajc  que  ellos  usan, 
decian  que  el  vinagre  della  hera  la  madre,  y  lo  reverencavan  y  llamavan  mama  agua 
madre  el  vinegar  (in  Peru)  und  so  w.  (s.  Prescott).  Aehnlich  im  astrologischen  Einfluss 
der  Sterne. 

*)  Guaca  war  Bruder  des  von  Atabex  geborenen  Gottes  in  Hayti  (s.  Torquemada). 


448  RßLlGlOX  UND  SITTE. 

Die  Huacas  erhielten  an  den,  Zaman  oder  Cayart  genannten, 
Plätzen  Verehrung.  Der  Villac  oder  Huaca-huan-rimac  genannte  Zauber- 
priester sprach  mit  den  Huaca,  der  Humumaxa  wurde  befragt.  Der 
Huaca  Raurana  (zwei  Falken  auf  Stein  eingegraben)  wurde  von  den 
Huaca-camayoc  bedient.  Wer  von  dem  Huaca  für  seinen  Priester  oder 
Vilca  ausgewählt  war,  hatte  sich  durch  Fasten  vorzubereiten  (s.  Villa- 
gomez).  Apachita  und  Tocanca  gehörten  zu  den  heiligen  Orten. 
Chanca-Viracocha  fand  sich  in  Chuquichaca  als  Huaca,  Atun-Vira- 
cocha  in  Urcos,  Apotin-Viracocha  und  Urusayua-Viracocha  in  Amay- 
bamba,  Chuqui-chanca-Viracocha  in  Huaypan.  Mit  der  Laicas  oder 
Huacamochas  (Umus)  genannten  Ceremonie  wurden  die  Dämone  ge- 
sühnt. Bei  der  Ceremonie  Hautuina  (in  Yauyos)  wurden  bunte  Pulver 
gegen  die  Huaca  geblasen.  Da  Krankheit  dem  durch  Vergehen 
hervorgerufenen  Zorn  der  Huaca  oder  Malqui  zugeschrieben  wurde, 
galt  das  Beichten  derselben  (Hichoco)  als  Vorbedingung  zur  Heilung. 

In  Huahalla  wurde  (ab  ein  der  Erde  eingegrabener  Riese)  der 
Huaca  Huari  oder  Chani  verehrt  und  mit  gekauter  Coca  im  Munde 
gefüttert.  De  otra  parte  se  sacaron  dos  cuerpos  enteros  y  secos, 
muy  nombrados  y  respetados  de  todos,  Uamados  Caxaparac  y  su 
hijo  Huatatama,  que  estavan  en  sus  Machays  vestidos  a  uso  de 
guerra  con  mucha  plumeria  de  diversos  colores  y  otros  ropajes 
(s.  Arriaga).     Der  Huaca ^)    Libiac    (Blitz)   wurde    dargestellt    durch 


*)  Bei  Hupa  fand  sich  das  Tempelhaus  des  Huaca  Apu-Vurac  (mit  Trompete), 
neben  dem  Huaca  Achcay  (s.  Arriaga).  In  Quepas  wurde  der  Huaca  Huamantucos  ver- 
ehrt. Der  Götze  Mullu  Cayan  (in  Cocha  Libiac)  sass  auf  einer  Silberplatte,  als  Bruder 
des  Huaca  Coto  Tumac  In  Chinchas  wurde  dem  Huaca  von  Usuy  geopfert.  In  Chayna 
war  der  Huaca  Huasca  Jusca  mit  seinen  drei  Söhnen  Gegenstand  des  Cultus.  Den 
Huacas  von  Hunoyan  wurde  Menschenfleisch  dargebracht.  In  Arauyac  wurde  ein  verhei- 
rathetes  Huaca-Paar  und  Apu  Xillin  (Vater  des  Huayna  Xillin)  als  Huaca  del  Ayllo 
de  Sopan  verehrt  (s.  Arriaga).  Die  von  den  Zamana  genannten  Orten  kommenden 
Huacas  erhielten  an  den  Cayan  genannten  Plätzen  ihren  Cult.  In  Vauja  wurde  von  den 
Huancas  in  einem  prächtigen  Tempel  Huarivilca  verehrt.  ,,In  Peru  pflegt  man  Coca  zu 
opfern,  welches  Kraut  sie  in  hohem  Werth  hielten,  Mays,  welches  ihr  Korn  ist,  gefärbte 
Federn,  Chaquira,  so  sie  Mollo  nennen,  Meerschilf,  bisweilen  auch  Gold  und  Silber, 
davon  sie  Bilder  machen,  so  wie  Thiergestalt  sindt,  item  schöne  Tücher  von  Cumbi,  wol- 
richend  gewirckt  Holtz;  ordinari^  brannten  sie  Schmeer  oder  Talck"  (s.  Lintschotten).  In 
Quichumarca  wurde  Huari  Huaca  mit  seinen  beiden  Brüdern  verehrt  (zum  Hausbau  Stärke 
gewährend).  Der  Huaca  von  Llaxavilca  hatte  el  un  ojo  major  que  el  otro  (bei  den  Cho- 
chas).  Der  Huaca  Safiumama  (in  Chanca)  wurde  innerhalb  eines  Haufens  von  Thonge- 
fassen  durch  einen  mit  Chicha  geftillten  Topf  repräsentirt  (neben  dem  Huaca  MamasaJku). 
Der  als  Huaca  verehrte  Cacique  Liviacanchorco  war  in  einer  Grotte  bei  San  Christoval 
de  Rapaz  gefunden,  mit  einem  vom  Inca  geschenkten  Hemde  aus  Cumbi  oder  Compi  be- 
kleidet (s.  Arriaga).    Bei  dem  Aufstande  (1560)    begeisterten  die  Huacas  (in  Peru)  Men- 


AYLLOS.  449 

una  piedra  grande  partida  por  medio  con  un  Rayo  (in  Yamor  oder 
Tamor).  Mit  einer  Kupfertrompetc  wurde  (in  Chuquimarca)  zur  Ver- 
ehrung des  Huaca  Quenac  (ohne  Arme  und  Beine)  gerufen  (s.  Arriaga). 
Bei  Cahacay  wurde  Huaca  Quenac  Vilca  verehrt.  Huaina  Yurac, 
Sohn  des  Apu-Yurac,  wurde  (in  Falke  verwandelt)  als  Vorfahre  ver- 
ehrt (s.  Arriaga). 

Unter  den  heiligen  Prototypen,  die  als  Schutzgeister  der  Ayllos 
den  Geschlechtern  vorstanden,  hatten  die  Inca  für  sich  den  glän- 
zendsten Naturgegenstand  gewählt,  die  Sonne  (wie  Kaiser  Julian),  und 
so  traf  Acuila  auch  am  Marafton  einen  Häuptling,  der  als  Kind  der 
Sonne,  Nachts  mit  ihr  über  die  Regierung  berieth  (also  einen  sonnen- 
entsprossenen Inca  im  Embryo). 

Während  der  Huaca  im  öffentlichen  Cultus  dem  Dorfe  angehörte, 
war  die  erbliche  Verehrung  der  Conopa')  in  der  Familie  geheim, 
bemerkt  Arriaga,  und  diese  Conopa  oder  (in  Cuzco)  Chanca  wurden 
Huasi  camayoc  oder  Hausgötter  genannt.  Wenn  ein  Indianer  durch 
besondere  Veranlassung  auf  einen  Gegenstand  seine  Aufmerksamkeit 
fixirt  hatte,  (wenn  dieser  seiner  Ideenassociation  aus  subjectiven  oder 
objectiven  Gründen  eingeprägt  war),  so  weihte  der  Priester  einen  solchen 
als  seinen  Conopa  »besonders  die  Quicu  genannten  Steine  oder(in  der 
Ebene)  dicLacas  genannten  Kristalle.  Diese  durch  Kristallstücke  (Lacas) 
oder  Bezoarsteme  (Quicu)  dargestellten  Conopas  (Chancas  oder  Huasi- 
camayoc)  gingen  im  erblichen  Besitz  auf  den  ältesten  Sohn  über.  Nach 
Avila  wurden  die  kleineren  Idole  (in  Peru)  Cononopa  genannt.  Ein 
Jeder  in  Peru  verehrt  seinen  Camac  oder  Schöpfer  (bemerkt  Arriaga), 
dann  zugleich  als  Schutzgeist  (oder  Totem).  Unter  den  Conopas  schützte 
Zarap-conopa  den  Mais,  (als  Huantayzara  beim  Tanz  Arihuay),  Axo- 
mama  oder  Papap-conopa  die  Kartoffeln,  Quinua-mama  den  Quinua, 
Coca-mama  die  Coca,  Caullama  (in  Form  von  Lama)  die  Heer- 
den  u.  s.  w.     Die  als  P>au  ausgekleideten  Puppen^)  Zaramamas  oder 


sehen,  epidemisch  (s.  Molina).  ,,Beiin  Bezahlen  von  Steuern  und  Bearbeiten  der  Minen 
riefen  die  Indianer  Huacas  an,  damit  sie  wohl  zurückkehrten  und  von  den  Spaniern  nicht 
misshandelt  würden." 

*)  Le  culte  des  Kanopas  (Kan,  lumi^re  astrale)  etait  le  culte  des  sept  planstes  (chez 
les  Quichuas).  Le  dieu  qu'ils  nommaient  (suivant  Acosta)  Llama  Kanopa  avait  son 
esprit  dans  le  ciel  (s.  Lopez).  Le  culte  etait  confie  ä  une  castc  des  nicdecins  et  des  pretres, 
appel^s  Kayas  ou  KoUas.  Brasseur  bezieht  die  (penianischen)  Canopen  (aus  Yucatan) 
auf  Con-op  oder  Con-ub  (la  puissance,  qui  souffle).  Can  (in  Cukul-Can)  bezeichnet 
Schlange  (wie  Coatl  mexicanisch). 

*)  Zaramamas  son  de  tres  maneras,  y  son  las  que  sc  quentan  entre  las  cosas  halladas 
en  los  pueblos.    La  primera  es  una  mufleca  hecha  de  caiias  de  maiz,  vestida  como  rauger 

Bastian:  America.  I.  ^^ 


450  RELIGION  UND  SITTE. 

Cocamamas  wurden  als  Mutter  des  Mais  (und  der  Coca)  verehrt.  Die 
bei  der  Ernte  gefundenen  Llallava  (deux  epis  colles)  wurden  (als  Doppel- 
ähren) -heilig  gehalten  und  besonders  fruchtbares  Erdreich  erhielt  als 
Pacha-mama  (terrc  mere)  seine  Verehrung.  Die  Huancas  (Steinklumpen) 
unterstützten,    als  Schutzeigenthümer  des  Bodens,    die  Feldarbeiten. 

Hipa-Huacan,  Göttin  des  Mais,  war  in  den  Traditionen  mit  Ayar- 
Ussu-Topa  vermählt.  Vieljähriger  Mais  wurde,  als  Huantazara  oder 
Ayrihuayzara  durch  Tänze  gefeiert  und  dann  zu  Ehren  Libiac's  ver- 
brannt. Besonders  gefärbter  Mais  erhielt  als  Micsazara  oder  Matayr- 
zara  (Caullazara)  seine  Verehrung  und  nach  rechts  gedrehter,  als 
Piruazara  (s.  Arriaga).  Neben  Zaraconopa  und  Lama-conopa  wurde 
Micuy-Conopa  zugesellt  (und  Quirquinchuce). 

Die  Huantas  (Ayrigua  oder  Micsasara)  oder  Mamasara  (Callao- 
sara)  genannten  Aehren  wurden  bei  der  Ernte  den  Huaca  geopfert 
(s.  Villagomez).  Die  Bezoare  (lila)  wurden  für  die  Heerden  verehrt, 
die  Curi  als  Zwillingsgötter  (s.  Calancha). 

„Von  ihrem  Chacra  oder  Ackerland  nehmen  sie  dess  besten  Mays, 
legen  dasselbe  mit  etlichen  Ceremonien  in  ein  Büschlein,  Perua  mit 
Namen,  bewachens  drey  Nacht,  alss  dann  thun  sie  den  Mays  in  die 
köstliche  Decke  des  Mantel,  so  sie  haben,  wenn  es  wol  bereit  wor- 
den, betten  sie  den  Perua  an"  (die  Peruaner). 

Von  den  geknoteten  Wurzeln  der  Papas  wurden  Axomamas,  als 
Conopas  gefertigt.  Noch  jetzt  pflegen  die  Peruaner  Korn  in  ver- 
schiedener Farbe  und  besonderer  Gestalt  zur  Weihe  in   die  Nischen 


con  SU  anaco  y  lliclla ,  y  sus  pos  de  plala  y  entienden,  que  como  madre  tiene  virtud  de 
engendrar  y  parir  mucho  maiz.  A  este  modo  tienen  tambien  Cocamamas  para  aumento 
de  la  Coca.  Otras  son  de  piedra  labrada  como  choclos  o  mazorcas  de  maiz ,  con  sus 
granos  relevados  y  de  estas  suelen  tener  muchas  en  lugar  de  Canopas.  Otras  son  algunas 
caiias  fertiles  de  maiz,  que  con  la  fertilidad  de  la  tierra  dicron  muchas  mazorcas,  y  gran- 
des,  ö  cuando  salen  dos  mazorcas  juntas  y  estas  son  las  principales,  Zaramamas,  y  asi 
las  reverencian  como  a  madres  del  maiz,  y  a  estas  llaman  tambien  Huanijryzara  o  Ayri- 
huayzara. A  este  tercer  genero  no  le  dan  la  adoracion,  que  a  Huaca  ni  Conopa,  sino 
(^ue  le  tienen  supersticiosamenle  como  cosa  sagrada  y  colgando  estas  cafias  con  muchos  cho- 
clos de  unos  ramos  de  sauce  bailen  con  ellas  el  bayle,  que  llaman  Ayrihua,  y  acabado 
el  bayle,  las  queman  y  sacrifican  a  Libiac,  para  que  les  de  buena  cosecha.  Con  la 
misma  supersticion  guardan  las  mazorcas  del  maiz,  que  salen  muy  pintadas,  que  llaman 
Micsazara  6  Matayzara  6  Caullazara  y  otros  que  llaman  Piruazara,  que  son  otras  mazorcas 
en  que  van  subicndo  los  granos  no  derechos,  sino  haziendo  caracol.  Kstds  Micsazara  ö 
Piruazara  ponen  supersticiosaraente  en  los  montones  de  maiz  y  en  las  Piruas  (que  son  donde 
guardan  el  maiz)  paraque  se  las  guarde,  y  el  dia  de  las  exhibiciones  se  Junta  tanto  de 
estas  mazprcas,  que  tienen  bien  que  comer  las  mulas.  La  misma  supersticion  tienen  con  las 
que  llaman  Axomamas,  que  son  cuando  salen  algunas  papas  juntas,  y  las  guardan  para 
tener  buena  cosecha  de  papas  (in  Peru). 


MALQUI.  451 

der  Heiligen  zu  hängen  (s.  Rivero).  Die  Conopas  von  Llamas  sind 
meist  ohne  Füsse  und  im  Rücken  eingedrückt,  um  daraus  Chicha  bei 
Opferung  zu  trinken.  Die  Peruaner  verehrten  leblose  Gegenstände,  in 
deren  jede  die  Sonne  einen  Geist  eingeschlossen  habe,  der  ihnen 
Unterstützung  im  Leben  gewähen  könne  (erklärt  Coreal). 

Die  Gebeine  der  Vorfahren  wurden  in  den  Gräbern  (Machays) 
als  Malquis  oder  (bei  den  Ebenenbewohnern)  als  Munaos  verehrt 
und  bei  den  Inca  erhielt  die  Pacarina  (Geburtsdämmerung)  als  Ahn 
des  Stammes  ihre  Verehrung  in  der  Mumie  oder  Malqui.  Nachdem 
den  Huacas  (in  Cuzco)  Verehrung  (Mucha)  dargebracht  war,  be. 
grüsste  der  Candidat  zur  Ritterweihe  die  Mumien  (s.  Molina).  Die 
Huancas  brachten  den  Malquis  Homer  und  Geweihstücke ^)  dar, 
sowie  Felle  von  Löwen,  Füchsen,  Gefässe,  Kleider  u.  s.  w.  Arriaga 
erwähnt  der  Verehrung  dreier  Riesen  zwischen  Mumien  in  einer 
Höhle.  Die  Cara  richteten  neben  den  balsamirten  Leichen  in  einer 
Nische  des  Grabes  ein  incrustirtes  Bild^)  auf  (nach  Niza).  Almeida 
fand  bei  den  Goyataca  oder  Tapuya  (am  Paraiba)  ein  menschliches 
Skelett  aufgestellt  (s.  Neuwied),  nach  dem  in  Darien  herrschenden 
Brauch  (des  Caucathals). 

In  Peru  ergaben  sich  solche,  die  zum  ausschweifenden  Leben 
geneigt  waren,  dem  Dienste^)  der  Mumien  (als  der  Verstorbenen), 
indem  die  beglaubigten  Hüter  derselben  in  ihrem  Namen  alles  Wün- 
schenswerthe  verlangen  konnten,  und'  am  Markttage  wurden  die 
Mumien  beim  Fest  umhergestellt,  bis  Huascar  (weil  der  grösste  Theil 
des  Landes  schliesslich  den  Todten  gehörte)  die  Mumien  verbrennen 
Hess  (P.  Pizarro). 


*)  In  Honduras  wurden  die  Knochen  des  gejagten  Wildes  in  den  Häusern  aufbe- 
wahrt, weil  dieses  fliehen  würde,  wenn  man  jene  missachtele  (s.  Herrera).  In  Chiapa 
wurde  Vabalan  oder  Vahalan  (neben  Canamlum)  als  Erster  der  Schwarzen  (oder  Neger) 
verehrt  (s.  PiÄeda). 

')  \^^e  in  Peru,  ,,soo  haddcn  ook  de  Groote  Heeren  in  Mexico  altyd  Afgods-Beelden, 
welcke  haeren  Naem  en  gedaente  voerden"  (de  Vries).  Munaos  hiessen  die  Mumien  (in 
der  Ebene)  und  ,,Munaij  quierc  decir  el  querer,  la  voluntad  o  el  amor,  y  Malqui  es  el 
almacigo  quo  se  hace  sembrando,  para  transplantar  lo  que  en  el  nace  y  significa  tambien 
Ig  quc  en  el  esta  ya  nacido  para  el  mismo  efecto,  que  es  lo  que  ellos  mas  quieren  esti- 
mar"  (auf  der  Sierra  bei  den  Mumien)  ,,Ciiyaspa,  esto  es,  por  el  amor  que  les  tienen",  sorg- 
ten die  Peruaner  für  die  Verstorbenen  (s.  Villagomcz).  Unter  den  Techee  (den  an  den 
Gräbern  schweifenden  Gespensterseelen)  wurden  die  (wie  Orometua  böse)  Oromehouhouwe 
durch  Pfeifen  verehrt  (auf  Tahiti). 

*)  Los  Idolos  estaban  en  aquel  galpon  grande  de  la  casa  del  Sol,  y  cado  idolo 
destus  tenia  su  servicio  y  gastos  y  mugeres,  y  en  la  casa  del  Sol  le  iban  ä  hacer  reve- 
rencia  los  que  venian  de  su  provincta  (Ondegardo). 

29* 


452  RELIGION  UND  SITTE. 

Von  Sinchi-Roca  wird  gesagt,  dass  er  den  Dienst  des  Lingam 
(Chutarpu)  und  Yoni  (Huanarpu)  eingeführt  habe.  Huacanqui  oder 
Cuian-Carumi,  der  Gott  der  Liebe  ^),  wurde  mit  bunten  oder  weissen 
Steinen,  als  zwei  sich  umarmende  Personen  verehrt. 

Die  Klosterfrauen  (in  Peru)  wurden  getödtet,  wenn  .schwanger, 
ausser  wenn  sie  schwören  konnten,  „que  la  empreflö  Pachacama,  quo 
es  el  Sol"  (s.  Gomara).  Bei  den  Conchucos  wurde  eine  schöne  Jungfrau 
dem  Huaca  vermählt,  und  diente  als  Priesterin,  mit  Bewahrung  ihrer 
Jungfrauschaft  (s.  Arriaga).  „Virgo  praeter  caeteris  formosissima" 
wurde  dem  Idol  Chancha  oder  Chanca  angetraut  und  galt  dann  für 
heilig  (s.  BruUius).  Der  im  oberen  Stockwerk  des  Hauses  beim 
Caziqen  Gamaretus  gebunden  gehaltene  Zemi  Corocottus  schwängerte 
Frauen  (in  Hayti). 

Die  Sonnenjungfrauen  Cuzco's  bewohnten  unter  Mamacunas  oder 
Anacunas  (Aufseherinnen)  das  Kloster  Aclla-huasi,  das  nur  dem  Inca 
zugänglich  war.  Nach  Pedro  Pizarro  wurden  für  Sonnenjungfrauen 
Mädchen  auch  aus  niedern  Ständen,  der  Schönheit  wegen,  ausgewählt, 
und  dann  nicht  fiir  das  Gelübde  der  Keuschheit. 

Die  Riesen  Punta  Elenas  wurden  durch  Himmelszorn  wegen 
der  unnatürlichen  Laster  vertilgt,  die  auch  die  Inca  überall  auszu- 
rotten strebten.  Auf  dem  Isthmus  waren  dieselben  dagegen  (zur 
Zeit  der  Conquista)  in  vollem  Schwung.  Bei  den  Mayas  führte  der 
Gott  Chin  (Cavil  oder  Maran)  die  Sodomiterei  ein  (nach  Las 
Casas). 

Von  dem  durch  den  Blitz  gefällten  Stein  weisser  Farbe  (schwarz 
oder  gelb)  wurde  in  Form  einer  Umarmung  der  Götze  Huacan- 
qui oder  Cuian-Casumi  (Carumi)  dargestellt,  als  der  Huaca  der  Liebe. 
Durch  Cuyaspa  (die  Liebe,  die  ihnen  bewahrt  wird)  wurden  die  Mal- 
quis  (Mumien)  verehrt  bei  den  Huancas,  wo  die  Frauen  bei  Aussaat 
die  Erde  als  Mama-pacha  Anbetung  zollten. 

Unfruchtbare  Frauen  opferten  in  Zeug  gewickelte  Steine  oder 
Huassa  (in  Caxatambo).  Bei  Ersteigen  einer  Höhe  (Apachi)  spuöken  die 
Peruaner  auf  den  Stein  Tocanca  (Coca  oder  Maiz  opfernd).  In  Colima 
wurde  ein  höchstes  Wesen  (ohne  Bilder)  verehrt  und  eine  Jungfrau, 


*)  Der  Gott  der  Liebe  sprach  (in  Peru)  aus  einem  weissen,  schwarzen  oder  gelben 
Stein,  auf  dem  zwei  einander  umarmende  Personen  sculptirt  waren  (s.  Montesinos).  In 
der  Nähe  der  (mit  Tocuyo  kämpfenden)  Cayones  fanden  die  Spanier  (zu  Alderete's 
Zeiten)  ein  Haus,  voll  von  Frauen,  ,,cada  quäl  en  su  aposento  acomodado  para  el  exer- 
gicio  en  que  se  ocupavan,  que  era  de  vender  sus  amores"  (Simon). 


MENSCHENBLUT.  453 

von  der  die  Menschen  stammten;    in  Xalisco  wurden  dem  Kindgott 
PiltzinteoUi)  Opfergaben  dargebracht  (in  Mexico). 

Obwohl  mancherlei  Angaben  den  Inca  Menschenopfer^)  zu- 
schreiben, wird  ihnen  doch  im  Allgemeinen  nachgerühmt,  diese 
(z.  B.  bei  den  Vilcas),  sowie  die  Anbetung  von  Thier-Idolen,  während 
ihrer  Eroberungen  abgeschafft  zu  haben,  und  auch  die  Caras  ver- 
boten die  dem  Kriegsgott  dargebrachten  Menschenopfer  in  Liri- 
bama,  wie  die  Römer  die  blutigen  Riten  Cartago's  milderten.  In 
Liribamba  wurde  ein  Menschenkopf  in  Topfform  verehrt,  und  wie 
im  vicarircnden  Opfer  Numa  Pompilius  den  Menschenköpfen  Kohl- 
köpfe substituirte ,  so  wurden  an  Stelle  der  früheren  Menschenopfer 
von  den  Peruanern  (nach  Gomara)  den  Todten  hölzerne  Bilder  als 
Diener  mitgegeben,  nach  Art  der  symbolischen  Grabbeigaben  aus 
Papier  in  China.  Die  Opfer,  bei  welchen  Knaben  mit  Silber  und 
Gold  begraben  wurden,  hiessen  (nach  Santa  Cruz)  Capaucha-cocuy 
(zu  Capas-Yupanqui's  Zeit). 

In  Huanuco  wurden  dem  Dämon  Cataquilla  Kriegsgefangene  geopfert 
(nach  Zarate),  in  Tumbez  Kinder  (nach  Xerez),  in  andern  Tempeln  dem 
Supay  (dem  gefürchteten  Diener  Pachacamac's) ,  Mädchen  den  Hua- 
raclla  (in  Tauca),  munificirte  F-eindesköpfe  von  den  Passaos,  Men- 
schenherzen in  Puna,  wo  die  Gefangenen  vor  dem  Kriegsgott  Tum- 
bol  ausgeweidet  wurden.  Die  Caranques  brachten  Kopf  und  Herz 
ihrer  Menschenopfer  den  Götzen  dar.  Sinchi-Roca  Hess  die  gefan- 
genen Cancha.s,  nach  Ausreisscn  des  Herzens,  opfern,  wie  Montesinos 
erzählt.  In  Motrip  (zwischen  Piura  und  Caxamarca)  wurden  monat- 
lich die  eigenen  Kinder  geopfert,  um  mit  dem  Blut  die  Idole  und 
Thürpfosten  zu  beschmieren  (s.  Oviedo).  Als  das  Opfer  einer  Jungfrau 
für  den  Dämon  Supay*)  an  der  Mündung  des  Vulcans  unterlassen 
war,  wurde  Arequipa  mit  Asche  bedeckt,  berichtet  de  Torres,  und 
so    erzählen    die  mohamedanischen  Legenden,    dass  das  Ausbleiben 


*)  Wie  Garcilasso  de  la  Vega  aus  einem  Briefe  Blas  Valeras'  mittheill,  haUe  der  Inca 
zwar  Thiere  der  Sonne  geopfert,  nie  aber  Menschen,  wie  l*olo  (de  Ondegardo)  fälsch- 
lich behauptete,  wogegen  dieser  seine  Nachricht  darüber  aus  den  Registern  gezogen 
haben  will,  und  auch  Sarmiento  von  Menschenopfern  spricht,  die  Valverde  jedoch  in 
Abrede  stellt.  ,,Mit  der  Macht  und  dem  Glänze  der  Inca  nahmen  die  Menschenopfer 
bei  ihren  Begräbnissen  zu,  so  dass  bei  dem  letzten  Guaynacapa,  ,,por  los  registros  se  le 
matavan  mill  personas  de  todas  hedadeV  (1571). 

')  Als  zu  Torres  Zeit  der  Vulcan  von  Omale,  llamado  de  Quinistaquilla,  ausbrach, 
schrieben  die  Indianer  dies  dem  Zorn  des  Zopay  (que  asi  Uaman  a  el  diablo)  zu ,  weil 
das  frühere  Jungfrauenopfer  unterblieben  sei  (lo  que  tomaran  por  remedio  fue  hechar 
ochenta  personas  vivas  dentro,  para  desenojar  a  su  Idolo). 


454  RELIGION   UND   SITTE. 

der  befruchtenden  Nilüberschwemmung  ^)  gefürchtet  sei,  als  man  nicht 
länger  die  Jungfrau  ins  Wasser  versenkt  habe.  Im  Allgemeinen 
wird  von  Kinderopfern,  besonders  bei  dem  bösen  Wesen,  Supay,  ge- 
sprochen, doch  (nach  Cieza)  waren  im  Tempel  des  Pachacamac  nicht 
nur  Thiere,   sondern  auch  Menschen  geopfert  worden. 

Die  Indianer  von  St.  Miguel  opfern  in  ihren  Moscheen  (Tempeln) 
Kinder  und  Verwandte  auf  den  Gräbern,  und  die  zur  Opferung  Be- 
stimmten drängten  sich  freiwillig  dazu  (erzählt  Xerez),  um  der  dafür 
im  Jenseits  versprochenen  Privilegien  theilhaftig  zu  werden.  Dem 
Huacas  Hunoyan  wurde  Menschenfleisch  dargebracht,  und  den  nörd- 
lichen Canibalismus  im  Cauca-Thal  schildert  Cieza  de  Leon.  Beim 
Tode  des  Fürsten  Acoya  in  Xauxa  rettete  sich  ein  Page,  der  mit 
den  übrigen  Dienern  geopfert  werden  sollte,  zu  den  Spaniern,  und 
wie  Herrera  erzählt,  flüchtete  sich  in  Pirina  (bei  Cartagena)  ein 
Knabe  zu  den  Spaniern,' weil  man  ihn  mit  dem  Häuptling  begraben 
wollte.  Garcilasso  erwähnt  der  Opfer  von  Menschenherzen  in  Tum- 
bez,  wo  Tiger  und  Löwen  verehrt  seien.  Dem  Virakocha  wurden 
Kinder  geopfert,  das  Reich  in  Frieden  zu  erhalten  und  im  Kriege 
Hülfe  zu  gewähren  (heisst  es  bei  Dapper).  Die  Puruha  opferten 
die  Erstgeborenen  und  bewahrten  ihre  Knochen  in  Gefässen,  und 
dass  in  einigen  Provinzen  Perus  jeder  Erstgeborne  geopfert^)  sei, 
wird  von  Rivero  ausgesagt.  Bei  Krankheit  des  Vaters  wurde  der 
Sohn    geopfert,    damit    sich   die   Gottheit    mit    ihm    begnüge    (sagt 

Herrera). 

« 

Auch    auf  der  Insel  des  Titicaca-See's,   wo   sich  die  Sonne  ver- 
borgen hatte,    sollen  neben  Llama  Menschen  geopfert  sein  (s.  J.  de 


*)  Die  Fruchtbarkeit  desselben  folgte  aus  den  durch  Typhon  hineingeworfenen  Ge- 
schlechtstheilen  des  Osiris,  wie  das  Meer  nach  Aufnahme  des  durch  Saturn  (Sohn  des 
Uranus)  in  seinem  Vater  entmannten  Himmel  die  Aphrodite  gebar. 

2)  Als  die  Conchucos  genannten  Caci(iuen  -von  Guanuco  die  Spanier  in  Truxillo 
belagerten  und  die  Gefangenen  ihrem  Gotte  Cataquilla  opferten  ,  wurde  Gomez  von  Alvarado 
durch  Pizarro  zur  Eroberung  Guanuco's  (Zarate)  abgeschickt.  Die  Mochicas  (zwischen  Tum- 
bez  und  Truxillo)  hatten  (neben  Holzgötzen)  die  (Guatan  genannten)  Steingötter  in  den 
liochgelegenen  Tempeln ,  wo  den  geopferten  Menschen  da»  Herz  ausgerissen  wurde 
(s.  Oviedo).  Die  Peruaner  (zwischen  Guacamba  und  Caxamalca)  opferten  jeden  Monat 
ihre  eigenen  Angehörigen  und  Kinder,  bestrichen  mit  dem  Blute  derselben  die  Gesichter 
der  Götzen  und  die  Thüren  der  Moscheen  und  sprengten  davon  auch  auf  die  Gräber  der 
Verstorbenen.  Die  zur  Opferung  Bestimmten  weihen  sich  gerne  dem  Tode,  lachen, 
tanzen  und  singen  und  verlangen  selbst,  nachdem  sie  erst  weidlich  getrunken  haben, 
dass  man  ihnen  die  Köpfe  abschlnge  (s.  Xerez),  Wenn  der  von  den  Bewohnern  der  Antis 
(Andes)  lebendig  Gefressene  sich  während  der  Marter  standhaft  gezeigt  hat,  so  werden 
seine  getrockneten  Knochen  auf  einem  Hügel  ausgeset/.i  und  göttlich  duich  Opfer  verehrt 
Blas  Valera). 


KINDEROPFER.  455 

Acosta)  und  (nach  Ondegardo)  wurden  beim  peruanischen  Jahresfest 
Jungfrauen  geopfert.^)  Nach  Catari  würde  Guaynay  von  den  in 
Felle  gekleideten  Wilden  an  der  Küste  bei  ihrem  Feste  geopfert  sein, 
wenn  nicht  durch  Ciguar  befreit.  Santa  Cruz  spricht  von  den  Kindes- 
opfern Mango  Capac's,  bei  denen  das  Blut  ins  Feuer  gesprenkelt 
sei,  damit  der  Dampf  zum  Schöpfer  des  Himmels  und  der  Erde 
emporsteige,  und  (nach  Herrera)  soll  bei  der  Krönung  des  Inca  vor 
der  Statue  Viracocha's  em  sechsjähriger  Knabe  geopfert  sein.  Der 
Sonne  Kinder  opfernd,  erhielten  die  Collas  das  Orakel  ihres  Tayta 
(s.  Salcamayhua).  Beim  Leichenbegängniss  Guanacapa's  (in  Peru) 
, »wurden  über  tausent  Personen  unterschiedlichen  Alters  und  Standes 
umbs  Leben  gebracht,  allein  auss  der  Ursach,  auff  dass  sie  ihm  Ge- 
sellschaft leisten  und  im  anderen  Leben  dienen  möchten"  (s.Humberger). 
Ccapac-Yupanqui,  auf  welchen  Santa  Cruz  das  Menschenblut- 
opfer  Arpay  zurückführt,  hätte  für  das  Ccapac-cocha  genannte  Opfer 
sich  aus  verschiedenen  Provinzen  des  Reiches  Knaben  und  Mädchen 
liefern   lassen,    und  Montesinos  lässt  Tupak-Yupanki,    der  den  Auf- 


*)  Die  (viehtreibenden)  Einwohner  (von  Tuküman)  halten  jährlich  ,,ein  grosses  Fest, 
die  Seelen  ihrer  Voreltern  auszusöhnen.  Zu  dem  ende  bringen  sie  so  viel  Strausvogel, 
als  sie  vor  die  Seelen  zu  opfern  gedenken.  Drey  Tage  lang  währet  das  schwälgen  und 
sauffen ,  and  am  vierden  wird  das  Haupt  der  schönesten  Jungfrau ,  welche  sich  selbsten 
frey  willig  zur  Schlachtung  anbietet ,  ümgetragen.  Da  beginnet  ein  icder  ersch röcklich  zu 
lärmen  und  zu  heulen.  Doch  diese  Traurigkeit  währet  nicht  länger,  als  eine  stunde. 
Dan  sobald  diese  verlauffcn  ist,  folget  auf  das  Weinen  ein  ausgelassenes  Lachen:  welches 
meistentheils  mit  unterschiedlichen  Mördereyen  beschlossen  wird.  Diese  gewohnheit  gehet  am 
allermeisten  unter  den  Mataranern  im  schwänge.  Die  Abiponer  lauffen  zur  Sommerszeit 
Muttemackt :  aber  im  Winter  bedekken  sie  sich  mit  Fellen.  Den  gantzen  Leib  bemablen 
sie  mit  Flecken,  dergestalt,  dass  sie  aussehen  wie  die  Tieger.  Die  Kahlheit  achten  sie 
vor  die  höchste  Schöhnheit :  und  kerben  die  Haut  vol  Wunden:  in  welche  sie,  gleichwie 
durch  die  Nasenlöcher,  Lippen,  und  Ohren,  Strausfedem  stecken.  Dieselben,  welche  die 
greulichste  Peinigung  mit  geduld  ertragen,  halten  sie  vor  halbe  Götter,  und  tuhn  ihnen 
grosse  Ehre  an.  Zu  solcher  Peinigung  gebrauchen  sie  eyseme  Pfriemen,  und  scharfe 
Steine.  Mit  den  Pfriemen  durchpohren  sie  den  gantzen  Leib:  und  mit  den  Steinen  ziehen 
sie  die  Haut  ab.  Die  Frauen  stecken  die  Brust  und  das  Angesicht  vol  Perlen:  und 
ziehen  nicht  mehr  als  zwey  Kinder  auf;  dan  alle  die  andern  schlagen  sie  todt.  Die 
Planer  haben  keine  Wohnungen,  sondern  schwärmen  unter  dem  blauen  Himmel  herum. 
Die  Tobaer,  welche  Riesen  seynd ,  reden  eine  zierliche  Sprache.  Aber  ihre  Grausamkeit 
ist  so  gross,  dass  man  ihres  gleichen  kaum  findet.  Einer  von  diesen  Unmenschen, 
Erouaka,  schlachtete,  im  eintausend  sechshundert  und  sieben  und  dreissigsten  Jahre,  seine 
eigene  Schwester,  Ehefrau,  Mutter  und  Kinder,  und  verzehrete  sie.  Wan  sie  einen 
Kriegeszug  tuhn  wollen,  brahten  sie  ihre  eigene  Töchter  und  Söhne,  und  nehmen  sie 
also  zur  Zerung  mit  sich  auf  den  Weg.  Wan  iemand  kranck  wird,  den  scharren  sie  straks 
lebendig  in  die  Erde.  Die  Kaaguiarer  wohnen  in  dichten  und  dicken  Büschen,  da  ihre 
Hütten  von  einander  abgesondert  liegen:  und  leben  von  den  Würmern,  Meusen,  Ameissen, 
Affen,  Tiegem,  und  dann  vom  wilden  Honige.  Die  meisten  gehen  buckelicht  gekrümmel, 
und  alle  mitemander  mit  Fellen  bedeckt," 


456  RELIGION   UNI)   SITTE. 

stand  seines  Bruders  rutano-Uman  unterdrückte,  zur  Abwendung 
böser  Omen  neben  Lama^)  auch  Knaben  und  Mädchen  opfern.  Aus 
den  Häuten  der  besiegten  Collas  soll  Tupac-Yupanqui  Trommeln 
verfertigt  haben,  und  wie  Herrera  erzählt,  Hess  Ynga-Yupangui  nach 
Besiegung  der  meuterischen  Chancas  die  mit  Asche  und  Stroh  aus- 
gestopften Körper  in  einem  Gräbertempel  (Cuzco's)  aufstellen  (wie 
sich  Aehnliches  im  Norden  bis  Darien  findet).  Der  Kriegsgefangene 
(der  Huancas)  wurde  beim  Opfer  g(!rschunden  (s.  Cieza). 

Als  Topa  Yupanqui  auf  Befragung  des  Orakels  von  Pachacamac 
erfuhr,  dass  ihm  die  Opfer  von  Menschen  und  Schafen  die  liebsten 
seien,  wurden  viele  solcher  dargebracht  (s.  Brullius).  Wie  Cieza 
bemerkt,  opferten  die  Vorfahren  der  Inca  Blut  von  Lama  und  Men- 
schen auf  dem  Hügel  Huanacaure  (bei  Cuzco).  Nach  Acosta  wurden 
bei  der  Krönung  des  Inca  200  Knaben  geopfert,  durch  Erdrosseln, 
zum  Theil  auch  durch  Köpfen  (und  ebenso  Jungfrauen  der  Klöster). 

Bei  den  Thieropfern  wurden  (nach  Herrera)  von  den  Kriegern 
die  Herzen  schwarzer  Hammel  geopfert,  damit  so  die  Herzen  ihrer 
Feinde  verblichen,  während  in  Mexico  der  Gottheit  Menschenherzen 
geweiht  wurden,  um  durch  das  ihnen  innewohnende  Princip  des 
Lebens  die  aus  jener  das  All  durchwaltenden  Naturkräfte  stetig  auf- 
zufrischen. 

Der  Kopf  des  zu  opfernden  Thieres  wurde  von  den  Peruanern 
bei  der  Anrede  des  jedesmaligen  Gottes  gegen  die  Sonne  gerichtet. 
Die  Tarpuntaes  genannten  Priester  verbrannten  Thiere  für  den  Gott 
Haanacauri.  In  Huamachuaco  (wo  bunte  Steine  in  den  Huacas  der 
Schneehöhen  verehrt  wurden)  wurden  die  Schafe  und  Lämmer  (oder 
Lama)  zum  Opfer  abgehäutet  (s.  Cieza).  Um  den  Inca  gegen  Ver- 
giftung sicher  zu  stellen,  wurden  (nach  Beobachtung  von  Fasten) 
schwarze  Hunde 2)  (Apurucos)  geopfert  (und  so  bei  Krankheit  desselben). 

In  Jauja  wurden  Hunde  (AUjo  oder  Allco)  geopfert,  w^ährend 
das  Prototyp  dieser  Thiergattung  Verehrung  erhielt-  Die  selte- 
nen Vögel    der   Wüste    bildeten    ein    geschätztes   Opfer.      In    Chin- 

^)  Die  Peruaner  beobachteten  bei  denOpfeni  die  Karbender  Lama,  ,, solche  mussten  sein 
nach  den  Zeiten  und  underschiedhchen  Würkungeu"  (de  Bry). 

2)  Weil  von  den  Hunden  stammend,  vermieden  die  Chepewäyer  (Spitzröcke)  den 
Hund  als  Zugthier  zu  verwenden  und  beluden  ihre  Krauen.  Die  Ptoemphanac  (Kunj)  hatten 
(nach  Plinius)  einen  Hund  zum  Herrscher.  Itzcuintli  bezeichnet  (im  Mexicanischen)  Hund, 
wie  Izcuintepotzotl  oder  buckligter  (lepotzotli)  Hund,  eine  verschieden  von  dem  stummen 
Hund  Techichi  (Steinhund  von  TetI  oder  Stein),  eine  Spielart  des  gemeinen  Hundes,  den 
man  in  Anahuac  Chichi  nannte  (s.  Humboldt).  Tschudi  unterscheidet  den  (unbehaarten) 
Canis  Caraibicus  (der  sog.  perrus  chinos)  und  den  Canis  Ingae  (in  Mumiengräbein  ge- 
funden).    Die  Perros  mudos  hiessen  (am  Orinoco)  Majos  oder  Auries  (153$)« 


DEIFICIRUNG.  457 

chacocha  wurden  den  Lagunen  Urcococha  und  ChoclococKa,  aus 
denen  die  LIama  hervorgegangen,  solche  Llama  geopfert.  Bunte  Lama 
wurden  dem  Donner  (Chuquilla)  für  Wasser  geopfert,  weisse  (für 
Zeugung)  der  Sonne,  braune  (als  guanaco)  dem  Viracocha  (s.  Acosta). 
Der  Kopf  des  geopferten  Lama  wurde  nach  Osten  gerichtet.  Am 
Raymi-Fcst  wurde  ein  schwarzes  Lama  (als  heiliger  Farbe)  geopfer. 
(s.  Garcilasso).     Arpay  war  das  Opfer  eines  weissen  Lama. 

Das  Schlachtenglück  zu  befragen,  wurden  F'ettklumpen  verbrannt 
Die  Layccas,  Umus,  Canchas,  Vallavicas,  Contivicas,  Canavicas  und 
Auzcovicas  orakelten  beim  Opfer.  Neben  den  Hulla -huisas,  Cunti- 
huisas,  Caua-huisas  prophezeiten  die  Canchüs,  Carcas',  Umus,  Uscatus 
und  Huisas.  Vor  dem  Krieg  wurde  in  der  Puna  die  Ceremonie  Cus- 
covigga  oder  Contevigga  (Huallavigga  oder  Sapovigga)  beobachtet. 

Die  Frage  hinsichtlich  der  Menschenopfer  wird  flir  Peru  dahin 
zu  lösen  sein,  dass  bei  den  eingeborenen  Stämmen  dort,  wie  anderswo, 
Blutopfer  jeder  Art  an  der  Tagesordnung  waren,  aber  nach  der 
Unterwerfung  unter  die  geordnetere  Herrschaft  der  Inca  gesetzliche 
Beschränkung  fanden,  während  bei  diesen  selbst  die  Ceremonien 
eines  Mysteriendienstes  für  besondere  Fälle  blutige  Riten  verlangten, 
wobei  zur  Wirksamkeit  des  magischen  Erfolges  mitunter  eine  Ver- 
längerung der  Scala  bis  zur  höchsten  Stufe,  der  menschlichen  selbst, 
verlangt  werden  mochte,  während  die  Mexicaner  sogar  bis  zur  Gott- 
heit fortschritten.  „Die  Mexicaner  pflegten  dem  Schlachtopfer  die- 
selben Kleider  und  Kennzeichen  anzulegen,  als  der  Gott  trug,  dem 
sie  geopfert  werden  sollten",  (bemerkt  Clavigero),  und  so  fiel  bei 
dem  Fest  Tezcatlipoca's  der  ihn  vorstellende^)  Gefangene  zum  Opfer. 

„Er  ward  bereits  ein  Jahr  davor  dazu  ausgesucht,  und  trug  die 
ganze  Zeit  eben  die  Kleidung  wie  das  Götzenbild,  er  durfte  durch 
die  ganze  Stadt,  jedoch  nicht  ohne  Begleitung  einer  starken  Wache 
gehen,  und  ward  von  Jedermann  als  das  lebendige  Bild  des  Gottes 
angebetet.  Zwanzig  Tage  vor  dem  Fest  verheirathete  man  ihn  an 
vier  schöne  Mädchen,    und    fünf^)  Tage  zuvor  gaben   sie  ihm  präch- 


^)  When  lie  went  abroad  he  was  attended  by  a  train  of  the  royal  pages,  and  as 
he  hahed  in  ihe  strects  lo  play  some  favourite  melody,  the  crowd  prostrated  themselves 
before  him  and  did  hoinage  as  the  representative  of  their  deily  (Prescolt). 

*)  Cinco  dias  antes  de  llegar  ä  la  fiesta,  donde  habian  de  sacrificar  d  cste  mancebo, 
honrdbanle  como  d  dios.  El  sefior  se  quedaba  solo  en  su  casa,  y  todos  los  de  la  cortc 
le  segnian  y  se  hacian  solemnes  banqueles  y  areytos  ö  bailes,  con  muy  ricos  atavios. 
Kl  prinicr  din  le  hacinn  fiola  en  tl  barrio  «jue  llaman  Tecaninan;  el  scgundo  donde  se 
guardaba  la  imagen  de  Ttzcallipoca:    el  tercero  tu  cl  montecillo:  el  cuarto  que  se  llama 


458  RELIGION  UND   SITTE. 

tigc  Mahlzeiten,  und  erlaubten  ihm  alle  Vergnügungen  des  Lebens. 
Am  Feste  selbst  ward  er  unter  zahlreichem  Gefolge  zum  Tempel 
des  Tezcatlipoca  gebracht,  ehe  sie  aber  dahin  gelangten,  bekamen 
seine  Weiber  den  Abschied.  Er  begleitete  den  Götzen  bei  der  Pro- 
zession, und  wenn  die  Stunde  des  Opfers  da  war,  legte  man  ihn  auf 
den  Altar,  der  Oberpriester  öffnete  ihm  mit  grosser  Verehrung  die 
Brust,  und  riss  das  Herz  heraus.  Sein  Körper  ward  nicht  wie  bei 
andern  Schlachtopfern  die  Treppe  heruntergeworfen,  sondern  von 
den  Priestern  hinunter  getragen.  Am  Fusse  des  Tempels  schlug 
man  ihm  den  Kopf  herunter,  und  steckte  ihn  auf  den  Tzompantli 
unter  den  übrigen  Köpfen  der  Schlachtopfer  des  Gottes  auf  Seine 
Beine  und  Arme  wurden  für  die  Tafeln  der  Grossen  zubereitet. 
Nach  Vollendung  des  Opfers  stellten  die  Jünglinge  aus  den  Colle- 
gien,  und  die  beim  Opfer  gegenwärtig  gewesenen  Adelichen  einen 
grossen  Tanz  an." 

Nach  Sahagun  wurde  bei  dem  P'este  des  Monats  Panquetzalitzli 
das  aus  Samen  und  Teig  mit  dem  Blut  der  Menschenopfer  gekne 
tete  Bild  des  Gottes  Vitzilopuchtli  von  den  Priestern  aus  dem  Tem- 
pel nach  ihren  Wohnungen  mitgenommen,  um  es  dort  beim  Festes- 
mahl zu  verzehren  (hacian  convite  con  ella  ä  sus  parientes  y  ä  todos 
los    de    SU    barrio).      Und    diese  Ceremonie  wurde    Teoqualo^)   (das 


Tepetzinco,  qiie  cslä  en  la  laguna  ilquioa,  antlalpia  ,  antlalcuya ,  micontlalpia,  itoci.  El 
cuarto  en  otro  montecillo  (jue  esla  tambien  en  la  laguna  que  se  llama  Tepepulco.  Aca- 
bada  esta  cuaita  fiesta,  ponianlo  en  una  cauoa  en  que  cl  rey  solia  andar  cubierta  con  su 
loldo,  y  ton  el  d  sus  mugeres  que  le  iban  consolando,  y  parliendo  de  Tepepulco,  nave- 
gaban  acia  una  parte  que  se  llama  tlapizcoaian  que  es  cerca  del  canipo  de  Iztapalapan, 
que  vd  dcia  Chalco,  donde  estd  un  montecillo  que  se  llama  Acaquilpan,  Olcoaltcpec:  en 
cbte  lugar  le  dejaban  sus  mugeres  y  toda  la  otra  gente,  y  se  \olvian  para  la  ciudad: 
solomente  le  acompafiaban  aquellos  ocho  pages  que  habian  andado  con  el  lodo  el  aiio: 
Llevdbanlo  luego  a  un  Cü  pequeilo  y  mal  alifiado  que  estaba  a  orilla  del  Camino  ,  y 
fuera  do  poblado,  distante  de  la  ciudad  una  legua  6  casi.  Llegado  d  las  gradas  del  Cü, 
tl  mismo  se  sabia  por  ellas  arriba,  y  en  la  primera  grada  hacia  pedazos  una  de  las 
flautas  conque  habia  taüiedo  en  el  tiempo  de  prosperidad,  en  la  segunda  rompia  otra ,  y 
en  la  tercera  otra,  y  asi  las  acababa  todas  subiendo  por  las  gradas.  Llegando  ariba  d 
lo  mas  alto  del  Cü,  estaban  aparejados  los  Sdtrapas,  que  le  habian  de  matar,  y  toma- 
banle  y  echdbanle  sobre  el  tajon  de  piedra,  y  teni^ndole  por  los  pies  y  por  los  manos, 
y  por  la  cabeza,  echado  de  espaldas  sobre  el  tajon,  el  que  tenia  el  cuchillo  de  piedra 
metiasele  por  los  pechos  con  un  gran  golpe,  y  torndndole  d  sacar,  metia  la  mano  por  la 
cortadura  que  babia  hecho  el  cuchillo,  y  arrancdbanle  el  corazon  que  ofrecia  luego  al  sei. 
^)  A  rite  analogous  in  some  aspects  to  the  Christian  communion ,  was  observed  on 
certain  occasions  thus  in  the  15  month  a  dough  stalue  of  Huitzilopochtli  was  broken  up 
and  distributed  among  the  men,  this  ceremony  was  called  Teoqualo,  meaning  in  „the 
god  is  eatcn"  (H.  Bancrofi).  Lo  recibian  con  gran  reverencia,  humiliacion  y  Idgrimas, 
dicieudo,  que  comian  la  carne  de  su  Dios  (Veytia). 


OBLATEN.  459 

Kauen  des  Gottes)  genannt.  Nach  Torquemada  wurde  das  dabei 
gesegnete  Wasser  von  einem  Gefass  unter^)  dem  Altar  (en  una  vasija 
debajo  del  Altar)  aufbewahrt,  um  es  später  für  verschiedene  Cere- 
monien  zum  Gebrauch  zu  haben  (se  usaba  de  ella  para  bendecir,  ö 
consagrar  al  rey,  quando  se  coronaba,  y  a  los  capitanes  generales, 
quando  se  avian  de  partir  a  hacer  alguna  guerra,  les  daban  a  beber 
de  ella,  con  ciertas  ceremonias).  Von  dem  heiligen  Brodteig  der 
Totonaken^),  der  mit  dem  Herzblut  von  Kindern  gemengt  war, 
mussten  die  Männer  über  25  Jahre  und  die  Frauen  über  16  Jahre 
alle  6  Monate  Theil  nehmen.  Diese  Masse  wurde  aufbewahrt,  und 
von  Zeit  zu  Zeit  mit  neuem  Blut  menschlicher  Schlachtopfer  ange- 
feuchtet. Auch  beim  Monatsfest  Toxcatl  verfertigten  die  mexicani- 
schen  Priester,  nachdem  sie  die  Repräsentanten  Tezcatlipoca's  ge- 
opfert hatten,  eine  Teigfigur  Huitzilopochtli's,  die  (s.  Sahagun)  mit 
den  Insignien  des  Gottes  geschmückt  und  auf  einer  Sänfte  in  Pro- 
cession  getragen  (ibanla  Uevando  como  en  andas),  bis  zum  obersten 
Stockwerk  des  Tempels  hinaufgezogen  und  dort  auf  den  Sessel  des 
Gottes  gesetzt  wurde,  um  später  Opfer  (von  Wachteln)  zu  empfangen 
und  Räucherungen  unter  Schwenken  der  Censarien. 

Beim  peruanischen  Raymifest  wurde  von   den  Sonnenjungfrauen 
geheiligtes^)    Brod    gebacken,    das    neben    dem    ebenfalls    in  ihren 


')  In  den  CiLorUn  schwebt  das  lialbmondförmige  Gefass  (die  I.unula)  oberhalb  des 
Altars.  Aehnlichden  tragbaren  Kelujiiienbehähern(monstnim oder ostensorium)  oderMonstran- 
tia  reliquiarum  wähUe  man  ein  Gefass  (das  m  e:nem  Cylinder  von  Kristall  die  Eucharistie 
aufnehmen  konnte)  ,, als  in  Folge  der  Einführung  der  Fronleichnämsprocession  (1264)  ^^*^ 
üffentliche  Aussetzung  und  Vorzeigung  der  bis  ,, dahin  gewöhnlich  im  Ciborium  verborgenen 
Eucharistie  in  Gebrauch  kam"  (,,maison  Dieu"  unter  den  französischen  Synonymen)  mit 
der  Pyxis  odtr  Theothtca  (als  Aptiiheca  für  die  Häretiker).  Das  Tabemaculum  gestato- 
rium  (Monstranz  oder  Ostcnsoriuni)  muss  nach  Vorschrift  der  heihgen  Congregation  der 
Gebräuche  (16.  Decbr.  1O49)  benedicirt  werden  (vor  dem  Gebrauch).  ,,Das  Allerheiligste 
ruht  in  demselben  unter  Glas  oder  Kristal  auf  einer  halbmondförmigen  Gabel  (Lunula), 
die  gewöhnlich  aus  Silber  und  vergoldet  ist,  ja  nach  der  Ansicht  vieler  Theologen  min- 
destens silbern  und  vergoldet  sein  muss,  jedenfalls  aber  mit  der  Monstranz  selbst  bene- 
dicirt wird." 

^  Los  Totonaques  de  tres  en  ires  aüos  mataban  tres  Nifios,  sacabanles  los  coragones, 
y  de  la  sangre  que  de  alli  salia,  y  de  cierta  goma,  que  Ilaman  Ulli,  que  sale  de  un  Ar- 
bol  en  golas  blancns,  y  despnes  sc  buelve  negra,  como  pez,  y  de  ciertas  semillas,  \a% 
primeras  que  salinn  en  una  Huerta ,  que  en  sus  Templos  tenian,  hacian  una  confeccion, 
y  mafa.  Esta  tenian  por  cosa  sagrada,  con  orden,  y  precepto,  que  de  seis  en  seis  nteses 
los  Hombres  de  veinte  y  cinco  Aüos  avian  de  bolver  d  hacer  la  mesma  ceremonia,  y  las 
Mugeres  de.diez  y  seis.  Llamaban  a  esta  masa  Tayoliaytlaquiiil,  que  quiere  decir:  Man- 
jar  de  nuestra  vida. 

')  La  hariiia  ])ara  esie  pan,  principalmcntc  lo  que  el  Inca  y  los  de  su  sangre  real 
habian  de  comer,  la  molian  y  abniasaban  las  virger.e»,  cscogidas  mugcrts  del  sol,  y  estas» 


460  RELIGION   UND  SITTE. 

Klöstern  bereiteten  Rauschtrank  beim  ceremonicllen  Mal  von  den 
Incas  verzehrt  wurde  und  Acosta  sah  darin  eine  satanische  Nach- 
ahmung^) des  Sacramentes. 

Das  sog.  Geheimniss  des  Altarsakramentes  (s.  Henno  Am.  Rhyn) 
entwickelte  sich  aus  den  „schwärmerischen  Ideen,  welche  das  Christen- 
thum  mit  der  Vergöttlichung  seines  Stifter's  in  die  europäische  Welt 
hineingetragen  hat.  Kein  Glaubenssatz,  wie  dieser  in  seiner  anthro- 
pophagischen F*ormulirung  vom  Essen  des  Leibes  und  Trinken  des 
Blutes  hat  die  Menschheit  so  sehr  in  Aufregung  versetzt,  und  zwar 
in  eine  Aufregung,  welche  soweit  ging,  dass  blose  ritualistische 
Aenderungen  in  der  Uebung  dieses  Geniessen's,  wie  z.  B.  der  Wechsel 
zwischen  einer  Gestalt  und  zweien  solchen,  sogar  blutige  Kriege  und 
Länderverheerungen  hervorrufen  konnte.  Den  Höhepunkt  der  Ver- 
götterung eines  Menschen  nicht  nur,  sondern  einer  an  dessen  Stelle 
tretenden,  von  Menschen  gemachten  Sache  erreichte  dieser  aus  krassem 
Missverständniss  entsprungene  verhängnissvolle  und  fanatische  Glau- 
benssatz unter  Innoncenz  III.,  als  das  Niederwerfen  vor  der  Hostie 
und  deren  Aufbewahrung  in  prachtvollen  Gehäusen  und  Behältnissen 
(Monstranzen  und  Tabernakeln)  aufkam."  Bei  Chrystomos  wird  das 
%h)(Sia  xaO^oXixi^  als  „schauerliches  Gastmahl"  bezeichnet. 

„Man  muss  sich  hoch  verwundern,  dass  der  Teuffei,  als  ein 
Fürst  der  Hoffart   ein  Fest  zu  Mexico    angericht,    welches    sich    mit 

mismas  guisaban  loda  la  demas  vianda  de  aquclla  licsla;  porque  cl  hanquele  mas  pareaa 
que  lo  hacia  el  sol  a  sus  hijob  quc  sus  hijos  ä  cl,  y  por  tanto  guisaban  las  virgenes 
comu  mugeres  (jue  eran  del  sol.  Para  la  demas  genle  comun  amasaban  el  pau  y  guisa- 
ban la  comida  olra  infinidad  de  mugeres  deputadas  para  csto.  Empero  el  pan,  aunque 
era  para  la  cumunidad,  sc  hacia  con  atcncion  y  cuidado  de  que  a  la  nienos  la  harina  la 
tuviesen  hecha  doncellas,  ponjue  cstc  pan  lo  tenian  por  cosa  sngrada,  no  perniiliendo 
comerse  entre  aüo  sino  en  sola  esia  festividad;  quc  era  fiesla  de  sus  fiestas. 

*)  In  the  distribution  of  bread  and  wine  at  this  high  festival  the  orthodox  Spaniards 
who  first  canie  into  the  country  saw  a  strikmg  resemblance  to  the  Christian  communion, 
as  in  the  practice  of  confession  and  penance  (s.  Prescott),  sowie  in  Mexico  (nach  Mendieta) 
auch  in  der  Taufe,  wobei  die  Göttin  Chalchihuitlicue  von  der  Hebamme  angerufen  wurde. 
Die  ganze  Ceremonie  findet  sich  umständlich  bei  Sahagun  beschrieben ,  doch  fehlt  dabei 
eine  Aufklärung,  wie  es  mit  den  Missgeburten  gehalten  wurde,  worüber  die  Missionäre 
Belehrung  geben  konnten.  Hinsichtlich  eines  Monstrum  gilt  (im  Catholicismus)  die 
Regel :  „So  viele  Köpfe  oder  Brüste  sind  ,  so  viel  sind  es  Menschen"  und  so  oft  ist  zu 
taufen.  Ist  Gefahr  im  Verzuge,  so  sind  die  zwei  oder  noch  mehr  Menschen,  aus  denen 
das  Monstrum  besteht,  mit  einander  zu  taufen.  Lässt  sich  aber  die  Zahl  der  Köpfe  der 
Brüste  nicht  mit  Bestimmtheit  angeben,  so  ist  der  deutlich  erkennbare  Kopf  oder  die 
deutlich  erkennbare  Brust  zuerst  unbedingt  zu  taufen,  und  hierauf  der  nicht  deutlich 
kennbare  Kopf  oder  die  nicht  deutlich  kennbare  Brust  bedingnissweise  (Fr.  X.  Schmid). 
,,Ahora  otra  vcz  se  purifica  y  se  limpia,  y  otra  vez  le  forma  y  engendra  nuestra  madre 
Chalchivitlycue"  hiess  es  in  der  Formel  des  mexicanischen  Baptismus  (bateo). 


FEST.  461 

dem  Fest  Corporis  Christi  vergleichet,  solches  aber  stellt  er  also  an : 
die  Mexicaner  begiengen  ihr  vornembstes  Fest  dem  Abgott  Vitzli- 
putzli  zu  Ehren  im  Monat  Maio.  Zween  Tag  für  diesem  Fest,  kamen 
die  Jungfrawen,  welche,  wie  zuvor  gemelt,  den  Klosterfrawen  gleich 
waren,  und  sich  im  selben  Tempel  underhielten,  zusammen,  mahlten 
eine  grosse  Summe  Bledos  oder  Meyer  Samen,  so  mit  geröstem 
Mays  vermischet  ist  worden,  kneteten  es  mit  Honig,  und  machten 
darnach  auss  demselben  Teig  ein  Abgott  so  gross,  als  das  Höltzern 
Bild,  setzten  anstatt  der  Augen  grüne,  blawe  und  weisse  Corallen, 
anstatt  der  Zeen  die  Gran  von  Mays,  ziereten  es  mit  allem  Gewandt 
und  Teppichen,  wie  oben  erzehlt.  Wenn  er  nun  allerdiengs  fertig 
war,  kamen  die  Herrn  samptlich,  brachten  ein  köstlich  und  schönes 
Kleyd  nach  des  Abgotts  Tracht  zugericht,  zogen  jm  dasselbig  an. 
Nach  dem  diss  geschehen,  setzten  sie  ihn  auff  ein  blawen  Stuel,  in 
seine  Senftte,  dass  man  ihn  auff  den  Schuldern  tragen  könnte.  Da 
nun  der  Tag  des  Festes  erschiene,  kamen  vorgenannte  Jungfrawen 
eine  Stund  vor  Tag  mit  weissen  Kleidung  angethan,  und  newen 
Zierrathen  umbgeben,  auff  diesen  Tag  wurden  sie  genennet  Schwestern 
des  Gottes  Vitzliputzli.  Auch  trugen  sie  Kräntze  von  geröstem  oder 
gequollenem  Mays,  und  dicke  Schnür  umb  ihre  Hälss,  auch  hierauss 
gemacht,  welche  biss  under  ihren  lincken  Arm  reichten,  ihr  Ange- 
sichter und  Backen  waren  mit  Färb  angestrichen',  und  ihr  Arm 
von  Elenbogen  herab  biss  auff  die  Hand,  waren  mit  allerhand 
Psittichfedern  gezieret.  Auf  diss  Zierathen  und  Bekleyden  nah- 
men sie  die  Senffte  dess  Abgotts  auff  die  Schulder  und  trugen 
ihn  an  das  Ort,  da  die  Jüngling  mit  einem  Gewand  von  schönen 
Netzen  bekleydet,  und  mit  solchen  Kräntzen  wie  die  Jungfrawen  ge- 
krönet stunden.  Alssbald  sie  mit  dem  Abgott  herbeykamen,  naheten 
die  Jüngling  mit  grosser  Ehrerbietung  herzu,  nahmen  die  Senfft  auf 
ihre  Schulder,  trugen  ihn  biss  an  die  underste  Stuffe  dess  Tempels, 
da  sich  die  gantze  Gemeinde  für  den  Abgott  demütiget,  und  beuget, 
nahmen  Erd  vom  Estrich,  legten  sie  auff  ihre  Häupter,  welches 
bey  ihn  ein  gemein  Werck  war  auff  den  vornembsten  Festen  ihrer 
Götter.  Wenn  diss  Gepräng  also  geschehen,  fing  die  gantze  Ge- 
mcindt  in  einer  Procession  an  zuziehn,  und  solches  so  eilends,  als 
immer  möglich,  und  begaben  sich  auff  einen  Berg,  Chapultepec  ge- 
nannt, so  ein  Meyl  wegs  von  der  Stat  Mexico  läge,  da  geschähe 
ein  Vermahnung,  und  alssdann  das  Opffer.  Nach  solchem  schieden 
sie  in  aller  Eyl  von  dannen,  gingen  auff  ein  Ort  nit  weit  davon  Atla- 


462  RELIGION  ÜKD  SITTE. 

cuiauaya  genannt,  da  thäten  sie  noch  eine  Vermahnung.  Daselbst 
gingen  sie  fort  auff  einen  Flecken,  ein  Mcyl  wegs  weiter  gelegen, 
so  genannt  ward  Cuyoacan,  da  sie  wider  nach  Mexico  kehrten,  ohn 
dass  sie  einmal  ruheten.  Diese  Reyss,  wxlche  umb  vier  Meylcn 
lang  wehrete,  volnbrachten  sie  in  drey  oder  vier  Stunden,  und  nann- 
ten solche  Procession  Ypaina  Vitzliputzli,  das  ist,  die  eilende  Reyss 
Vitzliputzli.  Wann  sie  wider  heim  kamen,  und  zu  der  understen 
Treppen  naheten,  setzten  sie  den  Sessef  oder  Sänffte  nieder,  namen 
dicke,  stercke  Seyl,  bunden  solche  an  die  Handhabe  dess  Sessels, 
und  zohen  etliche  oben,  etliche  schuhen  unden  fort,  dass  sie  also 
den  Abgott  mit  der  Sänfften  biss  oben  auff  den  Tempel  brachten: 
Derhalben  aber  zohen  sie  jn  hinauff,  weil  die  Treppen  schmal  waren, 
und  die  Stuffen  hoch  hinauff  giengen,  unnd  sie  jnen  also  auff  den 
Schultern  nit  hinauff  bringen  konnten.  Under  dess,  dass  man  den 
Abgott  hinauff  zohe,  stund  die  gantze  Gemeindt  auff  dem  Platz  mit 
grosser  Demuth  und  Forcht.  So  bald  sie  jn  nun  hinauffgebracht, 
trug  sie  jm  in  ein  Capellen  von  Rosen,  welches  hierzu  erbawet  wor- 
den, von  stund  an  kam  diee  Jüngling,  unstrewtcn  ringsherumb  viel 
Blumen  von  underschiedlichen  Farben,  dass  sie  den  Tempel  in-  und 
ausswendig  damit  erfiilleten.  Nach  diesem  kamen  die  Jungfrawen  in 
jren  vor  erzehltem  Habit  und  Kleydungen,  brachten  auss  jrer  Kam- 
mer etliche  Brätzelen  so  von  geröstem  Mays  und  dem  Kraut  Bledos 
oder  Meyer  gemacht  worden,  eben  von  dem  Teig,  da  der  Abgott 
von  gebacken,  von  Gestalt  waren  sie  wie  grosse  Bein,  gaben  solche 
den  Jünglingen,  welche  sie  hinauff  trugen  und  für  den  Abgott  nieder- 
legten, so  viel,  dass  nichts  mehr  liegen  mochte.  Diese  Brätzlen 
nannte  sie  Fleisch  und  Bein  Vitzliputzli.  Da  nun  die  Bein  also  lagen, 
kamen  die  Eltesten,  Priester,  Leuiten  und  Kirchendiener  ausser  dem 
Tempel,  ein  jeder  nach  seinem  Alter  und  Ampt,  und  hielten  ein 
schöne  Ordnung,  ein  jeglicher  trug  einen  Schleier  von  Netze,  so  mit 
vielen  Farben  und  Stick  werk  gemacht,  nach  dem  es  eines  jeden 
Ampt  erfordert.  Sie  hatten  auch  Kräntz  auff  ihren  Häuptern  und 
ein  Rey  Schnür  von  Blumen  umb  ihre  Hälse.  Nach  ihnen  folgten 
die  Götter  und  Göttinen,  so  sie  anbetteten,  in  underschiedlicher  Ge- 
stalt und  Kleydung,  wie  zu  vor  Meldung  geschehen.  Wann  sie  sich 
nun  ordentlich  zurings  umbher  vorangedeute  Bretzel  gesazt  hatten, 
machten  sie  viel  Gepräng  damit,  sungen  und  spielten,  und  segneten 
sie  damit,  blieben  also  Fleisch  und  Bein  vorgemeldtes  Abgotts,  und 
wurden  geehrt,    wie  ihr  Gott.  .  Von  stund  an  kamen  die,    so  Opffer 


tXxze.  463 

thäten,  von  den  Menschen,    und  machtens  also,  wie  vor  diesem  er- 
zehlt  worden. 

Auff  diese  Zeit  wurden  allzeit  mehr  geopffert,  als  auff  andern 
Tagen,  weil  es  ein  so  hohes  Fest  war.  Als  daz  Opffer  verricht, 
kamen  alle  Jüngling  und  Jungfrawen  auss  dem  Tempel,  Gliedweiss 
nach  einander,  also  dass  die  Jüngling  gegen  über  stunden,  tantzten 
und  Sprüngen  nach  dem  Trummenschlag  dem  Abgott  zu  Ehren,  umb 
dess  willen  sie  dz  Fest  hielten.  AufF  den  Gesang  antworteten  alle 
Herrn,  Eltesten  und  vornembsten  dess  Volck,  tantzten  rings  umb  sie 
her,  machten  also  zusammen  einen  hüpschen  runden  Tantz,  wie  sie 
$onst  zu  thun  pflegten:  die  Jüngling  und  Jungfrawen  blieben  allzeit 
in  der  Mitt:  die  gantze  Statt  lieff  an  das  Ort,  da  solches  getrieben 
ward,  und  sähe  zu.  Dieser  Tag  dess  Abgotts  Vitzliputzli  ward  durch 
das  gantze  Land  streng  gehalten,  niemand  dorfft  etwas  essen,  als 
nur  von  dem  Teig,  davon  der  Abgott  zugericht  worden.  Solch 
Speiss  aber  musst  man  dess  morgens  frühe,  wenn  der  Tag  anbrach, 
essen,  und  nichts  darzu  trinken,  biss  der  Mittag  für  über  käme.  Da 
einer  diss  Übertratte,  hielt  mans  für  ein  Kirchenraub,  und  ein  böses 
Prognosticon.  Wann  diss  Gepräng  ^in  End  genommen,  mochten  sie 
ander  Ding  essen.  Unterdess,  dass  sie  mit  diesen  Dingen  umb- 
giengen,  verbargen  sie  den  Kindern  das  Wasser,  und  warneten  die, 
so  zu  ihrem  Verstand  kommen,  sie  sollten  kein  Wasser  trinken,  da- 
mit sie  nit  In  Zorn  Gottes  fielen,  und  sterben  müsten.  Da  nun  all 
diss  Gepräng,  Tantz  und  Opffer  verrichtet  ward,  zogen  sie  die  Kleyder 
ab:  die  Priester  und  Obersten  des  Tempels,  namen  den  Abgott  von 
Teig,  zogen  ihm  seinen  Habit  ab,  zerbrachen  ihn,  wie  auch  die 
Bretzeln,  so  geweyhet  waren,  machten  davoil  viel  Brocken,  theilten 
die  auss,  fiengen  an  den  vornembsten  an,  darnach  gaben  sie  es  der 
gantzen  Gemeinde  gross  und  klein,  den  Weibern  so  wol  als  den  Män- 
nern, wie  man  das  Abendmahl  pflegt  ausszutheilen:  Sie  empfiengens 
auch  mit  grosser  Ehrerbietung,  Forcht  und  Threnen,  darüber  man 
sich  verwundem  muste.  Sie  sagten,  sie  essen  Fleisch  und  Bein  von 
ihrem  Gott,  und  hielten  sich  unwürdig,  dass  sie  solcher  Wolthaten 
geniessen  sollten.  Die,  so  krank  waren,  Hessens  durch  einen  andern 
fordern,  und  ward  ihnen  mit  grosser  Ehr  und  Ernst  gebracht.  Alle, 
die  das  Sacrament  empfiengen,  die  hielt  man  dafür,  dass  sie  den 
Zehenten  des  Saamens  davon  der  Abgott  gemacht  worden,  bezahlten. 
Nachdem  nun  das  Abendmahl  gehalten,  stieg  einer  auss  den  Eltesten, 
der  in  grossem  Ansehen  war,  auff,  prediget  und  verkündiget  mit 
heller  Stimm  ihr  Gesetz  und  Gepräng.    Wer  wollt  sich  nit  verwun- 


464  RELIGION   UNI)   SITTK. 

dern,  dass  der  Teufifel  so  seltzame  Practicken  herfür  suchet,  dass  er 
nur  angebetten  würde,  und  solches  alles  aufif  die  Weiss,  wie  mans 
bey  den  Christen  hält.  Daher  man  genugsamb  spüren  und  abnem- 
men  mag,  dass  der  Sathan,  wie  anfänglich  erkläret,  nichts  anders 
suchet,  dann  dass  er  Gott  sein  gebürend  Ehr  und  Dienst  entziehen, 
und  den  Menschen  in  Unfall  bringen  möge,  sintemal  er  anders  nichts 
ist,  als  ein  Todtschläger,  unsauber  Geist  und  ein  Vatter  der  Lügen." 

(1597). 

Zum  Regenzauber  stellte  Inca  Huaynacapac  (als  Oberpriester  des 

Dämon  Zupay)  auf  einem  Berg  zwei  Krüge  stinkenden  Wassers  auf, 
um  die  Dünste  herbeizulocken  und  zu  sammeln,  wie  der  Basuto- 
Häuptling  in  seinem  Fetischhaus  die  mit  dem  Fruchtwasser  der  Ge- 
bärenden»  oder  in  Schwangerschaft  Verstorbenen  gefüllten  Hörner. 
Die  Pflanzungen  schützte  man  durch  Aufstellen  von  Schildkröten- 
schalen  (Quirquinchuque)  vor  dem  Betreten.  Für  Wahrsagungen 
wurden  Lunge  und  Herz  der  Opferthiere  oder  die  Bewegungen  abge- 
rissener Spinnenbeine  beobachtet,  sowie  der  Vögelflug,  das  Zucken 
von  Muskeln  u.  s.  w.  Die  Eingeweide  von  Eulen  und  Eidechsen 
dienten  zum  Orakel.  Die  Calpariac  weissagten  aus  aufgeblasenen 
Lungen  der  Vögel  und  Schafe  (s.  Molina),  die  Virapiricue  aus  dem 
Verbrennen  von  Fleisch  (Bruststücke)  und  Coca,  die  Camascas  aus 
dem  Donner,  die  Achicoc  aus  Dung,  die  Yacarcaes  (in  Huaro)  aus 
den  mit  Röhren  (aus  Messing,  von  Kupfer  und  Silber  verfertigt)  an- 
geblasenem Feuer.  Giftpflanzen  fanden  Verwendung  in  den  Zauber- 
Operationen.  Den  Häuptlingen  gewährte  der  durch  den  Trank 
Achuma  erregte  Rausch  die  Extase  eines  Sehers.  Die  Priester  wür- 
felten mit  Steinchen,  um  die  Bedeutung  der  Conopas  (als  Steine,  Zeug- 
stücke, Bezoare  oder  gurcu  u.  s.  w.)  zu  bestimmen.  Besonders  ge- 
formte Steine*)  wurden  als  Schutzgötter  oder  (in  Cuzco)  Chancas 
(Corropasques  oder  Huaymayoc)  betrachtet.  Ungünstige  Omen 
Wessen  Ccalla  -  sana.  Als  HuaynaCapac  in  Quito  den  von  einem 
Boten  im  schwarzen  Mantel  gebrachten  Kasten  öfliiete,  flogen 
Schmetterlinge  heraus,  die  Pest  verbreitend. 

Mit   dem  Schaf   über   dem  rechten  Arm    blickten    die  Peruaner 


1)  Zum  Orakeln  erhielt  Helenes  von  Apollo  einen  redenden  Stein,  der  in  den  Händen 
zu  schwingen  war,  als  Klapperstein  (oder  Thoneisenstein).  Dem  mit  den  Steinen  Kentura 
gefüllten  Kürbis  am  Wohnsitz  des  Häuptlings  (bei  den  Tapuijem)  durfte  nur  unter  Tabak- 
rauchern oder  mit  Opfergaben  genaht  werden  (s.  Dapper).  Zu  Huanuco  (mit  Spuren 
der  alten  Strasse)  wohnten  „etliche  Wahrsager,  welche  aus  dem  Gestirne  künftige  Dinge 
vorher  zu  sagen  wussten"  (Dapper). 


(;i\\xo.  465 

nach  der  Sonne  „und  murmelten  in  ihrem  Munde  bald  diese,  bald 
jene  Worte  nach  der  unterscheidlichkeit  der  Farbe,  denn  im  Falle  es 
graue  Flecken  hatte,  redeten  sie  zu  dem  Chuquilla  oder  Donner, 
wan  es  weis  und  kurtzhärig  war,  zu  der  Sonne,  wan  es  aber  rauch 
war,  zum  Viracocha.  In  der  Stadt  Kusko  ward  der  Sonne  zu  Ehren 
alle  Tage  ein  kurtzhaarichtes  Schaf  mit  einem  rohten  Brustrokke 
geopfert.  Auch  zündete  man  ein  grosses  Feuer  an,  welches  die 
Peruer  Vibbakaronka  nannten.  Hierein  warfen  die  Priester  das  Schaf, 
mit  etlichen  Körben  von  Koka".  Bei  dem  zur  Siegerlangung  dar- 
gebrachten Opfern  (Kazovicka  und  Sapovicka)  warf  man  Vögel  „in 
die  Flamme  und  ging  mit  runten  ekkichten  Steinen  rund  um  dieselbe 
herum.  Auch  brachte  man  gemahlte  Schlangen,  Leuen,  Kröhten 
und  Tiegertiere  getragen,  und  rief  fort  und  fort  mit  lauter  Stimme: 
Usachum,  gieb  uns  Siegl  wie  auch  die  Vernichtung  der  Feinde  er- 
beten wurde  (s.  Dapper). 

Von  Sallango  oder  Pisco  wurden  die  von  Seehunden  bewohnten 
Inseln  besucht  (s.  Cieza).  Den  Huaca  auf  den  Guano-Inseln^)  wurde 
in  einem  Boot  Mais  und  Chicha  zum  Opfer  gebracht,  damit  der 
Dung  wachse  (s.  Avendafio).  Auf  der  heiligen  Insel  Santa-Clara  (bei 
Puna)  fand  Pizarro  ein  Steinbild  mit  Menschenköpf  in  zugespitzter 
Form,  sowie  Gaben  von  Gold  und  Silber,  Gewänder  u.  s.  w.  und  in 
den  Tempeln  der  Insel  La  Plata  (bei  Puerto  viejo)  Silberstücke  in  Form 
von  Händen,  Frauenbrüsten,  Köpfen  u.  s.  w.  (als  Votivdarbringungen). 

Bei  der  Abfahrt  von  Huacha  (für  die  Farrallones  de  Huaura) 
wurde  (aus  den  Balsas)  Chicha  zum  Opfer  auf  die  Küste  gesprengt,  „y 
cuando  llegavan  a  la  isla  adoravan  a  la  Huaca  Huamancantac  como 
el  sefior  de  Huano,  y  le  ofrecian  las  ofrendas,  paraque  les  dexasse 
tomar  el  Huano,  y  en  llegando  de  buelta  al  puerto  ayunavan  dos 
dias,  y  luego  baylaban,  cantavan  y  bevian"  (Arriaga). 

Die  den  Huacas  dargebrachte  Chicha  hiess  (in  Chancay)  Yale 
oder  (nach  Villagomez)  Tecti  und  fiir  diesen  Zweck  fanden  sich  „muchos 
vasos  y  vasijas  de  diferentes  formas"  (s.  Arriaga).  Bei  den  Botocuden 
wurde  aus  gegohrenem  Mais  das  Viru  genannte  Getränk  bereitet. 
Bei  den  Opfergesängen  für  die  Huacas  trugen  die  Peruaner  „en  la 
cabega  unas  como  mcdias  lunas  de  plata  que  llaman  Chacrahinca  y 
otras  que  llaman  Huana  (s.  Arriaga). 


*)  Depuis  plus  de  lOO  ans  on  en  charge  tous  les  ans  lo  ou  12  navires  pour  en- 
graisser  les  terres  (tle  Tarapacu)  mit  dem  (luano  der  Insel  Itpii«iiie,  l»cnierkt  Krezier  (171 1), 
und  damit  wurde  in  Arica  der  Aji  gezogen. 

Bastian:  America.  I.  *^ 


466  RELKJION   UND   SITTE. 

Bei  den  Callpactaricusum  genannten  Ceremonien  wurden  (nach  dem 
Fest)  der  Blutauslauf  des  Opferthieres  beobachtet.  Die  als  Opfer 
dargebrachten  Chaquiras  (neben  Federn  und  Meermuscheln)  wurden 
auf  die  Riesen  Puerto  viejo's  zurückgeführt. 

Nach  Mexia  wurden  den  Smaragden  des  Häuptlings  von  Manta 
Opfer  dargebracht  (als  Gott  der  Gesundheit).  Bei  Krankheiten 
opferte  man  den  Huacas  und  Vilcas  der  vier  Provinzen.  Auf  den 
Höhen  wurde  den  Chupasitas  geopfert.  Wenn  die  Träger  des  Opfers 
(Ccapacocha  oder  Cachahuaca)  die  Strasse  zogen,  durften  weder  sie 
noch  ihre  heilige  Bürde  angeblickt  werden.  Beim  Essen  des  Yahuar- 
sancu  (oder  Blut-Brodes)  wurden  Gelübde  abgelegt  (beim  Situa-Fest). 

Die  Mollo  genannten  Meermuscheln  ^)  wurden  als  Töchter  des 
Wassers  den  Quellen  geopfert  (s.  Acosta).  Das  Fest  Isuraymi  wurde 
(in  Peru)  des  Regens  wegen  gefeiert  (oder  bei  Epidemien). 

Bei  dem  Contevicza  (cuzcovizca)  oder  Hullavicza  (Sopavicza)  ge- 
nannten Opfer  der  Vögel  (aus  der  Puna)  umschritten  (in  Peru)  die 
Priester  (um  die  Kraft  der  feindlichen  Guaca  zu  vermindern)  das 
Feuer,  mit  eckigen  oder  runden  Steinen,  auf  denen  Schlangen, 
Löwen,  Tiger  und  Kröten  sculptirt  waren,  in  der  Hand,  glücklichen 
Erfolg  (usachum)  dfem  Heere  wünschend  (s.  Acosta). 

Dem  Gott  Ataguju  wurden  (inGuamachuco)  seine  Opfer  auf  Pfeilern 
dargebracht,  und  sonst  wurden  in  Peru  die  Opfer  (lir  Regen  auf  Pfeilern 
aufgesteckt,  wie  in  Mexico  die  Menschenopfer  für  Tlaloc  an  Pfeilern 
erschossen  wurden.  In  Bogota  stand  vor  jedem  Tempel  ein  Pfeiler, 
so  dass  dieser  Anblick  Quesada  zu  der  Benennung  als  valle  de  las 
alcazares  veranlasste.  Die  Humaras  genannten  Gewänder  wurden 
den  Huacas   dargebracht  (unter  den  feinen  Zeugarten  oder  Churipi). 

Der  Erde  (Pacha-mama  oder  Chuco-mama)  wurde  geopfert,  um 
Kräfte  zu  erhalten  (aus  dem  natürlichen  Boden,  wie  Antäus,  und  so 
bei  den  Finnen).  Die  Sternschuppen  wurden  als  Exquix  und  die 
Plejaden  als  Chuchoc  (in  Guamachuco)  durch  Opfer  verehrt,  um  gün- 
stige Ernten  zu  sichern.  Beim  Pflanzungsfest  wurden  (in  Lampa)  die 
Kartoffeln  mit  dem  Blute  des  geopferten  Lama  besprengt  (s.  Marcos 
Otaso).    Der  Fuchs*)  erhielt  Ehrenbezeigungen  in  Pachacamac  und  so 


')  Hacen  unas  cuentecillas  de  este  Mullu  (concha  de  la  mar  gruessa)  y  I.is  ponen 
a  las  Huacas  (in  Peru). 

^)  En  el  teniplo  muy  principal  de  Pachacama  los  Peruanos  tenian  una  zorra  en 
grande  estimacion,  la  quäl  adoraban  (s.  Cieza). 


WILDTHIERE.  467 

in  Guamachuco,  wenn  sein  in  Wittwenkleidung  aufgestellter  Balg 
fetirt  wurde. 

Die  wilden  Thiere,  Tiger  ^)  (Unze),  Bär(Ursus  frugilegus  oderUcu- 
mari),  Schlange  u.  s.  w.  wurden  verehrt,  um  nicht  zu  schaden,  be- 
sonders in  ihren  Sternbildern  oder  dem  dort  gedachten  Urbild.  In 
Huarochiri  wurde  der  Kopf  des  getödteten  Löwen  (Puma),  weil  vonConi- 
raya  für  gute  Botschaft  gesegnet,  bei  Festlichkeiten  geehrt  und  erhielt 
Lama  zum  Opfer  (s.  Avila).  Der  Fuchsbalg  wurde  bekleidet  umtanzt. 
Getödtetes  Wild  erhielt  Getränk  eingegossen,  damit  die  darüber 
erfreute  Seele  ihre  Brüder  herbeilocke.  Von  Hathiacuri  war  sein  im 
Wettkampf  besiegter  Schwager  in  Wild  verwandelt*),  das  anfangs 
Menschen  frass,  später  selbst  gegessen  wurde.  Grosse  Hirschgeweihe 
wurden  als  Vicaos  in  Guamachuco  verehrt.  Raimondi  erwähnt  der 
Auffindung  einer  Steinkiste  mit  Hirschgeweihstücken  bei  den  Aus- 
grabungen von  Ancachs.  Die  Delawaren  erzählen  von  dem  Riesen- 
Ochsen,  der  die  Heerden  zerstörte,  bis  ihn  der  Grosse  Geist  mit 
seinem  flitze  in  die  Wilderniss  jenseits  der  Seen  vertrieb. 

Der  weisse  Bärtige,  Sume  oder  Paye-Tome,  die  Elemente  und 
wilden  Thiere  beherrschend,  verschwand  (von  den  Caboclos  verfolgt) 
in  Brasilien.  Während  der  Wasserbauten  am  See  von  Mexico  fand 
Enrique  Martin  (1604)  mitten  in  einem  hohen  Berge  einen  in  drei 
Stücke  zerbrochenen  Elefantenzahn  (aus  der  Fluth)  und  ausserdem 
Riesenknochen  (s.  Simon).  Die  Pehuenches  erklären  die  Muscheln 
und  Versteinerungen  auf  hohen  Bergen  daraus,  weil  ihre  Vorfahren 
bei  der  steigenden  Fluth  dorthin  geflüchtet  (s.  Guzman). 

Dass  die  von  der  Pampa  del  Sacramento  nach  der  Sierra  herauf- 
kommenden Indianer  die  ersten  Steine,  die  sie  anträfen,  verehrten, 
erzählt  Skinner,  und  ähnlich  berichtet  d'Orbigny  aus  Bolivien:  Wenn 
die  Moxos   sich    dem  Lande  der  Yuracares  nähern,    und  die  ersten 


')  Benzoni  sah  in  Chiaropoto  das  Thonidol  eines  Tigers,  sowie  Vögel  zum  Opfer. 

*)  Der  Ichet  oder  Zauberer  der  Koloschen  läuft  (beim  Fest)  in  verschiedenen  Thier- 
odcr  Menschenmasken  um  das  Feuer  (s.  Erman),  den  Jek  oder  Geist  sehend.  Der  durch 
Jek  Inspirirle  lebt  im  Walde  von  der  Kinde  des  Domstrauchs  Nesamainik,  bis  die  Fluss- 
otter (deren  Balg  benutzt  wird)  ihre  Zunge  vorstreckt.  Zum  Göttersitz  (des  Jel)  am  Naas 
Vordringende  werden  in  ihren  Masken  versteinert.  Die  Jek  (Geister)  hat  man  sich  durch 
(ugendbafte  Observanzen  geneigt  zu  machen  (s,  Erman),  wie  Reinigkeit.  Neugeborene, 
die  Muttermale  oder  andere  Abnormitäten  mit  ihren  Voreltern  gemein  haben,  werden  für 
unigestaltete  Wiedergeborene  erklärt  und  durch  den  Namen  bezeichnet.  Durch  Spalten 
des  grossen  Fahrzeugs  (nach  der  Fluth)  wurden  die  Koloschen  und  Andersredenden  ge- 
schieden. Bei  der  Verl)rennung  eines  Vornehmen  wird  ein  Kalgi  getödtet.  Der  Ichet  wurde 
auf  einem  Pfahlgerüst  im  Walde  (den  Kopf  mit  Korbgeflecht  bedeckt)  l>eigesetzt. 

30* 


468  RELKilOX   UND   SITTE. 

Steine,  die  in  ihren  Wohnsitzen  gänzlich  fehlen,  erblicken,  so  ge- 
rathen  sie  in  Erstaunen  und  sammeln  dieselben,  wie  Kostbarkeiten. 
Die  in  Guamachuco  aufgelesenen  Steine  wairden  von  den  Priestern 
als  Kinder  Catequil's  erklärt  und  benannt.  Dort  wurde  der  Stein 
Llaiguen  für  Regen  angerufen.  Bei  den  Caftares  wird  Verehrung 
bunter  Steine,  besonders  des  Jaspis  (s.  Garcilasso)  erwähnt  (auch  zu 
schriftartigen  Mittheilungen  benutzt),  in  Huamachuco  (bei  Garcila.sso) 
bunter  Flusskiesel  (als  Sitz  der  Gottheiten).  Steinhaufen  hiessen 
Cuzcos  und  aus  den  Usnus  genannten  Steinen  wurden  auf  Feldzügen 
(nach  Santa  Cruz)  die  Apachetas  aufgerichtet  (und  auf  Wanderungen 
gegen  Ermüdung)^).  Auf  hohen  Uebergangspuncten  der  Strassen, 
wo  die  Träger  ausruhten,  errichtete  man  (in  Mexico)  Steinhaufen 
(s.  Mendieta).  Zu  den  Steinhügeln  in  Alaska  fügte  jeder  Vorüber- 
gehende einen  Stein  (zu  Cooks  Zeit).  Auf  den  Wegen  Nicaraguas 
häufte  man  Steine  für  den  Gott  Bisteot  (dios  del  hambre),  um  nicht 
zu  ermüden  (s.  Oviedo).  Die  Ottomaken  stammten  aus  der  Ver- 
einigung von  drei  aufeinander  gesetzten  Steinen. 

Weddell  fand  in  der  bolivianischen  Cordillere  eine  Art  Wiegen- 
steine (pyramides  de  pierres  vacillantes),  die  von  den  Indianern  auf- 
gerichtet waren,  und  wenn  sie  bei  der  Rückkehr  durch  den  Wind 
umgestürzt  angetroffen  wurden,  als  ein  Wahrzeichen  dienten  der 
von  ihren  Frauen  begangenen  Untreue.  Der  Pasca  genannte  Stein 
wurde  bei  der  Beichte  gebraucht.  Unfruchtbare  Frauen  opferten 
einen  eingewickelten  Stein  (Huassa).  Hathiacuri  (in  Huarochiri)  ver- 
w^andelte  seine  ihren  Gatten  gegen  ihn  aufreizende  Schwägerin  in  einen 
Stein,  die  Füsse  nach  oben,  den  Kopf  auf  der  Erde. 

Die,  wie  die  Landung  in  Lambayeque  den  Zug  der  Caras  beglei- 
tende Verehrung  der  Grünsteine  ^),  findet  ihre  Ausbreitung  unter  den 
Chibchas.  Umifta  wurde  als  Gott  der  Gesundheit  angerufen  (in  Manta). 

Eindrücke  heiliger  Fusstapfen  finden  sich  überall  in  Peru,  Ecuador 
Columbien,  Brasilien  zerstreut,  und  gelten,  wie  früher  als  Spuren  der 

^)  In  der  Ceremonie,  um  Mawish  (the  spirit  of  fatigue)  zu  beseitigen,  verschlucken 
die  Nez-Perc^s  (unter  Bädern)  Splitter  von  Weidenholz.  Bei  den  Tacanas  am  Maya- 
tat^  werden  (neben  Idolen)  Steinchen  (in  Säcken)  verehrt. 

')  El  sefior  de  Manta  tenia  una  piedra  de  esmeralda  de  mucho  grandeza  y  muy  rica, 
la  quäl  tuvieron  y  posseyeron  sus  antecessores  por  muy  venerada  y  estimada  y  algunos  dios 
la  ponian  en  publico  y  la  adoravan  y  reverencian  como  si  estuviera  en  ella  encerrada  al-" 
guna  deidad.  Y  como  algun  Indio  e  India  estuviesse  malo,  despues  de  aver  hccho  sus 
sacrificios,  yban  a  hazar  oracion  a  la  piedra,  a  la  quäl  afirman,  que  hazian  servicio  de  otras 
piedras,  haziendo  entender  el  sacerdote  que  hablava  con  el  demonio,  que  venia  la  salud 
mediante  aquellas  ofrendas  (nach  Leon).  Die  S}>anier  zerschlugen  die  Meisten  der  dort  ge- 
fundenen Edelsteine,  da  sie  prüfen  wollten,  ob  es  nicht  Glas  sei. 


SPEICHEL.  469 

einheimischen  Prophen,  so  später  für  die  des  heiligen  Bartholomäus 
oder  Thomas,  welch  letzterer  auch  in  Indien  seine  Tritte  mit  denen 
Buddhas  kreuzte,  und  in  Ceylon  zugleich  mit  Adam  oder  mit  Mohamet, 
dessen  in  Stein  eingedrückter  Fuss,  von  Mecca  dorthin  gebracht, 
Torres  bei  Delhi  sah.  Chupantas  (Chupasitas)  war  das  Ausruhen  beim 
Ersteigen  von  Höhen  (in  Peru), 

Die  Rei.senden  spuckten  beim  Ersteigen  eines  Hügels  auf  einen 
Stein  (Tocanca),  um  keinen  Durst  zu  fühlen,  und  legten  dem  Stein- 
haufen (Apachitas^))  einen  Stein  zu,  um  im  Tragen  erleichtert  zu 
werden  (heisst  es  bei  V^illagomez).  Vor  aufrechten  Steinen  (Ttoccanca) 
auf  einem  Hügel,  spuckten  Rei.sende  aus,  damit  es  ihnen  nicht  an 
Wasser  fehle  (sagt  Blas  d'Acosta).  In  Sonora  legen  Reisende  Steine 
auf  Haufen  am  Wege,  um  nicht  zu  ermüden  (s.  Pfefferkorn). 

Die  Tapuyer  (am  Rio  Grande  bei  Siara  und  Maragnana)  orakel- 
ten mit  heiligen  Steinen  (Cehuterah),  die  sich  (neben  den  Früchten 
Titscheyouh)  in  der  Geheimkiste  des  Fürsten  fanden  (s.  Barlaeus). 
Wie  bei  Xauxa  fanden  sich  Huacanquicoycoylla  (als  redende  Steine) 
auf  dem  Wege  nach  Pachacamac  (Santa  Cruz). 

An  den  Plätzen,  wo  sie  entstanden,  verehrten  die  Indianer  die 
dort  zuerst  Geborenen,  die  in  Steine^)  verwandelt  waren,  sonst  auch 
in  P'alken,  Condore,  oder  andere  Vögel  und  Thiere  (s.  Molina). 
Pacari-tampu  war  der  Ursprung  der  Pacariscas  oder  Pacarimusca 
(nach  Salcamayhua).  als  der  edelsten.  Manco-Capac  Hess  zwischen 
den  drei  F'enstern^)  in  der  Mauer  seines  Geburtsplatzes  zwei  Bäume 


^)  Garcilasso  erklärt  ,,apachecta"  (apachitas  oder  ^achetas)  als  den  Dativ  (apachccpa 
im  Gcnit.)  des  Part.  Pres,  apachec  im  Nom.  (von  apanl,  ich  trage,  und  apacbini,  icli 
lasse  tragen).  The  phrase  used  by  the  Indians  was  ,,apachecta  muchani",  I  give  thanks, 
that  this  has  been  carricd  (s.  Markham). 

')  Im  auf  der  Reuse  Glück  zu  erlangen  wurden  (in  Canada)  Tabaksopfer  dem  Stein- 
fels Tsanhohi  Arasta  gebracht,  der  früher  ein  Mensch  gewesen  (s.  Dapper). 

')  Aus  der  Höhle  von  Paucartambo  (donde  estd  labrada  antiquisimamente  una  ven- 
lana  de  canteria  arrimada  ä  un  cerro,  que  fue  antiguo  adoratorio)  gingen  sieben  Menschen 
hervor.  Von  den  Thälern  Yncar  und  Xaquixaguana  aus  besiegten  die  Inca  Cuzco's  (nach 
Eroberung  von  Andaguaylas)  die  Changas  unter  Usovilca.  Nach  Göhring  los  Pucapacuris 
(oder  Tuyuniris)  fueron  descendientes  de  los  Indios  que  bajo  el  mando  del  inca  Manco- 
I  f  uallo  se  retiraron  del  Cuzco  a  la  Montaüa  (en  los  märgenes  de  Tono,  Piftipiüi  y  Pilco- 
pata  ö  Madre  de  Dios,  hasta  mas  al  Norte  de  la  isla  de  la  Muerte).  Die  Menschen 
sind  aus  der  Erde  gewachsen  (nach  den  Grönländern)  und  die  Sterne  aus  aufgestiegenen 
Menschen*  (wegen  irgend  welcher  Abenteuer)  entstanden  (roth  oder  weiss  glänzend  nach 
der  Speise).  Beim  Reisen  lässt  der  Grönländer  die  Seele  der  Sicherheit  wegen  zu  Hause 
(im  Heimweh).  Die  Grönländer  unterscheiden  den  Schatten  und  Athem  des  Menschen  in 
doppelten  Seelen  (wie  im  Traum).  Die  Angekoks  können  eine  beschädigte  Seele  aus- 
bessern,  eine  verlorne  zurückbringen  und  eine  kranke  mit  einer  frisclien ,  gesunden  Seele 


470  RELIGION  UND  SITTE. 

bilden,  als  Embleme  seiner  Eltern  (Apu-Tampu  und  Apacha-mama- 
achi)  mit, Wurzeln  von  Silber  und  Gold  und  goldenen  Früchten  (die 
Nachkommenschaft  bezeichnend. 

Die  (in  Cuzco  als  Chancas  bezeichneten)  Corropasques  oder  Hua- 
cimayoc  (maitre  de  la  maison)  bestanden  (aus  Penaten)  in  Steinen, 
die  durch  besondere  Form  die  Aufmerksamkeit  erregten  (Oliva).  Ueber 
die  gefundenen  Conopas,  die  sich  vererbten,  würfelten  die  Priester 
mit  kleinen  Steinen,  um  ihren  Werth  zu  prüfen  (in  Peru). 

Jeder  kleine  Stein  oder  Holzstück  von  besonderer  Form  wurde  (wie 
gesagt  wird)  von  den  Peruanern  als  Conopa  oder  Chanca  verehrt  und 
mit  seinem  Eigenthümer  begraben.  Zuweilen  waren  sie  von  Metall  in 
menschlicher  Form  gebildet.  Die  geachtetsten  Conopas  waren  die 
Bezoar-Steine  (Quicu)  und  kleine  Quarzkristalle  (Quispi  oder  Llaca). 
Die  Indianer  betitelten  solche  von  bemerkenswerthen  Ereignissen 
ihres  Lebens  her.  So  war  Korn  (Zara)  der  Ursprung  verschiedener 
Zarapa  conopas.  In  der  Gestalt  von  Kornähren  geschnittene  Steine 
hiessen  Zaramama,  als  bekleidete  Puppen.  Nach  der  Quinua  und 
der  Coca  wurden  die  Quinuamamas  und  Cocamamas  gebildet,  andere 
von  Llamas,  Huanacas,  Vicufias.  Aus  dem  Siege  der  Inca  über  die 
Changas  erlangten  sich  die,  Purunrunas  genannten,  Guancas  (Huacas). 
Als  Pachacuti  Ynga  und  Opangy  seinem  durch  die  Changas  geschla- 
genen Vater  aus  der  Pucara  (Festung)  die  Canas  und  Canches  zu- 
führte, hörte  er  von  seiner  Mutter  in  der  vorwiegenden  Verehrung 
der  Sonne  in  Cuzco  die  Ursache  der  Niederlage,  und  wurde  auf 
sein  Hinwenden  zum  Schöpfergott  durch  himmlische  Heerschaarcn 
unterstützt. 

Jede  Familie  Perus  verehrte  auf  dem  Acker  einen  Stein  als 
Huanca,  Chichi  oder  Chacrayoc  (Herr  des  Feldes)  und  die  Compa 
oder  Larca-huillana  in  den  Bewässerungscanälen  (Arriaga).  Neben 
den  Steinen  zum  Schutz  der  Chacras,  stellten  die  Peruaner  gegen 
Diebe  Schildkrötenschaalen  auf  Alguanacaure  war  in  Stein  verwan- 
delt (in  Peru). 

von  einem  Hasen,  Rennthier,  Vogel  oder  jungen  Kinde  verwechseln  (Cranz).  Die  Grön- 
länder (besonders  die  Wittwen)  erkennen  abgeschiedene  Seelen  in  Wiedergebornen.  Die 
Seelen  sind  bleich  und  weiss  (nach  den  Angekok),  nicht  fassbar.  Felslöcher  führen  zum 
Sommeraufenthalt  Tomgasuck's.  Auf  dem  Wege  rutscht  die  Seele  einen  rauhen  Felsen 
(blutig)  hinab  und  würde  (wenn  in  Winterstünnen  zu  Schaden  kommend)  den  andern 
,Tod  sterben ,  wo  nichts  übrig  bleibt ,  weshalb  die  Hinterbliebenen  fünf  Tage  lang  keine 
geräuschvolle  Arbeit  verrichten  dürfen.  Die  Seelen  der  Faulen  steigen  durch  den  Mond 
auf  zu  dem  Teich  über  dem  Regenbogen  (um  im  Nordlicht  Ball  zu  spielen),  von  Erioer- 
sortok  aufgelauert.  Tomgarsuk's  (böse)  Mutter  wohnt  unter  dem  Meere  >  (die  Secthicre 
zurückhaltend),  von  einem  Hunde  bewacht. 


WAHRSAGER.  471 

Unter  den  Umu  (Laicca  oder  Chacha)  oder  (Auquilla)  Auqui 
(Vater  der  Alten)  benannten  Priestern  (Yanapac  oder  Helfer)  sprach 
der  Huacapcilca  oder  Huacapvillac  mit  (oder  aus)  dem  Huaca,  der 
Malguipvilca  mit  dem  Malqui,  der  Libiacpavillac  mit  dem  Blitz,  der 
Punchaupvillac  mit  der  Sonne,  der  Masca  und  Viha  sorgten  für  die 
Stammesgötter  (Huaca  oder  Conopas),  der  Ancachic  oder  Ichuris 
nahm  die  Beichte  ab,  der  Asuac  oder  Accac  bereitete  die  heilige 
Chicha,  der  Moscoc  legte  Träume  aus,  der  Pacharicuc  oder  Pachai- 
catic  (Pachacac)  prophezeite  aus  Spinnen^)  (und  den  Bewegungen 
der  Spinnen-Beine),  der  Hacaricuc  aus  Kaninchen blut,  der  Cuyricac 
aus  Cuyes  ( —  Schweinen),  der  Socyac  durch  Mais  (s.  Arriaga), 
der  Pichiuricuc  aus  Vögelflug,  der  Rapiac  aus  den  Armmuskeln  u.  s.  w. 
Die  Llayca  genannten  Wahrsager,  deren  Oberpriester  von  den  Yauyu 
stammte,  prophezeiten  aus  den  Gestirnen  (s.  Garcillasso),  die  Cal- 
paricu  aus  der  aufgeblasenen  Lunge  der  Opferthiere,  die  Virapiricuc 
aus  dem  verbrannten  F*leisch,  die  Achicoc  aus  Schafdung  (und  Mais), 
die  Yacarcaes  aus  dem  Feuer,  die  Camascas  aus  dem  Donner,  gegen 
den  sie  schützten,  und  so  in  einer  Mannigfaltigkeit,  wie  sie  ähnlich 
Cavazzi  in  Congo  erwähnt.  Die  Camascas  und  Achicamayoc  ent- 
nahmen ihre  Vorhersagungen,  indem  sie  beobachteten,  wie  ihr  mit 
Coca-Saft  gemischter  Speichel  beim  Reiben  zwischen  Zeigefinger 
und  Daumen  abfloss.  Ausserdem  dienten  die  Eingeweide  der  Eulen, 
Eüdechsen  u.  s.  w.  fiir  Prophezeiungen.  In  Huanuco  fand  sich  der 
Hauptsitz  der  Sterndeuter  (s.  Cieza).  Um  gute  oder  schlechte  Absich- 
ten ihrer  Unterthanen  zu  prüfen,  berauschten*)  sich  (wie  Oliva  erzählt) 
die  Häuptlinge  mit  dem  Achuma  genannten  Getränk  und  erwarteten 
die  Visionen.  Auch  die  Blödsinnigen  (Opas)  wurden  (wie  in  moha- 
medanischen  Ländern)  als  Wahrsager  befragt  und  (nach  Ulloa)  trugen 
sie  aus  Metall  oder  Thon  verfertigte  P'iguren  für  Amulette.  In 
Guayana  galten   die  Worte  der  Blödsinnigen  als  Orakel  (s.  Schom- 

*)  Pacharicuc  (Pachacaruc)  o  Pachaauc  adivinO  por  los  pies  de  unas  arafias,  tjuc 
Uaman  Paccha  y  tambien  Oroso,  y  son  muy  grandes  y  peludas  (Villagomez),  so  dass 
sich  hier  die  Schöpfungsaufgabe  Pachacanac's  durch  das  Gewebe  der  Spinnen  (wie  in 
Obcr-Guinca)  erleichtert.  In  Chinchasuyu  wurden  zum  Orakeln  grosse  Spinnen  benutzt, 
,,mctidas  en  unas  ollas  con  cterta  harina  de  que  se  sustentan."  Ausserdem  wurde  aus 
Heerdopfem  orakelt  und  ,,myrar  las  asaduras  de  los  Guys." 

*)  Acostumbraban  los  sacerdotes  que  hablaban  con  los  Iluacas  ö  Mallquis,  ponersc 
en  un  estädo  estatico,  mediante  una  bebida  narcötica,  llamada  Tonca,  fabricada  con  el 
fmto  de  una  especie  de  Estramonio  (Datura  sanguinea)  6  Huacacacha,  csto  es  yerba 
de  Huaca  y  en  este  estado  recibian  sus  inspiraciones  (s.  Rivero).  Bei  den  Caribcn  be- 
fragten die  Boyez  oder  Zauberer  vor  dem  Kriege  tlas  Orakel  bei  Festgelageu  (bei  «leiitn 
die  Germanen  berathsehlagten). 


472  RELIGION   UND   SITTE. 

burgk).  Als  orakelnd  galt  die  haarige  Schlange  Uscaguai  (statt  der 
gefiederten  Mexicos),  die  nach  ihrer  letzten  Erscheinung  (mit  golde- 
nem Glöckchen  am  Schwanz,  als  Symbol  des  Reichthums)  zum 
Himmel  aufgestiegen  war  (gleich  dem  chinesischen  Drachen).  Die 
Priester  waren  weiss  gekleidet  (nach  Gomara).  Bei  der  Caca-huachi 
genannten  Ceremonie  dienten  die  als  Huachi  bezeichneten  Stöcke 
zum  Losen  (wie  bei  den  Tartaren  und  vielfach  sonst).  Im  Tempel 
Pachacamac's  wurden  die  Orakel  Nachts  ertheilt.  Bei  Oliva  wahr- 
sagen die  Soncoyoc  das  günstige  Geschick  Quitos. 

In  Lile  fuhr  der  Dämon  Supay  (Zopa)  in  die  ausgestopften 
Aschenkörper  ein,  um  daraus  zu  reden  (s.  Cieza),  und  (nach  Herrera) 
hatten  seine  Orakel  Credit  von  Lile  (Kali)  bis  durch  Peru,  wo  (wie 
an  andern  Orten)  von  vielfachen  Erscheinungen^)  gesprochen  wird. 

Die  Hapifluftus  Achacalla,  als  Dämone,  wurden  vor  Ankunft 
der  Propheten  vertrieben  (s.  Santa -Cruz).  Thonapa  zerstörte  das 
weibliche  Götzenbild  auf  dem  Hügel  Cacha-pucara.  In  Rimac-yuncas 
erhielt  der  Dämon  Aissa-villca  Verehrung,  neben  Chusqüi-huaca  und 
Puma-huaca.  In  Capacuyo  wurde  der  Huaca  Cana-chuap-yauirca  im 
dunkeln  Raum  angerufen.  Mayta-Capac  zerstörte  die  Götzen  Aysso- 
vilca,  Chinchay-cocha,  den  Huaca  der  Caftaris,  den  Vilcaftota,  Putina, 
Coropuna,  Antapuca,  Choquiracra  und  Chuquipillu. 

Wie  im  classischen  Alterthum  hatten  die  Orakel  P2influss  auf  die 
Staatsactionen,  und  als  die  Priester  aus  den  Eingeweiden  der  Opfer- 
thiere  erkannten,  dass  das  in  Cometen  und  Meteoren  erscheinende  Chilhi 
(böse  Geschick)  sich  gegen  Peru  erklärt  habe,  flüchtete  die  Fürsten- 
Dynastie  aus  der  mit  Zerstörung  durch  die  Barbaren  bedrohten 
Hauptstadt  nach  Tambo-Toco.  Günstiger  für  das  Staatswohl  lauteten 
die  Orakel  der  Soncoyoc.  Die  Priester  Titucussu  hatten  beim  Sonnen- 
opfer prophezeit,  dass  das  Reich  Tavantisuyu  blühend  fortbestehen 
würde,  so  lange  es  sich  unter  einer  Einzel-Herrschaft  befände,  und 
dieser  Spruch  galt  als  das  Orakel  Yupanqui 's  (Huayna's  Vater),  sorg- 
sam aufbewahrt  (in  sibyllinischen  Büchern)  gleich  dem  omineusen  Vira- 
cocha's  von  den  schaumgebornen  Fremden.  Der  Prophet  Chalco 
verkündete  Huayna  Capac  in  Quito  den  bevorstehenden  Untergang 
des  Reiches  (s.  Oliva).  In  dem  von  dem  Propheten  Viracocha  ge- 
führten Thier  glaubte  man  die  Pferde  der  Spanier  wieder  zu  erkennen. 


^)  I^es  sorciers  des  Yaguas  pretendent  ctre  cn  rapport  avec  le  grand  Esprit  (Bayenlu), 
([u'ils  disent  leur  apparaitre  dans  le  plus  profund  des  buis  sous  la  forme  d'iin  vieillard 
(Castelnai). 


ZAUIIERER.  473 

In  besonderem  Ansehen  stand  vor  Allem  das  Orakel  Pachaca- 
niac  als  das  officicUe  der  Inca  seit  der  Eroberung  und  deshalb  in 
aristocratischer  Schätzung,  neben  dem  für  die  Bedürfnisse  des  ge- 
meinen Volkes  beiseit  gesetzten  am  Rimac.  Mit  (einer  in  Delphi  er- 
lernbaren) Doppelzüngigkeit  verkündete  es  in  den  Kriegen  Huascar's 
diesem  den  Sieg,  und  ebenso  Quizquiz,  dem  Feldherrn  Atahualpas, 
da  der  Feind  den  Fluss  Ancoyacu  nicht  überschreiten  werde,  und 
dieser  Spruch,  wie  Santa- Cruz  zufügt,  fand  dann  ein  gleichlautendes 
Echo  in  allen  Huacas  des  Landes. 

Doch  war  dies  schlüpfrige  Terrain  der  Götterpfade  auf  Erden  hier 
so  wenig,  wie  sonst,  ein  gefahrloses,  und  als  Atahualpa  in  Caxamarca 
in  die  Gefangenschaft  der  Fremden  gefallen  war,  Hess  er  den  Tempel- 
wächter Pachacamac's,  der  ihm  den  Sieg  gegen  dieselben  versprochen, 
in  Fesseln  legen,  um  wenigstens  jetzt  seine  Schätze  zum  Lösegeld 
herbeizuschaffen.  „Nun  will  ich  sehen,  ob  dir  der,  welchen  du  deinen 
Gott  nennst,  die  Ketten  abstreifen  wird",  habe  er  ihm  zürnend  zu- 
gerufen (in  Xeres  Auffassungsweise).  Als  den  Incas,  die  Land  und 
Volk  zur  Knechtschaft  gezwupgen,  national  feindlich,  prophezeite 
Catequilla,  der  Gott  der  Conchucos,  den  Tod  Topa  Inca's  (s.  Arri- 
aga),  musste  indess  seine  spätere  Kühnheit  für  Huascar  zu  prophe- 
zeien mit  der  Zerstörung  büssen,  welche  Atahualpa  über  den  Tempel 
von  Porcon  aussprach.  Der  Kopf  der  zerbrochenen  Figur  wurde 
jedoch  aufs  Neue  in  dem  Heiligthum  aufgestellt  und  fuhr  fort  Ver- 
ehrung zu  empfangen  bis  zum  Jahre  1550.  Aehnlich  der  Rivalität 
indischer  Mond-  und  Sonnen  -  Dynastien  scheint  sich  auch  hier  der 
Mond  (Quilla)  Cate-Quilla's  in  einen  Gegensatz  zur  Sonne  der  Inca 
zu  stellen. 

Bei  den  Opfern  Kazkovicka  undSapovicka  wurden  mit  dem  Stachel- 
holz Gaulli  (aus  der  Puna)  Vögel  verbrannt,  wie  Malereien  von  Schlan- 
gen und  wilden  Thiercn,  indem  man  (wie  bemerkt)  ausrief:  Usachum 
(gieb  Sieg),  und  halbverhungerten  Lama  (Urku  genannt)  das  Herz 
ausschnitt,  damit  Virakocha  so  das  Herz  der  Feinde  zu  nichte  machen 
möge.  Vor  der  Aussaat  sammelten  die  Priester  durch  Betteln  Opfer- 
gaben, die  neben  die  Wasserleitungen  gelegt  wurden,  damit  sie  reich- 
lich spendeten. 

Wie  in  jedem  geordneten  Staatsleben  wurde  der  anfangs  in  einander 
verschwimmende  Character  der  Priester  und  Zauberer  schärfer  geschie- 
den, und  dann  die  letzteren  als  Canchus  oder  Ripnac-micuc  (Runap- 
micuc)  gesetzlich  verfolgt,  als  schädigende  Hexenmeister  oder  Hexen. 
Nächtlich  umgehend  (und  in  geheimen  Zusammenkünften  verschworen) 


474  RELIGION  UM)   SITTE. 

tödtcten  (in  der  Ebene  und  an  der  Küste)  die  Zauberer  als  Blut- 
sauger (durch  Saugen  am  Nabel  in  den  Antillen),  um  die  Seelen  zu 
essen,  nachdem  die  Hausbewohner  durch  narkotischen  Dampf  (wie 
in  Pegu)  betäubt  waren  (s.  Arriaga),  während  das  Saugen  auch  (wie 
überall  sonst  unter  Naturvölkern)  als  Heiloperation  benutzt  wurde, 
und  dann  hatte  der  Taqui  genannte  Tanz  vorherzugehen.  Die  zu 
Ehren  Ataguju's  (mit  Sagadzabra  und  Vaungrabad)  abgehaltenen 
Tänze  hiessen  Taquimu  (oder  Taqui).  Die  Canchus  oder  Runap-micuc 
(Ripnac-micuc)  genannten  Zauberer  tödteten  durch  Beschwörungen. 
Bei  der  Ceremonie  Caruayquispina  verbrannten  die  Zauberer  Fett 
(Vira),  damit  so  die  Seele  des  Feindes  verzehrt  würde  (Viltagomez). 

Als  Klassen  solcher  Zauberpriester,  die  durch  Topa  -  Inca  mit 
dem  Steinigungstode  bedroht  wurden,  nennt  Balbao  die  Ayatapuc, 
welche  die  Todten  zum  Reden  zwangen,  die  Guacar- machi,  welche 
durch  Beschwörungen  den  Guaca  Aussprüche  entlockten,  die  Ca- 
viacoc,  welche  im  Zustande  der  Trunkenheit  um  Orakel  befragt 
wurden,  die  Hachus  oder  Aillacos  aus  Maiskörnern  und  Thier-Excrc- 
menten,  die  Hechecoc,  aus  Tabak  pnd  Coca  weissagend,  wie  die 
Virapircos  aus  dem  Opferrauch,  die"  Calparicules  aus  den  Eingeweiden 
der  Opferthiere,  dann  die  Huacanqui,  welche  Talismane^)  aus  Kräutern 
und  Federn  verfertigten,  die  Runatinguis,  welche  Liebestränke  bö- 
reiteten  u.  s.  w.  Für  Herstellung  solcher  Liebestränke  (Huacanquis 
oder  Manchucu)  wurden  Menschenhaare  und  Vogelfedern  verwandt. 
Mayta-Capac  verfolgte  die  Zauberer  Canchus,  Umus,  Layccas  und 
Huaca-muchas  (s.  Salcamayhua). 

Von  Sinchi-Roca,  der  unter  Zerstörung  der  Huacas  die  priester- 
liche Herrschaft  beendete  und  die  weltliche  an  die  Stelle  setzte,  wird 
berichtet,  dass  er  die  für  Verfertigung  von  Liebestränken  angegange- 
nen Zauberer  verbrennen  Hess,  und  dass  diese  Strenge  dadurch  her- 
vorgerufen sei,  weil  der  Missbrauch  mit  solchen  Philtern  von  den 
Frauen  so  weit  getrieben  wurde,  um  oftmals  bis  zum  Gattenmordc 
zu  führen.  Um  solchen  Verirrungen  vorzubeugen,  hatten  die  Brah- 
manen  die  Bestimmung  des  Suttee-Opfer's  getroffen,  während  die  Portu- 
giesen in  Goa  vielfach  (wie  erzählt  wird)  darunter  zu  leiden  hatten.  Der 
Zauber  Tincuc  wurde  von  Verliebten  verwandt. 

In  Lampa    trugen   die  Priester  die  Figur  des  Feindes  als  hohle 


*)  The  piripiri  or  charms  (of  the  Peruvian  Indian)  consisted  of  the  Bezoar  -  stone 
(biliary  calculi  of  the  Llama  family),  yairuvies  or  sniall  black  and  red  sceds,  wom  as  prc- 
vcntives,  against  cold  and  coiighs,  loadslunc,  wom  by  cither  sex,  to  attract  lovers  and 
keep  off  evil  spirits  (s.  BoUaert). 


ZWILLINGE.  475 

Knochenfigur,  mit  Wachs  verklebt,  auf  einem  Stock  (s.  Marcos  Otaso). 
Die  Caflas  opferten  im  Tempel  Acocagua. 

Als  ominös  wurde  (wie  fast  durchgehends)  die  Geburt  von  Zwil- 
lingen (Chuchos  oder  Cuti)  betrachtet,  die,  wenn  jung  sterbend,  in 
einem  Topf  unter  dem  Hause  begraben  wurden,  als  Zauberwerk 
und  ebenso  erhielten  die  Chacpas  oder  Fussgeburten  eine  besondere 
Beachtung.  Wenn  sie  fortlebten  und  Kinder  zeugten,  wurden  die 
Söhne  Masco  und  die  Töchter  Chachi  genannt,  (wie  auch  in  Rom 
sich  der  Name  Caesar,  als  des  durch  den  Kaiserschnitt  ausgezogenen, 
übertrug). 

Erhängte  wurden  (nach  Arriaga)  vergöttert  und  angerufen  (wie 
der  drei  Nächte  am  windigen  Baume  hängende  Wodan).  Pest  und 
Krankheiten  wurden  durch  Schmetterlinge  verbreitet  gedacht,  indem 
solche  bei  der  Oeffnung  des  Kastens*)  herausflogen,  den  HuaynaCapac 
durch  einen  schwarzen  Boten  auf  des  Schöpfcr's  Geheiss  empfing. 
In  Carabuco  (am  See  Chicuito)  sollen  die  Spanier  ein  Kreuz  gefun- 
den haben  (nach  de  Torres),  wie  ähnliches  von  Yucatan  (wo  es  als 
Symbol  des  Regens  galt),  Mechoacan  und  sonst  erwähnt  wird.  Im 
Nebel,  um  denselben  zu  zerstreuen,  rattelten  die  Frauen  der  Sierra 
mit  ihren  Brustnadeln,  und  bei  klaren  Tagen,  um  bedeckte  Luft  her- 
beizuführen, wurde  Asche  in  die  Luft  gestreut.  Auf  den  Regenbogen 
durfte  man  nicht  mit  den  Fingern  zeigen  (wie  im  europäischen 
Volksglauben  nicht  nach  den  Sternen),  „entendiendo,  que  se  moriran." 
Der  Häuptling  von  Tumbez  goss  Chicha  in  das  ihm  gezeigte  Ge- 
wehr der  Spanier,  um  den  Donnergott,  der  daraus  redete,  zu  ver- 
söhnen (s.  Herrera).  Quando  salta  alguna  centella  del  fuego,  echan 
maiz  6  chicha  para  aplacar  su  enojo.  Vor  dem  Krieg  reiben  sich 
(in  der  Pampa  del  Sacramento)  die  Indianer  die  Augen  mit  rothem 
Pfeffer,  um  besser  zu  sehen,  und  ebenso  war  eine  Einreibung  mit 
Aji  gebräuchlich,  ehe  die  Brücke  des  Rio  de  la  Baranca  pasirt  wurde, 
um  nicht  von  derselben  herabzufallen.  Um  gegen  das  Ertrinken  ge- 
sichert zu  sein,  wurden  die  Flüsse  in  der  Mayuchulla  genannten 
Ceremonie  verehrt.  Ehe  der  Name  Supay's  ausgesprochen  wurde, 
spie  man  auf  die  Erde  (s.  Garcilasso)  und  nach  Avendaflo  wurden 
die  Steine  Ttoccanca  (auf  Bergeshöhen)  von  Reisenden  durch  Aus- 
spucken verehrt,    damit  weder  Hunger  noch  Durst  gespürt  werden 


*)  Die  Beschwörerinnen  in  Japan  reizen  einen  in  Oic  Erde  eingegrabenen  Hund, 
um  ihm  dann  den  Kopf  abzuschlagen,  und  diesen  in  einem  Kasten  für  Zauberei  zu  be- 
wahren (wie  im  ostindischen  Archipelago  die  Schutzseele  gereizt  wird.) 


476  RELIGION   UND    SITTE. 

möge.  Den  Apachcc  wurde,  um  im  Tragen  zu  helfen,  Gekautes 
geopfert.  In  Cahacay  finden  sich  zwischen  Mumien  Riesen  ver- 
ehrt (auch  bei  Huahalla).  Auf  den  von  den  Peruanern  heilig 
gehaltenen  Schneegipfeln  (Razu)  lagen  die  Wohnungen  der  riesigen 
Urbewohner  oder  Huaris  und  Huari  wurde  als  Gott  der  Stärke 
verehrt  (Arriaga).  Ehe  die  Heiligthümer  der  Huacas  angefasst  wer- 
den durften,  mussten  vorher  die  Hände  ^)  bedeckt  werden. 

Gegen  die  umherschweifenden  Seelen  gefallener  Krieger  (Quinta) 
rief  man  (nach  Avendafio)  die  Steine  der  Berggipfel  (Hirca)  an.  Si 
el  fuego^)  chispea  dicen  que  las  almas  de  sus  antepasados  padecen 
sed  y  hambre,  y  echan  en  ehfuego  maiz  y  chicha,  papas  etc.  (in  Peru). 

Bei  den  Itonamas  wurden  dem  Sterbenden  von  seinen  Ver- 
wandten Mund  und  Nase  zugedrückt,  damit  der  Tod  nicht  heraus- 
komme und  Andere  desselben  Hauses  befalle  (s.  d'Orbigny).  Bei 
dcp  Zaparos  spukt  der  böse  Mungia  in  den  Wäldern.  Die  Guaranis 
fürchten  den  bösen  AAang  (neben  Verehrung  des  guten  Tupa)^). 

Wie  Garcilasso  erwähnt,  meinten  auch  die  Peruaner,  dass  die 
Seeleii  des  Träumenden*)  den  Körper  verlasse,  um  umherzuwandern 
(gleich  der  Leipya  Birma's  und  sonst), 

P'ür  die  nach  dem  Tode  hungrig  und  frierend  herumschweifenden 
Seelen  setzten  die  Peruaner  (nach  Herrera)  Speise  und  Trank  hin, 
die  Körper  als  Mumien  erhaltend. 

Die  Peruaner  bewahrten  Nägel  und  Haare  in  Mauerritzen,  um 
sie  bei  der  Auferstehung  wieder  zu  finden  und  würden  auch  gern 
(nach  Garcilasso)  nur  an  einen  Ort  hingespuckt  haben.  Atahuaipo 
fürchtete  verbrannt  zu  werden,  weil  ihn  dann  sein  Vater,  die  Sonne, 

^)  ,,Wann  sie  anbetten  wolten,  nahmen  sie  ein  Ding  in  die  Il.änd,  welches  wie  ein 
Ilandschuch  sähe  und  hielten  es  empor"  (die  Peruaner). 

')  Als  P'euergolt  oder  Cueealtzin  (llama  de  fuego)  hies  Vxcocauhqui  (Car-amnrilla) 
oder  Xiuhtecutli  der  Alte  Gott  (wie  Agni  der  Vedas)  oder  Viveteutl  (el  dios  anligiio). 

')  ,,Sie  erkennen  ein  Wesen  von  einer  unendlichen  Güte  und  nennen  es  L'kcowma, 
d.  i.  das  grosse  Haupt.  Sie  sehen  es  als  den  Urheber  aller  Güter  an,  die  sie  geniessen; 
sie  reden  mit  Ehrerbietung  von  ihm;  sie  singen  sein  Lob  in  einem  Liede  mit  einem  sehr 
ernsthaften  und  sogar  ziemlich  harmonischen  Tone :  ihre  Meynungen  von  dessen  Wesen 
aber  sind  so  verworren ,  dass  man  nichts  davon  versteht.  Sie  erkennen  auch  noch  ein 
anderes  Wesen ,  welches  sie  Witikka  nennen  und  als  die  Quelle  und  das  Werkzeug  alles 
IJösen  ansehen.  Sie  fürchten  sich  sehr  davor;  man  weiss  aber  nicht,  ob  sie  ihm  einigen 
Dienst  erweisen,  es  zu  besänftigen.  Sie  sind  sehr  abergläubisch,  und  wenn  sie  auf  ihren 
Reisen  ein  Grab  antreffen,  so  halten  sie  es  für  eine  Anzeige  einer  unglücklichen  IJegcben- 
heit.  Um  solche  abzuwenden,  legen  sie  einen  Stein  auf  das  Grab  und  setzen  ihren  Weg 
fort"  (bei  den  N«)dwais  der  Hudsonsbay). 

*)  Der  Kopf  der  Rokuro  Kubi  genannten  Frauen  vcrlässt  im  Traum  den  Körper, 
nur  durch  einen  dünnen  Faden  verbunden  bleibend  (in  Japan). 


OliERPRIESTER.  477 

nicht  wieder  beleben  könne  (s.  H.  Pizarro).  Als  die  Spanier  beim 
Oeffnen  der  Gräber  die  Knochen  durch  einander  warfen,  baten  sie 
die  Indianer  „que  no  lo  hiciesen,  por  que  juntos  estuviesen  al  resus 
citar"  (Gomara). 

Im  orthodox  geordneten  Gottesdienste  standen  die  Priester  unter 
dem  Hohenpriester,  als  Villca-Umu  oder  (nach  Torquemada)  Villa- 
oma, dessen  Name  als  redender  Prophet  (villani  oder  sprechen) 
erklärt  wurde,  und  es  findet  sich  auch  unter  den  Umu  die  Priester- 
klasse der  Huillac-Umu  (Villca-Umu)  unterschieden,  als  mit  Knochen- 
figuren orakelnd,  deren  Oeffnung  durch  Wachs  verschlossen  war.  Der 
Huillca-Umu  jedoch,  als  Hoherpriester  der  Sonne,  stammte  aus  Inca- 
Hlut.  Als  kirchlicher  Aufscher  war  über  die  Tempel  jeder  Provinz 
der  Vilcacamayoc  eingesetzt.  Den  Tempeln  fanden  sich  für  ihren 
Unterhalt  heilige  Heerden  zugewiesen,  die  (gleich  den  Sonnenrindern 
des  Helios)  unverletzlich  waren,  und  für  deren  Verwendung  zum 
Schlachten  es  eines  besonderen  Befehles  des  Königs  bedurfte. 
Pachacac  hiessen  die  Ländereien  der  Huaca. 

Im  Besonderen  diente  unter  den  Priestern  (Yanapac  oder  Helfer) 
der  Intip-huillac  der  Sonne  (als  Punchaupavillac  mit  der  Sonne  redend), 
der  Llipiacpa-huillac  dem  Blitz,  der  Huacap-huillac  den  Huaca  (als 
vergötterten  Heroen),  die  Mallquip-huillac  den  Ahnen,  die  Macsa  oder 
Viha  den  Conopen  (Schutzgötter).  Der  Schöpfergott  wurde  am 
Situa-Fest  von  den  Pilcoyaen  bedient. 

In  Peru  war  ebenso  wenig,  und  noch  weniger,  als  in  Mexico 
(wo  der  Topiltzin  doch  bereits  in  den  Rex  sacrificulus  zurückgetre- 
ten war)  das  Priesterkönigthum^)  zur  völligen  Spaltung  gekommen 
und  die  Verbindung  der  staatlichen  und  clericalen  Gewalt  tritt  in  der 
für  Huayna-Capac  gebrauchten  Bezeichnung  eines  Hohepriesters  des 
Supay  hervor,  obwohl  (nach  Baiboa)  dieses  Hohenpriesterthum  in 
dem  mit  dem  Hofcultus  verknüpften  Zweig  der  Königsfamilie  erblich 
gewesen  zu  sein  scheint,  da  bei  der  Krönung  Huascar's  durch  den  Hohen- 
priester Chalco-Yupangui  dessen  Angehörigkeit  zu  der  Familie  des 
Viracocha-Inga  bemerkt  wird.  Manco-Capac  II.  setzte  seinen  Bruder 
zum  Oberpriester  des  lUatici-Viracocha  ein  (s.  Montesinos).  Durch 
den  vorgeschichtlichen  Viracocha  war  Alco-Vilca  als  Priesterkönig 
in  Cuzco  inthronisirt  worden.  Bei  Santa  Cruz  ward  Apu-Challcu-Yu- 
panqui  als  Hoherpriester  des  Schöpfers  Pachayachachic  bezeichnet. 

*)  The  Tucunas  (on  the  left  bank  of  the  Amazon)  lead  a  settletl  agricultural  life, 
cach  horde  having  a  chief  and  a  medicine-man  or  priest  (s.  Orton)  wie  hei  den  Azteken 
(in  AztlanJ. 


478  RELKilOX  UND   SITTE. 

In  Guamachuco,  wo  der  Oberpriester .  Xulcamango  mit  der  als 
Adler  erscheinenden  Gottheit  communicirte,  waren  es  die  Alcos  ge- 
nannten Priester,  welche  die  Orakel  Zupay's  verkündeten,  und  in 
Xauxa  wurde  Alcos  (als  Hund)^)  verehrt.  Nach  Mufloz  lag  es  dem 
als  Alcos  bezeichneten  Priester  auf,  nach  Abnahme  der  Beichte 
(ochas)  ein  Opferthier  zu  tödten,  um  bei  ungünstigen  Zeichen  die 
Busse  zu  bestimmen.  In  Caxatambo  und  Guailas  wurde  den  Rapiac 
(Aniac  oder  Socyac)  oder  Yanapac  (Pachacac)  genannten  Zauber 
priestern  gebeichtet  (heisst  es  bei  de  Villa-Gomez)  Die  Aucachu  oder 
(in  Cuzco)  Ichuris  nahmen  für  die  Macsa  oder  Viha  die  Beichte  ab.  In 
Collasuyo  hörten  die  Ychuri  oder  Ychuiri  die  Beichte  (Strafe  auf- 
legend). Da  Krankheit  durch  den  Zorn  der  Huaca  oder  Malqui  ver- 
ursacht war,  also  zur  Strafe  für  Vergehen,  blieb  ein  Beichten 
derselben  die  Vorbedingung  zur  Heilung  (s.  Villagomez). 

Beim  Sonnenopfer*)  wurde  das  heilige  Coca-Kraut  von  demHuillca- 
Umu  gekaut  und  neben  den  Sonnenpriestern  erwähnt  Molina  der 
Tarpuntaes  genannten  Priester,  deren  Pflicht  es  war,  die  Huacas  mit 
Speisegaben  zu  versehen.  In  Tarma  mussten  Priester  ein  Jahr  lang 
zum  Besten  der  Gemeinde  fasten  (s.  Cieza).  Die  Tarpuntaes  genann- 
ten Priester  speisten  die  Huacas  (auch  der  Sonne  dienend).  Die 
Camay oc^)  genannten  Beamten  verwalteten  die  Opfergaben  der  dioses 
y  Gucal  (in  Peru).  Die  Idolos  Ygnacas  besassen  ein  von  Beamten  (que 
se  llamaban  Camayos)  verwaltetes  Besitzthum  (in  Peru).  Neben  dem 
Sonnentempel  auf  den  Inseln  des  See's  von  Callao  wurde  einem 
grossen  Fels  geopfert,  „che  la  chiamano  Thichicasa"  (s.  Ramusio). 
Mit  Camayo  (das  Verborgene  oder  Dunkle)  wurde  die  Schatzkammer 
bezeichnet  (s.  Oviedo),  wie  ähnlich  in  Africa  (und  sonst)  sich  der  Be- 
griff des  Thesaurus  mit  dem  Magischen  verbindet  (nicht  nur  in  den 
Geheimbünden). 

Als  eine  besondere  Klasse  wird  die  der  an  der  Holzstatue  Pa- 
chacamac's  dienenden  Priester  (Cushipata)  erwähnt,  die  strengen  Fastun- 
gen ergeben  waren,  und  der  heiligste  unter  ihnen,  der  die  Opfer  zu 
versehen  hatte,  erhielt  dann  wieder  den  Titel  Villac-Umu  (s.  Velasco). 
In  weisse   Kleider   gekleidet   hatten   die  Priester  Fasten  (unter  Ent- 


*)  Cantico  (wolfköpfig)  wurde  in  einen  Hund  verwandelt  (in  Mexico).  Im  Wolf  er- 
kennen die  Kolosches  eine,  Jeshl  im  Alter  übertreffende,  Gottheit. 

')  Beim  Sonnenopfer  wurde  ein  Schaf  (Lama)  in  dem  Vibbakaronka  genannten  Feuer 
mit  Koka  verbrannt. 

')  ,,Camayoc"  con  nombres  de  oficios,  cargos  ö  ocupaciones,  dice  habiles  6  indu* 
striosos  en  ello,  y  significa  el  que  tiene  aquel  oficio  6  cargo  6  ocupacion  (liolguin). 


HEILIGKEIT.  479 

Haltung  von  Salz  und  Aji)  zu  üben,  sowie  Nachtwachen,  und  geissei- 
ten  sich  mit  Nesseln.  Das  gereihte  Brod^)  (von  den  Sonnenjungfrauen 
bereitet)  wurde  mit  dem  Wein  des  Landes  am  Raymi-Fest  gegessen. 
„In  Peni  muss  alles  Volk  zwen  Tag  lang  fasten,  auff  das  Fest  Ytu, 
das  dann  gross  war,  und  dorffte  zu  der  Zeit  Niemand  sein  Weib  be- 
rühren, essen  auch  nichts,  so  mit  Saltz  oder  Axi  gekocht  worden, 
und  truncken  kein  Chicao"  (nach  Lintschotten). 

Der  Candidat  für  die  Priesterweihe  muss  ein  Jahr  (ohne  Salz 
und  Aji)  fasten  und  ohne  seinen  Körper  mit  den  Händen  zu  berüh- 
ren (so  dass  er  Lausestöcke  zu  benutzen  hatte). 

Nach  Gomara  waren  die  peruanischen  Priester,  aus  den  Herzen 
der  Opfer  weissagend^),  weissgekleidet,  und  durften  die  Idole,  mit 
welchen  sie  in  einer  dem  Volke  unverständlichen  Sprache  redeten, 
nur   mit   weissen  Tüchern    über  den  Händen   berührt  werden. 

Die  unter  dem  Apu-panaca  genannten  Beamten^) stehenden  Sonnen- 
jungfrauen zerfielen  in  die  von  Mamaconas  beaufsichtigten  Abtheilungen 
der  Guayruro,  Yurac-Aclla  und  Paco-Aclla  (in  den  Aclla-huasi). 
Manco  Capac  war  von  Cuya  Mama  Oele  Huaco  begleitet  (in  Peru). 
Mit  Mama  Seflora  wird  (in  Cuba)  die  Grossmutter  angeredet 
(s.  Pichardo). 

Der  heilige  Boden  des  Tempelgrundes  durfte  erst  nach  Ablegung 
der  Schuhe  betreten  werden  (s.  Xeres),  und  von  manchen  Theilen 
desselben  waren  die  Profanen  ganz  ausgeschlossen,  wie  die  Collas 
überhaupt,  als  unrein,  von  ihrem  Tempel  in  Copacabana,  für  dessen 
Dienst  die  Incas  eigene  Colonisten,  besonders  Aymaraes,  dorthin  ge- 
führt hatten  (s.  Ramos). 

In  der  Form  der  Verehrung  wiederholt  sich  eine  Annäherung 
an  die  Poppysma*)  (wie  ähnlich  bei   den  Tupi'*)),  und,    wie  Zarate 

*)  La  communion  se  fasait  sous  deux  esp^ces,  c'est-ä-4ire  avec  la  tancla  ou  cancn, 
qui  ^tait  le  pain,  et  avec  l'aca  ou  ashua,  qui  ^tait  le  vin  consacre  au  soleil,  dans  les  plus 
grands  f^tCb,  bemerkt  Velasco  aus  Peru  (s.  Ternaux-Compans). 

')  Ilabent  suos  sortilegos  seu  sacrificulos ,  quos  vocant  Paie  et  Paj,  hos  consulunt 
<le  futuris  (diis  Tapuyer).  Magos  vocant  Page,  at  Caraiba  est  illis  potestas  miracula  pcr- 
petrandi,  quare  Lusitanos,  quia  multa  faciebant  quae  ipsorum  captum  superabant,  Caraibns 
appellabant  (s.  Marcgrav). 

•)  Die  von  den  Müttern  den  mexicanischen  Tempeln  geweihten  Mädchen  standen 
unter  der  Aufsicht  des  Tequacuilli  (s.  Sahagun). 

*)  El  modo  de  hacer  su  oracion  a  sus  dioses,  era  abrir  las  manos,  y  hazer  cierto 
<^nido  con  los  labios ,  pidiendo  lo  que  cada  uno  queria,  ofreciendo  sacrificio  (Ilerrera)  in 
Peru.  El  modo  de  hacer  oracion  al  Viracocha,  al  Sol  y  a  las  estrellas  (y  a  las  tlemas 
Guacas)  era  uno  mesmo,  qu(/  es  abrir  las  manos  y  hacer  cierto  sonido  con  los  labios 
(como  quien  besä)   y  pedir  lo  que  cada  uno   queria  y  ofrecerle   sacrificio  (J.  de  Acosta). 

*)  Tupa  se  compone  de  la  particnla  admirativa  ,,tu"  y  de  la  interrogacion  ,,pa:  ha!" 


480  KELKUOX   UNI)   SITTE. 

bemerkt,  verbanden  sich  die  Priester,  bei  der  Annäherung  an  den 
Sitz  der  Gottheit  die  Augen^)  oder  rissen  sie  sich  selbst  aus,  so  dass 
darin  die  ausgedrückten  Augen  auf  den  Sculpturen  von  St.  Lucia 
Cotzamalguapan  Erklärung  finden  könnte.  Ebenso  sagt  Gomara,  dass 
sich  die  peruanischen  Priester  mitunter  die  Augen  ausgedrückt  hätten, 
algunos  se  quiebran  los  ojos  para  semejante  habla  (de  miedo,  por- 
que  todos  ellos  se  atapan  los  ojos  quando  hablan  con  el).  Im 
Tempel  gab  der  Teufel  den  Priestern  Antwort,  welche  dem  Götzen- 
bilde des  Pachakama  den  Rücken  zukehrten  und  mit  gebogenem 
Haupte  nach  der  P>de  zu  allerhand  schändliche  Possen  verübten" 
(Dapper).  Der  Huaca  Xampai  wurde  von  einer  Pricsterin  befragt 
und  (nach  Arriaga)  musste  der  Dienst  mit  verschlossenen  Augen 
versehen  werden,  da  die  göttliche  Wesenheit^)  nicht  sichtbar  sei. 


quien  eres?  als  Name  des  guten  Gottes  bei  den  (>uarnnis,  während  der  böse  Aüang  der 
Vcrftdger  der  Seelen  (ang)  genannt  wurde  (s.  Angelis).  Vasconcellos  erklärt  Toba  (im 
Tupi)  als  Antlitz,  das  auch  bei  dem  Könige  der  Chibchas  (der  nicht  angeblickt  werden 
ilurfte)  eine  göttliche  Heiligkeit  bewahrte. 

*)  Bei  dem  Versöhnungsfest  der  Cahroc  (in  Nord-Californien)  wird  die  Hauptperson  (ak 
Chareya)  aus  dem  Walde,  wohin  sie  sich  zurückgezogen,  durch  einen  an  den  Augen  verbun- 
denen Begleiter  zurückgeführt  (da  ihn  Niemand  erblicken  darf).  Bei  den  Shoshones  sab 
man  viele  Kinäugige  (s.  Lawson)  und  so  Cabeza  de  Vaca  auf  seiner  Reise  (bei  einem  Stamm). 

'■*)  Die  Osagen  (Ottoes,  Omahas)  nannten  Gott:  Wacondah ;  die  Nottaways:  Quaker- 
lunUe;  die  Winnebagoes:  Mahahnah;  die  Vaneton:  Wacatunca;  dann  Aghatt  (bei  den 
Kskimaux);  Nakchtultane  (bei  Kinai);  Kitchf-Mänitu  (bei  Algonkin);  Kijoulk  (bei  Mic- 
mac);  Pautaumomwoth  (bei  Mohicanern);  Lawaneeu  oder  Lawancea  (bei  Mohawk); 
Manhopa  (bei  Minnetaris);  Ehopweh  (bei  C'atawbas);  Oonalahnunghe  (bei  Cherokesen); 
Hihsagita  oder  Himise  (bei  Mushkoghee);  Aleksandiste  tza  (bei  Natches);  Thouwahot 
(l)ei  Pawnces);  Nioh  oder  (Octon)  Otcon  (bei  Onandagoes) ;  Awaneeu  (bei  Senecas); 
Neeyooh  (bei  Oneida^) ;  Vacwuh  nee  yoh  (bei  Tuscaroras) ;  Ogha  (Oki)  und  Otkin  war 
allgemeiner  Name  der  Gottheit  (als  Schüttler  oder  Erschütterer)  bei  den  Irokesen  (das 
Obere  im  Himmel,  als  Garonhia)  Die  Häuptlinge  am  (iabun  hiessen  Oga.  Gott  findet 
sich  als:  Manitu  bei  Algomjuin;  Wakan  bei  Dacota  (der  Unbegreifliche);  Esaugetuh 
Emissee  (Herr  des  Athem's)  bei  Creek;  Onawleh  l  nggi  (Aeltester  der  Winde)  bei 
Cherokces;  Huhtoli  (Sturm)  bei  C^hoctaw.  Die  Chippeways  und  Ottowas  nannten  den 
Teufel:  Matche  manito  und  auch  die  Algonqum:  Matche  manitu;  die  Micmac:  Manecton 
Mohawks:  ( )noosoolohnoo ;  die  Cherokees:  Askino;  die  Nottoways:  Otkum;  die 
Mohicaner:  Utandau.  Multos  deos  credunt,  (juos  Montöac  appellant  (in  Virginien)  mit 
Idolen  oder  Kewas  (Kewasowock  im  Plur.)  in  Tempeln  oder  Machicömuck,  wo  bestän- 
«liges  F'euer  im  Popogusso  unterhalten  wurde  (1590).  Michabo  (Xanibojou)  oder  Mani- 
bozho,  als  Culturheros  der  Algonkin,  entsprach  dem  Josheka  der  Irokesen  (Wasi  der 
Cherokees)  und  Tamoi  der  Cariben.  Als  von  den  durch  eine  Jungfrau  (Tochter  des 
Mondes  oder  der  Ataensic)  gebornen  Zwilinge  (bei  den  Irokesen)  Josheka  seinen  Brutler 
Tawiscara  verwundet,  Hess  er  sich  weit  im  Osten  nieder,  von  woher  die  Sonne  kommt 
(s.  Brebeuf).  Manibozho  oder  Michabu  (Messu)  war  Nationalheros  der  Algonquin.  On 
suppose  que  ce  qu'ils  nomment  le  Manitou  Messie,  a  quelque  rapport  ä  ce  qu'ils  ont  oui 
conter  du  Messie,  et  (jue  tout  leur  Christianisme  se  borne  lä  (Pauw).  Der  grosse  Geist 
((ieber  des  Lebens)  Hess  am  Pfeifensteinbruch  (coteau  des  prairies)  seine  Funsabdrücke  in 


BEICHTE.  481 

Die  nach  Copacabana  gelangenden  Pilger  hatten  bei  Betreten 
der  heiligen  Insel  Titicaca  vorher  am  Feste  durch  drei  Thore  zu 
gehen,  Pumapunco  (das  Thor  des  Puma),  Kentipunco  (das  Thor 
des  Vogels),  Pillcopunco  (das  Thor  der  Hoffnung),  von  Priestern 
empfangen  (s.  Ramos). 

Vor  den  Hauptfesten  wurde  gebeichtet,  indem  der  Büssende, 
nachdem  er  die  vom  Priester  auf  einen  Stein  gestreute  Opferasche 
in  die  Luft  geblasen  hatte,  den  Parca  genannten  Stein  empfing,  und 
nach  Waschung  in  einem  Tincu  (der  Vereinigung  zweier  Bäche)  bei 
deren  Priester  eine  Beichte  ablegte,  indem  er  demselben  eine  aus 
rothem  L^hm  geknetete  Kugel  übergab,  mit  einem  Cactus-Dom  darin. 
Nach    Beendigung   der    Beichte    durchstiess    der  Priester  die  Kugel, 

Vogclgcstalt    zurück.     Die    Erde    wurde    (nach    den    Chippewäh)    vom   Riesenvogel    ge- 
schaffen, dessen  Flügel  das  Meer  berührte,  mit  den  Augen  als  Feuer,  Blicken  als  Blitz, 
Flügelschlag  als  Donner  (mit  der  Schlange,  als  bösem  Gegensatz).    An   der  Hudson-Bay 
wurde    der   aufgehenden  Sonne  entgegengeraucht.     Nach  den  Winebago  schuf  der  grosse 
Oeist  die  Winde  (als  zwei  Männer)   und   (als  Frau)  die  Erde ,    die  auf  dem  Rücken  von 
zwei   Landthieren,    vier   Schlangen   und   dann  auf  einem  Büffel  befestigt  wurde,    um  auf 
ihm  aus  dem  eigenen   Leib  Menschen   zu  bilden.     Menabozhe  oder  Nanabuju  (Neffe  des 
Menschengeschlechts)   vertilgt  die  wilden  Thiere,    als  Mittler  des  grossen  Geistes.     Zwei 
Tauben    fliegen    (bei    den  Muscogee)    über  das  Wasser,   bis  einen  Strohhalm  erspähend. 
Heno,   Gott  des  Regens;    Galoh,    Gott  des  Windes  (bei  Irokesen);    Pauguk,   Gott  des 
Todes  (bei  Odjibway)   als   Gerippe;    Weeng,    Gott  des  Schlafes    (mit  Keulen  tragenden 
Gnomen);    Mudjekewis,  Gott  des  Südwmdes.     Die  Gottheit  Takuxhkanshkan  wohnt  (bei 
den  DacGtah)  im  heiligen  Speer  und  Tomahawk  (Donnerkeilen  und  Winden),    in    den  in 
der  Schlacht    Fallenden    erfreut.     Die   Riesen    Heyokah    und  Haokah   helfen  Verliebten. 
Die  Onktesi-Götter  (als  Riesenochsen)  haben  den  Medicin-Tanz  eingeführt.    Oki  (Obern), 
als  Götter  der  Powhatan  (in  Virginien);    Nipoon-Oki,  Sommergeist;  Pipoon-Oki,  Winter- 
geist.    Die    untern  Götter    heissen    (bei  den  Nottoway)    quaker  (qui-oki).     Die  Irokesen 
beteten    zum   Himmel    oder  garonhia   (gar  oder  oben).     Neo  (Grosser  Geist)   wohnt  im 
obem  Raum;    Atahocan  ist  Herr  des  Himmels;    Tarenywagon  (Michabu  oder  der  grosse 
Hase)  bt   der  Hüter  des  Himmels;    Agreskoe  ist  Gott  des  Krieges.    Als  Atahensic  (Frau 
des    Himmels)    geschaffen    war,    verliebte    sich    in    sie  einer  der  sieben  Urmenschen  und 
durch  Atahocan  herabgeworfen,  fiel  sie  auf  eine  Schildkröte  und  gebar  den  (guten)  Inigorio 
und    (böse)  Anti-Jnigorio.     Von    ihrer   Tochter   (als   die  Schildkröte    sich    zur  Erde  er- 
weitert) wurden  Voskeka  und  Thoitsaron  (durch   seinen  Bruder  getödtet)    geboren,    und 
Atahentsic  (der  Mond)  trat  die  Regierung  an  Yoskeka  (die  Sonne)  ab  (nach  den  Irokesen). 
In  Florida   wurde   der  böse  Geist  (Toia)   mehr   als  der  gute  (der  sich  nicht  viel  um  die 
Menschen  kümmere)  verehrt.    Die  Einwohner  der  Canarien  nennen  ihn   Codro  Aigny ;  die 
Brasilianer  Aignan  und  Raagerre  (den  Teufel).     Die  Mayas  hatten   eine  grosse  Zahl  von 
Ku  (Götter),  richteten  ihre  Gebete  aber  oft  an  den  einen  Kue  im  Vocativ  (s.  Cogolludo). 
Bei  den  Azteken  heisst  Gott:  teotl;   bei  den  Quichua:  huaca;   bei  den  Sioux:  ogha;  bei 
den  Esquimaux:    aghatt  (o  Gott);    bei    den    Otomi:   okha    (ukko);    bei    den  Powhatan: 
oki  (der  obere).    Oghee-ma  ist  ein  Häuptling  im  Algonquin.    Huraka  in  lingua  di  questa 
isola  uuole  dire  propriamente  fortuna  tempestuosa  molto  eccessiva,  per  che  en  effetto  non 
e   altro   que  un  grandissime  vento  e  pioggia  insieme  (Ovicdo)  auf  Hisponiola.     Bei  den 
Quich^s  bezeichnet  Hurakan  Gott.  Der  ungesehene  Geist  (als  geistig)  kümmerte  sich  nicht 
um    die    Dinge   iinten    auf  Erden    (nach  Joutel)    1664.     Machee    Monedo,    böser   Geist 
Baitiaua:  America.  I.  31 


482  RELIGION  UND  SITTE. 

und  wenn  sie  in  zwei  (statt  in  drei)  Stücke  auseinanderfiel,  waf  die 
Beichte  unvollständig  gewesen  und  musste  neu  begonnen  werden. 
Als  letzte  Entscheidung  musste  eine  Handvoll  Mais  in  ein  Gefass 
gelegt  werden,  und  durch  die  gerade  Zahl  beweisen,  dass  Alles 
gestanden  war.  Es  wurden  dann  neue  Kleider  angezogen,  um  die 
Sünde  in  den  alten  zu  lassen  (s.  Rivero). 

Der  Name  Mocha  für  die,  neben  den  die  Beichte^)  (Ocha) 
abnehmenden  Alcos  erwähnten,  Priester  wird  auf  mochar  (anbeten) 
zurückgeführt,  und  in  Upar  fanden  sich  (statt  der  Piaches  von 
Cumana)    die    Mohanes^)    genannten   Zauberpriester    (bei    Herrera), 


(Monedo  oder  Geist);  Gichee  Monedo,  grosser  Geist  (Gott);  Mectay  weewin,  Ceremonie 
(der  Grossen  Medicin);  Ozheewaywin,  Einweihung;  Maakudayweekon  ya,  der  Priester 
(der  Mann  in  Schwäre);  Jossakeed,  Beschwörer;  Ojeechangomau ,  Seele  (Schatten); 
Jeebyug  aindahnakee-ewand,  Geisterland;  Inine,  Mensch JMann),  equa,  Frau;  Ogeeman, 
Häuptling ;  Ingoda ,  Stamm  (totem  ,  Clan) ;  Geezhig ,  Himmel ;  Geezin ,  Sonne ;  Tibic 
geezis ,  Nachtsonne  (Mond) ;  Geczis  neebo ,  Ecclipse  (todter  Mond) ;  Jeebyug  neemeid 
dewaud,  Aurora  borealis  (Geistertanz);  Jeeby  emickunnah,  Milchstrasse  (Geisterpfad); 
Nagwaugunayaub,  Regenbogen  (Schlingenstrick) ;  Anung,  Stein,  im  Algonkin  der  Ojibway 
(Mc.  Kenncy).  Die  Benennung  der  Gottheit  ist  bei  den  Musquake  (Foxes),  den  Saukis, 
Kickapus,  Ojibuas  und  Krihs  (Völkern  der  Algonkin  oder  Algischen  Sprach<e),  Manito, 
bei  den  sieben  Völkern  des  Dacota  •  Stammes  Wakonda  oder  Wakanda  (Neuwied).  The 
most  prominent  characteristic  of  the  Dakota  deities,  is  that  which  they  express  by  the 
Word  Wakan.  This  word  signifies,  generally,  any  thing  whieh  a  Dakota  cannot  com- 
prehend.  Whatever  is  wonderfui,  mysterious,  superhuman  o  supematural  is  wakan.  The 
generic  name  for  gods  is  Tahuwakan  (that  which  is  wakan).  The  Dakota  thcrefore  sees 
a  god  in  every  thing  (Pond).  The  Dakotas  denote  the  thunder;  the  voice  of  the  Wakingan. 
The  nature  of  the  Heyoka  (god  of  the  Dacotahs)  is  the  opposite  of  nature.  Tuk  ux  kanx 
kan  (that ,  which  stirs) ,  an  invisible  and  ubiquitous  god  of  the  Dacotahs ,  resides  in  the 
consecrated  spear  and  Tomahawk,  in  boulders  and  in  the  Four  Winds  (Pond).  Die  Crows 
oder  Absaraka  (in  Mountain-Crows  und  River-Crows  zerfallend)  verehren  E-so-we-wat-se 
als  grossen  Geist  (s.  Dunraven).  In  der  Sprache  der  Krih  oder  Knistenaux  heisst  Gott 
Keseh-mann-toh,  bei  den  Snakes  Herr  des  Lebens  (Tivitsim-pohhacante),  bei  den  Mandan 
Herr  der  Erde  (Ohmahanek-Numakschi),  bei  den  Sauke's  oder  Sake's  (Sacs)  Bakeh 
Manito  (guter  Geist),  bei  den  Objibway:  Kijäh-Manitto;  bei  den  Dacota:  Uakan-tanka 
oder  grosses  (tanka)  Göttliches,  Wakan  (das  Unbegreifliche).  Der  erste  Mensch  heisst 
Sziritsch  (Wolf),  oder  Ihkochu  (bei  den  Arikkaras),  Gott  Pahkatsch.  Unter  den  Manitu 
(Oki)  verehrten  die  Algonkin  das  Göttliche  im  Kitchee- Manitu  oder  grossen  (Kitchee 
oder  Gichy)  Manitu.  The  Indians  (in  Georgia)  had  some  Religion,  believing  aSupreme 
Being,  called  Sotplycate  (he  who  sitteth  Above),  who  is  in  all  places  (Bokius).  Die 
Indianer  Amerika's  verehrten  Loak-Ichto-hoolo-Aba  (the  great,  beneficent,  suprcme  holy 
spirit  of  fire)  über  den  Wolken  (Adair).  Die  Cherokee  verehrten  Hianequo  (den  grossen 
Mann)  als  Gottheit  (de  Brahm).  Bett-sen-nu-unli  (derjenige  durch  den  die  Erde  besteht) 
heisst,  als  Gott  (der  Tinneh)  Titie  (Menschen vater)  oder  Nununtse  (der  Schöpfer). 

')  Antes  las  fiestas  principales  acusaban  sus  pyecados  (los  Peruanos)  a  los  sacerdotes 
(Aucauchic  6  Vchuris)  y  precedentemente  ayunaban.  An  der  Küste  Peru's  wurde  vor 
der  Aussaat  und  vor  dem  Goldgraben  gefastet.  Bei  der  Beichte  jeder  Sünde  zerrissen 
die  Vschusgris  (Vchuris)  zur  Absolution  einen  Strick. 

2)  Die  Peruaner   conservaron  el  nombre  de  Santo  Torn^,    pues   por   eso  ä  nuestros 


WASCHUNGEN.  483 

während  bei  den  Mo^as  (nach  de  Torres)  die  Mojanes  genann- 
ten Greise  orakelten  und  in  der  Pampa  del  Sacramento  die 
Moharis  durch  den  Erd  -  Dämon  (s.  Skinner).  Der  (mit  der  Mo- 
chica- Sprache)  in  Peru  verbreitete  Name  Mocha  bei  Truxillo  so- 
wohl, wie  auch  bei  Arica  (und  am  Chimborazo),  wiederholt  sich 
in  Cinaloas  Mochicauchi.  Die  von  den  Araucanern  vom  Festlande 
vertriebenen  Chilener  (den  Ucaos  verwandt)  flüchteten  sich  nach  der 
Insel  Mocha  bei  Concepcion  (s.  Barlaeus).  In  Tarma,  wie  Cieza 
mittheilt,  wurde  die  Sonne,  als  Mocha  verehrt,  oder  ihre  Verehrung 
so  bezeichnet.  Am  Flusse  Chuquimayu  war  Mocha  Titel  des  Häupt- 
lings (s.  Herrera).  Im  Upar-Thal  werden  die  Zauberärzte  Mahones 
genannt  und  bei  den  Cuicas  (zwischen  Tocujo  und  Truxillo)  redete  der 
Priester  oder  Mohan  (s.  Simon)  mit  den  Dämonen.  Bei  den  Paezes 
(am  Paramo  de  las  Papas)  heissen  die  Zauberer  Mohanes,  „que  son 
ordinariamente  algunos  muy  ancianos,  que  hazen  vida  extraordina- 
riamente  retirada  y  en  parte  escondida,  donde  gustan  de  ser  consul- 
tados"  (Rodriguez).  Bei  den  Indianern  am  Caqueta  wurden  die  Pia- 
chis  mit  einer  Art  abergläubischer  Verehrung  betrachtet  (s.  Codazzi). 
Als  Moanes  hiessen  die  Priester  (Perus)  Paytumes.  Die  Priester  der 
Chibchas  hiessen  Mojas  (nach  Oviedo).  In  Carex  fungirte  der  Mo- 
han, als  Zauberpriester,  zwischen  Calamar  und  Cartagena. 

Zur  Heilung  von  Krankheiten  war  die  Beichte  (Hichoco)  erfor- 
derlich, und  so  in  vielen  Theilen  des  südlichen  sowohl,  wie  des  nörd- 
lichen und  centralen  America  für  leichte  Geburt  oder  sonstige  Reini- 
gungen^). 

Nachdem  der  Inca  dem  Vir^cocha  gebeichtet  hatte,  wusch  er 
sich  in  einem  Strome,  zur  Abwaschung  (Opakuna)*)  der  Sünden, 
damit  diese  fortgespült  würden  (sonst  nahmen  die  Ychuris  die  Beichte 
ab).  Wie  in  den  Badestuben  wuschen  sich  die  Peruaner  (zur  Sünden- 
reinigung) in  der  Confluenz  von  Flüssen  „damit  sie  vielleicht  das 
Bad  der  Wiedergebuhrt   in   der   heyligen  Taufe   den  Christen  nach- 

sacerdotes  Ilamaron  Paytumes  6  padres  Tom^'s,  aunque  a  los  suyos  llamaban  Moanes 
(s,  Mier).  Als  Didymus  wurde  St.  Thomas  (Apostel  de  los  Partes,  und  so  der  Chinesen 
bis  Indien)  mit  Quetzalcohuatl  (Cocolcan  oder  Cozas)  identiAcirt. 

')  Zu  (religiöser)  Reinigung  begannen  die  livaros  den  Tag  mit  einem  Brechmittel 
(s.  Villavicencio),  wie  im  Norden.  ,,Der  Königsche  empfieng  sie  mit  seinen  Trummen, 
als  sie  in  die  Kirche  kamen,  gleich  darauf  stiessen  sie  ein  lang  stecklin  in  Rachen  oder 
Halss,  damit  bewegten  sie  sich  zum  undewen  und  kotzen,  gaben  hiemit  jhrem  Abgott 
öffentlich  zu  verstehen,  dass  sie  gar  nichts  böses  noch  arges  heimlich  in  jhren  Ifertzen 
verborgen  hctten",  erzahlt  Benzoni  aus  Hayti  (s.  de  Bry). 

')  Bei  der  Opakuna  genannten  Flusswaschung  (zur  Fortspülung)  beichtete  <ler  Inca 
der  Sonne,  damit  sie  für  seine  Sünden  von  Viracocha  Vergebung  erbalte  (wie  erklärt  wird). 

31* 


484  RELKIION   UNI)   SITTE. 

äffen  wollten"  (s.  Dapper).  „Wann  der  Peruische  Köni^^  krank  lag, 
mus'ten  alle  Peruer  ihre  begangenen  Sünden  und  Misshandlungen 
beichten".  Bei  ansteckenden  Krankheiten  (in  Guiana)  muss  das  Ober- 
haupt des  Stammes  soviel  Blut  entziehen,  um  den  Kranken  zu  be- 
streichen (s.  Baumann). 

Obwohl  in  den  heissen  Küstengegenden  abgewiesen,  anderswo 
auch  (wie  bei  den  Caftares)  durch  den  (von  den  Botocuden  als  Tarü 
verehrten)  Mond^)  zurückgeschoben,  war  der  Dienst  der  Sonne  in 
Südamerica  ein  weit  verbreiteter,  bei  den  Puelches  (s.  Dobrizhoffer), 
bei  den,  Blut  des  erlegten  Wildes  (wie  die  Assenipoils  den  Tabaks- 
rauch) aufsendenden  Aucaes  (in  Paraguay),  bei  den  Juries  und  Dia- 
guites  (s.  Charlevoix),  bei  den  Chileniern,  als  Anti,  in  Tarma,  als 
Mocha,  bei  den  Tobas  im  Chaco,  bei  den  Chaymas,  bei  den  Poro- 
aucas  oder  Zamora  (unter  einander  siedelnd)  Loxa's  (s.  Herrera) 
u.  s.  w.  No  adoran  idolos  sino  al  sol,  bemerkt  Valverde  von  den 
Peruanern*)  (zur  Zeit  der  Conquista),  wogegen  Guzman  sie  Guayna- 
capa  und  seinen  Sohn  Capac-Inga  verehren  lässt. 

Der  Sonnenursprung  bekleidete  die  Dynastie  mit  einer  Heilig- 
keit (wie  in  Japan)  und  in  Coro  galt  der  Fürst  als  Schöpfer  und 
Herr  der  Welt  (wie  africanische  Potentaten  vielfach).  In  seiner 
Apostasie  hielt  sich  Julian  im  Besonderen  von  dem  König  Sonne 
als  seinem  Vater  beschützt. 

Bei   den    Collas   war   Inti*)   die  Sonne*)   und  Paesa-mama  der 


*)  Nach  Champlain  riefen  die  Indianer  Mexico's  bei  ihren  Festen  den  Mond  an.  In  der 
Sprache  der  Ges-Stärame  bezeichnet  Pütt  die  Sonne  und  den  Mond  (s.  Martius). 

*)  Die  Peruaner  verehrten  ,,al  Viracocha  y  ä  el  Sol  y  Apachacama  y  Aguayna  Cauri 
Sereaguaca  de  los  Yngas  (unter  den  Huacas  Vdolos). 

-  *)   Im  Chilenischen  ist  Antis :  Sonne ,    Cuyen :  Mond  (s.  Molina).     Gott  heisst  Jaun- 
gotcoa  oder  Herr  Mond  (Mond  oder  Goicoa)  bei  den  Basken. 

*)  Auf  dem  Wege  von  Florida  nach  Culiacan  traf  Cabe9a  de  Vaca  einen  Indianer,  der 
den  Schöpfer,  Sonne,  Mond  und  Sterne  verehrte,  und  einen  Eisennagel,  den  er  am  Halse 
trug,  von  Himmelsleuten  erhalten  hatte,  die  auf  dem  Fluss  gekommen,  und  dann  mit 
Lanzen  und  Schwertern  nach  dem  Meere  zurückkehrend,  in  dasselbe  eintraten  und  später 
über  der  Sonne  gesehen  wurden  (Herrera).  Wenn  der  Besitzer  einer  weissen  Bisonhaut 
bei  den  Mandans  dieselbe  dem  Herren  des  Lebens  opfern  will  (indem  er  sie  an  einer 
Stange  mit  einem  Maiskolben  verfaulen  lässt)  geht  er  singend,  in  der  Richtung  des  Sonnen- 
laufs, um  das  Dorf.  Die  Opfer  der  Mandanen  sind  besonders  an  die  Sonne  gerichtet, 
(Mahap  -  Mihnang  -  ga)  den  Herrn  des  Lebens.  Im  Monde  lebt  die  Alte ,  die  nie  stirbt 
(Neuwied).  Vor  einer  weissen  Bisonkuh  herrschte  eine  Art  von  abergläubischer  Furcht. 
Begegnet  ein  Crow  einer  solchen,  so  richtet  er  wohl  folgende  Worte  an  die  Sonne:  ,,Ich 
will  sie  dir  (die  Kuh)  geben."  Er  sucht  das  Thier  dann  zu  tödten,  wenn  es  ihm  mög- 
lich ist,  lässt  sie  aber  unberührt  liegen  und  sagt  femer  zu  der  Sonne:  ,,Nimm  sie  dir, 
sie  gehört  dein"  (Neuwied).     Die  Floridaner  hingen  zur  Verehnmg  der  Sonne  eine  aus- 


TKINITÄT.  485 

Mond,  bei  den  Quechuas  die  Sonne  Punchau  ^)  und  der  Mond  Quilla. 
Die  neben  der  Steingottheit  oder  Alecpong  und  dem  Meer  (Ni)  die 
drei  Sterne  Pata  (im  Gürtel  des  Orion)  verehrenden  Indianer  von 
Pacasmayo  hatten  in  ihrem  Sian  (Haus  des  Mondes)  genannten 
Tempel  den  Mond,  als  höchste  Gottheit  aufgestellt,  denn  er  sei 
mächtiger  als  die  Sonne,  weil  nicht  nur  bei  Nacht,  sondern  auch  bei 
Tage  erscheinend,  die  letztere  aber  nur  an  diesem  (s.  Calancha). 

Die  drei  Götter  Apu-ynti,  Churi-ynti  und  Yntip-huauque  (Vater- 
Sonne,  Sohn-Sonne  und  Bruder-Sonne)  wurden  (nach  Acosta),  Chuqui- 
ylla  (am  Titicaca-See)  genannt  (s.  Calancha). 

Wie  Ynti  der  Sonnengott  der  Collas  (mit  Paesa-mama  oder  Mond), 
Punchau  der  Inca  (Quilla  der  Mond  in  Quechua)  war,  Huanacauri  der 
heiligste  der  Ahnengötter  unter  den  Inca.  In  der  Sprache  der  Ma- 
chigangas  (bei  Paucartambo)  giebt  Göhring  Sonne  als  Quienti  (Mond, 
als  Casiri),  was  sich  als  Auge  oder  noqui  (qui  mit  dem  Präfix  der 
Glieder,  wie  notaguistosh,  Kopf,  nocrimai,  Nase  u.  s.  w.)  des  Tages 
oder  Lichts  erklären  liesse,  wenn  nicht  als  Enti  oder  Inti  mit  dem 
präfigirten  Qui  (wie  in  Quipachi,  die  Erde,  Quiemari,  der  Tapir  u.  s.  w.). 

Die  Götzen  Punchao  -  Inca  (oder  Sonne),  Pachayachachi  (der 
Schöpfer  in  Menschenform)  und  Chuqui  -  yllayllapa  (der  Donnergott 
mit  verborgenem  Gesicht)  wurden  bei  dem  Fest  im  Sonncntempel 
(Curicancha  oder  Goldhaus)  umhergeführt  (s.  Cuzco).  Chao  ist  Vater^) 
im  Chilenischen  (Sohn  im  Indochinesischen). 


gestopfte  Hirschhaut  auf  (s.  Dapper).  The  Cherokees  state,  that  a  nuiiiber  of  beings  were 
engagcd  in  the  creation.  The  Sun  was  made  first.  The  intention  of  the  Creators  was, 
that  men  should  live  always.  But  the  Sun,  when  he  passed  over,  told  them,  that  therc 
was  not  land  enough  and  that  people  had  better  die.  At  lenght  the  daughter  of  the  Sun, 
who  was  with  theni,  was  bitten  by  a  snake  and  died.  The  Sun  on  his  return ,  inquired 
für  her  and  was  told  that  she  was  dead.  He  then  consented,  that  human  beings  might 
live  always  and  told  them  to  take  a  box  and  go  where  the  spirit  of  his  daifghter  was 
and  bring  it  back  to  her  body,  charging  them  that  when  they  got  her  spirit,  they  should 
not  open  the  box,  until  they  had  arrived ,  where  her  body  was.  However  impelled  by 
curiosity  they  opened  it,  contrary  to  the  injunction  of  the  Sun  and  the  spirit  escaped,  and 
then  the  fate  of  all  men  was  decided,  that  they  must  die  (Payne). 

')  Chao,  father,  Pu-chao,  the  fathers. 

')  Las  tres  estatuas  del  Sol  se  Ilamaban  Apointi,  Churijnti  y  Intiquaoqui,  t[ue  quierc 
dezir:  El  padre  y  senor  Sol,  el  hijo  Sol  y  el  hermano  Sol  (Ilerrera)  in  Peru.  Die  drei- 
köpfige Figur  in  Boyaca  wurde  auf  den  Propheten  Soquenzua  zurückgeführt  (bei  den 
Chibchas).  Nach  Betanzos  stand  im  Tempelhof  zu  Cuzco  ein  zuckerhutformiger  Stein- 
pfeiler, den  das  Volk  verehrte,  wie  die  Incas  das  Sonnenbild  im  Innern  (s.  Squier).  Die 
Säulen  in  der  Nähe  des  Aeqiialors,  worauf  die  Sonne  sich  senkrecht  setzen  konnte,  waren 
ihr  die  liebsten. 


486  RELIGION   UND   SITTE. 

Yuganqui  Hess  (nach  Acosta)  die  Goldstatue  IndijUapa  anferti- 
gen, die  Sonne  (Inti)  und  den  Blitz  (yllapa)  darstellend.  Inca  Urcu 
(Sohn  des  Viracocha)  führte  auf  dem  Feldzug  gegen  die  Caviflas 
(in  dem  er  unterlag)  die  Statue  Manco  Capac's  als  siegverheissend  mit 
(s.  Santa-Cruz).  Das,  Machis  genannte ,  Goldbild  Guainakava's  (Huaina- 
Capac's)  wurde  in  Tukaja  bewahrt  (von  wo  Mango,  Atahualpa  s  Bruder, 
es  zu  holen  versprochen).  In  dem  Yuracrumi  genannten  Sonnentempcl 
von  Chuquipalpa  erschien  der  Dämon  auf  dem  weissen  Stein  der 
Quelle  (s.  Brullius).  Pachacuti  Inca  Yupanqui  baute  das  AcUaguaci 
genannte  Kloster  für  die  von  den  Matronen  (Mama-cunas)  gehüteten 
Sonnenjungfrauen  oder  Acllas,  die  durch  den  Vorsteher  (Appopa- 
raca)  auser^v-ählt  wurden  (s.  Garcia).  Dem  Ticci  -  Capac  -  Viracocha- 
Pachacyachachi  wurde  eine  Jungfrau  geweiht.  Die  Inca  tranken^) 
mit  der  Sonne,  indem  sie  ein  Goldgefäss  halb  füllten,  und  das  in 
der  Hitze  verdampfte  Getränk,  als  von  der  Sonne  genossen,  an- 
nahmen (s.  Garcilasso).  Nachdem  der  Inca  der  Sonne  (für  Vira- 
cocha) gebeichtet  hatte,  spühlte  er  sich  im  fliessenden  Wasser  ab. 

Die  Verehrer  rissen  sich  die  Augenbrauen  und  Augenwimpern 
aus,  um  sie  der  Sonne  und  dem  Wind  zu  weihen^).  Beim  Sonnen- 
opfer verstopften  sich  die  Anwesenden  die  Nase.  An  der  Küste 
zwischen  Piura  (Chira)  und  Truxillo  wurde  bei  der  Sonne  und  der 
Erde  geschworen.  Nach  Gomara  berührte  der  Peruaner  beim  Schwur 
die  Erde  und  blickte  dann  zur  Sonne  auf. 

Sonst  wurde  es  für  unehrerbietig  gehalten,  die  Sonne  (wie  in  Bogota 
auch  den  Fürsten)  anzublicken,  und  es  war  der  darauf  bezüglich  von 
dem  Hohenpriester  ausgesprochene  Tadel,  der  am  Raymi-Fest  die 
skeptische  Antwort  Huayna  Capac's  von  der  über  der  Sonne  zu  ver- 
muthenden  Sonne  der  Sonnen  hervorrief,  während  (nach  Herrera) 
schon  Inga  ■  Viracocha  deshalb  besonders  zum  Glauben  an  Ticevira- 
cocha  bekehrt  sei,  weil  ihm  die  allzu  unruhige  Natur  der  Sonne ^) 
mit    der  Würde    eines   hohen  Herrn    nicht  vereinbar  schien.     Auch 


^)  Die  Walirsagerinnen  berauschten  sich  mit  dem  Chica-Traiik,  worin  das  Kraut  Vilka 
gemischt  war. 

')  Die  Inca  opferten  beim  Sonnenfest  einen  schwarzen  Widder  (nach  Garcilasso)  und 
so  der  Toqui  der  Araucaner  bei  der  durch  die,  Con  genannten,  Boten  zusammengerufenen 
Versammlung.  Nach  Gardiner  opfern  die  Araucaner  der  Sonne  als  höchstem  Wesen. 
Whenever  ihey  eat  or  drink  the  three  first  morseis  or  drops  are  consecrated  to  the  sun, 
by  throwing  then  upwards,  bemerkt  Graham  von  den  Araucaniem. 

')  Um  Sonne,  Mond  und  Sterne  aus  der  Kiste  des  Häuptlinges  zu  befreien,  Hess 
sich  Jeshl  (als  Grashalm  an  das  Trinkgeschirr  gelehnt)   von  der  Tochter   desselben  ver- 


ECLIPSE.  487 

von  Yupanqui  stehen  Zweifel  an  der  Gottheit  der  Sonne  ver- 
zeichnet. 

Inga  Viracocha,  qui  primus  putatur  Pachacamaco  supremum 
omnium  dominium  tribuisse,  zweifelte  an  der  Gottheit  der  Sonne 
wegen  ihrer  steten  Bewegung. 

Bei  Sonnenfinsternissen  wurden  silberne  Idole  ins  Feuer  ge- 
worfen. Bei  Mondfinsternissen  rief  man  lärmend  und  klagend  die 
Mutter  Mond  (Mama-Quilla)  an,  nicht  zu  sterben,  sondern  zurückzukehren, 
wie  vielfach  die  Erneuerung  ihrer  Phasen  als  Unterpfand  des  Fort- 
lebens gilt.  So  schützte  auch  hier  der  Mond  (Quilla)  die  Gebärenden. 


schlucken,  um  von  ihr  geboren  zu  werden  und  auf  sein  Schreien  die  Spielzeuge  zu  er- 
halten, aus  denen  (beim  Oeffncn  des  Deckels)  die  Himmelslichter  fortflogen.  Als  Jeshl 
den  Deckel  des  in  der  Luft  fortgetragenen  Kastens  mit  der  Sonne  öflhete,  ^wurden  die 
nach  den  Bergen  und  Wäldern  laufenden  Menschen  in  Thiere  verwandelt.  Ein  unaus- 
gebranntes  Ilolzstück  aus  einer  Insel  im  Meere  forttragend,  zerstreute  Jeshl  die  auf  die 
Krde  geworfene  Kohle  in  Funken  schlagende  Steine.  Aus  dem  Brunnen  des  Khanukh 
(den  er  als  den  Mächtigeren  erkannte)  brachte  Jeshl  den  Menschen  das  Wasser.  Jeshl 
verbreitete  von  der  Charlotten-Insel  den  Samen  von  Pinus  Douglasii  (aus  deren  Holz  die 
Canots  verfertigt  werden)  über  die  andern  Inseln  (s.  Holmberg).  Am  Tage  des  Zauberns 
müssen  die  Verwandten  des  Schamanen  (bei  den  Koloschen)  fasten  und  ihren  Magen 
durch  ein  Brechmittel  reinigen.  Die  Ceris  (im  Norden  Mexico's)  begrüssten  den  neuen 
Mond  und  verehrten  die  Sonne  bei  Auf-  und  Untergang.  Wie  der  Mond  stirbt,  um 
wiedergeboren  zu  werden,  so  wird  die  Seele  des  Menschen  erneuert  \Verden,  hiess  es  im 
CJesang  der  Califomier  bei  Monterey  (Hottentotten,  Eskimo  u.  s.  w.)  Bei  den  Apaches 
war  der  Bär  heilig,  als  er  die  entführte  Princessin  fand.  Die  von  den  Königen  bis  zum 
Zenith  und  von  den  im  Kindbett  Gestorbenen  abwärts  begleitete  Sonne  wurde  Nachts 
durch  die  verwesenden  Todten  von  Westen  nach  Osten  getragen  in  der  Unterwelt  (bei 
den  Mexicanem.  Ursprünglich  hatte  die  Sonne  nur  Brüder,  die  wegen  der  Hitze  vom 
Coyote  getödtet  wurden,  und  ebenso  die  neun  Brüder  des  Mondes  wegen  der  Kälte  (bei 
den  Shasta).  Die  Welt  wurde  geschaffen  (nach  den  Shasta),  indem  der  Riesen-Maulwurf 
(Ididoe)  die  Erde  emporhob.  Der  Regen  kommt  vom  Weinen  eines  kranken  Himmels- 
bewohners (bei  den  Shasta).  Der  arme  Knabe  der  Loucheux  der  (bei  einer  alten  Frau 
erz^>gen)  in  Hungersnoth  -  Zeiten  heimlich  Wild  getödtet,  stieg  (weil  verachtet)  als  Mann 
zum  Monde  auf,  wo  er  bei  Jagd  angerufen  wird.  Neben  den  Nantena  oder  Geistern 
(der  See,  der  Luft  und  der  Erde)  findet  sich  bei  den  Tinneh  der  gute  Geist  Tihugun 
(ein  alter  Freund  von  Sonne  und  Mond)  und  der  böse  Chutsain,  als  Tod  (s.  Heame). 
Shljam  Shoa  ist  Hauptgott  der  Koniagas  neben  dem  bösen  Eyuk  (Holmberg).  Auf  den 
Aleuten  (wo  der  Wunderkiesel  oder  Tkhimkee  von  der  See  ausgeworfen  wird)  hat  der 
Schöpfergott  die  irdischen  Angelegenheiten  den  Kugan  oder  Geistern  überlassen.  Bei 
den  Thlinkeet  trägt  der  Priester  verschiedene  Masken,  je  nach  dem  Gott,  mit  dem  er 
communicirt.  Der  Häuptling  der  Haidah,  der  als  Taamish  während  der  Fasten  in  der 
Wildniss  mit  den  Geistern  (Nawlok)  verkehrt  hat,  beisst  den  zuerst  bei  der  Rückkehr 
Begegneten.  Beim  Pflanzfest  wurde  der  Sonne  ein  Wild  geopfert  (in  Florida)  imd  so 
bei  den  Dela waren  (nach  Loskiel).  Nördlich  von  Florida  liefen  beim  Toya  -  Fest  die 
dafür  Bestimmten  in  den  Wald,  und  kehrten  (nach  Fasten  und  Kasteiungeo)  von  dort 
(nach  drei  Tagen)  zu  den  klagenden  und  sich  blutig  verwundenden  Frauen  zurück,  um  mit 
Jubel  empfangen  zu  werden  (nach  Basanier).     Die  Priester  oder  Javas  (Janiars  oder  Jao- 


488  RELIGION   UND   SITTE. 

Bei  der  Quillamhuafiun  (la  luna  sc  muere)  oder  Quillatutayan 
(la  luna  se  exurece)  genannten  Mondfinstemiss  wurden  die  Hunde 
geschlagen  und  die  Trommel  (in  Peru).  Bei  Finsternissen  der  Sonne 
oder  des  Mondes  wurde  das  Fest  Tyri  gefeiert  (mit  Opfern  von 
Jungfrauen).  Während  des  Mondwechsels  wurde  gefastet,  und  die 
Klagen  bei  den  Finsternissen  beziehen  sich  in  häufigen  Wiederholun- 
gen auf  Schädigung  desselben  (durch  Drachen  u.  s.  w.),  Verfol- 
gung u.  s.  w.  Die  Flecken  im  Monde  rührten  von  der  Umarmung 
eines  Fuchses  her  (in  Peru),  bei  den  Hottentotten  vom  Zerkratzen 
des  Hasens. 

Als  Diener*)  der  Sonne  walteten  Chuqui-ylla,  Cutu-ylla  und  Ynti- 
ylla  (der  Blitz,  der  Donner^)  und  der  Donnerkeil)  in  der  Luft,  als 
Donnergott  (Chuqui-yllayllapa).  In  der  Sierra  (Peru's)  wird  der  Libiac 
(Donnerkeil)  oder  Hillapa  verehrt  (bemerkt  Arriaga).  Ein  vom  Donner- 
stein getroffenes  Haus  (in  Peru)  wurde  zugeschlossen  (s.  Garcilasso). 
Die  drei  Bilder  der  Sonne  wurden  Apointi,  Cheruinti  und  Intiquao- 
qui  genannt,    die    drei  Bilder   des  Donners  Chuquilla,    Catuilla  und 

nas)  oderjaiias  (Javiinas  oder  Jauas)  wurden  in  den  darüber  verbrannten  Häusern  be- 
graben (in  Florida),  die  Häuptlinge  unter  einem  Erdhaufen  mit  aufgelegter  Muschel. 
Neben  dem  Morcama  diente  das  Timuquana  (Timuaca  oder  Timuqua)  oder  Thimogora 
als  Verkehrssprache  in  Florida.  Verschieden  von  der  Verkehrssprache  des  Creek  wurde 
bei  den  Uchee  das  Savanuca  gesprochen.  Die  Shawnees  leiteten  sich  her  von  dem  Su- 
wannee-Fluss  in  Florida.  Aus  Zorn  über  die  Laster  der  Menschen  verbarg  Gott  für  drei 
Tage  und  drei  Nächte  sein  Gesicht,  und  in  der  Dunkelheit  (ohne  Sonne  und  Mond) 
wurden  die  Königreiche  durch  Erdbeben  (unter  Platzregen)  zerstört,  bis  auf  das  Gebet 
eines  Häuptling's  der  Apachen  die  Sonne  wieder  erschien. 

*)  Blitz  und  Donner   nannten  sie  die  Vollstrecker   der  Gerechtigkeit  der  Sonne  (in 
Peru).     Die  Sterne  hielten  sie  für  Hoffräulein  der  Sonne  (s.  Baumann). 

')  Von  Tupa  (s.  Marcgrav)  nennen  die  Tapuyer  den  Donner  Tupacununga  (strepitum 
factum  a  suprema  excellentia)  und  den  Blitz  Tupaberaba  (splendorem  excellentiae).  Die 
Tapuyer  zerfielen  (nach  Herckmann)  in  die  Cariri  (unter  dem  Häuptling  Cerioukeiou), 
die  Caririvasu  (unter  dem  Häuptling  Carapato),  die  Cariri-jou  und  die  Tarairyou  (a  Rio 
Grande  vensus  Occidenten).  Die  Dorfbewohner  hiessen  Cariri  bei  den  Tapuyem  (s.  Marc- 
grav). The  inhabitants  of  Sarayacu  are  divided  into  three  distinct  tribes,  called  Panos, 
Omaguas  and  Yameos  (Campas  am  obem  Ucayali).  Die  Cashibos  oder  Callisecas  wohnen 
am  Pachitea  (die  Lorenzos  am  Pozuzu).  The  Sencis  occupy  the  country  above  Sarayacu 
(landbauend).  The  Conibos,  Shipebos,  Setebos,  Pirros,  Remos  and  Amaguacas  are  the 
vagabonds  of  the  Ucayali  (s.  Hemdon).  Gli  Omagua  (dice  il  P.  Acu&a)  richiamavano 
anticamente  Aguas,  e  questo  nome  sembra  provenire  dalla  voce  Quechua  o  Peruana  Ahua, 
che  significa  di  fuori,  pesch^  eglino  abitavono  fuori  della  provincia  di  Mainas  (s.  Hervas), 
Scrive  il  Sig.  Ab,  Camafio,  che  Omagua  proviene  dalla  voce  Quechua  Uma  e  della  voce 
Omagua  Ava  o  Ahua  che  significa  Uomo,  poiche  gli  Americani  comunemente  si  appro- 
priano  la  voce  significante  Uomo,  cosa  i  Chiquiti  si  danno  il  nome  naqui  iiofieis  (Uomo), 
i  Luli  si  danno  quello  di  Pele  (uomo)  ed  i  Peruano  si  chiamano  Runa  (uomo).  Der 
Karibe  Kaona^^  gründete  (nach  Besiegung  der  Eingeborenen)  das  Ftirslenthum  Maguana 
auf  Hayti. 


REGENBOGEN.  489 

Intillapa  (s.  Dapper).  Nach  den  Krihs  ist  der  Donner  durch  „einen 
grossen  Vogel  bewirkt,  den  Einige  wirkh'ch  gesehen  haben  wollen". 
Wer  ohne  zu  sterben  vom  Blitzegetroffen  wurde,  war  damit  zum  Priester 
geweiht  (in  Peru),  und  ebenso  Blödsinnige.  In  Tamor  wurden  denv 
Blitz  gespaltene  Steine  (Huaca  Llipiac)  geopfert.  Im  frühen  Alter 
sterbende  Zwillinge  |),  von  denen  eins  ein  Kind  des  Donners  war, 
wurden  in  irdenen  Töpfen  als  Chuchas  oder  Gutes  verehrt,  mit  den 
Füssen  zuerst  Geborene  als  Chacpas  (in  Peru). 

Am  Cap  Augustin  wurde  der  Donner  als  Tupana  verehrt  (Tor- 
quemada).  Zur  bestimmten  Zeit  kamen  aus  der  Ferne  alte  Zauberer 
(mit  orakelnder  Calabasse  daher,  für  deren  Empfang  die  Wege  ge- 
fegt wurden  (und  die  Frauen  beichteten).  Nicht  nur  besassen  (gleich 
dem  Inca)  die  Tempel  des  Pachayachachi  (Schöpfer,  als  Sonne),  des 
Donner  (Hilcuylle)  und  der  Erde  (Pachamama)  ihre  heiligen  Heer- 
den,  sondern  auch  die  übrigen  Capellen  im  Lande. 

Den  Regenbogen  sehend,  schlössen  die  Peruaner  den  Mund  und 
bedeckten  ihn  mit  der  Hand,  weil,  wenn  sie  die  Zähne  zeigten,  diese 
ausfallen  würden  (s.  Garcilasso).  Die  Peruaner  „betteten  den  Regen- 
bogen an,  welchen  die  Inga  in  ihrem  Wappen  führten,  mit  zwo  aus- 
gestreckten Schlangen"  (nach  Lintschotten).  Bei  den  Flathead  galt 
der  Regenbogen  als  ein  für  seine  Beute  niederblickender  Blitz  (s.  Men- 
garini).  Auf  dem  Regenbogen  in  Sculpturen  der  Inca  verschlangen 
sich  zwei  Schlangen  (in  Drachenwindungen). 

Neben  dem  Regenbogen  (Ckuichi)  wurde  die  Luft  (Huayra), 
das  Feuer  (nina),  sowie  das  Gewitter  (Uipiac  oder  illapi)  als  Elemen- 
targottheiten verehrt  (auf  den  Antillen  die  Stürme^). 

Der  Erde  (Mamapacha)  wurde  Mais  dargebracht  (bei  der  Ernte), 
das  Meer  (Mamacocha)  wurde  in  den  Cordilleras  gegen  die  krank- 
heitserzeugenden  Dünste  angerufen.  Wenn  die  Serranos  zum  Meere 
herabkommend,  dasselbe  erblickten,  verehrten  sie  es  durch  Aus- 
reissen  der  Augenbrauen,  um  gegen  Krankheiten  geschützt  zu  sein. 
Nach  Plutarch  verabscheuten  die  Aegypter  das  Meer. 

Der  Planet  Venus    (Chasqui    coyllur)   galt   als    der   Diener    der 


')  Los  nifios  geinelos,  si  inorian  en  edad  tema,  los  conservaban  en  ollas  y  los  revc- 
renciaban  como  a  entes  sagradas,  pretendiendo  que  uno  de  ellos  era  hijo  del  rayo.  Da- 
ban  al  nombre  de  Chuchas  ö  Cutis  a  las  cadaveres  de  estos  infantes,  y  del  iiiismo  modo 
conservaban  h.  los  nifios  que  nacian  de  pi^s  (Chacpas)  cuando  fallecian  en  edad  tierra. 

')  Okopim  (Gott  der  Luft)  galt  als  der  Stünne  Erweckende  (bei  den  Prcussen).  In 
der  Provinz  Carthaginis,  wenn  Piura  den  Leuthen  einen  Schrecken  eynjagen  will,  dräwet 
er  jhnent  er  wolle  Iluracan,  das  ist  ein  Gewitter,  hervorbringen"  (de  Br)-). 


490  RELIGION  UNI)  SITTE. 

Sonne.  Die  PIcjadcn  (Onccoy  coyllur)  wurden  wegen  ihres  F^influsses 
auf  Krankheiten  verehrt,  las  Hiadas  por  su  accion  en  las  sementcras 
y  las  Munian  mircuc  coyllar,  porque  creian  que  esta  estrella  influyc 
en  algunos  hombres  de  manera,  que  les  hacia  comer  sus  padres. 
Nach  den  Omaguas  üben  die  Plejaden  (Seso-Sisytama)  einen  beson- 
deren Einfluss  auf  die  menschlichen  Geschicke  aus  (s.  v.  Martius). 

Bei  den  Diaguitas  verwandelten  sich  die  Seelen  in  Sterne  und  die 
der  Häuptlinge  (die  bei  den  Maori  mit  dem  Sternen -Auge  nieder- 
blicken) in  Planeten.  Bei  den  Kaffe^n  kämpfen  die  Heroen  der  alten 
Helden  in  den  Schlachtreihen  (wie  einst  bei  den  Griechen). 

Die  von  Francisco  de  Chaves  Bei  ihrem  Angriff  auf  Trujillo  be- 
kämpften Conchucos  trugen  ein  Götzenbild,  dem  Opfer  gebracht 
wurden,  in  ihrem  Heere  (s.  Gomara),  und  so  die  Chibchas  die  Ske- 
lette verstorbener  Könige. 

Under  den  Sternen  ruffen  sie  an  den  Colca,  welchen  wir  Ca- 
brillas  oder  Geisslein  nennen.  Einem  Stern  gaben  sie  diss,  dem  an- 
dern jenes  Ampt,  welche  von  denen  angebettet  wurden,  die  ihrer 
Hülffe  bcdurfften.  Die  Schafhierten  opfferten  einem  Stern,  welchen 
sie  Urcuchillay  heissen,  und  gaben  für,  dass  er  ein  Widder  von 
vielerley  Farben  wäre,  welcher  anders  nichts  thäte,  als  dass  er  dess 
Viehes  hütete.  Man  hält  dafür,  es  sey  dess  Gestirns,  welches  die 
Astrologi  Lyram  nennen.  Sie  ruffen  auch  sonst  noch  zween  Stern 
an,  so  hart  dabey  stehen,  die  sie  Hatuchillay  und  Urcuchillay  heissen 
und  geben  für,  dass  es  ein  Schaf  mit  einem  Lamb  sey.  Etliche  ver- 
ehren einen  Stern,  welchen  sie  Machacuay  heissen,  der  über  Schlan- 
gen soll  zu  gebietten  haben,  vermeinen  also  von  jenen  unbeschädigt 
zu  bleiben.  Einen  Stern  nennen  sie  Chuquichinchay,  das  ist  Tyger- 
thier,  welches  über  die  Tygerthiere,  Beern  und  Löwen  soll  zu  ge- 
bieten haben.  Sie  hielten  dafür  es  wäre  kein  Thier  oder  Vogel 
auff  Erden,  der  nicht  ein  gleichmässiges  Ebenbild  im  Himmel  hätte, 
und  .solcher  solt  in  eben  demselben  Geschlecht  die  Generation  und 
Vermehrung  fortbringen  helfen,  darumb  sie  dann  mit  unterschied- 
lichen Sternen  zu  thun  hatten,  alss  den  sie  Chacana,  Topatatca, 
Mamana,  Mirco  (Mirma),  Miquiquiray  nennen  und  andere  dergleichen 
mehr,  also  dass  sie  mit  Piatone,  da  er  de  Ideis  schreibet,  überein- 
stimmen (s.  Lintschotten). 

,Die  bei  Ataguju  weilenden  Plejaden  oder  Chuchoc  wurden  für 
P>nten  verehrt,  die  Sternschnuppen  als  Esquix. 

Am  Ürinoco  wurde  der  Jahresanfang  durch  die  Plejaden  (Ukasu) 
bestimmt  (s.  Gumilla).     Die  Töchter  des  Atlas  wurden  in  die  Pleja- 


STERNE.  4yi 

den  und  Hyaden  verwandelt,  und  sein  Sohn  Hesperus,  von  einem 
Berge  durch  Sturmwind  fortgeführt,  in  den  Abendstern  (s.  Diodor). 
Die  Tapuijer  oder  Kariner  verehrten  das  Siebengestim  \)  (s.  Dapper). 

Nach  den  Pericues  (mit  dem  Schöpfer  Niparaya)  waren  die 
Sterne  (aus  Metall)  durch  Purutabui  gemacht  und  der  Mond  durch 
Cucunumic  (in  Unter-Californien). 

Die  Cometen  der  Jahre  1823  und  1825  wurden  von  den  durch 
die  mexicanische  Unabhängigkeitserklärung  aufgeregten  Indianern,  als 
zu  ihrer  Befreiung  erschienene  Häuptlinge  gedeutet  (s.  Boscana). 

In  den  dem  Donner  und  Blitz  heiligen  Häusern  stellten  die  Cal- 
chaquis  (in  Tucuman)  Federstiele  (mit  Opferblut),  die  Caclla  (Rostra) 
genannten  Kupferbilder  des  Idols  als  Amulette  tragend.  Auf  Häuser 
und  Felder  wurden  blutige  Federstiele  gesteckt,  zum  Schutz  gegen 
Gewitter.  Die  Seelen  der  Vorfahren  (curack)  erschienen  als  Sterne, 
und  so  die  der  Allppa-paco  oder  Alpaco  (s.  Angelis). 

Chinigchinich^j  als  Tobet  im  Federschmuck  tanzend,  weihte  die 
Puplem  (Priester),  als  Wissende  der  Geheimnisse  mit  der  Tobet- 
Kleidung  ein,  während  die  nicht  zu  tanzen  Verstehenden  Saorem 
hiessen.  Als  er  nach  seiner  Krankheit  zu  den  Sternen  aufgestiegen, 
um  von  dort  die  californischen  Playanos  zu  überwachen  und  ihnen 
(zur  nöthigen  Strafe)  Bären,  Schlangen  und  Krankheiten  zu  senden, 
wurde  er  Quaguar  genannt. 

Im  Allgemeinen  herrschte  in  Peru  die  Ansicht,  dass  die  Todten 
im  Jenseits  ihre  Chacara  oder  Chacra  (Landgüter)  wiederfinden  wür 
den,  weshalb  man  ihnen  Alles  für  das  jenseitige  Leben  Bedürftige 
in  das  Grab  mitgab.  Nach  den  Chancas  (in  Andahuaylas)  lebte  die 
Seele  als  Sonccon  oder  Herz  (im  Herzen)  fort,  und  die  Vorstellung, 
den  Sitz  des  Lebens  im  Herzen  zu  suchen,  wie  sie  sich  in  Califor- 
nien  ausgeprägt  findet,  hat  sich  dann  in  Centralamerica  mit  dem 
göttlichen  Princip,  als  dem  belebenden,  durchdrungen.  Bei  den  Cari- 
ben    wohnte    die    unsterbliche  Seele    im    Herzen,    während    sich  die 


*)  Imprimis  venerantur  Plejadum  exortum  (die  TapuyerJ. 

5)  In  den  Vanquech  oder  Tempel  des  Chinigchinich  (unter  den  Califoniiem)  stellten 
die  Priester  (Puplem)  das  mit  Federn  ausgestopfte  Fell  einer  Coyate-Katze ,  der  Pfeile  aus 
dem  Halse  her  vorsteckten,  und  zeichneten  zum  Gottesdienst  eine  Figur  auf  die  Erde,  die 
die  Männer  durch  Springen ,  die  Frauen  durch  Vemeigung  verehrten  (Boscana).  Nach 
den  Befehlen  Chinigchinichs  wurde  ein  schlechtes  Kind  gctödtet  und  seine  Eltern  blieben 
entehrt.  Neben  dem  in  Sterne  verwandelten  Schöpfer  Uaui  (auf  dem  Berge)  verehren 
die  (den  ersten  Gegenstand  als  Tamanus  oder  Schutzgeist  wählenden)  Chinuk  den  Lehrer 
des  Fischfangs  (Ilalupus)  in  Columbia. 


492  RELIGION  UND   SITTE. 

» 

andern    beiden  Seelen  (des  Kopfes  und  der  Arme)  in  Mapoya  oder 
Dämonc  ver^\'andeIten  (du  Tertre). 

In  Chumbo  (bei  Tomebamba)  wurde  die  Unsterblichkeit  ge- 
glaubt (nach  Garcilasso),  und  „creian  la  immortalidad  del  Alma",  sagt 
Herrera  von  den  Huanucos,  die  in  Gewölben  begruben.  Nach  Been- 
digung des  Todtenfestes  gelangte  die  Seele  ^)  nach  Zamay  huasi 
(casa  de  descanso). 

In  der  Sierra  gingen  die  Todten  (nachdem  sie  eine  schmale 
Haarbrücke  oder  schwarze  Hunde  passirt  hatten)  nach  Upa-masca 
oder  Ypa-marca  (tierra  muda  o  de  los  mudos),  an  der  Küste  (bei 
Huacha)  nach  den  Guano-Inseln,  wohin  sie  durch  die  Tumi  genannten 
Seehunde  gebracht  wurden  (s.  ArriBga).  Otros  tienen  por  tradicion, 
que  las  almas  de  los  defuntos  van  donde  estan  us  huacas.  Die 
Brücke,  die  die  Seelen  der  Abiponer  zu  passiren  hatten,  wurde  Tag 
und  Nacht  von  dem  Gott  Patutiso  bewacht,  und  Hess  es  der  beglci 
tende  Priester  an  Etwas  fehlen,  so  wurden  sie  in  den  Fluss  gestürzt 

Bei  denTobas  oderMbocobis  (mit  dem  Schöpfer  Gdoapidolgate)  er 
steigen  die  Seelen  den  Himmel  auf  dem  Baume  Llagdigua  (s.  Guevara) 
Die  Cauinier  (südlich  von  Cuzco)  oder  Cavifta  (in  Collasuyu)  waren  aus 
einem  Sumpft)  entstanden,  wohin  die  Seelen  zurückkehrten,  um  dann 
wiederum  den  Körper  Neugeborener  zu  beleben  (s.Vega),  als  CaviAas  am 
Vilcamayu-Fluss  (mit  dem  Tempel  Ausancata).  Die  im  Tempel 
Ausancata  verehrenden  Canches  (bei  Urcos)  meinten,  dass  die  Seelen 
sich  nach  dem  See  ihres  Ursprungs  begäben,  um  in  die  Neugebo- 
renen einzugehen  (s.  Cieza).  Die  Seelen  der  Tapuyer  (in  Brasilien)  ver- 
sammeln sich  an  einem  See,  wo  sie  ein  Charon,  als  Fährmann,  über- 
schifft  (s.  Barlaeus).     In  Chanpanchita  (westlich  von  Popayan)  leben 


*J  Die  Karen  erkennen  drei  Seelen,  während  sonst  die  Vierzahl  vorwaltet.  Kinige 
Metaphysikcr  ausgenommen,  lässt  sich  (nach  Hume)  von  allen  übrigen  Menschen  behaup- 
ten, dass  sie  nichts  als  ein  BUndel  oder  eine  Sammlung  verschiedener  Vorstellungen  sind, 
die  in  raschester  Schnelle  auf  einander  folgen,  in  beständigem  Fluss  und  Bewegung. 
Nach  Weiss  ist  nur  dem  Genie  die  Unsterblichkeit  gesichert,  während  die  gewöhnlichen 
Seelen  verschwinden  (wie  sie  in  Polynesien  vom  Alua  gefressen  werden).  Unter  den 
Christen  Hess  nur  Origenes  die  (heidnische)  Praeexistenz  der  Seele  zu ,  während  man 
^onst  zwischen  Creatinismus  (die  jedesmalige  Schaffung  durch  Gott)  und  dem  Traducia- 
nismus  (die  Uebertragung  von  Eltern  auf  Kind)  schwankte.  Im  (Gegensatz  zu  der  Auf- 
lösung der  bei  den  Neuplatonikeni  als  Emanation  betrachteten  Seele  in  der  Gottheit  (bei 
der  Rückkehr)  hielten  die  Christen  die  (nur  durch  Gnade  unsterbliche)  Seele  zugleich  an 
die  Auferstehung  des  Körpers  gebunden. 

')  In  der  Oberpfalz  müssen  die  armen  Seelen  als  kleine  schwarze  Fische  in  dunkeln 
Gewässern  leben,  sie  kommen  nur  beim  Mondenlicht  an  die  ( )berfläche  und  können  nicht 
gefangen  werden  (nach  Schönwerlh). 


HERKUNFT.  493 

die  Häuptlinge  wieder  auf,  und  cjie  Seelen  der  Todten  beleben  die 
Neugeborenen  (s.  Cieza). 

Die  Herkunft  aus  heiligen  Seen  war  weit  verbreitet  durch  Süd- 
america,  und  nach  Art  der  den  Peruanern  angewiesenen  Pariscas 
lieisst  es  auch  von  den  Moxos:  „creianse  hijos  del  lago,  del  bosque 
6  de  la  orilla  del  reo,  en  que  vivian '.  Einige  der  Zapoteken  stamm- 
ten von  Löwen  oder  anderen  wilden  Thieren,  Einige  von  Bäumen, 
Einige  von  Felsen  (s.  Burgoa).  Je  nach  der  Abstammung  von 
Thieren  oder  Pflanzen  wurden  die  neun  Dörfer  der  Moqui  von  der 
Urmutter  auf  ihre  Plätze  gestellt,  und  beim  Tode  kehren  die  Seelen 
in  das  Prototyp  des  Stammes  zurück. 

Nach  den  Minsi  und  Miamis  wohnten  ihre  Vorfahren  unter  der 
Wasseroberfläche,  aus  der  auch  die  Anwohner  am  See  Titicaca  hervor- 
gekommen, während  die  ersten  Besiedler  Guamachuco's  durch  ein, 
mit  göttlich  verliehener  Hacke  geöfl'netes  Loch  ausderErde  ausgegraben 
waren.  Manco-Capac  (heisstes)  kam  bei  Paccaritampa  aus  der  Erde^) 
(die  Vorfahren  in  Mexico  bei  Aculma).  Von  Fischen  stammten  die 
Collas,  von  Löwen  die  Chancas,  von  Vögeln  und  Thieren  die  Huanu- 
cos,  und  in  den  Andes  sprach  man  von  der  auch  in  Birma  bekann- 
ten Vorzeit,  als  noch  die  Thiere  auf  Erden  geherrscht  hätten  (im 
Anschluss  an  viele  Schöpfungssagen  der  Rothhäute).  Der  Fuchs 
spielt  in  Peru  die  dämonische  Rolle,  die  ihm  vom  chinesischen  und 
japanesischen  Aberglauben  angewiesen  wird  (wie  auch  bei  den  India- 
nern von  Narganset). 

Die  Peruaner  unterschieden  den  Himmel  (der  Guten)  oder  Hanan 
Pacha  (obere  Welt),  die  Hurin  Pacha  (niedere  Welt)  und  (im  Mittel- 
punkt der  Erde)  die  Veu  Pacha  (Unterwelt)  oder  (als  Aufenhalt  der 
Bösen)  Cupaypa  Huacin  (Wohnort  des  Cupay  oder  Teufels)  und 
Ucupacha  (Unterwelt). 

Die  mittlere  ^)  Welt  oder  Hurin-Pacha  (zwischen  Hananpacha  und 
und  Ucu-Pacha)  bezeichnet  Garcilasso  de  la  Vega  (im  buddhistischen 


*)  Die  (wie  die  Chimus  im  Innern  des  Meeres)  im  Innern  der  Erde  geschaffenen 
I'ijaos  kamen  zwischen  dem  Fluss  Cacarayma  und  dem  Thal  Anayma  aus  den  Bergen 
(wie  die  Chichimeken  aus  den  Höhlen  von  Chicomoztoc), 

')  Nachdem  der  Gott  Quaor  die  Erde  auf  den  Rücken  von  sieben  Riesen  gelegt, 
schuf  er  den  Mann  Tobohar  und  die  Frau  Pabavit.  Der  Schöpfer  Niparaja  wohnt  im 
Himmel  (beiden  Pericues),  wo  die  Sterne  (aus  Metall)  durch  Pruutahui  gefertigt  sind,  der 
Mond  durch  Cucunuraic  (s.  Clavigero).  Als  die  Navajos  aus  der  Höhle  her\'orgekommen, 
wurden  sie  durch  die  Ucbermacht  der  wilden  Thiere  vermindert  bis  auf  einen  alten  Mann, 
eine  alte  Krau  und  ein  Mädchen ,  das  mit  dem  Sonnengott  Kinder  hervorbrachte.  Nach 
Guzman    wurden    /ahme    Schlangen    (unter  Verehrung)    in    den  Häusern   aufgezogen    (in 


494  RELIGION  ITND  SITTE. 

Sinne)  als  die  Region  der  Geburten  und  Auflösungen.  Die  Guten  gin- 
gen nach  dem  Tode  in  Hanan-Pacha  ein,  um  dort  ruhiger  Beschau- 
lichkeit zu  geniessen,  während  die  Bösen  in  Veu-Pacha  gequält  wurden, 
und  für  solche  Auferstehung  des  Körpers^)  (Alpaca-masca)  oder  Alpa- 
camasca  (belebte  Erde)  in  Hanan-pacha,  Hurin-pacha  oder  Veu-pacha, 
je  nach  den  die  Transmigration  bedingenden  Verdiensten,  bewahrten 
die  Peruaner  die  abgeschnittenen  Nägel  und  Haare  auf  (wie  ähnlich 
einst  im  europäischen  Norden).  Von  Inca-Roca,  als  er  auf  Befehl 
Illatici's  in  der  Höhle  Chingana  besucht  wurde,  wird  bemerkt,  dass 
er  auf  einem  mit  Thieren  und  Vögeln  sculptirten  Stein  zurückgelehnt 
liegend,  die  Auferstehung^)  gepredigt  habe.  Nach  buddhistischer  Dar- 
stellungsweise wurde  auch  Are  (der  Moscos)  liegend  gedacht. 

Culiacan).  Die  Opatas  suchen  die  Eclipsen  durch  Geschrei  und  Gesticulationen  zu  ver- 
treiben. Bei  den  Opatas  erhielten  Zwerge  und  Bucklige  Verehrung.  In  Culiacan  wurden 
vom  Blitz  Erschlagene  ohne  Berührung  unbegraben  gelassen.  Aus  xoQyaxtjg  oder 
X((Qyayog  {xfQavyog^  der  Blitz)  haben  die  Armenier  den  General  des  Chosroes  zum  M<ir- 
der  des  Kaisers  Carus  gemacht  unter  dem  Namen  Gomag  (s.  Langlois).  Die  Erdkugel 
ruht  auf  Stützen,  die  (weil  morsch  und  krachend)  längst  umgefallen  wären,  wenn  nicht 
durch  den  Angekok  ausgeflickt.  Der  Himmel  dreht  sich  auf  einem  spitzen  Berge.  Beim 
Regen  laufen  die  Himmelsteiche  Über.  Im  Blitze  rasselt  das  Seehundfell ,  das  zwei  alte 
Weiber  strecken.  Mädchen,  die  den  Mond  ansehen,  werden  von  ihm  beschmissen  (und 
schwanger).  Malina  von  ihrem  Bruder  Anninga  (dem  sie  das  Gesicht  berusste)  verfolgt, 
fuhr  an  den  Himmel  als  Sonne  (noch  von  dem  Mond  verfolgt).  Nach  dem  letzten  Viertel 
fahrt  Anninga  (der  Mond)  auf  den  Seehundfang  in  seinem  Hundeschlitten  und  kommt 
fett  als  Vollmond  wieder.  Bei  Finsternissen  geht  er  in  den  Häusern  (wo  Alles  versteckt 
wird)  umher  (die  Leute,  welche  nicht  die  Enthaltungsmassregeln  beobachten,  umzubrin- 
gen), bis  durch  Lärm  verscheucht.  Bei  Sonnenfinsternissen  kneipen  die  Frauen  in  die 
Ohren  der  Hunde,  die  durch  Schreien  zeigen,  dass  die  Welt  noch  nicht  zu  Ende  ist  (und 
weil  älter  als  die  Menschen,  ein  feineres  Vorgefühl  besitzen).  In  den  schiessenden  Ster- 
nen reisen  Seelen  vom  Himmel  zur  Hölle  (s,  Cranz).  Auf  das  Kindesgrab  wird  ein  Hund 
gelegt,  zur  Fühnmg.  Die  Leiche  wird  durch  besondere  Oeffhung  ausgetragen  und  von 
einer  Frau  ein  angezündeter  Spahn  hinterher  geschwenkt.  Die  Wittwe  hat  unter  offenem 
Himmel  eine  Trauerkappe  zu  tragen.  Die  Angiak  (Gespenster)  werden  von  den  Angekok 
gefressen  (in  Grönland).  Suivant  les  Outaouais,  le  Grand  Li^vre  (Michabou  ou  Ouisa- 
ketchak)  ^tait  un  homme  d'une  taille  gigantesque,  ne  dans  l'tle  de  Michillimakinak 
(Makinac  dans  le  lac  Huron),  et  qui  fabriqua  les  premiers  rets  k  prendre  le  poisson  sur 
le  modele  de  la  toile  tissee  par  l'arraign^e  (Tailhan).  Le  Michipissy  ou  le  grand  tygre, 
Appel($  ailleurs  Michibissy  ou  Missibizi,  etait  invoqu^  par  les  Outaouais  ou  nations  d'en 
haut  pour  en  obtenir  une  bonne  pöche  d'esturgeons. 

^)  Aya,  cuerpo  muerto  (nach  Holguin)  oder  (nach  Domingo  de  S.  Thomas)  sepultur.1. 
Alma  (por  la  cual  vivimos)  findet  sich  im  Quechua  als  Cama  quenc  (Camaynin)  oder 
Songo  (s.  Domingo  de  St.  Thomas). 

*)  In  Chuquisaca  adorant  idolum  Tanga  (Blocius).  Animarum  immortalitatem  cre- 
dunt,  sed  corporum  resurrectionem  desperant  (Camaxamalcani).  Bei  den  Tamanaken 
nimmt  Amalivaca  das  den  Menschen  gegebene  V^ersprechen  der  Verjüngung  (nach  Art 
sich  häutender  .Schlangen)  wieder  zurück,  wegen  des  Zweifels  einer  Frau  (wie  ähnlich  bei 
Eskimo). 


SYMBOLE.  495 

Für  die  höllische  Unterwelt  fand  sich  noch  der  Ausdruck  Pitusiray- 
sanasiray  womit  (nach  San ta-Cruz)  die  Befestigung  einer  Person  auf  einer 
andern  bezeichnet  sei,  wie  es  dem  Bruder  oder  der  Schwester  Mango 
Capac's  bei  Saftuc  widerfahren.  In  Chicora  am  Cabo  de  Santa  Elena 
oder  Jordan  (in  Florida)  wurde  der  hinkende  Gott  Quxuga  im  Para- 
diese verehrt,  daneben  (nach  Herrera)  die  Hölle  kalt  gedacht 
(während  sie  den  Schotten  im  kalten  Nebellande  als  warm  geheizte 
wohl  gefiel).  Auch  den  Musos  erschien  ihr  Dämon  hinkend  (Herrera). 
Jurupari  oder  Jerupai  (der  böse  Dämon  der  Tupi)  wird  als  der  stolze 
Hinkende  erklärt  (s.  von  Martius),  wogegen  Magalhaes  die  Ueber- 
setzung  auf  Mond  zurückfuhrt.  Für  die  Inca  war  ein  besonderer 
Himmel  reservirt,  indem  sie  nach  dem  Tode  in  den  im  Meere  unter 
einer  unbeweglichen  Sonne  liegenden  Palast  Manco  Capac's  .ein- 
gingen. 

Die  auch  in  mexicanischer  Weltanschauung  aus  dem  Buddhismus 
rcflectirten  Züge  wiederholen  sich   in  Peru  bei  der  Bemerkung  Gar- 
cilasso's  über  die  Flüchtigkeit  und  Hinfälligkeit  des  Lebens,  wie  sie 
von  Inca-Roca,  dem  Verehrer  Pachacamac's,  erkannt  sei,  abgesehen 
von  dem  Klosterleben,  in  das  (wie  bei  den  Chibchas  gleichfalls)  die 
Fürsten  eintraten  oder  sich  zurückzogen.     Beim  Fest  Capac-Raymi 
(zu    Ehren    Viracocha  •  Pachayachachi's)    klagte    am   Abend    Mayta- 
Capac ,    dass  bald  der  Tod  (und  sein  Bild ,  der  Schlaf)  wie  auf  den 
Tag  die  Nacht,  folge,  und  ergab  sich  in  Toco-cachi  strengem  Fasten 
(s.  Santa -Cruz).     Das  Fest  Huan    in    Sogamoso    wurde    mit  Klagen 
über    die  Vergänglichkeit   des  Leben's    gefeiert    (zur  Betäubung    im 
Rausch  beschlossen)  und  den  Fürsten  der  Chibchas  fanden  sich  bei 
den  Festen  stets  zwei  Greise  zur  Seite,  die  ein  Fischernetz  tragend, 
auf  dem  Choismia  genannten  Blasinstrument  klagende  Weisen  spiel- 
ten.   In  Tonapa  s  Namen  Nipacachan  (Tonapa  Viracocha  Nipacachan) 
könnte  ein  buddhistisches  Nipan  (Nirana)  gelesen  werden.    Bei  ägyp- 
tischen Festen  erinnerte  das  Mumienskelett  an  den  Tod.     In  Oajaca 
wurde  Piyetao-Piyexoo    (der    Nicht -Seiende)  verehrt.     Die   Gottheit 
Hometeutl    (der   Herr  dreifacher  Würden)  residirte  in  Olomris  oder 
Zivenavich-Nepaniuhca  (nach  dem  Commentator  des  Codex  Vaticanus). 
Um  eine  götzendienerische  Versinnlichung  der  (nur  in  Gedanken 
erreichbaren)    Gottheiten    möglichst    zu    vermeiden,    wurde  dieselbe 
durch  einen  Ring,  zwischen  Sonne  und  Mond,  dargestellt,  oder  durch 
eine  flache  Goldplatte,  welche  Manco-Capac  (nach  Molina)  anfertigen 
Hess,  um  den  Schöpfer  des  Himmels  und  der  Erde  zu  symbolisiren. 
Diese  Goldplatte,  oder  ein  dünnes  Goldblatt  ovalrunder  F'orm,  wurde 


49ß  RELIGION  UND   SITTE. 

durch  Mayta-Capac,  den  Verehrer  Tica-ccapac's  oder  Caprichay's, 
erneuert  (s.  Santa-Cruz),  und  über  das  aus  feinem  Goldblatt  gefertigte 
Schöpferbild,  zwischen  Sonne  und  Mond,  wurden  die  Orcorara  ge- 
stellt, als  drei  sich  gleiche  Sterne.  In  der  Huaca  Chuquisaca's  nennt 
Acosta  die  Verehrung  Tangatanga's^),  als  Dreieinigen,  „un  idolo,  que 
decian,  que  en  uno  eran  tres  y  en  tres  uno"  (s.  Herrera),  und  Garci- 
lasso  erklärt  diesen  Namen  mit  Acatanca  oder  Mistroller,  als  (ägyp- 
tischen) Scarabäus.  Diese  Gegenden  waren  von  Viracochas  Avatare 
als  Tucapa  durchwandert,  und  spiegeln  so  Tucapacha,  den  unsicht- 
bar^) im  Himmel  lebenden  Schöpfergott  der  Tarasker  (s.  Salazar  y 
Olarte),  der  (nach  Herrera)  durch  Aufblicken  zum  Himmel*)  verehrt 
wurde.    Tenianle  por  haccedor  de  todas  las  cosas,  que  daba  la  vida 


^)  In  Mechoacan  wurden  die  Fische  von  der  Göttin  Xara-Tanga  gehütet. 

^)  Das    höchste  Wesen    (Guanupiglian)    gebot    (in  Araucanien)   über    untergeordnete 
Cieister  (s.  Ovalle). 

>)  Nach  den  Califomiem  der  Mission  von  St.  Juan  Capistrano  vermählte  sich  der 
Iliinmel  mit  seiner  Schwester,  die  Erde,  Steine,  Pflanzen  und  Thiere  zeugend  und  zuletzt 
das  belebte  Wesen  Ouiot  (Boscana).  Chinigchinich  war  den  Serranos  bekannt  als  Saor 
aus  der  Zeit,  wo  er  nicht  tanzen  konnte,  als  Quaguar,  wenn  er  tanzte,  und  als  Tobet, 
indem  er  tanzend  im  Federschmuck  zu  den  Sternen  aufgehoben  wurde.  Nach  den  Playanos, 
die  sich  im  Thal  von  St.  Juan  Capistrano  niederliessen ,  schuf  der  unsichtbare  und  all- 
mächtige Nocuma  die  Welt,  indem  er  sie  durch  den  schwarzen  Fels,  Tosauh,  festigte 
und  dann  den  ersten  Indianer  Ejoni  aus  der  Erde  rief,  der  mit  seiner  Frau  Ae  Ab- 
kömmlinge zeugte,  unter  denen  Siraut  und  Ycaiut  ihren  Sohn  Ouiot  (das  Eingewurzelte) 
nannten,  ein  Ungeheuer,  das  von  Pubuna  herkommend,  wegen  seiner  Tyrannei  vergiftet 
wurde,  worauf  in  späteren  Zeiten  gleichfalls  (zu  Pubuna)  Ouiamot  (Sohn  von  Tacu  und 
Auzar),  als  der  Gott  Chinigchinich  erschien  (Boscana).  Als  der  grosse  Geist  (nachdem 
er  mit  einem  Stein  ein  Loch  in  den  Himmel  gebohrt)  Eis  und  Schnee  herabgeworfen, 
auf  die  dadurch  gebildeten  Wolken  heruntergestiegen  war  (die  Bäume  durch  Einstecken 
lies  Fingers  pflanzend),  bildete  er  (als  die  Sonne  den  Schnee  zu  Bächen  schmolz)  aus 
den  lose  umherfliegenden  Blättern  die  Vögel,  aus  den  lose  umherfliegenden  Splittern  eines 
zerschnittenen  Stockes  die  Fische,  aus  den  grossen  die  Thiere  und  aus  dem  dicken  Ende 
den  Graubär,  vor  dessen  wachsender  Stärke  er  sich  in  den  Wigwam  des  Mount  Shasta 
zurückzog  (vom  Heerdfeuer  damals  noch  rauchend).  Sein  zur  Beruhigung  des  ausbrechen- 
den Sturmes  auf  das  Dach  geschickte  Tochterkind  wurde  vom  Sturm  fortgeführt,  durch 
die  Ahnfrau  der  (damals  auf  zwei  Bemen  gehenden  und  mit  Keulen  kämpfenden)  Grau- 
bären gefunden  und  mit  deren  Sohn  vermählt,  die  Rasse  der  Menschen  zeugend,  während 
der  Grosse  Geist  (durch  seinen  Enkel  von  dem  Aufenthalt  der  Tochter  benachrichtigt) 
aus  dem  Berg  Shasta  hervorkommend,  seine  Tochter  fortfUhrte,  und  die  Graubären  ver- 
fluchte, jetzt  mit  niedergesenktem  Haupt  auf  vier  Beinen  zu  gehn  (obwohl  sie  im  Kampfe 
noch  aufrecht  stehn).  Der  Himmel  (bei  den  Tupi)  hiess  Man  (nach  Hans  Staden). 
Den  Riesen  Jakke-elt-ini  (dessen  Kopf  den  Himmel  fegt)  tödtend,  bedienten  sich  die 
D^nes  (Menschen)  oder  D^n^-dindjies  seiner  Leiche  als  Brücke  (Petitot).  Die  fastenden 
Priester  oder  Nakoi  (Seher),  die  durch  ihre  Gesänge  die  Geister  auf  die  Erde  riefen, 
nahmen  die  Beichte  ab  (bei  den  Dene-dindji^s).  Die  fleischliche  Begattung  bildet  die 
Sünde  (F'tendi-koedeny^),  Reinigung  erlangend.    Die  Schlange  (Nadudhi   oder  Natiwödi 


PiRiiUA.  497 

y  la  muertc,  los  Buenos  y  los  malos  temporales.  In  den  Andes, 
unter  den  Coca  bauenden  Indianern,  soll  ein  Mächtigerer,  als  Sonne 
und  Mond,  verehrt  sein,  als  der  Inca  dorthin  gelangte.  Sonst  stand 
bei  den  Wilden  der  Andcsthäler  der  Cultus  der  wilden  Thiere 
in  Kraft. 

Die  Alles  (geistig^))  durchdringenden  Himmelsgottheiten  wurden 
in  Peru  als  Illatici-Viracocha  verehrt  und  (nach  Montesinos)  ging 
dieser  Cultus  auf  den  Gott  Pirhua,  als  Illatici-Viracocha^)  (bei  den 
Pirhuas)  zurück.  Von  Sinchi  Apusqui  sei  dann  der  Dienst  Pirhuas 
oder  Illatici-Viracocha  s  (Pyrhua-Viracocha  oder  der  ältere  Viracocha) 
als  Huarma-Viracocha  (der  jüngere  Viracocha)  wiederhergestellt,  und 
so  bahnt  sich  die  Kette  an  bis  zur  Identificirung  des  Gottes  mit 
seinem  Propheten,  und  der  Vergötterung  der  Inca.  Die  Spanier  galten 
als  Sendlinge  des  Pachayachachic  Uiracocha  (s.  Salcamayhua). 

Indem  Pirhua,  oder  Stamm  (Hua)  der  Sonnenhitze  (Pir),  das  All  mit 
Rücksicht  auf  die  PIrnte  und  Vorrathshäuser  (Pillan  ^)  die  Gottheit  im 


verursacht  die  Krankheiten  (bei  ihm  D^ne-dindjies).  Aus  der  Begattung  der  Schlange 
(Klan)  mit  der  ersten  Frau  oder  Nachtfrau  (Edhes  oder  Messigi)  wurde  eine  Rasse  von 
Menschenfressern  gezeugt.  Zi'in  oder  Dzzin  sind  die  Dämone  (bei  den  D6nd-dindjies). 
x\us  dem  Busen  der  Frau  gingen  die  nagenden  Ratten,  aus  dem  Kopf  die  Mücken  her- 
vor (nach  den  Den^-dindjies).  Die  Trias  der  D^n^-dindjies  (Vater,  Mutter  und  einziger 
Sohn)  findet  sich  bei  den  Montagnards,  als  drei  Riesen -Adler  (Odelbal^  oder  ()lbal6), 
wovon  Odclbale  (der  .Sohn)  den  durch  die  Fehler  der  Frau  gefallenen  Menschen  unter 
seinen  Flügeln  gegtn  die  Krallen  des  Vaters  schützte  (s.  Petitot).  Von  der  Triniiät  (der 
Peaux-de-Li^vre)  wohnt  der  Vater  (Inkfroin-Wetay)  im  südwestlichen  Himmel  (am  Zenith), 
die  Mutter  (Vakkena-Tchont-ini)  im  nordwestlichen  (am  Untergang),  während  der  Sohn 
den  flimmel  zwischen  beiden  durchläuft,  seiner  auf  der  Erde  klagenden  Schwester  das 
Feuer  verschaffend  (Petitot).  Die  Ilimmelsfrau  ( Vakka  - Tsi^ge  oder  Morgenroth)  wird 
bald  nls  weisser  Schwan,  bald  als  Moschusochse  (Yakkay)  dargestellt  (bei  Den^-dindjies). 
Die  Maus  oder  Tan  (Kloung^  oder  Gloune)  ist  der  Todesgeist  (bei  D^n^-dindjiesJ.  Beim 
Jahresfest  des  Neumondes  wurde  geopfert  (bei  Dene-dindjies).  Vor  ihrer  Auswanderung 
aus  dem  Westen  (nach  dem  Thal  des  Mackenzie)  wohnten  die  D6n6-dindjics  unter  der 
(mit  Riesen  oder  Kodenc-tcho  gemischten)  Nation  der  Kfwi-detelli  (Kahlköpfe).  Die 
Tinneh-Familie  begreift  die  Gruppe  am  Mackenzie -Fluss  (an  der  Hudson- Bay),  die 
Gruppe  in  Alaska,  am  Berg  St.  Elias  und  Kupferfluss,  die  Gruppe  der  Tacullies  in  Neu- 
Caledonien,  der  Umpquas  in  Oregon  und  die  Hoopahs  in  Califomien ,  sowie  die  Gruppe 
der  Apaches  (in  Arizona,  Neu-Mexico  und  Nord-Mexico). 

*)  Pillan  (Gott)  deriva  de  Pulli  o  Pilii  (la  alma)  y  denota  el  espiritu  por  cxcellencia. 
I>o  Uaman  tambien  Guenu-pillan,  el  espiritu  del  cielo,  Buta-gen ,  el  gran  Scr,  Thalcave, 
el  Tonante,  Vilvcniove,  el  crcador  de  todo,  Vilpepilove,  el  Omnipotente,  MoUgelu,  el 
Etcrno,  Aonolu,  el  infinito  etc.  (s.  Molina). 

')  Virhu  significa  estar  echado  en  donde  la  particula  seUala  (Virhuua  cuni ,  en  el 
campo)  in  Mechoacan  (s.  Lagunas). 

')  Nach   Gay  bezog    sich  Pillan   (bei   den  Araucanem)    auf  die  brennenden  Vulcane 
(verehrt  wie  in  Hawaü).    Neben  Tupa  (als  Donner  und  Blitz)  fand  sich  bei  den  Brasilia- 
nern (nach  Margg'rave)   Pillon   (als  Alles  regierender  Luftgott),    Marigiouna  (der  Todlen- 
Bastian:  America.  L  32 


498  •         RELIGION  UND  SITTE. 

Chilenischen^)  und  Pillotoas  die  Zaubergeister  in  Canada)  bezeichnet 
haben  sollte,  so  ermöglieht  sich  die  Incarnation  der  Gottheit  in  der 
Leben  spendenden  Sonne  und  bei  Baiboa  geht  die  Bekennung  Ticci- 
Viracocha-Pachacamac  s  (Princip  alles  Guten  und  Schöpfer  der  Welt) 
auf  die  Einführung  des  Sonnen -Cultus  durch  Inga-Yupanqui  zurück. 
Intipintin  Ticcimoyoc  Camac  quiere  decir  imagen  del  hazedor  del  cielo 
y  tierra.  Montesinos  schreibt  die  Verbindung  des  Sonnendienstes  mit 
Illa-tiksi-Hiuracocha  dem  Inti-Capac  zu,  der  den  Aufstand  der  Anti- 
huayllas  gegen  seinen  Vater  Sinchi-Cosque  mit  göttlicher  Hülfe 
unterdrückte.  Bei  Molina  wird  Tecsi-Viracocha  als  die  unbegreif- 
liche Gottheit  (Aticsi-Viracocha)  erklärt  (in  der  Bezeichnungsweise 
der  Dacota),  und  nach  Acosta  erhielt  Viracocha  die  Bezeichnung 
Usapu  (que  es  cosa  admirable),  als  Pachacamac  oder  Pachayachachic 
(Schöpfer  des  Himmels  und  der  Erde).  Nach  Herrera  wurden  Vira- 
cocha oder  (bei  Oviedo)  Viracha  (Schaumessohn)  im  Tempel  Pacha- 


geist),  Maroua|)Ounle  (der  in  Träumen  erscheinende  Ehegott,  an  die  Beiwohnung  erinnernd), 
und  den  bösen  Geistern  (als  Begleiter  auf  der  Reise)  wurden  Pfahle  aufgesteckt  (für 
Opfer). 

')  Vom  (chilenischen)  Abgölte  Pillan,  dem  sie  etliche  Lieder,  mit  seltsamen  gebähr- 
den,  zu  ehren  singen,  glauben  sie,  dass  er  ein  Geist  sei,  der  aus  der  Luft  bestünde,  und 
alle  Sachen  auf  Erden  beherrschete.  Doch  andere  meinen,  dass  er  der  Donner  sey ,  den 
sie  auch  also  zu  nennen  pflegen.  Und  darum  ehren  sie  diesen  Pillan,  wan  es  donnert, 
am  allermeisten :  dan  da  stecken  sie  einen  Pfeil  und  ein  steinernes  Beil  in  die  Erde,  und 
nehmen  das  Gewehr  zur  Hand,  nicht  anders  als  wan  ein  mächtiger  Feind  auf  sie  kähmc; 
indem  sie  wähnen,  dass  sie,  durch  den  Donner,  vor  der  Spanier  Ankunft,  derer  Grau- 
samkeit ihnen  ein  Greuel  ist,  ge warnet  würden.  Sonsten  nennen  sie  auch  alle  Helden 
Pillan,  und  schreiben  denselben  Göttliche  Ehre  zu,  Wan  sie  Tabak  saugen,  welches  sie 
fast  allezeit  zu  tuhn  pflegen,  dan  blasen  sie  den  Rauch  desselben,  mit  wunderseltsamen 
gebährden,  in  die  Luft,  und  schreyen:  Empfange  dieses,  o  Pillan.  Ja  wan  sie  aus  irgend 
einer  Feldschlacht  sieghaftig  zu  hause  kommen,  stecken  sie  das  gemeldte  steinerne  Beil 
in  die  Erde,  stehen  um  dasselbe  gewafnet  her,  sauffen  so  lange,  bis  sie  vol  und  toi 
seynd ,  und  singen  inzwischen ,  dem  Pillan  zu  ehren ,  ihre  Lieder  Pawari.  Mit  den  Ge- 
fangen handeln  sie  auf  eine  gantz  grausame  weise.  Diese  fuhren  sie  zum  Tantze,  und 
machen  sich  mit  ihnen  lustig  und  fröhlich.  Aber  wan  das  Spiel  am  besten  ist,  dan 
hacken 'sie  ihnen,  mit  einem  Beile,  den  Kopf  ein,  und  reissen  ihnen  das  Hertz  aus  dem 
Leibe;  welches  ein  ieder  halbwüthende  mit  den  Zähnen  zerbeisset.  Auf  eben  dieselbe 
weise  verfahren  sie  mit  den  Strauchreubem ,  Dieben  und  Verräthem,  wan  sie  dieselben 
zur  strafe  ziehen  wollen.  Wer  aber  den  vornehmsten  unter  ihnen  viel  vom  Trancke 
Chica  verehren  kann,  der  kauft  sich  von  gemeldeter  Strafe  loss.  Doch  dieses  kan  die 
Zauberer  und  Hexen  keineswegs  befreyen :  welche  mit  alle  dem ,  was  sie  besitzen ,  ohne 
alle  gnade,  lebendig  verbrannt  werden.  Sie  haben  keine  Priester,  oder  andere  dergleichen 
Leute,  welche  des  Gottesdienstes  wahrnehmen.  Nur  dieselben,  welche  das  Lied  Pawari 
am  besten  zu  singen  wissen,  halten  sie  in  hohen  Ehren.  Der  zweyte  Abgott  Maruapeante 
tuht  ihnen,  durch  eingebung  oder  im  Traume  kund,  wan  sie  eine  Frau  nehmen  oder 
beschlafen  sollen.  Aber  dieses  geschiehet  nicht  eher,  als  wan  sie  sich,  zu  seinen  Ehren, 
toi  und  vol  gesotten,  und  ein  Liedlein  hergesungen  haben  (s.  Dappcr). 


ALLEGORIE.  499 

cama  s  Opfer  dargebracht,  während  von  Hahuarhuakak  erzählt  wird, 
dass  bei  der  Beutetheilung  nach  dem  Siege  über  die  Chancas 
alle  Götter  in  ihren  Tempeln  (Sonne,  Mond,  Sterne*),  Donner  und 
die  übrigen  Huacas)  bedacht  seien,  ausgenommen  Viracocha,  der 
als  Schöpfer  und  Herr  der  Welt  Nichts  bedürfe.  Inga  Viracocha^) 
(s.  Brullius)  „primus  putatur  Pachacamaco  supremum  omnium  domi- 
nium tribuisse".  Apu-Challcu-Yupanqui  fungirte  als  der  Hohepriester 
Pachayachachi's  (s.  Salcamäyhua). 

Sinchi-Apusqui  erneuerte  die  Verehrung  Pirhuas  unter  dem 
Namen  Illatici-Huiracocha,  als  Huarma-Huiracocha  (eines  jüngeren 
Epigonen),  und  Montesinos  sieht  in  Huira  (Vira)  eine  Entstellung 
von  Pirua  (Einigung  aller  Dinge).  Die  Inca  verehrten  Pachayachachic- 
Atun-Viracocha  (sagt  Molina).  Der  Schöpfer  hiess  Viracocha-pacha- 
yachachi  (Tica-ccapac  oder  Caprichay). 

Den  Schöpfergott  in  flacher  Ringform  symbolisirend,  vernichtete 
Ynca  Manco  Capac  die  Idole  des  Curaca  Penao  Ccapac,  sowie  den 
Götzendiener  Tocay-Capac  (bemerkt  Salcamäyhua).  Die  ovale  Gold- 
platte (Manco  Capac's)  als  Emblem  des  Schöpfer  s,  wurde  von  Mayta 
Capac  in  runder  Ringform'*)  zwischen  Mond  uhd  Sonne  gestellt,  und 
durch  Huascar  mit  einer,  die  Sonne  tragenden,  Tafel  ersetzt.  Das  Idol 
Punchao  im  Sonnentempel  Cuzco's  trug  auf  der  Stirn  „eine  Platte, 
bei  welcher  man,  wenn  die  Sonne  darauf  schien,  eine  zweite  Sonne 
zu  sehen  bekam"  (s.  Dapper).    Die  Hohenpriester  Perus  führen  den 


*)  Ein  Stamm  der  Pawnes  opferte  dem  Morgensterne  (Tc  llenten)  bei  der  Ernte 
(Prichard). 

')  Nachdem  Viracocha  Inca  in  Characas  die  Unterwerfung  Tucuman's  oder  Tucman's 
entgegengenommen  durch  die  von  dem  Reiche  Chile  berichtenden  Gesandten,  schickte 
er  einige  Inca  in  ihrer  Begleitung  zurück,  um  die  Gesetze  seines  Staates  in  der  Heimath 
einzuführen.  Sein  Sohn  Pachacutec  dehnte  seine  Herrschaft  bis  zur  Sierra  de  San -Luis 
aus,  sowie  über  die  Thäler  der  Provinzen  von  Salta,  Catamarca  und  La  Rioja,  während 
Yupanqui  den  Norden  Chile's  eroberte  und  den  Pass  der  Cordillere  von  Mendoza  öffnete, 
worauf  sich  die  Oberhoheit  der  Inca  unter  den  ansässigen  Stämmen  der  Andes- Thäler, 
sowie  des  oberen  Juramento  und  Dulce  befestigte.  Huayna  capac  verlängerte  die  Strasse 
Quito's  bis  Copayapu  (Copiapö)  und  in  die  Provinzen  von  Cuyu  oder  Cuyo,  (wo  der  Weg 
der  Cumbre  von  Yupanqui  geöffnet  war).  Während  des  spanischen  Krieges  mit  den 
Calchaquis  (1655)  wurde  Bohorquez  zum  Inca  erhoben  und  Oropezca  Tupac  Amaru  wurde 
in  seinem  Aufstand  (1780)  durch  die  Indianer  der  Provinzen  von  Jujuy  und  Salta  unter- 
stützt. Ces  Souvenirs  poussaient  en  1817  et  1818  quelques  Argentins  partisans  de  la 
monarchie  i  rechercher  s'il  ne  restait  pas  quelque  descendant  direct  ou  indirect  de  la 
noble  famille  des  Incas,  pour  l'asseoir  sur  le  tröne  constitutionnel  de  la  Plata  (s.  de 
Moussy). 

')  Hostanes  et  formam  veri  Dei  negat  conspici  posse  et  angelos  veros  sedi  ejus  dicit 
assistere  (s.  Cyprianus). 

32* 


500  RELIGION   UND   SITTE. 

Titel  Villa-oma  (bei  Oviedo)  oder  Huillac-Uma,  als  das  Haupt  (Uma) 
der  Religion  (huilca*)  oder  Vilca  (das  Heilige). 

Mit  der  Verehrung  des  Viracocha  wird  (bei  Herrera)  die  der 
Sonne  und  des  Donners  verbunden  und  der  Donnergott  oder  Intiil- 
lapa  (Catuilla  oder  Chuquilla)  als  Träger  von  Schleuder  und  Keule 
dargestellt,  während  noch  die  Verehrung  der  Erde  als  Pachamama, 
(Pathamama)  oder  Mamapacha,  des  Meeres,  als  Mamacocha,  sowie 
des  Regenbogens  und  der  Collca  genannten  Steine  hinzukommt. 

Als  Diener  Pachacamac's  wurde  die  Sonne  geehrt,  durch  deren 
Strahlen  Alles  auf  der  Erde  erzeugt  wurde  (s.  Oliva),  und  dann  wer- 
den als  Verehrungsgenstände  genannt:  die  Sonne  (Inti  oder  Punchao), 
der  Mond  (Quilla),  das  Sternbild  Oncoy  (siete  cabrillas),  das  Meer 
(Mama-cocha) ,  die  Erde  (Mamapacha),  die  Quellen  (Puquios),  die 
Flüsse  (mit  der  Ceremonie  Mayuchulla,  um  nicht  beim  Passiren  zu 
ertrinken),  die  hohen  Berge,  die  Schneegipfel  (Razu),  die  Geburts- 
plätze (Pacarinas)  und  wüste  Gegenden  (s.  Arriaga).  In  Collao  wurde 
der  Mond  (Quilla)  als  Pacsa-Mama  angebetet.  El  principal  a  quien 
adoraban,  era  el  Viracocha  Pachayachachic,  que  es  el  Criador  del 
mundo,  y  despues  de  61  al  Sol  (in  Peru),  aber  die  Sonne  ^)  und  übrigen 
Huacas  waren  nur  die  Vermittler  für'  den  Schöpfer  (s.  Acosta). 

Auf  Mango-Capac  folgte  sein  Sohn  Chinchi-Roca  oder  Inga-Roca, 
neben  dem  Dienst  des  Pachacamac^)  (der  Gott  seines  Vaters)  den  der 
Sonne  (mit  Klöstern  unter  seiner  Schwester  Achiolo)  und  des  Mon- 
des einführend  (BruUius).  Zur  Verehrung  der  Sonne  trat  der  Fürst 
auf  eine  Brustwehr  der  Plattform  ujid  sprach  mit  gesenkten  Augen 
ein  Gebet  beim  Sonnenaufgang  (s.  Benzoni).  Dem  Sonnenbilde  (Apu- 
punchau)  war  die  Coya-facssa  (der  Sonne  geweihte  Jungfrau),  zur 
Begleitung  zugewiesen. 

Sinchi-Cosque,  als  Priester  des  Illatici-Viracocha  fungirend,  setzte 
seine  Brüder  als  Priester  in  dem  neu  erbauten  Sonnentempel  ein 
(s.  Montesinos).     Ccapac-Yupanqui    liess    zur   Taufe   seines    Sohnes 


*)  Im  Chilenischen  bezeichnet  Huilli,  septum  animlineum,  intra  domum,  ubi  frumen- 
tum  fructus  etc.  adservant. 

')  Zu  Cusco  wurde  die  Sonne  als  Tecebiracoce  als  höchste  Gottheit  verehrt  (s.  Dapper). 
Auf  Yahuar-Huacac-Yupajaghe  (Sohn  des  Mama-Cagua)  folgte  Viracocha.  Die  Stämme 
am  Pauhatan-Fluss  (in  Virginien)  wurden  von  den  Werowances  (Viro-wances)  genannten 
Fürsten  beherrscht. 

')  Garcilasso  erklärt  l*achacamac  aus  pacha  (die  Welt)  und  Camac  (der  Schöpfer), 
als  Part.  Pres,  von  cama,  zu  l)eleben  (camani,  ich  schaffe),  el  quäl  verbo  se  deduce  dcl 
nombre  Cama,  que  es  anima  (also  die  Welt-Seele). 


ORAKEL.  501 

Inca-Ruca  durch  Thonapa  geweihtes  Wasser  aus  dem  Titicaca-See 
holen  (s.  Salcamayhua),  wie  auch  bei  den  Mexicanern  (und  Brah- 
minen)  der  Taufe  ähnliche  Waschungen  gebräuchlich  waren. 

Yupanqui  erschien  im  Quell  Susur-puquio  sein  Vater  Viracocha- 
Inca  in  Gestalt  eines  von  Schlangen  umringelten  Mannes  mit  Löwen 
auf  den  Schultern,  als  Bild  der  Sonne  (s.  Molina).  Tupac-Cusi 
Huallpa  (Huascar)  setzte  am  Titicaca  ein  Goldbild  der  Sonne,  als  Vira- 
cocha  Ynti  auf  (nach  Salcamayhua).  Chuchi-Capac,  Fürst  der  Collas 
verehrte  den  Huaca-Inti.  In  dem  Sonncntempel  am  Titicaca  erhielt 
der  Dämon  Noacach  Verehrung  (wie  Thevet  meint).  Nach  Eroberung 
einer  Provinz  Hessen  die  Inca  das  nach  Cuzco  gebrachte  Landes-Idol 
dort,  im  Sonnentempel  aufgestellt,  durch  eine  (aus  d^m  eigenen  Lande 
unterhaltene)  Deputation  der  Eingeborenen,  die  täglich  der  Sonne 
ihre  Verehrung  darzubringen  hatten,  bedienen. 

Garcil^sso  unterscheidet  Rimac,  als  das  Orakel  der  Yungas,  oder 
auch  des  gemeinen  Volkes,  (mit  männlicher  Bildsäule  des  sprechenden 
Gottes)  von  dem  Tempel  Pachacamac  (des  Cuismancu),  in  dem  nur 
ein  Geist  angebetet  sei,  aber  erst  die  Inca  reinigten  das  Heiligthum 
von  dem  Bilde  des  wegen  seiner  List  und  Klugheit,  auch  in  Guama- 
chuco  (wie  in  Japan  und  China),  geehrten  Fuchses^)  (Chelen  im  Chileni- 
schen), sowie  von  dem  in  Menschengestalt  mit  Fischschwanz  (wie 
Oannes)  dargestellten  Fischgott,  dem  Ahnherrn  des  von  Pachacamac 
in  den  fernen  Weiten  des  Meeres  geschaffenen  Geschlechtes  der  Chimus, 
und  bei  ihnen  sei  Pachacamac  (der  Weltbeleber)  als  Pacho-urac  (der 
Welterhalter)  verehrt.  Wie  Pachacamac  (Hacedor  del  mundo)  der  Welt- 
schöpfer und  der  [von  Buddha  durchleuchtete]  Weltlehrer  Pachaya- 
chachic*)  (Sabidor  y  el  que  entiende  el  mundo),  wurde  auch  Vira- 
cocha  als  Usapu  (admirable)  bezeichnet  (Garcia).  Der  Dämon  Pacha- 
camac empfahl  Huayna-Capä  den  Chimu  höher  zu  verehren,  als 
Viracocha  Pachayachachi  (schreibt  Salcamayhua). 

Von  Pachacutek  wird  erzählt,  dass  er  nach  der  Besiegung  Usco- 


')  Oder  Füchsin.  In  Guaniachuco  erhielt  der  in  Wittwerkleidung  aufgestellte  Fuchs- 
balg Opferdarbringungen  (wie  ähnlich  der  Bär  in  Sibirien).  In  Guayana  wurde  den  ge- 
tudtcten  Thicren  ein  Trank  eingegossen,  damit  die  dadurch  ergötzte  Seele  ihren  Brüdern 
von  dieser  guten  Behandlung  erzählen  und  sie  veranlassen  möge,  nicht  vor  den  Menschen 
zu  fliehen  (s.  Caulin).  In  Cumangota  (s.  Yangues)  wird  Demonio  mit  Yboro-quiamo  über- 
setzt (yboroco,  zorro). 

')  Die  Spanier  (wie  Garcilasso  de  la  Vega  bemerkt)  erklärten  (Pachagachacher)  Pachaya- 
chachec,  als  hacedor  del  Cielo  (Pacharurac) ,  wogegen  das  Wort  bedeute:  eseöador  del 
mundo  (el  verbo  ydcha  significa  aprendcr,  pero  afladiöndole  esta  silaba  chi  significa 
enseftar). 


502  RELIGION  UND  SITTE. 

vilca's,  des  Häuptlings  der  Chancas,  den  vernachlässigten  Dienst  Pacha- 
yachic's  wieder  aufgefrischt,  und  seine  Verehrung  der  der  Sonne 
vorangestellt  habe  (s.  Ondegardo),  und  während  sich  (nach  Garcilasso) 
der  Dienst  Pachacamacs  aus  dem  Thal  Cuismancu's,  unter  dessen 
Vorfahren,  in  die  umliegenden  Länder  verbreitet,  lässt  Baiboa  die  von 
Topa-Yupanqui  in  Cuzco  zusammenberufene  Synode  das  Bekenntniss 
des  Ticci-ViracochaPachacamac  aussprechen,  dessen  Ritual  dann  bei 
der  späteren  Eroberung  der  Küste  in  dem  dortigen  Tempel  Pacha- 
camacs bereits  vorgefunden  worden. 

Der  Gottesdienst  war  dort  ein  besonders  feierlicher.  Der  Name 
(Pachacamac)  durfte  nur  unter  Verbeugungen  ausgesprochen  werden 
und  der  Tempel  war  rückwärts  schreitend  zu  betreten,  worauf  auf 
die  gestellten  Fragen  durch  Pfeifen  geantwortet  wurde  (s.  Acosta). 
Nach  Cieza  wurden  die  Priester,  beim  Betreten  des  Tempels  von 
Pachacamac  von  solchem  Beben  befallen,  dass  ihr  Körper  sichtbar 
zitterte. 

Im  Umkreise  des  Tempels  war  nur  den  Fürsten  ein  Begräbniss- 
platz gestattet  oder  dort  sterbenden  Pilgern,  die  in  den  Häusern  am 
Fusse  des  Tempels  beherbergt  wurden.  Für  die  Pilgerfahrten  nach 
dem  Tempel  Pachacamac  war  der  Weg  auch  zu  Kriegszeiten  unge- 
hindert, als  auf  neutralem  Gebiet  (s.  Velasco). 

„Cama"  significa  „hasta"  con  nombres  de  lugar  (ö  persona), 
como  Hanac  pachacama,  hasta  el  cielo  (s.  Holguin).  Mit  Hanac  (der 
Obere)  wird  der  Himmel  (hanac-pacha)  bezeichnet,  während  in  Pacha 
(die  Erde  oder  dieWelt)  zugleich  der  Begriff  der  Zeit  ausgedrückt  liegt. 

Von  Armatambo  (dem  Sitz  des  Häuptlings  Trianchumbi)  nach 
Pachacamac^)  gelangt,  und  einlogirt  „en  unos  aposentos  grandes",  sah 
Hernando  Pizarro  neben  dem  bemalten  Holzidol  in  einem  versteckten 
Räume  oder  dunkler  Nische  des  Tempels  (s.  Xerez)  „ydolos  de  palo" 
in  grosser  Zahl  an  den  Hausthüren  und  auf  den  Strassen  des  (dem 
Fürsten  Taurichumbi  gehörigen)  Orts,  der  durch  den  Einsturz  der 
Befestigungsmauer  und  anderer  Ruinen  einen  verfallenen  Eindruck 
machte  (s.  Oviedo). 


')  Este  pueblo  de  Pachacamac  es  grand  cosa  6  muy  junto  tiene  a  un  porte  del  a  par 
dessa  mezquita  una  casa  en  un  ^erro  bien  obrada  de  cinco  ^ercos  6  muros,  e  dicen  los 
Indios  ques  del  Sol;  hay  asimesmo  en  el  pueblo  otras  cosas  muchas  grandes.  II  Signore 
di  Noax,  chiamato  Alinchay,  il  Signor  di  Goarua,  chiamato  Guaxciapaiche ,  il  Signor  di 
Saglicaimarca  chiamato  Yspilo  (il  Signor  di  Malache  chiamato  Lincoto)  und  andere 
Fürsten  der  Umgegend,  kamen  mit  Geschenken  für  Pizarro  (nach  Pachacamac).  Die 
Peruaner  verehrten  ohne  Tempel    bis    zur  Zeit    Inca-Vupanqui's. 


PACIIACAMAC.  503 

Der  Herr  von  Pachalcami  führte  die  Spanier  in  ein  wohlgebautes 
und  schönes  Haus  (nach  Xerez),  in  welchem  die  Priester  in  einem 
wohlverschlossenen,  dunklen  und  stinkenden  Saal  einen  aus  Holz  ge- 
fertigten, sehr  schmutzigen  Götzen  hatten.  Diesen  nannten  sie  ihren 
Gott,  der  Alle  erschaffen  habe  und  erhalte  und  der  auch  alle  Lebens- 
mittel hervorbringe.  Zu  seinen  Füssen  lagen  einige  aus  Gold  be- 
stehende Garben,  die  man  ihm  geopfert  hatte  (s.  Külb).  Um  den 
Vorhof  des  Tempels  von  Pachacamac  zu  betreten,  bedurfte  es  eines 
Fastens  von  20  Tagen,  um  die  Stufen  zu  ersteigen  von  einem  Jahr, 
und  oben  fanden  dann  die  Fürsten  den  Hohenpriester  mit  verhülltem 
Haupte  dasitzen,  und  auf  die  an  ihn  gerichteten  Fragen,  antworteten 
seine  Dienerknaben,  aus  einem  Nebenraume  eintretend,  wo  sie  die  Dä- 
mone  befragt  hatten  (s.  H.  Pizarro)*). 

Auch  der  Gott  Uzorpillao  bei  Coriacocha  wurde  durch  Pilger 
besucht,  doch  durfte  sich  keiner  der  Profanen  ihm  nähern,  sondern 
nur  der  Priester,  und  selbst  dieser  würde  durch  seinen  Anblick^)  ge- 
tödtet  sein,  wenn  er  sich  nicht  vorher  strengen  Fasten  ergeben 
(in  Guamachuco). 

Pacha^),  als  Welt  im  zeitlichen  Verlauf,  geht,  wie  in  den  Namen 
des  Gottes,  in  den  der  Propheten  über,  und  trifft  dann  an  der  Küste 
mit  den  auf  den  Con  führenden  Zusammensetzungen  zusammen. 

Zufolge  der  von  Piura  bis  Arica  geläufigen  Tradition  hatte  Pacha- 
camac, nach  der  Welt,  Menschen  geschaffen,    einen  Mann  und  eine 

')  Pizarro  sah  im  Innern  des  Tempels  von  Pachacamac  ein  Ilolzidol  und  ,,per  tutte 
le  strade  di  questa  citta  e  sü  le  porte  principali  e  d'intomo  alla  moschea  erano  moUi 
idoH  di  legno"  (s.  Ramusio). 

*)  Die  Indianer  vom  Orinoco  spritzten  den  Jüngern  Tabakssaft  in  die  Augen,  um  die 
heiligen  Felsinschriften  (Tehmeri)  nicht  anzusehen.  Die  Zeichen  auf  den  Tellern  hiessen 
Woro  (nach  Schomburgk).  Der  Schöpfer  (Agugukh)  hatte  (nach  den  Aleuten)  die  Ange- 
legenheiten der  Erde  guten  und  bösen  Geistern  (Kugakh  und  Aglikajach)  Überlassen.  Wer 
die  Sonne  lästerte ,  wurde  mit  Blindheit  geschlagen ,  der  Mond  warf  mit  Steinen.  Die 
geschmähten  Sterne  mussten  gezählt  werden,  bis  zum  Wahnsinn.  Den  geheiligten 
Plätzen  (Andaganach)  durften  sich  Frauen  und  Jünglinge  nicht  nähern.  In  der  höheren 
Welt  (Akadan  kjuudakh)  herrscht  ewiger  Tanz,  in  der  Unterwelt  (sitchugikh  kjuudakh) 
wohnen  viel  Menschen.  Auf  die  unbewohnte  Erde  fielen  vom  Himmel  zwei  haarige 
Wesen  herab,  die  das  erste  Menschenpaar  (ingatschagich)  zeugten.  Der  auf  der  Insel 
Junaska  lebende  Mann  zeugte  mit  einer  Frau  auf  Umnak  die  Aleuten.  Der  Zauberstein 
TMihimkich  wird  von  dem  Meer  angespült  und  ausserdem  gebrauchen  die  Aleuten  den 
Zaubergürtel. 

')  Die  Patagonier  wurden  von  dem  Pacha-Choni  genannten  Häuptling  beherrscht 
(1741).  Die  Patagonier  sprachen  von  den  riesigen  Tiremenen  im  Lande  Coin  (1598). 
Neben  den  Eskimo  oder  Innuit,  unter  der  gewöhnlichen  Grösse  (s.  Hayes)  finden  sich 
die  mitunter  (nach  Holmberg)  fast  riesigen  Koniagas  (besonders  in  der  ^Igatschischen- 
Bucht). 


504  •  RELIGION   UND   SITTE. 

Frau,  und  als  der  erstere,  aus  Mangel  an  Nahrung,  gestorben  war, 
wendete  sich  die  letztere  mit  einem  Gebet  um  Hülfe  an  die  Sonne ^) 
(s.  Raymondi). 

Con  heisst  bald  der  Sohn 'der  Sonne  (oder  der  Sonne  und  des 
Mondes),  bald  der  Schöpfer,  sowie  Vater  der  Sonne  und  der  Sterne. 
Nach  Garcia  schuf  Con  die  Sonne  und  den  Tag,  den  Mond,  die  Pla- 
neten und  übrigen  Sterne. 

Vom  Norden  kommend  kürzte  Con  (ohne  Knochen)  die  Wege 
ab,  die  Berge  erniedrigend  und  die  Thäler  erhebend  (als  Sohn  der 
Sonne),  und  schuf  Menschen  in  der  fruchtbaren  Erde,  die  er  später 
aus  Zorn  in  Sandwüsten  verwandelte,  obwohl  aus  Mitleid  die  Flüsse 
lassend.  Ihn  verbannend,  verwandelte  seine  Menschen  der  hinzu- 
kommende Pachacamac  in  schwarze  Meerkatzen  und  schuf  ein  neues 
Menschengeschlecht,  das  ihn  (als  Sohn  der  Sonne  und  des  Mondes) 
im  Schöpfer  verehrte  (s.  Gomara). 

Bei  den  Aht  wandelt  Chayher  als  knochenloses  Fleischgespenst 
umher.  Den  Acagchemcm  (bei  San  Juan  de  Capistrano)  erschien 
Quiot  in  neuer  Incarnation  als  Chinigchinig,  FAne  Beeren  suchende 
Frau  gebar  einem,  in  Jüngling  verwandelten,  Hund  die  Indianer  (nach 
den  Athabasken),  und  dann  ebnete  eine  Riesengestalt  das  ungefüge 
Land,  mit  seinem  Stabe  Seen  und  Flüsse  anzeichnend,  und  den  Hund 
zerreissend,    um    aus    seinen  zerrissenen  Fellstücken  die  Vögel,    aus 


^)  Compadecido  el  Sol  le  fecundö  con  un  rayo  de  su  luz,  y  le  nacio  un  hijo,  pero 
indignado  Pachacamac,  porque  la  mujer  se  habia  dirigido  al  Sol  y  no  a  el,  matö  al  nifio 
desmenuzandolo  en  pedazos.  La  madre  se  lamentaba  al  Sol  para  qiie  vengase  este 
crimen,  mas  Pachacamac,  ä  fin  de  que  nadie  se  qucjase  oira  vcz  de  falta  de  sustento  y 
no  le  negasen  la  adoracion  debida ,  sembrö  los  dientes  del  difunto,  y  naciö  el  mayz, 
sembr6  las  costillas  y  huesos,  y  nacieron  las  yucas  y  otras  frutas,  de  la  came  se  produ- 
jeron  pepinos,  pacaes.  No  contenta  con  esto  la  madre,  clamö  de  nuevo  al  Sol  y  este  le 
pidiö,  el  ombligo  de  su  hijo,  del  cual  formö  otro  llamado  Vichama  6  Villama,  que  se 
Iiizo  bellisimo  manccbo,  y  ä  imitacion  de  su  padre  se  puso  a  correr  el  mundo.  En  su 
ausencia  Pachacamac  matö  ^  la  mujer,  que  era  ya  vieja,  y  dividida  en  pequefios  trozos, 
la  diö  ä  comer  ä  los  gallinazos  y  cöndores,  y  dejö  escondidos  los  huesos  y  cabellos  en 
la  orilla  del  mar,  creö  hombres  y  mujeres  que  ^Doblasen  el  mundo,  y  nombrö  curacas  y 
caciques  que  los  gubemasen.  Desesperado  Vichama,  porque  se  habia  cscapado  Pacha- 
camac, ya  dios  invisible,  pidiö  i  su  padre  el  Sol  que  convirtiese  en  piedras  h.  los  hom- 
bres creados  por  Pachacamac.  El  castigo  se  ejecutö ,  pero  como  era  injusto ,  quiso  el 
Sol  repararlo,  y  no  podiendo  deshacer  la  conversion,  determino  divinizar  a  los  curacas  y 
caciques  poni^ndolos  en  el  mar  como  peÄascos  y  cscollos,  objetos  que  eran  adorados  en 
la  epoca  imperial  por  los  Indios  citados.  Viendo  Vichama  el  mundo  sin  hombres  pidiö 
al  Sol,  que  crease  otros,  y  este  le  enviö  ires  huevos,  uno  de  oro,  otro  de  plata  y  otro 
<le  cobre.  Del  primero  nacieron  los  curacas  y  nobles,  del  segundo  las  mugeres  y  del 
tercero  los  plebeyos"  (bei  Calancha). 


CON.  505 

seinen  zerrissenen  Fleischstücken  die  Thiere,  aus  den  in  die  Seen 
geworfenen  Eingeweiden  die  Fische  zu  schaffen  (s.  Hearne).  Erst 
nach  dem  Tödten  des  mit  dem  Haupt  den  Himmel  berührenden 
Riesen  Yakke-eltini  konnten  die  Tinneh  über  seinen  Leib  als  Brücke 
nach  ihrer  Erde  gelangen,  zu  der  bis  dahin  der  Zugang  ver- 
schlossen war. 

Nach  Apollonius  kam  von  Norden  Sahacon  (Sahagun)  das  frucht- 
bare Land  mit  Dürre  schlagend,  und  verschwand  dann  vor  Pacha- 
camac,  als  dem  Mächtigeren.  An  der  Küste  (bei  Manta)  wurde  Con, 
als  Suacon  oder  Hukkon  verehrt.  Con  (im  Chilenischen)  wird  als 
„fidus  amicus  et  familiaris"  erklärt. 

Bei  2amorra  zieht  sich  Suganmorsak,  der  Prophet  des  Gottes 
Con^),  in  die  Höhlen  des  Westens  zurück,  am  Meeresufer,  und  fügt 
so  ein  Glied  ein  in  die  Reihe  der  Propheten  Sogamoso's  in  Condi- 
namarca  oder  Cundinamarca  aus  dem  Westen  oder  Cont-ti  (Conti- 
suyu's). 

Als  Nationalgott  der  Puruhaes,  die  ihn  als  aufwärts  gekehrtes 
Mundgefass  (zum  Bluteinguss)  verehrten,  hatte  sie  Con  aus  dem 
Norden  auf  dem  Meere  herbeigeführt,  und  die  von  der  Küste  ,dann 
weiter  in  das  Innere  (bis  Lliribamba)  Gezogenen  blieben  von  den 
Wechselfällen    ihrer  zurückgebliebenen  Stammesgenossen  unberührt. 

Als  Con  einem  Mächtigeren  weichen  muss,  betritt  er  bei  Manta 
sein  über  das  Wasser  ausgebreitetes  Gewand  und  verschwindet,  dar- 
auf eingeschifft,  am  Horizonte  des  Meeres  in  der  Form  des  Pro- 
pheten (s.  Velasco).  Als  Kriegsfürst  dagegen  zieht  sich  Con  mit 
seinem  Volke  in  das  Meer  zurück  (s.  Garcia),  dasselbe  durchschreitend, 
und  diese  nach  Konkon  (bei  Lima)  verlegte  Katastrophe  wirft  er- 
klärendes Licht  auf  die  Versteinerungen  bei  Pachacamac,  vor  denen 
Coniraya  unverrichteter  Sache  zurückkehren  muss.  In  seinem  dorti- 
gen Fabelkreis  spielen,  neben  dem  Fuchs,  die  VögeP)  und  andere 
Thiere  in  wechselnden  Rollen. 

Nach  der  Fluth  kam  Con,  Sohn  der  Sonne  und  des  Mondes,  aus 
einem  Lande    im   Norden    nach  Peru    herübergeflogen,    Thäler  und 


')  Conani,  amoncstar  (conac,  consejero)  im  Quichua  (s.  St.  Thomas).  Cana  (cani,  ser, 
estar)  bedeutet  als  Suffix  das  letzte  oder  das  Ende;  öuki  (frei  oder  frisch  sein)  wird 
(im  Quechua  gegeben  als  ,,andar  con  despoucho  (wie  es  Con  bei  seiner  Schöpfungs 
Wanderung  zugeschrieben  wird).  Neben  dem  Tempel  des  Himmelsherm  Caddi  oder  Anjo 
verehrten  die  Asinais  den  von  ihm  gesandten  Knaben  oder  Coninicis  (s.  Uhde). 

^)  Durch  den  Rauch  des  (bösen)  Can-nook  wurde  Yale,  die  weisse  Himmelskrähe, 
geschwärzt  (bei  den  Clingats). 


506  RELIGION  UND   SITTE. 

Berge  schaffend ,  aber  dann  die  ihn  beleidigenden  Bewohner  unter 
Zerstreung  der  Wolken  mit  Dürre  strafend,  obwohl  er  ihnen  aus 
Mitleid  einige  Bäche  des  Gebirges  Hess.  Seine  Verehrung  dauerte 
bis  zu  seinem  Verschwinden  vor  dem  mächtigerem  Gotte  Pachacama, 
ebenfalls  von  Sonne  und  Mond  erzeugt,  der  aus  Süden  kommend, 
das  frühere  Menschengeschlecht  in  Affen,  Papageien,  Bären,  Löwen 
und  andere  Thiere  oder  Vögel  verwandelte,  das  nachherige  Ge- 
schlecht der  Peruaner  schaffend.  Suganmuxi  (Su-Con-Moxi)  Hess 
seinen  Fusseindruck  bei  Suache. 

Der  Schöpfuug  geht  (wie  im  Norden,  in  Polynesien  u.  s.  w.) 
die  allgemeine  Dunkelheit*)  vorher,  und  erst  als  die  Sonne  aus 
dem  See  von  Titicaca  hervorkam  (s.  Cieza),  erschien  das*  erste 
Licht.  In  solcher  Dunkelheit  liegen  die  Fragen  über  die  erste 
Schöpfung  begraben,  deren  Lösung  die  mit  Pia  (nein)  antwortenden 
Papagos  eingestanden,  niemals  gewagt  zu  haben  (s.  Pfefferkorn), 
und  auch  die  Mainas  (nach  Veigl)  kümmerten  sich  nicht  um  den 
ersten  Urheber  der  Dinge.  In  Aneiteum  dagegen  hat  Nugerain  die 
Insel  aus  dem  Ocean  aufgefischt,    von  ihm   stammen    die  Natmases, 

die  sich  in  der  Luft,  auf  Erden  und  Wasser  finden. 

» 

Als  Alles  noch  Nacht^)  ohne  Licht  und  Tag  war,  trat  aus  dem 
See  CoUa-Suyu's,  der  Herr  Contice-Viracocha'*)  hervor,  die  Sonne,  den 
Mond  und  die  Sterne  schaffend  (schreibt  Garcia). 


*)  In  der  sonnenlos  chaotischen  Welt  liess  Vale  (die  Krähe)  nach  Rücktritt  der 
Wasser  und  Vorkommen  der  Sonne  unter  viermonatlicher  Theilung  der  Jahreszeit  (wie 
dem  remonstrirenden  Racoon  durch  seine  vier  Zehen  unter  Abreissen  des  Wassers  gezeigt 
wurde)  aus  dem  Regenschauer  (um  sich  ein  Haus  zu  bauen)  Menschen  hervorgehen  und 
vermählte  sich  (nachdem  er  seine  aus  den  Lachsen  gefreite  Frau,  in  Folge  des  Wett- 
streites mit  dem  Baumstumpf,  vertrieben)  mit  der  Sonnentochter,  deren  Sohn  seines 
Grossvaters  Wagen  lenkend,  denselben  der  Erde  so  nahe  brachte ,  um  die  Vulcane  (wie 
Mount  Baker)  anzuzünden,  bis  sein  Vater  die  Sache  wieder  in  Ordnung  setzte,  und 
dann  (nachdem  er  in  der  Hütte  des  alten  Häuptling  Can-nook  geschwärzt  war)  die  sünd- 
,  haften  Menschen  durch  die  Fluth  vertilgte,  ausser  den  auf  die  Berghöhen  Geflohenen, 
die  durch  Hintersichwerfen  von  Steinen  neue  Menschen  hervorriefen  (s.  Macfie).  Im  An- 
fang war  es  ausstreckend,  wie  ein  Spinngewebe,  und  der  Erd- Prophet  (Chiowatmahke) 
flog  als  Schmetterling  umher,  die  Menschen  (durch  Kneten  des  Lehm  mit  seinem  Schweiss) 
zu  schaffen,  unter  welchen  Szeukha  (Sohn  des  Schöpfers)  mit  der  aus  des  Adlers  Raube 
befreiten  Frau  die  Hohocam  zeugte,  deren  Verwandten,  die  Sivanos,  die  Casas  grandes 
erbauten  (nach  den  Pirnas). 

')  Aus  der  Nacht  (Po)  treten  die  Götter  Polynesiens  hervor  und  der  als  Makunaima 
(bei  den  Macusi)  oder  als  Aluberi  (bei  den  Arowaken)  verehrte  Äkawai  oder  Arowaak 
der  Cariben  heisst,  als  Schöpfer  der  Welt,  der  bei  Nacht  Arbeitende  (s.  Schomburgk). 
Neben  Pillan  wurde  (in  Chile)  Maruapoante  verehrt  (sowie  der  böse  Geist  Alverey). 
Neben  dem  Häuptling  Nentoque  wird  beim  Krieg  der  Apo-Curaca  gewählt  (in  Chile). 

2)  Adoraban  a  dioscs  como  Viracocha  y  al  Sol  y  a  Guanaconci  y  a  Pachacama  (die 


TIAHUANACO.  507 

Dieser  Schöpfergott,  der  in  Tiahuanaco  die  Sonne  schafft  und 
die  Steinbilder  belebt,  nimmt  dann  die  Form  des  weiter  wandernden 
Propheten  an.  Von  den  Canas  (in  Cacha)  verfolgt  und  mit  der 
Steinigung  bedroht,  ruft  Con-Tici-Viracocha  himmlisches  Feuer*)  auf 
sie  herab,  setzt  in  Cuzco  den  AUca-Veica  (Alco-Vilca)  als  Herrscher  ein 
und  zieht  dann  nach  Puerto  viejo,  um  sich  dort  über  das  Meer*)  zu 
entfernen. 

Aus  dem  Meer  aber  war  der  Schaumgeborene  entsprossen,  ehe 
er  von  der  Sierra  nach  der  Küste  zurückkehrte. 

Inga  Viracocha    (que   vino   a  aquella  tierra  solo,    sin   que  haya 
memoria  de  donde)  wurde  als  erster  Fürst  in  Cuzco  empfangen  und 
wegen  seiner  weisen  Gesetze  vergöttert,  zum  Herren  erhoben  (s.  An 
dagoya).  Die  Monumente  von  Tiahuanaco  galten  als  die  vorweltliche 
Behausung  3)  des  Schöpfers  in  der  Form  Viracocha  s. 


Peruaner).  Die  Sonne  in  Hachaccuna  wurde  als  Sohn  Viracocha's  verehrt  (neben  Guana- 
caure).  Die  Peruaner  verehrten  y,k  el  Viracocha  y  a  el  Sol  y  a  Quanacaure"  (mit  den 
Quacas  y  Ydolos).  Adoraban  a  el  Sol  y  Aunaguaca,  que  le  llaman  Guaynacauri  y  a 
otros  Guacas  (neben  Viracocha).  Das  höchste  Wesen  (Acha-kanct)  schickte  (bei  den 
Araucanem),  wie  das  Gute,  auch  das  Böse. 

*)  Die  Himmelsflanunen ,  wodurch  die  Riesen  bei  Punta  Elena  erschlagen  wurden, 
spalteten  den  Felsen,  wohin  sie  flohen. 

•)  Zu  den  Nutka,  bei  denen  (neben  dem  Schöpfer  oder  Quahootze)  Matlose  durch 
seine  Stürme  schreckt,  wurde  der  in  einem  kupfernen  Canoe  anlangende  Prophet  der 
Auferstehung  getödtet.  Quauwteaht,  der  Schöpfer,  lehrte  die  Aht  die  Verehrung  der  Ge- 
stirne (neben  dem  Donnervogel  oder  Tootooch)*  Die  Okanagan  am  Columbia  (bei  denen 
der  gute  Elemehumkillanwaist  oder  Skyappe  und  der  böse  Kisthsamah  oder  Chacha  die 
Luft  durchstreifen)  stammen  von  dem  durch  die  lange  Fahrt  gebräunten  Ehepaar,  das  sich 
in  einem  Canoe  rettete,  als  die  Fürstin  Scomalt  den  Sitz  der  Aufständischen  von  der 
Insel  der  Weissen  Männer  (Samahtumicohoolah)  abtrennte  und  den  Wellen  preisgab. 
(Wenn  die  Flüsse  die  Pfosten  der  Erde  untergraben  haben  folgt  das  Weltende  oder 
Itsowleigh).  Da  die  Häuptlinge  zu  gross  sind,  um  zu  sterben,  folgt  Tod  nur  durch  Zau- 
berei, die  zu  strafen  ist,  bei  den  Chinuk  (s.  Parker).  Die  Keelalles  heilen  Krankheiten 
und  die  Etaminuas  öffnen  der  Seele  den  Weg  in  das  Jenseits. 

')  Bei  den  Mojaves  zwischen  Rio  Verde  und  Colorado  (mit  dem  bösen  Newathue) 
weilte  der  Schöpfer  Matevil  in  einer  grossen  Casa,  bei  deren  Zusammenfall  nach  Osten 
ziehend  (Rückkehr  versprechend).  Nachdem  die  Riesen  imter  Wappeckquemow  durch 
Gottes  Zorn  vom  Klamath  vertrieben  waren,  wanderten  die  Califomier  aus  dem  Nord- 
westen zum  Trinity-Fluss  (s.  Rosebourough).  Nachdem  der  Muschelhaufen  oder  Kjökken- 
mödding  bei  Crescent  city  (in  Nord-Califomien)  durch  die  sieben  Hohgates,  die  in  einem 
Boot  anlangten  (hohe  Häuser  bauend)  durch  den  Auswurf  aufgerichtet  war ,  wurden  sie 
(bei  Einwanderung  der  Califomier)  durch  einen  harpunirten  Seelöwen  beim  Fischfang 
fortgeschleppt  und  bilden  die  sieben  Sterne  am  Himmel.  Bei  den  Acagchemem  wurden 
^um  Schmuck  beim  Federtanz  die  Geier  oder  Panes  verehrt  (als  von  Chinigchinich  im 
Gebirge  in  Vögel  verwandelte  Frauen).  In  der  Meerenge  von  Santa  Barbara  wurden  von 
Cabrillo  Pyramidenhäuser  gesehen.    Die  Tahatens  wohnten  bei  Crescent-city. 


508  RELIGION   UND   SITTE. 

In  Guamachuco  dagegen  traf  der  Prophet  auf  härteren  Unglau- 
ben, und  als  Viracocha.  den  eine  dort  erhaltene  Steinfigur  mit  kahlem 
Kopf  darstellt,  wurde  er  vertrieben.  Auch  Viracocha's  Erscheinung 
im  Tempel  Ancocahua  der  Canchas  am  Vilcomayu  verblieb  in  der 
Erinnerung. 

Der  Tempel  von  Cacha  war  in  Folge  der  in  Chita  erhaltenen 
Offenbarung  gebaut,  als  ein  dachloser,  und  unter  seinen  labyrinthi- 
schen Gängen  (mit  oberem  Stockwerk)  wurde  in  einer  Capelle  der 
Platz  gebildet,  wo  Inca  Viracocha,  als  sich  die  Vision  ihm  näherte, 
unter  einem  überhängenden  Felsen  niedergelegen. 

Cieza  verknüpft  den  von  Tupac-Inca-Yupanqui  bei  Cacha  erbauten 
Tempel  mit  der  feurigen  Bestrafung  der  Canas  in  traditioneller  In- 
cinanderkettung. 

Vor  den  Lehren  des  Propheten  flohen  die  Dämone,  und  Tonapa 
Vihinquira  vertrieb  die  in  Asillu  und  Hucuru  hausenden  nach  den 
Schneegipfeln,  ebenso  wie  Tonapa  Varivillca  in  Hatun-Sausa-Huanca, 
und  Capac  Yupanqui  Hess  die  Einsiedlerzelle  desselben  bei  Xauxa 
wiederherstellen  (s.  Santa  Cruz). 

Als  die  Teufel  (Hapi-ftufius  Achacallas)  geflohen,  wurde  das  Land 
mit  der  Erscheinung  Thonapas  beglückt,  der  bei  Apo-tampu^)  in 
Paccari-tampu  seinen  Stab  2)  zurückliess,  das  Unterpfand  künftiger 
Inca  -  Herrschaft.  In  Caravaya  von  den  Wilden  verfolgt,  wurde  er 
von  einem  miraculös  gesandten  Jüngling  von  seinen  Banden  be- 
freit, und  schiffte  sich  mit  ihm  auf  seinem  Propheten-Mantel  ein,  den 
See  von  Carapuca  durchkreuzend.  Ueber  den  Fels  von  Titicaca  nach 
Tiyahuanacu  gelangt,  wurden  dort  die  gottlosen  Tänzer  in  Stein  ver- 
wandelt, und  dann  die  Wanderung  längs  des  Flusses  Chacamarca 
zum  Meere  fortgesetzt. 

Gleich  den  americanischen  Propheten  des  Nordens  wird  Vira- 
cocha*)  bärtig   dargestellt,    im    langen  Gewände  und  so  Sume  oder 


>)  In  der  Sprache  der  Huachapairis  (bei  Paucartambo)  bezeichnet  Apan  Valer 
(s.  Göhring). 

')  Die  Stämme  der  Kamilaroi  und  Wiradhuri  (am  Darling)  erhielten  von  dem  Schöpfer 
Baiame  (baia,  to  build)  or  Baiamai,  dessen  Ruheplatz  in  einem  ausgehöhlten  Felsen  ain 
Narran-Fluss  gezeigt  wird,  den  heihgen  Stab,  der  bei  den  (Bora  genannten)  Ccremonien 
der  Jünglingsweihe  gebraucht  wird  (nach  Ridley).  Baiame  oncc  showed  the  black  fellows 
how  to  get  rid  of  Mullion,  a  deraon  in  the  form  of  an  cagle,  who  lived  in  a  trec  and 
devoured  many  people  (am  Darling). 

')  AI  que  ellos  tienen  por  criador  unyversal  llamanle  de  munchas  maneras,  per  un 
nombre  Pachayachachi,  que  es  nombre  general  e  quiere  dezir  criador,  c  quando  tratan  de 
la    mar,    llamanle  Tizibiracocha  (1571).      ,,VViewol  nun  die  Wörter,    wann    sie  mit  dem 


FLUTH.  509 

Pay-Sume,  der  (bei  den  Guaranis)  Maire  Hamana  hiess  (Meyr,  pere- 
grino,  barbudo,  vestido).  Die  Paraguaier  (nach  Brullius)  nannten 
Pai-Sume  oder  Tunume  (Turne)  Tunupa,  sapientem,  (dominum  ac  Crea- 
torem),  und  Taapac  (creatoris  filium). 

Die  Fluth*)  dient  bald  zur  Erneuerung  früherer  Schöpfung,  bald 


Ticciviracocha,  welchem  sie  vornemblich  alle  Macht  und  Regierung  zuschreiben  ,  redeten, 
underschiedlich  waren,  so  waren  doch  die  andern  Götzen  wie  particular  Götter  der  Herrn, 
die  ein  Jeder  in  seinem  Ilauss  stehen  hatte,  damit  sie  bey  dem  grossen  Ticciviracocha 
Fürsprecher  seyn  möchten"  (in  Peru). 

*)  Volksoverleveringen  melden  dat,  na  eenen  grooten  watervloed  die  de  geheele 
vereld  overstroomde ,  de  berg  Noesakoe  te  voorshyn  kam,  bedekt  met  groote  boomen, 
waarvan  de  bladeren  den  vorm  hatten  van  het  pudendum  muliebre,  slechts  drie  personen 
bewonden  dien  berg,  zij  waren  genaamd  Oeli  Lima,  Oeli  Siva  en  Oeli  Asö.  Door  en 
vogel,  Marapati,  werd  hun  de  mededeling  gedaan ,  dat  nog  andere  bergen  (in  Ceram) 
zum  Vorschein  gekommen  (s.  Van  der  Grab).  Nach  Ansicht  der  Califomier  hatte  Chinig- 
chinich  einst  die  Welt  fiir  ihre  Sünde  überschwemmt  und  wenn  sie  die  entsprechenden 
Gebete  sangen,  ihren  Feinden  drohend,  antworteten  diese  durch  andere  Verse,  dass  Chinig- 
chinich  nicht  wünschen  würde,  die  Welt  nochmals  zu  zerstören  (s.  Boscana).  Als  die 
Coyotes  (die  durch  das  Verbrennen  der  Wurmgeister  nicht  mehr  zum  Mond  entfliehen 
konnten)  in  Menschen  verwandelt  waren,  bedauerten  sie  durch  Aufrechtsitzen  den  Schwanz 
verloren  zu  haben  und  binden  ihn  sich  deshalb  beim  Tanze  wieder  an  (nach  den  Poto- 
yantes  in  Galifornien).  Bei  der  Fluth  blickte  der  Coyote  von  der  Spitze  des  Mount  diablo 
auf  das  Wasser,  wo  aus  der  schwimmenden  Feder  sich  ein  Adler  bildet ,  und  dieser  flie- 
gend ,  der  Coyote  schwimmend ,  wurden  die  Menschen  geschaffen ,  indem  mit  dem  das 
Goldene  Thor  (für  Sacramento  und  San  Joaquin)  öffnenden  Erdbeben  die  Erde  sich  ver- 
grösserte  (während  früher  die  Wasser  nur  im  Russian  River  und  San  Juan  einen  Ausgang 
hatten).  Die  Hopilpo  (Flathead)  gehören  zu  den  Salish.  Die  Höh  wohnen  beim  Cap 
Flattery  (mit  den  Queniult).  Bei  dem  zur  Erinnerung  an  die  Wasserfluth  gefeierten 
Okippe-Fest  (wo  die  trauernde  Taube  ankommt,  einen  Zweig  mit  ausgewachsenen  Blättern 
tragend)  feiern  die  Mandans,  um  durch  grausame  Martern  den  Allmächtigen  zu  versöhnen, 
Verzeihung  ihrer  Sünden  und  gutes  Glück  auf  Jagd  und  Krieg  zu  erlangen  (s.  Catlin).  Nach 
den  Vocuten  baut,  als  die  Ente  Schlamm  aus  dem  WaSser  gebracht,  der  Habicht  im 
Osten,  die  Krähe  im  Westen  nach  Norden  hin  die  Welt  im  Berg  Shasta,  und  als  sich 
die  westliche  Hälfte  (wegen  des  Diebstahls  der  Krähe)  grösser  zeigte,  drehte  der  Habicht, 
Berg  Shasta  als  Centrum  ergreifend,  die  Welt  um ,  so  dass  sich  die  Sierra  nevada  im 
Osten  und  die  Coast-range  im  Westen  fand  (s.  Powers)  [Java].  Als  die  durch  den  empor- 
gehobenen Rücken  des  Riesen-Maulwurfs  (Ididoc)  gebildete  Erde  durch  eine  Fluth  zer- 
stört wurde,  rettete  sich  (nach  den  Shastas)  das  Eichhörnchen  nach  dem  Hügel  Wak- 
waynuma  (bei  Happy  Camp).  Nach  dem  Aufschwellen  ihrer  Capitana  Coronne  zu  einem 
Erdhaufen  kamen  die  aus  Sejat  (der  Ort  der  wilden  Bienen)  ausgewanderten  Indianer  an 
den  Ort,  wo  später  die  Mission  St.  Juan  stand  und  nannten  ihn  Acagchemem ,  weil  sie 
dort  in  einer  Pyramide  aufgethürmt  zusammen  geschlafen  hatten  (s.  Boscana).  Als  die 
Riesen  in  Gottes  Fluih  untergingen,  baute  Ein  Mann  ein  Schiff  (Micinapikavan)  und  Hess 
einen  Raben,  der  (weil  nicht  wiederkehrend)  schwarz  wurde,  und  dann  eine  Taube  (mit 
Schlamm  an  den  Füssen)  fliegen  (nach  den  Knistenaux).  Als  der  beim  Untergang  der 
Riesen  in  einem  Nachen  Gerettete  von  der  Fischotter  Schlamm  erhielt,  dehnte  er  ihn 
aus,  auf  das  Wasser  blasend  und  das  Rennthier  darüber  laufen  lassend  (bei  den  Mon- 
tagnards  in  Canada).     Tschäpiwich,    in    einem    Nachen    aus    der    Fluth    gerettet,    sandte 


510  RELIGION  UND  SITTE. 

bildet  sie  den  Anfang,  als  noch  Alles  Wasser  war.  Als  nach  der 
Fluth  auf  die  Felsen -Insel  Titicaca  die  ersten  Strahlen  der  Sonne 
fielen,  setzte  sie  dorthin  ihre  beiden  Kinder,  die  nach  Cuzco  ziehen- 
den Inca  (s.  Garcilasso).  Nach  Molina  trieben  die  aus  der  Fluth 
Geretteten  nach  Tihuanaco,  wo  die  Gottheit  die  verschiedenen 
Stämme  der  Indianer  schnitzte,  die  dann  auf  unterirdischen  Gängen 
fortgesandt,  an  den  ihnen  angewiesenen  Plätzen  aus  dem  Boden 
hervorkamen.  Am  Magdalenenfluss  belebt  Ari  die  geschnitzten 
Menschengesichter  durch  Hineinwerfen  in  den  Strom.  Bei  den  Ca- 
riben  verwandelt  Akawai  oder  (bei  den  Macusi)  Makunaima  die  von 
dem  Baume  gehauenen  Zweige  in  Thiere  und  schafft  dann  den 
Menschen,  sowie  bei  seinem  Schlaf  die  Frau, 

Das  aus  der  Fluth  in  einen  Kasten  gerettete  Paar  (Mann  und 
Frau)  wurde  durch  den  Wind  nach  Huanaco  (Ti-Huanacu)  getrieben, 
wo  sie  als  Ansiedler  oder  Mitimaes  verblieben,  auf  Befehl  des 
Schöpfers,  der  aus  Lehm  die  verschiedenen  Stämme  der  Menschen 
formte  und  unter  der  Erde  hinweg  an  die  Plätze  ihrer  Geburtsstätten 
sandte  (s.  Molina). 

Nach  den  Peruanern^)  würde  die  (einst  durch  Fluth  zerstörte 
Erde)  später  durch  Hitze  zu  Grunde  gehen,  indem  sich  diese,  nach 
Eintreten  zunehmender  Dürre,  zu  steigern  habe. 

Bei  der  Fluth  flüchteten  sich  die  Menschen  (in  Peru)  auf  hohe 
Gebirge  in  kleine  Höhlen*),  die  an  der  OefTnung  verstopft  wurden, 
und  erhielten  dann  von  den  nass,  aber  rein  zurückkommenden,  Hun- 
den die  Nachricht  von  der  Fortdauer  des  Regens,  von  den  kothig 
zurückkommenden  die  Nachricht  vom  beginnenden  Ablauf  des  Wassers 


(nach  dem  ertninkenen  Biber)  die  Bisamratte  und  bildete  aus  dem  Schlamm  eine  Insel 
(nach  den  Hundsrippen).  Numank-Machana  (Erster  Mensch)  landet  in  der  Arche  (Mah- 
Mönnich-Tucha)  auf  einem  Berge  (bei  den  Mandan).  Als  die  (nach  Unterbrechung  des 
Laufs)  wiederkehrende  Sonne  die  Flulhen  vertrieben,  warf  sie  die  ersten  Strahlen  auf 
den  Tempel  des  See's  Theomi  (bei  den  Apalachiten).  Menabochu  (bei  den  Odjibbewa), 
der  den  Schlangenkönig  des  See's  (wo  der  ihm  befreundete  Wolf  auf  dem  Eis  einge- 
brochen war)  getödtet,  flüchtet  (von  den  Fluthen  verfolgt)  auf  einen  Baum,  von  wo  er 
den  Biber  und  dann  die  Moschusratte  an's  Land  schickte,  auf  einem  Canoe  zwischen  den 
gebildeten  Inseln  umherschiffend  und  die  Flüsse  mit  der  Messschnur  regelnd. 

*)  ,, Etliche  sagen  auss  dem  grossen  Pfui  Inticaca  sei  herfÜrgekonmien  ein  Viracocha, 
der  habe  zu  Tiganace  seinen  Sitz  gehabt"  (s.  Humberger).  ,,Ist  also  eine  gemeine 
Mcynung,  dass  die  Tambos  vor  allen  andern  Menschen  gewesen  sind,  von  denselben 
komme  Mangacapa,    welcher  für  einen  Anlanger  des  Geschlechts  Ingas  gehalten  wird". 

*)  En  las  cuevas  y  concabidades  de  las  sierras  mas  altas,  quedaron  algunos  que 
volvieron  a  poblar  la  tierra ,  bei  der  Sündfluth ,  segun  los  Indios  Guancas  (vezinos  del 
Valle  de  Xauja). 


PHYXIUS.  511 

(s.  Gomara),  worauf  sie  mit  den  durch  die  Feuchtigkeit  erzeugten 
Schlangen  (beim  Hervorgehen)  zu  thun  bekamen. 

Auf  Rath  seines  stönenden  Lama  begab  sich  der  indianische 
Hirte  auf  die  Höhe  des  Berges  Villca  -  coto  (zwischen  San  Damian 
und  San  Geronimo  de  Surco),  wo  bereits  alle  übrigen  Thiere  ver- 
sammelt waren,  und  wurde  so  bei  der  aufsteigenden  Fluth  allein  ge- 
rettet (mit  Essen  für  5  Tage),  worauf  er  mit  einer  Teufelin  die 
neueren  Menschen  zeugte  (s.  Acosta).  Durch  Erhebung  des  Berges 
Huaca-Yfian  retteten  sich  die  Brüder  aus  der  Fluth  (bei  den  Cafiaris). 
Durch  seine  Schafe  (Lama)  von  der  kommenden  Fluth  benachrichtigt, 
begab  sich  der  Schafhirt  mit  seinen  Kindern  auf  den  Berg  Ancasmarca 
(bei  Cuzco),  der  sich  mit  der  steigenden  Fluth  entsprechend  hob, 
und  mit  der  sinkenden  erniedrigte.  Die  von  den  drei  Söhnen  Pacha's 
(des  ersten  Menschen)  bekämpfte  Schlange,  spie  Wasser,  die  Welt 
überschwemmend,  worauf  sich  Pacha  mit  seinen  drei  Frauen  und 
drei  Söhnen  nach  dem  Holzhause  auf  den  Pichincha  zurückzog,  und 
(als  Raben  ausgesandt  waren)  das  Land  von  Quito  wieder  bevölkerte 
(s.  Bollaert),  unter  Einwanderung  der  Cara. 

Als  der  durch  die  Lama  vor  der  Fluth  gewarnte  Hirte  (in  Hua- 
rochiri)  sich  auf  Berg  -  Gipfel  flüchtete,  folgten  ihm  die  Thiere  und 
zuletzt  der  Fuchs,  dessen  Schwanz  im  Wasser  hängen  blieb,  so  dass 
die  Spitze  seitdem  schwarz  ist. 

Die  durch  die  Erhebung  der  Spitze  des  Berges  Huaca-Yflan  (in 
Caftaribamba)  aus  der  Fluth  geretteten  Brüder  bauten  bei  ihrer  Be- 
siedelung  des  trocken  gewordenen  Landes  Hütten,  in  welchen  sie, 
wenn  abendlich  von  der  Jagd  zurückkehrend.  Alles,  wie  von  Men- 
schenhand geordnet  fanden.  Eines  Tages  im  Versteck  lauschend, 
sahen  sie  zwei  Ära -Vögel  eintreten,  die  ihr  Federkleid  abwerfend, 
sich  in  Mädchen  verwandelten,  und  wie  geschäftige  Hausfrauen  den 
Wohnsitz  zum  Empfang  herrichteten.  Die  jüngere  gelang  es  den 
Brüdern  zu  erhaschen,  während  die  ältere  entfloh,  und  in  der  ein- 
gegangenen Ehe  wurden  die  Caftares  gezeugt.  Die  Chenposel  in 
California  sprechen  von  der  Liebschaft  der  Elster-Frauen,  deretwegen 
die  Welt  in  Feuer  gesetzt  wird,  bis  es  der  Coyote  erlöscht.  Die 
3  Vorfahren  der  Guaranis  bestiegen  den  Gipfel  einer  Palme,  um  sich 
aus  der  Fluth  zu  retten  (s.  Angelis).  Bei  den  Cariben  erfährt  der 
aus  der,  durch  den  bösen  Epel  verursachten,  Fluth  in  einem  Canoe  Ge- 
rettete durch  die  Maiskolben  der  Ratten  das  Ablaufen  der  Wasser 
und  schafft  durch  die  hinter  sich  geworfenen  Steine  [wie  auch  der 
polynesische  Deucalion]    die    neuen  Menschen  (s.  Schomburgk),  die 


512  RELIGION  UND   SITTE. 

bei  den  Tamanaken  aus  den  zurückgeworfenen  Früchten  der  Mau- 
ritia-Palme  hervorgehen  (s.  Humboldt). 

In  Peru  fiel  Regen,  wenn  das  Wassergefäss  der  Himmelsfrau 
zerbrach.  Bei  den  Shasta  (und  Neeshenam)  weinte  ein  Indianer  im 
Himmel,  wenn  es  regnete,  und  als  die  Thränen,  wegen  des  Todes 
eines  Jünglings,  einst  zu  reichlich  fielen,  überschwemmte  die  Fluth 
(s.  Powers).  Auf  der  (durch  den  gebogenen  Rücken  des  Maulwurfes 
Ididoc  erhobenen)  Erde  wurden  alle  Thiere  durch  die  Fluth  zerstört, 
ausser  den  auf  den  Bergen  Wakwaynuma  (bei  Happy  Camps)  leben- 
den Eichhörnchen.  Nach  den  Salteaux  -  Indianern  (am  Mackenzie- 
Fluss)  erhielt  Wis  -  kay  -  tehach ,  der  früher  mit  den  Wölfen  in  Ver- 
wandtschaft lebte,  nach  der  Fluth  Erde  durch  die  untertauchenden 
Wasserratten,  während  der  Tauchvogel,  Otter,  Biber  vergebliche 
Versuche  gemacht  hatten  (Hooper). 

Die  Peruaner  opferten  „den  Brunnen,  Bächen  und  Wasserleitun- 
gen etliche  Seeschulpen  mit  Voxwendung,  dass  die  Schulpen  der 
Wcltsee  Töchter  weren,  wie  der  Weltsee  der  Brunnen,  Bäche  und 
Wasserleitungen  Mutter"  (s.  Dapper).  Beim  Fest  Huarki  wurden 
graue  Schafe  geopfert  (in  Peru),  beim  Fest  Punchaiquis  ein  schwarzes 
Schaf  gebunden  unter  den  Himmel  gelegt,  bis  Thau  fiel. 

Nachdem  Con  die  Welt  durch  sein  Wort  geschaffen,  vernichtete 
er  dieselbe  durch  Dürre  und  verwandelte  ^  die  ihn  undankbar  ver- 
gessenden Menschen  in  schwarze  Katzen,  bis  sein  Sohn  Pachacamac, 
dem  als  Apochieta  oder  Apachieta  muchhani  (adoro  al  que  hace 
llevar,  doy  gracias  al  que  me  ha  dado  la  fuerza  de  llegar  hasta  aqui) 
auf  den  Hügelspitzen  Steinhaufen  errichtet  wurden,  neue  Menschen 
schuf  und  dann  der  Inca  die  Verehrung  der  Sonne  (Inti  oder  Ppu- 
chao)  einführte  (wird  in  Theokrasien  zusammengereiht). 

Da  dem  (wie  im  Millennium)  erwarteten  Ende^)  der  Welt  eine 
langjährige    Dürre   vorherzugehen    hatte,    unter    Verschwinden    der 


')  Nachdem  alle  Menschen  gestorben  und  der  zerschmetterte  Erdklumpen  durch  eine 
Fluth  vom  Bluth  gereinigt  ist ,  wird  Pirksoma  (der  da  droben)  auf  die  Menschen  (zur 
Wiederbelebung)  blasen.  Tamgek  ist  Seele  (bei  den  Grönländern).  Tomgamsuk's  Weib 
riss  die  Disko-Insel  vom  Baal's-Rivier  ab.  Nur  die  Angekok  können  Gespenster  (Angiak) 
sehen  und  sie  (mit  verbundenen  Augen)  in  der  Luft  fangen  (zum  Auffressen).  Die  Kon- 
gensetokit  (Meergeister)  schnappen  die  P'üchse  am  Strande  (zum  Fressen)  auf.  Die 
Ingnersoit  (Feuergeister)  sind  die  vorfluthlichen  Menschen,  in  Irrwische  verwandelt.  Die 
Tunnersoit  (der  Berge)  sind  zwergig,  die  Erkiglit  hundsköpfig,  Sillagiksartok  wohnt  auf 
dem  Eisfeld  und  schafft  schönes  Wetter.  Wenn  gewisse  Speisen  den  Leuten ,  sonderlich 
den  Weibern  die  kleine  Kinder  haben  oder  in  der  Trauer,  schädlich  sind,  so  haben  die 
Nerrim-Innuet  (Inhaber  der  Si>eisen)  dieselben  gereizt,  gegen   die  Enthaltungsmassregcln 


DÄMONE.  513 

Sonne  und  des  Mondes  (s.  Gomara),  legten  die  Grossen  (in  Peru)  die 
Pirua  genannten  Vorrathshäuser  an  (s.  Barate). 

In  Xauxa  sprach  die  Sage  von  fünf  Sonnen,  durch  deren  Er- 
scheinen die  Dämone  vertrieben  wurden  (wie  in  Hayti  versteinert). 
So  lange  es  (in  Mexico)  fünf  Sonnen  gab,  geriethen  die  Früchte 
nicht,  weshalb  die  Menschen  starben  (Mendieta).  Die  neun  Brüder, 
die  neben  der  Sonne*)  die  Menschen  auf  der  Erde  verbrannten, 
werden  von  dem  Coyote  getödtet  (bei  den  Shastas),  und  ebenso  die 
neun  Brüder,  die  gleich  dem  Mond  aus  Eis  gebildet  waren,  indem 
dann  zugleich  das  zur  Erhitzung  des  dazu  dienenden  Wasser's  ge- 
brauchte Feuer  den  frierenden  MenschenErwärmung  lieferte  (s.  Powers). 

Im  gekrümmten  Hügel  (NunneHamgeh)  oder  dem  hohen  Hügel 
(Nunne-Chaha)  bildete  der  Herr  des  Athem's  (nach  den  Choctaw) 
den  Menschen  aus  Lehm,  und  baute  eine  Mauer  um  ihn,  gegen  die 
bis  dahin  Alles  bedeckenden  Wasser,  damit  das  Fleisch  trockne 
(Gregg).  Nach  Zerstörung  der  Welt  durch  Feuer  wird  eine  neue 
schönere  sich  erheben  mit  Auferstehen  der  Menschen  (s.  Hodgson). 

Der  von  Garcilasso  auf  den  Titicaca-See*)  zurückgeführte 
Sonnen-Ursprung  der  Inca  wird  bei  Montesinos  durch  die  Veranstal- 
tung Mama  Ciboca's  erklärt,  die  in  die  Höhle  Chingana  zurückge- 
zogen, als  Gattin  der  Sonne  galt,  und  dann  ihren  Sohn  Inca-Roca 
im  glänzenden  Goldschmuck  von  den  Strahlen  der  Sonne  beleuchtet 
hervortreten  Hess.  Nach  Peralta  proclamirte  MamaHuaco  (mit  ihrer 
Schwester  Pilcosisa)  den  in  der  Höhle  auferzogenen  Sohn  als  Kind 
der  Sonne.  Die  Klosterjungfrauen  entgingen  bei  Schwangerschaft 
dem  Tode  nur,  wenn  sie  sich  von  Pachacamac  imprägnirt  erklärten. 
Inti-Capac  zog  sich  bei  der  Abdankung  für  seinen  Sohn  Manco 
Capac  II.    in    einen    Sonnentempel   zurück  (s.  Montesinos),    um    dort 


davon  zu  essen  (s.  Cranz).  Angekan  oder  (südgrönländisch)  Angekahk  heisst,  er  ist  sehr 
gross  und  Angejokait  die  Vorfahren  (s.  Cranz).  Die  Illiveetsok  (Hexenmeister)  wissen 
aus  einem  geschwollenen  Bein  Ilaare  und  Fellflecke  mit  dem  Mund  (diesen  vollgestopft) 
herauszusaugen. 

')  Das  höchste  Wesen  Eatua-Rahai  (als  Ta-roa  Teay-Etumo  in  der  Sonne  wohnend) 
zeugte  mit  der  weiblichen  Hälfte  (dem  Fels  O-Te-Papa)  die  Mondgöttin  Ohina,  den 
Stemeschöpfer  Te-Whettoo  Ma  Tarai,  den  Meeresgott  Umarrio  und  den  Windgott  Orre- 
<^)rre,  während  der  Gott  Orua  Attu  über  Tahiti  wachte,  Tane  über  Huaheine,  Oru  über 
Oraiedea,  Orra  über  Otaha,  Tautu  über  Borabora,  Ütu  über  Mausua,  Taroa  über  Tabua- 
manu  (und  das  Meer  von  13  Göttern  bewohnt  war). 

*)  Manco  Capac  and  his  wife  were  carried  by  east  winds,  which  blow  every  day, 
across  the  lake  (of  Tilicaca).  The  valley  of  Cuzco  is  the  first  inviling  spot  to  the 
northwest  of  this  lake  (s.  Gibbon). 

Bastian:  America.  I.  33 


514  RELIGION   UND  SITTE. 

einsiedlerisch    im  Mönchsstand  zu  leben.    Als  Sohn   der  Sonne  war 
Punchao  oder  (nach  Oliva)  Intip-Churi  die  Bezeichnung  des  Inca. 

Die  Cuzco  als  heiligem  Ort  gezollte  Verehrung  war  auch  dem 
Inca  schuldig,  und  bei  Inca  Pachacutec  bemerkt  Garcilasso,  dass  er 
gleich  seinen  Vorfahren  nach  dem  Tode  unter  die  Götter  versetzt 
sei.  Huayna-Capac  wurde  (nach  Acosta)  bereits  während  des  Lebens 
als  Gott  verehrt.  Von  Ynca  Yupanqui  heisst  es,  dass  er  gewünscht 
habe  die  Antis-Länder  zu  unterwerfen,  um  dort  als  Gott  verehrt  zu 
werden,  wie  die  andern  Ynca  in  den  von  ihnen  eroberten  Ländern. 
Als  die  Indianer  von  Puerto  Viejo  die  Oberhoheit  Huiracocha's  an- 
erkannt hatten,  bauten  sie  ihm  (nach  Montesinos)  einen  Tempel  auf 
der  Insel  de  la  Plata  (oder  Santa-Clara).  Inti-Capac  opferte  im 
Sonnentempel,  damit  sein  Vater  unter  die  Vorfahren  aufgenommen 
werde  (s.  Montesinos).  Der  Priester  betet  zur  Bahn  (yupi  oder  Fuss- 
spur)  der  Sonne  (Inti).  Das  Sonnenbild  stand  auf  einem  eiförmigen 
Fundament  (im  Tempel  zu  Cuzco). 

Schon  während  des  Lebens  Hess  der  Inca  das  zu  seiner  Reprä- 
sentation nach  seinem  Tode  bestimmte  Steinbild  oder  Guaoiqui  (als 
Bruder)  verfertigen  und  statt  seiner  aussenden,  um  Regen  oder 
günstige  Witterung  zu  geben.  Maytacapa  oder  Viracocha,  der  Stifter 
des  Geschlechtes  Inacapanacac ,  Hess  eine  seine  Person  darstellende 
Goldstatue  anfertigen. 

Die  Götter  der  besiegten  Völker  wurden  durch  die  Inca  in 
ihrem  Tempel  in  Cuzco  eingeschlossen  und  Aufständische  wurden 
mit  den  Göttern  Yanaguaca  und  Xuliaguaca  bedroht  (besonders  in 
Guamachuco). 

Der  Bau  der  Brücke  über  den  Apurimac  bewog  durch  das  Im- 
ponirende  des  Eindrucks  die  Anwohner  zur  Unterwerfung  und  ebenso 
häufig  die  heilige  Scheu  vor  den  zauberkräftigen  Mächten  der  Inca. 
In  der  Schlacht  gegen  die  Chancas  waren  es  die  unsichtbar  von 
Viracocha  gesandten  Bärtigen  die  den  Sieg  entschieden,  und  die 
Steine,  worin  sie  sich  dann  verwandelt,  wurden  als  Talismane  (oder 
Pururaucas)  von  den  Kriegern  mitgefiihrt.  Zur  Besiegung  der  Can- 
chas  (s.  Andahuaylas)  hatte  Sinchi-Roca  drei  Goldstäbe  erhalten,  so- 
wie fünf  Krystallstücke  mit  einer  Wunderschleuder  (s.  Montesinos), 
Huaynacapac,  der  die  Doppelkrone  auf  seinem  Haupt  vereinigte,  drei 
Krystallsteine  (die  beim  Auftreffen  auf  Felsens  Feuer  schlugen), 
einen  Goldpfeil  und  eine  Schleuder.  Bei  Oliva  durchbohrt  Mango 
Capac  (aus  Pacaritambo  hervortretend)  mit  seinem  Schleuderstein  einen 
Felsen.   Die  gegen  Titu  Yupanqui  Pachacuti,  als  sich  die  Sonne  wegen 


WUNDERSTEINE.  515 

der  Laster  der  Menschen  verborgen  hatte  (wie  in  der  Höhle  Japan's) 
Conspirirenden  wurden  durch  einen  magischen  Trank  (nach  den 
Amautas)  getödtet.  Inca-Yupanqui  (Sohn  des  Viracocha-Inca)  wurde 
durch  die  auf  einem  Berge  erscheinende  Gestalt  eines  glänzenden 
Jünglings,  als  er  gegen  die  Chancas*)  auszuziehen  dachte,  in  seiner 
Absicht  ermuthigt  (s.  Salcamayhua).  Beim  Feldzug  der  Inca  in 
Caravaya  zeigten  Affen  den  Brückenbau  über  Flüsse  (wie  sie  für 
Rama  die  Meerenge  überbrücken). 

Die  auf  das  Heer  Mayta-Capacs  geschleuderten  Steine  und 
Pfeile*)  der  Collas  fielen^)  auf  sie  selbst  zurück  (s.  Garcilasso)  und 
die  Feuerschleuder*),  mit  deren  erhitzten  Steinen  der  Inca  Viracocha 
am  jenseitigen  Ufer  des  Flusses  Yucay  (bei  Caytomarca)  das  Strohdach 
der  Hütten  anzuzünden  vermochten,  erregte  allgemeinen  Schrecken  unter 
den  Rebellen  (gleich  dem  Himmelsfcuer).  Im  Kriege  mit  den  Quisque 
(unter  der  Königin  Quilago)  wird  von  Huayna-Capac  erzählt,  dass  er 
durch  den  auf  einen  Fels  treffenden  Kristallstein  seiner  Schleuder  das 
trockene  Gras  um  die  Ansiedlungen  angezündet  habe.  Ynca-Yu- 
panqui  sah  Alles  in  seinem  Zauber-Krystall  (s.  Molina).  Als  sich 
der  Inca  Viracocha  auf  dem  Wege  von  Guayaquil  nach  Tumebamba 
oder  Cuenca  (über  den  Puerto  de  la  Bola)  in  den  unwegsamen 
Gegenden  verirrt  hatte,  hörte  er  vom  Himmel  eine  Stimme,  die  ihn 
auf  die  durch  abgeschnittene  Zweige  angezeigte  Strasse  führte.  In- 
gareque  (Inga-Roca)  oder  Topayupangui,  Sohn  des  Mayta-Capac 
oder  Viracocha,  zog  sich  (von  seiner  Schwester  Nicacocac  zur  Trö- 
stung begleitet)  nach  dem  Fels  Chaca  zurück ,  dem  Schmerz  der 
Ohrdurchbohrung    zu    entfliehen,    und   verschaffte  dort    durch    Ver- 


')  Pachacuti  (um  an  Viracocha's  bärtige  Gefährten,  die  in  Stein  verwandelt  waren, 
zu  erinnern)  juntö  de  los  montes  gran  summa  de  piedras  que  el  escogiö  y  las  puso  por 
Guacas  y  las  adoravan  y  hazian  sacrificios  y  estas  llamaban  los  Pururaucas,  las  quales 
llevaban  a  la  guerra  con  grande  devocion  (s.  J.  Acosta.) 

')  Die  Indianer  Paraguay' s  verehren  auf  der  Jagd  Pfeile  und  Bogen,  damit  sie  richtig 
treffen  (s.  Coreal),  der  Arbeiter  von  Voruba  seinen  Hammer. 

*)  Auf  das  Gebet  Colons  (,, Ambassadeur  du  dieu")  trieb  der  Wind  Pfeile  der  Indianer 
in  Veragua  auf  diese  zurück  (1503)  und  ,,des  chiens  corses,  qui  suivaient  les  Espagnols, 
se  mettant  k  la  poursuite,  complet^rent  la  deroute"  (Lorgues),  als  etwas  absonderliche 
Bundesgenossen  des  designirten  Halbgottes. 

*)  Auch  bei  der  Kriegführung  der  Cariben  wird  erwähnt,  dass  sie  mit  ihren  Pfeilen 
die  Ansiedlungen  in  Brand  gesetzt  hätten.  Nach  Le  Moyne  zündeten  die  Floridaner 
fcinliche  Dörfer  durch  brennendes  Moos  an,  das  sie  an  die  Pfeile  banden.  Durch 
brennendes  Moos  und  Gras  an  ihren  Pfeilen  setzten  die  Creek  die  befestigten  Städte  ihrer 
Feinde  in  Brand  (bei  de  Bry). 

33^ 


516  RELIGION'  UND  SITTE. 

giessen  seines  Blutes  unter  Gewittern  das  Hervorquellen  vom  Wasser 
in  Cuzco  (s.  Brullius). 

Damit  ihnen  nichts  entgehen  könne,  liessen  sich  die  Inca  von 
den  Yacarcas  genannten  Zauberern  begleiten,  die  in  der  Auffindung 
von  Missethätern  geübt  waren  (s.  Molina).  Auf  Inga  Yupanqui's 
Feldzug  gegen  Andesuyo  wurden  die  gefahrlichen  Schlangen  durch 
eine  Zauberin  gebannt  (s.  Herrera). 

In  furchtbarer  Wandlung  erscheint  der  Inca  (bei  Baiboa)  mit 
den  Eingeweiden ^)  des  Schlachtopfers  im  Munde,  und  so  verehrten 
dort  die  Caviftas*)  ein  Götzenbild  schrecklicher  Form.  Im  Kriege 
mit  den  Huexocingos  und  deren  Nachbarn  opferten  die  Tlascalaner 
die  Kriegsgefangenen  dem  Camaxtli,  „y  aun  no  bien  acabado  de 
morir,  le  desollaron  y  vistiendose  uno  el  pellejo  con  las  tripas  arra- 
strandose  presentö  ante  el  Idolo,  donde  los  Sacerdotes  oraban  y 
pedian  la  victoria"  (s.  Herrera). 

Als  Pachacuti   gegen  Anti-suyus')  zog,   sandte   der  Huaca   von 


*)  Wenn  eine  Hexe  Jemand  besucht,    nimmt    sie    vorher  ihre  Eingeweide  heraus  (in 
Schwaben).     Aehnlich  bei  Malayen. 

>)  Die  Caviüas  (mit  Araonas,  Toromonas  und  Pacaguaras)  verehren  (am  Beni)  neben 
der  Sonne  die  Vorfahren  (s.  Church). 

')  Los  Machigangas  (machi,  significa  mono  en  su  idioma),  forman  una  tribu  nume- 
rosa,  que  esparcida  en  diferentes  familias,  habita  desde  los  prmieros  bajfos  de  la  Cor- 
dillera  Oricntal  hasta  la  vasta  estratificacion  carbonifera,  y  desde  las  marjenes  del  Pilco- 
pata  y  Tono,  hasta  la  Vilcanota  y  Ucayali.  Tanto  por  su  immediacion  al  mundo  civili- 
zado,  como  por  sus  costumbres,  son  estos  los  salvajes  que  se  encuentran  en  mas  contacto 
con  ^1,  pues  visitan  frecuentemente  l.*s  haciendas  vecinas,  donde  hacen  su  comercio.  £1 
machiganga  es  generalmente  de  baja  estatura;  siendo  de  advertir,  que  los  de  las  mdr- 
gencs  del  Ucayali  y  del  Urubamba,  son  mas  altos  y  robustos  que  los  de  las  märgenes 
del  Pilcopata  y  del  Tono,  de  los  cuales  mc  ocupar^  espccialmente.  Hay  simetria  en  sus 
miembros,  y  su  conjunto  es  agradable  a  la  vista,  lo  que  tambien  puede  decirse  de  su 
cara,  sin  embargo  de  la  nariz  chata  y  del  ojo  sesgado;  estos  distintivos  non  son  tan  pro- 
nunciados  en  ^1  como  se  observa  en  el  chino,  cuyos  ojos  son  mas  pequeüos.  Esta  cir- 
cunstancia  y  la  de  creer  en  la  metamorfosis  y  trasmigracion  de  las  almas,  recuerdan  su 
origen  asiätico;  consideran  inviolable  la  morada  del  que  muriö,  con  todos  sus  enseres, 
hasta  que  algun  animal  se  apodera  de  la  choza  abandonada,  transmigrando  entonces  d 
este  el  alma  de  finado.  No  obstante,  es  desconocida  su  creencia  religiosa,  y  solamentc 
se  sabe  que  creen  en  un  Ser  Omnipotente,  hacedor  de  todo  cuanto  existc.  El  color  del 
machiganga  es  bronceado,  mas  claro  que  el  de  las  tribus  vecinas,  d  lo  cnal  habrd  con- 
tribuido  el  uso  del  vestido,  que  consiste  en  un  saco  que  baja  del  cuello  hasta  el  tobillo, 
con  alierturas  para  los  brazos.  La  distincion  en  el  traje  de  los  dos  sexos,  consiste,  en 
que  las  listas  negras  estdn  d  lo  largo  en  el  de  los  varones ,  y  atravesadas  en  el  de  las 
mugeres.  La  expresion  de  la  cara,  y  especialmente  de  los  ojos,  revela  inteligcncia  y  es 
simpdtica,  siendo  mas  pronunciada  en  la  muger;  esta  sonrie  frecuentemente  con  gracia, 
y  al  hablarla,  es  muy  melindrosa  y  coqueta  siendo  capaz  de  decir  alguna  palabra  carifiosa 
a  cuatro  u  cinco  hombres,  siendo  distintos  un  dicho  de  otro.  Sus  relaciones  sexuales  con 
el    hombre    son    nuiy  prcmaturas,    mucho  tiempo  antes  de  su  pubertad;    este  hdbito  estd 


SCHLANGE.  517 

Canacuay  Feuer  gegen  ihn,  sowie  eine  Schlange,  welche  indess  durch 
den  Adler  (der  bei  dem  Aufblick  des  Inca  zum  Himmel  erschien) 
zerschmettert   wurde    (und   auf  der  Mauer   der  Terrasse   von  Anca- 


generalizado  en  casi  todas  las  tribus,  como  tambien,  el  de  que  el  hombre,  poco  cuida 
<tel  immediato  parentezco  de  sus  mugeres,  desde  que  no  las  considera  como  compalieras, 
sino  como  cosas.  Los  machingangas  no  demuestran  tener  la  menor  desconfianza  en  el 
trato  con  el  blanco;  sin  el  menor  recelo  se  mueven  y  se  duermen  en  sus  habitaciones. 
Son  muy  comerciantes,  razon  porque  una  ö  dos  veces  en  el  alio  salen  ä  la  hacienda  de 
CcoiUspata,  en  el  valle  de  Paucartambo  y  ä  la  de  Illapani,  en  el  valle  de  Santa  Ana,  ä 
cambiar  monos,  loros  y  otros  animales  ö  tejidos,  por  ütiles  y  hernunientas ,  como  son 
cuchillos,  hachas,  agujas,  espejos  etc.  los  que  vuelven  ä  cambiar  con  una  ganancia  de 
diez  por  uno  y  mas,  con  las  tribus  immediatas.  En  sus  casas,  que  son  de  cafias  clava- 
das  en  el  suelo,  y  techadas  de  hojas  de  palma,  como  las  de  los  sirineyris,  se  nota  mucho 
arreglo  y  limpieza,  y  aunque  muchas  familias  ocupan  un  solo  caserio,  ninguna  de  ellas 
toma,  ni  siquiera  toca,  lo  que  pertenece  ä  la  otra.  Son  muy  cumplidos  en  sus  relaciones 
con  los  blancos ;  y  es  sensible  decirlo,  que  si  en  sus  tratos  comerciales  en  Illapani,  se  les 
nota  algimas  irregularidades,  son  estas  inculcadas  por  los  blancos.  Sus  buenas  cualidades 
son  oscurecidas  en  gran  parte,  por  su  flojera,  que  es  tal,  que  los  hombres,  se  descuidan 
en  limpiarse  de  unos  paräsitos  grandes  y  negros,  que  se  ven  en  sus  espaldas  y  en  sus 
camisas,  y  en  otras  faltas  de  aseo  en  las  narices  y  maiios;  y  aun  cuando  toman  con 
ellas  los  alimentos  de  la  olla  comun,  pues  en  la  comida  se  sienta  toda  la  familia  alre- 
dedor  de  ^sta,  y  cada  uno  saca  su  parte  con  la  mano,  no  se  las  asean.  Hasta  sus 
arcos  y  flechas,  estän  toscamente  trabajadas,  si  se  comparan  con  los  de  las  otras  tribus. 
A  veces  cambian  sal,  y  parece  que  la  emplean  en  algunas  de  sus  guisos,  pero  en  corta 
cantidad.  Descansan  sobre  esteras  de  cafias  delgadas,  amarradas,  paralelamente  con 
mucha  simetria,  con  hilo  de  algodon  torcido.  Segun  el  grado  que  ocupa  el  hombre, 
como  jefe  de  familia  ö  como  jefe  de  grupo  de  hombres  (huairi),  parece  usa  de  la 
poligamia.  £1  anciano  Francisco  tenia  dos  mugeres;  una  poco  mas  ö  menos  de  su 
edad,  y  jöven  la  otra;  la  primera,  se  ocupaba  unicamente,  en  atizar  el  fiiego  durante  la 
noche;  mientras  que  los  demas  habitantes  de  la  choza,  dormian  apareados  sobre  una 
estera  extendida  en  el  centro  de  la  habitacion.  Durante  la  noche,  cuando  no  duermen, 
se  ocupan  en  chupar  cafias  de  azucar,  que  se  ven  en  pequefios  cafiaverales,  cerca  del 
caserio;  restos  sin  duda  de  las  hadendas  abandonadas.  La  fecundidad  del  terreno  les 
ayuda  para  su  vida  holgazana;  las  yucas  que  sacan  de  sus  chacaras,  las  reponen,  po- 
niendo  en  el  mismo  hoyo,  una  rama  de  la  mata  que  acaban  de  sacar,  y  el  plantio  estd 
hecho.  Esta  rafz  constituye  su  principal  alimento;  la  sazonan  los  productos  de  la  caza 
y  de  la  pesca.  Los  animales  de  caza,  de  que  hacen  mas  uso,  son  las  aves,  monos, 
chanchos  de  la  montafla,  y  vacas  de  anta.  La  pesca  la  hacen  de  varios  modos,  con  la 
flecha  ö  con  el  anzuelo  de  espinos ,  en  cutis  6  con  barbasco.  Cuti  (en  quechua),  volver, 
llaman  en  los  valles  el  sitio  donde  retrocede  el  agua,  formando  estanques  con  una  pe- 
quefla  boca,  la  cual  cieran,  cuando  la  ven  llena  de  peces.  El  barbasco  es  una  planta 
enredadera,  que  arrojada  en  cantidad  al  rio,  priva  de  los  sentidos  al  pescado  haci^ndole 
nadar  en  la  superficie,  como  muerto.  Si  se  emplea  en  demasiada  cantidad,  mueren  los 
pescados.  Los  machigangas  del  Tono  hablan  muy  despacio,  como  sie  estuviesen  can- 
tando ,  gesticulando  rara  vez.  La  lengua  que  hablan  difiere  enteramente  del  quechua. 
Desde  que  es  hablada  por  una  numerosa  tribu  y  en  una  vasta  extension  de  terreno,  debe 
ser  considerada  como  idioma.  Su  estudio  seria  interesantisimo  para  esclarecer  el  origen 
de  los  idiomas  sudamericanos ,  por  cuyo  motivo  seria  de  dcsear,  que  los  hacendados  de 
los  valles,  formasen  un  vocabularia,  de  lo  que  alcancen  ä  saber,  en  el  contacto  que  tienen 
con  ellos  (H.  Göhring)  1877. 


518  RELIGION  UND  SITTE. 

pirca  auf  des  Inca  Befehl  dargestellt  ward).  Oliva  spricht  von  einer 
durch  den  Inca  getödteten  Schlange,  die  mit  der  Schleuder  in  sein 
Wappen  aufgenommen. 

Den  Verlust  des  Heeres  auf  dem  Feldzuge  in  den  Andesthälern 
zu  erklären,  entstand  im  Volksmund  die  Metamorphose  des  von 
einer  Schlange  umwundenen  Feldherrn  Chuntavacha  in  der  Stachel- 
palme Chunta  (s.  Oliva).  Durch  Anrufung  seines  Vorfahren  Amaro 
verwandelt  Atahualpa  sich  in  eine  Schlange,  um  aus  dem  Geföngniss 
zu  entkommen. 

Wenn  die  Inca  in  den  neu  eroberten  Provinzen  den  Sonnen- 
dienst einführten,  war  es  besonders  ihr  Bestreben,  die  des  Menschen 
unwürdige  Verehrung  der  Thiere,  an  deren  Statt  sie  den  Himmels- 
körper anboten,  auszurotten,  sowie  die  blutigen  Riten  steter  Men- 
schenopfer^). So  Hessen  sie  den  Huancas  ihr  aus  einem  mensch- 
lichen Figur  sprechendes  Idol,  verboten  aber  die  Verehrung  des 
Hundes,  und  die  früher  aus  dessen  Knochen  verfertigten  Trompeten 
mussten  von  dann  an  aus  denen  des  Wildes  gemacht  werden  (s.  Gar- 
cilasso).  Ebenso  wurde  bei  Besiegung  der  Chucurpu  durch  Pachacu- 
tec  die  bisherige  Verehrung  des  Tiegers^)  (Jaguar)  abgeschafft.  Neben 
dem  Jaguar  wurde  (bei  den  Moxos)  der  böse  Choquigua  verehrt 
(s.  Carasco).  Simulacra  duo  ad  atrorum  hircorum  similitudinem 
sculpta  adorantur  (unter  Weihrauchverehrung)  in  peruanischen  Tempeln 
(s.  Apollonius).  Am  Tempel  Quisuar-cancha  fanden  sich  Schlangen 
(und  so  an  andern  Gebäuden  der  Inca). 

F'ür  die  fremden  Götter  der  eroberten  Länder  fand  sich  ein  Ge- 
fängnisstempel in  Cuzco,  sie  zu  hüten,  und  die  auf  den  Guano-Inseln 
niedergelegten  Idole  sind  an  den  Armen  zusammengeknebelt,  damit 
sie  nicht  diesen  unangenehmen  Aufenthaltsort,  der  ihnen,  für  dasWachs- 
thum  des  Guano  zu  sorgen,  angewiesen  war,  wieder  verliesscn. 

Bei  den  Andesstämmen  war  eine  frühere  Herrschaft  der  Thiere  be- 
kannt, die  auch  in  Birma  erst  durch  die  Heldenthaten  des  dem  Ruhme 
eines  Heracles  oder  Nimrod  nacheifernden  Sonnensohnes  beendet  wird, 
und  bei  den  Rothhäuten  durch  den  muthigen  Knaben,  der  den  Kampf 
unternahm.  Nach  den  Aht  waren  die  Embryone  der  Menschenwesen, 
in  den  Thieren  enthalten,  die  erschreckt  vor  einem  heranrudern- 
den Canoe  in  die  Wälder  flohen,   diese  Essenzen  zurücklassend,  die 


^)  Die  Kinderopfer  wären  in  Chiquina  Pampa  Vaurinauca  dargebracht  (in  Cuzco). 
')    Bei    den  Moxos    wurden    nur    diejenigen    des  Priesterthums  würdig  gehalten,    die 
einem  Tieger  entkommen  waren  und  die  Zeichen  desselben  trugen. 


THIERVEREHRUNG.  519 

ZU  Menschen  vollendet,  die  früheren  Häuser  der  Thiere  bewohnten. 
Als  die  wilden*)  Thiere  auf  der  Erde  herrschten,  landeten  die  Brüder 
Tupi  und  Guarani  (s.  de  Moussy).  Nachdem  Pachacamac  die  von 
Choun  (Con)  geschaffenen  Menschen  in  wilde  Thiere*)  verwandelt, 
bildete  er  die  Vorfahren  der  Peruaner  (im  jetzigen  Weltenjahre). 
Die  in  Canas  und  Calluas  zerfallenden  Ayahuacas  (neben  den  Huanca- 
pampas)  verehrten  Thiere,  Felsen  und  Flüsse. 

In  der  Pampa')  del  Sacramento  (1726  entdeckt)  zog  sich  der 
Schöpfer  nach  dem  Himmel  zurück,  von  wo  er  (als  Ahnherr  verehrt) 
auf  die  Erde  zurückkehrt  (zum  Zählen  der  Menschen),  und  wenn 
sich  im  Erdbeben  seine  Schritte  hörbar  machen,  laufen  die  Indianer 
aus  ihren  Hütten,  rufend:  „Siehe,  hier  sind  wir."  Der  Böse  wohnt 
im  Innern  der  Erde,  und  mit  ihm  communiciren  die  Moharis  (oder 
Agoreros),  die  für  falsche  Prophezeiungen  bestraft  werden.  Bei 
Krankheit  trinkt  der  nächste  Verwandte  einen  Abguss  von  Flori- 
pendium  (Datura  arborea),  und  der  dem  in  der  Bewusstlosigkeit  ge- 
sehenen Zauberer  (der  als  Ursache  gilt)  ähnlichste  Moharis  (Priester- 
arzt) muss  die  Cur  übernehmen,  indem  er  seine  Hängematte  neben 
dem  Kranken  aufhängt,  und  unter  Anrufung  von  Vögeln,  Vierfüssern, 
Fischen  (unter  Reibungen  mit  Pflanzensaft  und  Saugen)  die  Seele 
auffordert,  sich  nicht  zu  entfernen,  aber  wenn  dennoch  der  Tod 
nicht  entflieht,  durch  Schläge  verfolgt.     Wird  von  den  Verwandten 


')  In  Guayana  wurden  den  getödteten  Thieren  ein  Trank  eingeflösst,  damit  die  Seele 
den  Uebrigen  von  der  guten  Behandlung  erzähle  (s.  Caulin),  und  so  bei  Ostjäken. 

')  Bei  den  Neeshenam  stammt  der  Mann  vom  Coyote  und  die  Frau  vom  Wild 
(Powers).  Bei  den  Neeshenam  wohnte  der  Geist  Bohem  Ciilleh  (Mannweib)  in  den 
Wäldern,  um  mit  Männern  oder  Frauen  zu  huren.  Die  Krankheit  sendenden  Zauberer 
können  sich  in  Bären  verwandeln  (bei  den  Neeshenam).  Die  Zauberer  der  Mayos  ver- 
wandelten Menschen  in  Thiere.  In  allen  den  von  Quawteaht  geschaffenen  Thieren  lag 
die  Essenz  des  Menschen  (bei  den  Aht).  Als  der  Riesenvogel  beim  Berühren  des 
Wassers  die  Erde  hervorgehen  liess,  entstanden  alle  Menschen  ausser  den  (vom  Hunde 
stammenden)  Tinneh,  die  mit  Entweihung  des  vom  Riesenvogel  gegebenen  Pfeils  dem 
Tode  verfielen.  Die  Riesenbrüder,  die  um  ihrer  Schwester  Biberfett  zu  bringen,  den 
Riesenbiber  des  Palousefiusses  am  Apuitaput-Fall  fingen,  warfen  seinen  zertheilten  Kör^r 
umher,  aus  dem  die  verschiedenen  Stämme  (die  Cayuses  aus  dem  Herzen)  entstanden. 
Ans  den  Stücken  des  von  den  Riesen  zerrissenen  Hundes  entstanden  Thiere  (bei  den 
Tinneh).  Die  Tontos  wohnen  am  Rio  Verde  (an  der  Verbindung  mit  dem  Salinas)  zu 
den  Apaches  gehörig. 

*)  Die  Pampa  del  Sacramento  war  neben  den  Amajes  von  den  Indios  Carapachos 
bewohnt  (1726).  Am  Cerro  de  la  Sai  (famoso  por  el  grande  concurso  de  Indios  infieles, 
que  de  las  naciones  mas  remotas  acuden  ä  ^1  por  Sal)  ist  von  dem  Stamm  der  Amages 
bewohnt  (nach  Amich).  Haenke  hörte  in  Apolobamba  (mit  den  Indianerstämmen  der 
Chuntachitos ,  Muchuvis  und  Pacaguara)  von  dem  Madre  de  dios,  als  dem  Fluss  Mano 
(s.  Raymond!).    Bei  den  Carapachos  (am  Pachitea)  bemerkte  Girbal  blonde  Haare  (1794)- 


520  RELIGION  UND  SITTE. 

überhaupt  kein  Zauberer  gesehen,  so  tödtet  man  den  ersten  Moharis, 
der  angetroffen  wird  (s.  Skinner). 

In  der  Pampa  del  Sacramento  gehen  die  Seelen  in  Thiere  über, 
und  die  der  Caciquen  in  geschwänzte  oder  bärtige  Affen,  die  als 
Patriarchen  verehrt  werden.  Andere  Geister  (behausungslos)  durch- 
schweifen die  Luft  oder  werden  auf  dem  Grunde  der  Flüsse  zurück- 
gehalten. Bei  den  Maynas  werden  die  Seelen  in  der  andern  Welt 
durch  die  Vorfahren  mit  Früchten  und  Getränk  erwartet,  für  Luft- 
kriege (im  Donner  und  Blitz)  und  für  Tänze  auf  der  Milchstrasse, 
weshalb  die  Kupferaxt  (Chambo)  der  Leiche  zum  Triumphzuge 
mitgegeben  wird. 

Nachdem  die  Verwandten  (in  der  Pampa  del  Sacramento)  den 
Verscheidenden  (der  erstickt  wird)  gefragt,  warum  er  sich  entferne, 
wird  unter  Auslöschung  der  Lichter,  Rauch  gemacht,  damit  die 
keinen  Ausweg  sehende  Seele  auf  dem  Dache  bleibe,  und  um  ihre 
Rückkehr  in  das  Haus  zu  verhindern,  häuft  man  stinkende  Unreinig- 
keiten  vor  die  Thür.  Die  Leidtragenden  sammeln  die  Thränen  in 
den  Händen  und  indem  sie  diese  auf  der  Erde  mit  Staub  reiben, 
bewahren  sie  einen  Schmutzring  um  die  Augenbrauen  bis  zum  Ende 
der  Trauerzeit.  Unter  Trinken  von  Masato  (aus  Yuca)  beginnt  das 
Leichenfest  mit  dem  Gesang  der  Thaten  des  Verstorbenen,  indem 
der  Chor  in  Nachahmung  verschiedener  Thierstimmen  begleitet, 
worauf  das  Haus  verbrannt  wird.  Das  bemalte  Thongefäss,  in 
welchem  die  Leiche  an  der  Ecke  des  Hauses  verscharrt  ist,  wird 
später  (bei  den  Roamaynas)  wieder  ausgegraben ,  um  die  (nach  Zer- 
setzung des  Fleisches)  gewaschenen  Knochen  in  einem  geschmück- 
ten Sarg  im  Hause  aufzubewahren  und  nach  einem  Jahre  aufs  Neue 
zu  begraben,  worauf  der  Todte*)  vergessen  wird  (s.  Skinner).  Vor 
einem  Kriegszug  wird  ein  Fest  gefeiert  und  muss  der  Mohari 
(Priester)  fasten  zum  Prophezeien. 

Die  den  Kriegsgott  Chunchu  verehrenden  Yuracares,  die  durch 
den  Dämon  Pepezu  im  Walde  geschreckt  wurden,  bedrohen  den 
auf  den  Höhen  wohnenden  Donnergott  Mororoma  beim  Donnern 
mit  ihren  Pfeilen  (s.  d'Orbigny).  Die  (den  bösen  Canibaba  Kilmo 
fürchtenden)  Movimas,    tödten    die  Schlangen,    um    nicht  vom  Aus- 


')  Bei  den  Cocamas  beraUien  bei  der  Geburt  Vater  und  Mutter,  ob  das  Kind  am 
Leben  bleiben  soll,  die  Leiehenceremonie  zu  feiern,  oder  sterben,  um  keine  Belästigung 
im  Aufziehen  zu  geben  (nach  Figueroa).  Am  Ucayale  wird  Nugi  verehrt.  Nach  Gar- 
cilasso  wurde  in  Folge  der  Expedition  Yupanqui's  zu  den  Musus  eine  Colonie  von 
Chunchos  am  Tone  angesiedelt. 


DUALISMUS.  521 

satz  befallen  zu  werden  (s.  d'Orbigny).  Die  Itenes  verehrten  (den 
bösen)  Tumeke,  und  bei  den  Pacaguaras  wurde  neben  dem  guten 
Huara  der  böse  Yochina  verehrt. 

Die  Chiquito  oder  Travasicosis  (deren  niedere  Hüttenthüre 
kriechend  zu  betreten  war)  hörten  im  Gewitter  den  Zorn  der  Ver- 
storbenen und  zogen  Vorhersagungen  aus  den  Sternen  (s.  Angelis). 
Bei  den  (die  Tiger  verehrenden)  Moxos  wurde  der  den  Krallen  eines 
Tigers  Entkommene  (als  von  der  Gottheit  begünstigt)  zum  Priester 
oder  Comocois  (nach  zweijährigem  Fasten)  geweiht  und  wer  einen 
Tiger  getödtet  hatte,  erfuhr  von  den  Comocois  den  Namen  des- 
selben, um  ihn  statt  des  eigenen  anzunehmen.  Beim  Fest  wurde 
(um  die  Gunst  des  Gottes  zu  sichern)  der  Kopf  des  getödteten 
Tigers  mit  einer  Baumwoll-Perücke  geschmückt,  beim  Chicha-Trinken 
aufgestellt.  Der  von  einem  (den  Uebrigen  unsichtbaren)  Dämone 
heimgesuchte  Comocois  fungirte  als  Tiaranquis  (Scharfsichtiger)  oder 
Prophet,  und  die  Priester  übten  zugleich  die  Arzneikunde  (s.  d'Or- 
bigny). 

Bei  den  Tupi  treibt  der  böse*)  Dämon  Jurupari  oder  Jerupari 
(der  stolze  Hinkende)  sein  Wesen  (s.  Martius)  und  ähnlich  in  Florida. 

Der  Liebesgott  Peruda  (als  alter  Krieger,  der  auf  den  Winden 
dahinfährt)  herrscht  über  Caire  (Vollmond)  und  Catiti  (Neumond) 
bei  den  Tupis.  Neben  der  Sonne,  als  Schöpfer  des  Lebenden,  und 
dem  Mond,  als  Schöpfer  der  Pflanzen,  verehren  die  Tupi  die  Repro- 
duction  in  Perudal   oder  Ruda  (den  Liebesgott).    Anhanga  ist  Gott 


*)  Die  böse,  Gottheit  (Torngarsuk's  Weib)  ist  die  Tochter  des  starken  Angekok,  der 
das  Eiland  Disko  vom  festen  Lande  bei  Baals-Revier  abgerissen  und  nach  Norden  bugsirt 
hat  (s,  Cranz).  Die  einäugige  Aywilliayoo  (deren  knabengrosser  Vater  einaimig  ist,  aber 
mit  Bärhandschuhen  bedeckt)  befehligt  alle  Seethiere  mit  ihrer  rechten  Hand,  und  der 
Angekok  schneidet  ihre  Nägel  und  Fingergelenke  ab,  um  Seehunde,  Walrosse,  Walfische 
nach  einander  frei  zu  setzen.  Von  den  (zwergartigen)  Berggeistern  Innuaralit  (neben 
riesigen  Tunnesoit)  haben  die  Europäer  ihre  Künste  gelernt.  Die  hundsköpfigen  Erkiglit 
wohnen  an  der  Ostküste.  Durch  Reizen  der  Nerrim-Innuit  (zum  Verletzen  der  Enthal- 
tungsmassregeln), als  Inhaber  der  Speisen,  folgt  Krankheit  beim  Essen.  Der  Innua  der 
Luft  ist  Innerterrisök  (der  Verbieter).  Beim  Walfischfang  muss  Alles  reinlich  gekleidet 
sein  (s.  Cranz)  und  im  Zelt  die  Lampe  ausgelöscht.  Der  gespenstische  Orometua  wohnte 
auf  Tahiti  neben  den  Friedhöfen  oder  Tupapus  (zu  Cook's  Zeit).  Wenn  Tezcatlipuca 
als  Nachtgespenst  die  vor  ihm  Fliehenden  verfolgte,  erschien  er  als  ,,un  hombre  sin 
cabeza,  que  lenia  cortado  el  pescuezo  como  un  tronco  (Sahagun).  Der  (böse)  Vcdariyc- 
slini  heisst  (bei  den  Tinneh)  Edje  (Herz)'  und  Eltsone  (Fischotter).  Die  Seelen  der 
Tapujer  versammeln  sich  an  einem  See,  wo  sie  ein  Fährmann  überschifft  (s.  Barlaeus). 
Der  Mond  (Jacy)  herrscht  (bei  den  Tupi)  über  die  Untergöttcr.  Saci-Cerere  (hinkend), 
Mboiuta  (die  Felder  gegen  Brandstifter  schützend),  Uratau  (Gespenst),  Curupura  (die 
Blumen  hütend)  u.  s.  w. 


522  RELIGION  UND  SITTE. 

der  Jagd  (s.  Magalhaes).  Das  Begegnen  des  haarigen  Riesen  Caha- 
pora  bringt  Unglück. 

Unter  dem  Schöpfer  Matupa,  der  die  Sonne  (Abangore)  und 
den  Mond  (Platt)  sowie  die  Sterne  (Adschik)  gemacht  hat,  steht  der 

böse  ^)  Akjanam,  der  bei  Donner  (Taci)  die  Regentropfen  brummend 

« 

aus  dem  feuchten  Bart  schüttelt,  nach  den  (den  Botocudos  benach- 
barten) Machacar^s  (s.  Feldner).  Die  Botocuden  verehren  (nach  Neu- 
wied) den  Mond  oder  Taru,  als  Donner  und  Blitz  erzeugend  (neben 
dem  bösen  Jantschong).  Nach  Pöppig  verehren  die  Araucaner  den 
Gott  der  Meereswellen  und  des  Donners. 

Die  Guaranis  (deren  drei  Vorfahren  sich  in  den  Gipfeln  von 
Palmen  aus  der  Fluth  retteten),  verehrten  den  guten  Tupa  und  den 
bösen  Aflang  (s.  Angelis).  Das  höchste  Wesen  Achekenat  -  Kanet 
(der  Patagonier)  schickt,  wie  Gutes,  auch  Böses  (nach  d'Orbigny). 
Neben  dem  guten  Pillan  verehren  die  Araucaner  (nach  Bardel)  den 
bösen  Guecu  oder  (nach  d'Orbigny)  Quecubu.  Nach  Ginoux  dagegen 
wird  in  Araucanien  der  böse  Pillan  (neben  dem  guten  Apo)  verehrt. 
Die  Nunu  (Gespenster)  werden  als  alli  nunu  (gute)  und  mana  alli 
nunu  (böse)  unterschieden  (in  Peru). 


1)  Neben  dem  friedlichen  Wac  oder  Tupanan  (von  besonderen  Secten  verehrt)  fand 
sich  der  Schöpfer  Niparaya  mit  der  (körperlosen)  Göttin  Anayicoyondi ,  unter  deren 
Söhnen  Quayayp  auf  dem  Berge  Acaragui  mit  den  Vorfahren  der  Pericues  (in  Unter- 
Califomien)  gelebt  hatte.  Die  Comanches  (mit  den  Zauberern  oder  Puyacontes)  trugen 
Sonnenbilder.  Yaxtaxitaxitanne  (der  Schöpfer)  weilt  im  Himmel  (bei  den  Apaches). 
Die  Navayos  (mit  dem  guten  Whaillahay  oder  dem  bösen  Chinday)  erzeugen  Regen 
durch  Aufblasen  von  Tabaksrauch  oder  durch  heilige  Steine,  die  im  Gewitter  fallen. 
Der  Regengott  Montezuma  lehrte  den  Pueblos  den  Bau  der  Ortschaften» (erst  Acoma  und 
dann  Pecos).  Der  böse  Vater  der  Moquis  wohnt  im  Osten,  die  gute  Mutter  im  Westen. 
Die  Apaches  verehren  Yaxtaxitaxitanne  als  Schöpfer.  Bei  den  Navayos  ist  Whaillahay 
der  gute ,  Chinday  der  böse  Gott.  Amotkan ,  Sohn  der  Schöpferin  Skometton  (sko  oder 
Mutter)  sitzt  auf  dem  hohlen  Berge,  der  als  Himmel  die  Erde  bedeckt  (nach  den  Flathead) 
und  vertilgte  verschiedene  Mal  die  Menschen  für  ihre  Sünden,  bis  er  seinen  Sohn  (Spakuni) 
sandte,  die  Welt  als  Sonne  (und  mit  dem  geheiratheten  Frosch,  als  Mond)  zu  erleuchten, 
nachdem  es  der  Prairie-Wolf  und  die  Krähe  umsonst  zur  Zufriedenheit  versucht  hatten 
(s.  Mengarini).  Von  Wakanaga  stammend,  zerfielen  die  Shoshones  und  Comanche  in 
Feindschaft,  als  an  den  Soda-Springs  (in  Idaho)  die  in  der  Jagd  unglücklichen  Comanche 
die  glücklichen  Shoshones  beim  Wassertrinken  von  hinten  durchbohrt  hatten,  und  dann 
selbst  durch  den  mit  Keulen  aus  dem  Teich  auftauchenden  Indianer-Greis  zerschmettert  waren. 
Der  Stuhl  auf  dem  Chaireya  (der  alte  Mann  oben)  bei  der  Schöpfung  sass,  findet  sich 
im  Besitz  des  Hohenpriesters  bei  den  Cahroc  (am  Klamath-Fluss).  Nach  den  Mattoles 
in  Nord-Califomien),  deren  Vorfahren  bei  der  Fluth  nach  Taylor  Peak  flohen,  wurde  die 
Schöpfung  dem  ,, dicken  Mann"  zugeschrieben.  Als  in  der  Dunkelheit  der  Habicht  ins 
Gesicht  des  Coyotl  flog,  gab  ihm  dieser  ein  Bündel  Schilf  mit  Feuerstein,  womit  er  zu 
dem  Himmel  auffliegend ,  durch  Drehen  Feuer  erzeugte,  und  die  sich  fortdrehende  Sonne 
(bei  den  Gallinomeros)  in  Central-California  (am  Russian  River  in  Sonoma). 


SATAN.  523 

„Nun  werden  unsere  armseligen  Wilden  auch  noch  in  diesem 
Leben  jämmerlich  von  dem  Teufel  geplagt,  dem  sie  sonst  noch  einen 
andern  Namen  geben  und  Kaagerre  nennen,  denn  ich  hab  selbst 
gesehen,  dass  wenn  wir  bisweilen  mit  ihnen  redeten,  dass  sie  under 
dem  Gespräch  anfingen  zu  schreien  und  zu  ruffen  wie  die  Hirntobige 
Lcut»  Hei,  Hei,  helfet  uns,  denn  der  Aygnan  schlägt  uns.  Sie  sagten 
darzu,  dass  sie  den  Teufel  bisweilen  sehen  under  der  Gestalt  eines 
Thieres,  bisweilen  eines  Vogels,  dann  sonsten  under  einer  andern 
erschräklichen  gestalt.  Sie  verwunderten  sich  auch  sehr,  dass  uns 
derselbige  böse  Geist  kein  Leid  thete.  Wenn  wir  ihnen  nun  sagten, 
dass  der  Gott  darvon  wir  ihnen  stäts  predigten,  uns  für  solche  Plagen 
behütete,  der  viel  gewaltiger  were,  denn  der  Aygnan,  und  derhalben 
dafiir  wehre,  dass  uns  der  Aygnan  nicht  mit  dem  Geringsten  be- 
rühren dörffte,  da  verhiessen  sie  mit  einmal,  dass  sie  an  unsern 
Gott  glauben  wollten,  aber  wenn  sie  von  der  Plag  wieder  loss  waren, 
achteten  sie  ihrer  Zusag  weiters  nicht.  Damit  man  aber  wisse,  dass 
solche  Plage,  die  ihnen  angethan  wirt,  kein  Kinderspiel  sei,  so  hab 
ich  oft't  selbst  gesehen,  dass  ihnen  so  sehr  darfür  gegraust  hat,  wenn 
sie  an  die  Plage  gedacht,  dass  ihnen  der  Angstschweiss  for  forcht 
ausbrach,  auf  ihre  Hüften  platzten  und  uns  ihre  Not  mit  solchen 
Worten  klagten :  „Maier,  Atourassap,  Aceque  i  cy  Aygnan  Atoupaue", 
das  ist  „O  du  lieber  Narr,  O  mein  gut  Gesell,  Ich  förcht  mich  mehr 
für  dem  TeufTcl,  denn  sonst  für  einigem  Kerl".  Sagte  nun  der  unseren 
einer  also  darwider  „Nace  queie  Aygnan",  das  ist,  „Aber  ich  frag  nicht 
nach  dem  Teuffel",  alsdann  beweineten  sie  ihr  elend  und  sprachen 
O  der  glücklichen  Leut  weren  wir,  wenn  wir  dafür  so  sicher  weren 
wie  ihr.  Dargegen  hielten  wir  ihnen  für,  sie  sollten  an  den  glauben, 
der  mächtiger  were  als  der  Agynan.  Aber  ob  sie  es  wol  verhiessen, 
wenn  sie  in  der  Marter  waren,  sobald  es  für  über  war,  blieben  sie 
auf  ihrer  weiss.  Ehe  ich  nun  fortfahre  in  dem  Text  von  den  Wilden, 
die  da  glauben  dass  die  Seele  unsterblich  sei,  so  will  ich  erst  hinzu- 
setzen, was  der  Autor  Histor.  Ind.  Occident.  schreibet.  Nemlich 
dass  die  Inwohner  der  Statt  Cusco  nit  allein  glauben,  dass  die  Seel 
unsterblich  sei,  sondern  dass  auch  der  Leib  wider  aufferstehen 
werde,  wider  der  Theologen  Regel,  welche  schliessen,  dass  nicht 
allein  alle  Philosophi  und  auch  alle  ander  Heyden  und  Wilden 
nichts  gewust  haben  von  der  aufferstehung  dess  Fleisches,  sondern 
auch  dieselbige  verneinet,  welches  denn  von  ihm  durch  diss  Exempel 
widerlegt  wird" 

Aus  der  Zeit  der  Selbstständigkeit   bis  zu   der  der  Inca  wurden 


524  RELIGION  UNI)   SITTE. 

(von  diesen  mit  Hunden  und  Trompeten  beschenkt)  neun  Idole  (in 
Guamachuco)  verehrt*),  nämlich  Ulpillo,  Pomacama,  Caoquilca,  Quim- 
guaihugo,  Nomadoi,Garacayoc,  Guanacatequil,  Casipoma  und  Llaiguen. 

Dem  Gott  Guallco,  der  (in  einer  Höhle)  die  Zeugverfertiger  der 
Inca  schützte,  wurden  Spindelsteine  dargebracht.  Dem  Gott  Guis- 
pegnanagai  wurde  beim  Färben  der  Zeuge  geopfert,  damit  die  Farbe 
gut  herauskäme. 

In  der  Mitte  jedes  Dorfes  fand  sich  als  Schutzgott  Guachecoal 
als  grosser  Stein.  Die  Götter  Cauri  und  Caoquilca  wurden  in  Höhlen 
verehrt.  Der  Götze  Munigundo  wird  im  Kriege  angerufen.  Die 
Götter  Yamaguanca  und  Yamoguanca  wurden  bewaffnet  dargestellt. 
Bei  den  Canichana  (unter  den  Moxos)  spukt  der  Dämon  Yini-jäma, 
und  bei  Molina  findet  sich  Ymaymana,  als  Bruder  Tocapo's  (Sohn 
des  Tecsi-Viracocha).  Das  Idol  Guamansai  war  in  kostbare  Gewänder 
gehüllt. 

In  Guamachuco  wurde  die  Erde  als  Chucomama  (Pachamama) 
verehrt,  und  da  die  Indianer,  wegen  der  Lage  der  Mutter  bei  der 
Geburt  auf  die  Erde  fallen,  opfern  sie  der  Erde*),  damit  sie  ihnen 
Kräfte  gebe,  ausserdem,  dass  sie  Mais  wachsen  lasse  und  die  Werk- 
zeuge der  Feldarbeiter  nicht  zerbrechen.  Gott  Mama-Azua  schützte 
das  Festgetränk,  Mama-Ocho  den  Aji,  Paiguinoe  die  Kaninchen. 
Apo-CatequiPs  Verehrung  erstreckte  sich  von  Quito  bis  Cuzco  (s.  Ma- 
ras).  Bei  Porcon  (mit  einem  Tempel  Apo-Catequil's)  fanden  sich  die 
Felsen  Apo-Catequil,  Mama-Catequil  und  Piguerao,  um  Catequil  mit 
Bruder  und  Mutter  darzustellen,  neben  der  Verehrung  Atauguja's. 
Atau  meint  im  Quechua  Zufallsglück  oder  glückliches  Geschick. 

*)  Unter  den  Gottesbegriff  der  Chilener  würde  fallen  (s.  Havestadt)  :  gen-Huenu, 
qui  moderetur  ac  gubcrnct  aerem  nubes,  pluvias,  gen- Piro ,  qui  in  vermes  potestatem 
habeat,  gen-Co,  qui  fontes  conscrvet  etc.  (gen,  esse,  stare). 

')  Die  Navajos  lebten  mit  Pueblos  (und  Coyoteros)  zusammen  unter  der  Erde, 
wo  nur  immer  bei  Sonnenaufgang  einen  Augenblick  Licht  kam  (aber  viel  Fleisch  von 
Vögeln  war).  Da  die  stummen  Flötenbläser  die  angestossene  Decke  hohl  fanden,  wurde 
sie  fiir  den  Racun  geöffnet,  der  nicht  hindurch  konnte,  und  dem  der  Wurm  folgte,  welchen 
draussen  erscheinend,  der  Schwan  des  Nordens  (ihn  als  gleichen  Stammes  erkennend)  fasste, 
und  dann  die  drei  andern  der  Ecken,  so  dass  vier  Ströme  hervorbrachen,  und  aus  der 
erweiterten  Oeffnung  erst  die  Navajoes  (dann  Pueblos  und  fortziehende  Verwandten)  hervor- 
kamen, worauf  die  grosse  Mutter  Vieh  verlieh.  Als  die  Alten  Sonne  und  Mond  ver- 
fertigt ,  brachte  sie  der  stumme  Flötenbläser  so  nahe  an  die  Erde  ,  dass  Alles  ver- 
brannte, bis  die  Alten  Rauch  entgegenblicsen,  und  so  ist  die  Sonne  4  mal  im  Lauf  ver- 
zögert worden,  bei  der  Erde  zu  bleiben.  Als  dann  die  Alten  zwei  Krüge  oder  Tinajes 
verfertigten,  wählten  die  Navajoes  den  aussen  geschmückten,  der  leer  war,  die  Pueblos  den 
unscheinbaren ,  mit  Heerden  und  Werthsachen  gefüllt  (s.  Broeck).  Der  auf  einem  Pfeil 
fortgeschossene  Prophet  kehrte  später  (als  erwartet)  zurück.  Die  Mandan  kamen  an  einer 
Ranke  aus  der  Erde. 


AUTOCHTHON.  525 

Die  drei  Paare  (Wolf,  Bär,  Schildkröte)  Urmenschen  (der  Iro- 
kesen), in  der  Luft  umhertreibend,  Hessen  den  Wolf  durch  den  Vogel 
zum  Himmelsbaum  tragen,  wo  er  die  Wasser  schöpfende  Jungfrau 
verführte,  die  (vom  Herrn  des  Himmels  Verstössen),  auf  die  Schild- 
kröte fiel,  wo  Fischotter  und  Fische  dann  mit  Schlamm  die  Erde 
bildeten  (Kinder  gebärend).  Ata-entsik  (Altfrau  Grossmutter)  wohnt 
in  der  Unterwelt.  OchkihHaddah,  Gegner  des  Numank-Machana  (ersten 
Menschen),  verführte  die  Jungfrau  (Grossmutter  der  Menschen)  bei  den 
Mandan.  Der  vom  grossen  Geist  aus  Pfeifenthon  geformte  Mensch  wur- 
zelte am  Boden,  bis  durch  die  Schlange  abgenagt  (bei  den  Sioux).  Die 
Indianer  nennen  sich  Erdgeborene  (metok-theniake)  und  lebten  lange 
unter  der  Erde,  weshalb  sie  kein  Kaninchen  tödten  (Heckeweiler).  In 
Libyen  wuchs  Jarbas  aus  der  Erde,  wie  der  mexicanische  Urmensch 
bei  Aculma,  und  die  Peruaner  waren  mit  ihren  Ursprüngen  vewachsen. 

Nach  Maras  wurden  die  Tempel  durch  eine  Mauer- Umzäunung 
gebildet,  in  deren  Mitte  eia  hoher  Pfahl  stand,  der  erstiegen  wurde, 
um  ein  Kaninchen  zu  opfern,  während  der  Taquis  genannten  Fasten. 
Bei  der  Mäisblüthe  wurden  Uvigaicho  und  Unstiqüi  Opfer  gebracht, 
damit  sie,  als  Diener  Ataguju's,  denselben  um  Abwendung  des  Hagels 
bäten.  In  den  Wäldern  bei  Tauca  (mit  Verehrung  dämonischer  Hua- 
rella)  wurden  die  von  den  Bäumen  abfallenden  Blätter  als  segen- 
bringende Reliquien  aufbewahrt,  und  die  Vögel,  die  sich  auf  den 
heiligen  Zweigen  niedergelassen  hatten,  galten  als  beglückend  (s. 
Brullius).  Nach  dem  Brande  des  Tempels  in  Guamachu'co  wurde 
der  Dienst  des  Catequilla  nach  Cahuaca  und  dann  nach  Tauca  (im 
Lande  der  Conchucos)  gerettet  (s.  Brullius). 

In  Guamachuco  (zwischen  Chachapoyas  und  den  Conchucos)  wurde 
der  (von  den  Alcos  oder  Priestern  auf  Pfeilern  Opfer  empfangenden) 
Himmelsgott  Ataguju  (der,  um  nicht  allein  zu  sein,  Sagad-Zavra  und 
Vaungavrad  geschaffen)  von  den  (als  Vermittler  für  Ernten  in  Tän- 
zen oder  Taquis  angerufenen)  Dienern  Uvigaicho  und  Unstiqüi  be- 
dient, nach  welchen,  als  Dritter,  Guamansiri  geschaffen  wurde,  der 
(auf  die  Erde  gesandt)  in  Guamachuco  die  Guachemines  (oder  Weissen) 
traf,  die  ihn  als  Sklaven  hielten  und  (weil  mit  ihrer  Schwester  Caup- 
taguan  verkehrend)  verbrannten  (worauf  die  Asche  nach  Ataguju  im 
Himmel  aufstieg).  Die  von  Cauptaguan  (mit  ihrem  Tode)  geborenen 
Eier  Hessen  (von  den  Guachemines  erwärmt)  den  grossen  (und 
bösen)  Apo-Catequil  (mit  seinem  Bruder  Piguerao)  hervorgehen,  der 
von  seiner  durch  ihn  wieder  erweckten  Mutter  die  von  Guamansuri 
zurückgelassene  Schleuder  erhält,   mit   welcher   er  die  Guachemines 


526  RELIGION  UND  SITTE. 

(ausser  den  in  die  Ferne  Entfliehenden)  tödtete,  und  dann,  als  er 
zum  Himmel  aufsteigend,  Ataguju  um  Schöpfung  der  Indianer  ge- 
beten, in  den  Bergen  von  Guacas  (jenseits  Sancta)  zwischen  Truxillo 
und  Lima  bei  Parilla  ein  Loch  in  die  Erde  grub,  aus  dem  sie  her- 
vorkamen (mit  einer  Hacke  aus  Silber  und  Gold  ausgegraben). 
CatequiP)  bringt  Donner  und  Blitz  hervor,  die  Sterne  mit  seiner 
Schleuder  treffend.  In  der  Nähe  seines  Tempels  (mit  heiligen  Heer- 
den)  bei  Porcon  wurden  die  drei  Berggipfel,  als  Apocatequil,  Mama- 
catequil  und  Piguerao  (Catequil  mit  Mutter  und  Bruder)  verehrt. 

In  Guamachuco  waren  den  Göttern  Guallio  (der  die  Gewand- 
schneider des  Fürsten  schützte),  Caoquilca  und  Cauri  Höhlen  gewidmet. 
Vor  dem  Kriege  wurde  der  Götze  Muniguindo  befragt  (neben  Yama- 
ganca  und  Yamoguanca).  Die  als  Colonisten  von  Cuzco  nach  Guama- 
chuco*) gekommenen  Orejones  hatten  das  schwarze  Idol  Topallimillay 
zur  Verehrung  mitgebracht.    Der  für  die  Priesterschaft')  bestimmte  In- 


*)  Ein  von  einer  Indianerin  gefundener  Stein ,  gab  sich  auf  Befragen  des  Zauberer's, 
als  Tantaguaganay  (Sohn  des  Catequil),  zu  erkennen  (Verehrung  erhaltend),  ein  anderer 
dann  als  Tantazaro,  und  so  wurden  weiter  bunte  Steine  zum  Heilighalten  gefunden,  so 
dass  jedes  Dorf  einige  besass  (1550).  In  Guamachuco  wurden  neun  Guaca  oder  Idole 
(mit  ihren  Tempeln)  verehrt,  als  Uipillo,  Pomacama,  Caoquila,  Quimgachugo,  Nomadoi, 
Garacayoc,  Casipoma,  Guanacatequil  und  Llaiguen.  Llaiguen  wurde  in  einer  Höhle 
für  Regen  angerufen  (wofür  auch  Huayna  Cajlac  gefüllte  Gefasse  aufgestellt  hatte). 
Casipoma  (als  Löwe  brüllend)  wurde  von  Huaynacapac  im  Kriege  mitgefuhrt  (mit 
offenem  Munde  beim  Opfer). 

')  Jedes  Dorf  in  Guamachuco  hatte  seinen  Specialgötzen.  Güaynacapa  (Huayncapac)  hatte 
den  Krieger  Xucalmango  vergöttert,  und  sein  Bild  war  zwischen  zwei  Hunden  dargestellt. 
In  jedem  Dorf  in  Guamachuco  fand  sich  ein  Stein  (Guachecoal) ,  der  als  Schutzgott  ver- 
ehrt wurde  (1550).  Der  Gott  Guispeguanagai  schützte  die  Färber.  Neben  Tantuzoro 
und  Guarasgaide  wurde  das  weibliche  Idol  Guagalmojon  (mit  sechs  Söhnen)  verehrt  (mit 
hufeisenförmigen  Kinnstücken  aus  Metall),  die  Genitalien  zeigend  (als  Mutter  der  Menschen). 
Nach  dem  Tempel  des  Gottes  Uzorpillao  (bei  Conacocha)  wurden  Pilgerfahrten  unter- 
nommen. Wenn  eine  Frau  (und  Llama)  Zwillinge  gebar,  wurde  dem  Idol  Acuchuccacque 
geopfert.  Beim  Aufstand  einer  Provinz  wurde  der  Gott  Yanaguanca  und  Xulcaguaca  an- 
gerufen. Der  Gott  Paucar  wurde  als  Papagei  (in  Thon)  verehrt.  Der  Gott  Maillar 
lähmte  diejenigen ,  welche  ohne  Ehrerbietung  von  ihm  sprachen.  Die  verehrten  Leichen 
des  Kriegers  Condor  und  seines  Sohnes  waren  unter  Maishaufen  begraben  (frisch  zu 
bleiben).  Der  Sonne  wurden  Feste  gefeiert.  Gefangene  Füchse  wurden  nach  dem  Aus- 
waiden getrocknet,  und  als  Wittwen  gekleidet,  um  auf  einem  Sitz  Chicha  zu  empfangen 
(auch  als  säugende  Frauen).  Bei  Anwesenheit  des  Inca- Generals  Chacochima  in  Gua- 
machuco erschien  ihm  der  Dämon  als  Uscaiguai  oder  Riesenschlange  (mit  Hirschkopf  und 
Goldglocken  am  Schwanz),  die  sich  (als  Gott  des  Reichthums)  zur  Rückkehr  in  den 
Himmel  emporhob.. 

•)  Dem  Oberpriester  Xulcamango  erschien  der  Dämon  als  Adler,  und  dem  Indianer 
Xucalguaman  als  Phantom  beim  Heerdenhüten ,  um  Blut  zu  trinken  und  sich  (weil  der 
Strafe  des  Herrn  fliehend)  dem  Dienst  des  Catequil  zu  widmen.  Tamaraqunga,  Bruder 
des  Häuptlings  von  Pirsa  (bei  Anserma)  wurde  von  den  Dämonen  in  Gestalt  von  Auras- 


PARIACACA.  527 

dianer  (in  Guamachuco)  sieht  auf  dem  Wasser  eines  Sees  hübsche 
Calabassen  schwimmen,  in  deren  vergeblicher  Jagd  er  schwindlig 
wird,  von  dem  Dämon  nach  seiner  Wohnung  entführt,  um  bei  der 
Rückkehr  (nach  längerem  Fasten)  als  Zauberer  zu  fungiren. 

Nach  der  Beichte  (ocha)  beobachtete  der  Alco  (Priester)  die 
Eingeweide  des  Opferthieres  und  legte  demgemäss  eine  Busse*)  auf 
(in  Guamachuco).  Die  im  Magen  der  Thiere  angetroffenen  Concre- 
tionen  erhielten  Verehrung  (gleich  den  heiligen  Steinen  australischer 
Zauberer). 

Die  Dämone  wurden  von  den  Alcos  durch  Trommeln  und  Schla- 
gen eines  Kupfergefösses  gerufen,  sowie  durch  Schütteln  eines  mit 
Schellen  gefüllten  Netzes.  Cieza  erzählt  von  den  spiritistischen  Ver- 
folgungen, denen  Tamaraqunga,  Bruder  des  Häuptlings  von  Pirsa 
(bei  Anserma)  ausgesetzt  war,  indem  die  Dämone  ihm  das  Glas 
vor  dem  Munde  wegrissen,  in  sein  Gesicht  spuckten,  ihn  in  die  Luft 
emporhoben,  mit  Steinen  warfen  und  andern  Spuk  der  Klopfgeister 
trieben  (1549). 

In  glücklicher  Vorzeit,  als  noch  der  Tod  auf  der  Erde  nicht  be- 
kannt war  (indem  die  Sterbenden  nach  fünftägigem  Schlaf  wieder  auf- 
lebten), wurden  die  in  Form  von  Menschen  wandelnden  Huacas  (Götzen) 
Yananamca  und  Intanamca  durch  Caruyuchu  Huayallo  (Hualallo  Ca- 
ruincho)  vertrieben,  und  dann  diese  von  Pariacaca,  dem  Nachfolger 
Coniraya's,  —  in  jener  goldenen  Zeit,  wo  die  Lamas  des  in  seinem 
Federhause  als  Gott  verehrten,  aber  erst  durch  die  Wunderkraft 
Huathiacuri's  (Sohnes  des  Pariacaca)  von  seiner  Krankheit  geheilten, 
Reichen,  im  Federhause  von  Huarochiri,  mit  buntem  Fell  geboren 
wurden,  roth,  gelb,  blau,  so  dass  es  nicht  nöthig  war,  die  Wolle  erst 
zu  färben. 

Da  es  sich  nun  um  einen  Gegensatz  zu  Inti  (Inta-namca)  handelt, 
mag  eine  Erklärung  entnommen  werden  für  die  Notiz  bei  Santa- Cruz, 
dass  Pachacuti-IncaYupanqui    die  als  Huacas  verehrten  Curacas  aus 


Vögeln  verfolgt  (s.  Cieza).  Die  Priester  (Alcos)  communicirten  mit  dem  Dämon  (Supay) 
in  Guamachuco  aus  den  bekleideten  Puppen,  denen  in  einem  Korb  das  Idol  eingefügt 
war,  und  dieses  erhielt  dann  seine  Sclaven  zur  Bedienung,  sowie  seine  Heerden  für  den 
Unterhalt.  Das  Bild  des  Propheten  wurde  mit  Tonsur  dargestellt.  In  Guamachuco 
hatten    die   Indianer   das    Idol   Guamansai   (zur   Verehrung)    hinter  dem  Altar  versteckt 

('555). 

*)  Wer  durch  den  Tod  seinen  Sohn  verlor,  wurde  für  einen  Sünder  gehalten  und  mit 

Nesseln  gegeisselt  (in  Peru). 

')   In   den  Rasseln  der  Floridaner  waren  vom  Himmel  herabgekommene  Steine  ein- 

geschlossen  (nach  Cabe^a  de  Vaca). 


528  RELIGION  UND  SITTE. 

Vilcas-huaman,  nämlich  Pariacacca  nebst  Ayssa-vilca,  Chinchacocha, 
Huallallu  und  Chuquirocra,  sowie  zwei  der  Caflaris  (alle  schwarz  und 
hässlicher  Gestalt)  nach  Cuzco  gesandt  habe,  um  an  der  Festung 
Sacsahuaman  bauen  zu  helfen. 

Aus  den  in  Huarochiri  erschienenen  Eiern  kamen  (auf  dem 
Berge  Condorcoto)  fünf  Falken  hervor,  die  sich  in  Menschen  ver- 
wandelten, als  Pariacacca  (Vater  des  Huathiacuri)  und  seine  Brüder, 
und  dann  durch  einen  Sturmwind  das  Haus  des  als  Gott  verehrten 
Reichen  zerstörten  (s.  Avila). 

Von  den  drei  Eiern,  die  vom  Himmel  gefallen,  gingen  aus  dem 
goldenen  die  Curacas,  aus  dem  silbernen  die  Edlen,  aus  dem  kupfer- 
nen die  Gemeinen  hervor  (s.  Avendano).  Cauptagan  gebar  durch 
Guamansiri  die  Götter  einschliessenden  Eier  in  Guamachuco.  Bei 
Huacho  erschienen  drei  Eier.  Die  syrische  Venus  war  (nach  Hygin) 
aus  einem  vom  Himmel  gefallenen  Ei  entstanden  (als  Cybele).  Paria- 
caca  (in  Bettlertracht  verachtet)  zerstörte  das  Dorf  am  Berge  Matro- 
coto  durch  Hagel  (in  Huarochiri),  und  vor  ihm  war  Coniraya  (in 
Bettlertracht  des  Aussätzigen),  der  durch  die  Lucmafrucht  Cavillaca 
(bei  Huarochiri)  schwängerte,  erschienen. 

Das  Dorf  Huagaihusa,  wo  man  ihm  einen  Trunk  Chicha  versagt 
hatte,  zerstörte  Pariacaca*)  in  einem  Regensturm  und  vernichtete 
sämmtliche  Bewohner  mit  Ausnahme  des  Mädchens,  das  ihm  heim- 
lich eine  gefüllte  Calabasse  zugetragen  hatte,  und  dann  bewässerte 
er,  aus  Liebe  zur  schönen  Choque  Suso  die  Anpflanzungen  von 
Ayllu  Copara  in  Huarochiri  (s.  Avila). 

In  Peru  erschienen  in  reiche  Gewänder  gekleidet  drei  Männer, 
Airache,  Aranka  und  Mamaragua,  von  denen  Airache  in  einer  gol- 
denen Schleuder  einen  Wunderstein  trug,  mit  welchem  er  die  Berge 
bis  in  die  Sterne  erhob,  oder  in  den  tiefsten  Abgrund  stürzte.  Als 
Arapka  und  Ajarmango,  um  Fremde  als  Bewohner  zusammenzube- 
rufen,  eine  prächtige  Stadt  unter  den  Umwohnern  zu  bauen  began- 
nen, beschlossen  sie,  den  mächtigen  Airache  aus  dem  Wege  zu  räu- 
men, indem  sie  ihn  veranlassten,  zur  Verehrung  seines  Vaters,  der 
Sonne,  in  eine  Höhlung  einzutreten,  die  dann  mit  Steinen  verrammelt 
wurde.  Airache  aber,  den  Berg  überthürmend,  flog  mit  vielfarbigen 
Flügeln  in  die  Luft  empor,  seinen  Brüdern  zurufend,  dass,  obwohl 
sie  ihm  nach  dem  Leben  gestellt,    er  ihnen  doch,    wenn  Verehrung 


*)  Neben  dem  Fels  Pacacacha  wurde  die  Gebirgshöhe  Pariacaca  auf  dem  Wege  (von 
Lima)  nach  Yauyu  passirt  (s.  de  Lact). 


THIERFABEL.  5^9 

empfangend,  behülflich  sein  würde,  dass  die  von  ihnen  gebaute 
Stadt,  unter  dem  Namen  Cusco,  mit  dem  Sonnendienst  über  die 
Völker  herrschen  würde,  und  dass  sie  zum  Zeichen  gehorsamer  Ein- 
willigung, nach  seinem  Vorbilde  die  Ohren  zu  durchbohren  haben 
würden.  Nachdem  Airache  die  Kopf-Quaste  verliehen  hatte,  herrschte 
Ajarmango,  der  nach  der  aus  der  Höhle  Tambo  hervorbrechenden 
Fluth  den  Namen  Mango-Kapa  (mächtiger  Herr)  annahm,  in  Cuzco, 
während  Airanka  mit  Airache  in  Stein  verwandelt  wurde  (s.  Dapper.) 

Die  Brüderdreiheit  tritt  hier  mit  einem  fremden  Eroberervolk 
auf,  dessen  Character  sich  in  Airache  (mit  der  Sitte  der  Ohrdurch- 
bohrung) bewahrte,  während  Ajarmanko,  anfangs  durch  Aranka 
unterstützt,  in  ihrer  Verbindung  mit  dem  ansässigen  Leben  der  Ein- 
geborenen, eine  Stadt  baute^  und  deshalb  beide  den  unruhigen  Bruder 
aus  dem  Wege  räumten,  obwohl  ihm  Verehrung  bestimmt  wurde, 
um  unter  der  Aegide  seines  kriegerischen  Muthes  die  Herrschaft  auf 
Unterwerfung  der  Nachbarschaft  zu  begründen. 

Diese  Ereignisse  spielen  in  einer  vorgeschichtlichen  Periode,  die 
tlurch  das  Einbrechen  der  Fluth  abgeschlossen  wurde,  obwohl  Ayar- 
mango,  aus  seiner  dämonisch  zurücktretenden  Form  (Ayar-Mango), 
in  die  Geschichte  des  dauernden  Menschengeschlechts,  als  Mango- 
kava  (Mango-Capac),  herübergenommen  wurde. 

An  die  über  Huathicuri  (Sohn  Pariacacca's)  erhaltene  Legende 
knüpfen  sich  die  Fragmente  jener  Thierfabel,  die  auf  jeden  Zug  in 
der  asiato- europäischen  oder  africanischen  ihr  Seitenstück  finden 
könnte. 

Auf  seiner  Wanderung  unter  einem  Baume  ruhend,  überhört 
Huathicuri  das  Gespräch  der  Vögel  über  die  Neuigkeiten  des  Tages : 
die  Krankheit  des  reichen  Mannes,  die  Ursache  derselben  (weil 
seiner  Ehefrau  beim  Stossen  des  Mais  ein  Körnchen  auf  den  Schoss 
gefallen  u.  s.  w.),  die  mögliche  Heilung,  wenn  die  unter  dem  Mühl- 
stein im  Hause  verborgene*)  Kröte  vertrieben  ist  (der  auf  dem  Dache 
verborgene  Drache  im  birmanischen  Märchen). 


')  In  dem  bei  Pacaytambo  (tiue  es  donde  ellos  tienen  por  opinyon  que  salieron 
aquellos  siete  ombres  c  mugeres  depues  del  diluvio)  gefeierten  Ayme-Fest  wurde  die 
Asche  der  Opfer  dem  Tizibiracocha  geschickt  ,,por  aquellos  dos  rios  {\ue  salen  del  Cuzco 
en  cada  un  aAo." 

*)  Hcno  (der  unter  dem  Niagara- Fall  wohnende  Geist)  rieth  den  Bewohnern  des 
Dorfes  Ga-a-gwa  ihre  Wohnungen  nach  dem  Buffalo-Creek  zu  verlegen,  da  eine  unter 
dem  Dorfe  l^l>ende  Schlange  durch  Vergiftung  des  Wassers  die  unter  ihnen  herrschenden 
Krankheiten  erzeuge,  und  erschlug  dann  mit  dem  Donnerkeil  die  folgende  Schlange,  als 
sie  einen  engen  Wassercanal  passirtc  (s.  Morgan). 

Bastian:  Amenca.  I.  «^ 


530  RELIGION  UNI)   SITTE. 

So  genügend  unterrichtet,  bietet  er  seine  Dienste  an  und  obwohl 
von  den  Dienern  wegen  seines  unscheinbaren  Aeusseren  verlacht,  ge- 
lingt ihm  die  Heilung,  so  dass  die  doppelköpfige  Kröte  ihren  Platz 
räumen  muss  und  nach  dem  Quell  Anchicocha  hüpft,  wo  sie  seitdem 
die  Strasse  unsicher  macht,  indem  Vorübergehende  sich  verwirren 
und  die  Richtung  des  Weges  verlieren. 

Als  dem  glücklichen  Arzt  der  ausgesetzte  Preis,  die  Tochter  des 
reichen  Mannes,  gewährt  werden  muss,  schämt  sich  der  ältere 
Schwiegersohn  seines  neuen  Schwagers  und  fordert  ihn  verächtlich 
zum  Wettkampf  heraus,  den  indess  Huathiacuri  in  allen  Wieder- 
holungen siegreich  besteht,  da  er  sich  auf  Rath  seines,  im  Ei  be- 
fragten, Vaters  die  Flöte  und  den  Chicha-Krug  des  Fuchses  zu  ver- 
schaffen gewusst  hat  (s.  Avila). 

Auch  die  Bewässerung  Ayllu  Coxora's  durch  Pariacacca  war  vor- 
züglich dem  Fuchs  ^)  zu  danken,  da  dieser  unter  den  herbeigerufenen 
Thieren  am  Besten  arbeitete,  und  so  findet  die  List  dieses  in  China 
und  Japan  ebenfalls  als  ein  Ueberall  und  Nirgends  aufgefasster  Reineke 
in  den  verschiedensten  Formen  seine  Anerkennung,  im  Tempel 
Pachacamac's  sowohl,  wie  mit  Wittwenkleidung  oder  als  säugende 
Frau  auf  dem  Altare  Guamachuco's. 

Auch  den  Spott  spart  ihm  der  Volkswitz  hier  so  wenig,  wie 
anderswo,  denn  als  sämmtliche  Thiere  dem  durch  seine  Lama  vor 
der  Pluth  gewarnten  Hirten  bei  der  Flucht  auf  den  Gipfel  des  Berges 
Villca-coto  folgten,  blieb  nur  der  Fuchs,  noch  allerlei  andere  Mittel 
der  Rettung  im  Kopfe  umherwälzend,  hinter  den  übrigen  zurück, 
bis  er  für  sein  Leben  vor  den  stürzenden  Wassern  zu  laufen  hatte, 
dann  aber  kaum  auf  der  äussersten  Kante  des  bereits  überfüllten 
Berges  ein  kleines  Plätzchen  fand,  so  dass  die  Spitze  des  Schwanzes 
in's  Wasser  hinabhing  und  seitdem  schwarz  geblieben  ist.  Nach 
Con-Quien  (Häuptling  der  Papaga)  prophezeite  (zu  der  Zeit  als 
Thiere  und  Menschen  mit  einander  redeten)  der  Coyote^)  die  Fluth, 
aus  welcher  neben  ihm  nur  Montezuma  (der  als  Führer  der  Indianer 
vom  Schöpfer  ausgegraben  war)  entkam  (s.  Davidson). 

*)  Bei  den  Indianern  von  Xnrgannset  fanden  sicli  dämoniscbc  Fuchsmythen  (nach 
Macgowan).  ' 

^)  Nach  dem  vorweltlichcn  Stamm  der  Ulhaipa  (bei  Chinook)  oder  Sehuiab  (l>ei 
Clallam  und  Lummis)  wurden  die  Menschen  durch  Italapas  (den  Coyote)  geschaffen, 
aber  im  rohen  Zustande,  bis  der  Geist  Ikanam  ihre  Augen  mit  einem  scliarfen  Stein  ge- 
öffnet und  ihre  Hände  und  Füsse  fUr  Brauchbarkeit  zugerichtet  [als  Quetzalcoatl].  Am 
Palousefluss  (in  Washington)  entstanden  die  Menschen  aus  den  umhergestreuten  Thcilen 
eines  /er^tückellen  Bibers,    der   bei  den  Fällen  von  Aputaput  durch  die  Riesenbriidcr  auf 


FUCHS.  531 

Die  Tapuyer  (s.  Barlaeus)  „haben  wunderseltzame  Fabeln  unter 
sich  von  einem  Fuchse,  der  sie  bei  irem  Gott,  nämHch  dem  grossen 
Noord-Gestirne,  in  Ungnaden  gebracht  hat'*  (1647). 

Nachdem  Huathiacuri  aus  allen  ihm  auferlegten  Proben  als  unbe- 
strittener Sieger  hervorgegangen  war,  verwandelte  er  seinen  Schwa- 
ger in  ein  Wild  (das  früher  Menschen  frass,  jetzt  aber  selbst  von 
den  Menschen  gegessen  wird)  und  dessen  Frau,  seine  Schwägerin, 
(auf  den  Kopf  gestellt,  die  Füsse  nach  oben),  in  einen  Stein  (s.  Avila). 

Die  düster  feuchten  Wälder  der  Montafia,  besonders  die  Ufer 
des  Paradiesesflusses  Pilcomayo  waren  reich  an  Phantasiege^chöpfen, 
wie  sie  auch  Schmidel  kennt  in  dem  Crocodilungeheuer,  das  nur 
durch  Vorhalten  eines  Spiegels  zu  tödten  ist,  weil  es  sonst  (gleich 
dem  Gorgonenhaupt)  versteinern  würde.  Aus  der  Montafta,  wo  die 
Riesenschlange  durch  den  heiligen  Condor  vernichtet  wird,  stammen 
die  Chimären  und  andere  Abentheuer. 

Als  Fabelthiere  aus  dem  See  Quichiupay,  sowie  in  Arequipa  und 


Wunsch    der  Schwester   gefangen    war._    Indem   die  in  den  verwesenden  Leichen  der  ge- 
storbenen Tbiere  erzeugten  Würmer  zum  Monde  flogen,  wurde  die  Erde  der  Lebensgeister 
beraubt ,  bis  die  Alten  der  Coyoten  das  Verbrennen  einführten ,  worauf  sich  die  Coyoten 
allmählig   zu  Menschen    vollendeten,    und   den  verlorenen  Schwanz  noch  bei  Tanz  durch 
das  Costum  ersetzen  (nach  den  Potoyantes).     Durch  Quaoar  (bei  Los  Angelos)  wird  der 
erste  Mensch  (Tobohor)  und  Frau  (Pabavit)  geschaffen.    Die  Guaycuru  (in  Süd-America) 
hiessen  Ubaya.   Unter  den  Califomiem  fanden  sich  angeblich  Abkömmlinge  der  Coyoten, 
die,  als  Menschenfresser,  den  Schrecken  der  Jugend  bildeten.    Starb  ein  Pulpem  (Priester), 
so  rief  man  einen  solchen  Eno,  der,   nachdem  er  (gegen  gute  Bezahlung)  ein  Stück  des 
todten  Körpers  gegessen,  Tacue  (Esser)  genannt  wurde  (erzählt  Boscana).  Die  Geier,  die 
l>eim   Panes-Fest   von  den    Califomiem   (ihre  Hauptkleidung  oder  Paelt   zu  machen)  ge- 
opfert und  von  den  Frauen  gefragt  werden,  weshalb  sie  nicht  dageblieben  und  au  Panes  gewor- 
den, stammen  von  einer  Frau,  die  einst  in  den  Berg  gehend ,  dort  von  Chinigchinich  in  einen 
Geier  verwandelt  wurde,   und  dann  überall  in  solchen  auPs  Neue  geopfert  wird  (s.  Bos- 
cana).    Der   erste  Mensch  (Kallak)   entstand   aus   der  Erde  und  aus  seinem  Daumen  die 
erste  Frau  (nach  den  Grönländem).    Der  Tod  kam  durch  eine  Frau  (damit  Platz  werde). 
Als  eine  grönländische  Frau  den  Kablunat  (Ausländer)  und  Hunde  geboren,  frassen  diese 
den  Vater,    und  im  Streit  wurde    der  Kablunat   von   den  Grönländem  besiegt.     Als  beim 
Umkippen   der  Erde  die  Menschen  (ausser  den  zu  Inguersoit   oder  Feuergeistern  Gewor- 
denen) ertranken«    schlug   der  allein  Zurückgebliebene  mit  dem  Stock  auf  die  Erde,    aus 
der  eine  Frau  kam  (zur  Wiederbevölkerung).    Nach  dem  Zerschmettern  des  Erdklumpen«^ 
bläst  Pirksoma.     Der  Tomgak  (Schulzgeist)   fuhrt  den  Angekok   über  das  (den  Abgrund 
Überbrückende)  Seil,    um  Toragarsuk's  Mutter   durch    angezündete  Vogelfedem    zu  über- 
kommen.   Um  eines  Kranken  Schicksal  zu  erfahren,  fährt  der  Angekok,  mit  seinem  Tomgak 
an    einem  Riemen,    in    das   Reich    der  Seelen   hinauf  zu    den    dicken  Weisen,    Angekut 
Poglit    (in    den  stillen  Wohnungen).     Zur   Weihe   wird   der  Angekok    von    einem    Bären 
an  das  Ufer  geschleppt,  von  einem  Walfisch  gefressen,  um  ausgespieen  zu  werden.    Tom- 
garsuk    erscheint    als  Bär    oder  einarmiger  Mann    [Tyr].     Die  Hexen  (Illiseetsok)  citiren 
die  Seelen  (derer,  denen  sie  schaden  wollen),  um  sie  mit.  einem  Pfeil  zu  ver\vunden. 

34* 


532  RELIGION   UND   SITTE. 

Guamanca  erschienen  waren,  brachten  (bei  Pachacutec's  siegreicher 
Rückkehr  nach  Cuzco)  die  Curacas  ^on  Caravaya  das  Fabelthier 
Chuquichinchay,  oder  den  Fürsten  der  Jaguare  (Uturuncus),  nach  Cuzco 
(s.  Santa  Cruz).  Als  auf  dem  Feldzug  Pachacutec's  gegen  Anti-suyu 
der  Dämon  Canamay  (der  Caviflas)  eine  feurige  Schlange  zur  Zer- 
störung sandte,  erschien  auf  des  Inca  Gebet  zum  Himmel,  ein  Adler, 
der  sie  tödtete  (s.  Santa-Cruz),  und  das  wurde  auf  den  Wänden  von 
Anca-pirca  dargestellt. 

Nach  den  Achkeres  (am  Rio  Parabol)  tödtet  das  Crocodil 
(animal  venenoso)  durch  Anblick  und  Hauch,  und:  ,,es  el  unico  medio 
de  matarle,  poncrle  delante  un  espejo,  en  que  viendosc,  muere" 
(Schmidel).  Der  Pfarrer  von  San  Andres  (s.  Weddcll)  erzählte  die 
Geschichte  „d'un  oiseau,  qui  s'^tant  posö  par  terre,  y  avait  pris 
racine"  (in  der  Provinz  Yungas),  wie  ähnlich  in  Sibirien. 

Monströs    phantastische   Gestalten,    wie    sie    im  Alterthum    und 
Mittelalter,    sowie    noch   jetzt  aus  Africa  berichtet  werden,    trieben 
sich  in  den  unzugänglichen  Wäldern  umher,  die  die  Geheimnisse  der 
Goldstadt  bargen,  und  Humboldt  hörte  von  ihnen,  als  Rayas  (in  den 
Waldungen    Sipapu's),    die    (wie    in    Carichana    erzählt    wurde)    den 
Mund  am  Nabel  hatten.    Die  Plwaiponama  (whose  heads  appear  not 
above  their  Shoulders)  arc  reported  to  have  their  eyes  in  their  Shoulders 
and  their  mouths  in  the  middle  of  their  breasts  (s.  Raleigh).    In  Guiana 
soll  es  eine  Nation  geben,  welche  man  Ohnköpfe  nennt,  und  man  giebt 
vor,  sie  hätten  die  Augen  auf  den  Schultern,  den  Mund  auf  der  Brust 
und  die  Haare  auf  dem  Rücken  (s.  Baumann).  Aehnlich  bei  Hulsius. 
Vor    der  Festeszeit   wurden  in  Peru  die  Cazi  genannten  Fasten 
beobachtet,  und  (nach  Acosta)  gingen  dem  Fest  Itu  tagelange  Fasten 
voran    unter  Enthaltung    des  Verkehrs  mit  den  Frauen.     Durch  die 
Itu    genannten  Fasten  wurde  der  Guaca  versöhnt,   bemerkt  Baiboa. 
Während  dem    Salz  und    Knoblauch    verbietendem    Fasten    der 
Cushipatas    (Priester)    in    Peru,    hüteten    sich    manche    selbst    ihren 
Körper    mit    der  Hand    zu  berühren.     In  der  Mayuchalla  genannten 
Cercmonie  tranken  die  Peruaner  in  der  Hand  geschöpftes  Wasser,  den 
Gott  um  sichere  Passage  anrufend  und  um  Fische,  worauf  sie  zu  seiner 
Begütigung  Korn    in   den  P'luss  warfen.     Bei  dem  im  Monat  Raime 
gefeierten  P'est  Kapakraime    wurden    mit  Blut   geknetete  Brode  ge- 
backen, und  von  den   aus  königlichem  Stamm  der  Ilaqui  Yupanguy 
entsprossenen  Priestern  unter  die  Eidesleister  vertheilt,  damit,  wenn 
sie    dem  Inca  Unehrerbietung    bezeigten,    das  Brod    zu    ihrem  Ver- 


TÄNZE.  533 

derben  wirke  (s.  Dapper).  Dieser  Rundtrank  ^)  (an  der  Tafelrunde) 
entsprach  dem  siamesischen  Eideswasser,  wogegen  die  Jagas  von 
Cassange  Menschenfleisch  unter  ihre  mystischen  Mahle  ^)  zur  sicheren 
Bindung  durch  den  Eidschwur  mischten. 

Beim  Feste  Itu  wurden,  unter  Nachahmung  der  Handwerke,  die 
Tänze  Guakones  aufgeführt  (in  Peru).  Für  das  Fest  Intiraimi  war  unter 
Bemalung  und  Plattenschmuck  der  Tanz  Kajo  bestimmt  (s.  Dapper). 

Beim  Fest  Paucar-Huatay  zündete  der  als  Priester')  (des  Intip- 
Raymi*))  fungirende  Inca  durch  einen  Metallspiegel  (Inca-Virpo)  mit 
den  Sonnenstrahlen*)  das  Feuer  (Mosoc  nina  oder  heiliger  Funke) 
an  (wie  es  in  Rom  bei  der  Erlöschung  des  vestalischen  Feuers  am 
Märzfest  geschah,  oder  nach  Prodigien  u.  s.  w.),  während  es  bei  be- 
decktem Himmel  (für  dieses  Fest  der  Feuer -Erneuerung)  aus  Holz 
gerieben  wurde  (als  Notfeuer). 

Am  Raymi-Fest  wurden  Frauen  aus  allen  Provinzen  gesandt, 
um  die  Speisen  (Zancu)  den  Pilgern  vorher  zu  bereiten,  wie  die 
Sonnenjungfrauen  dem  Inca,  da  in  den  drei  Festtagen  kein  Feuer 
entzündet  werden  durfte.  Im  alten  Congo  blieben  nach  dem  Tode 
des  Königs  alle  Feuer  im  ganzen  Lande  verlöscht.  Am  Cusqui- 
Raymi-Fest  wurde  die  Sonne  um  Schutz  gegen  Frost  gebeten. 

Das    von  Pilgern    aus  allen  Theilen  des  Landes  besuchte  Situa- 


*)  Kl  pleito  onicnai^c  de  la  cunfederaciun  Uevaudo  las  mugeres  un  gran  vaao  de  viiio, 
vollzog  sich  beim  Trinken  zwischen  Viracoclia-Inga  und  Caii  (s.  Herrera). 

2)  So  wird  von  den  zu  den  täglichen  Morgenopfem  der  kaiserlichen  Ahnen  im  Palast 
zu  Peking  eingeladenen  Beamten  und  Prinzen  erwartet,  dass  sie  tüchtig  beim  Essen  des 
gebratenen  Specks  zulangen,  um  ihre  Loyalität  zu  beweisen. 

*J  Der  1  lohepriester  galt  (bei  den  Creek)  als  Vermittler  mit  dem  heiligen  Geist  des 
Feuers ,  ein  Ausfluss  des  grossen  Wesens  in  der  Sonne ,  die  durch  aufgeblasene  Rauch- 
wolken des  Calumct  verehrt  wurde  (während  in  der  Rotunde  des  Sonnentempels  das 
ewige  Feuer  unterhalten  wurde).  In  the  solemn  annual  feslival  of  the  Busque,  when  all 
the  fires  of  the  nation  were  estinguished,  the  high  priest  alone  was  commissioned  to  repro- 
tluce  the  celestial  spark  and  give  new  fire  to  the  Community  (Ch.  C.  Jones).  In  der 
Walpurgisnacht  bringt  man  entzündeten  Schwamm  als  unauslöschbares  Feuer  in  das  Haus. 
Das  kirchliche  Osterfeuer  (seit  dem  IX.  Jahrhundert)  wird  an  der  Osterkerze  unter  Erhitzen 
gesegneter  Kohle  sngezündet  (als  ,,novus  ignis  de  lapide  excussus"). 

*)  At  the  feast  of  Kaymi,  the  sacrifice  usually  offered  was  that  of  the  llama,  and  the 
priest,  after  opening  the  body  of  his  victim,  sought  in  the  appearances,  which  it  exhibited 
to  read  the  lesson  of  the  mysterious  future.  If  the  auguries  were  unpropitious,  a  second 
victim  was  slaughtered,  in  the  hope  of  receiving  sonie  more  comfortable  assurance 
(s.  Prcscott). 

*)  In  den  Gräbern  der  Chippeway  werden  Brenngläser  gefunden ,  welche  sie  (seit 
dem  europäischen  Handel)  zum  Neu- Anzünden  des  crlöschten  F'euers  benutzten  (s.  Leland). 
Die  Römer  zündeten  das  heilige  Feuer  mit  dreieckigen  Metallspiegeln  an  (nach  Plutarchj, 
ilic  Peruaner  mit  runden. 


584  RELIGION   UNI)   SITTE. 

Fest  zur  Reinigung  der  Stadt  von  dämonischen  Einflüssen,  ist  ebenso 
in  Bangkok,  am  Calabar  und  sonst  in  Africa,  durch  die  polynesischen 
Inseln  u.  s.  w.  bekannt.  Bei  den  Chibchas  wurde  mit  Suetiva  der 
Teufel  bezeichnet. 

Am  Situa-Fest  trat  aus  der  Festung  Sacsahuaman  (wo  über 
Krieg,  wie  im  Sonnentempel  über  Frieden  berathen  wurde)  ein  ge- 
schmückter Inca  hervor,  und  mit  der  geweihten  Lanze  in  der  Hand 
nach  dem  Markte  Cuzco's  eilend,  verkündete  erden  ihn  dort  erwartenden 
Inca  die  Botschaft  der  Sonne,  und  berührte  in  ihrem  Auftrage  mit 
der  Lanze  zwei  Fürsten  aus  königlichem  Blute,  die  dann  die  vier 
Hauptstrassen  (auf  welche  die  Hausbewohner,  das  Uebel  aus  ihren 
Kleidern  abschüttelnd,  heraustraten)  hinabliefen,  ausserhalb  der  Stadt 
ihre  Lanze  an  vier  Andere,  die  als  Inca  figurirten,'  übergebend,  um 
sie  weiter  zu  tragen,  bis  an  den  Platz  des  Aufsteckens,  als  Grenzmarken, 
bis  wohin  das  Böse  gebannt  sein  sollte,  worauf  in  der  folgenden  Nacht 
(um  auch  die  nächtlichen  Dämone  zu  vertreiben),  die  Strassen  der 
Stadt  mit  brennenden  Fackeln  (Pancuncu)  durchlaufen,  und  diese 
dann  in  fliessendem  Wasser  (zum  Fortschwemmen  des  Uebcls)  ver- 
löscht wurden  (s.  Garcilasso). 

Dieses  Situa-Fest  wurde  im  Coya-raymi  gefeiert,  um  Krankheiten 
und  Uebel  aus  dem  Land  zu  vertreiben^).  Nachdem  die  Fremden, 
Krüppel  und  sonst  ungünstige  Personen  aus  der  Stadt  entfernt  waren, 
versammelten  sich  die  Bewohner  Cuzco's  bewaffnet  auf  dem  Markt- 
platz, die  Geschlechter  Usca  Mayta  Ayllu  (Mayta  Capac's),  Yopo- 
mayu  Ayllu,  Yahuaymin  Ayllu  Sutic  und  Marasaylla  Cuynissa  Ayllu 
nach  (südlichem)  Collasuyu  (östlich)  gewendet,  die  Geschlechter 
Ccapac  Ayllu  (Tupac  Inca  Yupanqui's),  Hatun  Ayllu,  Vicaquiraa 
(Ynca's  Roca's),  Chamin-Cuzco-Ayllu  und  Yaraycu  Ayllu  nach  (nörd- 
lichem) Chinchasuyu  (westlich),  die  Geschlechter  Usca  panaca  Ayllu, 
Aucaylli  Ayllu,  Tarpuntay  Ayllu  und  SaAu-Ayllu  nach  (östlichem) 
Anti-suyu  (nördlich)  und  die  Geschlechter  Yaura- panaca  Ayllu, 
China-panaca  Ayllu,  Masca-panaca  Ayllu  und  Quesco  Ayllu  nach 
(westlichem)  Cunti  -  suyu  (südlich).  Die  durch  die  Strassen  des 
Collasuyu  F'orteilenden  übertrugen  den  Schrei  von  Acoya-puncu 
(Hurin-Cuzco's)    durch    die    Mitimaes    von  Huayparya,    Antahuaylla, 

^)  Die  Hexen  werden  ausgeblasen  (in  Franken)  oder  sonst  ausgepeitscht  (s.  Wuttke). 
,,Die  Hurscheh  versammeln  sich  nach  Sonnenuntergang  auf  einer  Anhöhe,  besonders  an 
Kreuzwegen,  und  peitschen  bis  Mittemacht  kreuzweis  im  Tact,  soweit  das  Knallen  gehört 
wird,  sind  alle  Hexen  machtlos"  (nach  dem  deutschen  Volksglauben).  Aus  Bangkok 
werden  die  Teufel  durch  Kanonenschüsse  verjagt  (sonst  durch  Klopfen,  wie  auch  in 
Birma  und  sonst). 


EXORCISMUS.  535 

Huaray-pacha  bis  zum  Fluss  Quiquisana  zum  Fortschwemmen,  die 
Chinchasu}  US  durch  Jaquijahuana  und  Tilca  bis  zum  Apurimac,  die 
Antisuyu's  durch  Chita  und  Pisac  zum  Fluss  von  Pisac  und  die 
Cunti-suyus  durch  Churicalla,  Yaurisquis  und  Tautar  zum  Fluss  von 
Cusipampa.  Dann  nach  Abschütteln  der  Kleider,  und  der  Heiligung 
der  Quellen,  wurde  der  aus  grobem  Maismehl  gefertigte  Kuchen 
(Sancu  oder  Elba)  gegessen,  und  alle  Streitigkeiten  geschlichtet,  um 
sich  auf  die  ferneren  Ceremonien  des  Festes  vorzubereiten  (s.  Molina). 

Beim  Fest  Aimorai  im  Monat  Hatunuiqui  wurde  in  das  Bündel 
Perua  eingewickelter  Mais  auf  den  Aeckern  (bei  der  Ernte)  ver- 
brannt, um  den  gesammelten  Mais  vor  Verderben  zu  hüten.  Beim 
Fest  Jntiraimi  (im  Monat  Aukaikuzki)  wurde  vor  den  aus  dem  Holz 
Quinua  geschnitzten  Bildern  getanzt.  Beim  Fest  Huarki  (des  Monats 
Chahua)  wurden  Schafe  verbrannt,  damit  die  Jahreszeit  den  Feldern 
günstig  sei.  Wie  die  Erde  beim  Säen  wurde  Chucuylla  verehrt, 
paraque  no  helase  ny  granigase." 

Die  Zeiten  der  Sonnenfeste  wurden  durch  die  Saibas  genannten 
Erhöhungen  bestimmt  (in  Peru). 

Beim  Sonnenfest  (Aucay-cuzqui  Inti-raymi)  wurden  die  Cayo  ge- 
nannten Tänze  um  Holzfiguren  aufgeführt  (berichtet  Baiboa).  Mas- 
kirte  Tänze  haben  sich  bei  den  Tecunas  erhalten  (am  Maraflon). 
Das  Ayar-Marca  genannte  Fest  wurde  für  die  Todten  (Aya)  gefeiert 
(s.  Velasco).  Am  Fest  Oncoymita  wurden  die  Oncoy  (Plejaden)  verehrt 
(s.  Villagomez).  Die  Mincas  genannten  P^este  fielen  mit  dem  Feldbau 
zusammen. 

Das  Fest  Itu  wurde  je  nach  Erforderniss  gefeiert,  sei  es  bei  zu 
viel  oder  zu  wenig  Regen,  sei  es  bei  Krankheiten,  und  nach  dem 
Zweck  wurde  dann  jedesmal  verschiedene  Kleidung  angelegt  (s.  Acosta). 
Während  der  Plasten  beim  Fest  Itu  wurden  die  Guakones  genannten 
Tänze  abgehalten  (und  Processionen  in  besonderer  Gewändertracht). 
Bei  dem  Fest  Acatay  mita  im  December  (que  empiegan  a  madurar 
las  Paltas)  liefen  die  Männer  nackt  mit  Frauen  um  die  Wette  nach 
einem  Hügel  und  begatteten  sich  mit  der  Ucberholten  (s.  Villagomez). 
In  Lampa  wurde  (nach  Quifiones)  ein  Jahresfest  gefeiert,  indem  Kna- 
bengottheiten (von  Mädchen  begleitet)  vor  den  Häuptlingen  einen 
Sack  mit  Kartoffeln  niederlegten  (beim  Vollmond),  und  diese  durch 
die,  Huaca-camoyoc  genannten,  Priester  mit  dem  Blut  eines  geopferten 
Lammes  besprengt  wurden.  Beim  Fest  Camay  quilla  tanzten  Männer 
und  F'rauen,  den  Schlangenstrick  (Moro-urco*s)  haltend.  Am  Situa-Fest 
wurde  der  Tanz  (taqui)  Alanutua  saqui  aufgeführt  und  die  Waschung 


536  RELIGION   UND   SITTE. 

des  Idol  Guanacauciquc  (Huayna-Cacique)  vorgenommen.  Beim  Fest 
der  Riltcrweihe  wurde  das  Lied  Huari  gesungen.  In  Uma  war 
das    Fest    Hurachillo    der  Ohrdurchbohrung   gewidmet. 

Beim  Erntefest  (Atunaizqui)  wurden  die  Aymoray  genannten 
Lieder  gesungen  (s.  Baiboa).  Die  Chumpivilcas  umtanzten  beim 
Erntefest  die  Huanta  -  ;;ara  und  Ayrihua  •  zara  genannten  Maisähren. 

Nach  Acosta  wurden  bei  den  Hatuncuzqui  Aymoray  genannten 
Erntefesten  (Perus)  einige  Maiskörner  in  ein  Bündel  gelegt  und  als 
Pirna  verehrt,  wenn  sich  nach  Befragen  der  Zauberer  ihre  Kraft  als 
ausreichend  für  das  nächste  Jahr  ergab,  während  sie  sonst  zu  er- 
neuern waren. 

Bei  dem  Opferfest  für  Winterregen  wurde  aus  dem  Tempelhaus 
Moro-urco  ein  langer  in  verschiedenen  Farben  bunt  gewebter  Strick 
von  Männern  und  Frauen  tanzend  auf  den  Markt  getragen,  und  dort 
hingeworfen,  in  der  Form  einer  aufgewundenen  Schlange  (in  Cuzco). 
Bei  dem  Fest  in  Mantucalla  wurden  zwei  Figuren  von  Schafen  ge- 
schmückt umhergeführt,  zum  Andenken*)  derer,  die  mit  den  Men- 
schen aus  dem  Tambo  gekommen. 

Unter  den  peruanischen  Jahresfesten  schlössen  sich  die  vier 
hauptsächlichsten  an  die  Sonne  an,  an  die  Solstitien  und  Equinoctien, 
während  die  übrigen  den  Monaten  folgten,  wie  bei  den  Mexicanern. 
In  der  Berechnung  und  Regelung  dieser  Kalender  lag  die  Haupt- 
aufgabe der  Priester,  auch  im  Norden,  und  bei  den  Mayas  wurden 
am  Ende  jedes  Jahres  einer  der  Katun  genannten  Steine  im  Tempel 
zugefügt,  wie  man  in  Rom  dort  einen  Nagel  einschlug. 

')  Bei  den  Festen  wurden  die  alten  Inca  erinnert.  Am  Kaymi-Fest  trank  der  Inca 
aus  dem  Aquilla  genannten  Goldbecher.  In  Peru  legen  vielfach  Indianer  während  der 
Messe  das  Gelübde  ab,  das  Fest  des  einen  oder  andern  Heiligen  ausrichten  zu  wollen  und 
haben  dann  besonders  die  Wachskerzen  zu  versehen.  Am  Frohnieich namsfest  werden 
in  den  brasiUschen  Blättern  Bilder  des  heiligen  Geistes  (mit  oder  ohne  Glorie)  aus- 
geboten (1855).  Während  die  Cholera  in  Rio -Janeiro  herrschte,  wurden  Gebete  und 
fromme  Sprüche  dagegen  angezeigt  (trocase  oder  vendese).  In  den  Proccssioncn 
der  Heiligen  zu  Rio  begrüssen  die  Sclavcn  die  schwarzen  und  negerartigen 
freudig  als  ihre  Verwandten.  Am  Cliarfreilage  läsbl  sich  manchmal  (in  Brasilien)  ein 
betrunkener  Indianer  überreden  die  Kreuzigung  mit  sich  darstellen  zu  lassen.  Judas  wird 
von  den  Negern  durcli  die  Strassen  geschleift,  als  Puppe.  Als  Engelcheu  gekleidete 
Kinder  begleiten  in  brasilischen  Processionen  die  Heiligen,  als  Schutzgeister.  In  Corongos 
unter  den  Conchucos  (mit  der  Hauptstadt  Huari)  kämpfen  zwei  Partheieu  aus  verschiedene. 
Stadtvierteln  am  Jahresfest  um  den  Kopf  des  St.  Peter,  welcher  der  in  Procession  herum- 
getragenen Figur  durch  Steine  abzuwerfen  gesucht  wird  für  gute  Ernte  (s.  Stevenson). 
•  Im  Jahre  1846  wurde  die  heilige  Priscillina  durch  einen  frommen  Brasilianer  von  Rom 
nach  Rio  Janeiro  gebracht,  ohne  dort  jedoch  viele  Wunder  zu  thun,  da  die  Stadt  dem 
Schulze  des  heiligen  Sebastian  anvertraut  ist.  Mit  grosser  Festlichkeit  wird  die  Procession 
des  heiligen  Georg  begangen. 


FESTE.  537 

Als  Hauptfestc  der  (bei  der  Feier  des  Raymi  auf  dem  Markt- 
platz Cuzco's  Opfer  empfangenden)  Sonne  nennt  Garcilasso  die  (zur 
Zeit  Viracocha 's)  als  Situa  und  Raymi  bezeichneten,  anderswo  sagend, 
dass  zu  der  durch  einen  Steinpfeiler  bestimmten  Aequinoctialzeit  des 
September  (UmuRaymi)  das  Fest  Situa  Raymi  gefeiert  sei,  und  wie 
es  ferner  heisst,  wurde  das  Wort  Raymi,  obwohl  für  alle  vier  Sonnen- 
feste verwandt,  doch  im  Speciellen  für  das  höchste  derselben  im 
Juni,  das  (neuntägige)  Fest  Intip-Raymi,  gebraucht  (also  im  dortigen 
Winter- Solstitium).  Nur  an  diesem  Feste,  und  an  dem  Feste  Situa, 
hätten  die  sonst  gedörrten  oder  gekochten  Mais  geniessenden  Peruaner 
Brod  aus  Teig  gebacken  und  kleine  Mundvoll  (en  bocadas)  davon 
genossen  (während  anderswo  für  sacramentale  Ceremonien  gerade 
die  im  gewöhnlichen  Tagesleben  übliche  Säuerung  vermieden  wird). 
Neben  dem  im  Tempel  bereiteten  Maisbrei  diente  das  in  seiner  narco- 
tischen  Eigenschaft  geheiligte  Kraut  der  Coca   bei   religiösen  Riten. 


Der  Inca  als  König  erhielt  den  Titel  Hacchacuyac  (Wohlthäter, 
der  Armen)  oder  (nach  Oviedo)  Capac^)  (Capac-gapa),  und  empfing 
bei  der  Krönung  das  Szepter  Tupayauri  sowie  als  sein  Panier  eine 
mit  Federn  und  Goldringen  geschmückte  Lanze  (s.  Garcilasso). 

Die  Llautu  oder  Kopfbinde  des  regierenden  Inca  war  vielfarbig, 
die  der  übrigen  schwarz,  und  ausserdem  trug  der  Inca,  als  Herrscher, 
ein  rothes  Stirnband,  der  Erbprinz  ein  gelbes,  oder  es  war  eine 
rothe  Quaste,  die  von  der  Binde  des  Inca  herabhing,  und  aus  ihren 
Troddeln  wurden  von  ihm  als  Zeichen  seiner  Botschaft  den  Chas- 
quis  (Schnellläufern)  übergeben  (während  von  dem  Könige  Mexico's 
eine  Art  Siegelring  für  solchen  Zweck  benutzt  wurde).     Die  Quaste 


1)  Die  Könige  unter  den  Incas  (los  que  fueron  reyes)  hiessen  Capayuga  (Capa-Inca. 
als  Zapa  (der  Einzige).  Die  Incas  (Peru)  ,,con  luas  razon  se  podrian  llamar  diligentes 
padres  de  familias  u  ciudadosos  uiayordomob',  quc  no  reyes,  de  donde  naciö  el  renombre 
Capac-Titu,  con  que  los  Indios  les  solian  llamar,  Capac  lo  mismo  es  que  principe 
poderoso  en  riquezas  y  grandezas ,  y  Titu  bignifica  principe  liberal ,  maganimo ,  medio 
dios  aogustu  (Garcilasso  dela  Vega). 

3)  Con  un  hilo  de  esta  borla  (de  lana  colorada),  cnUegando  a  uno  de  aquellos 
Orejones,  govcmaban  (las  Ingas  unter  Capalla  Inga)  la  Tierra  (s.  Xcrcs).  Der  Inca  wurde 
mit  der  Mazcapaycha  genannten  Binde  (als  Königsdiadem)  gekrönt  (s.  Oviedo),  und 
iliese  um  die  Goldplatten  (Tupacochor)  gelegt.  nt)ie  Krön  oder  königlich  Zeichen  war 
vomen  her  wie  ein  Miter  und  binden  umbgeschlagen,  also  dass  es  nicht  gantz  rundt  war, 
das  förderst  Theil  stach  höcher,  wie  ein  Spitze.  Der  König  zu  Tezcuco  hatte  die  Praeeminenz, 
dass  der  König  von  Mexico  von  seiner  Hand  musste  gekrönt  werden*'  (s.  Ilumbergcr). 
Nach  Brulius  bestand  das  Diadem  (auf  der  Stirn  getragen)  aus  Fcdein  (bei  den  Inca). 


538  KKM(;i(>N   UND  SITTE. 

hing  bei  dem  herrschenden  Inca  über  die  Stirn,  bei  den  andern  auf 
das  rechte  Ohr  herab  (s.  Dapper). 

Der  Thronerbe  (der  Inca)  trug  ein  Kopfband  mit  gelben  Trod- 
deln. Den  rothen  Quast  (des  Königlichen  Inca)  „hieng  man  ihm 
mitten  auff das  Underhaupt,  und  dörfft  niemand^)  dergleichen  tragen', 
(auff  der  Seite  aber  beym  Ohr,  da  dorfft  man  die  Quast  wohl  tra- 
gen, inmaassen  ihn  andere  Herren  zu  tragen  pflegten).  Die  blau- 
schwarzen Vögel  von  Vilcartota  wurden  nur  für  den  Gebrauch 2)  des 
Inca  gefangen  (s.  Skinner)  und  von  ihnen  war  die  auf  dem  Haupt 
getragene  Feder  entnommen.  Nach  Herrera  mussten  die  zu  Feder- 
kleidern benutzten  Vögel  in  Verapaz  dem  Könige  Mexico's  abge 
hcfert  werden  (und  ähnlich  früher  in  Hawaii). 

Die  Inca  trugen  die  schwarzweissen  Federn  der  in  der  Gebirgs- 
einsamkeit  von  Vilcaftota  lebenden  Coraquenque  -  VögeP) ,  weil  sie 
gleich  diesen,  in  einem  Paar  zusammenlebenden,  Vögeln  vom  Himmel 
herabgekommen  (bemerkt  Garcilasso). 

Tupa*)  (das  Göttliche  für  die  Tupi)  wird  erklärt  (bei  Tschudi) 
als  etwas  Königliches  (auch   das  Vorzüglichste    in    seiner  Art),    und 


')  Este  Vudio  se  ponia  en  la  cavcxa  unas  Ilautas ,  que  son  vnas  Ircii^as  hechas  de 
Janas  de  colores,  de  grosor  de  medio  dcdo  y  de  anchor  de  ano;  hecho  desto  vna  maiicra 
de  Corona  y  no  con  puntas,  sino  redunda ,  de  anchor  de  vna  niano ,  que  cncaxava  en  la 
caveza,  y  cn  la  frente  vna  borla  cossida  en  este  llauto ,  de  anchor  de  vna  niano ,  pocu 
mas,  de  lana  niuy  füna  de  grana,  cortada  muy  ygual,  metida  por  vnos  canuiitos  de  uro 
niuy  sotilmente  hasta  la  niitad;  esta  llana  hera  hilada,  y  de  los  caüutos  abaxo  destorcidai 
que  hera  lo  que  caya  en  la  frente;  que  los  cafiutillos  de  oro  hera  quanto  tomavan  todu 
el  llauto  ya  dicho.  Cayale  esta  borla  hasta  enciraa  de  las  cejas,  de  vn  dedo  grosor, 
que  le  tomava  toda  la  frente;  y  todos  estos  sefiores  andavan  tresquilados  y  los  orejones 
.como  a  sobre  peine.  Vestian  ropa  muy  delgada  y  muy  blanda  ellos  y  sas  hemianas 
que  tenian  por  mugeres,  y  sus  deudos,  orejones  principales,  que  se  la  davan  los  seilores, 
y  todos  los  demas  vestian  ropa  basta.  Foniase  este  seftur  la  raanta  por  encima  de  la 
cave^a  atabasela  dcbajo  de  la  barva ,  tapandose  las  orejas;  esto  traia  el  por  tapar  vna 
oreja  que  tenia  rompida,  que  quando  le  prendieron  los  de  Guascar  se  la  tiucbraron. 
Bestiase  est  scÄor  ropas  muy  dclicadas.     (s.  Pedro  Pizarro.) 

')  ,,Como  distintivo  usan  en  ocasioncs  de  importancia  Coronas  de  pluma"  die  Häupt- 
linge (Hiwyri)  der  Huachipairis  (s.  Göhring).  Der  Tiana  genannte  Ruhesessel  der  Inca 
war  (nach  Garcilasso)  aus  Gold.  De  Croone  ende  tronincklyck  cieraet  welck  dese  yngas 
oni  heurlieder  Maiesteht  ende  hoocheyt  te  bethoonen  ghebruycken,  was  eene  quispel  van 
roode  wolle,  dyc  hen  qvani  van  het  een  slaep  vanden  hoofde  tot  aen  dandcr,  ende  by 
nae  overdeckte  hen  de  ooghen ,  ende  met  eenen  draet  daer  af ,  dien  si  den  voorgaende 
heuren  Knechten  ghenaemt  Kingrim  gaven,    regeerden  het  heel    landt  (s.  Willem  SUvius). 

')  The  Chiefs  (in  Schottland)  wcre  distinguished  from  the  rest  of  the  clan  by  a  feather 
in  their  bonnets. 

^)  Tupa ,  el  nombre  de  honor  para  honrarse  o  Ilamarse  honrosamente  (s.  Holguin). 
Tupa  yauri,  el  cetro  real  era  insignia  real  del  Inca.  Marcgrav  giebt  (räch  Anchieta) 
'J'upana,  als  Dens,  und  Caraibebc  oder  Apiabebc,  als  Angelus  (bei  den  Tapuycm). 


IIIMYARITEN.  539 

(nach  Garcilasso)  bezeichnet  Ccapac  könighch.  Toba  hat  im  Tupi 
die  Bedeutung  des  Anthtzes,  und  dieses  bei  den  Königen  der  Chibcha 
anzubUcken,  war  schwerste  Sünde.  Der  wilde  BHck,  den  Acosta 
von  dem  Zaque  erwähnt,  findet  sich,  als  stier  und  starr  schreckend, 
bei  Steinfiguren  Yucatans. 

Die  ehrerbietige  Verehrung^)  des  Inca  war  derartig,  dass  er 
nicht  angesehen  werden  durfte  und  wie  bei  den  Negerköniglein 
Africa's  verbot  die  Etiquette,  dass  man  direct  zu  ihm  rede  oder  er 
in  Person  antworte.  So  hörte  Hernandez  Pizarro  mitgetheilt,  dass  die 
Fürsten  selbst,  nicht  Angesicht  zu  Angesicht  Atahualpa  sprächen*), 
„sino  un  principal  hablaba  por  el".  In  der  Gegenwart  des  Zaque 
durften  seine  Unterthanen  nur  rückwärts  schreitend  eintreten. 

Als  der  General  Chilicuchima  vor  den  gefangenen  Atahualpa 
zugelassen  wurde,  warf  er  sich  vorher  eine  Last^)  über  seine  Schulter 
(s.  Xeres),  die  er  von  einem  der  dortigen  Indianer  übernahm,  indem 
es  so  die  allgemeine  Sitte,  selbst  von  Vornehmen,  erforderte.  Solche 
Aufnahme  einer  Last  erwähnt  auch  Gomara. 

Die  Indianer  von  Perico  (neben  Cherinos),  deren  Nasenschmuck*) 

')  Quando  en  tieinpo  de  paz  haliaa  los  Vngas  a  visitar  su  reyno,  cueotan  que  ibon 
|>ur  cl  cun  gran  majestad,  sentados  cn  ricas  andas  armadas  sobre  unos  palos  Hsos  largos, 
de  roanera  escelente,  engastadas  en  oro  y  argenteria;  y  de  las  andas  salian  dos  arcos 
akos  hechos  de  oro,  engastadob  cn  piedras  preciosas.  Caian  unas  manlas  algo  largas 
por  todas  las  audas,  de  tal  mancra  que  las  cubrian  todas;  y  sino  era  queriendo  cl  que 
iba  dentro,  no  podia  ser  visto,  ni  alzaban  las  mantas,  si  no  era  cuando  entraba  y  salia, 
tanta  era  su  estimacion;  y  para  que  le  entrase  aire,  y  el  pudiese  ver  el  Camino,  havia 
eu  las  mantas  hechos  algunos  agujeros  hechos  por  todas  partes.  En  estas  andas  habia 
riqueza,  y  en  algunas  estaba  esculpido  el  sol  y  la  luna,  y  en  otras  ^mas  culebras  grandes 
ondadas  y  unos  como  bastones  que  las  atravesaban.  Esto  trahian  por  encima  por  armas, 
y  estas  andas  las  llevaban  cn  ombros  de  los  sefiores,  los  mayores  y  mas  principales  dcl 
reynu ,  y  aquel  que  nias  con  ellas  andaba ,  aqucl  sc  tenia  pur  mas  onrado  y  por  mas 
faborecido  (s.  Sarmiento). 

')  Nullus  faciem  ejus  iutueri,  nuUus  ad  cum  sine  sarcina,  licet  levi,  ingredi  fuisset 
ausus.  \ulli  Gemmam  portare  aut  portari  sella  i>ermittebatur  (nach  den  Bestimmungen 
V'ui>auqut-Inca's).  Der  Inca  empßug  auf  dem  Tiaiia  genannten  Thronsessel.  Mit  Monte- 
zuma  redend,  ,,no  Ic  miraban  a  la  cara"  (s.  Oviedo).  Bei  Einsetzung  des  Vicekönigs  in 
lAnxA  lässt  derselbe  sein  dazu  abgerichtetes  Pferd  drei  Kniebeugungen  machen  vor 'dem 
Ampuero  als  Abkömling  der  Inca  (s.  Baumann).  Condorcanqui ,  der  sich  (1781)  als 
Tupac-Amaru  empörte,  stammte  von  dem  1578  enthaupteten  Tupac-Amaru ,  einem  Nach- 
kommen des  in  die  Wälder  westwärts  von  \'illcapampa  geflüchteten  Sayri-Tupac. 

')  Die  (laut  redende)  Mijes  waren  so  an  Lastentragen  gewöhnt,  dass  sie,  wenn  in 
Ernuinglung  desselben,  ihre  Netze  (Tonates)  mit  Steinen  füllten  (wie  auf  der  Rückreise 
von  Tehuantepec),  und  ähnlich  trägt  man,  statt  der  zur  Stütze  auf  Reisen  dienenden 
Stäbe,  Spazierstöcke  als  Spielerei. 

*)  Die  Amahuacos  (von  Ucayali  bis  Madre  de  Dios)  trugen  Gold-  und  Silberplatten 
in  der  Nase.    In  Florida  ,,lip'Stones  (teutetl  of  the  Mexicans)  or  Bezote  were  worn".    Für 


540  RELIGION   UND   SITTE. 

bis  über  den  Mund  fiel,  begrüssten  den  Häuptling  indem  sie  ihm, 
nach  der  Anrufung,  den  Rücken  wandten  und  sich  von  ihm  anblasen 
Hessen  (s.  Herrera).  Der  Häuptling  oder  Mocha  am  Flusse  Chuqui- 
mayo  (unter  den  Chenchipie)  wurde  durch  Belecken  der  Hand 
verehrt. 

Damit  die  Füsse  des  Inca  nicht  die  Erde  berührten,  trug  man 
Sorge,  dass  dieselbe,  sobald  er  seine  Sänfte  verliess,  mit  Tüchern 
bedeckt  wurde,  wie  es  auch  in  Mexico  geschah  (und  im  indochine- 
sischen Ceremoniell  Analogien  findet).  Für  die  königliche  Sänfte 
wurden  Träger  aus  den  Rucanas  requirirt,  die  ihres  gleichmässigcn 
Schrittes  wegen  beliebt  waren.  Der  Weg,  den  der  Inca  zu  passiren 
hatte,  wurde  sorgfältig  von  allen  Strohhalmen  und  Steinchen  gerei- 
nigt. Ueber  dem  Inca  wurde  der  Achigua  genannte'  Federschinn 
getragen.  Die  Sessel  (Tiana)  der  Inca  waren  mit  edlen  Metallen 
verziert.  Ausser  den  Sänften  dienten  auch  Hängematten  zum  Tragen. 
Nach  Pedro  Pizarro  war  Atahualpa  auf  dem  Wege  nach  Caxamarca 
begleitet  vom  „SeAor  de  Chincha"  (ebenfalls  auf  einer  Sänfte).  Der 
Cazique  von  Coca  (in  Florida)  wurde  in  einer  Sänfte  getragen 
(s.  Biedma).     Ebenso  bei  Chibchas,  Mexicanern  u.  s.  w. 

Die  Gemahlin  des  Caziquen  (von  Puna)  „wurde  wie  die  Königin 
der  Insel  geehrt,  und  tritt  mit  keinem  Fuss  auff  die  Erde,  dann 
man  solches  für  ein  verkleinlich  und  verächtlich  Ding  hält,  .sondern 
wenn  sie  sich  ein  wenig  wil  erlustieren  und  frische  Lufft  schöpften, 
wird  sie  gleichsam  wie  in  einer  Sänfflen*)  von  vier  Mann  auff"  den 
Achseln  getragen,  welche  ein  Tuch  oder  Deck  hat  für  die  Sonn 
und  den  Windt"  (zu  Candeish's  Zeit). 

Den  Vorschriften  eines  polynesischen  Tabu  gemäss,  konnte  das 
von  der  Hand  des  Inca  Geheiligte^)  keinem  profanen  Gebrauche 
fernerhin  dienen.     Sobald  Atahualpa  seine  Mahlzeiten  beendet  hatte, 


den  Smaragd  (bemerkt  Plinius)  wurden  die  Wunden  in  den  Ohren  erdacht  (bei  den 
Römern).  Die  Aricoroncs  (am  Madeira)  färben  die  Haare  roüi  (s.  Martins).  Den  Grund- 
riss  fies  Tättowirens  bei  den  Indianerinnen  bilden  (in  Paraguay)  zwei  Parallel-Linien  (im 
Gesicht)  und  beim  Indianer  drei  (eingeprickeh). 

')  Atahualpa  (beim  Einzug  in  Caxamaica)  führte  den  FUrsten  von  Chincha  mit  sich, 
,,in  unas  andas,  que  parescia  h.  los  suyos  cosa  de  mucha  admiracion,  por  quc  ningun  Vndio, 
por  seftor  principal  que  fuese,  avia  de  parescer  delante  del  sino  fuesc  con  una  carga  a 
cuestos  y  descalzo"  (Pedro  Pizarro). 

*)  Von  der  Beute  Jericho's,  die  Josua  mit  dem  (schon  von  Moses  ausgesprochenen) 
Anathema  belegte,  durfte  nur  der  Cultus  bereichert  werden,  sonst  aber  nichts  berührt,  und 
Achan,  Sohn  des  Charmis,  starb,  als  er  davon  heimlich  genommen.  Li  Polynesien  verbot 
das  Tabu,  das  Eigenthum   des  Priesters  zu  berühren  (sacer  esto).     Während  der  Jagdzeit 


ETIQUETTE.  541 

warfen    die    Frauen,    wie    die    Spanier    zu    beobachten    Gelegenheit 
hatten,  Alles  Uebriggebliebene  in  Körbe,  um  es  zu  verbrennen. 

Das  vom  Inca  in  Kleidung  oder  Speisegeräthen  Berührte  wurde  in 
Kisten  innerhalb  eines  Tempels  aufbewahrt,  um  einmal  im  Jahre 
verbrannt  zu  werden  unter  Aufsicht  eines  besonderen  Beamten,  „por- 
que  lo  que  tocaron  los  Seflores  que  heran  hijos  del  Sol,  se  avia  de 
quemar  y  hacer  ceniza  y  hechallo  por  el  ayre,  que  nadie  avia  de 
tocar  ä  ello"  (Pedro  Pizarro). 

Das  Handtuch,  mit  dem  sich  Montezuma  nach  dem  Essen  die 
Hände  trocknete  (con  la  tohalla  que  una  vez  se  limpiaba),  die 
Kohlenbecken  zum  Erwärmen  der  Speisen,  die  Schüsseln  und  Teller 
zum  Auftragen  derselben,  wurden  nie  ein  zweites  Mal  benutzt,  sondern 
stets  erneuert  (s.  Oviedo).  Von  diesem  König  von  Mexico  wird  fernerer 
zählt,  dass  er  zweimal  am  Tage  seine  Kleidung  verändert  und  nie 
dieselbe  nochmals  angelegt  habe.  „So  werden  auch  die  Schüsseln, 
damit  man  einmahl  dem  Könige  zur  Tafel  gedienet,  ihm  niemahls 
wieder  vorgesetzt"  (s.  Dapper). 

Wie  bei  dem  Zipa  in  Bogota  das  Ausgeräu.sperte  oder  der 
Speichel  aufgefangen^)  wurde,  so  wird  Aehnliches  auch  von  den  Inca 
erzählt,  und  wenn  Atahualpa  auszuspucken  hatte,  sahen  die  Spanier 
eine  der  Hofdamen  ihre  Hand  dafiir  hinreichen,  „la  mano,  en  que 
escupiesse"^)  (s.  Oviedo). 


(unter  den  Koniagen)  ist  der  Walfischjäger  (der  vorher  seine  Waffen  im  Gebirge  ver- 
borgen hat)  heilig,  so  dass  Niemand  mit  ihm  aus  derselben  Schüssel  essen  oder  ihm  nahe 
kommen  darf. 

*)  ,,Lorsqueleroi  asatisfait  aux  necessites  de  la  nature,  ils  ramassent  soigneusement" 
son  ordure  \youT  le  faire  sicher  et  la  mettre  en  poudre,  erzählt  Tavemier  aus  Butam,  wie 
Gerbillon  vom  Dalai-Lama  (der  solche  CJeschenke  dem  Kaiser  Chinas  geschickt  hätte). 
Von  den  Heiden  in  Guinea  berichtet  Artus,  ,,man  finde  sonst  gar  keine  Schamhaft igkeit 
an  ihnen,  ohne  allein  diese  feine  Weise,  dass  sie  keine  Winde  (reverentes)  fahren  lassen 
in  Gegenwart  anderer  Leute,  und  sich  derhalber  hoch  verwundem,  wenn  irgend  ein  un- 
geschickter holländischer  Bootsmann  einen  anderen  weder  in  der  See  blasenden  Wind  (wie 
sich  denn  dieses  Völcklein  gemeiniglich  auf  mancherlei  Winde  verstehet),  wehen  lässt,  als 
welches  sie  für  eine  grosse  Schande  und  Vierachtung  (massen  es  auch  wohl  an  ihm  selbst 
eine  M:hlechtc  Hofzucht  ist)  halten,  und  lieber  sterben,  als  solches  Grobianus-Stücklein  be- 
gehen wollen"  (E.  Franciscns).  Aus  Acadien  wird  von  den  Indianern  bemerkt  (s.  Diere- 
ville):  ,,Wenn  ihn,  mit  Erlaubniss  zu  reden,  ein  Bauchwind  dränget,  so  würde  er  lieber 
l>crsten,  ehe  er  solchen  hören  lässt"  (1699).  I  never  feit  any  ill,  unsavory  smeU  in  thcir 
cabins,  whereas,  should  we  live  in  our  houses,  as  they  do,  we  should  he  poisoned  with 
cur  nastiness,  bemerkt  I^wson  von  den  Carolina-Indianern. 

')  Da  es  unglücklich  sein  würde ,  wenn  der  König  von  Congo  auf  die  Erde  spuckt, 
hält  ihm  sein  Begleiter  einen  Lappen  vor,  der  nachher  gekttsst  und  wieder  in  die  Tasche 
gesteckt  wird.  Der  König  von  Encoge  (Dembo  Ambuilla)  wirft  den  Speichel  in  dieHandeines 


542  REl>lGTOX    INI)   SITTE. 

Die  Erschütterung  der  Luft,    wenn    die  Peruaner    den   Inca    bc 
grüssten,  Hess  die  Vögel  herabfallen  (sagt  Sarmiento),  wie  es  Plutarch 
bei  der  Proclamation  der  griechischen  Freiheit  durch  den  römischen 
Herold  erzählt. 

„Die  Vögel ^)  selbst  halten  ein  mit  ihrem  Flug,  wenn  ich  es 
befehle",  rühmte  sich  Atahuallpa  vor  den  Spaniern. 

Von  Montezuma  wird  überliefert,  dass,  als  er  einen  Habicht,  der 
ihm  seines  Gefieders  wegen  besonders  gefallen,  zu  fangen  befohlen 
habe,  ihm  derselbe  auch  am  Abend  noch  gebracht  sei. 

Beim  Tode  eines  Inca  wurde  drei  Tage  gefastet  und  die  von 
ihm  benutzten  Paläste  blieben  verlassen.  Der  herrschende  Inca  licss 
sein  Ebenbild^)  in  einer  F^igur  verfertigen,  die  ihn  in  Abwesenheit 
repräsentirte. 

Unter  Nusti  war  die  Klasse  der  Adligen  im  Allgemeinen  (Auqui- 
cuna)  begriffen,  die  Curaca  bildeten  die  eingebornen  Landesherrn, 
die  Apunchic  die  eingesetzten  Statthalter.  Neben  dem  höheren 
Adel  der  Orejones  oder  Ringrim  standen  die  Curaca  als  niederer.  Die 
illegitimen  Prinzessinnen  (als  reinen  Blutes  ermangelnd)  hiessen  Nusta. 

Tazqiii  war  (nach  Garcilasso)  die  allgemeine  Bezeichnung  für 
ein  Mädchen,  Njusta  für  eine  adligen  Geschlechts  und  China,  wenn 
dienenden  Standes  (als  allgemeine  Bezeichnung  des  Weiblichen,  wie 
Urco  des  Männlichen).  Der  Sohn  hiess  Churi  für  den  Vater  und 
Huahua  für  die  Mutter  (in  Peru). 

Die  Schwesterehe')  der  Inca  wird  oft  als  ein  erst  später  einge- 
führtes Institut  dargestellt,  während  sie  bereits  in  der  Mythe  von 
Manco  Capac  und  Mama  Oella  ausgedrückt  scheint. 

Die  Söhne  der  Vornehmen  wurden  unter  einem  Cursus  von  Prü- 
fungs-Ceremonien  aus  den  Knaben  in  die  Reihen  der  Männer*)  (wie 
Knappen  zu  Rittern)  aufgenommen. 


Begleiters,  der  sie  auf  der  Stirn  trocken  reibt  (Nfonteiro).  Die  Mononos  (aus  Kanos) 
machen  EinflUle  in  Mossamedes. 

')  Pues  si  yo  lo  quicro,  ni  las  aves  bolaran  en  mi  tierra,  als  Worte  Atahuallp.Vs 
(s.  Zarate). 

')  In  Tenerif  hatte  jeder  Stamm  zwei  Könige ,  einen  lebenden  und  einen  todten,  in- 
dem die  Leiche  des  Vorgängers  bis  zum  Tode  seines  Nachfolgers  aufbewahrt  wurde  (s. 
Azurara),  wie  ähnlich  an  der  Loango-Küste. 

•)  Hatasu,  Tochter  des  Thotmes  I.,  war  mit  ihrem  jungem  Bruder  vermählt  (s.  de 
Roug^).  In  Darfur  wird  eine  der  Schwestern  des  Königs  zu  der  ihm  nächsten  Würde 
unter  den  Prinzessinnen  erhoben.  Die  den  Tandjur  in  der  Beherrschung  Darfur's  voran- 
gegangenen Darjür  heissen  das  Volk  der  Pharaonen. 

*)  Devenir  öphöbe,  c'etait  i>roprement  devenir  bommc ,  le*;  cxprcssions  $i^  rlvd^ag  et 
tig  Tovg  iqijßovg  i'^^iaS^atg    ont   le  meme  sens   (s.   Dumont).  Wie  bei  Bechuanen  ist  bei 


r 


RITTERSCHAFT.  543 

Als  Huaracu  wurden  die  Jünglinge  zu  Rittern  gewählt,  unter 
Durchbohrung  der  Ohren  und  Anlegung  der  Kniedeckel  (Huara). 
sowie  Verleihung  der  Axt  (Champi).  Bei  der  Ohrdurchbohrung 
musstc  auf  die  heilige  Axt  (el  hacha  sagrada)  ein  Eid  abgelegt 
werden  (s.  Herrera).  Capac  Raymi-Amauta  stellte  die  Statuten  des 
Ritterordens  fest. 

AmHuaracu-Fest  wurden  den  einzuweihenden  Jünglingen*)  wollene 
Sandalen  gegeben,  statt  der  aus  Schilf  verfertigten  (Usutas),  die  die 
Candidaten  trugen.  In  Umgürtung  mit  dem  Gürtel  Huaracu  erhiel- 
ten die  Jünglinge  ihre  Weihe. 

Die  bei  der  Ohrdurchbohrung  (nach  Fasten  und  Prüfungen)  zur 
Ritterweihe  ^)  Zugelassenen  mussten  im  Wettlauf  den  Hügel  Guanacari 
(bei  Cuzco)  erklimmen  und  der  Sieger  wurde  mit  Ehrenzeichen 
belohnt  (s.  Fernandez).  Bei  den  Guana  sind  die  in  derselben  Nacht 
mit  dem  Sohne  des  Caziken  geborenen  Knaben  von  diesem  (statt 
von  ihrem  Vater)  abhängig  (s.  Azara),  wie  früher  in  Birma  (zur  Bil- 
dung einer  Begleitklasse,  auch  bei  den  Kaffern).  Wie  in  der  Ephebie 
macht  dann  der  Staat  seine  Ansprüche  geltend  auf  den  bisher  der 
Familie  (als  Knabe)  angehörigen  Jüngling,  der  jetzt  unter  die  Männer 
eintritt.  Ante  hoc  domus  pars  videntur,  mox  reipublicae  (Tacitus) 
bei  Germanen. 

Ehe  bei  dem  Weihefest  die  glänzenden  Gewänder  des  Inca  an- 
gelegt wurden,  war  der  Candidat  schwarz  und  unscheinbar  gekleidet 
(s.  Herrera),  wie  bei  den  Azteken  der  König  vor  der  Krönung.  Die 
Ohren  wurden  bei  der  Tocochiqui  genannten  Ceremonie  durchbohrt. 
Die  Manco-churin-cuzco  bildeten  einen  Ritterorden. 

Bis  zur  Verheirathung  hiessen  die  Prinzen  Auqui  und  erhielten 
dann  den  Titel  Inca.  Der  Erbprinz  hiess  Yncap  sapay  churin.  Wie 
Garcilasso    bemerkt,    gehörten    alle    Inca   zum    Königlichen    Stamm 


Australiern  die  Mündigerklärung  mit  religiösen  Ceremonieen  verknüpft.  Die  unverheiratheten 
Jünglinge  lebten  bei  den  Chiquitos  in  einer  Wohnung  zusammen  (s.  de  Area),  wie  auf 
Neu-Guinca  und  vielfach  sonst. 

*)  Bei  «len  Indianern  Virginiens  (wo  im  Tempel  oder  Qnioccosan  Pelzwerk  geopfert 
ward)  wurden  die  Jünglinge  bei  der  Iluskanawiment  genannten  Ceremonie  (der  Mannes- 
weibe) durch  den  Trank  Wisoccan  bewusstlos  gemacht. 

')  Die  Jünglinge  (in  Guiana)  wurden  Schmerzensproben  unterworfen,  ehe  sie  die 
Camiza  genannte  Binde  tler  Männer  anlegen  dürfen  (die  Frauen  tragen  bei  Tage  die  Cujru 
genannte  Schürze).  Die  Abiponer  ,, kerben  die  Haut  vdI  Wunden,  in  welche  sie,  gleich- 
wie durch  die  Nasenlöcher,  Lippen  und  Ohren,  Straussenfedem  stecken.  Dieselben, 
welche  die  gräulichste  Peinigung  mit  Geduld  ertragen,  halten  sie  vor  halbe  Götter  und 
tuhn  ihnen  grosse  Ehre  an"  (s.  Dapper).  Den  Jünglingen  werden  die  Wangen  dtwch- 
bohrt  (bei  den  Tapuyem)  vor  der  Hochzeit  (s.  Rah). 


044  REI.TGION    INI)   SITTK. 

(Ccapac  Ayllu),  indem  die  von  verschiedenen  Inca  gegründeten  Ge- 
schlechter sich  immer  nur  auf  die  Herleitung  bezogen.  Neben  dem 
Erbprinzen  hiessen  die  übrigen  Söhne  (des  Inca)  Chima-panaca-ayllu 
(s.  Salcamayhua). 

Cuzco,  als  der  NabeP)  der  Erde,  bildete  das  centrale  Heilig- 
thum^)  des  Landes  und  verlangte  schon  aus  der  Ferne  ehrerbietige 
Huldigung,  so  dass  wenn  zwei  Reisende  auf  der  Landstrasse  einander 
begegneten,  der  aus  der  Richtung  der  Hauptstadt  Kommende  den 
Weg  für  seinen  Fortgang  frei  erhielt.  Die  Strasse,  in  welcher  der 
Sonnentempel  ^)  lag,  durfte  nur  barfuss  betreten  werden,  ausser  etwa 
von  den  höchst  gestellten  Fürsten,  aber  auch  diese  hatten  die  Be- 
schuhung zu  entfernen,  ehe  sie  di<i  Schwelle  des  geweihten  Bezirkes 
selbst  überschritten.  Auch  vor  dem  Betreten  des  Königlichen 
Palastes  waren  die  Schuhe  abzulegen  (wie  in  Mandalay  und  Bang- 
kok). 

Die  Curacas  der  verschiedenen  Provinzen  hatten  ihre  Söhne  als 
Geissein  in  Cuzco  weilen  zu  lassen,  und,  wenn  neu  unterworfen, 
dort  persönlich  zu  residiren,  um  den  Gesetzesbrauch  der  neuen  Herr- 
schaft zu  erlernen.  Aehnlich  verlangte  der  Taikun  von  den  Daimios, 
dass  sie  sich  in  Yeddo  Behausungen  bauten,  und  auch  in  Mexico*) 
hatten  die  Vasallenfürsten  eine  Zeit  des  Jahres  in  der  Hauptstadt  zu 
residiren. 


*)  Aehnlich  wie  Jerusalem,  Mecca,  Rom  und  sonst.  The  Mdewakantonwaus  (of  the 
Dacota)  think,  that  the  mouth  of  the  Minnesota  river  is  presicely  over  the  centre  of  the 
carth,  and  that  they  occupy  the  gate,  that  opens  into  the  westem  world  (Rigßs) 
[Medier].  Iblis  (der  Teufel)  thronte  unter  der  Kuppel  von  Arin  (Azin)  am  Aequator 
(s.  Ihn-al-Araby),  als  Mittelpunct  der  Welt  (hei  Alliacus)  an  der  Sternwarte  von  Oujcin 
oder  Ozein  (im  gleichen  Meridian  mit  Lanka.  In  China  w.ird  die  Mitte  des  Reiches  am 
Lo-ho  festgesetzt  (s.  von  Richthofen). 

')  Aquella  ciudad  de  Cuzco  era  casa  y  morada  de  dioscs,  6  ansi  no  habia  en  toda 
ella  fuente  ni  paso  ni  pared,  que  no  dixescn  que  tenia  misterio  (s.  Ondcgardo).  Während 
der  Zeit  des  Raymi -Festes  ».dorfft  sich  kein  Ausländischer  am  Hoff  zu  Cusco  finden  lassen." 

')  Ningun  Indio  comun  osaba  pasar  por  la  calle  del  Sol  calzado,  ni  ninguno,  aun 
fuese  muy  grande  sefior,  entrava  en  las  casas  del  Sol  cou  zapatos.  Um  ihre  Aufrichtig- 
keit zu  zeigen,  ziehen  die  Shoshones  beim  Friedensrauchen  ihre  Mocassins  ab,  tladurch 
andeutend,  dass  sie  bei  Wortbruch  beständig  barfuss  zu  gehen  haben  würden  (zu  Lewis' 
Zeit). 

*)  üebcr  die  mexicanischen  Städte  berichten  als  Augenzeugen  Cortez  sowohl  wie 
Bemal  Diaz:  Es  giebt  in  dieser  grossen  Stadt  viele  sehr  gute  und  sehr  grosse  Häuser; 
und  die  Ursache,  warum  es  so  viele  vornehme  Häuser  giebt,  ist,  dass  alle  grosse  Herren 
des  Landes,  Vasallen  des  besagten  Muteczuma,  ihre  Häuser  haben  in  besagter  Stadt, 
und  daselbst  eine  gewisse  Zeit  dos  Jahres  residiren ;  aber  auch  ausserdem  giebt  es  in  der- 
selben   viele    reicht-  Bürger,    welche   gleichfalls   sehr  schöne  Häuser  besitzen.     Alle  diese 


HEERSTRASSE.  545 

Auf  allen  Landstrassen,  die  dem  heiligen  Cuzco  zuliefen,  waren 
in  den  Tambo  Palläste  für  die  Inca  hergerichtet,  und  so  in  den 
Hauptstädten,  mit  Gärten  und  Bädern  (wie  bei  Caxamarca).  In  dem 
Pumac  chupan  genannten  Quartier  Cuzco's  wurden  Löwen  und  wilde 
Thiere  gehalten  (s.  Garcilasso),  wie  ähnlich  bei  Montezuma's  Hofstaat 
Menagerien  oder  Theriotrophaea  (s.  Neickell)  und  Aviarien  be- 
schrieben werden,  auch  Piscinen  für  den  Gebrauch  der  Küche. 

Um  die  geweihte  Kraft  eines  „Mundus  patens"  in  Cuzco  auch  den 
übrigen  Theilen  des  Landes  zu  Gute  kommen  zu  lassen,  wurde  die 
Erde  des  Campus*)  nach  den  Provinzen  hin  verfuhrt,    und  auch  bei 


haben,  ausser  sehr  schönen  und  grossen  Gemächern,  auch  sehr  hübsche  Blumengärten 
verschiedener  Art,  sowol  in  den  oberen  als  unteren  Gemächern.  Längs  des  einen  der 
in  die  Stadt  führenden  Steindämme,  laufen  zwei  Röhren  von  Mörtel  werk,  jede  etwa  zwei 
Schritte  breit  und  eine  Mannslänge  hoch,  und  durch  eine  derselben  kommt  ein  Spring 
sehr  guten  süssen  Wassers,  so  dick  wie  ein  Mann  im  I^ibe,  bis  mitten  in  die  Stadi,  und 
Alle  bedienen  sich  desselben  und  trinken  es.  Die  andere  leere  Röhre  dient  nur,  wenn 
die  erstere  gereinigt  werden  muss;  alsdann  wird,  während  der  Reinigungszeit,  in  ihr  das 
Wasser  geleitet,  und  weil  dasselbe  bei  den  mit  Salzwasser  durchflossenen  Durchstichen 
die  Brücken  zu  passiren  hat,  wird  das  süsse  Wasser  in  Kanälen  von  der  Dicke  eines 
Ochsen  und  der  jedesmaligen  Länge  besagter  Brücken  geleitet,  und  so  bedient  sish  des- 
selben die  ganze  Stadt.  Man  fahrt  in  Kähnen  das  Wasser  zum  Verkauf  durch  alle 
Strassen ;  und  die  Art ,  es  aus  den  Röhren  zu  nehmen ,  ist  diese ,  dass  die  Kähne  sich 
unter  die  Brücken  begeben,  wo  jene  Kanäle  sind,  uud  oben  stehen  Leute,  welche  die 
Kähne  befestigen,  und  man  bezahlt  sie  fUr  ihre  Arbeit.  An  allen  Eingängen  der  Stadt, 
und  auf  den  Punkten,  wo  die  Kähne  ausladen,  als  durch  welche  der  grössere  Thetl  aller 
Lebensmittel  zur  Stadt  gelangt,  sind  Hütten  gebaut,  wo  sich  wachthabende  Personen 
befinden,  welche  ein  certuni  quid  erheben  von  allem,  was  eingeht.  Ich  weiss  aber  nicht, 
ob  diese  Abgabe  für  den  Herrn  oder  fiir  die  Stadt  erhoben  wird,  denn  ich  habe  es  bis 
jetzt  nicht  in  Erfahrung  bringen  können;  ich  glaube  aber,  es  geschieht  für  den  Herrn, 
weil  auch  auf  anderen  Märkten  andeier  Provinzen  man  sie  fUr  denselben  erheben  sieht. 
Auf  allen  Märkten  und  öffentlichen  Plätzen  der  besagten  Stadt  sind  täglich  viele  Arbeits- 
leute und  Meister  aller  Handwerker  zu  finden,  welche  abwarten,  dass  sie  Jemand  in  Tage- 
lohn dinge.  Das  Volk  dieser  Stadt  ist  manierlicher  und  geschickter  in  Kleidung  und 
Dienstleistungen  als  das  Volk  der  anderen  Provinzen  und  Städte :  denn  weil  dort  der  Herr 
Muteczuma  beständig  residiilc,  und  alle  grosse  Herren,  seine  Vasallen,  beständig  sich  da- 
selbst einfanden ,  so  war  da  auch  m^r  Gesittung  und  Polizei  in  allen  Dingen.  Und  um 
nicht  zu  weitläufig  zu  werden  in  Beschreibung  der  Angelegenheiten  dieser  grossen  Stadt, 
(denn  ich  würde  sobald  noch  nicht  damit  fertig  werden) ,  will  ich  nur  noch  sagen ,  dass 
in  Ditn^t barkeit  und  Verkehr  des  Volkes  daselbst  etwa  dieselbe  Lebensart  statt  fin<let, 
uie  in  Spanien,  und  mit  gleicher  Zweckmässigkeit  und  Ordnung.  Und  wenn  man  erwägt, 
dass  diese  l^ute  Barbaren  sind,  und  so  entfernt  von  der  Erkenntniss  Gottes  und  von 
dem  Verkehr  mit  anderen  civilisirten  Nationen,  ist  es  ein  bewundemswerthes  Ding,  die- 
jenige zu  sehen,  welche  sie  in  allen  Dingen  halten  (s.  Koppe). 

*)  Aürmavan  que  toda  aquella  plaga  del  Cuzco  le  sacaron  la  tierra  propia  y  se  llevaba 
a  otras  partes  por  cosa  de  gran  estima,  e  la  yncheron  de  arena  de  la  costa  de  la  nuir 
como  hasta  dos  palmos  y  medio,  en  algunas  partes  mas,  sembraron  por  toda  ella  muchos 
vasos  de  oro  e  plata,  ovcjuelas  y  ombregillos  pequefios  de  lo  mysmo,  lo  quäl  se  ha 
sacado  mucha  cantidad,  que  todo  lo  hemos  visto  (1571). 

Bastian :  America.  1.  *^ 


546  RELIGION  UND  SITTE. 

Gebäuden,  die  in  der  Ferne  errichtet  wurden,  heisst  es,  dass  die 
Steine  von  Cuzco  gebracht  seien. 

Die  Peruaner  wurden  Incap  -  Runam  (Leute  des  Inca)  genannt 
(nach  Blas  Valera).  In  jeder  unterworfenen  Provinz  war  ein  Inca 
eingesetzt,  als  Priester  im  Frieden  und  Heerführer  im  Kriege.  Im 
Gegensatz  zu  den  Inca  („ein  Jeder"  im  Quichua)  hiess  der  Regierende 
Zapa  oder  Zapalla,  der  „Einzige"  (uno  solo).  Die  Erbprinzen  der  ein- 
heimischen Fürsten  hatten  als  Mitimaes  in  Cuzco  zu  wohnen  (s.  Gar- 
cilasso)  und  zeitweis  die  Fürsten  selbst,  wie  die  Daimio  zur  Saison  in 
der  Hauptstadt  Japan's.  Guaynacava  brachte  Kolonisten  aus  Callao 
und  Condesuyo  nach  Cuenca  und  Quito  „y  la  gente  de  alli  natural 
Uevola  adonde  saco  essotra"  (s.  Oviedo),  bei  welchem  durchgängig 
beobachteten  System  der  Kolonisten  -  Versetzung  die  Gleichartigkeit 
des  Klimas  in  Rücksicht  gezogen  wurde.  Verbrecher  (wie  bei  un- 
freiwilligem Todtschlag)  wurden  nach  den  Andes  verbannt. 

Die  als  Kolonisten  eingeführten  Mitimaes  wurden  von  den  Ein- 
geborenen Llaztaruna  (ombre  de  nuestra  tierra)  genannt.  Neben  den 
Nytimaes  (Mitimaes)  fanden  sich  in  den  verschiedenen  Provinzen  noch 
andere  Fremde,  die  zum  Bebauen  der  Ländereien  des  Inca  für  längere 
oder  kürzere  Dauer  berufen  waren,  und  dann  zugleich  Ländereien  als 
Eigenthum  empfingen,  obwohl  sie  ihren  einheimischen  Caziquen  unter- 
worfen blieben  und  nicht  dem  Landesherrn  (aunque  estaba  en  tierra 
agena  eran  subjetos  a  sus  caciques  e  no  a  los  seftores  de  la  tierra 
donde  residian). 

Die  Fürsten  von  Guamachuca,  die  freiwillig  ihre  Unterwerfung 
angeboten  hatten,  um  durch  die  höhere  Bildung  der  Fremden  die 
wilden  Sitten  ihrer  Unterthanen  zu  mildern,  wurden  von  den  Inca 
in  hohen  Ehren  gehalten  (s.  Herrera).  Topa  Ynga  Yupanqui  gestand 
Chalco  Mayta,  dem  Statthalter  von  Quito,  das  königliche  Recht  zu, 
auf  einer  Sänfte  getragen  zu  werden. 

Fünf  Stände  (Arbeiter,  Künstler,  Beamte,  Fürsten  und  das  könig- 
liche Geschlecht)  unterscheidend,  protestirt  Velasco  gegen  Robert- 
sons Annahme  einer  Sklavenklasse,  da  diese  in  Peru  unbekannt 
gewesen,  und  Yanaconas  überhaupt  nur  die  für  Dienstpflichtigkeit  einer 
oder  der  Art  Herbeigezogenen  bezeichnet  habe  (Yana  oder  Diener  und 
China  oder  Dienerin).  Gildenartige  ^)  Abscheidung  fand  sich  nur 
für  Kunstgewerke,  während  in  den  Arbeiten  des  gewöhnlichen  Lebens 


')   Die  Consuetiido  (avytj&t^a)   ward   vom  Inhaber  einer  Tfj^n;  oder  ars  (u^at  oder 
artcs)  verachtet. 


ZEUGE.  54T 

Jeder   gleichmässig   unterrichtet  war.    Die    Bürger  Cuzco's   nannten 
sich  Intipchurin,  als  Söhne  der  Sonne  (sagt  Carli). 

Der  in  einem  Jahr  von  dem  Inca  einer  Provinz  zugetheilte  Tribut 
wurde  im  nächsten  einer  andern  auferlegt,  nach  der  Controlle  durch 
die  Schnüre,  „que  si  una  parcialidad  le  cavia  este  aflo  diez  yndios 
para  teger  rroppa,  que  otro  afto  cavia  a  otros  e  aquellos  no  tornaban 
a  trauajad  en  aquel  genero  de  negogio,  hasta  que  pasaua  por  todos, 
en  lo  cual  tenya  tanta  quenta,  que  despues  de  vista  y  entendida  por 
sus  nudos,  nynguno  dudara,  sino  que  la  destribugion  hera  ygual  e 
que  ninguno  era  agraviado." 

Die  Lucanas  (wegen  ihres  gleichmässigen  Ganges)  lieferten  die 
Sänftenträger  des  Inca,  die  Chunvivilcas  die  Tänzer,  die  Chichas  das 
rothe  Holz,  das  in  Figuren  ausgearbeitet,  beim  Opfern  in  Cuzco  ver- 
brannt wurde. 

„Die  Frauen  (in  Peru)  spannen  überall,  wo  sie  hingingen,  und 
selbst  Frauenzimmer  aus  königlichem  Geblüt  Hessen  sich  die  Spindel 
nachtragen,  wenn  sie  Besuche  gaben"  (s.  Baumann). 

Die  in  verschiedenen  Provinzen^)  gearbeitete  „Ropa  era  de 
muchas  maneras,  conforme  a  la  traga  que  se  daba  en  cada  un  aflo", 
verschieden  für  den  Inca  oder  für  die  Festkleider  der  am  Sonnen- 
tempel oder  den  übrigen  Guaca  fungirenden  Priester,  oder  auch  zum 
Verbrennen  bei  den  Opfern.  Die  vornehmsten  Weber  wohnten  ehe- 
mals zu  Kapachika  bei  dem  grossen  Landmeer  Titicaca.  Diese 
färben  ihre  Wolle  mit  gekochten  Kräutern  oder  mit  Saft  aus  den- 
selben" (s.  Dapper). 

In  Tumbez  und  Puerto  Viejo  wurden  Kleider  aus  Fledermaus- 
fellen für  den  Inca  verfertigt  (s.  Pedro  Pizarro).  Bei  Saguanchas  (in 
Jaen)  fand  Correal  die  Verfertigung  von  Stickereien  (aus  der  Inca- 
Zeit)  erhalten.  Die  Kleidung  des  Inca  war  schwarz,  und  bei  Trauer 
grau,  als  Uncu  (Jacke),  Yacolla  (Rock)  und  Chuspa  (viereckige 
Tasche  für  Cuca).  Neben  den  gewöhnlichen  Wollkleidern  (Cacupi) 
fand  sich  die  feinere  Art  Avasca  (in  Peru).  Die  Paycha  genannten 
Verbrämungen  wurden  von  den  Sonnenjungfrauen  in  einer  Schnur 
für  die  Prinzen  verfertigt. 

Wenn  Werke  auszuführen  waren.  Bauten,  Minenarbeiten  u.  s.  w., 
so   vertheilten  die  Indianer  unter  sich  die  von  dem  Inca  bestimmte 


1)  En  cada  pueblo  tenyan  obradores  que  llamavan  Ambiscas  para  traer  esta  ropa  rica, 
que  hacian  a  dos  hacer  aunque  mas  hacian  de  la  Abascaquera  gran  genero  de  tributo 
(in  Peru). 

3ö' 


548  RELIGION   UND   SITTE. 

Zahl  der  Arbeiter,  die  dann  vom  Lande  des  Inca  unterhalten  wurden, 
ebenso  wie  die  vom  Inca  jährlich  mit  der  Zeugverfertigung  Beauftragte. 
Da  jeder  Inca  seine  Schätze  mit  sich  begraben  Hess,  so  wurde  bei 
neuer  Thronbesteigung  dem  Lande  eine  zeitdauernde  Minenbearbei- 
tung auferlegt,  bis  wieder  das  für  den  Gebrauch  benöthigte  Metall 
beschafft  war. 

„Es  ist  noth wendig,  dass  der  zum  Tode  verdammt  werde,  der 
Seinesgleichen  den  Tod  gegeben  hat;  ich  bestätige  deshalb  das  Ge- 
setz meiner  Vorfahren,  das  die  Todesstrafe  über  alle  Mörder  ver- 
hängt", führt  Garcilasso  de  la  Vega  unter  den  Denksprüchen  des 
Gesetzgebers  Pachacutec  auf. 

Ausser  Todesstrafen  wurde  auf  körperliche  Züchtigungen,  Ver- 
bannung u.  s.  w.  erkannt.  Von  dem  (tarpejischen)  Fels  Huarcuna 
bei  Ollantay-tambo  wurden  Verbrecher  hinabgestürzt,  und  ähnliches, 
oder  ihre  Erhängung,  wird  vom  Cerro  de  los  Ahorcados  (bei  Supe) 
gesagt. 

Vornehme  wurden  um  so  schwerer  bestraft,  je  höher  stehend. 
Die  Eltern  wurden  dir  Vergehen  ihrer  Kinder  verantwortlich  ge- 
macht, die  Vorgesetzten  für  ihre  Untergebenen.  Lüge  und  Müssig- 
gang  wurde  hart  bestraft.  Bei  Zauberei  ward  die  ganze  Familie 
hingerichtet. 

Als  eine  wahrscheinlich  mit  Ehrerbietigkeitsverletzung  in  Be- 
ziehung stehende  Strafe  wird  das  Ausschlagen  der  Augen  ^)  erwähnt, 
und  dass  mitunter  Frömmigkeit  dahin  geführt  habe,  sie  freiwillig 
au.szureissen,  um  jeder  Störung  im  heiligen  Dunkel  des  Tempels  vor- 
zubeugen. 

Die  Richter^)  in  Peru  hatten  jeden  Rechtsfall  binnen  fiinf  Tagen 
zu  entscheiden,  und  von  den  Untergerichten  musste  in  jedem  Monat 


*)  Tomau  un  carrizo  tan  luengo  como  palino  y  medio,  y  todo  hueco,  y  ponenselo 
al  delinquente  sobre  el  ojo,  y  danle  con  la  palma  tan  rescio  de  la  otra  parte,  que  le 
hngen  saltar  los  ojos,  y  viene  incontinente  ä  dar  en  la  mano  por  el  Camino  adelante,  y 
assi  le  sacan  los  ojos  (als  Strafe)  in  Peru  (s.  Oviedo). 

2)  Declaran  los  Indios  viejos,  Naturales  de  la  Ciudad  de  Ciirco,  Personas  principales, 
lo  siguiente;  demas  de  que  en  Plcitos,  que  ellos  han  tenido  ante  la  Justicia  Real,  se  les 
ha  preguntado  como  eran  juzgados  en  tiempo  de  su  Gentilidad;  i  lo  que  se  halla  es, 
que  quando  alguno  delinquente  era  puesto  en  la  Carcel,  y  para  averiguar  la  culpa,  era 
Uevado  delante  del  Inga,  i  alli  se  ponian  los  Testigos  en  presencia  del  deliquente,  i  le 
dccia  cado  uno,  como  se  lo  havia  visto  hacer,  i  asi  quedaba  convencido,  i  el  Inga  le 
roandaba  castigar,  conforme  al  delito ,  porque  adonde  el  residia,  solo  ^1  era  Juez,  i  ante 
^l  se  pedian  todos  los  agravios.  El  que  mataba  a  otro,  por  robarle,  tenia  pena  de 
muerte,  demäs  de  que  Ic  alormentaban  en  la  Carcel,  para  maior  pena,  i  dcspues  de 
alonuentado .    le    mataban.     E\    que    robaba    por  vicin,    tenia  por  pena  dcsterrado  de  su 


RICHTER.  549 

ein  Bericht  über  die  zur  Verhandlung  gekommenen  Fälle  eingereicht 
werden.  Zu  den  Aemtern  der  Decuriones  gehörte  es:  „ser  fiscal 
accusador  de  qualquiera  delito"  (s.  Garcilasso). 

In  jedem  Dorfe  fand  sich  ein  Richter,  um  die  Streitigkeiten 
unter  den  BewoTinem  zu  entscheiden,  handelte  es  sich  aber  um  eine 
Rechtsfrage  zwischen  zwei  verschiedenen  Bezirken,  so  schickte  der 
Inca  einen  Bevollmächtigten. 

Die  Vergehen  von  Kindern  wurden  nicht  nur  an  diesen,  sondern 


Natural  a  los  Andes,  por  ser  Tierra  enferma,  i  diferente  temple,  quc  la  suia,  sin  que  osase 
salir  de  alli,  sin  mandado  del  Inga,  demä.s  de  que  pagaba,  si  tenia  de  qu^,  el  hurto  que 
havia  hecho.  El  que  hurtaba  con  necesidad  algunas  cosas  de  comer,  era  solamente  repre- 
hendido,  sin  que  le  diesen  otra  pena,  mas  que  apercibirle,  que  trabajase ;  i  si  otra  vez  lo 
hiciese,  que  seria  castigado  con  Piedra  en  las  espaldas,  publicamente,  que  era  castigo  afrcn- 
toso.  £1  que  mataba  h  otro  en  pendencia,  se  averiguaba,  ante  todas  cosas,  quien  havia 
sido  el  que  diö  la  causa  a  ella,  i  si  la  diö  el  muerto,  era  livianamente  castigado  el  que  le 
matö,  ä  la  voluntad  del  Inga;  i  si  el  que  diö  la  causa  k  la  pendencia,  Tue  cl  matador,  tenia 
pena  de  muertc,  i  por  lo  menos  de  desterraban  ä  los  Andes,  Tierra  (como  se  dixo)  en- 
ferma, i  mal  Sana  para  que  sirviese  alli  perpetuaraente,  como  en  Galeras  en  las  Chaca- 
ras,  ö  Ileredades  de  Coca  del  ^ga.  El  que  mataba  a  traicion,  luego  incontinente ,  le 
mataban  publicamente,  aimquc  fuesc  Persona  de  calidad.  El  quc  mataba  con  Ilechigos 
tenia  pena  de  muerte,  i  haciase  este  castigo  publicamente,  haciendo  llamamiento  de  Gente 
para  que  lo  viesen,  i  asimismo  mandaba  el  Inga  matar  toda  la  Gente  de  la  Casa,  i 
Familia  del  tal  Hechicero,  6  Hechicera,  porque  sabia,  que  todos  los  de  la  Casa,  llijos, 
i  Criados  del  tal  Hechicero,  o  Hechicera,  sabian  aquel  ofido.  El  Cacique,  que  mataba 
algun  Indio  su  sujeto,  sin  licencia  del  Inga,  le  castigaba  publicamente  con  Piedra  en  las 
espaldas,  que  era  (como  se  dixo)  castigo  afrentoso,  aunque  el  Indio  huviese  tenido  mucha 
culpa  en  alguna  cosa,  que  el  Cacique  le  huviese  mandado;  i  si  el  tal  Cacique  lo  huviese 
hecho  otras  veces,  despues  de  haver  sido  castigado,  i  reprehendido  por  ello,  le  mataban; 
i  si  por  ruegos  de  otros  era  perdonado,  le  desposeia  del  Sefiorio  del  tal  Pueblo,  i  le  daba 
a  otro.  El  que  mataba  a  su  Muger  por  Adulterio,  era  libre,  i  sin  pena;  i  si  la  mataba 
por  otros  algun  enojo,  o  pasion,  tenia  pena  de  muerte,  si  era  Indio  particular;  i  si  era 
Indio  principal,  de  quien  se  hacia  caso,  se  le  daba  otra  pena,  i  no  de  muerte.  La  Muger 
que  mataba  h  su  Marido ,  era  colgada  de  los  pies  en  parte  publica ,  i  alli  estaba  hasta, 
que  moria,  sin  que  minguna  Persona  la  osase  quitar.  La  Muger  preftada,  que  tomaba 
alguna  cosa  pzxsL  mover,  tenia  pena  de  muerte;  i  la  Persona  quc  le  dio  algun  CebediQo 
6  remedio  para  que  moviese,  ö  la  hiciese  mover  de  malida,  dandole  golpes,  tenia  la 
misma  pena.  El  que  forgaba  alguna  Muger  soltera,  le  daban  por  castigo  con  Piedra  en 
las  espaldas,  que  era  (como  se  dixo)  castigo  afrentoso;  i  si  lo  havia  hecho  otras  veces, 
tenia  pena  de  muerte.  El  que  por  fuerga  corrompia  alguna  Muger  Virgen,  si  era  la  tal 
fuerga  hecha  k  Muger  principal,  luego  le  mataban,  i  si  era  hecha  h.  Persona  particular, 
i  cl  que  lo  havia  hecho,  no  havia  otras  veces  cometido  semejante  delito,  le  daban  por 
pena  una  manera  de  tormento,  que  ellos  usaban;  pero  si  lo  havia  hecho  otras  veces,  le 
daban  pena  de  muerte.  El  que  adulteraba  con  Muger  agena,  le  daban  por  pena,  quc 
fuese  atormentado;  i  si  la  Muger  era  de  Persona  principal,  le  mataban,  i  asimismo  a  la 
Muger  Adultera,  aunque  fuese  principal;  porque  decian,  que  si  la  Muger  no  quisiera,  no 
huviera  el  tal  adulterio.  El  que  hurtaba  alguna  cosa  de  comer  iendo  Camino,  como 
Choclos,  que  son  Espigas  de  Maiz,  con  necesidad,  era  perdonado ;  i  si  el  hurto  era  hecho 
en   cosa   del  Inga,    tenia  pena  de  muertc.     El  Indio  que  llcvaba  alguna  carga,    i  no  la 


550  RELIGION   UND   SITTE. 

auch  an  den  Eltern  bestraft,  indem  neben  dem  Kinde  der  Vater 
zur  Anklage  gebracht  wurde,  um  sich  für  seine  schlechte  Erziehung 
zu  verantworten. 

Conforme  ä  la  gravedad  del  pecado,  asi  eran  los  jueces  unos 
superiores  ä  otros,  y  otros  ä  otros,  porque  no  faltase  quien  lo  castigase 
con  brevedad,  y  no  fuese  menester  ir  con  cada  delito  a  los  jueces 
superiores  con  apelaciones  una  y  mas  veces,  y  de  ellos  ä  los  jueces 
supremos  de  la  corte. 


daba  a  sü  dueflo ,   la  havia  de  pagar  el  Pueblu  donde  el  tal  Indio  era ,   porque  estaba  a 
SU  cargo  el  servicio  del  Tambo,  donde  se  llevaba  la  dicha  carga,  i  el  Indio  era  castigado. 
El  que  hurtaba  el  agua  con  que  regaban  las  Chacaras,   ö  Heredades,  i  Sementeras,  i  la 
llevaba   ä   las  fuias,    antes  que  le  perteneciese ,  era  la  pena  arbitraria.     El  que  afrentaba 
h  otro    de   palabra,    era  la  pena   arbitraria,    aunque    al   que   havia  dado  ocasion  de  las 
palabras  le  acrecentaban  la  pena.    El  que  descalabra  k  otro,  ö  hacia  otro  daiio  semejante, 
era  la  pena  arbitraria;    i  si  era  hecho  a  traician,   tenia  pena  de  tormentos.     El  que  per 
SU  causa  se  quemaba  alguna  Casa,    tenia  pena  de  restituir  el  dailo  con  sus  bienes.     El 
que  quemaba  alguna  Puente  de  malicia,    tenia  pena  de  muertc,   i  se  executaba  con  todo 
rigor.     El    Indio,    que    era    inobediente  k  su   Cacique,    por  la   primera  vez  le  daban  el 
castigo,  que  el  Inga  queria;  i  por  la  segunda  le  daban  castigo  de  Piedra,  que  era  afren- 
toso;    i  por   la    tercera  tenia  pena  de  muerte.     Los  Hijös,    que  eran   inobedientes  a  sus 
Padres,    los  castigaban  publicamente  los  mismos  Padres.     El  Indio  Mitimac,    que  se  iba 
de  donde  le  havian  mandado  estär,  por  la  primera  vez  le  atormentaban  por  pena;    i  por 
la    segunda   tenia   pena    de    muerte.     AI    Alcahuete   le    daban    tormentos    publicamente, 
haviendo  Junta  de  Gente;  i  si  perseveraba  en  malicio,  lo  mataban.    El  que  quitaba  mojones, 
o  se  entraba  en  Tierra  agena,  le  daban,  por  la  primera  vez,  castigo  de  Piedra,  que  era 
afrentoso;    i  por   la   segunda   tenia   pena  de  muerte.     El  que  hurtaba  Madera  de  Monte 
ageno,  la  pena  era  arbitraria,  restituiendo,  ante  todas  cosas,  la  Madera  que  havia  hurtado. 
El   que   cagaba   sin   licencia  en  algun  Coto,    le  daban  por  pena  Piedra  en  las  espaldas, 
que  era  castigo  afrentoso,  i  tormentos.     Si  algun  Ganado  hacia  daüo  en  algunas  Semen- 
teras ,    el    dueilo    de    ellas  podia  tomar  de  dicbo  Ganado ,    hasta  en  tanta  cantidad  como 
havia  hecho  de  dafio,  i  tenian  tasado,  i  limitado  quantos  pies  de  Maiz  que  se  comiesen, 
e  hiciesen    de    daflo,    era  una  medida,    que  ellos  Uaman  Topo,    i  tan  al  justo,    que  no 
faltaba,    ni   sobraba,    i  conforme  k  esto  se  pagaba.     El  que  era  obligado  al  ser\'icio  del 
Tambo,    que  es  como  Venta,    que  estä  en  los  Caminos,    i  acaso  se  hurtaba  algo  en  el 
dicho  Tambo,  a  los  que  pasaban,  castigaban,  ante  todas  cosas,  al  Cacique  principal,  por 
el  descuido,  que  sus  Indios  havian  tenido,  i  el  Cacique  castigaba  k  los  demds,  sus  sujelos, 
por  el  tal  descuido,  i  poca  guarda  en  el  dicho  Tambo.     No  tenia  esta  Gente  deuda  nin- 
guna,    porque  como  no  usaban  dineros,    todas  sus  contrataciones  eran  trocando  una  cosa 
por  otra,  i  asi  estaba  presente  lo  que  se  contrataba,  sin  que  huviese  cosa  prestada,  fino  a 
daca,  i  toma.    El  Cadque,  que  no  salia  k  comer  a  la  Pla^a  publicamente  con  los  Indios 
de  SU  Pueblo,  le  castigaba  el  Inga;    i  si  perservaba  k  no  salir,  ö  lo  tenia  de  costumbre, 
le  quitaba  el  Cacicazgo.     El  Indio,   que  era  pere^so,   ö  que  dormia  entre  dia,   le  casti- 
gaban  con    agotes,    i  con  piedra  en  las  espaldas,    i  se  tenia  gran  cuenta  en  hacer  este 
castigo.     El   Indio,    que   no   tenia  gran  respeto  a  los  Ingas,    i  Sefiores  le  metian  en  la 
Carcel,  donde  estaba  mucho  tiempo ;  i  si  junto  con  esto  le  hallaban  otro  culpa,  le  mataban. 
AI  que  juraba  falso,  ö  era  mentiroso,   le  daban  por  pena  tormentos;    i  si  era  vicioso  en 
ello,  ö  lo  havia  hecho  dos,  6  tres  veces,  le  mataban  publicamente.    Si  algun  Govemador 
de  Inga,  por  coecho,  ö  por  otra  aficion,  no  guardaba  justicia,  o  disimulaba  algo,  el  mismo 


GESETZE.  561 

Dem  Richter  war  nicht  gestattet,  die  Strafe  zu  mildern,  sondern 
er  musste  genau  nach  dem  königlichen  Gesetze  entscheiden,  und 
machte  sich  durch  jede  Modification  derselben  in  seinem  Ausspruch 
eines  todeswürdigen  Verbrechens  schuldig  (so  pena  de  la  muerte 
por  quebrantador  del  mandamiento  real). 

Da  die  Peruaner  den  Inca  als  Sohn  der  Sonne  und  seine  Gesetze 
als  von  dieser  verkündet  hielten,  (lihlte  sich  (wie  Garcilasso  de  la 
Vega  bemerkt)  „por  sacrilego  y  anatema  el  quebrantador  de  la  ley. 


Inga  le  castigaba,  i  era  privado  del  CargOi  i  de  nunca  mas  ser  Governador  ni  Juez;  i  si 
era  en  cosa  grave,  le  mandaba  niatar.  Quando  algun  Cacique  moria,  si  el  Hijo  malor 
era  capaz  para  el  Sefiorio,  le  nombraba  para  ello»  i  le  daba  el  Duho  que  es  una  Silleta 
pequeAa ,  en  que  los  Caciques  se  sientan ;  i  si  no  tenia  habilidad ,  le  daba  al  segundo ; 
i  si  no  tenia  edad,  ponia  un  Goveroador,  como  Tutor,  que  le  taviese  a  su  cargo,  i 
mandase  el  Cacigazgo,  hasta  que  el  tal  M090  fuese  de  edad,  i  si  en  todos  los  Hijos 
del  tal  Cadque  muerto  no  havia  ninguno  bastante  para  ello,  nombraba  la  segunda 
Persona  del  Pueblo  por  Cacique,  teniendo  habilidad  bastante  para  ello.  Quando 
algunos  Menore»  quedaban  sin  Padre,  i  con  hacienda,  tomabalos  k  cargo  el  Her- 
mano  maior  de  ellos;  i  si  no  era  bastante,  el  Pariente  mas  cercano,  hasta  que  fuesen  de 
edad ;  i  aunque  el  Padre  poseiese  muchas  Tierras  en  el  Pueblo  donde  vivian,  no  les  dexaban, 
mas  de  les  que  havian  menester  para  sustentarse,  porque  todas  las  Tierras  eran  de  los  Pue- 
blos,  sin  que  ningun  Vecino  las  pudiese  enagenar;  i  ensiendode  edad  los  tales  Menores,  6 
alguno  de  ellos,  les  daban  la  hacienda,  que  les  cabia  de  la  herenda  de  su  Padre,  i 
les  repartia  el  Curaca  Tierras,  como  k  los  dömas  Indios  Tributarios.  EI  que  to- 
maba  la  Hija  a  su  Padre,  contra  su  voluntad  de  ^l,  si  la  Hija  consentia  en  ello, 
i  no  fue  forgada,  no  tenia  pena  ninguna,  siendo  entrambos  de  un  Pueblo,  pero 
podiala  el  Padre  castigar,  si  quisiese,  por  haver  tomado  Marido  sin  su  licencia,  y  los 
mandaba  prender  el  Inga,  i  los  castigaban  con  Piedra  en  las  espaldas,  i  los  apartaban, 
porque  no  se  permitia,  que  sin  licencia  del  Inga,  ninguno  tomase  Muger,  porque  todas  los 
Mugeres,  que  no  tenian  Marido,  estaban  como  en  deposito,  para  que  el  Inga  las  diese 
k  quien  el  quisiese  por  Mugeres,  porque  acostumbraban  tener  muchas,  especialmente  los 
Prindpales,  i  la  primera  que  el  Inga  les  daba,  esa  tenian  por  su  Muger  principal.  £1 
que  era  deshonesto  con  Mugeres  solteras,  i  vicioso  en  ello,  tenia  pena  de  muerte;  porque 
(como  dicho  estä)  todas  las  Mugeres,  que  no  tenian  Marido,  estaban  debaxo  de  la  guarda 
del  Inga,  para  darselas;  i  la  misma  pena  tenian  las  Mugeres,  que  eran  publicas,  i  des- 
honestas.  El  Curaca,  que  no  tenia  cuidado  de  corregir  los  Indios  de  sus  Pueblos,  i  les 
consentia  hacer  hurtos,  i  deshonestidades ,  era  privado  del  Cargo,  i  Sefiorio,  si  havia 
sido  otra  vez  avisado  del  Inga  de  la  remision  que  tenia,  i  quedaba  hecho  Indio  parti- 
cular  tributario.  Cada  un  Afio  embiaba  el  Inga  Govemadores  ä  visitar  las  Provincias,  i 
Dominios,  i  castigaban  las  Mugeres  solteras,  que  hallaban  ser  deshonestas,  i  los  demas 
vidos,  que  hallaban  en  el  Pueblo,  i  aperdbian  al  Caaque,  que  si  en  otra  Visita  no 
hallasen  enmienda,  que  le  quitarian  el  S^Aorio.  Si  era  tomado  alguno  en  Casa  agena 
con  su  Hija,  si  se  quexaba  el  tal  Padre,  era  castigado  d  que  se  hallö  con  la  Hija,  a  la 
voluntad  del  Inga,  6  de  su  Governador,  6  del  Cadque  del  Pueblo,  sino  havia  otro 
Superior.  La  orden  que  tenian  en  adere^ar  los  Caminos,  i  hacer  las  Puentes  de  los  Rios,  si 
eran  Caminos  Reales,  asi  como  el  de  Chinchasuyo,  i  Condesuyo,  i  Andesuyo,  i  Urosuyo,  que 
eran  quatro  Provincias ;  hacianle  todos  los  de  cada  Provinda  el  suio,  conforme  ä  los  Indios, 
que  tenian  Tierras  en  la  dicha  Provinda :  i  si  eran  Caminos,  o  Puentes  particulares,  fuera 
de  los  dichos  quatro  Caminos  Reales,    hacianlos  los  Pueblos,    que  se  yervian  de  los  Ca« 


552  RELIGION   UND   SITTE. 

aunque  no  se  supiese  su  delito,  y  acaecio  muchas  veces  quc  los 
tales  delinquentes,  acusados  de  su  propia  conciencia,  venian  ä  pub- 
licar  ante  la  justicia  sus  ocultos  pecados,  porque  demas  de  creer  que 
SU  ahima  se  condenaba,  creian  por  muy  averiguado  que  por  su  causa 
y  por  SU  pecado  venian  los  males  a  la  republica,  como  enferniedades, 
muertes,  malos  aftos  y  otra  qualquera  desgracia  comun  6  particular, 
y  decian  que  querian  aplacar  ä  su  dios  con  su  muerte,  para  quc  por 
SU  pecado  no  enviase  mas  malos  al  mundo." 


minus,  i  Puentes,  que  havian  menester,  aunqae  generahnente  pasaban  por  alli  loscpie  iban  de 
Ullas  partes  h  otras  por  los  dichos  Caminos.  En  los  Tenninos  de  sus  Pueblos,  cjue  tenian  sus 
Mojones  puestos  entre  los  Caminos,  asi  cn  la  Ticrra  de  labor,  como  tn  las  Dchesas,  i  Pastos, 
i  Despoblados  para  Paja,  i  Leda,  no  podia  ninguno  pastdr  fuera  de  sus  Tenninos,  que  tenia 
por  pena  matar  el  Ganado,  si  se  metiö  a  pastär  con  malicia,  i  castigar  cl  Pastor.  La  orden  que 
tenian  en  la  guarda  de  las  Dehesas  de  Ganados,  que  llaman  Moias,  es  la  arriba  dicha.  AI  que 
por  descuido  se  le  quemaba  su  Casa,  i  de  ella  se  encendia  fuegu,  que  quemaba  otras, 
era  obligado  k  satisfacer  todo  el  dafio.  El  que ,  en  pendencia  mancaba  h  otro,  de  manera, 
que  no  podia  trabajar  en  las  cosas  ordinarias,  era  ül)ligado  a  sustentarle  de  su  hacienda, 
demäs  del  castigo  que  le  daban  por  el  delito,  i  si  no  tenia  hacienda,  la  alimentaba  el  Inga  de  la 
suia,  i  dabasele  maior  castigo  al  tal  Deliquente,  aunque  siempre  se  tenia  ntencion  al  que  diu 
ocasion  para  la  pendencia ,  i  se  daba  el  castigo  mas  moderado  al  que  no  Tue  causa  de 
ella.  El  que  mudaba  el  trage  de  la  Provincia  de  adonde  era  (porque  en  cada  una  lo 
traen  diferente)  cometia  delito  contra  el  Inga,  que  era  mui  gravc  encontra  su  natural,  i 
contra  la  Provincia,  de  que  tomaba  nuevo  trage,  i  asi  era  acusado  de  todos,  i  como  delito 
contra  el  Inga,  i  Provincias,  i  su  Natural  le  mandaba  castigar,  El  que  quebrantaba  la 
Casa  donde  estaban  las  Mamacomas  del  Sol,  Monjas  encerradas,  le  mataban,  colgandole 
de  los  pies,  i  dexandole  estdr  asi,  hasta  que  muriese  dentro  en  la  misma  Casa  donde 
higo  el  delito,  i  si  alguna  de  las  Mamaconas  le  metiö,  o  adulterö  con  el,  sc  le  daba  la 
misma  pena,  sin  que  fuesen  perdonados.  Tenian  las  Mugeres  Solteras  de  esta  Tierra  por 
cosa  mui  vergongosa,  i  deshonesta,  parir,  o  tener  preftado,  antes  de  ser  casadas,  i  si 
acaecia  alguna  flaquega  de  estas  en  alguna,  procuraba  matar  el  tal  prefiado  en  el  vientre, 
i  quando  esto  no  podia  hacer,  lo  paria  en  gran  secreto,  i  cmbuelto  en  sus  Pafios,  hacia 
cchar  remedio  de  alguna  Calle,  donde  acaecia  muchas  veces  pisarlo  el  Ganado,  i  matarlo, 
i  otras  despedagarlo  Perras;  i  para  remedio  de  esto,  higo  el  Inga  hacer  una  conavridad 
cn  una  Pared  tan  alta,  que  Perros  no  pudiesen  alcangar  k  ella,  mando  pregonar, 
con  gran  diligencia ,  que  quando  lo  tal  acaeciese  la  Criatura  cn  aqucl  lugar; 
con  apercibimiento  que  si  alguna  hiciese  lo  contrario,  que  moriria  por  ello,  i>or- 
i\\ic  cl  haria  criar  aquellas  Criaturas,  sin  procurar,  ni  querer  saber  cuios  Hijos 
fuesen,  i  seüalo  Personas,  que  todas  las  Mafianas  fuesen  k  visitar  aquel  lugar,  i  si 
hallasen  alguna  Criatura,  la  llevasen  ä  una  Casa,  que  ^1  mandö  hacer,  donde  sc  criasen 
a  SU  Costa,  i  asi  sc  remediaron  estos  dafios,  i  despues  de  criados,  por  scrvirle  asi  en  su 
Casa,  i  Labrangas  como  en  la  Gucrra,  segun  la  habilidad  de  cada  uno.  Otra  ceremonia 
(demäs  de  la  que  atras  se  ha  dicho)  usaban  en  sus  casamicntos  despues  de  concertados, 
que  era  el  principal  concierto,  quc  el  Inga  lo  quisiese,  seftalando  Muger  para  el  Varon, 
porque  las  Mugeres  eran  mas  rogadas,  que  los  Hombres,  a  causa  que  los  Principales 
Seiiores  tenian  muchas  por  su  servicio,  demäs  de  la  principal  i  por  esto  ajunaban  los  dos 
Desposados  dos  dias,  sin  comer  Sal,  ni  Carne,  ni  Axi  que  es  su  Especia  ni  beber  el 
Brev.ige,  que  ellos  tiencn  por  su  Vino,  i  pasados  los  dos  dias  del  aiuno,  se  juntaban  en 


EID.  553 

Der  Hatun-nan-camayoc  wacht  über  die  Wege,  der  Uyhua- 
camayoc  über  die  heiligen  Heerden,  der  Tucuyuh  über  die  Sitten, 
der  Guaranga- camayoc  befehligte  das  Heer  und  unter  ihm  standen 
als  Officiere  die  Apusqui- Randin,  Hatun-Apu,  Apu- Randun  u.  s.  w. 
(befehligt  vom  Inca-Apu). 

Die  meisten  Aemter  waren  erblich,  besonders  die  höheren  und 
ebenso  die  Kunstgewerbe  (von  Vater  auf  Sohn).  Die  Yanaconas 
(Helfer)  waren  zu  Frohndiensten  verpflichtet,  aber  mit  der  Freiheit, 
ihre  Herren  zu  wählen.  Der  Hucmos  oder  Tocricoc  (Statthalter) 
musste  über  50  Jahre  sein,  die  übrigen  Beamten  über  26  Jahre,  ehe 
sie  eine  Stellung  bekleiden  konnten  (s.  Montesinos).  Die  Camayus 
genannten  Beamten  beaufsichtigten  die  Ländereien. 

Die  von  dem  Inca  eingesetzten  Beamten  aus  der  Verwandtschaft 
mit  dem  herrschenden  Stamm  übten  ihre  Functionen  neben  den 
einheimischen  Häuptlingen  der  Curacas,  die  nach  Annectirung  des 
Landes  in  ihren  Sitzen  belassen  wurden,  und  alle  hatten  alljährlich 
ihre  Treue  gegen  den  Oberherrschcr  durch  feierliche  Eidesleistung 
neu  zu  bekräftigen. 

Die  beim  Fest  Kapakraime  (Capac-Raymi)  zur  Eidesleistung  (in 
Cuzco)  gegessenen  Kuchen  wurden  zugleich  durch  Chasqui  oder 
Botenläufer  durch  das  Land  getragen,  um  in  allen  Tempeln  vertheilt 
zu  werden,  damit  sie  die  dortigen  Beamten,  nach  abgelegter  Beichte, 
verzehrten  (wie  in  Siam  für  solchen  Zweck  das  Eideswasser  ge- 
trunken wird). 

In  jeder  Provinz  fanden  sich  Quipucamayus^)  oder  der  Knoten- 
schrift Kundige  als  Rechnungsbeamte  der  Central-Regierung,  um  die 


en  uno,  i  otro  dia  iba  la  Desposada  cun  la  Madrina,  i  otras  Müderes  k  una  F'uente,  quu 
csta  fuera  de  la  Ciudad,  dedicada  para  csta  ccrimonia,  i  traia  de  cUa,  encima  de  sus 
cspaldas,  un  Cantarillo  de  Agua,  de  ipic  hacia  cl  Vino,  quo  cllos  usaban,  que  es  casi 
como  Cerve^,  hecho  de  un  grano,  que  esta  Gente  cumc,  como  nosotros  el  Trigo;  i 
hecho  el  tal  Vino,  se  ponia  detras  del  Desposado,  a  sus  espaldas,  estando  el  sentado,  i 
sc  lo  daba  a  beber,  bebiendo  ella  su  parte,  i  haciendole  salva  en  todos  los  Vasos,  que 
de  ello  le  daba ,  i  cun  eslo  quedaba  Brme  el  casamiento ,  i  luego  lus  Padres  de  ella 
venian  a  traerle  el  axuar,  que  es  de  poco  precio,  como  son  Cantaros,  Ollas,  Plalos,  i 
otras  cosillas  de  Casa  i  (juedaba  el  reden  casado  tan  obligado  h  los  Suegros,  por  havcrle 
dadu  la  Ilija  por  Muger,  que  los  servia  como  Hijo  propio,  i  aun  algo  mas  (s.  Ilerrera). 

')  Cada  provincia  en  fui  del  aflo,  mandava  ascntar  tn  los  Quipos  por  Li  cucnta  de 
sus  nudos,  todos  los  honibres  que  habian  mutrto  ti!  ella  en  aquel  afto,  y  por  consiguienle 
los  que  Kabian  nacido,  y  por  principio  del  aflo  que  entraba,  venian  con  los  quipos  al 
(^uzco  (berichtet  Pedro  Pizarro)  zur  Statistik  (s.  Prescott).  Im  Buche  Tchou-li  (derTschou- 
Dynastie)  sind  die  Tshi-fang-shi  genannten  Beamten  mit  Ausfertigung  der  Karten  beauf- 
tragt (m  China)  zu  statistischen  Uebersichten. 


554  RELIGION  UND  SITTE. 

Uebersicht  einzuschicken  über  die  Einkünfte,  die  Vorräthe,  die 
Arbeiter- Vertheilung,  die  Production  u.  s.  w.,  sowie  über  Geburten, 
Todesfalle  und  Ehen. 

Velasco  giebt  folgende  Titel-Erklärungen:  Unter  den  Inca  (aus 
dem  Sonnengeschlecht)  wurde  der  Herrschende  Inca-Capac  genannt, 
dann  Auqui,  der  Erbprinz;  Mama-Oelo,  die  königliche  Gemahlin; 
Coya,  die  Nebenfrauen  und  ShipaCoya,  die  Beischläferinnen;  Palla, 
Prinzessin;  Curaca,  Grundbesitzer;  Nusti,  Adliger;  Nusta,  Edelfrau; 
Apusqui-Camachic,  Minister;  Apusqui-Camac,  Rathsherr;  Apunchic, 
Gouverneur;  Llacta-Camayuc,  Dorfschulz;  Taripa-Camayuc,  Richter; 
Rimapanayuc,  Sachwalter;  Huasi-Camayuc,  Schlossvogt;  Yacu- Ca- 
may uc,  Inspector  der  Canäle;  Hatunnan-Camayuc,  Inspector  der 
Strassen;  Caca-Camayuc,  Inspector  der  Brücken;  Tambu-Camayuc, 
Inspector  der  Stationshäuser;  Coptra- Camay  uc,  Inspector  der  Maga- 
zine; Chagra-Camayuc,  Inspector  der  Felder;  Uyhua- Camay  uc,  Auf- 
seher der  Sonnenheerden;  Quipo-Camayuc,  Aufseher  der  Archive; 
Huacha-Camayuc,  Aufseher  der  Waisen-  und  Wittwenhäuser ;  Unguc- 
Camayuc,  Aufseher  der  Krankenhäuser;  Huampu  -  Camayuc,  Auf- 
seher des  F^ischfanges;  Chunga-Camayuc,  Aufseher  über  lo  Familien; 
Pischea  Chunga-Camayuc,  Aufseher  über  50  Familien;  Quaranga- 
Camayuc,  Aufseher  über  1000  Familien;  Tucuyuc,  Censor;  Villac-Uma, 
Hoherpriestcr;  Cushipata,  Priester;  Umuc,  Magier;  Amauta,  Gelehrter; 
Amunta,  Astrolog;  Villca-Cama,  Arzt;  Yachachic-Runa,  Techniker 
oder  Künstler;  Yachacuc-Runa,  Student  oder  Lehrling;  Chasqui,  Post- 
bote; Yanga-Runa,  Bürger;  Yana,  Bedienter;  Ynti-Pasfla,  Sonnenjung- 
frau; Mama-Cuna,  Aebtissin;  Pambay-Runa,  Prostituirte. 

Die  Llacta-camayu  (Llacta-camayoc)  genannten  Beamten  beauf- 
sichtigten die  Ordnung^)  des  Familienlebens  (s.  Blas  Valera)  und 
besuchten  die  Häuser,  um  die  Sitten  und  die  Arbeit  zu  überwachen, 
in  jedem  Dorfe  (Llacta)  über  die  Reinlichkeit  der  Wohnungen  wachend, 
und  mit  besonderer  Hut  der  für  den  Unterhalt  der  Armen  bestimm- 
ten Ländereien  beauftragt. 

Die  Parianas  genannten  Beamten,  zum  Ucbcrwachen  der  An- 
pflanzungen, hatten  (in  F*uchsfellc  gekleidet)  zu  fasten  (s.  Arriaga) 
in  Peru. 

Die  Tucuy-ricoc  (quasi  dicas  omnia  pervidentes)  waren  die  heim- 


*)  ,, Morgens  und  Abends  lässt  der  König  öffentlich  verkündigen,  was  den  gantzcn 
Tag  oder  auch  die  Nacht  über  vorzunehmen  und  zu  thun  sey,  wohin  man  fortziehen,  wo 
man  still  liegen,  wenn  man  wieder  aufbrechen  solle"  (bei  den  Tapuyem). 


AEMTER.  655 

liehen  Späher,  welche  (in  Peru)  die  Aufführung  der  Beamten  zu 
beobachten  hatten  (wie  die  Regierungsspürer  in  Japan,  als  Censoren 
oder  spartanische  Ephoren). 

Nach  Garcilasso  de  la  Vega    hatten   die  Inca    die  Perlfischerei 
verboten,  weil  für  das  Leben  ihrer  Unterthanen  gefährlich. 

Von  Chile    sagt  Dapper:    „Die  Landsbeherrschung   stehet  bey 
den  vornehmsten  Edelleuten,    welche  sie  Ulmen  zu  nennen  pflegen, 
oder  aber  bey  den  absonderlichen  Herren,  die  den  Nahmen  Kuraze 
fuhren.     An  etlichen  örtem   herrschet  nur  einer  allein,   welchen  sie 
Pulmen  benahmen.    Ein  Ulmen  oder  Kuraze  hat  zuweilen  über  fünf 
undzwanzig,  zuweilen  über  fünfzig,  ja  wohl  hundert  Hausgesinde  zu 
gebieten.      Diesen    kommet    zu,    die    Versammlungen    des    gantzen 
Volckes    zu  beschreiben,    und  mit  demselben  sich  über  die  Landes-^ 
Sachen    zu    berathschlagen :    welches    sie    mit   niemand   absonderlich 
thun  dürfen;  noch  einige  Schätzung  fordern,  es  sey  dan  in  der  höch- 
sten nothwendigkeit.    Zudem  seynd  sie  verpflichtet,  wan  man  fechten 
sol,    die  Gemeine  wider  den  Feind  selbst  anzuführen.     Auch  stehen 
sie  unter  dem  allgemeinen  Befehlshaber  Apokuraze,  oder  aber  unter 
einem   Nentoke.     Die  Würde    der  Pulmen    oder  Kurazen    erben  die 
Kinder  von  den  Eltern ;  oder  aber  die  Schwäger  und  nächsten  Bluhts- 
freunde,    wan    keine  Söhne    vorhanden.     Zuweilen  sehen  die  scharf- 
sinnigsten   und    geschicktesten    den    andern    ein   Vortheil    ab,    und 
höben    oder   stossen    den    rechtmässigen  Erben    aus    seinem  Stahte. 
Die   andern    geringern    Amtsbedienungen    geben    die    Pulmen    oder 
Kurazen  denen,  welche  sie  darzu  tüchtig  zu  sein  urtheilen  [Curaca  in 
Peru].    Aber  die  Wahl  eines  so  genannten  Nentoke  gehet  also  zu:  So- 
bald dieses  Ehrenamt  offen  stehet,  macht  derselbe,  welcher  darum 
anzuhalten  gesonnen,   seine  rechnung,   ob  er  so  viel  Mittel  besitzet, 
dass  er  die  Kurazen   und  Pulmen  mit  einer  herrlichen  Mahlzeit  ver- 
ehren könne.     Wan  er  sich  darzu  vermögend  genug  befindet,  lasset 
er   sie   alle    an  einen  bestimmten  Ort  nöthigen:    dahin  sie  sich  dan 
gewafnet  begeben.    Mitten  unter  dem  Fressen  und  Sauffen,  fängt  er 
an    eine  Rede    zu    thun.     Hierinnen    erzählet    er    erstlich  sein  Edles 
herkommen,  seine  fiirtreffliche  Tahten,   seinen  Reichthum  und  seine 
Freunde.     Darnach  ersuchet  er  sie,    ihm  zu  vergönnen,    dass  er  die 
Bedienung   des    abgestorbenen    Nentoke    bekleiden    möge.     Hierauf 
erhöbet  sich  ein  Kuraze;  dem  der  Ersucher  eine  Kette  von  Turkisscn 
und    geschliffenen    weissen  Schulpen    um    den  Hals  hänget.     Dieser 
Kuraze  beweget  die  anderen,  ohne  einige  vorgehende  Bedingungen 
zur  Wahl:    und  der  Erwählte  verspricht,    dass  er  alles,    der  gemei- 


556  RELIGION  UND   SITTE. 

nen  Sache  zum  besten,  sorgfältigst  beherrschen  wolle.  Hierauf  nimmt 
der  gemeldete  Kuraze  die  Halskette  von  Türkissen,  und  teilet  sie 
unter  die  Vornehmsten  aus.  Sobald  dieses  geschehen,  gehet  die 
Fresserey  und  Saufferey  erst  recht  an:  und  hiermit,  wie  auch  mit 
vielem  singen  und  tantzen,  wird  endlich  der  Wahltag  geschlossen. 
Eben  auf  dieselbe  weise  wird  auch  ein  Apokuraze,  oder  das  höchste 
Oberhaupt,  erwehlet:  doch  dergleichen  Oberhaupt  haben  die  Ukaer 
eine  lange  Zeit  her,  damit  sie  in  grösserer  Freyheit  leben  möchten, 
über  sich  keineswegs  bestellen  wollen"  (XVII.  Jahrhundert). 

Für  die  Reisenden  waren  an  den  Strassen  Perus  Logierhäuser 
(corpa-huasi)  gebaut  (wie  Garcilasso  beschreibt). 

Pachacutec  bestimmte,  dass  an  drei  der  Märkte*)  in  jedem  Monat 
die  Catu  genannten  Versammlungen  abgehalten  würden,  damit  die 
Landbewohner  die  Gesetze  vortragen  hörten. 

Märkte  einrichtend,  gewährte  Topa-Inga  den  Kaufleuten  Freiheit 
des  Reisens  und  belegte  ihre  Verletzung  mit  Strafen  (s.  Baiboa).  Inca 
Pachacutec  (lihrte  die  monatlichen  Markttage  (Catu)  ein,  die  mit 
Festlichkeiten  verbunden  waren  (bemerkt  Blas  Valera).  Cieza  de  Leon 
erwähnt  im  Caucathal  des  Gebrauches  von  Wagen*)  und  Oviedo 
in  Peru. 

Von  Inca-Roca  wird  erzählt,  dass  er  auf  seinen  Feldzügen  Kauf- 
leute zur  Erforschung  des  Landes  aussandte  (wie  es  in  Mexico  ge- 
schah). Die  Kaufleutc  verbreiteten  die  Kunde  von  Inca-Roca's 
wunderbarem  Sonnenursprung  durch  das  Land  (nach  Montesinos). 
Los  Indios  de  Alangar  son  llamados  Puris  (andadores)  porquc  siemprc 
estan  en  viajes  mercantiles  con  sus  tejidos  de  algodon  y  bujerias  que 
llevan  ä  la  Nueva  Granada  y  Peru  (Villavicencio).  Aus  Bolivien 
ziehen  die  Kräuter-Quacksalber  (Collahuayas)  weit  in  Peru  hinein. 

Als  Geld  dienten  in  Peru  (nach  Acosta)  die  Coca-Blätter  (wie  in 
Mexico  Cacao-Bohnen).  Die  Peruaner  nannten  das  Gold  Thränen 
der  Sonne,  die  Mexicaner  Götterdreck. 

In  Zeiten  der  Noth  wurde  das  Volk  aus  den  Magazinen  der  Inca 
gespeist. 

Die  Seefahrten  der  Peruaner  wurden  bereits  Pizarro  bekannt  (beson- 


*)  Pizarro  rechnet  den  Marktbcsucli  auf  ,,ccnlo  mille  persona"  (in  Xauxa) ,  c  verano 
huomini,  che  havevano  cura  di  annoverar  tulle  questi  genti  per  s»aper  quelli,  che  veuivano 
a  servire  alla  gente  di  guerra,  altri  havevano  il  carico  di  guardar  a  quanti  nella  citta  antra- 
vano.     Chilicuchima  tenea  i  suoi  majordomi  e  fattori  (s.  Ramusio). 

y)  Traen  toque  para  conosger  el  oro  y  romana  para  pessarlo  y  pessar  la  plata  y 
otros  metales  (in  Peru),  wie  Oviedo  von  Almagro  hörte  (1526),  in  Folge  des  peruanischen 
Handelsschiffes  (von  Ruyz  gccapert). 


REICHSPOST.  557 

ders  von  Tumbez  aus  unternommen).  Die  Punas  waren  geschickte 
Schiffer  auf  Balsas  mit  Rudern  oder  Segel  (s.  Zarate). 

Die  Changos  binden  für  ihre  Schiffe  zwei  cylindrische  Schläuche 
zusammen,  (wie  die  Neger  Quinsembo's  zwei  umgekehrte  Böte). 

Thomas  Candeish  (1588)  fand  in  Maramorena  (südlich  von 
Arecca  oder  Arica)  Canoes  „gantz  künstlich  gemacht  von  zwo 
Häuten  oder  Fellen,  als  ob  es  Blasen  waren.  Und  sie  haben  auch 
zwo  Blasen  in  dem  Nachen,  die  sie  mit  einem  Rörlein  auffblasen 
und  hart  zu  binden,  und  sehnen  der  Wilden  Thiere  zu  nahen,  welche, 
wenn  sie  in's  Wasser  kommen,  dicht  und  hart  quellen"  (cf.  Rein's 
Abbildung  bei  De  Bry). 

Der  Fischfang  wird  als  mit  Netzen  betrieben  angegeben  oder  durch 
Pfeilschiessen  nach  Betäuben  mit  narkotischen  Mitteln.  An  der  Küste 
bediente  man  sich  der  Flösse  für  Schiffahrt  (und  so  auf  dem  Titicaca- 
See),  oder  der  Caballitos  genannten  Schilf bündeP)  (wie  noch  heute). 

Die  Spanier  beschreiben  den  geordneten  Postdienst  im  Inca- 
Reiche  und  die  raschen  Botengänge,  wodurch  Seefische  vom  Hafen 
Quilca  nach  Cuzco  geliefert  seien. 

Die  Payn  genannten  Postboten*)  (in  Mexico)  wechselten  in  den 
Techialoyan  genannten  Thürmchen  (s.  Torquemada). 

„Oft  bedienten  sich  die  Mexicaner  der  Couriers,  Geschäfte  aus- 
zurichten, und  diese  hatten  alsdann,  nach  der  Beschaffenheit  der- 
selben, auch  ihre  besonderen  Kennzeichen.  Brachten  sie  die  Nach- 
richt, dass  die  Mexicaner  eine  Schlacht  verloren,  so  gingen  sie  mit 
losen  verwirrten  Haaren,  und  begaben  sich,  ohne  ein  Wort  mit 
jemand  zu  reden,  gerade  nach  dem  königlichen  Palast,  knieten  vor 
dem  König  nieder  und  erzählten  den  Zufall.  War  aber  ein  Sieg 
erfochten,  so  sähe  man  sie  das  Haar  mit  einer  bunten  Schnur  zu- 
sammengebunden, und  den  Leib  mit  einem  weissen  baumwollenen 
Tuch  umgürtet.  In  der  Linken  trug  der  Bote  das  Schild  und  mit 
der  Rechten  schwung  er  das  Schwerd,  als  in  der  Schlacht,  um  da- 
durch seine  gute  Botschaft  anzudeuten,  und  sang  zugleich  von  den 
grossen  Thaten    der  alten  Mexicaner,    indess  das  freudige  Volk  ihn 


*)  Die  Indianer  der  Bay  von  San  Francisco  hatten  keine  Boote,  ,,their  only  means  of 
navigation  vere  bundles  of  tule-rushes  (lashed)  firroly  together  in  rolls  and  pointed  at 
both  ends." 

•)  The  Institution  of  the  Peruvian  posts  seenis  to  have  made  a  great  impression  on 
the  minds  of  the  Spaniards,  who  first  visited  the  country,  bemerkt  Prescott  und  macht 
darauf  aufmerksam,  dass  dies  (s.  Herodot)  in  Persien  erwähnte  Institut  (chinesischen  Alter- 
thums)  sich  in  America  bei  ,,two  barbarian  nations"  (Mexicaner  und  Peruaner)  gefunden, 
ehe  es  bei  den  civilisirten  Völkern  Europa's  in  Gebrauch  gekommen. 


558  RELIGION  UND   SITTE. 

unter  vielem  Zujauchsen  nach  dem  Palast  begleitete.  Um  die  Nach- 
richten desto  geschwinder  fortzubringen,  standen  auf  den  grossen 
Heerstrassen,  sechs  Meilen  auseinander,  kleine  Thürme,  darin  sich 
allezeit  Couriers  bereit  halten  mussten,  um  die  Aufträge  gleich  weiter 
zu  bringen.  Sobald  der  erste  Courier  abgeschickt  ward,  Ifef  er  so 
hurtig  als  möglich  zur  nächsten  Station,  oder  Thurme,  trug  seine 
Geschäfte  daselbst  einem  andern  auf,  und  gab  ihm  ein  Gemälde, 
welches  die  Ursache  seiner  Absendung  vorstellte.  Der  zweite  Courier 
brachte  es  abermals  zur  nächsten  Station.  Auf  diese  Weise  wurden 
die  Nachrichten  so  geschwinde  von  einer  Station  zur  anderen  be- 
fördert, dass  sie  zuweilen  in  einem  Tage  drei  hundert  Meilen  weit 
kamen,  wie  einige  Schriftsteller  versichern.  Auf  diese  Weise  erhielt 
Montezuma  II.  täglich  frische  Fische  aus  dem  mexicanischen  Meer- 
busen, ob  er  gleich  auf  zweihundert  Meilen  von  der  Residenz  ent- 
fernt war.  Diese  Couriers  wurden  von  Jugend  auf  im  Laufen  geübt; 
und  um  dieser  Uebung  desto  mehr  Aufmunterung  zu  geben,  setzten 
die  Priester,  unter  deren  Aufsicht  dergleichen  Knaben  stunden,  oft 
Preise  im  Wettrennen  aus"  (s.  Clavigero). 

Die  Botenläufer  wurden  von  den  umliegenden  Dörfern  geliefert 
(als  Charquis^)),  „en  cada  topo  avia  quatro  yndios  ordinarios  de  noche 
y  de  dia  que  servian  de  postas,  los  quales  se  mudavan  cada  mes  e 
proveyan  las  comarcas  como  cayan  cada  uno  en  su  parte"  (in  Peru). 

Weder  Müssiggänger,  da  es  fiir  Jeden  zu  thun  gab*),  noch  Bettler 
waren  in  Peru  erlaubt,  und,  während  es  bei  gleichmässig  jährlicher 
Vertheilung  der  Ländereien  und  Beschäftigungen  Arme  an  sich  nicht 
geben  4connte,  wurden  der  Armuth  Verfallene  von  Regierungswegen 
aus  den  Staatseinnahmen  unterstützt.  „Era  tanta  la  orden  que  tenia 
en  todos  sus  reinos  y  provincias,  que  no  consentia  haver  ningun 
Indio  pobre  ni  menesteroso,  por  que  havia  orden  y  formas  para  ello 
sin  que  los  pueblos  reciviesen  vexacion  ni  molestia,  por  que  el  Inga 


*)  Solo  era  menester  darlo  que  se  avia  de  traer  a  la  primera  posta,  porque  sin  hazer 
mas  diligencya  llegase  todo  el  camyno,  y  aunque  era  algun  trabajo  para  los  Yndios, 
pero  despues  de  entablado  como  estava,  era  mucha  magestad  y  contentamyento  para  el 
Ynga,  y  negocio  ymportante  para  el  Govierao,  k  lo  menos  no  lo  e  yo  leido  de  nynguii 
rey  ny  oydolo  decir  (1571).  Nach  der  Zeit,  da  die  Spanier  Peru  überwältiget,  ging 
dieses  nützliche  Werck  zu  nichte  (bemerkt  Dapper). 

')  ,,Ein  ieder  lernte  von  Kindheit  auf  nicht  allein  ein  Handwerck,  sondern  auch  Alles, 
welches  man  zur  Haushaltung  nöthig  erachtete,  als  das  Weben,  den  Bau  der  Häuser  und 
Aecker,  und  die  Werckzeuge  hierzu  Selbsten  zu  machen,  dergestalt,  dass  keiner  den  andern 
nöthig  hatte.  Unterdessen  blieben  gleichwohl  vor  sich  selbsten  die  Kunstmeister,  derer 
Kunst  mehr  zum  Zierrath  und  zur  Ergetzung  dienet,  als  die  Gold-  und  Silber -schmiede, 
die  Mahler,  die  Töpfer,  die  Sangmeister,  die  Täntzer  und  dergleichen  Leute"  (in  Peru). 


REGIERUNG.  559 

lo  suplia  de  sus  tributos."  So  ergab  sich  der  Königliche  Titel  „Huac 
Chacuyac,  que  quiere  decir  amador  y  bienhechor  de  pobres". 

Das  Casera  genannte  Gesetz  verbot  wie  den  Müssiggang  so 
auch  das  Speisen  bei  verschlossenen  Thüren  (in  Peru). 

Ueber  die  treffliche  Ordnung  im  Inca-Reich  legen  die  Conquista- 
dores  selbst  das  schlagendste  Zeugniss  ab,  und  in  ihrem  Namen 
der  letzte  derselben  (1589):  „Habemos  destruido  con  nuestro  mal 
exemplo^)  gente  de  tanto  governo  como  eran  estos  naturales  y  tan 
quitados  de  cometer  delitos  ny  acesos"  bekennt  in  seinem  Testament 
(1589)  Antonius  de  la  Calancha.  „Era  tanta  la  orden^)  que  tuvieron 
estos  Indios,  que  a  mi  parecer,  aunque  mucho  se  piense  en  ello,  seria 
dificultoso  mejorarla,  conocida  su  condicion  y  costumbres",  bemerkt 
Ondegardo  von  der  Einrichtung  der  Staatsarbeiten  in  Peru  (in  seinem 
Berichte  an  die  spanische  Regierung). 

Aehnliche  Urtheile^)  wiederholen  sich  (neben  mehr  oder  weniger 
Schönfärberei)  trotz  dem  andrerseits,  in  der  Beleuchtung  durch  eine 
neue  Religion,  hervortretenden  Gegensatz. 

Die  Kunstfertigkeit  der  Indianer  in  Peru  und  Mexico  wird  von 
den  Conquistadoren  zu  wiederholten  Malen  mit  bewundernden  Aus- 


^)  Han  venido  h  tal  rotura  en  ofensa  de  Dios  estos  naturales  por  el  mal  exemplo 
que  les  hemos  dado  en  todo,  que  aquel  extremo  de  no  hacer  cosa  mala  se  ha  convertido 
en  que  hoy  ninguno  ö  pocos  hacen  buenas,  y  requicren  remedio,  y  esto,  toca  h,  su 
Magestad,  para  que  descargue  su  conciencia,  y  se  lo  advierte,  pues  no  soy  parte  para 
mas  (s.  Lejesema  oder  Mancio  Serra  de  Leguisamo). 

*)  The  Royal  Audience  of  Peru  under  Philip  II.  (there  cannot  be  a  higher  authority) 
bears  emphatic  testimony  to  the  cheap  efßcient  administration  of  justice  under  the  Incas. 
,,De  suerte  que  los  vicios  eran  bien  castigados  y  la  gente  estaba  bien  sujeta  y  obediente, 
y  aunque  en  las  dichas  penas  havia  esceso,  redundaba  en  buen  goviemo  y  policia  suya  y 
mediante  ella  eran  aumentados  (porque  los  Indios  alababan  la  govemacion  del  Ynga  y  aun 
los  Espafioles,  que  algo  alcanzan  de  ella,  es  porque  todas  las  cosas  susodichas  se  deter- 
minaban  sin  hacerles  costas)".  Zurita  protestirt  gegen  die  Bezeichnung  der  Azteken  als 
Barbaren,  da  ihre  staatlichen  Einrichtungen  neben  den  europäischen  nicht  zurückgestanden. 
,  ')  Abrazaron  muy  de  buena  gana  las  leyes  que  sus  principes  ensefiados  con  la  lumbre 
natural  ordenaron,  y  las  guardaron  muy  cumplidamente.  En  lo  quäl  tengo  para  mi  que 
estos  Incas  del  Peru  deben  ser  preferidos,  no  solo  a  los  chinos,  japones,  y  a  los  indios 
orientales,  mas  tambien  h.  los  gentiles  naturales  de  Asia  y  de  Grecia.  Porque  bien  mirado, 
no  es  tanto  de  estimar  lo  que  Numa  Pompilio  padeciö  y  trabajö  en  hacer  leyes  para  los 
Romanos,  Solon  para  los  Atenienses  y  Licurgo  para  los  Lacedemonios  (s.  Blas  Valera). 
The  most  enlightened  of  the  Spaniards  who  first  visited  Peru ,  Struck  with  the  general 
appearance  of  plenty  and  prosperity,  and  with  the  astonishing  order  with  which  every 
thing  throughout  the  country  was  regulated,  are  loud  in  their  expressions  of  admiration 
(5.  Prescott).  Ningun  hombre  de  consideracion  habrä  que  no  se  admire  de  tan  noble  y 
pr6vido  gobiemo,  pues  sin  ser  religiosos  ni  christianos  los  Indios,  en  su  manera  guar- 
daban  aquella  tan  alta  perfecion  de  no  tener  cosa  propia,  proveer  k  todo  lo  necesario,  y 
sustentar    tan    copiosamente  las  cosas  de  la  religion  y  las  de  su  rey  y  scfior  (s.  Acosta). 


560  RELIGION   UM)   SITTE. 

drücken  anerkannt,  keine  Vergleichung  ist  ihnen  zu  hoch  und  sie 
gestehen  für  verschiedene  Puncte  ein,  dass  die  americanischen  Ar- 
beiten die  ihrer  eigenen  Künstler  sogar  überträfen.  Die  ersten  Beute- 
stücke scheinen  manche,  nicht  nur  ihres  Metallwerthes  wegen,  kost- 
bare Stücke  enthalten  zu  haben,  doch  ist  kaum  vielmehr  davon 
übrig  geblieben,  als  die  Beschreibung  der  mexicanischen. 

Für  die  Incap-runa,  Unterthanen  des  Inca  im  viergetheilten  Reich 
(Ttahuantinsuyu)  erschienen  die  aussenstehenden  ^)  Barbaren  (wie  den 
deutlich  redenden  Nahuatl  in  Mexico)  als  Wilde  oder  Sacha-runa, 
und  die  Inca  suchten  bei  Ausdehnung  der  Herrschaft  die  rohen  Ge- 
bräuche zu  mildern,  durch  Abschaffung  der  Menschenopfer  (wie  es 
von  den  Römern  in  Carthago  gefordert  wurde),  Bestrafung  der  un- 
natürlichen Laster  u.  s.  w. 

Die  Verwendung  der  Gifte  gegen  Feinde*)  (in  vergifteten 
Waffen)  wurde  nach  der  Eroberung  Moqueguas  von  Mayta  Capac 
bei  Leibesstrafc  verboten  (s.  Garcilasso).  Auf  den  Antillen  fand 
sich  ihr  Gebrauch  bei  den  Cariben,  wie  sonst  an  der  Ostküste  Süd- 
america's.  Die  Indianer  in  der  Pampa  del  Sacramento  gebrauchen 
die  vergifteten  Waffen  nur  zur  Jagd,  nicht  zum  Krieg,  und  nennen 
die  Weissen  Barbaren,  weil  Feuer  und  Eisen  verwendend  (s.  Skinner). 
Huayna-Capac  hatte  den  Aufstand  der  Carangues  (bei  Quito)  zu 
unterdrücken,  die  sich  wegen  des  Verbotes,  Menschenfleisch  zu  essen, 
empört  hatten. 

Die  cannibalischen  Chirihuanos,  von  denen  gesagt  wird,  dass  sie 
die  Schafhirten  noch  lieber  frassen,  als  deren  Heerden,  gaben  ihren 
Brauch,  die  verstorbenen  Verwandten  (neben  den  Feinden)  zu  essen, 
durch  den  Einfluss  des  benachbarteu  Inca- Reichs  schon  vor  ihrer 
Unterwerfung  auf  (indem  die  Inca  sie  vielleicht  zu  Unterredungen 
berufen  hatten,  wie  Darius  ihre  indischen  Gleichgesinnten). 

Jeder  Eingriff  der  Soldaten  auf  dem  Feldzuge  in  Privat -Eigen- 
thum  war  mit  Todesstrafe  belegt  (unter  den  Inca). 

Die  Inca  verpflichteten  (in  Chuquiabo)  mit  30  Jahren  zu  Kriegs- 
diensten, mit  25  zur  Zeugverfertigung,  mit  20  zur  Reinigung  der 
Wege  und  zur  Aussaat,  mit  10  zum  Vogelfang,  mit  50  zum  Feld- 
bestellen (s.  Herrera).  Huascar  Titupac  bestimmte  die  Aushebung 
für  die  Wehrpflicht  auf  das  30.  Jahr  (nach  Montesinos). 


*)  Selbst  die  christlichen  Indianer  (in  Bolivia)  nennen  die  Weissen ,  überhaupt  die 
Nicht-Indianer,  häufig  Christianos  (s.  Tschudi). 

^)  Procuraban  que  la  gnerra  fuese  la  nias  liviana  tjue  se  pudiesc,  bemerkt  Snrmiento 
von  den  Incas. 


STEUER.  561 

Aus  den  zur  Unterwerfung  gezwungenen  Aufständischen  in  der 
Stadt  Yanayaco  wählte  Yupanqui  seine  Leibwache  der  Yanaconas, 
die  dann  in  Rivalität  traten  mit  den  (adligen)  Orejones  (nach  Ayllos 
oder  Geschlechtem  geordnet).  Huascar  Titupac  führte  die  Unter- 
scheidungen der  Kriegskaste  ein. 

Die  Ayllu-cuzcos  bildeten  eine  Art  unsterblicher  Legion  in  der 
nächsten  Nähe  des  Inca  (wie  ähnlich  bei  Perserkönigen). 

Mango  Capac,  bemerkt  Oliva,  proclamirte  das  Gesetz  der  Inca, 
dass  Alles  diesen  gehöre*).  Zum  Huldigungseid ^)  wurde  das  von 
den  Sonnenjungfrauen  geknetete  Brod  von  den  Beamten  gegessen 
(wie  in  Siam  das  Eideswasser  getrunken). 

Der  Tribut  war  in  den  verschiedenen  Provinzen  Perus  nach  den 
speciellen  Erzeugnissen  bestimmt,  sowie  bei  den  Classen  der  Be- 
völkerung gemäss  ihrer  Beschäftigung,  und  auch  den  Armen  soll, 
um  sie  nicht  unthätig  zu  lassen,  ein  Tribut  in  Läusen  auferlegt  sein, 
wie  im  Thal  von  Viru  (wo  Federspulen  mit  Läusen  in  den  Gräbern 
gefunden  würden).  Auch  Cazonzin,  König  von  Mechoacan,  legte 
daselbst  den  Armen  einen  Tribut  von  Läusen  auf  und  ein  gleicher 
(oder  von  Würmern)  wäre  in  Tlascala  bezahlt  (s.  Herrera),  und 
wird  dies,  wie  in  Peru,  auf  Blattläuse  (zur  Cochenille- Bereitung)  be- 
zogen (s.  Rchfues),  da  das  gezwungene  Einliefern  einer  bestimmten 
Zahl  Kleiderläuse  die  Reinlichkeit  nicht  etwa  befördert,  sondern  zur 
Brut  jener  geführt  haben  möchte.  Von  den  Läusen,  die  Ojeda,  als 
Tribut  in  Säcken  bei  Montezuma  gesehen,  meint  Torquemada,  dass 
es  sich  um  „gusanillos  de  seda"  gehandelt  habe. 

Die  edlen  Metalle,  die  nach  Cuzco  abzuliefern  waren  (mit  dem 
Verbot  der  Ausfuhr)  wurden  fiir  den  Schmuck  der  Tempel  ver- 
wandt. Der  Tribut  der  Provinzen  ward  beim  Raymi-Fest  einge- 
liefert. De  nadie  recibian  un  pufto  de  mayz  por  presente,  bemerkt 
Herrera  von  den  peruanischen  Beamten  (als  unbestechlichen). 


*)  Les  Floridiens  ne  sement ,  nc  plantent,  ne  prennent  rien  ni  h  la  chassc,  ni  a  la 
pt'che,  qui  ne  soit  a  la  disposition  de  leurs  chefs,  qui  distribuent  et  donnent,  conime  il 
leur  plait  (s.  Coreal).  The  cbiefs  on  the  Bahamas  |>o'>sessed  similar  absolute  power 
(according  to  Peter  Martyr). 

')  Beim  Eid  der  Ostjäken  (in  Kasan)  ,,hält  man  ihnen  zwei  Degen  kreuzweise  vor. 
Ks  nähert  sich  Einer  nach  dem  Andern,  und  man  reicht  einem  Jeden  ein  Stückchen  vier- 
eckig geschnittenes  Brodt  in  Salz  eingetunkt  über  die  Degen  weg,  welches  sie  halb 
knieend  verschlucken.  Ebenso  schwören  auch  die  Tschuwaschen"  (,s.  Worbs).  Beim 
Schwur  (in  Martinowo)  ,, befahl  Herzog  Heinrich  dem  Stephan  nach  Landessitte  einen 
Trunk  Wassers  zu  nehmen"  (1208  p.  d.)  im  I^inkauf-Trinken  (auch  mit  Wein  oder  Meth). 
Bei  der  schwedischen  Thronbesteigung  wurde  der  Braga-Becher  zum  CJelübde  getrunken. 
Bastian:  America.  I.  «jb 


562  RELIGION  UND  SITTE. 

Die  militairische  Rangordnung  wird  bei  Velasco  folgendermassen 
gegeben:  Apusquipay,  General;  Apusqui-Randin,  General-Lieutenant; 
Hatun-Apu,  Oberst;  Apu,  Major;  Hatun-Apu-Randin,  Ober-Lieutenant; 
Apu- Randin,  Lieutenant;  Camayuc,  Ofiicier;  Guaranga-Camayuc, 
Hauptmann  über  looo;  Pachsac- Camay uc,  Hauptmann  über  loo; 
Pichca-Chunga- Camay  uc,  Hauptmann  über  50;  Chunga- Camay  uc, 
Hauptmann  über  10;  Unanchayancoc,  Fähnrich;  Huancar-Cämayuc, 
Trommler;  Oquipa-Camayuc,  Trompeter;  Pucara-Camayuc,  Festungs- 
Commandant,  Aucac-Runa,  Soldat. 

Als  Rüstung  nennt  Velasco:  Umachina,  Helm;  Nahuichina, 
Visier;  Aucana-cushma,  wattirter  Brustpanzer;  Huallcanga,  Halskragen ; 
Chuqui,  Holzlanze;  Anta-ftauchi,  kupferne  Lanzenspitze;  Turpuna, 
Holzlanze  mit  Kupferspitze;  Tuccina,  Bronzeschwert;  Macana,  Holz- 
säbel; Callhua,  Messer  aus  Holz  oder  Kupfer;  Tumi,  Cutlas  aus 
Kupfer  oder  Stein.  Die  Estolica,  (Wurfspiess  oder  Huachi)  war  mit 
dem  Wurf  brett  (Cumana)  verbunden,  dann:  Chingana,  Wurfdolch;  Gui- 
copa,  (petite  massue  que  Ton  lance  et  dont  le  bout  est  comme  un  mar- 
teau),  Wurtkeule;  Huactana,  Keule  aus  Holz;  Huachina,  Bogen;  Hüachi, 
Pfeil;  Viruti,  Giftpfeil;  Viruti-Churowa,  Köcher;  Huaraca,  Schleuder; 
Huancar  und  Hatun-Taqui,  Trommel;  Oquipa,  Holztrompete;  Churu, 
Muscheltrompete;  Unancha,  Standarte.  Chictana  war  eine  Axt  aus 
Kupfer  oder  Stein. 

Nach  den  Schleuderern  kamen  (im  Heer  Atabalipas)  „otros  con 
porras  y  hachas  de  armas"  (s.  Xerez),  dann  mit  Wurfspiessen^)  Be- 
waffnete und  schliesslich  die  Lanzenträger.  Ausserdem  wurden 
Champi  (Streitäxte)  geführt.  Die  Streitäxte  (hachas  sp.)  waren  (in  Peru) 
von  derselben  Grösse  (wie  die  spitzigen  Porras),  übertrafen  aber  „la 
cuchilla  de  metal,  de  anchor  de  una  palma,  hecha  como  alabarda" 
(s.  Oviedo).  Eine  kupferne  Lanzenspitze  mit  Zeichnungen,  die  in 
einem  Grabe  bei  Copiapo  gefunden  wurde  (s.  Sampef),  ist  in  der  Rev. 
Arch.  (1872)  beschrieben  und  eine  ähnliche  findet  sich  im  königlichen 
Museum  Berlins. 

Montcsinos  nennt  unter  den  Waffen  Perus  mit  Kupfer  belegte 
Aexte.  Mayta  Capac  führte  die  Schilder  als  Schutzwaffe')  ein, 
Yahuar-Huacac  (nach  Santa  Cruz)  kupferne  Brustharnische. 

*)  An  den  Wurfspicssen  befestigten  sie  eine  Schnur  um  sie  nach  dem  Wurf  wieder 
zurückziehen  zu  können,  bemerkt  Clavigero  von  den  Mexicanern  in  Analogie  mit  dem  römi«5chen 
Amentum,  während  die  Wurfschlinge  des  Neu-Caledoniers  das  (auch  in  Mexico  bekannte) 
Wurfbrett  ersetzt. 

')  ,,I)ie  Schutzwaffen  der  Völker  von  Neu-Spanien  bestehen  in  einer  Art  von  langen 
Wamsen,  die  bis  zu  einer  Dicke  von  anderthalb  bis  zwei  Fingern  mit  Baumwolle  gesteppt 


WAFFEN.  563 

Die  Streitäxte  (die  bei  der  Adelsweihe  verliehen  wurden)  galten 
als  von  Manco  Capac  erfunden.  Jeder  Inca  musste  die  Herstellung 
der  Schilder  (Huallcana  oder  Huallcanca)  erlernen. 

In  Quito  war  ein  Wurfbrett  für  die  Lanzen  in  Gebrauch  und 
(nach  Rodriguez)  bei  den  Inca. 

Die  Kriegslager  enthielten  Zelte  aus  Baumwollenzeug.  Neben 
Wattenpanzern  wurden  mit  Baumwolle  gefütterte  Helme  getragen. 
Die  Chunchus  kämpften  gegen  die  Inca  mit  Bogen  und  Pfeil,  die  ge- 
wöhnliche Waffe  (wie  Garzilasso  bemerkt)  unter  den  Andesstämmen. 

sind.     Darüber  tragen    sie    eine  Art  ron  Schürze,    welche  von  hinten  festgebunden  wird, 
und  aus  grober  Lein^vand  besteht,  die  ganz  mit  den  verschiedenfarbigsten  Federn  bedeckt 
ist,  so  dass  es  recht  hübsch  aussieht.     Die  Companien  der  Kricgsleute  unterscheiden  sich 
in  den  Farben  dieser  Federn  von  einander;  in<lem  die  F^ine  Companie  nichts,  als  weisse, 
die  andere  nichts,  als  rothe,  oder  blaue,  oder  gelbe  P'edern  an  ihren  Schürzen  hat.     Die 
Vornehmen  tragen  darüber   noch    eine  Art  von  Jacke,    nach  Art  unserer  Panzer,    die  mit 
(iold  oder  Silber    überzogen  ist ,    und    gleichfalls  zur  Abwehr  der  Wurfspiesse  und  Pfeile 
dient,  so  wie  die  Schürzen,  welche  ebenso  undurchdringlich  fdr  dieselben  sind,  und  sogar 
gegen  Degenstösse    einige  Sicherheit    gew.Hhren.     Auf  dem  Kopfe  haben  sie  eine  Schutz- 
wafie  von  der  Gestalt    eines    Schlangen-,  Löwen-,  Tiger-  oder  Wolfs-Kopfes  mit  offenem 
Rachen,    in  welchen  der  Mann  sein  Haupt  so  hineinsteckt,  als  halte  das  Thier  ihn  eben 
mit  den  Zähnen  gepackt,    um    ihn  zu  verschlingen.     Dieses  Stück  Rüstung  ist  von  Holz, 
mit  einer  Gold-Platte  bedeckt ,  und  mit  Edelsteinen  besetzt ,    und  oben  darauf  ein  Feder- 
buNch    befestigt,    so    dass  man    es  nicht   genug   bewundern  kann.     Die  .Schilde  sind  von 
verschiedener  Arbeit.     Sie  bestehen   gewöhnlich  aus   starken  Rohrst.Hben,   die  mit  dicken 
baumwollenen  Schnüren  zusamniengepflochteu,  mit  Federn  und  nmden  (ioldplatten  bedeckt, 
und  so  stark  sind,    dass   eine    tüchtige   Armbrust    dazu  gehört,    wenn  man  einen  solchen 
Schild    durchschiessen    will.      Dringt    aber    auch    der  Pfeil  ein,    so    ist    doch    die    ganze 
Gewalt  des  Schus^^cs  al>gestumpft.     Man  hat  von  diesen  Schilden  nach  Spanien  gebracht; 
es  waren  aber  keine  von  tlenjenigen,  welche  die  Neu-Spanier  in  ihren  Kriegen  gebrauchen, 
sondern  solche,    die  sie  bei  ihren  Festen  und  lanzen  tragen.     Die  Trutzwaffen  bestehen 
in  Bogen,    Pfeilen  und  Wurfspiessen.     Letztere  haben    eine    starke    und    sehr    geschärfte 
Spitze  vcm  hartem  Stein  o<ler  Fisch-Knochen,  und  werden  vermittelst  einer  Art  von  Stock- 
Schleuder  abgeschossen.     Manche   <lieser  Wurfspiesse  haben  drei  Spitzen,  so  dass  sie  mit 
einem  Male  drei  Wunden  verurs.ichen.     Die  Schwerter  der  Neu-S|)anier  werden  n)it  beiden 
Händen  geführt,    und  sind  schwer  von  Holz  gearl^eitet ,    nicht  sehr  lang,    aber   drei  Zoll 
breit,  und  hal)en  in  der  Schneitle  eine  Spalte,  in  welcher  man  ein  Messer  von  Feuerstein 
befestigt,    das  so  scharf  geschliffen  ist,    als  ein  Rasier-Mtsser  von  Toiosa.     Ich  habe  es 
mit  meinen  eigenen  Augen  gesehen,  wie  ein  Indianer  einst    in  einem  Gefecht  dem  Pferd 
eines  Kavalirs   mit   einem   solchen  Schwert  einen  Hieb  in  die  Brust  versetzte ,    der  bis  in 
die  Höhle  drang,    und    dem  Leben  des  Thieres    augenblicklich    ein  Ende    machte.     Ein 
andresmal    stürzte    eins  unserer  Rosse,    von  einem    einzigen  Hieb  in  den  ILnIs  getroffen, 
todt  nieder.     Ferner  haben  sie  Schleudern,  womit  sie  sehr  weit  werfen,  und  die  meisten 
Kriegsleute    sind    mit    allen    diesen  Waffen  zugleich  versehen ,    und    gebrauchen  sie  auch 
eine  um  die  andere.     Es  gewährt  in  der  That  einen  schönen  Anblick,  wenn  sie  in  ihrem 
Kriegs-Aufzug  heranmarschieren;  denn  sie  halten  die  beste  Ordnung,  und  sehen  in  ihrem 
Waffen  -  Schmuck   alle  gar  rüstig  aus.     Es  gibt  überaus  tapfere  Männer  unter  ihnen,    die 
sich  aus  dem    Tode  nicht  das    geringste  machen.     Ich  habe  einmal  zugesehen,    wie  sich 
Einer  gegen  zween   leichte  Reiter,    und  einen  Andern,    der  sich  gegen  drei,    und  selbst 
vier  über    eine  Stunde    lang    vertheidigte.     Als  sie  nicht  mit  ihm  fertig  werden  konnten, 

36*  • 


564  RELIGION  UND  SITTE. 

Bei  den  Chinganos  genannten  Lanzen  wurden  die  Spitzen  mit 
einem  scharfen  Schilf  gebildet  (in  der  Pampa  del  Sacramento). 

Die  Carendis  (bei  Buenos  Ayrcs)  hatten  (1535)  „Kugeln  von 
einem  Stein  und  daran  eine  lange  Schnur"  (s.  U.  Schmidt),  und  diese 
Waffe  \yird  auch  in  Collao  erwähnt  (den  Bolas  entsprechend). 

Von  den  Cailar  wird  gesagt  (s.  Velasco)  dass  sie  ihren  Feinden 
durch  den  Gebrauch  der  Pfeilschusswaffe  überlegen  waren  (wie  die 
Xatrija  im  alten  Indien),  und  die  Inca  erkämpften  ihre  Siege  durch 
die  Schleuder,  die  sie  als  Lieblingswaffe  führten.  Die  Huaraca  oder 
Schleuder  wird  neben  der  Huicopa  (hölzerne  Wurlkeule)  auch  als 
die  Waffe  der  Puruha  erwähnt,  mit  der  sie  gegen  dio^Cara  gekämpft. 

Neben   den  Chuqui  (Speeren^))  bedienten  sich  die  Peruaner  der 

warf  einer  im  Aerger  seine  L.mze  nach  ihm ;  aber  der  tapfere  Mann  fing  sie  mit  der 
Hand  .niif ,  und  schhig  sich  noch  so  lang  mit  seinen  Oegnem  herum,  bis  zween  Infan- 
leisten  dasu  kamen,  die  ihn  erst  beide  verwundeten,  und  während  ihn  der  Eine  von  vorne 
fassle,  der  Andere  ihn  von  Hinten  niederstiess.  Im  Gefeclit  selbst  taiuen  und  singen  sie 
unaufhörlich;  zwischen  hinein  erheben  sie  ein  enlsetzHchcs  Schreien  uad  Pfeifen,  und  wer 
an  dieses  Liirmen  und  diese  wilde  (Jeberdung  n(»ch  nicht  gewöhnt  ist,  der  kann  sich  der 
Furcht  kaum  erwehren.  L'ebrigens  sind  sie  im  Krieg  unbarmherzig.  Sie  schenken  weder 
Bruder,  noch  Freund,  noch  Verwandten  das  heben,  und  tndten  selbst  die  schönsten 
Frauen,  um  sie  aufzufressen.  Können  sie  die  IJeute,  die  sie  gemacht,  nicht  fortbringen, 
so  verbrennen  sie  dieselben.  Nur  die  Adeligen  dürfen  nicht  umgebracht  werden.  Sie 
werden  wohl  bewacht,  und  zu  einem  besonderen  barbarischen  Hrauch  aufgespart.  In  der 
Mitte  der  Plätze  aller  Ortschaften  sieht  nämlich  eine  runde  l*lattform ,  von  anderthalb 
Mannshöhen,  in  Steinen  aufgemauert.  Zu  derselben  fuhrt  eine  Treppe  empor,  und  im 
Mittelpunkt  ist  ein  grosser  Stein  befestigt,  mit  einer  Höhlung  darin.  An  diesen  Stein 
wird  der  Gefangene  mit  einem  langen  Seil  an  dem  Fuss  J)efestigt.  Man  gibt  ihm  ein 
Schwert  und  einen  Schild  in  die  Hände,  und  er  muss  mit  denjenigen,  welche  ihn  gefangen 
haben,  einen  neuen  Kampf  bestehen.  Bleibt  derjenige,  welcher  zuletzt  mit  ihm  fertig 
geworden  ist ,  noch  einmal  Sieger ,  so  gilt  dies  fiir  eine  besondere  Thal ,  die  auch  durch 
ein  äusseres  Abzeichen,  welches  er  tragen  darf,  geehrt  wird.  Behält  aber  der  Gefangene 
die  ()berhan<l,  und  ist  er  mit  sechs  anderen  Streitern,  die  nach  dem  Ersten  den  Kampf 
fortsetzen  müssen,  eben  so  glücklich  fertig  geworden,  so  wird  er  frei,  und  es  muss  ihm 
Alles,  was  man  ihm  in  dem  Gefecht  abgenommen,  ersiattet  werden.  Kinmal  kämpfte 
die  Mannschaft  des  V'olkez  von  Huexotzinco  mit  der  von  Tula;  da  geschah  es,  dass  der 
Fürst  des  letzten  sich  in  der  Hitze  des  Gefechts  von  den  Seinen  verlor,  und  so  tief 
unter  die  Feinde  eindrang,  dass  er,  ob  er  gleich  Wunder  der  Tapferkeit  verrichtete,  am 
Ende  dennoch  von  der  Menge  überwältigt  und  gefangen  genommen  wurde.  Die  Mann- 
scliaft  von  Huexotzinco  führte  iliren  Gefangenen  nach  ihrer  Stadt ,  wo  er  auf  die  eben- 
i)Oschriebene  Weise  den  Kampf  mit  sieben  der  tapfersten  Männer  bestehen  musste,  und 
auch  mit  allen  Sieben  fertig  wurde.  Die  grosse  Tapferkeit  dieses  Fürsten  machte  tl.-is 
Volk  von  Huexotzinco  bedenklich,  und  es  glaubte  fürchten  zu  müssen,  dass  derselbe, 
wenn  er  wieder  frei  wäre,  nicht  ruhen  würde,  bis  er  sie  alle  ausgerottet,  Sie  beschlossen 
daher,  ihn  umzubringen,  führten  Solches  auch  aus,  luden  aber  dadurch  eine  so  schwere 
Schmach  auf  sich ,  dass  sie  in  ganz  Neu-Spanien  für  wortbrüchige  und  verrätherische 
Leute  galten,  uml  Niemnnd  mehr  mit  ihnen  zu  thnn  haben  wollte." 

')  Die  Atahualpa  begleitenden  Truppen  iK'setzten  die  Festung  (von  ('axamnlca)   ,,con 
vautici.i  putsia  rn  una  lanza"  (s.  Hemando  Pizarro). 


ACKERBAU.  565 

Pfeile,  die  mit  Lederriemen  geworfen  wurden,  dann  der  Steinsterne 
mit  fünf  Spitzen  und  anderer  Morgensterne.  Die  Collas  kämpften 
(wie  bemerkt)  mit  Ayllos  oder  Bolas  (gleich  den  Patagonier).  In 
Picara  wurden  Fussangeln  gebraucht  (nach  Cieza). 

Unter  den  in  Peru  gefundenen  Arten  von  Keulen  findet  sich 
(nach  Rivero)  eine ,  die  der  auf  Neuseeland  und  in  der  Südsee  ge- 
brauchten sehr  ähnlich  ist. 

Die  Arbeiten  der  Feldbestellung,  des  Hausbaues  u.  s.  w.,  wurden 
in  Peru  mit  gemeinsamer  Unterstützung  vorgenommen  (s.  Blas  Valera) 
und  die  Mita-chanang  genannten  Gesetze  regulirten  den  Wechsel 
bei  den  öffentHchen  Arbeiten.  Die  Feldarbeiter  in  Peru  hatten  keine 
Waffen,  da  ihnen  die  Kriegerkaste  das  Tragen  solcher  nicht  erlaubte 
(nach  Molina).  Las  cosas  de  la  guerra,  aunque  eran  muchas,  no 
impedian  a  las  del  comercio  ni  estas  a  las  cosas  de  la  labranga  e 
cultivar  de  las  tirras,  y  otra  cosa  ninguna  (unter  den  Inca).  Jede 
Familie  (in  Peru)  hatte  ein  Landtheil  (Topu)  zu  ihrem  Unterhalt. 
Das  verheirathete  Paar  erhielt  einen  Tupu  an  Ackerland,  und  für  jeden 
Sohn  wurde  ein  zweiter  Tupu  zugefügt,  bei  der  Geburt  einer  Tochter 
ein  halber  Tupu,  doch  verblieb  dieser  (bei  Vermählung)  im  Besitz 
des  Vaters,  für  etwaige  Fälle  zum  Besten  der  Tochter  reservirt, 
oder  sonst  an  den  Staat  zurückfallend  (in  Peru). 

In  den  Feldarbeiten  halfen  die  Weiber  den  Männern.  Die 
Männer  gruben  und  behackten  den  Boden,  säeten,  häufelten  die  Erde 
an  und  ernteten  das  Getreide  ein.  Die  Weiber  streiften  die  Blätter 
von  den  Aehren,  und  machten  die  Körner  rein;  beide  gäteten  und 
hülseten  aus  (s.  Clavigero),  in  Mexico^). 

Die  Topus,  (viereckige  mit  Steinen  eingefasste  Felder,  wo  der 
unebene  Boden  der  Sierra  in  die  Puna  übergeht,  wie  bei  Jauja) 
waren  mit  unterirdischen  Canälen  (seit  deren  Zerstörung  durch  die 
Spanier  sie  mit  Puna- Gras  bewachsen  sind)  bewässert  und  unter 
Familien  zum  Bebauen  vertheilt. 

Da  die  Indianer  die  Kunst,  mit  Gerüsten  die  Ueberbrückungen 
unterzubauen,  nicht  kannten,  umgingen  sie  mit  ihren  Wasserwerken 
die  Quellen  der  Flüsse  (bemerkt  Garcilasso). 

Wer  die  Marksteine  der  Aecker  versetzte,  wurde  (in  Peru)  als 
Dieb  erklärt  und  aufgeknüpft  (nach  Garcilasso  de  la  Vega). 

*)  Die  aus  dem  Holz  des  Ojametl  Baumes  errichteten  Konibödcn  der  Mexicaner  Iiatlei 
keinen  andern  Eingang,    als   zwei  Fensterchen    oben,    und   neben   ihnen  wurden  auf  den 
Feldern  Thürme    gestellt,    zum  Verscheuchen    der  Vögel    durch  die  dortigen  Wächter  (s. 
Clavigero). 


566  RELIGION   UND   SITTE. 

Der  zum  Düngen  von  den  Inseln  geholte  Guano  hiess  Puhu-Huanu 
oder  Mist  (Huanu)  der  Vögel.  Sinchi -  Cosque  führte  den  Pflug  ein 
(s.  Montesinos). 

Mit  Guano  wurden  in  Cuba  verschiedene  Palmenarten  bezeichnet 
und  Pichardo  übersetzt  „teuer  mucho  Guano",  als  „teuer  mucho  dinero". 

Zum  Düngen  (mit  Guano)  besuchten  die  P2ingeborenen  Tara- 
paca's  die  Inseln  in  Balsas  (s.  Cieza.)  P'euillcc  spricht  von  Guano- 
Lagern  bei  Arica  (1710). 

„Den  Mist  hiessen  sie  Guano,  daher  das  Thal  Lunaguana  seinen 
Namen  überkommen.  Den  Mist  fährt  man  in  die  Thäler  Peru,  denn 
es  ist  die  fruchtbarste  Düng  die  man  haben  mag"  (1597). 

Das  neben  dem  Gemeindeland  durch  den  Inca  einem  Privatmann 
geschenkte  Land,  ging  als  erblich  auf  die  Nachkommen  über  (a  los 
herederos  perpetuamente  e  descendientes),  die  es  indess  nicht  ver- 
theilen  durften,  sondern  gemeinsam  besassen  und  bearbeiteten,  „salbo 
que  uno  que  representaba  siempre  la  persona  del  Oayllo  6  parcia- 
lidad  lo  tenga  en  su  cavega".  Von  Privatbesitz  der  Indianer,  weder 
in  Land  noch  in  Heerden  (oder  im  Jagdrecht  erworben),  wurde  kein 
Tribut  bezahlt,  sondern  dem  Inca  nur  das  aus  der  Bearbeitung  der 
öffentlichen  Ländereien  Gewonnene  geliefert  (s.  Ondegardo).  Die  von 
den  Gemeindeländereien  getrennten  Güter  hiessen  Moyas  del  Ynga 
y  Moyas  del  Sol. 

In  holzreichen  Provinzen  fanden  sich  über  das  Sammeln  keine 
Bestimmungen,  aber  in  den  ärmeren  wurden  die  Waldstrecken  für 
den  Inca  reservirt,  als  Mbayas  del  Ynga. 

Wie  die  Peruaner  an  den  Bergen  den  F'eldbau  auf  künstlich 
aufgerichteten  Terrassen  (andenes)  trieben,  so  an  der  Küste  in  dem 
von  dem  Seewasser  durchfeuchteten  Sande  der  Hoyas,  wo  die  Mais- 
körner (ohne  Pflügen)  in  die  mit  Stöcken  geöffneten  Löcher  (zwischen 
Dünger  aus  F*ischköpfen)  gepflanzt  wurden.  Der  Vogeldung  war 
(nach  Garcilasso  de  la  Vega)  von  Arequipa  bis  Tarapaca  im  Ge- 
brauch. 

Die  Feldarbeit  in  Peru  wurde  unter  den  Haylli  genannten  Jubel- 
gesängen vollzogen. 

Für  den  Pflügt)  war  ein  Substitut  in  Gebrauch,  das  von  Menschen 
gezogen  wurde,  und  in  die  Erde  gezwängt,  um  sie  aufzubrechen. 


^)  Traen  por  arado  im  palo  de  una  braza  en  largo,  es  llano  por  delante  y  rollizo 
por  detras,  tiene  quatro  dedos  de  ancho,  hacenle  una  punta  para  que  entre  en  la  tierra, 
a  media  vara  de  la  punta  hacen  un  estrive  de  dos  palos  atados  fuertamente  al  palo  prin- 


FE  LDBESTELLUNG .  567 

In  drei  Thoile  gctheilt,  für  den  Sonnentempcl,  den  Inca  und  das 
Volk,  wurde  das  Land  in  dreimonatlicher  Frohnarbeit  nach  wechseln- 
der Reihenfolge  bestellt,  und  die  für  den  Unterhalt  der  Kranken,  der 
Wittwen  und  Soldaten  bestimmten  Ländereien  vor  den  übrigen  im  Privat- 
besitz. Jährlich  fand  eine  neue  Austheilung  des  Gemeindelandes  statt, 
je  nach  der  Zahl  der  Kinder.  Nach  der  Eintheilung  des  Landes  wurden 
zuerst  die  Aecker  der  Sonne  bebaut,  dann  die  öffentlichen  (der  Armen 
und  Kranken,  der  Waisen  und  Wittwen,  sowie  des  Heeres),  weiter 
die  des  eigenen  Besitzthums  und  schliesslich  die  des  Inca  oder  der 
Curaca  (in  Peru).  Nach  Garcilas.so  bestrafte  es  Huayna  Capac  mit 
dem  Galgen,  wenn  das  Land  des  Heroen  früher  bestellt  war,  als  das 
der  Armen.  Das  zum  Unterhalt  der  Religion  niedergesetzte  Land- 
theil  wurde  zwischen  der  Sonne,  Pachayachachic,  dem  Donner,  (Chu- 
quilla),  Pacha-mama  und  anderen  Huacas  vertheilt  (s.  Ündegardo). 

In  einigen  Plätzen  (wie  Arapa)  war  alles  Land  den  Göttern  ge- 
weiht, während  sich  sonst  daneben  Antheile^)  für  den  Inca  reservirt 
finden.  Nach  dem  Gesetz  Mita-chanacuy  fand  ein  regelmässiger 
Ersatz  in  dem  Wechsel  der  P^amilien  für  öffentliche  Arbeiten  statt 
(in  Peru). 

Die  Inca  eröffneten,  wie  der  Kaiser  Chinas  (und  König  Darfur's 
gleich  dem  Damel  in  Senegambien)  beim  Einweihungsfest  die  Feld- 
arbeit. Das  Land  war  zur  Ausnutzung  sorgsam  in  Aecker  ausge- 
legt und  die  Bewässerungen  genau  geregelt.  Die  Canäle  enthielten 
Fenster,  damit  man  zum  Reinigen  eintreten  konnte  (und  die  Spuren 
derselben  sind  vielfach  erhalten).  Zum  Furchen  dienten  Spaten.  Man 
baute  Mais,  Quinoa,  Kartoffel,  Banane,  Agave,  Baumwolle,  Tabak,  Coca, 
und  die  P>lder  waren,  um  keinen  Fussbreit  zu  verlieren,  in  Andenes 
(Terrassen)  angelegt,  während  man  die  Ansiedlungen  auf  solche 
Plätze  des  Erdbodens  baute,  die  sich  sonst  jeder  Nutzbarmachung  ent- 
zogen. Ehe  nicht  der  Inca  Hand  an  den  Pflug  gelegt  hatte  (in  Peru) 
„no  avia  Indio  que  osase  romper  la  tierra,  ni  pensavan,  que  produjese, 
si  el  Inga  no  la  rompia  primero". 

In  der  Provinz  fanden  sich  (durch  dafür  niedergesetzte  Ländereien 
unterhaltene)  Klosterhäuser  oder  Ayllaguaca  (-huasi),  wo  die  von  dem 
Aufseher  (Apopanaca)  ausgesuchten  Mädchen  durch  die  Mamatonas 


cipal  donde  el  Indio  pone  el  pie  de  salto,  y  con  la  fuerza  hinca  el  atado  hasta  el  estrivo 
(s.  Garcilasso  de  la  Vega). 

*)  Die  Länder  des  Königs  heissen  Tecpantlalli ,  die  der  Edlen  Pillalli,  die  der  Ge- 
meinde Altepctlalli ,  die  der  Soldaten  (zum  Unterhalt  des  Heeres)  Milchimalli  oder  Caca- 
lonuUi  (in  Mexico). 


568  RELIGION   UND   SITTE. 

(mugeres  viejas)  im  Spinnen  und  Weben,  sowie  in  der  Bereitung  der 
Chicha  unterwiesen  wurden,  bis  man  sie  am  Jahresfest  nach  Cuzco 
brachte,  wo  eine  Auswahl  derselben  vertheilt  wurde  unter  die  Jung- 
frauen im  Dienste  der  Sonne,  des  Donners  (Chuguylla),  des  Pachaya- 
chachi,  der  Erde  (Pachamama),  des  Inga,  sowie  seiner  Frauen  und 
Verwandten,  oder  für  verdienstvolle  Beamte.  Andere  wurden  für  die 
Opfer  reservirt,  im  Laufe  des  Jahres,  oder  bei  aussergewöhnlichen 
F*ällen  (wie  Pestilenz,  Dürre,  Eclipsen,  Krieg,  Krankheit  des  Inca,  Be- 
gräbnisse u.  s    w.) 

Die  Ernte  des  Inca  wurde  zum  Theil  nach  Cuzco  gebracht,  mit- 
unter aber  auch  von  einer  Pjovinz^)  gleich  in  die  andere,  wo  man 
ihrer  bedurfte  (la  comyda  de  unas  partes  se  pasaba  a  otras). 

Im  Jahre  des  Misswachses ^)  waren  Magazine  aufgefüllt  (in  Peru)  und 
ebenso  wurden  volle  Magazine  gehalten,  für  die  Bedürfnisse  des  Heeres. 
Die  Spanier  trafen  sie  überall  so  wohl  versehen,  dass  sie  ihnen  in 
den  folgenden  Kriegen  noch  für  Jahre  (s.  Ondegardo)  ausreichten. 
Für  die  Kranken  waren  zugleich  Hospitäler  vorgesehen  und  für  die 
Pflege  der  Kranken  sorgte  der  Oncomayoc  genannte  Beamte. 

In  Mexico^)  traf  Montezuma  die  Einrichtung,  dass  das  in  Cotla- 
vican  gebaute  Hospital  zugleich  zur  Aufnahme  von  Invaliden  diente, 
nicht  nur  soldatischen,  sondern  auch  aus  den  Beamten  des  Civil- 
standes  (s.  Carli). 


^)  Formerly  the  valley  of  Chicama  was  called  the  granary  of  Peru  and  until  the 
great  earthquake  in  1687,  the  wheat  produced  its  seed  two  hundred  fold  (s.  Stevenson). 
En  estando  acordado  en  el  Cuzco  que  se  traxese  gien  mill  fanegas  de  mayz,  en  un  monienlo 
sauia  cada  Gouernador  quanto  cavia  ä  su  distrito  e  h  los  dcpositos  del ,  sin  difereucias, 
ny  porfia  ny  pleyto,  e  cada  provingia  quanto  cavia  a  las  pargialidades,  empe^ando  la 
quinta  por  las  ^iveceras ,  e  luego  se  yvan  destribuyendo  por  nienudo  de  niancra ,  que 
todo  se  hagia  con  faligidad.  In  Carolina  wurden  die  Felder  jeder  Familie  gleichzeitig 
unter  gemeinsamen  Aufsehern  bestellt  (s.  Batram).     Aehnlich  in  Kastenverhältnissen. 

')  Die  Muskogulgee  bestellten  das  Feld  (bei  der  Stadt)  gemeinsam  und  legten  von  dem 
Ertrage  einen  Theil  in  die  Königlichen  Scheuern,  als  Magazin  für  Nothfalle  (s.  Batram). 
Sotü  fand  W'intervorräthe  in  den  Magazinen  von  Anaica  Apalache  (bei  Tallahassee).  Unter 
der  Herrschaft  der  Cocomes  in  Mayapan  (neben  einem  erblichen  Hohenpriester  im  Tempel) 
wurden  für  die  Ncrwalttr  \'urrathshäuser  gebaut,  y  de  los  pueblos  llevaban  los  mancos  y 
ciegos,  y  los  NUs.tciUaban  en  casa  de  cstos  majordomos  (s.  Herrera).  In  Pozo  trafen 
die  Spanier  Magazine  mit  Waffen. 

*)  In  den  Hauptstädten  (Mexico)  habia  hospitales  dotadas  de  rentas  y  vasallos,  donde 
se  resabian  y  euraban  los  enfermos  pobres  (s.  Las  Casas)  und  nach  Motulinia  waren 
Heanile  niedergesetzt,  um  die  Kranken  aufzusuchen  (de  cuando  ä  cuando  van  por  toda 
Li  provincia  ä  buscar  los  enfermos.  Cortez  erwähnte  in  Mexico  einer  besonderen  Strasse, 
wo  sich  die  Apotheken  fanden  (valle  de  herbolarios),  und  bei  chirurgischen  Oj)erationen 
wurde  /ur  Abstumpfung  des  Schmerzgefühls  das  Vauhtli  genannte  Pulver  verwendet. 


GEMEINDEN.  569 

Ausser  den  Coptras  oder  Magazinen  (für  Waffen),  fanden  sich 
die  Compti- Coptras  (für  Wollenkleider)  und  die  Pirhua-Coptra  (für 
Mais)  in  Peru,  wo  sie  von  den  Spaniern  wohlgefiillt  angetroflfen 
wurden  (bei  der  Conquista).  Neben  den  Tempeln  fanden  sich  die 
Tlacochcalco  oder  TIacochcalli  (Pfeilhäuser)  unter  Aufsicht  der  Cal- 
pixqui,  denen  der  PetlacalcatI  vorstand  (in  Mexico),  und  die  Priester 
Teotihuacan's  belehnten  mit  dem  heiligen  Pfeil.  Der  General  (in 
Mexiko)  hiess  Tlacochcalcatl  (Herr  der  Pfeile),  als  Aufseher  des  Waffen 
Arsenals  (wie  es  Tacitus  ähnlich  von  den  Suiones  erwähnt). 

Da  das  Land  dem  Staat  verblieb,  konnte  es  unter  der  vorüber- 
gehenden Nutznicssung  nicht  besteuert  werden,  aber  auch  vom 
sonstigen  Privatbesitz  wurden  keine  Abgaben^)  erhoben,  wogegen 
Jeder  dem  Ganzen  Frohndicnste  zu  leisten  hatte  (in  Peru). 

Durch  Inti  Capac  war  das  Land  in  Hundertschaften  (Pachacas)  ^) 
getheilt  worden,  wobei  ein  Hurango  über  zehn  Hundertschaften 
gebot,  ein  Hunno  über  lo  Hurango  und  darüber  dann  der  Tocicroc 
oder  Statthalter  herrschte.  Sonst  werden  die  Chuncas  genannten 
Beamten  über  lo  Familien  erwähnt,  der  Pachac  über  loo,  der  Gua- 
ranca  über  looo,  der  Hun  über  io,0(X). 

Nach  Montesinos  gebot  der  Pachava  über  lOO  Familien  (den 
hundred's  bei  Alfred  M.  entsprechend  und  sonst),  der  Hurango  über 
lo  Pachava,  der  Hunosüber  lo  Hurangos,  unter  dem  Tocicroc  stehend, 
sowie  dem  Vice-König  oder  Cazir-Capac.        ' 

Von  den  Beamten  stand  der  Chunca-camayu  über  lo  Familien; 
Picha-chunca-camayu  über  50  Familien;  Pachac -camayu  über  100 
Familien ;  Pichca  -  pachac  -  camayu  über  500  Familien ;  Huaranca- 
camayu  über  1000  Familien  und  ihre  Pflichten  wurden  durch  die 
Tucuyricos  (quiere  decir:  el  que  lo  mira  todo)  genannten  Geheim- 
spione    überwacht.      Von     diesen     Beamten     wurde    die    Statistik^) 


')  De  esto  cjuc  ä  cada  uno  sc  le  repartia  no  daba  jamds  tributo  porquc  todo  su  tri- 
buto  era  labrar  y  bene'ficiar  las  terms  del  Inga  y  de  las  Guacas  y  ponerles  cn  sus  depö- 
sitos  los  frutos. 

*)  Nach  Qay  waren  die  Araucauer  in  je  10  rcguas  oder  lebos  getheilt,  die  zusammen 
eine  Ayllaregua  bildeten  (aK  Keguetun).  Die  höchste  Instanz  bei  der  Appellation  (in 
Acolhuacan)  war  der  Nappapsallatuli  oder  Achtziger-Rath ,  weil  alle  80  Tage  zusammen, 
berufen. 

')  Tenian  cuidado  de  dar  cuenta  a  sus  superiores  de  grado  en  grado  de  los  que 
morian  y  nacian  cada  nies  de  anibos  sexus,  y  por  consigüente,  al  lin  de  cada  aüo  sc  la 
daban  al  rey  de  los  que  habian  muerlo  y  nacido  cn  aquel  aflo  y  de  los  que  habian  ido 
ä  la  guerra  y  muerte  en  elln.  La  misma  ley  y  orden  habia  en  la  guerra  de  los  cabos 
de  esquadron,  alfereces,  capiianes  y  maeses  de  campo  y  el  general,  subiendo  de  grado 
en  grado,  bacian  los  mismos  oticioä  de  acusador  y  protector  con  sus  soldado^. 


570  RELIGION   UND   SITTE. 

geführt,  und  der  das  Land  und  Volk  bctrcflcndc  Bericht^)  cinge" 
sandt. 

In  der  Anordnung  der  Tributxlassen  stand  der  Chunga-camayoc 
lO  Familien  vor,  der  Puhea-chunga-camayoc  50,  det  Guaranga-cama- 
yoc  100  Familien  (sagt  Velasco). 

In  den  durch  Tucurico  (Tocicroc)  oder  Statthalter  und  unter  ihnen 
durch  Michies  oder  Stellvertreter  regierten  Provinzen  befehhgte-) 
der  Guarainga  über  1000  Familien  und  der  Pachacas  über  100  (und  in 
anderen  Versionen). 

„Wan  der  König  eines  oder  das  andere  Land  durch  die  Waffen 
unter  seine  bothmässigkeit  gebracht  hatte,  muste  es  dreierlei  Schätzun- 
gen in  die  Königliche  Schatzkammer  aufbringen.  Die  erste  Schätzung 
ward  auf  den  Gottes-  oder  Götzendienst  angewendet.  Ein  jedes 
Bähthaus  welches  man  auf  Peruisch  Guaka  zu  nennen  pfleget,  hatte 
.sein  sonderliches  einkommen  aus  .seinen  zugefügten  Landstrichen: 
derer  P^rüchte  zum  teile  dem  Schöpfer  Pachajachachi  als  auch  der 
Sonne  und  dem  Donner  Chaquilla  zum  Opfer  und  dan  zu  Seelmessen 
dieneten;  zum  teile  zu  Lebensmitteln  der  Priester  angewendet  wardcn. 
Dieser  Götzendienst  kahm  allenthalben  durch  das  gantze  Reich  Peru 
mit  demselben  der  in  Kusko  im  schwänge  ging,  gäntzlich  über  ein. 
Die  zweite  Schätzung  kahm  dem  Könige  und  desselben  Hofgesinde 

*)  Por  la  via  de  cstob  ilccuriones  sabia  el  Inca,  su-i  vircycs  y  gubcrnadorcs  de  cada 
provincia  y  reyno  quäiitos  vasallos  habia  cn  cada  pueblo,  para  rcpartir  bin  agravio  \as 
coniribuciones  de  las  obras  püblicas,  que  eii  comun  c^taban  obligados  a  hacer  por  sus 
provincias  como  puentes,  caminos,  calzadas,  los  edificios  reales  y  olros  servicios  semejantes ; 
y  tambien  para  enviar  gente  a  la  guerra,  asi  soldados  como  bagageros.  Si  alguuo  sc 
volvia  de  la  guerra  sin  licencia,  lo  acusaba  su  capitan  6  su  alferez  6  su  cabo  de  esquadra 
y  en  su  pueblo  su  decurion,  y  era  castigado  con  pena  de  muerte  por  la  traycion  y  ale- 
vosia  de  habcr  desamparado  en  la  guerra  a  sus  compaüeros  y  parientes,  y  h  su  capitaii, 
y  ultiniamente  al  Inca  6  al  general  que  represcntaba  su  persona.  Para  otro  efecto  sin  cl 
de  las  contribuciones  y  cl  reparlimiento  de  la  genle  de  guerra ,  mandaba  el  Inca  que  sc 
supiese  cada  aüo  el  nümero  de  los  vasallos  que  de  todas  edadcs  habia  en  cada  provincia 
y  en  cada  pueblo,  y  que  tambien  se  supiese  la  esterilidad  6  abundancia  de  la  tal  pro- 
vincia, lo  quäl  era  para  que  estuviese  sabida  y  prevenida  la  cantidad  de  bastimento  que 
era  menester  para  socorrerlos  en  aüos  esteriles  y  faltos  de  cosecha ;  y  tambien  para  saber 
la  candidad  de  lana  y  de  algodon  necesaria  para  darles  de  vestir  ä  sns  tiempos 
como  en  otra  parte  diremos.  Todo  lo  ciual  mandaba  el  Inca  que  estuviese 
sabido  y  prevenido  para  quando  fuese  menester  porque  no  hubiese  dilacion  cn  cl 
socorro  de  los  vasallos  quando  tuviesen  necesidad.  Por  este  cuidado  tan  anticipando 
que  los  lucas  en  el  beneficio  de  sus  vasallos  tenian,  dice  muchas  veces,  el  P.  Blas  Valera 
que  en  ninguna  manera  los  debian  Uamar  reyes,  sino  muy  prudentes  y  diligentes  tutorcs 
de  pupilos;  y  los  Indios,  po  decirlo  todo  en  una  palabra,  les  llamäban  amador  de 
pobres. 

')  Die  Mayas  verehrten  den  Ilun-pic-tok  (Häuptling  über  8000  Lanzen)  in  der  Form 
einer  Obsidianspitzc  (als  deificirten  Mandarin),  wie  Alanen  ein  aufgestecktes  Schwert. 


VORRATIIS-MAGAZINE.  571 

als  auch  seinen  Bluhtsverwandten  und  Kriegsvölkern  zu.  Die  Arbeytcr 
auf  den  Königlichen  Aeckern  gingen  in  Festkleidern  und  sungen  fort 
und  fort  Lobgesange  dem  Könige  zu  ehren.  Alles  was  von  dieser 
Schätzung  bey  Hofe  nicht  verzehret  oder  vertahn  ward,  bewahrete 
und  spahrete  man  in  Pakheusern  zehen  Jahre  nach  einander  gegen 
eine  magere  Zeit.  Doch  die  alten  Leute  als  auch  die  Witwen  und 
Krancken  gaben  gantz  nichts. 

Die  dritte  Schätzung  genossen  die  Armen  und  dürftigen.  Einem 
jeden  derselben  wiese  man  alle  Jahre  einen  Acker  an,  den  er  zu 
seiner  Unterhaltung  bauen  möchte.  Wan  aber  ein  unfruchtbares  Jahr 
einfiel  dan  empfiengen  sie  ihre  Lebensmittel  aus  den  Königlichen  Pack- 
heusern, welche  man  gegen  den  nohtfal  alda  bewahret  und  aufgehoben. 

Eben  also  war  auch  das  Vieh  und  die  Aecker  und  Bauländer 
auf  dreierlei  weise  eingetheilt:  nämlich  vor  den  Götzendienst,  den 
König,  und  das  nothleidende  Hausgesinde.  Von  den  Schafen  die 
man  zu  gewisser  Zeit  zu  schähren  pflegte,  ward  ein  überschus  der 
Wolle  den  Armen  gegebe4i;  damit  sie  dieselbe  spinnen  und  zur 
Decke  bereiten  möchten.  Sobald  ein  Vieh  Schorf  oder  Räude, 
welche  die  Peruer  in  ihrer  Sprache  Karache  nennen,  bekahm, 
musste  man  es  von  stunden  an  lebendig  begraben;  damit  diese 
schädliche  Seuche  nicht  weiter  einrisse.  Vor  die  Hof  Diener  des 
Königs  lies  man  von  der  besten  Wolle  die  zahrten  Tücher  Kunibi 
weben.  Aber  die  gröberen,  die  man  Abaska  nennet,  warden  unter 
das  gemeine  Volk  ausgeteilet. 

Neben  dieser  geschickten  weise  die  Länder  zu  beherrschen,  hat 
man  sich  über  die  Weise  zu  leben,  welche  bei  den  Peruern  ge- 
bräuchlich war,  nicht  wenig  zu  verwundern.  Ein  jeder  lernete  von 
kindheit  auf  nicht  allein  ein  Handwerk,  sondern  auch  alles,  welches 
man  zur  Haushaltung  nöthig  achtete:  als  das  Weben,  den  Bau  der 
Heuser  und  Aecker,  und  die  Werkzeuge  hierzu  selbsten  zu  machen; 
dergestalt,  dass  keiner  den  andern  nöthig  hatte.  Unterdessen  blieben 
gleichwohl  vor  sich  selbsten  die  Kunstmeister,  derer  Kunst  mehr 
zum  Zierraht  und  zur  ergetzung  dienet:  als  die  Gold-  und  Silber- 
schmiede, die  Mahler,  die  Töpfer,  die  Sangmeister,  die  Täntzer  und 
dergleichen  Leute. 

Die  Kleidertracht  durch  das  gantze  Reich  Peru  ist  schlecht  und 
einerley.  Nur  der  Hauptzierraht,  als  da  seynd  die  Mützen  und 
Haupthüllen  ist  unterschiedlich,  und  muss,  einer  alten  unveränder- 
lichen Satzung  zu  Folge,  in  diesem  Lande  anders,  als  in  jenem  ge- 
tragen   werden;    damit    man  eine  Völckerschaft  von  der  andern  um 


572  RELIGION  UND   SITTE. 

so  viel  eher  und  besser  unterscheiden  könne.  Etliche  dan  tragen 
auf  dem  Kopfe  breite  Zöpfe ;  andere  breite  Flechten ;  wieder  andere 
kleine  Hühte;  noch  andere  runte  Mützen,  oder  gewebete  Haupt- 
hüllen, welche  schier  als  ein  Sieb  gestaltet". 

Die  Indianer,  die  den  kalten  Theil  Perus,  obwohl  ein  fast  gänzlich 
unfruchtbares  Land,  in  welchem  sie  scheinbar  Hungers  sterben  müssten, 
bewohnen,  sind  in  Folge  der  Heerden^),  mit  denen  sie  sich  aus 
andern  Theilen  Lebensmittel  holen  oder  sonst  Handelsgeschäft  treiben, 
(abgesehen  von  directer  Benutzung),  besser  ab,  als  die  Bewohner 
der  gemässigten  und  heissen  Provinzen 2),  „e  diez  yndios  con  cient 
carneros  ganan  mas  en  un  mes,  que  veinte  de  los  otros  con  sus  per- 
sonas  cn  un  aflo  e  mas  descansadamcnte"  (1571). 

Dapper  unterscheidet  die  ,,wolHchten  Schafe"  Pakos  und  die 
kahlen  Schafe  Moromoro  (bei  den  Silberladungen  von  Potosi),  als 
der  Krankheit  Karachc  ausgesetzt  (woher  das  Schimpfwort  Caracho), 

Die  im  XVI.  Jahrhundert  nach  Peru  gebrachten  Kameele  gingen 
zu  Grunde  (s.  Paw),  aber  die  neuerdinga  in  Californien  eingeführten 
haben  sich  (in  einer  Kreuzung  der  ein-  und  zweihöckrigen  Thierc) 
fortgepflanzt  (sind  indess  durch  Eisenbahnbau  überflüssig  geworden). 

In  Otabalo  dienten  die  Lamas  zum  Reiten^)  (s.  Cieza),  Bei  den 
Orthuesen  oder  Urtueses  wurden  einheimische  Schafe  als  Zugvieh 
gebraucht  und  gesattelt  (s.  Schmidcl),  auch  als  Zugthier  in  Peru. 
Da  die  Pferde  auf  dem  Gebiss  schäumten,  glaubten  die  Peruaner, 
dass  sie  Metalle  ässen,  und  so  wurde  Cortez'  Pferd  mit  Gold  zu  Tode 
gefüttert. 


')  Las  litrras  bc  poseyaii  en  iinydad  sin  parlirlas  y  cl  travajo  de  guardarlo  si  cra 
ganadu  ö  de  henibrarlo  bi  cra  tierra,  lanvien  era  de  comunydad  (in  Peru). 

*)  V  si  cn  lal  provincia  no  havia  mantenimienlo,  mandaba  que  de  olra  parte  sc 
proveyese,  puique  ä  los  nuebamentc  venidos  a  su  servicio  no  les  parcciese  desde  luego 
pesado  su  mando  y  conocimiento,  y  el  conocerle  y  aborrecerle  fuesc  en  un  tiempo;  y  si 
en  alguna  de  eslas  provincias  no  havia  ganado ,  mandaba  luego  ipie  Ics  diese  por  quenta 
tantas  mil  eavezas,  lo  quäl  mandaban  que  mirasen  mueho  y  con  ello  multiplicasen  para 
proverse  de  lana  para  sus  ropas,  y  que  no  fuesen  osados  de  conier  ni  matar  ninguna 
cria  por  los  aüos  y  tiempo  que  les  sefialaba;  y  si  havia  ganado  y  tenian  de  otra  cosa 
falta,  era  lo  mismo;  y  si  estaban  en  coUados  y  arenales  bien  les  hacian  entender  con 
buenas  palabras  que  hiciesen  pueblos  y  casas  en  lo  mas  llano  de  las  sierras  y  laderas;  y 
como  muchos  no  eran  diestros  en  cultibar  las  tierras ^  enseüabanles  como  lo  havian  de 
hacer,  imponiendoles  en  que  supiesen  sacar  acequias  y  regar  con  ellas  los  campos 
(s.  Sarmiento). 

*)  In  Nachahmung  der  spanischen  Reiter  bei  eiiu.T  Fehde  der  Eingebomen  unter  sich. 
Nach  den  Caciquen  von  Macatao  besassen  die  Umaguas  Thiere  ,  die  sie  (die  Pferde  der 
Spanier  sehend)  besteigen  möchten  (podian  tambien  montar),  und  diese,  meinten  (Hutten's) 
Utrc's  Gefährten,  ,,son  carneros  del  Peru"  (s.  Piedrahita). 


HAUSTHIERE.  573 

In  Ica  wurden  für  Herstellung  von  Schläuchen,  die  Böcke  lebendig 
geschunden,  da  die  Haut  dann  leichter  abgeht  (s.  Tschudi).  Sinchi- 
Cosque  führte  die  Verwendung  der  Lama  zum  Pflügen  ein  (s.  Mon- 
tesinos).  Zum  ersten  Mal  wurden  diese  peruanischen  Schafe  von  den 
Spaniern  gesehen,  als  nach  dem  Anlaufen  Pizarro's  in  Coloque 
(zwischen  Tangara  und  Chimo)  Bocanegra  auf  Sänften  in  des  Innere 
getragen  wurde.  Von  den  Hcerden  gehörten  die  Ccapa-llama  dem 
Tempel  und  dem  Inca,  die  Huachay-llama  den  Privatleuten  (s.  Onde- 
gardo).  Einem  verdienten  Beamten  schenkte  der  Inca  mitunter  eine 
Anzahl  von  Lama^  die  nicht  getödtet  werden  durften,  aber  auf  seine 
Erben  übergingen  (s.  Ondegardo). 

Das  Llama  und  Hueque  (camelus  araucanus)  wurde  von  den 
Araucanern  als  Lastthier  und  zur  Wollenbereitung,  v^erwandt.  Neben 
den  gezähmten  Huancu-llama  (und  Paco-llama)  finden  sich  die  wilden 
Huanacu  und  Vicuila. 

Der  Hund  Allco  (unter  den  Perros  Gozques)  wurde  (in  Peru) 
als  Runa-allco  (einheimischer  I  lund)  von  den  eingeführten  Varietäten 
unterschieden.  Der  behaarte  Runa-allco  scheint  eine  blosse  Varietät 
des  Schäferhundes  zu  sein  (nach  Humboldt).  ,,In  den  Grasfluren 
(Pampas)  von  Buenos  Aires  sind  die  europäischen  Hunde  verwildert." 

In  Süd-Carolina  gab  es  gezeichnete  Hirsche,  eie  Milch  und  Käse 
lieferten  (meint  Herrera).  Nach  Hennepin  wurden  junge  Büffel  gezähmt 
(aber  ohne  Züchtung).  Nach  Villagutierre  hielten  die  Mazotecas  (in 
Guatemala)  heiliges  Wild  gezähmt,  und  ähnliche  Hindeutungen  wieder- 
holen sich  in  den  Traditionen.  De  Soto  fand  an  dem  Weg^  nach 
Apalachia  Frauen  in  weisse  Gewänder  gekleidet,  die  aus  den  Fäden 
der  inneren  Rinde  des  Maulbeerbaumes  gesponnen  waren,  und  die  Vor- 
stellungen von  Hvitmannaland  erreichten  die  Mandan,  welche  (nach 
Catlin)  von  der  unter  Prinz  Madoc  (XIV.  Jahrhundert)  von  Wales 
abgesegelten  Colonie,  die  bei  Balize  in  den  Missisippi  eingefahren, 
stammen  sollten. 

Während    die  Chalaquis')    der   Berge  Lama-Hecrden   züchteten, 

')  Nelicii  dem  K.Tk.nna,  als  ciiilieiiiiische  Sprache  (s.  Tccho),  redeten  die  I.ules  tlas 
von  den  .Matar.is  angenommene  Tonocote  und  das  (Juechiia.  Die  im  Kreise  .aufgestellten 
Stäbe,  mit  Widderldut  hestrichen  und  mit  Federn  aufgeputzt  (s.  Guevara),  wurden  im 
^üdlichen  Tucuman  als  Donner  und  Blitz  verehrt  (hei  den  Calchaquies).  II  y  a  une  si^cle, 
ime  foule  de  fcrmes  a  heiail  nc  comptaient  qn'une  partie  de  leurs  animaux  reduits  (aman- 
sados),  le  roste  etail  alzado  (en  la  Confederacion  Argentine).  On  ne  chaysait  ces  demiers 
que  pour  le  cuir.  -Man  muss  sich  dem  Vieh  oft  zeigen,  um  es  an  den  Anblick  des 
Mensclien  /»  gewöhnen,  einen  Theil  ih'v  jungen  Stiere  castrircn  und  nun  eine  bestimmte 
Zahl  von  Stieren  auf  die  Kühe  vertheilen,  sonst  werden  die  Heerden  halbwnld,  oder  zer- 


574  RELIGION   UND   SITTE. 

oder  die  Vicufta  und  Guanaco's  jagten,  bebauten  die  der  Thäler  den 
Boden,  unter  einem  ausgedehnten  System  von  Wasserleitungen,  und 
es  finden  sich  noch  an  verschiedenen  Puncten  die  Reste  ihrer  für 
Rückzugsplätze  angelegten  Befestigungen  (s.  de  Moussy). 

„Das  Reich  Peru  hat  von  keinem  Ding  grösseren  Nutzen,  alss 
vom  Viehe,  sonderlich  aber  von  dem,  welches  wir  Schaf,  sie  aber 
Llama  heissen,  und  wann  mans  recht  betrachtet,  so  ists  das  aller- 
nützlichste  Viehe,  dann  es  nicht  viel  kostet.  Sie  bekommen  von 
diesem  Viehe,  Kost  und  Kleider,  wie  man  in  Europa  von  Schafen 
hat.  Die  Indier  haben  von  ihren  Schafen  noch  mehr  Nutzen,  wann 
man  alles  recht  bedenkt,  sonderlich  aber  diss,  dass  ihnen  ihre  Schaf 
alles  herbey tragen ,  was  ihnen  nöthig  ist:  Zu  dem,  so  dürffen  sie 
diese  ihre  Pferde  und  Meuler  nicht  beschlagen  lassen  mit  Eysen,  sie 
bedürfen  keiner  Sättel  und  Zaum,  desgleichen  dürffen  sie  auch  nicht 
viel  Habern  dazu,  dann  sie  lassen  sich  mit  den  Gras  begnügen: 
darauss  sehen  wir,  wie  Gott  die  Indier  beydes  mit  Schafen  und  auch 
mit  Lastpferden  versorget  habe:  Und  weil  in  Indien  ein  arm  Volk 
ist,  will  Gott  nicht,  dass  das  Volk  gross  Unkosten  habe,  derwegen 
er  ihrem  Vihe  Grass  und  VVeyd  genug  auff  dem  Gebirg  bescheret 
hat.     Dieser  Schaf  oder  Llamas^)  sind  zweyerley  Geschlecht.    Eine 


streuen  sich,  um  nach  früheren  Weideplätzen  zurückzukehren.  Um  wieder  Ordnung  her- 
zustellen, niuss  ein  grosser  Theil  der  Stiere,  die  um  die  Kühe  kämpfen,  getödtet  werden 
und  die  Züchtung  nur  unter  den  lenksamen  Kühen  eingeleitet  (s.  de  Moussy).  Les  chiens 
ä  brebis  (perros  orejeros) ,  qui  seuls  autrefois  (itaient  charges  de  conduire  et  de  defendre 
les  immenses  troupes  (majadas)  de  brebis,  que  Ton  envoyait  paitre  dans  la  Pampa, 
^taient  enleves  tres-jeunes  ä  leur  m^re,  et  on  leur  donnait  a  teter  ces  brebis  qu'on  main- 
tenait  au  corral  jusqu'ä  ce  (pi'ils  fusscnt  assez  forls  pour  marcher  (s.  de  Moussy).  Les 
Indiens  de  Monte  Grande  y  de  Sanlyago  firent  alliance  avtc  les  Espagnols  et  se  con- 
fondirent  avec  eux.  Teile  fut  Torigine  de  la  population  i)remi^re  de  Buenos  Ayres. 
Von  den  zu  den  Guarani  gehörigen  Calchaqui,  die  das  (in  Santiago  del  Estero  erhaltene) 
Quechua  angenommen  und  im  Kriege  1670  (unter  Verpflanzung  des  hartneck igsten  Stammes 
der  Quilmez  nach  Buenos  Ayres)  grösstentheils  (besonders  in  den  Acaliern)  zu  Grunde 
gingen,  wohnten  die  Calchaquis  in  den  Thälem  von  Anillaco  und  Famatina,  sowie  am 
Salines  de  Catamarca,  die  Quilmez  auf  der  Aconquija  gegenübezliegenden  Kette,  die  An- 
dagales  am  Südabhang  des  Nevado  Salines,  die  Acalier  im  Thal  von  Anucan,  die  Lules 
am  Ostabhang  von  Aconquija  bei  Tucuman,  die  Juris  östlich  von  der  Sierra  de  la  Rioja,  die 
Diaguitas  und  Escalonis  in  der  Ebene  bei  Salines,  die  Comechigones  in  der  Sierra  von 
Cordova,  die  Michilengues  in  der  Sierra  von  San  Luis,  die  Calingastas  bis  zum  Flusse 
Mendoza  (wo  sich  ihre  Anpflanzungen  mit  den  Indianern  des  Südens  berührten,  die  gegen 
die  Inca  ihre  Unabhängigkeit  bewahrten).  Die  Humaguacas  und  Tumbayas  am  obern 
San-Francisco,  durch  welche  die  Communicationen  zwischen  Peru  und  La  Plata  beunruhigt 
wurden,    fanden  unter  Erbauung  der  Stadt  Jujuy  durch  die  Spanier  ihre  Unterwerfung. 

*)  En  comun  los  nombran  los  Indios  con  este  nombre  llama,  que  es  ganado:  al 
pastor  dicen  llama  raichec,  (juiere  decir  el  que  apacienta  el  ganado.  Para  diferenciarlo 
llaman  al  ganado  mayor  huanacullama,  por  la  semejanza  que  en  todo  tiene  con  el  animal 


HEERDEN.  575 

Art  sind  die  Pacos  oder  Wollntragcnde  Schaf:  Der  andern  Art  sind 
die,  welche  wenig  WoIIn  haben,  und  diese  sindt  besser  zur  Arbeit, 
dann  sie  die  Bürden  wol  tragen  mögen.  Sie  sind  grösser  dann  Schaf 
und  kleiner  dann  Kälber,  haben  lange  Hälse,  wie  die  Camelen, 
welches  also  seyn  muss,  dann  weil  sie  hoch  sindt  und. einen  erho- 
benen Leib  haben,  stehets  ihnen  wol  an,  dass  sie  lange  Hälss  haben. 
Von  Farben  sind  sie  underschiedlich,  etliche  gantz  weiss,  etliche 
gantz  schwarz,  etliche  graw,  etlich  spränklicht:  Die  Indier  heissen 
sie  Mocomoro.  Die  Völker  in  diesem  Lande  hatten  in  ihren  Opfifem 
grosse  Achtung  auff  die  Farben,  solche  muste  seyn  nach  den  Zeiten 
und  underschiedlichen  Würckungen.  Das  Fleisch  dieses  Viehes  ist 
gut,  wiewohl  es  zehe  und  hart  ist.  Die  Lämmer  sind  am  lieblichsten 
zu  essen,  man  schlacht  aber  deren  wenig.  Der  beste  Nutz  ist,  dass 
sie  die  Woll  davon  bekommen,  und  daraus  Tücher  machen,  und 
dass  sie  Last  tragen.  Die  Indier  bereiten  die  Wollen,  machen  Ge- 
wandt darauss,  mit  welchen  sie  sich  kleyden:  Das  Gewandt  aber  ist 
grob,  und  heissen  es  Hauasca,  das  aber  zart  und  gut  vein  Gewandt 
ist,  heissen  sie  Cumbi,  von  welchem  sie  Tischtücher,  Decken,  Tape- 
zerey  und  gewirckt  Tuch  machen,  die  lange  Zeit  wehren  sollen,  und 
so  schön  gläntzen,  als  ob  es  Seyden  wäre.  Sie  haben  ein  besonder 
Art  zu  weben,  dass  sie  aufif  beyden  Seiten  alle  Werk  weben,  so  sie 
wollen,  also,  dass  man  an  einigem  Ort  dess  gantzen  Stücks  den 
Faden  oder  Endt  desselben  unterscheiden  kann.  Die  Könige  Inges 
hatten  kunstreich  Leuth,  so  diss  Gewandt  webten.  Die  vornembsten 
Weber  wohnten  in  der  Provinzien  Capachica,  beym  grossen  See 
Titicaca.  Sie  färben  diss  Cumbi  mit  sonderlichen  Farben  von  Kräu- 
tern, welche  sich  wol  zu  diesem  Gewandt  arten.  Alle  Indier,  ja 
auch  die  Weiber  auff  dem  Gebirg  können  nicht  allein  grob  Arbeit, 
sondern  auch  das  veine  Tuch  machen.  Das  weber  Gezeug  haben 
sie  in  ihren  Heusern,  desshalben  dürffen  sie  kein  Tuch  kauffen,  noch 
auch  andere  machen  lassen.  Das  Fleisch  von  diesem  Vieh  dörren 
sie  im  Rauch,  welches  sich  nachmals  so  lange  hält.  Es  wirdt  dessen 
sehr  viel  verbraucht.     Sie  halten  auch  diese  Schaf  der  Ursach  halber, 


bravo  que  llaman  feuanacu,  que  no  difieren  en  nada  sino  en  las  colorcs:  que  cl  manso 
es  de  todos  colores  como  los  caballos  de  Espaßa,  segun  se  ha  dicho  en  otras  partes ;  y  el 
huanacu  bravo,  no  tiene  raas  de  un  color,  que  es  castado  deslavado,  bragado  de  castaflo 
mas  claro.  Este  ganado  es  del  altor  de  los  ciervos  de  Espafia,  a  ningun  animal  semeja 
tanto  como  al  camello,  quitada  la  corcoba  y  la  tercia  parte  de  la  corpulencia.  Tiene 
o\  pescuezo  largo  y  parejo ,  ciiyo  pellejo  desollaban  los  Indios  cenrado ,  y  lo  sovaban 
con  sebo  hasia  ablandarlo  y  ponerlo  como. 


576  RELIGION  UND   SITTE. 

dass  sie  ihn  allerlcy  Last  tragen,  thun  deren  einen  grossen  Häuften 
beyeinander,  also  dass  auf  400  ja  oft  1000  zusammen  kommen,  welche 
mit  Wein,  Coca,  Mays,  Chunno,  Quecksilber  und  anderer  Waar,  es 
sei  nun  was  es  wolle,  also  beladen  hinziehen.  Auch  tragen  sie  die 
Batras  oder»  Blatten  Silbers  von  Potosi  gen  Arica,  welches  70  Meyl- 
wegs  sindt,  vor  Zeiten  brachten  sie  solche  gen  Arequipa  welches 
150  Meyl  sindt.  Wir  haben  sich  ofift  verwundert,  dass  diese  Schaf 
wol  mit  zwei  tausend  Barras  oder  Blatten  beladen  giengen,  welche 
auf  dreyhunderttausend  Ducaten  werth  sindt,  und  hatten  keinen 
andern  Wärter  bey  sich,  denn  nur  etliche  wenig  Indier,  welche  sie 
führten,  den  Weg  wiesen,  und  auff  und  ab  luden:  Aufts  meist  war 
ein  einziger  Spanier  dabey.  Sie  schlaffen  des  Nachts  under  dem 
freyen  Himmel,  und  haben  niemandts  weitters  bey  sich,  als  jetzt 
erzehlt,  dannoch  hats  an  so  viel  Silbers  niemals  gemangelt,  also  frey 
und  sicher  ist  in  Peru  zu  reysen.  Ein  jedes  Schaf  tregt  gemeinlich 
vier  oder  sechs  Arroben  gewichts,  und  so  die  Reyss  weit  ist,  gehen 
sie  dess  Tags  nicht  über  vier  Meyl.  Die  Schäffer  aber  haben  ihre 
bekannte  Ruheplätze,  da  sie  weyden  und  Wasser  finden,  da  sie  die 
Schaf  entladen  und  ihre  Zelt  auffrichten,  ihr  Fewr  anmachen,  kochen 
und  machen  ihnen  die  Reyss  nütz,  wiewol  es  sonst  an  sich  ein  lang- 
weiliges Reysen  ist.  Da  aber  das  Reysen  nur  einen  Tag  währet, 
kan  dieser  Schaf  eines  wol  auff  acht  oder  mehr  Arroben  tragen. 
Und  gehet  den  gantzen  Tag  mit  voller  Last  auff  8  oder  zehen  Meyl, 
wie  die  arme  Soldaten  auch  gethan,  so  in  Peru  reyseten.  All  diess 
Vihe  lebt  gern  an  kalten  Orten,  gedeyet  wol  auff  dem  Gebirg:  Im 
flachen  Feld  sterben  sie  vor  Hitze.  Es  kömpt  offtmals  mit  Reiff  und 
Eyss  bedeckt,  noch  ists  gesund  und  wol  zu  Pass.  Die  schlecht- 
härigen  Schaf  haben  ein  liebliches  und  anmüthiges  Gesicht,  bleiben 
wol  auff  den  Weg  stillstehen,  heben  den  Halss  empor,  sehen  einen 
mit  grosser  Verwunderung  ein  lange  Zeit  an,  und  geben  kein  Zeichen 
von  sich,  als  ob  sie  sich  frewen  oder  förchten,  also  dass  man  ihrer 
lachen  muss,  wann  man  ihr  Stätigkeit  ansihet.  Gleichwol  lassen  sie 
sich  auch  leichtlich  erschrecken,  lauffen  geschwindt  mit  ihrer  Last 
auff  die  höchste  Steinfelss.  und  begibt  sich  offt,  wan  man  nicht  zu 
ihnen  kommen  kann,,  dass  man  sie  mit  einem  Rohr  herab  schiessen 
muss,  auff  dass  man  nicht  das  Silber  verliere,  so  sie  tragen.  Die 
Pacos  werden  bissweilen  so  grimmig,  dass  sie  mit  ihrer  Last  auff 
die  Erde  fallen,  und  .sich  ehe  zu  Stücken  zerschlagen  lassen,  ehe  sie 
auffstehen,  also  einen  bittern  Zorn  haben  sie.  Daher  hat  man  in 
Peru  ein  gemein  Sprichwort  von  denen  gemacht,  so  sich  nicht  wollen 


HAUSTHIERE.  577 

regieren  lassen:  Der  ist  cmpaciert,  das  ist,  er  ist  den  Pacos  gleich, 
rückt  ihm  also  seine  Halsstarrigkeit  auff.  Derwegen  thun  die  Indicr 
nichts  anders,  dann  dass  sie  sich  bey  die  Pacos  nidersetzen  und 
ruhen,  jnen  liebkosen,  und  sich  freundlich  gegen  sie  stellen,  bis  sie 
von  sich  selbst  wieder  auffstehen.  Müssen  also  offt  drey  gantzcr 
Stund  jnen  ausswarten.  Sie  bekommen  eine  Mangel  wie  ein  Reu- 
digkeit,  welchen  man  Carache  heisset,  davon  sie  offtmals  sterben. 
Hierzu  haben  die  alte  diese  Artzney  erdacht,  dass  sie  das  Schaf 
lebendig  verscharren,  damit  es  andere  nicht  auch  anstecke  und  ver- 
unreinige, dann  es  ist  ein  Mangel,  der  umb  sich  frisset.  Wann  ein 
Indier  dieser  Schaf  eines  oder  zwey  hat,  so  dünckt  ihm,  er  sey  ein 
reicher  Mann.  Ein  Stück  dieses  Viehes  gilt  gemeinlich  sechs,  sieben 
oder  mehr  geläutert  Pesos,  jedes  Stück  nach  der  Zeit  und  Ort,  da 
es  aussgeben  wirdt."  (1597)  Die  königlichen  Lama  -  Herden 
wurden  an  einem  Jahrestage  geschoren,  und  dann  die  Wolle  für 
Verarbeitung  unter  die  Dörfer  vertheilt. 

Ausser  der  Nufluma  genannten  Entenart  kannten  die  Peruaner 
kein  zahmes  Geflügel,  doch  in  dem  Guineaschwein  (Kuyz)  eine  Art 
Hausthier  (neben  dem  Lamaheerden).  In  Cartagena  wurden  die 
Guayaiz  genannten  Enten  in  den  Häusern  gezogen  (s.  Oviedo). 

Als  der  Hahn  in  Tumbez  krähte,  fragten  die  Indianer  verwundert, 
was  er  sage,  und  später  soll  seine  Stimme  mit  dem  Namen  Ata- 
hualpa  in  Beziehung  gesetzt  sein,  von  den  Knaben  auf  der  Strasse 
nachgeahmt.  Als  bei  der  Gefangennehmung  Atahualpa's  der  Hahn 
krähte,  gaben  diesem  die  Indianer  seinen  Namen  (meint  Santa  Cruz) 
Von  Mexico  erhielt  Europa  den  Truthahn  (Huexolotl  oderTotolin). 
Als  erster  Besitzer  von  Kühen  in  Cuzo  ward  Antonio  de  Alta- 
mirano  von  Garcilasso  de  la  Vega  genannt,  und  die  ersten  Pflug- 
ochsen machten  solches  Aufsehen,  dass  ihre  Namen  erhalten  wurden 
(Chaparro,  Naranjo  und  Castillo).  Zu  den  einheimischen  Hunden 
(Gozqucs)  wurden  spanische  eingeführt,  und  neben  der  einheimischen 
Ratte  (Ucucha)  verbreitete  sich  die  spanische  an  der  Küste.  Das 
Kaninchen  stammte  von  einem  schwangern  Weibchen ,  das  auf  dem 
Wege  nach  Cuzco  (von  einem  durch  Andres  Lopez  mitgebrachten 
Paar)  aus  dem  von  den  Indianern  während  des  Ausruhens  neben 
einem  Bach  niedergesetzten  Käfig  entkam  (in  rascher  Vermehrung, 
wie  ebenso  Schaafe,  Ziegen,  Schweine,  Katzen  u.  s.  w.). 

Wie  in  der  bildlichen  Darstellung  Figuren  von  Insecten  eine 
vorwiegende  Rolle  spielen,  im  Einklang  mit  dem  an  grösseren  Thieren 
verhältnissmässig    armen   Continent,    so    wird    aus    einigen    Theilen 

Bastian:  Amecica.  I.  «')< 


.578  RELIGION  UNO   SITTE. 

Amcricas  eine  Hausthierzuchtartige  Behandlung  der  Ameisen  er- 
wähnt. Die  zwischen  den  Flüssen  in  den  Llanos  (bei  Bogota)  leben- 
den Indianer  „ninguna  cosa  comian,  sino  hormigas",  die  in  Höfen 
gezüchtet  wnirden  und  zwischen  Steinen  gemahlen  (Oviedo).  Die 
Chichimeken  bei  Panuco  verfertigten  kleine  Kuchen  aus  gebackenen 
Mosquitoes  (s.  Uhde).  In  Guiana  wird  die  mit  dem  Fett  der  Schild- 
kröten gesättigte  Erde  ausgesogen  (s.  Baumann).  In  einigen  Gegenden 
(des  Magdalena)  legte  man  Maiskuchen  auf  die  AmeisenhügeP),  und 
briet  die  dadurch  im  Kuchen  angesammelten  Insecten  (s.  Herrera). 
Die  Pancher  brieten  die  Ameisen  (nach  Dapper). 

Von  wilden  Thieren  (wie  in  den  Menagerien  Mexicos)  hielten  die 
Inca  auch  Strausse  auf  Suri-hualla  oder  Ebene  der  Strausse  (Suri) 
bei  Cuzco. 

Ausser  den  Treibjagden  (der  Chacos)  haben  die  Peruaner  (heisst 
es  bei  Linschotten)  „noch  ein  sonderlich  Art,  Vicunnas  zu  fangen, 
nemblich,  dass  sie  solche  so  hart  aufif  ein  Ort  treiben,  dass  sie  sie 
bewerfen  mögen;  alsdann  werffen  sie  kleine  leine  Seyl  aus,  daran 
Bley  ist,  die  verwirren  sich  in  ihre  Beine  dass  sie  nichts  mehr  lauffen 
mögen,  fangen  sie  also  nach  ihrem  Wolgefallen"  (Humberger),  im 
XVI.  Jahrhundert  (wie  mit  den  Bolas  des  Süden's).  Die  Vögel  an 
der  Lagune  von  Vilcanoto  wurden  nach  dem  Entfedern  (für  die 
Schmuckarbeiten  des  Inca)  wieder  in  F'reiheit  gesetzt  (s.  Herrera i,  wie 
die  in  Verapaz,  die  den  Königen  Mexico\s  ihren  Tribut  an  Federn 
lieferten  (und  ähnlich  auf  Hawaii). 

,,Die  Peruaner  verarbeiten  den  Mais  (Sara)  zu  dreierlei  Gebäck 
als  Cancu  (für  Opfer),  Haminta  (für  Feste)  und  Ttanta  (für  tägliche 
Nahrung)".  Neben  dem  Kochen  auf  Heerden,  findet  sich  die  Er 
hitzung  durch  Steine^)  (besonders  unter  Vergraben,  wie  auf  Tahiti) 
und  in  Californien  wurde  damit,  in  wasserdichten  Körben,  Wasser 
zum  Sieden  gebracht. 

Im  heiligen  Wald  Guamachuco's  war  die  Jagd  dem  Inca  reservirt, 
und  so  hatten  die  Häuptlinge  in  Cumana  ihre  Jagdparke  und 
Fischereien.  Bei  den  Jagden  der  Inca's  im  Zusammentreiben  der 
Vicufia's    wurden    die  Jungen    und  Weibchen    für    die   Fortpflanzung 


*)  Comen  araAas,  buevos  <le  hormigas,  giisanos  e  largartyas,  culcbras,  viborns  c 
conien  terra  e  madera  y  cstiercol  de  venado  (in  Mal-Hado).  Auf  den  mexicnnisclun 
M.Hrkten  verkaufte  man  ,, hormigas  grandes  tostadas"'  (s.  Torquematla). 

')  Der  (auch  Vrdundr's  Verfertigungsweise  zugeschriebene)  Jarknasteinn ,  ,,(Ut  beim 
Kcsselfang  in  das  heissc  Wasser  geworfen  wurde"  (s.  CJrimm)  deutet  auf  Kcminiscen7i  n 
;ms  der  primitiven   Kochwciso. 


JAGDGERECHTE.  579 

wieder  freigelassen.  Zum  Gewinnen  von  Wolle  wurde  Treibjagen 
abgehalten,  und  das  Rohmaterial  unter  die  Provinzen  verthcilt,  zur 
Verfertigung  von  Kleidern,  was  den  Fünfzigjährigen  oblag  unter  Bei- 
hülfe der  Greise. 

Die  verschiedenen  Jagdbezirke  waren  genau  gegeneinander  ab- 
markirt,  „y  tambien  les  hestava  proyvido  matar  hembras  de  lo  brabo 
como  de  lo  manso"  (vom  Wild,  wie  von  den  Heerden. 

Die  Peruaner  führten  (noch  zu  Garcilasso  de  la  Vega's  Zeit)  die 
Vyaca  genannten  Feuerstöckc^)  auf  Reisen  mit  sich.  Das  Opferfeucr 
wurde  mit  dem  Chipana  genannten  Spicgelring  entzündet,  ähnlich 
dem  von  Priestern  an  deren  linken  Handknöchel  getragenen,  obwohl 
grösser  und  blank  polirt,  wie  Garcilasso  zusetzt  (und  Strepsiades  be- 
schreibt bei  Aristophanes). 

Die  Steinhäuser*)  waren  mit  Matten  gedeckt.  Die  Palläste  der 
Inca  enthielten  hohe  Thüren,  durch  welche  man  auf  Sänften  eingehen 
konnte.  Dagegen  sind  die  niedrigen  Hüttenthüren  der  Chiquitos 
kriechend    zu    betreten.     Für    die  Häuser  wurde  Kalkmörtel  (Lanca- 


')  Zum  Feuerreiben  gebrauchten  die  Mexicaner  Hölzer  vom  Orleanbaum  (Bixa 
Orellana)  und  bedienten  sich  auserdem  (nach  Boturini)  der  Kieselsteine  zum  Ausschlagen 
eines  Funken.  Als  Beleuchtungsmaterial  werden  in  Peru  Fackeln  erwähnt.  Die  Mexicaner 
verfertigten  „Fackeln  von  Ocotl*,  welche  zwar  ein  helles  Licht  und  angenehmen  Geruch 
gaben,  aber  rauchten,  und  die  Gebäude  voll  Russ  machten.  Eine  andere  europäische  Ge- 
wohnheit ,  die  sie  bei  der  Ankunft  der  Spanier  am  meisten  priesen ,  war  der  Gebrauch 
der  Lichte". 

*)  Die  Wohnungen  der  Armen  waren  entweder  von  Rohr,  oder  ungebrannten  Ziegeln, 
oder  von  Stein  und  Schlamm  gebaut ,  und  die  Dächer  von  einem  langen  Grase ,  welches 
stark  ist ,  und  zumal  in  heissen  Ländern  häufig  auf  dem  Felde  wächst ,  oder  von  Aloe- 
blättem,  die  wie  Ziegel,  denen  sie  an  Dicke  und  Gestalt  gleichen,  über  einander  gelegt 
wurden.  Einer  von  den  Balken,  welche  das  Haus  trugen,  war  gemeiniglich  ein  wohl- 
gewachsencr  Baum,  der  ihnen  nicht  nur  durch  Laub  und  Schuten  Vergnügen  gewährte, 
sondern  auch  Arbeit  und  Kosten  durch  seinen  Stand  verminderte.  Eine  solche  Wohnung 
hatte  meistens  nur  eine  Kammer,  darin  man  die  ganze  Familie,  die  ihr  zugehörigen 
Ifausthiere,  Feuerheerd,  und  alles  Gcrälhe  beisammen  antraf.  War  die  Familie  nicht  gar 
zu  arm,  so  waren  mehrere  Zimmer  z.  B.  ein  Bettstübchen,  ein  Bad,  und  ein  kleiner  Korn- 
boden im  Hause  vorhanden.  Die  Häuser  der  Adelichen,  oder  Personen  von  Vermögen, 
waren  von  Stein  und  Kalk  gebaut ,  bestunden  aus  zwei  Stockwerken ,  hatten  Vorsäle, 
grosse  Höfe,  und  schicklich  angeordnete  Zimmer;  das  Dach  war  eine  platte  Terrasse; 
die  Wände  waren  so  weiss  und  glatt  polirt,  und  gaben  einen  solclien  Glanz  von  sich, 
dass  sie  den  Spaniern  in  der  Entfernung  wie  Silber  schienen.  Der  Fussboden  war  ein 
platter  ebener  Estrich  von  Gips.  Viele  von  diesen  Häusern  hatten  Thürnie,  und  die 
die  Mauern  oben  Einschnitte ,  wie  die  Schiesslöcher  unserer  alten  Stadtmauern  (s.  Cla- 
vigero)  in  Mexico.  Die  mit  den  Huachipairis  (su  estatura  es  mas  alta  que  mediana)  gleich- 
sprachigen Sirineyris  (durch  welche  die  Pucapacuris  oder  Cionece  vertrieben  wurden)  woh- 
nen in  gemeinsamen  Häusern  (s.  Göhring).  Die  l'aupes  am  Rio  Negro  leben  zusammen 
in  Famdienwohnungen  (s.  Wallace),  wie  in  Bomeo  (und  sonst). 


580  RELIGION  UND  SITTE. 

callpa)  verwendet,  die  Festungen  waren  aus  polygonen  Steinen 
gefugt.  An  der  Küste  wurde  mit  Luftziegeln  gebaut.  Als  de  Soto 
von  Caxas  nach  Guancabamba  kam,  fand  er  die  an  der  Küste  aus 
Luftziegeln  hergestellten  Häuser  durch  Steingebäude  ersetzt. 

Die  in  Klüften  rauschenden  Flüsse  waren  mit  Netzbrücken 
überspannt. 

Die  Curacas  bedienten  sich  der  Tiyana  genannten  Thronsessel 
zum  Sitzen^)  (in  Peru)  und  als  Betten  Matrazenartiger  Kissen^)  und 
Decken. 

An  der  nördlichen  Küste  (Perus)  wurden,  neben  den  kurzen 
Gewändern,  mehrfach  gewundene  Ringe  an  Armen  und  Beinen  ge- 
tragen (s.  Zarate).  Mit  Figuren')  eingewebte  Hemden  werden  in 
den  Gräbern  gefunden.  Die  gewöhnlichen  Zeuge')  hiessen  Anasca, 
die  feineren  Compi  oder  (bei  Santa  Cruz)  Cumpi.  In  Pausaleo  (bei 
Ouito)  wurde  ein  Hemd  ohne  Kragen  und  Aermel  (mit  Oeffnungen 
für  die  Arme)  getragen  (s.  Cieza),  wie  ähnlich  in  den  übrigen  Pro- 
vinzen. 

Die  Spanier  erhielten  in  Caxas  Gewänder,  von  denen  es  sich  nicht 
bestimmen  liess,  si  era  seda  6  lana  segund  su  finega,  con  muchos 
labores  6  figuras  de  oro  de  martillo  de  tal  manera  assentado  en  la 
ropa  que  era  cosa  de  maravillar,  que  en  Espafia  y  en  todo  el  mundo 


*)  Das  Hausgeräth  stimmte  keineswegs  mit  ihrer  Neigung  zum  persönlichen  Putz 
ül)erein.  Die  Betten  bestunden  aus  einer  oder  zwei  schlechten  Schilfdecken:  wozu  bei 
<len  Reichen  noch  feine  Decken  von  Palmen,  und  Betttücher  von  Baumwolle  kamen,  und 
bei  den  vornehmen  Herrn  mit  Federn  durchwebte  I-einwand.  Zum  Kopf  küssen  der 
Armen  diente  ein  Stein  oder  hölzerner  Klotz,  und  bei  den  Bemittelten  vermuthlich  Baum- 
wolle ,  der  Gemeine  deckte  sich  blos  mit  seinem  Mantel  zu ,  die  Vornehmen  mit  abge- 
nähten Decken  und  Fedeni.  Beim  Essen  breiteten  sie  statt  des  Tisches  eine  Decke  auf 
dem  Fussboden  aus.  Sie  hatten  Servietten,  grosse  und  kleine  Schüsseln,  irdene  Töpfe, 
Krüge,  und  andre  Gefasse  von  feinem  Thon,  aber  so  viel  berichtet  wird,  weder  Messer  noch 
Gabeln.  Die  Stühle  bestunden  aus  niedrigen  Sesseln,  von  Holz  und  Binsen,  oder  Palmen, 
oder  einer  Art  von  Rohr,  Icpalli,  woraus  die  Spanier  Equipales  gemacht  haben.  In 
keinem  Hause  fehlte  der  Metlatl  und  Camalli.  Der  Metlatl  war  der  Stein,  darin  sie  ihren 
Maiz  und  Cacao  malten,  und  ist  noch  in  Neuspanien,  und  fast  in  ganz  America  allge- 
mein. Die  Europäer  haben  ihn  auch  angenommen ,  und  in  Italien  bedienen  sich  die 
(-hocoladenmacher  desselben  zum  Malen  der  Cacaobohnen.  Der  Camalli  war  und  ist 
noch  eben  so  gebräuchlich  als  der  Metlatl ,  und  ist  eine  nmde  tiefe  Pfanne ,  etwa  einen 
Zoll  dick,  und  ungefähr  fünfzehn  Zoll  im  Durchschnitt.  Die  Trinkgefasse  der  Mexicaner 
waren  aus  einer  den  Gurken  ähnlichen  Frucht  gemacht ,  welche  in  heissen  Gegenden  auf 
einem  Baum  mittlerer  Grösse  wächst  (s.  Clavigero)  in  Mexico.  Votan  führte  die  Bestecke  ein. 

')  Die  Peruaner  ,,dormian  en  el  suelo  en  unas  calchones  grandes  de  algodony  tenian 
unas  ffre^adas  grandes  de  lana  con  que  se  cubijaban  (s.  Pedro  Pizarro). 

')  Bei  den  Scherues  (oder  Xarayes)  waren  (nach  Schmidel)  Hirsche  und  Thierfigurtn 
in  die  Baumwollzeuge  eingewebt,   und  fanden  sich  Goldsachen. 


KLEIDUNG.  581 

se  estimära  por  muy  rica  6  sutil  obra  (s.  Oviedo).     Die  Mama-cunas 
webten  die  Kleider*)  der  Inca  und  bereiteten  die  Speisen. 

Von  den  Frauen  wurden  lange,  von  den  Männern  kurze  Kleider 
getragen  und  Brustnadeln  zum  Zusammenheften  des  Obergewandes. 
Die  Gewänder  wurden  mit  Figuren  aus  geschlagenem  Gold  und 
Silber,  mit  Federn  und  edlen  Steinen  verziert.  Die  feine  Wolle  wird 
von  Alpaca  und  Vicufla,  die  grobe  von  Lama  und  Huanaco  geliefert. 
Holzschnitzereien  finden  sich  an  den  Sceptem  (auch  unter  dem  Guano 
gefunden)  und  (bei  den  Chibchas)  am  Sessel. 

Die  Sandalen  (Usutas  oder  Ojotas)  oder  Lianguis  waren  aus  Leder 
verfertigt  (oder  aus  Bast).  Zum  Gerben  wurden  die  Felle  in  faulendem 
Harn  erweicht. 

Für  Thonarbeiten  war  Truxillo  berühmt  (wie  es  die  Funde  be- 
stätigen. 

Cieza  de  Leon  beschreibt  das  Weben  und  bemerkt  von  den  auf 
die  Zeuge  aufgetragenen  Farben^)  (roth,  blau,  gelb,  schwarz),  dass 
sie  an  Vorzüglichkeit  die  spanischen  übertrafen.         • 

Die  Frauen  in  Peru  bedienten  sich  der  Spindel,  auf  einem  Kürbis 
gedreht.  Von  dem  (Bukia)  Buhca  genannten  Spinnen  der  Frauen 
(mit  der  Spindel  oder  Puchca)  unterscheidet  Garcilasso  die  von  den 
Männern  (für  die  zur  Befestigung  der  Sandalen  oder  Lasten  dienenden 
Fäden)  verwandte  Spinnweisc  (Milluy),  indem  die  Wolle  mit  einem 
Stöckchen  gedreht  wurde  (wie  auch  sonst  archaistish). 

*)  Nach  dem  Tschou-Ii  halten  die  rallaslfraucn  Seide  zu  verarbeiten  und  wurde  die 
Cultur  der  Seidenwürmer  jährlich  durch  die  Kaiserin  inaugurirt. 

')  Roth  erhielten  sie  aus  dem  Achiotl  oder  der  Rocoupflanze  in  Wasser  gekocht; 
Purpur  von  der  Nochiztli  oder  der  Cochenille;  gelb  vom  Tecozahuitl,  oder  Ocher, 
u<lcr  auch  von  der  Pflanze  Xochipalli,  deren  Blätter  dem  Beyfuss  (Artemisia)  gleichen. 
Die  Blumen  dieser  Pflanze,  mit  Salpeter  in  Wasser  gekocht,  gaben  eine  Orange- 
farbc.  So  wie  sie  bei  dieser  Pflanze  Salpeter  zur  Gewinnung  der  Farbe  gebrau- 
chten, so  bedienten  sie  sich  bei  andern  des  Alauns.  Sie  zerrieben  die  Alaunerde, 
und  lösten  sie  in  Wasser  auf,  welches  sie  Tlabcocotl  nannten,  und  kochten  es  in  irdenen 
Gefasseu ,  und  zogen  alsdann  den  reinen  weissen  durchsichtigen  Alaun  heraus ,  und  zer- 
theilten  ihn ,  ehe  er  völlig  hart  ward ,  in  kleine  Stücken  zum  Verkauf  auf  dem  Markte. 
Damit  die  Farben  desto  fester  hielten,  rührten  sie  solche  mit  dem  leimartignn  Saft  des 
Tzauhtli  oder  dem  feinen  Gel  von  Chian  an  (s.  Clavigero).  Weiss,  erhielten  sie  von 
dem  Stein  Chimaltizatl,  welcher  durch  das  Calciniren  wie  ein  feiner  Gips  wird,  und  von 
einem  Mineral,  das  wie  ein  Lehm  zu  einem  Teig  geknetet,  und  in  Kugeln  geformt  wird, 
da  es  denn  im  Feuer  eine  dem  Spanischen  Weis  ähnliche  weisse  Farbe  bekommt.  Schwarz 
lieferte  ihnen  ein  anderes  Mineral ,  welches  seines  stinkenden  Geruchs  wegen  Tlalihijac 
hiess,  oder  der  Russ  von  der  aromatischen  Fichte  Ocotl,  der  in  kleinen  töpfcrnen  Gefassen 
gesammlet  ward.  Blau  und  lichtblau  gaben  die  Blumen  von  Matlalxihuitl,  und  von  der 
Indigopflanze  Xiuquilipitzahuac,  obgleich  die  Zubereitung  des  Indigo  ganz  von  der  heuti- 
gen abwich  (im  alten  Mexico). 


582  RELIGION   UND   SITTE. 

Nach  Garcilasso  führten  die  Frauen  auf  ihren  Wegen  und  sonstigen 
Beschäftigungen  stets  die  Spindel  mit  sich  (im  alten  Peru). 

Wenn  eine  Frau  untergeordneten  Standes  eine  höher  Gestellte 
besuchte  (besonders  aus  der  Klasse  der  Palla),  so  ersuchte  sie  (wie 
Garcilasso  erzählt)  nach  den  ersten  Begrüssungsworten,  um  die  Ge- 
wogenheit, dass  ihr  eine  Arbeit  (im  Spinnen  oder  Weben)  während 
der  Unterhaltung  übergeben  werden  möchte. 

Zum  Nähen*)  wurden  lange  Dornen  angewandt,  und  aus  dem 
Zusammenbinden  solcher  (nach  der  Beschreibung)  Kämme  gefertigt. 

Wie  Garcilasso  erwähnt,  verstanden  die  Peruaner  gewisses  Zeug 
so  genau  in  Uebereinstimmung  mit  dem  Gewebe  auszubessern,  dass 
es  wieder  wie  neu  erschien. 

Die  Frauen  verfertigten  die  Kleider  (in  Peru),  die  Männer  dagegen 
die  Sandalen,  indem  sie  bereits  vor  der  Jünglingsweihe  darin  unter- 
richtet wurden  (s.  Garcilasso  de  la  Vega). 

Die  Inca  trugen  ein  bis  zu  den  Knieen  fallendes  Gewand^)  (Uncus 
oder  Cusmo)  und  darüber  den  Yacolla  genannten  Mantel  viereckigten 
Zuschnitts  (nach  Garcilasso  de  la  Vega),  sowie  den  Chuspa  (oder  Beutel 
für  Coca).  Die  verschiedene  Male  um  den  Kopf  gewundene  Binde 
reichte  mit  dem  rothen  Besatz  von  Schläfe  zu  Schläfe,  bei  den 
regierenden  Fürsten,  während  an  dem  Kopfschmuck  der  übrigen 
Prinzen  die  Paycha  oder  Troddel  (rother  oder  gelber  Farbe)  herab- 
fiel (über  die  linken  Schläfe).  In  Feinheit  der  Zeuge  wurden  (wie 
bemerkt)  mehrere  Arten  unterschieden. 

Neben  Königlichem  Schmuck  in  den  verlängerten  Ohren  war 
der  Inca  durch  die  Llautu  genannte  Stirnbinde  kenntlich.  Die  Inca 
waren  von  ihren  langen  Ohren  benannt,  comme  nous  en  France 
oreilles  de  Bourbonnois  (sagt  Thevet). 

Die  Orejones  (als  Inca)  trugen  die  Ohren  geöffnet,  wie  die  Cho- 


^)  Que  cosa  y  cosa  que  va  por  un  vallc  y  Ueva  las  tripas  arrastrando?  (esta  es  el 
ahuja  cuando  cosen  con  ella,  que  Ueva  el  hilo  arrastrando),  als  mexicanische  Räthsel- 
frage  (bei  Sahagun). 

2)  Die  Mexicaner  hatten  nicht  so  viel  besonderes  in  ihrer  Kleidung,  als  in  ihren 
Nahrungsmitteln.  Ihre  gewöhnliche  Kleidung  war  äusserst  einfach,  und  bestand  bei  den 
Männern  in  Maxtlatl  und  Titlmatli,  und  bei  den  Weibern  in  Cueitl  und  Huepilli.  Der 
Maxtlatl  war  ein  grosser  breiter  Gürtel,  dessen  beide  Enden  vorne  und  hinten  hinabhingcu, 
um  das,  was  die  Ehrbarkeit  erfordert,  zu  bekleiden.  Der  Titlmatli  war  ein  viereckiger 
Mantel,  ohngefahr  vier  Fuss  lang,  dessen  Enden  vor  der  Brust  oder  auf  der  Schulter 
zusammen  geknüpft  waren.  Der  Cueitl  war  ein  viereckiges  Stück  Zeug  oder  Sack,  darin 
sich  die  Weiber  von  den  Hüften  bis  auf  die  Waden  hüllten  ;  und  der  Huevilli  ein  kleiner 
Latz  ohne  Aermel  (s.  Clavigero).  Die  i6  Arten  verschiedener  Kleider,  welche  die 
Mexicaner  trugen,  führt  Sahagun  auf  (Capitel  8,  Buch  VIII.). 


AURITULUS.  583 

rotcgas  in  Nicaragua  und  die  Guarichas  an  der  Perlküste.  Auch  die 
Cobcu  am  Uaupes  (s.  Wallace)  tragen  Ohrpflöcke,  gleich  den  Boto- 
cudcn,  die  den  Pflock  der  Lippen  (gleich  den  Koloschen)  zufügten. 
Die  Garanhun  (bei  Pernambuco)  trugen  goldgelbe  Harzcylinder  in 
den  Ohrläppchen*). 

Bei  den  Aquiteguedichaga  (Nachbarn  der  Cacoy  oder  Orejones) 
zeichnen  sich  die  Frauen  durch  ihre  langen  Ohren  aus  (s.  Azara). 
Nach  Long  ziehen  die  Rothhäute  die  Ohren  aus  zur  Vergrösserung. 

Von  den  Langohren  in  Napo  bemerkt  Orton:  „The  Orejones 
enlarge  those  appendages  to  such  an  extent,  that  they  are  said  to 
lie  down  on  one  ear  and  cover  themselves  with  the  other '  (mit  den 
indischen  Fabeln  übereinstimmig).  Am  Flusse  Sagadahoch  hörte 
Pofam,  ,,dass  längst  dem  Flusse  landwärtsein  Menschenfresser  wohnetcn, 
deren  Zähne  drey  Daumen  lang  aus  dem  Maule  hervorragten,  und 
dass  der  Teufel  Tanto  ihnen  alle  Mohnden  einmahl  erschiene  und 
sie  jämmerlich  plagete. ' 

Als  die  von  Ynca  Capac  Yupanqui  unterworfenen  Quechua  bei 
dem  Aufstande  der  Chancas  gegen  Yahuarhuacac  (Vater  des  Vira- 
cocha)  Hülfe  gesandt,  erhielten  sie  das  Vorrecht  der  Kopf  binde 
(ohne  Troddeln),  sowie  das  des  Ohrschmuckes ^),  obwohl  in  einiger 
Verschiedenheit  von  dem  durch  die  Inca  getragenen. 

Dagegen  scheinen  die  Inca  andere  Körperentstellungen,  wie  das 
Tättowiren  (mit  einer  Linie  von  Ohr  zu  Kinn  zwischen  Passaos  und 
Solango)  abgeschafit  zu  haben,  und  die  Nasendurchbohrer  (Metall- 
Nasen)  oder  Quillasenca  (Eisen-Nasen),  deren  Nasenschmuck  bis  über 
den  Mund  fiel  (s.  Garcilasso),  waren  bis  an  die  Grenze  des  Reichs 
(zwischen  Quitu  und  Pastos)  zurückgedrängt  (während  sie  dann  den 
Norden  füllten).  Nach  Garcilasso  trugen  die  Huancavilcas  Nasen- 
schmuck'). 


*)  Traziao  uieltidas  eii  l)urac«>s  quc  faziao  nas  urclhas  c  iio  bcigo  inferior  rodcUos 
tlc  madeira  (die  Tapujas).  Die  Partnlinün  (mit  den  Mundrucus  verwandt)  fügen  Pflöcke 
in  Ohren  und  Lippen  ein  (auch  den  Nasenknorpel  durchbohrend).  Die  Majuruna  (am 
Jabari)  tragen  (neben  Pflöcken  in  den  Lippen)  Federn  in  den  Mundwinkeln,  sowie 
Muscheln  in  den  durchbohrten  Ohren  und  der  Nasenspitze. 

*)  Some  of  the  Indians  wear  great  bobs  in  their  ears  (s.  Lawson)  in  Nord -Carolina 
(XVIIL  Jahrhundert).     Agujeranse  las  narices,  como  las  orejas  (in  Panuco). 

')  Bei  den  Tupinamber  durchbohrten  die  Frauen  die  Ohren,  die  Männer  (die  an  der 
Unterlippe  Schmuck  trugen)  die  Nase  (s.  de  Lact).  Die  Häuptlinge  der  Chiriguanos 
versammeln  sich  zur  Hcratliung  nach  dem  Bade ,  und  nnl  Federn  geschmückt.  Les  deu\ 
sexes  (chez  les  Chiriguanos)  sc  pcignent  le  corps  et  la  figure  de  rouge  et  de  noir,  tandis 
(ju'ä    l'homme   seul    est   reserve    l'honneur   de  se  faire  une  ouverture  ä  la  l^vre  inferieure, 


584  RELIGION   UND   SITTE. 

Wie  die  Männer  vorn  über  den  Mund  hängende  Platten*),  trugen 
die  Frauci  einen  nach  dem  Rang  um  so  schwereren  Nasenring,  so 
dass  die  Nase  über  den  Mund  herabgezogen  wurde  (auf  Terra  Firme). 
Die  Indianer  (vom  See  Arbitibis)  „sind  auf  grosse  Ohren  sehr  stolz 
und  dehnen  sie  so  weit  als  möglich  aus"  (s.  Long). 

Wie  die  (bei  Tupis  als  Tembeitara  bezeichneten)  Lippenpflöckc 
(Beto)  und  Ohrenpflöcke  (Beto-apoc),  trugen  die  Botocuden  Knic- 
und  Fussschnüre  (s.  Martins). 

Die  Catauichis  (am  Teffe)  durchbohren  die  Lippen  rings  herum 
und  fügen  dann  Stäbchen  in  die  Löcher  (s.  Bates). 

Die  Tättowirung  mit  dem  Malha  oder  (blauschwarzen)  Gesichts- 
fleck wird  allmählig  vorgenommen  (bei  den  Passes).  „Auf  dem 
Lande  Katamez  stritten  sie  mit  einem  seltsamen  Volckc,  welches 
die  Angesichter  vol  güldener  Nägel  in  gepohrten  Löchern  trug  (s. 
Dapper). 

Der  Tanga  (Schürze*))  oder  dem  Gürtel  (Cua  pecoagaba)  wird 
durch  Einfügung  von  Zähnen  oder  Klauen  die  Bedeutung  von  Amuletten 
oder  Nachweis  von  Heldenthaten  gegeben  (s.  Martius)  in  Brasilien. 

Die  Vornehmen  (in  Darien)  trugen  über  dem  Munde ^)  ein  in 
halbmondförmiger  Gestalt  der  Nase  eingeklemmtes  Blech  aus  Silber 


afin  d'y  passer  la  barbolc,  qui  consistc  cn  un  bouton  de  plomb  ou  d'elain  de  la  grossciir 
d'une  pi^ce  de  deux  francs ,  lui  seul  encorc  peut  b'uruer  la  tele  des  plumcs  des  oistaux 
de  son  pays  (s.  d'Orbigny).  „An  Leffzen  und  Ohren  hingen  bunte  güldene  Ringe  und 
derselben  gar  vil,  welche  alle  aneinander  gefesslct  waren,  und  dieses  war  des  Heiden 
Zier"  (an  dem  Flusse  Quiximionim)  1622  (s.  Petrus  de  Victoria).  Die  Brasilier  trugen  in 
der  Unterlippe  den  Stein  Metara  oder  (wenn  grün  oder  blau)  Metarobi,  „virideni  autem 
imprimis  aniant"  (s.  Marcgrav). 

^)  Die  das  Gesicht  (wie  am  Huallaga)  schwärzenden  Indianer  (vonjaen)  ,,usaban  la 
hojica  ö  patenita  de  plata  suspendida  al  tabique  de  la  nariz,  conio  usan  todavia  los 
salvajes  Conibos"  (s.  Raymondi).  Die  Indianer  (von  Cali)  ,,tenian  las  ternillas  de  las 
narizes  horadadas  en  que  ponian  por  gala  cailutos  retorcidos  de  oro"  (s.  Piedrahita). 

3)  Wenn  die  aufwachsenden  Mädchen  (bei  den  Cariben)  statt  des  bisherigen  Gürtels 
die  Schürze  erhalten,  ,,leur  m^re  ou  quelques-unes  de  leurs  parentes  leur  fait  des  brodequins 
aux  jambcs,  elles  nc  les  otent  Jamals  h  moins  qu'ils  ne  soient  absolument  usez  ou  d(5chirez 
par  quelque  accident,  et  quand  elles  le  voudraient  faire  il  ne  leur  serait  possiblc,  car 
ils  sont  travaillez  sur  le  lieu  oü  ils  doivent  toujours  demeurcr,  leur  epaisscur  h^  fait 
demcurer  debout,  ils  sont  si  serrez,  qu'ils  ne  pcuvent  ni  monter  ni  descendre,  et  comme 
dans  cet  Äge  les  jambes  n'ont  pas  encore  toute  leur  grasseur,  quand  eile  vient  ä  augmentcr 
avec  les  anndes ,  elles  se  trouvent  si  serrees  que  le  molet  devient  beaucoup  plus  gros  et 
plus  dur  qu'il  n'aurait  6t€  naturellemcnt  (s.  Labat). 

•)  In  Darien  wurde  bei  beiden  Geschlechtern  während  der  Unterhaltung  der  Mund 
verdeckt  (aus  Schamhaftigkeit).  Die  Caracolis  (der  Caraiben)  ,,sont  faits  comme  des 
croissans  de  grandeur  differentc  selon  le  lieu,  oü  ils  doivent  servir.  Ils  en  portent  d'ordi- 
naircment  un  ä  chaque   ureille,   dont  la  distance  d'une  conie  ^  l'autre  est  d'en\iron  deux 


SCHMUCK.  585 

oder  (bei  den  Fürsten)  aus  Gold,  das  sie  für  die  Feste  breit  (auf 
Reisen  und  Jagd  klein)  trugen,  während  der  Mahlzeit  (wie  die  Frauen 
ihre  Ringe  in  der  Nasenwand)  bei  Seite  legten,  und  dann,  nach  dem 
Reinigen,  wieder  aufnahmen.  „Der  König  oder  Ober -Herr,  und 
einige  von  den  Vornehmsten  unter  ihnen  tragen  bei  ihren  Solenni- 
täten  in  jedem  Ohr  einen  festen  Ring  mit  zwei  grossen  Goldplatten, 
davon  die  eine  vorn  über  der  Brust,  die  andere  hinterwärts  auf  der 
Schulter  hänget"  (in  Herzform).  „Einst  sah  ich  den  Lacenta  in 
grosser  Versammlung,  dass  er  eine  Goldplatte  wie  ein  Band  um  den 
Kopf  trug"  (als  Netzwerk  innen  und  mit  sägeartigen  Zacken  oben). 
Die  Bewafneten  trugen  ähnliche  Bänder  aus  Rohr  mit  eingesteckten 
Federn  (s.  Wafer). 

Die  Kopf  binden^)  hiessen  Uncha  (in  Peru).  Die  Usutas  genannten 
Sandalen  wurden  von  Calcuya  (Aloes)  gefertigt.  Das  aus  Zinnober  be- 
reitete Roth  (Llimpi)  diente  zum  Bemalen  bei  Festen  (s.  Garcia). 
In  Guayaquil  'wurden  Goldstücke  an  den  Zähnen  befestigt  (wie  bei 
den  Goldzähnen  der  chinesischen  Grenze).  Ebenso  werden  dort 
Goldperlen  erwähnt,  die  als  Kopfschmuck  getragen  und  Chaquiras^) 
genannt  seien,  wogegen  die  in  Punta  Helena  geschätzten  Chaquira 
bei  Herrera  beschrieben  werden,  als  „cuentas  de  hueso  menudas".  In 
Tumbez  trug  man  „cuentas  blancas,  que  Uaman  Chaquira".  In 
Quinbaya  (bei  Cartago)  wurden  die  Chaquira  fiir  ihr  Gewicht  in 
Gold  verkauft,  nach  einer  Notiz  Cieza's,  der  in  Peru  Chaquira  aus  Silber 
anführt.    .Die   Chaquira    genannte   Goldkette   die   Peruaner  (bei  An- 


pouces  et  demi,  une  petite  cliaine  avec  un  crochct  le  licnt  attache  a  Toreille,  au  dcffaut 
de  chatne  (car  tous  n'en  onl  pas)  on  les  attache  avec  un  fil  de  cotton  qui  est  passe ,  au 
centre  du  croissant  dont  T^paisseur  est  comme  celle  d'une  piöce  de  quinzc  sous.  lls  eii 
portent  une  autre  de  la  meme  grandeur  attache  ä  Tentrc-deux  des  narrines  qui  leur  bat 
sur  hl  bouche.  Les  dcssou.s  de  hi  levre  inferieure  est  encore  perce  et  ou  y  attache  un 
«luatriiiue  caracoli  qui  esl  un  ti^rs  plus  grand  que  les  prccedens  et  qui  tombent  a  moiliö 
sous  Ic  nienton.  EnBn  ils  en  ont  un  ciqui^me,  ({ui  a  six  ä  sept  pouccs  d'ouverturc ,  qui 
est  enchass^  dans  une  petite  j)lanchc  de  bois  noir,  cintrce  en  croissant,  qui  leur  tombe 
hur  Li  pointriue,  ^tant  attache  avec  une  petite  cordc  au  col  (s.  Labat).  Die  Brasilier 
binden  ,,in  infanlia  crura  cerlis  fasciis,  quas  vocant  Tapa-cura,  ea  de  causa,  ut  robustiora 
fmnt"  (s.  Marcgrav).  Swollen  and  deformed  legs  are  common  from  constanlly  doubling 
ihem  undcr  the  body  while  sitling  in  the  canoe  (bei  den  llaidab). 

^)  Die  Tapuyer  nannten  den  Kopfschmuck  aus  Federn  Guara  abuac  (s.  Marcgrav), 
die  ()hri>flöcke  Nambipaya,  die  LippenklöUe  Metara  und  (wenn  aus  grünem  Stein)  Meta- 
robi,  die  Nägel  im  IJppcnwinkel  Tembe  coarete,  die  Na^enstöcke  Aiyati.  Die  Chilener 
bezeichneten  die  Kopfbinde  als  Tariwelonco   und  den  Federschmuck  als  Manievelonco. 

')  Llevaban  conchas  coloradas,  de  que  hay  en  Chaquira,  id  est  sartalcs,  como  los 
de  las  istas  de  Canaria,  que  se  venden  al  Key  de  Portugal  para  el  rescate  de  Guinea 
(auf  dem  peruanischen  Handelsschiff,  das  der  Piloto  Ruyz  caperte). 


586  RELIGION  UND  SITTE. 

kunft  der  Spanier)  „tarn  scite  et  subtilitcr  elaborare  noverunt,  ut  Euro- 
pacis  admirationi  cssent"  (s.  de  Laet). 

Die  Spiegel  der  vornehmen  Frauen  (in  Peru)  waren  von  geschliffe- 
nem Silber,    die  andern    nur  von  Kupfer  oder  Messing  (s.  Bauman). 

Als  in  Peru  gebrauchte  Schmuckgegenstände*)  werden  genannt: 
Cori-guallca  (molo-guallca),  Goldkette ;  Vincha,  Stirnband ;  Chumbil- 
licuy,  Gürtel;  Cori-rincri,  goldner  Ohrschmuck;  Chippana,  Armband; 
Xivi  (siui),  Ring;  Guaquin-aguasca,  Federgewebe;  Guayaca,  Coca- 
Sack;  Guallcas,  Gürtel;  Chumbillicuys,  Gewänder;  Mascapaichas,  Hut; 
Chellecas,  Hutband;  Ojotas,  Sandalenschuh;  Tipqui  (Topos  oder 
Tupus),  Gewandnadcl;  Oples,  Plattengehänge.  La  llacota  (en  len- 
gua  aymarä)  era  una  especie  de  poncho  fabricado  de  plumas,  de 
lana,  de  algodon,  maiz  ö  palma  (s.  Janer);  der  Löffel  hiess  huisllas; 
und  Matis  bezeichnet  ein  Calabassengefäss  in  Quechua. 

Dass  die  Stämme  des  Inca- Reiches  sich  durch  ihre  Kopftracht 
unterschieden,^)  wird  von  Cieza  de  Leon  wiederholentlich  hervor- 
gehoben (von  Zaratc  noch  im  besonderen  von  denen  der  Küste),  und 
als  Capac  Yupanqui  das  früher  von  Fürsten  regierte  Land  der  Huanca 
in  drei  Provinzen  theilte,  bemerkt  auch  von  ihm  Garcilasso  de  la 
Vega,  dass  er  die  Stämme  durch  die  Kopftracht ^)  unterschieden  habe. 

Die  Caflar,  die  das  Haar  in  einem  Knoten  aufgebunden  trugen, 
hiessen  Mathe-Uma  (Calabassen-Köpfe)  von  ihrer  runden  Kopftracht. 
Die  Chachapoyas  trugen  eine  Schlinge  um  den  Kopf  gewunden*), 
und  (nach  Gomara)  die  Serranos  überhaupt  (hondas,  cefiidas 
por  cabeca,  sobre  el  cabello),  die  Collas  die  Chucos  genannten 
Wollkappen,  die  Casamarcas  Netze,  die  Huacrachucu  Rehhörner 
zum  Putz.  Der  Llautos  genannte  Federschmuck  gilt  als  Kriegs- 
zeichen  in  der  Pampa  del  Sacramento.     In  Piura  war  Kopfschmuck 


*)  Die  Araucaner  verfertigten  silbernen  Sdmiuck  (nach  Uvalle),  Bei  den  (mit  den 
Siveris  grenzenden)  Orthuesen  wurden  goldene  Stirnplatten  getragen  (oder  silberne  Arm- 
ringe). Benzoni  bemerkt  hinsichtlich  des  von  ihm  noch  in  seinem  nationalen  Schmuck 
gesehenen  Colonchie,  dem  selbst  der  Häuptling  Baltacho  Ehrfurcht  bezeugte,  dass  er  am 
linken  Ilandknöchel  einen  Steinspiegel  gelragen  (in  QuancaviÜqui  bei  Punta  St.  Helena). 

*)  Die  Brasilier  frisircn  so, verschieden  ,,ut  gentes  inter  sc  Tonsurae  forma  distinguantur" 
(de  Laet).  Die  Maopityans  flochten  einen  Zopf  (in  Guyana).  Die  Araukancr  trugen  das 
Tariwelenko  genannte  Kopfband  (s.  Dappcr). 

•)  En  las  ligaduras  de  las  cabegas  se  conocian  los  linages.  y  las  provincias  de  dondc 
eran  naturales  como  en  Europa  casi  se  ve  en  las  diferencias  de  sombreros,  y  en  Asia 
las  diferentias  de  Turbantes  ö  Tocas  (s.  Ilerrera). 

*)  Die  Matlatcincas  (in  Mexico)  hiessen  Quaquatas  (coatl  im  Sing)  oder  Quatlatl 
(hombrie  que  trae  la  honda  en  la  cabcza  por  guirnalda)    weil  mit  Schleudern  kämpfend. 


HAARFRISUK.  587 

aus  Silber  und  Gold  mit  Muschelperlcn*)  gebräuchlich.  Die  Chancas 
drehten  ihre  Haare  in  Flechten  (s.  Cicza).  Die  Kopftracht  (Chucu) 
der  Huamachucu  bestand  in  silbernen  Halbmonden. 

Mit  dem  Tumi  genannten  Messer  wurden  die  Haare  geschnitten  (s. 
Oliva),  doch  nicht  ohne  Beschwerden,  indem  die  Segnungen  der  von  den 
Spaniern  eingeführten  Scheere  für  gross  genug  galten,  um  ihnen  Alles 
Uebrige  zu  verzeihen  und  ein  verweichlichter  Epigone  der  alten  Inca 
sogar  die  reiche  Erbschaft  seines  Vaters  dafür  hatte  dreingeben  wollen. 
Die  Chilener  (nach  Marcgrav)  rissen  den  Bart  mit  Muschelzangen 
aus.  Die  Kariber  schnitten  die  Haare  „mit  gewissen  schneidenden 
Kräutern"  (vor  Einführung  der  Scheere). 

Die  Indianerinnen  bei  Popayan  flochten  ihre  langen  Haare  oder 
banden  sie  auf,  besassen  aber  keinen  andern  Kamm,  als  ihre  Finger 
(im  XVII.  Jahrhundert),  so  dass  (nach  Coreal)  Kämme  den  belieb- 
testen Handelsartikel  bildeten  (c'est  meme  une  des  marchandises, 
qu'ils  prennent  le  plus  volontiers  en  troq,  et  sur  laquelle  on  gagne 
beaucoup).  Welche  Bedeutung  der  Kamm  für  die  Naturvölker  hat, 
zeigt  die  den  ethnologischen  Museen  gelieferte  Auswahl  (in  ähn- 
licher Reichhaltigkeit  wie  die  der  Löffel). 

Beim  Namensfest  wurde  das  abgeschnittene  Haar  des  Kindes 
der  Sonne  geweiht,  und  noch  jetzt  haben  die  spanischen  Creolen 
Festlichkeiten  für  die  erste  Haarschneidung  reservirt.  Im  deutschen 
Volksaberglauben  sind  die  abgeschnittenen  Haare  an  einen  dunkelen 
Ort  zu  verstecken,  „wo  weder  Sonne  noch  Mond  hinscheint"  (s. 
Wuttke).  Die  Person  des  Micado  ist  so  heilig,  dass  man  ihm  die 
NägeP)  nur  Nachts  abschneidet.  Die  Scandinavier  schnitten  den  Todten 
die  (in  Böhmen  verbrannten)  Nägel  ab,  um  den  Bau  des  Schiffes 
Naglfar  zu  verzögern. 

Die  aus  der  Inca-Zeit  erhaltenen  Bronze-Gegenstände  sind  meistens 
gegossen  und  bei  der  Geschicklichkeit  in  Herstellung  dieser  Metall- 
mischung trat  die  Verwendung  der  Steingeräthe  zurück,  die  sich  da- 
gegen bei  den  wilderen  Stämmen  im  Gebrauch  forterhält.  Die  Tu- 
pinambas  hatten  1729  den  ihnen  zinsbaren  Matagos  die  Lieferung 
von  Steinäxten  auferlegt.     Bei  den  Chippeway  fand  sich  eine  beson- 


^)  Die  Kingeborcnen  an  der  Küste  Paria  trugen  Miischelschmuck  (zu  Colon's  Zeil) 
und  so  bis  Vucatan. 

*)  Die  Macassaren  fühlten  die  Verpflichtung  ,,d'entretenir  leur  ongles  dans  cerle 
teinture  rouge,  qu'ils  ont  commencc  de  leur  donner  des  leurenfance,  et  de  les  coupper 
une  ou  deux  fois  la  semaine,  car  ils  s'imaginenl,  (pie  le  diable  s'y  cache,  quand  ils  sunt 
ongs  (s.  Gervaise).     Die  chinesische  Pflege  der  Nägel  unterscheidet  vom  Arbeiter. 


588  RELIGION  UND   SITTE. 

dere  Klasse  zur  Verfertigung  von  Pfeilspitzen,  die  gegen  Felle  ein- 
getauscht wurden.  Die  Chilener  verarbeitete  Metalle  (Gold,  Silber, 
Kupfer,  Zinn,  Blei),  besonders  aber  „el  cobre  campanil  6  sea  minera- 
lizado,  con  el  quäl  por  ser  muy  duro,  hacian  hachuelos,  hachas  y 
otros  instrumentos  cortantes"  (s.  Molina). 

Bei  den  in  Caxamarca  zu  Pizarro's  Zeit  vorzunehmenden  Schmelz- 
arbeiten bewiesen  sich  die  einheimischen  Goldarbeiter,  die  neben 
den  spanischen  verwandt  wurden,  diesen  überlegen.') 

Bei  dem  Schmelzprocess*)  wurde  nach  den  darüber  gegebenen 
Abbildungen  das  Feuer  mit  Röhren  angeblasen.  Ueber  die  Mischungs- 
verhältnisse der  Metalle  variiren  die  Analysen  (seit  Caylus). 

Für  Amboss  und  Hammer  (ohne  Holzgriff)  gebrauchte  der  Peruaner 
harte  Steine  zwischen  grüner  und  gelber  Farbe,  wie  Garcilasso  de  la 
Vega  bemerkt,  und  ausserdem  Instrumente  aus  Kupferlegirung  in 
Würfelform  mit  abgerundeten  Ecken,  und  die  Zimmerleute  verwandten 
Aexte  oder  Beile  (und  Haken)  aus  Kupfer  oder  Bronze,  die  Steinhauer 
die,  Hihuanes  genannten  Schwarzkiesel.  Bei  dem  Mangel  an  Nägeln 
wurden  die  Balken  der  Gebäude  mit  Schilf  zusammengebunden. 

Die    Mexicaner    „bearbeiteten  den  Stein  ohne  Stahl,  Eisen,   nur 


*)  Joh.  Lor.  d'Anagma,  (ein  Italiener  des  sccli^icelmten  Jahrhunclerls) ,  sagt  bei  Ge- 
legenheit niexicanischer  Kiuislerzcugnissc :  ,,l^nter  andern  erstaunte  ieh  über  einen  heiligen 
Hieronymus  mit  einem  Kreuze  und  einem  Löwen,  den  mir  die  Frau  Loffrcda  zeigte,  weil 
ich  darin  solche  schöne  lebhafte  natürliche  Färbung  entdeckte,  die  so  richtig  und  genau 
angebracht  waren ,  dass  ich  zweifle ,  ob  ich  jemals  unter  den  besten  Werken  alter  und 
neuer  Maler  etwas  dergleichen,  geschweige  etwas  besseres,  gesehen  habe.  ,,Aus  der  peru- 
anischen Berechnungs weisse  (bemerkt  Lintschotten)  ,, mag  nun  ein  jeder  urtheilen,  ob  diese 
Menschen  vemünflftig  oder  ob  sie  viehisch  seyen.  Wir  zwar  gestehen,  dass  si  in  den 
Dingen  dazu  sie  sich  begeben  oder  üben,  uns  weit  oben  ligcn"  (s.  Ilumberg).  Als  UUoa 
sich  in  Quito  nach  den  goldenen  Kunstwerken  aus  der  Inca  -  Zeit  erkundigte,  die  in  der 
dortigen  Schatzkammer  aufbewahrt  sein  sollten,  hörte  er,  dass  sie  für  den  Krieg  mit  den, 
Carthagena  belagernden  Engländern  eingeschmolzen  seien. 

*)  In  the  first  place,  when  they  wish  to  melt  the  metal,  they  put  it  into  either  a 
long  or  round  grisolo,  made  of  cloth  daubed  over  with  a  mixture  of  cartb  and  pounded 
charcoal,  when  dry  it  is  put  into  the  fire  fdled  with  metal,  then  several  men,  more  or  less, 
each  with  a  reed,  blow  tili  the  metal  is  fused.  It  is  now  taken  out  and  tlic  goldsmitlis 
eated  on  the  ground,  provided  with  some  black  stones,  shaped  on  purpose,  and  helping 
each  other,  make,  or  more  correctly  speaking,  used  to  raake  during  their  prosperity, 
whatever  they  were  commisioned  to,  that  is,  hollow  statues,  vases,  sheep,  omaments  and 
in  short,  any  animal  they  saw,  beschreibt  Benzoni  von  den  Goldschmieden  Peru's  (s.  II. 
W.  Smyth),  und  ähnlich  Cieza  de  Leon:  ,,When  they  work,  they  make  a  small  fumace 
ofclay,  wherc  they  put  the  charcoal,  and  they  then  blow  the  fire  with  small  canes,  instead 
of  bellows.  Besides  their  silvev  Utensils,  they  make  chains,  stamped  ornaments  an  other 
things  of  gold"  (s.  Markham). 


BRONZE.  589 

durch  einen  von  Kieselsteinen  hergestellten  Meissel"  (s.  Clavigero). 
Für  die  Holzstatuen  wurde  ein  ,, kupferner  Meissel"  verwandt. 

Die  Spanier  (in  Tuspan)  tauschten  die  glänzenden  Kupfer-*)  oder 
Bronze-Aexte  als  goldene  ein  (zu  Cortez  Zeit).  Montesinos  nennt 
unter  den  Waffen  Peru's  mit  Kupfer  belegte  Aexte.  Rivero 
vermuthet,  dass  die  Peruaner  die  Eigenschaft  des  Kiesels,  (ähnlich 
der  Kohle  im  Stahl)  Kupfer  zu  härten,  gekannt  hätten  bei  Verfer- 
tigung ihrer  Instrumente.  Godin  überbrachte  dem  Grafen  Maurepas 
eine,  wie  Stahl  gehärtete  Kupferaxt,  über  die  Graf  Caylus,  dem  sie 
zur  Untersuchung  eingehändigt,  sich  sehr  verwundert  zeigte,  und  sie 
von  gleicher  Trefflichkeit  wie  die  griechischen  und  römischen  Bronze- 
waffen befand. 

Bei  Holguin  wird  Puca  anta  als  Kupfer  (el  cobre  simple)  erklärt 
(wie  sonst  Anta)  und  pucani  übersetzt  sich  (bei  Domingo  de  St.  Thomas) 
als  „soplar  con  fuelles",  also  den  Schmelzprocess  bezeichnend  (puca, 
cosa  colorada).  Für  Bronze  oder  Glockenmetall  (el  metal  de  las 
campanas)  findet  sich  Chacrusca  (chacruni,  mischen  oder  amalgamiren) 
oder  Hichhaicca  anta  (hichhani,  fundir  metales  ö  vaziar  en  molde), 
für  Blei  „Titi"  und  für  Zinn  „Yurac  (weisses)  Titi".  Metall  im  Allge- 
meinen wird  mit  „mama',  (gleichsam:  Muttergestein)  gegeben  (collquc 
mama,  Silbermetall,  Ccori-mama,  Goldmetall).  Für  das  (von  den 
Spaniern  eingeführte  Eisen  wurde  qquillay  verwandt,  von  quilli 
(qnillini)  vereinigt  oder  verbunden.^) 

Hinsichtlich  des  Fehlen's  von  Eisen  in  Peru  .sowohl,  wie  in  Mexico 
bei  Ankunft  der  Spanier  stimmen  alle  massgebenden  Geschichts- 
schreiber damaliger  Zeit  in  den  bestimmtesten  Ausdrücken  überein. 
In  Bezug  auf  Christoval  Colons  Fund*)  auf  den  caribischen  Inseln  hat 


')  Die  MccUfMciiUT  j^ewanncn  aus  ciiur  Mine  Kupfer  ,,y  ^e  sirven  de  cllo  por  cuhivar 
en  lugar  del  hierro,  ponjue  corla  como  ayero"  (s.  Ilerrera).  In  Manoa  wurden  die  Stein- 
äxte zur  Bearbeitung  der  Krde  mit  der  Kupferaxt  (Chambo)  und  Wasser  verfertigt  (nach 
Girba]).  En  la  inmediacion  de  cada  barbacoa  hay  un  tubo  de  cafia  de  Guayaquil,  elevado 
en  el  suelo,  en  cada  uno  habia  muchas  flechas,  unas  acabadas  y  otras  empezadas  k  tra- 
bajar  (am  Pilcopata  oder  Madre  de  Dios)  l)ei  den  (mit  den  Araahuacos  grenzenden) 
Sirineyris  (s.  (iöhring). 

*)  Die  I  lichaycamayok  waren  die  Metallschmelzer  (hichay),  Ausgiesser  oder  Schmelzer. 
No  tenyan  herramyentas  de  hierro  ny  azero  ansi  para  sacar  las  piedras  de  las  canterias, 
como  para  labrar,  sino  con  otras  piedras,  für  die  peruanischen  Bauten  (Ondegardo)  157 1. 
Chictana  (hacha  y  hachuela  de  piedra  o  cobr^),  Anta  ftauchi  (lengueta  de  cobre  templado 
sobre  otra  lanza  menor),  huallcanga,  (especie  de  rodela  con  empufladura),  callhua  (cha- 
falote  ligero  de  cobre  ö  madera,  con  fdo  por  un  lado),  tumi  (cuchillo  ö  macheta  de  pie- 
dra 6  cobre),  buaraca  (honda  de  arrojar  piedras). 

')  Trovarono  un  tegame  di  ferro  (bei  Columbus  Reise)   in  Guadclupe   (s.  F.  Colon) 


590  RELIGION   UND  SITFE. 

sich  bereits  sein  Sohn  genügend  ausgesprochen  und  ausserdem  er- 
wähnt nur  Montesinos  eine  Verwendung  des  Eisens^)  bei  den,  be- 
sonders in  der  von  ihm  gegebenen  Darstellung,  mehr  als  halbmy- 
this-hen  Chimus  (vor  geschichtlicher  Fixirung). 

Das  Eisen  hiess  (im  Chilenischen):  Panilgue  y  lasarmas,  que  de 
cl  sc  fabrican  „Chiuquel",  ä  diferencia  de  las  otras  fabricadas  con  divefsos 
matcriales,  que  estan  comprehendidas  debaxo  el  nombre  general 
„nulin".  El  herrero  sc  llama  „ruthave",  dcl  vcrbo  ruthan,  que  sig- 
nifica  labrar  cl  fierro.  Trotz  alledem  bleibt  es  unsicher,  wie  Molina 
zufügt,  die  Kenntniss  des  Eisens  im  alten  America^)  eher  anzu- 
nehmen, „hasta  que  no  se  encuentren  alli  algunas  piezas  de  fierro 
de  incontrastable  antiguedad". 

Bei  Oruro  finden  sich  Zinn-Minen  (s.  Temple).  Die  Cara  bear- 
beiteten Smaragden. 

Unter  Chinchi  -  Roca  (Stifter  des  Stammes  Huica  -  Quiran)  seien 
zuerst  Gold-Idole  angefertigt  (in  Peru).  Ausser  mit  Zinn  wurde  das 
Kupfer  auch  mit  Silber  oder  Gold  legirt,  als  Chan^pi. 

Bei  den  Koloschen  (die  in  ihrer  Vorzeit  das  Eisen  noch  nicht 
gekannt)  wurde  die  Frau  Tschischlkatl,  die  das  vom  Atnafluss  erhaltene 
Kupfer  zu  schmieden  lehrte,  vergöttert. 

Die  feineren  Thongefasse,  als  Pacacha  mit  zwei  Ausgussröhren 
{den  Ton  des  dargestellten  Thieres  gebend)  sind  oft  mit  harziger 
Firniss- Glasur  überzogen.  Für  die  Blüthezeit  der  Töpferkunst  gilt 
die  Regierung  Pachacutec's.  Die  Thongefasse  mit  becherhaltender 
Figur  aus  Chancay  wurden  Chiritos  genannt,   die  Thonfiguren  Cochi- 

aber:  ,,non  si  e  veduta  cosa  alcuna  di  ferro  fra  quella  geiiti"  (und  die  Caraiben  konnten 
es  geraubt  haben  von  Espaüola  oder  es  wurde  angetrieben  aus  dem  gescheiterten  SchiflT), 
wenn  nicht  schwarze  Erde  für  Eisen  gehalten  wurde  (von  ,,alcun  di  poco  giudizio"). 
Die  eisernen  Pfeilspitzen,  die  in  Chile  gefunden  wurden,  rühren  (nach  ^iers)  von  dem 
Meteor-Eisen  her  (wie  bei  Santjago  del  Estero).  Nach  Ovalle  kannten  die  Chilenier 
kein  Eisen  (zur  Zeit  der  Conquisla).  In  Tupissa  in  Chincha  (auf  dem  Wege  von  Collao 
nach  Chili)  Hess  Almagro  Nägel  und  Hufeisen  aus  Kupfer  fertigen,  ,,por  la  mucha  falta 
que  de  hierro  tenian"  (Oviedo).  Florida  sollte  früher  von  weissen  Leuten  bewohnt  ge- 
wesen sein,  welche  eiserne  Werkzeuge  gehabt  hätten  (wie  von  den  Chimus  in  Peru 
gesagt  wird,  wo  sich  die  Weissen  bei  Guamanga  erwähnt  finden). 

*)  Bei  Unbekanntschaft  mit  dem  Gebrauch  des  Eisens  waren  in  America  Aexte  aus 
Kupfer  und  Messer  aus  Stein  im  Gebrauch  (bemerkt  Benzoni).  Die  Peruaner  verstanden 
nicht  das  Eisen  (Quillay)  zu  benutzen,  obwohl  sie,  wie  Garcilasso  zufügt,  die  Minen 
desselben  kannten.  Im  Chiludugu  findet  sich:  ferrum,  panillhue ;  cupnim,  cumpanillhue 
(in  der  allgemeinen  Bezeichnung  für  Metall,  wie  Quillca  nördlicher,  unter  Parlicnlarisirung 
des  Kupfer). 

')  Ferro  metallisque  aliis  carent,  sed  pro  ferro  bestiarum  pisciumve  d?ntibus  suas 
sagittas  armant  (s.  Americus  V^espucius)  die  Charaibi   (in  Parias). 


STEININSTRUMENTE.  591 

milco.  Bei  den  Irokesen  wurden  die  Töpfe  durch  Frauenhände  gefertigt 
(und  so  vielfach).  Der  dem  heissen  Wasser  widerstehende  Firniss 
der  llolzgefässe  in  Pasto  wird  ans  dem  Baumharz  Mopamopa  bereitet. 

Von  den  Steinfigurcn  in  Tiahuanaco  (so  vollendet  in  der  Mus- 
kulatur oder  Ausführung,  „qu  on  eust  dit  qu'  un  Pygmaleon  on  Lysippc 
y  eussent  mis  jadis  la  main ')  waren  die  einen  nackt,  die  anderen  be- 
kleidet (s.  Thcvet).  Die  Spiegel  wurden  aus  Galinazo-Stein  (Obsidian) 
oder  dem  Incastein  (glänzendem  Pyrites)  gefertigt  (s.  Schneider). 
Die  Caripunas  oder  Jurinas  am  Amazonas  schnitzten  Holzsessel  in  Thicr- 
form  (am  Rio  Negro  und  Amazonas).  Die  Peruaner  legten  ihre  Kinder 
,,dans  des  berceaux  de  bois,  sur  des  rets,  au  lieu  de  licts"  (s.  de  Lact). 

In  peruanischen  Gräbern  werden  (ähnlich  afrikanischen  Agrics) 
blaue')  Schmelzperlen  gefunden  in  länglicher  Form  (wie  in  den 
ägyptischen)  und  so  auch  sonst. 

Unter  den  peruanischen  Steinhammern  kommen  vielfach  besondere 
Formen  (Quito's)  mit  überstehenden  Griffen  vor.  Steinerne  Morgen- 
sterne blieben  neben  den  Kupfernen  im  Gebrauch. 

In  den  östlichen  Andesthälern,  wie  in  den  ferneren  Theilen  Süd- 
amerika's,  wo  nicht  die  Bronze  der  Culturländer  Peru 's  und  Mexicos  er- 
reicht war,  dauerte  das  Steinalter  bis  zur  Conquista  vor,  und  auch  nach 
derselben,  konnte  es  durch  die  Noth  wieder  aufgedrängt  werden,  wie  bei 
den  Buschnegern,  von  denen  Riemer  erzählt.  Als  sie  an  dem  Sara- 
niakka-PMuss  vor  den  Verfolgungen  in  das  Innere  Surinames  sich  hin- 
einzogen, begann  das  Schiesspulver,  bald  auch  die  übrigen  Instrumente, 
zur  Herstellung  von  Waffen  zu  fehlen  und  dieser  Mangel  nöthigte 
sie  endlich  aus  dem  härtesten  Kieselstein  eine  Art  Beil  zu  verfertigen, 
welches  aber  nur  unter  unglaublichen  Beschwerden  und  Mühen  zu 
Stande  gebracht  werden  konnte  (1800). 

Nach  Las  Casas  waren  10  bis   15  Obsidianmesser^)  zum  Rasiren 


*)  The  glass  beatls  (of  the  Mandans)  were  unirornily  of  one  colour,  a  bright  blue, 
and  were,  like  their  poltery,  sold  to  thc  suirounding  trihcs,  at  veryhigh  prices.  And  the 
proccs<<  of  making  ihem  was  so  jealously  guarded,  thal  to  the  day  of  their  destniction, 
not  even  thc  Fur-Traders  could  obtain  it  from  them  (s.  Catlin),  ,,in  shape  and  colour"  wie 
<lie  in  Wales  (found  in  the  tumuli  and  also  in  the  progress  of  manufacture).  Bei  den  Clatsop 
bilden  die  Tiacomoshack  or  chiefs  beads  (blauer  Farbe)  „the  article  lieyond  all  price  in 
their  esliniation"  (s.  Lewis  und  Clarke).  Ebenso  im  Handel  am  untem  Columbia  ,,the  blue 
beads  ,  which  are  calied  Tia  commashuk  (chief  beads)  hold  the  first  rank  in  their  ideas 
(»f  relative  value"  (1806). 

')  Die  Obsidianmesser  wurden  mit  einem  (am  Anfang  durch  Anbindung  eines  andern 
Stückes  beschwerten)  Stocke  durch  Aufdrücken  mit  tler  Brust  von  dem  zwischen  den 
Füssen   gehalteneji  Stein  abgesplittert  (in  Mexico»)  ,,y  despues  en  la  muela  la  agucasen  y 


592  RELIGION   UND   SITTE. 

nöthig.  Nach  Tylor  benutzten  die  Spanier  noch  die  Obsidianmesser 
zum  Aderlass^).  Die  Herstellung  der  Obsidianmesser  durch  drückendes 
Abstossen  wird  bei  Mendieta  beschrieben  (ebenso  bei  Torquemada). 

Peter  Martyr,  erzählt  dass  er  eine  von  Columbus  mitgebrachte 
Streitaxt^)  (dunkel  grüner  Farbe)  in  der  Befestigung  an  einen  Holz- 
griff auf  Eisen  probirt,  und  dieses  eingeschnitten  habe,  ohne  den 
Stein  zu  verletzen  (und  mit  solchen  Instrumenten  *%ei  Stein,  sowie 
Gold  und  Silber  bearbeitet). 

Die  Aexte  am  Marafton  waren  aus  Schildkrötenschalen  (im  Rauch 
getrocknet  und  durch  Steine  geschärft)  oder  aus  Stein  gearbeitet 
(s.  Acufta)  unter  Einfügung  des  Kinnbackens  des  Vegebuey  als  Griff 
(die  Meissel  aus  Thierzähnen).  In  Tomala  (von  einer  Frau  beherrscht) 
diente  als  Waffe,  una  macana,  ä  manera  de  porra,  llena  de  puntas 
de  piedras  pedernales  (zu  Guzman's  Zeit).  Zum  Aushöhlen  des  aus 
zwei  Hälften  zusammengesetzten  Blasrohres  bedienten  sich  die  Panes 
am  Igarape  (Nebenfluss  des  Teffe)  des  Schneidezahns  des  Paca  und 
Cutia  (s.  Bates). 

In  Peru  war  es  dem  Volke  bei  Todesstrafe  verboten^),  mehr 
als  eine  Frau  zu  heirathen,  während  die  Vornehmen  neben  der  Haupt- 
frau Concubinen  haben  durften,  um  Edle  und  Krieger  zu  zeugen. 
Die  Heirathen  wurden  durch  die  Beamten  für  die    dazu   Tauglichen 


iiltimamente  la  diesen  nniy  delgados  filos  en  las  piedras  de  afdar  (s.  Torquema<la). 
Pican  ,  alisan  y  amoldan  la  piedra  con  piedra.  La  niejor  y  mas  fuerte  piedra  con  cjue 
labran  y  cortan ,  es  pedernal  verdinegro.  Tambien  lienen  Achas ,  Barrenas  y  Escoplos 
<lo  Cobre  mesclado  con  Oro  6  Plata  6  Kstafio ,  con  palo  sacan  piedra  de  las  canteras  y 
con  palo  bacen  navajas  de  azabache  y  de  olra  mas  dura  piedra  (s.  (lomara)  in  Mexico, 
Ina  piedra  labran  con  otra  (die  Mexicaner)  weil  obne  Werkzeuge  (s.  Mololinia).  Ibar- 
gacen  y  Veira  brachte  von  seiner  Expedition  nach  dem  Dorado  etwas  Gold  zurück  und 
,,lres  hachas  de  piedra,  que  solo  ellas  muestran,  que  aunque  aquellas  gentes  son  barbaras, 
no  les  falla  ingenio". 

*)  In  Darien  wurde  mit  kleinen  Pfeilen  auf  den  Kranken  zum  Aderlass  geschossen 
(nach  Lionel  Wafer)  und  einen  zum  Aderlass  an  Thieren  verwandten  Pfeil  brachte  der 
Reisende  Hildebrand  aus  Ostafrika  (jetzt  im  Königlichen  Museum  Berlin's). 

*)  Die  Escultores  de  canten'a  (in  Mexico)  arbeiteten  ,,con  guijarros  6  pedeniales,  tan 
prima  y  curiosamente  como  en  nuestra  Caslilla  los  nniy  buenos  oficiales  con  escodas  y 
picos  de  acero"  (s.  Mendieta).  Son  los  tributarios  d  eslos  Tupinamb.is  de  hachas  de 
piedra,  para  el  desmonte  de  los  arboles  (die  Mutayces)  am  Marafion  (s.  Rodrigue/). 
König  Nidung  gewinnt  die  Schlacht  durch  den  Siegesstein,  wie  ihn  Signrd  am  Halse 
hängen  hat  (in  Didrik  von  IJern's  Saga).  So  in  Peru  (nach  der  SchlaclU  mit  den 
Chancas). 

')  Casabase  el  SeAor  con  muger  de  su  propia  casta  (in  Mistekn)  in  der  Königs- 
familie (s.  Herrera).  Bei  den  Huachipairis  (am  Ccosni|)ata  und  Pilcopata  bis  Marcapata) 
heisst  die  Frau  Mulo-chinani  (s.  Göhring). 


EHE.  593 

bestimmt.  Ueber  Geburts-  und  Sterbelisten  wurde  Controlle  gefuhrt, 
„daban  menuda  cuenta  de  los  que  habian  nacido  y  muerto,  de  los 
ganados,  y  de  las  sementeras"  (s.  Herrera). 

Die  erste  Frau,  als  legitime  (oder  Mamanchie)  wurde  von  der 
Gemeinde  gegeben,  weitere  konnten  aber  nur  als  Geschenk  des  Inca 
hinzugenommen  werden,  als  Belohnung  (oder  durch  Erbschaft  von 
Vätern  oder  Brüdem).  In  Peru  „durfte  nur  in  derselben  Landschaft 
oder  Stadt  geheirathet^)  werden,  wie  bei  den  Stämmen  Israels." 

In  Guamachuco  (wo  die  Sage  die  Guachemines  vernichtet  werden 
lässt)  lebten  die  Indianer  vor  der  Vermählung  mit  der  Ausgewählten 
auf  Probe.  Bei  den  Guachichiles  (in  Jalisco)  hatte  der  Mann  das 
Recht,  seine  Frau  zu  verlassen,  wenn  sie  nicht  schwanger  wurde. 
Der  Caribe  meidet  die  Verwandten  seiner  Frau. 

Bei  der  Hochzeitsceremonie  ^)  zo*g  der  Bräutigam  der  Braut 
Sandalen  (llanquisi)  an  (in  Peru).  Zu  heirathen  war  erst  nach  dem  i8. 
Jahre  erlaubt  (s.  Montesinos).  Int;-Capac  hätte  die  Ehe  den  Männern 
bei  26  Jahren  oder  (nach  Salcamayhua)  bei  30  Jahren  obligatorisch 
gemacht,  sowie  für  fünfzehnjährige  Mädchen.  Sonst  wurden  am  Jahres- 
tage die  Jünglinge  von  24  Jahren  und  die  Mädchen  von  18  Jahren  zur 
Verheirathung  vertheilt  (von  den  Curacas)  und  es  war  verboten,  „extra 
provincias  aut  cognationes  nubere"  (Der.  Thronfolger  war  mit  seiner 
Schwester  von  einer  andern  Frau  des  Königs  zu  vermählte). 

Die  Ehe  mit  ihrer  Schwester  (anderer  Mutter)  wird  den  Inca 
zur  Erhaltung  des  reinen  Sonnenblutes  zugeschrieben.  Vor  der  Ver- 
heirathung wurde  der  Inca  als  Auqui  bezeichnet  (die  legitimen  Töchter 
als  Nustas),  die  Königin  als  Coya,  die  Concubinen  als  Mamacunas 
(Mamaconas)  oder  (wenn  blutsverwandt)  Pallas. 

Die  Huren  (Pampauruna  oder  Pampayruna)  mussten  ausserhalb 
der  Städte  wohnen  (in  Peru). 

Der  Cacique  in  Puno  lie.ss  die  Hüter  seiner  Frauen  nicht  nur  ent- 
mannen, sondern  ihnen  auch  Nase  und  Lippen  abschneiden,  damit  sie 
nicht  verführerisch  aussähen  (s.  Oviedo).  Die  Frauen  in  den  Klöstern 
Perus  wurden  von  Eunuchen  gehütet  (nach  Diego  de  Molina). 

Nur  der  Inca,  als  Punchao  (Sohn  der  Sonne),  konnte  das  Haus 
der    Mamaconas    (als  Aufseherinnen  der  Jungfrauen)   betreten.     Ata- 

*)  El  novio  y  la  novia  tciüan  que  ser  del  mismo  pueblo  6  ayllu  y  de  la  misma  clase 
6  dignidad  (unter  den  Incas).     Die  Verwandten  besorgten  die  Wohnung. 

')  Nach  der  von  Cordesius  a  Veriraund  an  Kaiser  und  Reichsfürsten  •gerichteten  Vor- 
stellung (in  Danzig),  hatten  sich  die  Jünglinge  im  24.,  die  Jungfrauen  im  18.  Jahr  zu 
verheirathen  (1700). 

Bastian:  America*  I.  ^ 


594  RELIGION  UND  SITTE. 

hualpa  wurde  durch  Frauen,  nicht  durch  Männer  böäient,  bemerkt 
"Enriquez  de   Guzman  (wie  die  Potentaten  von  Dahomey  und  Siam). 

Zum  Unterschied  von  den  Frauen  in  den  übrigen  Provinzen, 
hiessen  die  in  den  FamiHen  Cuzco's  Geborenen  ebenfalls  Pallas  mit 
ihrem  Ehrentitel  (der  sonst  auf  die  Frauen  des  Inca,  als  bevorzugte, 
beschränkt  bleibt). 

Bei  der  ersten  Menstruation^)  (Quicuchicuy)  wurden  die  Mädchen 
in  Peru  geschmückt  „con  ciertas  ceremonias  y  supersticiones".  Bei  den 
Nadowessiern  blieben  die  Frauen  während  ihrer  Reinigung  in  einem 
besonderen  Gebäude  abgeschlossen  (s.  Carver),  und  so  bei  Koloschen. 

Aus  Liebe  zu  seiner  Schwester  Mama-Oello  liess  Tupa  Yupanqui 
das  Verbot  der  Schwesterheirath  abschaffen  (meint  Velasco).  Auch 
herrschte  bereits  unter  dem  Abschluss  der  Bezirke^)  eine  Hinneigung 
zur  endogenen  Ehe,  obwohl,  bei  dem  staatlichen  Eingriff  der  Aus- 
wahl, die  Verwandtschaftsgrade  weder  für  noch  wider  in  Rechnung 
gezogen  werden  konnten. 

Alljährlich  wurden  von  den  Beamten')  in  jeder  Provinz  die  geeignet 
scheinenden  Mädchen  ausgesucht,  um  sie  in  die  Klöster  aufzunehmen 
wo  sie  (wie  in  den  Theehäusern  Japan  s)  bis  zur  Verheirathung  ver- 
blieben, und  bei  dieser  Verheirathung^)  wurde  dann  ebenfalls  zum 
richtigen  Paaren  eine  Art  Auswahl  getroffen,  doch  ward  später 
auch  der  individuellen  Neigung  einiger  Spielraum  gelassen,  wie  es 
sich,  abgesehen  von  dem  Drama  Ollantay-tambo's,  in  den  bei  Balbao 
aus  der  alten  Geschichte  Peru's  erhaltenen  (oder  doch  damit  ver- 
knüpften) Liebesgeschichten  zeigt  (und  in  Marmontel's  Romanisirung). 

Von  Inca  Pachacutec  wurde  ein  Gesetz  erlassen,  dass  Niemand 
ohne    Einwilligung    seiner    Eltern,    sowie    der  Eltern    des  Mädchens 


*)  On  thc  first  signs  of  puberty  the  girl  (of  the  Uaupes  on  the  Amazon)  is  kept 
secliided  for  a  month.  She  is  then  brought  out  pcrfectly  naked  into  the  midsl  of  thc 
relatives  and  friends,  when  each  person  gives  her  5 — 6  blows  with  the  nipo  (an  elastic 
climber)  across  the  back  ad  breast,  tili  she  falls  senseless.  If  she  recovers,  it  is  rcpcated 
four  times,  at  intervals  of  6  hours  (s.  Wallace).  Bei  den  Campos  am  Ucayali  werden 
die  mannbaren  Mädchen  beschnitten.  Nach  Veigl  fand  sich  bei  den  Panos  Beschneidung 
der  Mädchen. 

•)  In  Peru  hatten  Alle,  (wie  die  Stämme  Israel),  bemerkt  Garcilasso  de  la  Vega, 
innerhalb  desselben  Wohnsitzes  und  derselben  Verwandtschaft  zu  heirathen,  damit  die  Ge- 
schlechter sich  nicht  mischten. 

')  A  ningun  padre  era  licito,  negar  sus  hijas,  quando  el  Appopanaca  se  las  pedia, 
para  encerrarlas  en  los  monasterios  (Acllaguaci)  in  Peru  (s.  J.  de  Acosta).  AUi  salian 
para  casarse  (nkch  einem  Jahr),  wie  aus  den  Theehäusern  Japans. 

*)  Bei  den  Itonamas  werden  die  Kinder  bereits  bei  der  Geburt  verlpbt  und  jung  ver- 
mählt (s.  d'Orbigny). 


GEBURT.  595 

heirathen  dürfe,  und  ohne  diese  Bedingungen  vollzogene  Vermäh- 
lungen als  ungültig  zu  erklären  seien  (berichtet  Blas  Valera). 

In  Manta  wurde  die  Braut  zuerst  den  Freunden  und  Verwandten 
des  Bräutigams  übergeben  (s.  Garcilasso).  In  Guamachuco  ^yurden 
die  Frauen  erst  auf  Probe  (Pantanaco)  genommen  für  etwaigen 
Wechsel,  und  der  Vater  setzte  vorher  dem  künftigen  Schwiegersohn 
alle  Fehler  und  Untugenden  seiner  Tochter  auseinander. 

Bei  den  Cayuvavas  bleibt  der  Wittwer  einen  Monat  eingeschlossen, 
um  kein  Unglück  zu  haben,  und  der  Ehemann  enthält  sich  während 
der  Menstruation  seiner  Frau  der  Arbeit  (s.  d'Orbigny). 

Bei  den  Chiriguanos  wird  nach  einer  Geburt  der  Mann  von  der 
Frau  in  der  Hängematte  verpflegt.  In  Cartagcna  legte  sich  beim 
Gebären  seiner  Frau  der  Mann  ins  Bett  (s.  Speckbacher).  Bei  den 
Quaraniern  fastete  der  Ehemann  bei  der  Geburt  (s.  Charlevoix). 
Bei  den  Abiponen  hütete  der  Mann  bei  der  Geburt  das  Bett  (s.  Do- 
brizhoffer).  Bei  den  Caraiben  fastete  bei  der  Geburt  der  Ehemann 
im  Bett  (s.  Labat),  und  so  die  andern  Beispiele  deu*  Couvade').  "Bei 
den  Maypures  fand  sich  Polyandrie  (die  auch  sonst  americanische 
Analogien  zu  denen  der  alten  Welt  besitzt). 

Als  eine  Frau  in  Cojatambo  Zwillinge  gebar,  wurde  ihr  als 
Busse  auferlegt,  zehn  Tage  ohne  Bewegung  auf  Händen  und  Knieen 
(auf  den  vier  Füssen)  zu  bleiben  (nach  Arriaga).  Zwillingsgeburten, 
weil  ungünstig,  legten  den  Eltern  Fasten  auf. 

Während  der  Säugezeit  hatte  sich  die  Mutter  (in  Peru)  des  ehe- 
lichen Beischlafes*)  zu  enthalten,  weil  sonst  das  Kind  als  Ayusca 
(Wechselbalg)  hinsiechen  würde  (bemerkt  Garcilasso  de  la  Vega). 

Nach  dem  Waschen  des  Neugebornen  wurde  dasselbe,  in  Binden 
aufgewickelt,  durch  ein  Netz  an  einer  Brettwiege  befestigt. 

Beim  Entwöhnen  der  Kinder^)  wurde  das  Haar  (mit  geschärften 


^)  Die  Kinder  nare  indebted  lo  the  father  for  their  souls,  the  invikible  part  of  their 
essence,  and  to  the  mother  for  thetr  corporeal  and  apparent  part"  (bei  den  Naudowessiem), 
weshalb  der  Name  von  der  Mutter  genommen  wird  (s.  Carver). 

')  Ordenaba  tambien  que  cuando  se  aprocsimaba  el  tiempo  de  parir,  que  se  abstu- 
viesen  del  acto  camal  (die  Hebamme  in  Mexico).  Wenn  eine  Frau  die  ersten  Zeichen 
der  Schwangerschaft  fühlt,  so  enthält  sie  sich  des  weiteren  Verkehrs  mit  dem  Manne  und 
bleibt  ihm  auch  einige  Monate  nach  der  Entbindung  fem,  während  der  Mann  in  seinem 
Club  (Bai-bai)  Geliebten  findet  (nach  Yap).     Aehnlich  in  Africa. 

')  Llamabase  rico  el  que  tenia  hijos  y  fanülia  que  le  ayudaban  k  trabajar  para  acabar 
mas  afna  el  trabajo  tributorio  que  le  cabia,  y  el  que  no  la  tenia,  aunque  fuese  rico  de 
otras  cosas,  era  pobre  (in  Peru).  Durch  die  Lex  Julia  et  Papia  Poppaea  wurden  Prämien 
auf  Ehe  und  Kinderzeugen  gesetzt. 

38* 


596  RELIGION  UND  SITTE. 

Steinen)  abgeschoren  und  ein  Name  gegeben  (im  zweiten  Jahr). 
Während  der  kalten  Waschungen  des  Kindes  (wobei  das  Wasser 
höchstens  im  Mund  der  Mutter  erwärmt  wurde),  blieb  der  Scheitel 
des  Kopfes  unbenetzt,  weil  er  nicht  berührt  werden  durfte  (wie 
Garcilasso  de  la  Vega  sagt). 

Gleich  nach  der  Geburt  schnitten  die  Hebamme  dem  Kinde 
die  Nabelschnur  ab,  vergrub  die  Nachgeburt,  und  badete  das  Kind, 
wobei  sie  zu  ihm  sagte:  „Nimm  dieses  Wasser  hin,  denn  die  Göttin 
Chalchiuhcueje  ist  deine  Mutter.  Möchte  dieses  Bad  dich  von  allen 
im  Mutterleibe  empfangenen  Unreinigkeiten  säubern,  dein  Herz  reini- 
gen und  dir  ein  gutes  und  vollkommenes  Leben  schaffen"  (in  Mexico). 

Lös'ten  die  Peruaner  das  Neugeborene  von  der  Nabelschnur, 
so  Hessen  sie  ein  fingerlanges  Stück  stehen,  das,  nach  dem  späteren 
Abfallen,  aufbewahrt  wurde,  um  in  Krankheitsfallen  zum  Säugen  ge- 
geben zu  werden  (s.  Vega).  Bei  den  Passe's  bleibt  der  Vater  fastend 
in  der  Hängematte  bis  dem  Säugling  die  (mit  Zähnen  oder  Steinmesser 
eingerissene)  Nabelschnur  vertrocknet  abfallt.  Die  Körner  der  Maisähre, 
auf  welcher  die  Nabelschnur*)  des  Kindes  abgeschnitten  war,  wurden 
gesäet,  und  die  Ernte  in  drei  Theile  getheilt,  einen  für  den  Wahr- 
sager, den  andern  um  dem  Kinde  ein  Mus  zu  kochen,  und  der  dritte 
wurde  aufbewahrt,  um  von  dem  Kinde,  wenn  erwachsen,  selbst  ge- 
säet zu  werden.  Die  Indianer  von  Puerto  Viejo  benannten  die  Kinder 
nach  den  Tagen  der  Woche  und  hielten  den  Tepipichinche  genannten 
Tag  heilig.  Beim  Namengeben  wurde  dem  Kinde  zu  Ehren  Ataguju's 
der  Kopf  gewaschen.  In  Yunca  (s.  Carrera)  bezeichnet  Cholu  einen 
Knaben  (China  im  Quechua  das  Weibliche).  Während  hua,  im  Nahu- 
altl,  alt  meint,    ist  im  Quechua  huahua  das  Kind    (Allpa  die  Erde.) 

Bei  der  Huarca  oder  Pacto  genannten  Ceremonie  des  Haar- 
flechtens  wurden  den  Kindern  (in  Peru)  neue  Namen  gegeben  (s.  Vil- 
lagomez).  Dem  (getauften)  Kinde  wurde  beim  Namengeben  eine 
Rede  zur  Belehrung  gehalten  (in  Guamachuco).  Beim  Namengeben 
wurden  den  Kindern  Nägel  und  Haare  abgeschnitten,  bald  um  sie 
zu  bewahren,  bald  um  sie  der  Sonne  zu  opfern  (in  Peru). 

„Gleich  wie  die,  so  in  Krieg  oder  andern  administrationen  wol 
gedienet  ein  Praeminentz  und  Vorzug  hatten,  und  ihnen  Landschafften, 
Wappen,  Weiber  vom  Geschlecht  der  Ingas  gegeben  werden,  also 
Straflft  man  auch  hergegen  die  Ungehorsamen  und  Uebertreter  sehr 

*)  Nach  dem  Abschneiden  des  Nabelstranges  wurde  eine,  Nabel  des  Yautl  oder  Tapferen 
(el  ombligo  del  Yautl)  genannte,  Speise  von  hereingerufenen  Knaben  (die  rasch  zu  ent- 
fliehen hatten)  gegessen  (wie  sonst  der  Abschneider  flieht,  nach  Wegwerfen  des  Messers). 


VERWANDTSCHAFT.  597 

hoch.     Mord  und  Diebstahl  ward  mit  dem  Tode  gestrafft.     Ehebruch, 
Bludschand  in  descendente,  ascedente  oder  linea  recta,   Straffen    sie 
ebenmässig  mit  dem  Todt.     Doch    hielt    man    das    fiir    keinen  Ehe- 
bruch, und  Blutschand,   wann  einer  schon  viel  concubinen  hatte,    so 
Strafft  man  auch  die  Weiber  nicht,  wann  man  sie  schon  bey  andern 
fände:    Sondern  das  war  bey  ihnen    ein  Ehebruch,    wann  einer  sich 
bey  eines  andern  rechtem  Eheweib  finden  liess,  damit  derselbe  einen 
rechten  Ehestand  fiihrete,  deren    ein  jedermann  mehr  nicht  als  eine 
zur    Ehe    nemmen    dorffte ,    welches    mit    sonderbaren    Ceremonien 
geschähe,  und  vast  auff  diese  weiss :  der  Breutigam  gieng  nach  ihrem 
Hauss  sie  mit  heim  zuführen,  und  thät  ihr  ein  Otoia  an  den  Fuss.  Otoia 
heissen    sie    ein    art  Schuh,    so    sie  daselbst  brauchten,    die    Gestalt 
sind  wie  Spanische  alpargaten,  oder  der  grawen  Mönch  Schuh,  und 
oben  offen  stehen.    Wann   die  Braut   ein  Jungfraw  war,  nahmen  sie 
Otoia  von  Woll,    wo  nicht,    so  nahmen  sie  Sparto,   darauss  man  die 
Feyenkörb   mache,    alle  andern  Weiber  musten  diese  ehren,    und  jr 
dienen.     Ein  Jahr   lang  trug  sie   schwartze  Trawerkleider,    wann  ihr 
der  Mann  starb,    nahmen  auch  in    einem  Jahr   keinen    andern.     Ge- 
meiniglich waren  sie  jünger    als  die  Männer.     Der  Inga    gab    seinen 
Landpflegern    und  Hauptleuthen    mit   eigener  Hand   die  Eheweiber. 
Die  Landpfleger   und  Cacique  versambleten    in    ihren  Stätten  junge 
Männer  und  Jungfrawen  auff  einen  Platz,  und  gaben  einem  jeglichen 
ein  Weib,  und  bestättigten  den  Ehestand  mit  angedeuten  Ceremonien, 
dass    ein   jeder   seiner  Braut    die  Otoia    anziehen  muste.     Wann  ein 
solches  Weib    bey    einem    andern  Mann    gefunden  wardt,    die  ward 
beneben    dem  Ehebrecher   am  Leben  gestrafft.     Und  ob  gleich  der 
Eheman  seinem  Weib  den  Ehebruch  nachliess,    ward    sie    doch    ge- 
strafft, aber  nicht  am  leben.     Eben  diese  Ordnung   hielte  man  auch 
in  der  Blutschandt,  alss  mit  Mutter,  Grossmutter,  Tochter  oder  Kindes- 
kindem.     Was  andere  Sipschafft   belangen    thäte,    wards  zugelassen, 
dass  man  sich  wohl  darunder  Verheyraten  dorffte,  und  ward  niemand 
als  nur  die    im    ersten  Grad    aussgeSchlossen.     Es  dorfft  sich  keiner 
an  seine    Schwester  vermählen,    dann   sie    hieltens    nicht    fiir    einen 
Ehestand.     Viel    in  Peru   haben  sich  betrogen,   indem  sie  dafür  ge- 
halten, die  Ingas  und  Herrn  möchten  ihre  Schwester  zur  Ehe  haben, 
obgleich  Mann    und  Weibspersonen   von    einem  Vatter    und    Mutter 
geboren  worden.    Aber  man  findt  in  der  Wahrheit,  dass  man  solches 
allweg  für  unehlich    gehalten,    und    dass    ein    solche  Ehe   verbotten 
gewesen,    welches  dann  biss   auff  Topa  Inga  Yupanguy  Vatter  von 
Guainacapa,   und  Grossvatter  von  Atagualpa,    zu  dessen  Zeiten  die 


598  RELIGION  UND  SITTE. 

Spanier  erstlich  in  Peru  kommen:  Vorgenannter  Topa  Inga  Yupanguy 
brach  solche  gewonheit,  und  nanic  zur  Ehe  seine  eigene  Schwester 
von  Vatter  und  Mutter,  Mamoello  genannt:  Welcher  Inga  diss  Ge- 
setz gab,  dass  sich  keiner  ausserhalb  die  Ingas  an  die  Schwestern 
bestatten  sollte.  Er  hat  einen  Sohn  Guainacapa  genannt,  und  eine 
Tochter  Coya  Cussilimay  mit  Namen,  dieselben  solten  einander  zur 
Ehe  nemmen  wie  er  dann  auflf  seinem  Todt  ordnet,  und  befahl  da- 
neben, dass  solchem  Exempel  fürnehme  Leuht  nachfolgten,  und  ihre 
Schwestern  von  dess  Vatters  Seiten  ehlichen  solten.  Gleichwie  aber 
ein  solcher  Ehestand  wider  die  Natur  war,  also  ordnet  es  auch  Gott, 
dass  die  Frucht,  so  davon  herkäme,  alss  da  waren  Guascar  Inga 
und  Atagualpa  Inga  sampt  ihrem  Regiment  balt  ein  Ende  bekamen. 
Wo  einer  von  der  Indier  in  Peru  Ehestand  sattern  und  vollkömmljchern 
Bericht  haben  will,  der  mag  lesen  den  Tractat,  so  Polus  auffbegeren 
Don  Hieronymo  de  Loaysa  geschrieben,  darinnen  er  viel  dieser  und 
dergleichen  Ding  finden  wird.  Hiermit  hat  man  vieler  Leuht  irrthumb 
abgeleinet,  die  nicht  können  wissen,  welches  der  Indier  Eheweib 
oder  Concubin  sey,  also  auch,  dass  sie  den  getaufften  Indiern  das 
rechte  Weib  abgeschafft,  und  Kebs  Weib  behalten.  So  haben  auch 
die  wenig  grund  gehabt,  welche  fürgeben,  dass  der  Ehestand  solt 
bestettigt  bleiben,  wann  schon  Bruder  und  Schwester  einander  zur 
Ehe  genommen.  Man  hat  aber  das  Gegentheil  in  dem  Prouincial 
Synodo  zu  Lima  verabscheidet,  denn  zu  solchem  Ehestand  haben 
die  Indier  nie  gefallen  gehabt". 

Bei  den  Inca  geht  die  Erbfolge^)  durch  die  Söhne  (oder  auch 
die  Brüder).  Unter  dem  Adel  galt  das  Neffenrecht  in  der  Erbfolge 
(nach  Gomara).  Bei  den  Scyri's  folgten  die  Neffen,  die  von  der  Ver- 
sammlung der  Grossen  zu  bestätigen  waren.  In  Riobamba  erbte  (nach 
Cieza)  der  Sohn  der  Schwester  (wie  in  Afrika  und  sonst).  In  Cumana 
^  erbte  der  jüngste  Sohn  der   Hauptfrau.     In  Puerto-viejo    erbte    nach 

'  dem  Sohn  der  Bruder  und  dann  der  Schwestersohn. 

In  der  Familie  Catari's  (Fürsten  aus  Quipocamayu  in  Cochabamba) 
war  (nach  Oliva)  die  Würde   seit   der   Zeit   der  Inga  erblich  (1635). 


')  Im  Allgemeinen,  wie  Garcilasso  bemerkt,  erbte  der  älteste  Sohn  (in  Peru),  doch 
fand  sich  bei  einigen  Curaca  der  Gebrauch,  dass  die  Söhne  in  der  Reihenfolge  erbten,  und 
erst  nach  dem  Tode  des  Jüngsten  wieder  der  älteste  Sohn  des  ältesten  Bruder's.  Die 
von  den  Nachkommen  des  Königs  Betzenuria  beherrschten  Guanches  auf  Tenerife  (Chineche 
oder  Vineche)  küssten  die  Füsse  des  Königs  oder  Quebehi,  der  sich  mit  seiner  Schwester 
oder  sonst  gleichgestellten  Frau,  vermählte,  nicht  ,,to  debase  his  family  by  a  mixture  of 
plebeian  blood"  (s.  Glas). 


BERAUSCHUNG.  599 

Der  legitime  Nachfolger  im  Inca- Reich  musste  nach  altem  Recht 
aus  der  Ehe  mit  der  Schwester  geboren  sein,  während  ausserdem 
andere  Vermählungen  statt  hatten. 

Die  Llipta  oder  Toccra,  als  der  alkalische  Zusatz,  mit  welchem 
die  in  dem  Chuspa  (Sack)  getragenen  Coca- Blätter  gekaut  werden, 
wird  aus  der  Asche  von  Chenopodium  Quinoa  bereitet  oder  aus  der 
Asche  von  Maisähren.  Zur  Inca -Zeit  wurde  die  Coca  nur  auf  be- 
schränkten Pflanzungen  gebaut,  und  eine  kleine  Quantität  schon  galt 
als  ein  werthvolles  Geschenk  des  Herrschers. 

Der  Rauschtrank*)  Vinapu  aus  Mais  (neben  dem  Kräutertrank 
Aca)  war  von  den  Inca  verboten,  ausser  bei  Festen,  wo  dem  Geringeren 
der  Becher  mit  der  linken  Hand,  den  Hohen  mit  der  rechten  Hand 
dargereicht  wurde. 

So  führt  Garcilasso  de  la  Vega  an,  dass  bei  den  Trinkfesten  der 
Wirth  zwei  Gefasse  hielt,  und  dem  Eingeladenen,  wenn  niedern  Standes, 
das  der  linken  Hand  überreichte,  wenn  gleichen  oder  höheren,  das 
der  rechten.  Der  Inca  (sentado  en  su  silla  de  oro  macizo  puesta 
sobre  un  tablon  de  lo  mismo)  Hess  erst  den  im  Kriege  Ausge- 
zeichneten credenzen,  dann  „ä  los  curacas  de  la  redondez  del  Cozco, 
que  eran  todos  los,  que  el  primer  Inca  Manco  Capac  reduxo  ä  su 
servicio",  und  die  von  der  heiligen  Hand  des  Fürsten  berührten  Ge- 
fässe  wurden  nachher  in  den  Tempeln*)  aufgestellt. 

Das  aus  Mais  bereitete  Bier  (Chicha)  hiess  Zara  oder  (im  Chin- 
chasuyu  Dialect)  Asica,  und  Aka  im  Quechua. 

Die  Bezeichnung  Chicha    soll,    wie  so  manche  andere,    aus  den 


*)  In  dem  bei  Rainusio  erhaltenen  Bericht  über  die  Eroberung  Mexico's  wird  neben 
dem  Cachanatle  (aus  Cakao-Bohnen)  genannten  Getränk  und  dem  aus  der  Maguey-Pflanze 
bereiteten,  ein  drittes  angeführt  ,,aus  den  Körnern  einer  Frucht  gemacht,  welche  Chicha 
heisst,  und  von  verschiedenen  Gattungen  und  Farbe  in  dem  Lande  vorkommt"  (s.  Rehfues). 
Ein  Mohawk  •  Häuptling  protestirte  (1754)  beim  Gouverneur  von  New  -  York  gegen  den 
Verkauf  von  Rum,  wodurch  Jung  und  Alt  vertilgt  würde.  Den  Caoi  genannte  Rausch- 
trank (die  Tapuyer)  ,,faciunt  ex  Acaijbae  arboris  fruclu  maturo".  Aus  der  Wurzel  Aipi- 
macaxera  wird  durch  Kauen  der  Rauschtrank  Aipy  hergestellt  oder  (nach  dem  Auf- 
sieden) Cavicaracu,  der  Pacobi  aus  der  Frucht  des  Baumes  Pacobete  oder  Pacobu^u,  der 
Abatii  genannte  aus  Mais,  Nanai  aus  der  Frucht  Nana,  der  Jetici  aus  Bataten  und  Tipiaci 
aus  Mandioca  (sowie  Beeulinguei,  Janipaba  u.  s.  w.).  Nach  Zurita  waren  bei  ange- 
strengten Arbeiten  zwei  Becher  gestattet,  den  Alten  auch  bis  drei,  und  ebenso  den 
Kranken  auf  ärztliches  Zeugniss,  sowie  (nach  Ortega)  den  Soldaten ,  während  diese  (wie 
Zurita  sagt,  einen  Ehrenpunct  darin  setzten,  nichts  Berauschendes  zu  trinken  (in  Mexico). 

')  Zu  Columban's  Zeit  brachten  die  Alemannen  Bier  in  Geschirren  zum  Opfer  dem 
Wodan  (Jonas) ,  und  aus  dem  heidnischen  Minnetrinken  erhielt  sich  die  Kristsminni  (bei 
den  Germanen).  Ausser  dem  Cam  genannten  Getränk  (aus  Gerste)  erhielt  Priscur  in 
Attila's  Lager  Melh  oder  Wein. 


600  RELIGION  UND   SITTE. 

Antillen  gekommen  sein,  doch  wird  dort  (in  Cuba)  wieder  die  Her- 
kunft vom  Isthmus  her  (der  Brücke  von  Südamerica)  angegebe^i.  Der 
aus  den  Früchten  des  Baumes  Malli  bereitete  Trank  wurde  oft  mit 
Maisgebräue  gemischt  (nach  Vega)  in  Pery ;  das  aus  dem  Uchu  (eine 
Art  Pfeffer)  bereitete  Getränk  war  (den  Peruanern)  in  den  Fasten 
verboten  (s.  Vega).  Die  Inca  überwachten^)  die  Verfertigung  berau- 
schender Getränke  (wie  vinapu  und  sora).  Unter  Berauschung  in 
Masato  (aus  Yuca  bereitet)  tanzen  die  Indianer  der  Pampa-del-Sacra- 
mento  beim  Siegesfest,  indem  sie  die  durch  Abziehen  der  Kopfhaut 
bereiteten  Masken  ihrer  Feinde  an  den  Haaren  halten,  und  sie  ver- 
höhnen (nach  Figueroa). 

Neben  der  Chirimija^)  (Flöte)  wurde  die  Antara  (Pansflöte)  oder 
(nach  Velasco)  Huyrampuru  gespielt.  Beim  triumphirenden  Einzug 
des  Inca  in  seine  Hauptstadt  wurden  die  Huali  (Siegeslieder)  ge- 
sungen. 

Bei  den  in  Masken  von  wilden  Thieren  aufgeführten  Tänzen  (in 
Huanuco)  wurde  das  Instrument  Succhar  (Sucha)  gespielt,  und  ebenso 
bei  den  Ayja  oder  Quaben  genannten  Tänzen.  In  den  verschiedenen 
Provinzen  Peru's  bewahrten    sich    nationale  Tänze  (nach  Garcilasso). 

Zum  Festesputz  wurde  der  Kopf  mit  dem  Chacrahinca  oder 
Huaman  genannten  Halbmonde  geschmückt,  sowie  mit  Rundscheiben 
(Tincurpa)  und  Federbüschen  (Huacras  oder  Yamta).  Velasco  unter- 
scheidet unter  den  Tänzen  (Tushuy)  den  Rundtanz  (Ruyru-Tushuy), 
Drehtanz  (Muyuy-Tushya),  Paartanz  (Tus-Hunacuy),  Einzeltanz  (Zapa- 
Tushyu),  Handtanz  (Tingui-Tushuy),  Kriegstanz  (Auca-Tushuy),  so- 
wie den  des  Pirurcuy  (danseur  ä  quatre  visages). 

Der  Mummenschanz  in  den  Tänzen')  mit  den  noch  bei  den  Arecunas 


*)  Ein  Adelicher,  welcher  so  viel  trank,  dass  er  von  Sinnen  kam,  ward  gleich  ge- 
hangen, und  der  Körper  in  den  See  oder  einen  Fluss  geworfen;  ein  Bürgerlicher  verlor 
zum  ersten  Mal  die  Freiheit,  zum  andemmal  das  Leben.  Auf  Befragen,  warum  das  Ge- 
setz gegen  die  Adelichen  strenger  wäre,  gab  der  Gesetzgeber  zur  Antwort :  dass  die 
Völlerei  bei  ihnen  um  so  strafbarer  sei,  weil  sie  verpflichtet  wären,  ein  gutes  Beispiel  zu 
geben  (s.  Clavigero)  in  Mexico.  ,,We  desire  that  you  will  be  pleased  to  prohibit  the 
selling  of  Rum",  heisst  es  in  der  Zuschrift  ,,of  the  chief  Sachims  of  the  five  nations ,  to 
his  Excellency  Benjamin  Fletcher  in  Albany"  (1692). 

')  Die  Flöte  (Huayllaca  in  Peru  oder  Khena  in  Bolivien)  entspricht  der  Guamo  in  Cuba. 
Tuvieron  flautas  de  4  ö  5  puntas,  como  las  de  los  pastores,  no  las  tenian  juntas  en  con- 
sonancia,  sino  cada  una  por  si,  porque  no  las  supieron  concertar,  por  ellas  taftian  sus 
cantares  compuestos  en  verso  medido  (s.  Garcilasso  de  la  Vega) 

•)  La  danse,  appelee  generalement  Tushuy,  se  subdivisait  en  plusicurs  sortes.  Ainsi 
on  entendait  par  Tus-Hunacuy,  une  danse  entre  un  homme  et  une  femme;  Rusjru- Tushuy 
sig^ifiait  une  ronde;    Muyuy- Tushuy    d^signait  une  danse  dans  laquelle  on  se  tenait  par 


SPIELE.  601 

gebräuchlichen  Maskirungen,  hat  sich-  bis  in  die  christliche  Zeit 
erhalten.  Um  den  bösen  Jurupori  zu  verscheuchen,  tanzen  die  Tecu- 
nas  in  Maskenkleider.  Zur  Tanzmusik  „wussten  sie  ihre  Füsse  lang- 
sam zu  bewegen,  und  die  Verrichtungen  der  Schäfer,  Fischer,  Acker- 
leute glücklich  darzutuhn;  zuweilen  hüpften  sie  vermumt  mit  Teufels- 
masken" (die  Mexicaner). 

Unter  den  Spielen  wird  das  Ballspiel  erwähnt.  CincuChuncay 
(mit  dem  Schlagbrett)  und  Huayrachina  (als  Handball).  Dann  das 
Rathespiel  oder  Huatucay  (im  Endmonat  Puchuc-Quilla)  und  das 
Knöchelspiel  (Huayru).  Juegan  con  un  solo  dado  de  cinco  puntos, 
que  no  tienen  suerte,  bemerkt  Gomara  von  den  Peruanern.  Zum 
Spiel  Misha  dienten  bunte  Saamen.  Die  Araucanier  kannten  das 
Schachspiel  (Comälcan)  seit  alter  Zeit  (nach  Molina).  Neben  dem 
Brettspiel  PatolH  (in  Mexico)  wird  (s.  Bernal  Diaz)  das  Spiel  Toto- 
loque  (das  Montezuma  in  seiner  Gefangenschaft  mit  Cortez  gespielt) 
erwähnt,  indem  mit  goldenen  Kügelchen  nach  den  als  Einsatz  auf- 
gestellten Juwelen  geworfen  wurde. 

Auf  dem  Hügel  Carmenca  (bei  Cuzco)  fand  sich  ein  astronomisches 
Observatorium*)  (nach  Cieza).  Die  Solstitien  wurden  (bei  Cuzco)  durch 

la  main;  Auca-Tushuy  ^tait  une  danse  militaire  avec  des  armes;  Zapa-Tushuy  une  danse 
d'unc  seule  personne",  etc.  Unter  den  Musikinstrumenten  ,,les  plus  communs  etiles  plus 
g^neralement  r^pandus  etaient;  les  Chilchiles,  esp^ces  de  sonnetles  ou  de  grelots,  avec 
lesqucls  ils  faisaient  un  grand  bruit;  le  Cuybi,  flageolet  compos^  decinqnotes;  la  Tinya, 
esp^ce  de  guitare;  la  Huyrampuru,  esp^ce  de  flute  de  pan;  la  Pingullu  ou  flute;  la 
>Iuay1laco,  grande  flute;  le  Huencari,  petit  tambour  pour  faire  danser;  la  Qquipa,  trom- 
pette.  Tous  ces  instniments  Etaient  de  diverses  grandeurs  et  faits  de  bois,  de  roseaux, 
de  calebasse,  d'os  ou  de  mctal  (s.  Velasco). 

*)  An  Festsagen  bekleben  sie  den  I^ib,  vermittekt  eines  Harzes,  mit  kleinen  Stücken 
dünner  Strohmatten  in  verschiedenen  Farben,  nach  ordentlich  gewählten  Mustern  (in 
Guiana).  Das  Bestreuen  mit  Federschmuck  des  bemalten  Körpers  hiess  (bei  den  Tapuyem) 
Acamongui  (s.  Marcgrav).  Die  Haidah  bestreuten  den  Gast  bei  den  Tänzen  mit 
Schwanen  federn. 

')  Tambien  alcanzaron  los  equinocios  y  los  solemnizaron  muy  mucho.  £n  el  de 
Marzo  segaban  los  maizales  del  Cozco  con  gran  flesta  y  regocijo,  particularmente  el 
Anden  de  Collcampata,  que  era  como  jardin  del  sol.  En  el  equinocio  de  Septiembre 
hadan  una  de  las  quatro  fiestas  principales  del  sol,  que  llamaban  Citua  Raymi,  quiere 
decir  ficsta  principal  que  se  celebraba,  como  en  su  lugar  diremos.  Para  verificar  el 
equinocio  tenian  columnas  de  piedra  riquisimam^te  labradas,  puestas  en  los  patios  6 
plazas  que  habia  ante  los  templos  del  sol :  los  sacerdotes  quando  sentian  que  el  equinocio 
estaba  cerca,  tenian  cuidado  de  mirar  cada  dia  la  sombra  que  la  columna  hacia.  Tenian 
las  columnas  puestas  en  el  centro  de  un  cerco  redondo  muy  grande  que  tomaba  todo  el 
ancho  de  la  plaza  6  del  patio;  por  me^io  del  cerco  echaban  por  hilo  de  Oriente  a  po- 
niente  una  raya  que  por  larga  experiencia  sabian  dönde  habian  de  poner  el  un  punto  y 
el  otro.  Por  la  sombra  que  la  columna  hacia  sobre  la  raya,  veian  que  el  equinocio  se 
iba  acercando;    y  quando    la   sombra   tomaba  la  raya  de  medio  k  medio  desde  que  saliJi 


602  RELIGION  UND  SITTE. 

acht  Thürme  im    Osten  und  acht  Thürme  im    Westen    (grosse    und 
kleine  miteinander  wechselnd)  beobachtet. 

Die  Succanga  oder  (nach  Squier)  Rucana  genannten  Säulen*) 
standen  in  der  Zwölfzahl  auf  den  Hügeln  um  Cuzco,  um  die  Monate 
des  Jahres*)  durch  ihre  Schatten  zu  bezeichnen,  und  die  dazuge- 
hörigen Feste  zu  erhalten  (s.  Acosta).  Aehnlich  in  Quito  (bei 
Velasco).  Bei  Ollantay  tambo  findet  sich  der  Stein  Yntihuatana 
(zur  Beobachtung  der  Sonne).  Der  von  Inti-Capac  eingeführte  Jahres- 
cyklus  hiess  Capachoata  oder  Inti-phuatan,  womit  Montesinos  das 
grosse  Sonnenjahr  von  looo  Jahren  (Cyclen  von  loo  Jahren  und  von 
lO  Jahren  einschliessend)  bezeichnet. 

Die  Peruaner  schrieben  den  Sternen,  unter  denen  besonders  die 
CoUca  (Cabrillas)  verehrt  wurden,  verschiedene  Aemter  zu,  u  nd  der 
Hirte  verehrte  im  speciellen  die  Urcuchilla's  (Lira)  oder  buntes  Schaf, 
(Lama)  wodurch  die  Heerden  geschützt  wurden.  Seinen  Begleiter 
(Catuchillay  oder  Urcuchillay)  wurde  als  Schaf  oder  Schafbock  be-  ' 
trachtet.  Der  Stern  Machaucay  schützte  gegen  Schlangen,  der  Stern 
Chuquichinchay  gegen  Tieger  und  Bären.  Ebenso  fanden  die  Sterne 
Chacana,  Topatorca,  Mamana,  Mirco,  Miquiquiray  Verehrung  (s. 
Acosta). 


el  sol  hasta  que  se  ponia,  y  que  k  mediodia  bafiaba  la  luz  del  sol  toda  la  columoa  en 
derredor  sin  hacer  sombra  k  parte  alguna,  decian  que  aquel  dia  era  el  equinocial.  En- 
tonces  adoroaban  las  columuas  con  todas  las  flores  y  yerbas  olorosas  que  podian  haber, 
ponian  sobre  ellas  la  silla  del  sol,  y  decian  que  aquel  dia  se  asentaba  el  sol  con  toda 
SU  luz  de  Ueno  en  Ueno  sobre  aquellas  columnas.  Para  verificar  el  solsticio,  se  ponia  un 
Inca  en  cierto  puesto  al  salir  del  sol  y  al  ponerse,  y  miraba  k  ver  si  salia  y  ponia  per 
entre  las  dos  torres  pequeiias  que  estabau  al  Oriente  y  poniente:  y  con  este  trabajo  se 
certificaban  en  la  astrologia  de  sus  solsticios.  Pedro  de  Cieza,  capttulo  noventa  y  dos, 
hace  mencion  de  estas  torres  (ebenso  Acosta)  und  (nach  Velasco)  in  Quito,  dessen  Lage, 
fast  unter  dem  Aequator,  jener  Schattenlosigkeit  näher  entsprach.  Cuanto  mas  acercaban 
la  linea  equinoctial,  tanto  menos  sombra  hacia  la  columnä  al  mediodia. 

*)  The  Spanish  conquerors  threw  down  these  pillars,  as  savouring  of  idolatry  in  the 
Indians.  Which  of  the  two  were  best  entitled  to  the  name  of  Barbarians?  (fragt 
Prescott).  Acht  Thürme  werden  im  Osten,  acht  im  Westen  angegeben,  als  i6  im  Ganzen 
oder  (nach  Acosta)  zwölf  (vier  bei  Betanzos). 

*)  As  their  lunar  year  would  necessarily  fall  short  of  the  true  time,  they  rectified 
their  calendar  by  solar  observations  made  by  means  of  a  number  of  cylindrical  columns 
raised  on  the  high  lands  round  Cuz^  ,  which  served  them  for  taking  azimuths ,  and  by 
measuring  their  shadows  they  ascertained  the  exact  times  of  the  solstices.  The  period 
of  the  equinoxes  they  determined  by  the  help  of  a  solitary  gnomon,  placed  in  the  centre 
of  a  circle ,  which  was  described  in  the  area  of  the  great  temple  and  traversed  by  a 
diameter  that  was  drawn  from  east  to  west  (s.  *Prescott).  Mit  der  Säule  des  Inü-Huataua 
bestimmten  die  Peruaner  ,,the  periods  of  the  solstices  and  the  arrival  of  the  sun  in  the 
zenith"  (nach  Squier).  Velasco  bezeichnet  das  Sonnenjahr  als  Inti-Huata  (das  Mondjahr 
als  Quilla-huata). 


STERNBILDER.  603 

Das  Über  den  Tieger  herrschende  Sternbild  wurde  Chuguin- 
chinchay  (Chinka  oder  Tieger)  genannt,  und  so  nahmen  die  Peruaner 
für  alle  Thiere  (Bären,  Löwen  u.  s.  w.)  ein  sie  im  Himmel  erzeugendes 
und  hütendes  Schutzbild  an  (s.  Acosta). 

Die  Constellation  d^r  Hyaden  hiess  Ahuara  -  Caqui  (die  Kinn- 
lade des  Tapir)  in  Peru,  die  Plejaden  Coillur,  der  Morgenstern  Chasca 
(s.  Velasco).  Die  Sonne  hatte  den  Planeten  Chasca  (Venus)  der  Schön- 
heit  wegen   zum  Begleiter   erwählt. 

Bei  den  Abiponen  galten  bie  Plejaden  als  Bild  des  Ahnherrn 
(s.  Dobrizhoffer).  DieTapujas*)  verehrten  die  Plejaden.  Das  südliche 
Kreuz  ist  ein  Strauss  (Amnic)  und  ihn  umgeben  die  Sterne,  als  Hunde 
(Apiogo).  Die  Planeten  sind  Vögel  (Baguds,  Notuimac,  Nazalo)  u.  s.  w. ; 
die  Sonne  (Gdazva),  Gefährtin  des  Monds  (Adago),  fiel  auf  die 
Erde,  und  von  einem  Mbocobi  zurückgesetzt  zum  zweiten  Mal,  worauf 
sich  die  Wälder  entzündeten,  und  die  Mbocobis  in  Gabiais  und  Caimane 
verwandelt  wurden,  ausser  dem  auf  dem  Baume  geretteten  Paar,  dessen 
Gesicht  sich  schwäzte  (wie  Affen).  Aehnlich  bei  den  Sternbildern 
der  Patagonier. 

Nach  den  Peruanern  enthielt  die  Milchstrasse  ^)  oder  Kata-Chillay 
(der  Gürtel  der  Licht-Region)  die  Elementarstoffe  des  Sternensystems. 
Die  Milchstrasse  wird  (bei  den  Algonkin'))  durch  eine  Schildkröte 
gebildet,  die  auf  dem  Boden  des  Himmels  hinschwimmend,  den 
Lehm  aufrührt  (s.  Tanner).  Die  mexicanischen  Constellationen  finden 
sich  bei  Sahagun*). 


*)  Nach  Marcgrav,  der  vier  Volksstämme  in  Brasilien,  (niminim  Tupinambu,  Toba- 
jara,  Petiguara  et  Tapuiya),  unterscheidet,  wurde  das  Jahr  vom  Aufgang  der  Ceixu  ge- 
nannten Plejaden  gerechnet. 

')  £n  la  via  que  los  astrolögos  llaman  lactea,  en  unas  manchas  negras  que  van  por 
ella  h  la  larga,  quisieron  imaginär  que  habia  una  figura  de  oveja  con  su  cuerpo  entero, 
que  estaba  amamantando  un  cordero.  A  mi  me  la  querian  mostrar  diciendo:  Ves  alli 
la  cabeza  de  la  oveja;  ves  acullä  la  del  cordero  maroando;  ves  el  cuerpo,  brazos  y 
pienias  del  uno  y  del  otro ;  mas  yo  no  veia  las  figuras  sino  las  manchas,  y  debia  de  ser 
por  no  saberlas  imaginär  (s.  Garcilasso). 

')  ,,The  bright  stars  in  ursa  major  and  one  beyond,  which  forms  the  point  of  the 
fishers  nose,"  bilden  die  Constellation  der  Oj-eeg-an-nung-wug  (fisher  stars)  bei  den  Algonkin 
(s.  Tanner). 

♦)  Primer  signo  llamado  Cecipactli,  y  de  la  buena  fortuna  que  tenian  los  que  en 
el  nadan.  Segundo  signo  llamado  Ocelotl.  Tercer  signo  llamado  Cemacatl.  Segunda 
casa  del  signo  anterior,  llamado  Umetochtli  en  que  nacian  los  borrachos.  Cuarto  signo 
llamado  Cexuchitl  que  decian  ser  indiferente  a  bien  y  a  mal.  Quinto  signo  llamado 
Ceacatl  mal  afortunado.  Sesfo  signo  llamado  Cemiquitzili ,  y  de  su  prospera  fortuna. 
Setimo  signo  llamado  Cequiavitl  (Cequiaviztli),  y  de  su  desastrada  fortuna.  (Agiiero  que 
tomaban  si  alguno  tropezaba  en  este  dia  ö  se  hacia  algun  dafio.)     Signo  llamado  Cems^« 


604  RELIGION  UND   SITTE. 

Der  Sirius  hiess  bei  den  Peruanern  der  unbewegliche  Berg 
(Urkku  Khillay). 

Jeder  Naturgegenstand  hatte  (nach  den  Peruanern)  sein  Prototyp 
in   den  Sternen   und   wurde  so  von  dort  her  astrologisch  beeinflusst. 

Abends  schwamm  die  Sonne*)  (Peru's)  dyrch  das  Meer,  einen  Theil 
desselben  mit  ihrer  Hitze  auftrocknend,  nach  Osten  (Intipilloc-nnan), 
um  dort  wieder  aufzugehen.  Intihui  bildet  ein  Kalender- Zeichen 
(neben  Inodon,  Inbani,  Inchon)  in  Mechoacan,  wo  die  fünf  Einschal- 
tungstage Intasiabire  heissen,  und  sich  unter  den  Monaten  Inteca- 
mani,  Interunihi,  Intechaque,  Intechotahui,  Inteyabchitzin  finden,  so- 
wie unter  den  Monatstagen  Inthihui,  Inthahui  u.  s.  w.  (s.  Veytia). 

Die    fiir  Ruhe    dienenden   Schalttage    hiessen  (in  Peru)  Puchuc 
quilla    (brennender    Mond).     Pachacutec    verlegte    den  Jahresanfang 
vom  Januar  auf  December  (nach  Herrera).  ' 

Das  Jahr  bestand  aus  12  Mondmonaten*)  (mit  Einschaltung  fiir 
das  Sonnenjahr)  im  Wintersolstitium  beginnend.  Diego  Fernandez 
macht  Juny  zum  ersten  Monat.  Die  Jahreszeit  wurde  bei  Aufgang 
und  Untergang  der  Sonne  nach  dem  Schatten  der  Säulen  bestimmt. 
Die  Zwischenzeit  des  Mond-  und  Sonnenmonats  hiess  Vuchuc-quilla 
(der  überflüssige  Mond).  Yahuar  Huquiz  fügte  das  Schaltjahr  (alle 
4  Cyclen)  hinzu.  Herrera  vertheilt  die  Schalttage  unter  die  einzelnen 
Monate.     Das  Jahr  der  Collas  enthielt  zehn  Monate  (nach  Cieza). 


linalli.  Signo  llamado  Cecoatl,  y  de  su  buena  fortuna.  Signo  decimo  Uamado  Cetecpatl, 
signo  de  Vitzilopuchtli  y  Camaxtle.  Und^cimo  signo  llamado  Ceocumatl,  y  de  su  buena 
fortuna.  Duod^cimo  signo  llamado  Cuetzpallin.  D^cimotercio  signo  llamado  Ceollin. 
D^cimocuarto  signo  llamado  Ceitzcuintli.  (Como  se  aprestaban  en  este  signo  los  Reyes 
para  la  guerra,  y  sentenciaban  en  el  a  los  presos.)  Signo  döcimoquinto  llamado  Cecalli, 
y  de  su  adversa  fortuna.  (Las  malas  condiciones  de  las  mugeres  nacidas  en  el  signo 
anterior.)  D^cimosesto  signo  llamado  Cozquauhtli.  D^cimos^timo  signo  llamado  Ceatl, 
y  de  su  desastrada  fortuna.  Signo  decimooctavo  llamado  Ceacatl.  (Los  lloros  que  hacian 
los  robados  por  los  nigromänticos ,  y  demas  cosas  del  signo  Ceacatl.)  Signo  decimonono 
llamado  Cequauhtli.     Signo  vigesimo  y  ultimo,  llamado  Cexuchil. 

*)  Quando  el  sol  se  ponia,  viöndole  transponer  por  la  mar  (porque  todo  el  Peru  k 
la  larga  tiene  la  mar  al  ponienie)  decian  que  entraba  en  ella ,  que  con  su  fuego  y  calor 
secaba  gran  parte  de  las  aguas  de  la  mar,  y  que  como  un  gran  nadador  daba  una 
zabuUida  por  debaxo  de  la  tierra  para  salir  otro  dia  al  Oriente;  dando  h  entender  que  la 
tierra  esta  sobre  el  agua.  Del  ponerse  la  luna  ni  de  las  otras  estrellas  no  dixeron  nada 
(s.  Garcilasso  de  la  Vega). 

')  Ein  Pul  beobachtete  bei  den  Califomiem  den  Mond,  um  das  Fest  des  Jahrestages 
für  einen  Hänptling  oder  Priester  (puplem)  ausrufen  zu  lassen.  Die  Länge  des  Monats 
festzustellen  war  den  Kindern  Isaschar  Übertragen  (5.  Günther).  Garcilasso  unterscheidet 
(in  Cuzco)  neben  (18)  Solstitial-Thttrme  äquinoctiale,  auf  dem  Hügel  von  Carmenca  (bei 
Cieza),  als  12  Succanga  (nach  Acosta). 


FESTE.  .  W)5 

Rivero  und  Techudi  setzen  den  Anfang  des  Jahres  auf  das 
Sommersolstitium  oder  (nach  Velasco)  auf  das  Frühlingsäquinoctium 
(s.  Waitz),  aber  Ternaux  -  Compans  hat  bereits  auf  die  unrichtige 
Verschiebung  der  Jahreszeiten,  sowie  auf  die  Verwechselung  der  Aequi- 
noctien  und  Solstitien  in  der  letzten  Darstellung  aufmerksam  gemacht, 
wenn  neben  den  12  Thürmen  Cuzco's  (oder  12  Pfeilern  Quitos)  vier 
andere  Thürme  in  Cuzco  oder  2  Säulen  in  Quito  genannt  werden. 
Besides  the  solstitial  towers  (s.  Squier)  reference  is  made  by  the 
chroniclers  to  certain  single  columns  or  pillars  „for  determining  the 
equinoxes",  wie  in  Pisac  erhaltenen  (mit  dem  Chumpe  genannten 
Bronze-Ring). 

Beim  Fest  Capacreyme  (im  Monat  Rayme)  vertheilten  die  Priester 
aus  dem  Geschlecht  Lloque  Yupanqui's  die  von  den  Mamaconas  mit 
dem  Blut  weisser  Widder  aus  Maismehl  gemengten  Kuchen  unter  die 
Vasallen  des  Inca  „und  sagten,  sie  geben  jhnen  die  Brocken  darumb, 
dass  sie  dem  Inga,  welcher  König  zu  Peru  wäre,  vereiniget  und  mit 
ihm  im  Bunde  bleiben  solten.  Dessgleichen  verwarneten  sie  die- 
selben auch,  dass  sie  von  dem  Inga  nicht  übel  reden  noch  seiner 
zum  unbesten  gedencken  solten,  sondern  ihm  allezeit  günstig  seyn 
und  dessen  solt  dieser  Brocken  ein  Zeuge  seyn:  Wo  sie  nun  jhrer 
schuldigen  Pflicht  vergessen  und  nicht  leysten  würden,  so  würde 
derselbig  solches  herfiirbringen ,  und  wider  sie  seyn.  Obgemeldete 
Küchlein  werden  in  grossen  güldenen  und  silbernen  Schüsseln  vor- 
getragen, so  hiezu  allein  gebraucht  werden,  die  Fremdlinge  ent- 
pfangen  den  Brocken,  dancken  der  Sonn  für  ihre  Wohlthat,  stellen 
sich  mit  Worten  und  Geberte,  als  ob  sie  frölich  seyn  und  sagen  sie 
wollen,  so  lang  sie  leben,  nichts  wider  die  Sonn  noch  Inga  thun 
oder  auch  gedencken  und  nehmen  sie  mit  solcher  Condition  und 
Bedingung  eyn,  dass  diese  Speiss  zu  einem  Zeugniss  an  ihrem  Leich- 
nam bleiben  solle,  dass  sie  sich  gegen  die  Sonn  und  Inga  in  alle  trewen 
Diensten  und  Gehorsamb  wölten  erfinden  lassen.  Diese  teufflische 
Ceremonien  brauchten  sie  ebenermassen  im  zehnden  Monat,  Coya- 
raime  genannt"  (beim  Situa  -  Fest).  Unterschieden  von  den  Situa 
hiessen  die  festlichen  Tänze  Raymi  (nach  Velasco),  die  Fasten  Zazi- 
Puncha. 

Im  ersten  Monat  wurde  das  Raime-Fest  (als  Kapak Raymi)  ge- 
feiert, im  zweiten  (Kamai)  wurde  die  Opferaschc  in  den  Fluss  gewor- 
fen, im  dritten,  vierten  und  fünften  schwarzgefleckte  und  graue  Lama 
geopfert,  im  sechsten  das  Fest  Aimorai  (der  Ernte)  beobachtet,  im 
siebenten  Monat  (Aukaikuzki)  das  Fest  Inti-Raymi  (der  Sonne),  im 


606  RELIGION  UND  SITTE. 

achten  (Chahua)  das  Fest  Huarki  (unter  Verbrennen  grauer  Lama), 
im  neunten  (Yapaquis)  wurden  Cujes  geopfert,  dann  folgte  im  zehnten 
Monat  (Koja-Raymi)  das  Reinigungsfest  (Situa),  im  elften  (Punchaiquis) 
das  Fest  Homa-Raymi  unter  Darbringung  eines  gebundenen  Lama 
und  bei  dem  Fest  Raymi-Kantara  Raikis  im  zwölften  Monat  (Aiamara) 
wurden  den  Knaben  die  Ohren  durchbohrt  (für  die  Mannbar-Er- 
klärung).  Die  Feuer-Erneuerung  (Mushucnina)  geschah  mit  dem  Inca- 
Virpo  genannten  Hohlspiegel. 

Das  Jahr  theilte  sich  in  Panchin  (Paucar  oder  Tuetu),  Rupay- 
Mita  (im  Juni),  Uma-Raymi  und  (im  December)  Tamia-Mita,  berichtet 
Velasco,  der  im  Monat  (Quilla)  vier  Wochen  unterscheidet,  als  Mushuc- 
Quilla,  Yunda-Quilla,  Yauyauc- Quilla  und  Huanuc-Quilla  Im  De- 
cember wurde  das  Fest  Raymi  gefeiert,  Uchuc  -  Tucuy  oder  Colla- 
Pucuy  im  Januar,  Hatun-Pucuy  im  Februar,  Paucar-Huatay  im  März, 
Ayrihua  im  April,  Aymuray  im  May,  Inti-Raymi  im  Juny,  AntaCitua 
im  July,  CapacCitua  (oder  Yapaiqui)  im  August,  Uma-Raymi  (Coya- 
Raymi)  im  September,  Ayar-Maca  im  October,  Capac-Raymi  im  No- 
vember (in  Quito). 


PRIESTERLICHES   UND 
STAATSWESEN. 

Die  Religion  findet  ihren  ersten  Grund  in  dem  Staunen^)  über  das 
Fremdartige,  das  (so  lange  noch  nicht  im  Verständniss  assimilirt) 
durch  das  Störende  des  Eindruckes  schreckt  und  Schutz  vor  Ver- 
folgungen suchen  lässt,  so  dass  die  Furcht  Götter  schafft.  Primus 
in  orbe  deos  fecit  timor. 

Nach  Consolidirung  der  Familie  findet  sich  mit  Erweiterung  der- 
selben der  Patriarch  apotheosirt  und  zum  Stammesgott  erhoben. 
Wenn  mit  der  staatlichen  Ausbildung  die  Rechtsbegriffe  sich  fixirt 
haben,  werden  diese  auch  auf  das  Verhältniss  des  Menschen  zur 
Natur  übertragen,  und  da  bei  der  Nothwendigkeit  der  Lebenserhal- 
tung über  die  Benutzung  fremden  Eigenthums  Zweifel  entstehen 
kann,  so  gestaltet  sich  ein  System  ceremonieller  Culte,  theils  der 
Sühne  für  Benutzung  der  Naturerzeugnisse,  theils  des  Dankes,  dass 
es  soweit  ungestraft  geschehen  konnte.  Est  enim  pietas  justitia  ad- 
versum  deos  (Cicero). 

Schliesslich  wird  weiter  von  dem  ethischen  Bedürfniss  die  Stütze 
der  Moral  in  der  Religion  verlangt,  und  bei  der  dadurch  (buddhistisch) 
hergestellten  Wechselwirkung  zwischen  der  Tugend  und  irdischem 
Glück,  zwischen  dem  Wohlergehen  des  Landes  und  dem  frommen 
Sinn  des  Königs,  lag  dann  vor  Allen  den  Priestern  die  Pflicht  auf, 
durch  ein  heiliges  Leben  die  Sünden  des  Volkes  zu  sühnen  und  für 
die  Gemeinde  zu  büssen.  Sacerdos  dicatus  est  numini,  hoc  est  ad 
obsequium  datus  est  (s.  Servius). 

Bald  indess  schwoll  ihnen  der  Kamm,  als  Diener  eines  mächtigen 
Herren,  von  welchem  sie  sich  als  Lieblinge  bevorzugt  meinten,  und 
dann    strebte    die  Hierarchie    nach  weltlicher  Gewalt,    mit  der  Ver- 


*)  aQ^oyttet  fiiv  y«^,  utint^  hnofuy,  €<7t6  lov  ^ttVfAa^kiv  nnvTH  (s.  Aristoteles). 


608  PRIESTERLICHES  UND  STAATSWESEN. 

knüpfung  dogmatischer  Lehren,  die  bisher  gepflegte  Wissenschaft 
sich  selbst  überlassend,  welche  Freiheit  dieselbe  allerdings  auf  das 
Beste  auszunutzen  verstand. 

Ehe  sie  indess  die  von  der  Magie  phantastisch  zusammenge- 
würfelten Verknüpfungen  im  gesetzlichen  Walten  deutlich  zu  klären 
vermochten,  bildeten  sich,  neben  anderen  Naturfabeln,  kosmogonische 
Mythen,  um  über  Anfang  und  Ende  Rechenschaft  zu  geben  und 
beschönigende  Antworten  für  die  von  Zweifel  gequälten  Fragesteller 
zu  erdichten. 

Bei  Einfuhrung  einer  fremden  Religion  als  Stütze  derselben 
durch  den  Staat,  müssen  ihr  gegenüber  (wenn  sie  von  proselytischem 
Geist  durchdrungen  ist)  die  früheren  Götter  des  Bodens  als  Dämone*) 
der  Austreibung  verfallen,  und  ihre  Reminiscenzen  erhielten  sich 
dann  in  der  schwarzen  Magie,  wohin  (als  Goetie)  die  Theurgen  die 
ihnen  unbequemen  (oder  in  der  Praxis  mitunter  gefahrlichen)  Ope- 
rationen verwiesen. 

Anfangs  gehen  Religion  und  Wissenschaft  Hand  in  Hand,  d.  h. 
die  geistigen  Interessen  des  Menschen,  die  zunächst  in  den  zum 
Glauben  drängenden  Gefühlsregungen,  theils  in  den  daraus  geklär- 
teren  Anschauungen  des  Wissens,  ihre  Befriedigung  suchen,  finden 
gleichmässig  bei  den  dafür  berufenen  Talenten  ihre  Pflege.  Der 
Gang  der  Untersuchung  verlangt  wie  immer,  das  Aufstellen  gewisser 
Normen,  in  dogmenartiger  Form,  die  vorwiegend  nach  den  Anfor- 
derungen der  gläubigen  Gefühle  gefärbt  sind,  weil  auf  ihrer  Seite 
die  grössere  Masse  des  zu  Berücksichtigenden  liegt.  Obwohl  ihr 
gegenüber  das  dauernde  Fortschreiten  des  Wissens  ein  progressives 
Element  (im  Hinblick  auf  die  Stabilität,  aus  der  es  hervortritt)  reprä- 
sentirt,  bleibt  es  zwar  stets  in  verhältnissmässiger  Minderzahl,  sammelt 
aber  dennoch  im  Laufe  der  Zeit  eine  solche  Zahl  neuer  Vorstellun- 
gen an,  dass  dieselben  einer  selbstständigen  Abgleichung  bedürfen, 
und  indem  diese  unter  den  bis  dahin  mehr  religiösen  Dogmen  nicht 
gewährt  werden  kann,  die  eigentlichen  Vertreter  derselben  ihre 
eigenen  Interessen  jedoch  mehr  oder  weniger  eng  mit  solcher  Er- 
haltung verknüpft  fühlen,  so  gestaltet  sich  in  fortschreitender  Ab- 
scheidung die  unabhängige  Pflege  der  Wissenschaft,  schliesslich  unter 
so  veränderter  Form,  dass  der  Bruch  mit  den  anachronistisch  ver- 
harrenden Glaubenskreisen  eintreten  muss. 


*)  Die  Hebräer  nannten  die  Götter  der  Heiden  Elilim  (Nichtige),  während  das  Welt- 
system der  Buddhisten  weit  genug  ist,  um  auch  fremde  Götterfamilien  anzusiedeln. 


BKKEIIRUNGEN.  609 

Diese  Entwicklungsphasen  in  dem  Wechselverhältniss^)  zwischen 
Rehgion  und  Wissenschaft  lassen  sich  überall  in  der  Culturgeschichte 
verfolgen  und  sie  wiederholen  sich  in  mannigfachen  Modificationen 
auch  in  specielleren  Berührungen,  wie  neuerdings  in  der  Ausbreitung 
kirchlicher  Missionen. 

Nachdem  zuerst  die  materiellen  Vortheile  des  Handels  eine  Be- 
ziehung zu  fremden  Völkern  eingeleitet  haben,  machen  sich  dann 
auch  ideale  Bestrebungen  geltend,  und  sie  gehen  anfänglich  aus  der 
weitschichtiger  geordneten  Hauptmasse  derselben,  in  der  religiösen 
Richtung,  hervor.  Ganz  haben  sich  dieselben  nie  dem  Einfluss  der 
im  Wissen  gewonnenen  Resultate  entziehen  können,  so  dass  sich  die 
allgemeine  Bildung,  welche  dadurch  in  der  Nationalität  hervorgerufen 
i.st,  auch  in  ihnen  reflectirt,  und  indem  so  z.  B.  die  Missionäre  des 
europäischen  Culturstandpunctes  mit  wilden  Stämmen  in  Berührung 
kommen,  treten  sie  ihnen  gegenüber  als  die  Träger  eines  höheren 
Bildungskrei.ses  auf,  die  eine  Zeit  lang  günstig  auf  sie  einzuwirken  ver- 
mögen, und  manche  der  aus  dem  Verkehr  mit  ungebildeten  Schiffern 
oder  Handelsagenten  fliessenden  Schädigungen  pariren.  Wird  ein 
solcher  Stamm  dann  aber  in  den  Strom  der  adoptirten  Cultur- 
schöpfungen  hineingezogen,  so  hat  es  bald  sein  missliches,  wenn 
man  fortzufahren  sucht,  ihm  die  Ergebnisse  des  W^issens  nur  durch 
das  Medium  der  religiösen  Dogmen  bieten  zu  wollen,  und  es  tritt 
früher  oder  später  der  Zeitpunct  ein,  wo  die  bisherige  Aufgabe  der 
Missionäre  durch  die  Jünger  der  Wissenschaft  selbst  zu  übernehmen 
sein  wird.  Dieser  Wechsel  benöthigt  sich  natürlich  um  so  früher,  je 
höher  das  fremde  Volk  bereits  in  seiner  eigenen  Cultur  steht,  je 
mehr  es  sich  also  vorbereitet  findet,  die  neu  gebotene  in  sich  aufzu- 
nehmen, oder  doch  sie  zu  verstehen. 

Von  vielen  andern  Beispielen  abgesehen,  bietet  sich  eines  der 
lehrreichsten  in  China,  dem  Lande  ältester  Civilisation  in  Ostasien. 
Als  den  portugiesischen  und  holländischen  Handelsschiffen  an  der 
Küste  die  Missionäre,  bis  Peking,  folgten,  und  die  kluge  Berechnung, 
welche  die  Operationen  der  Jesuiten  stets  ausgezeichnet  "hat,  auch 
hier  die  geeignetsten  Persönlichkeiten  für  ihre  Sendlinge  zu  wählen 


')  Die  wahre  Autorität  ist  nichts  Anderes,  als  die  durch  Kraft  der  Vernunft  ent- 
deckte Wahrheit,  führt  Erigena  (nach  Augastin's  Satze)  weiter  aus,  in  den  Worten  Lessing's 
(wie  Renter  bemerkt),  und  so  wird  sich  in  jedem  Stadium  ein  einigendes  Wort  finden 
lassen,  das  jähe  Spaltung  verhindert.  Dicunt  enim  ea  vcra  esse  secundum  philosophiam, 
sed  non  secundum  fidem  catholicam  (die  Averroisten)  1277  (in  Paris)  in  doppelter  Buch- 
führung (wie  noch  spfitcr). 

Bastian  t  America.   I.  ^^ 


610  PRIESTERLICHES  UND   STAATSWESEN. 

wusste,  Meister  in  den  exacten  Wissenschaften,  in  der  Mathematik 
und  den  verwandten  Zweigen,  so  erkannte  der  nüchterne  Sinn  der 
Chinesen  bald  die  practischen  Vorthcile,  die  sich  aus  den  hier  ge- 
botenen Kenntnissen  erlangen  Hessen,  und  die  ihres  Wissens  wegen 
gefeierten  Apostel  neuer  Lehren  vermochten  es  so,  auch  auf  die 
religiösen  Anschauungen  manchen  Einfluss  zu  gewinnen.  Sobald 
jedoch  die  hierhin  gerichteten  Bestrebungen  zur  Hauptsache  wurden, 
mussten  alle  jene  Conflicte  eintreten,  die  aus  den  Kreuzungen  päpstlicher 
Bullen  mit  den  Edicten  der  Mand.schu-Kaiser  ein  so  unbehagliches  Bild 
von  der.  Werthschätzung  oder  vielmehr  Geringschätzung  der  christ- 
lichen Mission  in  China  während  des  vorigen  Jahrhunderts  projiciren. 
Noch  greller  schrillt  der  Missklang  im  laufenden  Saehulum 
hervor,  und  wird  durch  die  den  protestantischen  Missionären,  ihren 
Traditionen  nach,  vorgeschriebene  Tactic  beständig  vermehrt.  Im 
Allgemeinen  werden  sie  unter  den  sonst  nur  des  commerciellen 
Erwerbes  wegen  das^  Mittelreich  Besuchenden,  als  die  Träger  der 
europäischen  Cultur  in  China  betrachtet,  wie  es,  solange  son.stige 
Gelehrte  selten  ihre  Schritte  dorthin  lenkten,  in  einem  gewissen 
Sinne  auch  geschehen  konnte.  Da  sie  nun  jedoch  ihre  Aufgabe 
vornehmlich  darin  suchen  zu  müssen  meinen,  die  Uebersetzungen  der 
heiligen  Schrift  und  darauf  begründete  Tractate  durch  Massenver- 
theilung  in  Millionen  und  aber  Millionen  von  Exemplaren  durch  das 
Land  auszubreiten,  so  ergaben  sich  daraus  von  selbst  die  Incon- 
gruenzen  in  dem  Urtheilc  der  von  dem  Gesichtspunct  ihrer  ein- 
heimischen Gelehrsamkeit  geleiteten  Chinesen  über  die  den  frem- 
den Barbaren  zugeschriebene.  Für  uns  sind  diese  hebräischen  Reli- 
gionstraditionen allerdings  geschichtlich  in  einen  Zusammenhang  mit 
dem  gegenwärtigen  Standpunct  der  geltenden  Cultur  gesetzt,  indem 
sie  indess,  unvermittelt  aus  dem  Urtext,  den  heutigen  Chinesen  zum 
Durchlesen  vorgelegt  werden,  so  muss  in  deren  Kopfe,  wenn  sie 
aus  einem  auf  den  Systemen  ihrer  alten  Philo.sophen  genommenen 
Standpunct  das  sonstige  Treiben  der  (aus  verschiedenen  Gründen 
verhassten)  Fremden  und  derer,  die  für  die  Lehrer  und  Gebildeten 
unter  denselben  gelten,  in  Betracht  ziehen,  eine  leicht  erklärliche 
Confusion  hervorgerufen  werden. 

Mit  der  Wurzel  des  Religiösen  in  das  Staunen  verlegt,  ist  der 
Fortgang  des  geistigen  Entwicklungsganges  angepflanzt.  In  der 
Wechselwirkung  von  Reiz  und  Gegenreiz  liegt  im  Mikrokosmus, 
innerhalb    seiner  Reaction    auf  die  Einflüsse  des  Makrokosmus,  das 


PRIESTERKÖNTGTHUM.  61 1 

Streben  zum  Assimiliren  derselben,  wie  auf  körperlichem,  auch  auf 
psychischem  Gebiet,  und  hier  repräsentirt  sich,  bei  stattgehabter 
Absorption  einer  aus  der  Naturumgebung  einfallenden  Frage,  in  dem 
Verstehen  derselben,  ihre  Beantwortung.  Insofern  wächst  der  Mensch 
mit  seiner  geistigen  Entwicklung  in  das  Verständniss  der  Natur 
hinein,  aber  immer  bleibt  ihm  ein  in  Proportion  bald  kleiner,  bald 
grösser  erscheinender  Rest  eines  Unverstandenen,  das  als  solches  in 
seinem  fremdartigen  Eindruck  ein  mehr  oder  weniger  mit  Furcht 
gepaartes  Staunen  hervorruft.  Der  Schwerpunct  kann  je  nach  der 
eingetretenen  Ideenassociation  auf  der  .subjectiven  oder  auf  der  ob- 
jectiven  Seite  liegen  und  in  letzterem  Falle  wieder  mancherlei  Zu- 
fälligkeiten unterworfen  sein.  Bei  rohem  Stumpfsinn  mögen  oft 
grossartigste  Erscheinungen  fast  unbeachtet  oder  gleichgültig  vor- 
übergehen, während  sie  in  civilisirteren  Verhältnissen  zur  Andacht 
stimmen  können,  nnd  immer  wird,  so  lange  das  Räthsel  der  Natur 
ein  ungelöstes  bleibt,  sich  Staunenswerthes  genug  für  den  Menschen 
erhalten,  mit  seinem  Bildungsgrad  selbst  an  Umfang  zunehmen,  bis 
es  dann,  bei  der  Klärung  des  Glaubens  zum  Wissen,  in  das  Netz 
eines  Systems  einge.sponnen ,  durch  Anschluss  an  bereits  Bekanntes, 
den  Character  des  sonderbar  Unvermittelten^)  verliert,  und  so  das 
Staunen  in  jene  Bewunderung  oder  Verwunderung  umwandelt,  mit 
welcher  Jeder  von  uns  noch  heute  um  sich  schauen  wird,  so  oft  die  in 
ihm  selbst  geknüpften  Räthselfragen  vor  dem  Bewusstsein  auftauchen. 

Wie  jedes  Bedürfniss  seine  Abhülfe  schafft,  so  ruft  der  be- 
lästigende Eindruck  des  Unbekannten  die  Umspinnung  mit  religiösen 
Mythen  hervor,  und  um  ihn  noch  weniger  fühlbar  zu  machen,  thun 
dann  die  zur  Interpretation  berufenen  oder  herzugedrängten  Inter- 
pretatoren  das  Ihrige. 

Sie  sind  dann  in  späteren  Stadien  auch  diejenigen,  denen  es 
obliegt,  die  Eingriffe  in  die  Naturordnung,  deren  der  Mensch  aus 
den  Wirkungen  seiner  täglichen  Handlungen  sich  selbst  beschuldigt, 
durch  Opfer  zu  sühnen  oder  durch  aussergewöhnliche  besondere 
Gunst  der  dämonischen  Mächte  zu  erlangen. 

Im  Stammeskreis  pflegt  die  priesterliche  Würde  lange  mit  der 
politischen  verbunden  zu  bleiben,  indem  der  zu  dieser  Eingesetzte 
sein  Volk    nicht    nur    gegen    die    Feinde    von  Fleisch    und  Blut    zu 


J)  Nach  Rhabanus  Maurus  geschähen  die  Wunder  nur  ,, contra  consuetudincm  naturae", 
nicht  ,, contra  natnram  (ergo  fiunt  non  contra  naturam,  sed  contra  quam  est  nota  natura)", 
wie  das  natürlich  noch  nicht  Erklärbare  zwar  als  Wunder  erscheint,  aber  bei  der  bevor- 
stehenden Möglichkeit  der  Erklärung  nicht  als  Wunder  unerklärhar  gelassen  werden  muss. 

39* 


f)12  PRTESTERLICHES  UND   STAATSWESEN. 

schützen  hat,  sondern  auch  gegen  die  gespenstisch  Nachstellenden, 
und  solche  Functionen  werden  dann  unter  verschiedene  Titel  gestellt, 
vom  Pater  familias  bis  zum  Rex  (sacrorum)  oder  Basikus. 

Wie  in  der  Familie  und  dem  ytrog  vollzog  in  der  Phratrie  der 
(Hausherr  oder)  Patriarch  die  gemeinsamen  Opfer  (für  den  Eponymos), 
und  dies  erhielt  sich  in  Fiction  auch  für  die  Phyle  und  selbst  bei 
erweiterten  Staatsverbänden,  wie  in  den  nur  denPatriziern^)  zustehenden 
Sacra  publica  (wobei  vielfach  der  Schutzgott  des  Stammes*)  auch  im 
Staatscult')  adoptirt  wurde). 

Wurde  man  neben  diesen  dii  patrii  mit  dii  peregrini*)  bekannt, 
sei  es  durch  Hervorlockung*)  feindlicher  Götter  (wie  aus  Veji  und  im 
punischen  Kriege),  sei  es  durch  eine  Propaganda,  wie  sie  (nach  He- 
rodot)  von  Aegypten^)  nach  Griechenland  statt  hatte,  so  mochte 
der  Einzelne  nach  seinem  individuellen  Bedürfniss  wählen,  oder  sich 
dem  Tempel  desjenigen  Privat  -  Priesters  zuwenden ,  dessen  Schutz- 
gott ^)  gerade  Credit  erworben  hatte  (und  demgemäss  für  seine 
Niederlassung®)    umworben    werden,   mochte,    um    dem    Orte    seiner 


')  Die  Plebs  war  von  jeder  thätigen  Thcilnahme  an  den  sacris  publicis  (der  Patrizier) 
ausgeschlossen,  (nur  zu  einer  Privatverehning  römischer  Götter  befugt),  bis  Servius  Tul 
lius  (der  in  religiöser  Hinsicht  getrennten  Gemeinde  eine  Einheit  zu  geben)  den  capi- 
tolinischen  Tempel  baute,  mit  den  3  capitolinischen  Gottheiten  (Jupiter,  Juno,  Minerva), 
als  Schutzgöttern  des  römischen  Staats  (s.  Marquardt).  Der  VoUgenuss  des  römischen 
Jus  sacrorum  stand  bis  auf  die  T^ex  Ogulnia  und  theoretisch  eigentlich  immer  den  römischen 
Patriziern  zu  (s.  Ambrosch). 

*)  Neben  den  Sacra  popularia  (der  Biirgerschaftsabtheilungen)  wurden  die  Sacra  publica, 
wenn  nicht  von  den  sacerdotibus  popuU  Romani  von  einzelnen  Gentes  gefeiert  (wie  die 
des  Sol  von  der  gens  Aurelia,  der  Minerva  der  gens  Nanlia,  des  Apollo  von  der  Gens 
Julia  u.  s.  w.). 

•)  Neben  fremden  Göttern  wurden  die  S-fw  nofi^ipot  (der  Geschlechter)  zu  ^#0*  itatQun 
(des  Staates). 

*)  Die  Dii  peregrini  hatten  ihre  besonderen  Vertreter  in  den  Quindecimviri  sacris 
faciundis,  während  die  Pontifices  (als  sacerdotes  publici)  den  Cult  der  patrii  dii  besorgten. 

*)  Während  des  Krieges  mit  Hucxotzinco  (durch  Axayaotl)  wurden  der  Göttin 
Huexotzinco  zum  Heistande  Tempel  errichtet  in  Mexico,  als  Coatlau  und  in  Tlatelolco 
als  Coaxolotl. 

*)  naytjyvQig  J*  a^a  xai  nofdnac  xol  nQOiaytjyas  n^tÜTot  ay&Q<an(oy  Aiyvnnoi 
tlohv  oi  nottjarifiiyot  (s.  Herodot). 

^)  Die  Priester  (in  Griechenland)  waren  ,, Vorsteher  eines  Heiligthum's,  eines  Tempels 
oder  eines  Temenos,  und  ihr  Beruf  bestand  darin,  des  Dienstes  der  Götter  in  diesem 
Heiligthum  wahrzunehmen"  (so  dass,  wer  in  demselben  opfern  wollte,  bei  den  gottes- 
dienstlichen Cultushandlungen  der  Mitwirkung  des  dortigen  Priester's  bedurfte). 

•)  Wenn  es  den  Weroance  oder  Häuptlingen  (in  Virginien)  gelang,  einen  der  ange- 
seheneren Quiyoughquisock  (Priester)  in  ihr  Gebiet  zu  ziehen,  bauten  sie  dafür  ,, private 
temples,  with  oratones  and  chauncells"  (s.  Strachey).  Bei  dem  Medicinfest  der  Knistenaux 
(unter  Opfer   eines  weissen  Hundes)    legt  der  Wirlh    (nach    Entfernung   des  Kruer's)    im 


GILDEN.  613 

Wahl  die  mit  dem  dortigen  Verweilen  verbundenen  Vortheile  zu 
sichern).  Bevorzugte  prophetische  Begabung,  durch  Enthüllung  der 
dunklen  Zukunft,  musste  (als  fjborttxti  ärsxyog  von  schädigenden  Gauke- 
leien freier,  in  der  fjboytxfi,  als  die  (lavuxii  ivtsxpoq)  eine  weite  Folgewir- 
kung ausüben,  und  in  geschickter  Diplomatik  mochte  dann  ein  Orakel, 
wie  das  von  Delphi,  wo  Apollo  seine  Kretenser  zu  Priestern  einsetzte, 
die  Bedeutung  eines  religiösen  Mittelpunktes  gewinnen.  Wurde  in 
solchem  Falle  ein  bereits  abgeschlossenes,  oder  im  heiligen  Buche*) 
niedergelegtes  Religionssystem  von  den  Missionaren  verkündet,  so 
mochte  leicht,  um  Verstösse  gegen  die  Bestimmungen  des  Ceremonial- 
gesetzes  zu  meiden,  die  Anordnung  hinzutreten,  dass  Niemand  opferen*) 
durfte,  ohne  einen  Magier  an  seiner  Seite,  wie  bei  den  Persern. 

Wenn  in  der  neu  organisirten  Form  des  Staatslebens  die  parti- 
cularistisch  geschlossenen  Familien  und  Geschlechter  sich  lockern 
mussten,  obwohl  auch  Nichtverwandte  durch  gemeinsamen*)  Cultus  in 
der  Gens  oder  im  Clan  zusammengehalten  wurden),  so  stellten  sich  neue 
Einigungen  her  in  der  Gemeinsamkeit  der  Beschäftigung*)  und  es 
bildeten  sich  kastenartige  Zünfte  ^)  oder  Gilden,  wie  sie  in  Attika,  bei 
Osagen  oder  Joloff,  temporär  bereits  neben  den  Stammgeschlechtern 
bestanden  hatten,  und  bei  Römern  in  die  Form  der  Sodalitia  über- 
gingen, für  welche  (wie  bei  den  Luperci)  jedes  gentilische  Band  der 
Mitgliederschaft  fehlte. 

Unter  diesen  als  Collegien  organisirten  Sodalitien  (denen  ge- 
wöhnlich   gemeinsame    Mahlzeiten*)   einen    natürlichen    Mittelpunct 

Innern  der  Wohnung  den  Hausgott  mit  den  zugehörigen  Amuletten  das  Sackes  auf  einer 
Matte  aus,  ehe  die  Gäste  (denen  der  Michiniway  oder  Gehülfe  das  Getränk  herumreicht) 
eintreten  (s.  Mackenzie). 

*)  Die  Gottheiten ,  deren  Einfuhrung  durch  sibyllische  Bücher  empfohlen  wurde, 
gehörten  meist  alle  ihrer  Heimath  nach  der  Gegend  von  Troja  an  (s.  Marquardt). 

*)  Aristoteles  unterscheidet,  in  Cultushandlungen,  die  von  Magistraten  in  Folge  des 
vom  Staate  übertragenen  Amts  verichteten  von  den  hieratischen,  d.  h.  denen,  die  den 
Priestern  zu  verrichten  zukommen  (s.  Schömann).  Nacon  hiess  (in  Yucatan)  der  Opferer 
(sowie  der  Feldherr). 

')  Von  den  Kovd  'Uqd  im  yiyog  kam  die  Bezeichnung  der  *Oifyf<at^is. 

*)  Bei  mangelnder  Ver^^andlschaft  ersetzt  gleiche  Beschäftigung  die  Berechtigung  zur 
^Aufnahme  in  das  Geschlecht,  wie  bei  ßouCoyot,  tfvtaHdat,  ivyldat  u.  s.  w. 

^)  Der  dem  Tezcatlipuca  geweihte  Orden  (Tepochtlilzli)  bestand  aus  Jünglingen  und 
Knaben  (s.  Clavigero),  dem  Orden  oder  CoUegium  der  Ceteotl  durften  dagegen  nur 
Sechszigjährige  angehören  (als  Wittwer). 

*)  Ursprünglich  dienten  die  Sodalitates  (als  collegia  Templorum)  zur  Feier  von  Opfer 
und  Festmahlzeiten,  mit  dem  Cult  der  Götter  verbunden.  Neben  dem  aedituus  (des 
Tempel' s)  fungirte  der  Flamen  oder  Sacerdos  des  Tempels.  Die  tfto/LUtaXaiortH  ^^^' 
deten  eine  auf  Schmaus  und  Scherz  ausgehende  Cultgenossenschaft  des  dionysischen 
Heiligthams  des  Herakles. 


614  PRIESTKKLKIIES   INU   STAATSW  KSKN. 

boten)  verwebten  sich  besonders  bei  denjenigen,  wo  bereits  Gewerbe- 
geheimnisse vorlagen,  die  Geheimgebräuche  des  Handwerkes^)  mit 
denen  des  Privatkultus  (wie  bei  den  Collegia  opiftcum  oder  arti- 
ficum^)),  und  unter  dem  Eindrucke  solch  freimaurerischer  Mysterien, 
erhielten  die  Pontifices,  als  Priester  der  dii  patrii  (im  Ritus  Romanus) 
den  Cult  der  verborgenen  Schutzgötter  Rom's^)  mit  Bewahrung  des 
Palladiums  in  dem  durch  Numa  gestifteten  Collegium  anvertraut. 
An  dadurch  factisch  geschaffene  Zustände  anknüpfend,,  wurde  dann 
bei  Einführung  neuer  Culte  die  Verwaltung  oft  einem  Sodalitiuni 
oder  Collegium  übertragen,  und  bei  Weihe  des  Mercur-Tempels  findet 
sich  fiir  denselben  ein  collegium  mercatorum  gestiftet. 

Wie  einerseits  bei  Aufbruch  der  Geschlechter  unter  der  staat- 
liehen  Erweiterung,  das  Zusammenfliessen  des  Gleichartigen  die  Kasten- 
artigen Verbindungen,  (unter  Errichtung  neuer  Scheidewände  gegen- 
einander) hervorrief,  so  zeigt  sich  das  umgekehrte  Bild,  wenn  unter 
engen  Localverhältnissen  der  Staat  gewissermassen  in  den  patriarchali- 
schen Formen  des  Stammgeschlechts  noch  aufgeht,  und  so  (wie  ähnlich 
westlich  vom  Missisippi)  bei  den  Kru  die  Kasten  nach  den  Altersklassen 
gegliedert  werden,  in  Gnekbade  oder  Alte,  Sedibo  oder  Männer 
(Krieger)  und  Kedibo*)  oder  Jünglinge  neben  den  (besondere  Be- 
gabung erfordernden)  Deyabo  oder  Zauberärzfen. 

Aus  denen  vom  Staat  ^)  eingesetzten  Priestern,  den  sacerdotes 
publici,  bildete  sich  eine  Hierarchie  (unter  später  systematischer 
Einigung^)  der  Gottheiten  zur  staatlichen  Religion),  und  im  ordo 
Sacerdotum  (der  persönlichen  Rangordnung)  folgen  auf  den  Rex  (als 
Priester  des  Janus) 'die  drei  P'lamines  (des  Jupiter,  Mars,  Quirinus, 
als   Flamen    dialis,    Martialis,    Quirinalis)    dann    für    die    Erdgötter 


*)  Unter  den  Künstlern  sind  erblich  die  Tufunga  fovaca  (Canoe  -  Bauer),  Tu£unga 
fonole  (Schnitzer  in  Elfenbein),  Tufunga-tabu  (Beaufsichtiger  der  Leichengebräuche),  und 
diese  Gewerbe  dürfen  nur  von  Metabuiles  und  Muas  (nicht  von  Tuas)  ausgeübt  werden, 
dann  folgen  die  Tufunga  *ta  maca  (SteinhauerJ,  Tufunga  langa  falle  (Kausbauer)  u.  s.  w. 
(s.  Marina). 

')  Die  Metallarbeiter  Attika's  feierten  gemeinsam  die  XttlxHa. 

•)  Die  Pontifices  fungirten  am  Penus  des  Staat's  (als  Pontifices  Vestae)  im  Cult  der 
dii  magni  (Satumus  und  Ops). 

*)  Aehnlich  den  Epheben  (in  Attika  mit  der  Hut  des  Feldes  betraut) ,  als  vnonaoi' 

*)  Die  drei  grossen  Priester -Collegien  der  Pontifices,  decemviri  sacris  faciundis  und 
Augures  waren  seit  der  lex  Ogulnia  den  Plebejern  zugänglich  geworden,  die  alten  und  hei- 
ligen Ceremonien,  welchen  der  Rex  und  die  drei  grossen  Flamines  vorstanden,  sowie  die 
Collegien  der  Salii,  Luperci,  Arvales  sind  jedoch  immer  in  den  Händen  der  Patricier  ge- 
blieben (s.  Marquardt). 

^)  Im  Capitolio  (s.  Servius)  ,,oranium  deorum  simulacra  colebaotur". 


WEISTHUM.  615 

(Saturnus,  Ops  und  Vesta)  der  Pontifex  maximus  (in  Rom).  Maximus 
videtur  Rex,  dein  Dialis,  post  hunc  Martialis,  quarto  loco  Quirinalis, 
quinto  Pontifex  maximus  (s.  Festus). 

Indem  die  Pry tanen  als  oberster  Magistrat  an  die  Stelle  des  frühereu 
Königs  getreten  waren,  hatten  sie  auch  die  sacralen  Functionen  über- 
nommen (neben  den  Hierothyten  für  die  Jahresrechnung,  den  Hierar- 
chen Hieronomen  u.  s.  w.)  Aus  den  Verhandlungen  über  die  Lex 
Ogulnia  ergiebt  sich  die  unauflösliche  Verknüpfung  der  jura  sacer- 
dotiorum  und  magistratuum  (s.  Ambrosch). 

Im  Tonga  bildeten  die  Zimmerleute  ^)  den  Priesterstand,  sonst  viel- 
fach die  (anderswo  wieder  verachteten)  Schmiede,  und  die  Brücken- 
macher waren  vor  Allen  zu  der  (auch  dem  Inca  für  Erbauung  der 
Brücke  über  den  Apurimac  gezollten)  Verehrung  berechtigt,  (in  Attika 
als  Gephyräer)  da  sie  kühn  und  verwegen  das  gefährliche,  aber  zum 
Besten  des  socialen  Verkehrs  erforderliche,  Wagniss  unternommen 
hatten,  eine  Brücke  über  den  tückisch  rachsüchtigen  Wassergott  zu 
schlagen,  dehi  deshalb  auch  die  Sühnopfer  der  Argeer  (auf  dem 
pons  sublicius)  nicht  versagt  werden  durften. 

Als  die  Vorfahren  der  Karaiben  unter  dem  blauen  Himmel  von 
den  natürlichen  Erzeugnissen  der  Erde  lebten,  erschien  den  über 
dies  thierische  Leben  trauernden,  ein  vom  Himmel  herabsteigender 
VVeissgekleideter,  der  den  Gebrauch  scharfer  Steine  zum  Umfallen 
von  Bäumen  und  die  Benutzung  der  Stämme  zum  Hausbau  lehrte, 
und  dann  seinen  in  drei  Stücke  zerbrochenen  Stab  zum  pflanzen  der 
Maniok  gab  (s.  Dapper).    Der  Prophet  Bochica  lehrte  das  Weben. 

In  den  Fetischwäldern  Afrikas  verbergen  sich  die  esoterisch*)  von 
der  Priesterschaft  (wie  bei  Brahminen  u.  s.  w.)  bewahrten  Geheim- 
nisse, oder  ihre  Ausübung  in  den  zum  Schauen  führenden  Mysterien 
(eleusinische  oder  mithraische),  und  vor  der  Aufnahme  muss,  in  einer 
oder  andrer  Form,  ein  Proccss  der  Wiedergeburt  durchgemacht  werden. 


')  In  Sanioa  (bemerkt  Tunier)  ,,it  is  a  lasting  disgrace  to  any  one  to  have  it  said  that 
he  paid  bis  carpentcr  shabbily,  als  den  Hauserbauer  (den  Architccten  priesterlicher  Ehren). 
Der  heiUge  Benezet  stiftete  (1188)  die  Brüderschaft  der  Brückenbauer  (in  Avignon).  In 
Kunawar  werden  Schmiede  und  Zimmerleute  (als  unreine  Kaste)  Kohli  genannnt  (wie 
vielfach  in  Berührung  der  heiligen  und  verachteten  Stände).  Die  Schmiede  (die  unter 
einander  heirathen  müssen)  sind  (obwohl  als  Sclaven  betrachtet)  die  Reichsten  im  Lande 
der  Bari.  Von  den  Verfertigem  der  Holzgötzen  (in  Yucatan)  wurde  den  Acantun  genann- 
ten Göttern  geopfert  (una  de  las  cosas,  que  estos  pobrcs  tenian  por  la  mas  ardua  y  difB- 
cultosa,  era  hazer  idolos  de  palo). 

*)  Nach  Claudius  (Bischof  von  Turin)  hatten  die  Kenner  der  christlichen  Gehcim- 
lehren  darüber  zu  wachen,  ,,ne  illa  coelestium  arcanonim  dignitas  passim  atque  indiscrete 
cuncUs  pateret  sanctumque  canibus  et  margaritae  porcis  exponerentur  (DC.  Jahrhundert  p.  d.). 


616  RKIESTERLICHES   UND   STAATSWESEN. 

Der  Flamen  diente  zum  Vertreter  jJes  Volkes  vor  der  all- 
waltenden Gottheit^)  um  durch  sein  unbescholtenes^)  und  vor  jeder 
Unreinheit^)  bewahrtes  Leben  (in  buddhistischer  Auffassung  der 
Tugendkraft)  die  Sünden  jenes  zu  sühnen*),  weshalb  er  auch  mit 
ewigem  Feuer*)  verknüpft  wurde,  und  bei  der  schwierigen  Herstellung 
desselben,  dafür  zugleich  Functionen  übertragen  erhielt.  Caput  cinctum 
habebant  filo  (s.  Varro)  die  Flamines  (von  filo). 

Das  Heerdfeuer  des  monogamisch  (in  confarrirter  Ehe)  auf  dem 
Palatin,  im  domus  flaminia,  lebenden  Flamen  dialis  durfte  nur  zu  hei- 
ligen Zwecken  entnommen  werden  (s.  Gellius). 

Sein  Bart  musste  (zur  Vermeidung  des  tückischen  P2isens)  mit 
einem  kupfernen*^)  Messer  geschoren  werden,  und  so  mögen  sich  auch 
zum  Theil  bronzene  Grabbeigaben  erklären,  wie  die  anderseits  zu 
steinernen  führende  Ideenverbindung,  in  Peru,  selbst  die  sonst  aus 
leichtestem  Materiale  hergestellte  Schalmei  iiir  die  Totden  aus  Stein 
herausarbeitete. 

Die  Auguren^)    hatten    die    allgemeinen  Aspecten  der  Natur  zu 


*)  Saccnlos  dicatus  est  iiuniini,  hoc  est  ad  obsequium  datus  est  (s.  Serviusj. 

')  Die  Natageimas  und  Coyaimas  (sowie  die  Piyaos)  glaubten,  ,,que  el  hombrc  quc 
moria  inocente  se  hacia  dios  y  que  protejia  a  aquel  que  Ic  habia  hecho  el  beneficio  de 
matarle ,  como  tambien  a  su  familia.  mas  nö  a  utra,  pues  era  patron  muy  especial"  (s. 
Uricoechca).  So  erzählen  die  Araber  von  den  Bulgaren  der  Wolga,  dass  sie  besonder^ 
begabte  Männer  getödtel  hätten,  weil  die  Erde  zu  gut  für  sie  sei  und  sie  sich  im  Jenseits 
besser  fühlen  würden. 

*)  Völlig  der  Gottheit  angehörig  musste  an  jedem  Tage,  als  immerwährendem  Feiertage, 
der  Flamen  dialis  (dessen  laena  genannte  Toga  praetexta  von  seiner  Frau  gewebt  wurde) 
stets  in  seiner  Amlsiracht  erscheinen,  ohne  Waffen  oder  Unreines  (wie  eine  Leiche  zu 
sehn),  auch  mit  der  Commetacula  genannten  Virga  die  Begegnenden  auf  dem  Wege  zum 
Opfer  fern  haltend,  und  wurden  die  Abfalle  seiner  Haare  und  Nägel  subter  arborem 
felicem  (s,  Gellius)  begraben. 

*)  In  Teotihuacan  oder  Tehuacan  musstcn  die  vier  Monauh  xuitzauhque  vier  Jahre 
lang  fastend  im  Tempel  leben  (s.  Mendieta),  wie  vielfach  in  Mexico,  und  bei  den  Misteken 
büsste  der  Priester  für  König  und  Volk  (s.  Herrera). 

*)  Als  Zünder  zum  Darbringen  der  Brandopfer  (s.  Mommsen)  wird  der  Name  der 
Flamines  (als  Üpferpriester)  von  Flare  (dem  Anblasen  des  Feuer?)  abgeleitet.  Die  Priester 
der  Cheerokee  hiessen  Cheera-tahge  (men  possessed  of  the  divine  fire).  Okanastota  (König 
der  Cherokee)  tesidirte  am  Tellico-Fluss. 

•)  Die  Archonten  Theben's  durften  kein  Eisen  an  sich  tragen  (wie  der  römische 
Flamm). 

^)  Als  die  den  Römern  eigenthümliche  (und  im  alten  Italien  durchweg  verbreitete) 
Pivination,  bezweckte  die  in  den  libri  augurales  (des  CoUegium  der  Augures)  überlieferte 
Wissenschaft  von  den  Auspicien  der  Auguralwissenschaft  (nicht  die  Geheimnisse  der 
Zukunft  zu  enthüllen,  sondern)  die  Genehmigung  der  GöUer  zu  einer  bestimmten  Hand- 
lung zu  erlangen,  und  die  Thäligkeit  der  Auguren  beschränkte  sich  auf  den  fachkundigen 
Beistand  bei  denjenigen  Handlungen,    bei  welchen    sich    der  Staat  der  Genehmigung  des 


VOGELSCHAU.  617 

beobachten,  um  aus  den  (von  den  Astrologen  besonders  für  den 
Einfluss  der  Gestirne  auf  das  individuelle  Dasein  ausgebeuteten)  Con- 
juncturen  den  günstigen  oder  ungünstigen  Ausgang  vorherzusagen, 
da  bei  dem  gesetzlichen  Walten  im  Weltraum,  Alles  und  Jedes  in 
Wechselwirkung  stehen,  und  so  sich  auch  in  den  momentanen  Krisen 
der  Völkergeschichte  der  jedesmalige  Zusammenhang  mit  dem  Ganzen 
bemerkbar  machen  musste.  Für  die  auf  Befehl  erforderlichen  Antworten 
boten  sich  als  einfachste  Beobachtungen  die  der  (überall  in  Asien  und 
America  wiederkehrenden)  Vogelschau,  indem  die  Flüge  der  VögeP) 
in  eine  methodische  Verbindung  mit  den  langsamer  verlaufenden 
Naturbewegungen  derGesammtheit  gesetzt  wurden,  um  gewissermassen 
aus  einem  im  Kleinen  erfassten  und  genau  bestimmbaren  Theil  die  Con- 
stellation  des  Ganzen  zu  berechnen,  und  so  zu  einer  der  Anfrage 
genügenden  Entscheidung  befähigt  zu  sein. 

Indem  nun  aber  der  regelmässig  geordnete  Naturlauf,  den  die 
Auguren  in  systematischen  Observationen  zu  verfolgen  hatten,  ge- 
legentlich durch  unerwartete  oder  plötzliche  portenta^)  unterbrochen 
werden  konnte,  so  waren  für  diese  abnormen  Zwischenfälle  (für  diese 
ostenta,  in  welchen,  wie  es  schien,  die  Götter  etwas  besonders  Wich- 
tiges anzuzeigen  beabsichtigten),  besondere  Interpretatoren')  erforder- 


gottlichen  Willens  zu  versichern  hat  (s.  Marquardt).  Ihr  Beruf  ist  die  ,,nuiitiatio"  (die 
Beantwortung  der  ihnen  vorgelegten  Fragen ,  ob  die  beobachteten  Zeichen  günstig  oder 
ungünstig  sind,  wogegen  die  ,,Speciio"  (das  Recht,  Auspicien  im  Namen  des  Staats  anzu- 
stellen) früher  dem  König  gehörte  (dann  den  Magistraten). 

*)  Sie  erweisen  sich  oft  auch  practisch  eingreifend,  Wanderungen  zu  leiten,  (oder  im 
Erscheinen  Vorzeichen  gewährend).  Die  Lenape  wurden  bei  einem  Kriegszug,  durch  das 
nächtliche  Geschrei  der  Eule  vor  einem  Ueberfall  gerettet  (s.  Heckewälder) ,  wie  die 
Gänse  das  Capitol  schützten.  Wenn  der  Zahar  oder  Augur  „began  bis  soothsaying  Ope- 
ration, he  drew  two  lines  called  eyes,  as  if  he  could  by  means  of  thcm  obscrve  anything 
he  liked"  (Rehatsek). 

')  Wie  viel  Wunderzeichen,  ostenta  und  prodigia,  haben  sich  allein  in  diesem Jaare, 
und  hier  im  Lande  sehen  lassen ,  und  begeben  und  zugetragen ,  heisst  es  in  dem  Briefe 
(i2.  Sept.  1629)  des  ChurfÜrstcn  Georg  Wilhelm  an  die  Schul  -  Rectoren ,  die  gefragt 
werden:  ,, Meinet  Ihr,  das  das  Zeichen  am  Himmell,  welches  sich  am  30.  Augusti,  in 
gestalt  eines  Trachen  sehen  Hesse ,  dantmb  erschienen ,  das  Ir  darauff  also  fort  am 
10.  dieses  denen  gleich,  welchen  es  eben  eins  ist,  Sic  haben  einen  zornigen  oder  gnedi- 
gen  Gott,  mitt  allerhand  dabey  lauffrndi  n  Sachen,  daran  Gott  ein  Grewell  hatt,  comoedien 
agiren  sollet  r" 

•)  Neben  den  Kalidscha  oder  Zauberinnen,  wahrsagen  die  Watos  oder  Scher  und,  aus 
den  Eingeweiden  der  geopferten  Thiere  die  Luba  oder  Priester  (bei  den  Galla).  In  Peru 
wurde  aus  den  Eingeweiden  der  Lama  ge weissagt.  Augurquc  cum  esset,  dicere  ausus 
est,  optirois  auspiciis  ea  geri,  quae  pro  reipublicae  salute  gererentur  (s.  Cicero).  Auguria 
quoque  et  avium  cantus,  et  sternutationes  et  talia  plurima  omnino  vitanda  sunt  (s.  Alcuin). 


618  PRIESTERLICHES  UND   STAATSWESEN. 

• 

lieh ,  und  diese  suchten  dann  (wie  stets  in  solch  schwierigen  Noth- 
lallen)  von  den  dämonischen  Mächten  Erkundigungen  einzuholen, 
weshalb  sie,  als  Ausüber  solch  schwarzer  Kunst,  im  geordneten  Staats- 
leben auch  nur  ungern*)  geduldet  wurden.  In  Rom  berief  man  für 
lange  Zeit  hindurch  zur  Unschädlichmachung  solcher  Prodigien  (von 
pro-agere)  „Haruspices  Tusci  ac  barbari*'  Etrurien's,^)  wo  das  Colle- 
gium  der  Haruspiees  seine  Kenntnisse  auf  die  Offenbarungen  des 
erdgeborenen  Tages  gründete.  Genetrix  ac  niater  superstitionis 
Etruria  (s.  Arnobius).  Auch  die  Naturerscheinungen  meteorologischer 
Processe  erhielten  ihre  Beachtung  (wie  in  Afrika),  und  so  zerfielen 
die  „Volumina  Etruscae  disciplinae"  in  „libri  rituales ',  fulgurales  und 
haruspicini  (neben  den  Ostentaria)^). 

Sollte  rasch  die  erforderliche  Deutung  gefunden  werden,  so  lag 
am  nächsten  das  stets  zu  Gebote  stehende  Mittel  der  Hostiae 
consultatoriae,  die  Tödtung  eines  Thieres  und  Durchspähung  der 
Eingeweide,  denn  da  der  Gang  des  Makrokosmos  sich  (nach  magi- 
scher Anschauung)  direct  im  Mikrokosmos  reflectiren  musste,  Hessen 
sich  hier  Regeln  feststellen,  wie  später  bei  den  von  den  Astrologen 
medicinisch  verwertheten  Beziehungen  der  siderischen  Umläufe  zu 
den  Leibesorganen  animalischer  (thierischer  oder  menschlicher)  Kör- 
perlichkeit. 

Die  Culturheroen,  wie  Bochica  bei  den  Chibcha,  Boitia  auf  den  An- 
tillen  U.A.  m.  erhielten  priesterliche  Vergötterung*),  und  später  erst 
weitete  sich  die  Kluft,  wodurch  Religion  und  Wissenschaft  gespalten 
wurden,    während    früher   die  priesterliche  Weihe    nicht  nur  an  den 


')  ,, Haruspices   secretu  ac  sine  testibus  consuli"  war  (in  Rom)  verboten  (s.  Sueton). 

')  Vcrtumnus  heisst  Deus  Etruriae  priuceps  (bei  Varro).  Die  Aesar  rerfielen  in  die 
oberen  oder  verhüllten  Götter  und  in  die  ,,dii  consentes  oder  complices"  neben  den  Genii 
oder  Unterwcltsgöttem.  Wie  Turnus  als  Mercur  erscheint,  Tinia  oder  Tina  als  Jupiter 
u.  s.  w.,  so  wird  der  Kortonäiscbe  Heros  Nanas  mit  Odysseus  identihcirt 

•)  Neben  Erklärungen  aus  der  Blitzlehre,  deuteten  die  Haruspices  die  portenta  und 
ostenta  mit  Angabe  der  Götter  und  ihrer  Sühnungen,  sowie  sie  in  den  hostiae  consul- 
tatoriae genannten  Opfern  die  Eingeweide  beschauten  (als  Mikrokosmos).  Der  Häuptling 
Obcra  (unter  den  Guaranis)  handelte  als  Prophet,  indem  er  den  gerade  erscheinenden 
Cometen  in  seiner  Macht  zu  haben  behauptete,  um  ihn  zur  Vernichtung  der  Spanier  zu 
verwenden.  ,,Ein  Füllen,  so  im  Amte  Zossen  geworfen  wurde,  vor  der  Stirn  ein  Loch 
und  um  dasselbe  ein  besonderes  Gewächs  hatte,  war  nach  geistlicher  Erklärung  nichts 
weniger,  als  eine  göttliche  Erinnerung,  dass  die  grossen  Herren  ihre  Hunde  und  Pferde 
besser,  als  die  Menschen  und  ihre  Diener  halten"  (1665). 

*)  Jahve  (in  der  Aussprache  des  mystischen  Tetragrammes)  hatte  mit  Abraham 
seinen  Bund  geschlossen,  und  in  Brahm  wurde  (in  Indien)  der  Ahn  der  dominirenden 
Kaste  vergöttlicht. 


BETEN.  619 

Gelehrten  haftete,  sondern  auch  an  den  Künstlern,  an  Brücken  bauenden 
Pontificen  und  Gephyräern,  an  Zimmerleuten  auf  Tonga,  an  den  (oft- 
mals freilich  in  die  Repräsentanten  schwarzer  Magie  verkehrten) 
Schmieden  vielfach.  Dem  von  der  Okeanidc  Melia  dem  Inachos  ge- 
borenem Phoroneus  (Vater  des  Apis  und  der  Niobe)  oder  (s.  Baur) 
Pharao^)  wird,  wie  die  Vereinigung  der  zerstreuten  Menschen  in  feste 
Wohnsitze  (bei  Hyginus)  und  Ordnung  der  geselligen  Verbindung 
(s.  Tatian),  die  Erfindung  des  Feuer's  zugeschrieben  (nach  Pausanias). 

Als  der  Lake  Superior  zu  kreuzen  war,  richtete  der  Häuptling 
ein  ernstes  Gebet  an  den  Grossen  Geist,  (der  den  See  geschaffen, 
sowie  sie,  seine  Kinder,  und  jetzt  die  Wasser  ruhig  halten  könne), 
dann  einen  religiösen  Sang  anstimmend,  was,  wie  Tanner  bemerkt,  auf  die 
Indianer  tiefen  Eindruck  machte,  ebenso  wie  ihre  Lage,  „being  exposed 
un  the  broad  lake,  in  their  frail  canoes". 

Solche  pjndrücke,  die  bei  activen  Wanderstämmen  zu  monotheisti- 
schen Verehrungen  führen,  fallen  bei  dem  in  beschränkten  Local-Verhält- 
nissen  lebendem  Neger  fort,  der  nur  überall  hier  und  da  ein  feindlich 
Dämonisches  gegen  sich  gerichtet  glaubt,  und  so  in  Riten  des  Fetisch- 
dienstes verbleibt. 

Bei  den  Wüstenvölkern  und  ihrer  freien  Umgebung  findet  sich 
mehr  oder  weniger  ein  (aus  den  Beduinen  zum  semitischen  Character- 
bilde  gewordener)  Monotheismus  ausgebildet,  und  auch  die  Patagonier 
auf  offenen  F'lächen  fühlen  sich  von  dem  Luftgott  Pillan  umwogt 
(gleichsam  die  obere  Luftregion  in  Jupiter). 

Die  Buchreligion  gab  den  Besitzern  heiliger  Schriften^)  das 
natürliche  Uebergewicht  grösserer  Schwere  unter  den  nur  von  schwan- 
kenden Mythenbewegten  Horden,    und   so  verbreiteten  die  aus  den 


*}  Die  ägyptischen  Priester  lachten  über  die  in  den  Genealogien  der  Griechen  bis 
auf  die  Götter  zurückgeführte  Abstammung  (wie  bei  Ilecatäus  innerhalb  i6  Generationen), 
indem  in  der  Zeit  ihrer  34$  (durch  Holzstatuen  repräsentirten)  Hohenpriester,  wo 
Mensch  von  Menschen  gestammt,  kein  Gott  erschienen  sei  (s.  Hcrodot),  und  so  verglichen 
mit  ihrer  eigenen  Geschichte,  erschienen  ihnen  die  von  Solon  mitgetheilten  Mythen,  von 
Phoroneus  und  Niobe  oder  über  Deucalion  und  Pyrrha,  als  jung  (nach  Plato). 

')  Im  Lande  Weiwur  des  Königs  Iduhu  (Idikut)  wurden  aus  dem  durch  Himmeb- 
licht  zwischen  zwei  Flüssen  geschwängerten  Baum  von  fiinf  Hügeln  fttnf  Zelte  geboren, 
jedes  mit  einem  Knaben,  von  denen  der  jüngste  (Bukohan  oder  Bukutegin)  auf  Erobe- 
rungen auszog  (von  Raben  berathen)  und  das  Reich  der  Uiguren  in  Bisbbalik  (Fünfstadt) 
oder  Urumtschi  gründete ,  wo  die  Kam  genannten  Priester  durch  die  Bücher  der  Numi 
widerlegt  wurden  (in  buddhistischer  Bekehrung).  Bei  Samojeden  dienen  die  Götter 
(Tatebi)  dem  höchsten  Wesen  oder  Nam.  Die  Verehrung  der  Bari  wird  an  Nun  (im 
Himmel  weilend)  gerichtet. 


620  PRIESTERLICHES   UND   STAATSWESEN. 

ägyptischen  Mysterien  nach  Palästina  mitgebrachten  Formeln  schützende 
Scheu  um  den  Namen  der  Hebräer,  während  die  Geschichte  Roms 
mit  den  Geheimnissen  der  sibyllinischen  Bücher  verknüpft  gedacht 
wurde. 

Kaiser  Tshwan-Hsiu  (r  2437  '*•  ^•)  verbot  die  Magie,  indem 
er  keine  anderen  Opfer  erlaubte,  als  die  dem  höchsten  Wesen 
(Shangti)  dargebracht  wurden,  und  aus  dieser  Dynastie  stammte  die 
spätere  derTshin,  die  als  Markgrafen  an  der  Grenze  der  Nomaden- 
völker, in  der  früheren  Mark  der  Thsou  (am  oberen  Wei^),  dann 
diese  von  dem  Throne  verdrängte. 

In  der  chinesischen  Staatsreligion  (Kiun-sze  oder  die  Opferfolge) 
werden  die  Hauptopfer  dem  Hwang  -  Teen  (oder  Herrscherhimmel), 
dann  den  Gestirnen,  den  Vorfahren  u.  s.  w.  dargebracht,  und  der 
Dienst  wird  versehen  von  dem  „Emperor  (who  is  high  priest),  kings, 
nobles,  statesmen,  and  an  indefinite  number  of  civil  and  military  oflfices" 
(s.  Martin).  Die  Mandarine  beauftragen  zu  den  verschiedenen 
Jahreszeiten  die  officiellen  Ceremonien-Meister,  die  dem  Riten-Colle- 
gium  (Li-pu)  angehören. 

Nach  dem  Chunjj-yung  werden  die  Ceremonien  der  himmlischen 
und  irdischen  Opfer  in  dem  Cultus  des  höchsten  Herrn  oder  Shang- 
te  dargebracht,  den  der  Commentator  als  „Herrscher  des  Himmels" 
erklärt,  für  dessen  irdischen  Reflex  (auf  Erden)  der  Kaiser  erkannt 
wird,  der  in  gleichzeitiger  Vertretung  der  Menschheit  für  die  Sünden 
seiner  Unterthanen,  wie  sie  sich  in  Landplagen^)  manifestiren,  Busse 
ablegt. 

Im  Criminalcodex  werden  die  Priester*)  des  Buddhismus  und  der 


')  Neben  dem  Dsungarischen  Arm  des  Han-bai,  bildet  den  Eingang  (China's)  zu 
Centralasien  die  Thalfurche,  welche  von  Bulungir-gol  aus,  dem  Nordfuss  des  Ki-lien-shan 
entlang,  aus  dem  alten  Seegrund  fast  unmerklich  gegen  Südosten  nach  der  einstigen 
Ufergegend  ansteigt,  und  dann  mit  beinahe  ebenem  Boden  zur  Wasserscheide  eines  Zu- 
flusses des  Hwang-ho  zieht;  den  hohen  Kilien-shan  (oder  Nan-shan)  zur  Rechten,  den 
Abfall  des  Steppenplateau's  zur  Linken ,  führt  die  Thalfurche  bequem  hinüber  aus  Cen- 
tralasien in  das  grosse  Thal  von  Lan - tshou  -  fu ,  dann  in  die  grosse  Kornkammer  Shensi, 
welche  stets  ein  ersehntes  Ziel  der  Raubzüge  der  nördlichen  und  westlichen  Nachbarn 
war.  Mitten  in  der  Passage  erreicht  man  die  grosse  Mauer  bei  dem  wichtigen  Thor, 
durch  welches  der  Yü- Stein  von  Khotan  nach  China  gebracht  wird,  und  das  daher  Yu- 
mönn  (Yü-Thor)  oder  Kia-yü-Kwan  (Zollbarriere  des  edlen  Yü)  heisst  (s.  v.  Richthofen). 

')  Die  Yucataner  (s.  Landa)  „creian  que  por  el  mal  y  el  pecado  les  venian  muertcs 
enfermedades  y  tormentos"  (in  buddhistischem  Sinn). 

*)  Nach  Kaiser  Kang'he's  heiligem  Edict  (mit  dem  Coroentar  seines  Sohnes  und 
Nachfolgers  Yungching)  sind  all  die  sinnlosen  Redereien  über  Götzenanfertigungen* 
Kirchen  bauten,  Congregationen,  Fasten  u.  s.  w.  von  den  nichtsnutzigen  Priestern  Buddha*s 
und  Taou's  erfunden,  das  Volk  zu  bethören  (1723). 


STAATSCULTUS.  621 

Taou  -  Religion    vor  einer  Nachahmung  der  in  der  Staatsreligion  ge- 
heiligten Gebräuche,  als  strafbarer  Profanation^),  gewarnt. 

Neben  den  Naturgegenständen,    den  Ahnen,    politischen  Institu- 
tionen u.  s.  w.,  wird  in  der  Stäatsreligion    als  Particular-Cultus  noch 


*)  According  to  the  edict  (1850)  of  Wan  (prefect  of  Kiay ingehau),  the  Christian  doctrine 
pretends  the  encouragement  of  virtue  and  the  repression  of  vice,  but  this  is  the  language 
constantly  held  by  the  literati.  Its  dogma,  that  those  who  believe  in  the  lord  of  heaven 
will  be  made  happy  and  that  aftcr  death  their  spirit  will  ascend  to  heaven,  and  that 
those  who  do  not  so  believe  will  be  visiied  with  misery,  and  that  after  death  their  spirits 
will  entcr  the  prison  of  hell,  is  of  the  same  import,  as  the  saging  of  Wu-Sansz  (700): 
,, Those  who  are  good  to  me,  are  good,  those  who  are  evil  to  me,  are  evil".  Suppose 
the  t)elievers  in  the  lord  of  heaven  all  robbers  and  vicious  persons ,  happiness  is  here- 
afier  bestowed  upon  ihem  all,  while  those  who  are  not  believers,  although  just  men 
with  a  Store  of  merit,  are  all  to  be  hereafter  subjected  to  misery.  Never  was  the  fair 
Order  of  reward  for  virtue  and  punishment  for  vice  so  inverted  and  confused.  It  is  fatal 
to  what  heaven  (nature)  teachcs  as  to  be  right.  The  terms  ,,palace  of  heaven"  and 
,, prison  of  hell"  are  simply  a  piracy  from  the  lowest  class  of  Buddhistic  books.  Of 
all  nations,  that  of  Germany  believes  the  most  in  the  lord  of  heaven,  and  yet  its 
inhaliitants  are  scattered  and  in  ruins,  whereas  Japan,  where  every  one  landing  on  the 
quay,  has  to  trample  on  a  crucifix,  enjoys  happiness  and  quiet.  According  to  the  ,,luminar 
doctrine"  the  four  quarters  were  determined  in  the  sign  of  a  cross,  and  from  that  the 
Professors  of  this  crecd  oficrwards  dcvised  the  tale  of  their  teacher's  crucifixion,  worshipping 
cven  the  instrument  of  punishment  (wie  auch  der  Apostat  in  seiner  Controverse  her- 
vorhob). According  to  the  edict  of  Wan  (prefect  of  Kiayingchau)  against  Christians  converts 
(1850),  Jesus,  bom  in  the  timc  of  Ngai-Ti,  of  the  Han  dynasty,  ranks  no  higher,  than 
Ilwa  Toh,  Chuh-yuh  and  olhers  of  the  same  class,  being  merely  skilled  to  relieve  mankind 
by  curing  them  of  disease.  His  power  of  breaking  seven  cakes  into  food  for  3000  men, 
is  not  either  any  more,  than  the  witchcraft  of  the  rationalists ,  by  which  things  are 
shifted  from  one  place  to  another.  Jesus  broke  off  all  intercourse  with  his  father  and 
regarding  himself  as  the  offspring  of  his  motlier,  conceived  while  she  was  a  virgin, 
falsely  affirmed,  that  he  was  her  illustrious  son.  created  by  heaven.  The  converts  of 
his  doctrine  thereforc  allowed  no  sacrifices  or  obeisances  to  be  performed  to  ancestors 
or  sovereigns.  There  was  no  such  thiug,  as  filial  piety  and  loyalty,  for  which  the  wrath  of 
heaven  was  excited  and  the  king  of  Judaea,  seizing  Jesus,  punished  him,  by  nailing  him 
upon  a  cross.  His  vagabond  disciples  fabricated  a  report,  that  when  he  had  been  three 
days  buried,  he  revived  and  after  forty  days  took  his  flight  upwards.  This  doctrine 
ressembles  that  of  Sun-ngau,  who  drowned  himself,  when  his  troops  were  defeated  and 
was  reported  by  his  foUowers  to  have  become  a  water-spritc,  or  that  of  the  rebels  of  the 
white  Lilyfaction,  who  were  put  to  death  by  bcing  cut  to  pieces,  when  their  fellows 
gave  out,  that  the  body,  killed  by  a  metal  weapon,  rclaxed  its  hold  of  the  spirit,  which 
disengaged  itself  and  ascended  to  another  State  amongst  spiritual  beings.  How  could  the 
lord  of  heaven  be  killed  by  mortals  and  the  idle  Bction  of  his  disciples,  that  as  lord  of 
heaven,  he  suffered  punishment  for  the  sake  of  sinful  man  is  also  extremely  ridiculous. 
Der  König  von  Siam  sagte  den  Missionären :  ,  ,que  el  era  seüor  de  sus  vasallos  cn  lo 
temporal  y  no  de  sus  almas  que  cada  uno  buscase  in  salvacion".  V  aunque  eran  estran- 
geros,  los  gentiles  se  le  mostraban  notablemente  affables  y  amorosos  y  quando  yban 
a  pedir  por  las  calles  limosnas  con  el  alforja  al  hombro  se  la  daba.  Los  ministros  de 
los  Idolos,  tambien  los  recibian  en  sus  casas  con  mucho  amor  y  les  mostraban  sus  templos 
y  conventos.     Los  quales  son   muy   sumptuosos  y  ricos  por  ser  aquel  reyno  el  seminario 


022  PRIESTERLICHES  UND   STAATSWESEN. 

der  der  beiden  grossen  Weisen  in  Literatur  und  Kriegskunst,  des 
Confucius  und  des  Kuangti  zugelassen. 

Die  vier  Bücher  des  Confucius  (of  ethics  and  politics)  „must 
be  committed  to  mcniory  by  all,  who  attain  to  distinction  in  literary 
rank".  Seit  Chu-Hi's  Lehre  vom  Tai-Kih  (dem  grossen  Acussersten) 
werden  die  Jünger  des  Confucius  (und  Mencius)  als  Ju-kiau  (Gelehrten- 
secte)  bezeichnet  (s.  Williams). 

Im  Dienst  des  Sintu  oder  Kami-no-Mitsi  (Weg  der  Kami)  haben 
die  Kami-Nusi  (Wirthe  der  Götter)  genannten  Priester  die  Reinheit') 


de  las  Idolatrias  (s.  Ribadeneyra).  Ay  mczquita  de  moros  cn  la  corte,  qiie  gardaban  su 
alcoran  y  le  predicaban.  Y  muchos  Indios,  que  tienen  en  su  synagoga ,  estan  casados 
con  miigeres  de  la  ticrra ,  las  quales  se  preciaban  mucho  de  muy  observantes  de  la  ley 
de  Moysen  (in  Slam).  In  der  christlichen  Abschwörungsformel  entf?agt  der  Kalmücke 
allen  Burchanen  imd  Göttern ,  die  vormals  Menschen  gewesen  sind ,  wie  Dschag- 
dschanumi,  Sunkuba,  Abidaba,  Manschuschari,  Maidari,  Jamandaga,  Aerlikchan,  Lumchan, 
Dantschingtaingäri ,  Okiniangäri,  Üaräakkä ,  dem  Dalai-Lama,  Bokdo-Lama  und  anderen 
Göt/en,  d^n  Lamcn  und  Chutukten,  der  Anbetung  von  Mond  und  Sternen,  sowie  dem 
dreifachen  Hciligthum  (Gurban  Aerdäni),  den  Reliquien  (Schalir-Ulä),  Büchern,  Opfern  u.s.  w. 
Der  ganze  Monstranzcultus ,  wie  die  katholische  Kirche  ihn  übt  und  fordert,  da  sie  seil 
Paschasius  Radbertus  ein  bildliches  Wort  des  Evangeliums  in  abergläubiger  Buchstäblich- 
keit nahm  und  auf  vernunftwidrige  Weise  dogmatisirte ,  und  der  Priester,  ,,der  seinen 
Gott  schafft",  wie  dem  Volke  gepredigt  wird,  wenn  einer  das  erste  Messopfer  verrichtet, 
zeigen  sie  uns  nicht  Fetischdienst  und  Zauberei  innerhalb  des«Christenthum's  im  19.  Jahr- 
hundert? (fragt  Carri^re).  Le  monde  crce  de  rien ,  tandisque  l'homme  et  la  femnie  sont 
p^tris  de  limon,  le  serpent  doue  de  la  parole,  la  faute  d'Eve  rctombant  sur  ses  descen- 
dants,  le  d^lugc,  la  destruction  universelle,  Tarche  et  la  confusion  des  langues,  op^ree 
par  dieu  dans  la  crainte  de  voir  s'elever  une  tour  trop  haute,  sont  autant  dinventions 
(nach  Yasui  Chinhei).  ,,Toutes  les  histoires  de  la  Bible  sont  semblables.  11  faudrait  un 
mois  pour  en  exposer  la  fausset^  en  les  prenant  une  h  une.  L* Intervention  de  Jehovah 
dans  la  vie  des  patriarches  pour  les  faires  changer  de  nom ,  les  marier,  les  faire  divorcer 
etc.  semble  plutot  d'un  homme  que  il'un  dieu.  (Quelle  mesquinerie!  Et  puis  ce  dieu,  qui 
est  le  p^re  de  l'humanitc,  l'oublie  sans  cesse  en  ne  s'occupant  que  de  son  peuple  h.  lui, 
il  d^truit  les  Egyptiens  par  colere,  c'est  une  divinite  malfaisante  sans  cesse  acham^e  au 
carnage"  (s.  Bousquet).  Die  Missionaire  (meinen  die  Japaner)  ,,nous  prennent  pour  des 
barbares  et  des  ignorants.  Ils  nous  parleut  de  colonnes  et  de  nuages  de  feu,  d'^tres 
vivant  dans  des  baleines  etc.,  et  c'est  avec  cela  qu'ils  pretendent  nous  convertir,  mais 
miracles  pour  miracles,  les  notres  ne  sont  pas  plus  absurdes  que  les  leurs"  (s.  Bousquet). 
Tanta  jam  stultitia  oppressit  miserum  mundum  ut  nunc  sie  absurdae  res  credantur  a 
Christianis,  quales  nunquam  antea  ad  credendum  poterat  quisquam  suadere  paganis,  crcatorem 
omnium  ignorantibus  (s.  Agobard  von  Lyon).  Dicunt,  quod  fides  sancta  Catholica  est 
magis  improbabilis ,  quam  probabilis,  unde  sequitur  infamia  magna  apud  infideles,  klagt 
Raymund  Lullus  über  die  Averroisten. 

*)  Der  heilige  Raum  der  Moscheen  darf  nur  barfuss  betreten  werden,  wie  ähnlich 
die  geweihten  Stiy^ten  Indiens,  und  in  Peru  waren  den  Priestern  beim  Dienst  Pachacamac's 
die  Augen  verbunden.  ,,Attingere  uni  sacerdoti  concessum",  den  Hain  der  Nerthus  (terra 
mater)  mit  ihrem  Wagen  (s.  Tacitus).  Das  Bild  der  Isis  (in  modum  libumae  figuratum) 
fand  sich  bei  Sueven  verehrt.  In  Schweden  wurden  die  verhüllten  Wagen  Freyr's  (Sohn 
des   Njörd)  im  Frühjahr   durch's  Land    gefahren  (und  so  Irmin's).     Jord  (die  Odhin  ver- 


SAUL.  623 

des  Tempels  (Mia)  zu  hüten  in  den  Symbolen  des  Spiegels  und  der 
papierstreifigen  Gohi.  Der  Cultus  verknüpft  sich  mit  der  Verkör- 
perung der  Mikotto  im  Mikaddo,  in  directer  Linie  von  der  Sonnen- 
göttin Ten-sio-dai-jin  (der  Tochter  des  Urpaar's)  abstammend. 

Unter  dem  Priesterpropheten  Quauhtlequetzqui,  der  bei  dem  (in 
Michoacan  eingetretenen)  Tode  Huitziton's  gefolgt  war,  Hessen  sich 
die  Azteken  in  Coatepec  (bei  Tollan)  nieder,  'wo  sie  sich  so  wohl 
befanden,  dass  es  der  Erscheinung  des  Gottes  in  seiner  schreck- 
lichsten Form  bedurfte,  um  eine  Weiterwanderung  durchzusetzen. 

Das  Volk  begann  dieses  unstäten  Lebens  müde  zu  werden,  und 
murrte  gegen  die  Priester,  die  auf  der  nächsten  Station  in  Chapultepec 
ihren  Einfluss  schon  so  weit  geschwächt  fanden,  um  bei  dem  Tode 
Quauhtlequetzqui's  die  Wahl  des  Häuptling's  Huitzilihuitl  zum  Ober- 
herrn (nach  Art  weltlicher  Könige)  nicht  verhindern  zu  können. 

Wie  Cocox  oder  Cocoxtli  (König  von  Culhuacan)  gegen  die 
Xochimilcos,  leisteten  sie  auch  später  dem  auf  den  Sturz  jenes  be- 
dachten Usurpator  Acamapichtli  hülfreichen  Beistand,  und  sollen 
dessen  Nachfolger  auf  dem  Thron  Culhuacan 's,  den  König  Xiuhtemoc 
auch  zu  dem  ihrigen  gewählt  haben  (als  damals  Huitzilihuitl  starb), 
indem  sie  zugleich  ihren  Wohnsitz^  von  Chapultepec  nach  Culhuacan 
verlegten. 

Vielleicht  war  es  die  Wiedereinsetzung  des  (in  einem  Boot  ge- 
flüchteten) Coxcox  oder  sonst  die  Thronbesteigung  AchitometFs, 
des  feindlichen  Bruders  des  Acamapichtli,  welche  die  Vertreibung 
der  Azteken  und  ihrer  Ansiedlung  in  Iztacalco  veranlasste.  Doch 
kehrten  sie  unter  der  Herrschaft  eines  angestammten  Häuptlings 
zurück,  des  Tenuch,  oder  Tenuchcatzin,  gleichsam  die  Wiederein- 
körperung  des  ursprünglichen  Stammvater's  Tenuch  (unter  den  Söhnen 
des  Iztac  Mixcohuatl),  während  die  Priester  mit  zauberischen  Riten 
die  in  dem  verheissenen  Lande  prophetisch  vorherverkündete  Stätte 
der  neuen  Stadt  zu  suchen  bemüht  waren.  Als  diese  auf  einem  zu 
Azcapuzalco  gehörigen  Terrain  gefunden  war,  mussten  sich  die 
Mexicaner  den  von  den  Tepaneken  eingesetzten  Statthaltern  fügen, 
erst  Tlacotin  (dem  Sohne  Tezozomoc's)  und  dann  Teuhtlehuac. 

Um  eine  Befreiung  von  dieser  Knechtschaft  anzustreben,  wurde 
nun  (wahrscheinlich  bei  Tenuch's  Tode)  in  einer  Versammlung,  welche 
(durch  die  Noth  der  Zeit  gedrängt)  auch  die  Priester  ihre  Beistimmung 


mahlte  Tochter)  war  Mutter  Thor's  (als  Jardhar  Burr).     Wie  in  den  cimbrischen  Kriegen 
waren  Wagen  bei  den  Sauromaten  in  Gebrauch. 


ß24  PRIESTERLICHES   UND   STAATSWESEN. 

gaben,  die  Wahl  eines  Königs  beschlossen  und  dafür  der  in  den 
Verfolgungen  Achitometrs  II.  voi\  Culhuacan  nach  Tezcuco  gerettete 
Sohn  Acamapichtli's  (Acamapichtli  II)  berufen. 

Gleichzeitig  hatten  sich  dann  die  Tlatelolccr  den  in  Quaquauh- 
pitzahuac  gewählten  König  von  Tezozomoc  erbeten,  den  tepaneki- 
schen  Prätendenten  für  die  Kaiservvürde,  und  da  in  der  (dies  Kreigniss 
in  einen,  der  Gründung  Tenochtitlan's  vorhergehenden,  Zeitpunkt  ver- 
legenden) Version  (bei  Veytia)  gesagt  wird,  dass  vorher  das  (von 
Acolhua  II.  bewilligte)  Gesuch  an  den  Kaiser  Quinantzin  gerichtet, 
aber  von  ihm  abgeschlagen  worden,  so  fugt  sich  desto  verständlicher 
damit  zusammen,  wenn  ihre  Rivalen  in  Tenuchtitlan  sich  nach  Tezcuco 
wenden,  um  gegen  die  Tyrannei  des  Despoten  in  Azcapuzalco  jenen 
Beistand  zu  gewinnen,  der  mit  NetzahualcoyatPs  Siegen  das  Joch 
zerbrach. 

Ueberhaupt  knüpft  sich  die  Secession  der  Patrizier^)  oder  des 
Adels,  deren  Abtrennung  die  Mythe  von  den  Quimilen  (den  Bün- 
deln des  Smaragdes  und  der  P'euerstricke)  oder  Quimilli  (s.  Torque- 
mada),  auf  dem  Halteplatz  Cohuatlycamac  (nach  der  Auswandrung 
von  Chicomoztoc)  und  der  dort  stattgefundenen  Scheidung  (zwischen 
den,  den  Namen  der  Mexicaner  bewahrenden,  Anhängern  Huitziton's 
und  „ellos  que  despeus  se  lamaron  Tlatelulcas"),  zurückfuhrt,  geschicht- 
lich an  das  Regiment  der  tepanekischen  Gouverneure,  indem  die 
denselben  aus  der  üppigen  Residenz  Azcapuzalco  nach  der  ärmlichen 
Lagunenstadt  folgenden  Begleiter  dort  den  Rang  einer  Adelsklasse 
einnahmen,  und  als  solche,  mit  der  ihr  Auftreten  nachahmenden 
und  vom  Hofleben  angezogenen  Parthei  unter  den  Mexicanern,  sich 
aristocratisch  von  der  grossen  Masse  des  Volkes  abschieden.  Die 
dadurch  in  ihrem  Stolze  nicht  nur,  sondern  auch  in  Autorität  beein- 
trächtigten Priester  regten  deshalb  die  Plebejer  oder  Gemeinbürger 
zur  Empörung  auf,  und  der  zur  Flucht  gezwungene  Statthalter  Teuht- 
lehuac  begab  sich  mit  seinen  mexicanischen  Anhängern  nach  dem 
durch  den  Wirbelwind  prognosticirten  Platz,  wo  neben  der  aufge- 
rollten Schlange  Schwert  und  Schild  gefunden  wurde.  Ihm  dürfte 
dann  Quaquaukpitzahuac  gefolgt  sein,  den  die  Tepaneker  als  von 
ihnen  eingesetzten  Gouverneur,  die  Tlatelolken  (vielleicht  in  Folge 
besonderer  Begünstigungen  für  die  bewiesene  Treue)  als  ihren  König 


*)  Die  Kasi  (Sclaven)  genannten  Gemeinen  vertrieben  (in  Amban)  die  Vornehmen 
(Matani-vanua  oder  Gutsbesitzer),  die  mit  den  Kriegern  und  Fürsten  den  Adel  bildeten 
(auf  Fiji),  und  so  die  in  ethnische  Benennung  übergehenden  Ser\n  auch  sonst. 


SAUL.  625 

betrachtet  wird,  (und  die  Sage  zum  Nachfolger  Mixcohuatl's  macht, 
des  Doppelgängers  des  Stammvaters  Iztac  MixcohuatPs),  während 
die  Tenuchtitlaner  aus  Furcht  vor  der  für  ihre  Empörung  drohende 
Stiafe  Verbindungen  in  Tezcuco  suchten  und  dem  flüchtigen  Königs- 
sohne in  seinem  ihm  dort  gewährten  Asyl  die  Krone  ihres  Landes 
anboten.  Aus  seiner  Unmündigkeit  erklärt  sich  die  bis  zu  ihrem 
Tode  dominirende  Rolle  der  Königin  und  IlancucitI,  ihrer  erwählten 
Amme,  die  dann  von  der  Sage  in  IlancueitI,  als  die  Gemahlin  Iztac 
Mixcohuatl's,  reflectirt  wird. 

Bei  dem  Tode  dieses  ersten  Königs  suchte  nun  die  Priester- 
schaft eine  Reaction  zu  ihren  Gunsten  her\'orzurufen,  um  das  alte 
Ansehen  wieder  herzustellen,  und  so  schlug  sie  eine  republikanische 
Verfassung  vor,  ähnlich  wie  in  TIascala,  indem  die  Regierung  einem 
Rath  oder  Senat  übertragen  werden  solle  und  daneben  ein  Feldherr 
für  Kriegszeiten  eingesetzt. 

Indess  drang  die  monarchische  Parthei  mit  ihrer  Ansicht  durch, 
und  da  man  Huitzilihuitl,  den  Sohn  Acamapichtli's,  auf  den  Thron 
erhob,  so  war  damit  eine  regelmässige  Succession  hergestellt,  die 
sich  in  seinem  Bruder  Chimalpopoca  und  dessen  Sohn  Montezuma 
Ilhuicamina  fortsetzte. 

Indess  bewahrte  die  Königswürde  einen  vorwiegend  priester- 
lichen') Character  oder  vielmehr  den  eines  Friedens -Fürsten,  indem 
neben  dem  König  Huitzilihuitl  (der  bei  damaliger  Schwäche  Tezcuco's 
gerathen  fand,  in  Azcapuzalco  Bestätigung  nachzusuchen  und  Ver- 
zeihung für  das  Vorgefallene)  noch  im  Besonderen  ein  Kriegsfiirst 
ernannt  wurde  in  ItzcoatI,  einem  illegitimen  Sohn  des  verstorbenen 
Königs. 

Als  indess  nach  Chimalpopoca s  (Huitzilihuitls  Bruders)  traurigem 
Ende  der  Rachekrieg  gegen  den  Despoten  von  Azcapuzalco  in 
Mexico  proclamirt  wurde,  da  musste  die  ganze  Macht  in  den  Händen 
des  Königs  concentrirt  werden,  und  so  wurde  der  bisherige  Kriegs- 
fürst ItzcoatI  mit  der  Würde  desselben  bekleidet. 

In  den  siegreichen  Kriegen,  die  dann  (im  Bunde  mit  Tezcucanern 
und  den  von  ihren  tepanekischen  Verwandten  abgefallenen  Tlaco- 
panern)  zur  Unabhängigkeit  Mexicos  führten,  zeichnete  sich  an  der 
Seite  des  Königs  besonders  sein  Neffe  Montezuma  Ilhuicamina  durch 
ruhmvolle  Thaten    aus    und    befehligte    in  verschiedenen  Feldzügen, 


')  Kings  wcre  Te-ara-pia-o  Kongo  (thc  moulhs  picces  or  priests  of  Kongo)  in  Man- 
gaia  (s.  (jill). 

Bastian:  America.  I.  40- 


626  PRIESTERLICHES  UND   STAATSWESEN. 

SO  dass  die  beim  Tode  Itzcoatl's  auf  ihn  fallende  Königswahl  wieder 
einen  Kriegsfiirsten  traf,  der  zugleich  als  Hoherpriester  Huitzilopochtli's 
fungirte,  und  da  nach  der  Thronbesteigung  das  priesterliche  Amt, 
um  den  Cultus^)  dieses  Gottes  aus  einheimischem  Stamme  zu 
erfrischen,  seine  Aufmerksamkeit  besonders  in  Anspruch  nahm, 
wurde  zum  Feldherrn  sein  Enkel  Axayacatl  ernannt,  der  beim  Tode 
seines  Grossvaters  als  König  nachfolgte  und  das  Feldherrnamt  auf 
seinen  Bruder  Tizoc  übertrug,  der  dann  beim  Tode  des  Königs 
(dem  Einverleiber  von  Tlatelolco)  seinerseits  in  dessen  Würde  auf- 
rückte, wie  nach  dem  eigenen  Abscheiden  sein  bis  dahin  als  Feldherr 
fungirender  Bruder  Ahuitzotl. 

Der  kriegerische  Sinn  dieses  Königs  musste  ihn  geneigt  machen, 
während  seiner  Eroberungen  die  militairische  Feldherrnwürde  mit 
der  königlichen  vereinigt  zu  halten,  und  eher  die  damit  verknüpften 
Priesterverpflichtungen  von  sich  abzugeben,  und  zwar  geschah  das 
an  seinen  Neffen  Montezuma  II.  (Sohn  des  Axayacatl),  der  auch  auf 
den  Schlachtfeldern  Ehren  sammelte,  aber  zugleich  das  Hohepriester- 
amt Huitzilopochtli  versah,  und  aus  dem  Tempel^)  dieses  Königsgottes, 
beim  Tode  seines  Onkels,  auf  den  Königsthron  gerufen  wurde. 

Conflicte  zwischen  königlichen  und  priesterlichen  Gerechtsam- 
keiten^)  kamen  ausserdem  verschiedentlich  in  den  Staaten  Mexicos  vor 
und  führten  dann  zu  neuen  Regulirungen. 


*)  Um  in  der  Ileimath  der  Sieben  Höhlen,  der  Mutter  Huitzilopochtli's  den  jetzt  ihren 
Sohn  umstrahlenden  Ruhmesglanz  kund  zu  geben,  fertigte  Montezuma  Ilhuicanima  eine 
Gesandtschaft  reicher  Geschenkträger  ab,  die  durch  die  Geheimwissenschaft  des  Fürsten 
Tlacaeleltzin  zu  Coatepec  (bei  Tollan)  in  verschiedene  Thierformen  verwandelt,  nach  den 
Ahncnland  von  Culhuacan  versetzt  wurden  und  die  Zeitgenossen  ihrer  von  dort  ausge- 
zogenen Väter  noch  am  Leben  fanden,  selbst  sich  aber  als  Schwächlinge  erwiesen,  als 
sie  sich  mühsam  die  Sandhügel  hinaufquälten,  so  dass  die  alten  Priester  sich  verwunderten, 
von  welch  kraftloser  Nahrung  sie  in  dem  Lande  der  Kinwanderung  zu  bestehen  hätten. 
Die  alte  Mutter  Huitxilopochtli's  beweinte  noch  immer,  in  Sack  und  Asche,  den  Abschied 
ihres  Sohnes,  enthüllte  indess  einige  jener  Prophezeihungen,  die  bei  Ankunft  der  Spanier 
im  Lande  umliefen  (s.  Duran). 

')  Der  Hohepriester  in  Acolhuacan  (und  in  Tlacupan)  war  der  zweite  Sohn  des 
Königs  (s.  ('lavigero).  Ursprünglich  vereinigte  der  Topiltzin  die  königliche  und  priester- 
liche Würde,  später  diente  <ler  Mexicatl-Tsohuatzin  oder  Teotecuhtli  (der  Hohepriester 
des  Huitzilopochtli),  der  zugleich  als  Feldherr  (Tlacochcalcail)  fungirte,  dem  König,  bei 
dessen  Tode  er  meist  /um  Nachfolger  gewählt  wunle. 

*)  Als  Toltecall,  zum  Fürsten  in  Huexcotzinco  gewählt,  den  Unordnungen  der  Priester 
(des  Camaxtle)  zu  steuern  versuchte,  erregten  diese  (durch  zauberische  Beschwörungen) 
einen  Aufstand  des  Volkes,  so  dass  ToltecatI  mit  anderen  Adligen  flüchten  musste 
(s.   Veylia). 


ARCANA.  627 

Cholula  bewahrte  bis  zur  Conquista  den  Character  einer  Tem- 
pelstadt und  priesterliche  ^)  Form  seiner  Regierung. 

Nach  einer  alten  Geheimtradition  der  Mexicaner  war  der  den 
Gründungsplatz  ihrer  Stadt  weissagende  Nopal  aus  dem  Herzen  des 
Hohenpriesters  Copil  erwachsen,  der  aus  Malinalco  nach  Chapultepec 
berufen,  im  feierlichen  Opfer  dargebracht  wurde,  und  das  Lebensblut 
dieses  Stammes^)  quoll  gewissermaassen  fort  in  der  Reihe  jener 
Hoherpriester,  die  in  dem  Dreibunde  mit  den  Königen  von  Tlacoban 
(Atlacuba)  und  Tezcuco,  als  eine  Suprematie  über  beide  ausübend 
dargestellt  werden. 

Die  Linie  derselben  findet  sich  bei  Davila  Padilla  aufgezählt: 
Macamaxihtli ,  Huitzilihuitl,  Chimalpopoca,  Yzcouatl,  Motetguma  el 
viejo,  Axayaca,  Tigocic,  Ahuicotl,  Motetguma  el  mogo,  (que  vivia 
quando  el  Marques  del  Valle  gano  la  tierra).  Los  mismos  Reyes 
eran  los  mayores  sacerdotes  de  su  reyno,  y  el  emperador  de  Mexico, 
a  quien  en  lo  temporal  reconocian  otros  reyes,  era  el  summo  Sacer- 
dote,   ä  quien   en  las  cosas  del  templo  davan  los  demas  la  ventaja. 

Die  Conflicte,  die  bei  dem  Uebergreifen  priesterlicher  Anmassung 
in  die  staatlichen  Befugnisse  nicht  ausbleiben  können,  haben  sich 
selbst  in  der  Apathie  Ostasien's  mitunter  (wie  noch  im  vorigen  Jahr- 


*)  Als  der  durch  seine  Tapferkeit  im  Kriege  mit  dem  mexicanischen  König  Ahuitzotl 
zur  nirstlichen  Würde  erhobene  Tultecatl  gegen  die  Excesse  der  Tempel-Priester  (quitando 
la  ropa  ä  las  mugcres  que  se  bailaban  y  sacando  de  las  casas  el  Maiz  y  las  Gallinas) 
auftrat,  erregten  diese  einen  Aufstand  gegen  die  Staatsgewalt  und  wurden  von  dem 
Oberpriester  (a  cuyo  cargo  estaba  un  embultorio  de  su  dies  Camaxtle,  que  tenian  per 
muy  gran  reliquia)  geführt,  der  mit  Zaubereien  kämpfte,  hizo  ciertos  hechi^os,  mezclados 
con  algunas  palabras  del  demonio,  en  que  hizo  salir  fuego  de  un  calabaza,  que  ellos 
llaman  Tecomatl ,  donde  avia  otras  cosas  de  supersticion  y  fue  contra  los  contrarios  y 
comenzö  a  quemarlos,  ordenado  asi  por  el  demonio  (s.  Torquemada). 

')  Als  gegen  die  Priesterschaft  im  Tempel  des  Gottes  Ce-Acatl  in  Cholollan  eine 
Empörung  (in  Cuetlaxcohuapan,  Quauhquecholän  und  Ayotzinco)  ausgebrochen  war, 
unterdrückte  sie  der  Hohepriester  Izatmantzin  (nebst  dem  Priester  Nacaxpipilaxochitl)  mit 
Hülfe  des  Xiuhtemoc,  Königs  von  Culhuacan  (s.  Veytia).  Neben  dem  Gott  Coltzin 
wurde  der  Hohepriester  Surites  verehrt  (bei  den  Matlatzincas).  Beim  Tode  des  Ober- 
pricsters  (in  Cuscutlan  oder  Salvador)  wurde  ein  anderer  durch  das  Loos  erwählt  (nach 
Herrera).  Unter  den  Königen  der  verschiedenen  Städte  Anahuac's,  die  bei  der  Krönung 
Techotlalatzin's  (Nachfolger  des  Quinantzin)  in  Tezcoco  huldigten,  wird  (bei  Alba)  auch 
Chichimecatalpayatzin ,  Hoherpriester  von  Cholula  genannt  (als  Fürst).  Das  Haupt  der 
Ikko  oder  Ikkois  genannten  Secte  erhielt  königliche  Ehre  in  Japan  (s.  Arnold)  1672. 
Die  (nominell  ganz  Japan  begreifende)  Macht  des  Mikado  ne  s'etendait  avec  efficacite 
que  sur  les  ,,Gokinai"'  ou  cinq  provinces  qui  entouraient  Kioto  (zur  Zeit  der  Shiogun). 

')  Mecitl  (cilli  oder  Hase),  Fürst  der  Mexicatl  oder  Mexicas,  wurde  in  einer  Wiege 
von  Maguey  (und  durch  den  Saft  dieser  Pflanze)  gross  gezogen ,  als  Hoherpriester 
(s.  Sahagun).  • 

40* 


628  PRIESTERLICHES  UND  STAATSWESEN. 

hundert)  krass  genug  geltend  gemacht,  mehr  aber  noch  in  unserer 
eigenen  Geschichte,  den  dadurch  besonders  ihr  mittelalterlicher  Cha- 
racter  aufgeprägt  ist. 

Die  Grösse  des  Papstthums  besteht  (nach  Henne  Am-Rhyn) 
„darin,  dass  mit  ihm  ein  neuer  Gedanke  in  der  Geschichte  seinen 
Einzug  hielt,  denn  es  ist  im  Papstthum  erreicht  worden,  was  weder 
früher  irgendwo,  noch  seither  anderswo  bestanden  hat,  die  einheit- 
liche Verfassung  einer  aus  verschiedenen  VölkerschaftenN  zusammen- 
gesetzten religiösen  Gemeinschaft  mit  oberstem  Ansehen  über  alle  sich 
zu  derselben  bekennenden  Staatsregierungen". 

Dass  das  Papstthum  berufen  gewesen  in  der  Geschichte  Europas 
eine  Rolle  zu  spielen,  kann  allerdings  nicht  zweifelhaft  sein,  da  das 
Rollenspiel  vor  Augen  liegt,  und  bei  der  von  jedem  Bestehen,  kraft 
dieses  Bestehens  selbst,  beanspruchten  Vernünftigkeit,  verläuft  es 
meist  in  müs.sige  Lucubrationen ,  wenn  man  dem  Gedanken  nach- 
hängt, wie  Alles  anders  hätte  kommen  müssen,  sei  es  besser,  sei  es 
schlimmer,  wenn  es  anders  gewesen,  als  es  gewesen  ist. 

Wie  die  Sachen  vor  uns  liegen,  war  es  besonders  die  vom  Papst- 
thum geleitete  Christen-Mission^)  die  statt  mit  weltlichen,  mit  geist- 
lichen Waffen  den  romanischen  Einfluss  im  barbarischen  Norden  erhielt 
und  so  Streiflichter  aus  der  Classicität  der  Mittelmeer-Völker  unter  die 


*)  Die  Natur,  die  Welt  hat  keinen  Werlh,  kein  Interesse  für  die  Christen ;  der  Christ 
denkt  nur  an  sich,    sein  Seelenheil",    bemerkt  Feuerbach   (den  damals  keine  Staats -Idee 
begeistern  konnte)  und  folgert  aus  den  zugefügten  Belegstellen,   ,,dass  das  wahre,  religiöse 
Christenthum    kein  Princip ,    kein  Motiv    zu    wissenschaftlicher    und    materieller  Cultur  in 
sich  hat.     Das  practische  Ziel  und  Object  des  Christen  ist  einzig  der  Himmel,    d.  h.  das 
realisirte  Seelenheil.     Das  theoretische  Ziel  und  Object  des  Christen  aber  ist  einzig  Gott, 
als  das  mit  dem  Seelenheil  identische  Wesen.     Wer  aber  (Jott  weiss,  weiss  Alles.     Ja  so 
unendlich  mehr  Gott  ist  als  die  Welt,    so  unendlich   mehr  ist  auch  die  Theologie  als  die 
Erkenntniss  der  W>lt.     Die  Theologie  macht  selig,    denn    ihr  Object  ist  die  personificirte 
Seligkeit.    Infelix  homo,  qui  seit  illa  omnia  (die  Creaturen)  te  aulem  nescit,  lieatus  aulem 
qui    te    seit ,    etiam    si    ella    nesciat.     Augustin    (Confess.  I.  V.  c.  4).     Wer  möchte,  wer 
könnte  also   das   selige  göttliche  Wesen  mit  den  unseligen  nichtigen  Dingen  dieser  Welt 
vertauschen?     Wohl  offenbart  sich  Gott  in  der  Natur,  aber  nur  unbestimmt,  dunkel,  nur 
nach    seinen    allgemeinsten  Eigenschaften;   —  Sich  selbst,  sein  wahres,    sein  persönliches 
Wesen  offenhart  er  .nur  in  der  Religion,  im  Christenthum."     Die  nohnv/Aa  des  Christen- 
thums  liegt  im  Himmel.    Die  buddhistische  legende  bringt  diese  Abwendung  vom  Leben 
zur  Consequenz    in  den  durch   allgemeine  Einklosierung   von  der  Erde  vertilgten  Reichen 
und  pietistische  Secten  haben  Aehnliches  auch  im  thatkräftigen   Westen  angestrebt,    bald 
in   grösserem,    bald    in  kleinerem  Umfang.     ,,Sich   beschenken  lassen  von  Gott  und  den 
Menschen,  das  ist  das  Rechte"  (im  Christenthum),  sonst  ,,wird  eben  das  Elend  getragen 
und   im  Opiumrausch  der  Vorstellungen   von    der  Seligkeit   des  Messiasreich's  oder  über- 
haupt des  Jenseits  vergessen"  (s.  Ueberweg).     Trotz  alledem  muss  das  Christenthum,  als 
im    jaiirhundertjährigen  Entwicklungsgang    eng    und   unauflöslich   mit  der  Errungenschaft 


PONTIFICAT.  629 

Wanderhorden  gelangen  liess.  Fereilich  war  er  schwach  und  trübe 
genug,  dieser  päpstliche  Schein,  denn  er  beschien  zunächst  jene  greuel- 
vollste der  Grcuclperioden  in  der  Weltgeschichte,  die  der  Merovinger, 
als  die  ersten  Früchte  der  neuen  Lehre,  und  was  die  damaligen  Mönche 
in  ihren  Klöstern  aus  alter  Bildung^)  retteten,  war  doch  nur  ein  trau- 
riges Küchenlatein,  verglichen  mit  jenen  Versen,  die  noch  in  später 
Abendstunde  der  Classicität  Ausonius  (neben  Rutilius  u.  A.  m.)  über 
die  deutschen  Flüsse  gesungen,  oder  selbst  mit  den  Stilübungen  (wie 
viel  oder  wenig  Werth  ihnen  auch  beiwohnen  mag),  in  denen  sich 
Sidonius  ApoUinaris  mit  seinen  Correspondenten  unterhielt. 

Handelte  es  sich  also  etwa  um  eine  These,  so  wäre  derjenige 
nicht  gerade  ungünstig  gestellt,  der  zu  vertheidigen  haben  würde, 
dass  die  in  den  römischen  CoJonien  des  Rheins  und  Galliens,  von 
der  uns  die  grossartigen  Monumente  von  Nimes,  Trier  u.  s.  w.,  er- 
halten sind,  herableitende  Civilisation,  wenn  ungestöi:t  (auf  dem  neuen 
von  Germanen  angepflanzten  Boden)  im  Wachsthum  gepflegt,  eine 
regelrechtere  Bildung  verbreitet  haben  würde,  als  die  von  den  mönchi- 
schen Dienern^)  des  Papstes  gebrachte. 

unserer  Cvillur  verfloelileii,  und  dtslialb  als  der  cnlspreehende  Ausdruck  derselben  zu  gehen 
haben,  bis  es  elwa  den  C'ulUirheroen  kommender  Nachgeschlechter  gelingen  sollte, 
auch  die  religiösen  OefüHlswallungen  in  den  grossen  Entwicklungsstrom  der  Naturwissen- 
schaften hinüber  zu  leiten. 

*)  Man  betlauert  die  verlorene  Zeit,  wenn  man  in  dem  Streit  über  die  Universalien 
(beim  Gegensatz  des  Realismus  und  Nominalismus)  sieht,  ,,wie  bei' einem  äusserst  be- 
schränkten Gesichtskreis  die  innerhalb  desselben  möglichen  Einseitigkeiten  getreulichst 
bis  zur  Erschöpfung  ausgebeutet  wurden,  oder,  wenn  in  solcher  Weise  Jahrhunderte  auf 
dtti  vergebliche  Bemühen  verschwendet  worden,  Methode  in  den  Unsinn  zu  bringen" 
(>.  rranll)  Mit  Psellus  scheint  die  ,, Logik  wirklich  toll  geworden"  zu  sein,  und  um 
so  mehr  bleibt  dabei  zu  bemerken,  dass  es  sich  „nm  eine  Logik  handelt,  welche  ein  paar 
Jahrhunderte  das  Abendland  beherrschte".  Vielleicht  war  dieses  Durchgangsstadium  hier 
ebensowenig  zu  sparen ,    wie  das  alchymistische  Hexen wesen  fiir  Ausbildung  der  Chemie. 

2)  Scotus  Erigena  meint  zwar :  Conficitur  inde,  veram  esse  philosophiam  veram  religio- 
nem  convcrsimque  veram  religionem  esse  veram  philosophiam",  aber  diesem  stehen 
gewichtige  Autoritäten  entgegen:  Miserum  Aristotelem,  qui  illis  dialecticam  inslituit 
artilicem  (s.  TertuUian).  Haeresis  magis  cum  sapientia  seculi  facit  et  argumentationum 
rivos  de  fontibus  Arisioielis  mutuatur  (s.  Hieronymus).  Christianus  per  6dem  debet  ad 
intellectum  proficere,  non  per  intellectum  ad  fidem  accedere  (s.  Ansclmus  Cant.).  Lan- 
francus  will  lieber  ,,audire  ac  respondere  sacras  auctoritetes,  quam  dialecticas  rationes",  und 
Theodoret  bevorzugt  Tovg  ah(VT$xovs  coXotxtCfiOvc.  Theologica  perscrutatio  non  renuit 
accjuisitiones  aliam  scientiarum  tarn  specwlativarum  quam  moralium,  quam  etiam  sermoci- 
nalium ,  ut  est  logica,  sed  assumit  cas  ut  ancillas  sapientiae  in  obsequium  suum  (s.  Joh. 
Gerson).  Gentilium  libros  vel  haereticorum  volumina  monachus  legere  caveat  (s,  Isidorus 
llispalensis).  Die  Wisseuschafi  muss  iin  Dienste  der  Kirche  ,,velut  ancilla  dominae  quodam 
famulatus  obsequio  subservire,  ne,  si  praecedit,  obenret,  so  sagt  der  finstere  Bussprediger 
Petrus  Damiani,  der  in  Rom  selbst  genug  zu  discipliniren  ge^iabt  haben  würde.     Articuli 


63()  PRIESTERLICHES   UND   STAATSWESEN. 

Wenn  die  Opponenten  dann  grade  den  schroffen  Bruch  mit  der 
Vergangenheit  für  nöthig  halten,  auf  die  innere  Fäulniss  der  Kaisers- 
zeit und  ihr  gegenüber,  auf  die  Jugend  der  Barbaren  hinweisend,  so 
Hesse  sich  Manches,  wie  gesagt,  hin  und  her  überlegen  oder  als 
Argumente  hervorkramen,  ohne  genauere  Rücksicht  auf  prädilectischc 
Färbung  der  Thatsachen,  jedenfalls  aber  kann  das  Preisen^)  einer 
in  dem  Papstthum  begründeten  Völkerfamilie  begründeteren  Wider- 
spruch hervorrufen,  da  das  vaticanische  Institut  (in  seinen  durch  Ovid 
damit  verbundenen  „furores")  durch  stetes  Schüren  von  Kriegen 
mehr  zur  Uneinigkeit  der  Fürsten  beigetragen  haben  dürfte,  als  zum 
Hegen  und  Pflegen  eines  Brudersinnes  und  die  Einheit  einer  christ- 
lichen Welt,  ausser  in  den  (vom  Füllen  des  päpstlichen  Säckels  ab- 
gesehen) chimärischen  Kreuzzügen  ^),  nie  zur  Verwirklichung  gebracht 
werden  konnte,  weder  gegen  die  Mongolen  noch  gegen  die  Türken 
oder  andere,  die  P^xistenz  selbst  bedrohende,  Gefahren. 

Wie  dem  nun  sein  möge,  dass  das  Papstthum  eine  Rolle  ge- 
spielt hat,  mag  seinen  Liebhabern  zugegeben  werden,  sollten  sie 
jedoch  zweifeln,  dass  solche  Rolle  nicht  längst  ausgespielt  sei,  so 
verweist  sie  ein  solcher  Anachronismus  aus  der  Zeit,  in  welcher  wir 
leben. 

Und  wohl  ist  es  Zeit,  sich  hier  in  einem  gemeinsamen  Volks- 
ausspruch zu  erheben,  denn  so  sehr  im  Partheistreit  Rücksichten 
gelten  mögen  und  gelten  dürfen,  so  können  sid  doch  nicht  ferner 
gehört  werden,'  wo  das  IjeJligste  Unterpfand  eigener  P2xistenz,  die 
Nationalität  selbst,  in  Frage  kommt. 

fidei  non  sunt  principia  demonstrationis  nee  conclusionis,  nee  sunt  probabiles,  qüia 
Omnibus  vel  pluribus  vel  sapientibus  apparent  falsi,  et  hoc  aeeipiendo  sapientes  por 
sapientibus  mundi  et  praecipue  innitentibus  rationi  naturali  quia  illo  modo  aeeipitur 
sapiens  in  descriptione  scientiac  vel  philosophiae  (s.  Oceam).  Philosophia  seeunduin  se 
considerata  nullius  utilitatis  est,  philosophi  vero  infideles  damnati  sunt,  so  konnte  selbst 
der  Begründer  der  Induetion  spreehen,  weil  in  der  Erziehung  der  Kirche  geschult.  Supra 
universos  autem  inimieos  Christi  (Ketzer,  Juden,  Heiden)  subtilius  fidem  sanetae  trinitatis 
perquirunt  et  aeutius  arguendo  eontendunt  pröfessores  dialecticae  (s.  Abaelard).  Beim 
Unterschied  zwischen  den  Singulären  und  dem  Universale  bemerkt  Oceam:  ,, nihil  est 
imum  et  plura ,  sccundum  philosophos ,  quamvis  seeundum  theologos  posset  concedi ,  sed 
de  hoc  non  est  modo  curandum  (zum  Ausschluss  der  Trinitälslehre  aus  der  Wissenschaft). 

^)  Das  Pontificat  Johanns  XII.  krönte  die  Reihe  der  Gräuel,  welche  St.  Peter's  Stuhl 
erlebt  hatte,  als  das  grausige  Bachanale,  welches  der  Satanismus  als  Parodie  auf  den 
katholischen  Glauben  feierte  (sagt  Reuter).  ,,Das  Institut,  in  welchem  nach  katholischer 
Vorstellung  die  Macht  der  Kirche  gipfeln  soll ,  um  die  Könige  dieser  sündigen  Welt 
durch  die  geistliche  Zucht  zu  lähmen,  war  selbst  der  Sitz  des  Regiments  der  Sünde 
geworden". 

^)  Dns  sociale  Element,  (besonders  im  französischen  Adel),  zersetzend  (nach  Lavoix). 


KIRCHE.  631 

So  lange  das  Papstthum  fortfährt,  aus  der  südlichen  Halbinsel 
seine  Polypen -Arme  über  die  Alpen  in  das  Herz  Deutschlands  aus- 
zustrecken, so  lange  es  das  wagt,  trotz  seiner  durch  Jahrhunderte  auf- 
gehäuften und  auf  den  Geschichtstafeln  mit  flammender  Schrift  ver- 
kündeten Vergehen,  so  lange  es  unbeschämt  in  schamloser  Missachtung 
der  vor  Aller  Augen  aufgedeckten  Krebsschäden,  auch  jetzt  sich 
erkühnt,  in  der  so  ruhmvoll  aufspringenden  Saat  des  wiedergebornen 
Germanenthums  Hader  und  Zwietracht  zu  säen,  so  lange  gilt  es, 
einen  Kampf  bis  zum  Aeussersten,  nicht  einen  Kampf  gegen  Lands- 
leute, wess  Glaubens  sie  seien,  aber  einen  Kampf  gegen  die  wälsche 
Schlange,  die  innerhalb  des  deutschen  Staatsgebäudes  selbstständig 
im  Fürstenkreise  ihr  Haupt  erheben  will,  um  mitzureden  nicht  nur, 
sondern  sogar  zu  gebieten.  Das  hohe  und  höchste  Ziel  des  deut- 
schen Volkes  bleibt  seine  nationale  Einheit,  und  Verachtung  desshalb 
über  Jeden,  der  von  einem  Staat  im  Staate  träumt.  Möge  bald  die 
Varusschlacht  ^cgen  die  Römlingc  geschlagen  sein  und  Deutschlands 
Auen  sich  befreit  sehen  von  den  lauernden  Gespenstern,  die  sich 
zwischen  zu  drängen  suchen,  wenn  der  Deutsche  den  Deutschen  zu 
umarmen  strebt. 

Der  weite  Horizont  naturwissenschaftlicher  An.schauung  umfasst 
Protestanten  und  Katholiken  mit  gleicher  Brüderlichkeit,  und  bei 
allseitiger  Erwägung  der  Vorzüge  und  Mängel  beider  Lehrgebäude, 
würde  sich  vielleicht  das  des  Katholicismus^),  in  seinem  historischen 
Zusammenhange  der  Fortbildung,  als  das  lebensfähigere  erweisen, 
wenn  nur  seine  Bekenner  sich  dazu  ermannen  könnten,  die  an  sich 
durchaus  unwesentliche  Zuthat  des  römischen  Primates  abzuwerfen, 
eine  im  Gange  früherer  Ereignisse  hinzugetretene,  also  auch  unter 
den  veränderten  heutiger  entfernbare  Accidenz.  Wie  sich  in  Frank- 
reich die  gallicanische  Kirche  möglich  zeigte,  so  würde  gewiss,  bei 
dem  weit  dringenderem  Nothstand  in  Deutschland,  eine  katholisch- 
germanisirende  Kirche,  sobald  sich  nur  die  richtigen  Reformatoren 
gefunden  haben,  das  von  allen  Partheien  gesuchte  Asyl  eines  cen- 
tralen Bodens  gewähren. 


')  Unter  Herstellung  einer  germanistischen  Kirche  gleich  der  gallicanischen  seit 
Peter  Pithau  (XVI.  Jahrhundert).  Die  Eniser  Punctation  (1786)  legte  die  Kirchengewalt 
in  die  Hände  der  Bischöfe,  und  im  Kebronianismus  (Montheim's  von  Trier)  wurde  es  aus- 
gesprochen, dass  der  Papst  über  die  andern  Bischöfe  hervorrage,  wie  ein  Metropolit  Über 
seine  Suffraganen,  (und  solche  Ehre  des  Primus  inter  pares  könnte  ihm  zugestanden 
bleiben). 


632  PRIESTERLICHES   UND   STAATSWESEN. 

Individuell  wird  der  Wilde  das  Bedürfniss  übernatürlicher  Hilfe 
besonders  gegen  die  aus  unbekannten  Ursachen  in  seinen  Einge- 
weiden wühlende  Krankheiten  oder  sonst  fremdartige  Schrecken 
empfinden. 

So  treten  zunächst  die  Medinmänner  auf  und  andere  Schamanen, 
welche  die  Dämone  zu  bezwingen  verstehen,  während  die  gute  Gott- 
heit nicht  gefürchtet  zu  werden  braucht,  und  indifferent  bleibt,  da 
der  Himmel,  (in  Africa  wenigstens)  zu  weit  ist,  als  dass  die  Gebete 
bis  zu  ihm  hinaufdringen  ^)  könnten. 

Für  den  Staat  bedarf  es  der  astronomisch  und  astrologisch  gc- 


*)  Die  Natur  geht  ihren  unveränderten  Gang  ohne  Eingreifen  der  Götter,  da  ihre 
Seligkeit  jeden  Gedanken  an  Sorge  oder  Geschäft  ausschliesst  (nach  Epikur).  Während 
von  Gott  alles  Gute  spontan  fliesst  (ohne  Einmischung  in  die  kleinlichen  Menschen- 
vorgänge), muss  der  böse  Okee,  der  Krankheiten  und  Stürme  sendet,  gesühnt  werden, 
aber  das  im  Tempel  aufgestellte  Idol  (Juiocasan  gehört  dem  ,Juggling  of  the  priests" 
(in  Virginien).  Die  mit  den  Muz-zin-ne-neence  (gezeichnete  oder  beschnitzte  Uilder) 
verbundenen  Beschwönmgslieder  für  die  Zauberjagd  (medicine  -  hunl)  sind  (bei  den 
Ojibway)  gerichtet  an  Nana-booshoo  oder  Nanabush,  als  Dolmetscher  beim  Grossen 
Geist,  oder  an  Mesukkummik  O-kwi  (the  earth  or  the  great-grand-mother  of  all).  Nach- 
dem Nanabush  die  Erde  geschaffen  und  für  die  Bedürfnisse  der  Menschen  die  Thiere, 
wurden  diese  seiner  alten  Mutter  anvertraut,  die  um  dafür  Sorge  zu  tragen,  beständig  in 
ihrer  Hütte  zu  verweilen  hat  (s.  Tanner)  [Eskimos].  Sic  quippe  deus  ubique  per 
potentiam  esse  dicitur,  ut  nihilominus  alicubi  per  gratiam  adesse,  alicubi  dicatur  deesse 
(s.  Abälard).  Nach  Xenophanes  war  der  Gott  kugelgestaltet,  wie  der  sinnlich  beschränkte 
Horizont  ihn  aus  dem  Geist  des  Menschen  spiegelt,  wogegen  er  dem  Naturforscher  in  dem 
Gleichniss  des  Gesetzes  zu  erscheinen  hat,  in  der  Analysis  des  Unendlichen  waltend. 
Deus  est  sapiens  per  ideas  (Franciscus  Mayron),  sunt  rationes  incommutabiles  et  aetemae, 
quia  ad  ipsos  reducitur  omnis  incommutabilis  veritas,  aber  diese  Grundzüge  des  schöpfe- 
rischen Waltens  im  All  führen,  wenn  in  dem  Gleichniss  (menschlicher)  Ideen  aufgefasst, 
zu  anthropomorphischer  Beschränkung  (um!  also  Verstümmlung),  wenn  ,,universalia  sunt 
ab  anima  fabricata",  statt  ,,intcllcctus  agit  universalitatem",  soweit  ,, die  immerhin  relative 
Vorslellungsweise  (objectum),  nicht  aber  der  gegenständliche  Sinn  durch  die  Denkihätig- 
keit  gezeugt  werden".  Die  Papahua  Tlemacazque  genannten  Priester  Mexico's  (s.  Sahagun) 
traian  el  cabello  en  melenas  sueltas  (das  neue  Feuer  verkaufend)  [Papuas].  Ngu  Hieng 
(Gott  der  Diebe)  wird  (in  China)  durch  Kaufleute  verehrt  (s.  Doolittle).  Bhavani  schützt 
die  Thug,  und  die  Fürsten  der  Caleris  waren  durch  ihre  Geburt  (s.  Dubois)  zum  Raub 
l>erechtigt.  Durch  Tetlimonamiquiam  oder  das  Zusammentreffen  der  Steine  (die  in  der 
.Schwebe  hingen)  wurde  ein  Verbrecher  bei  der  Ernte  geopfert  (in  Mexico).  In  Nicaragua 
wurde  bei  der  Cacao-Ernte  an  einem  Pfeiler  geschwungen  (s.  Oviedo).  „Der  Patient  sitzet 
auf  einem  Stein  im  fliessenden  Wasser  und  Einer  mit  einem  kleinen  Bogen  schiesset  ihm 
kleine  Wunden  an  den  obern  und  unteren  Theilen  des  gantz  entblössten  Leibes,  fehlet 
auch  niemals.  Es  gehet  damit  recht  geschwind  hin.  Diese  Pfeile  sind  verwahret,  dass 
sie  nicht  tiefer  eindringen  können,  als  unsere  Lanzetten  gehen.  Trift  er  er  eine  volle 
Blut-Ader  und  das  Blut  spritzet  ein  wenig  heraus,  so  tantzet  und  springet  er  herum  in 
altvaterischen  Geberden ,  frohlockend  und  triumphirend ,  dass  es  ihm  so  wohl  gelungen" 
(nach  Lionel  Wafer)  beim  Aderlassen  (im  Sitz  des  Häuptling  Lacenta)  in  Darien  (1677), 
und  so  in  Ostnfrica  (nach  Hildebrandt),  wie  Brasilien. 


SECTE.  633 

schulten  Priestergelehrten,  die  im  Verständniss  der  Naturvorgänge 
nebst  ihrem  magischen  Einflüsse  auf  die  Menschengesellschaften, 
Schädlichem  vorbeugen  oder  angerichteten  Schaden  wieder  gut 
mächen  können,  und  für  den  Staat  ist  dann  mit  dieser  Classe 
eigentlich  all  seinen  Bedürfnissen  genügt,  wie  im  Staatscultus  der 
Chinesen. 

Da  sich  indess  manchmal  aus  Interpretation  der  Conjuncturen 
die  Einführung  des  einen  oder  andern  der  in  Nachbarländern  sich 
bereits  guten  Credits,  als  Spezialisten,  erfreuender  Götter  empfehlen 
mag,  so  ist  in  solchem  Falle  von  dem  Staat  auch  dem  Unterhalt  der 
Priesterschaft  vorzusorgen,  und  wenn  sich  dann  etwa  ein  Cultus  der 
grossen  Götter  legal  abschliesst,  so  erhält  die  priesterliche  Existenz 
gleichfalls  eine  legale  Berechtigung  M- 

Neben  solchen  vom  Staat  oder  von  der  Gemeinde  eingesetzten 
Priestern,  finden  sich  nun  aber,  schon  im  alten  Griechenland,  viele 
auf  Privatrechnung  Speculirende,  die,  wenn  sie  sich  von  einem 
Spiritus  familiaris  besonders  favorisirt  fühlten,  fiir  denselben  eine 
Capelle  zu  bauen  suchten,  und  dann  ihr  Lehramt  im  engeren  oder 
weiteren  Kreise  antraten.  In  Virginien  bemühten  sich  die  verschie- 
denen Werowance  oder  Häuptlinge  um  solche  Priester,  wenn  sie 
sich  fähig  bewiesen  hatten,  um  sie  zur  Niederlassung  in  ihrem  Ge- 
biete zu  veranlassen,  der  vielerlei  Vortheile  wegen,  die  mit  solchem 
Aufenthalt^)  verbunden  waren. 


*)  Each  tribe  has  its  national  priest,  or  ,,Intonga  yakwomkuJu",  whose  duty  it  is  to 
protect  the  person  of  ihe  Chief,  to  avert  all  national  calanüties  from  the  tribe,  and  especially 
to  make  the  anny  strong  to  fight  and  conquer  all  its  eneraies  (bei  den  Kaffem).  A  great 
many  ritcs  and  ceremonies  are  pcrformed  and  sacrificcs  offered,  by  the  priest,  whcn 
occasion  requires.  The  latter  arc  called  ,,Amadini".  They  are  generally  connected  with 
the  ,,shedding  of  blood"  and  are  evidently  of  a  propiatory  nature  (s.  Mäclean).  Bei  den 
Kru  werden  die  Cerenionien  des  Slammescultus  von  den  (durch  Aufrücken  der  Alters- 
stufen stets  ersetzten)  Senatoren  der  Gnekbade  versehen,  während  die  zweifelhaften  Heil- 
operationen den  Deyabo  bleiben,  für  deren  Beruf  die  dazu  Angelegten  auszusuchen  sind. 
Zu  den  ,,Morosilcs  de  Sauvages"  rechnet  Barbaste:  L'appetit  d^prave,  la  faim  canine,  la 
soif  excessive,  l'antipathie,  la  maladie  du  pays,  la  terreur  panique,  la  satyriasc,  la  fureur 
uterine,  Ic  tarentisme,  Thydrophobie  (unter  den  Morosophien). 

^)  When  any  one  is  chosen  by  one  of  the  minor  felishes  as  his  priest  or  priestess, 
the  person  jumps  about  as  if  mad  or  possessed  ,  abstaining  from  food  and  drink ,  and 
even  from  speech  tili  the  name  of  the  fetish  is  found  out  by  an  eldcr  priest.  The  minor 
fctish  being  discovered  receives  local  habitation  by  being  placed  into  a  bowl  or  brass 
pan,  whereupon  sacrificcs  are  brought  to  it.  The  newly  appointed  priest  is  thcn  givcn  in 
Charge  of  an  eider  one ,  with  whom  he  stays  for  three  years  to  receive  instructiön  in  his 
oflice  (s.  Hay)  in  Akem  (wo  Anyankopong  als  höchstes  Wesen  verehrt  wird).  Auf 
Vancouver    wird   das  Wappenthier  (dessen  Tödtung  durch  Andere,    wenn  in  Gegenwart, 


634  PRIESTERMCHES   UM)   STAATSWESEN. 

In  den  langen  Winternächten  des  Nordens  entsprang  aus  den 
Erzählungen  am  Feuer  eine  schwankende  Gespensterwelt,  die  in 
dem  Nebel  des  Gesichtskreises  umherspuken,  ZAigleich  koboldisch 
neckend,  wie  bei  den  Kamtschadalen,  und  so  oft  bis  zur  Mythologie') 
fortschreitend,  aber  bei  ihrem  Verschwinden  in  dem  activ  streifenden 


gcsülint  wtnkn  niu^s)  heilig  gclialltn,  und  hat,  sd  oft  es  gtztij^l  «irti,  von  <1lmi  iibrijjtn 
gerade  Anwesenden  Verehrung  und  Gei.chenke  zu  erhalten  (s.  Madie).  Die  Pow-wow 
oder  Heschwörer  (der  Ojibway)  gebrauchen  Idole,  wie  Pabookowacli  (the  god,  Ihnl 
crushes  ur  breaks  down  diseases),  wie  Xaheetis  (the  guardian  of  health)  u.  s.  w.  (s.  Jones). 
An  den  Jahrestagen  des  regelmassigen  Cultus  erwählte  jeder  Häuptling  (als  Insellurst) 
seinen  Priester  oder  Tahuwa,  um  für  ihn  die  Ceremonien  (in  Gebet  und  Opfer)  zu  voll- 
ziehen (in  Tahiti)  aus  den  untergeordneten  Häuptlingen  (zu  Cooks  Zeit)  [Brahmanenj. 
Auf  der  Stelle,  wo  früher  die  Residenz  des  Hanibarrc,  Kasongo's  Vater,  gestanden, 
N\t)hnte  (/u  Canieron's  Zeit)  noch  seine  Ilauptfrau ,  und  durfte,  als  im  spirilualistischcn 
Verkehr  mit  ihrem  verstorbenen  Gemahl  (und  deshalb  mit  der  Kraft  zur  Weissagung 
erfüllt)  nur  von  Kasongo's  Zauberern  besucht  werden  (in  l'rua  der  Warua). 

*)  (han-o-ti-dan,  the  Dakota  god  of  the  woods,  an  imknown  animal,  said  lo  rcsemblc 
an  man  (s.  Riggs).  Ile-yo-ka  (the  anti-natural  god  of  the  dacola),  represented  as  a  little 
old  man  (with  a  cocked  hat  on  his  hcad,  a  bow  and  arrows  in  his  hands  and  quiver  on 
his  back),  goes  naked  in  winter,  wrapping  his  buflalo-robe  around  him  in  summe r  (livin;^ 
in  conical  hüls,  as  Heyokati  or  house  of  Heyoka).  Waziya  (the  northern  god)  lives  z.^ 
giant  in  the  north  and  blows  cold  out  of  his  mouth,  drawing  ncar  in  winter,  but  receding 
in  Summer.  Un-kte-hie,  god  of  the  waters  (bones  of  the  mastodon),  whale.  Wakan, 
sacred ,  incomprehensible.  Wakan  tanka ,  the  great  Spirit  (tanka,  large).  Wakan  sied, 
the  bad  spirit  (sica,  ugly).  Wakinyan,  thunder  (supposed  to  be  a  gread  bird).  Woh- 
duze,  something  sacred  or  forbidden  (as  the  heart  of  animals).  When  a  young  man  en- 
gages  to  hold  any  thing  as  wohduze,  he  must  not  eat  of  it,  until,  by  killing  an  cnemy, 
the  taboo  is  taken  oflT  [Mokisso].  It  is  something  abstained  from  and  considered  including 
the  idea  of  oath  or  sacrament.  The  l^acotas,  in  Iheir  powwowing  or  conjuring  shake  their 
gourd-shell  and  other  rattles  over  the  sick  person,  singing.  When  this  ceases,  they  apply 
their  mouths  to  suck  (kiyapa).  Wica  hunkake,  ancestors.  The  Dacota  suppose  several  nagi 
(souls  or  shades)  to  belong  to  one  person:  Nagiya,  to  go  to  the  spirit- world  (nagitaya, 
at  the  spirit-world).  Inhanma,  to  dream  (to  have  visions  of  what  was  known  in  a  fonner 
State  of  existence).  Pi-ki-ya,  to  conjure,  to  powpow  over  the  sick  (to  mend  or  makc  new 
ones  own).  Wa-nagi,  the  soul,  when  separated  from  the  body  (ghost),  und  andere  Seele 
im  Traum.  Wanagitamakoce ,  the  world  of  spirits.  Ptan  (the  otter)  is  called  hepan 
in  the  sacred  dialect  (of  the  Dacotas).  Tunkan  (father  in  law),  a  stone  or  the  moon 
(in  the  sacred  language).  Vumni-wacipi  (the  circle  dance).  By  the  central  pole  a  small 
arbor  is  made,  which  is  occupied  by  the  high-priest  of  the  ceremonies.  The  young  men 
dancing  around.  When  a  person  is  introduced  in  tjie  secret  society,  called  the  secrel 
dance  fby  the  Dacotas),  he  is  shot  (ku-te)  or  pretended  to  be  shot  by  the  beads  or 
claws,  which  are  contained  in  the  medicinebags  of  the  mcmbers.  When  the  missile  is 
extracted  by  the  same  conjuring  process,  and  not  until  then ,  they  live  again  (s.  Riggs). 
Wapiya,  to  conjure  the  sick.  Vor  einem  Kriegszuge  bauen  die  Dacotah  beim  Fest 
Makaowakiya  Erdhaufen,  (manicapa  mdu)  in  der  Hütte.  Wa-a-na-zin,  to  stand  and  sboot 
the  image  of  what  is  supposetl  to  be  the  cause  of  the  disease.  The  teeth  and  some  of 
the  small  bones  of  the  fish.  Wa-ka-dan-hi-yu-za-pi  (perch)  are  put  in  gourds  shells, 
which  are  used  as  rattles  (in  sacred  feasts).  The  high  priests  of  the  ceremonies  spend 
the  night  previous  (to  the  Wakan-wacipi  or  sacred  dance)  in  heating  stones,  in  sweating 


FESTKALENDER.  635 

Leben  des  Stammes,  jenes  Haltes  entbehrend,  welchen  die  das  ganze 
Jahr  hindurch  aus  den  verworrenen  Zweigen  tropischer  Vegetation 
auf  den  Neger  herabschauenden  Fetische  über  diesen  ausüben. 

Die  Tonalpouhqui  stellten  das  Horoscop  (in  Mexico)  bei  der 
Sonne  zählend,  als  Astrologen  befragt  und  die  Festkalender  ordnend, 
wie  römische  Pontifices.  In  den  verschiedenen  Stämmen  des  Irokesen 
wurden  die  Ho-nun-de-ont  (Keepers  of  thc  faith)  zur  Ordnung  der 
Jahresfeste*)  (als  Priester)  ernannt  (s.  Morgan.) 

Die  priesterlichen 2)  Gaukeleien   kommen  überall  gleichartig  vor. 


and  singing,  Holding  conimunion  \\ilh  ihe  ;>pirit- world.  Sina-sapa  or  red  (sapa)  blanket 
(sina)  priest.  Ilancan ,  chief  (wicastayatapi).  Nagi,  the  soul  (the  shadow).  Wanagi, 
»he  soul,  when  separated  froni  the  body  (ghost).  Wanagi -tacanku,  niilky  way  (Seelen- 
strasse) ;  i-han-mna,  (to  dream,  to  have  visions  of  wbat  was  known'in  a  fonner  State  of 
existence),  to  have  intercourse  with  spirils  (in  der  Dacota-. Sprache).  Sind  die  Skalp  im 
Winter  gewonnen  ,  setzten  die  Dacota  den  Iwakicipi  (Skalptanz)  fort ,  bis  zum  Spriessen 
der  Blätter  (im  Frühling),  wie  im  Sommer  bis  zum  Abfallen  (s.  Riggs).  I-yu-ska  (in 
Dacota)  means  ,,something  by  means  of  which  to  untie  a  bündle  of  tabacco  is  reut,  to 
rencw  the  bonds  of  friendship  between  bands  or  villages.  If  it  is  untied,  blankets,  guns, 
ketlles  etc.  are  sent  in  return,  if  they  have  nothing  to  give,  they  cannot  untie  the  bündle 
[Delos].  I-zu-ya-pi  (a  pipe  or  the  skin  of  an  animal)  is  the  palladium,  carried  by 
the  Dacota  in  going  to  war.  Wa-ki-ksu-ya ,  to  hold  communion  with  supeniatural  beiug 
(to  remember  a  dead  friend).  Wipazin,  to  be  prevented  from  succeding  in  what  one 
attempts  to  do  by  having  lost  a  friend  etc.  When  the  Dacotas  are  unsuccesful  in  fishing 
or  hunting,  they  attribute  the  fact  to  the  presence  of  ghosts  who  scare  away  the  fish  or 
ihe  deer.  Sometimes  they  think  it  is  their  own  spirit  which  is  already  leaving  the  body, 
and  regard  it  as  an  omen  of  approaching  death. 

*)  In  Siam  reguliren  die  Brahmanen  die  Jahresfeste,  während  die  mit  dem  Todten- 
cultus  vertraute  Buddhisten  auch  um  Schutz  gegen  dämonische  Anfechtungen  angegangen 
werden ,  wenn  nicht  die  Priester  des  Volkes ,  w  ie  sie  die  Chao  verehren ,  zugleich  die  IM 
in  Hexentänzen  zu  beschwichtigen  wissen.  Die  Preta  sind  Seelen  früh  gestorbener  Kinder, 
die  Pisacha  leidenschaftlicher  Menschen  oder  Toller,  die  Bhuta  gewaltsam  Getödteter 
(s.  Walhouse).  Am  Bhutastan  lebte  in  Canara  ein  Der  (der  Sclavenkaste)  von  dem 
Dämon  oder  Bhuta  erfüllt ,  und  das  Volk  ermahnend.  Bei  der  durch  einen  Bhuta  ver- 
ursachten Krankheit  wird  ihm  ein  Huhn  geopfert.  Um  einem  in  Buta  verwandelten 
Geist  Ruhe  zu  geben,  werden  Brahmanen  gespeist.  Indem  Kobadaishi  die  ursprüngliche 
Gleichheit  des  Shinto  (Sintsu)  und  der  Buddhismus  erklärte,  da  Buddhas  Seele  in  den 
Körper  der  Göttin  Amateras  (dann  mit  Amida  identificirt)  gewandert  sei ,  so  füllten  sich 
die  Tera  (buddhistischer  Tempel)  mit  den  volksthümlichen  Gottheiten  (während  sich  im 
Shinto -Tempel  Mya  oder  Kami  nur  ein  Spiegel  findet).  Die  Priester  in  Tatahuitlapan 
(die  Zerstörung  ihrer  Idole,  die  sie  nicht  überleben  könnten,  beweinend),  wollten,  wie 
sie  den  Kranciscanern  anworteten ,  in  dem  Gesetz  ihrer  Aeltern  und  Vorväter  sterben 
(s.  Gomara).  Cortez  traf  in  Tauytlatan  die  Priester  im  Tempel  zurückgeblieben,  die  bei 
ihren  Götzen  sterben  wollten  durch  ,,aquellos  barbudos"  (s.  Herrera). 

')  Die  Christen  werden  gewarnt  vor  den  Geistlichen,  welche  ,,decipiunt,  ubi  corpus 
Christi  se  conficere  et  vobis  ad  vestrarum  animarum  salutem  se  tradere  mentiuntur" 
(XII.  Jahrhundert).  Wenn  das  Kreuz  deshalb  anzubeten  wäre,  weil  der  Herr  an  dem- 
selben gehangen,   so  müsste  man  folgerecht  weiter  gehen,   die  Jungfrauen  anbeten,   weil 


636  PRIESTERLICHES   UND   STAATSWESEN. 

und  so  kehren  auch  die  Hohlfiguren  der  Orakel  bei  den  Zemes  der 
Antillen  wieder,  aus  denen  der  Priesterhäuptling  zu  seinen  Unter- 
thanen  sprach,  die  er  sonst  nicht  würde  in  Ordnung  halten  können. 
Die  durch  individuelle  Gunstbezeugungen  und  Offenbarungen') 
Berufenen,  oder  die  Geisterwelt  durch  kräftigern  Bann  Bezwingenden, 
erhielten  (in  den  australischen  Grabsteinen,  im  Geschenk  der  Wasser- 
frau am  Orinoco  u.  s.  w.)  zauberkräftige  Reliquien,  die  sich  zur 
Stiftung  von  Geheimorden  empfahlen. 


er  von  einer  Jungfrau  geboren  wortlen ,  alle  Krippen ,  weil  eine  Krippe  das  erste  Bett 
des  neugebornen  Heilands  war,  alle  SchifTe,  weil  er  oft  auf  Schiffen  gefahren,  ja  die  Esel, 
weil  er  auf  einem  derselben  in  Jerusalem  eingezogen  ist,  (s.  Reuter),  nach  den  Worten  des 
Bischof  Claudius  von  Turin  (Ridiculosa  ista  otnnia  sunt  et  lugenda  potius,  quam  scribenda). 
Agobard  (Erzbischof  von  Lyon)  schrieb  ,, contra  eorum  superstitionem,  qui  imaginibus  et 
picturis  sanctorum  adorationis  obsequium  deferendum  putent"  (IX.  Jahrhundert  p.  d.). 

')  Nanabush ,  der  die  den  Menschen  erforderlichen  Jagdthiere  der  Hut  seiner  alten 
Mutter  übergeben  hat,  erhob  sich  im  Zorn  gegen  Gitch-e-manito,  der  seinen  Bruder  ge- 
tödtet  hatte,  bis  er  das  Metai  erhielt,  Ond  den  Menschen  herabbringen  konnte  (s.  Tanner), 
Der  Zauberpriester  der  Mickmack  stellte  ein  mit  Wasser  (das  aus  einem  Fluss  mit  Biber- 
Bauen  geschöpft  war)  gefülltes  Kindengefass  (Oorakin)  in  die  Mitte,  um  unter  beschwören- 
den Worten,  daran  die  Enthüllungen  des  Manitoo  oder  Miewadoc  zu  sehen,  und  wenn 
das  (wegen  boshafter  Abneigung)  nicht  gelang,  liess  er  sich  von  Jedem  der  Anwesenden 
das  zuerst  Gedachte  in  das  Ohr  flüstern,  um  daraus  seine  Rede  zu  componiren.  Die 
Pauhatancr  (in  Virginien)  ,, stehlen  nicht,  weil  sie  sich  befahren,  die  Zauberer  möchten 
den  Diebstahl  ofienbahren"  (s.  Dapi>er).  Bei  den  Huronen  wurden  gestohlene  Gegen- 
stände durch  die  Zauberer  oder  Loki  entdeckt  (s.  Sagard).  ,,Die  Tausendkünstlerin  oder 
Hexenmeisterin,  die  Frau  des  Obristen  Caciken  hatte  auf  dem  Kopf  eine  dreifach  ge- 
krönte päpstliche  Krön,  doch  nicht  köstlich,  sondern  auss  Stroh  geflochten.  Lass  mir 
dieses  wiederum  ein  Affenspiel  des 'höllischen  Affens  sein"  (s.  Sepp)  bei  den  Yaros  am 
Uruguay  (1695).  The  priests  (of  the  Dayaks)  pretend  to  extract  from  a  sick  man's  body 
stones  and  splinters,  which  they  declare  to  be  spirits  (s.  Spenser  St.  John).  Die  Wahr- 
sager (bei  den  Araukanem)  heissen  Lligua  oder  Dugol  (los  hablantes),  cntre  los  quales 
algunos  se  venden  por  Guenguenu,  Genpuflu,  Genpiru  etc.,  es  decir,  por  los  dueÄos  del 
cielo,  de  las  epidemias,  y  de  los  gusanos  (s.  de  la  Cruz  y  Bahamonde),  wie  in  Congo 
(und  sonst).  Die  Rinderpest  während  des  Aufstandes  des  Herzogs  Grimoald  von  Benevent 
wurde  dem  Ausstreuen  giftiger  Pulver  durch  die  (deshalb  getödteten)  Hexen  zugeschrieben 
(wie  ähnlich  in  China).  Nach  Arzissevski  brachte  der  Priester  bei  den  Tapuijem  die  hellen 
und  lispelnden  Stimme,  in  welcher  der  Teufel  redete,  mit  Gras  zu  Wege,  das  er  im  Munde 
hielt  (s.  Dapper).  Die  Missionäre  berichten,  dass  die  Hexenmeister  als  Sclaven  nach  America 
geführt,  nachdem  sie  zuvor  zum  Geständniss  gebracht  ,,und  hernach  lassen  wir  sie  alsdann, 
wenn  sie  ein  wenig  zu  vorhero  noch  ausgepeitschet  worden ,  mit  Ketten  gebunden 
an  die  Schiffe  führen".  Bei  dem  unglücklichen  Ausgang  der  Schlacht  gegen  Cortez 
tödteten  die  Tlascalaner  einige  der  Hexenmeister  (Tacalnaguals)  oder  Wahrsager  und 
Papas  (Priester).  Auch  in  Patagonien  zahlten  Misserfolge  der  Zauberer  mit  ihrem  Leben. 
Wer  nach  heidnischer  Sitte  Menschen  opfert ,  oder  weil  er  einen  Mann  oder  eine  Frau 
für  Hexen  hielt,  wurde  m  den  Capitularien  des  Todes  schuldig  befunden  (zu  Karl  M.  Zeit), 
aber  Büsching  theilt  1793  *^*"C  ^"^  Westpreussen  an  den  König  gerichtete  Petition  eines 
Edelmannes  mit ,  dass  das  Schwimmen  und  Sacken  der  Hexen  wieder  gestattet  werden 
möge. 


GESCIILECHTSWANDLUNG.  637 

Während  Priester  androgyner  Natur*)  mit  Erwähnung  von  Orgien 
vorkommen,  wurde  andrerseits  unter  der  Herrschaft  des  Priester- 
königs Quetzalcoatl  eine  Lehre  der  Entsagung  gepredigt,  eine  Ver- 
neinung des  Lebens,  oder  wie  in  den  buddhistischen  Traditionen 
über  den  Untergang  altberühmter  Reiche,  füllten  sich  die  Klöster*) 
mit  den  der  Weltkist  Entfliehenden,  bis  die  politische  Revolution 
einen  neuen  Umschwung  der  Dinge  hervorrief. 

^)  Wie  mehrfach  sonst  wenlen  auch  in  Arracan  priesterliche  VermähUmgen  mit  einem 
CJeföhrten  erwähnt.  Im  Ilain  der  Doppelgolllieit  Alces  ministrirte  ein  Priester  in  weib- 
licher Kleidung  (bei  den  S\iharwalen).  Die  auf  dem  Isthmus  von  den  Entdeckern  ange- 
troffenen Verirfungen  wurden  unter  dem  Reiche  der  Inca  (nach  Garcilasso)  streng  be- 
straft. Hallaron  entre  unos  arboles  un  idolillo  de  oro  y  muchos  de  barro,  dos  hombres 
de  palo ,  cavalgando  uno  sobre  otro,  a  fuer  Sodoma ,  y  otro  de  tierra  cozida  con  ambas 
manos  a  lo  suyo,  que  lo  tenia  retajado,  como  con  casi  todos  los  Indios  de  Vucatan 
(s.  Gomara).  In  Brasilien  fanden  sich  (zu  Vero  de  Magalhanes'  Zeit)  Frauen,  die  ihre 
Keuschheit  bewahrend ,  die  Männer  in  Kleidung  und  Bewaffnung  nachahmten  und  zur 
Bedienung  eine  andere  Frau  neben  sich  halten,  mit  der  sie  für  verheirathet  galten  [wie 
sonst  die  Mannweiber  mit  Männern], 

•)  Die  Quaquacuiltin  (Kräuter- Fsser)  und  Tiamncaz(iui  (Diener)  lebten  in  Klöstern 
(unter  dem  Hohenpriester  des  Quetzalcoatl)  und  so  die  Frauen,  als  Cihuaquaquilli  oder 
(icmüse-Fsser,  von  denen  andere  nur  bis  zur  Ileirath  blieben.  Die  Priester  des  Thipetotec 
(Gott  der  Zapoteken)  erbettelten  Almosen  für  ihre  Nahrung  und  kleideten  sich  beim  Fest 
Tlaxipehualitztli  in  die  Felle  der  beim  Opfer  Geschundenen.  Das  Mönchthum  liegt  (wie 
Feuerbach  bemerkt)  im  Wesen  des  Christenthums  begründet,  es  war  eine  nothwendige 
Folge  von  dem  Glauben  an  den  Himmel,  welchen  das  Cbristenthum  der  Menschhieit  ver- 
hiess.  Wo  das  himmlische  Leben  eine  Wahrheit,  da  ist  das  irdische  Leben  eine  Lüge  — 
wo  Alles  die  Phantasie,  die  Wirklichkeit  Nichts.  Wer  an  ein  ewiges  himmlisches  Leben 
glaubt,  dem  verliert  dieses  Leben  seinen  Werth.  Oder  vielmehr  es  hat  schon  seinen 
Werth  verloren ;  der  Glaube  an  das  himmlische  Leben  ist  eben  der  Glaube  an  die  Nichtig- 
keit und  Werthlosigkeii  dieses  Lebens.  Denn  wie  St.  Cyprianus  spricht,  ist  nichts 
nützlichers  einem  Christen ,  denn  bald  zu  sterben.  Aber  wir  hören  lieber  den  Heyden 
Juvenalem,  der  da  spricht:  ,,Orandum  est,  ut  sit  mens  sana  in  corpore  sano"  (s.  Luther). 
Affectati  coelestia ,  terrena  non  sapiunt.  Von  den  acht  Weltaltern  (ähnlich  der  Perioden- 
Fintheilung  Joachim's  von  Flores)  sind  fünf  abgelaufen  (bei  Erigena),  unter  Anstrebung  des 
letzten  oder  achten  (nach  dem  seelischen).  In  der  japanischen  Polemik  Vasiu  Chinhei's 
(Bemmo  oder  Darlegung  des  Irrthums,  mit  einer  Vorrede  des  Fürsten  Shimadzu  Saburo 
von  Satzuma)  wird  der  das  Streben  der  Menschen  auf  einen  eingebildeten  Himmel  richtenden 
I^hre  des  Christenthum's  die  des  Confuzius  gegenübergestellt,  welcher  gemäss  die  ^lensch- 
heit  zu  ihrer  Vollendung  gelangt  sein  wird,  wenn  im  allgemeinen  Frieden  Alle  ruhig  und 
sorgenlos  in  ihren  Wohnungen  leben.  Da  Adam  durch  das  Essen  gefallen  ist,  muss  das 
Fasten  als  Mittel  zur  Versöhnung  Gottes  gelten  (nach  Tertullian).  Quis  enim  vere 
humilis  est,  abjecta  de  se  sentit  et  qui  abjecta  de  se  sentit,  errasse  se  non  dubilat, 
srchrieb  Agobard,  und  daraus  folgte  der  Streit  mit  Fredegis  voii  Tours,  über  die  Anwen- 
dung dieses  Satzes  auch  auf  Jesus.  ,,Da  er  demüthig  war  als  Mensch,  dachte  er  gering 
von  sich,  und  zweifelte  nicht,  dass  er  geirrt  habe"  (obwohl  Gott  selbst).  Für  sich  und 
seine  Familie  wird  der  Tugemlhafte  Belohnungen,  der  Lasterhafte  Strafe  erhalten  (nach 
den  Confucianem),  und  das  haben  die  Tauisten  im  Kang-ying-peen  (Buch  der  Vergeltung) 
für  das  irdische  Leben  durchgeführt  (während  es  sich  bei  den  Buddhisten  durch  alle 
Stadien  der  Wiedergeburt  verlängern  lässt). 


Die  in  den  Gesellschaftsbedingungen  ^)  selbst  ruhende  Regierung, 
die  sich  bei  wandernden  Hirtenstämmen  besonders  in  der  patriarcha- 
lischen Form  ausprägt,  wird  in  alten  preussischen  Traditionen,  oder 
in  polnischen,  mit  der  in  dem  Bienenstocke  herrschenden  v^erglichen, 
und  so  auf  den  Lucayen^),  wie  anderswo  auch  das  Zusammen- 
wohnen ^)    (in    langen  Häusern)    dem    slavischen   Hausfrieden    gleich, 


*)  ,,Dic  Grönländer  wissen  von  keiner  Regierungsform  und  keinem  Oberhaupte, 
sondern  sie  sind  alle  von  einander  unabhängig.  Niemand  masset  sich  eine  Obergewalt 
an,  als  durch  die  Achtung,  die  mit  dem  Alter,  der  gesunden  Vernunft,  der  Erfahrung, 
dem  bey  dem  Fischfange  erworbenen  Ruhm,  und  mit  der  Kenntniss  der  zu  dieser  lle- 
schäftigung  bequemen  Zeiten  und  Oerter  verbunden  ist.  Wer  dieses  Verdienst  hat, 
empfiingt  die  Huldigung  des  Hauses  oder  Kreises,  worinn  er  wohnet.  Und  man  trägt  ihm 
die  Aufsicht  über  die  gute  Ordnung  und  Sauberkeit  der  Wohnung  auf  Will  jemand 
seinem  Gutachten  nicht  folgen,  so  beschliesst  die  ganze  Hütte  gemeinschaftlich,  den 
folgenden  Winter  nicht  mehr  bey  diesem  Ungehorsameu  zu  wohnen,  und  dass  von  dieser 
Ungelehrigkeit  in  den  Liedern  der  nächsten  Versammlung  gedacht  werden  solle.  Sonst 
hat  ein  jeder  Hausvater  die  Regierung  über  seine  Familie."  Die  Guanas  verliessen  ihren 
Häuptling,  wenn  ihnen  ein  anderer  vorzüglicher  schien  (s.  Azara),  und  ebenso  flohen  in 
solchem  Falle  die  Makololo  (s.  Livingstone)  nach  einem  andern  Dorf.  Hei  den  Redjang 
berechtigt  eine  nicht  den  Gebräuchen  entsprechende  Herrschaft  zur  Kündigung  des  Ge- 
horsam'» (s.  Marsden). 

^)  El  oficio  que  tenian  los  Reies  de  eslos  I.ucayos,  era  como  el  de  los  reies  de  las 
avejas  (s.  Torquemada),  wie  bei  den  -alten  .Siaven.  Das  Zeichen  der  Keilschrift  für  König 
soll  aus  dem  Bild  der  Biene  hervorgegangen  sein ,  das  man  dnfiir  verwandte  (wie  der 
achteckige  Stern  fiir  die  Gottheit  oder  An  im  Himmel  oder  Anna). 

')  Unter  den  in  einem  Haus  zusammenlebenden  Familien  verkündet  Einer  der  Alten 
am  Morgen  aus  seiner  Hängematte,  singend,  was  den  Tag  zu  thun  sei  (in  Brasilien)  und 
dann  ,,eodem  modo  per  viciniam  concionabundus  discurrit,  more  derivato,  ut  ipsimct  prae- 
dicant,  ab  ave  quadam  (quae  accipitri  haud  absimilis  videtur),  quam  mane  cantu  suo 
reliquas  aves  excitare  volunt  et  propterea  vocant  reginam  volucrum"  (s.  de  Laet).  Item 
dicunt,  se  credere,  omnia  esse  communia,  unde  dicunt,  furtum  eis  esse  licitum  (die 
Beguinen).  Der  Brasilianer  wohnt  in  langen  Häusern  zusammen  (nach  Pero  de  Magalhanes), 
wie  in  den  Andes  (und  sonst). 


GESELLSCHAFT.  639 

auftritt,  und  Rückgang  auf  erste  Anlage  der  Pörfer,  unter  Hochhal- 
tung der  Stifter  oder  der  Führer*)  auf  der  Wanderung. 

Während  hier  zunächst  der  Hausvater  die  Familie^),  den  engsten 
Kreis  der  socialen  Gesellschaft,  vertritt,  wird  bei  einiger  Erweiterung 
desselben  bald  die  Tragweite  eines  guten  Rathes,  wie  er  besonders 
aus  der  Erfahrung  eines  längeren  Lebens  geschöpft  werden  kann,  fühl- 
bar werden,  und  so  allmählig  der  Verständigste')  Einfluss  gewinnen, 
oder   der    im  Alter  Graue*)  (Graf)    des  Senatus    (und  der  Geronten 


*)  Chaque  petit  ^lat  portoit  le  nom  de  Barangu^,  qui  signiüe  Barque,  apparemment. 
parcque  Ics  premicrs  familles  y  etant  venues  dans  un  Barangue,  ellcs  ^toient  demeur^es 
soumises  aux  Capitaines,  qui  ^toient  peut  etre  les  chefs  des  familles,  et  ce  titre  s'etoit 
conserv^  (in  den  Philippinen).  Die  Macamccran  (am  Tocantin)  wurden,  ausser  von  einem 
erblichen  Häuptling,  durch  sieben  Kriegsfürsten  beherrscht  (zu  Sao  Pedro  d'Alcantara's  Zeit). 
In  pace  nullus  est  communis  magistratus  sed  principes  regionum  atque  pagorum  inter  suos 
jus  dicunt,  controversiastjue  minuunt  (s.  Julius  Caesar)  bei  Germanen.  ,,Gograffen  sind 
die  vor  Alters  durch  die  Bauren  oder  Bürger  sind  gekorn  worden,  zu  richten  alle  gehe 
Thaten,  die  auf  frischem  Fuss  geschehen,  gewest"  (im  Sachsen -Recht).  Das  fränkische 
Reicji  war  in  Gaue  getheilt  (s.  Wächter),  und  die  erste  Erwähnung  der  Gaue  ,,fllllt  in 
das  Jahr  531''  (bei  Boucquet).  Das  Itinerarium  August  giebt  jdecem  pagos  und  bei  diesen 
Gauen  (Gea  im  Neu-Friesischen)  ging  die  Endung  in  die  griechische  Diction  yj  aus,  welche 
die  Teutschen  in  Geu  verkehrten  (meint  Irenicus).  Gao  (im  Zend)  oder  Erde  wird  mit  dem 
(auch  sanscritischen)  Namen  für  Kuh  zusammengestellt.  Die  Göttin  Goe  (Goa  bei  Islän- 
dern) oder  Go  (Ko  im  dänischen  Runen -Kalender)  wird  (Kuova  bei  Lappen)  als  Erde 
erklärt  (beim  Frühlingsfest).  Civcs  dici  possunt  etiam,  qui  in  agris  habitant,  i.  e.  in  demo 
gewe  (Glossen  des  VIII.— IX.  Jahrhunderts).  Gawipricstar  (in  Gloss.  Monseens).  Bei  den 
Cambem  heisst  Regio  patria,  provincia  (rus),  gwlad  (s.  Wächter).  Anjou  wird  abgeleitet 
von  Andegavi  (bei  Jul.  Caesar)  oder  (bei  Tacit.)  Andecavi.  Yeoman  (engl.)  wird  als  Geu-man 
oder  (bei  Berthold)  Landmann  erklärt. 

')  Bei  den  Indern  (nach  Menü)  ist  erst  derjenige  ,,ein  vollständiger  Mann,  der  aus 
drei  vereinigten  Personen,  seinem  Weibe,  sich  selbst  und  seinem  Sohn  besteht,  denn 
Mann  und  Weib,  Vater  und  Sohn  sind  eins"  (also  auf  der  ersten  Grundlage  des  Gesell- 
schaftskreises innerhalb  der  Familie).  Dazu  bemerkt  Feuerbach,  dass  auch  der  irdische 
Adam  sich ,  als  unvollständig ,  nach  seinem  Weibe  gesehnt ,  wogegen  der  neutestament- 
liehe  (ohne  geschlechtliche  Triebe)  auf  den  ,, Untergang  dieser  Welt  berechnet"  sei.  Bei 
den  Bakuena  wächst  die  Macht  des  Häuptlings  mit  der  Zahl  der  Kinder  und  den  einge- 
leiteten Heirathen  (s.  Livingstonc).  Auf  den  Marquesas  wurde  das  Kind  (nach  der  Ent- 
wöhnung) einer  andern  Familie  in  Adoption  gegeben,  und  die  Zusammenlebenden  stellten 
sich  zu  einander  in  verschiedene  Verwandtschaftsgrade  (s.  Eyriaud  des  Vergnes). 

*)  Jede  Stadt  (der  Timmanees  und  Bulloms)  ist  ,,under  the  Jurisdiction  of  some  elderly 
I>erson,  distinguished  for  his  good  sense  and  acquaintance  with  the  laws  of  the  country, 
who  is  called  the  head  man"  (s.  Winterbottom).  Die  Dörfer  (Kau)  der  Osseten  stehen 
unter  zwei  Aeltesten  oder  Eldar. 

*)  Aeltester  (Graf  oder  Grauo)  ist  die  allgemeine  Bezeichnung  eines  Herrschenden, 
gleich  wie  das  angelsächsische  Ealderdom  von  einer  jeden  Art  der  Herrschaft  gebraucht 
wird  (s.  Landau).  Thunmann  erklärt  Kriwe,  durch  Ostermeyer  von  Kriwule  (das  Krumm- 
holz des  Schulzen)  hergeleitet,  mit  Grewe,  als  Richter  (s,  Büsching). 


640  PRIESTERLICHES  UND  STAATSWESEN. 

im  Kreise    der  Weisen    und  Greise),    oder    auch    durch   Hinwirkung 
auf  sinnHche  Begierden,  der  Reichste'). 

Kommen  Zeiten  der  Gefahr^),  so  wird  der  Kühnste  und  Gc- 
achtetste,  der  Geschickteste^)  in  drängender  Noth,  v^ornehmHch  der 
Tapferste*),  gleich  dem  germanischen  Herzog  (nach  Tacitus),  an  die 
Spitze  gestellt,  mit  besonderer  Macht  über  die  kriegsfahige  Jugend^') 
(sowie  seinerseits  durch  diese  gestützt),   und  so  lange  war  dann  das 


')  Any  person  may  hecomc  .1  Miuly  or  cbief,  \vht>  will  occasionally  provulc  a  villajjc 
feast  (bei  den  TacuUies). 

•)  Viele  der  Stämme  in  Nicaragua  no  so  govemaban  por  ca^iques  6  unico  seflor, 
sino  a  manera  de  comunidades  por  cierto  nümero  de  viejos  escogidos  por  votos  e  aquellos 
creaban  un  capitan  general  para  las  cosas  de  la  gueira  (s.  Oviedo),  Die  Cariben  (nm 
Caroni)  erwählten  in  den  Versammlungen  den  Kriegsfürsten.  Die  Mundrucus  stecken 
als  Trophäen  die  Schädel  ihrer  Fein<le  auf,  und  wer  nicht  wenigstens  zehn  solcher  zu 
zeigen  vermag,  kann  nicht  die  ITäuptlingswürde  bekleiden. 

')  Die  für  einen  Jagdrug  vereinigten  (^jibwayes  wählen  den  mit  der  CJegend  beson- 
ders Vertrauten  oder  sonst  Angesehenen  zu  ihrem  Führer.  In  Tocuyo  erkannte  man  als 
Herrn  ,,al  que  era  mas  poderoso"  (s.  Ilcrrorn).  Derjenige,  welcher  mit  dem  grössUn 
Geschick  in  Handhabung  der  WafftMi  den  meisten  Muth  und  Schl.auheit  verbindet ,  pflegt 
als  Chef  seines  Stammes  l)«trachtet  zu  werden  (s.  Koeler)  am  St.  Vincent-Golf  (in  Süd- 
australien). Die  Guaipunabis  übertragen  die  im  Stamme  erbliche  Häuptlingswürde  auf 
den  Tüchtigsten. 

*)  The  strongest  man,  who  had  the  most  friends  or  relatives,  was  the  head  chief, 
(s.  Swan)  bei  den  Mackah  (am  Cap  Flattery).  Die  im  Binnenland  der  Arowakken 
wohnenden  Cariben  ,,parent  regulis,  quos  e  fortissimis  eligunt,  vocantque".  Puve,  id  est 
Patres  (s.  de  Lact).  Die  Guahibos  wählen  den  Tapfersten  zum  Häuptling.  Beim  Ausbruch 
eines  Krieges  wurde  von  den  Araukanem  der  Tapferste  (gewöhnlich  aus  der  Klasse  der 
Ulmenen)  an  die  Spitze  gestellt,  und  er  nahm  dann  als  Dictator  die  Stelle  des  Toqui 
ein,  der  in  der  Zwischenzeit  seine  Würde  (mit  der  sie  bezeichnenden  Streitaxt)  niederlegte 
(s.  Molina).  Bei  der  Krönung  schwur  der  König  (in  Mexico)  Gerechtigkeit  zu  üben  und 
Tapferkeit  im  Kriege,  ,,que  haria  andar  el  Sol  con  su  claridad,  llover  las  nubes  correr  los 
rios  y  producer  la  tierra  con  todo  genero  de  su  tenimientos  (s.  Gomara).  Wenn  der 
für  Kriegführung^  erwählte  Häuptling  ,,por  ser  velho  nao  podia  acompanharlos  em  suas 
longas  expedigoes,  escolhiao  outro  e  nesta  escolha  tinhao  em  consideragao  o  valor  e  pru- 
dcncia  do  electo"  (die  Tupis),  Im  südlichen  Californien  dankte  der  Häuptling  im  Aller 
zu  Gunsten  seines  Sohnes  ab  (s.  Boscana),  in  Tahiti  (nominell)  schon  bei  Geburt  desselben. 

^)  Bei  den  Abenakiern  (mit  Etechemins  und  Suriquois)  hatte  der  (erwählte)  Häuptling 
oder  Samago  ,,über  die  jungen  Leute  eine  unumschränkte  Gewalt"  (auch  als  Richter 
fungirend).  In  Dschagga  müssen  alle  Knaben  und  Jünglinge  für  den  Dienst  des  Häupt- 
lings zusammenwohnen,  dem  auch  alle  Frauen  gehören  (s.  Krapf),  wie  dem  König  von 
Dahomey.  Die  Stämme  auf  Madagascar  werden  von  Tschich  (Häuptlinge)  regiert 
(s.  Mandeldoe).  Jeder  Fenra  (Clan)  der  Alfuren  von  Buru  steht  unter  stinem  Häupt- 
ling (s.  Bickmore).  Die  Eingebomen  (mit  tief  liegenden  Augen,  ,,woolly  hear,  features 
flal  and  disagreeable  and  a  perfectly  black  complexion")  von  Van  Diemensland  (1833) 
,,are  known  to  have  distinct  tribes,  each  with  its  chief  or  leader"  (s.  Breton).  Die 
Waboni,  deren  Sultan  in  Arbarura  (am  Kilowanje-See)  als  Vasall  der  Ctallas  in  deren 
befestigtem  langer  (Arbarura)  am  Kilowanje-See  wohnt,  leisten  auf  Jagd-  und  Fischzügcu 
dem  führenden  Alten  nach  schweigender  Uebercinkunft  Gehorsam. 


DICTATOR.  641 

gewöhnliche  Regiment,  wenn  zwischen  dem  Häupth'ng^)  des  F'riedens 
und  Krieges  unterschieden  wurde,  suspendirt. 

Bei  Rückkehr  aus  dem  Feldzug  wurde  von  dem  Dictator  die 
Niederlegung ^)  seiner  Würde  erwartet,  mitunter  indess  benutzte  er  dann 
die  Gelegenheit,  sie  ganz  oder  einem  Theile  nach  zu  usurpiren,  und 
auch  ohne  derartiges  Attentat  lag  es  immer  schon  in  der  Natur  der 
Sache,  dass  der  im  Siege  erworbene  Ruhm  auch  noch  für  später- 
hin seinen  Namen  mit  volltönendem  Klang  unter  den  übrigen  her- 
vorhob^). 

Entweder  blieb  dann  der  Kriegsfürst  an  der  Seite*)  des  in  den 
Schatten  eines  Hintergrundes  zurückgedrängten  Priesterkönigs  (wie  in 
Japan  der  Taikun  als  Schutzherr  des  Micado),  oder  er  trat  ganz  an 
seine  Stelle,  und  es  war  dann  der  natürliche  Gang  der  Dinge,  wenn 


')  Bei  dem  Stamm  am  Maya-tatu  findet  sich  ein  Häuptling  fiir  den  Frieden  und  ein 
Häuptling  für  den  Krieg.  Bei  den  Apaches  steht  an  der  Spitze  einiger  Stämme  ein 
Kriegs-  und  ein  Friedenshäuptling  (s.  Arnim).  Der  Häuptling  (Hein)  der  Wollo-Galla 
wurde  alle  sieben  Jahre  erneuert  (nach  Krapf)  und  der  Ataman  der  Saporogischen 
Kosaken  alljährlich  (s.  Storch).  Besides  the  great  warrior,  who  is  elected  for  his  warlikc 
qualifications,  there  is  another,  who  enjoys  a  pre-eminence  as  his  hereditary  right  and  has 
the  more  immediate  management  of  their  civil  affairs  (s.  C'arvcr),  mit  einem  Rath  aus  den 
Häuptern  der  Familien  (bei  den  Winnebagoes). 

')  In  Tasmania  galten  die  Häuptlinge  nur  während  des  Krieges  (s.  Bonwick).  l'pon 
gaining  a  decisive  victory  the  leading  warrior  was  proclaimed  temporal  lord  of  ,,Mangaia". 
The  kingly  auihority  was  hereditary  and  distinct  from  ihat  of  the  warrior  chief  (s.  (Jill). 
The  tribe  gradually  recognise  the  superior  activity  and  prowcss  of  their  ablest  man  and 
by  general  consent  he  l>ccomes  king  (unter  den  Wailwun)  in  Australien  (s.  Greenway). 

•)  Bei  den  Indianern  (Neu-England's)  waren  die  Häuptlinge  (oder  Sachem)  ,,gt-'n^einig- 
lich  nur  Privatpersonen ,  welche  von  den  Alten  eines  Kreises  gewählt  wurden ,  und  die 
königliche  Würde  blieb  so  lange  bei  einer  Familie,  als  die  Weisheit  und  Herzhaftigkeit 
derjenigen ,  die  damit  bekleidet  waren ,  diese  Wahl  rechtfertigte.  Man  kannte  keinen 
andern  Adel ,  docli  genossen  die  Abkömmlinge  der  Sachems  viele  Vorrechte  bei  ihrer 
Völkerschaft".  Neben  der  erblichen  Würde  des  (zu  bestätigenden)  Häuptlings  (Tyas  oder 
Acweek)  findet  sich  (bei  den  Nutka)  ein  halberblicher  .Vdel,  während  andere  Rangstufen 
durch  Kriegsthalen  erlangt  werden  (und  das  Geschäft  der  Harpunire  von  Vater  auf  Sohn 
übergeht).  Der  Sclavenstand  (der  aus  Kriegsgefangenschaft  oder  Raub  Verhandelten) 
bewahrt  sich  für  die  Kinder.  Die  (nach  Castelnau)  Ackerbau  treibenden  (und  Thon- 
gcschirre  verfertigenden)  Cahan  (Niyololas  oder  Tschoalado)  oder  (juanan  (in  Matto 
Grosso  am  Paraguay)  erkannten  die  Guaycurus  als  Öberherm.  ^ 

*)  Bei  den  Kolh  hat  jedes  Dorf  einen  Häuptling  aus  dem  Munda-  und  einen  Priester 
aus  dem  Pahan- Geschlecht.  Neben  dem  Canek  (Herrscher)  in  Vucatan  stand  dessen 
Vetter  Quincanek  als  priesterliches  Oberhaupt.  Les  rois  actuels  du  Thibet  ont  öte  ancienne- 
ment  des  Devas  (Tipas)  ou  des  premiers  administrateurs  qui  ont  secoue  le  joug  de  leur 
chef  (du  dalai  Lama).  Bei  den  Afghanen  Bannu's  wählt  sich  jede  Dorfschaft  iliren  Vor- 
steher oder  Malik  (s.  Tliorl)um);  fial$CTa  dt  xart}  ifntatw  iotxit^  17  xtofifj  anomui  oixiug 
(s.  Aristoteles). 

liastian:  America.  I-  41 


642  PRIESTERLICIIES   UND   STAATSWESEN. 

sein  in  den  Epigonen  allmählig  entartetes^)  Geschlecht  seinerseits 
wieder  einem  kräftigeren  Major  domus  weichen  musste  (wie  die 
Merowinger  den  Karolingern). 

Indem  die  leicht  erbliche^)  Würde  bis  auf  göttlichen^)  Ursprung 
(wie  in  Griechenland  und  in  Japan)  zurückfiihrbar*)  blieb,  wurde 
gegen  fassliche  sowohl,  wie  gegen  unsichtbare^)  Feinde  (oder 
gegen  elementare  Bedrängungen)  Hülfe  nicht  nur  erwartet,  son- 
dern selbst  beansprucht,  zumal  die  Würde  des  Friedensfürsten  sich 
ohnedem  mit  priesterlichen  Functionen  verband  (in  dem  Character 
des,    auch    in  den  vedischen  Königen   erkennbaren  Priesterkönigs ^)) 


*)  Bei  den  Yaruros  sind  die  Häupllinge  erblich,  können  aber,  wegen  Feigheit,  (wenn 
die  Familie  zu  entarten  scheint)  durch  andere  Wahl  ersetzt  werden  (s.  Codazzi).  Die 
Nachfolge  im  Priesterkönigthum  (als  Rex  nemorensis)  in  Aricia  erwarb  sich  durch  das 
Schwert,  fiir  den,  der  sich  hindurchkämpfend,  seinen  Vorgänger  tödtete  (ähnlich  in  Süd- 
Indien). 

')  Beim  Kriege  erwählten  die  Moluches  und  Puelches  aus  den  angesehensten  Häupt- 
lingen einen  Apo  oder  Führer,  und  für  die  Tehuelches,  (!!hecheheches,  Guilliches,  Peguen- 
ches  und  Diviheches  wurde  diese  Würde  eine  Zeitlang  in  der  Familie  CangapoVs  erblich 
(s.  Guzman).  Während  beim  Majorat  unter  denjenigen  Verwandten,  die  dem  Grade  nach 
die  nächsten  sind ,  der  Aelteste  berufen  wird ,  gewährt  das  Seniorat  ohne  Rücksicht  des 
Grades  der  Verwandtschaft  dem  Aeltesten  derselben  die  Erbfolge  (und  bei  der  l*rimo- 
genitur  schliesst  der  Erstgeborne  und  seine  Descendenz  den  Nachgebomen  und  dessen 
Descendenz  aus).  Bei  dem  Juniorate  succedirte  unter  den  gleich  nah  erbfolgeföhigen 
Verwandten  der  Jüngste.  Zum  Schwertmagen  gehört  man  als  Degenkind  auf  die  V'ater- 
seite  (zum  Unterschied  vom  Vatermagen).  Si  plures  rcliquerit  filios,  tuuc  distinguilur 
utrum  ille  fuerit  miles,  sive  per  feodum  militare  tenens,  aut  Über  sokemannus.  Quia  si  miles 
fuerit ,  vel  per  militiam  tenens  tunc  secundum  jus  regni  Angliac  primogenitus  filius  patri 
succedit  in  totum,  ita  quod  nullus  fratrum  suorum  partem  inde  de  jure  petere  potest 
(s.  Glanville). 

•)  Thiodholfs  nennt  den  Schweden könig  Ingialld  einen  aus  dem  Geschlecht  der 
Ynglingen  (godh - konung)  Götterkönig,  d.  h.  von  den  Göttern  abstammenden  König, 
göttlichen  König,  oder  Godh  Kynning,  Göttergeschlechtling  (s.  Wächter).  W^odan  (Ahn- 
herr der  angelsächsischen  Fürsten),  von  Columban  unter  Alemannen  gefunden,  änderte 
den  Namen  der  Winiler  (in  Longobarden)  und  tritt  in  Begleitung  von  Thunare  (und 
Saxnote)  bei  den  Sachsen  auf.  Woden  (qui  Mercurius  dictus  et  in  Gothlandia  insula 
habitavit),  stammte  durch  Fridewaldus  von  Sceaf,  Sohn  des  Heremodius  (s.  Allericus). 

*)  Nach  Herodot  galt  2xv9^g  (Sohn  des  Herakles)  als  Stammvater  der  skythischen 
Könige  (am  Pontus).  ronoövQow  iok  'AnoXitoya  Sxv&m  (Hesych),  als  Gauta-Tyr  (Odhin 
oder  Gautr)  erklärt  (bei  Finn  Magnusen).  Bei  Ebersheim  -  Münster  fand  sich  1399  das 
Idol  Theuthates ,  quasi  Theutonicorum  theos,  i.  e.  deus,  oder  Stanbruck  (s._Hummel). 
Dem  gothischen  Teuthates  wurden  Menschen  geopfert.  Teut  heisst  V'ater  in  der  wcsi- 
phälisch-niederdeutschen  Mundart  des  Lippischen  Volkes  (nach  Clostermeier). 

*)  Der  Cazike  am  Maraüon  antwortet  dem  von  Gott  redenden  Missionär,  ,,dass  er 
seihst  Gott  sey ,  ein  Kind  der  Sonne,  wie  auch,  dass  er  alle  Nächte  sich  im  Geiste  in 
den  Himmel  verfuge  vor  dem  künfftigen  Tag  jederzeit  Verordnungen  zu  machen ,  und  so 
gar  das  allgemeine  Wesen  der  Welt  zu  veranstalten"  (1729). 

*)  Bei  den  Azteken  schwur  der  König,    dass  er  die  Religion  der  Vorfahren  schützen 


GELD-ARISTOKRATIE.  643 

und  wie  in  den  Augen  der  alten  Griechen^)  gilt  oftmals  der  fromme 
König  als  Unterpfand  des  Glückes  seiner  Unterthanen,  oder  bei  den 
Buddhisten  die  fromme,  und  durch  Büssungen  Verdienst  erwerbende 
Priestergemeinde. 

In  kriegerischen  Zeiten  war  es  demnach  der  Tapferste  oder  Mäch- 
tigste, in  ruhigen  (wie  bereits  bemerkt)  oft  der  Reichste  (in  Sumatra 
und  sonst),  der  an  der  Spitze  stand,  und  so  mochte  der  wohl- 
habendste^) Kaufmann  (wie  in  den  Handelsrepubliken)  die  höchste 
Würde  erhalten,  während  dann  allmählig  das  Uebergewicht  des 
Talentes^)  oder  die  in  der  Erfahrung  beruhende  Geistesmacht  der 
sonst  wegen  ihrer  zunehmenden  Körperschwäche  verachteten  (oder 
selbst  ausgesetzten)  Alten*)  anerkannt  wurde  und  ihnen,  als  Weisen 
und  Greisen,  im  Rath  der  Senatoren*)  oder  Geronten  (den  Gnekbade 
der  Kru)  Ehre  übertrug  und  sicherte. 


und  bewirken  wolle,  dass  die  Sonne  ihren  Lauf  gehe,  dass  die  Wolken  regnen,  die  Flüsse 
fitessen,  die  Früchte  reifen  (s.  Clavigero),  wie  in  Afrika.  In  Aegypten  musste  der 
König  (aus  der  Kriegerkaste)  in  die  Geheimnisse  der  Priesterschaft  eingeweiht  werden 
(s.  Plutarch).  Wodan  id  est  fortior,  hella  regit,  hominumque  ministrat  virtutem  contra 
inimicos  (s.  Adam  B.). 

'J  Unter  einem  gottesfürchtigen  König  bringt,  die  Erde  reichen  Ertrag  (bemerkt 
Odysseus).  In  China  bUsst  der  Kaiser  im  Nothstande  für  sein  Volk.  Der  König  von 
Sennaar  wurde  dem  Tode  geweiht,  wenn  das  Staatswohl  ihn  forderte,  und  ebenso  Codrus 
in  Athen,  wie  Decius  Mus  sich  freiwillig  (in  Rom)  zum  Sühnopfer  gelobte,  und  so  Quintus 
Curtius. 

')  In  Acalan,  wo  Apoxpalon  (zu  Cortez'  Zeit)  herrschte,  wurde  der  reichste  Kauf- 
mann zum  König  erwählt  (s.  Gomara)  in  Vzancanac  residirend  (bei  Tenticaeca).  In  Isan- 
canac  (in  Acalan)  ,,usaban  hacer  sefior  el  mas  caudaloso  mercader,  y  asi  lo  era  Apoxpalon" 
(s.  Pelaez).  Kosi  (bei  den  Bechuanas)  bezeichnet  ,,a  chief  or  a  rieh  man"  (s.  Burchell) 
und  so  im  ostindischen  Archipelago.  Der  lleütsch,  als  einziger  Kaufmann  (mit  einem  Elfen- 
beinstab), beherrschte  die  Galla  im  Rathe  der  Abba  wovata  (Väter  der  Familien).  Los 
mas  antiguos  ö  los  mas  ricos  son  los  que  se  titulan  caciques  6  Guilmenes  (bei  den  Peguen- 
ches),  und  beim  Tode  erbt  den  Titel  ,,el  Indio  mas  guapo,  de  mejores  discursos  y  como- 
didades"  (s.  Guzman). 

')  Entre  los  Guaranis  la  elocuencia  y  culta  verbosidad  de  su  elegante  idioma  era 
escäla  para  ascender  al  cacicazgo  (s.  Guzman).  Der  RupuUe  oder  Häuptling  der  Narrin- 
jcri  (Menschen)  am  untern  Murray  (mit  Ngaitze  oder  Schutzgottheiten  für  jeden  Stamm) 
ist  der  Vermittler  und  Sprecher  mit  Fremden,  sowie  der  Anführer  im  Kriege  (s.  Jung). 
Der  durch  Rednergabe  und  Ansehen  Ausgezeichnete  bildet  den  Häuptling  bei  den 
Wakamba. 

*)  Die  Lacondones  (in  Chiapas)  verehren  die  durch  Alter  oder  Verdienst  Ausgezeich- 
neten, als  Xaguate  oder  Nagutlat  (s.  Pinedo).  Unter  den  Siaposh  (bei  denen  die  Imra 
verehrt  werden)  wird  durch  die  Reichen  und  Kühnen  eine  Classe  des  Adfels  gebildet. 

*)  Neu -Mexico  wurde  durch  einen  Senat  regiert,  dessen  Mitglieder  (zur  Berathung) 
,,se  meten  en  una  estufa,  debajo  de  la  tierra"  (s.  Torquemada),  ihre  Bestimmungen  durch 
einen  Herold  verkündend  (y  aquello  que  dice  es  inviolable).  Die  Stämme  der  Guaraunos 
werden    in    ihrem  Bunde   durch   einen  Rath  der  Aeltesten   regiert.     Die  Irokesen  wurden 

41* 


644  PRIESTERLICTIES   UND   STAATSWESEN. 

Aristocratische  oder  oligarchische  Regierungsverfassungen  bilde- 
ten sich  je  nach  den  Verhältnissen  aus  der  Natur  der  Sache,  und 
obwohl  sich  hier  dogmatisch  eine  progressive  Entwickelung  von  der 
patriarchalischen  Regierungsform  zu  der  königlichen  annehmen  lässt, 
so  dürfte  diese  doch  nicht  chronologisch  auf  thatsächliche  Verwirk- 
lichung übertragen  werden,  da  in  dem  Kreislauf  der  geschichtlichen 
Bewegung  unter  gleichen  Bedingungen  auch  gleiche  Erscheinungen 
wiederkehren,  und  —  nicht  trotz  dem  Gesetz,  sondern  unter  demselben 
—  das  Spätere  auch  ein  Früheres  werden  kann.  Während  in  Mexico 
die  Monarchie  aus  der  Aristocratie  hervorging,  wurde  in  Tlascala 
die  Monarchie  in  die  Regierung  eines  Senates  verändert,  mit  vier 
Fürsten,  von  denen  Einer  den  Vorsitz  führte  (s.  Torquemada). 

Auch  in  diesem  Rath*)  der  Aeltesten  traten  dann  wieder  Fürsten*) 
hervor,  sei  es  durch  Wahl,  sei  es  in  directer  erblicher  Folge,  sei  es 


durch  einen  Rath  der  Aeltesten  (Odianez  oder  Odisthem)  beherrscht  (s.  La  Potherie). 
Die  romanischen  Ausdrücke  prudens  homo,  bonus  homo  (prud'homme,  bonhomme)  sind 
nicht  ohne  Bezug  auf  die  alte  Rechtspflege,  bemerkt  J.  Grimm,  und  so  könnte  godaung 
gumo  (im  Ueliand)  auf  (gothisch)  gudja  (^U^ivg)  weisen,  bei  dem  Zusammenhang  zwischen 
Priester-  und  Richteramt  (in  Cotinc).  Der  Senatus  deorum,  der  den  zweiten  Odhin  abge- 
setzt, wurde  durch  Sigge  (als  dritter  Odhin),  auf  welchen  sein  Sohn  Skiold  (Urgross- 
vater  des  mit  V'alens  kämpfenden  Friedleif)  folgte,  beseitigt,  und  der  erste  Odhin  (der 
(iüttliche)  wird  (von  Wedel -Jarlsberg)  mit  dem  galatischen  König  Cavanis  identificirt, 
während  der  Eroberungen  der  (bei  Diodor)  mit  Ciml)ern  identificirten  Gelten.  Im  Quiche- 
Keich  konnte  der  König  wegen  tyrannischen  Gebahrens  durch  die  Ahogues  abgesetzt 
werden  (nach  Juarros)  und  in  Gandia  war  er  dem  Urtheil  des  Volksgerichtes  unter\vorfen 
(s.   Percival). 

>)  In  Nicaragua  wurde  der  Gacique  alle  vier  Monat  aus  den  Alten  (Guegues)  gewählt 
(s.  Oviedo).  Die  Yoamacos  (in  Maryland)  waren  von  Wisos  (Häuptlingen)  beherrscht. 
In  Nicaragua  herrschte  ein  Rath  der  Alten  (Guegues),  der  erwählt  wurde.  Die  Chichi- 
nieken  wurden  durch  die  sieben  Pilli  oder  erblichen  Häuptlinge  beherrscht  als  lluehue 
oder  Alte.  Der  Nika  (Grossvater)  genannte  Häuptling  der  Shirani  (als  das  Haupt  der 
ältesten  Familie)  gilt  als  unter  der  Hut  der  Gottheit  stehend,  so  dass  Frevel  gegen  ihn 
sich  durch  Unglücksfälle  rächen  (nach  Elphinslone),  Bei  den  Mariquitares  hängen  die 
Stammeshäuptlinge  von  den  Fürsten  ab,  die  unter  sich  einen  Bund  bilden  (besonders  für 
die  Kriege  mit  den  Guaharibos).  In  Soconusco  herrschte  der  Rath  der  Edlen  (Ahaguaes), 
während  die  Gemeinen  von  der  Regierung  ausgeschlossen  blieben  (s.  Larrainzar).  Die 
Würde  des  (philistäischcn)  Kriegshäuptlinjjs  oder  Seren  war  in  Gath  eine  erbliche  (mit 
dem  Titel  Melek)  neben  dem  Fünfcr-Rath  der  Sarnim.  Non  enim  habent  regem  antiqui 
Saxones,  sed  satrapas  plurimos  suae  genti  praepositos  (s.  Beda). 

^)  Bei  den  Aruacas  wählen  die  Häuptlinge  den  Fürsten,  Die  Tolteken  wählten  ab- 
wechselnd einen  der  sieben  Häuptlinge  (unter  welchen  sie  gewandert  waren)  zum  Fürsten, 
ehe  in  Tollan  ein  König  eingesetzt  wurde.  Nach  Gomara  herrschten  vier  Häuptlinge  in 
Utlatlan  (zu  Alvarado's  Zeit).  Die  Otomacos  stehen  unter  erblichen  Häuptlingen,  welche 
die  täglichen  Arbeiten  auftragen  und  den  Ertrag  vertheilen.  Bei  den  Piaroas  wechselt 
die  erbliche  Häuptlingswürde  durch  Wahl  zwischen  verschiedenen  Familien.  Bei  den  die 
Gottheit  I.owa-Langi  (durch  die  Ere  genannten  Priester)  verehrenden  Ono-Niha  (Menschen- 


SALBUNG.  646 

in  Anwendung  der  Wahl  auf  erbliche  Ansprüche,  indem  bald  dann 
auch  die  Priester^)  mitredeten,  wie  solche  zugleich  als  Leiter^)  der 
Wanderungen  auf  einem  Exodus,  bei  Azteken  und  Chorotegen  (wie 
bei  Hebräern)  auftraten. 

So  lange  die  Priester  über  den  Fürsten*)  standen,  widersetzten 
sie  sich  der  Wahl  eines  Königs,  von  dem  sie  in  Folge  des  politisch 
zu  gewinnenden  Einflusses  eine  Beschränkung*)  ihrer  Macht  zu 
furchten  hatten,  oder  sie  setzten  wenigstens  lieber  Einen  aus  der 
eigenen  Mitte*)  auf  den  Königsstuhl®)  ein,  als  dass  sie  sich  mit  der 
klösterlichen  Erziehung"')  begnügen  Hessen. 

Oftmals    vermochten    sie    auch   über  den  König®)  noch  die  des- 

kinder)  oder  Nyasser  geht  die  erbliche  Würde  des  Häuptlings  (Balugu)  meist  auf  den 
ältesten  Sohn  über,  obwohl  der  Vater  auch  einen  andern  zu  seinem  Nachfolger  emeimen 
kann.  Der  Tecte  oder  Häuptling  (mit  den  Unterhäuptlingen  oder  Galpones)  hing  von 
dem  Monexico  oder  (wählbaren)  Rath  der  Alten  ab  in  den  Grepones  oder  Versammlungs- 
häusem  (in  Nicaragua).  In  Napata  (mit  Meroe  oder  Berua,  und  das  Aloh-Rcich  jenseits) 
wurde  der  Herrscher  aus  den  KönigsbrÜdem  durch  die  Priester  bestimmt. 

')  Neben  dem  erblichen  Kriegsanfuhrer  wurde  (in  Yucatan)  als  zweiter  der  Nacon  ge- 
wählt, der  sich  durch  dreijährige  Fasten  auf  das  Fest  Fax  vorbereiten  musste  (die  Truppen 
wurden  von  dem  Holcan  befehligt).  In  Cholula  herrschte  der  Priester,  als  Tlachiach  (oder 
oberer  Herr)  und  der  Fürst  als  Aquiach  (oder  unterer  Herr).  Commune  Placitum,  quod 
dicitur  Golhing,  in  quo  quamplures  et  Clerici  et  Laici  interfuerunt  (i22i  p.  d.).  Sacerdos 
omnium  maximus  apud  Burgundios  vocatur  (Sinista)  Sinistus  (s.  Amm.  Marc.) 

*)  Nach  Snorre  Sturlesen  wurden  die  Äsen  (Diar  oder  Drottnar)  bei  ihrem  Auszuge 
aus  Asgard  in  Asaheim  von  Odin,  als  Propheten  (Forspar)  oder  Zauberkünstler  (Fiolku- 
uugur)  geleitet ,  indem  er  sie  über  Gardariki  (Russland)  und  Sachsen  nach  Jötunheim 
(unter  Gylfe)  führte,  Sigtuna  bauend. 

*)  Die  Chiapaneken  lebten  in  Republiken  (als  Adel)  unter  zwei  Häuptlingen,  die 
durch  die  Priester  erwählt  waren.  Los  Chiapanecos  (los  primeros  pobladores  del  Nuevo 
mundo)  se  gobernaban .  por  dos  gefes  militares  nombrados  por  los  sacerdotes  (in  Cuzco). 
Neben  der  weltlichen  Macht  des  Pilun  als  Fürsten  (auf  Yap)  giebt  es  die  priesterliche 
Macht  des  Matra-mat,  d.  h.  die  Herrschaft  derjenigen  Leute,  welche  zwischen  der  Gott- 
heit und  den  Menschen ,  als  Vermittler  und  als  Ausleger  des  göttlichen  Willens  dienen 
(s.  Miklucho-Maclay). 

*)  Bei  dem  Aufenthalt  der  Mexicaner  in  Chapultepec  wurde  (trotz  des  Widerstandes 
der  Priester)  Huitzilihuitl  zum  König  gewählt.  Auf  die  Priesterkönige  (Patesi  oder  Patis) 
Assyriens  (wie  Ismi-Dagon,  Samsi-Bin,  Iri-Amtuk)  folgten  (mit  Assur-Narara,  Nabu« 
Dagan,  Assur-Bel-nisisu)  Könige  oder  Sar  (s.  Maspero). 

*)  Die  königlichen  Functionen  Montezuma's  waren  im  Besonderen  mit  dem  CuU  des 
(neben  Tezcatlipoca)  verehrten  Huitzilopochtli's  verknüpft,  wie  der  des  Numa,  als  flamen 
dialis,  mit  dem  des  Jupiter. 

*)  Als  man  Montezuma  seine  Wahl  zum  Herrscher  anzeigte,  fand  man  ihn  im  Tempel, 
nnt  dem  Besen  den  Boden  kehrend. 

^)  Der  Fürst  der  Miztecas  hatte  vor  der  Thronbesteigung  ein  Jahr  lang  im  Kloster 
zu  leben.  In  Nicaragua  wurde  jährlich  einer  der  Caziken  zum  Oberpriester  erwählt  und 
musste  (nur  von  den  dienenden  Knaben  besucht)  ein  Jahr  im  Tempel  bleiben ,  worauf 
ihm  (zum  Ehrenzeichen)  die  Nase  durchbohrt  wurde  (nach  Bobadilla). 

•)  Für  die  Toltekenkönige  war  die  Regierungszeit  auf  52  Jahre   (die  Xiuhtlalpile  ge- 


446  PRIESTERLK.HES   UNI)   STAATSWESEN. 

potische  Gewalt  zu  bewahren,  wie  in  Meroe  und  Cochin,  die  selbst 
über  Leben  und  Tod  tyrannisch  gebot,  bis  sie  etwa  durch  einen 
Euergetes  gebrochen  wurde. 

Menes  (Mena)  aus  Theni  vernichtete  die  Priesterschaft  (der  Shesu- 
Nor),  die  ägyptische M  Monarchie  begründend  (in  Memphis),  obwohl 
auch  unter  der  neuen  Form  die  priesterlichen  Collegien  bedingend 
in  die  Sollemnia  eingriffen. 

Dabei  erhielt  dann  der  König,  der  früher  (wie  am  Gabun)  der 
Volksjustiz*)  überlassen  sein  konnte,  eine  priesterliche  Weihe ^),  mit 


nannte  Altersdauer)  gesetzt,  nach  welcher  sie  abdanken  nmssten ,  und  sollte  der  Tod 
früher  eintreten ,  wurde  eine  republicanische  Regierung  in  das  Interregnum  eingeschoben. 
Als  der  Toltekenkönig  Mitl  (Nachfolger  des  Nacaxoc)  den  Cyclus  von  52  Jahren  in  seiner 
Regierung  vollendet  hatte,  verweigerte  er  die  durch  die  Gesetze  bestimmte  Abdankung 
und  regierte  weitere  7  Jahre  bis  zu  seinem  Tode  (1035  p.  d.).  Nachdem  er  in  dem  von 
ihm  erbauten  Froschtempel  begraben  war,  wurde  die  Regierung  der  Königin  Xiuhtlaltzin 
übertragen,  und  dann  folgte  (1039  p.  d.)  der  Prinz  Tecpancaltzin  (s.  Kcheverria).  O 
govemo  dos  Jesuitas  cra  um  govemo  theocratico.  O  gcral  nomeava  em  Roma  os  pro- 
vinciaes,  os  quaes  erao  nas  mas  provincias  outros  tantos  vicercis.  U  idioma  guarani  era 
o  que  estava  em  voga,  bem.  que  se  fallassem  tambero  outros  muitos  (in  den  Missionen 
am  Sao-Pedro-do-Rio-Grande).  Der  König  der  Mexicaner  war  (innerhalb  der  königlichen 
Familie)  gewählt,  der  der  Chichimeken  erblich  und  ebenso  der  der  Tulteken,  und  indem 
hier  die  Zeit  auf  52  Jahr  l>eschränkt  war  (bis  zum  Ende  des  Cyclus  Xiuhtlalpile  oder 
Tixiuhmolpia)  zeigt  sich  Analogie  ähnlich  in  Cochin  und  Meroe.  Für  den  Papst  galt 
,,non  videbis  aÄos  Petri",  und  Benedict  XIII.  wurde  es  durch  Antonius  zum  Grund  der 
\'erdammung  gemacht,  dass  er  um  5  Jahre  das  25jährige  Pontificat  Petrus*  überschritten 
(bis  30  Jahr).  In  Darfur  muss  der  Schatlenkönig  oder  Kamere  mit  dem  Tode  des  Königs 
(als  sein  Schatten)  gleichfalls  sterben. 

*)  Unter  den  Beweisen,  dass  die  Aegypter  von  den  Aeihiopiem  stammten,  führt 
Diodor  die  ,, Gleichheit  des  Costum's  untei  den  Königen  an,  die  in  beiden  Ländern  einen 
Craios  als  Zierde  des  Diadems  trugen"  und  ähnlicher  Schmuck  zeigt  sich  jetzt  an  den 
Figuren  aus  Central -Africa  in  der  Richtung  des  Muata-Vamro,  sowie  der  spitzgedrehte 
Bart ,  während  das  vorwärtsgebogene  Sceptcrschwert  sich  bei  den  Monbuttu  erhalten 
hat  (durch  Napata  vermittelt). 

*)  In  Guaxozingo  (Iluexoxingo),  Tlascala,  Cholula  wurde  der  mit  Schimpfreden  L'eber- 
häufte  vor  der  Erhebung  zum  Fürsten,  auT  die  nächst  hohe  Rangstufe  eingesetzt 
und  musste  im  Tempel  (für  seine  Vnlerthanen)  wachen  indem  man  den  Schlaf 
unterbrach  (s.  Herrera),  und  dass  der  Fürst  dort  (vor  seiner  Wahl)  Verspottungen  aus- 
gesetzt war,  geschah,  wie  es  heisst,  ,,para  provar  su  paciencia",  worauf  er,  nachdem  tr 
noch  ein  Jahr  im  Kloster  zu  büssen  hatte,  das  Krönungsfest  folgte. 

•)  Vor  der  Krönung  kasteite  sich  der  König  in  Mexico  im  Saal  Tlacateoco  für 
4  Tage  (s.  Torquemada).  Das  Gewand  des  Königs  bei  der  Krönung  und  des  Ehcjjaares 
bei  der  Hochzeit  trug  Skelette.  Bei  der  Krönung  wurde  dem  König  Tlacochcalcall  Mon- 
tezuma  die  Nase  durchbohrt,  um  eine  Goldröhre  l\^ineinzustecken  (s.  Tzozozomoc).  Für 
Inthronisirung  (heisst  es)  wurde  dem  König  über,  den  Thronmantel  ein  anderer  angelegt, 
mit  Todtenköpfen  und  Gebeinen ,  um  ihn  an  den  Tod  zu  erinnern  (in  Mexico).  Krol 
(König  im  Polnischen)  und  Krolestwo  (Königreich)  wird  von  Karolus  erklärt  (wie 
Karabste  oder  Reich  im  Litthauischen),  ähnlich  Caesaren  oder  Flavier. 


HALBGÖTTER.  647 

minutiöser  Ausbildung  des  Ceremoniell  (bei  der  Heiligung  durch  Gottes 
Gnaden  und  bis  zur  Deification  in  der  Apotheose),  wofür  auch  jung- 
fräuliche*) Geburt,  wie  bei  dem  Ahnherrn  der  Mongolenflirsten,  ver 
werthbar  blieb. 

Die  Vergöttlichung  im  Heroen-Cultus  zeigt  sich  in  Siam  bei  der 
Verehrung  der  Chao,  und  sie  kann  auch  bereits  (wie  bei  den  der 
gewöhnlichen  Altersspanne  entwachsenden  Greisen  auf  den  Mariannen) 
zur  Lebenszeit  eintreten,  und  so  berichtet  Jornandes,  dass  nach  der 
Besiegung  des  Kaisers  Domitian,  die  Gothen^)  ihre  Führer  als  Äsen') 


')  Se  autem  excusaut ,  <|Uod  non  possunt  intelligere ,  quod  virgo  possct  parere  filium 
(die  AveiToisten).  Versteht  man  unter  der  Demonstration  nicht  ,,potissimam  demonstra- 
tionem",  deren  nur  die  Mathematik  fähig  ist,  sondern  ,,syUogismum  efficianter  conclu- 
dentcm",  so  ist  (nach  Thomas  ab  Argentina)  auch  die  Theologie  einer  wissenschaftlichen 
Behandlung  (ahig,  (sie  rationes  Theologiae  possunt  dici  demonstrationes). 

')  Die  westlich  vom  asowschcn  Meer  als  Rhoxolauen  mit  den  Rossen  (Russen)  ge- 
mischten Alanen  oder  Albanen  bezeichneten  Feodosia  (Kaffa)  als  Ardauda  oder  Sieben- 
Götter  (-Stadt)  nach  der  Sprache  der  Karabulaken  im  Bezirk  der  Kisten  und  blieben 
beim  Zurückweichen  vor  den  Gothen  (II.  Jahrhundert  p.  d.)  als  As  im  südlichen  Gebirge 
Aja  dagi  (der  Krim).  Von  den  Albanen  oder  Alanen  als  Weissen  (Hephthaliten) 
zweigten  sich  die  Afghanen  ab.  Die  Vidh-tal  (Ephthaliten  oder  Haiathalah)  oder  Vueti 
waren  den  Kurus  (Kiang)  verwandt  (s.  Kingsmill).  Die  Ephthaliten  Gorgo's  (Gorghan's 
oder  Djordjau*s  am  Caspischen  Meer)  unterschieden  sich  von  den  Übrigen  Hunnen  (neben 
der  weissen  Hautfarbe)  durch  die  Ansässigkeit  (nach  Procep)  in  Thedalia  (bei  Vartan) 
oder  (bei  Cosmas)  OvyyUt  (der  Xivxoi  Ovyrot).  Die  bis  zur  Donau  (bei  Claudian)  vor- 
gedrungenen Alanen  ziehen  unter  Utaces  (Nachfolger  Respendiak's)  nach  Spanien  (mit 
den  Vandalen).  Oestlich  von  Poho,  das  Neumann  mit  Bokhara  und  Richthofen  mit 
Wakhan  identificirt,  kamen  die  Samanäer  Hwei-seng  und  Sung-yun  in  das  Land  der 
östlich  bis  Khotan  und  westlich  bis  Fersien  erstreckten  Geta  (518  p.  d.),  als  Hephthaliten 
(oder  Haithal).  Abulfeda  identificirt  die  Assen  (Osseten)  mit  den  Alanen  oder  (nach 
Rubruquis)  Assen.  Benedict  XII.  schrieb  an  Fodim  Jovens,  als  (christlichen)  Fürsten  der 
Alanen  (zu  Marignola's  Zeit).  Maas  war  Hauptstadt  der  xManen  oder  Lan  (nach  Masudi). 
Die  Alani  oder  Aas  (und  Cherkis)  heissen  (bei  Rubrutjuius)  Commani,  qui  dicuntur 
Capthat,  a  Teutonicis  vero  dicuntur  Valani,  et  provincia  Valania  (als  Asu  oder  A-sze  in 
China).  Nördlich  von  Abasgia  ,,ponitur  patria  quae  dicitur  Alanorum"  (s.  Anonym.  Rav.). 
Nach  Quatrem^re  meint  Pahloi  die  Sprache  der  Parther.  Die  Parther  (oder  Arsaciden) 
waren  den  Chinesen  als  Ansi  bekannt.  Die  Parther  (unter  Vologesus)  suchten  Vespasian's 
Hülfe  gegen  die  Alanen  (Vasy  oder  Russen),  die  (nach  Porphyrogenitus)  jenseits  des 
Cauoasus  wohnten.  Nach  Wenck  wurde  der  Name  Germanen  aus  Hermionen  gebddet. 
Die  Kriegserklärung  Rom's  (218  p.  d.)  gegen  die  Hermundulen  (Tulinger  unter  den  Halb- 
germanen Helvetien's  bei  Livius)  findet  sich  bei  Cincius  Alimentus  (s.  Gellius)  erwähnt 
(s.  Ledebur).  Caesar  erwähnt  Condrusos,  Eburones,  Caeraesos,  Paemanos,  qui  uno 
nomine  Germani  adpellantur  (mit  Belgiern),  als  Tungner  (bei  Tactus)  Thüringens  (der 
Toringer).  Gotnar  sind  (nach  Wächter)  Equites  von  Gati  (Equus)  oder  Viatores  von 
Gata  (Via),  im  Gegensatz  zu  Flotnar  (Navigantcs).  Dicti  autem  rcnones  a  Rheno,  Ger- 
manis flumine,  ubi  iis  frequenter  utuntur  (s.  Isidor). 

•)  Nach  Snorre  Sturleson  kamen  die  Äsen  aus  Asgard  in  Asaheim  am  Tanaquisl 
(Don  oder  Tanais),    als   Diar   Drottnar  unter  Odin.     Acot  9to$  ano  Tv^tit^y.     Finnur 


648  PRIESTEKMCHES   UND   STAATSWESEN. 

oder  Aeser  begrüsst  hätten,  welche  Äsen  oder  Aesir  in  Scandinavien 
als  Regln,  die  Mächtigen  oder  (Ginregin)  Uppregin  (die  Obermäch- 
tigen) bezeichnet  werden.  Nach  dem  Tode  gingen  dann  die  Seelen 
in  die  Reihe  der  himmlischen  Äsen  Asaheimr's  ein,  besonders  wenn 
im  raschen  Schlachtentode  entrafft,  da  ein  langsames  Dahinsiechen^) 


Magnussen  erklärt  Milras,  als  Maestras  (Maituraus)  oder  herrliche  (Maets)  Ase.  Die  die 
Götter  als  Aesar  verehrenden  Etruskef  hiessen  Tusci  von  Tuscus  (Sohn  des  Tyrrhenus) 
oder  (nach  Gunnar  Paulson)  Tuisken  (germanisch).  Nach  I.ucian  brachten  die  Gallier 
nicht  nur  dem  Teutatus ,  sondern  auch  dem  Gott  llerus  Blutopfer.  Odin  (Teut  oder 
Wodan)  wurde  zeitweis  aus  dem  Güttcrrath  entfernt,  um  durch  Iloller  oder  Oller  (als 
Gegen -Odin)  ersetzt  zu  werden  (s.  Saxo  Grammaticus).  Suhm  rechnet  zu  den  Alanen 
die  Äsen  oder  Aspurgilaner,  die  Abschasen ,  die  Apsilier  (am  Phasis)  mit  den  Misimi- 
anem,  die  Aorsen  (am  Tanais),  die  Udini  (oder  Budini)  an  den  Portae  Caspiae.  Bei  den 
Cushiten  (Chaldaea's)  emanirt  aus  dem  Gott  Ilu  oder  (in  Niniveh)  Assur  das  ursprüngliche 
Chaos.  Bei  Rücksichtnahme  auf  Gott  (Cot  oder  Gud)  und  (pers.)  Khoda  (Quadata) 
oder  (sanscr.)  SvadÄta  könnte  in  den  (von  Gautar  unterschiedenen)  Golhen  (Gutans)  oder 
(ahn.)  Gotar  eine  ähnliche  Beziehung  im  Völkemahmen  liegen ,  wie  bei  Teotl  zu  Teo- 
Chichimeken  u.  A.  m.  ,,Die  Angelsachsen  bilden  von  God  den  neutralen  Plural  Goda, 
sobald  Abgötter  gemeint  sind"  (s.  Grimm).  Ridba  til  Godhthiodhar  wird  (in  der  Edda) 
erklärt  ad  gentem  Deorum  (Gothorum). 

*)  Nach  Ammianus  Marcellinus  verachteten  die  Alanen  die  auf  einem  Bett  Gestorbenen. 
Den  Usun  verwandt,  verbanden  sich  die  A-lan-na  (Alin  oder  Berg  in  Mandschu)  oder 
An-thsai  (des  Aral-See's  unter  der  Herrschaft  der  Sogdier)  den  Sueven  und  Gothen  (sowie 
den  Vandalen,  als  Vend-Alani).  Alani,  ex  montium  appellatione  cognominati,  erstreckten 
sich  (nach  Amin.  Marc.)  bis  zum  Ganges  (proceri  autem  Alani  sunt  omnes  et  pulchri, 
crinibus  mediocriter-flavis).  Das  (^ebiet  von  Ghazni  heisst  Alaanar  (1222  p.  d.).  Die 
(bei  Plinius)  den  Rhoxolanen  benachbarten  .Manen  fielen  (im  Bunde  mit  Tiberius  gegen 
die  Parther)  durch  die  Pässe  der  Iberer  in  Armenien  und  Medien  ein  (nach  Josephus). 
Kerkednedadj ,  König  der  Alanen,  residirte  (nach  Masudi)  in  Magass.  Den  Vanen  (im 
Kriege  mit  Asgard)  diente  der  Seid  genannte  Zauber  zur  Wahrsagung  (nach  Snorro) 
[Az-IIof  oder  Äsen- Hof  am  Asowschen  Busen].  Tacitus  localisirt  die  Osi  (pannonischer 
Sprache)  um  die  Quellen  der  Weichsel  (neben  dtn  Arier).  Nach  den  medischen  Keil- 
inschriften grenzte  Asagarta  mit  Part^ava  oder  Parthien.  Die  Sagartier  durchschweiften 
als  nomadische  Stämme  Persien  (nach  Herodot).  Nach  Strabo  wohnten  die  Aspurgiani 
am  cimmerischen  Bosphorus.  Von  dem  Bellovesus  nach  Italien  gefolgten  Gelten  wurde 
später  Pannonien  besetzt  (s.  Justin).  Die  illyrischen  Japodes  galten  (bei  Stephanus)  als 
celtisches  Volk  (und  so  die  Autariatae),  In  Bologna  soll  das  Rechtsstudium  seinen  Anfang 
aus  einer  grammatischen  Erklärung  des  Wortes  As  (tarentinisch  für  iig)  hergeleitet  haben. 
Nach  Kriegen  mit  den  (parthischen)  Arsaciden  (aus  dem  Hause  Ashkan)  erlag  das 
griechisch-bactrische  Reich  (s.  Justin)  den  Asiem  und  Sarankeni  oder  (nach  Stral>o) 
Sakaraulern,  die  mit  Pasiani  (Aspasier)  und  Tokharern  (Toukhara)  einfielen,  als  Vueitschi, 
von  denen  die  Ye-tha  (bei  Matuanlin)  abgeleitet  werden  (von  Klaproth  mit  Gelen  idtnti- 
ficirt).  Pauthier  identificirt  die  Li-kien  (bei  Sze-ma-tsien)  mit  den  Seleuciden.  Nach  den 
Chinesen  hiess  das  Land  am  See  Lop  (bei  den  Türken)  Cha-tho  oder  (j)ersisch)  Djetch 
(s.  Vivien  de  St.  Martin).  Les  Vc-tha  ötaient  de  la  m^me  famille  et  j^ortaicnt  le  meme 
nom  i^uc  les  Djals  ou  Djets,  pcuple  d'origine  tibetaine  (s.  Vivien  de  St.  Marlin).  Vom 
jüngsten  Sohn  Djaiali's  stammen  (in  Mahabharata)  die  Mlekha  (nach  Norden  gelrieben). 
Nach  Jacquemont    fand    sich  Polyandrie   bei  den  Djat.     Nach  Matuanlin  besitzen  bei  den 


GLEICHBERFAHTIGUNG.  649 

auch  bei  den  Alanen  mit  dem  Körper  die  Seele  zu  verzehren  schien, 
während  friedliche  Völker  (wie  auf  den  Mariannen)  die  gewaltsame 
Trennung  der  Seele  vom  Leben  für  ihre  Verwandlung  in  schreckende 
Gespenster  fürchteten,  und  diese  in  einem  unterirdischen  Kerker  ein- 
zuschliessen  suchten. 

Bei  den  Corados  oder  Coroatos  (Meritong  and  Cobanipaqe) 
findet  sich  keine  Regierungsform  (bemerkt  Eschwege).  „Keiner 
drängt  sich  hervor,  um  über  den  Andern  zu  herrschen,  Jeder  handelt 
nach  Gutdünken,  und  bei  Streitigkeiten  gilt  die  Gewalt  des  Stärkeren; 
diese  betreffen  gewöhnlich  Liebeshändel,  die  sich  bei  ihren  Trink- 
gelagen anspinnen.  Streitigkeiten  wegen  Mein  und  Dein  sind  höchst 
selten  unter  ihnen"  (nur  bei  Kriegen  mit  den  Puris  vereinigen  sich 
alle  zu  einem  Zwecke"  unter  Blasen^)  eines  Ochsenhorns). 

Die  Indianer  Paraguays  (bemerkt  Muratori)  leben  ohne  Gesetz^), 
in  eigener  Freiheit  und  Verabscheuung  der  Dienstbarkeit,  doch  sind 

Ve-tha  (aus '  dem  Stamm  der  grossen  Vuetschi)  die  Brüder  eine  Frau  gemeinsam  (nach 
den  Hörnern  der  Mütze). 

*)  Muratori  meint,  dass  die  von  den  Engländern  (XVIII.  Jahrhundert)  erfundenen 
Sprachröhre,  bereits  den  Itatinem  bekannt  gewesen:  Tubis,  Tubiisque  certa  itiflatis  ratione, 
iia  quod  volunt,  significant,  ut  et  longe  audiaritur  et  perinde,  ac  si  expressis  vocibus 
lo<iuerentur ,  intelligantur.  Neque  tarnen  ab  iis,  qui  eorum  linguam  norunt,  quae  sigrtifi- 
cantur,  percipiuntur,  nisi  apud  eos  versati  sunt  (in  Paraguay). 

*)  Innerhalb  der  menschlichen  Gesellschaft  bildet  (im  Kleinen,  wie  im  Grossen)  die 
Gemeinsamkeit  der  Interessen  das  einigende  Band,  und  da  sie  im  nationalen  Staat  gegeben 
ist,  werden  sich  in  ihm  alle  Partheiungen  <naturgemäss  ausgleichen  müssen.  Dass  in  den 
durch  den  Gang  der  Geschichtsbewegung  zusammengewürfelten  Reichen  oftmals  derartige 
Incongniitäten  durcheinander  geworfen  werden,  das?»  dem  Volke  das  Recht  der  Revolution 
gegen  despotische  Vergewaltigung  zuzugestehen  bleibt,  ist  unter  verschiedenen  Ausdrucks- 
weisen anerkannt  worden,  aber  in  einem  national  begründetem  Staate,  wo  allle  gesetzlichen 
Mittel  und  Wege  der  Rechtserlangung  geboten  sind ,  ersclieint  jede  Umsturztendenz  als 
ein  widersuiuiges  Wüthen  in  den  eigenen  Eingeweiden ,  und  dies  ist  bereits  in  der  all- 
römischen  Secessions-Parabel  dem  heutigen  Socialdemocratismus  dargelegt.  Mutato  nomine 
de  te  fabula  narratur.  l'nd  hinsichtlich  der  Beseitigung  der  geschmäheten  Geistlichen 
durch  den  Massenaustritt  (der  bald  die  eigenen  Agitatoren  in  anderen  Masken  unter- 
schieben würde)  Hessen  sich  noch  andere  Gleichnisse  herbeiziehen,  um  den  Weltverbesserern 
die  Frage  vorzulegen ,  weshalb  sie  nicht  aus  ihren  eigenen  Reihen  die  als  Quäler  des 
Menschengeschlechts  verschrienen  Schuster  ausstiessen,  oder  die  so  vielfach  verdächtigten 
Bäcker  u.  A.  m.  Finden  sich  Unredliche  darunter,  so  nagele  man  sie,  wenn  es  sein 
nmss,  nach  türkischer  Sitte  mit  dem  Ohr  an  die  Thür,  immer  besser  das,  als  dass  Jeder- 
mann sich  im  eigenen  Hause  sein  Brod  backen  Hesse,  und  so  die  ganze  Gemeinde  an 
Indigestionen  zu  leiden  haben  würde,  die  ihr  und  dem  Staat  schwer  wieder  zu  über- 
winden sind.  Dass  Niemand  dem  Andern  in's  Handwerk  pfuschen  soll,  wird  in  solcher 
Weite  zugegeben ,  um  noch  immer  gelegentlich  mit  zunftartigen  Einschränkungen  zu 
liebäugeln,  in  politischen  Räsonnements  dagegen  meint  Jeder  pfuschen  zu  dürfen,  ob- 
wohl zu  deren  Beurtheilung  ebenfalls  erst  das  Zurücklegen  von  Lehrjahren  berechtigen 
dürfte,   und  das  Absolviren  eines  Cursus,    der  einem  Jeden  zwar,    ihn  zu  betreten,   offen 


650  I'KlESTEkIJCHES   TM)   STAATSWESEN. 

sie  durch  innere  Zwietracht  und  fremde  Kriege  „belehrt,  unter  sich 
einige  Verbindung  zu  errichten,  und  ein  Haupt  zu  erwählen,  den  sie 
Caziken  (Befehlshaber  oder  Hauptmann)  nennen,  ohne  sich  doch 
ihm  ordentlicher  Weise  zu  unterwerfen.  Sie  halten  ihn  nur  wie 
einen  Vater  oder  Vorsteher.  Zu  diesem  Amte  pflegen  sie  den 
Tapfersten  zu  erkaufen,  und  je  grössern  Credit  er  sich  in  den  Kriegen 
mit  den  Nachbarn  erwirbt,  desto  mehr  nehmen  die  ihm  untergebenen 
Völker  in  der  Zahl  zu,  so  zwar,  dass  zuweilen  ein  Cazike  ico  Fa- 
milien unter  sich  bekömmt.  Die  Missionarien  geben  vor,  dass  unter 
diesen  Befehlshabern  nicht  wenige  Hexenmeister  sein  sollen,  welche 


steht,  aber  nur  dem,  der  ihn  wirklich  betreten  hat,  den    Titel  eines  Meisters  zu  verleihen 
vermaji.     Vergleichungcn  sind  gehässig,    lujd  Niemand  hat  das  Recht,    bei  gegenseitiger 
Abschätzung  gelehrte  Studien  höher  zu  stellen,    als  technische  oilcr  andere,    wohl  jedoch 
darf  für  jede  Classe  das  zugehörige  Fach  als  ihr  Arbeitsfeld  betrachtet  werden,  und  wenn 
die  Entscheidung   flir'das  Eine    oder  Andere,    Allen   gleich  freigestellt  i^t ,    nmss  bei  be- 
rathender  Wahl  der  Hinweis  nicht  vergessen  werden,  dass  in  der  weitaus  grösseren  Mehr- 
zahl   der  Fälle    ein    reiner   und  voller  Lebensgenuss  nicht  dem  an  Pult  und  Studierlampe 
gefesselten  Bücherwurm    gehört ,    sondern    dem    sich   körperlicher  Gesundheit  erfreuenden 
Handarbeiter,  wenn  er  sich  innerhalb  des  Erreichbaren  hält,   und  nicht  durch  Anstrebung 
von  Genüssen,  die  schliesslich  nur  die  Gewohnheit  zum  Bedürfniss  macht  (und  oft  genug 
zu   einem   solchen ,    welches   der  damit  Belastete  gerne  wie<ler  los  wäre) ,    aus  grämlicher 
Unzufriedenheit    mit    sich    selbst    in    Zwiespalt    geräth.      Das    nicht   Jeder    in    Reichthum 
schwelgen  kann,  liegt  in  der  Natur  der  Sache  (und  da  nur  Wenige  ihn  zu  benutzen  ver- 
stehen, ist  solche  Beschränkung  erwünscht  genug),  dass  jedoch  die  Lage  der  arbeitenden 
Classen  (selbst  unter  den  stets  ungünstigeren  Ausnahmsf^llen  grosser  Städte)  gegenwärtig 
eine    verhältnissmässig    weit  vortheilhaftere  ist ,    als  früher ,    das  wird  Jeder  bald  ersehen, 
der  in  König,  Nicolai  u.  A.  m.  die  Vergangenheit  Berlins  durchblättern  wollte.    Jäunner- 
lich    würde  ihre  Lage  aber  allerdings  dann  werden ,    wenn  sie ,    weil  ihnen  die  Herrchen 
im  Obergeschoss  mitunter  etwas  Belästigung  machen,  in  dem  von  ihnen  bewohnten  Untcr- 
raume  des  Staatsgebäudes  die  Grundpfeiler  umzureissen  suchten,  so  dass  dann  das  Ganze, 
die  Bel-Etage  sowohl,  wie  die  armen  Dichter  und  Gelehrten  der  Dachstuben,  auf  die  Insassen 
herabstürzten ,  und  nun   die  gesammte  Clerisei   mit  einander  den  Unbilden  der  Wittenmg 
und  jedem  räuberisch  fremden  Anfall  ausgesetzt  wäre,  mit  Hohn  und  Spott  in  den  Kauf. 
Dass  eine  gewisse  Berechtigung  zur  Reaction  vorliegt,  wird  Keuier  unter  denen  bestreiten, 
die  sich  durch  die  sinn-  und  masslosen  Verschwendungen  eines  übertriebenen  Luxus  unter 
den  laufenden  Tagesereignissen  so  oft  widerwärtig  berührt  finden,  und  dies  wird  in  Hoffnung 
eines  Abgleichs   um  so  unbedenklicher  zugegeben  werden  können,    da  bei  dem  gesunden 
Kern ,  der  im  Volke   steckt ,    die  Auswüchse  der  Agitation  nur  der  unverständigen  (selbst 
wenn    im    Unverstand    gutgemeinten)   Führung    zuzuschreiben    sein    mögen ,     so    dass   es 
vielleicht  nicht  schwer  sein  dürfte,  ein  wechselweises  Verständniss  zum  allgemeinen  Besten 
anzubahnen.      In    allseitigem    Zusammenwirken    wird    der    nationale    Staat    seine    eigene 
Blüthe  fordern,    unter  Beseitigung  aller   (die  Majorität  schädigenden)  Tarticular- Begünsti- 
gungen, sei  es  durch  künstliche  Arbeitsschaffung  in  unnütz  geldfressenden  Bauten,  sei  es 
in    den  Extremen   eines  Schutzzollsystems  otler  in   denen  des  Freihandels,    da  hier,    wie 
überall,  nicht  allgemeine  Principien  (und  am  Wenigsten  gar  die  Vrincipien  einer  politischen 
Parthei)  entscheiden  können,  sondern  nur  die  realen  Verhältnisse  des  jedesmaligen  Falk> 
nachdem  sie  gründlich  mit  Sachkenntniss  studirt  sind. 


AUTORITÄT.  661 

sich  durch  heimlich  gebrauchte  Zauberkünste  bei  den  Ungehorsamen 
Furcht  zu  verschaffen  wissen,  weil  sie  sich  dieselben  durch  den 
ordentlichen  Weg  Rechtens  nicht  zuwege  bringen  können,  sonst 
würden  sie  Gefahr  laufen,  von  ihren  Völkern  verlassen  zu  werden, 
wenn  sie  dieselben  strafen  wollten.  Diese  geben  selbigen  einfältigen 
Leuten  zu  verstehen,  dass  die  Tiger  und  Ungewitter  ihren  Befehlen 
wider  diejenigen,  die  nicht  gehorchen  wollten,  unterworfen  wären, 
und  viele  glauben  es,  da  sie  sehen,  dass  diejenigen,  denen  damit 
gedroht  worden,  sich  nach  und  nach  verzehren  und  sterben,  welches 
wahrscheinlicher  Weise  von  dem  ihnen  heimlicher  Weise  beige- 
brachten Gifte  ^)  herrührt"  (die  Candidaten  wurden  mit  Thierfett  be- 
strichen durch  geheime  Ceremonien  im  Walde  geweiht).  Staatsklug- 
heit empfahl  dann,  bei  deutlicherer  Trennung  weltlicher  und  geist- 
licher Functionen  die  bedenklicheren  Operationen  den  Ausübern  der 
letztern  zu  überlassen,  die  dann,  wenn  allzu  ehrsüchtig,  sich  im 
Culturkampf  den  Hals  brechen  mochten,  oft  genug  aber  freilich  in 
der  Sancta  Simplicitas  für  ihre  Eingriffe,  die  sie  in  Peru  mit  dem 
Fluch  der  Aucaes  (s.  Sarmiento)  gebrandmarkt  haben  würden,  ge- 
fügige Helfershelfer  und  Billigung  fanden,  denn  „mit  der  Dummheit 
kämpfen  Götter  selbst  vergebens".  ,,An  nescis,  mi  fili,  quantilla 
prudentia  regatur  orbis",  wird  nicht  unpassend  in  den  Mund  des 
Papstes  Julius  III.  gelegt. 

Wie  nun   einerseits  vielfach  von    den  Priestern    abhängig,    blieb 
der  König  dann  auch  wieder  dem  Rathc  der  Stammesfürsten*)  ver- 


*)  Am  Hofe  Louis  d'üutre-m^re  übten  der  Üisohof  von  Amiens  und  der  salernitanische 
Arzt  ihre  Künste  in  gegenseitigen  Vcrgfiftungsversuchen. 

')  Neben  dem  mexicanischen  König  stand  ein  Rath  von  vier  Fürsten,  des  Tlacoch- 
calcatl  (Fürst  des  Pfeilhauses),  Tlacatecal  (des  Menschenniederhauers),  Ezuauacatl  (des 
Blutvergiessers)  und  Tlillancal<iui  (Herr  des  schwarzen  Hauses),  und  beim  Tode  des 
Königs  wurde  Einer  .  derselben  zu  seinem  Nachfolger  erwählt  (s.  Duran).  Die  Caziken 
in  Yucatan  (Yuca-Tale)  hiessen  Calachioni  (nach  Diaz  del  Castillo).  Die  vornehmsten 
Vasallenfiirsten  hatten  einen  Thcil  des  Jahres  in  Mexico  (neben  dem  König)  zu  residiren 
(wie  in  Yeddo  beim  Taikun).  Die  Würde  des  Shiogun  datirt  von  den  Markgrafen,  welche 
der  Mikado  Sujin  (•[•  30  a.  d.)  bei  der  Eintheilung  des  Reiches  gegen  die  (besonders 
durch  Yamato-Dake)  bekämpften  Ainos  bestellte.  Unter  dem  Chichimekenkaiser  'l'echotl 
in  Tezcuco  (wo  die  vornehmsten  Vasallenfttrsten  wohnen  mussten)  fanden  sich  fünf  Räthe, 
unter  Tctlahto  fiir  die  Acolhua,  unter  Tlami  oder  Calpixcontli  (lir  die  Finanzen,  unter 
Yolqui  fiir  Ceremonien,  unter  Amechichi  für  den  Hofstand,  unter  Cohuatl  ftir  die  Kunst- 
handwerker. No  puede  el  cacique  mandar  sino  en  las  cosas  de  la  guerra  6  bien  del 
pueblo  y  aun  para  esto  ha  de  ser  primero  acordado  en  el  monexico  (in  Nicaragua).  In 
Metztitlan  (nördlich  von  Tezcuco)  bildeten  den  Rath  des  Königs  zwei  Greise  (Te<iuitlatos 
genannt),  die  Recht  sprachen  und  Tribut  erhoben  (s.  de  Witt).  In  Florida  beriethen  die 
Häuptlinge    mit    den  Aeltesten    und    den  Priestern  (Jawas)  unter  dem  Trank  der  Kassinc 


652  PRIESTERLICHES  UND   STAATSWESEN. 

antwortlich,  sei  es  erblich  oder  gewählt,  und  dies  gliedert  sich  in 
verschiedene  Formen,  wie  bei  den  Sakima  (Sachem  oder  Sagamo) 
der  Rothhäute  ^)  oder  sonst. 

(s.  Dapper).  Aehnlich  den  japanischen  Regierungsspiouen  (geheimer  Polizei)  waren  in 
Peru  Aufseher  der  Familie  bestimmt  (als  Detectives),  und  so  die  Censoren  (in  Rom)  oder 
(in  Athen)  die  Exegetes.  Von  den  Peruanern,  unter  denen  jetzt  die  Disharmonie  steter 
Umwälzungen  (im  Menschenleben  sowohl,  wie  seiner  geologischen  Unterlage)  zu  herrschen 
scheint,  rühmt  Prescott  die  ,,singular  harmony  in  their  empire".  Nach  dem  Princip  der 
Tendenz  zur  Stabilität  geht  die  Erde  mit  Noth wendigkeit  demjenigen  Zustande  entgegen, 
in  welchem  ,, Alles  möglichst  gut  zusammenpasst"  (nach  Fechner).  Lucrez  folgt  der  von 
Empedocles  aufgestellten  Ansicht,  ,,nach  welcher  die  gesammte  Zweckmässigkeit  des  AU's 
und  Insbesondere  auch  defl  Organismen  lediglich  einen  aus  der  Unendlichkeit  des 
mechanischen  Geschehens  sich  ergebenden  Specialfall  ist"  (s.  A.  Lange).  Nach  Blanqui 
ist  alles  Mögliche  auch  irgend  wann  und  irgend  wo  im  Universum  verwirklicht.  Der  Ver- 
neinung von  einer  Aussage  (dnoif>ctc§g) ,  als  einen  Act  des  denkenden  Subjects,  stellte 
Aristoteles  die  Beraubung  (cnotjctf)  gegenüber,  ats  eine  Eigenschaft  des  Object's  (und  so 
durch  das  ideale  Gesetz  gefordert). 

*)  ,,Die  Irokesen,  Creeks  und  Chiktawah's  werden  von  verschiedenen  Sachems  regiert, 
die  von  den  Stämmen  und  Dorfschaften  erwählt  werden.  Die  Chickesaws  haben  einen 
König,  und  eine  Rathsversammlung  zu  seinem  Beystande.  Diese  Oberhäupter  werden 
nicht  allezeit  sehr  geehret ,  und  wenn  sie  sich  Gehorsam  verschaflFen ,  so  geschieht  es, 
weil  sie  wissen,  was  für  Schranken  sie  ihren  Befehlen  setzen  müssen.  Die  Eigenschaften, 
tlic  man  von  ihnen  fordert,  sind  Glück,  Tapferkeit  und  Uneigenntitzigkeil,  und  wer  diese 
vereinigt,  kann  sich  auf  einen  vollkommenen,  jedoch  allezeit  frey willigen  Gehorsam 
Rechnung  machen.  Sie  schlagen  vielmehr  vor,  als  dass  sie  befehlen.  Die  ganze  Wahl 
und  Einführung  neuer  Oberhäupter  besteht  in  Schmausereyen,  die  mit  Tanzen  und  Singen 
begleitet  werden,  und  das  neue  Oberhaupt  hält  allezeit  demjenigen  eine  Lobrede,  dessen 
Stelle  es  einnimmt,  und  rufet  seinen  Schutzgeist  an.  Jede  Familie  wählet  einen  Rath 
zum  Beystande  des  Oberhaupts,  ohne  dessen  Gutachten  sie  nichts  unternimmt.  Diese 
Räthe  haben  die  Aufsicht  über  den  öffentlichen  Schatz  und  den  ersten  Rang;  die  Alten 
haben  den  zweyten,  und  die  Kriegsleute,  das  ist,  alle  Mannspersonen,  welche  im  Stande 
sind,  die  Waffen  zu  tragen,  haben  den  dritten  Rang.  Bei  allen  Völkern  von  der  huroni- 
schen  Sprache  haben  die  Weiber  die  vornehmste  Gewalt;  die  Mannspersonen  aber  lassen 
ihnen  nur  den  Schatten  davon,  und  selten  eröffnen  sie  ihnen  eine  Sache  von  Wichtigkeit, 
obgleich  alles  in  ihrem  Namen  geschiehet  und  die  Häupter  nur  ihre  Verweser  sind.  In 
Angelegenheiten,  die  die  blosse  Polizey  betreffen,  berathschlagen  sie  sich  zuerst  über  das- 
jenige ,  was  im  Rath  vorgetragen  wird ,  und  ihr  Gutachten  wird  von  den  Häuptern  dem 
allgemeinen  Rath  hinlerbracht ,  welcher  aus  den  Alten  besteht.  Die  Kriegsleute  berath- 
schlagen sich  über  das,  was  zu  ihrem  Orden  gehört,  können  aber  nichts  wichtiges  für 
die  Dorfschaft  beschliessen.  Mit  einem  Wort,  der  Rath  der  Alten  fasset  den  letzten 
Entschluss.  Die  Oberhäupter  reden  selten  und  wenig  in  den  Versammlungen,  sondern  ein 
jeder  Stamm  hat  seinen  Worlhalter,  der  allein  das  Recht  hat,  in  den  Rathszusammen- 
künften  und  allgemeinen  Versammlungen  zu  reden,  und  diese  Worthalter  reden  allezeit 
sehr  wohl.  Sie  haben  die  vortrefflichste  Kenntniss  von  dem  Besten  derjenigen,  die  sie 
brauchen,  nebst  einer  wundersamen  Geschicklichkeit,  sie  gültig  zu  machen.  Ohngeachtet 
diese  Leute  fast  nichts  besitzen  und  keinen  Ehrgeiz  haben,  sich  auszubreiten,  so  haben 
die  Nationen  und  Stämme  doch  immer  etwas  mit  einander  auszumachen  und  pflegen  un- 
aufhörlich Unterhandlungen.  Es  sind  Verträge  zu  schliessen  oder  zu  erneuem,  Diensl- 
crbietungen,  Bündnisse,  die  nian  vor  hat,  Einladungen  zum  Kriege  oder  Complimei>ir 
wegen  des  Todes  eines  Oberhauptes,    In  dem  Innern  der  Flecken  sind  die  Geschaffte  der 


LANDESKIRCHE.  653 

In  den  für  längere  Zeit  mit  der  weltlichen  Macht  verbleibenden 
Priesterfunctionen  übt  der  König  die  officiellen  Ceremonien  des 
Staats-Cultus,  unter  Regelung  der  Jahresfeste  (wie  der  Kaiser  in  der 
chinesischen  Reichs-Religion),  während  die  auf  dem  zweifelhaften^) 
Gebiet  zwischen  schwarzer  und  weisser  Magie  spielenden  Operationen 
bald  und  gern  den  Gesellschaften  industrieller  Hochstapler,  die  sich, 
unter  Speculation  auf  das  eindrucksfähig  Bildsame  der  Pychosen  in 
menschlicher  Durchschnittsnatur,    dazu  drängen,    überlassen  bleiben. 


Wildeo  fast  nichts,    und   ihre  Streitigkeiten   sind  leicht  zu  entscheiden.     Die  Oberhäupter 
bekümmern    sich    wenig    darum,    und   ordentlicher  Weise  sind  gemeinschaftliche  Freunde 
oder  die  nächsten  Verwandten  die  Vermittler.    Tödtet  ein  Wilder  einen  andern  aus  seinem 
Geschlecht  in  der  Tnmkenheit ,  so  lässt  man  es  dabey  bewenden ,  dass  man  den  Todlen 
beklaget.     Hat  er  es  mit  kaltem  Geblütc   gethan ,    so  vermuthet  man,    er  habe  Ursachen 
dazu  gehabt,  und  es  kömmt  nur  den  Einwohnern  eben  der  Kabane  zu,  ihn  zu  bestrafen; 
man  sieht  aber  wenig  Beweise  davon,  dass  sie  ihn  zum  Tode  verdammen.    Die  ^meinste 
Gewohnheit  ist,  dass  man,  zur  Schadloshaltung  der  Familie  des  Todten,  die  Stelle  durch 
einen  Kriegsgefangenen  ersetzt;  wird  er  angenommen,  so  trit  er  in  alle  Rechte  desjenigen, 
an    dessen  Stelle    er    kömmt.     Die  Hexereyen   sind   unter  vielen  Völkerschaften  verhasste 
Verbrechen,  die  auf  der  Stelle  mit  dem  Tode  bestraft  werden.    Diejenigen,  die  deswegen 
in  Verdacht  kommen,    sind   nirgends   sicher  und  werden  verbrannt.     Diejerfigen,    welche 
ihre  Familie  durch  Zaghaftigkeit  venmehren ,    werden   ebenso  bestraft ,    und   gemeiniglich 
richtet    sie    die  Familie    selbst.     Bey   den  Iluronen,    die  sehr  geneigt  und  geschickt  zum 
Stehlen  sind ,  ist  es  erlaubt ,  dem  Diebe  nicht  allein  alles  abzunehmen ,  was  er  gestohlen 
hat,    sondern  auch  alles,    was  man  in  seiner  Hütte  fmdet,    so  dass  man  ihn,  seine  Frau 
und  Kinder    ganz   nackend   lassen   kann,    ohne  dass  sie  den  geringsten  Widerstand  thun 
dürfen"  (s.  Baumgarten).    The  main  object  of  the  ribbon  orden  (in  Irland)  was  to  prevent 
any    landlord,    under   any    circumstance    whatever,    from    depriving  a  tenant  of  his  land 
(s.  Trench).     Die  berechtigten  Bestrebungen  der  Democratie  verlaufen  dann  leicht  in  die 
Parekbase  der  Ochlokratie  (wie  die  der  Aristokratie  in  die  Oligocratie).    Die  Repulsion  (des 
Selbsthcwusstsein)    muss   (nach  Hegel)   in  eine  solche  Beziehung  umschlagen,  in  welcher 
sie  sich  nach  ihrer  identischen  Natur  gegen  einander  verlialten,  oder  als  die  ,,atlrahirenden 
Eins"    sind.     Dies    ist    der  tiefere  Grund    für   alle  Gemeinschaften  denkender  oder  selbst- 
bewusster  Wesen,  wie  sie  im  Staat,  in  der  Kirche  und  anderen  Verbänden  sich  gebildet 
hal)en    (s.  Schwarz).     Die    utilitarische   Erklärung    des   Staates   ist   diejenige,    welche   der 
positive  Denker  vertritt.    Die  Menschen,  behauptet  er.,  fanden  in  dem  Kampfe  des  Dasein's 
heraus,    dass   ein  geordnetes  Zusammenleben  das  sicherste  Mittel  zu  ihrer  Selbsterhallinig 
sei   und   in   dieser  Erkenntniss   legten   sie   die  Waffen,    mit   denen   sie   einander  bekämpft 
hatten,  nieder  und  bildeten  den  Staat  (s,  Rottenburg).    In  der  positiven  Staatstheorie  ,,sind 
es  zwei  Factoren  ,    vcm  denen  das  geordnete  Zusammenleben  der  Menschen  abhängig  ist, 
nämlich  die  Verhältnisse ,    unter  denen  sich  der    Kampf   des    Daseins    abspielt ,    und    die 
intellectuellen    Fähigkeiten,     mit    denen    die    Menschen    diesen    Verhältnissen    gegenüber 
treten.     Beide  Werthe  sind  berechenbar." 

')  Ehe  die  Trennung  eingetreten  ist,  bleibt  auch  die  Gefahr,  wie  die  Häuptlinge 
am  obem  Nil ,  denen  die  Kraft  des  Regenmachens  beiwohnt ,  ihr  Unvermögeu  selbst  mit 
dem  Tode  zu  zahlen  haben ,  während  sie  später  diese  Strafe  über  die  ungeechickten 
Zauberer  aussprechen  können  ,  und  so  selbst  gesichert  bleiben.  Bei  den  Chiquitos  liegt 
den  Häuptlingen  noch  das  Saugen  der  Kranken  ob,  was  dann  den  Functionen  der  Aerzte 
\ erbleibt,  welche  das  damit  verknüpfte  Risico  zu  tmgen  haben. 


654  PRIESTERUCriES   UNI)   STAATSWESEN. 

Während  sich  mitunter  der  Mitregent  schon  bei  Lebzeiten  eingesetzt 
zeigte,  so  findet,  wie  auf  den  Palau-Inseln,  auch  mitunter  in  America, 
ein  graduelles  Aufrücken*)  bis  zur  Königswürde ^)  statt.  Bei  der 
Erweiterung  zur  grösseren  Einheit  in  nationaler  Verbindung  trat 
die  Bedeutung  der  einzelnen  Häuptlinge  vor  dem  Rathe  der  Könige 
selbst  zurück,  so  dass  sich  diese  auch  gegenseitig')  auf  ihren  Thronen 


')  In  Mechoakan  setzte  der  König  oder  Cacgoltzin  (in  seinem  Alter)  schon  bei  Leb- 
zeiten den  Sohn,  der  ihm  zu  folgen  hatte,  ab  Miiregenten  ein  (s.  Torquemada).  Neben 
dem  erblichen  Häuptling  wurde  in  Yucatan  ein  dreijähriger  (Nacon  genannt)  erwählt,  der 
während  der  Zeit  seiner  Regierung  weder  mit  Frauen  schlafen  noch  Fleisch  essen  durfte 
(s.  Landa).  In  Turkestan  wurden^ am  Neujahr  die  Tugenden  und  Laster  der  Akimbek 
(Ortsvorsteher)  von  den  Achun  abgewogen,  und  bei  Mehrzahl  der  letzteren  vom  Volk  das 
Todesurtheil  ausgesprochen  (s.  Timkowski). 

')  la  Matlatzinco  fanden  sich  drei  Häuptlinge  übereinander,  der  Tlatuan  oder  Tlato- 
bani  (als  der  Höchste),  der  Tlacuxcalcale  und  der  Tlacatecatle ,  die  sich  (beim  Tode) 
nach  einander  in  der  Reihenfolge  ersetzten,  anfrilckend  (s.  Zurita).  Bei  den  Matalcingos 
folgte  auf  den  ersten  Herrn  (Tlatuan),  der  zweite  (Tlacatecatl),  und  auf  diesen  der  dritte 
(Tlacuxcalcatl),  bei  dessen  Tode  dann  wieder  aus  den  Söhnen  und  Brüdern  des  Ersteren 
ein  würdiger  Nachfolger  erwählt  wurde  (s.  Herrera).  Bei  niederen  Rechtssachen  wurde 
der  zweite  oder  dritte,  bei  bedeutenden  der  erste  Fürst  befragt  (s.  Herrera).  Die  Mal- 
latzingo (mit  der  Hauptstadt  Toluca  oder  Tollocan)  wurden  von  drei  Fürsten  beherrscht, 
riatoane  (el  superior),  Tlacatecatl  und  Tlacacaxcatl.  Quando.el  primer  nombrado  faltabo 
era  reemplazado  por  el  segundo  y  a  su  vez  el  segundo  por  el  tercero  (s.  Manuel  Payno). 
In  Utatlan  fanden  sich  drei  Herren,  der  höchste  mit  3,  der  nächste  mit  2,  der  letzte  mit 
I  Mantel,  und  bei  der  Nachfolge  rückten  sie  auf,  unter  Zufiigung  eines  Mantels  (s.  Herrera). 
In  Utatlan  fanden  sich  drei  Häuptlinge,  der  erste  unter  drei,  der  zweite  unter  zwei,  der 
dritte  unter  einem  Schirm  (sagt  Zurita).  El  Seüor  de  Chiapa  lo  havia  de  ser  primero  de 
otro  estado  menor,  y  alli  le  probaban  si  era  suficiente  para  governar  (s.  Herrera).  Budo- 
mel  (s.  Peschel)  ist  ,, Titel",  wie  Rex  Regum,  oder  Shah-in-Shah ,  denn  Damel  hiessen 
(in  Cayor)  die  Häuptlinge  und  Bur  oder  Bu  bedeutet  König".  Die  Serchule  oder  Serra- 
kolet  (als  Eingebome  des  Ghanata-Reichs  mit  der  Kadjaga-Sprache)  wurden  von  den  (vor 
der  Eroberung  herrschenden)  Meliiki  (Freien)  oder  Mandingo  (Melli's)  als  Ssuaninki 
(Unterdrückte)  oder  Assuaneck  bezeichnet. 

')  In  dem  Bunde  von  Tezcuco,  Mexico  und  Tlacopan  erwählten  beim  Tode  eines 
Fürsten  die  andern  beiden  den  Nachfolger.  Durch  Ixcoatl  wurden  ChurfÜrsten  eingesetzt, 
welche  mit  Berathung  der  Krieger  von  Tezcuco  und  Tacuba  den  König  von  Mexico  zu 
wählen  haben  (der  besonders  für  seine  Tüchtigkeit  zum  Krieg,  und  deshalb  meist  jung, 
erhoben  wurde.  Die  Krönung  (nachdem  eine  erste  Schlacht  gewonnen  war)  wurde  durch 
den  König  von  Tezcuco  vollzogen.  Im  hohen  Rath  der  mexicanischen  Könige  bildeten 
den  ersten  Rang  die  vier  ChurfÜrsten  oder  Atlacohecalcatl  (Herr  der  Wurflanzen),  dann 
folgte  der  Tlacatecatl  (Menschenspalter),  femer  der  Esuahuacatl  (Blutvergiesser)  und 
ausserdem  waren  von  den  beim  Gottesdienst  schwarz  bemalten  Priestern  die  Tlillancalqui 
(Herrn  vom  schwarzen  Hause)  benannt.  Der  über  die  Chunupis  herrschende  Häuptling 
aus  dem  .Stamm  der  Malvala,  ist  dem  gemeinsamen  Oberhaupt  der  Chunupis,  Sinipes  und 
Malvala  (am  Rio  Vermejo)  unterworfen.  Jeder  der  drei  Stämme  (Schildkröte ,  Wolf  und 
Truthalm)  hat  bei  den  Delawaren  seinen  Häuptling,  der  von  den  andern  beiden  Häupt- 
lingen gewählt  wird  und  der  Häuptling  der  Unami  (Schildkröte)  ist  der  vornehmste 
(s.  Loskiel).    Die  südlichen  Galla  bei  Takaimgu  (nördlich  von  Osi)  sind  in  sieben  Stämme 


RANGSTUFEN.  655 

einsetzen  oder* bestätigen  mochten   (vielleicht   unter  Mitwirkung  von 
Kurfürsten). 

War  der  königliche  TiteP)  dauernd  gegeben,  oder  bei  bestimm- 
ten Gelegenheiten  angenommen  worden,  so  folgte  leicht  fernere 
Verschiebung  auf  der  Stufenleiter  der  Würdenträger^)  und  diente  die 
Verleihung    neuer    Ehren    zu    Belohnungen    und    Rangerhöhung,    in 


getheilt ,  unter  4  Oberhäuptern ,  2  alle  7  Jahre  neu  zu  wählende  Hein  und  2  diesen  mit- 
zugebenden Möra  (s.  Krapf).  Bei  wichtigen  Angelegenhetten  beruft  der  Häuptling  der 
Kaffer  (Ainaxosa  und  Amatenibus)  die  Amapakati  (Rathgeber)  zur  Versammlung,  wogegen 
Mosheshe  bei  den  Basutu  und  Tshaka  bei  den  Amazulu  fast  absolut  herrschte.  Bei  Unter- 
drückung einer  Empörung  (in  Unyamwesi)  wird  der  Nachfolger  des  abgesetzten  Ftirsten 
stets  aus  dessen  Familie  von  dem  Könige  ausgewählt,  da  die  Manen  der  verstorbenen 
Häuptlinge  erztimt  werden  würden,  wenn  sich  Jemand,  der 'weder  mit  der  herrschenden 
Familie  noch  mit  der  der  Waniamalongas  in  irgend  einer  verwandtschaftlicher  Beziehung 
steht,  Herrscherrechte  anmassen  sollte. 

')  Ahau  war  Titel  der  Fürsten  bei  den  Mayas  (und  Quiche)  als  König.  Nach  dem 
Popol  Vuh  beginnt  der  königliche  Titel  der  Ahau  mit  Balam  Conache,  der  auf  Qocavib 
(Nachfolger  des  Balam  Quitz^  aus  dem  Hause  Cavek)  folgt.  Der  König  der  Azteken  in 
Mexico  führte  den  Titel  Culhua  Tecuhtli  (als  Tlataoni ,  Wortführer  oder  Sprecher)  neben 
dem  König  von  Tezcuco  (Chichimecatl  Tecuhtli)  und  dem  König  der  Tepanecen  in 
TIacopan  (Tepaneca  Tecuhtli).  Nauhyotl  (aus  den  Chichimeken-Culhuas)  erhielt  bei  der 
^  Königswahl  durch  die  Tolteken  den  Titel  Topiltzin  und  Tlatoani  (in  Teotihuacan). 
lopiltzin  war  Königlicher  Titel  bei  den  Tolreken  (im  Priesterorden  bei  den  Mexicanem). 
Während  Xuihquetzaltzin  mit  dem  Titel  Culhua  Tecuhtli  Quanex  (el  cabellero  Culhua  que 
es  cabeza)  in  Tepeticpac  heri sehte,  als  Sohn  des  Chichimekenkönig  Tlotzin  Pochotl  wurde 
das  Fürstenthum  Tlascalla  für  ihn  gegründet.  Bei  der  Weihe  des  Tempels  in  Coatlan 
erhielt  Montezuma  den  Titel  Zemanazuaca  Tlaltoani  oder  Kaiser  der  Welt  (s.  Tezozomoc). 
Nach  Besiegung  der  Mizteken  von  Tlachquiauhco  liess  sich  Montezuma  als  Zemanahuaca 
Tlatoani  (Beherrscher  der  Welt)  proclamiren  (s.  Tezozomoc).  Weder  das  griechische 
iißactXivc*',  noch  das  lateinische  ,,rex"  enthalten  eine  Beziehung  auf  das  Geschlecht  oder 
die  Erblichkeit  des  Königthums.  Rex  ist  Richter,  ßttahXivg  scheint  mehr  die  priesterliche 
Würde  anzudeuten ,  keins  aber  giebt  deu  Smn  von  unsrem  König  (Kuuing)  vollständig 
wieder  (bemerkt  Arnold).  Powhattan  (Ottaniak  oder  Mamanatowick)  führte  (in  Virginien) 
den  Titel  Wahunsenacawh  (s.  Strachey). 

')  Der  älteste  Sohn  des  Königs  (in  Mexico)  hiess  Tlatopilzintli,  die  Prinzen  Tlatoque, 
die  erblichen  Edlen  Tlatoani  (im  Allgemeinen),  neben  den  über  Vasallen  gebietenden 
Tlacohua  unter  den  Adligen  oder  Pilli.  Die  Grundbesitzer  hiessen  Tlaquihua,  und  Axcahua 
war  ein  durch  Keichthum  Ausgezeichneter.  Die  unter  Ahuitzotl  begünstigten  Kaufleute 
wurden  durch  Montezuma  II.  unterdrückt ,  wie  er  auch  die  Gemeinen  von  den  nur  für 
Adlige  bewahrten  Aemtern  entfernte.  Die  Würde  des  Tecuhtli  (Ritter)  Vurde  im  Tempel 
des  Camaxtli  Übertragen  (nach  Durchbohrung  der  Nasenscheide).  Die  Fürsten  (wie  gesagt 
wird)  hiessen  Tlatoques  (tlatoa  oder  reden).  Die  Würde  des  Tec-Tecutzin  oder  Teutley  war 
auf  Lebenszeit  (nicht  erblich)  im  Teccalli  (Haus  des  Herrn  oder  Tecutli),  den  Landbau  beauf- 
sichtigend. Die  Calpullec  (Chinancallec  im  Plural)  vertheiltcn  im  Calpulli  (Quartier)  die 
Gemeindegüter  (s.  Zurita).  Neben  den  Pipiltzin  oder  Edlen  (Tlatopipilzin  wenn  aus 
fürstlichem  Geblüt)  fanden  sich  die  Tecquivac  oder  Vornehmen  (in  Mexico).  Der  Erb- 
prinz in  Tlascala ,  Huetzocinco  und  Chololan  erhielt  den  vorläufigen  Titel  Tecuitli  oder 
Tecle  (9.  Zurita). 


656  PRTESTERLTCHES   UNI)   STAATSWESEN. 

welcher  dann  noch  Spielraum  zu  Abstufungen  war,  unter  mannig- 
fachen Namensformen ^),  besonders  bei  den  stets  unter  ähnlich  gege- 
benen Bedingungen')  der  Eroberung  in  der  einen  oder  anderen 
Form  wiederkehrenden  Fcudalverhältnissen  und  dem  daran  Ange- 
schlossenen. Dadurch  erhielten  die  persönlichen  Beziehungen*)  ihre 
(bis  zum  Hofadel  fortgehende)  Kräftigung,  welche  durch  vielstimmiges 
Mitsprechen  in  der  Geschichte  einen  durchgehenden  Unterschied  von 
apatischen  Despotenstaaten  (und  dem  directen  Anrecht  auf  das  Land) 
markirt. 

Das  Fürstenhaus  der  Tshou  (aus  dem  Wu-wang  den  Kaiserthron 


*)  In  wichtigen  Fällen  holen  sich  die  Stämme  der  Kaffer  durch  eine  Gesandtschaft 
die  Entscheidung  des  Ukumkani,  as  the  paramount  chief  is  designated  (s.  Maclean),  und 
so  ähnlich  in  der  alten  Geschichte  Guatemala's  in  der  Gesandtschaft  an  den  (mythisch 
zurücktretenden)  Tolteken-Kaiser.  Aehnlich  warf  der  von  den  Portugiesen  als  Kaiser  be- 
zeichnete Herr  von  Congo  noch  lange  seinen  Schatten  auf  die  nördliche  Küste  (und  im 
Osten  schwankte  sein  Gegenl)ild).  Nachdem  Mohtecuzohma ,  Hoherpriester  des  Huitzi- 
lopochtli ,  den  Thron  Mexico's  bestiegen,  machte  er  sich  zum  Alleinherrscher,  indem  er 
Tezcuco  die  Gleichberechtigung  bestritt,  die  es  früher  mit  Tlacopan  besessen.  Die  Mursc 
oder  Dorfhäuptlinge  (in  Daghestan)  wählen  den  Schemkai  als  Oberherm.  Die  Stämme 
(hvi)  der  Maori  zerfallen  in  l'nterabtheilungen.  Die  verschiedenen  Dorfhäuptlinge  oder 
I  )upaUy  in  einem  Flussgebiet  (bei  den  Redjang)  wählen  als  Oberherm  die  Proattihn,  und 
über  verschiedene  Proattihn  steht  durch  Wahl  der  Pangeran  (s.  Marsden).  Die  Uluss 
(unter  den  Noyon),  in  Aimak  zerfallend,  stehen  (bei  den  Kalmükken)  unter  dem  Saissang 
(s.  Pallas).  Die  aus  Stanimesabtheilungen  (bei  den  Afghanen)  gebildete  Dschirgha  der 
('piuzchrah  (Weissbärte)  bestellt  aus  den  einzelnen  Familienhäuptcm,  die  der  .Muschir  aus 
<lcn  einzelnen  Cpinzehrah ,  die  der  Malik  aus  den  Muschir ,  die  Chans  aus  den  verschie- 
denen Muschir.  Die  Häuptlinge  der  Dörfer  stehen  (bei  den  Manganja)  unter  einem 
Rondo  oder  Runde  (s.  Livingstone).  Die  Bewohner  einer  Hauptgasse  und  der  dazu 
gerechneten  Nebengassen  nannten  sich  sämmtlich  Nachbarn  (in  Einbeck)  und  hatten 
Schaffner  genannte  Vorsteher  (s.  Harland). 

')  Das  nationale  Leben  erzeugt  in  unmittelbarer  Wechselwirkung  die  mitsprechenden 
wirthschaftlichen  und  rechtlichen  Institute,  und  beide  gehen  gemeinschaftlich  und  Hand 
in  Hand  aus  den  von  der  Natur  gegebenen  äusseren  Bedingungen,  wie  aus  dem  inneren 
geistlichen  und  sittlichen  Character  des  Volkes  hervor  (s.  W.  Arnold).  The  subjugated 
iribes  about  lake  Ngami  (Bayeye,  Makobe  etc.)  are  honest,  because  their  would  be  no 
use  in  stealing  (s.  Wood)  conmpletely  cowed  (so  enslaved,  that  they  cannot  even  con- 
ceive  the  notion  of  possessing  property,  knowing  that  their  oppressors  would  take  by 
force  any  article  ihey  happened  tu  covei). 

•)  Es  lässt  sich ,  da  Fylki  ursprünglich  eine  gewisse  Anzahl  Kriegsvolk  bedeutet, 
schliessen,  dass  die  norwegischen  Könige  ihre  Reiche  deshalb  in  Fylki  theilten,  um  leichter 
zu  bestimmen  ,  wie  viel  jede  Landschaft  Krieger  stellen  sollte  (s.  F.  Wächter).  Zu 
Fylkis  -  Konungr ,  König  eines  Fyli  oder  Gaukönig,  macht  den  Gegensatz  Thio<ih- 
Konungr"  (genti  universae  imperans).  11  ne  faul  pas  transporter  aux  VI  et  VIT  si^cles  la 
föodalite  du  XIII,  rien  de  semblable  n'exislait,  le  desordre  des  propriet^s  et  des  relations 
personnelles  ötait  infiniment  plus  grand,  ccpendant  toutes  choses  concourraient  d'une  pari 
ä  ce  que  la  proprietö  se  lixot ,  de  l'autre ,  a  ce  que  la  socii^td  des  proprietaires  sc  con- 
stituÄt  suivant  une  certaine  hi^rarchie  (s.   Ciuizot). 


RANG.  657 

bestieg)  am  obern  Wei  (in  Pin),  erhob  (während  seiner  Unabhängig- 
keit unter  der  früheren  Dynastie)  Tribut  von  den  Handelswaaren 
der  Chinesen  zu  den  Barbarenvölkern  (anfangs  als  Markgrafen). 
Das  Erbland  wurde  dann  von  Kaiser  Fing  dem  Hsiang  (zum  Schutz 
gegen  die  Ktian-djung)  zum  Lehne  gegeben  (als  Fürstenthum  Tshin) 
770  a.  d.  (worauf  ein  Theil  der  grossen  Mauer  gegen  die  Hu  erbaut 
wurde).  Die  sogenannten  Tribute  bezogen  sich  mehr  auf  den  Aus- 
tausch von  Geschenken*)  (s.  v.  Richthofen),  wobei  die  Handelsbilanz 
zu  Gunsten  des  producirenden  China  ausfallen  musste. 

Weit  verbreitet  (in  Mexico,  in  Dabeyba,  bei  Chibchas  und  Peru- 
anern) zeigte  sich  die  Sitte,  dass  die  im  Rang  Erhabenen  nicht  die 
Erde  (obwohl  rein  gefegt)  berühren  durften,  und  wie  die  polynesischen 
Häuptlinge  werden  birmanische  Fürsten  auf  dem  Rücken  2)  getragen, 
während  sich  sonst  Sänften')  finden,  bis  zum  Gebrauch  der  Wagen 
und  Reitthiere. 

Im  königlichen  Ceremoniell  *)  musste  der  zur  Audienz  bei  Mon- 
tezuma  Zugelassene  in  schlechter  (oder  einfacher)  Tracht  (ohne 
Schmuck)  erscheinen  (s.  Bemal  Diaz),  während  der  König  Mecho- 
acan's*)  in  abgerissener  Kleidung  (und  Schuhen)  seine  Aufwartung 
machte  (vielleicht  aus  Verehrung  der  Teules).  Das  Mahl  Monte- 
zuma's  wurde  hinter  einem  Schirm  abgehalten  (wie  auch  die  afrika- 


>)  Die  Geschenke  bringenden  Yiie-shong-shi  (die  nach  Süden  reisend,  Wagen  zur 
Rückkehr  erhielten  und  sich  in  Funan  oder  Lini  einschifften)  kamen  (nach  Pauthier)  aus 
Chaldaea  oder  Assyrien  (11 10  a.  d.).  Nach  Pauthier  kam  Kaiser  Mu-wang  (der  Thsou- 
Dynastie)  auf  seinem  Kriegszug  bis  Persien,  wo  Dshemshid  sich  mit  einer  Tochter  des 
Königs  Mahang  von  Matshin  vermählte. 

*)  Der  Cazike  Dulchanchelin ,  mit  gemalten  Fellen  bekleidet,  wurde  (in  Apalachien) 
Iluckeback  getragen  (zu  Narvaez'  Zeit).  Die  Könige  der  Caraiben,  die  in  die  Oubaobanum 
(der  Inseln)  und  Botouebonum  (des  Festlandes)  zerfielen,  wurde  von  den  Abouyou  ge- 
nannten Häuptlingen  auf  den  Schultern  getragen  (s.  Raymond). 

')  Als  Cacamatzin,  Fürst  Tezcuco's  vor  Cortez  (als  Abgesandter  Montezuma's)  erschien, 
wurde  bei  seinem  Verlassen  der  Sänfte  der  Boden  rein  gefegt. 

*)  Vor  einer  Audienz  bei  Montezuma  umhüllten  sich  die  Vornehmen  mit  einem 
groben  Gewand  (s.  Motolinia).  Bei  der  .Begrüssung  (in  Chicora)  ,,ponen  las  manos  en  las 
narices ,  chiflan  y  pasanlas  por  la  frente  al  colodrillo" ,  (während  der  König  über  die 
linke  Schulter  blickt).  Dem  Fürsten  Budomal  am  Senegal  durfte  man  sich  nicht  anders 
nähern,  quam  nudo  corpore,  verendis  tantum  corio  tectis,  humi  reptans,  ac  harena  asper- 
sus  totus  (s.  Cadamosto). 

*)  Da  sein  Name  (Cazontli)  der  Beschuhte  bedeutet,  so  mag  er  vor  den  Höflingen 
des  mexicanischen  Hofes  wegen  seiner  (in  ihren  Augen)  arroganten  Prätensionen  vor  dem 
Herrscher  mit  Schuhen  zu  erscheinen  gegeben  sein,  wobei  dann  durch  den  Zusatz  der 
Zerrissenheit  für  die  Schuhe  die  Wahrung  gleichberechtigter  Würde,  die  in  dem  Acte  selbst 
lag,  verwischt  werden  sollte.  Die  einfache  Kleidung,  die  den  Spaniern  auffiel,  deutet 
auf  die  mönchische  Lebensart  des  Hofes  in  Mechoacan  (nach  buddhistischen  Vorbildern), 

Bastian:  America.  I.  ^ 


658  PRIESTERLICHES  UND   STAATSWESEN. 

nischen  Königlein  sich  beim  Essen  und  Trinken  bedecken  lassen),  und 
nach  demselben  wurde  aus  Giesskannen  (Xicales)  Wasser  über 
die  Hände  gegossen.  Die  zur  Belustigung*)  dienenden  Buckligen 
wurden  (nach  Motolinia)  in  der  Kindheit  zu  solchen  gemacht  und 
dienten  als  Eunuchen. 

Bei  Krankheit  des  Königs,  als  nationaler  Calamität,  wurden  den 
Göttern  Tezcatlipuca  und  Huitzilopochtli  Masken  vorgelegt  (s.  Go- 
mara).  Oft  tritt  jene  Körperfülle*)  hervor,  die  auf  den  polynesischen 
Inseln  die  Atua  den  (buddhistischen)  Göttern  annähert,  in  Mexico 
sowohl  wie  bei  den  Chibchas. 

Der  Wille  des  Königs,  durch  sein  Siegel*)  kundgegeben,  galt 
fiir  absolut^)  und  ebenso,  wie  bei  den  Häuptlingen  Polynesiens,  das 
Eigenthumsrecht^),  das  sich  indess  in  weiterer  Ausdehnung  meist 
nur  (wie  in  Africa)  fiir  die  Frauen^)  geltend  machte,  und  ausserdem 
vielleicht  fiir  einzelne  Privilegien^),  so  fiir  das  Material  der  Feder- 
kleider (wie  auf  Hawaii). 

In  den  Institutionen  der  Gesellschaft  erkennen  sich  aus  den  durch 
die  sociale  Natur  der  Menschen*)  bestimmten  F'actoren  unter  local 
bedingten  Einwirkungen  die  gesetzlich  nothwendigen  Resultate,  welche 
überall  in  ähnlichen  Formwandlungen  spielen  und  in  den  zur  Ge- 
winnung von  Gleichungen  unter  festen  Normen  verschiebbaren  Diffe- 
renzen den  ersten  Ansatz  zur  Total-Berechnung  gewähren  werden. 

Was  wir  bei  den  Culturvölkern  der  sog.  Weltgeschichte  in  seiner 


*)  Im  Vogelhaus  (Montezuma's)  fanden  sich  hombres  y  mugeres  todos  blancos,  cueqjo 
e  cabello  e  cejas  (s.  Tapia). 

')  Der  Cazike  von  Sempoalla  erwartete  Cortcz  wegen  seiner  *  Corpulenz  in  der 
Ortschaft. 

■)  Montezuma  trug  eine  kleine  Steinfigur  an  seinem  Ann  als  Siegel ,  das  er  den 
Boten  zur  Ausführung  seiner  Befehle  mitgab  (bei  Qualpopoca's  Verhaftung).  Das  von 
Montezuma  persönlich  an  Cortez  überbrachte  Geschenk  bestand  in  zwei  Hummer- Hals- 
bändern aus  rothen  Muschelschalen,  die  sehr  hoch  gehalten  wurden  (s.  Koppe).  Die 
Fürsten  von  Nicaragua  waren  von  Vasallen  (galpones)  bedient. 

*)  Montezuma  befahl  einen  Habicht,  der  ihm  seines  Gefieders  wegen  gefallen  hatte, 
zu  fangen,  und  erhielt  ihn  denselben  Abend.  Ohne  Atahualpa's  Willen  würden  in  Peni 
nicht  die  Vögel  die  Luft  durchfliegen  (hörten  die  Spanier). 

')  Angas  forderte  den  neuseeländischen  Häuptling  umsonst  auf,  während  des  Regens 
in  ein  Haus  zu  treten,  da  dies  dadurch  sein  Eigenthum  geworden  sein  würde. 

*)  Powhattan  vertheilte  von  seinen  Frauen  unter  die  Häuptlinge  oder  Weroance 
(in  Virginien),  wie  in  Dahomey  geschieht. 

^)  Die  blauschwarzen  Vögel  am  See  von  Vilcanota  wurden  fiir  den  Inca  gefangen 
(s.  Skinner).  Nach  Herrera  mussten  die  zu  Federkleidem  benutzten  Vögel  in  Vera-Paz 
dem  Könige  Mexico's  abgeliefert  werden. 

*)  (tyS-qtanog  qvoH  7f oltnxoy  Cwoy  (s,  Aristoteles). 


WILDE.  659 

höchsten  Entwicklungsblüthe  erblicken,  in  einer  immer  noch  auf- 
steigenden und  zugleich  unsere  eigene  Nationalität  absorbirenden 
Spirale,  das  bietet  sich  bei  ethnologischem  Ueberblicke  in  hundert- 
und  tausendfachen  Kreisungen,  die  gerade  wegen  ihres  kürzern,  und 
oft  bereits  vollendeten,  Laufes  desto  geeignetere  Beobachtungs- 
objecte  für  die  Vergleichung  abgeben,  und  bei  ihrer  Durchsichtig- 
keit um  so  leichter  die  Anknüpfung  des  Fadens  erlauben  werden,  der 
bei  der  Einheit  des  Wachsthumsgesetzes  dann  auch  in  den  Laby- 
rinthen höherer  Complicationen  zum  leitenden  dienen  mag. 

Die  Geschichte  (der  culturlosen  Menschenmassen  am  Marafton) 
„ist  ein  immer  wiederkehrender  Metasqhematismus,  ein  Umguss  des- 
selben Menschenstoffes*)  in  neuen  Formen,  denen  ähnlich,  welche 
schon  oft  dagewesen",  bemerkt  von  Martius,  und  in  der  geschicht- 
lichen Bewegung  war  dann  die  Bahn  fortschreitender  Entwicklung 
betreten. 

In  den  classischen  Naturvölkern  haben  wir  prächtig  angeschossene 
Kristalle  hoher  Entwicklung  vor  uns,  die  in  ihren  Winkelrichtungen 
und  Achsenneigungen  genau  zu  messen,  auf  ihr  Brechungsvermögen, 
dem  Verhalten  zum  Magnetismus  oder  Electricität  zu  prüfen,  und 
dann  als  Musterstücke  in  der  Geschichtssammlung  aufzustellen  sind.  In 
den  Naturvölkern  dagegen  gährt  die  Mutterlauge  eines  werdenden 
Processes  der  Menschengesellschaft  im  statu  nascenti,  und  die  ethno- 
logische Beobachtung,  die  noch  nicht  den  Ablauf  zu  übersehen  ver- 
mag, hat  sich  bis  soweit  nur  beobachtend  zu  verhalten,  jede  einzelne 
Erscheinung,  die  Bewegungen  in  der  Flüssigkeit,  die  Farbenänderun- 
gen, ein  Lichtauf bHtzen ,  streifiges  Zusammenschiessen  u.  s.  w.  zu 
notiren  und  in  den  Aufzeichnungen  für  fernere  Vergleichungen  und 
Ueberlegungen  zu  bewahren, 
i    1^  Der  in  der  Natur  gegebene  Kern  des  socialen*)  Verbandes,  der 


>)  Wie  bei  den  Canoeiros  auf  dem  Tocantin,  wiederholte  es  sich  bei  den  Küsten- 
Indiiuiern  (Brasilien' s],  dass  ,,eine  aus  den  verschiedenartigsten  Horden  und  Stämmen  zu- 
sammenfliesseude  Menschenmasse  als  eine  genetisch  zusammengehörende  Gemeinschaft, 
als  ein  Stamm  oder  ein  Volk  betrachtet  wurde,  weil  sie  in  ihrer  Lebensweise  überein- 
stimmte (s.  Martius).  Cuanto  menos  numerosas  son  las  tribus,  tanto  mas  tienden  los 
matrimonios  entre  las  familias,  repetidos  por  muchos  siglos,  a  fijar  cierta  igualdad  de 
conformacion  y  un  cierto  prototipo  organico,  que  puede  Ilamarse  nacional,  asi  es  que  para 
designar  los  individuos  que  pertenecen  a  una  misma  tribu,  emplean  las  palabras  ,,mis 
parientes"  (s.  Codazzi)  bei  den  Indios  del  Caqueta  (in  Colombien). 

*)  Der  älteste  Staat  ist  die  Familie.  Von  ihr  geht  alle  menschliche  Ordnung  aus. 
Wie  sie  die  engste  Opfergemeinschaft  und  bei  den  christlichen  Völkern  selbst  Kirche  im 
Kleinen  ist,  wie  sie  die  Quelle  der  Arbeitsthcilung  und  wirthschaftlichen  Ordnung  ist,   so 

42* 


660  PRIESTERLICHES  UND  STAATSWESEN. 

sich  vom  Stamm  zum  Staat  entwickelt,  liegt  in  der  Familie*),  die 
(in  Hellas)  auch  nach  der  Verzweigung  in  zeitliche  Ausläufer  mit 
dem  directen  Stammbaum  der  Ascendenz  und  Descendenz  durch 
Einigung  der  ardgeg  oder  Familienoberhäupter  beim  Fest  der 
Amphidromie  verknüpft  blieb,  und  dann,  unter  Zusammenfassung 
verschiedener  ncevQtai,  in  der  —  mit  dem  Zutritt  nicht  verwandter 
yew^at  zu  den  fSvyYSViXg  (oder  Sgyeävsg  zu  den  öfwydlaxreg)  vollzoge- 
nen —  Erweiterung  zum  ycvog  in  die  (fqcnqia  {(CfQotqai  oder  ^fitqai) 
eintrat,  eine  Unterabtheilung  der  Phyle*)  (die  bei  der  politischen 
Fortbildung')  zum  Demos  ihren  ursprünglichen  Character  verlor,  wie 
die  gens  in  Beziehung  zu  Tribus  und  Curia),  und  die  nctt^)a  Ugd 
nahmen  so  ihre  Ausdehnung  zum  Cult  des  Eponymen  (in  dem  q^^atQtop) 
der  (wenn  er  die  ganze  Phyle  betraf),  zum  Unterhalt  der  Capelle 
einen  Landbezirk  (tefjbivii)  angewiesen,  und  seinen  Priester  bestellt 
erhielt. 

Während  nun  im  Geschlecht*)  noch  das  Väterliche,  in  der  Phratrie^) 


enthält  sie  in  ihrem  Schooss  zugleich  Recht  und  Staat  in  ungetrennter  Einheit  beisammen 
(s.  W.  Arnold).  Das  Einwirken  der  Menschen  auf  einander,  soweit  es  Gegenstand  des 
Rechts  ist,  überzieht  alle  Menschen  gewissermassen  mit  einem  Netz  von  Beziehungen, 
dessen  unzählige  Fäden  von  Person  zu  Person  laufen  und  dieselben  zu  einem  Ganzen, 
zur  allgemeinen  menschlichen  Gesellschaft  verbinden  (s.  P.  Müller).  Die  Völker  mögen 
sich  sonst,  selbst  auf  wirthschaftlichem  Gebiete  des  Besitzes  und  der  Arbeit  unterscheiden, 
wie  sie  wollen ,  für  ihre  eigentliche  wirthschaftliche  Kraft  und  Entwicklung  bleibt  zuletzt 
doch  nur  das  Eine  maassgebend,  ob  und  in  wie  weit  sie  fähig  und  kräftig  genug  sind, 
individuell  den  harten  Kampf  aufzunehmen,  aus  dem  durch  Fleiss  und  Sparsamkeit  einzig 
und  allein  das  individuelle  Capital  hervorgehen  kann  (s.  L.  v.  Stein). 

*)  Die  römische  Familie  (von  famulus)  begriff  die  Kinder,  als  Sclaven  des  Hauptes, 
und  der  emancipirte  Sohn,  der  aus  der  Dienstbarkeit  ausgetreten  war,  verlor  deshalb  sein 
Erbrecht,  wie  auch  die  Cognati  (quasi  una  communiter  nati)  als  solche  noch  keine  Be- 
rechtigung xur  Familie  besassen.  Nach  dem  Recht  des  Stärkeren  herrscht  in  der  brasili- 
schen Horde  der  Vater,  wie  über  seine  Frauen,  auch  über  seinen  Sohn,  bis  dieser  auf- 
gewachsen, und  jetzt  an  Kraft  dem  Greise  überlegen,  die  Herrschaft  an  sich  reisst. 

')  Die  Rhodier  (des  Tlepolemos)  wohnten  dreigetheilt  nach  Phylen  {xicm<pvlad6y)t 
in  Lindos ,  Jalysos  und  Kameiros.  Die  y§yt9toi  (als  alt-attische  ipvXio)  wurden  von  den 
uUoytH  (yi^oyug)  onXSjrH,  i^ayadus  und  aiyucoQttg  gebildet. 

•)  Die  zu  gleichem  Frieden 'oder  Familie  (Hausfrieden)  Gehörigen  heissen  (bei  den 
Angelsachsen)  Geggyldan,  als  gleichen  Cult's  (s.  Koutorga).  Dans  le  Bigorre,  les  habi- 
tants  jouissant  des  droits  municipaux  s'appelaient  les  voisins,  leur  r^union  formait  la  com- 
raunaute,  la  Veziau  (s.  Babeau). 

*)  Die  Geschichte  des  Verfassungsrechts  lässt  sich  in  die  Entwicklungsperioden 
der  friedens  -  genossenschaftlichen  und  der  staatlichen  Periode  eintheilen.  ,|Die  erste 
zerflült  häufig  wieder  in  eine  geschlechts  -  genossenschaftliche  und  eine  gaugenossen- 
schaftliche, bisweilen  geht  die  geschlechts-genossenschaftliche  Organisation  direct  in  die 
staatliche  über.  Die  Friedensgenosseuschaften  sind  kleine  Trutz-  und  Schutzgenossen- 
schaften,   in    welchen    die  Mitglieder    sich   gegenseitig  lieben  und  Gut  verbürgen.     Alles 


KASTEN.  661 

das  im  weiteren  Sinne  Verbrüderte  hervortrat,  fängt  bei  der  Phyle*) 
die  Rücksichtnahme  auf  die  Familie  an,  verloren  zu  gehen,  und  in- 
dem sie,  wie  es  heisst,  nach  den  ß^ot  (Lebensberufen)  genannt  sei, 
fanden  sich  demgemäss  auch  die  Erklärungen:  der  yeXeopvfg  (bei 
Plutarch)  als  ysoagyoij  der  Hopletes  als  Krieger,  der  Aegikoreis  als 
Ziegenhirten  und  der  Argadeis  als  Arbeiter. 

Neben  diesen  (nach  der  Tradition)  durch  Ion*),  Sohn  des  Xuthus 
(Sohn  des  Erechtheus)  eingeführten  Kasten')  zerfielen  sie  nun  aber  (bei 
Theseus'  Einrichtung  des  Gerichtshofes  im  Prytaneum)  in  drei  Sdv/j, 
nämlich  die  ednatQ^dai  (mit  (fvXoßaCtXshg),  ycatftOQOt  und  d^fAtovgyotj  und 


Recht  liegt  hier  in  dem  gegenseitig  gewährleisteten  Frieden ,  wer  nicht  in  diesen  einge- 
schlossen ist,  ist  gänzlich  schutzlos  und  kann  von  Jedem  erschlagen  werden.  Der  Unfreie, 
Fremde  und  Geächtete  stehen  in  dieser  Beziehung  auf  einer  Stufe.  Die  geschlechts-genossen- 
Schaft  liehe  Organisation  beruht  auf  der  Geroeinsamkeit  des  Blutes,  die  gau-genossen- 
schaftliche  auf  dem  gemeinsamen  Bewohnen  eines  Bezirkes"  (s.  Post).  Bei  den  Guaycurus 
,, sieht  man  jeden  Familienvater  als  die  Hauptperson  an,  und  so  unabhängig  auch  ihre 
Autorität  ist,  so  bedienen  sie  sich  doch  derselben  mit  Mässigung;  die  Nothwendigkeit, 
sich  bei  häuslichen  Arbeiten  einander  beizustehen,  macht  sie  gegen  ihre  Untergebenen 
nicht  hochmüthig,  sie  betragen  sich  aber  mit  Ernst,  wie  Krieger"  (s.  Prado).  Beim  Aus- 
zug in  den  Krieg  wird  (wenn  im  Alter,  um  die  Waffen  zu  (Uhren)  der  jüngste  der  Häupt- 
linge gewählt,  von  den  altem,  als  Rathgeber  begleitet  (und  verlangend,  dass  jeder  seiner 
Mutter  oder  Pflegemutter  huldige  [Africa]).  In  Schweden  fanden  sich  neben  der  Kirche 
Waffenhäuser  (Vaabenhuss),  wo  die  Waffen  während  des  Gottesdienstes  niedergelegt 
werden  (wie  solche  bei  den  Suionen  erwähnt  werden). 

^)  VQ^f^Q  (Theilnehmer  an  einer  ff^cev^ta  unter  den  (f^atq^ok  ^«o»)i  Sanskrt.  bhWltd, 
Lat.  frater,  Goth.  bröthar,  ,,von  W.  t^tq  im  Sinne  von  sustentare,  nutrire,  woher  skrt. 
bhar-tr.,  maritus"  (s.  Curtius).  Seit  den  Reformen  des  Klisthenes  blieben  die  Phratricn  als 
kirchliche  Corporationen  fortbestehend,  um  die  ehelich  gebomen  Bttrgerkinder  einzutragen 
(s.  Schömann). 

*)  Neben  den  Phratrien  fanden  sich  in  der  Phyle  die  tqtnvH  zusammen  mit  den 
Naokrarien. 

•)  Jon  theilte  in  vier  Phylen,  thu  tig  riüftaqag  (s.  Strabo). 

')  Die  Osagen  theilen  sich  in  die  Krieger  und  Jäger,  sowie  in  Zauberärzte  und 
Köche,  die  zugleich  als  Herolde  agiren  (s.  Pike).  In  der  Hauptsache  war  Jeder  activ, 
als  Jäger  oder  Krieger  (ausser  dem  dämonisch  berufenen  Priester) ,  und  auch  die  Köche 
bildeten  einen  wichtigen  Stand,  wie  unter  den  Suthnautar  oder  Siedgenossen  in  Gothland, 
bei  der  Einigimg  des  Stammes  durch  gemeinsame  Mahlzeit  wie  in  Sparta.  Wie  in  Sparta 
die  Beschäftigung  der  Herolde,  Flötenspieler,  Köche  eine  erbliche  war,  so  vererbten  sich 
die  medicinischen  Kenntnisse  in  den  Familien  auf  Knidos,  Epidauros,  Lebedos  und  Kos,  oder 
die  Kunstfertigkeit,  der  Plastik  in  dem  Geschlecht  der  Dädaliden  Athens  (s.  Büchsenschütz). 
Neben  den  Adligen  oder  Achimensey  wurden  unter  dem  Volk  (auf  Tenerif )  die  Cilhici- 
quico  (oder  Landleute)  und  Achicamay  (oder  Diener)  unterschieden  (s.  Glas).  Mariner 
unterscheidet  (auf  Tonga)  die  den  Matabooles,  Mooas  und  Tovas  eigenthümlichen  Be- 
schäftigungen. Bei  den  Guaycurus  werden  drei  Stände  unterschieden,  die  Abkömmlinge 
früherer  Häuptlinge ,  die  Krieger  mit  ihren  Familien  und  die  Sclaven  sowie  deren  Nach- 
kommen. In  Indien  gehören  der  Kasten  Vorschriften  wegen  die  Köche  meist  den  Brah- 
manen  an. 


662  PRIESTERLICHES  UND  STAATSWESEN. 

indem  im  Fortschritt  der  Gesittung  die  Hirten  zu  Ackerbauern,  die 
Tagelöhner  zu  Handwerkern  geworden  sein  könnten,  hätten  dann 
die  Eupatriden^)  neben  den  Hopliten  auch  die  Geleontes  einzube- 
greifen,  also  in  solchem  Falle  wohl  die  Gerontes,  jene  Rathsver- 
sammlung  oder  ßovXfj  bildend,  in  welcher  neben  den  als  d$otQ€q>€€g 
oder  d^oyevteg  verehrten  Königen*)  die  Adelshäupter  als  ßaa^X^eq  ihren 
Sitz  nahmen. 

Als  in  Hellas  diese  Gottesgeschlechter,  ebenso  wie  in  Mexico 
die  der  alten  Teotl,  vor  dem  Sonnenlicht  der  Geschichte  verschwun- 
den waren,  dann  wurde  der  Rath  (ßovXfj)  des  (noch  immer  mit  den 
Opferbräuchen  betrauten)  Basileus  (zu  welchem  Priesterkönig  der 
auch  in  Africa  die  Elemente  beherrschende  oder  die  Welt  erhaltende 
Königsgott  herabgemildert  war)  von  den  dqxovteg  rov  yeyovg  (den 
(fgatQtdgxoi^  und  (pvXoßatStXeXg)  gebildet,  und  diese  gehörten  den 
(adligen)  Eupatriden')  an,  welchen  das  Volk  gegenüberstand  in  seinen 
Abtheilungen,  als  Geomoren  oder  Epigeomoren  (Landbesitzer)  und 
Demiurgen  ^Handarbeiter). 

Es  würde  also  erst  später,  in  dem  angedeuteten  Zeitraum,  aus 
politisch  ersichtlichen  Ursachen,  in  den  —  die  durch  das  Fest  der 
Apaturien*)  (oder  ifwnaTOQ^a^))  verbundenen  Phratrien  (ipit  frater 
etymologisch  verknüpft)  zusammenfassenden  —  Phylen  solch'  aristo- 
cratische  Scheidung  eingetreten  sein,  und  dies  wird  zusammengefallen 
sein    mit    der  Beseitigung  des,    trotz    seiner  Fütterung^)    durch    die 


*)  Als  Boni  homines  oder  Rachimburgi  (Reichbürger  oder  Honoratioren). 

^)  ^x  diog  ßaatk^fg,  während  sich  beim  germanischen  König  (Konung)  der  Anschluss 
an  das  Geschlecht  (Kun)  findet,  und  ähnlich  (indisch)  vigpati  (vici  paier). 

3)  Neben  den  Guten  Joloff  (dem  Adel)  unterscheiden  sich  die  Kasten  der  Tug 
(Schmiede),  Oudae  (Gerber),  Moul  (Fischer),  Gaewell  (Barden).  Die  Weberkaste  ist  ver- 
achtet. In  Bambara  bilden  die  Kourbaris  (Manassis  königlichen  Geblüts,  als  Dorfhäupt- 
linge), Diavaras  (das  Herrschergeschlecht  von  Sego)  und  Kargoros  (ein  Zweig  der  Scrra- 
kolet)  eine  Rathsversammlung,  dem  König  (mit  einem  geheimen  Rath  von  Kriegsfiihrem) 
gegenüber.  Das  Volk  besteht  aus  Schmieden  (unter  eigener  Gerichtsbarkeit),  I^der- 
arbeitern  und  Griots.  Die  Kasten  der  Weber  und  Serrakolet's  (Handelsleute)  sind  nicht 
geschlossen.  Neben  den  Diavandus  (königlichen  Rathgebem)  zerfallen  die  Fulah  in  die 
Kasten  der  Torodos  (Schreiber),  Bailos  (Schmiede),  Tiapatos  (Jäger),  Koliabes  (Krieger) 
und  Tivubalus  (Fischer). 

*)  Melanthus  (Vater  des  Codrus),  der  bei  Besiegung  des  Xanthos  (statt  König  Thy- 
motes)  das  Fest  der  Apaturien  einführte,  stammte  von  Perich ymenus ,  Bruder  des  Nestor 
(Sohn  des  Neleus). 

*)  Bei  dem  Jahresfeste  der  Apaturien  (der  Minerva  Apaturia  in  Trözen)  träten  alle 
nargat  oder  alle  (pQOTQat  mit  ihren  <f>QdioQtg  («  oder  a/n/utt)  zusammen. 

«)  Solch  göttliche  Fütterung  wird  in  den  Mythen  der  Quiche's  ebenso  materiell  aus- 
gemalt, wie  das  Kauen  der  Götltr  im  mexicanischen  Sacrament.     Mardouk  (delivrant  Sin 


KÖNIGE.  663 

Götter,  nur  schattenhaften  Merovingers^)  (im  Griechengewande)  durch 
die  mit  karolingischer  Energie  begabten  ßaffiX^eg. 


des  attaques  d'un  des  mauvais  esprits,  qui  cherchent  k  etouffer  son  ^clat)  ist  dargestellt 
,,pret  k  decocher  une  fleche,  qui  frappera  le  demon"  auf  dem  assyrischen  Cylinder  (le 
Dieu  lune  delivrö  de  l'attaque  des  mauvais  esprits),  wie  auch  in  America  bei  Finster- 
nissen gegen  die  Feinde  des  Mondes  Pfeile  abgeschossen  werden.  Im  Schwarzwald  wird 
beim  Gewitter  mit  Steinen  gekegelt  und  fallt  ein  solcher  Stein  durch  ein  Loch,  so  dringt 
er  (als  Donnerkeil)  tief  in  die  Erde  ein,  aber  nach  7  Jahren,  7  Tagen  und  7  Stunden 
steigt  er  wieder  in  die  Höhe,  so  dass  er  von  einem  Hahne  ausgescharrt  werden  kann 
(s.  Busch).  Um  Nachricht  über  die  Absichten  der  Feinde  zu  erhalten ,  wird  der , Geist 
eines  derselben  durch  den  Paje  citirt,  der  dann  von  hinter  einem  Busch  hervor  dem  Be- 
fragenden Antwort  ertheilt  (in  Brasilien).  Bei  Arabern  und  Türken  (sowie  bei  Italicnern) 
dient  der  Halbmond  als  Amulet  gegen  Bezauberung  (bösen  Blick  und  Beschreien).  Zum 
Schutz  gegen  das  Ajin  rak  (neidische  Auge)  dient  in  Palästina  die  Aufmalung  einer  ge- 
spreizten Hand  (Chamsa  oder  fünf).  Bei  den  Türken  dient  ,,eine  Abbildung  des  mystischen 
Thieres  Ahaua,  ein  Sphinx  mit  Kopf  und  Brust  eines  Weibes  und  der  Körper  eines 
I^wen,  zur  Abwendung  des  bösen  Blickes"  (s.  Busch).  Die  durch  den  Blick  tödtenden 
Frauen  der  Thybier  sanken  im  Wasser  nicht  unter.  Lenormant  führt  die  Tempel  der 
Sphinx  auf  die  Heroenzeit  der  Hor-schesu  (Diener  des  Horus)  zurück,  ehe  Menes  aus 
Thinis  die  vier  Stämme  Misraim's  in  Memphis  vereinte.  In  Aegypten  ist  (nach  Light) 
Staubaufwirbeln  ein  Zeichen  der  Herausforderung  (wie  zu  David's  Zeitj,  und  so  fand  es 
Mitchell  unter  den  Eingebornen  am  Mount  Murchison  (in  Australien).  Nach  Fonseca 
Pinto  dehnen  die  Uerequenas  (am  Ic^ana  und  I^a)  die  Ohren  so  aus,  dass  sie  sich  oft 
auf  die  Schultern  legen  (s.  Eschwege).  Um  ,,aus  den  Weibern  Weissagerinnen  zu  machen" 
(s.  Hans  Staden)  Hessen  die  Paygi  der  Tuppin-Jubas  eine  beräucherte  Frau  kreischend 
umherlaufen,  bis  ,,sic  müde  werde,  dass  sie  auff  die  erde  falle,  gleich  als  ob  sie  todt 
wäre"  (um  dann  wieder  belebt  zu  werden).  Die  Tuppin-Inbas  ,, glauben  an  ein  Ding, 
das  wachst  wie  ein  Kürbs,  ist  so  gross  wie  ein  halb  mass  düppen.  Ist  inwendig  hoel, 
stecken  ein  Stecklin  dadurch,  schneiden  ein  löchlin  dar  ein,  wie  ein  mundt,  und  thun 
kleine  steinlein  darein,  dass  es  rasselt.  Rasseln  darmit,  wenn  sie  singen  und  tantzen, 
und  heissen  es  Tammaraka"  (s.  Hans  Staden).  Die  Tupinambas  (s.  Dias)  zerfielen  in 
Parana-enguarcs  (habitantes  das  praias)  und  Ybiapab-enguares  (habitantes  das  montanhas). 
,,Den  Aderlass  verrichteten  sie  mit  einem  kleinen  Bogen  und  Pfeil,  welcher  letzterer  eine 
sehr  feine  Spitze  von  scharfem  Bergcrystall  oder  ein  Stückchen  Glas  hat",  "bemerkt 
Eschwege  von  den  Coroatos,  indem  er  zufügt:  ,,Die  Wunde,  die  der  Pfeil  verursacht, 
ist  sehr  klein ,  und  da  er  nicht  tiefer  eindringt ,  als  das  Stückchen  Glas  oder  Crystal  aus 
einer  Wachsumgebung  hervorsteht,  so  läuft  man  gar  keine  Gefahr,  weder  die  Arterie  zu 
zerschneiden,  noch  durchzustechen."  Von  den  Australischen  Gräbern  (am  Darling)  each 
stood  on  the  centre  of  an  artificial  hollow,  the  mound  or  tomb  in  the  middle  being 
about  five  feet  high ,  and  on  each  of  shem  were  piled  numerous  withered  branchcs  and 
limbs  of  trees  (s.  Mitchell).  Die  Gräber  waren  selbst  templa  wegen  ihrer  Absondrung 
von  profanem  Gebiet,  wegen  ihres  oft  auspicialiter  abgesteckten  Raumes  (s.  Abeken).  Tem- 
plum  et  sepulcrum  dici  potest  veterum  auctoritate  (Non.  Marc). 

^  In  den  Merovingem  hatte  sich  das  aus  der  Führung  der  Gefolgschaft  erwachsene 
Königthum  wieder  religiös  gefärbt,  und  auch  die  Ochsenbespannung  (wie  Koutorga  meint) 
se  rattachait  a  une  id^e  religieuse  (s.  Chopin).  Die  Nukahiver  suchten  im  Westen  das 
traditionelle  Land  Utupu ,  von  wo  der  Gott  Tao  zuerst  die  Cocosnuss  eingeführt  hatte 
(s.  Rienzi).  Die  Guaycurus  feiern  die  Erscheinung  des  Siebengestims  als  Vorbote  der 
Jahreszeit,  wann  die  Bacayuvas  genannte  Cocosart  reift  (nach  Prado). 


664  PRIESTERLICIIES  UND  STAATSWESEN. 

Den  nationalen  Abschluss  erhielten  die  Hellenen  mit  der  Stiftung*) 
der  Amphictyonie  {(fvvsdQtov  icHy  EXlijvmf)  durch  Hellen's  Bruder 
Amphictyon,  ix  dcidexa  iO^vw  tijg  ^EkXddog  (sonst  auch  ii  oder  lO*)), 
und  jeder  der  an  diesem  (nicht  aus  Staaten,  sondern  aus  Stämmen 
bestehenden)  Bunde  theilnehmenden  Stämme  3)  sandte  zwei  Stimm- 
träger oder  Hieromnemonen,  die  mit  den  Pylagoren  und  Synedren 
(sowie  den  Agoratros)  beriethen,  während  bei  der  Ecclesia  oder 
Volksversammlung*)  auch  die  Theoren  zugezogen  wurden. 

Wie  bei  der  Bundesversammlung*)  der  Irokesen  waren  auch  in 
der  griechischen  die  religiösen  Ceremonien  (der  Pylagoren)  mit 
Ackerbaufesten  (im  Cult  der  Demeter)  verknüpft,  und  die  Hiawatha 
feiernden  Mythen  berühren  sich  vielfach  mit  denen  des  Triptolemus. 

Aehnliche  Feste  lagen  in  Rom  den  fratres  arvales  auf,  deren 
Traditionen  gewissermassen  auf  vor -römische  Zeiten  zurückführten, 
da  die  Gründer^)  der  Stadt  als  erst  nachträglich  in  das  Colleg  auf- 
genommen dargestellt  und  dann  älteren  Mythenfiguren  angenähert 
wurden. 

Die  Pontifices  (im  Cult  der  Acca  Larentia)  opferten  in  der  Casa 
Romuli  (am  Heerd  des  ersten  Königs),  den  pater  indiges  verehrend, 
(der  dann  mit  Aeneas  identificirt  wurde). 

Die  im  Laufe  der  Geschichte  aus  der  Fremde  absorbirten  Ele- 
mente wurden  von  dem  zur  Hegemonie  berufenen  Volke  unter  dem 


1)  Akrisios,  König  von  Argos,  gründete  die  Amphictyonie  (s.  Strabo),  sonst  der 
mythisdie  Eponym. 

*)  Beim  Wechsel  der  Stammzahl  (durch  Ausschluss  der  Aufnahme)  wurde  doch  stets 
die  Zahl  der  24  Stämme  (in  der  Amphictyonie)  festgehalten  (s.  Biirgel). 

')  Die  Thessalier  besassen  (in  der  Amphictyonie)  das  Recht  des  Vorsitzes  (Pylaea 
oder  Prostasie),  bis  dieses  durch  die  Aetoler  usurpirt  wurde. 

*)  Die  durch  Boten  (zur  Rathsversammlung  oder  Kabarrah)  eingerufenen  Vertreter 
(der  benachbarten  Stämme)  ,,together  with  ihe  leading  one  of  the  Port  Macquarrie  natives, 
form  a  Council,  by  whose  authority  wars  are  proclaimed,  boundaries  settled  and  one  tribe 
prevented  from  interfering  with  or  encroaching  upon  another"  und  während  dieser  Bc- 
rathungen  ,,all  the  blacks  of  the  respective  districts  are  on  the  most  friendly  terms,  but 
as  soon  as  it  is  concluded  they  become  extremely  shy  of  each  other,  and  soon  separate" 

(1833)- 

*)  Jeder  Stamm  hatte  in  der  Amphictyome  zwei  Stimmträger  oder  Hieromnemontn 
(durch  Loos  erwählt),  schickte  ausserdem  aber,  als  seine  Gesandte,  die  Pylagoren  (für 
jede  Pylaru) ,  als  Synedren  (Beisitzer)  und  ausserdem  die  Agoratros ,  und  bei  der  Volks- 
versammlung (Ecclesie)  wurden  noch  die  Theoren  zugezogen.  Die  Hieromncmonen  be- 
riethen gemeinsam  mit  den  Pylagoren  ihres  Stammes,  und  gaben  demgemäss  ihre  Stimmen 
ab  (s.  Bürgel). 

*)  Acca  Larentia,  die  (im  sacrificium  Deae  diae)  das  jährliche  Opfer  für  die  Frucht- 
barkeit der  Felder  l)rachte,  nahm  bei  einem  Todesfall  unter  ihre  zwölf  Söhne  den 
Pflegesohn  Romulus  in  das  CoUegium  auf  (als  Larunda,  Mutter  der  Laren). 


HORDEN.  665 

einheitlichen  Bande  gleicher  Muttersprache  assimilirt,  wenn  das  natio- 
nale Bewusstsein  erwacht  ist,  und  so  konnten  sich,  wie  bei  den  Mandan 
und  Minitörris,  verschiedene  Horden^)  oder  Banden  zusammenschliessen 
(s.  Neuwied). 

Wenn  gegenüber  dem  gynaikokrätischen  Vorwalten  der  weib- 
lichen Linie  zum  Besten  des  Staates  die  männliche  (wie  im  salischen 
Gesetz)  ihre  Bevorzugung  erhalten,  treten  aus  den  näheren  Cognaten 
die    früher    entfernteren  Agnaten  mit  besonderen  Ansprüchen  auP). 

Bei  dem  in  der  Natur  der  Sache  gegebenen  Zusammenfluss  des 
Gleichartigen,  bildeten  sich,  bei  Lockerung  der  Geschlechter  unter 
den  staatlichen  Pflichten  (bis  zur  Hingabe  der  Kinder  für  öffentliche 
Erziehung  in  Sparta),  gildenartige  Verbrüderungen  unter  der  Einheit 
derselben  Beschäftigung  (wie  ursprünglich  schon  in  den  Geschlech- 
tern'), und  auch  den  Altersclassen*)  selbst  gegeben). 

Nachdem  die  in  ihren  Traditionen  von  alten  Königen  oder 
Atotarhos  (s.  Cusic)  redenden  Irokesen  oder#Mingwe,  in  den  fünf 
Abtheilungen  oder  Palenach-end-chiesktajeet  (s.  Heckewelder)  den 
Bund  des  langen  Hauses,  Ho-de-no-sau-nee  oder  (nach  Pyrläus)  Aqua- 
noshioni  geschlossen,  wurde  durch  den  zu  den  Mohawk  gehörigen  Ge- 
setzgeber Da-gä-no-we-dä*)  das  Rathfeuer  bei  dem  centralen  Stamme 


0  Eyiguayegui  (habitantes  de  los  palmares)  oder  Guaycurus  zerfielen  (nach  Angelis) 
in  die  Guetiadegodis  (los  montaiieses) ,  Cadiguegodis  (los  del  rio  Cadigu^),  Lichagotc- 
godeguis  (los  de  la  tierra  encamada),  Apachodeguis  (los  del  avestruz),  Eyibegodeguis 
(los  del  norte  ö  Encagds),  los  escondidos,   Gotocoguegodeguis  (los  del  cafiaveral). 

*)  In  der  Sippschaft  (oder  Verwandtschaft)  werden  die  Nachkommen  als  Busen  von 
den  Verwandten  (als  Magschafi)  unterschieden.  Die  Speermagen  bilden  die  väterliche, 
die  Spillmagen  die  weibliche  Nachkommenschaft. 

*)  ITiere  is  no  division  of  labour  among  the  New-Zealanders,  but  that  existing  between 
the  sexes  (s.  Thomson).  Auf  den  Andamanen  jagen  die  Männer  Schweine,  während  die 
P'rauen  das  Feuerholz  für  das  Haus  besorgen  (s.  Owen).  In  Neu -Guinea  wird  von  den 
Männern  gefischt  und  gejagt,  von  den  Frauen  das  Land  bestellt.  Die  Männer  (im  Feuer- 
land) Speeren  Fische  und  schlagen  Holz,  die  Frauen  angeln  imd  rudern  (s.  Fitz -Roy). 
Bei  den  Mandingoes  wird  von  den  Frauen  gesponnen,  von  den  Männern  gewebt  (s.  Mungo 
Park).  Bei  den  Bechuanas  bauen  die  Frauen  die  Häuser,  während  die  Männer  die  Heerden 
besorgen  (s.  Burchell).  Bei  den  Kaffer  besorgen  die  Männer  die  Heerden,  die  Frauen 
den  Landbau  (s.  Barrow).     Bei  den  Indianern  jagen  die  Männer,    die  Frauen  pflanzen. 

*)  Lozano  unterscheidet  bei  den  Guaycurus  als  drei  Rängstufen:  die  Jünglinge,  die 
Männer  und  die  Krieger- Alten ,  indem  es  schmerzhafter  Ceremonieen  bedurfte ,  aus  einer 
Stufe  in  die  andere  Überzutreten  (und  ähnlich  bei  Krus). 

*)  Obwohl  die  Zahl  der  erblichen  Sachem  bei  den  fünf  Stämmen  der  Irokesen  ver- 
schieden war,  hatte  doch  jeder  Stamm  eine  gleiche  Stimme  im  Rath.  Der  (zum  Bär- 
stamme gehörige)  Sachem  To-do-dä-ho  (der  Onondaga)  genoss  das  höchste  Ansehen, 
während  die  beiden  Kriegshäuptlinge  aus  den  zu  ThtirhÜtern  ernannten  Seneca  (in  der 
nach  Westen  gerichteten  Oeffhung  des  langen  Hauses)  genommen  wurden  (als  Markgrafen). 


666  PRIESTERLICHES  UND   STAATSWESEN. 

m 

der  (am  Oswego-Fluss  der  mütterlichen  Erde  entsprossenen)  Onon- 
daga  angezündet,  nachdem  (s.  Morgan)  To-da-da-dä-ho ,  der  kriege- 
rische Sachem*)  aus  dem  (neben  dem  des  Reh,  ältesten)  Bären- 
Totem  dieses  Stammes  (der  Besieger  der  Cayuga  und  Seneca)  fiir 
solchen  Amphictyonen-Bund  gewonnen*)  worden  war. 

Die  Achtzahl  der  in  zwei  Reihen  zur  Ehekreuzung  gegenüber 
gestellten  Geschlechter^)  zog  sich  gleichmässig  durch  die  fünf  oder 
sechs)  Nationen  (mit  ihrer  Trennung  in  3  ältere  und  2  oder  3  jüngere 


Die  als  Da-gä-e-o-gä  (Neutrale)  bezeichneten  Mohawks  wurden  mit  Erhebung  des  Tributs 
betraut  (s.  Morgan).  Das  Ansehen  eines  Sachems  galt  in  jedem  andern  Stamme  ebenso, 
wie  in  seinem  eigenen  (bei  den  Irokesen). 

^)  Die  Würde  der  50  Sachem  oder  Ho-yar-na-go-war  (Volksbcrathcr)  unter  den  Irokesen 
(9  der  Mohawk,  9  der  Oneida,  14  der  Onondaga,  10  der  Cayuga  und  8  der  Seneca)  war  erb- 
lich (unter  Bestätigung  durch  den  Rath  der  Sachem),  und  die  angesehenste  Stellung  nahm 
To-da-dä-ho  mit  dem  Bärenwappen  (der  Onondaga)  ein,  der  (nach  Unterwerfung  der 
Cayugas  und  Senecas)  bei  Gründung  des  Bundes  (Ilodenosaunee)  durch  die  Da-gä-e-o-ga 
mit  dem  Wappen  des  Schildes  (aus  den  Mohawk)  durch  einen  Mohawk  die  Schlangen 
aus  seinem  Haar  gekämmt  hatte.  Als  Rathgeber  der  Sachem  und  für  locale  Angelegen- 
heiten wurden  die  Häuptlinge  Ha-seh-no-wä-neh  (würdeverleihender  Name)  gewählt,  und 
diese  bildeten  allmählig  (durch  wachsenden  Eintluss)  eine  Art  Adelsklasse.  All  mititary 
Operations  wcre  left  cntirely  to  private  enterprise  and  to  the  System  of  voluntary  servicc 
(wobei  der  Aufruf  meist  von  der  Classe  der  Häuptlinge  ausging) ,  und  wenn  ein  Sachem 
die  Führung  einer  Kriegsexpedition  übernehmen  wollte,  hatte  er  vorher  seine  civile  Würde 
niederzulegen.  Für  die  Beobachtung  der  Festlichkeiten  wurden  die  Ho-nun-de-unt  (Auf- 
rechthalter des  Glaubens)  ernannt  (s.  Morgan). 

')  Die  Unterscheidung  der  älteren  und  jüngeren  Stämme  verlor  später  ihre  Bedeutung, 
aber  nicht  alle  der  angeschlossenen  Stämme  wurden  (seit  dem  Zutritt  der  Tuscaroras)  in 
den  Bund  selbst  aufgenommen  sondern  nur  etwa  als  halbunteruürfige  Bundesgenossen 
betrachtet  (wie  die  Munkakees),  mit  der  Bezeichnung  als  Vettern.  Mit  Bati  wird  die 
Verbindung  der  mächtigeren  Stämme  in  Fiji  bezeichnet,  wogegen  Gali  die  untergeordneten 
betrifft  (s.  Erskine).  Auf  der  isla  de  los  Orejones  neben  den  Xarayes  (Aneses  und  Pera- 
vacanes)  vivia  cada  parcialidad  separada  en  grandes  galpones,  en  que  cada  uno  ocupaba 
el  espacio  necesario  para  vivir  debajo  de  un  mismo  techo  los  vasallos  de  cada  cacique 
(s.  Lozano).  Die  entlaufenen  Neger  von  Palmares  (bei  Pemambuko)  ,, duldeten  keine 
Priester  unter  sich  und  übertrugen  ihr  Amt  dem  Aeltesten  der  Gemeinde,  sie  nahmen 
ein  Wahlreich  an  und  übertrugen  die  Leitung  desselben  dem  Tapfersten  und  Verständig- 
sten, dem  ein  Rath  aus  mehreren  erfahrenen  Männern  beigesellt  war"  (s.  Von  Weech). 
Die  Slaven  erhoben  den  Goldschmied  Przemislaus  zu  ihrem  König  (als  Lesko).  Durant 
le  XIV  si^cle  et  la  premi^re  moiti^  XVe  on  voit  non  seulement  la  nouvelle  f^odalite  des 
princes  apanag^s  se  former  sur  les  d^bris  de  l'ancienne,  mais  aussi  l'autorit^  du  roi,  com- 
promise  par  la  guerre  ^trang^re  et  la  guerre  civile,  abandonnee  m^me  de  ses  representants, 
reculer  devant  la  puissance  seigneuriale  et  perdre  presque  tout  le  terrain  conquis 
(s.  Luchaire). 

')  Neben  dem  erblichen  (und  auch  auf  die  adoptirten  Kriegsgefangenen  übertragbaren) 
Totem  hat  jeder  Algonkin  seinen  (nach  besonderen  Ereignissen  veränderlichen)  Namen, 
und  wenn  ihm  im  Traume  ein  besonderes  Thier  enthüllt  ist,  trägt  er  dessen  Haut,  als 
Medicinsack  (wogegen  der  Totem  oft  tättowirt  ist). 


HÄUPTLING.  667 

am  Rathfeuer*))  hindurch  und  die  (nach  mütterlicher^)  Abstammung) 
einem  jeden  derselben  Angehörenden  betrachteten  sich  sämmtlich 
als  Blutsverwandte  mit  einander.  So  liefen  bei  Lockerung  der  Gentes 
unter  den  Anforderungen  des  Staatslebens  die  gleichen  Sodalitien 
durch  verschiedene')  derselben. 

Die  (unter  bestätigender  Wahl  der  Gemeinde,  in  der  Familie 
mütterlicherseits*)  erbliche)  Würde  der  in  verschiedener  (aber  seit 
der  Einrichtung  fixirter)  Zahl  (innerhalb  der  Totalsumme  von  50) 
die  einzelnen  Nationen  repräsentirenden  Sachem  (Ho-yar-na-yo-war 
oder  Volksberather)  oder  Sogimo  (deren  persönliche  Verdienste  die 
Ha-seh-no-wä-neh*)  an  die  Seite  setzen  mochten),  vertheilten  sich  für 
diese  Nationen  wieder  auf  bestimmte  unter  den  (vollzählig  in  jeder 
derselben  vorhandenen)  Totem  Stämme®),  während  für  Beobachtung 


*)  Am  Rathfeuer  der  Irokesen  standen  auf  der  einen  Seite  die  (als  Brüder  unter 
sich  betrachteten)  Stämme  der  Mohawks,  Onondogas  und  Senecas,  als  Väter  zu  den  als 
ihre  Kinder  betrachteten  Stämme  der  Oneidas  und  Cayugas  (später  mit  den  Tuscaroras), 
die  unter  sich  als  Brüder  betrachtet  wurden.  Die  Delawaren  wurden  von  den  übrigen 
Algonkin  als  Grossväter  bezeichnet.  Die  von  Tarquinius  Priscus  unter  die  Geschlechter 
(der  patricischen  Gentes)  aufgenommenen  Familien  der  Plebeyer  standen  als  minores 
gentes  den  früheren,  als  majores  gentes,   gegenüber. 

')  The  mother  gives  caste  to  the  children  so  that  as  the  fathers  die  off,  the  caste 
of  the  country  constantly  changes  (hei  den  Takullies  mit  den  Chitcheah ,  Tengratsey  und 
Natsahi).  As  the  father  is  never  of  the  same  caste  as  the  son,  who  receives  caste  from 
his  mother,  there  can  never  be  intertribal  war  without  ranging  fathers  and  sons  against 
each  ather  (s.  H.  Bancroft).  Nobility  was  calculated  by  the  female  line  (s.  Pinkerton) 
unter  den  Picten  (Schottland's).  Bei  den  Lokrem  bewahrte  sich  der  Adel  in  der  weib- 
lichen Linie  (nach  Polybius)*.  Nach  dem  Gesetze  Hoel's  (in  der  Bretagne)  Principatus 
familiae  (Pencenhedlaeth)  matemo  jure  non  obtinetur  (wieder  erblich  gemacht).  Die 
Spruren  des  von  Bachofen  für  demetrische  Culte  ausverfolgten  Mutterrechts  erhielten  sich  bei 
den  Lykiern ,  die  wie  Herodot  die  Namen  von  der  Mutter  herleitete  und  (nach  Polybius) 
bei  den  Lokiem. 

')  Der  Dienst  des  Lupercus  wurde  von  mehreren  coUegia  gentilicia  besorgt,  die 
Lupcrci  Faluani  (der  gens  Fabia),  die  Luperci  Quinctiliani  (der  gens  Quinctilia)  und  die 
Luperci  Julii. 

*)  Die  Vererbung  und  Uebertragung  der  Titel  ging  (bei  den  Irokesen)  in  der  weib- 
lichen Linie  und  so  vom  Onkel  zum  Neffen ,  indem  die  Söhne  dem  Stamme  der  Mutter 
angehörten. 

*)  Aus  den  hervorragenden  Kriegern  und  Berathem  bildete  sich  (unter  den  Irokesen) 
die  Classe  der  Hä-seh-no-wä-neh  (berühmter  Name),  aber  ohne  Erblichkeit,  indem  beim 
Tode  der  Name  durch  Bestimmung  des  Stammes  auf  einen  Nachfolger  übertragen  wurde. 
Die  Würde  der  Hä-seh-no-wä  wurde  (bei  den  Irokesen)  nur  nach  Verdienst  verliehen. 

•)  Von  den  acht  Wappenclassen  der  Irokesen  war  Bär  und  Wild  die  älteste,  und  bei 
Mohawk  und  Oneidos  bildete  Wolf,  Bär  und  Schildkröte  die  ursprüngliche.  Bei  Grün- 
dung des  Bundes  wurde  die  Wiirde  der  14  Sachem  bei  den  Onondoga  unter  Wolf,  Bär, 
Biber,  Schildkröte,  Schnepfe  und  Wild  gelheilt,  bei  den  Seneca  unter  Wolf,  Bär,  Schild- 
kröte, Schnepfe  und  Habicht  (als  erblich).    Die  Wappenclassen  erstreckten  sich  als  Bluts- 


668  PRIESTERLICHES  UND   STAATSWESEN. 

der  mit  den  sechs  Jahresfesten  des  Ackerbaues  verknüpften  Riten 
die  (priesterlichen)  Ho-nun-de-ont  erwählt  wurden. 

Durch  die,  wenn  nicht  persönlich,  doch  in  der  Familie  erbliche 
Würde  wurden  die  Sachem*)  mit  achtungsvoller  Scheu  umgeben, 
entbehrten  aber  aus  gleichen  Ursachen  der  individuellen  Befähigung, 
welche  der  Hasehnowäneh  bewahren  musste,  da  sie  ihm  überhaupt  erst 
eine  Stellung  gab,  aber  zugleich,  die  allmählig  auch  hier  eintretende 
Erblichkeit,  die  Ausbildung  eines  Adelsstandes  vorbereitete,  und 
während  dieser  in  voller  Blüthe  steht,  nimmt  man  „reges  ex  nobilitate", 
wie  bei  den  Germanen  (nach  Tacitus).  Hier  wiederholt  sich  nun 
stets  derselbe  Kreislauf,  indem  eine  Institution,  sobald  sie  stabil  wird 
und  stereotyp  verknöchert,  dadurch  auch,  weil  des  Lebenssaftes  be- 
raubt, dem  Verfall  anheimgegeben  ist,  und  durch  eine  Reform 
erneuert  werden  muss. 

Anfangs  heisst  es  bei  den  Naturstämmen  überall,  wie  Caesar 
von  den  Germanen  sagt:  „In  pace  nuUus^)  communis  magistratus", 
oder  nur  eine  temporär  nominelle  Autorität*),  im  Kriege  dagegen 
wählt    man    den  Tapfersten  zum  Kriegsführer,    „duces  ex  virtute"*) 


verwandte  durch  die  filnf  Stämme,  bei  denen  sie  sich  jeder  wiederholte.  Jede  Abtheilung 
(als  Wolf,  Bär,  Biber,  Schildkröte  und  Wild,  Schnepfe,  Reiher,  Habicht)  wurden  unter 
sich  als  verbrüdert  betrachtet,  so  wie  Heirathen  nicht  in  denselben  erlaubt  war,  sondern 
nur  mit  Mitgliedern  der  anderen  Abtheilungen,  die  als  Vettern  betrachtet  wurden 
(s.  Morgan). 

^)  Als  Richter  und  Opferer,  gleich  den  Godi  (in  der  Inglinga-Saga),  wogegen  der 
agrarische  Cultus  der  Jahresfeste  ein  CoUegium  von  l*riestergelehrten  verlangte ,  und  da- 
neben dann  noch  die  Zauberpriester  (besonders  auch  als  Medicinmänner)  ihr  Wesen 
trieben.  Der  Tayi  oder  Nandayi  (im  Dorfe  der  Khyeng)  presides  at  all  festivals,  settles 
disputes  and  acts  as  a  priest  in  conjunction  with  the  eiders  of  the  village  (s.  Fryer).  In 
Tiguex  herrschte  ein  Rath  der  Alten  (zu  Castafteda's  Zeit). 

')  Dann  herrschen  durch  die  Schrecken  des  Unbekannten  (africanischc)  Geheimbände 
(des  Purrah,  Semo,  Egbo),  wie  das  Vehmgericht  (VigUance-Comity,  Klux-Klux  u.  s.  w.) 
in  gesetzlosen  Zeiten,  oder  ein  alter  Hadat  mit  traditionell  absoluter  Macht,  wie  (ähnlich 
dem  despotisch  verwandten  Tabu  Polynesien's)  unter  den  Angami- Nagas  (s.  Butler),  das 
Kennte  oder  Genna,  das  fUr  Geburt  oder  Sterbefalle  für  das  Haus  erklärt  wird,  bei  Emtc- 
arbeiten  u.  s.  w. 

*)  The  Pneumas  (headmen  or  chiefs  in  jedem  Dorf  der  Angami  Nagas)  generally 
manage  to  arbitrate  between  litigants,  al>er  der  Titel  (dieses  primus  intcr  parcs)  ist  »»really 
one  of  i)ure  courtesy ,  and  depends  entirely  upon  the  wealth ,  Standing  and  personal 
qualities  of  the  individual  himself"  (s.  Butler). 

*)  Nur  derjenige ,  der  sich  mit  dem  angeschlossenen  Gefolge  bei  seinen ,  auf  eigene 
Hand  unternommenen  Raubzügen  als  glücklich  bewiesen  hat,  besitzt  Anspruch  darauf, 
bei  einem  Kriege  zum  Anführer  ernannt  zu  werden,  und  während  desselben  trat  ihm  der 
Häuptling  seine  Würde  ab,  wogegen  dieser  wieder  Frieden  zu  schliessen  hat,  was  der 
Anführer,  als  Knegsmann,  nicht  gekonnt  (s.  Loskiel)  bei  den  Dela waren  (und  Ver- 
wandten).    Die  Coroados  werden  auf  kriegerischen  Expeditionen  von  dem  geschicktesten 


ERBLICHKEIT.  669 

(s.  Tacitus)  und  nachdem  man  etwa  an  die  Stelle  menschlich  eigen- 
williger Wahl  das  orakelnde  Loosen  (der  Altpreussen)  gesetzt,  wie 
die  Satrapen  der  Sachsen  bei  Erneuerung  ihres  Feldherrn  (s.  Beda), 
so  erklärt  sich  um  so  leichter  die  Bemerkung  bei  Jornandes  von  den 
Gothen:  Per  multa  retro  saecula  ducibus  usi  sunt,  postea  regibus. 

In  dem  Namen  des  Königs  oder  Konungr  liegt  der  Anschluss 
an  das  Geschlecht,  und  wenn  etwa  ein  ehrgeiziger  Herzog,  bei  der 
Rückkehr  von  einem  siegreichen^  Feldzug,  keine  Neigung  fühlt  seine 
Würde  niederzulegen,  so  leitet  ihnen  die  Fortführung  derselben, 
die  im  Frieden  für  den  Stamm  die  Functionen  des  Patriarchen  für 
die  Familie  auszuüben  veranlassen  würde,  in  eine  Erweiterung  dieses 
letzteren  (im  politischen  Sinne)  hinüber,  und  somit  in  die  Gestalt' 
des  Königs. 

Wenn  dann  unter  der  zur  Gewohnheit  gewordenen  Erblichkeit 
bei  den  bereits  in  goldener  Wiege  gebornen  Epigonen  die  frühere 
Energie  nachlässt,  so  sinkt  der  Priesterkönig  zu  jenem  haltlosen 
Schatten  herab,  der  vor  dem  aufleuchtenden  Ruhm  eines  Kriegs- 
feldherrn im  Hintergrunde  verschwindet  (besonders  wenn  der  Letztere 
durch  die  Interessen  belehnter^)  Vasallen  gestützt  wird. 

Ueber  das  Weitere  entscheidet  nun  der  politische  Barometer  im 
Augenblick  der  Krisis.  Ist  am  entscheidenden  Wendepunct  das 
Rechtsbewusstsein  eines  Volkes  im  nationalen  Vollgefühl  stark  genug, 
so  wird  es  den  die  irdischen  Interessen  oftmals,  zu  Gunsten  der 
himmlischen,  beeinträchtigenden  König  jener  practischen  Wirksam- 
keit des  Eingriffes  entheben  und  nur  im  Dunkel  heiliger  (oder  un- 
schädlicher) Opferräume  eine  Fortexistenz  belassen.  Ueberwiegt  da- 
gegen der  Einfluss  einer  mächtigen  Hierarchie,  so  wird  diese  die 
gebotene  Gelegenheit  benutzen,  dem  König  jede  weitere  Einmischung 
in  ihre  Privatverhandlungen  mit  dem  Himmelshofe  zu  versagen,  sie 
wird    vielleicht   auch    den   schon  in  Imbecillität  der  Altersschwäche 


J^cr  geführt  (nach  Spix  und  Martius).  In  Australien  ,,a  chieftain  does  not  preserve  an 
hereditary  rank,  chiefs  being  chosen  for  superior  bravery,  being  the  best  hunter  or  having 
a  superior  mind  (s.  Bennet).  Zur  Kriegszeit  losten  die  Gaufiirsten  oder  (bei  Beda) 
Satrapen  (aus  dem  Stande  der  Edelinge)  um  die  Stellung  des  belli  dux,  nach  vollbrachtem 
Krieg:  rursum  aequalis  patentia  omnes  üunt  Satrapes  (s.  Wächter).  In  der  kentischen 
Stammtafel  stammt  Woden  von  Jeta,  quem  dtxerunt  filium  dei  (Geta  oder  Gesius).  Der 
Name  des  gallischen  Kriegsgottes  Hcsus  (in  Hundegcstalt)  soll  mit  dem  Hammerzeichen 
Thors  von  den  Druiden  der  von  Bonifacius  im  Hessenlande  umgehauenen  Eiche  einge- 
schnitten gewesen  sein. 

*)  Wu-wang  (1122  a.  d.)  vertheilte  an  seine  Verwandte  Lehen  (bis  zur  Centralisation 
durch  Shi-wang-ti),  in  China  (in  ähnlicher  Form,  wie  Jyeyass  in  Japan)* 


670  PRIESTERLICHES  UND  STAATSWESEN. 

versunkenen  Repräsentanten  durch  seinen  weltlichen  Arm  gänzlich 
beseitigen  und  auf  diesen  bisherigen  Majordomus  nun  die  königliche 
Würde  übertragen  in  der  Hoffnung,  ihn  durch  die  göttlichen  Agenten, 
mit  denen  jetzt  Niemand  sonst  Bescheid  weiss,  in  Vormundschaft  zu 
halten.  Dass  dieses  nur  zu  oft  vollständig  gelingt,  ist  auch  ohne 
weitere  Beweise  bekannt  genug,  schliesslich  aber  wird  stets,  bei 
Wiedererwachen  eines  nationalen  Bewusstseins,  der  Staat  als  die 
göttliche  Schöpfung  verstanden  uud  dem  Könige,  wenn  der  normale 
Repräsentant  desselben,  die  volle  Ehre  gegeben  werden,  während  die 
gegen  den  Zeitstrom  Ankämpfenden,  trotz  der  possenhafren  Schwarz- 
künsteleien, zu  denen  sie  ihre  heiligen  Functionen  erniedrigt  haben, 
bald  darin  zu  Grunde  gehen  müssen. 

Wenn    bereis  in  mancher  Auffassung  der  Verwandtschafts -Ver- 
hältnisse^)   ein  Ansatz    zum    Neff*enrechte^)    liegt,    so    erhielt  dieses 


')  Von  dem  Mann  aus  sind  die  Kinder  der  Schwester  (bei  den  Tamnlen)  Neffe  und 
Nichte,  die  Kinder  des  Bruders  dagegen  Sohn  und  Tochter,  von  der  Frau  aus  sind  die 
Kinder  der  Schwester  Sohn  und  Tochter,  die  Kinder  des  Bruders  dagegen  Neffe  und 
Nichte.  Des  Vaters  Bruder  ist  (fiir  den  Mann)  Vater  (seine  Kinder  Sohn  und  Tochter), 
des  Vaters  Schwester  ist  Tante  (ihre  Kinder  Vetter  und  Base),  der  Mutter  Bruder  ist 
Onkel,  der  Mutter  Schwester  ist  Mutter.  My  fathers  brothers  arc  my  fathers  and  my 
fathers  sisters  are  my  faibers  (not  my  mothers)  bei  den  Amazulu  (s.  Abrahams).  Aeltere 
Brüder  und  Schwestern  werden  als  Wai,  jüngere  als  Pu  bezeichnet  (bei  den  Karen)  mit 
ZufUgung  von  khwa  oder  mu  für  das  Geschlecht.  Die  Pinalua  in  Hawai  stellten  Gemein- 
samkeit der  Brüder  und  Schwestern  her.  Bei  den  Japanern  führt  der  älteste  Sohn  die 
Frau  in  das  Haus  seines  Vaters ,  und  die  Kinder  nehmen  dessen  Namen ,  während  die 
älteste  Tochter  den  Mann  in  das  Haus  ihres  Vaters  führt,  dessen  Name  von  den  Kindern 
angenommen  wird.  Sonät  folgen  die  Kinder  dem  Namen  des  Sohnes,  wenn  sein  Vater, 
oder  den  der  Tochter,  wenn  ihr  Vater  das  Haus  für  das  neue  Ehepaar  baut  (s.  Morgan). 
Der  Grossvatcr  väterlicherseits  oder  Tsu-fu  (Ahnen  -  Grossvater)  wird  als  Gründer  der 
Familie  betrachtet,  nicht  dagegen  der  mütterliche  Grossvater  (Neben- Grossvater)  oder 
Wae-kung  (in  China).  Die  seit  den  Pih-Sing  (hundert  Familien)  auf  die  männliche  Linie 
beschränkten  Familiennamen  der  Chinesen  (mit  dem  Verbot  des  Zwischenheirathens  in 
gleicher  Familie)  sind  erhalten  und  in  einigen  Bezirken  (s.  Hart)  large  villages  are  met 
with,  in  each  of  which  there  exists  but  one  family  name.  Ninmit  ein  Vater  für  seine 
einzige  Tochter  (statt  sie  nach  Aussen  zu  verheirathen)  einen  Ehemann  in  das  Haus,  so 
folgten  bei  Geburten  Über  den  ältesten  Sohn  hinaus  die  Kinder  dem  Namen  der  Mutter 
(in  China).  Ir-tze  (Kind,  Knabe),  Sohn,  vom  Manne  aus;  Neu*ir  (Mädchen,  Kind), 
Tochter,  vom  Manne  aus;  Chih-ir  (Gebrüder- Kind) ,  Bruderssohn  (Neffe),  vom  Manne 
aus;  Wae-sung  (Neben-Schwesterliches)  Schwestersohn,  vom  Manne  aus;  £-sung  (Fremd- 
Schwesterliches)  Schwestersohn,  von  der  Frau  aus;  Wae-chich  (Neben-Gebruder)  Bruders- 
sohn, von  der  Frau  aus;  Poh-fu  (älterer  Vater),  Vatersbruder  (wenn  älter  als  der  Vater); 
Suh-fu  (jüngerer  Vater),  Vatersbruder  (wenn  jünger  als  der  Vater);  Tang-heung-te  (minn- 
licher Verwandter  der  Halle)  [Vatersbruderssohn],  als  Hallenbruder  (Vetter);  Tang-tsze- 
mei  (weiblicher  Verwandter  der  Halle)  [Vatersbrudertochter],  als  Hallenschwester  (Base); 
Tang-chich  (Hallen-Chich),  .Sohn  des  Vetters  (Vatersbrudersohn);  Tang-chich-neu  (weib- 
liches Halle-Chich),  Tochter  des  Vetter  (Vatersbrudertochter);  Ku,  Tante  (Vaters  Schwester); 


VERWANDTSCHAFT.  671 

leicht  unter  polygamischen  Verhältnissen  eine  besondere  Bekräftigung 
und  wird  dana  seinerseits  zu  der  (durch  die  Vorschrift  des  Totem 
oder  Kobong  begünstigten)  Schwächung  nächster  Abstammung  (im 
Gegensatz  zu  der  Aristokratie  endogenischer  Ehen  und  andrerseits 
der  dadurch  bedingten  Verkümmerung^))  beitragen,  die  sich  immer 
rasch  unter  den  Absorptionen  allseitigen  Contactes  zur  Verwandt- 
schaft erweitert,  unter  zeitweis  festgehaltener^)  Fiction  der  wenigstens 
im  Namen')  bewahrten  Einheit,  zu  deren  Simulirung  auch  die  Cere- 
monien  der  Adoption*)  entsprechend  gefärbt  werden,  wenn  sich  die 


Pcaon-heungte,  Vaters -Schwestersohn  (Vetter);  Peaon-chich ,  Sohn  des  Vetters  (Vaters- 
Schwcstersohn) ;  Kew,  Onkel  (Mutter's  Hruder);  Peaon  -  heungte  (Mutters  Bruclersohn), 
Vetter;  Peaon-chich,  Sohn  des  Vetters  (Mutters  Bruderssohn);  Ta-e-ma  (grosse  Aussen- 
mutter),  Mutters  Schwester  (wenn  älter  als  die  Mutter) ;  I^aon-e-ma  (kleine  Aussenmutter), 
Mutters  Schwester  (wenn  jünger  als  die  Mutter);  E •  peaon -heung-te,  Sohn  der  Mutters- 
schwestcr  (Vetter). 

>)  Neef  im  Holländischen  begreift  mit  dem  Enkel  und  Vetter  auch  den  Neffen.  Im 
Belgischen  bezieht  sich  die  Nichte  auf  die  Base.  Im  Westphälischen  Platt  meint  Nichte  die 
Cousine  oder  Base.  Zu  Avus  und  avunculus  bezeichnete  Nepos  den  Neffen  sowohl,  wie 
den  Enkel.  Octavian  heisst  (bei  Eutropius)  Caesaris  nepos.  Im  Englischen  nephew  was 
applied  to  grandson  as  well  as  nephew  as  late  as  i6ii  (s.  Morgan).  Die  Würde  des 
Alfai  oder  Häuptling  geht  bei  Barea  und  Kunama  auf  den  Bruder-  oder  Schwestersohn 
Über.  The  law  of  nncema  among  the  ancient  Scots  folgt  durch  (Bruder  und)  Neffen, 
wie  Conal  seinem  Onkel  Gabran  folgt  und  dann  dessen  Sohn  Aidan.  In  Polynesien  wird 
das  neugeborene  Kind  bereits  als  in  die  Stelle  der  Eltern  einrückend  betrachtet ,  und 
wenn  dem  König  früher  der  erste  Sohn  geboren  war,  dankte  er  nominell,  unter  Huldi- 
gungsleistung, ab.  Während  der  Schwangerschaft  seiner  Frau  sprach  der  Vater  keine 
Fremdlinge  an,  um  seines  Kindes  Sprache  nicht  zu  verwirren,  und  wenn  er  eine  Schlange 
tödtet  oder  einen  Baum  spaltet,  wird  ein  Stückchen  davon  aufbewahrt,  um  nach  der 
Geburt  ein  Erinnerungsbild  zu  verfertigen  (auf  Nias)  und  so  vielfach  Sympathien  (in  der 
Couvade  oder  sonst). 

')  Während  jetzt  die  Geschwister  die  Bestimmung  haben ,  Familie  zu  sein ,  ihren 
Zweck  zu  realisiren,  aber  nicht  die  Familie  zu  erzeugen,  müssen  wir  sagen,  dass  die 
Kinder  der  ersten  Eltern  nicht  blos  die  Familie,  sondern  zugleich  die  Gattung  repräsen- 
tirte,  weshalb  ihnen  auch  die  Erhaltung  der  Gattung  oblag  (s.  Kaulich). 

')  In  der  Bretagne  wurde  die  Verwandschaft  bis  zum  12.  Grade  aufrecht  erhalten 
(s.  Machargy).  Die  (Therk  genannte)  Rechts-  und  Blutsverantwortlichkeit  der  Bogos  er- 
streckt sich  über  die  Söhne  eines  Vaters  bis  zum  siebenten  Grade  (s.  Munzinger). 

•)  All  the  sumames  (s.  Watson)  tend  to  extinction  in  an  indefinite  time  and  this 
result  might  have  been  anticipated  generally  for  a  sumame  once  lost  can  never  he  reco- 
vercd  and  there  is  an  additional  chance  of  loss  in  every  successivc  generation  (in  der 
Berechnung  nach  dem  von  Galton  gestellten  Problem  ,,On  the  probability  of  the  extinction 
of  families").  Als  Kaiser  Kanghe  eine  genaue  Liste  aller  Nachkommen  des  Confucius  ver- 
fertigen Hess  (XVIII.  Jhrdt.)  ergaben  sich  iiooo  männlichen  Geschlechts  (und  bis 
74  Generationen  im  XIX.  Jahrhdt.  Beim  Verfolgen  der  Verwandtschaft  to  the  thirty-first 
degree,  or  generation,  it  would  give  to  each  person  a  greater  number  of  ancestors  than 
the  entire  population  of  the  earth  (s.  Morgan). 

*)  In  Rom  wurde  die  Adoption  durch  Nachahmung  des  Geburtsactes  geschlossen,  bis 
anf  Trajan  (und  Nerva).     Here   hatte   bei  Adoption    des  Heracles  den  Schein  einer  Ent- 


672  PRIESTERLICHES  UND  STAATSWESEN. 

Gens^)  zum  Clan^)  erweitert,  anfangs  noch  mit  entsprechender  Er- 
weiterung der  patriarchalischen  Würde  ^),  bis  später  dann,  nach  Ab- 
gleichung  zeitweise  Centren  grösster  Schwere  bildender  Partial-Inter- 


bindung  durchzumachen  (s.  Diodor).  Bei  der  Airogatio  wurde  ein  homo  sui  juris  an 
Kiridesstatt  angenommen,  bei  Adoption  nur  durch  Mancipatio  Gelöste,  und  der  Adoptiv- 
vater erwarb  dann  den  Sohn  durch  ein  Geldstück  per  aes  et  libram.  Der  Adoptirte  wurde 
der  Kindesrechte  theilhaft,  besonders  erbrechtlich  (s.  Val.  Max).  Bei  den  Cirkassiem 
wurde  durch  Säugen  adoptirt.  Nach  Parkyus  hat  das  Adoptiv-Kind  an  den  Fingern  des 
künftigen  Vaters  zu  saugen  (in  Abyssinien).  Bei  den  Felatahs  tritt  bei  der  häufigen 
Adoption  das  Erbrecht  zu  Gunsten  der  fremden  (statt  der  eigenen)  Kinder  ein  (s.  Den- 
ham).  In  Nukahiva  werden  Kinder  häufig  von  Höherstehenden  adoptirt.  Nach  Wilson 
war  Adoption  in  Tahiti  häufig.  Bei  den  Eskimo  gewährt  die  häufige  Adoption  das  Recht 
der  Blutsverwandtschaft,  ist  der  Pflegesohn  der  ältere,  so  erbt  er  (s.  Lyon).  Auf  den 
Tonga-Inseln  adoptiren  die  Mütter  heranwachsende  Kinder,  obwohl  die  eigene  Mutter 
noch  lebt,  als  zweite  (die  der  ersten  gleichsteht).  Nach  Adoptirung  der  Kinder  in  fremde 
Familien,  geben  (in  Madagascar)  die  eigenen  Eltern  ihre  Rechte  auf  (s.  Sibree).  Liber- 
tinos vero  ab  ingeniis  adoptari  quidem  jure  posse  Massurius  Sabinus  scripsit  (s.  Gellius). 
The  praclice  of  fosterage,  by  which  children  were  mutually  exchanged  and  brought 
up,  befestigte  die  Clanschaft.  Tifleen  were  usually  fostered  y  a  chief,  and  Fingal  had 
i6  foster  or  Ceoatl  (s.  Logan).  The  attachment  of  foster-brothers  was  strong  and  in- 
dissoluble  (in  den  schottischen  Clan's).  No  love  in  the  world,  says  Camden,  is  comparable 
to  it  (Kindered  to  20  degree,  fosterage  to  100). 

^)  In  Rom  wurde  der  Freigelassene  (wenn  von  dem  Herrn  in  vollem  Eigenthum  be- 
sessen) römischer  Bürger  seit  Servius  (früher  Client)  und  erhielt  den  Gentil-Namen  (mit 
Zuftigung  seines  Cognomen.  Den  vollberechtigten  Gentilen  gegenüber  war  der  Freige- 
lassene und  Client  nur  halbberechtigt,  und  obwohl  beim  Tode  des  früheren  Herrn  das 
Patronat  auf  die  Kinder  überging,  galten  seine  Kinder  nur  als  ingenui.  Die  Entwick- 
lungsphasen der  gens  finden  sich  in  Cicero's  Betrachtung  darüber  niedergelegt,  obwohl  ihm, 
als  noch  in  der  Entwickelung  stehend,  der  Zusammenhang  weniger  klar  sein  konnte. 

*)  Die  Clans  (in  Schottland)  had  been  gathered  together  by  accident  and  preserved 
in  this  State  by  the  straths  and  lakes  of  the  country  and  the  mountains  (s.  Low).  Der 
,,Sky  of  the  hill"  bildet  das  Streitobject,  als  die  Heimath  des  Clan  (in  Schottland).  Die 
Verbindungen  in  der  Thalschlucht  hinab  sind  ebenso  schwierig,  als  diejenigen  über  die 
steilen  Pässe  hinweg  (in  Kham).  Jeder  kleine  District  hat  seinen  eigenen  Häuptling 
(s.  Richthofen).  Die  walisischen  Rechte  und  die  irischen  Breton  laws  basiren  noch  auf 
dem  Familienrecht.  Generally  descent  is  to  the  nect  male  heir  of  the  blood  of  the  pcrson 
ennobled  or  in  the  case  of  baronies  in  fee,  to  descendants  of  heiresses  (s.  Cox)  in 
England.  The  whole  Clan,  however  numerous  weresuposed  to  be  related  to  each 
other  (Lagan).  The  Laird  was  the  father  of  the  Clan  and  bis  tenants  commonly  bore 
his  name  (Johnson).  The  clanishness *  (of  the  Miau-tsi)  zeigt  sich  ,,by  the  zeal  whith  which 
kindred  take  up  the  cause  of  an  injured  member  of  a  family.  A  grudge  is  remembered 
for  nine  generations.  It  is  said  of  the  more  cruel,  that  when  they  catch  their  enomies, 
they  eat  their  flesh"  (s.  Edkins).  Die  Pelasger  hatten  (nach  dem  Orakel  Dodona's)  Köpfe 
dem  Dites  (wie  Knaben  dem  Saturn)  zu  opfern ,  diu  humanis  capitibus  ditem  et  vivorum 
victimis  Saturnum  placare  (s.  Macrobius),  und  ,,hominem,  caput  consecrare"  hiess  es  in 
römischer  Formel  (wie  auf  den  Sculpturen  Santa  Lucia's  Köpfe  dargebracht  werden).  Mit 
,,Te  tuumque  caput  hoc  sanguine  consecro,  wurde  Appius  Claudius  von  Virginius  geweiht. 
Die  Mundrucus  stellen  Trophäenköpfe  auf,   wie  die  Dayak  (als  Karwar  in  Neu-Guinea). 

•)  Der  in  Athen  Freigelassene  hatte  seinen  früheren  Herrn  noch  als  Patron  (n^oanc- 


I 


^  CLASSEN.  673 

essen  (im  Autsteigen  durch  die  Anfangs  nach  Altersclassen^)  abge- 
stuften Kasten  zu  ansässigen  Gilden  einerseits  oder  verbündet  schwei- 
fenden Horden^)  andrerseits),  die  schwer  wiegenden  Ansprüche  des 
Staatsganzen  auftreten,  vor  dem  die  Sacral-Culte  ihr  soweit  selbst- 
ständiges ^)  Leben  verlieren. 

Während  bei  den  Maya  der  Stamm  von  der  männlichen  Linie 
gebildet  wird  und  ebenso  u.  A.  in  Vera-Paz  (s.  Torquemada),  pflanzte 
sich  bei  den  Irokesen*)  und  vielen  andern  Naturstämmen  das  Ge- 
schlecht   in    der    weiblichen    Linie    fort,    nicht    etwa    aus    gynaiko- 


T>is)  zu  betrachten.  Die  ursprünglich  als  Halbunterworfene  den  Penesiem  (griechisch)  oder 
germanischen  Aldiones  (Lidi)  vergleichbaren  dienten  in  Korn  treten  zu  dem  Patron  in 
ein  geheiligtes  Verhältniss,  dessen  \'erletzung  religiös  bestraft  wurde  (als  sacer).  Courson 
macht  auf  die  ünterschie<le  zwischen  dem  Pencenedl  oder  Haupt  des  Stammes  (Cenedl) 
und  dem  Paterfamilias  aufmerksam.  Wer  auf  den  Gründen  eines  Schutzheiligen  oder 
Schul/herm  sass  (s.  Osnabrück)  war  in  dessen  Schutz  (Hode  oder  Hye)  gebunden 
(Moser).  Ut  zelotypus  vir  dicitur  cjui  rivalem  pati  nequit,  sie  deus  socium  in  cultu,  quem 
:il)  hominibus  postulat ,  ferre  non  potest  (deus  vere  irascitur).  In  den  Hirca  genannten 
Pässen  die  Peruaner  »»offered  a  rope  of  grass  with  the  left  hand  in  token  of  adoration". 
l*crc  (Vulcan  in  Tahiti)  oder  (in  Hawaii)  Pele  (Fee  in  Samoa)  wird  (von  Fomander) 
identificirt  mit  Wera  oder  Wela,  was  (in  verschiedenen  Dialecten  Polynesiens)  ,,signih^s 
fire,  conflagralion"  (to  burn)  ''Pinia ,  Pillan ,  Vira],  Miru  oder  (hawaisch)  Mihi  ist 
Todtenland. 

*)  Bei  den  Wakuafi,  durch  den  Ralh  der  Alten  regiert,  vereinigen  sich  die  )änglinge 
(mit  den  Knaben  zum  Dienen)  unter  einen  Häuptling,  der  sie  beim  Schutz  der  Heerden 
befehligt,  sowie  auch  auf  den  Sireifzügen,  um  Heerden  für  die  (gemeinsamen)  Heirathen 
zu  rauben.  Bei  den  Kru  graduiren  sich  die  Altersklassen  entschiedener,  als  in  den  Ban- 
den aroericanischer  Prärienstämme. 

•)  Bei  den  Indianern  (mit  Dialecten  unter  gleichartiger  Sprache)  bilden  sich  Eini- 
gungen im  gemeinsamen  Interes-ie  veischiedener  Stämme  (wie  bei  Blackfeet  u.  s.  w.)  wäh- 
rend die  traditionelle  Abstammung  auf  Schnecken,  Hund  etc.  ^wie  gelehrtere  auf  Monaden) 
zurückführt.  Bei  Barca  und  Kunama  zerfallen  die  (iauc  in  Gemeinden,  und  die  Gemeinde 
wird  gebildet  aus  den  Bewohnern  des  Dorfs  ohne  Rücksicht  auf  ihre  Abstammung,  sie 
besteht  aus  Personen,  nicht  aus  Familien.  Auf  Tonga  belohnte  Tanga-loa  den  jüngeren 
Sohn  mit  weisser  Farbe,  während  der  ältere  mit  schwarzer  Farbe  bestraft  wird  (s.  Mariner) 
Toba,  TupiJ. 

*)  I^  chef  de  famille  (Pencenedl)  vertrat  (in  der  Bretagne)  ceux  de  sa  gens  (ou 
cenedl)  beim  Fürsten  oder  Arglwydd  (s.  Courson).  Im  14.  Jahr  trat  der  Sohn  aus  der 
Macht  des  Vaters  in  die  des  .\rglwydd  (durch  N'orslellung  bei  ihm)  über  (in  der  Bretagne). 

*)  Indem  die  Mohawks  sich  mit  den  westlichen  Oneidas  verbanden ,  und  dann  die 
<  )nondagas,  Cayugas  und  schliesslich  die  .Senecas  hinzutraten ,  wurde  der  Bund  der  Iro- 
kesen geschlossen,  zu  dem  auch  die  anfangs  verschieden  redenden  Tuscaroras  durch  die 
Oneidas  gezogen  wur<len.  Um  das  Bündniss  im  Gedäclitniss  zu  halten,  wurde  bestimmt, 
dass  die  Namen  der  Deputirlen  stets  von  Einem  des  Stammes  fortgeführt  werden  sollten, 
Toganawita  bei  den  Mohawks,  ( )tatschechte  eei  den  Oneidas ,  Tatotarho  bei  den  Onon- 
dagas,  Togahajon  bei  den  Cayugas,  Gnnniatario  oder  .Satagaruuyes  bei  den  Senecas.  The 
nation  of  the  Mahicanni  is  composed  of  three  clans,  the  Much-quauh  or  Bear-tribc,  the 
Mech-cha-ooh  or  Wolf-tribe  and  the  Toon-pa-ooh    or  Turtle-tribe,    the    right  of  chosing 


674  PRIESTERMCHES   UND   STAATSWESEN. 

kratischen  Vorrechten,  sondern  eher  wegen  Verachtung  der  (bei 
ihnen  indess  weniger,  als  bei  den  Lenape,  unterdrückten  und  auch 
im  Rath  zugelassenen)  Frau,  da  ihr  die  Sorge  für  die  Kinder  über- 
lassen wird,  für  welche  der  mit  Besserem  (oder  Zusagenderem)  be- 
schäftigte Mann  keine  Zeit  hat  sich  zu  kümmern. 

Sobald  das  Geschlecht  in  seiner  Erweiterung  zum  Clan  in  staat- 
liche Gliederung  eintritt,  wird  sich  aus  practischen  Rücksichten  bald 
die  Erblichkeit  im  Mannesstamme')  empfehlen,  wie  bei  der  römischen 
gens,  doch  kann  auch  hier  eine  Periode  des  Mutterrechtes  vorange- 
gangen sein,  wo  die  Verwandtschaft  weiblicher  Seite  allein  als  solche 
galt,  in  den  Cognaten,  und  die  väterlichen  Agnaten^)  (schon  dem 
Namen  nach)  nur  als  lose  Anhänge  betrachtet  wurden.  Unter  der 
neuen  An.schauung  wurde  der  Hegriflf  der  Cognaten  zum  allgemeinen 


the  Sachcra  resided  in  the  Bear-tribe  (Barton).  Unter  den  Iroquesen  oder  ^quanoscbioni 
(das  verbündete  Haus)  bezeichneten  sich  die  Oneidas  als  O-nea-go-ta-au-cau  (die  I^utc 
des  aufrechten  Stein's),  die  Onondagas  als  Onnontaguez  (Bergleute),  neben  Senecas  (Sen- 
nagors)  oder  Isonnontoans,  Mohawks  (Gagnieguez)  oder  Agniez.  The  Mushkohge  (Creeks) 
were  called  Masguachki  (swampy  land).  Natches  signifies  light-wood.  Unter  den  Negern 
Bambara's  oder  (nach  El-Maghdad)  Heno-Bas  (Beni-Bcr)  herrschen  die  röthlich- hellen 
Massassi  (Massas  oder  Maschash),  welche  ,,se  rasent  la  moitie  de  la  t^te  et  portent  les 
chevaux  de  l'autre  moitie  tombant  en  tresse  sur  l'epaule,  avec  un  lourd  anneau  d'or" 
(s.  Faidherbe).  Unter  den  Lybiem  rasirten  sich  die  Maxycs  (nach  Herodot)  die  eine 
Hälfte  des  Kopfes,  und  ,,une  longue  tresse  recourbee,  passant  par  devant  l'oreille  et 
retombant  jusque  !iur  l'epoule,  est  la  coiffure  charact^ristique  des  Maschasch  (s.  Faidherbe). 
als  Stamm  der  Tuareg  oder  Tamacheq  (Tamahoug  oder  Tamahou)  auf  den  Monumenten 
Aegypten's,  welches  unter  Meremptah  (XIX.  Dyn.)  durch  die  (blonden)  Tamahou  aus  dem 
Lande  Tahennou  (der  Wolkenberge)  bedrängt  wurden ,  nachdem  diese  die  Lebou  oder 
Rebou  (Lybien's)  unterworfen  hatten.  Bei  der  Heirath  schneiden  die  Frauen  der  Payaguas 
das  Haar  über  der  Stirn  weg  (und  tättowiren  das  Kinn).  Devenues  veuves,  elles  laissent 
croltre  leurs  chevcux  et  se  peignent  des  larmes  sous  les  yeux  (s.  Baguet)  l>ei  Assumpcion 
gegenüber  den  Guaycurus  (Machicuys,  Tobas,  Lenguas)  im  Chaco  (die  Cadigaios  nördlich 
von  Paraguay,  nach  Matto  Grossa  zu).  Am  Hügel  Kaulana-hoa,  back  of  Kalae ,  island 
of  Molokai  of  the  Hawaüan  groupe  steht  ein  Stein,  ,,niarked  with  the  donble  trident  in 
two  places"  (s.  Fornander)   [PiscoJ. 

0  Agnati  sunt  a  patre  cognati  (in  virilem  sexum  descendent<?s). 

*)  In  Athen  war  bis  Kekrops  die  Verwandtschaft  mütterlicherseits  gezählt,  und  in 
des  Orestes  Freisprechung  vor  dem  Areopag  wurde  durch  göttlichen  Ausspruch  die  Blul>- 
vcrwandtschaft  des  Vaters  anerkannt.  In  dieser  Auffassung  lässt  sich  auch  eine  Erklärung 
für  die  Bestimmung  in  Draco's  Gesetze  finden,  dass  auf  den  Vatermord  keine  .Strafe  ge- 
setzt sei,  was  in  später  veredelten  Verhältnisse  so  verstanden  wurde,  als  wenn  man  ihn 
unmöglich  gedacht  hatte.  Bei  den  Araucanern  dagegen  wurde  der  Vatermord  nicht  be- 
straft, weil  der  Sohn  sein  eigenes  Blut  vergossen  hätte  (s.  Vidaure)  und  stimmt  das  mit 
einer  innerhalb  des  Stammes  begreiflichen  Betrachtung  überein,  obwohl  der  Staat  später 
den  Mord  nie  als  straflos  zulassen  konnte,  da  dersell>e  (wenn  er  auch  für  die  Stammes- 
genossen keinen  Murd  bilden  mochte)  den  Staat  «loch  immer  eines  nützlichen  Bürgers  be- 
raubte. 


XATIONAT.ITÄT.  (i75 

erweitert,  und  innerhalb  dieses  erhielten  dann  die  Agnaten  die  durch 
die  Umgestaltung  nothwendigen  Vorrechte.  Die  cognatio  naturalis 
(wie  E.  Lange  bemerkt)  umfasste  nicht  nur  die  ,,a  patre",  sondern 
auch  die  ,,a  matre  cognati". 

Der  Lar  familiaris,  als  der  Stammvater  der  Familie,  wurde  im 
Lararium    (neben    dem  Hausheerd)    verehrt  (im  häuslichen^)  Dienst. 

Nach  den  drei  Beziehungen  im  (römischen)  Namen  (als  nomen, 
praenomen  und  cognomen)  werden  die  Sacra  privata  von  dem  Indi 
viduum  selbst  angestellt ,  oder  von  dem  Pater  familias  (der  den 
Schutzgöttern  der  Familie  opfert)  oder  von  der  (jens,  die  aus  ihrer 
Mitte  einen  Opferpriestcr  (flamen)  für  den  Schutzgott  der  Familie 
bestellt,  ein  Sacellum  unterhaltend  und  dort  die  sacra  gentilicia  voll- 
ziehend (die  auch  in  den  sacra  publica  vorkommen). 

Bei  der  Erweiterung  der  Familie  zur  gens  blieb  die  sacrale 
Opfergemeinschaft,  um  auch  die  hinzutretenden  Nichtverwandten ^) 
zu  einigen,  und  später  wird  (bei  Cicero)  das  Characteristische  für  die 
gcntilische  Bezeichnung,  nicht  die  Abstammung  als  solche,  sondern 
die  edle  oder  adlige.  Die  (lens  wurde  im  Nomen  gefunden 
in  der  Erblichkeit  des  (ursprünglich  persönlichen)  Cognomen  oder 
Stirps,  wenn  sich  nach  Gentilbeschluss  ein  Haus  aus  der  Gens 
abzweigte  (s.  Becker). 

Unter  dem  zunehmenden  Gewoge  des  römischen  Staatslebens 
waren  bald  die  primitiven  Formen,  unter  welchen  die  Gens  aus  der 
Familie  erwach.sen  war,  zerbrochen  und  unkenntlich,  um  sich  im 
politischen  Sinn  neu  zu  regeneriren.  In  ihm  waren  dann  die  Keime 
gegeben,  aus  dem  sich  das  nationale  Leben  im  Germanenthum  ent- 
wickeln könnte,  während  die  Staatenbildungen  im  Orient  sowohl, 
wie  im  alten  America  einen  eigenartigen  Typus  trugen,  gleich  den 
übrigen  Erzeugnissen  dortiger  Natur. 


Wenn  der  Mensch  für  den  Menschen  den  letzten  Zielpunct  seiner 
Studien  bildet,  und  wenn  die  Lösung  dieses  uralten  Problemes  eigner 
Selbsterkenntniss    neuerdings    der    mit    den    Hülfsmitteln    der    natur- 


•)  Die  Penates  sind  die  Schulzgötter  des  Peniis  (der  Vormthsknmmcr  des  Hauses) 
cwler  (nach  Varro)  die  magni  und  principes  dii. 

*)  Geutilis  dictu«;  et  ex  eodem  genere  natus  et  is  i\\n  simili  nomine  .ippellatur  (PauhK 
Diaconus).  Ovdiv  tuf^  nVfitrrog  aXXtj).ovg  rjQoütjxoyn^  i<).X  itno  lov  rtohnxov  yivovs 
o'üro^  xtxJwyofjifyo$.  Kn  lo  <pje  tmava  al  parentesco ,  tenian  un  arbol  pintado  y  en  el 
siete  Tamos  que  significava  siete  grados  ile  parentesco  (bei  den  Pipiles). 

43  "^ 


676  PRIESTERIJCHES   UND   STAATSWESEN. 

wissenschaftlichen  Methode  ausgerüsteten  Ethnologie  gestellt  zu  sein 
scheint,  so  hatte  sich  dieser  junge  Forsehungszweig  zunächst  den 
Boden  vorzubereiten,  auf  dem  ein  solchen  Ansprüchen  gerechtes 
Wissenschaftsgebäude  errichtet  werden  könnte. 

Diejenige  Methode,  der  die  Naturwissenschaft,  seit  Einführung 
derselben,  ihre  jetzt  unaufhaltsam  fortschreitenden  Triumphe  zu 
danken  hat,  die  deshalb  die  naturwissenschaftliche  genannte  Methode, 
basirt  auf  Induction  und  Vergleichung,  und  mit  diesen  unfehlbaren 
Waffen  wurden  alle  Siege  nach  einander  erkämpft,  die  mit  Einreihung 
auch  der  Physiologie  in  den  Stufengang  der  Schwester- Wissenschaften 
bis  an  die  (augenblicklich  noch  bestrittene)  Grenze  der  P.sychologie 
geführt  haben. 

Die  Ethnologie  hatte  also,  um  den  Vorbedingungen  der  Induc- 
tionsmethode  zu  genügen,  einmal  die  entsprechenden  Vergleichungs- 
puncte  für  die  Betrachtung  des  Menschen  au  gewinnen  und  dann  in 
möglichster  Vollständigkeit  die  Materialien  zu  sammeln,  die  in  induc- 
tivem  Sinne  als  Bausteine  zu  dienen  vermöchten.  In  ihrem  anthro- 
pologischen Theil  hat  die  Ethnographie  die  Anhaltspuncte  zu  sichern, 
aus  denen  sich  die  Brücke  von  der  Physiologie  zur  P.sychologie  wird 
schlagen  lassen,  und  in  ihrem  ethnologischen  Theil  hat  sie  aus  der 
Mannigfaltigkeit  der  Völkergedanken  die  vergleichende  Psychologie 
zu  einer  Völker -Psychologie  zu  erweitern,  um  die  Bildungsgesetze 
aufzufinden,  unter  denen  der  Menschengeist  emporwächst. 

Als  vor  wenigen  Decennien  erst,  noch  im  Laufe  der  heutigen 
Generation,  der  dunkle  Drang,  der  überall  und  immer  das  Zauber- 
wort für  das  Geheimniss  der  Schöpfung  gesucht  hat,  sich  dahin  zu 
klären  begann,  dass  gerade  die  Ethnologie  vielleicht  berufen  sein 
möchte,  in  solcher  Entscheidung  mitzusprechen,  fehlten  noch  jegliche 
Vorarbeiten,  um  für  dieses  von  schwankenden  und  noch  zweifelnden 
Hoffnungen  getragenen  Zukunftswerk  auch  nur  ein  erstes  Fundament 
zu  legen.  Es  fehlten  die  Vergleichungspuncte,  es  fehlte  das  Material. 
Von  der  Entwicklungsgeschichte  der  Menschheit  war  nur  eine  Phase 
bekannt,  nämlich  die  in  der  .sog.  Weltgeschichte  von  Aegypteni, 
von  Assyriern,  Babyloniern  und  Medern  durch  Griechen  und  Römer 
zu  den  Germanen  führt,  eine  zwar  in  vollstem  Glänze  der  Cultur 
aufsteigende  Spirale,  die  den  höch.st  bekannten  Stufengrad  erreicht 
hat,  die  aber  doch  immer  nur  einen  kleinen  Bruchtheil  unserer  Erd- 
oberfläche begreift  und  die  sich  ausserdem  für  objective  Betrachtung 
um  so  geeigneter  erweist,  weil  den  Entwicklungsgang  unseres  eige- 
nen Volkes  ein.sch liessend.     Aus   diesem  Mangel    fliesst  zugleich  der 


ElliNüLOGIE.  677 

zweite,  der  des  Materials,  denn  da  die  übrigen  Geschichtsbäume  der 
Menschheit  nicht  bekannt,  oder  wenigstens  nicht  ernsthcher  Beachtung 
gewürdigt  waren,  hatte  man  von  ihnen  auch  keine  Früchte  sammeln 
können,  während  die  von  dem  unsrigen  geernteten  sich  zwar  für  eine 
Philosophie  der  Geschichte  verwenden  Hessen,  nicht  aber  für  ihre 
naturwissenschaftliche  Behandlung.  Wie  in  der  Botanik  die  schmuck- 
vollen Blumen,  die  schattigen  Waldriesen,  erfrischende  Säfte  und 
berauschende  Düfte  die  ihnen  gebührende  Feier  in  den  ästhetiscjien 
Kunstschöpfungen  der  Dichter  von  jeher  empfangen  haben  und  stets 
empfangen  werden,  wie  aber  eine  wissenschaftliche  Botanik  erst  ge- 
boren wurde,  als  man  in  den  vorher  verachteten  Kryptogamen,  in 
den  Moosen  und  Algen ,  das  Gesetz  der  Zellbildung  zu  erforschen 
strebte,  so  muss  auch  neben  den  historischen  Betrachtung  eine  ethno- 
logische Platz  greifen,  um  in  einer  allgemeinen,  wenn  nicht  Welt-, 
so  doch  Erdgeschichte,  den  Menschengedanken *)  in  all  seinen  Mani- 
festationen    und     durch     die     geographische     Umgebung     bedingte 


*)  Die  Hedeutung  der  Ethnologie  liegt  vor  Allem  in  der  jetzigen  Richtung  unserer 
Wissenschaft,  die  Welt  ihren  natürlichen  Verhältnissen  nach  zu  verstehen  und  die  Stellung 
des  Menschen  innerhalb  derselben  zu  bestimmen,  pass  der  Measch  der  Ausgangspunct  und 
das  Endziel  aller  Forschung  sei,  erschien  schon  im  Alterthum  aus  sich  selbst  klar,  da  sich 
nur  im  eigenen  Bewusstsein  das  des  Seienden  trägt.  In  denjenigen  Zeiten,  wo  man  die 
Krde  als  Mittelpunct  des  Weltalls  setzte,  den  Menschen  als  den  Herrn  der  Erde  verherrlichte, 
und  somit  in  ihm  den  eigentlichen  Kern  des  All's  sah,  schien  es  leicht,  die  Fragen  nach 
seiner  Bestimmung  zu  lösen  und  ihn  seinem  normalen  Werthe  nach  zu  fixiren;  denn  in 
ihm,  als  dem  mikrokosmischen  Centrum  des  Seienden,  mussten  alle  Radien  des  Makro- 
kosmos kreuzend  zusammentreffen  und  einander  durchschneiden.  Der  Mensch  durfte  des- 
halb gegründete  Hoffnung  hegen,  durch  die  Betrachtung  der  in  seinem  Geiste  gebildeten 
Denkfiguren  die  'Ihalsachen  der  Aussenwelt,  deren  .\!)bild  sie  seien,  zu  reconstruiren  und 
durch  eingehende  SelV)stbeschauung  >eines  Mikrokosnu>s  d^e  grosse  Welt  des  Makrokos- 
mos um  sich  her  zu  verstehen.  Dies  ist  deshalb  auch  der  Weg ,  den  wir  von  allen 
Philosophen  früherer  Jahrhunderte  eingeschlagen  sehen.  F'ntweder  suchten  sie  aus 
logischen  Deductionen  in  ihren  Mubjcclivcn  Denkgesetzen  diejenigen  Gesetze  wieder  zu 
erkennen,  die  die  Welt  des  (.^bjectiven  regierten,  oder  sie  hofften  durch  träumerische 
Versenkung  m  die  Mystik  der  Gefühlswelt  die  Mysterien  zu  entschleiern ,  unter  welchen 
sich  die  Gottheit  hinter  der  Welt  der  Formen  verbarg.  Beiderlei  Bestrebungen  hatten 
nach  der  damaligen  Weltanschauung  ihre  gute  Berechtigung.  Sie  vermochten  es,  dem 
einwohnenden  Streben  des  Cieistes  zu  genügen,  der  im  harmonischen  Einklang  mit  seiner 
Umgebung  den  einheitlichen  Ruhepunct  verlangt.  Wir  finden  deshalb  auch  bei  allen 
Völkern,  sobald  die  Bedürfnisse  des  geistigen  Lebens  gebieterisch  genug  wurden,  um  ihre 
Befriedigung  zu  erheischen ,  dass  man  die  in  jenem  gestellten  Fragen  auf  deductivem 
Wege  zu  lösen  suchte,  bald  wenn  das  Volk  noch  in  dem  sogenannten  religiösen  Stadium 
stand,  durch  gläubige  Hingehung  an  die  mythologischen  Phantasiebilder,  die  es  aus 
eigenem  Innern  in  das  Jenseits  projicirl  hatte,  bald,  wenn  zum  philosophischen  Stufen- 
grade fortgeschritten,  durch  dialectische  Erörterungen  über  die  Denkprocesse ,  in  denen 
man,    \vie    in  einem  verkleinerten  Grundriss,  sich  befähigt  hielt,    die  Schöpfcngsproc-^sse 


678  PRIESTERLICHES   UND   STAATSWESEN. 

Varietäten   in  dem   genetischen  Aufsteigen  von  niederen  zu  höheren 
Bildungen  zu  verfolgen. 

Hieraus  ergiebt  sich  die  Bedeutung,  welche  die  Naturvölker  für 
die  Ethnologie  besitzen  müssen.  Bei  ihnen  finden  wir  den  Mensch- 
heitsgedanken (d.  h.  den  Völkergedanken,  der  als  normaler  Durch- 
schnitt den  secundären  Einzelngedanken  vorhergeht)  in  seiner  ein- 
fachsten und  primitiven  Form,  durchsichtig  und  klarj  wie  das  niedere 
Zellengebilde,  und  deshalb  deli  Durchblick  des  Wachst humsgesetzes 
erleichternd,  dessen  Verständniss  dann  den  erforderlichen  Schlüssel 
liefern  wird,  um  auch  den  Organismus  complicirter  Bildungen  zu 
zu  öffnen,  während  in  ihren  labyrinthischen  Verschlingungen,  ohne 
derartig  leitenden  Faden,  beständige  Verirrung  auf  Nebenwege  drohen 
würde.     In  dem  Studium   der  Naturstimme   hat  also  die  Ethnologie, 


im  Grossen  und  Ganzen  wieder  erkennen  zu  können.  In  unserer  Gegenwart  liegt  die 
Sache  anders  und  es  ist  dem  Menschen  weniger  leicht  gemacht.  Die  vorwitzige  Neugier 
des  Menschen  hat  ihn  um  seine  behagliche  Kühe  in  dem  Miltelpunct  des  Bestehenden 
gebracht,  sie  hat  ihn  auf  einer  rollenden  Kugel  hinausgeschleudert  m  das  unendliche 
Weltall ,  wo  seine  Erde  umherkreist ,  ein  Pünctchen  unter  Stemenpünctchen ,  in  deren 
zahllosen  Fülle  sie  fast  unbemerkt  verschwindet.  Niemand  hat  ungestraft  vom  Baume 
der  Erkenntniss  genossen.  Der  in  dem  Geiste  entwickelte  Gedanke  ruft  einen  neuen 
Gedanken  wach ,  der  Gezeugte  zeugt  weiter ,  und  bald  dehnt  sich  in  unabsehbarer 
Weite  ein  Forschungsfeld  nach  dem  andern  vor  den  Blicken  aus,  ohne  dass  wir  den  um- 
gränzenden  Abschluss  mehr ,  als  in  den  allgemeinsten  Umrissen ,  zu  unterscheiden  ver- 
möchten. Gewiss  ist  augenblicklich  nur,  dass  des  Menschen  eine  Reihe  langer  und 
schwerer  Arbeit  erwartet,  um  die  verlorne  Harmonie,  den  Einklang  mit  dem  umgebenden 
All  auf's  Neue  herzustellen.  Die  Lage  des  Menschen  ist  jetzt  eine  weit  ungünstigere  als 
die  seiner  Vorväter,  denn  sie  ist  nicht  mehr  eine  centrale,  sondern  eine  excentrisch,  an 
eine  noch  undefinirte  Stelle  des  Kreises  verlegte;  er  mOss  also  von  vornherein  jede  Hoff- 
nung aufgeben  durch  Deduction  aus  seinem  Sel])st  heraus,  das  makrokosmische  All  ver- 
verstehen zu  können,  denen  die  Rhadien  der  Peripherie  schneiden  sich  nicht  mehr  in  ihm, 
sondern  laufen  nur  ordnungslos  vorüber,  um  in  einem  neuen  Mittelpunct  zusammenzu- 
treffen. Diese  Erkenntniss  ist  es,  die  in  unsrer  Zeit  die  inductive  Forschungsmethode 
inaugurirt  und  als  die  allein  zulässige  proclamirt  hat.  Vor  den  geschärften  Gläsern  der 
Wissenschaft  hat  sich  der  centrale  Herrscherthron  des  Menschen  in  trügerische  Illusionen 
aufgelöst ,  und  mit  ihm  ist  jede  Hoffnung  verschwunden ,  die  Stellung  des  Menschen  zur 
Welt  aus  subjectiven  Deductionen  verstehen  zu  können.  Allerdings  hat  der  Mensch, 
nach  wie  vor,  sein  eigenes  Hewusstsein  zum  Ausgangspunct  der  Rechnungen  zu  machen, 
aber  er  wird  sich  die  ihm  zukommende  Stellung  in  dem  umgebenden  Makrokosmos  erst 
objectiviren  müssen,  um  ihre  genauere  Position  zu  markiren.  Dafür  bedarf  es,  als  erste 
und  nothwendigste  Vorbedingung  ein  inductives  Zusammentragen  der  vorhandenen  Mate- 
rialien ,  um  aus  ihrer  statistischen  L'ebersicht  die  leitenden  Gesetze  zu  erkennen.  Der 
menschliche  Geist  bleibt  der  Träger  jedes  Wissens,  der  Geist  selbst  basirt  auf  seiner 
körperlichen  Gnuidinge  und  der  Mensch  als  irdisches  Geschöpf  kann  sich  der  Abhängig- 
keit von  der  umgebenden  Natur  nicht  entziehen,  vermag  indess  in  Folge  der  dort  erhal- 
tenen Anregungen  durch  die  zunehmende  Schwungkraft  des  Geistes  in  das  Metaphysische  , 
emporzuwachsen . 


AMERICA.  679 

(wenn  ihr  die  wissenschaftliche  Fixirung  wenigstens  einiger  derselben 
vor  völligem  Verschwinden  noch  gelingen  sollte),  die  Stufen  aufzu- 
bauen, ohne  welche  die  Geschichtshallen  der  Culturvölker  den  Natur- 
Naturforschern  unzugänglich  bleiben,  so  oft  er  die  idealen^)  Flüge  der 
Philosophen  zu  controlircn  wünscht;  und  bei  der  in  den  letzten  Jahren 
glücklicherweise  vermehrten  Arbeitzahl  hat  sich  bereits  einiges 
Material  zu  verlässigen  Thatsachen  anhäufen  lassen.  Gleichzeitig  sind 
nun,  seit  der  Globus  durch  Umseglungsfahrten  abgerundet  wurde, 
in  dem  Fortgang  der  Entdeckungen  neue  Gruppen  von  Culturvölkern 
zu  /den  früher  in  Europa  und  westlichen  Asien  vereinzelten  getreten. 
Dass  in  Ostasien  mit  Chinas  alter  Cultur  ein  Rivale  erstehen  würde, 
liess  sich  bereits  seit  Marco  Polo  vermuthen,  und  wurde,  seit  Vasco 
de  Gama  und  Albuquerque  die  Seewege  geöffnet,  rasch  zur  Gewiss- 
heit. In  Indien  erschlossen  sich  mit  Ausdehnung  der  englischen 
Herrschaft  die  heiligen  Bücher  der  Brahmanen,  und  bald  fielen  Streif 
lichter  auf  die  Reiche  Hinterindiens,  auf  die  am  Archipelagus  bereits 
verblühten,  auf  die  in  plötzlichen  Umwandlungsprocessen  verjüngte 
Inselwelt  Japans. 

So  ist  bereits  von  der  alten  Welt  der  Geschichts-Horizont  um 
mehr  als  das  Doppelte  erweitert,  zumal  auch  in  Afrika,  wo  sich 
Aegypten  (nach  classischer  Auffassung)  an  Asien  anschliessen  mag, 
aus  dem  Innern  einige  Halbculturen  hinzutreten,  die  mit  richtigem 
Massstab  gemessen  bei  Proportionsrechnungen  allerlei  wichtige  Auf- 
schlüsse zu  geben  vermögen. 

Unserer  alten  Welt  trat  aber  eine  neue  gegenüber,  unserer  öst- 
lichen Hemisphäre  eine  westliche,  als  die  von  Columbus  eingeschla- 
genen Pfade  zwar  nicht  nach  Zipango  und  Kathay,  jedoch  für  seine 
Nachfolger  zu  den  Culturstaaten  des  nördlichen  und  südlichen  Ame- 

')  Sucht  man  die  ovcta  ausserhalb  dem  ihr  von  Aristoteles  in  dem  vnox%ifU¥Ov  bei- 
gelegten Character  (über  diesen  hinaus) ,  so  stösst  man  bald  auf  jene  Schwierigkeit, 
angesichts  welcher  die  Gnostiker  schliesslich  die  Materie  ganz  und  gar  dualistisch  aus- 
fallen liessen.  Ebenso  wenig  andrerseits  darf  die  Substanz  im  Sinne  rhetorischer  Dialec- 
tic  auf  einer  tabula  logica  den  Kategorien  neben  den  accidentia  angereiht  werden,  indem 
sie  sich  eben  nur  in  der  Wechselwirkung  des  Subjectiven  und  Objectiven  fixiren  lässt,  in 
jenem  Durchschnittspuncte  (gleichsam  gemeinschaftlichen  Endpuncten  der  loca  plana), 
die  innerhalb  des  deutlichen  Gesichtskreises  im  Centrum  des  eigenen  Auges  (innerhalb 
einer,  als  unendlich  und  ewig,  des  oqog  entbehrender  Welt)  einen  nächsten  Anhalt  zum 
Aussetzen  bieten,  und  so  erst  jenes  ,,lux  interior"  entzünden  würden,  worauf  zur  Ver- 
dunkelung der  heidnischen  Disciplinen  gläubig  gehofft  wurde,  höchstens  unter  beihelfendcr 
Hervorrufung  durch  die  Qinque  voccs.  Substantia  (bei  Cicero)  neben  essentia  (atque 
entia),  oiütay,  quam  Plautus  oder  (nach  Spalding)  Flavius  essentiam  vocat  (s.  Quintilian). 
fo  ti  ^¥  tlyiu  ovüia,  tovtov  di  loyos  o  o^uffiog  (^  Aristoteles). 


680  PRIESTERLICHES   UNI)   STAATSWESEN. 

rika,  nach  Peru  und  Mexico,  führten.  Hier  in  der  That,  wie  aus  den 
Berichten  der  ersten  Conquistadores  genugsam  hervorgeht,  war  eine 
fremdartig  neue  Welt  erschlossen,  und  ihr  Studium  verspricht  um  so 
belehrendere  Einblicke,  weil  es  sich  dabei  um  durchaus  selbststän- 
dige und  abgeschlossene  Schöpfungen  handelt,  die  desto  reinere  Ver- 
gleichungspuncte  zu  gewähren  im  Stande  sind.  Auch  in  Asien  zieht 
sich  eine  geographisch  markirte  Grenzlinie  zwischen  der  geschicht- 
lichen Entwicklung  des  Ostens  und  Westens  hin,  dennoch  aber  sind 
bei  steigender  Sturmfluth  mächtiger  Geschichtsbewegungen  oftmals 
Wogen  nach  der  einen  oder  anderen  Seite  hinübergebrandet,  uqd 
bald  hat  sich  ein  an  der  chinesischen  Mauer  gegebener  Anstoss  bis 
nach  Europa  fühlbar  gemacht,  bald  ist  von  Westen  die  Wellenbewe- 
gung  nach  Osten  übergespült. 

Amerika  dagegen  bietet  das  Schauspiel  einer  zwischen  weiten 
Wasserwüsten  isolirten  Culturschöpfung,  die  trotz  der  von  über- 
seeischen Küsten  her  möglichen  oder  erkennbaren  Einflüsse,  in  ihrer 
Gesammtgestaltung  als  eine  originell  unabhängige  aufgefasst  werden 
muss,  und  wenn  als  solche  erforscht,  durch  Gleichungen  mit  den  aus 
der  alten  Culturgeschichte  hergeleiteten  Ergebnissen  den  dafür  ver- 
wandten Zahlen  erst  ihre  relative  Werthbezeichnung  ertheilen  würde. 

Leider  sind  diese  alten  Culturen  für  immer  verloren,  versunken, 
vergessen,  und  mit  ihnen  i.st  gewissermassen  einer  Hälfte  des  Menschen- 
geschlechts seine  Geschichte  abhanden  gekommen.  Vor  dem  unver- 
mittelt schreckhaften  Eingriff  der  asischen  Rasse  brach  der  amerika- 
nische Indianer  widerstandslos  zusammen,  schon  wenige  Jahre  nach  der 
Eroberung  war  der  charakteristische  Typus  der  einheimischen  Cultur 
zerstört,  und  da  diesen  schriftlosen  Völkern  die  Aufzeichnung  der 
Traditionen,  wennüberhaupt  geschehen,  in  vorläufig  unentzifferten  Hie- 
roglyphen verschlossen  bleiben,  sind  sie  uns  nur  durch  kritiklose  Chro- 
nikenschreiber überliefert,  die  allerdings  eine  ausgedehntere  Masse  von 
Beobachtungen  bringen,  als  gewöhnlich  anerkannt  wird,  aber  für  Be- 
nutzung derselben  allerlei  Cautelen  erlangen.  Die  Aussicht  für  eine 
Reconstruction  der  alt-amerikanischen  Geschichte  liegt  in  der  Durch- 
forschung der  aus  den  Alterthümern  erhaltenen  Ueberreste,  die  allein 
in  unverfälschter  Sprache  von  der  wunderbaren  Vergangenheit  reden, 
der  sie  angehören,  und  für  dieselbe  ein  ebenso  untrügliches,  wie 
überraschendes  Zeugniss  ablegen. 

In  Amerika  treten  uns  die  beiden  Categorien  entgegen,  worin 
man  ethnologisch  zu  scheiden  pflegt,  die  Naturvölker  und  die  Cultur- 


CULTUR-ENTWICKLUNG.  681 

Völker,  zwei  Gradationen  in  allmähligen  Uebergängen,  zwischen  denen 
die  Scheidungslinie  nicht  immer  scharf  zu  ziehen  ist. 

Unter  Naturvölker  werden  die  sog.  Wilden  begriffen,  die  cultur- 
losen  Völker  oder  vielmehr  Völker  mit  einem  Minimum  der  Cultur, 
da  ohne  jede  Cultur  die  Existenz  des  Menschen  als  „Werkzeugver- 
fertigendes Thier"  undenkbar  bleibt,  denn  dem  nackt  und  bloss  in's 
Leben  gestellten  Menschen  ist  nur  das  Hilfsmittel  des  Geistes  als 
Waffe  gegeben,  um  gegen  die  Natur  zu  kämpfen  und  seine  Existenz 
zu  sichern.  Dieser  verhältnissmässigen  Uncultur  gegenüber,  die  Cul- 
tur in  selb.stständiger  Lebenskraft  aufgefasst,  dürfen  für  ihren  Beginn 
erst  dann  die  Keime  ausgestreut  gelten,  wenn  der  Mensch  nicht  län- 
ger an  die  Nothweftdigkeit  der  Existenzbewahrung  gekettet,  in  freier 
Geistesthätigkeit  den  Schmuck  und  die  Behäbigkeit  des  Lebens 
schafft,  und  über  die  Tagesbedürfnisse  hinausdenkt ,  um  die  in  der 
Brust  auftauchenden  Räthselfragen  zu  lösen. 

F'ür  solche  Culturentwickelung  müssen  zwei  Bedingungen  gegeben 
sein,  einmal  eine  klimatisch  mittlere  Natur  und  dann  Erleichterung 
des  geselligen  Verkehrs,  welche  beiden  Factoren  sich  in  verschiedenen 
Rücksichten  gegenseitig  ergänzen.  Dementsprechend  finden  wir  selbst- 
ständige Culturen  nur  im  gemässigten  Klima,  das  durchschnittlich  mit 
der  mittleren  Breite  repräsentirt  wird,  aber  auch  in  Berggegenden 
niederer  Breite  durch  die  entsprechende  Höhe  gegeben  sein  kann. 
Die  arctische  Natur  tritt  allzu  feindlich  auf,  so  dass  der  gesammte 
Widerstand  des  Menschen  in  Anspruch  genommen  ist,  um  nur  für 
die  Noth  des  Lebens  zu  kämpfen.  Die  tropische  Natur  ist  wieder 
eine  allzu  gütige  und  reichlich  beschenkende,  so  dass  die  Reaction 
erschlafft  und  das  Leben  in  Unthätigkeit  verträumt  wird. 

Es  bedarf  der  gemässigten  Natur  um  einmal  die  Reaction  anzu- 
regen, und  nachdem  der  Widerstand  überwunden  ist,  durch  die 
Freude  des  Siegs  Gelegenheit  zu  geben,  den  Kampf  freiwillig  fortzu- 
setzen, um  eigene  Geistesgüter  zu  erringen. 

Aber  auch  hier  würde  bei  isolirter  Abgeschlossenheit  eines  ein- 
zelnen Volkes  immer  früher  oder  später  ein  Abschluss  erreicht  sein, 
bei  dem  sich  der  Mensch,  wie  früher  mit  seiner  physischen  Umge- 
bung, sich  jetzt  mit  der  psychi.schen  ins  Gleichgewicht  gestellt  hätte, 
und  auf  unverändertem  Niveau  verbleiben,  wenn  nicht  neue  Reize 
einfielen,  um  beständig  das  Streben  zum  Weiterschaffen  wach  zu 
halten. 

Hierauf  beruht  das  Erforderniss  der  anderen  Vorbedingung,  die 
Nothwendigkeit   der  im  Wechselverkehr  der  Völker  günstigen  Ver- 


n82  PRIESTERLICHES   UND   STAATSWESEN. 

liältnisse,  damit  im  gegenseitigen  Austausch  der  Ideen  die  Cultur  in 
immer  höheren  Spiralen  aufsteige,  bis  zu  den  Regionen  reiner  Civi- 
lisation. 

In  der  arctischen  Natur  hindern  Schnee  und  Eis,  in  der  tropi- 
schen undurchdringliche  Waldmassen,  während  unter  den  auch  in  der 
gemässigten  gefundenen  Hindernissen  die  Wüsten  und  Meere  nur 
auf  den  niederen  Stufen  Barrieren  darstellen,  und  nachdem  solche 
einmal  überwunden  sind,  grade  um  so  wirksamere  Hilfsmittel  für  Ein- 
leitung des  Verkehrs  darstellen. 

Hiervon  zunächst  abgesehen,  finden  wir  als  die  ersten  Adern,  in 
denen  der  Völkerverkehr  strömt,  die  schiffbaren  Flüsse,  wodurch  die 
an  dem  oberen,  mittleren  und  unteren  Flusslauf,  also  unter  verschie- 
denen Umgebungsverhältnissen,  lebenden  Stämme  in  gegenseitigen 
Austausch  und  Abgleich  ihrer  Verschiedenheiten  zu  treten  vermögen, 
und  ebenso  wird  in  den  terrassenartig  aufsteigenden  Bergländern  die 
Förderung  der  Cultur  wach  gehalten  durch  den  Verkehr  zwischen 
den  verschiedentlich  ausgestatteten  Thälern. 

Auf  letzterem  Boden  erwachsene  Culturen  finden  wir  besonders 
in  der  neuen  Welt,  wogegen  in  der  alten  die  Cultur  vorwiegend  an 
die  grossen  Flüsse  geknüpft  ist  und,  gleich  diesen,  zu  dem  von  Häfen 
ausgebuchteten  Küstenlande  führt,  den  Seeverkehr  einleitend.  Die 
geschichtlichen  Belege  hierfür  liegen  auf  der  Hand. 

Die  geographische  Lagerung  der  Länder  zeichnet  dann  die  ge- 
schichtlichen Bahnen  vor,  durch  deren  Lauf  weitere  Entwicklung  an- 
geregt wird,  bald  in  Verleihung  höherer  Civilisationseigenschaften, 
bald  in,  den  Boden  für  neue  Saaten  befruchtenden,  Zerstörungen,  und 
stets  im  Wiederspiel  jener  Phasen,  innerhalb  welcher  wir  die  Völker, 
in-  und  durcheinander,  auf  und  niedersteigen  sehen. 


ANHANG. 


Hinsichtlich  der  Fahrten  Vespucci's,  die  in  Folge  der  dadurch  ver- 
anlassten Veröffentlichungen,  den  Anlass  zu  der  Benennung  America's 
gaben,  heisst  es  bei  Vivien  de  St.  Martin:  „Les  navires  d'Hojeda 
apres  avoir  touche  aux  Canaries  traverserent  obliquement  l'Atlantiquc 
en  suivant  a  peu  prcs  la  meme  direction  que  Colomb,  dans  son 
troisieme  voyage,  et  vinrent  atterrir  a  un  point  de  la  cote  am^ri- 
caine  beaucoup  plus  meridional  que  lile  de  St.  Trinidad,  oü  Colomb 
avait  aborde.  En  remontant  la  cote  au  N.-O.  jusqu'au  golfe  de  Paria, 
reconnu  par  Colomb  entre  la  Trinidad  et  le  continent,  Testime  des 
pilotes  compta  200  Heues,  ce  qui  place  le  point  d'atterrage  sur  la 
cote  de  Guyane,  quelque  part  vers  Sinnamari  ou  la  Maroni.  L'ex- 
pedition  explora  fructueusement  la  cote  des  Perles,  en  continuant 
d'avancer,  ä  l'ouest  en  longeant  ce  quon  nomme  aujourd'hui  le 
Venezuela,  eile  atteignit  le  golfe  de  Maracaibo,  doubla  la  longue 
peninsule,  qui  couvre  au  nord-ouest  ce  profond  enfoncement  de  la 
mer  des  Antilles,  et  ne  s'arreta  quaux  environs  des  bouches  du  rio 
Magdalena,  pour  cingler  de  la  directement  sur  l'ile  d'Haiti"  (und  diese 
Expedition  ,,ne  differe  pas  de  celle  que  Vespuce  a  succinctenient 
decrite  dans  ses  lettres  comme  etant  son  second  voyage,  bien  qu'en 
realite  il  n'eüt  pris  part  ä  aucune  expedition  anterieure).  Dann  folgt 
nach  der  im  Mai  1499  von  Palos  abgegangenen  Expedition  Alon.so 
NiiWs  (welche  ,,venait  non  pas  explorer,  mais  exploiter  la  cote  des 
Perles")  die  Vincente  Yaftez  Pinzons  (18.  Nov.  1499)  „eile  depassc 
la  ligne  equinoxiale  et  le  20.  janvier  1500  eile  vient  rencontrer  le 
continent  meridional  vers  le  8  degre  de  latitude,  la  oü  la  cote  bresi- 
lienne  projette  au  loin  sur  l'Atlantique  l'angle  Ic  plus  oriental  du 
continent  americain"  (beim  Cabo  de  S.  Agostinho  oder  S.  M.  de  la  Con- 
.solacion).  ,, Apres  une  pointe  vers  le  sud  la  flotille  revint  au  nord, 
eile  contourna  l'angle  que  ferme  la  cote  (au  cap  San  Roque)  et 
suivil  la  cote  au  N.-O."  (ju.sq'au  golfe  Paria  et  ä  la  cote  des  Pcrlcs). 


686  ANHANG. 

Nach  dieser  Expedition  (verwechselt  „selon  les  plus  grands  pro- 
babilit^s,  avec  le  deuxieme  voyage  d'Americ  Vespuce")  folgte  die  Reise 
Diego  Lepe's  (1499-  1500)  über  Cap  Augustin  hinaus,  Rodrigo  de 
Bastides'  (rscx)  1502)  zur  Rccognoscirung  der  Tierra  firme  (sowie 
Hojeda's,  Juan  de  Cosa's  u.  s.  w.  bis  1509),  neben  Colons  vierter 
Reise  (1502),  wobei  der  Isthmus  zwischen  Honduras  und  Panama 
erforscht  wurde.  ,,A  travers  cette  suitc  un  peu  confuse  des  explo- 
rations  espagnoles  dans  les  terres  nouvelles  viennent  se  placer, 
de  1501  a  1504  les  deux  dernieres  navigations  (la  troisi^me  et  la 
quatri^me)  d'Americ  Vespuce".  Wenn  es  sich  nachweisen  Hesse,  dass 
Ve.spucci  (bemerkt  Varnhagen)  Juan  de  la  Cosa  auf  der  Fahrt  nach 
dem  Golf  von  Darien  begleitet  hätte,  nous  „aurions  pour  le  navigateur 
florentin  un  cinqui^me  voyages  (vor  seiner  Ernennung  zum  Piloto 
Mayor). 

On  Wednesday,  the  22  of  Avril  Cabral  pcrceived  the  rounded 
top  of  a  mountain,  on  what  he  at  first  supposed  to  be  as  island, 
and  as  they  were  then  in  he  Holy  Week  or  in  the  octavo  of  Easter, 
he  gave  the  mountain  the  name  of  Monte  Pascoal.  It  forms  part 
of  the  chain  of  the  Ay mores  in  Brazil.  To  the  country  he  gave 
the  name  of  Vera  Cruz  or  as  it  was  afterwards  called  Santa  Cruz, 
which  name  it  retained  tili  the  importation  from  it  into  Europe  of  the 
valuable  dye-wood  of  the  Ibirapitanga  caused  it  to  be  called  ßrazil 
from  the  name,  which  for  centuries  had  been  given  to  similar  dye 
woods  imported  from  India.  On  the  23  Nicoiao  Coelho  was  depatched 
to  examine  the  coast.  On  the  24  they  anchored  in  the  bay  afterwards 
named  Porto  Seguro.  On  the  i  of  May  formal  posse.ssion  was  taken 
of  the  country  for  Portugal  (s.  Major),  Caspar  de  Lemos  wurde  dann 
mit  der  Nachricht  nach  Portugal  zurückgeschickt.  Am  20.  Januar 
desselben  Jahres  „Pinzon  had  discovered  Cape  St.  Augustine'*,  damals 
Santa  Maria  de  la  Consolacion  genannt  (von  Vicente  Yanez  Pinzon 
und  Arias  Perez),  und  von  Diego  de  Lepe,  der  einen  Monat  .später  ab- 
gefahren war,  Rostro  hermoso. 

Zu  Seite  5. 

Als  die  von  einem  Schiffe  aus  Marseilles  begründete  Factorei 
durch  die  portugiesische  Regierung  an  Duarto  Coelho  Pereira  über- 
geben war:  the  line  of  coast  between  the  Rio  de  San  Francisco  and 
the  Rio  de  Juraza  was  granted  to  him;  he  came  himself,  with  bis 
wife  and  children,    and   many  of  his   kinsmen  to   begin  the  colony, 


BRASILIEN.  6H7 

and  landed  in  the  port  of  Pernambuco  (through  an  opening  in  a 
long  stone  reef).  ,,0  que  linda  situagam  para  se  fundar  huma  Villa", 
Duarte  Coelho  is  said  to  have  exciaimed  on  beholding  it,  and  hence 
the  town  was  called  Olinda  (s.  Southey).  Macedo  unterscheidet,  neben 
Olinda  (der  alten  Hauptstadt)  Boa-Vista,  als  , .festländischen  Stadt- 
theil",  von  dem  auf  einer  Insel  (am  Eingang  der  Barre  Sao  Antonio) 
gelegenen  Recife. 

Zu  Seite  7. 

Auf  Solis'  Fahrt  (1515)  wurde  die  von  den  Tamoyos  (zwischen 
Goitacazes  und  Carijos)  als  Nitherahi  oder  Agua  (Hi)  escondida 
(nithero)  bezeichnete  Bucht  von  Rio  de  Janeiro  entdeckt. 

Die  Gebirgszüge  neben  der  Hauptstadt  begreifen  „einen  bedeu- 
tenden  Zweig  der  östlichen  Kette,  zu  der  die  Züge  von  Bangü  und 
Jacarepagua  im  Süden  gehören,  bald  nachher  zieht  sich  die  Tijuca 
hin,  bildet  einen  Halbkreis  und  trennt  die  Quartiere  Larangeiras  und 
Cattete  von  Andarahy,  EngenhoVelho,  Rio  Comprido  u.  s.  w.,  die 
sich  an  der  entgegengesetzten  Seite  hinziehen,  endet  aber  schliesslich 
in  der  Mitte  der  Stadt  unter  der  Bezeichnung  Santa -Teresa- Berg. 
Ausserdem  sieht  man  in  verschiedenen  Theilen  der  Stadt  Berge  sich 
erheben,  wie  der  San  Antonio,  der  dem  fast  am  Meere  liegenden 
Castellberge  sehr  nahe  ist.  Diese  Berge  scheinen  die  Endpunctc 
der  Tijuca-Kette  zu  sein,  sowie  der  Gloria-Hügel,  welcher  gleichfalls 
am  Meere  liegt,  und  andere,  die  bis  Botafogo  laufen.  Südlich  von 
der  Hauptstadt  erhebt  sich  der  culminirende  Pic  der  Tijuca,  der 
höher,  als  der  Corcovado,  die  Gavea  und  der  am  Eingang  der  Bai 
von  Rio  de  Janeiro  belegene  Zuckerhut  (Pa"b  de  Assucar)  zu  eincM* 
beträchtlichen  Höhe  steigt  (s.  Macedo). 

Der  Pa"b  de  Assucar  bildet  die  Füsse  des  Riesen,  der  Corcovado 
die  Kniescheibe,  die  Dous  Irmaos  (Tijuca  und  Pico  do  Papagayo) 
die  über  den  Bauch  gefalteten  Hände  und  die  Gavia  (Lord  Hood's 
Xose)  den  Kopf 

Die  Gebirgszüge  der  Provinz  Rio  de  Janeiro  (nach  J.  M.  de  Macedo) 
erheben  sich  in  folgender  Reihenfolge:  Die  Serra  Batatal  (auch  in 
Espirito  Santo),  Gaviao,  Frecheiras,  Sa"b  Antonio  c  Mantiqueira  und 
später  in  der  Richtung  von  Westen  nach  Süden  das  Carioca-,  Ariro-, 
Bacaina-,  Geral-  und  Paraty- Gebirge.  Im  Innern,  wenn  man  die 
Provinz  durch  den  F'luss  Parahyba  getheilt  annimmt,  zeichnen  sich 
im   nördlichen  Theile  die  der  Serra  da  Mantiqueira  zunächst  belege- 


688  ANHANG. 

neu  Züge  da  Pedra  Seilada,  das  Minhocas,  do  Rio  Bonito,  de  Tay- 
nara,  das  Cruzes  und  das  Aboboras  in  dem  Landstriche  aus,  welcher 
bis  zum  Ufer  und  Zusammtfnfluss  der  l^arahybuna  reicht.  An  der 
anderen  Seite  der  Parahyba  folgen,  von  Westen  ausgehend,  die  Ge- 
birge das  Lages,  itaguahy,  Pirahy,  Macacos,  Rodeio,  dos  Mendes 
und  Santa  Anna,  ausser  anderen  mit  verschiedenen  Namen,  die  nur 
Oertlichkeiten  bezeichnen,  nicht  aber  besondere  Gebirge,  während 
einige  der  genannten  einen  vollkommenen,  fortgesetzten  Zug  bilden. 
Sodann  entwickelt  sich  nach  Osten ,  nahe  dem  Meere ,  das  Orgel- 
gebirge, welches  sich  wie  eine  ungeheure  Mauer  angesichts  des  west- 
lichen Theils  der  Bai  von  Rio  de  Janeiro  erhebt,  auch  örtliche 
Namen  annimmt,  wie  Gebirge  von  Theresopolis,  Estrella,  Petro- 
pohs  u.  s.  w.,  sich  von  Norden  nach  Nordosten  mit  mehr  oder 
weniger  interessanten  Zweigen  zieht,  die  verschiedene  Namen  führen, 
wie  Kette  von  Paquequer,  Sa<)  Joa"b,  Capini,  Agua  Quente,  Macacü, 
Santa  Anna,  Friburgo,  Imbe,  Macapä,  die  in  nördlicher  Richtung 
in's  Innere  laufen,  während  das  von  Sab  Joao,  woraus  der  gleich- 
namige Fluss,  der  in  der  Barra  de  Santo  Joao  au.smündet,  entspringt, 
und  die  von  Crubixaes,  Santo  Antonio,  Quimbira,  Berta,  Iriry  und 
andere,  die  sich  nach  Osten  wenden  und  näher  dem  Meere  zeigen 
(dann  locale  Bezeichnungen,  wie  Subaio,  Macahe  u.  s.  w.).  Alle 
die  Züge  des  südöstlichen  Theiles  der  Provinz,  der  sich  zwischen 
dem  rechten  Ufer  des  Parahyba  und  dem  Meere  ausdehnt,  gehören 
augenscheinlich  dem  System  der  östlichen  Kette  oder  Serra  do  Mar 
an.  Die  des  ausgedehnten  Bezirkes  zwischen  der  Mantiqueira  und 
dem  Flusse  Parahybuna  an  der  andern  Seite  des  Parahyba  sind  oder 
.scheinen^Verzweigungen  oder  Ausläufer  der  Cordillera  do  Espinhago 
zu  sein.  Die  Grenzgebirge  des  Westens  und  Südens  gehören  zur 
östlichen  Kette  (s.  Nogiieira  und  Schiefler  in  Uebers.). 

„In  der  Serra  do  Mar,  welche  sich  an  der  Küste  hinzieht,  sind 
Granit  und  Gneiss  die  herrschende  F'elsart.  Das  Orgelgebirge  in 
der  Gegend  von  Rio  de  Janeiro  i.st  ein  Theil  derselben.  Der  Granit 
erstreckt  sich  nordwärts  bis  an  die  Fälle  des  Rio  Jequitinhonha  oder 
Belmonte  und  des  Rio  Maranhao  bei  S.  Pedro  d  Alcantara.  In  den 
Niederungen  stösst  er  in  vielen  mehr  nach  Westen  liegenden  Puncten 
der  Capitania  Minas  (leraes  und  Goyaz  zu  Tage"  (s.  Pohl). 

Serra  dos  Orgaos  (separada  da  Cordilheira  dos  Aimores  pelo 
rio  Macacü)  offerece  uma  serie  de  pontas  ou  picos  inaccessiveis  que 
se  parecem  com  os  canudos  dos  orgaos,  o  maior  dos  quaes  se  aclia 
3600  pes  acima  do   Nivel   do  Mar  (s.  Ailliaud).     Der  Pao  d'Assucar 


LA   PL  ATA.  689 

scheint  hingestellt  „como  de  industria  para  indicar  a  entrada  da 
Bahia  de  Nitherohi  ou  do  Rio  de  Janeiro.  Nelle  fenece  a  serrania 
que  jaz  ao  occidente  da  entrada  da  Bahia,  e  parece  ser  os  pds  do 
gigante  ou  genio  que  preside  aos  destinos  do  Brazil,  quandö  com 
attentos  olhos  do  alto  mar  o  contemplao  as  pessoas  dotadas  de 
imaginagao  Antolha-se-lhes  deitado  o  gigante,  e  com  os  ondulagoes 
dos  picos  das  Serras  fronteiras  al  mar,  cuidäb  distinguir-lhe  a  cabega, 
pescogo,  peito,  barriga  e  joelhos.  O  cume  deste  enorme  penhasco 
asemelha-se  a  um  pao  d'assucar"  (de  puro  granito). 

Zu  Seite  8. 

The  Brazil  current  (gleicher  Quelle  mit  dem  nach  der  caribischen 
See  strömenden  St.  Roque's)  is  supposed  to  be  divided  by  Cape 
St.  Roque,  one  branch  going  to  the  south  under  his  name,  the  other 
to  the  westward.  This  last  has  been  a  great  bug  bear  to  navigators 
principally  on  account  of  the  difficulties,  which  a  few  dull  vessels 
falling  to  leeward  of  St.  Roque  have  found  in  beating  up  against  it, 
bemerkt  Maury,  und  weiter  über  „the  St.  Roque  current":  This  current 
has  been  an  obje'ct  of  special  investigation  during  my  researches 
connected  with  the  Wind  and  Current  Charts  and  the  result  has 
satisfied  me,  that  as  a  rule  it  is  neither  a  dangerous  nor  a  constant 
current,  nothwithstanding  older  writers.  Horsburgh,  in  his  East 
India  directory  cautions  navigators  against  it  and  Keith  Johnston,  in 
his  great  Physical  Atlas,  published  in  1848,  thus  speaksofit.  „This 
current  greatly  impedes  the  progress  of  those  vessels,  which  cross 
the  equator  west  of  23**  west  longitude,  impelling  them  beyond 
Cape  St.  Roque  when  they  are  drawn  towards  the  northern  coasts 
of  Brazil,  and  cannot  regain  their  course  tili  after  weeks  or  months 
of  delay  and  exertion".  So  far  from  this  being  the  case,  my 
researches  abundantly  prove,  that  vessels,  which  cross  the  equator 
five  hundred  miles  to  the  west  of  longitude  23  ^  have  no  difficulty 
on  account  of  this  current  in  Clearing  that  cape  (1874). 

Zu  Seite  9. 

Nachdem  bereits  Sanlucar  (1508),  Juan  Diaz  de  Solis  und  Vicente 
Yaftez  weit  nach  Süden  gelangt  waren  und  Solis  (1512)  in  den  La- 
Plata  eingefahren  und  die  Mündung  des  Parana  Guazü  erreicht  haben 
soll  (nach  Azara),   folgte  dann  (1515)    die    Fortsetzung   dieser  Ent* 

Bastiao:  America.  I.  44 


.  • 


690  ANHANG. 

deckungen  auf  den  ebenfalls  von  Juan  Diaz  de  Solls  befehligten  Schiflfen, 
welche  „entraron  en  un  puerto  que  SoHs  denominö  de  Candeiaria" 
oder  (wie  vermuthet  wird)  „el  actual  puerto  de  Maldonado"  (s.  Lobo 
y  Riudavets).  „Aqui  tomaron  posession  del  pais  por  la  Corona  de 
Castilla,  y  penetraron  luego  por  una  grande  abra,  ä  la  que  dieron 
el  nombre  de. Mar  dulce  por  lo  poco  saladas  que  eran  sus  aguas 
(und  Martin  Garcia  fuhr  den  Solis  bezeichneten  Fluss')  bis  zu  der 
nach  ihm  genannten  Insel  aufwärts). 

Die  Quellen  des  Paraguay  liegen  in  der  Nähe  der  des  Tapajoz, 
als  Arihos  (während  der  Juruena  westlicher  entspringt)  in  dem  Sumpf- 
terrain der  Sieben  Lagunen.  Ueber  die  grosse  Wasserscheide  in 
Südamerica  (eine  Sierra  de  Vertientes)  bemerkt  Haenke:  „La  cordillera 
interior  6  la  de  los  Andes  que  desde  Quito,  con  corta  diferencia, 
siguiö  el  rumbo  de  N.-O.  a  S.  E.  äntes  de  llegar  ä  los  confines  de 
la  provincia  de  la  Paz  en  los  i6^  de  latitud  austral,  forma  primero 
una  incurvacion  6  un  seno  considerable  y  de  el  variando  su  rumbo 
antiguo,  tuerce  ahora  mas  al  estc,  apartändose  de  este  punto  mas  ä 
lo  interior  6  al  centro  del  continente.  Hsta  variacion  causa  el  efecto 
de  producir  en  corta  distancia  el  punto  ö  la  linea  notable  que  deter- 
mina  la  direccion  y  el  curso  de  las  aguas  ä  ambos  lados,  quiero 
decir  al  N.  y  al  S.  ä  los  dos  comunes  desaguaderos  de  todo  el  con- 
tinente, el  rio  de  las  Amazonas  y  de  la  Plata.  Esta  linea  importante 
cae  algo  mas  adelante  de  los  i8®  de  latitud  austral  y  aparta  las 
aguas  de  uno  y  otro  lado  segun  la  declividad  y  la  caida,  que  pre- 
sentan  las  serranias  al  N.  ö  al  S.,  y  el  rio  de  las  Amazonas  recibe 
ahora  por  la  internacion  mayor  de  la  cordillera  häcia  el  este,  no 
solamente  sus  aguas  del  poniente,  sino  tambien  del  sur,  y  aun  un 
gran  parte  de  ellas  del  mismo  este". 

La  fleuve  de  la  Plata  commence  par  34**  lat.  S.  ä  la  reunion  du 
Parana,  qui  vient  du  nord-ouest  avec  l'Uruguay,  lequel  descend 
directement  du  nord.  Les  deux  rivieres,  en  melant  leurs  eaux, 
forment  un  courant  d'eau  douce,  qui  a  d^s  labord  une  largeur  de 
8  Heues  et  va  s  elargissant  successivement  jusqu  ä  ce  qu'enfin,  70  Heues 
plus  bas,  entre  les  caps  Sainte- Marie  (34''  37')  et  Saint -Antoine 
(36^  19'),  il  se  confond  avec  l'ocean  (s.  de  Moussy). 


*)  Nach  Cabot's  Verkehr  mit  den  Albeguas,  Caracaras  und  Timbus  gab  er  an 
Calderon  und  Barto  neben  dem  in  Spanien  abzustattenden  Bericht  einige  Indianer  mit 
und  (um  die  Entdeckungen  herauszustreichen)  les  ocurriö  adomar  los  Indios  que  llevaban 
con  planchuelas  y  otras  bagatelas  de  plata  en  las  orejas,  cuello  y  brazeletes,  dando  ^ 
entender  eran  adomos  usados  en  su  pais  (des  Rio  de  la  Plata). 


PARANA.  691 

Jenseits  des  Salto  grande  (als  Ende  der  Schifffahrt)  der  Uruguay 
,,regoit  les  branches  tr^s-secondaires,  designees  sous  le  nom  d'Uruguay- 
Pita  et  d'Uruguay-Mini,  puis  le  Rio-Pepiri-Guazu,  limite  entre  la  Con- 
federation  et  le  Brasil.  Enfin  la  branche  principale,  appel^e  par  les 
Bresiliens  Rio-de-las-Canoas,  cache  sa  source  au  milieu  des  montagnes' 
boisees  de  la  province  de  Sainte- Catherine,  entre  le  27^  et  le  26® 
degr^  de  latitude,  formant  ainsi,  depuis  les  Missions,  un  grand  demi- 
cercle  dont  Fextremite  superieure  va  chercher  Test". 

Die  Quelle  des  Parana  (auf  der  ^Wasserscheide  des  San-Francisco 
und  des  Paranahyba)  „est  non  loin  de  la  ville  de  Goyaz  ä  Torigine 
du  ruisseau  Corumba,  lequel,  grossL  par  des  torrents  sans  nombre, 
forme  d^jä  une  puissante  rivi^re  pres  du  village  de  Bomfin.  Comme 
affluents  principaux,  ce  cours  d'eau  regoit  le  Paranahyba,  qui  ne  lui 
est  pas  inferieure  en  largeur,  le  Rio-das-Fornas,  remarquable  par  une 
belle  cascade  de  63  m^tres  de  haut,  puis  plus  au  sud,  le  Rio-das- 
Velhas,  et  plus  bas  enfin  le  Rio-Grande,  qui  prend  sa  source  par 
21**  pr^s  du  bourg  de  Queluz,  arrosant  ainsi  une  partie  du  sud  de 
la  province  de  Minas.  Cest  a  partir  de  la  jonction  de  cette  demi^re 
rivi^re  que  la  Corumba,  qui  a  change  plusieurs  foi  le  nom,  perd  celui 
de  Parana".  Die  Vereinigung  mit  dem  Paraguay  erfolgt  unterhalb 
der  Vuelta  de  Humaita,  nachdem  jener  bei  der  Vuelta  de  la  Mon- 
terita  den  Rio  Vermejo  aufgenommen,  entstanden  aus  „la  reunion  de 
varias  fuentas  en  las  alturas  de  Tarija"  (s.  Arenales),  wie  der  Pilco- 
mayo  in  den  Höhen  von  Potosi  (provincia  de  Porco). 

Nach  der  Ermordung*)  Juan  Diaz'  de  Solis,  begannen  die  Kriege 
mit  den  Charrua  (s.  Felix  de  Azara).  Desde  el  principio  quisieron 
los  Espaftoles  fijarse  en  su  pais,  haciendo  algunas  obras  en  la  colonia 
del  Sacramento,  luego  un  fuertecillo  y  en  seguida  una  ciudad  en  la 
boca  del  rio  de  S.  Juan,  y  despues  otra  donde  el  rio  de  S.  Salvador 
entra  en  el  Uruguay.  Pero  todo  lo  destruyeron  los  Charrüas,  quienes 
aunque  no  pudieron  embarazar  el  que  los  Portugueses  se  fijasen  el 
afto  de  1679  en  la  isla  de  S.  Gabriel  y  en  la  costa  immediata  ä  la 
colonia  del  Sacramento,  nunca  les  permitieron  salir  un  paso  de  sus 
murallas.  Cuarenta  y  siete  aftos  despues  se  edificiö  el  fuerte  y  ciudad 
de  Montevideo,  cuyos  valientes  Espaftoles  rempujaron  ä  los  Charrüas 
hacia  el  Norte,  wo  sie  sich  nach  Unterwerfung  der  Yaros  und  Bohanes 


1)  Auch  die  Expedition  Cabot's  erlitt  schwere  Niederlagen,  ebenso  die  Ayola's  mit 
der  folgenden,  und  der  energische  Character  der  dortigen  Stämme  tritt  zugleich  in  der 
Über  das  tragische  Ende  Lucia  Miranda's  (Hurtado's  Gattin)  erhaltenen  Romanze  hervor, 
und  in  den  Anschlägen  der  Timbue«  unter  ihrem  Häuptling  Mangold  (Bruder  Siripio's). 

44* 


692  ANHANG. 

und  Vertreibung  der  Ghanas,  mit  den  Minuanes^)  verbindend  (noch 
übrig  von  der  Reduccion  de  Caiasta),  mit  Bogen  und  Pfeil,  neben 
der  Lanze  kämpfend,  „jamas  han  conocido  las  bolas"  der  Querandis 
(Puelches)  oder  Pampas,  welche  wieder  „no  usan  arcos  ni  flechas 
(mit  Aucas  und  Verwandten,  sowie  mit  Balchitas,  Uhiliches,  Tel- 
melchis  u.  s.  w.  grenzend). 

Die  bei  der  Entdeckung  angetroffenen  Guaranis  zerfielen  in 
Imbeguas,  Caracaräs,  Timbüs,  Corondäs,  Colastines,  Tucagues,  Cal- 
chaquis,  Quiloazas,  Ohomas,  Mongoläs,  Acaai,  Ytati,  Tois,  Tarois, 
Curupaitis,  Curumiais  u.  s.  w.  No  hay  mas  Guaranis  libres  (1800) 
sino  los  Chiriguanas  y  algunos  Uamados  Coaiguas  (montesinos)  en  el 
Paraguay,  dann  die  Guaranis  der  Missionen,  als  ansässig  gegenüber 
den  schweifenden  Tupis^)  (zwischen  S.  Angel  und  S.  Javier).  Ausser- 
dem werden  bei  Azara  genannt  (s.  Losada):  Guayanas  (am  Rio 
Guairai),  Nalicubgas,  Guasarapös,  Guatos*),  Orejones  oder  Aginteque- 
dichagas,  Niuquiquilas  (Simanos  oder  Barcenos)  oder  Potereros 
(Lathanos),  Guanas*)  (Apianche  oder  Chane)  oder  Sologuä  (1673  den 
Paraguay  überschreitend),  in  Layana,  Ethelenoe  oder  Quiniquinao, 
Chabarana  (Choroana)  oder  Echoaladi,  Cainacono  oder  Nigoteribufe, 
Ynmaeno  Tay  und  Yamocö  unterschieden  („los  Albaias  les  llaman 
sus  esclavos"  wegen  der  geleisteten  Felddienste),  Albaias  (Tajuanich 
oder  Guaiquiles)  in  Echiquebö,  Gueteadebo  und  Catiquebö  zerfallend, 
Payaguas  (Cadique  oder  Sarigues  und  Siacuas  oder  Tacumbus), 
Guaycurus^)    (durch  Abortus  ausgestorben,    bis  auf  die  Reste  unter 


1)  Tienen  de  muy  singular  el  que  los  padres  solo  cuidan  de  los  hijos  hasta  des- 
mamarlos.  Entonces  los  entregan  h  algun  pariente  casado  o  casada,  sin  volverlos  ä 
admitir  eu  su  casa  ni  tratarlos  como  hijos. 

*)  Die  in  Brasilien  den  Tupi  (als  Tupinambas  mit  Tamoyas)  beigelegte  Verallge- 
meinerung (im  Anschluss  an  die  Lingoa  general)  wurde  von  den  Missionären  Paraguay's 
den  Guarani  zuertheilt,  und  diesen  friedlich  umgestalteten  „Kriegern"  (bei  Ruyz)  erschienen 
dann  die  Tupi  wieder  (in  dem  Character  nördlicher  Tapuyas)  als  wilde  Barbarenhorden 
(s.  Azara).  Los  Guaranis  de  las  Missiones  ö  pueblos  del  Uruguay ,  tienen  terror  pänico 
a  los  Tupis.  (La  pusilanimidad  es  el  cardcter  que  mas  resplandece  y  distingue  los 
Guaranis). 

')  Luego  que  descubren  que  alguno  les  mira,  se  ocultan  entre  los  juncos  y  espadadas 
(ihrer  Lagune). 

*)  Tienen  la  costumbre  de  que  el  primogenito  del  cacique,  sea  repatado  por  cacique 
vivtendo  el  padre,  de  todos  los  que  nacen  algunas  lunas  antes  y  despues  que  ^1.  Vor 
der  Heirath  ,,estipula  el  pretendiente  con  la  novia  en  presencia  de  sus  padres  y  parieutes 
el  genero  de  vida  comun  y  las  obligaciones  de  cada  contrayente  (s.  Azara). 

*)  Früher  begruben  sie  die  Todten  sitzend,  dejändoles  la  cabeza  fuera  cubierta  con 
una  olla  ö  campana  de  barro  cocido.  In  der  Trunkenheit  am  Schluss  des  Jahresfestes 
iicogen  unos  k  otros  la  came  que  queden  de  un  pellizco,  y  la  atraviesan  de  parte  a  parte 


ISTHMUS.  693 

den  Tobas),  Lenguas  (Juiadge  oder  Cocoloth)  oder  Cadalü  (Quies- 
magpipö  oder  Cochaboth),  Machicius  (Mascoi)  oder  Cabauataich  (als 
Cuomoquignion ,  Cabanatath,  Quienuanapon,  Quiabanataba,  Cobaite, 
Cobastigel,  Eusegicpop,  Quioaice,  Quiomomcomel,  Quioaoguaina, 
Quiaimmanagua,  Quiabanaelmaiesma,  Quiguailieguaipon,  Siquietiya, 
Quabanapuaisie ,  Yoteaguaienceue,  Painuhunquie,  Sanguotayamoctae, 
Apieguhem),  Guimagas  (Esaboste  oder  Cochabot),  Guentuses,  Tobas 
(Natecoet  oder  Yncanabait^) ,  Pitilagas,  Aquilot,  Mocobis  (am  Ypita 
oder  Bermejo),  Abipones  (Ecusgina  oder  Quiabanabaite),  Taraies  (am 
Rio  Taurü)  oder  Bororös,  Churripis  (mit  Vilelas),  Quilmes  (und 
Calianos),  Chanös,  Porrudos  (dann  Chimenos,  Caracaraes,  Gorgotoquies, 
Paizunoes,  Estarapecocies,  Canderoes,  sowie  Paisenos,  Maigenos, 
Cacocies  u.  s.  w.). 

Zu  Seite  28. 

El  cerro  de  Santa  Lucia  llamado  Huelen  (dolor)  por  los  primi- 
tivos  y  supersticiosos  habitantes  del  Mapocho,  es  y  era  una  verdadera 
maravilla  antes  de  darse  el  primer  golpc  de  azada  que  lo  ha  trans- 
formada  (folgt  die  Aufzählung:  maravilla  natural,  historica,  relijiosa, 
urbana). 

Zu  Seite  351. 

* 

La  Bahia  de  Fonscca  es,  segun  el  distämen  do  todos  los  nave- 
gantes,    el    mejor    puerto  de  toda  la  Costa  occidental  de  continente 


con  un  punzon  de  palo,  ö  con  una  gruesa  espina  de  Raya.  Lo  mismo  repiten  con  inter- 
valos  mientras  dura  el  dia,  sin  quedar  uno  que  no  estd  atravesado  en  las  piernas,  muslos 
y  brazos,  desde  la  roufieca  al  hombro  con  intervalo  de  una  pulgada  de  un  agujero  al  otro. 
Tambien  se  atraviesan  de  parte  k  parte  muchas  veces  la  lengua  y  el  miembro  viril 
(s.  Azara).  Beim  Tode  ihres  Vaters  blieben  (unter  den  Charruas)  die  Söhne  nackt  in 
der  Hütte  verborgen,  comiendo  poco,  y  esto  ha  de  ser  Vuainbu  6  perdiz  6  sus  hucvos. 
La  tarde  segunda  de  este  entierro,  Ics  atraviesa  otro  Indio  de  parte  Ji  parte  la  came, 
que  puede  pillar,  pellizcando  el  brazo  con  un  pedazo  de  cafia  larga  un  palmo,  de  modo 
que  los  estremos  de  la  cafia  salgan  igualmente  por  ambos  lados.  La  primera  cafia  se 
clava  en  la  mufieca,  y  se  pone  otra  a  cada  pulgada  de  distancia  siguiendo  lo  esterior  del 
brazo  hasta  la  espalda  y  por  esta.  Las  cafias  son  astillas  de  dos  ö  cuatro  lineas  de 
anchura  sin  disminucion  sino  en  la  punta  que  entra.  En  esta  miserable  y  espantosa  dis- 
posicion  se  va  solo  y  desnudo  al  bosque  ö  a  una  loma  ö  altura,  Uevando  un  garrote 
punleagudo  con  el  cual  y  con  las  manos  escava  un  pozo  que  llegue  al  pecho.  En  el 
pasa  de  pi^s  el  resto  de  la  noche  y  ä  la  mafiana  se  va  a  un  toldo  ö  casa ,  que  siempre 
tienen  preparado  para  los  dolientes,  dondc  se  quita  las  cafias,  y  se  echa  dos  dias  sin 
comer  ni  beber.  AI  siguiente  y  en  los  dias  sucesivos  hasta  diez  6  doze,  le  llevan  los 
muchachos,  de  su  naciou  agua  y  algunas  perdices  y  sus  huevos  ya  cocidos,  y  sc  los  dejan 
cerca,  retirändose  sin  hablarle. 


694  ANHANG. 

americaiio.  Tiene  cerca  de  50  millos  de  largo  de  N.  a  S.  30  de 
ancho.  Tal  vez  estaba  destinado  a  ser  un  lago  interior  conio  los 
de  Nicaragua,  y  es  fäcil  ver  que  estä  situada  en  la  misma  direccion 
de  estos.  Pero  mas  feliz,  que  aquellos,  posee  una  entrada  al  mar 
por  una  vasta  escotadura  de  18  millas  de  ancho.  Las  märgenes  de 
la  bahfa  estan  desigualmente  repartidas  entre  las  tres  republicas  de 
de  Salvador,  Honduras  y  Nicaragua.  La  primera  tiene  alli  el  puerto 
La  Union,  la  segunda  el  puerto  libre  de  Amapala,  en  la  isla  de! 
Tigre,  y  el  puerto  de  La  Brea,  ä  la  extremidad  N.  de  la  bahia,  ä 
donde  debe  terminar  el  ferro -carril  interoceänico  de  Honduras  via 
Comayagua  y  Puerto  Caballos.  La  parte  setentrional  de  la  Bahia 
presenta  un  archipi^lago  de  islas  volcänicas  muy  interesantes.  La 
parte  meridional  que  pertenece  ä  Nicaragua  no  tiene  grandes  islas, 
pero  presenta  un  frente  de  26  millas  de  costa  desde  el  paralelo  de 
Amatillo  (13^3')  hasta  la  punta  del  Rosario  al  Norte  de  la  perinsula 
de  Conseguifla  (s.  Levy). 

•  Wie  die  Inseln  der  Fonseca-Bay  (zwischen  Nicaragua  im  Süden, 
Honduras  im  Osten  und  San  Salvador  im  Norden  getheilt),  gehören 
Amapala  (Tieger- Insel),  Sacate  Grande  (Velasquez)  und  Disposicion 
zu  Honduras,  während  Conchaguita,  Manguera,  Perez  und  Punta  Sacate 
zu  San  Salvador  zählen.  ,,Der  etwa  19  Seemeilen  breite  Eingang 
des  Golfes  wird  nördlich  durch  den  Vulcan  Conchagua  (5720'),  süd- 
lich durch  den  Vulcan  Conseguina  (3800')  begrenzt,  welche  Vulcane 
als  mächtige  Riesenwächter  der  Bucht  den  Seefahrern  sehr  erwünschte 
Landmarken  darbieten.  Durch  die  umfangreichen  Inseln  Conchaguita 
(500'  hoch),  und  Manguera  (600'  hoch),  wie  durch  die  Felsenklippen 
der  Farallones  wird  die  Einfahrt  in  vier  bestimmte  und  fast  gleich 
breite  Canäle  eingetheilt,  die  sämmtlich  hinlänglich  tief  sind,  um 
auch  den  grössten  Schiffen  den  Eingang  zu  gestatten"  (s.  yiUf  und 
Bai  leer). 

Zu  Seite  439. 

Die  Stadt  Acapulco  liegt  in  der  N.-W.-P2cke  einer  kreisförmigen 
und  sehr  geräumigen  Bucht,  an  einem  natürlichen  Hafen,  der  zu  den 
besten  der  Welt  zählt.  Jedenfalls  ist  dieser  Hafen  der  sicherste  an 
der  ganzen  Westküste  des  americanischen  Continentes.  Es  ist  ein 
von  der  Natur  in  den  Granitfels  der  Küste  gehauenes  Becken  von 
fast  200  F.  Breite.  Die  Einfahrt  von  W.  und  S.-W.  ist  bequem,  das 
Wasser  tief,  der  Ankergrund  ausgezeichnet,  und  selbst  Linienschiffe 


MEXICO.  695 

können  ohne  Gefahr  vor  verborgenen  Klippen  hart  an  den  felsigen 
Ufern  hinlaufen  und  überall  im  Hafen  hinreichende  Tiefe  finden. 
Die  etwa  1V2  Seemeilen  breite  Haupteinfahrt  wird  östlich  von  Point 
Bruja,  westlich  von  Point  Grifo  begrenzt  und  fuhrt  in  der  Richtung 
NNO.  per  Compass  nach  der  weit  sichtbaren,  148  Fuss  hohen,  weissen 
Felsenklippe  Farallon  de  Obispo.  Diese  Einfahrt  ist  völlig  rein, 
29 — 30  Faden  tief  und  daher  ohne  alle  Gefahr.  Der  gewöhnliche, 
vollkpmmen^  sichere  Ankergrund  ist  südlich  vom  Fort,  der  Stadt 
gegenüber,  in  ii — 13  Faden,  muddigen  Boden  (y«^  und  Baileer). 

Die  Bai  von  Acapulco,  von  welcher  ehedem  die  reichen  Manilla- 
Gallionen  ausliefen,  mittels  welcher  Spanien  den  Handel  zwischen 
Mejico  und  den  Philippinen  unterhielt,  bildet  ein  ausserordentlich 
weites,  von  Granitfelsen  rings  umgebenes  Becken  gegen  Süd-Südost 
offen,  und  von  Ost  nach  West  mehr  als  19,700  Fuss  breit.  Schiffe 
können  mit  der  grössten  Leichtigkeit  in  die  Bucht  einlaufen,  die 
Einfahrt  ist  breit,  das  Wasser  nicht  zu  tief,  der  Ankergrund  gut. 
Die  Felsenküsten  sind  so  steil,  dass  ein  Linienschiff  ohne  alle  Gefahr 
dicht  an  ihnen  hinlaufen  kann;  es  findet  fast  überall  10 — 12  Brassen 
Wassertiefe.  Verborgene  Gefahren  sind  nirgend  vorhanden,  und  die 
Schiffe  liegen  hier  so  sicher,  als  im  Becken  eines  Dockes.  Vom 
Innern  des  Hafens  kann  man  die  See  nicht  sehen,  so  dass  ein  zu 
Lande  ankommender  Fremder  anfangs  einen  abgeschlossenen  Binnen- 
see vor  sich  zu  haben  glaubt.  Die  kleine  Insel  de  la  Roqueta  oder 
del  Grifo  liegt  so  vor  der  Bai,  dass  fnan  durch  zwei  Pässe  in  die- 
selbe einlaufen  kann.  Der  schmälere  Pass,  Boca  Chica  genannt, 
bildet  einen  aus  Ost  in  West  gerichteten  Canal,  und  hat  zwischen 
der  Punta  del  Pinär  und  der  Punta  del  Grifo  nur  800  Fuss  Breite, 
die  Boca  Grande  aber,  zwischen  der  Insel  Roquita  und  der  Punta 
de  la  Bruxa,  ist  V2  französische  Senmeile  (20  auf  den  Grad)  breit. 
Im  Innern  der  Bai  findet  man  allenthalben  24 —  33  Brassen  Wasser- 
tiefe, mit  Ausnahme  der  einzigen,  kaum  130  Fuss  breiten  Untiefe 
Santa  Ana,  auf  welcher  1781  ein  von  Lime  kommendes  Handels- 
schiff dieses  Namens  zu  Grunde  ging.  Die  Laxas,  Felsen  an  der 
Boca  grande,  der  Farallon  del  Obispo  und  die  kleine  Insel  San 
Lorenzo  bei  der  Punta  de  Icäcos  bringen  keine  Gefahr,  da  sie 
sämmtlich  sichtbar  sind.  Man  unterscheidet  gewöhnlich  den  eigent- 
lichen Hafen  (puerto)  von  der  grossen  Bucht  (Bahia).  Jener  begreift 
den  westlichen  Theil  der  Bucht  zwischen  Playa  grande  und  Ensenada 
de  Santa  Lucia,  und  in  ihm  finden  die  Schiffe  ganz  dicht  am  Lande 
einen   ausgezeichneten    Ankergrund    in   6  bis  10  Brassen  Tiefe.     In 


696  ANHANG.        • 

der  grossen  Bucht  macht  sich  die  Bewegung  des  Meeres  von  Süd- 
westen her  stark  fühlbar,  wegen  der  grossen  Breite  der  Boca  Grande. 
Südöstlich  der  Punta  de  la  Bruxa  findet  sich  der  kleine  Hafen  del 
Marquez,  eine  Bucht  von  etwa  Va  französ.  Seemeile  Breite,  welche 
an  ihrem  Eingange  zwischen  i8  und  20,  im  Innern  8 — 10  Brassen 
Wassertiefe  hat.  Auch  diese  Bucht  könnte  einen  guten  Hafen  ab- 
geben, ist  aber  bis  jetzt  wegen  der  Nähe  der  Bai  von  Acapulco 
nicht  benutzt  worden  (s.  Mühlenpfordt). 


Die  von  Reisenden  in  Südamerika  vielfach  bemerkte  Unsicher- 
heit, mit  welcher  die  Eingeborenen  den  hervortretenden  Berggipfeln 
Namen  beilegen,  ^macht  sich  besonders  auch  an  demjenigen  Gebirgs- 
rücken fühlbar,  der  sich,  durch  die  Wege  von  Honda  nach  Antioquia 
gekreuzt,  als  Wasserscheide  zwischen  dem  Cauca  und  Magdalenen- 
fluss  hinzieht.  So  zeigt  sich  ein  dauerndes  Schwanken  unter  denjeni- 
gen Schneebergen,  auf  welche  bald  die  Bezeichnung  Ruyz,  bald 
Herveo  oder  Isabelita  angewandt  wird.  Bei  meiner  Anwesenheit  in 
Manisales  wurde  vorwiegend  vom  Ruyz  gesprochen,  und  der  neu  ge- 
öffnete Weg,  im  Unterschied  von  dem  schon  einige  Jahre  früher  nach 
Salamina  (besonders  für  die  Zwecke  der  Bergwerke  in  Marmato)  be- 
nutzten, als  der  über  den  Paramo  de  Ruyz  bezeichnet.  Darnach  sind 
auch  die  Angaben  in  der  Reiseroute  verwendet.  Da  indess  bereits 
Codazzi  von  einem  allgemein  gebilligten  Gesichtspunct  die  gegenseitigen 
Lagerungen  in  dieser  Localität  festgestellt  hat,  wird  es  vorzuziehen 
sein,  hieran  festzuhalten,  und  lasse  ich  deshalb  einen  darauf  bezüg- 
lichen Auszug  aus  Perez:  „Jeografia  fisica  y  politica  de  los  Estados 
Unidos  de  Colombia"  folgen,  in  Uebereinstimmung  mit  der  Karte. 

Desde  el  volcan  de  Purace  inclina  la  cordillera  acia  ä  N — E  for- 
mando  el  paramo  de  Guanäcas  cuja  altura  en  el  Camino  que  con- 
duce  ä  Popoyan,  es  de  3,518  metros,  teniendo  cumbres  de  3,750. 
Luego  tuerce  casi  al  N — O.  por  el  paramo  de  Moras,  con  3,670 
metros  de  altura  absoluta;  mas  volviendo  pronto  otra  vez  al  N — E. 
forma  el  nevado  del  Huila. 

El  Huila  ostenta  cual  fuljente  Corona,  tres  moles  cubiertas  de 
nieves  eternas,  siendo  la  mas  alta  la  del  centro,  pues  mide  5,700 
metros  sobre  el  nivel  del  mar.  En  otro  tiempo  el  Huila  debiö  ser 
un  volcan;  hoi  esta  estinguido  o  en  reposo.  Desde  esta  masa  de 
hielos  perpetuos,  que  ocupan  una  estension  de  i  miriämetro,    ya  la 


RüYZ.  697 

Cordillera  Central  tiene  una  direccion  bien  marcada  i  siempre  al  N, 
salvo  una  pequefta  inflexion  acia  el  E.  hasta  Barragan. 

En  dicho  punto  se  destaca  perpendicularmente  al  eje  principal 
de  la  cordillera,  un  macizo  que  arroja  cortos  ramales  al  E.  i  al  N — E, 
viniendo  a  terminar,  o  mejor  dicho,  a  confundirse  con  una  serie  de 
pequeflos  cerros  de  diferente  formacion  jeolojica  paralelos  a  la  direc- 
cion jeneral  de  la  cor-dillera.  Del  flanco  del  Huila  se  desprende  un 
ramal  o  contrafuerte  que,  ramificado,  encierra  el  valle  lonjitudinal 
del  rio  SaldaAa;  al  cual  tributan  sus  aguas  varios  afluentes  en  forma 
de  abanico,  pues  tal  es  la  division  que  hacen  de  sus  cauces  las  hile- 
ras  de  cerros  que  se  destacan  de  la  masa  principal  hasta  el  nevado 
de  Barragan,  exornado  por  un  pico  llamado  Ojo  de  santa  Catalina, 
revestido  etemamente  de  hielo. 

En  este  trajecto  de  9  miriämetros  estän  los  päramos  Isabelilla 
(3,490  metros  de  altura),  Fraile  (3,900),  Chinche  (3,500)  Miraflores 
(3,700)  Cumbarco  (3,400)  i  Barragan  (4,000)  en  cuja  mediania  las  fal- 
das  de  la  cordillera  se  estienden  mas  que  en  otra  parte  acia  el  valle 
del  Magdalena,  ocupando  una  estension  de  9,5  miriämetros,  mientras 
que  al  E.  del  pequefto  nevado  del  Ojo  de  Santa  Catalina,  los  flancos 
escarpados  concluyen  de  uno  modo  repentino  sobre  los  llanos  del 
Chaparral,  en  terminos  que  su  grueso  de  la  cima  al  pie  es  de  solo 
S  miriämetros. 

La  cordillera  sigue  casi  al  N,  i  luego  se  inclina  al  N — E.  para 
tomar  despues  su  primitivo  rumbo  al  N;  sinembargo,  en  la  montaAa 
del  Quindio  vuelve  otra  vez  al  N— E,  i  va  a  buscarvel  nevado  de 
ese  mismo  nombre. 

En  aquel  espacio  de  12,5  miriämetros  se  repite  el  mismo  fenö- 
meno,  pues  que  los  flancos  en  direccion  al  Uano  del  Espinal  se 
estienden  desde  la  cima  8,5  miriämetros,  al  paso  que  los  que  van 
acia  las  Uanuras  de  Ibagu^,  escarpados  i  breves,  miden  solamente  4,5. 

Lo  mismo  sucede  entre  el  Tolima  i  la  mesa  de  Herveo,  los 
cuales  forman  los  limites  australes  i  setentrionales  de  la  sierra  nevada 
del  Quindio.  Parece  pues  que  dondequiera  que  la  cima  de  esta  cor- 
dillera se  alza  hasta  el  limite  de  las  nieves  perpetuas  6  lo  pasa,  la 
elevacion  se  verifica  a  espensas  de  la  base,  la  cual  resulta  mas 
estrecha  que  cuando  la  elevacion  no  pasa  de  la  rejion  de  los  pära- 
mos, i  asi  sucesivamente,  halländose  la  anchura  de  la  base  en  razon 
inversa  de  la  altura  de  las  montaflas,  como  se  observa  mas  al  N.  de 
esos  nevados,  presentando  la  cordillera  una  estensa  base  acia  el  valle 
del  Magdalena. 


698  ANHANG. 

Cäldas  decia  en  „El  Semanario"  que  entra  esas  dos  montaftas, 
Tolima  i  Herveo,  esta  el  päramo  de  Ruiz,  que  no  es  otra  cosa  que 
una  Sierra  erizada  de  puntas  diferentes  i  caprichosas,  de  las  cuales 
unas  tocan  al  termino  inferior  de  la  nieve,  otras  lo  pasan,  i  en  fin 
otras  no  llegan  a  el. 

La  distancia  que  ocupan  estas  montaAas  es  de  6V2  leguas,  i  los 
nevados  se  subdividen  asi :  Tolima,  Quindio,  santa  Isabel,  Ruiz  i  mesa 
de  Herveo. 

La  altura  de  sus  mas  elevadas  nieves,  en  el  mismo  orden,  es  de 
S,6i6,  5,150,  5,100,  5,300,  i  5,590  metros,  cujo  limite  inferior  se  en- 
contro  a  los  4,745,  halländose  neveros  300  metros  mas  abajo  del 
limite  de  las  nieves  perpetuas. 

Casi  al  N.  prosigue  el  eje  principal  de  la  Cordillera  Central  por 
espacio  de  4,5  miriämetros  hasta  el  päramo  de  san  Felix,  donde  se 
orijina  el  rio  de  la  Miel,  Ifmite  boreal  por  esta  parte  con  el  Estado 
de  Antioquia.  La  cordillera  continuä  luego  por  aquel  Estado  rami- 
ficandose  se  diversos  modos  i  disminuyendo  en  altura  i  magnitud  a 
niedida  que  avanza  acia  el  N,  hasta  concluir  deprimida  en  pequeftas 
colinas  en  el  Estado  de  BoHvar. 

Bei  T.  C.  de  Mosquera  heisst  es: 

„La  cordillera  central  sigue  en  una  direccion  paralela  ä  la  orien- 
tal,  desde  los  nevados  de  los  Coconucos  hasta  la  latitud  de  4^  46' 43''^ 
norte,  en  que  esta  la  Sierra  nevada  de  Quindio  y  su  mesa  mas  ele- 
vada  la  del  Herveo,  ä  4**  50',  que  calculö  el  General  Codazzi,  ä  la 
altura  de  5,590  metros.  Este  ingeniero  separa  el  Herveo  del  Tolima, 
de  Ruiz,  de  Santa  Isabel  y  del  Quindio,  dändole  ä  Ruiz  5300  metros 
de  altura  y  ä  Santa  Isabel  5,100,  colocando  los  dos  primeros  neva- 
dos en  el  Estado  de  Antioquia  y  el  ultimo  en  el  Cauca.  Por  nuestras 
propias  observaciones,  estos  nevados  son  una  sola  cadena  y  sus 
nieves  son  contiguas,  y  en  sus  faldas  norte  estan  las  fuentes  del  rio 
Chinchina  y  del  Guali,  y  queda  alli  la  confluencia  de  los  Estados 
de  Antioquia,  Cauca  y  Tolima.  A  la  latitud  de  4"  46' 43"  norte 
comienza  la  Sierra  nevada  del  Tolima,  que  juzgaban  Humboldt  y 
Caldas  ser  la  cima  mas  elevada  de  los  Andes  Colombianos,  y  la 
estimö  el  primero  en  5,584  metros  de  altura  (2865  toesas).  Caldas 
dice,  que  la  inmensa  montafla  de  Tolima  situada  cuasi  al  occidente 
del  Observatorio  de  Bogota,  es  parte  de  la  gran  cadena  nevada  del 
Quindio  y  que  la  masa  cönica  que  la  termina  por  el  Sur  es  el  Tolima 
y  la  del  norte  la  mesa  de  Herveo.  Entre  estas  dos  montaflas  esta 
el  päramo  del  Ruyz,    que  no  es  otra  cosa  que  una  pefta  erizada  de 


HÖHEN. 


699 


puntas  diferentes  y  caprichosas,  de  las  cuales  unas  tocan  al  t^rmino 
inferior  de  la  nieve,  otras  lo  pasan  y  en  fin  otras  no  llegan  ä  ä. 
Con  una  medida  bastante  exacta  determinö  Caldas  que  la  ele- 
vacion  de  Tolima  era  de  2882,7  toesas,  es  decir  5618,38  metros 
y  ä  la  mesa  de  Herveo  le  diö  2871  toesas  en  metros  5595,58, 
de  lo  cual  resulta  una  diferencia  de  altura  entre  el  Tolima  y  Herveo 
de  22,80  metros.  Humboldt  y  Caldas  no  difieren  cuasi  nada,  y  nos- 
otros  creemos  como  Caldas,  que  es  una  sola  Sierra  nevada  del 
Quindio,  y  que  no  deben  multipHcarse  los  nevados  al  hacer  esta 
descripcion.  La  estencion  es  de  pocas  leguas.  La  nieve  perpetua 
estä  en  esta  Cordillera  ä  4805  metros,  segun  observaciones  de  Cal- 
das. Sin  embargo,  de  todos  los  calculos  cientfficos  de  este  sabio 
colombiano,  dice  en  sus  escritos,  que  desea  mas  exactitud,  y 
cuando  escribia,  se  ocupaba  en  nuevas  observaciones.  Este  pico 
y  Volcan  del  Tolima  tiene  häcia  la  parte  occidental  otros  cerros 
menos  elevados  que  Codazzi  ha  llamado  päramo  de  Quindio,  pero 
no  es  sino  un  mismo  grupo  de  crestas  nevadas,  como  hemos  dicho'/ 
<i866). 


Für  einige  der  in  der  Reisebeschreibung  genannten  Puncte  folgen 
hier  die  HöHebestimmungen  nach  den  Veröffentlichungen  der  Herren 
Reiss  und  Stübel:  „Alturas  tomadas  en  la  Repüblica  de  Colombia  en 
los  aflos  de  1868 — 1869"  (Quito  1872)  und  „Alturas  tomadas  en  la  Re- 
püblica del  Ecuador  en  los  aftos  de  1871 — 1873"  (Quito  I.  und  IL,  1871 
und  1873),  werthvolle  Geschenke  (don  de  los  autores),  die  mit  solcher 
Freigebigkeit  gespendet,  Hoffnung  auf  weitere  Mittheilung  aus  den 
Resultaten  dieser  vieljährigen  Reise  erwarten  lassen. 


Harranquilla 

7 

M. 

Zipaquirä,  plaza 

2628  M. 

Carare 

124 

Sutainarchan,  plaza 

2086  ,, 

Nare 

131 

Leiva,  plaza 

2147   n 

Honda 

200 

Tunja,  casa  Monteja 

2764  ., 

Santa  Ana,  casa  del 

Senor 

Treffry     973 

Ventaquemada 

2600  ,, 

Cruccs  viejas 

611 

Hato  viejo 

2727  .. 

El  Salto,  Sarjen to 

1343 

Choconti,  plaza 

2644  ,, 

Guaduas,  plaza 

1036 

Maniziles,  plaza 

2135      M 

Alto  del  Raizal 

174^, 

Santa  Barbara 

1956      M 

Bogota 

261 1 

Santa  Rosa  de  Cabal, 

plaza 

1792      M 

Ejipto  capilla 

2695 

Cartago  viejo  6  Pereira 

i,  pla/a 

1424      .. 

Guadalupe,  capilla 

3260 

Mata  de  cafia,  caserfo 

1349      .. 

Monserrate,  capilla 

3188 

Cartago,  plaza 

912      ,, 

Soachu 

2552 

Naranjo,  plaza 

935  .. 

Tequendama,  filo  de  arriba 

2356 

£1  Sarzal 

9'9  M 

7()0 

La  Paila,  paso  del  rio 

Tulua 

Buga«  plaza 

Cerrito,  plaza 

Palmira,  plaza 

Call,  plaza 

Alto  de  las  Cruccs  de  Cali 

Quito 

Puente  del  Machängara 

Puente  del  Calzado 

Arcadia,  hacienda 

Puente  de  Guamanf 

Puente  de  Cutuglagua 

Santa  Rosa,  altura  del  Camino  entre 

Quito  y  Mach  ach  i 
Tambillo,  tambo 
Machachi,  tambo 
Puente  de  Jarobeli 
Quebrada  Union 
Huinzha,   altura  del  Camino  entre 

Machachi  y  Latacunga 
Chisinche,  cruz  de  Tiupullo 
Santa  Ana  de  Tiupullo,  tambo 
Pic  del  Cerrito  de  Gallo,  carretera 
Puente  del  Rio  Cuilche 
Puente  del  Rio  blanco 
Rumipamba,  hacienda 
Latacunga,  plaza 

Rio  llluche,  puente  de  la  Concordia 
San  Miguel  de  Latacunga,  pueblo 
Rio  Cutuchi,  puento  de  Pansaleo 
Pucarumi,  hacienda 
Unamunchu,  altura  del  Camino  entre 

Latacunga  y  Ambato 
Rio  de  Ambato,  puente  de  la  Liria 
Ambato 

Puente  de  Palagua 
Mocha 

Tambo  de  Chutjuiboquio 
Tambo  de  Culebrillas  (pie  sureste 

del  Chimborazo) 
Valle  de  Trasquilas,   paso 


ANHANG. 

941  M. 

Tambo  de  Totorillas 

3910  M. 

993  M 

£1  Arenal,  punto  roas  alto  del  Camino 

4281   ,, 

960  „ 

Panza,  pi^  del  Arenal 

4>24  M 

975  M 

Quebrada  Panza,  paso 

3323  M 

lOII   ,, 

Loma  Llangama 

3450    n 

1014  „ 

Rio  Llangama,  paso 

3008    ,, 

1487  .. 

Chinibamba 

3298    M 

2850  „ 

Quebrada  Quinoacorral,  paso 

3084    ,, 

2776  „ 

Quinoacorral,  hacienda 

3184      M 

2840  ,, 

Tambo  del  Pucarä,  Llilliucu 

3024      „ 

2954      M 

Guanujo,  pueblo 

2923      M 

3050     M 

Guaranda 

2668      „ 

3055    n 

Sanancajas 

3607      ,, 

San  Andres,  pueblo 

3076      ., 

3086    „ 

Riobamba,  plaza 

2798      .. 

2802    ,, 

Achupallas,  pueblo 

33«7  .» 

2935    .. 

Tres  Cruces,   punto   mas   alto  del 

3190    .. 

Camino  de  Kspindola 

4347  .. 

3472    n 

Puca-loma,  cuchilla  del  Azuay 

4445  M 

Puente  Espindola 

3947  M 

3604    „ 

Paredones,  ediücios  de  los  Incas 

405»  •» 

3552    n 

Travcssia  de  Paredones 

4084  ,, 

3>5o  .. 

Volarumi,  Incaftan  y  Incatambo 

3888  „ 

3123    M 

Rio  Cebadas,   cerca  d  la  hacienda 

3069    „ 

Tajuntama 

3065  M 

2984    M 

Incapirca,   castillo   de  los  Incas  y 

2848    ,, 

hacienda 

3I8I       M 

2801    ,, 

La  Playa,  hacienda 

3044  .. 

2730    n 

Rio  Molobog  en  el  paso  de  Guai- 

2700    ,, 

rapungu 

3041      M 

2668  ,, 

Caspicorral,  altura  del  Camino  del 

2745    M 

Hueste 

3490  .. 

Sal,  hacienda 

2873      M 

2792    n 

Biblian,  pueblo 

2639    n 

2509    M 

Mangang 

3016      ,, 

2608    ,, 

Delec,  pueblo 

2678      „ 

3040    M 

Rio  Delec,  paso 

2623      ,, 

3284    „ 

Ilabshun 

2818      ,, 

3604    „ 

Sidcay,  en  el  Camino 

2582      ,, 

Puente  del  Machängara 

2493    u 

3663    „ 

Cuenca,  plaza 

2581  ,, 

3775  n 

Die  Vulcane  Guatemalas  finden  sich  bei  Dollfus  gruppirt:  Volcan  de  Chingo. 
Groupe  du  d^partement  de  Chiquimula,  (Volcans  d'Amayo,  Cuma,  Santa  Catarina,  Monterico 
Ipala).  Groupe  de  Cerro  Redondo.  Groupe  du  volcan  Pacaya  (cone  principal  2550  M.), 
Volcan  d'Agua,  3i753  ^^*  Groupe  du  volcan  de  Fuego  (volcan  de  Fuego  proprement 
dit  4001  M.,  volcan  d'Acalenango,  4150  M.).  Groupe  du  volcan  d'Atitlan  cone  principal, 
3573  W«  Volcan  de  San  Pedro.  Groupe  de  Quetzaltenango  (volcan  de  St.  Maria, 
3500  M.,  Cerro  Quemado,  3109  M.).     Volcan  de  Tajomulco.     Volcan  de  Tacana. 


QUITO.  701 

Einige  peruanische  Namenserklärungen  folgen  nach  Villavicencio: 

Allcu-chaca:  Pucnte  de  perro  (allcu).  Mauca-yacu:  Rio  antiguo. 

Allpa-chaca:   Puente  de  lierra.  Palu-urcu-  Montafia  de  culebras. 

Ata-huallpa:  Polluelo  hermoso.  Papa-llacta:  Pais  de  las  papas. 

Cajas*bamba :  Piano  de  altura.  Piscu-urcu:  Montaila  de  pajaros. 

Cajas-bamba :  Lage  de  altura.  Puca-rumi :  Piedra  roja 

Cajas-flan:  Camino  de  altura.  Puca-yacu:  Rio  rojo. 

Cajas  urcu:  Cerro  de  altura.  Pucarä-cocha :  Lago  de  la  Fortaleza. 

Caqui>bamba :  Llano  de  los  pies.  I^uma-llacta :  I^go  de  los  leones. 

Casba-urcu:  Cerro  de  espinas.  Rio-bamba  (Ricbamba):  Piano  de  viaje. 

Casha-yacu:  Rio  de  las  espinas.  Rumi-ftagui:  Cara  de  piedra. 

Chalhuu-cocha :  Lago  de  peces.  Supai>urcu:  Montaila  del  diablo. 

Chiri-yacu :  Rio  frio.  Tiu-cajas:   Altura  de  arena. 

Chimba-yacu :  Rio  del  frente.  Tiu-pullu :  Arena  como  nieblina. 
Chuquipata:    Pi^'  de  colina   de  los  Chuquis    Turu-bamba:  Llano  de  lodo. 

(danzantes).  Turu-yacu:  Rio  de  lodo. 

Chuquipoyo:  Vertiente  de  Chuqui.  Uchuc-CQcha:  Lago  pequeÜo. 

Cbimbu-razu :  Nieve  del  Chimbo.  Uchuc-yacu:  Rio  pequeSo. 

Cundur-hatu:  Reunion  de  los  Cundures.  Uisha-huasi:  Casa  de  paja  (ucsha). 

Curi-yacu:  Rio  de  oro.  Uma-yacu:  Rio  de  la  cabezera  (uma). 

Huahua-yacu:  Rio  muchacho.  Ynga-pirca:  Paredes  del  Inca. 

Huaira-pungo :  Puerta  del  vicnto.  Ynga-chungana :  Juego  del  Inca. 

Huaira-urcu:   Montsifia  del  viento.  Vahuar-cocha :  Lago  de  sangre. 

Ilatun-cocha :  Lago  grande.  Yana-cocha:  Lago  negro. 

Mapa-yacu:  Rio  sucio.  Yana-urcu:  Montafia  negra. 

Mauca-llacta :  Pais  antiguo.  Yurac-yaou:  Rio  blanco. 

„Los  nombres  de  los  lugares,  montanas,  rios,  lagos  etc.,  unos 
traen  su  origen  del  antiguo  idioma  de  los  Quitus  y  se  ignora  su. 
etimologia,  otros  parecen  puestos  en  tiempo  de  los  Schyris  6  Inca, 
de  estos  unos  se  han  conservado  puros  como  Allpa-chaca,  Caqui- 
bamba  (llano  de  los  pies),  Chuqui-pata  etc.,  otros  han  sufrido  la 
alteracion  6  supresion  de  letras,  como  Cajas-bamba  (Cajabamba), 
Chimbu-razu  (Chimborazo)  etc.,  otros  se  han  traducido  6  puesto  la 
mitad  en  espaftol  y  la  otra  ^n  Quichua,  como  Verde-cocha,  Limpio- 
pungu  etc.,  y  otros,  finalmento,  estan  traducidos  del  todo  como 
Rioblanco,  Laguna  grande,  Montes  negros,  pero  que  los  Indios  no 
han  adoptado  y  los  nombran  tales  come  eran  Yurac-yacu,  Hatun- 
cocha,  Yana-urcu"  (in  Ecuador).  Die  Familia  Jivara  (an  Zapara 
grenzend)  „habita  entre  los  rios  Chinchipe  y  Pastassa.  Neben  Quitus 
(mit  Puruhas^)  und  Chimborazos)  werden  Cayapas,  Colorados,  Jivaros, 


')  Auch  im  Gebiet  des  Marafion ,  am  gleichnamigen  Fluss  (Purdz)  und  (als  Puris) 
in  Brasilien  (zwischen  Paraiba  und  Espirito  Sante)  bis  Guayana.  Die  Schlange  am 
Orinoco,  deren  bei  der  Verwesung  hervorkriechende  Würmer  sich  zu  Cariben  metamorpho- 
sirten,  war  durch  den  auf  die  Erde  gesandten  Sohn  des  im  Himmel  weilenden  Puru 
getödtet. 


702  ANHANG. 

Zaparos,  Anguteros,  Encavellados,  Orejenos/Avijira,  Confanes  unter- 
schieden. 


In  Borinquen  (Puerto  Rico)  oder  Boricua  (s.  Pastrand)  wird  in 
den  Mischungen^)  classificirt: 

Espaflol  con  India  sale:  Mestizo.  Albarrazado  con  Negra  sale:  Cambujo. 

Mestizo  con  Espafiola  sale:  Castizo.  Combujo  con  India  sale:  Sambaigo. 

"EspaSol  con  Negra  sale:  Mulato.  Sambaigo  con  Mulata  sale:  Calpan-Mulato. 

Mulato  con  Espafiola  sale:  Morisco.  .Calpan- mulato  con  Sambaigo  sale:    Tcnte- 

Morisco  con  Espafiola  sale:  Salta-atrds.  en-el-aire. 

Salta  atrds  con  India  sale:  Chino.  Tente-en-el-aire  con  Mulato  sale:   No-te-en- 

Chino  con  Mulata  sale:  Lobo.  tiendo. 

Lobo  con  Mulata  sale:  Jfbaro.  No-te-entiendo  con  India  sale:  Ahi-estds. 
Jfbaro  con  India  sale:  Albarrazado. 

Cosas  que  ya  pasaron  (1875). 

In  Cuba  (mit  Resten  der  Eingebornen  „en  Carey  y  Tigudbos"): 
de  la  mezcla  de  la  raza  blanca  y  negra  resultan  los  pardos  y  los 
mulatos  (s.  de  la  Torre).  Ueber  die  Felszeichen  in  (Puerto  Rico 
und)  Columbien  s.  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde,  Heft  I., 
1878,  sowie  Zeitschrift  für  Ethnologie  (1876  und  1877),  mit  anderem 
auf  die  Reise  Bezüglichem. 


>)  Aus  den  verschiedenen  Mischungen  der  Indianer,  Europäer  und  Neger  gehen  die 
,, Pardos"  hervor  (in  Paraguay),  als  Mestizo,  Mulato,  Cuateron,  Salto -Atras  (s.  Azara). 
La  gente  campesina  (Paraguay's)  es  de  todas  las  castas  de  hombres,  wogegen  die  Gauchos 
oder  Gauderios  (Montevideo's  und  Maldonado's)  son  por  lo  comun  escapados  de  las  cärceles 
de  Espafia  y  del  Brazil,  6  de  los  que  por  sus  atrocidades  huyen  a  los  desiertos  (den 
Raub  nach  Brasilien  verkaufend). 


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20 

V. 

0. 

121 

20 

V. 

u. 

einzuschalten  (einen  auf  dieser  Fahrtrichtung  denkwürdigen  Namen 

in  die  Erinnerung  rufend). 

Olindn  statt  Oliva. 

cidade  (ciudad  sp.). 

Pao  de  Assucar. 

Isthmus. 

Guanaco  (Huanacu)  statt  Guanaco. 

einzufügen:    Atando    mechones    de  Paja  encendidos  a  las  cuerdas 

de    las  Bolas    perdidas,    lograron    los  Pampas    incendiar  algunas 

emharcaciones   y    muchas   casas    cuando    se    fundö    Buenos  Ayres 

(s.  Azara). 

sachlichen  statt  sachllichen. 

war  statt  waren. 

den  statt  die. 

Bay  statt  Bey. 

Antafagasta  statt  Autafagasta. 

Cobija  statt  Cobiya. 

Arica  statt  Aricd. 

einem  statt  ein. 

Pisco  statt  Piseo. 

Pachacamac  statt  Pochacamac 

(,,sich"  zu  streichen). 

(,,das"  einzufügen). 

wurden  statt  wurde. 

würde  statt  würden. 

Prinzen  statt  Pompei. 

autoridad  statt  antoridad. 

und  statt  oder. 

finden  statt  fanden. 

Despoblado  statt  despablado. 

dieser  statt  diese. 

vor  statt  von. 

(Carahuirazo)  einzuschalten. 

Peon  statt  Peos. 

hatten  statt  hatte. 

gebauten  statt  gebaute. 

dem  statt  den. 

eignen  statt  einige. 

einen  statt  ein. 


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II 

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15  V. 

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II 

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0. 

437 

II 

9  V. 

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eintretendem  statt  mangelndem. 

waren  statt  war. 

jeden  statt  jeder. 

Naranjal  statt  Naranzal. 

hastigste  statt  heftigste. 

im  st^tt  in. 

Kinn  statt  Kinne. 

in  statt  von. 

lacticinios  statt  lacticimos. 

hervorstehenden  statt  hervorstechenden. 

würde  statt  wurden. 

Sprachmengung  statt  Sprachreinigung. 

in  statt  von. 

weiter  statt  raubend. 

Santiago  statt  Santiajo. 

Cajamarca  statt  Cajamorca. 

Callao  statt  Callac. 

der  statt  den. 

einigen  statt  engen. 

den  statt  dem. 

Guayaquil  statt  Guayoquil. 

Juntas  statt  Juttes. 

Call  statt  Cadi. 

rio  statt  rico. 

(tigres,  als  Jaguare)  einzuschalten. 

am  statt  das. 

schneeige  statt  schneige. 

nosotros  statt  nostros. 

tenian  statt  teman  (A.). 

von  statt  in. 

ihm  statt  ihn. 

canelones  statt  canellones. 

Austritt  statt  Ausritt. 

braungrün  statt  baumgrün. 

nach  statt  von  (A.). 

Nare  statt  Nore. 

Chinandega's  statt  Chinandegs. 

ein  statt  einen. 

letzterer  statt  ersterer. 

erstercn  statt  letzteren. 

in  statt  s. 

Abibe  statt  Abide  (A.). 

Vadillo  statt  Babadillo. 

der  (einzufügen),  Zusammenbruch  der  Gl. 

Acatenango  statt  Alotenango.