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Full text of "Die deutsche Nationalökonomik an der Gränzscheide des sechzehnten und ..."

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DIE 



DEUTSCHE NATIONALÖKONOMIK 



AN DER 



GRÄNZSCHEIDE DES SECHZEHNTEN UND SIEBZEHNTEN 

JAHRHUNDERTS. 



VON 



WILHELM ROSCH 




Des IV. Bandes der Abhandlungen der philologisch-historischen Classe der Königl. 
Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften 



N» III. 



LEIPZIG 

BEI S. HIBZEL. 
1862. 



9 



^^^ 150.1.5" 







>^^ 



DIE 

DEUTSCHE NATIONALÖKONOMIK 



AN DES ^' "^^ * ** #■ 



GRÄNZSCHEIDE DES SECHZEHNTEN UND SIEBZEHNJFX, ^ 

JAHRHUNDERTS. 



VON 



WILHELM RÖSCHER. 



Abhandl. d. K. 8. Om. d. WIm. X. < 8 



> «• 



I. 

Der Verfall der Reformafionsblttthe. 

Die vielseitige und herrliche BIttthe , welche das deutsche Volks- 
leben in der Reformationszeit getrieben, war eine schnell vorüberge- 
hende. Man hat die Verkümmerung ihrer Früchte gewöhnlich dem 
dreissig jährigen Kriege zugeschrieben, doch mit Unrecht. Der 
dreissigjährige Krieg ist das Strafgericht, welches die Sünden, eigent- 
lich aller Glieder, des deutschen Volkes mit furchtbarer Allmälichkeit 
und desshalb Unentfliehbarkeit heraufl)eschworen hatten. Wer aber so- 
viel historisches Auge besitzt, um die geistigen Ursachen über die ma- 
teriellen Wirkungen, die Principien über die Massen zu stellen, der kann 
unmöglich verkennen, dass in sehr vielen Stücken die Zeit unmittelbar 
vor dem Kriege noch schlimmer war, als die Zeit während des Krieges 
selbst. Ich erinnere nur an das Fürsten - und Hofleben, wie es in den 
Tagebüchern des Junkers von Schweinichen erscheint, verglichen mit 
dem, zwar wenig productiven, aber doch edlern Au&chwunge, der sich 
z. B. in der Stiftung und Ausbreitung der fruchtbringenden Gesellschaft 
(seit 1617), sowie in dem zwar geistlosen, aber wohlgemeinten Mäce- 
natenthume so vieler Grossen während des dreissigjährigen Krieges^ 
äussert. Das Aufkommen der Opitzischen Poesie (seit 1617) hat man 
von jeher flu* ein, wenn gleich unvollständiges, Wiedererwachen der 
deutschen Muse gehalten. Auch der schwere Druck, welchen das Pfaf- 
fenthum aller drei Gonfessionen auf das geistige Leben ausübte, ist ge- 



f ) Die vielen damaligen Gesellschaften mit ihrer gegenseitigen Lobhudelei, ihren 
Dedicationen an grosse Herren etc. scheinen doch zum Theil nothwendige Schutz- 
und Trutzbündnisse gegen das unmässige Pasquill wesen der Zeit gewesen zu sein, 
worüber damals alle Welt klagt (Gervinus , Geschichte der deutschen Dichtung III, 

S. 488 ff.]. 

48» 



266 Wilhelm Röscher, [^ 

rade während des Krieges selbst gemildert worden ; ebenso der vorher 
und nachher für alle Niederen so demttthigende schroffe Unterschied der 
Stände 2. 

Betrachten wir also dasEndedes 16. Jahrhunderts als den 
grellen Abfall von der Höhe seines Anfanges, so dürfen wir 
freilich nicht übersehen, wie beinah Alles, was uns an den Epigonen der 
Reformation betrübt, zum Spotte reizt oder empört, auch in der besten 
Zeit des Jahrhunderts schon vorhanden war. Nur immer in ganz an- 
derem Verhältnisse ! Aehnlich , wie sich z. B. aus dem vortrefflichen, 
echt populären Deutsch und dem ebenso vortrefflichen, echt humanisti- 
schen Latein, welches die Luther und Hütten etc. geschrieben hatten, 
bald nach der Mitte des Jahrhunderts eine immer barbarischere Meng- 
sprache bildete. Selbst in Luthers Werken lässt sich mancher Ausbruch 
des Lehrfanatismus, des Hexenwahns, derCriminalbarbarei, derBauem- 
verachtung und Fürstendienerei, endlich auch jenes Grobianismus nach- 
,, weisen, dessen berühmtester Typus — Dedekinds Grobianus — bereits 
i 549 erschien. Aber wie schrumpft das Alles zu kleinen Sonnenflecken 
zusammen, wenn man es der menschlichen, sittlichen, wissenschaftlichen 
und christlichen Grösse des ganzen Mannes gegenüberstellt! Aehnlich 
ist es mit seiner Zeit im Allgemeinen. 

Die ersten, reinsten und schönsten Jahre der Reformation kenn- 
zeichnen sich hauptsächlich durch ein harmonisches Zusammenwirken 
von drei verschiedenen Tendenzen : Wiederherstellung des reinen Evan- 
geliums, des klassischen Alterthums, des nationalen Staates, und zwar 
alles Diess in echter Humanität auch fltr die niederen Klassen zugäng- 
lich gemacht. Aber die Harmonie und Volksthümlichkeit hört fast ur- 
plötzlich auf mit dem Bauernkriege, dessen Ausbruch und Nieder- 
lage ich überhaupt ftlr den grossen Wendepunkt halte, der alles 
Unheil des folgenden Jahrhunderts veranlasst hat. Eine hoflnungsreiche, 
im besten Gange befindliche Reformbewegung, die bei ruhiger Durch- 
flthrung sicher bald eine ähnliche Ablösung der bäuerlichen Frohndienste 
und Naturallieferungen bewirkt hätte, wie sie in der freien Schweiz 



2) Der prologartige »[nhalt« von Laurembergs Scherzgedichten, V. 25 ff., be- 
zeugt klar, dass gleich nach dem dreissigjährigen Kriege (und wohl durch denselben) 
die Standesunlerschiede sehr verwischt waren. Lauremberg tadelt diess als Verach- 
tung einer Ordnung Gottes. Erst später muss im langem Frieden der Unterschied 
wieder verschärft worden sein. 



5] Aeltere deutsche Nationalökonomik. 267 

wirklich erfolgte ^ wird in Ermangelung des rechten Führers auf dem 
Throne durch Ungeduld der Emancipationsbedürftigen zur wilden Revo- 
lution, woran sich die Besten des Volkes nicht betheiligen konnten. 
Welche fürchterliche Reaction das Scheitern des Aufstandes nach sich 
zog, kann am kürzesten mit den Worten des grossen Statistikers Se- 
bastian Münster bezeichnet werden: nihil est, quod servilis et misera 
gens (die deutschen Bauern) dominis debere non dicatur; nihil etiam, quod 
jussa facere absque periculo recusare audeat^. Nicht genug, dass alle 
Verbesserungen des bäuerlichen Zustandes, selbst die reifsten und noth- 
wendigsten, einer mehr als zweihundertjährigen Vertagung anheimfie- 
len, so traten zugleich die positivsten Verschlechterungen ein. Gerade 
der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gehört die Ausbreitung der un- 
gemessenen Frohnden, die Ueberbürdung des Bauernstandes mit allen 
neuaufkommenden Staatslasten, die Entstehung der neuem Leibeigen- 
schaft, ja die Anftoge zu völliger Legung der Bauerdörfer hauptsächlich 
an*. Alles diess nur zu begreiflich in einer Uebergangszeit, wo die mit- 



3) Vgl. meine NationalÖkonomik des Ackerbaues, §. H 7 fg. 

i) Cosmographia, (4550) p. 376. Auch das ist bezeichnend für die Stellung der 
verschiedenen Stände zu jener Zeit, dass der Belagerer Magdeburgs, Herzog Georg 
von Mecklenburg, die gefangenen Bürger um Lösegeld freigab, die Soldaten in seinen 
eigenen Dienst zog, die Bauern aber niederhauen Hess. (K. A. Menzel, N.Geschichte 
der Deutschen III, S. 341 .) 

5) Man kann diess in den meisten deutschen Territorien so lange beobachten« 
bis die immer mehr wachsende landesherrliche Macht es in ihrem eigenen Interesse 
fand, die Bauern zu schützen. So wurde z. B. in Brandenburg 4 544 den Ständen er- 
laubt, »nach ihrer Gelegenheit etliche Bauern auszukaufen.« Der Landtagsabschied 
von 4 550 hebt die bisherige Ordnung auf, wonach das Kammergericht den Bauern 
»gesetzte Dienstea gemacht und den Herren vorgeschrieben hatte, sie während der 
Frohnde zu speisen. (Mylius G. C. M. V, S»90 ; vgl. Droysen Preuss. Gesch. 11, 2, 
S. 286. 293.) Die oppeln-ratiborsche Landesordnung von 4 562 gestattet schon dem 
Herrn, seine Bauern zum Verkauf ihres Hofes zu zwingen; im Fall der Säumniss darf 
er den Hof nach der Taxe an sich nehmen. In Pommern beginnt die Einziehung der 
Höfe gegen die Mitte des 4 6. Jahrhunderts, und die Bauernordnung von 4 64 6 stellt 
Leibeigenschaft, ungemessene Frohnden und Nichterblich keit der Höfe als Regel auf. 
In Mecklenburg werden gewöhnlich die Reversalien von 4 64 6 als Durchbruch der 
bäuerlichen Entsetzbarkeit angesehen; doch schildert bereits Co 1er (1609) in seiner 
Oeconomia ruraUs et domestica IV, 8 die dortigen Bauern als Zeitpächter, deren ganzes 
Inventar dem Junker gehört, und die oft davon laufen, nachdem sie Alles durch ge- 
bracht haben. Ueber Schleswig- Holstein ist die bekannte Meinung Hanssens 
neuerdings von K. W. Nitz'sch sowohl bestätigt als berlchligt worden: S. H. L. 
Jahrbücher V, S. 97 ff. 



268 Wilhelm Röscher, [6 

telalterlichen Formen des YerhSiltnisses zwischen Bauer und Gutsherr etc. 
jedenfalls umgestaltet werden mussten, wenn nun dieser Process von 
exciusiv römischen Juristen ^ unter dem frischen Eindrucke einer nieder- 
getretenen Bauernempörung vollzogen wurde. Aber das Unglück be- 
schränkte sich nicht auf den Bauernstand. Die Bauern sind ein so gros- 
ser, mehr noch ein so fundamentaler Bestandtheil des Volkes im Gan- 
zen, dass ihre wirkliche Yerktlmmerung und Demoralisirung unfehlbar 
das ganze Volksleben vergiften muss. Diess der eigentliche Kern der 
Krankheit, woran Deutschland mehr als zweihundert Jahre lang so 
schwer damiedergelegen hat , deren Heilung alsdann vornehmlich von 
den grossen Herrschern, Denkern und Dichtern des 18. Jahrhunderts 
eingeleitet worden ist. 

Zwar unterdrückt wurde Gottlob die evangelische Idee nicht. 
Auch die beiden vornehmsten Brücken, die von ihr zu der Gesammtheit 
der Nation ftlhrten , die lutherische Bibelübersetzung und der kirchhche 
Gemeindegesang, bewährten sich als unzerstörbar. Aber ihre Weiter- 
entwickelung war gehemmt. Das eigentliche Gemeindeleben verküm- 
merte gegenüber einem Pastorenthume, das ebenso hierarchisch nach un- 
ten, wie abhängig nach oben zu war. Denn nach dem Bauernkriege 
mussten die Reformatoren zufrieden sein, wenn sie durch engsten An- 
schluss an die fürstlichen und aristokratischen Mächte wenigstens den 
Kern ihres bisherigen Strebens festhalten konnten. — Die religiöse Klas- 
sicität, wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf, beruhet auf der Stärke 
und gleichmässigen Ausbildung folgender vier Elemente : des mystischen, 
ohne welches keine Andacht, des pietistischen, ohne welches keine 
Frömmigkeit, des orthodoxen, ohne welches keine Kirche, und des ra- 
tionalen, ohne welches keine Theologie möglich ist. Bei Luther die 
höchste Macht und schönste Harmonie aller vier Elemente, wogegen 
schon bei seinen nächsten Epigonen in tyrannischer Einseitigkeit ein or- 
thodoxer Rationalismus vorherrschte. Es vollzog sich jetzt in ebenso 
viel Jahrzehnten , wie das Urchrislenthum dazu Jahrhunderte gebraucht 
hatte, das Herabsinken von der propheten- und apostelähnlichen Glorie 
Luthers zu einer fast byzantinischen Hoftheologie, in der z. B. ein Sel- 



6) Die also ihre Studien gemacht hatten an einer klassischen Zeit des MilitUrdes- 
potismus, der Latifumlienwirthschan, der Sklaverei oder doch eines halbsklavischen 
Colonats. 



7] Aeltere deutsche Nationalökonomik. 269 

necker an Kurfürst August schrieb, »er wolle gern auf allen Vieren von 
WolfenbUttel nach Dresden kriechen,« um den Verdacht zu beseitigen, 
worein er gebracht sei^ Der Satz: Ctnus regio eins religio, wurde so be- 
thätigt, dass z. B. in Thüringen bei der Austreibung der Flacianer (1 573) 
von 533 Geistlichen überhaupt 111, darunter 9 Superintendenten, ab- 
gesetzt wurden. Aus der Pfalz verjagte die Lutheranisirung von 1 578 
an 1000 Prediger und Schuliehrer. Die Reichsstadt Oppenheim, die an 
den Pfolzgrafen verpfändet war, hat von der Reformation bis 1648 
zehnmal ihre Confession wechseln müssend Solche Dinge verdarben 
natürlich den Volkscharakter um so mehr, je mehr damals noch alles 
geistige Leben überhaupt kirchlich und theologisch gefärbt war^ 

Dass nationalpolitische Ideale nicht auf der Grundlage eines 
zertretenen Bauernstandes erreicht werden können, leuchtet schon aus 
den Anfangsgründen der politischen Mechanik ein. Bei der Stellung des 
Kaisers gegen die Reformation musste die Schwenkung zum Absolutis- 
mus, welche das Lutherthum seit dem Bauernkriege machte, nur den 
Landesherren zu Gute kommen. Diesen wuchs aller Einfluss zu, wel- 
chen die römische Kirche verloren hatte. Freilich war eben damit die 
allmäliche Auseinandersprengung des Reiches in eine Menge von Parti- 
cularstaaten vorbereitet, um so gewisser, als das äussere Wachsthum 
der deutschen Reformation seit Luthers Tode so gut vne stillestand, 
folglich die beiden grossen Gonfessionen schon früh in das Verhäitniss 
eines ziemlichen Gleichgewichtes zu einander traten. Dieses Gleichge- 
vncht aber der Gegensatze auf einem Lebensgebiete, welches damals 
selbst politisch für das bei Weitem bedeutendste galt, ist offenbar die 
allerungünstigste Form , um an Wiederherstellung der Reichseinheit zu 



7) Planck, Geschichte des protest. Lehrbegriffes V, 2, S. 600 fg. Nicht ganz 
so verletzend in der Form, aber sachlich ein wahres Mustersiück, den Lande&- 
herrn zum unbeschränkten Herrn der Gewissen zu erkl&ren, ist AndreU's Beridit an 
Kurf. August vom Febr. 4 578, bei K. A. Menzel, N. Geschichte der Deutschen IV, 
S. 513 ff. 

8) Pfanner, Eist, pacis Westphal. F, it; vgl. K. A. Menz§l IV, S. 429.489. 

9) Für die ganze Literatur nach Melandithoos Abscheiden ist es charakteristisch, 
dass selbst ein Arzt und Mathematiker , wie Peucer , so durchaus in der Theologie 
lebte ; ebenso aber auch für die Mässigung des damaligen Wittenberg, dass ein sol- 
cher Laie so migeheuem theologischen Einfluss haben konnte. Man wird die Ver- 
folgung des Kryptocalvinismus in Sachsen kaum halb verstehen, wenn man nicht diese 
beiden Seiten zusammenfasst. 



270 WuuELii Röscher, 8] 

denken. Wir sehen dessbalb auch sehr bald schon jede Partei des zwie- 
trächtigen Deutschlands ihre Bundesgenossen im Auslande suchen. 
Wenn die Protestanten diess scheinbar zuerst gethan haben (seit 1 552 
mit Frankreich), so darf man nicht vergessen, wie Karl Y. schon im 
schmalkaldischen Kriege vornehmlich durch spanische und italienische 
Truppen gesiegt hatte. Ohne den Bauernkrieg und die von ihm her- 
rührende Trennung der Huttenschen Ideale von der Reformation wäre 
weder die Selbstzerfleischung Deutschlands im dreissigjahrigen Kriege, 
noch die Schande gegenüber Ludwig XIY. möglich gewesen. Und 
wenn in der ersten Hälfte des 1 6. Jahrhunderts die vielen grossen Per- 
sönlichkeiten unter den Landesherren den Weg zum Absolutismus ver- 
schönert hatten, wie selten wurden solche Persönlichkeiten gegen 
Schluss des Jahrhunderts ! 

Was endlich die humanistische Seite der Reformation be- 
trifit, so ist es eine bekannte Thatsache, dass bei allen neueren Völ- 
kern die wirkliche Blüthe der altklassischen Studien mit der Blttthe der 
eigenen Nationalliteratur als Ursach und Wirkung im engsten Zusam- 
menhange steht. Hätte sich unser Volk im 1 6. Jahrhundert normal ent* 
wickelt, ohne Revolution und Gegenrevolution, so würden Männer wie 
Sebastian Brant und der Homer der Reineke-Fuchsdichtung, wie Hütten, 
Luther und Hans Sachs rasch eine ebenso herrliche als volksthümliche 
Literatur von Poesie und Kunstprosa vorbereitet haben ; und auch die 
Philologie der Reuchlin und Erasmus, der Melanchthon und Camera- 
rius etc. wäre entsprechend fortgeschritten. So aber gerieth gleich nach 
Luthers Tode die deutsche Sprache selbst, als Bauernsprache, in Ver- 
achtung, so dass es eine Art von Auferweckung war, als Opitz die Dich- 
tung, oder gar später Thomasius die Wissenschaft wieder in Anspruch 
filr sie nahm. WieFlacius erklärte, durch Schriften in deutscher Sprache, 
die quisvis vel tninimi pagi aedituus machen könne, lasse sich kein Ruhm 
erwerben ^^ da musste ziemlich gleichzeitig auch der deutsche Huma- 
nismus fllr lange verstummen. K. A. Menzel nennt die schöne Verthei- 
digung Melanchthons, welche die Wittenberger 1569 gegen die Flacia- 
ner ausgehen Hessen, den Schwanengesang des deutschen Humanismus 
im i 6. Jahrhundert. Wenn Fischart den Uebergang von der Volkslite- 
ratur zur Gelehrtenpoesie vermittelt, (gleichsam die Mitte zwischen Hans 



iO) C. Schluesselburg^ Catalog. haereUcorum XIIL p, 824. 



9] Aeltere deutsche Nationalökonomie. 271 

Sachs und Opitz!) so meint Gervinus ohne Zweifel mit Recht, dieser 
Uebergang sei nöthig gewesen, um Deutschland nicht in die roheste und 
zugleich armseligste Pöbelhaftigkeit versinken zu lassen ". 

Ein volkswirthschaftliches Sinken von Deutschland wSihrend 
der zweiten Hälfte des 1 6. Jahrhunderts möchte ich nicht mit Zuversicht 
behaupten. Man denke nur an Kurfürst August von Sachsen! Aber selbst 
aus der Fortdauer eines ungeschmälerten Wohlstandes würde man nicht 
gar zu viel schliessen dürfen, da zwar eine gewisse Unterlage mate- 
rieller Güter für die geistige Kultur unentbehrlich ist, hingegen die 
grösste Fülle des Reichthums sowohl bei Völkern wie bei Individuen 
dem Höhepunkte des geistigen Lebens zu folgen pflegt. Uebrigens se- 
hen wir schon damals eine Menge wirthschaftlicher Veränderungen, die 
ein völlig gesundes Volk unschädlich gemacht, wohl gar zu seinem Vor- 
theil gewandt hätte, die aber unter den geistig-politischen Krankheits- 
verhältnissen jener Zeit auch ein wirthschaftliches Sinken vorbereiten 
mussten. ^^ Vom Landbau wird kein Nalionalökonom bezweifein , dass 
er durch die Reaction nach dem Bauernkriege auf Seilen der Bauern 
DOch mehr verlor, als auf Seiten der Gutsherren gewann ; obwohl das 
Hof leben noch am Schlüsse des Jahrhunderts den Adel nicht abhielt, eine 
gute Selbstwirthschaft fiir eine Ehre anzusehen ^\ Den städtischen Ge- 
werbfleiss berührte die Niederlage der Bauern schon dadurch bedeut- 
sam, weil die nun folgende Reaction in den meisten Städten das Zunftr- 
regiment schwächte, d. h. also die Herrschaft des Handwerkerstandes. 
Trotzdem war für grosse Fabriken mit ihrer Ueberlegenheit an Kapital 
und Intelligenz noch lange kein Boden ; ebenso wenig für Gewerbefrei- 
heit. Vielmehr haben sich gerade in dieser Zeit viele neue Beschrän- 
kungen vorbereitet, wie die Meisterstücke, die Geschlossenheit der Mei- 
ster- und Gesellenzahl, die obrigkeitlichen Taxen etc.: Beschränkungen, 
welche zum Theil das Sinken des Absatzes unschädlich machen sollten, 
in Wahrheit aber das Uebel verschlimmern mussten. Nur die Bannmeile 
der Städte wurde jetzt an vielen Orten weniger streng beobachtet, weil 
die Fehdeunsicherheit des platten Landes abnahm, die sonst schon fac- 
tisch jeden Gewerbfleiss daselbst verhindert halte ^^. Indess wird auch 



4 1) Geschichte der deutschen Dichtung EI, S. 4 24. 
4 2) Vgl. die Vorrede zu Coleri Oeconomia ruraUs et dotnestica. 
4 3) Die hannoverschen Städte klagen zuerst 4 563 über Beeinträchtigung durch 
Landgewerbe. (Spittler, Hannov. Geschichte I, S. 280.) lu Brandenburg heftiger 



272 Wilhelm Roschbh, lOj 

hier, bei der sinkenden Lebenskraft des Ganzen, die Aenderung den bis- 
her Privilegirten mehr geschadet, als den bisher Nichtprivilegirten ge- 
nützt haben. Der Handel von Deutschland gewann zwar in der letzten 
Hälfte des 1 6. Jahrhunderts durch die grössere Sicherheit der meisten 
Strassen im Innern. Er verlor aber nach Aussen hin durch drei grosse 
Veränderungen: einmal die Abnahme des italienischen Welthandels in 
Folge der portugiesischen Entdeckungen, der türkischen Eroberungen 
und gewiss am meisten der spanischen Herrschaft über Italien selbst; 
femer den Fall Antwerpens und die Sperrung des Rheins durch den 
spanischen Krieg und die holländische Handelspolitik^^; endlich das Sin- 
ken der Hansa im Streite mit den Ostseemächten und ganz besonders 
mit England. Der erste Vorgang drückte schwer auf die oberdeutschen 
Städte, der zweite auf das Rheingebiet, der dritte auf Norddeutschland ^^ 
Denn auf einer Kulturstufe, wie die unseres Vaterlandes im i 6. Jahrhun- 
dert, pflegt der auswärtige Handel noch wichtiger, namentlich zum wei- 
tem Fortschreiten noch unentbehrlicher zu sein, als der Binnenhandel. 
Uebrigens konnte auch die gesteigerte Abhängigkeit, in welche damals 
so viele Städte gegenüber den Landesherren geriethen, dem Handel 
nicht wohl günstig sein. Die damaligen Höfe, mit ihren theils junker- 
lichen, theils juristischen, theils geistlichen Behörden waren gewiss noch 
nicht im Stande , was sie am Handelsinteresse weniger hatten , als die 
städtischen Magistrate, durch grossem Gemeinsinn und höhere Einsicht 
zu ersetzen. 

Zu den merkwürdigsten Proben dieser tiefen Gesunkenheit auch der 
volkswirthschaftlichen Einsicht gehört des Cyriacus Spangenberg ^* 



Kampf darüber auf dem Landtage von 1602, während in Sachsen bereits 1537 von 
Seiten des Landesherm eine Schlichtung erfolgt war. 

i i) Die sich durch ein engherziges Ausbeutungssystem gegen ihre Hinterländer 
sehr von den Freihandelsprincipien der bisherigen flandrisch -antwerpischen Politiic 
unterschied. 

1 5) Wenn Sachsen unter Kurfürst August in wirthschaflllcher Hinsicht das ersfc 
Land des Reiches genannt werden kann, so hängt das zum grossen Tbeil damit zu- 
sammen, dass es diesen drei commcrdellen Schlägen verhältnissmässig femer lag. 
Daneben ist dann auch der Umstand wichtig, dass Sebast. Münsters Satz: hodie 
revera inveniunt Germaniam prae ceteris regionibtis metallis abundarej für Sachsen be- 
sonders lange wahr blieb. 

16) Der Verfasser ist 1528 in Calenberg geboren, studirtc zu Wittenberg, war 
Prediger in Eisleben, Mansfeld etc., hatte als Flacianer viele Kämpfe zu bestehen, oft 



^0 Aeltebe deutsche NationalOkonomik, 273 

»Nützlicher Tractat vom rechten Brauch und Missbrauch der Mttntzen.« 
(Hinter Tilemann Friesens MUntzspiegel, Frankfurt a. M. 1 592, S.209— 
265.) Diess Büchlein, von einem zu seiner Zeit recht berühmten Manne 
herrührend, ist ein wahres Meisterstück wohlmeinenden, aber unwissen- 
den und anmasslichen Pastorenthums. 

Jfon^to kommt her yonmonere, »Das Geld soll eine Ermahnung und 
Erinnerung sein, nicht allein zu gedenken dessen, der die Müntz ge- 
schlagen, der Zeit wann sie geschlagen und ihres Wehrts, sondern viel 
mehr der Gerechtigkeit, gleich und richtig damit umzugehen, ^nd das 
Geld zu geben und zu nemen, wie wir wollten, das ein ander geben 
oder von uns nemen solte.« (S. 209.) ^^ Die Münze ist erfunden, statt 
des altem Tauschverkehrs, damit man »in allerley Händeln besser zu 
und von einander kommen möchte.« Den Vorzug des Geldverkehrs setzt 
Spangenberg ziemlich roh in den leichten Transport des Geldes; übri- 
gens behauptet er einfach, dass man sich über Geld leichter vergleiche, 
da sonst der Eine oft die Waaren nicht hat, die der Andere braucht. 
(S. 2H fg.) Wie ungleich besser ist diese Frage von Männern wie 
Agricola oder der albertinische Münzpublicist, ja schon von dem alten 
Biel erörtert worden ! — Nun aber die Predigt des Gepräges. Die älte- 
sten Münzen sollen ein Schiff und einen Januskopf enthalten haben, »un- 
gezweiffeU,« weil Noab damit ein ewiges Gedächtniss der Rettung aus 
der Sündfluth stiften wolUe; der Janus ist Noah selbst, der zwei ver- 
schiedenen Weltaltem angehörte. (S. 212.) Das Bild des Landesherm 
auf unseren jetzigen Münzen soll (nach Christi Beispiel mit dem Zins- 
groschen) die Menschen täglich erinnern »an die Wohlthaten ihrer Erb- 
herren gegen Land und Leuten«, damit sie fleissig ftlr diese beten, 
auch »dester gehorsamer sich nach derselben Landordnungen in allen 
Händeln richten, auch fllr Auffruhr und anderer Meuterey hüten.« (S. 2i 3.) 
Der Ochse auf vielen Münzen ist eine Mahnung, »Gelt und Kaufhandel 
nicht so hoch zu lieben, dass sie darumb den Ackerbau wollen anstehen 
lassen. Ja vielmehr zu bedencken, wenn der Ackerbau nicht thet, dass 
man auch nicht viel Gelt haben oder ohne den Ackerbau das Gelt wenig 



zu flüchten und starb 4 604 zu Strassburg. Seine Schriften sind meist Chroniken 
oder theologischen Inhalts ; die berühmtesten, ausser unserem Buche, sein Jageteuflel 
und Adelsspiegel. 

17) Acbnlicli bereits Thomas Aquinas De reg. pr. Ily 13. 



274 Wilhelm Röscher, [12 

nütze sein würde; denn was httlffe es einen, wenn er gleich alle Beutel 
und Kasten voll Geltes und doch kein Korn noch Brot hette!« (S. 215.)" 
Das Schaf auf jüdischen und arabischen Münzen soll »an das einige wäre 
Schlachtleralin, Jesum Christumy erinnern«. (S. 216.) Die dünnen mittel- 
alterlichen Münzen mit Bischofs-, Heiligenbildern etc. sind Gottespfen- 
uige für diejenigen, welche zu einem Kirchenhau gesteuert hatten. 
(S. 220.) 

Als Pflicht der Münzobrigkeit wird zwar ein richtiges Schrot und 
Korn , richtige Würderung auch der fremden guten Mttnze etc. genannt. 
Doch soll in Nothföllen eine Steigerung oder Ringerung erlaubt sein, so 
viel wie möglich »ohne mercklichen Schaden des gemeinen Nutzens.« 
Als eine solche erlaubte Massregel bezeichnet Spangenberg ausdrücklich 
das Verfahren des Leukon, {Polyaen. Strat, VI, 9, 1 ) der alles Geld einrief, 
mit neuem Gepräge versah und es schliesslich zu doppeltem Nennwerthe 
wieder ausgab »ohne einiges seiner Unterthanen Schaden.« (S. 223.) 
Als Pflichten der Unterthanen rücksichtlich der Münzen werden fast nur 
solche Pflichten genannt, die auf Benutzung des Reichthums Bezug ha- 
ben : dankbar gegen Gott zu sein, sein Herz nicht ans Geld zu hängen, 
vornehmlich den Kirchen etc. zu schenken, auch den Armen, der Obrig- 
keit zu steuern, die Seinen zu ernSIhren, ehrliche Hanthierung zu trei- 
ben. Namentlich wird die Armenpflege speciell geschildert , allerdings 
nur mit patristischen etc. Gemeinplätzen (S. 233 ff.) 

Als Missbrauch der Münze wird zuerst die obrigkeitliche Münzver- 
ringerung getadelt, freilich aus keinem tiefem Grunde, als weil, (nach 
Matthesius) »wenn Schrott und Korn sich endert, so endern sich gemei- 
niglich auch Schlag und Uberschrifll, und gibt newe Herrschaft.« 
(S. 239.) Spangenberg stellt hier nicht bloss die hauptsächlichsten 
Missbräuche des Münzregals zusammen, sondern auch zu hohe Steuern, 
Anleihen, Staatsverschwendung ; speciell die zu jener Zeit üblichen Re- 
galfinanzquellen: als Regierungsmonopole, übermässige Frohndienste, 
Geldstrafen, Begnadigungen für Geld etc. (S. 242 ff.) Unter den Miss- 
bräuchen auf Seite der Unterthanen wird aller Art Habgier, Hartherzig- 
keit, xMammonsdienst, am ausfiihrlichsten wieder Kirchenraub, ferner 
Vergrabung des Geldes, Knauserei gegen die eigenen Kinder etc., Aera- 



iS) Dieselbe Ansicht spricht übrigens Davanzati Lczione sulle monete {tbSS) 
p, 25 aus. 



13] AeLTEBE DEITSCHE NATIONALÖKONOMIK. 275 

terkauf, Ablasswesen ; zuletzt aber nur ganz in der Kürze das Kippen, 
Wippen und FalschmUnzen erwähnt. 

In derselben Weise ungeföhr, wie Spangenberg die geistliche, so 
charakterisirt Ware m und von Erenbergk die juristisch-humanisti- 
sche Volkswirthschaftslehre des Zeitalters. Dieser, praktisch wie theo- 
retisch damals gleich sehr geschätzte, Mann hiess eigentlich Eberhard 
von Weyhe. Geboren 1 553 aus einer bekannten niedersächsischen Adels- 
familie, führte er, wie die meisten damaligen Gelehrten, ein stürmisch 
bewegtes Leben. Um 1 587 wurde er Professor der Rechte zu Witten- 
berg, kam auch bald mit dem kursächsischen Hofe zu Dresden, damals 
unstreitig dem ersten reichsfürstlichen Deutschlands, in nahe Verbindung, 
wurde jedoch 1593 des Kryptocalvinismus verdächtig und wegen ver- 
weigerter Unterschrift der Concordienformel seines Amtes entsetzt und 
Landes verwiesen. Im folgenden Jahre treffen wir ihn als landgräflichen 
Kanzler zu Kassel, welchen Dienst er nachher mit dem Kanzleramte 
zuerst von Bückeburg, dann von Braunschweig-Wolfenbüttel vertauscht 
hat. Er starb, jedenfalls nach 1 633, auf seinen Gütern im Lüneburgi- 
schen. Das Ansehen, worin seine geistige Bedeutung bei den Zeitge- 
nossen stand, erhellt aus der Art und Häufigkeit, wie seine Schriften ci- 
tirt wurden : Atdicus-politicus (1 596) und Vermmüia iheologica, iuridica 
ac poüüca de regni subsidiis ac oneribus subditarum, L Samuel. K tradilis, 
perPh. Melanthonem, theologorum et poüticorum coriphaeum proposita, re- 
petiia et defensa dtscursim contra Barlolutn, Bodinum, Rossaeum cett. 
(1606.)^^ Nebenher auch aus seiner Aufnahme in die fruchtbringende 
Gesellschaft. Um so beweisender zeugt seine wissenschaftliche Art und 
Kunst für die Niedrigkeit der damaligen Durchschnittsbildung. 

Denn es ist wirklich ein recht unsystematisches, geistloses, fast nur 
registratorisches Buch, diese volkswirthschaftUche Hauptschrift des 
Waremund! Vornehmlich schöpft er aus der Bibel und dem Corpus 
Juris nebst dessen Glossatoren. Was die in der Bibel nicht getadelten 
Herrscher thun, wird immer für rechtmässig, nicht tyrannisch gehalten 
(p. 131); ebenso was sich durch Vorschriften des Corpus Juris stützen 
lässt. (p. 134.)^ Bei allen Schimpfreden auf schlechte Fürsten meint der 
Verfasser doch, es müsse ihnen gehorcht, oder aber durch Auswande- 

4 9) Ich citire nach der driUen Ausgabe von 1624, 197 S. in klein Octav. 
20) Diese Ansicht, die sich damals fast bei allen bedeutenden Juristen findet, ist 
für die innere Geschichte derReception des römischen Rechts von grosser Wichtigkeit. 



276 WaHELM ROSGHER, [U 

rung entgangen werden; man könne sie indessen auch »todt beten.« 
(p. i 58 ff.) Zölle von solchen zu verlangen, die vor RUubem oder Fein- 
den flüchten, sei tyrannisch, (p. 1 52.) Eine Concessionsgebtthr von Bor- 
dellen wird als heidnisch getadelt; hingegen eine Besteuerung derselben 
als Geldstrafe der Unzucht sehr gerühmt, (p. 59.) Den französischen 
Aemterverkauf nennt er tribututn iurpissimum. (p. 67.) Das ist Alles, 
was ich an irgend selbständigen, charakteristischen Aeusserungen aus 
dem »berühmten« Buche habe entnehmen können ! 

Man hat oft beobachtet, dass ein bescheidenes Handwerk zwar 
nie den geistigen Aufschwung nimmt, aber im ungünstigen Falle auch 
nie verh&ltnissmässig so tief sinkt, wie die entsprechende, an sich freiere 
und idealere, mehr künstlerische Richtung. So finden wir denn auch 
gegen Schluss des 16. Jahrhunderts in der handwerksmässigen Münz- 
meisterliteratur durchaus keinen solchen Abfall gegen die Zeiten des 
vortrefflichen G. Agricola, wie in den gleichzeitigen Schriften höherer 
Art. Ein Beispiel davon bietet der 1 592 von dem Göttinger Bürger- 
meister Tilemann Friesen herausgegebene Müntzspiegel. Das Werk 
hat vier Bücher: Nr. 2 handelt geschichtlich von den antiken Münzen, 
Nr. 3 von den deutschen, jedes Jahrhundert in einem Kapitel, Nr. 4 von 
den Münzsorten seiner Zeit bei den verschiedenen Hauptvölkem. Etwas 
Theorie findet sich nur im ersten Buche. Die Erklärung von Münze 
(S. 2), »ein Stücklein Geld etc. . . . darzu erfunden, andere Wahre damit 
zu kaufen, dadurch man desto leichter handeln könne etc.,« giebt doch 
gar keinen Grund dieses Vorganges an. Indess meint Friesen (S. 1 3) 
gegen die, welche es für gleichgültig erklären, ob Geld von Blei oder 
Leder sei, wenn es nur gangbar wäre : »recht Gelt sol nicht alleine die 
eusserliche Tugent und Erafil haben, dass man damit kauffen könne, 
sondern auch die innerlichen Tugent, die der Wahre, dafür man solch 
Gelt giebt, gleichmessig sey, wenn gleich die auffgestempelte Geprege 
verginge, dass denn die innerliche Materi ebenso gut were.« Freilich ist 
er in dieser Einsicht durchaus nicht fest. Die »filmehmsten« Autoren 
lehren, (gegen Aristoteles) das Gepräge mache den Werth der Münze 
Aus, fügen jedoch hinzu : »besonders wenn kein arglist darunter, son- 
dern jede Münze nach dem innerlichen Korne valuirt wird.« (S. 39.) 
Gewiss nichts weniger, als ein Fortschritt im Vergleich mit Agricola; 
aber die volkswirthschaftliche Theorie steht in diesem Buche überhaupt 
sehr zurück hinter der numismatischen Technik, Geschichte und Statistik, 



15] AeLTERE DEITSCHB NATIONALÖKONOMIK. 277 

und diese Partien sind nicht übel'^^ — Aehnlich verhalt es sich mit dem 
Werke des cOlnischen MUnzdirectors Renerus Budelius von Ruhr- 
mttnde: De maneiis et re numaria Libri IL (Coln 1591.) Die erste 
Hälfte behandelt die Technik des Münzwesens, die zweite eine Anzahl 
Rechtsfragen» die sich alle darum drehen, ob das Geld bei vertragsmäs- 
sigen Zahlungen nach seinem obrigkeitlichen Nennwerthe, oder seinem 
Realwerthe berechnet werden soll. Offenbar greift diese Fragstellung 
tief in das volkswirthschaftliche Wesen des Geldes ein; sie ist daher 
auch von dem Verfasser höchst ungenügend erörtert worden ; verwor- 
ren im Ausdrucke und beim Hin- und Herschwanken zwischen ver- 
schiedenen Auetoritaten reich an Widersprüchen. Der technische Tbeil 
hingegen verdient auch hier alles Lob^. 



IL 

Das Eindrillgen des welschen Regalismns. 

Georg Obrecht, der Ahnherr einer lange Zeit berühmten Gelehr- 
tenfamilie, war 1 547 zu Strassburg als Sohn des städtischen Syndicus 
geboren. Er studirte zuerst in Tübingen, dann mehrere Jahre in Frank- 



21) Vgl. z. B. die gute historische Uebersicht des PreisverhSltnisses zwischen 
Gold und Silber: S. 21 . 

22) Einen sehr ahnlichen Gegensatz finden wir in der Landbauliteratur jener 
Zeit. Conrad Heresbach (Ret rusticae Libri IV, vor 1570) steht noch ganz auf 
dem Boden der jüngeren Reformationsgenossen, während Johann Col er {Oecono- 
mta ruralis et domesHca, 4 609) ganz ein Kind seiner Zeit ist. Jener durcliaus klas- 
sisch gebildet, ein berühmter Jurist, hatte Strabon, Thukydides, Hcrodot, die Psal- 
men etc. übersetzt, de prindpum educatione geschrieben und sich zuletzt, als Beschäf- 
tigung seiner Altersmusse, auf Theorie und Praxis der Landwirlhschaft geworfen. Mit 
ihm verglichen ist Goler ein Barbar. Wahrend sich Heresbach überall von der edelsten 
Religiosität durchdrungen zeigt, eine schöne Ausnahme von der sonst überall schon her- 
einbrechenden Confessionswuth, — ihm sind die Propheten, Apostel und Kirchenväter die 
Prediger seiner Hausandacht, quos cum majore fructu audire me arbitror, quam vestros 
aliquot spermologos et plerosque in templis ineptos concionatores (p. 13) — empfiehlt 
Coler z. B. die Schafzucht damit, dass »nächst Gott die Schafe am meisten zum Reich- 
thum helfen.« (XII. 1.) Wo es sich um ethische und unmittelbar psychologische Dinge 
handelt, ist H. vortrefflich, so z.B. in seiner Lehre von den Pächterverhältnissen, 
(p. 4 86 ff.) Dagegen spricht er vom Dünger aufTäUig kurz : ne in sterquiUniis diuHus 
moremur, (p. 48. 2o5.) G. hingegen, der es für nöthig hält, seiner wüsten Recept- 
masse nicht bloss ein Kochbuch und eine Anweisung zur Destillation , sondern sogar 



278 Wilhelm Röscher, 16] 

reicli, wo ihn die mit der Bluthochzeit verbundenen Tumulte in Lebens- 
gefahr stürzten und ihm den Verlust seiner Bibliothek zuzogen. Heim- 
gekehrt, wurde er 1 575 Professor der Rechte zu Strassburg, 1 595 Rec- 
tor der Universität, 1604 vom Kaiser geadelt, 4607 zum Comes palalinus 
ernannt, und starb 1612 in hohem Ansehen, wobei ich daran erinnere, 
dass zu jener Zeit die Strassburger Universität ein Hauptsammelplatz 
gerade vornehmer junger Leute aus allen Theilen von Deutschland war. 
Obrechts zahlreiche Abhandlungen über Gegenstände des Civilrechts, 
der römischen Rechtsgeschichte und des Lehnrechts werden von Savigny, 
soweit dieser von ihnen Kenntniss genommen, in Bezug auf den Inhalt, 
wie auf die leichte natürUche Form geschätzt ^ Seine »Erklärungen 
über das politische Bedenken über die Stadteinkünfte Lübecks« (1610) sind 
mir bis jetzt noch unzugänglich gewesen^. 

Die volkswirthschaftlichen Hauptarbeiten von Obrecht sind nach 
des Verfassers Tode sub secreio durch seinen Sohn, Johann Thomas 0., 
gesammelt herausgegeben worden*: »Fünff underschiedliche Secreta po- 
litica von Anstellung, Erhaltung und Vermehrung guter PoHcey und von 
billicher, rechtmässiger und nothwendiger Erhöhung eines jeden Regen- 
ten jährlichen Gefällen und Einkommen. Allen hohen und niederen 
Obrigkeiten besonders dess Heyligen Römischen Reichs Ständen in die- 
sen letzten und hochbetrengten Zeiten zum besten gestellt.« (Strassburg 
1617.) Die Sammlung besteht aus fünf Schriften, die zu sehr verschie- 
dener Zeit verfasst sind, aber in ihrem Inhalte doch wesentlich zusam- 
menhängen. Die Form ist so kirchlich, wie man damals allgemein fltr 
nöthig hielt; so beginnt z. B. die erste Schrift mit der Formel: Auspice 
Deo triuno optumo maxumo ; alle schUessen mit dem Ausrufe : Deo soll 
dt laus et gloria. Im eigentlichen Räsonnement aber findet man von 
dieser theologischen Färbung keine Spur; selbst aus der Bibel werden 
wohl Einrichtungen der respublica Judaeorum als Beispiele (S.291), aber 



ein Traumbuch und eine rohabergiäubiscbe Hausmedicin beizufügen, bat seine grosse 
Stärke darin, dass er allenthalben auf die wirklichen Preise der Productionselemente 
und Producte, d. h. also die Unterlagen des Reinertrages, in echt praktischer Weise 
Rücksicht nimmt. 

\) Savigny, Recht des Besitzes, (1829) S. XXIII. 

2) Vgl. Sinceri Viiae Ictorum I, p. 9« CF. 

3) Vorher soll der Herausgeber sie für 200Ducaten an den Herzog von Pommern 
verkauft haben. 



47] Aeltere deutsche Nationalökonomik. 279 

nicht leitende Ideen geschöpft. Viel mehr bezieht sich der Verfasser auf 
das Corpus Juris. Eigentlich klassische Anspielungen kommen wenig 
vor; aber viele Citate ausBodinus, Waremund von Ehrenbergk, Hippo- 
lytus de Collibus u. A. Die Sprache des Obrecht ist der pedantische 
Gelehrtenjargon jener Zeit, wo mitten im Deutschen ohne allen Grund 
lange Sätze lateinisch werden. 

Die erste Schrift: Discursus BellicO'poUlicus, in quo^ quomodo adver- 
sus Turdcum tyratmum bellum commode geri possit, quam felicissime osten- 
ditWy zum Theil auf Grund einer zu Strassburg 1590 gehaltenen akade- 
mischen Disputation, ist ein vom Kaiser 1 604 verlangtes Gutachten, 59 S. 
stark. Hier ward dem Bodinus nachgeschrieben, dass non capita s, per- 
sonae, sed bona subditorum bei der Besteuerung geschätzt werden sollen, 
(p. 1 3.) Ebenso, dass nicht die nothwendigen Lebensbedürfiiisse zu be- 
steuern sind, sondern die Luxusartikel, (p. 1 4.) * Beides Grundsätze, 
welche zur damaligen Praxis der meisten Länder in grellem Wider- 
spruch standen!^ Schon hier macht Obrecht den Vorschlag, welcher 
nachmals zu seinem Lieblingsgedanken wurde, allen Hochzeitsluxus zu 
verbieten und statt dessen Einlagen in ein aerarium Uberorum (Kinder- 
versorgungskasse) mit fiscalischem Nebenzweck anzubefehlen, (p. 1 6 fg.) 
Femer empfiehlt er Geldstrafen für Gotteslästerung* und Uebert/etung 
von Aufwandsgesetzen. Alle ProcessfUhrenden sollen eine Verhältnisse 
massige Geldsumme niederlegen, und derjenige, welcher den Process 
verliert, sein Depositum zu Gunsten des Fiscus einbUssen. Der Verfasser 
hoftt hiervon, namentlich bei den so häufigen Injurienklagen, einen be-* 
deutenden Ertrag, (p. 21 fg.) Ebenso von der fiscalischen Ausbeutung 
der Lehnsvacanzen beim Tode jedes Vasallen, (p. 43) und von freiwilh- 
gen, aber doch halberpressten Geschenken der Unterthanen nach Art 



4) Vgl. Bodinus De rep. VI, S. p. 1034. 

5) Von Frankreich sagt Bodinus mit Recht: ap\id quos nihil est plebe contem" 
tius, (De rep» F/, 2.) In Deutschland besteuerte der gemeine Pfennig von 1495 das 
über 1000 Fl. steigende Vermögen doch eigentlich bloss nach Belieben des Pflichtigen : 
»soviel sein Andacht ist.« So zahlten selbst in Sachsen bei der Türkensteuer von 
4 552 Geistliche nur S Pfennige pro Schock, Bürger, Bauer, Dienstboten 3 Pfennige. 
Ueberhaupt aber war dies die Zeit, worin die früher wohlbegründeten Steuerfreihei- 
ten durch das Abkommen der dafür äquivalenten Dienste etc. grundlos wurden, und 
gleichwohl noch immer fortdauerten. 

6) In jener klassischen Zeit der Intoleranz und confessionellen Streitsucht wäre 
das ein ergiebiges Feld gewesen ! 

Abhandl. d. K. S. Ges. d. Wisf. X. ^ d 



280 WiLBELM ROSCHER, ['8 

der englischen Benevolenzen unter Eduard IV. und Heinrich VII. (p. 46.) 
Das Finanzmittel der Münzverringerang, wie zu Rani wahrend der pa- 
nischen Kriege, sollen die viri poHtici wenigstens in Erwägung ziehen. 
(p. 47.) Von Verleihung des Adels fllr Geld, sowie von Aemterverköu- 
fen erwarte! Obrecht viel. (p. 47 fg.) — Dabei ist er kein »Mercantüist.« 
Er rühmt mit Stobäus : agriculiuram aliarum verum parenlem et mUricem, 
qua bene habenlc etiam cetera valeant, ceti. In gleicher Linie werden 
artifida et nundinae genannt : mercatores non solum res utUes et necessa* 
rias proprio sumptu et perioulo cotwehunt, $ed etiam alia^ qtdbus regna et 

provindae abundant, in alias regiones deferunt ut ademla mercandi facul- 

tateprovincialeseoiitinuo adinopiamredigantur. (p. 50 flf.) Also eine verstän- 
dige Mitte zwischen der Ansicht der Reformationszeit, wo z.B. Luther den 
Ackerbau hoch (Iberdas Handwerk gestellt, die vornehmsten Handelszweige 
aber fiir unsittlich oder doch gemeinschädlich erklärt hattet und andererseits 
dem sog. Mercantilsysteme. Daneben hält Obrecht von der Macht der je- 
weiligen Staatsregierung so viel, dass ein »ernstliches Edict« des Kaisers, 
den Ackerbau gut zu treiben, naph seiner Meinung das Land in Ueber- 
fluss versetzen und dem Fiscus grosse Einkünfte bringen würde, (p. S1 .) 
Die zweite Schrift (S. 1—135) führt den Titel: »Ein Politisch Be- 
dencken und Discurs Von Verbesserung Land und Leut, Anrichtung gu- 
ter Policey und fllmemblich von nützlicher Erledigung grosser Außsga- 
ben und billicher Vermehrung eines jeden Regenten und Oberhem Jähr- 
lichen Gefällen und Einkommen.« Beendigt 1609. — In der respublica, 
als corpus civile, sind Geld und Gut die Nerven, die Obrigkeit das Hirn, 
welches »Alles voUkömmlich zu regieren und dahin Alles zu dirigiren 
hat, das an nothwendiger Underhaltung nimmer kein Mangel erscheinen 
möge.« (S. 6.) Die Staatseinnahme kann entweder mit, oder ohne Be- 
schwer der Unterthanen erhöht werden. Jenes geschieht : A. durch Er- 
höhung der Steuern. Der Verfasser warnt hier vor Uebermass, wie 
z. B. Albas zehntem Pfennig, der sich bei derselben Waare, falls sie 
mehrmals verkauft wurde, ebenso oft wiederholte (S. 12); desgleichen 

7) Vgl. Luthers Werke ed. Innischer XXU, S. 284. XXXVI, S. 472 ff. LVIf, 
S. 342. LXI, S. 352 ff. Ganz besonders die Schrift vom Kaufhandel und Wucher. 
Dagegen hatte freilich Calvin auch den Handel für nützlich und ehrenwerth aner- 
kannt, so dass er selbst mehr einbringen könne, als der Landbau, ex ipsius mercato- 
ris diligentia atque industria. {Opp. cd. Amstelod. 4 664, /X, p. 223.) Vgl. Wiske- 
mann Darstellung der in Deutschland zur Zeit der Reformation herrschenden nalional- 
ökonom. Ansichten, S. 48. 80^ 



19] Arltebe DEiTSCHE Nationalökonoiiik. 281 

wieder vor Besteuerung nothwendiger Lebensbedttrfnisse. (S. 1 4.) Mit 
Bodinus empfiehlt auch Obrecht, mehr die Fremden, als die Einheimi- 
schen zu besteuern ; geringe Einfuhr- und hohe Ausfuhrzölle von Waa- 
ren, die uns unentbehrlich sind ; geringe Besteuerung fremder Rohstofie, 
ohne jedoch an den mercantilistischen Zweck dieser Massregeln viel zu 
denken. (S. 15 fg.) B. Durch allerlei gemeinntttzige Anstalten, womit 
eine Abgabe zu verbinden wäre. So z. B. Verbot der kostbaren Hoch- 
zeiten und Kindtaufen, woneben dann genaue Geburts- und Sterbe- 
listen etc. geführt, und eine Steuer daftkr entrichtet wrird, Zahlung von 
Geld in eine Kasse, um es den Kindern später, wenn sie erwachsen 
sind, mit Zmsen zurttckzugeben. oder aber, wenn sie gestorben, an den 
Fiscus fallen zu lassen. Femer Stiftung einer Assecuranz von Dörfer- 
gruppen, mehr noch Städten etc. gegen unverschuldete Unglücksfölle, 
zumal durch Raub und Diebstahl. (S. 22.) C Durch Schätzungen, wo^ 
bei Obrecht an die damals ttblichen Reichssteuem denkt. D. Durch 
Uebemahme von Schulden durch die Landstände. — Ohne Beschwer 
der Unterthanen: A. Durch gute Haushaltung, wobei der Yerfesser 
ziemlich unerwartet auf Gottes- und Nächstenliebe als deren Grund, 
Sparsamkeit und Ordnung als deren Aeusserung kommt. B. Güter ver- 
kauf, in der Regel sehr zu widerrathen^; doch lässt sich der Verkauf 
nur für eine bestimmte Anzahl Jahre, oder auch mit vorbehaltenem Rttck- 
und Vorkaufsrechte eher empfehlen. (S. 52 fg.) C. Durch neue GefMle, 
die mit der Rechtspflege zusammenhängen. Hier wird dann neben dem 
fiscalischen noch ein juristischer Zweck erreicht. (S. 56.) Also Geld- 
bussen für schlechte Richter und Anwälte, für Processparteien, die sich 
vergehen, für leichtsinnige Querulanten und Appellanten etc., wobei der 
Verfasser eine ziemlich pedantische Rechtskunde auskramt. Allerlei 
media ewirajudicialia : so z. B. dass der Fiscus an die Stelle unwtlrdiger 
Erben tritt. (S. 66 ff.) Bona damnalorum et proscriptorum. Eine Menge 
von Geldbussen für Sabbathsfrevler, Flucher, Trunkenbolde, auch solche, 
die das neüaufgekommene Gesundheitstrinken üben, (S. 80) überhaupt 
für Luxusgesetzübertreter: namentlich soll Jeder Strafe zahlen, der 
einem prodigus ohne obrigkeitliche Erlaubniss etwas darleihet oder ab- 
kauft. (S. 84.) Aus derselben Mischung polizeiUcher und fiscalischer 
Zwecke werden Arbeitshäuser für ungerathene Kinder und Unterthanen 



8j Aehnlich Bodinus De rep. VI. p. 4 000 ff. 

49« 



282 Wilhelm Roscheb, [20 

empfohlen^. (S. 85.) Jede Bürgschaft ftlr grössere Summen ohne obrig- 
keitliche Erlaubniss soll bei Geldstrafe verboten sein. (S. 88.) Daneben 
wird zum Anbau aller noch unkultivirten Plätze gerathen, wobei nach 
Catos Vorgange agricultura und parsimonia als die beiden pravenlus rei 
fatniliaris erscheinen. Auch hier die Ansicht , dass eine blosse Vermah- 
nung des Fürsten an sein Volk, den Acker gehörig zu bauen, von gros- 
ser Wirksamkeit sein würde. (S. 97.) Wenn Obrecht dasselbe in Bezug 
auf Mineralien empfiehlt, kommt doch zwischen edlen und unedlen Me- 
tallen gar kein (mercantilistischer !) Unterschied zur Sprache. (S. 102.) 
Ausser dergleichen mediis naltiralibus werden als media civilia die her- 
renlosen Güter, Schätze etc. erwähnt. Hinsichtlich des Münzwesens 
eifert Obrecht sehr scharf gegen Verringerung am Schrot oder Korn, 
wie »etliche Mammonsbrüder« sie vornehmen. (S. 108.) Er hatte eben 
seit 1590 durch die immer steigenden Missbräuche der Praxis gelernt. 
Dagegen verwirft er den Handelsbetrieb durch hohe Personen nicht 
(S. 110 flF.); namentlich preiset er den Staatskornhandel aus gut^n Jah- 
ren in schlimme, nach dem Vorbilde Josephs im A. T., wobei er jedoch 
immer auf den so zu erzielenden fiscalischen Gewinn blickt. (S. 1 1 3.) 
Sehr flach ist der Rath , aus den Gemeindekassen etwas an den Fiscus 
steuern zu lassen. (S. 114 ff.) Endlich sollen noch mancherlei Abgaben 
von lachenden Erben, sehr grossen Erbschaften, Geschenken etc. ver- 
langt werden. Nur ganz beiläufig erscheint S. 127 ff. die Regel, das 
baare Geld so viel wie möghch im Lande zu behalten, indem man lieber 
von Einheimischen, als Fremden, kauft, borgt und Arbeit verrichten lässt. 
Die dritte Abhandlung (vom Jahre 1610), »Constilutio von nothwen- 
diger und nützlicher Anstellung eines Aerarii Sanctu<, schildert speciell 
den ftlr ausserordentliche Fälle bestimmten Staatsschatz nach des Ver- 
fassers Plane. (S. 137 — 162.) Er geht von dem Grundsatze aus, dass 
es viel besser ist, Geld aus dem Schatze zu nehmen, als zu borgen : 
(S. 1 60) bekanntlich ein Grundsatz, der auf allen niederen und mittleren 
Kulturstufen herrscht und herrschen muss. Diesem Schatte werden 
nun die meisten der obigen, vom Verfasser empfohlenen, Staatseinkünfte 



9) Nach niederländischem Vorbilde, wie denn von damaligen deutschen Aucto- 
ritäten sowohl das Zwangsarbeitshaus zu Amsterdam, als die Freiwilligen-Arbeitshäu- 
ser zu Antwerpen und Delft sehr häufig gerühmt werden: vgl. Bornitius De rerum 
suff.f p. 74. Besold Vitae et mortis consideratio polit. (1641) p. 17. 



21] Aeltere deutsche Nation ALöKONOuiK. 283 

zugewiesen : Processstrafen, unurbare Ländereien, bona vacantia. Schätze, 
Abgaben von Erbschaften etc. Ebenso die Ueberschüsse der von Ob- 
recht angerathenen Feuerversicherung. 

Viel umfangsreicher ist die vierte Abhandlung : »Ein sondere Po- 
Hceiordnung und Constitution, durch welche ein jeder Magistratus, ver- 
mittels besonderen angestellten Deputaten, jederzeit in seiner Regierung 
eine gewisse Nachrichtung haben mag, 1 ) wie es gleichsam mit seiner 
gantzen Policei, als eines Politischen Leibs, und allen desselben Glie- 
dern, den Underthanen, beschaffen ; 2) wie gemelter Policei, derselben 
Gliederen und Administration Auff- und Zunemmen zu beftlrdern. Ab- 
und Undergang zu verhüten, sodann 3) wie auch die gemeine Wolfarth, 
so aus vorgedachten dreien Stücken herkompt, zu vermehren und zu er- 
haltenseyen.« (S. 183 — 296.) Esisteigentlichnurder Gedanke einer sehr 
genauen und immer mit Abgaben verbundenen Bevölkerungsstatistik, der 
hier als Polizeiideal vorgetragen wird, freilich mit einer furchtbar weit- 
gehenden Inquisition durch die Behörden und in Folge davon einem 
sehr despotischen Behördeneinflusse ^^. Die Geburtslisten, die auch den 
Namen der Pathen aufführen müssen (S. 1 90), werden in zwei verschie- 
dene Alba getrennt : der ehelich und der unehelich Gebomen. Ebenso 
die Verzeichnisse der unter Vormundschaft stehenden Kinder, der Er- 
wachsenen, endlich auch die Trauungs- und Sterbelisten. Von den Er- 
wachsenen (zwischen dem 20. und 65. Jahre) hat jede Altersstufe, von 
3 zu 3 Jahren gerechnet, ihr besonderes Album, so dass man z. B. mit 
dem 23., 26., 29. etc. Lebensjahre aus dem bisherigen in das nächst- 
folgende Verzeichniss übergetragen wird. Dabei soll die Behörde auch 
ilber die Sittlichkeit des ganzen Lebens von allen Eingeschriebenen ge- 
naue Aufsicht führen und auf dessen Besserung hinwirken. (S, 202; 
detaillirter S. 210. 221.) Es ist sehr charakteristisch, dass ein Mann, 
dem eine so bedenklich dehnbare Bestimmung flir die Polizei genügt. 



40) Etwas Aebnliches hatte schon Bodinus {De rep. VI, «) vorgeschlagen, frei- 
lich in ganz humanistischer Weise als Wiederherstellung der alten Gensur : also eine 
Vermischung nichtrichterlicher Sittenpolizei und statistischer Aufnahme. Das Volk soll 
gezählt, jedes Vermögen katastrirt werden, um die Steuern besser anzulegen, der fis- 
calischen Willkür, auch dem Wucher etc. mit dem Lichte der Oeffentlichkeit zu be- 
gegnen, Besitzstreitigkeiten vorzubeugen etc. Bodinus' Plane sind geistvoller und frei- 
heitlicher, als die von Obrecht ; aber die letzteren haben mehr Zeitcharakter. 



884 Wilhelm Röscher,. [82 

S. 213 — 244 nöthig findet, die Formulare säinmtlicher Scheine, den 
Preis derselben etc. auf das Genaueste auszuführen. 

Endlich noch : nConstitutio und Ordnung von einem hochntttzlichen 
Aerario liberorum, in welches von den Eltern allerhand Sunmien Gelts, 
fUrnemblich ihren neugebomen Kindern und in eventum ihnen selbs, 
auch der Obrigkeit und gemeinen Wolfahrt zum Besten angelegt wer- 
den, sampt allerhand Erklärungen und zweyen Kinderrechnungen.« 
(S. 297 — 351 .) Auch hier ein fiscalischer Nebenzweck der Versiche- 
rungsmassregel. Alle ehelichen wie ucehelichen Aeltem, soweit sie 
dazu im Stande, sollen bei der Geburt der Ihrigen eine Geldsumme nie- 
derlegen, die für Söhne bis zum 21 ., für Töchter bis zum 17. Jahre mit 
6% jährlicher Zinsen aufbewahrt und scbh'esslich ausgezahlt wird. Ster- 
ben die Kinder vor Ablauf dieser Frist, so fällt das Depositum in der Re- 
gel an den Fiscus, jedoch mit theilweiser Uebertragung an schon vor- 
handene oder noch zu erwartende Geschwister**, üebrigens ist der 
ganze Vorschlag sofort als Gesetzentwurf gefasst: man pflegt dies 
auf solchen Kulturstufen, wie die von Obrecht war, »praktisch« zu 
nennen *^. 

Fragen wir jetzt nach der wissenschaftlichen Bedeutung 
dieser Schriften Obrechts, so lassen sich alle geschichtlich bedeu- 
tenden Menschen in zwei Gruppen theilen : solche, die ttber das Niveau 
ihrer Zeit hervorragen, die also der Zukunft gleichsam Bahn brechen, 
sei es durch praktische Umgestaltungen, oder aber durch theoretische 
Entdeckungen ; ferner solche, in denen nur eben die EigenthUmlichkeit 
ihrer Zeit besonders scharf entwickelt, gleichsam personificirt ist. Unser 
Obrecht gehört durchaus der zweiten Gruppe an ; seine geistigen Kräfte 
sind für die erste schon absolut zu gering. Und es sind namentlich zwei 
Hauptrichtungen seiner Zeit, welche in ihm Gestalt gewonnen haben: 
die Anlehnung des westlichen, zumal reformirten Deutschlands an Frank- 



H) Das Ganze offenbar eine Nachahmung der in Italien damals nicht seltenen 
Anstalten (so z. B. in Lucca,Siena, Florenz), neugeborenen Mädchen eine im 1 S.Jahre 
fällige Mitgift zu versichern, gewöhnlich das Zehnfache der Einkaufssumme, die jedoch 
im Fall ihres früher eingetretenen Todes verloren ging. Vgl. Bodinus De rep, VI, 
2, p. 4 040. Chr. Besold Synopsis doctr. poliLy p. 215. 

1 1) Dass für jene Zeit wirklich ein Fortschritt darin lag , beweisen z. B. die be- 
rühmten Libri IV rei rusticae von Conrad Heresbach, deren Formulare zum Vieh- 
kauf noch gänzlich als damals praktisch aufgeführt werden, obschon sie lediglich — 
altrömisch sind! (III, p. 500. 530. 568.) 



23] Aeltere deutsche Nationalökonomik. 285 

reich und England, sowie damit zusammenhängend der Regalismus und 
Absohitismus in der Staatshaushaltung. 

Ueber diesen Regalisrous habe ich der K. Gesellschaft der Wissen- 
schaften bereits in einem frühern Vortrage einige Andeutungen gemacht ^^. 
Das Ueberwiegen der Regalwirthschaft im Finanzwesen pflegt der Zeit nach 
die Uebergangsstufe zu bilden zwischen dem mittelalterlichen Ueberwie- 
gen der Domänenwirthschaft und dem Ueberwiegen des Steuerwesens bei 
jedem hochkulti\irten Volke. Nicht mehr genug Domanium, aber noch 
nicht genug Steuern! Der Name »Regalien« oder. »Finanzregalien« ist 
ebenso unbestimmt, wie der Gegenstand selbst, der etwas auffallend 
Buntes, scheinbar Systemloses und Chaotisches^^ hat, den aber das Auge 
des Historikers doch ebenso einfach erklären, wie ordnen kann. Es 
lassen sich nämlich bei den wichtigsten neueren Völkern zwei Hälften 
ihrer Periode des Regalismus unterscheiden. Von diesen schliesst sich 
die erste ebenso an das sinkende Domänenthiun an, wie die zweite das 
herannahende Vorherrschen der Steuern gleichsam einleitet. Was den 
politischen Charakter betrifft, so ist die erste Hälfte ebenso feudalistisch, 
wie die zweite absolutistisch. 

Je mehr gerade auf dem Wege der Belehnungen das Domanium 
zusammenschmolz, um so eifiiger waren die kraftvollen Herrscher des 
spätem Mittelalters bemühet, durch Ausbeutung der Lehnsgefälle 
den Schaden wieder einzubringen. Ich erinnere an die Abgaben bei 
Gelegenheit der drei grossen Lehnscasus, (Kriegsgefangenschaft des 
Lehnsherrn, Ritterschlag seines Sohnes, Aussteuer seiner Tochter,) ^^ 
namenUich an die ungeheuere Bedeutung, welche das Lösegeld kriegs- 
gefangener Herrscher activ und passiv iür die Finanzen des spätem 
Mittelalters hat^^ In England, wo aller Grundbesitz filr Lehen galt. 



4.^) Berichte der historisch -philologischen Klasse vom 4 2. Decembcr 4 861, 
S. 4 56 fg. 

4 i) Matthaeut de Afflictis nimmt 1 S5 verschiedene Regalien an, Chassanens 208, 
ja Petr, Anton, de Petra sogar 443! 

45) In dem kreuzzugseifrigen Burgund auch, wenn der Lehnsherr nach Jerusalem 
zog ; bei geistlichen Fürsten, wenn sie zam Goncile reisten. 

4 6) Beriihmi sind die Lösegelder fir Richard Löwenherz, den heiligen Ludwig, 
die Könige von Schottland und Frankreich, die Eduard III. zu Gefangenen maehle. 
Der Aufstand der sog. Jacquerie war grossentheils eine Folge der Lösegelder des bei 
Poiliers gefangenen «^zösischen Adels, die S5, ja 50 Procent des Güterwerthes be- 
trugen und nun von den Bauern erpresst werden sollten. (Sismondi Bist, desFr. X, 



286 Wilhelm Röscher, [24 

war jeder grössere LandeigenthUmer als Vasall zu Kriegsdienst und Pa- 
rade verpflichtet, oder musste sich durch eine Geldzahlung, scutagium, 
davon loskaufen. Ebenso einträglich waren die Abgaben von den Tur- 
nieren, sovvie vom Ritterschlage, wozu jeder bedeutende Vasall genö- 
thigt werden konnte. Beim Tode eines Vasallen pflegte der Nachfolger 
den einjährigen Ertrag seines Gutes abgeben zu müssen. Ueber min- 
derjährige Kinder eines verstorbenen Vasallen hatte der König die Vor- 
mundschaft, {tuiela fructuaria, französisch guardia, in Bretagne bail, in 
England wardship) so dass er den Ueberschuss ihres Einkommens über 
ihren standesmässigen Unterhalt fllr sich nehmen, auch die weiblichen 
Mündel nach seinem Belieben verheirathen konnte, was dann wieder zu 
einer Menge von Erpressungen führte ". Die Erlaubniss, ein Lehngut 
zu veräussem, musste theuer bezahlt werden (in England mit 33% bis 
1 00 Procent des jährlichen Ertrages, in Frankreich unter dem Namen 
quint et requint meistens mit 24 Procent des Kaufschillings). Dazu das 
Heimfallsrecht beim Aussterben der Vasallenfamilie, in Zeiten, wo der 
Ritterdienst noch eine Wahrheit, und Weiberlehen schon desshalb selten 
waren, gewiss eine bedeutende Einnahmsquelle ^\ Das Recht des Herr- 
schers, die für den Bedarf seiner Hofhaltung nöthigen Lebensmittel auf 
Reisen und in der Umgegend seiner Residenz entweder ganz unentgelt- 
lich oder für einen selbstgesetzten Preis zu requiriren, {droit de prise, 
purveyance and preemption) fand seine Stütze in dem Lehnsgedanken, 
wonach die meisten Landgüter eigentlich Domanialboden waren, der nur 
unter Vorbehalt gewisser Rechte ausgethan worden. Die schweren 
Willktirlichkeiten , die sich der Ausübung aller dieser Fiscalrechte bei- 
mischten, erkennt man am besten aus den englischen Greai Charters seit 
K. Johann, worin deren gesetzliche Beschränkung eine Hauptrolle spielt. 



^. i86.) Wirklich schätzt Leber die Banzion des Königs Johann auf tkl% Mill. 
Franken nach heutigem Verhüllniss. {Essai sur C appreciation etc., App.) 

M) In England konnte von dem Mündel, wenn dieser ablehnte, so viel gefor- 
dert werden , wie irgend Jemand bona fide bereit war , für die Heirath zu bezahlen. 
(Blackstone Commentaries II, p. 70.) Auf die wardship wurden förmlich Gehalle 
fündirt: so bezog der Protector Heinrichs VI., Herzog von Gloucester, jährlich 4000 
Mark von den Lancasterschen Einkünften, 1700 M. aus dem königlichen Schatze und 
2300 M. von zwei minderjährigen Lords. Förmlich verzichtet hat die Krone auf dies 
Recht erst 4 648. 

48) Nach Latherus De censu (f (640) ///, \ : perraro acddere seiet, ut non 
intra centum annorum curriculwn feuda ad dominum reverlantur. 



25] ÄELTERE DBUTSGHB NaTIONALÖKONOVIK. 287 

Eine zweite Gruppe von Massregeln, um das geschmälerte Doma- 
nialeinkommen zu ersetzen, bestand darin, dass alle herrenlose Gün- 
ter für Krongut erklärt wurden: also im Kleinen gleichsam die 
Wiederholung des Actes, welcher im Grossen Trtther auf erobertem oder 
neubesiedeltem Gebiete das Domanium geschaffen hatte. Dahin gehören 
z. B. in Schweden die Ansprüche Gustav Wasas, dass sftmmtliche All- 
menden, früher Gemeindegut, jetzt der Krone angehören sollten ; alles 
unbebaute Land, alle Wälder, Flüsse mit Fischereien und Mühlwerken, 
Seen etc. Lauter Ansprüche, die wohl schon früher einmal anklingen ^^ 
aber doch nun erst recht deutlich und systematisch ausgeführt werden. 
Gustav stellte sogar die Ansicht auf, als wenn alle steuerbaren Höfe 
eigentlich auf Kronland errichtet wären und ihren Bauern wegen schlech- 
ter Wirthschaft etc. genommen werden könnten. Welche Handhabe für 
Grundsteuern und Wirthschaftspolizei ! — Dahin gehören ferner die An- 
sprüche des Staates auf die Erbschaft ausgestorbener Familien^: in je- 
ner Zeit der Fehden und Seuchen finanziell weit bedeutsamer, als wir 
heutzutage meinen, zumal auch das jus albinagii den König als Patron 
der Fremden zum Erben ihres Nachlasses machte. Das Recht des Staa- 
tes aufgefundene Sachen, zu denen kein Eigenthümer nachweislich war, 
{droit d'epaves), auf Schätze : damals wiederum finanziell sehr bedeutend, 
weil die herrschende Unsicherheit so häufig Schätze vergraben liess; die 
Regalerklärung der bergmännischen Fossilien , der jagdbaren Thiere, in 
Preussen des Bernsteins, in Brasilien der Diamanten, in warmen Län- 
dern auch wohl des Schnees etc. ^^ ; endlich noch das Strandrecht und 
der nicht selten auftauchende Anspruch, dass selbst das Meer dem Kö- 
nige gehöre. {Marc clauswn der Stuartischen Zeit !) 

Wie schon bei dieser zweiten Gruppe die rein fiscalischen Zwecke 
wesentlich controlirt und gefördert wurden durch wirthschaftspolizeiliche 
(redanken, so beruhet eine dritte Gruppe von Massregeln darauf, dass 
sich die Regierung für ihre eigentlich politische Thätig- 



49)'In dem angeblichen Gesetze von Helyandsbolm : 4t8t; vgl. Geijer Scbwed. 
Gesch. n, S. 4 04 ff. 248 ff. 

20) In Frankreich droit de desherenee; daneben noch droit de bdtardige, Recht 
auf die Verlassenschaft solcher Bastarde, die ohne eheliche Nachkommen starben. 

2 4) Von Sicilien vgl. Brydone Letter 8; von Portugal: Link Beisein, S. 4 23; 
von Mexico : Humboldt Neuspauien V, S. 2 ; vom Kalifote : Stüve Handelszüge der 
Araber, S. 164. 



388 WUMBMM ROSCHBR, [^6 

keit von denjenigen bezahlen lässt, weiche zanächst damit in Be- 
rührung kommen. Am Schlüsse des Mittelalters war dies um so na- 
türlicher, als gerade damals die Ansprüche des Volkes an den Staat, 
folglich die Kostspieligkeit des Staatsdienstes selbst immerfort wuchsen. 
Zugleich aber leitete es die spätere Vorherrschaft der Besteuerung im 
Staatshaushalte um so natürlicher ein, als ja nach Grundsätzen des Mit^ 
telalters die Steuern regelmässig eine Zahlung waren, durch welche der 
Unterthan eine ganz bestimmte, äquivalente Gegenleistung des Staates 
erkaufte. — Hierher gehört nun zunächst der Antheii des Herrschers an 
der Kriegsbeute, d. h. also die fiscalische Nutzung der Kriegshoheit. So- 
dann der Verkauf von Privilegien, Titeln und Aemtern : der erste sehr 
gewöhnlich schon im Zeitalter des blühenden Lehnstaates ^, der letztere 
namentlich im 4 5. bis 1 7. Jahrhundert verbreitet , als die gänzlich ver- 
alteten Lehnsämter durch die Anfänge des neuem Beamtenwesens er- 
setzt wurden. In Frankreich schätzte man den Gesammtwerth der ver- 
kauften Staatsämter 1614 auf 200 MilLLivres, 1664 auf beinah SOOMiil. 
In der Zeit von 1691 bis 1709 wurden aus Finanz Verlegenheit mehr als 
40000 neue Kauftimter geschaffen; und die Nationalversammlung be- 
rechnete bei Aufhebung des ganzen Instituts allein die gerichtlichen Stel- 
len zu 800 Mill. ® Wöun man zu Gunsten dieses Aemterkaufsystems sei- 
nerzeit anführen konnte, dass es die Unabhängigkeit der Beamten ge- 
genüber dem sonst ganz willkürlichen Absolutismus gefördert hat, so 
wurde ihm dagegen auf dem französischen Reichstage von 161 4 haupt- 
sächlich vorgeworfen, dass es eine Art von Domänenveräusserung ent- 
halte. — Hierher gehörten ferner die Abgaben, wdche der Staat un- 
mittelbar fur den Schatz von Leben und Eigenthum forderte, nach Art 
einer Assecuranzprämie. So die Geleitrecbte zu Lande und zu Wasser, 
aus denen ach nicht bloss unmittelbar die Meerengen - und Stromzölle 
als zeitwidrige Ueberreste erhalten haben, sondern auch mittelbar, durch 
zeitgemässe Umformung, die neueren Gränzzollsysteme hervorgegangen 
sind. So die Marktzölle fllr Handhabung des Marktftiedens, die Juden - 



32) Richard Löwenherz erklärte vor seinem Kreuzzuge, das grosse Staatssiegel 
sei verloren gegangen, daher müsse sich Jedermann seine Privilegien etc. fürGeld neu 
bestätigen lassen. 

S3) Vgl. Porbonnais Reeherehes et consideraüofu sur les finances de la Ftance 
/, p. UO ff. 329. Chapial De Imdustrie Franoaiee 11, p, 33S. v. Sybel Gesch. 
der Revolution I, 5. 198. 



^7] Aeltere DfEirrscHE Natioralökonomik. 289 

Schutzgelder ^ für das Patronat dieses heimathlosen Yollces u. dgl. m. — 
Hierher gehören endlich die zahllosen Einkünfte von der Gerichtsbarkeit, 
die zum Theil in Privathände veräussert wurden, aber doch regelmässig 
in der Hand des Staates blieben. So die Geldstrafen und Vermögens^ 
confiscationen, ein natürlicher Uebergang aus dem Bussysteme des 
Mittelalters in das neuere Strafsystem. Für Dänemark hat am Schlüsse 
des Mittelalters das Recht, in einem ge^ssen Sprengel die Strafgelder 
einzukassiren , das Hauptmoment gebildet , woran sich das Au&ommen 
der Aristokratie und die völlige Unterdrückung der freien Bauern knüpfte. 
In Schweden belief sich unter K. Johann das Staatseinkommen aus den 
Geldstrafen fast höher, als das aus den Steuern^. In Böhmen ist zu 
Anfang des dreissigjahrigen Krieges der grösste Theil des Nationaladels 
durch Güterconfiscationen^ zu Grunde gerichtet. In England haben 
während der Bürgerkriege des 1 7. Jahrhunderts die von beiden Seiten 
willkürlich erpressten Geldstrafen eine fast noch grössere Bedeutung^. 
Das Recht, welches Karl I. in Anspruch nahm, durch Proclamation 
eigenmächtig Verordnungen erlassen und deren Uebertreter sodann ver- 
mittelst seiner Stemkammer beliebig an Gelde strafen zu können, wäre 
factisch einem ganz freien Besteuerungsrechte gleichgekommen. In 
Frankreich haben vornehmlich die Chambres ardenies eine grosse R(dle 
gespielt, ausserordentliche Commissionen, um die Verbrechen der Fi- 



24) Von der Bedeutung dieses Regals mag es eine Vorstellung geben, dass in 
England binnen 7 Jahren (von 50. Henry I/I. bis S. Edward L) nach jetzigem Gelde 
1260000 £. St. von den Juden erpresst sein sollen. [Anderson Origm of Commerce, 
a. 4 290.) Hieraus erklärt sich das Edictum Bavillense von 4 392, dass Juden, welche 
sich taufen Hessen, zuvor ihr Vermögen an den Staat abtreten sollten» »damit der 
Teufel nichts mehr an ihnen hätte.« 

25) Geijer Schwed. Gesch. II, S. 207. 

26) Insgesammt meistens zu 40 Mill. Fl. geschätzt. 

27) Lord Slrafford beförderte in Ireland die Confiscationen besonders dadurch, 
dass er den Richtern 20 Procent der erstjShrigen Einnahme von allen eingezogenen 
Gütern verhiess, dagegen Geschwomen, die sich der Hiilfeleistong weigerten, durch 
Einsperrung zu Geldbossen von bis 4000 £. St. zwang, (v. Räumer N. Geschichte 
V, S. 29. 53. 425. 450. 244. 320. 335.) Die Zeit von 1640 bis 4659 würde nach 
früherem Masstabe an Steuern etwa 4 Mill. £; St. gekostet babeD. In der Wirk* 
lichkeit aber trieb man ein: durch Geldbussen der Royalisten 1305000 £., durch 
Gütereinziehungen 6044000, durch Vergleich statt der Einziehung 4 277000, 
durch Verkauf von Domänen und Rirchengütern 253$0000 £. St. (Lingard Biet, 
of England XI, p. 347. 



290 Wilhelm Rösche», [28 

nanzbeamten zu untersuchen und äusserst willkürlich mit Geldstrafen 
zu belegen. Colbert wusste auf diesem Wege 1662 und 1663 den sog. 
Partisans mehr als 70Mill.Livres abzupressen. Freilich meinten Kenner, 
die Art dieses Verfahrens gebe den Finanzbeamten fast ein Recht des 
Unterschleifes ^*; so dass man es mit dem türkischen System vergleichen 
könnte, die Paschas erst sich yoUsaugen zu lassen und dann in den 
grossherrlichen Schatz auszudrücken! — Auch die Behördensporteln 
waren zu jener Zeit, verglichen mit den Kosten der Behördenverwal- 
tung, sehr viel bedeutender, als auf späterer, höherer Kulturstufe. Ich 
erinnere nur an die Geringfligigkeit der festen Besoldung selbst für die 
höchsten Beamten damals, so dass z. B. in Bacos Zeit der Attomey- 
General 6000 £. St. jährlich einzunehmen hatte, wovon bloss 81 — 6 — 8 
unmittelbar vom Staate kamen; der Lordkanzler 10 — 15000 £. St., 
worunter gar keine feste Besoldung ^. Oft wurden Staatsleistungen den 
Unterthanen förmlich aufgezwungen, nur um die Gebühren daflir heben 
zu können^. Die Bezahlung für Dispensation von einem Gesetze ist 
insofern zu billigen, als wirklich manche allgemeinen Gebote und Ver- 
bote persönliche Ausnahmen zulassen, und hier die nöthige camae cognu 
tio Beamtenarbeit im Privatinteresse herbeiführt, auch durch angemes- 
sene Bezahlung derselben vom blossen Queruliren abgeschreckt werden 
mag. Aber freilich, wenn solche Dispensgelder einen bedeutenden Po- 
sten der Staatseinnahme bilden , so ist das immer ein Zeichen entweder 
despotischer Züvielgesetze, oder anarchischer Zuweniggesetze. Man 
kennt die unermessliche Bedeutung, welche dieser Gegenstand im 1 5. 
und 1 6. Jahrhundert für die päpstlichen Finanzen gehabt hat, wo er gar 
auf rein geistliche Gesetze ausgedehnt wurde und durch solchen Miss- 
brauch ganz wesentlich beigetragen hat zum Ausbruche der Refor- 
mation'*. 



28) Vgl. das sog. Testament folüique de Richelieu /, p. 222. //, p. U3 ff. 

29) Die berüchtigte Bestechungsgeschicbte Bacos war ein Theil von der Ueber- 
gangskrise aus der Besoldung der Richter in fees zu der Besoldung in scUary, (Athe- 
naeum 28. Jan, 1860.) 

30) So die droits de poids et de casse zu Marseille, indem eine von den Kaufleu- 
ten freiwillig errichtete Wage, die Streitigkeiten entscheiden sollte, nachmals in die 
Hände des Staates gerieth, worauf alsbald die Gebühren verdoppelt und ein allgemei- 
ner Zwang, alle Packete über 3 6 Pfd. wiegen zulassen, eingeführt wurde. {Forbon- 
nais Finances de France I, p. 359.) 

31) Vgl. besonders Huttens Vadiscus. 



29] AeLTERE DEDTSCHE NATIONALÖKONOmK. 291 

Die vierte Gruppe endlich besteht aus den Gewerbe- und Han* 
delsgeschaften des Staates, welche gewöhnlich mit dem Vor- 
rechte des Alleinbetriebes versehen waren, wobei es aber fbr das fisca- 
lische Princip gleichgültig ist, ob sie unmittelbar durch Staatsbehörden, 
oder im Namen des Staates durch concessionirte Privaten , Pächter etc. 
verwaltet wurden. Ihrem Grundgedanken nach beruhet diese Gruppe 
auf einer Gombination aller drei früher besprochenen : abgesehen davon, 
dass schon die Naturalwirthschaft der Domänen, sowie die Naturalerhe- 
bung der Steuern dem spätem Mittelalter manche Zweige von Staats- 
handel sehr nahelegen mussten^^. Ein Grundherr, also auch das Doma- 
nium, wird leicht daran denken, die auf seinem Boden zu treibenden 
Gewerbe sich selbst oder seinen Leuten vorzubehalten. Wo der Satz : 
Nulle terre sans seigneur, wirklich ganz oder annäherungsweise durchge« 
führt ist, wo mithin das vornehmste Gewerbe des Volkes, dieLandwdrth- 
schaft, nur auf Grund einer Art von Staatsconcession getrieben werden 
kann : da liegt es nahe, dieselbe Abhängigkeit auf die Industriegewerbe 
zu übertragen. Bei vielen Gewerben machte sich dies um so leichter, 
als sie eben ganz neue Gewerbe waren, ihr Betrieb folglich eine Art 
herrenloses Gut und ihre Regalisirung für kein vorhandenes Interesse 
eine Verletzung schien. Dieser Umstand hat noch im 16. und 17. Jahr- 
hundert grossen Einfluss gehabt bei der Entstehung des Postregals, 
des Lotterieregals, des Regals der Zettelbanken, bei der Staatsmonopo- 
lisirung so vieler Handelszweige mit neuentdeckten Ländern, dem ita- 
lienischen Regale des Eomhandels im Grossen u. dgl. m. ^ Die meisten 
dieser neuen Gewerbzweige empfahlen sich jener Zeit schon dadurch 
fUr den Staatsbetrieb, dass die Privatindustrie noch zu unreif schien, um 
sie zu übernehmen, und man doch keine Zeit hatte, auf deren Reife zu 
warten^. Hierzu kommen alsdann polizeiliche Rücksichten. Bei man- 



32] Auch das Droit de prise bat in Frankreich wie in England oft zum Verkaufe 
der im Uebermasse requirirten Waaren geführt; vgl. Sismondi Hut. des Fran^ais 
JCUy p, 225. 268. Bacon Spech agamt purveyors : Work» IV, p. 305 fg. 

33) Unter Clemens VII. steigerte die Annona den Kornpreis zu Rom auf das Drei- 
fache. In Neapel wurde dies Regal 4 540 ff. so gehandhabt, dass man in guten Jah- 
ren schlechteres Brot hatte, als früher die Armen während einer Theuermig. (Sis- 
mondi Gesch. d. ital. Republiken XV, S. 154. XVI, S. 4 94.) 

34) Als die Florentiner ihren Seehandel begannen, vermiethete die Regierung die 
Schiffe dazu an den Meistbietenden; erst seit 4 480 freie Concurrenz. 



298 WiLBELtf RoSGHEft, [30 

chen Gewerben scheint der Privatbetrieb nodi jetzt gemeingeftihrlich, 
worauf u. A. das Mttnzregal beruhet, das freilich bei noch unausgebil- 
deter volkswirthschaftlicher Einsicht nur zu leicht in ein beliebiges Münz- 
verringerungsrecht ausartet. Das Tabaksregal ist in vielen Staaten un- 
mittelbar aus den polizeilichen Luxusverboten hervorgegangen^. Bei 
anderen Gewerben war doch in jener Zeit das nöthige Zutrauen der 
femwohnenden Abnehmer nur durch Aufsicht, Stempel etc., überhaupt 
Intervention des Staates mit seiner publica fides zu erreichen. Ueberall 
herrschte bekanntlich gegen Schluss des Mittelalters und im Anfange der 
neuem Zeit die Ansicht, dass obrigkeitliche Taxen nöthig wttren, um das 
Publicum vor Uebervortheilung zu schützen. Hierzu kam noch die un- 
unterbrochene Schutzbedürftigkeit der Gewerbetreibenden in einer Zeit, 
wo die corporative Selbsthülfe des Mittelalters nicht mehr passte, und 
gleichwohl die neuere Rechtssicherheit noch keineswegs durchgebildet 
war. Hiermit hängt z. B. das vormals so häufige Vorkaufsrecht des 
Landesberm an allen eingeführten Waaren zusammen ^^; ebenso das Re- 
gal der Umwechselung auslandischer gegen inländische Münzen. {Jm 
cambiij recambii et excambii.)^ Es ist ein Hauptgedanke des sog. Mer- 
cantilsystems , dass auch der Staat aUerlei Gewerbe treiben soU und 
seine Industrialbehörden zugleich polizeilich über den entsprechenden 
Privatbetrieb die Aufsicht führen. In Frankreich wurde 1 577 aller Han- 
del für droit domanial erklärt; daher sich die Kaufleute in Gilden verei- 
nigen und für die Eriaubniss, noch femer zu handeln, bedeutend zahlen 
sollten. Acht Jahre später ward dieselbe Massregel auf die Gewerbe 
ausgedehnt. Gleichzeitig hielt sich die englische Elisabeth befugt, jeden 
Handelszweig zum Staatsmonopole zu erklären. Oft wurden alle bishe- 
rigen Betreiber dadurch iiiinirt; oft auch hatten sie nur durch eine Ab- 
gabe das Privilegium des Fortbetriebes zu erkaufen. Viele solcher Mo- 
nopolien wurden an Günstlinge der Krone verschenkt, und von diesen 
hernach an Fachleute verkauft. Die Regalisirung betraf u. A. Korinthen, 



35) In Bayern war der Tabak noch 4656 wegen Feuersgefabr untersagt; 1670 
das Verbot aufgehoben; 4675 der ganze Verkehr mit Tabak zum Rauchen oder 
Schnupfen, sowie mit Pfeifen an Kaufleute verpachtet. (Z schocke Bay ersehe Gesch. 
m, S. 376.) 

36) So in Russland zu Anfang des 4 6. Jahrhunderts: Karamsin Russ. Gesch. 
VU, S. 164. 

37) Von England unter Heinrich VII. s. Rymer Foedera XIII, p, «46. 



34] Aeltere dbutscbb Nationaiökonomik. 293 

Salz^, Eisen, Pulver, Karten, Kalbleder, Felle, Segeltueb, Potasche, 
Weinessig, Thran, Steinkohlen, Stahl, Branntwein< Bürsten, Flaschen, 
Töpfe, Salpeter, Blei, Oel, Galmei, Spiegel, Papier, Stärke, Zinn, Schwe- 
fel, Tuch, Sardellen, Bier, Kanonen, Hom, Leder, spanische Wolle, iri- 
sches Garn. Vermittelst der Controle konnten Privatpersonen die ärg- 
sten Eingri£fe ins Innere der Häuser machen; so dass z. B. die Salpe- 
termonopolisten förmliche Tribute erpressten, falls man von ihren Stall- 
Visitationen etc. verschont bleiben wollte^. Man sieht, eine solche Mo- 
nopolisirung ist ebenso wohl eine Besteuerung, wie die höchste Accise, 
und in ganz besonders lästigen Formen ! Als Karl I. manche Staatsmo- 
nopolien wiederherstellte, ward ihre Form doch insofern verbessert, als 
sie nicht mehr an einzelne Günstlinge, sondern an regulated campanies 
vergeben werden sollten, und dadurch factisch einer Accise, fineilidi 
ohne pariamentarischen Gonsens, näher kamen ^\ Doch sollen alle diese 
neuen Monopolien etc. SOOOOO £. St. roh, aber nur 1 500 £. St. rein 
ertragen haben ; wesshalb Lord Clarendon meint, der König habe damit 
nur dem Volke zeigen wollen, dass es Thorheit sei, die nothwendigen 
Steuern zu verweigern ^^ 

Alle diese Regalien stehen mit der gleichzeitigen absolu«^ 
ten Monarchie sowohl negativ, als positiv im engsten Zusam- 
menhange. Wie ich oben von den Regalien sagte, dass sie in der 
Uebergangszeit vorherrschen, wo es nicht mehr genug Domänen, aber 
noch nicht genug Steuern giebt, so lässt sich die negative Unter- 
lage des Absolutismus im engem Sinne dahin formuliren: Keine 
mittelalterlich aristokratischen Stände mehr, aber auch noch keine mo- 
derne Volksvertretung; keine übermächtige Kirche mehr, aber auch 
noch keine starke öffentliche Meinung etc. Positiv ist das LStat c'est 
moi ganz übereinstimmend mit der Ansicht Ludwigs XIV., dass der 
König absoluter Herr alles Privateigenthums^^ der Geistlichen wie der 



38) Der Sabpreis sUeg in Folge dessen von 16 Pence pro Bushel auf H bis 4 5 
Schillioge. 

39) Sir S. d'Ewes Jowmal of both housei, (4683) p. 644 ff. 

40) Vgl. Ungar d Eist, of England IX, p. 418. 

44) Zu den relaliv grossartigsten Beispielen eines vom Staate betriebenen Han- 
deis gehört das Finanzwesen der mediceischen Grossherzoge von Toscana. 

42) Memoires historiques de Louis XIV., II, p, 124. Derselbe König sagt in 
seiner Instruction für den Dauphin : Les rois $out seigneurs c^tsol^u et oni natureliemeni 



294 WiLHBLM Koscher, [32 

Weltlichen sei. Viele Staatsmänner jener Zeit hielten die Regahen sogar 
(Ur eine besonders milde Form, die Staatsbedürfnisse zu befriedigen. Das 
französische Edict von 1616, welches die Flusszölle verdoppelte, setzt 
in merkwürdiger nationalökonomischer Verblendung hinzu : pour souh' 
ger le peuple. Und noch ein Mann, wie Forbonnais, war der Ansicht, die 
Staatseinnahme aus dem Aemterverkauf drücke das Volk gar nicht ^. 
Hierin liegt wenigstens die Wahrheit, dass die Last der Regalien nicht 
so allgemein und gleichmassig empfunden wird, wie die eines guten 
Steuersystems: freilich die schwerste Verurtheilung der ersteren vom 
Standpunkte des wahren Staatsrechtes und Volkswohles, aber doch vor- 
übergehend eine grosse Empfehlung für den Absolutismus, nach dem 
Grundsatze : Divide et impera. Auch die schrankenlose Willkürlichkeit 
und Volksbevormundung, welche uns bei dem Regaliensysteme zunächst 
Anstoss geben, waren im Zeitalter des Absolutismus fbr den Herrscher 
geradezu erwünscht, filr die Unterthanen wenigstens erträglich, bei dem 
tiefen Misstrauen, welches damals alle Welt gegen die ausgearteten mit- 
telalterlichen Freiheiten (Vorrechte) zu hegen begann, während die 
moderne Freiheit kaum geahnt wurde. Die vielen kleinen Status in 
Statu waren unhaltbar geworden, und der grosse Staat hatte eben noch 
keinen andern Vertreter, als die Krone. — So finden wir denn bei dem 
Absolutismus aller neueren Völker dieselbe charakteristische Wichtigkeit 
der Regalienwirthschaft. In Italien schon am Schlüsse des 1 5. Jahrhun- 
derts, wovon z. B. die Zeitgenossen Commines [MSmaires YII, 13) und 
Machiavelli [Discorsi III^ 29) reden ^*; ganz besonders aber seit der spa- 
nischen Herrschaft. Ebenso im spanischen Hauptlande, sowie in des- 
sen amerikanischen Besitzungen^^; in Russland ^; auch in Schweden 



la disposüion pleine et Ubre de tous les biensy qui sotU possedes. Desgleichen Louvois 
in seinem politischen Testamente : Tous vos sujets, quelsqu'iU soient, vous dowerU leur 
personne, leurs biens, leur sang, sans avoir droit de rien pretettdre, En vous sacrifiant 
toutf ils ne vous donnent rien, puisque tout est ä vous. 

43) Fmances de Pi'ance I, p.^Si.iAOff. So vertheidigte in England Fabian Philips 
das Regal der purveyance and Preemption vor seiner Aufhebung (4 663] in der Schrift : 
The antiquity, legalüy, reason^ duty and necessity of p, and p. for the king, the small 
Charge and burthen thereof to the people etc. 

44) Vgl. Sismondi Gesch. der ital. Republiken XI, S. 223ff. 354. Xm, S.S6ß. 

45) Vgl. Townsend Joumey through Spotn. IL p. 234 ff. Humboldt Neu- 
spanien V, S. 2 ff. 38. 

46) Vgl. Raramsin IX, S.284 mit Herrmann Russ. Gesch. III, S. 342. 540. 



33] Aeltere deutsche Nationalökonovik. 295 

während des 16. und 17. Jahrhunderts, wo so kräftige und fast erfolg- 
reiche Versuche zur absoluten Monarchie gemacht wurden *^ Wie in 
Frankreich das Pariser Parlament zur Zeit der Fronde auf Beseitigung 
dieser regalistischen Finanzwirthschaft drängte, so wurden umgekehrt 
in England unter Elisabeth und den beiden ersten Stuarts eine Menge 
eingeschlafener Regalien wieder aufgeweckt, als die Krone bei ihrem 
Streben nach Absolutismus das parlamentarische Steuerrecht umgehen 
wollte. — Ja selbst andere Formen der unbeschränkten Monarchie, die 
mit dem vorzugsweise sog. Absolutismus nur mehr oder minder Aehn- 
lichkeit besitzen, wie z. B. der orientalische Sultanismus, die abendlän- 
dische Militärdespotie (Cäsarismus), welche der ausgearteten Demokratie 
zu folgen pflegt, haben dieselbe Vorliebe filr regale Finanzquellen. Wir 
sehen dies im Alterthume bei den griechischen Tyrannen der spätem 
Art^^; mehr noch bei den römischen Imperatoren, wo es z. B. 29 Ver- 
brechen gab, die Vermögensconfiscation nach sich zogen, darunter das 
unendlich weite der laesa majestas^^. Wir sehen dasselbe im merkwür- 
digsten Grade bei Napoleon I. ^ 

In die deutschen Finanzen ist der Regalismus viel später und im 
Ganzen auch weniger tief eingedrungen, gerade wie der Absolutismus. 
Dieselbe Mittelstellung der meisten deutschen Landesherren zwischen 
grossen Reichsunterthanen und souveränen Staatsoberhäuptern, welche 
die Macht ihrer Landstände bis zum dreissigjährigen Kriege und länger 
lebendig erhielt, beugte der Verschleuderung ihres Domaniums vor. In 



7S4 und der Darstellung aus Gesandischailsberichten Gustav Adolfs bei G ei j er III, 
S. 99. 

47) Ueber Gustav Adolf in dieser Beziehung s. Geijer IH, S. 55 ff. 

48) Auch bei den früheren, die genauer unserem Absolutismus am Schlüsse des 
Mittelalters entsprechen; vgl. Aristot. Oeeonom. II, passim. 

49) Vgl. Naudet Des changefnents dam Vadminütration de fempire R, sous Dio- 
cUtien, /, p, 4 95. 

50) Napoleon führte das droit daubaine und den Abschoss wieder ein. An der 
Strafe der Vermögensconfiscation hielt er so fest, dass er sie auch in seinem Acte ad" 
düionel von 4 815 nicht aufgeben wollte. Bei Creirung des neuen Majoratadels ward 
eine Gebühr von 20 Procent der einjährigen Einkünfle an den Siegelrath gefordert. 
Wie Napoleons Cautionen für aller Art Aemter, selbst Gewerbe, deren Betrag er be- 
liebig erhohete, deren Zinsfuss er beliebig herabsetzte, dem alten Aemterverkaufe ent- 
sprechen, so ist sein Verfahren gegen den Lieferanten Ouvrard [Ouvrard Memoires 
i, 64 fg. Bourrienne Mem. VII, 6) gegen Bourrienne etc. (Memoires de Lasca- 
8 es II, 3H) ganz ein Wiederauffrischen der alten Chambres ardentcs, 

Abhandl. d. K. S. Oct. d. Wim. X. 20 



296 Wilhelm Roscber, [34 

Preussen z. B. hat erst der grosse Kurfürst, unter heftigem Widerspruch 
(Jer Stände, das Salzregal eingeftlhrt, desgleichen eine Art von Aeroter- 
verkauf; Friedrich Wilhelm I. beides wesentlich verschärft, Friedrich 
d. Gr. endlich gegen 500 verschiedene Waaren zum Gegenstande seines 
Staatshandels gemacht. Aus anderen Ländern ist im i 8. Jahrhundert 
namentlich der Aemterverkauf des mecklenburgischen Kari Leopold und 
des bayerschen Karl Theodor bekannt, sowie auch das berttchtigte Fi- 
nanzsystem des Juden Süss in Württemberg ein wesentlich regalistisches 
war^l Zu den schlimmsten Anwendungen des Regalismus im 18. Jahr- 
hundert gehört die Soldatenvermiethung an England oder Holland, 
welche von Hessen-Kassel und Braunschweig in einem, selbst popula- 
tionistisch, schwer begreiflichen Extreme geübt wurde: dort, bis zu 
12600, hier bis zu 4300 Mann auf einmal! Oder auch die holländisch- 
französische Zahlung von 9V2 Millionen Fl., wofür sich ein Herrscher, 
\Vie Joseph H., die Fortdauer der Scheidesperrung gefallen liess. Aber 
in Obrechts Zeit waren es nur ganz wenige deutsche Fürsten, welche 
an dem Regalsysteme, wie es damals in Frankreich, England und Italien 
blühete, wirklich Gefallen hatten. Am' meisten noch der Erzbischof von 
Salzburg seit 1587^^; einigermassen auch Württemberg, wo das früh- 
zeitige Ausscheiden des Adels aus dem Landesverbände die Regalisirung 
erleichterte ^. 

Indess, wie gesagt, die Mehrzahl der praktischen und theoretischen 
Staatsmänner im damaligen Deutschland war nicht flir den Regalismus 
eingenommen, dessen System wir in Obrechts Zeit als ein wesentlich 
ausländisches dem deutschen gegenüberstellen können. Man darf aber 
die vielseitigen Verbindungen des südwestlichen Deutsch- 
lands, wo Obrecht lebte, mit Frankreich, England und Hol- 
land nicht übersehen. Schon damals konnten sich die Tieferblickenden 



54) 'n Mecklenburg scherzte man seit 4742, wo so viele Pfarren meistbietend 
verkauft wurden, dass die Prediger mit Recht ihre Zuhörer »theuer erkaufte Seelen« 
nennen könnten. (Boll Meckl. Gesch. II, S. 425.) Im bayerscheu Addresskafender 
von 4799 haben die meisten Beamten gleich ihre Nachfolger neben sich verzeichnet 
stehen, weil die Anwartschaft darauf verhandelt war. (Perthes Deutschland zur 
Zeit der französ. Herrschaft, S. 441.) 

62) Vgl. Ranke Päpste II, S. 4 33. 

53) Sogar allgemeines Schäfereiregal in Württemberg seit dem 4 6. Jahrhundert, 
das erst 4 828 aufgehoben wurde. 



35] Aeltere deutsche Nationalökonomik. 297 

immer iTveniger täuschen über das Herannahen der grossen Krisis, die 
im dreissigjahrigen Kriege ausgefochten wurde. Immer schwächer wur- 
den auf beiden Seiten die vermittelnden Elemente : solche Katholiken, 
wie Kaiser Max IL, und solche Protestanten, wie die Lutheraner der 
Concordienformel. Dagegen verschärften sich auf beiden Seiten die 
Ultras, und wie die katholischen immer enger an Papst und Spanien 
festhielten, so die calvinischen an den Generalstaaten, Heinrich IV. und 
England. Eine welthistorisch wichtige Folge derThatsachen, dass Calvin 
kein Deutscher gewesen war, und seine Kirche damals, bei wachsender 
Verknöcherung der lutherischen, alle treibenden Kräfte des Protestan- 
tismus beinahe ausschliesslich und deshalb ohne gehöriges Gegenge- 
wicht in sich vereinigte. Schon 1594 hatten die zu Heilbronn versam- 
melten Bundesgenossen, Kurpfalz, Baden, Württemberg etc., Heinrich IV. 
Subsidien bewilligt, wofllr er den brandenburgischen Bewerber des 
Bisthums Strassburg gegen den lothringischen. unterstützen sollte. Das 
förmliche Bttndniss der Union, das 1610 mit Heinrich IV. geschlossen 
wurde, hätte ohne dessen plötzlichen Tod fllr den ganzen Bestand des 
europäischen Staatensystems unberechenbare Gefahren heraufbeschwo- 
ren. Noch im Mai 1613 schloss die Union ein 1 Sjähriges Bündniss mit 
den Generalstaaten. Kurftlrst Friedrich V. von der Pfalz, dessen böh- 
mische Thronbesteigung zum Ausbruch des dreissigjahrigen Krieges 
flüirte, war der Sohn einer Prinzessin von Oranien, der Schwiegersohn 
des Königs von England. Dessen vornehmster Rathgeber, Christian von 
Anhalt, war früher in französischen Diensten gewesen, und hat seine 
Französirung u. A. dadurch bethätigt, dass er seinen amtlichen Bericht 
über die verlorene Schlacht am weissen Berge in französischer Sprache 
schrieb ! — Von allen diesen Bewegungen war nun Strassburg mit sei- 
ner blühenden Universität, Obrechts Wohnsitz, aufs Lebhafteste mit er- 
griffen: ich erinnere beispielsweise nur daran, dass der vermählte und 
protestantisch gewordene Erzbischof von Köln, Truchsess von Waldburg, 
dessen Vertreibung lange Zeit einen Hauptstreitpunkt der grossen con- 
fessionellen Parteien gebildet hatte, und der eben deshalb mit Frank- 
reich und England im wichtigsten Verkehr gestanden, zu Strassburg 
1601 nach langjährigem Aufenthalte als Domherr starb. 



Als eine in mancher Hinsicht lehrreiche Folie von Obrecht mag 
Hippolytus a Collibus dienen. Geboren 1561 zu Zürich, war er 

20* 



298 Wilhelm Röscher, [36 

der Sohn eines italienischen Edelmannes, der um seines protestantischen 
Glaubens willen auswandern musste. In den Jahren 1 58 i bis 1 591 lebte 
er als Professor der Rechte abw echselnd in Basel und Heidelberg. Um 
1 591 trat er als Kanzler in die Dienste des vorerwähnten Christian von 
Anhalt, der ihn zu Gesandtschaftsreisen nach England, sowie an viele 
deutsche Höfe gebrauchte. Seit 1 593 aber finden wir ihn bis an sein 
Lebensende wieder in kurpfölzischen hohen Aemtern. Er starb 1612. 

Hippolytus schrieb ausser mehreren civilistischen Arbeiten'^ fol- 
gende politische Werke : Nobilis (1 589 ;) Princeps, (1 592) dem nheros« 
Christian von Anhalt gewidmet; Palatinus s, aulicus, (1595) eine Schil- 
derung, wie der Hofindann etc. gebildet werden, gesinnt sein und han- 
deln müsse : lauter Dinge, die in sehr gemeinplätzlicher Weise aus dem 
Alterthume belegt werden. Sein Hauptbuch, das zu damaliger Zeit 
grossen Ruhm erlangte, Incremenla urbium s. de causis magnitudinis «r- 
bium (Hanau, 1600), erinnert bloss durch den Titel und zu seinem eige- 
nen grössten Schaden an das kurz vorher erschienene Meisterwerk Bo- 
teros. Kein Gedanke ' an die vortreffliche Handels- und Bevölkerungs- 
theorie des letztern ! ^^ Nur ganz äusserlich und mit allerlei klassischen 
Reminiscenzen aufgeputzt, reden hier 24 Kapitel vom Ursprung der 
Städte, von ihrer Lage und Gesundheit, von der Fruchtbarkeit des Bo- 
dens, der Schönheit der Umgebungen, von den Wasserverbindungen, 
der Befestigung, der Bequemlichkeit und Pracht, den Heerstrassen und 
Grenzstädten, den Badeörtem, Bergstädten, Universitätsstädten, Haupt- 
und Residenzstädten, Sitzen des Adels, Handelsstädten, Gewerbestädten; 
vom Zuwachs durch leichte Ertheilung des Bürgerrechts, durch Begün- 
stigung der Ehen, durch Asyle, Schauspiele etc. ; zuletzt noch de urbü 
bus, quae aerario studenty quae annonae prudetiier curam gerunt, de iis quae 
diversa oppida in unum contrahunt vel vicinas urbes diruunt, de urbium {e- 
gibus et potiteia, de urbibtis nonnullis, quae ad summam magnitudinem per- 
venerint. — Der Abschnitt de politeia ist nur eine ganz oberflächliche^ 
dem Aristoteles nachgehende Notiz, wie man Demokratien und Aristo- 
kratien anders behandeln müsse, als Monarchien. Ebenso wenig kann 



54) Vgl. Jugler Beiträge zur juristischen Biographie TU, S. 195 ff. 

55) In seinem 17. Kapitel (von der Ehe) räth Hippolytus ganz einfach, dass der 
Staat die Ehen befördern soll. Dass ein sehr frugales und wohlfeiles Leben zur Volks- 
Vermehrung anreizt, begreift er nur, sofern es sich um das Leben der Kinder handelt. 
(PrincepSy p. 4 60.) 



37] Aeltere deutsche Nationalökonomik. 299 

Hippolytus mit der Idee anfangen, dass auch die Staaten, wie die Indi- 
viduen, ihre Kindheit, Jugend, ihr Alter etc. haben. [Princeps, p. 175.) 
Vor allen Wirthschaftszweigen lobt er den Ackerbau : nulla ars locuple- 
tandae reipublicae utilior et honestior. Deshalb soll der Fürst, und zwar 
ganz allgemein, durch Lohn und Strafe zum Anbau jedes Grundstückes 
veranlassen. {Princeps, p. 130.) Uebrigens versteht Hippolyt seine al- 
ten Klassiker in diesem Punkte so wenig, dass er die bekannten Abstu- 
fungen des Gato hinsichtlich des Ertrages der verschiedenen Boden- 
benutzungsarten {vineae, hortm irriguus etc. : Cato R. R., c. 1.) als Eigen- 
schaften eines guten Ackers deutet. {Incrementa urbium, p. 18.) Beim 
Gewerbfleisse warnt er vor monopolia, factiones et conjurationes, praeiexlu 
socielatum, empfiehlt dagegen Schauanstalten. {Ibid. p. 65.) Zur Beför- 
derung des Handels räth er Börsen, Messprivilegien, eigene Handelsge- 
richte, [summarie et de piano administrari et bona fide conservari,) end- 
lich Verleihung einer gewissen Beweiskraft an ordentlich geführte Han- 
delsbttcher. {Ibid. p. 58 ff.) Man sieht, er ist damit seiner Z^jt zwar 
nicht voraus, aber doch von den besten, damals noch keinesweges all- 
gemein gewordenen Neuerungen wohl unterrichtet. Die Schiffahrt halt 
er nicht bloss für nützlich, sondern fllr nothwendig : vuc credibile, quan- 
tum maritimis subvectionibus regna ditescant. {Princeps, jp. 1 51 .) ImKom- 
handel strenges Wucherverbot ^® und grossartig entwickeltes Staatsmaga- 
zinwesen, nach Art der venetianischen Annona. {Incrementa urbium, p. 
88 ff.) Wo Hippolytus das Geld mit den Nerven vergleicht, ist damit 
doch nur eine humanistisch-bellettristische Ausdrucksweise ftlr Steuern 
gemeint. {Ibid. p. 82 ff.) Er warnt dabei nur ganz gemeinplätzlich vor 
drückenden Steuern, deren Ertrag alsdann vergeudet wird ; räth auch, 
neue Ansiedler einstweilen damit zu verschonen. Ein sehr auffallender 
Gegensatz zu Obrecht, mit dem er sonst beinalie ganz auf demselben 
geistigen Boden steht, ist seine Abneigung gegen Aemterverkauf: 
nullum mercaturae genus sordidius et damnosius, quam honorum magistra- 
iuumque mercatura. {Princeps, p. 174.)^^ 



56) Selbst ein Volkswirth wie Kurfürst August von Sachsen hatte 4 583 alles Auf- 
kaufea von Getreide in reichen Jahren »auf Theuerung«, als der christlichen Nächstens 
liebe zuwider, verboten. (Cod. August. J, S. 144.) 

57) Dies erinnert an Bodinus* Wort über den Verkauf so vieler Finanzämter in 
Frankreich : de rebus omnibus absurdissimis nuüa mihi absurdior visa est, (De rep. VI, 
2, p. 4048. 4062.) 



300 Wilhelm Roschbr, [38 

IIL 

Die Anfänge der systematischen Volkswirthschaftslehre. 

Vom Leben des Jacob Bornitz kann ich ausser seiner schrift- 
stellerischen Thätigkeit nur anführen, dass er, geboren zu Torgau, spä- 
ter als Doctor der Rechte und kaiserlicher Rath zu Schweidnitz lebte. 
Bei den Kaisem Rudolf IL und Matthias scheint er in Sachen der öko- 
nomisch-juristischen Verwaltung etwas gegolten zu haben : wenigstens 
rühmt er sich, ihre regalia, feuda, privilegia et reservata seien ihm com- 
missa et concredita gewesen. Sein Werk De rerum mfficientia ist Kaiser 
Ferdinand IL gewidmete Gleichwohl litt er, ohnehin kränklich, im 
dreissigjährigen Kriege viel Noth durch die Soldaten, die ihm z. B. seine 
Bibliothek raubten ^. Sein Leben war übrigens nicht lang genug, um 
alle seine wissenschaftlichen Pläne zu vollenden : an mehreren Stellen 
seiner Bücher verweist er auf künftige Erörterungen, von denen mir 
nichts weiter vorliegt. 

Bekanntlich hat Schlesien während des 17. Jahrhunderts relativ 
seine höchste Literaturblüthe gehabt : die Mehrzahl der in Deutschland 
jenerzeit hervorragenden Dichter etc. gehört der schlesischen Schule an. 
Ich gedenke nur der Opitz, Andreas und Christian Gryphius, Tscheming, 
Scultetus, Heerman, Logau, Hoffmannswaldau, Lohenstein, Assmann von 
Abschatz, Neukirch, Schmolke, Angelus Silesius bis auf Joh. Christ. Gün- 
ther herab. Die Uebersiedelung unseres Bornitz von Sachsen nach 
Schlesien kann auch als Beitrag zu dieser Uebertragung des geistigen 
Principats von einer Landschaft auf die andere betrachtet werden. 

Volkswirthschaftliche Bücher hat Bornitz drei verfasst. Zuerst De 
nummis in republica percutiendis et conservandis, Librill, ex systematepo- 
litico deprompti: nach II, 9. am 15. Julius 1604 vollendet, aber erst 1608 
zu Hanau erschienen. Die Quartausgabe, die von mir benutzt worden ist, 
zählt 1 02 Seiten. Hierin wird die Lehre vom Geld- und Münzwesen, zu- 
gleich aber auch die obersten Grundsätze der Volks wirthschafts- und Han- 
delspolitik im Allgemeinen vorgetragen. Sodann seine Finanz Wissenschaft : 



4) Freilich daneben auch allen den Königen, Fürsten, Herren, Reichsstädten etc., 
welche, jeder in seinem Gebiete, rerum sufficientiae mvigilant, 
2) Vorrede des eben genannten Werkes. 



39] AeLTERE DEÜT6CUB NATIONALÖKONOMIK. 301 

Aerariwn s. iractalm poUticus de aerario sacro, dvili, militari, commum 
et ^acraliori^ ex reditibus publicis, tum vectigalibiis et coüationibus singulo- 
rum ordinariis et extraordinariis confidendo, X. libris summatUu et hrevu 
ter comprehensus. Zu Frankfurt 1612 in 94 Quartseiteo erschienen. Dies 
ist überwiegend^ nur eine Aufzählung von Gegenständen, ein Fachwerk, 
das jeder Leser durch Eintragung seiner eigenen Notizen ausfüllen soll, 
(Vorrede) bedeutsam durch seine systematische Vollständigkeit, aber 
ohne viel Eindringen in die Tiefe. Ganz dasselbe gilt von der dritten 
Schrift: Tractatui politicus de rerum sufficientia in republica et civitate 
procuranda, (Frankfurt 1625, 253 Seiten klein 40.)^ welche zu Frankfurt 
a. 0. 1622 im Laufeines einzigen Monates verfasst ist. Der Autor hatte, 
wrie er selbst sagt, in seinen früheren Werken die sufficientia rerum civi* 
lium behandelt; jetzt will er die sufficientia rerum naturalium hinzufügen, 
nachdem er viel mit Handwerkern etc. verkehrt und während seiner 
Reisen durch Holland, England, Frankreich, Italien und Deutschland 
immer vorzugsweise hierauf geachtet. Er vertheidigt sich in seiner 
zweiten Vorrede ausführlich dagegen, als ob solche Studien eines Juri- 
sten unwürdig seien, wobei er gegen die herkömmliche, zu niedrige Auf- 
fassung des Begriffes Poliücus eifert. Generalia suppeditat politica^ al 
speciaüa histaria rerumpMicarum Hebraeorum, Graecorum, Romanorum 
ceü. et hodie Romano-Teutonid Status. Uebrigens ist es nicht seine Ab- 
geht, die Gewerbe des Ackerbaues, Bergbaues, der Industrie und des 
Handels selbst zu beschreiben, sondern nur zu lehren, quomodo hisce 
mediis bona naturalia in republica paranda et in usum communem elabo- 
randa. Also eine Art von Encyklopädie der Cameralwissenschaften, aus 
volkswirthschaftlichem Gesichtspunkte entworfen, deren Hauptverdienst 
in ihrer systematischen Vollständigkeit und Natürlichkeit ^ besteht. So 
werden z. B. im zweiten Abschnitte (S. 77) die opificia in solche einge- 



3) Obschon es in der Vorrede heisst, der Verfasser wolle die modos licüos, qui- 
bus luto utendum, empfehlen, die modos iUicitos verwerfen. 

i) Sehr gerühmt von Besold Synopsis poUtica, p. 251 . Ein ähnliches Buch von 
Hieronymus Marstaller De divitiis erschien als Tübinger Inauguraldissertation 169R, 
wohl unter Besolds Einflüsse. 

5) Das Verdienst solcher Natürlichkeit erhelli am besten aus einer Vergieichung 
mit Hippolytus a Collibus Princeps, p. 4i9, wo die artes mechanicae, welche der 
Fürst befördern soll, eingetheilt werden in solche, die mit der Erde, (Landbau, Jagd,) 
mit dem Wasser, (Schiffahrt, Fischerei,) mit dem Feuer (fabricaria) oder mit der Luft 
(Vogelfang) zu thun haben! 



302 Wilhelm Röscher, [40 

theilt: 1) quae vitae nee non victui ei sanitaii inserviunt; 2) amiclui et re» 
liquo corporis cultui; 3) habitationi et aedificiis; 4) supellectili et instru' 
mentis variis domesticis; 5) militicte togatae, h. e. rei literariae; 6)milu 
tiae sagalae, h, e. hello spedatim; 1) omatui et voluptaii ; 8) lusui. Der 
ganze vierte Abschnitt handelt von den ministeriis, welche die Neueren 
als persönliche Dienste zusammenzufassen pflegen. Ueberall will der 
Verfasser nur durch viele Citate etc. zum Selbstudium des Ackerbaues, 
Gewerbfleisses, Handels etc. anleiten, und hofll auf einen Nachfolger, 
qui cyclum artificiorum kumanorum methodo s, ordine concinno editurus sit. 
Er selbst macht das Einzelne meist sehr obenhin ab, nicht selten vermit- 
telst einer blossen Nomenclatur, und die zwischendurch eingestreuten 
Verse sind oft geradezu albern. 

Ueberhaupt darf man sich die Bildung unsers Bomitz ja nicht zü 
hoch denken. In falsche Theologie freilich geräth er nur selten, wie 
z. B. De rerum sufficientia, p, 201 bei Gelegenheit des Gartenbaues, dass 
uns die Gärten an Adams Fall und Christi Begräbniss in einem Garten, 
also an unsere Sterblichkeit und Auferstehung, erinnern sollen. Desto 
mehr leidet er an falscher Jurisprudenz. Unter den zahllosen unnützen 
Citaten, lateinischen Spruch Wörtern etc., von denen seine Bücher wim- 
meln, sind die meisten aus dem Corpus Juris. Die Aufhebung einer 
Steuer im römischen Recht hat filr ihn doch immer soviel Gewicht, dass 
er ihre etwanige Zweckmässigkeit flir die neuere Zeit dann mit ganz be- 
sonderer Umständlichkeit nachweiset ^ Seine Philosophie ist einp tiber- 
aus pedantische , die mit der seines genialen Zeitgenossen und Lands- 
mannes, Jacob Böhme, nur zu ihrem grossen Nachtheile verglichen wer- 
den kann. So wird De nummis /, 2 zuerst von der Materie, dann von 
der Form des Geldes gesprochen, das letztere mit den Worten eingelei- 
tet : causa altera, quae dat esse, forma est. Das folgende Kapitel handelt 
von der constitulio, conservatio et curaiio, auctio und mutaiio nummorum. 
Da heisst es u. A. : Constiiuiio deducitur ex causis, qualitatibus, partibus 
et speciebus, Inquirendum itaque est in causas nummorum, si quidem rem 
scire est rem per causas cognoscere, quarum quaedam essentiam ingrediun- 
tur nummi, {materia et forma,) quaedam nummos extrinsecus efficiunt, [ef- 
fectrix et finis.) Von Bomitz' historischem Geschmacke zeugt u. A. die 
Erzählung : Noa et DionysiuS'Bacchus, qui et Bacchanalia instituit, cultO' 



6) Vgl. Deaerario V, 13. 



^•0 Aeltere deutsche Nationalökonowk. 303 

res primi habentur vinearum. {De rerum mfßcientia, p. 29.) So betrachtet 
seine Worterklärung des Geldes peounia, aes u. dgl. m., ohne irgendwie 
an den geschichtlichen Grund dieser Ausdrücke zu denken. Aus Juve- 
nals I. Satire (1 1 3) schliesst er sogar auf das Vorhandensein einer Göttin 
Pecunia bei dei Römern ! [De nummis /, 1 .) Zu diesem Allen noch eine 
lästige Menge von Gemeinplätzen und Wiederholungen, sowie die ge- 
wöhnliche barbarische Sprachmengerei seines Zeitalters. 

Gleichwohl nimmt Bomitz in der Entwickelungsgeschichte der Na- 
tionalökonomik , nicht bloss von Deutschland, sondern überhaupt, eine 
wichtige Stelle ein. Ohne hauptsächliche Entdeckungen im Einzelnen, 
hat er sich die gesammte volkswirthschaftliche Erkenntniss seiner Zeit 
in achtungswerthem Grade angeeignet, hat sie mit reicher Gelehrsam- 
keit (im damaligen deutschen Geschmacke !) ^ verarbeitet, durch Selbste 
erfahrung belebt und geklärt, und zuerst den Versuch gemacht, sie in 
systematischer Vollständigkeit darzustellen. Der gesunde, praktische, 
jedem Extrem abholde Sinn, welcher dazu erfordert wird, ist ihm durch- 
aus eigen, so dass er in jener halbbarbarischen Periode einen ähnlichen 
Platz einnimmt , wie in unserer glücklichem Zeit der ehrwürdige Rau. 
Solche Männer sind auch für die Fortentwickelung der Wissenschaft von 
grossem Nutzen, obschon dies bei Bomitz durch die Sündfluth des 
dreissigjährigen Krieges unterbrochen wurde. Vergleichen wir ihn mit 
Bodinus, wohl dem grössten Staatsgelehrten unter Bomitz' älteren 
Zeitgenossen, so ist der Franzose dem Deutschen unstreitig überlegen 
an Weite des Gesichtskreises, — die Theilnahme an den Reichstagen 
und Gesandtschaften einer Grossmacht hatte ihre Frucht getragen! 
Ebenso an Feinheit (und behaglicher Breite!) der philologischen Bil- 
dung, wie sie bei dem Landsmanne von Cujacius, Donellus, Brissonius, 
Muretus, Scaliger, Thuanus, Casaubonus zu erwarten stand. Im Allge- 
meinen jedoch haben die beiden Männer an Persönlichkeit und Richtung 
viel Aehnliches, nur dass man nach heutiger Ausdmcksweise Bodinus 
mehr einen Publicisten, Bomitz mehr einen Gameralisten nennen möchte. 

Gehen wir jetzt zur Darlegung seines Systems über. 

Wie im Körper eine perpetua et mutua spirituum consumtio et resti- 
tutio virtute alimentorum et sanguinis stattfindet, so im wirthschaftU- 



7) Sehr gerne citirt Bomitz die Ausgabe der aristotelischen Oekonomik von Ca- 
merarius. 



304 WauELM R06CHBR, [4d 

eben Lieben durcb die bona, gleichsam ein alter sanguis. {De rerum suffi- 
cientia, p. 8.)^ Alle Güter werden in soicbe getbeilt, welcbe animum, 
corpus oder fortunam betreffen^. Die nothwendigen Lebensbedürfnisse 
(naluraUa) stehen zwar den geistigen Dingen an wahrem Werthe nach, 
müssen jedoch vor diesen erstrebt werden, weil es zuerst auf das vivere 
et 86 sustentare ankommt, dann auf das cimliter vivere. {De nummis, I, 1 .) 
Die Yorzüglichkeit des Staates beruhet hauptsächlich auf einer rechten 
Harmonie der für öffentliche Zwecke zurückbehaltenen Güter mit denje- 
nigen, welche Privatleuten zugewiesen sind ; wobei der Verfasser gegen 
die Gütergemeinschaft eines Piaton, Th. Morus u. A. eifert. {De nummis 
/, 4.) ^^ Gleichwohl ist er von der absolutistischen Strömung seiner Zeit 
dermassen ergriffen, dass er dem politicus und princeps doch eine fast 
hausvdterliche Gewalt zuschreibt, insbesondere praescribendo et dirigendo, 
quod unusquisque in domo et in urbe agere, quod genus vitae sequi^ quibus 
modis rede et rite bona acquirere, acquisita conservare et amittere debeal. 
{De rerum suff., p. 12.) Dass obrigkeitliche Taxen wünschenswerth sind, 
versteht sich nach damaligen Begriffen eigentlich von selbst. {Ibid. 
p. 246.) 

Den Ursprung des Geldes erklart Bomitz aus der Ungenüglich- 
keit des blossen Tauschverkehrs, obwohl er in dieser Hinsicht keinen 
hohem Standpunkt erringt, als den bereits Gabriel Biel und Georg Agri- 
cola eingenommen hatten. Aliud quidpiam legis beneficio et disposilione 
politica adinveniendum fuit, quod rerum naturalium vices aequaAili com» 
mensuratione subiret. [De nummis /, 1. 4.) Auch De rerum suff., p. 10 
betont die gleichzeitige Nothwendigkeit der bona <pvaH (Waaren) und 
bona vofm (Geld) ; weil man doch Geld und Gold nicht essen kann, aber 
auch die Waaren allein nicht genügen, falls kein Geld vorhanden ist, 
womit der Eine, was ihm fehlt, zu seinem Gebrauche von Anderen er- 
langt. — Der Zweck des Geldes ist, die übrigen Vermögensobjecte 
(x^tjfiara) zu messen und abzuschätzen, und dadurch im Allgemeinen 
nützlich zu sein. (De nummis L 4.) Ebenso meint Bornitz, das Geld 
diene nichi per se dem menschlichen Bedürfnisse, sondern vji&Otasi 



8) Bornitz war ein warmer Verehrer der »Cbimiatrika, (a. a. 0. p. 99) d. h. der 
von Theophrastus Paracelsus begründeten ärztlichen Schule. 

9) Also ganz wie bei Agricola De preiio metallorum et monetis, in der Dedica-- 
tion. Aehnlioh schon in G. Biel CoUectorium serUentiarum IV, \ 5, S. 

\0) Aehnlich bei Bodinus De rep. V, 2. 



i3] Aeltere dectsgbb Nahonalökonoiiik. 303 

tantum cömtat, obwohl sein Stoff von der Natur gegeben ist. (/. c. /, 1 .) 
Dessen ungeachtet hebt er energisch hervor, dass jede Münze einen 
Stoff haben muss, der natura sua, communi hominum consenm valorem et 
pretium in se cantinet. Wo dies nicht der Fall ist, da spricht er von 
einem Attentate gegen Recht und Billigkeit zum Schaden sowohl der 
Unterthanen, wie der Ausländer. Gleichwohl meint er, im Innern des 
Staates sei es wenigstens möglich, das Gesetz des Preises nach Belieben 
zu dictiren. (/. c. I, 5.) Ueberall klingt eine Ueberschätzung der obrig- 
keitlichen Vorschrift durch: nurnmus non est, quod ex auro, argento et aere 
est, sed quod kisce metaUis potestas numnd auctoritate publica tributa est 
.... nummus non (pvasi, sed v6/i^. (/. c. I, 7.) Edelsteine passen nicht 
zu Geldzwecken, weil sie keine Formbarkeit besitzen. (/. c. /, 5.) Als 
tiefsten Grund der Thatsache, dass Gold von allen Metallen das werth- 
vollste ist, betrachtet Bomitz die medicinische Bedeutung des aurum po* 
tabile. {De rerum suff., p. 42.) Ebenso theilt er die seiner Zeit so be- 
liebte Ansicht, dass die verschiedenen Metalle nur verschiedene Reife- 
grade eines und desselben Körpers seien, daher z. B. das Glück des 
Bergmanns darin besteht, weder zu früh, noch zu spät zu kommen. (/. c. 
p. 40.) Doch ist er mit den übrigen Lehren der Goldmacherei durchaus 
nicht ganz einverstanden ^^ — Vortrefflich erklärt er das Kupfergeld: 
in civitatibus, quae auri et argenli copia deslituunlur, quarum fines non fä- 
dle egreditur, ex quo nummi minimi pretii percutiendi, egenorum gratia, 
quum argenti etiam minima particula pretiosa sit. {De nummis I, 5.) 
Ebenso unterscheidet er ganz fein, das Geld gehöre zwar dem Jus Gen- 
tium an, sei aber doch nicht so, wie dieses, mit dem Menschenge- 
schlechte selbst von gleichem Alter. Ratio naturalis veluti lex quaedam 



1 1) Wo er De numrms I, 5 vom Golde als erstem Metalle spricht, fügt er hinzu : 
id nimirum, quod ex venis metallicia natum et effossum, vel ex arenulis flummum col- 
lectum. Ueber das aurum artificiak s. chymicum will er nicht entscheiden. Aehnlich 
De aerario II, 5. Er möchte auch keinem Fürsten rathen, den Mangel der Natur durch 
solche Kunst ersetzen zu wollen. Res pericuH plena. Aliorum me vestigia terrent. (De 
fwmmü II, 6.) Um dies zu würdigen, darf man nicht vergessen, dass selbst Kui^ 
fürst August von Sachsen Adept zu sein glaubte. Eo usque pervenmue, ut ex VJII ar- 
genti unciis auri perfectissmi uncias III smgulis VI diehus comparare poseimus : mit die- 
sen Worten ladet er einen italienischen Adepten zu sich ein, falls dieser noch weiter 
gekommen sei. (Peiferi Epiet, p. ^27.) Wie verbreitet der Alchymismus damals war, 
sieht man u. A. aus dem Spotte in RoUenhagens Froschmeuseler (4695), sowie 
schon früher aus Job. Glajus' Satire AUkumütica etc. (1586.) 



306 WaHELM Röscher, [44 

tacita cum genere humano prodiit, singtUa tarnen effecta eodem tempore si- 
mul non prodidit. Gegen Tadler des Geldes im Sinne von Plinius d. Aelt., 
Th. Morus u. A. bemerkt er treffend, Verbrechen seien nicht den Sachen, 
sondern der Bosheit der Menschen zuzurechnen. [1, 4.) 

Ueber das Wesen des Kapitals finden wir bei Bomitz wenig 
mehr, als Ahnungen. Als eine zweite Brauchbarkeit des Geldes (neben 
dem ursprünglichen Nutzen : dimensio earum verum, quae merds loco ha- 
beniur,) nennt er dessen Fähigkeit, verliehen zu werden. Diese beruhe 
auf seiner fungibeln Natur. Wer die Zinsen abschaffte, würde eben ö^- 
mit potissimam partem negotiationis abschaffen. {De nummis I, 4.)^^ Er 
ist auch dem Schatzwesen des Staates nicht günstig« weil thesauri oc- 
culti nihil foenoris paiiant. {De aerario J, 6.) ^^ 

Ungleich höher entwickelt ist sein Verständniss vom Münzwe- 
sen: ein neuer Beleg flir die alte und wohlthuende Erfahrung, dass je- 
des Zeitalter die für sein praktisches Bedürfhiss unentbehrlichen Ein- 
sichten früher zu gewinnen pflegt, als die zunächst minder unentbehr- 
lichen. Dass freilich nur der Staat das Recht haben soll, Münzen zu 
prägen, wird von Bomitz sehr ungenau bewiesen, obschon er fast bei 
jedem Satze eine Stelle des Corpus Juris citirt. Si cuivis privato ex suo 
auro et argento nummos facere liceret, qua auctoritate acciperentur a con- 

civibus et extraneis ? Nulla sane. Cum legis poiestas tantum publica 

Legum potestas eliam nummum complectitur, quippe qui lege sil et exsi- 
stai^K {De nummis I, 3.) Die Zumischung eines unedlen Metalles sollte 
stets mit Rücksicht auf die communis lex gentium vorgenommen werden, 
ut duritiem tantum conciliet et saltem expensas aliquantillum resarciat, ut 
ferme eadem ratio sit metalli et pretii nummi, (/, 6.) Auch über die Noth- 
wendigkeit des gleichen Gewichtes gleicher Münzen durchaus sohde 
Ansichten. (/, 7.) Jedenfalls ist die Legirung ein Hauptanlass zur 
Münzfälschung ; daher auch keinem Goldschmiede gestattet sein sollte, 
flir seine Producte ein anderes Korn zu wählen, als das gesetzliche. 
Ebenso gehört ein festes und massiges Verhältniss zwischen Scheide- 

12) Also ganz verschieden von Bodinus, (De rep, F, 2, p. 825) der selbst die 
römischen Zinsen, die er für V^bis \ Procent jährlich hält, im Principe verwerflich Ondet. 

13) Hierbei citirt er GiroL Frachetta De principe I. Camerar, Medit. 73. Comi- 
naeus De hello NeapoL II und Th. Moros Utopia. 

\ i) Neben manchen Beispielen, wo auch Prinzen, Magnaten etc. das Münzrecht 
geübt, wird noch als singulare exemplum erwähnt, dass Christus potenUa divina im 
Munde eines Fisches gemünzt habe. (1. c.) 



/ 



^^] Aeltere deutsche Nationalökonomik. 307 

münze und grobem Gelde zu den Hauptmittein, der Mttnzverschlechte- 
rung vorzubeugen. (//, 6.) ^^ Bomitz lobt deshalb das Gesetz K. Fer- 
dinands vom J. 1559, dass Niemand über S5 Fl. in Scheidemünze an- 
zunehmen brauchte. (/, 1 1 .) Die Prägung mit dem Bilde des Fürsten 
erkennt er als Mittel gegen Fälschung an ; doch fügt er hinzu : o magna 
prudentum inventa, o laudabilia instituta majorum, ut et imago principum 
sfibjectos videretur pascere per commercium, quorum consüia vigilare non 
deginunt pro salute cunctorum! {I, 8.) Die Stückelung der Münzen soU 
nach solchem Yerhältniss geschehen, dass möglichst viele Theile noch 
als ganze Ziffern der kleinsten Einheit erscheinen : yne z. B. der halbe 
Gulden 30, der Yiertelgulden 1 5 Xr. hält. Wenn Bomitz anheimgiebt, 
die Gold- und Silbermünzen von gleicher Grösse und Prägung zu ma- 
chen, so dass sich der Werth jener zu diesen genau wie 12 zu 1 
verhalte (/, 11)^^: so beruhet das freilich auf einer grundlosen Vor- 
aussetzung der Unwandelbarkeit des damaligen Preisverhältnisses. Da- 
gegen ist seine Erörterung I, 12, dass die von Privaten besessene 
Münze nicht mehr dem Münzherrn gehöre ^^ dass sich also das Wort : 
»gebet dem Cäsar, was des Gäsars ist«, nicht auf die Münze beziehe, 
sondern auf die Steuer, durchaus nicht so curios, wie es dem ersten 
Blick scheinen möchte. Ich erinnere nur an die firüher so beliebten 
willkürlichen Einzidiungen der Münzen, um sie verringert wieder aus- 
zugeben! Bomitz missbilligt alle solche Massregehi. Wie er sich auf 



f5) In Sachsen hatte die Gesetzgebung schon 1474 den Grundsatz ausgespro- 
chen, »wo mehr kleiner Münze ist, denn man zur Entscheidung der Oberwebr bedarf, 
ist Schaden«. (Erbstein in v. Langenn's Albrecht der Beherzte, S. 586 ff.) 

16) Ganz nach Bodinus, dessen Kapitel De re nummaria {De rep. VI, 3} Bor- 
nitz überhaupt sehr benutzt hat. Schon Bodinus hatte die Legirung aus dem Grunde 
verworfen, quia natura ipsa fette non potest, ut melallum Simplex alterius loco suhsH- 
tuatuTj propter metallotum naturas cohre, somiu^ voluminey pondere plurimum inter se 
JUcrepantes, Ungleich feiner argumentirt in dieser Hinsicht Scaruffi Sulk monete, 
(1579), der in Contracten gewisse Quantitäten reinen Goldes etc. zu stipuliren räth 
(p. 98. 104 Cu8t,)y obschon auch er das Preisverhältniss von Gold zu Silbers it: \ 
als ein von Gott unwandelbar gegebenes ansieht und sich dafür auf den göttlichen 
Piaton beruft, (p. 84.) 

17) Wie noch Pothier meint, dass der Fürst sa monnaie unter die Privaten ver- 
theUe, um ihnen als Werthzeichen zu dienen, (Traite du prit de eansomption I, 3, No. 
37) so kommen ähnliche Ansichten bereits im alten Rom vor. (Puchta Inst.I,S. 131.) 
Uebrigens hat schon Nicolaus Orestnius De mutaUonilnu mofM^arum gleich nach 
der Mitte des 14. Jahrhunderts dieselbe Auslegung des Bibelspruches, wie Bomitz. 



308 Wilhelm Roschbb, [46 

das Stärkste gegen die Kipper und Wipper ausspricht, {De rerum suff., 
p. 11. 121.) so widerrath er jede obrigkeitliche MttDzverringerung mit 
dem Nachweise, dass alle Waarenpreise dadurch erhöhet, alle Steuer- 
erträge vermindert werden. (De nummis II, 1.) Ebenso entschieden 
verwirft er die Finanzmassregel, dieselben Münzen bei der Staatsein- 
nahme niedrig, bei der Staatsausgabe hoch zu valviren. {l. c. II, 3.) 
Ueberhaupt missbilligt er im Interesse der allgemeinen Sicherheit jede 
Münzveränderung. Es sei vemunftgemäss, dass der Fürst eine solche 
nur vornehmen könne, entweder causa gravissima urgente, oder mit 
ausdrücklicher oder stillschweigender Genehmigung des Volkes. (//, 9.) ^® 

Ein verwandter Gegenstand sind die Quasinummi, d. h. nummi 
materiae extraordinariae formaeque imperfectioris. Bomitz denkt hier- 
bei u. A. an Papiergeld, Ledergeld etc. Wenn er dessen Creditcha- 
rakter auch nicht versteht, so betont er doch sehr, dass es nur in 
Nothföllen ausgegeben, und sofort nach Beendigung der Noth mit gu- 
tem Gelde wiedereingelöst werden soll. {De nummis I, 1 4.) 

Für die Entwickelung des sog. Mercantilsystems haben die 
Mittel grosse Bedeutung, welche Bomitz empfiehlt, um der amissio 
nummorum vorzubeugen. Alle Geldausfuhr soll untersagt, alle Waa- 
renausfuhr, damit sich kein Geldschmuggel dahinter verstecke, über- 
wacht werden: so lange, bis alle Nachbarvölker mit uns dieselben 
Münzgesetze haben und wirklich beobachten. Auch fremde Glücks- 
töpfe und Schauspieler sind zu verhindern, dass sie unser Geld weg- 
saugen. Ein sehr gutes Mittel besteht darin, den ganzen Handel mit 
edlem Metall dem Fürsten als Begal vorzubehalten, wobei Wechsler 
(wie in England, Italien etc.,) den ausländischen Verkehr möglich ma- 
chen. Zugleich werden Luxusverbote gegen kostbares Silbergeschirr, 
Tressen etc. empfohlen, wobei der Verfasser meint, dass die Frem- 
den, um recht viel Geld abzuholen, besonders merces spedosas, vo- 
luptarias et arte elaboratas, in quibus nihil nisi manus opera et voluptas 
inest, einführen, v. c. suffimenta, gemmas, perlas, quarum rerum maxi- 
mum pretium, sed usus fruslraneus. [11, 4. 6.) Also ein Schwanken 
zynischen der altem Ansicht, die sich auf Münz- und Luxuspolizei- 
gründe stützt, und dem neuern Mercantilismus ! ** — Eine förmliche 

18) Auch Bodin US lehrt: prinaiipi non magis licet^ improba numismaia cudere, 
qtiom occidere, qtMm grassari. (De rep. ^/, 3.) 

19) Dagegen hatte Bodinus seine zumTheil sehr ähnlichen Mercantilideen mehr 



^7] AeLTERE deutsche NAnONALÖSONOMlK. 309 

Theorie des letztem findet sich aber De numtnis //, S: de incremmto 
nummarum in republica parando. Dies wird ausdrttcUich von der Ver- 
mehrung des Staatsschatzes unterschieden: die Geldvermehmng be- 
treffe sowohl den öffentlichen, wie den Privatnutzen. Publice interest, 
non tantum nummos in republica exsistere, verum eliam ad potentiam 
ejus stabiliendam summopere opus est , eos maxma capia adesse. Sunt 
enim nummi nervi rerum .... fmbellem dixeris civitatem, quae aliis bonis 
abundet nummis destituta .., üt duobus modis nummi parantur, ita quo- 
que rempublicam iisdem ditari consequens est: nummorum fabricatione et 
ülatione alienarum. Jener ersten dient der Bergbau, welcher den Stoff 
liefert. Daher muss der Fürst eifrig sein zur Bebauung der alten Gru- 
ben, wie zur Aufsuchung neuer. In diesem Punkte hegt Bomitz für 
Deutschland immer noch grosse Hoffnungen. Wo aber die Natur des 
Landes Gold und Silber verweigert, da muss ars naturam imitari. Vi^ 
deat princeps, quibus modis mediisque nummos exolicos quasi aucupari 
possit. Dies geschieht entweder durch Handel, oder conversatione po* 
pulorum. Wer also ein Land geldreich machen will, der muss den 
Handel befördern durch Einrichtung von Messen und Märkten, durch 
allerlei Immunitäten für die Kaufleute, namentlich zur Messzeit, üt OC' 
casio praebeatur in iua republica nummis inferendis, operam adhibe, ut 
studia agriculturae et opifida assiduis laboribus tractenlur ... Tellus na- 
tura et foecundilate sua variam materiam profert ... Rudern indigestam» 
que et effbrmem {informem?) plerumque materiam, quae efformata decies 
materiem manus pretio superare ^ solet. Daher müssen collegia ingenio- 
sissimorum opificum errichtet werden, die nicht bloss für ihr Land, 



aus finanziellen Grundsätzen entwickelt: De rep. VI, p. \0t\ ff. Der etwas spätere 
Antonio Serra (1613) dringt mit seinem Mercantilismus doch schon viel tiefer in 
die Natur der Gewerbe ein. Es ist vortheilhaiter, Fabrikate auszuführen, als andere 
überschüssige Waaren, weil jene sicherer sind, nicht von der Witterung etc., son- 
dern nur von den Menschen selbst abhängen, leichter auflsewahrt und transportirt 
werden können, ganz vornehmlich aber, weil ihre Masse beliebig gesteigert werden 
kann, und der Gewinn doch entsprechend bleibt, ja wegen Verringerung der Pro- 
ductionskosten wohl gar noch grösser wird, zum grossen Unterschiede z. B. vom 
Saatkorn. (SuUe cause, che possono far abbondare un regno di monete etc., /, 3.) Um 
auch eines Spaniers hier zu gedenken, so will Mariana die fremden Gewerbepro- 
ducte hoch besteuert wissen, damit nicht so viel Geld ausser Landes geht, und zu- 
gleich die fremden Handwerker durch Uebersiedeiung nach Spanien dessen Yolkszahl 
vermehren. {De rege et regis insHtutümey 1598, ///, 7 10). 

SO) Sehr ähnlich Botero Della ragion di stato, (1591) p. 92 fg. 



340 WUHELM R0S€HEB, [48 

sondern auch ftbr das Ausland arbeiten. Dolendufn est, populos quo$' 
dam^^ admodum vecordes et caecos exteris nationibus materiam rudern ve- 
nalem exponere, spe exigui lucelU, quam indutam postmodum varüa for* 
mis centuplo revendant iis, a quibus eam nacti fuerint. Auch der tech- 
nologische Abschnitt des Buches De verum sufficientia betont es ener- 
gisch, wie die Natur von der Kunst besiegt werden könne, indem die 
Arbeit einen grossem Werth hervorbringt, als der Rohstoff, (p. 59.) 
Daher man Rohstoffe nicht aus-, sondern einführen soll, kein Geld für 
Luxusartikel aus dem Lande lassen etc. (p. 68. 232.) Kann ein Land 
nicht mehrere Gewerbzweige haben, so doch wenigstens einen, worin 
es hervorragt. {De nummis II, 8.) Bomitz scheint zu ahnen, dass je- 
des Land in seiner ökonomischen Eigenthttmlichkeit etwas Unnachahm- 
liches besitzt, {De rerum 8uff., p. 231) obschon er andern Ortes wie- 
der meint, von der Seidenzucht sollte man sich ja nicht durch geo- 
graphische Bedenklichkeit abschrecken lassen. (/. c, p. 34.)^ — Unter 
der conversatio popularum versteht er die wirthschaftliche Anziehung, 
welche durch aulae principum, summa tribunalia, academiae, ludi publici, 
urbium amoenitas, thermae etc. ausgeübt wird. {De num$nis II, 8. De 
rerum suff., p. 33.)^ 

Die Handwerksverfassung, welche Bomitz empfiehlt, ist 
ganz die zu seiner Zeit praktisch übliche ; selbst Manches darin, was 
dem geschriebenen Rechte zuwiderlief. {De rerum mff., p. 69 fg. 72.) 
Auch in Bezug auf die Bäckerpolizei trägt er wesentlich das damals 
praktische System vor. (/. c, p. 87.) Dabei finden sich schöne An- 
fänge einer Gewerbestatistik seiner Zeit, indem wenigstens von vie- 
len Zweigen der Ort, wo sie am meisten blühen, genannt wird. 



1 1 ) Wie kosmopolitisch, nach deutscher Weise ! 

99) Wahrscheinlich dachte Bornitz hierbei an den berühmten Streit zwischen 
Heinrich IV. und Sully, wovon die EcononUes royales, Livre XVI berichten. Sully war 
gegen die Berufung von Seidenarbeitem, Pflanzung von Maulbeerbäumen etc. in Frank- 
reich. Dieser neue Gewerbzweig, während das französische Volk ohnehin vollbe- 
scbäfligt sei, erfordere zu grosse Opfer. Jedes Land habe seine eigenthümlichen Vor- 
züge, die es kultiviren müsse ; für den Seidenbau hingegen sei das französische Klima 
zu rauh. Der Erfolg hat gezeigt, wer bei diesem Streite mehr Einsicht bewährte, das 
Genie des Königs, oder das Talent des Ministers. 

93} Dies sind Gegenstände, worüber Hippolytus a Gollibus und sehr viel 
geistreicher Botero gehandelt hatten. 



^d] Aeltebe dbutscu Nationalökonomik. 311 

(/}. 108 ff.) Es häogt wohl biermit zusammen, dass schon Boraitz an 
die Möglichkeit einer Gewerbesteuer denkt {De acrario V, 8.) ^^ 

Seine Finanz Wissenschaft bildet den grellsten Gegensatz zu 
Obred)t. Zwar sagt anch Bornitz in der Zueignung seines Buches 
De aerario an die Finanzmlbiner, dass in den nervU publicm poten^ae, 
dignitaiis et autbotitatis, adeoque sahUie publicae, post retigwms etjmtiiiße 
ftäera mwima m$ cantinetur. Das Bedürftiiss des Staates an Natura- 
lien und Geld vergleicbt er mit dem Nahrungsbeditrfnisse d^ aus Leib 
und Seele zusammengesetzten Einzelmenschen« {De mrario I» 1 .) Da- 
gegen ist er ein entschiedener Lobredner der DomSnenwirtjbsebaft^, 
ohne die weder einem Staate, noch einer Schale etc. die gehörige Si- 
cherheit könne zugeschrieben werden. (/, 3.) Princeps omnia possi- 
dety haud tarnen poiädet dmUmo, %ed mperio. (VII, 3.) Beim Jagd- 
regale ist von den Jagdschaden keine Rede; wohl aber halt es Bor- 
nitz fUr nOtfaig, die Anständigkeit des Verkaufes von Wildpret des 
Fürsten an Privatpersonen zu vertheidigen. (/» i.) Er ist in der Re- 
gel sehr gegen dea Betrieb von Gewerben oder Handel durch den 
Staat, ausgenommea die Falle, wo das G^oaeinwohl es fordert, wie 
beim Munzen; oder wo die Privatkrafte fUr einen unenü>ebriichen 
Handelszweig nicht ausreichen; oder endlich, wo der Fiscus eines 
solchen Einkommens gar nidbt «ntbebren kann. (//» i. S. AehnUcli 
De rerum euff., p, T^ fg.)^^ Von Lotterien sagt er: ne^ euadao, nee 
diseuadeo. {De aerorio II, L) G^en A^nterverkauf ist er sehr; höch- 
stens den Fall ausgenommen, wo derselbe als Form einer StaatsaO'«- 
leihe gebraucht wiüd. {IL 6* VU, 1.) Uebrigens pflegt Bomüz bei 

24) Wahrend noch 1758 v. Justi etwas ganz Neues vorzuschlagen meinte, in- 
dem er »Is Gegensartz zu den bisherigen Accisen eine Gewerbesteuer empfahl. (Staats- 
wirthschaft II, 8. 373 ff.) 

25) Auch Bodinus zieht die Domänen jeder pndem StaatseinnahnsqnelLe vor. 
Wenn er die Unveräusserlich Iceit und Unverjährbarkeit des Domaniuros so sehr be- 
tont, so z. B. jeden Rathgeber, der um des grössern Yortheils willen Domänen zu ver- 
kaufen rätb^ beschuldigt: tffrannidem «I reipubUcae permdem moHtur {De rep, VI, 2), 
so kopnte dergleicbeo freilicJi unserem Bomit« luium einfallen, da in dea deutschen 
Territorien lein Praktiker an Oomänenveräusseruog dachte. 

26) Bot er p hatte den Staatshaudel in folgenden Fällen gebilligt: wenn das Ge- 
schäft zu kostjq)ielig oder gefährlich ist , ak dass Privatpersonen es treiben könnten ; 
wenn die Privatbetreiber sich zu sehr bereichem würden ; weon es zum öffentlichen 
Nutzen geschieht. {Region di Stoto, p. 400.) Bornitz steht in dieser Lehre offenbar 
höher. 

AbhMdl. d. K. 8. Ges. d. Wim. X. 2^ 



312 WiLHFLM ROSCHEII, [50 

jeder Polemik auch seinem Gegnei- billig das Wort zu lassen. Das 
Lehnwesen hält er noch immer für noth wendig. (//, 7.) Gütercon- 
fiscaiion als Strafe scheint ihm sehr bedenklich^', (///, 6) obschon er 
Geldbussen, wie Luxussteuern, wegen des sittlichen Nutzens lobt. {IV, 6.) 
In Bezug auf Steuern tiberhaupt stellt er den Grundsatz auf: ut nemo 
plus oneris sustineal, quam etnolnmenli et lucri ex rebus capial {V, 2): 
also Yerhaltnissmassigkeit der Besteuerung nach dem Einkommen. 
Gleichwohl erklärt er es für die gr^sste Ungerechtigkeit, wenn alle Un- 
terthanen besteuert würden. Manche Personen wie Sachen müssen 
einer Immunität geniessen, die bei anderen gehässig wäre: so z. B. Ge- 
sandte, Scholaren, Geistliche, Edelleute ; von Sachen besonders alimenia. 
{IV, 2.)^ Vor zu hoben Steuern wird schlechthin gewarnt: pluris ma- 
gislratui opulentia suhdilorwrn esse debet, quam reditus, {IV, 3.) Die Steuer 
von Auswanderern sucht Bomitz ebenso naiv als absolutistisch aus der 
Dankbarkeit wegen des früher genossenen pairadnium zu erklären, weil 
die Obrigkeit als Vater des Vaterlandes gelten müsse. (IV, 7 ; besser F, 9.) 
Von Staatsanleihen ist er durchaus kein Freund; er meint, ein Fürst 
komme dadurch so leicht in übeln Ruf, dass er sie lieber auf den Namen 
eines Unterhändlers gehen lassen sollte. {VII, 1.)^ In dem Kapitel: de 
vectigalibus iUiciiis eifert er mit grosser Wärme gegen Hurensteuem etc. 
{VIII, 1.) Wie sehr es Bornilz an Schärfe mangelt, sieht man u. A. im 
X. Buche, von den Schätzen, wo nur Kap. 6 vom wirklichen Staats- 
schatze handelt, alles Uebrige bloss von Kassen, die nur ganz uneigent- 
lich Schätze genannt werden. 

Wir haben im Eingange dieses Kapitels an Opitz erinnert, um da- 
durch von einer gewissen Seite her Bomitz' Verhältnisse klarer zu ma- 
chen. Dieselbe Analogie bewährt sich aber auch insofern, als die schöne 
Literatur in Opitzens Zeit, sowie die Thätigkeit der fruchtbringenden Ge- 
sellschaft überwiegend auf Uebersetzungen gestellt war. Freilich hat 



J7) Bodinus billigte zwar die Vermögensconfiscafion im Allgemeinen nlchl ; 
doch hiell er eine theiiweise Gütereinziehung (etwa der Errungenschaften des Verbre- 
chers) für nothw endig, schon weil ohne praemia dehtarum vix ulla scelerum ultio /ii- 
tura est. (De rep. V, 3, p. 842.) 

28J Diese damals beinahe von allen guten Theoretikern eingeschärfte Lehre trägt 
auch M a r i an a vor : De rege Jfl, 7 . 

29) Dagegen haUe Bodinus , welcher Steuern nur im grössten Nothfalle billigt, 
Anleihen für ein kleineres Uebel gehalten: De rep, F/, 2, p. f 022. 



6i] Aeltebe dbütsche Nationalökonomik. 313 

ein oompilatorisch-encyklopadisches Wirken auf dem Gebiete der Poesie 
noch weniger Verdienstliches, als auf dem der Wissenschaft. Wie un- 
ser Bornitz durch Reisen und Leetüre von jedem Auslande zu lernen 
suchte, ganz besonders aber ein Bewunderer Hollands war^, so erklärte 
Opitz in der ersten Ausgabe der Gedichte, (S. 1 1 ) dass die holländische 
Poesie die Mutter der hochdeutschen sei. Besonders verehrte er Grotius 
und Heinsius, und in derselben Weise hielt sich Andreas Gryphius spar 
ter an Yondel. So hatte Schuppius in seiner Schrift von der Einbildung 
{Opp. I, 508) von Holland zu rühmen, dass sich dort unter den Hand- 
werkern Leute fanden, vor denen mancher Studierte sich schämen 
müsse ^*. 



IV. 

Die Anfänge der geschichtlichen Volkswirthschaftslehre. 

Christoph Besold ist 1577 zu Tübingen geboren, hat ebenda 
1595 bis 1597 die Rechte studiert, 1598 den Doctortitel und 1610 die 
Professur der Rechte erlangt. Wenn ein so glänzendes akademisches 
Talent verhältnissmässig so spät dieses Ziel erreichte, so liegt das zum 
grossen Theil an der ung^euem Vielseitigkeit seiner Studien, die an 
Hugo Grotius erinnert. Besold verstand Griechisch, Hebräisch, Chal- 
däisch, Syrisch, Arabisch ^ ausser den vornehmsten neueren Sprachen ; 
neben der Staats- und Rechtswissenschaft im weitesten Sinne des Wor* 
tes, neben Geschichte und Philosophie trieb fr die heilige Schrift in ih- 
i>en Ursprachen, und eine ausgedehnte Leetüre der Kirchenväter, Scho- 
lastiker, Mystiker etc. lugler hat in seinen Beiträgen zur juristischen 
Biographie I, S. 82 ff. ein Yerzeichniss von 92 Schriften Besolds zu- 
sanunengestellt, die 1598 bis (posthum) 1646 erschienen sind, zum Theil 
von mächtigem Umfange und viele davon in wiederholten Auflagen. Un- 
ter diesen Schriften sind Pandektencommentare, Werke über Theorie 
und Praxis des Processes, der grosse juristische Thesaurus praeticus\ 



30) Vgl. De verum suff., p. 38. HO. 233. 

34) Vgl. Gervinus Gesch. der deutschen Dichtung m, S. 132. 420. 

1) Vgl. A. Rath Lucius aeademiae Ingolstad. in obüum Cht, Besoläi, f^. 4 0. 

2) Nach einem oft bestSligt gefundenen Urtheile, mit Wehners ähnlichem Werke 
verglichen, ubertate major, judicio, ardine ac selectu minor. 



3H Wilhelm Rose riEK, [52 

Werke ül>er allgemeines Staatsreoht, deutsches Reichsrecht, wttrttem- 
bergisches Landesrecht, über Völkerrecht und Diplomatie, Politik, Volks- 
wirthschafl, mehrere Zweige der Specialgeschichte, allgemeine Weltge- 
schichte, aber auch über Philosophie und Theologie im Allgemeinen. 
Der Verfasser galt nicht allein für eine glänzende Zierde seiner Univer- 
sität, sondern war auch bei seiner Regierung so angesehen, dass er Aus- 
sicht auf die höchsten Staatsämter hatte. Um so tiefer musste es seine 
Landsleute empören, als er nach der Nördlinger Schlacht, wie der Her- 
zog von Württemberg floh und eine österreichische provisorische Regie- 
rung das Land verwaltete, in diese letztere als Geheimer Rath eintrat, 
öffentlich katholisch wurde und sogar in einer Reihe von, archivaiisch 
sehr wohlbeschlagenen, Werken den Beweis versuchte, dass die wlirt- 
tembergischen Klöster durchaus vom Herzoge unabhängig seien. Fast 
ein Drittel seines damaligen Umfanges wäre dem Lande hiermit abge- 
sprochen gewesen ! Kein Wunder also, <venn ihn Joh. Peter von Lude- 
wig deshalb arcanortnn istim principatus tnalevolum proditorem nennt; 
oder wenn Spittler meint, »sein frommes, ruhmvolles Leben krönte end- 
lich die schändlichste Apostasie, den zwanzigjährigen treuen Dienst iür 
Fürst und Vaterland endigte die elendeste Verräthersbosheit!« Aber 
auch Oesterreich scheint die Klosterschriften Besolds mit keinem gün- 
stigen Auge betrachtet zu haben , da es Württemberg wohl schon ganz 
ßlr seine eigene sichere Beute hielt. Jedenfalls sehen wir Besold 16'i7 
als kurbayerschen Rath und Professor nach Ingolstadt ziehen. Wie be- 
rühmt er war, zeigte sich bald in dem Wetteifer, mit welchem der Kai- 
ser ihn fllr Wien, der Papst fllr Bologna ^ ja u. A. selbst der däni- 
sche Hof EU gewinnen suchten. Indessen starb er bereits am 1 5. Sep- 
tember i638 zu Ingolstadt. 

Spittler hat die Umwandlung Besolds geschichtlich in ein milderes 
Licht zu stellen gesuchte Er weiset nach, dass der förmliche Ueber- 
tritt zum Katholicismus lange vor der Nördlinger Schlacht, am 1. Au- 
gust 1630, erfolgt, alsdann freilich vier Jahre lang verheimlicht worden 
ist. Auch vorbereitet war er seit lange, zumal durch Besolds patrisii- 
sche, theosophische und mystische * Studien. Schon 1 626 hatte dessen 



3) Angeblich mit dem für jene Zeil enormen Geliafte von 4000 Scudi jährlich. 

4) Werke Xlf, S. 98» ff. 

5) Besold citirt nnmenUich den Eckard selir gern ; Schriften von Tauler, Slaupitz, 
Savonarola hat er herausgegeben. 



Ö3] Aeltere del'tsche Nationalükoxomik. 315 

t 

Lehrer und Freund, der grosse Kepler, zu Linz das Gerücht seines Ab- 
falls vom Lutherthume vernommen ^ Den Ausschlag seiner Zweifel gab 
die Geburt einer Tochter nach 29jähi'iger unfruchtbarer Ehe , die er als 
wunderbare Erhörung eines Gelübdes ansah. Nach alle diesem zweifelt 
Spittler nicht an seiner Uneigennützigkeit, und möchte ihn mehr be- 
dauern, als verdammen. 

Wir gehen unbedenklich noch weiter. Kein Historiker wird heut- 
zutage verkennen, dass im Anlange des 17. Jahrhunderts das verknö- 
cherte Lutherthum der Goncordienformel wenigstens nicht mehr geistige 
Freiheit gewährte, als der Katholicismus. Gerade Keplers Schicksal be- 
weiset dies aufe Deutlichste, dessen Verfolgung in Württemberg durchaus 
nicht so aus Persönlichkeiten zu erklären ist, wie die Galileis im Kir- 
chenstaate. Nach dem Buchstaben des Rechts waren die Ansprüche der 
katholischen Partei damals in der Regel besser gegründet, als die prote- 
stantischen. Hierzu kommt nun , dass unser Besold ein wesentlich 
historischer Kopf war, obschon keiner vom ersten Range. Wie er 
bei jeder Gelegenheit sein Herz ausschüttet über die Vergänglichkeit aller 
Staaten ^ so haben auch seine Urtheile über das, was sein soll, durchweg 
etwas sehr Relatives. Keine Staatsform hält er fUr unbedingt vorzüg- 
licher, als eine andere. [De renumpublicaitim inter se comparatione, 1 623, 
p. 195.) Er nimmt bei solchen Fragen immer die grösste Rücksicht 
auf die Verschiedenheit der Volkscharaktere: dass z. B. die Franzosen 
keine Freiheit, die Schweizer keine Knechtschaft ertragen. {Synopsis po- 
liticae doctrinae, 1623, p. 90.)^ Besonders wichtig sind die methodo- 
logischen Bemerkungen, welche die Vorrede zu der Schrift Principium 
et Jinis politicae doclrinae enthält. Non aUquam descripsi civitatis ideam, 
h. e, talem reipublicae formam, qualem esse velim ex meo sensu : id quod 
Plato, Morus, Campanella aliique fecerunt. Sed de politiis jureque publica 
dtMsero, qualia nunc sunt, vel fuerunt olim ; id quod proderit forsan cum 
ad historicorum, tum rerum, quae indies geruntur, aliqualein dijudicationeni 



6) Kopiert Bpistolae, p, 181.374. Besold war zu wiederliolton Mulen in Glaii- 
bensuntersuchung gewesen: 1621 mehr als »fanatiscli-verdlichlig^a 1626 mehr als 
»kalhoiisch-verdächlig.c (Spittler a. a. 0., S. 300 ) 

7) So z. B. Principium ei ßnis politicae doclrittae, (1625) /). 78 ff. 

8) Auch in der Form ist er nichts weniger, als apodiktisch ; indem er am lieb- 
sten jede Frage durch eine Menge von Citaten beantworte! , denen bloss im Bingange 
kurz beigepflichtet wird 



316 Wilhelm RoscHEK, [^^ 

Ego omnia discnlienda magig a lectaribus, quam statuta ac definita 

soleo sempet' proferre. Qui quaerunl cauta sollicitudine veritalem, parati, 
quum invenetint, cedere, haeretici non 8unt, ait D. Augustinus. Puto hanc 
libertatem multo tnimis in politico scripta mihi denegatum iri. Namque hie 
cumprimis praescribo, imo adjuro tibi, lector^ quisquis es, ea, quae de re- 
bu8 disputo gravissimis, non judicare me, sed disseiere ; haud dedsionis me 
agere arbitrum, sed quaesitoris instar umae praeesse. — Eine solche Sin- 
nesart ist vortrefflich geeignet zur historischen Forschung, wofern sie 
nicht an der Oberfläche der menschlichen Dinge haften bleibt, sondern 
mit scharfer Urtheilskraft in deren Inneres eindringt^. Aber sie ist auch 
in Zeiten grosser Parteikampfe ein fruchtbarer Boden sittlicher Versu- 
chungen, selbst flir reine und gute Menschen, die nicht entweder Selbslr- 
kenntniss und Vorsicht genug besitzen, um streng das : Bene vixit, qui 
bene laluit, festzuhalten, oder von einer ungewöhnlichen Charakterstärke 
getragen werden. 

Besolds politische Ansichten, die natürlich mit seiner Volks- 
wirthschaflslehre auf das Engste zusammenhängen, erkennt man am 
klarsten in seiner Synopsis polilicae doctrinae, die er zuerst 1 623 als 
Ttibinger Professor veröffentlichte, zuletzt in \ierter, sehr bereicherter 
Auflage 1637 von Ingolstadt aus*^ Hier wird gegen die Naturstands- 
lehrer auf die natürliche Geselligkeit der Menschen in aristotelischer Weise 
Bezug genommen, (p. 1 7.) Republikanisch gesinnt ist Besold nicht. Seine 



9) Schon Chr. Thomasius bemerkt von Besold, er sei zwar durchaus kein skla- 
vischer Aristolelesjünger gewesen, habe jedoch neben multa diligentia, tnagnum inge- 
nium nur exiguum Judicium gehabt. Seine Schriften* seien oft blosse coUeetanea, abs- 
que iudioio conscripta, male cokaerentia, freqitentibus digressionibus adhuc magis eoft- 
fusa. {Oratt. acadd., p, 522.) Nach einer nicht unglaubwürdigen Notiz bei i^rncf. 
Bibliotheca politico-heraldica p. 246 hätte Besold ungeheuer viel gelesen, seine Ex- 
cerple aber grosstentheils durch Candidaten, welche er in seinem Hause hielt, regi- 
striren lassen. Die vielen Ungenauigkeiten seiner Bücher seien namentlich dadurch 
entstanden, dass seine Gehülfen die Excerple falsch aufgefasst oder in falsche Rubri- 
ken eingetragen, er selbst aber den Fehler nachher zu berichtigen versäumt, üebri- 
gens giebl er, auch hiervon abgesehen, nur zu häutig statt wirklicher Theorie oder 
Geschichte eine blosse Nomenclatur mit angefügter Rechtscasuislik : vgl. i. B. die 
Sielle von den servis modemis, d h. Bauern etc., in der Schrift: De tribus domestioae 
societatis speciebus, (1626) p. 27. 

10) Ein Auszug aus der Sammlung von Abhandlungen, die schon 1614 unter 
dem Titel : CoUegium politicum, 1618 vermehrt als Po/tltconim libri IL erschienen sind. 
Die Siynopsis erlebte noch drei Auflagen nach des Verfassers Tode. 



85] AeLTERE deutsche NAnONALÖKONOMIK. 317 

klassischen Erinnerungen bewirken nur die Anerkenntniss, dass die Re- 
publik eigentlich die beste, Gott wohlgefäüiigste Staatsform sei, aber wie 
ein Instrument, das am schwersten gelernt und am leichtesten verstimmt 
werde. (Vorrede.) In der Wirklichkeit sei es jedoch immer noch besser, 
einen schlechten Herrscher zu haben, als gar keinen, (p. 25.) Auf der 
andern Seite will Besold aber auch kein monarchischer Absolutist sein. 
Wenn er selbst dem englischen Parlamente nicht das Recht zugesteht, 
praefracte regi contratUcendi, eed tantumtnodo dissuadendi (p. 97) ; wenn 
er sogar solche tnorU d'elat, wie bei Guise, Marschall d'Ancre etc. Air 
diejenigen Falle gelten lässt, wo kein ordentlicher Process gegen einen 
Staatsverbrecher möglich, (p. 74): so verwirft er doch entschieden die 
Staatsvergötterung des Machiavellismus (p. 20) und eifert gegen alle 
Theorien, welche dem Fürsten, statt des imperium amnium, das dominium 
amnium zuschreiben, (p. 28.) Alle von Deutschen gegründeten Reiche 
detestantvr absolutam dominaUonem, et sallem ralione gubertialioni^ ad ort- 
siocrüticam raiionem deelinanl. (p. 240.) Dabei hebt doch Besold ener- 
gisch hervor, dass allein der Kaiser das Prädicat »Majestät« habe, alle 
übrigen Herrscher nur »königliche Würden«, (p. 36.) Wie z. B. Wal- 
lenstein selbst in seiner Glanzperiode keine maje$las hatte, (p. 46) so 
verleihen auch die Kurfürsten nicht eigentlich dem Wahlkaiser seine 
Macht, sondern bezeichnen bloss die Person, wefehe die von Gott un- 
mittelbar stammende Kaisermacht ausitben soll. (p. 40.) Die Beschrän- 
kung der Krone, die Besold wünscht, soll hauptsächlich von der römi- 
schen Kirche ausgehen. Zwar die Tendenzen eines Rossäus und ähn- 
licher Monarchomachen erklärt er für Missverständnisse, die vom Papste 
sett>er verdammt seien, (p. 21.) Aber er meint doch, si non omnia ad 
catholicae religionis cuUum tendunl, ui illa vel promovealur, vel noti impe- 
diatur, atheiwio prona stemitur via, quae ad interitum, si non temporalem, 
at certe aetemum ducit. (Vorrede.) Dass der Papst als pastor communis» 
soweit es zum Seelenheil nothwendig ist, eine poteslas directiva besitzen 
mnss; dass er z. B. Unterthanen ihres Eides entbinden kann, wenn ein 
katholischer Fürst eihnicus, s. infidelis, alhetis cell, würde: hierüber 
stimmt Bes(dd mit Bellarmin völlig zusammen, (p. 43.) Den landes- 
herrlichen Novalzehnten erklärt er für omnino absurdum, weil die sämmt- 
lichen Zehnten ipso jure der Kirche gehörten, (p. 79.) Ebenso absurd 
scheint ihm der landesherrliche Kirchensupremat, (p. 60.) Ueber das Recht, 
die Ketzer zu verfolgen, denkt er ziemlich unklar; selbst manche K«f.ho- 



318 Wilhelm RoscHEB, [56 

liken billigen es nicht, wenn die Ketzer nicht zugleich Rci)eUen sind; 
doch verfolgen aoch die Protestanten ihre Gegner, v/enn sie nur kön- 
nen. Es ist auch zAvischen pertinadbus dolosis, zelosig et dubitantibiis zu 
unterscheiden, (p. 63 fg.) Dringend räth Besold, allen Deutschen das 
Studieren im Auslande zu verbieten, vornehmlich in Genf und Leyden« 
wo sie nur Hass gegen die Katholischen, gegen das Haus Oesterreich 
und das ganze Reich einsaugen, (p. 306.) 

Sehr vorzüglich ist Besold in der Theorie der Statistik: wie er 
denn auch nicht zugeben will, dass die bekannte Pest der Davidischen 
Zeit eine Strafe Gottes Air die Volkszählung an sich gewesen. [De aera^ 
rio, p. 176.) *^ Von einem fürstlichen Rathe verlangt er folgende Kennt- 
nisse : Principem ei aulam ex omni parte ifidagabit, ut ei caelerorum ad' 
minisirortim ei comiliariorum naluram et mores. Quae quantaque sii omm 
tüiio pnndpis ; quae provinciae, civiiaies, oppida, loca Uli ditumi subjteta 
sini? Provinciae quot millia paasuum haheant in longHudine, quot in dr* 
cuUu? Locorum ambiltim, silum, Virum tnonHbw, man, flumine, vallo, 
fossa, lacu munila sini? Quae eorum opportunilates ; an commealu prohi* 
beri pomnt; an sii uberias vel inopia rei frumeniariae? Quae cdtnmoda et 
incommoda habeat respublica ? Quidnmm in principatu canlrovenum ei cum 
quibus ac quibus de causis; quae ratio provinciae adminisirandae» quae le^ 
ges fundamentales, quaejura, leges, libertates? Quo more utantur, quape 
discipUna, usu ei consuetudine regantur, quibus rebus delectentur dves, qui* 
bus se susientenl, quomodo erga principem sin t affecti? Quodnam itecligal 
eorum, quae invehuniur vel evehuniur, ex pascuis agrorum publicortim, ex 
sale, vino, oleo, frumento, ex mercaiura, ex subditorum tribuHs? Quodnam 
aerarium: an subditi nimiis tributis, vectigalibus^ aliisve oneribus premen^ 
tur? An mercaturae studio teneantur, an opibus (ümndent? Quantus mi- 
litum numerus in qualibei provinoia conscribi possil? Quaenam prindpis 
familiae origo ; quae conjunctiones, affiniiates ei amiciiiae, quae foederu ei 
quae ex Hs speranda? Quorumnam partes princeps defendendas susceps" 
rit^^. [De aerario p. 172 fg.) Alles dies soll nicht bloss auf seiner, durch 



M) Die 1G20 erschienene Ausgabe diese« Buches soll bereits die zweite seih. 
Ich cilire Dach der von 1639. 

\t) Vcrgleiclien wir dies Ideal mit dem von Heinrich IV. projeclirten Slaatscabi- 
net, wie es Sully im XXVI. Buche seiner Memoiren schildert, so ist das letztere viel 
mehr gescib'äflsmassig praktisch, das ei-stere dagegen viel mehr wissenschaftlich voll- 
ständig. Besold steht damit zwischen Sully und dem vorirefflichcii Sir William 



57] ÄELTERB DB8TS€HB NAnONALÖKONOHIK. 319 

Reisen zu erweilenideo Privaterfabrong beruhen, sondern auch histo- 
risch auf demjenigen, ^as Andere gefunden haben, auf derVergleichung 
mit anderen Staaten etc. Zugleich wird dem Fürsten ein Personalver-- 
zeichniss empfohlen, das alle ausgezeichneten Manner jeder Provinz, 
jedes Faches etc. enthalt : nicht bloss zu seiner Belehrung, sondern auch 
um den Ehrgeiz der Unterthanen dadurch, nadi Art eines Ordens, an* 
zufeuerri. (Ibid.) 

Wenn Besold meint, die Oekonomik gehe der Politik voran, (/Vtn- 
cip. et finis politicae docirmae, p. 35 ff.) so denkt er dabei nur an die 
Privat(ritonomik. Seine volksw^irthschaftliche Lehre ist doch 
vielfhoh mehr ethisch» als Ökonomisch gehalten. So z. B. De aerario 
publica^ p. 15 die entschiedene Betonung: paritimoma summum esl veeli" 
gnl. Ebenda, p. 33 sehr unmalthusische^ Grundsätze der Armenpflege, 
Virobei die aus Tacitus [Ann, //» 38) bekannte Warnung des Tiberius vor 
unbesonnenem Almosengeben schlechtweg impia objeclio heisst. Sehr 
interessant ist in dieser Hinsicht Besolds Lehre vom Eigenthum. Gott 
habe dem Menschengeschlechte ursprünglich alle Dinge als Gemeingut 
verliehen, jedoch ohne damit ihreTheilung zu verbieten, die vielmehr im 
Interesse des Friedens und der bessern Verwaltung durchaus nothwen* 
dig war. Sonach ist das Privateigenthum zwar menschlichen Ursprungs, 
aber in der heiligen Schrift gebilligt. Auch wird man alle, mit demsel- 
ben verbundenen Uebelsittnde nicht durch Wiederh^stellung der Güter* 
gemeinschaft, sondern durch verbesserte Gesinnung der Eigenthümer 
heben können : qui ftomines aequare vult, non opes mbtrahere debet^ sed 
arrogantiamy ul Uli potentes atque elad, pares ee esse apud Deum mendi- 
cissimis suis, sciant. {De jure et divisione rerum, 1624, p. 84 fg.) 

Am hervorragendsten zeigt sich Besolds volkswirlhschaftliche Ein- 
sicht in seiner Beurtheilung der Kapitalzinsen, die er bereits in sei- 
ner Doctordissertation, Quaestumes aliquot de usmis, 1 598 vortrug, um 
sie dann spater, multifaric auctam et interpolaiam, in der Schrift Vitae et 
mortis consideratio politica (1623) als Kapitel 5 des ersten Buches wieder 

Peiiy {PoHHeat anaiomy of ireland, 1691,) ongeAbr In der Mute. Vgl. meine Ge- 
schichte der Altern englischen VolkswIrUischafkslehre, S. 68 ff. 

13) Obwohl selion Botero die Hauptpunkte des sog. maithnsischen Gesetzes 
▼ortretnich erörtert hatte, also ein übrigens von Besold gar nicht selten benutzter 
Schriftsteller: Ra§km di $UUo, 169«, Vi/f, p. 9» ff. Deiis cause deila ^randszxa deiie 
cHlä, 1696, Li^ro Ul, 



320 WanLM Roschu, [58 

abdrucken zu lassen ^^. Hier wird die Unfruchtbarkeit des Geldes im 
Yericehr geleugnet. Jedermann darf sich einen Yortheii sichern , wenn 
er Änderen dadurch keinen Nachtheil zufilgt ; und selbst beim zinsbaren 
Darlehen streitet die Yennuthung dafitr, dass es dem Borgenden nütz- 
lich gewesen, (p. 27.) Besold stellt es daher mit der loccUw-conductio 
zusammen (p. 28) : offenbar ein wichtiger Schritt, um den Unterschied 
zwischen Kapital und Geld, sowie den Kapitalkem der Gelddarlehen zu 
begreifen. Die bekannten Einwände der Theologen wider alles Zins- 
nehmen hebt er damit, dass ikeologia animum informat, poUtica exieniam 
conversalionefn et sodetatem canservaL So muss denn auch das Darlehen 
nicht avare, neglecta cariMe zurückgefordert werden. Ziösen dürfen 
wir nur verlangen, wenn wir gewiss sind, unser Geld habe dem Schuld* 
ner Yortheii gebracht, oder uns selbst dessen Ermangelung geschadet. 
(p. 33.) Das mosaische Yerbot erklärt Besold aus dem Charakter des 
jüdischen Yolkes, üa durae certncis, ui Be gerere circa umrae nan laesa cai- 
ritaie vix potuisseL (p. 35.) Auch gilt das Yerbot nur Air den Yerkdhr 
mit Armen ; vielleicht sei es bei den Juden nicht üblich gewesen, mit 
geliehenem Gelde Handel zu treiben, Güter zu kaufen etc. (p. 3S.) 
Uebrigens wünscht Besold, weil der Zins nicht natura, sondern jure ist, 
eine obrigkeitliche Festsetzung seiner Höhe (p. 28), zumal wegen d^ 
Schwierigkeit, im einzelnen Falle die Höhe des Interesse zu constatiren. 
(p. 36.) Sonst ist gegen wii41iche Wucherer das beste Mittel ein öffentr 
liches Leihhaus, (p. 8.)^' 



ii) Ich kenne bloss diese zweite Ausgabe, in einem neuen Abdrucke von f 641. 

15) Halten wir diese Ansichten mit den zum Theil 40 Jahre später geäusserten 
des Salmasius zusammen, der insgemein für den ersten wissenschaftlichen Verthei- 
diger der Zinsen gilt, so nehmen wir, verglichen mit dem Standpunkte Besolds, kaum 
einen Fortschritt wahr. Auch Salmasius spricht immer von der compensativen Bedeu- 
tung des Zinses, wegen luorum ee$sanSy damnum emergens und pericukum {De wuris, p. 
176 IT.); auch er steUt das foenus mit der locaiio zusammen, (jp. 193 ff.) Wenn er 
sagt: non pro sorte usura exigitur, sed pro usu sortis [p. 195) ; wenn er die Un- 
fruchtbarkeit des Geldes leugnet, ausser wo der Besitzer es absichtlich unfruchtbar 
lässt (p. i 98) : so führen diese Gedanken doch nicht tiefer in das Wesen der Kapitai- 
nutzung ein, da er unmittelbar nachher (p. 199) auch die Fruchtbarkeit der Krank- 
heiten (für die Aerzte,) der Todesfälle (für die LeichenbesorgerJ der Prostitution 
(für die Dirnen selbst) behauptet. Eigentlich nur durch seine, aus reicher holländi- 
scher Beobachtung geschöpfte, sehr viel tiefere und klarere Geld theorie steht Salmasius 
der vollen Einsicht in die Productivität des Kapitals näher, als Besold. — Ein grosser 
älterer Zeitgenosse, Bacon, war von den altherkömmlichen Vorurtbeilen gegen da« 



59] Aelterk deutsche Nationalökonojhik. 321 

Der Mercantili Sinus von Besold ist weniger ausgebildet, als 
der von Bornitz. Unser Verfasser steht in dieser Hinsicht ziemlich in 
der Mitte zwischen Bornitz und SuUy, dessen Verbote der Geldausfuhr 
undWaareneinfuhr hauptsächlich auf seiner Abneigung gegen Luxus be- 
ruheten ^\ Besold ist der Ansicht, dass zum Reich thum eines Landes die 
Industrie seiner Bewohner viel mehr beitragt, als die Fruchtbarkeit des 
Bodens oder Edelminen. [De aerario, p. 70.) Er empfiehlt Luxusge- 
setze, um die Unterthanen reich zu erhalten ; et omnibm, quibuscunqae 
fieri potesl, ratianibus efficiatur, ne pecunia ad exteros pervenire poml^ 
(p. 71) woftar namentlich auch Luther citirt wird. Summo studio studere 
debet princeps, ut non solum eas dornt habeat merces, quibus ad se extero' 
rum moneiam altrahal, sed et imprimis ne praeiexlu merciwn exoticarum 
pecunia ad gentes exteras deferatur. (p. 72.) In Bezug auf Münz Verrin- 
gerungen, die Sully zur Verhinderung der Geldausfuhr empfohlen, {MS- 
moires, Livre XIII,) ist Besold freilich ganz abweichender Aiisidit : nur 
ein massiger Schlagschatz soll erhoben werden; vielleicht wäre es so- 
gar besser, auch diesen fallen zu lassen, (p. 131 ff.) Ebenso deutet 
seine hübsche Erörterung über die allgemeine Caritas sine inopia in Folge 
der Geldvermehrung ( Yitae et mortis considereUio, p. i3 fg.) auf richtige 
Ansichten vom Wesen des Geldes. 

Auf agrarpolitischem Gebiete zeigt Besold an der Hand der 
Geschichte die Verderblichkeit des ZusammenhSiufens grosser Landereien 
in Einem Besitze, was neuerdings viel zu wenig beachtet werde. Hier- 
mit bringt er das Jubeljahr der Israeliten, die Unverausserlichkeit der 
neueren Familiengüter etc. in Zusammenhang. [Vitae et mortis conäd., 
p. 22 ff.) Er scheint in dieser Hinsicht zu den Ersten zu gehö- 



Zinsnebmen immer noch sUrk influirt. Nur wegen der menschlichen flerzenshär- 
tigkeit will er den Zins dulden, weil Darlehen schlechterdings nothwendig, ohne Zius 
aber ganz unwahrscheinlich seien. Eine Ahnung der Wahrheil geht ihm erst da auf, 
wo er den Kaufleuten gegenüber ein höheres gesetzliches Zinsenmaximum vorschlägt, 
als für das übrige Volk : nicht allein weil der Handel für einen niedrigen Zinsfuss zu 
gefährlich sei, sondern auch weil der Kauftnann seines eigenen liöhem Gewinnes hal- 
ber einen höhern Zinsfuss ertragen könne. {Sermone$ fideles, Cap, 39.} Selbst Hugo 
Grotius steht in diesem Punkte hinter Besold zurück (Jus belli etpaois II, 42, 20); 
er hat dem seinerzeit bewundernswürdigen Fortschritte Calvins (Epistolae et re- 
spcfuay No. 383) das Geld sei nicht unfruchtbar, weil man dafür etwas kaufen kann, 
das wieder Geld hervorbringt, kaum etwas hinzuzufügen. 

4 6) Vgl. Memoires, L. XI, All, XIII, und besonders XVI. 



322 WnHILM ROSCHBB, [60 

ren", welche die damals immer mehr üblichen Familienßdeicommisse 
and Landesgesetzgebungen zur Erhaltung der Bauergttter in weltge- 
schichtlichem Zusammenhange theoretisch begründeten. — In Bezug auf 
den Kornhandel freilich theilt er noch das ganze Yorurtheii seines 
Zeitalters, weiss aber als guter Jurist seine Wucherfurcht wenigstens in 
präcisere Worte zu fassen, als damals gewöhnlich. li solutn vemlant, 
qtwrum apera terrae fructm producti fuerunt. {Synopsis polilicae doctr., p. 
253.) Also gar kein eigentlicher Handel (Kauf zum Wiederverkauf) mit 
Korn! In theuerer Zeit soll die Ausfuhr untersagt werden. Ferner 
Zwang des Staates gegen alle Kornbesitzer, ihre Vorrathe zu verkaufen, 
selbst zu niedrigen Preisen. [Yiiae ei mortis consid., p. 10 ff.) ** 

Von der Gewerbepolitik im engern Sinne des Wortes handelt 
Besold eigentlich nur mit Rucksicht auf die Zünfte. Hier trdgt er die 
Meinung seines Zeitalters vor, aber in ihrer geläutertsten Form. Auto- 
nomie der Zünfte über alle ihre Angelegenheiten : nur ronss deren An- 
wendung eine ralionabilis sein und weder den Staatsgesetzen, noch den 
guten Sitten zuwiderlaufen. Keine Abreden zur Monopolisirnng der 
Waaren, zur Festhaltung hoher Preise etc., zur Beschränkung des Pu- 
blicums in der freien Wahl unter den Zunftmeistern. Kein Vertrinken 
der Geldstrafen, die vielmehr der Armenkasse zufallen müssen. Die 
Fernhaltung der Bader, Müller, Hirtenkinder etc. von der Zunftfilhigkeit 
verwirft Besold mit den Reichsgesetzen seiner Zeit; die der unehelich 
Geborenen nennt er eine proba consuetudo. {Dissertaliones de iure renim, 
familiamm etc., 1624, p. 47 ff.) Das meisterhafte Gem&lde der spanisch-* 
portugiesischen Trägheit und Ueberschätzung persönlicher Dienste, [Vitae 



17) AuchBodinus war für ein miissiges Vorrecht der Erstgeborenen, (keine 
spanischen Fideicominisse!) ein geringeres Erbrecht der Töchter, sowie einige Be- 
sciirSnkungen der Testamentsrreiheil vornehmlich deshalb, damit allzu groBse Reieh- 
thümer in Einer Hand verhütet würden. (De rep. K, «, p. 823 ff.) 

f 8) Selbst in Holtand gehört zu den frühesten Vertheidigern des freien Kornhan- 
dels D. Graswinkel Aanmerkingen onde Betrachtingen etc., 4 651. Je mehr Korn- 
wacherer im Lande, um so weniger Monopol. Man soll in der Theuerung die Last 
nicht allein auf die Kornbesitzer legen, sondern (mittelst Amensteuer etc.) gleich- 
massig auf alle Wohlhabenden. Aehnitch de la Court Potit, Discoursen (1669) 
/, 4. Und doch halte bereits in Luthers Zeit Sebast. Frank die Ahntmg ausge- 
sprochen, dass die Bosheit der Korn wacherer von Gott für Nothzeiten gebrau<*ht 
werde! (Sprüchwörter gemcyner lütsoher Nation; vgl. auch Seb. Franks Weltbuch 
lol. 63".) 



61] Aeltere DBtTSciiB Nationalökonoiiik. 323 

et mortis consid., p. 19,) ist zwtr von Besold nur aus Clenard entlehnt; 
doch spricht diese Herttbernahme nicht bloss für seine eigene richtige 
Ansicht von solchen Dingen, sondern namentlich auch dafür, dass er 
sich durch seine politisch-religiOse Parteistellang nicht ganz Ober Spa- 
nien verblenden liess. 

Besolds Regaltheorie ist eine sehr gemässigte. Im Allgemeinen 
lehrt er: nova regalia non sub praetexiu absolutae potestatis esse insti- 
tuenda. {De iuribus maieslatis, 1625, }). 144 ff.) Wiederholentlich äus- 
sert er seinen Abschen gegen die novi politici ex Ilalia redeiintes, qui 
quavis fraude pritwipibtis a subdüis pectmiam extorquere fas licitumque esse 
putant, Machiavelli plerumque praeceptis et exemplis principum, quorum 
rationes non capiunt, ad id abutentes. (De aerario, p. 59. 165.) Wider 
Geldbussen ist er nicht unbedingt; er warnt aber strenge, ja nicht den 
Rechtszweck derselben hinter den Finanzzweck zurücktreten zu las- 
sen. (De aerario, p. 41.) Vermögenseinziehung missbilligt er schlecht- 
hin. [Synopsis doctr. polit,, p. 343.) Dagegen empfiehlt er, nach Ana- 
logie der Sklaverei, die Verbrecher, statt der Verbannung, Geisselungotc, 
durch Strafarbeiten nützlich zu machen, sofern dies ohne Verletzung 
göttlicher Vorschriften geschehen kann. [De aerario, p. 50.) Aemterver- 
käufe nur im dringendsten Nothfalle gestattet. {Ibid., p. 161.) Staats- 
monopolien sollen bloss caute et nonnisi ab antiquo ita fuerit observatum 
fortdaueni: nicht allein, um denferwerb der Unter! hauen nicht zu schmä- 
lern, sondern auch, quia in negotiationibus major indusiria et sollicitudo 
requiri videtur, quam quae in officiales publice conductos cadat. {Synopsis 
doctr. polit., p. 243 ff.) Aeusserst wichtig! Deshalb ist aller Staats- 
handel nur unter drei Voraussetzungen zu empfehlen : dass der Verkehr 
dadurch nicht erschwert, sondern gefördert, namentlich von Betrug 
freier wird; dass der Staat nicht inländischen, sondern ausländischen 
Kaufleuten Concurrenz macht ; dass der betreffende Handelszweig für 
Privatleute unmöglich ist. {De aerario, p. 44.) Das Lotterieregal verwirft 
Besold schlechthin, quum non lantum fims, sed et media debeant esse ho- 
nesta. {Ibid. p. 47.) 

In Bezug auf die Steuern hält er das Bewilligungsrecht der Land- 
stände mit voller Entschiedenheit fest, wobei er ein Wort Kaiser Maxi- 
milians L anführt, der deutsche Kaiser sei rS dei re, der König von Spa- 
nien rc degli uomini, der König von Frankreich re degli asini. {De aerario. 



324 Wilhelm Röscher, [6^ 

p. 63 fg.)^^ Von Eduard III. erzählt er ganz ernsthaft, dass er einst« 
mals um einen Haufen erpressten Steuergeldes den leibhaftigen Teufel 
spielen gesehen, (p. 40.) Er empfiehlt auch eine strenge Gontrole der 
Stände über die Verwendung der bewilligten Steuern, was für die Herr- 
scher nichts weniger als ehrenrührig sei. (p. 67.) Hört der Grund der 
Bewilligung auf, so muss auch die Steuer aufhören, (p. 69.) Alle fllrst- 
lichen Räthe müssen sich ins Herz schreiben, consulentes prindpi, ut nova 
imponat iributa et vectigalia sine magna causa, esse in infenio poenis larta- 
reis cruciandos perpetuo. (p. 1 67.) Besold erinnert daran, dass harter 
Steuerdruck nach Salvian den Barbaren die Strasse zur Eroberung des 
römischen Reiches gebahnt hat. (p. 82.) Von den einzelnen Steuerarten 
ist er mehr fUr indirecte Steuern, {vectigalia von vectura,) als fitr directe, 
(tributa,) weil man verhSJtnissmässig leichter etwas abgiebt, wenn man 
selbst eben gewonnen hat. Ebenso lobt er Ausfuhrzölle mehr, als Ein- 
fuhrzölle ^, namentlich wenn sie den Fremden vor den Einheimischen 
treffen, (p. 77.) Seine Abneigung wider Steuern auf. nothwendige Le- 
bensmittel, sowie gegen Albas zehnten Pfennig {hoc onus Belgium Hi- 
spano ademisse videtur!) war damals keine persönliche Eigenthümlich- 
keit. (p. 79 ff.) Bei directen Steuern ist er sehr ftlr die aliquote Form: 
humanum magis est, imponere certam frugum parlem, »denn wan man 
jahrlich etwas Gewisses filr Hagel und Wind reichen thut«. (p. 87.) 
Die Steuerfreiheiten verwirft er entschieden. Wenn bisher fllr die Frei- 
heit der Ritter genügende militärische Gründe sprechen, so haben diese 
doch jetzt sammtlich au%ehört. (p. 91 fg.)^* 

Besolds Aeusserungen über Staatsschulden sind ebenso cha- 
rakteristisch ftlr den Uebergang aus der rein privatrechtlichen Auffassung 
des Staates in die staatsrechtliche, wie ftlr das gänzliche Fehlen der 
neueren Creditideen. Sind die Unterthanen verpflichtet, ihres Fürsten 
Schuld zu bezahlen? Nein, falls die Schuld aus Gründen des Luxus etc 



4 9) Wenn die zu wünschende Freiwilligkeit der Steuerzahlung u. A. auf das eng* 
lische Institut der fienevolenzen gestützt wird, (jd. 15i) so ist das freilich eine grosse 
Verkeanung dieses letztern. 

tO) In der Wirklichkeit sind bei den meisten Völkern Ausfuhrzölle früher üblich 
geworden, als Einfuhrzölle : in Frankreich z. B. jene für eine Menge wichtiger Han- 
delsgegenstände schon 4 304, diese erst 4 549. 

24) Von S. 94 — 4 50 enthält das Buch De aerario eine sehr weitläufige Abhand- 
lung von Fragen aus dem Steuerrechte. 



63] Aeltere dsutscrb NationalOkonomik. 325 

entstanden ist ; ja, wenn sie aus einer nothwendigen Ursache herrührt ! 
Auch kann das Volk nicht glücklich sein , wenn sein Land nicht von 
jedem Pfandnexus frei ist. Daher werden sich kluge Stände nicht im- 
mer gegen Uebemahme einer Steuer zur Schuldtilgung sträuben, und 
nur desto sorgfältiger die Wiederkehr des Uebels zu verhüten suchen. 
[De aerario. p. 55.) Uebrigens stimmt Besold ganz mit Bodinus über- 
ein, dass jede Staatsanleihe ausser im dringendsten Nothfalle, aerarii ac 
civitatis moliri eversumem. Namentlich sei nichts verderblicher und thö- 
richter, als einen Krieg von vorne herein auf Anleihen zu stützen. 
(p. 155.) 

Ein in vieler Hinsicht interessantes Gegenstück zu Besold bildet der 
so oft von ihm citirte Adam Contzen^, ein angesehenes Mitglied des 
Jesuitenordens, Beichtvater bei den Fürstbischöfen von Bamberg und 
Würzburg, eine Zeitlang sogar am Hofe Maximilians von Bayern, dann 
Professor zu Mainz. Sein Hauptwerk: Politicorum libri X (1629) ist 
»dem unbesiegten« Kaiser Ferdinand H. gewidmet. Er steht recht im 
Mittelpunkte der damaligen katholischen Reaction, obwohl seine Ansich- 
ten ftlr diesen Standpunkt verhältnissmässig moderirte heissen können. 
Aber wie viel geringer ist er in wissenschaftlicher Hinsicht, als Besold ! 
Von Geschichte redet er zwar genug : seine furchtbare Weitschweifig- 
keit besteht zum grössten Theile'in übel gewählten, pedantisch breiten 
und doch im Einzelnen oft sehr ungenauen Geschichtsbeispielen. Aber 
höchst selten findet sich eine Spur von geschichtlichem Geiste^. Ueberall 
nur der jesuitische Doctrinär, der nach dem Grundgedanken seines Or- 
dens einen wesentlich mittelalterlichen Zustand von Staat und Gesell- 
schaft durch geschickte Benutzung einiger modernen Kunstgriffe wieder- 
herstellen, ja verschärfen will. 

Seine volkswirthschaftlichen Ideen sind im YHI. Buche : De polen- 
iia reipublicae, enthalten. Hier äussert er sich über die Nothwendig- 
keit des Reich thums mit einem Enthusiasmus, der im Munde eines Geist- 
lichen, ja' Mönches doch etwas geradezu Verletzendes hat. (Gap. 5.) 
Daneben die strengste Wuchertheorie des kanonischen Rechts: Zins- 



tt) Gedtorben 1635 in einem Aiter von mehr als 60 Jahren. 
23) Wie z. B. p. 66t, wo er den Luxus roher Völker dabin charakterisiri : quo 
quaeqiie geta magis barbara est, eo pluribu$ innperitare dornt gaudet. 



326 WiLOBLV Bos<:in», ' [64 

glüobiger sollen wie Diebe peiolich geetraft, alle Juden als venemUae be^ 
sHae mit Veriust ihres Yennögens zum Lande hinaus gejagt werden. 
Contzen erinnert an die glorreichen Herrscher, welche dies wirklich 
gethan; er zeigt, wie es den Juden selbst zum Heil gereichen mttsse. 
(Gap. 17.) Ausserdem soHen monies pietaiis dem Wucher steuern. 
(Cap. 4 8.) — Er lobt die Gewerbe und empfiehlt deren Beförderung, 
freilich in unpraktischer Allgemeinheil, als im eigeniw Interesse des Staa- 
tes liegend. (Cap. i 5.) Gelegentlich denkt er auch an ein Verbot, infeiri 
merces, quibui patria et tuitiva mäora fiunt Dem Handel rühmt er nach, 
dass die Waaren durch seine Transportarbeit verbessert (d. h. brauchbarer 
gemacht) würden, selbst wenn einige physische Verschlechterung damit 
verbunden wäre. (Cap. 1 0.) Gewiss ein nicht unbedeutender Fortschritt 
gegen die Ansicht von Montaigne: Le proufict deVtm esl le dommage de 
taultre, und von Bacon: Qtiidquid alicubi adiidtur, alibi delrahitur^. 
Auch das L<^. welches der Rechtspflege durch sachverständige Berufs^ 
genossen erthellt wird^ ist dne geistvolle Zukunftsahnung; (Cap. 11) 
wenn es schon vielleicht gemeint war als Beminiscenz aus dem Mittel- 
alter. Um so scbroffßr stiebt dagegen ab die ganz rohe Lobrede auf die 
Sklaverei, die sowohl aus Gründen der WohJfeilheit, als der Arbeitswirk- 
samkeit empfohlen wird, selbst für die Staatsfinanzen ^\ (Cap. 15.) — 
So missbilligt er die meisten Regaltyranneien seiner Zeit (Cap. 1 9) ; des- 
gleichen die meisten jener Plusmachereien, welche im zweiten Buche 
der aristotelischen Oekonomik aufgezahlt sind. (Cap. 1 6.) Paneben rätb 
er jedoch, wie sein Orden mit so grossem Erfolge praktisch gethan, statt 
der Besteuerung des Volkes Regierungshandel zu treiben, (Cap. 10.) 
Einen fast noch grellem Gegensatz bildet sein £ijG»r gegen Steuerfrei- 
heiten, sowie die Forderung, dass jede Steuer, um gut zu sein, polesia- 
iem^ causam und proportionem voraussetze und ce$sanle causa aufhören 
mtisse, (Gap. 7) zu dem höhnischen W^orte, (Cap. 6) die Niederlander 
seien von Spanien abgefallen, um nicht den zehnten Pfennig zahlen zu 
müssen, und jetzt würden sie fi^oh sein, wenn sie den zehnten Pfennig 



24} Montaigne Essau /, 21. Baco Sermones fideles, Cap. 4 5. 

25) Contzen denkt hier freilich nur an eine milde Sklaverei, vfill sie auch vor- 
zugsweise für gefangene Türken oder solche InUlnder besliinint wissen , die aus Na- 
tarfehler, sehleohter Ensiehuog, VerführiMig etc. ihre Freibeii nicht woh) ertragen 
können. 



65] ' Aeltere deutsche Nationalökonomik. 327 

behielten. Echt mittelalterh'ch ist die mehrfach geäusserte Vorliebe 
Contzens für Natural- und Arbeitssteuem, (Cap.7) namentlich ftir leichte 
Staatsfrohnden, welche nach eigener Wahl der Pflichtigen entweder in 
Natura oder in Gelde abgemacht werden können (Cap. 8.] 



V. 

Die Kipper- und Wipperliteratiir. 



\ Bei der grossen Bedeutung, welche das Münzwesen für die ganze 

[ Volkswirthschaft, und das Münzregal insbesondere für die Staatsgewalt 

1 hat\ ist es kein Wunder, wenn sich in der Münzgeschichte wie in 

einem engen Rahmen die ganze Geschichte des Volkes und Staa- 
tes abspiegelt. So verbanden z. B. die altfränkischen Könige bis auf 
Karl d. Gr. mit ihrer verhältnissmässig starken und concentrirten Staats- 
gewalt auch das ausschliessliche Münzrecht : beides zum grossen Theil 
auf Anknüpfungen an das römische Staatswesen beruhend. Wie nach- 
mals die Staatsverfassung durch das Aufkommen der Landeshoheit zu 
einer wesentlich aristokratischen wurde, erfolgten gleichzeitig die zahl- 
losen Verleihungen des Münzrechtes an grosse Unterthanen; und zwar 
machten sich in beiden Fällen ziemlich parallel erst die geistlichen, dann 
die weltlichen Herren, hierauf die Reichsstädte, zuletzt sogar, wenig- 
stens factisch, viele Landstädte von der frühem Abhängigkeit los. Wenn 
es in Deutschland auf der Höhe des Mittelalters gegen 600 verschiedene 
Münzstätten gab 2; wenn jeder Münzherr in seinem Gebiete den Umlauf 
anderer deutschen Münzen verbieten, die fremden Kaufleute zwingen 
konnte, ihr Geld mit seiner Landesmünze zu verwechseln ; wenn es eine 
der beliebtesten Finanzspeculationen war, alle umlaufenden Münzen ein- 
zurufen und nach Abzug eines hohen Schlagschatzes umgeprägt wieder- 



4 ) Letzteres nicht bloss wegen des Schlagschatzes und der Handelspolizei, son* 
dem auch aus allgemeineren Gründen, welche die tiefsten Wurzeln des Verhältnisses 
zwischen Volk und Herrscher berühren. Noch heutzutage ist im Orient das Prägen 
von Münzen das anerkannteste Zeichen der Souveränetät ; und von den Ursachen, 
welche den schlafenden fionapartismus während der Restauration und Juliusmonarchie 
lebendig erhielten, ist es keine der geringsten, dass die übliche Goldmünze im Volks- 
munde immerfort den Namen Napoleons führte. 

2) Vgl. Heineccius De nummis Goslar. ^ p. 4. 

Abhandl. d. K. S. Qet. d. Wim. X. 22 



328 Wilhelm Röscher, [66 

auszugeben^: so ist das eine Periode im Münzwesen, die sich wohl ver- 
gleichen lässt mit dem politischen Interregnum und Faustrecht des 1 3. 
Jahrhunderts. Nicht viel geringer * war die Münzanarchie in Frankreich 
während der aristokratisch-territorialen Zeit; sie wurde hier aber durch 
eine schrittweise Rückkehr zum Münzregale in derselben Zeit gehoben, 
wo auch politisch durch Unterwerfung der Grossen die spätere absolute 
Monarchie sich vorbereitete. In Deutschland war dieser Weg nicht 
möglich. Doch entsprechen den vielen Bündnissen, welche im 1 4. und 

1 5. Jahrhundert zwischen Fürsten, Rittern und Städten geschlossen wur- 
den, zum Ersätze dessen, was Kaiser und Reich versäumt, die vielen 
Münzverträge derselben Zeit. Das Ende des 1 5, und der Anfang des 

1 6. Jahrhunderts sind in politischer Hinsicht ausgezeichnet durch eine 
Menge wohlgemeinter, zum Theil grossartig angelegter Versuche zur 
Concentrirung und Organisirung des Reichs : ich gedenke nur der Reichs- 
gerichte, der Kreistheilung, der Reichspolizeiordnungen, der peinlichen 
Gerichtsordnung etc. Leider waren die wirklichen Ergebnisse von 
alle Dem sehr gering. Und gerade so ging es mit den drei Reichsmtinz- 
ordnungen derselben Zeit. Vielmehr wie am Ende , trotz jener politi- 
schen Einigungsversuche, der dreissigjährige Krieg die Anarchie des 
Reiches vollendete, so im Münzwesen trotz jener Reichsmünzordnungen 
die Kipper- und Wipperzeit. 

Wollte man diese Kipper- und Wipperzeit von einem ganz 
bestimmten Zeitpunkte an datiren, so würde man in Verlegenheit kom- 
men. Denn die wetteifernde Ausprägung einer immer geringern Scheide- 
münze, weit über den Scheidebedarf hinaus, wodurch allmälich die gu- 
ten groben Sorten verdrängt und die gesammte Circulationsmasse ent- 
werthet wurde, geht durch mehr als ein Menschenalter. Auf dem Reichs- 



3) Hier und da sogar zweimal in einem Jahre! (Glosse zum Sachs. Landrecht 
n, 26.) 

4) Ganz so schlimm, wie in Deutschland, wohl nicht, obschon zu Philipps IV. 
Zeit 300 geistliche und weltliche Vasallen das Münzrecht ausübten. Aber auch nach 
Thomas Aquinas De reg. principum II, 4 3 muss Deutschland besonders schwer an 
kranken Münzsyslemen gelitten haben. In England hat sich das Münzregal viel unge- 
störter behauptet, gerade so, wie auch die Staatsgewalt im englischen Mittelalter keine 
solche aristokratische und provinziale ZerspUtterung erfuhr, wie in Deutschland und 
Frankreich. Der Einfluss dieser Thatsache auf das Münzwesen lässt sich danach mes- 
sen, wie sehr viel weniger die englischen Pfunde Sterling, Schillinge etc. gegen frü- 
her an Silberwerlh verloren haben, im Vergleich mit den französischen oder deutschen. 



67] Aeltere deutsche Nationalökoxomik. 329 

tage von 1566 wurde bestimmt, dass 68 Kreuzer gleich einem Thaler 
gelten sollten*; indess fuhren gleich damals einzelne bedeutende Terri- 
torien mit ihrer bisherigen Prögung von 72 Kr. = 1 Thaler ruhig fort. 
Um 1 585 nahmen die Kaufleute der Frankfurter Messe den Thaler zu 
74 Kr. an. Im December 1596 ward er von kaiseriichen Commissarien 
zu Strassburg auf 84 Kr. »erhöhet«. Ganz besonders aber nimmt die 
Münznoth in den ersten Jahren des dreissigjährigen Krieges zu , wo ein 
förmliches bellum omnium contra omnes unter den Münzstätten geführt 
wurde. Nach der AuflT- und Absteigungstafei in David. Thoman. ab 
Hayelstein Acta publica monetaria /,p. 54 ward der Reichsthaler an mass- 
gebenden Stellen amtlich gewUrdert : 

1616 und 1617 zu 90 Kreuzern 

1618 » 92 » 

1619 » 108—124 » 

1620 » 124—140 » 

1621 » 140—270 » 

1 622 (Februar und März) bis zu 600 » 

Und zwar hatte namentlich das Jahr 1621 jeden Monat eine andere Val- 
vation, oft sogar mehrere in demselben Monate. Selbst in Kursachsen 
wurde z. B. dem Münzpächter zu Hayn am 12. Mai 1621 gestattet, die 
feine Mark in Groschen und Schreckenbergern zu 62V2 Gulden auszu- 
bringen, woftlr er dem Kurftlrsten wöchentlich 300 Gulden Schlagschafz 
entrichten sollte ". Unter den Heilversuchen, die auf der Höhe des Ue- 
bels gemacht wurden, ist ausser den zahlreichen Verboten der Waaren- 
ausfuhr sowie der Ausfuhr guten Geldes am aufi^ligsten die grosse 
Menge obrigkeitlicher Zwangstaxen für alle wichtigeren Lebensbedürf- 
nisse, die namentlich 16^3 erlassen wurden, als man sich ernstlich ver- 
abredet hatte, wieder zum Münzfusse von 1617 (90 Kreuzer auf den 
Thaler) zurückzukehren. Wissenschaftlich viel interessanter sind die 
Girobanken zu Hamburg (seit 1619) und Nürnberg (seit 1621), die in- 
mitten der allgemeinen Sündfluth auf halbprivatem Wege doch wem'g- 
stens zwei sichere Inseln bildeten. 

Die Literatur dieser trostlosen Epoche können wir am 
besten in zwei Gruppen theilen : populäre Schriften, die namentlich in 



5) Hirsch Münzarchiv II, S. 13. 

6) Vgl. Klotzsch Chursächsische Miinzgeschichte II, S. 463 ff. 



330 Wilhelm Roscheä, [68 

bellettristischem Gewände gegen das Kipper- und Wipperthum ankämpfen ; 
sodann wissenschaftliche Erörterungen. Sind die letzteren bezeichnen- 
der flir den Zustand der Doctrin, so die ersteren fllr den Grad der Volks- 
bildung, zumal Geschmacksbildung ihrer Zeit. 

Wie man die damals so beliebte Form der Allegorie^ auf das 
vorliegende Gebiet anwandte, davon mögen folgende Auszüge ein Bild 
geben. 

»Discurss etzlicher Personen von dem itzigen Zustande der Kipper 
und Wipper : wie nehmlich ein Messpfaffe so viel Goldt und Geldt bey- 
sammen hat, dass er nicht gewusst, wo er damit hin soll. Endlich gibt 
sich ein einfeltiger Wipper an, und weil auch ein Landtjuncker in einer 
Stadt ein Wagen voll Schaffs-Käse feil hat, da seynd mehr als in die zwei- 
hundert Wipper, die drungen sich auff den Wagen, dass kein arm Mensche 
dazu kommen kundte; zuletzt, als der letzte Wipper vom Wagen herun- 
ter steigt, so hat er fast ein Centner Geldt am Halse und tritt dem Edel- 
mann die eine Ax am Wagen entzwey. Item, was es auch endlich mit 
diesen Personen fllr einen Aussgang gewinnt. Gedruckt zur schweren 
Müntze bei Wippershausen, Anno 1621.« — Ein überaus lederner, mit 
Schimpfworten angefilUter Dialog, worin Pfaff, Narr, Handwerker, Jun- 
ker, Wipper, Bauer, Bettler, Landsknecht, Tagelöhner und Tagelöhnerin 
vorkommen. 

»Der Wartzken-Mann von Kippern und Wippem, Bericht gebendt, 
wo die K. hergekommen, wo Müntz ihre Roth genommen. Etwa auff- 
gefilhrt, in Reim torquirt, mit Wahr geziert und erudiert durch den Jun- 
gen Caspar Kinkeln von Klosterlitzsche. Im Jahr: Herr Wipper soL 
aVffs hohe RaDt, Dann ers ganz LanD beraVbet hat.« (1621.) — Einem 



7) Sehr charakteristisch ist in dieser Hinsicht die Siegesmiinze, welche Kurfürst 
August von Sachsen auf den Sturz der Melanchthonianer prägen liess. Er selbst im 
Harnisch, mit der einen Hand das Kurschwert, mit der andern die Wage haltend, 
steht auf dem Schlosse Hartenfels, wo der entscheidende Landtag gehalten war. lie- 
ber der Wage schwebt die Dreieinigkeit. In der sinkenden Schale sitzt das Christ- 
kind mit der Umschrift: »die Almacht«; in der steigenden sitzen die vier Wittenberger 
Theologen, über ihnen der Teufel, die sich vergeblich anstrengen, ihre Schale, deren 
Umschrift: »die Vernunft« lautet, herabzudrücken. (Tenzel Saxonia numismatica, 
Albertin. Linie, S. 4 37 (T.) Seit dem niederländischen Aufstande war die, den Jesui- 
ten sehr empfindliche, Literatur der satirischen Flugschriften mit Holzschnitten be- 
deutend geworden, in der z. B. Fischarts Gemälpoesien hervorragen. 



69] Aeltere deutsche Nationalökonomik. 331 

Arzeneibändler in den Mund gelegt. Die Kipper sind aus dem Samen 
einer Blume« die aus dem Blute hingerichteter Verbrecher entsprossen. 
Weil sie Kipper heissen, darum »kUppem Geldt,« und ähnliche Witze. 
Besser ist die aus dem Leben gegriffene Erörterung, wie alle Uebrigen 
ihre Waarenpreise steigern, bloss die Beamten, Pferrer, Schulmeister, 
Studenten, Regenten nicht, tlberhaupt der nicht, »der sein gewisse Sol- 
dung hebt.« 

»Jedermannes Jammerklage von der falschen Wipper Wage.« Ohne 
Druckort, 1621. — Nach einander klagen hier in Knittelversen Bettler, 
Tagelöhner, Gesinde, Boten, Spielleute, Bergleute, Handwerksmann, 
Bauer, Kaufinann, Student, Theolog, Medicus, Jurist, Hoffrath, Edelmann, 
Prälat, Graff, Fürst, Hertzog, König, Kayser, Gott. Hierauf klagen alle 
Mttnzsorten einzeln, vom Heller bis zum Ducaten; dann Silber, Gold, 
Kupfer. Zum Schluss die Grabschrift eines Kippers in Form eines Ge- 
sprächs. Alles in hohem Grade langweilig und geistlos. 

»Wachtelgesang, d. i. warhaflftige, gründliche und eigentliche Nah- 
mens-Abbildung, wie man nemlich jetziger Zeit das schändliche heillose 
Gesindlein der guten Müntz-Ausspäher und Verfälscher, welche der Teuf- 
fei als ein Meister alles Betruges in diesen letzten Häfen der Welt auss- 
gebrütet hat, in dem Wachtelschlag oder Gesang so artig und deutlich 
mit ihrem rechten Nahmen genennet und nahmhafil gemacht worden. 
Darbei dann Augenscheinlich zu sehen, was vor unaussprechlicher Schaden 
das Teuffelische Geldverfälschen unserm heben Vaterland Deutscher Na- 
tion zugefüget wird, wie auch aller Stände, sonderiich aber des lieben 
Armuts eusserstes verderben muthwilliger weise dardurch verursacht 
und mit Fleiss gesucht wird. Gestellet von Crescentio Steigern, VaUk' 
Joachimico. Gedrucket zu Kipswald, am kleinen Schreckenberg ^ gele- 
gen. Im Jahr Dar Innen GoLD VnD SILber rein In KVpffer Ist Verkehrt. 
Pein!« (1621.) — In Knittelversen. Der Witz drehet sich um den 
Wachtelruf: Kippdiwipp. Von der Poesie gentlgt folgende Probe. 

»Dass solche loss verfluchte Laut 

In Kürtzen es dahin gebracht, 

Welchs kein Mensch aufif der Well gedacht, 

Dass ein Reichsthaler in der Summen 

Sobald sollt auf 5 Gulden kummen. 



8) Man erkennt die witzlosen Anspielungen auf die Joachimsthaler, dieSchreoken- 
berger Münsen etc. 



332 Wilhelm Rosciier, [70 

Welches mein Nachbarn wird niissfallen, 

Der je^zund sol sein Hauss bezahln 

Andre werden dess auch nicht froh, 
Die Species in deposito 
Genommen haben vor vier Jahren, 
Müssens mit Schaden jetzt erfabm etc.« 

»Historische Relatio, dass jüngst 1 . und 2. Nov. Allerheiligen dieses 
1 621 . Jahres in Pamasso unter den Göttern tlber jetzigen in Teutschland 
wesendem Kriegs - und Müntzwesen gehaltenen Rathschlag. Wie der- 
selbige observiret und aufgenommen durch Christodorum Pistopatriolam 
Vargium.i( (Ohne Druckort.) — , Mit sehr viel eingemengtem Latein, über- 
haupt sehr zopfig, aber nicht ohne Geist, grobianischen Geist ^. Mars mit 
seinen Genossen und Mercur mit den seinigen wird bestraft. Den Krieg 
giebt der Verfasser hauptsächlich den Essuiten oder Jesuwiddern Schuld, 
wobei u. A. selbst die engen Hosen der Ordensbrüder vorkommen. (»Da- 
mit, wenn sie bei jungen Weibern liegen, nicht allzeit die Hosen auff- 
binden, oder* durch dicke Kleyder gehindert, jnen der Pinsel zu kurz 
werde.«) Schliesslich wird den Kippern und Wippern aus dem CorpiM 
Juris nachgewiesen, dass sie sacrilegium, crimen laesae majestalis began- 
gen, die lex Julia de vi publica, lex Cornelia de sicariis, lex Julia de an- 
nona übertreten haben, crimen falsij Injurien, Diebstahl üben, usurarii 
sind u. dgl. m. 

KiMysterium mysteriorum mundanorum, d. i. ein Welt- und Geldge- 
heimniss, oder kurze Satyra und freyer Discurs, darinnen öffentlich recht 
imd respective theologico-politice von dem grossen Mangel, so bey Reichen 
und Armen mit grossem klagen und seufiftzen in der gantzen Christen- 
heit im schwang gehet, tractirt und die Welt proponirt wird: 1) der 
hochschadliche Weltschad der Geld Aufschlag; 2) der schändliche un- 
leidliche unerträgliche und unverantwortliche Wucher dess interesse per- 
cento; 3) der schändliche und unleidliche auffkauff der Victualien und 
Wucher zu wohlfeilen Zeiten auf künfilige Thewrung, Auffschlag und 
Unglück.« Yon M.H. C. (Ohne Druckort, 1 620.) — Eine sehr geschmack- 
lose Erfindung. Dem Verfasser träumt *® von einer unermesslichen Volks- 



9) Wer diese Schrift mit dem Hans Sachsischen Götterrathe über Deutschland 
(4 614) vergleicht, der wird freilich einen merkwürdigen Abstand zu Ungunsten jener 
finden. Näher liegt die Vergleichung mit Fischart. 

fO) Gerade, wie im letzten Viertel des 4 6. Jahrhunderts die Pritschmeistei^e- 



71] AeLTERE DEITSCHE NATIONALÖKONOMIK. 333 

Versammlung, die über die schweren Zeiten betrübt ist, und von wel- 
cher er nun aufgefordert wird, seine Vorschläge zur Abhülfe der Noth 
zu machen. Dieser Eingang ist 9 Seiten lang, die eigentliche Rede 1 i^h 
Seiten. Wenn S. 26 über den Zinsfuss von 7 — 20 Procent geklagt 
wird, so ist das in jener Zeit des Krieges und der Mttnzf^schung nicht 
unbegreiflich. 

Auf einer Mittelstufe zwischen der bellettristisch -populären und 
wissenschaftlichen Behandlung der grossen Zeitfrage steht: nVindieatio 
et excusalio publicanorum germanicorum propria, d. i. Eigene Ehrenret- 
tung und Entschuldigung der jetzigen Deutschen Zöllner, Wipper. Kip- 
per, newer Müntzer, Land- und Leut-Betrieger etc. Auch derselben 
überaus grosser Nutz, empfindliches Heil und erspriessliche Wolfahrt, 
die sie unserm lieben Yaterlande (wie sie gentzlich darfür halten) sollen 
und wollen gestiffiet haben etc. Durch Fochum Neunmann Ramburgen- 
sem, TheoL 5/uc(.<!c 1622. (Ohne Druckort.} — In sehr schlechten Ver- 
sen wird hier die Selbstvertheidigung der Kipper und Wipper ausge- 
führt und widerlegt. Namentlich, dass ihr Verfahren sie bereichere, 
ohne doch jemand Anders zu schaden ; (die Theuerung schadet Allen, 
auch den Kippern selbst, oder doch ihren Kindern mit.) Dass ihre Theue- 
rung in der Bibel geweissagt sei ; {ja, aber mit Ungeziefer, Heuschrecken 
etc. zusammen, und denen gleichen die Kipper wirklich.) Endlich, 
dass es doch eben ihr Handwerk sei, dem auch der göttliche Segen 
nicht fehle ; (der Verfasser stellt es mit dem Diebstahle zusammen.) Die 
Theuerung der Waaren erklärt unser Buch nur daher, dass die Kipper und 
Wipper ihr übersilbertes Kupfer auszugeben suchten, bevor es roth wurde, 
auch sonst wegen ihres leichten Erwerbes furchtbar verschwendeten. 

Eine sehr eigenthümliche Ausartung der damals allmälich abster- 
benden Gewohnheit, alles geistige Leben theologisch zu färben, sind die 
zahlreichen Parodien geistlicher Themata zu weltlichen Zwecken. So 
z. B. »Ein newe Litaney, Beedes für die arme nohtleydende Christen 
unnd für die reichen unbarmhertzigen Juden. Gestellt durch Lazarum 
Patientem von Armutheya. Gedruckt zu Pressburg im Hungerland, 1624, 
Im Monat : Wenn man singt von dem heyligen Geist, da das Korn gilt 
am allenneyst.« — Nach unserem Gefühle durchaus blasphemistisch. 



dichte gern mit einem Traume eingeleitet werden: vgl. Gervinus Gesch. der deut- 
schen Nationaliiteratur Ilf, S. iik. 



334 WiLiiBLM Röscher, [72 

Links steht das Christliche, rechts das angeblich Jüdische. »Kyrie Eley- 
son. (Gieb mir meh Geld z'lösen.) Christe Errhöre uns. (Kiste Bereiche 
uns.) Herr Gott Vater im Himmel. (Herr Mammon unser Vater.) Herr 
Gott Sohn der Welt Heiland. (Herr Gold unser Heiland.) Herr Gott hei- 
liger Geist. (Herr Geld heilloser Geist.)« U. s. w. — So ist das »Evange- 
lium zu lesen von dem hochstraffbarlichen Unwesen der Kipper und 
Wipper« (Ohne Druckort, 1 622.) eine sehr frivole wörtliche Parodie von 
Matth. 11, 2 ff. Ganz nach Art eines geistlichen Liedes geht die Schrift : 
»Der Armen Seufzen über der Ungerechtigkeit, so überhand nimpt diese 
zeit, durch übermachtes Müntzn und Wippen, die d* Armen ins Verder- 
ben kippn. Gestellt zu Nutz dem Vaterland durch einen der Gregor 
Ritzsch genandt. Leipzig : im Jahr, da gute Müntz verschwandt, Kipper 
VerDerben eVr LeVt VnD LanD.« (1621.) 

Unter den zahllosen Predigten, welche gegen cfie Kipp wipperei 
gehalten und zum Theil auch gedruckt sind, hebe ich nur eine hervor 
von Joh. Gepfelbach, Pfarrer zuLössnigk: »Wippergewinnst, d. i. christe 
liehe und wohlmeinende Erinnerung an die unchristlichen Geldhändler, 
so den zuvor unerhörten Namen K. und W. jfbhren, durch welche aller- 
ley Landsbeschwerung eingefUhret und verursacht worden, da sie zwar 
Geld und Gut gewinnen, doch hingegen Gottes ernste und unausblei- 
bende Straffe verdienen. Ob doch etliche etlicher Massen in sich gehen, 
und ihrem eigenen Verderben, danach sie gehen, entgehen möchten.« 
(Leipzig, 1621.) — Eine nicht üble Predigt in Versen. Gleich Anfangs 
wird der Krieg mit Recht als eine günstige Gelegenheit filr die Wipper 
bezeichnet. Ebenso treffend geschildert, wie diese letzteren alles gute 
Geld zurückhalten, mit dem schlechten Immobilien kaufen etc. Die 
Gründe, womit sie ihr Thun zu vertheidigen pflegten, waren vornehm- 
lich folgende : Kaufleute müssen von ihrem* Handef leben ; Geldhandel 
ist ebenso erlaubt, wie Handel mit Waaren ; thue ich's nicht, so thun es 
andere Leute; man muss sich nach der Zeit richten; viele Dinge wer- 
den jetzt üblich, die es früher nicht waren; u. dgl. m. 

Als wissenschaftliche Bekämpfer des Münzunwesens 
gelten in dieser Zeit besonders Geitzkofler, Henckel, de Spaignart und 
Lampe, die nicht bloss von den Zeitgenossen als Auctoritäten citirt wer- 
den, sondern zum Theil noch lange nach ihrem Tode^*. 

4 4) So ist z. B. während einer spätem Münzverwirrung, gleichzeitig mit den 
Raubkriegen Ludwigs XIV., zu Frankfurt und Leipzig 4 690 eine anonyme Schrift 



73] Aeltsbe deutsche Nationalökonomik. 335 

Zacharias Geitzkofler zu Gaylenbach, Ritter und kaiserlicher 
vornehmer Rath, gehörte unter K. Matthias und Kiesel zu den Gemäs- 
sigten, welche vor den Heisspomen der katholischen und absolutisti- 
schen Partei, wie z. B. der nachmalige K. Ferdinand IL, zu warnen 
pflegten ^^. Seine Schrift : »Ausführliches in den Rei9hs Constiiutionibus 
und sonsten in der Experientz wolgegrttndetes Fundamental Bedencken 
über das eingerissne höchstschädliche Mttntz Unwesen und stäygerung 
der groben Geltsorten von Golt und Silber,« ist ein dem Kaiser gegebe- 
nes Gutachten, welches nach dem Tode seines Verfassers von einem 
»Liebhaber der Gerechtigkeit der teutschen Nation zum Besten« 1 622 
zum Druck befördert wurde. — Er bemerkt hierin treffend, dass »zwi- 
schen Gold und Silber per naturam verum im Werck nimmermehr keine 
gewisse Vergleichung zu finden,« obschon das Reichsmttnzedict eine ge- 
wisse Proportion festsetze. (S. 28.) »Der wesentliche Reichthum besteht 
in der Substanz des Goldes und Silbers.« (S. 31.) Dieser münzpolitisch 
ganz richtige Gedanke wird dann freilich zur Unterlage eines Mercantil- 
systems gemissbraucht. Es sei wünschenswerth, Gold und Silber mög- 
lichst im Reiche festzuhalten. Deutschland werde alljährlich ärmer, weil 
die ausgehenden Waaren viel weniger Werth haben, als die eingehen- 
den, zumal solche unnützen Scheinwaaren, als Borten, Seiden, Sam- 
met etc. Daher sollte man streng auf die Luxusverbote der Reichspoli- 
zeiordnungen halten, die Ausfuhr, ungemttnzten Goldes und Silbers ver- 
bieten, die des gemünzten an jeweilige obrigkeitliche Erlaubniss bin- 
den etc. (S. 48 fg.)*» 



erschienen: »Das bey dieser Zelt landverderbliche Müntzwesen, worinnen vorneoiblich 
dieser Hauptpunkt und Frage mit vielen Beweissgrönden esaminiret und ausführlich 
erörtert wird : Ob eine hohe Christliche Obrigkeit, umb ihres eigenen Nutzens willen, 
die Müntze von Zeit zu Zeiten umbzumüntzen, schlechtere und geringere daraus zu 
machen, mit gutem Gewissen zulassen und billigen könte, u. s. w.c — Fast ganz der 
wtederaufgewärmte Spaignart, doch ohne dessen Namen zu nennen I 

\%) Vgl. sein merkwürdiges Schreiben bei Londorp Acta publica 1, S. 4 81 fg., 
worin er sich auf Thuanus beruft und den Gang des spätem dreissigj ährigen Krieges 
ziemlich voraussagt. 

4 3) Geistig verwandt mit Geitzkofler ist eine Reihe mehr oder minder lehrrei- 
cher Münzbedenken der Reichskreise, die, zwischen 1603 und 4 607 ergan- 
gen, alle schon über grossen Verfall des Münzwesens klagen. Das fränkische Beden- 
ken trügt besonders auf Luzusverbote an, um die Geldausfuhr zu bindern ; das bayer- 
sebe unmittelbar auf Verbot der Geldausfuhr, daneben freilich auch auf Verbote der 
Einfuhr schlechter Münzen, des unmSssigen Scheidemünzens, des Umwechselns 



336 Wilhelm Roschbr, [74 

Wesentlich anders lauten die Systeme der Geistlichen, von denen 
zu jener Zeit die protestantischen an wissenschaftlicher Bildung den ka- 
lliolischen nichts weniger als überlegen waren. Tobias Henckel, 
Pastor zu Halberstadt, ist der Verfasser von drei hierher gehörigen 
Schriften. 1) »Gewissenstritt aller sicheren Leugenhöltzer, Geldhändler 
und MQntzer. Darinn erörtert wird die dreyfache Frage : ob jemand mit 
gutem Gewissen könne seinen Beruff verlassen, ein Geldhändler werden 
und sich zum heutigen Müntzwesen begeben. Anfangs gepredigt bey 
Anlass des Evangeliums auf den Y. Trinitatis « (Halberstadt, 1621.) — 
Hier wird gezeigt, dass die Ausschiessung und Wegsendung der guten 
Münzen dolus malus, slellionalus (»Finanzerei«) und Wucher sei 'S. 1 3 ff.) : 
Alles ohne im Mindesten auf das Wesen der Sache einzugehen, aber mit 
sehr weitschweifiger Berechnung, wieviel Procent ein Kipper bei ra- 
schem Umsatz jährlich gewinnen könne. Dagegen lauter moralische und 
juristische Trümpfe. »Betrachte, was das fllr Leute seyn, die da wehrt, 
dass sie unredlich gemacht, das Entwendete mit Hohn oder Spott wie- 
dergeben, auss ehrlichen Emptem und Zünfilen gesetzt, den Dieben 
gleich geachtet und an Leib und Leben gestrafft werden sollen.« (S. 1 3.) 
— 2) »Gewissensspiegel aller eigennützigen Käuffer und Verkäuffer.« 
(Halbei*stadt 1621.) Später, als die vorige Schrift. Beantwortet die Fra- 
gen, ob der heutige Aus- und Verkauf einem Christen anstehe, und ob 
eine gewissenhafte Obrigkeit ihn zulassen dürfe. Von der grossen Waa- 
rentheuerung wird »nächst unserer Sünde« als Hauptursache die Münz Ver- 
ringerung bezeichnet, namentlich da die Geldhändler, »weil sie des Dreckes 
ohne sonderliche Mühe viel haben, es aufs Tollste ausgeben.« Dazu aber 
noch die Bosheit der Verkäufer, welche die Waaren zurückhalten oder 
exportiren. Die volkswirthschaftlichen Ansichten des Herrn Pfarrers 
sind naiv antimercantilistisch. So z. B. dass man billigerweise haupt- 
sächlich mit den Landsleuten verkehren soll der Handel »zum Nutz des 
ganzen Regiments, d. h. aller und jeder Einwohner,« dienen muss (S.7); 
dass es »in nützlichen Kaufmannschaften erfordert wird,« fllr unsere 
Waaren andere nöthige Waaren wiederzuerhalten, da sonst Mangel und 
schwere Theuerung entstehen muss. (S. 9.) — 3) nExiract funfzehner 



schlechter gegen gute Münze, (ausser von Staats wegen, um die schlechte einzuzie- 
hen.) Im oberrhemiscben Bedenicen wird als gültige Entschuldigung vieler Münzver- 
ringerungen die Erschöpfung der Bergwerke angeführt, deren Baukosten doch immer 
noch gewachsen seien. 



7^] AeLTBRE DEITSGHE NATIONALÖKONOMIK. 337 

Trostreden wider die neulich erregte und noch nicht ganz beigelegte 
Thewerung und Verwirrung, wie auch in eventum noch künfitige, wohl 
grössere. Neben angehengte Tröstungen fUr bussfertige Kipper und 
Mttntzere.« (Magdeburg, 1622.) Hier wird vornehmlich eingeschärft, in 
der Mttnznoth Gottes Strafe zu erblicken, die wir überreichlich verdient 
haben, die auch immer noch milder ist, als Krieg, Feuer, Pestilenz und 
ähnliche Heimsuchungen. Sie kann auch durch Menschenkunst geheilt 
werden, indem man das Mttnzrecht wieder unmittelbar an den Staat 
zieht, die Münzgesetze streng befolgt, Taxen festsetzt, die Waarenein- 
Sperrung veii)ietet etc. Auch bei diesem Uebel ist Ungeduld und Ver- 
stockung das Schlimmste. — Man sieht, eine Menge von Wahrheiten, 
mehr aus Systemlosigkeit, als aus richtigem System, eben darum von 
dem Verfasser selbst in ihrer Tragweite gänzlich verkannt und durch 
beigefügte Irrthümer geradezu paralysirt. 

Andreas Lampius, Pfarrer zu Hall in Sachsen, schrieb ver- 
muthlich im Jahr 1 622 : »De ultimo diaboli foetu, d. i. von der letzten 
Bruth und Frucht des Teuffels, den K. und W., wie man sie nennt, 
welche einen newen Ranck erdacht, reich zu werden, und für niemand, 
als für sich und die ihrigen gross Gelt und gut zusammenkratzen, wie- 
wol mit eusserstem Verderb der gantzen deutschen Nation, vom höch- 
sten bis auff den Nidrigsten Grad, der Landesfürsten, sowol, als der al- 
lergeringsten Bettelleute in der Christenheit, was von denselben, und 
ihren Helffershelffern, etlichen Müntzem, Juden und Jüdengenossen zu 
halten, den Elenden armen Kippherm, wie reich sie auch sonsten sein, 
zur Nachrichtung Buss und Bekehrung geschrieben.« Hier wird fol. 17 ff. 
in grosser Breite gezeigt, dass die Kippwipperei jedes der Zehngebote 
verletze ". — Ungleich wichtiger ist eine scheinbare Gegenschrift : »ßr- 
purgatio oder Ehrenrettung der armen K. undW., so mit grosser Leibes- 
und Lebensgefahr jetziger Zeit ihre Nahrung mit dem Wechsel suchen. 
Gestellet durch Cnipkardum Wipperium Kiphusanum, jetzo bestellten 
«pecitfZ-Wechssler in Thewringen.« (1622.) Mit dem Motto: Dat veniam 
carvis, vexat censura columbas, wird die sehr richtige und in damaliger 
Zeit fast unerhörte Betrachtung eingeleitet, dass man doch nicht bloss 



f I) Dass Lampius in Folge dessen mit einer Injurienkiage heimgesucht worden, 
behauptet die Schrill : »Das bey dieser Zeil landverderbliche Mtintzwesen«, (Frankf. 
und Lpzg. 1690) S. 38. 



338 Wilhelm Röscher, [76 

die K. und W. selbst, sondern zugleich deren hohe Bescbttlzer angreifen 
sollte. »Die kleinen Diebe hengt man, die mittelmessigen Jest man lauf- 
fen, vor den grossen hell man den 'Hut in der Handt und setzet sie an 
Fürstliche Taffein.« 

Ueberaus charakteristisch für seine Zeit ist Christian Gilbert 
de Spaignart, Pfarrer zu Magdeburg ^^: »Theologische MUntzfrage, 
ob christlich-evangelische Obrigkeiten umb ihres eigenen Nutzes willen 
die Mttntz von Zeit zu Zeiten mit gutem Gewissen schlechter und gerin- 
ger können machen lassen ? Kttrtzlich und einföltiglich nach Inhalt dess 
heiligen ewigwehrenden Wortes Gottes erörtert und beantwortet.« (Mag- 
deburg, 1621.) Nach vielen captationes benevolentiae an die Magdebur- 
ger Behörden, welchen das Buch gewidmet ist, unterscheidet der Ver- 
fasser vier Arten von Recht : Exempelrecht, das er missbiliigt, nur in 
Nothfällen zulässt; Juristenrecht, das gegen die obrigkeitlichen Falsch- 
münzer streitet; Kirchenrecht, wobei er mehrere Stellen des A. T. an- 
fllhrt ; Gewissensrecht. Hiernächst werden alle die Siltenregeln herge- 
zählt, welchen das Kipper- und Wipperthum widerspreche. Verbot des 
Geizes, des Druckes gegen die Kirche, die Prediger nicht zu bösen Hän- 
deln zu reizen, ihnen das Strafamt nicht zu legen, die Schulen nicht zu 
zerstören ^^ den Armen ihr Almosen nicht zu schmälern, die Waisen nicht 
zu berauben , den Fremdlingen nicht wehzuthun , die Kranken nicht zu 
betrüben, kein Aergerniss zu geben, der Obrigkeit nicht zu vnderstre* 
ben, frommer Vorfahren Gedächtniss nicht auszulöschen", die Obrigkeit 
nicht zu verachten ^^, anderen Obrigkeiten ihr Einkommen nicht zu schmä- 
lern, keine neuen Steuern aufzulegen ^\ die Leute nicht arm zu machen. 



\ 5) Er hatte sieb schon früher als rechtgläubiger Rämpfer gegen die Fama fra- 
temitatis R. C, (der Rosenkreuzer) < 6 H, hervorgelhan. 

4 6) Weil jetzt die Studenten wegen der Tbeuerung nicht mehr auszukommen 
wissen. 

17) Durch Umprägung des Bildes auf alten Münzen, obschon Christus selbst des 
heidnischen Kaisers Bild und Umschrift so hoch gewürdigt, dass er sie in seine heili- 
gen Hände genommen. 

1 8) Wenn sie durch Kippwipperei sich selbst verächtlich macht, so entspricht 
das jenem Verbote ebenso, wie der Selbstmord dem Verbote der Tödtung. 

i 9) Nach Rehabeams Art, sobald die Preise ihr Maximum erreicht haben werden, 
die Obrigkeit also viel Geld braucht, und man doch mit der Münzverringerung nicht 
weiter gehen kann. 



77] Aeltebe dbütscbe Nationalökonomik. 339 

keine Ursache zum Kriege zu geben^, die Soldaten nicht zum Raube zu 
verführen, nicht zur»VertühIichkeit« zu locken 2\ die adeligen Geschlech- 
ter nicht zu unterdrücken, die Gewerbe nicht zu vertreiben, den Bücher- 
kauf nicht zu hindern ^, die Handwerke^r nicht um ihren Beruf zu brin- 
gen, jungen Ehepaaren nicht ihr Hochzeitsgeschenk, Täuflingen ihr Pa- 
thengeld zu mindern, Testamente nicht umzustossen, den Feinden keine 
Ursache zur Lästerung zu geben, Jähzornige nicht zum Blutvergiessen 
zu reizen^, die Jugend nicht von ihrem Berufe abzubringen, nicht zum 
Lügen und Stehlen zu verführen, nicht Ursache zur Unordnung, Unge- 
rechtigkeit, Landplagen zu geben, die Zehngebote nicht au&uheben, 
den Ackerbau nicht zu hindern ^, um Christi Willen sich böser Münzen 
zu enthalten 2*, der Frommen Gebet nicht von sich zu wenden, keinen 
Fluch auf sich zu laden etc. Den Beweis der Regel führt Spaignart mei- 
stens ganz durch Bibelstellen, vornehmlich aus dem A. T., Sirach etc. 
Sein Geschmack für die Form zeigt sich u. A. im Folgenden: Solte ein 
Maler den Geitz malen, so müsse er ihm ein umb sich fressendes Lö- 
wenmaul machen, einen unersätigen Wolffsmagen, einen schmeichleri- 
schen Grocodillkopff, durchstankerndeKatzenfÜsse, ein bahr Greiffsklawen 
und darinnen einen diebischen Judasspiess«. (S.47.)^ 

Von demselben Spaignart rührt noch her: »Die ander theologische 
Müntzfrage, was evangelische christfromme Obrigkeiten bey jetzigem 
entstandenem bösen Müntzen in acht nehmen sollen, damit sie, soviel 
möglich, ihres Gewissens pflegen können.« (Magdeburg, 1621.)" — 



SO) Weil jetzt mit einem Thaler so viel gemacht werden kann, wie früher mit 
fünf. (11) 

1 1 ) Weil Niemand das schlechte Geld lange festhalten mag. 

22) Die Landprediger können jetzt nicht einmal die Biblia regia oder ghssata 
mehr kaufen. 

23) Wenn sie von den Münzern betrogen sind. 

24) Durch den hohen Preis der Werkzeuge etc., wobei also an die gleichzeitige 
Preissteigerung der Ackerbauproducte gar nicht gedacht wird. 

25) Weil nämlich Christus von Paulus einigemal (Rom. \i, 29. Kol. i, \b) mit 
Münzen verglichen wird. 

26) Ebenso barbarisch ist die Gelehrsamkeit, die S. 75 auf Anlass der Hoch- 
zeitsgeschenke ausgekramt wird, wo z. B. ausführlich die Rede ist von den Hochzei- 
ten Peleus-Thetis, Kadmos-Harmonia, Alexander d. Gr.-Statira, der Hochzeit zu 
Kana etc. 

27) Den Hamburger Behörden gewidmet, die auch im Münzwesen ehrlich und 
mit des Verfassers Wohnorte im engsten Handelsverkehr stünden. 



340 Wilhelm Röscher, [78 

Hier wird zuerst nach Anleitung des salomonischen Thrones die Pflicht 
jeder Obrigkeit im Allgemeinen erörtert. Die sechs Stufen des gedach- 
ten Thrones entsprechen der pietas, eruditio, experienlia, prudenlia, boni 
publici observatio und assiduiias in officio; so haben auch die zwei Löwen 
auf jeder Stufe ihre allegorische Bedeutung, und alles Uebrige bis zur 
Krone hinauf. Nachher wird gezeigt, wie die Mttnznoth eine grössere 
Landplage ist, als Pestilenz^, wilde Thiere und Ungeziefer, Misswachs, 
Feuers- und Wassersnoth, zumal wegen der grossem Allgemeinheit. 
Selbst dem Kriegselende ist die Mttnznoth gleichzustellen. Gegen die- 
jenigen, welche von derTheuerung damaliger Zeit auch den Krieg, Miss- 
wachs etc. als Mitursachen geltend machten, bemerkt Spaignart, dass 
umgekehrt alle diese Uebel nur Strafen Gottes wegen der Mttnzverrin- 
gerung seien; er findet hierzu Analogien im Anfange des Jesaias. (S.35fg.) 
Zu den schlimmsten Freveln der Kippwipperei zählt er die Beraubung 
des Altars, welche daraus hervorgehe, indem jetzt so viele kleinere 
Städte den theuem Abendmahlwein nicht mehr erschwingen können. 
(S. 57.) Unter seinen wirthschaftspolitischen Vorschlägen sind die wich- 
tigsten folgende. Keine Obrigkeit soll gestatten, dass Korn, Vieh, Waa- 
ren, Arbeit und ähnlicher Gottessegen mehr ausgeführt werden, bevor 
nicht das Land selbst durch und durch zur Genüge damit versehen ist. 
(S. 69.) Ebenso, dass nöthige Bedttrfoisse »verhalten,« d. h. aufgespei- 
chert werden. (S. 74 S.) Ausserdem fordert er ein allgemeines System 
obrigkeitlicher Zwangstaxen, (S. 78 ff.) femer strenge Aufwandsordnun- 
gen, weil sonst »Geldmangel und Theuerung« (!) entstehen müssten. 
Uebrigens hat Spaignart alle seine Ermahnungen bloss für lutherische 
Obrigkeiten, um diese zu bessern, geschrieben; allen anderen ruft er 
mit orthodoxer Gemtithsruhe einfach ein Wehe zu. (S. 102 fg.) 

Aus den zahlreichen Facultätsgutachten tiber die Münzver- 
wirrung hebe ich das der Jenaer Theologen vom September 1621 her- 
vor: »Von dem hochsträfiQichen Mttntzunwesen, so jetzt eine zeithero 
hin und wieder verübet worden ist, rahtsames, schrifilmässiges, auss- 
führliches Bedencken.« (Halberstadt, 1 622.) — Im Eingange wird ge- 
zeigt, dass ein Theolog zwar nicht im einzelnen Fall sagen könne, wie- 
viel und wann die Obrigkeit Steuern erheben soll, aber doch im Allge- 



28) Das Verderben ist bei der Miinznoth viel allgemeiner, die Noth verstärkt sich* 
selbst wieder, überlebt die etwa sterbenden Urheber des Unglücks etc. 



79] Aeltkre deutsche Nationalökonomik. 341 

meinen vor zu hohem Steuerdrucke warnen niuss. Ebenso wird auf 
Christi Verfahren gegen die Wechsler im Tempel gedeutet, um das Be- 
gutachtungsrecht der Facultät zu beweisen. Hiemdchst belegen die Ver- 
fasser sehr weitschweifig aus der Bibel, dass der Christ neben dem Glau- 
ben auch nach einem guten Gewissen trachten muss ; dass unrechtmäs- 
sige Erwerbung zeitlicher Güter dem Gewissen widerstrebt; endlich, 
dass die jetzige Münz wirthschaft in vieler Hinsicht unrecht ist, sowohl 
ratione causae principialis, (da sie nicht von Gott herrührt,) als ratione 
causae impukivae, (da sie der Habgier entspringt,) und eamae instrumefi" 
talis, (wobei die Verfasser den Juden alle möglichen Lästerungen Christi, 
Schlachten christlicher Kinder etc. vorwerfen: S. 28 ff.) Weil das Geld 
communis rerum mensura ist, so muss eine Münzverringerung alle wirth- 
schaftlichen Verhältnisse zerrütten. (S. 42 ff.) Sie schadet sämmtlichen 
drei Ständen : den orantes, (wobei wegen der Prediger, Studenten etc. 
sehr lange verweilt wird,) den defensores und dem Hausstande. Bei dem 
letzten freilich übersieht das Gutachten ganz, dass die Bürger und Bauern 
doch nicht bloss theuer kaufen, sondern auch theuer verkaufen ; ebenso 
dass die Schuldner gewinnen, was ihre Gläubiger durch die Münz verrin- 
gerung einbüssen. Alles immer vom Standpunkte des einzelnen, philiströ- 
sen Professors betrachtet! So wird z. B. S. 50 das Steigen des Gesin- 
delohns daraus erklärt, dass Jedermann bei den Münzem Dienst nehme. 
Am meisten verlieren die Armen, »weil keine kleinen Münzsorten mehr 
vorhanden.« Sehr mangelhaft wird der Beweis geführt, dass die Kipp- 
wipperei dem Staate selbst schädlich. Da heisst es u. A. : jetzt schickten 
alle Wohlhabenden ihr Silberzeug auf die Münze ; wenn nun das Land 
einmal in Noth geräth, so sind alle Nothpfennige verschwunden, »weil 
der wesentliche zeitliche Reichthum, so in der Substantz des Goldes und 
Silbers besteht, mehrentheils hinweg, und das leichte Geld sich mit der 
Zeit auch verloren.« (S, 54.) Die Kippwipperei sündigt wider Gott, den 
Nächsten und sich selbst: was Alles mit sehr äusserlicher Benutzung von 
Bibelstellen und in gewaltigen Tautologien ^ erörtert wird. Als Mittel 
gegen die Münznoth wurden zu jener Zeit folgende empfohlen, aber von 
dem Gutachten (S. 74 ff.) verworfen: Erwartung des nahen tausendjäh- 



29) So z. B. (sub 4^), weil Gott verboten hat, den Nächsten um Hab und Gut 
zu bringen, (\^) weil Gott will, dass man sich der Gerechtigkeit befleissige, (3^) weil 
die Kippwipperei Gottes Wort zuwiderläuft, (3^) weil sie auf den Sünder selbst und 
dessen Nachkommen Gottes Zorn ladet. 



342 Wilhelm Rosghsr, [80 

rigen Reiches, Gütergemeinschaft, Murren gegen die Obrigkeit, ja sogar 
Aufruhr gegen die Juden etc. ^ Wahre Mittel hingegen sind folgende : 
Vera conversio, wobei wir die Münznoth als Strafe unserer Sünde erken- 
nen, uns selbst als den verlorenen Groschen im Evangelium, und uns 
würdig machen, als Münze mit dem Gepräge von Gottes Ebenbild in die 
himmlische Schatzkammer gelegt zu werden ; femer seria oratio, sincera 
emendalio, disciplinae ecclesiasticae instauratio, indem zu kräftiger Ver- 
weigerung der Pathenschaft, Absolution, Gommunion imd kirchlichen Be- 
stattung gegen die Uebelthäter gemahnt wird. 

Einen erfreulichen Gegensatz bildet es zu diesen Salbadereien, wenn 
die Juristenfacultäten zu Leipzig (1622) und Wittenberg (1623) sich in 
Gutachten dahin aussprechen, dass bei Schuldverhältnissen immer auf 
den valor intrinsecus der Münzen gesehen werden solP^ Es war dies 
gerade in Sachsen durchaus nicht so selbstverständlich, wie es scheint, 
da 1609 das kurfllrstliche Decret der Appellation-Rhäte verordnet hatte, 
mehr auf die bonitas extrinseca, als intrinseca zu achten. 

Wir beschliessen diese Auszüge mit einer Schrift, welche selbst eine 
Art von Encyklopädie der ganzen hierher gehörigen Literatur sein will. 
jiSpeculum Kipperorum, d. i. Kipper- und Schacherspiegel, darin zu sehen, 
wer sie seyn, was von ihnen zu halten, wie sie zu respectiren, wiederumb 
was sie angerichtet und übels gestiftet, auch desswegen verdienet. Dess- 
gleichen was von den Auff- und Ausskäufeln zu halten, ob sie es mit 
gutem Gewissen thun , und eine christliche Obrigkeit gestatten könne 
oder solle? Allen frommen ehrliebenden Christen, die sich dess Kippen 



30] In dieser Hinsiebt schliesst sich dem Gutachten folgende Schrift an: »Wohl 

meinende Warnung vor Tumult und Auffruhr, dar innen erwiesen wird , dass 

der gemeine Pöbel, als privat Personen, nicht recht und fug haben, derer öffentlichen 
Wipper, Kipper, Juden, Jüdengenossen, falschen Hüntzer, Vor- und Auffkäuffer, Auff- 
Wechsler und dgl. Betrüger Häuser zu stürmen , und also hierdurch die gegen- 
wertige grosse Thewrung abzuschaffen. Durch Johannem Weinreicher, henacensem,^ 
(Erfurt, 4 622.] — Einen merkwürdigen Contrast bilden hier, wie in den meisten 
'ähnlichen Schriften, die vielen lateinischen etc. Gitale und die Beweisführung, welche 
gegen die allerdümmsten Vonjirtheile gerichtet ist: so z. B. gegen die, welche Selbst- 
hulfe des Pöbels mit den Steinigungen des A. T. rechtfertigen. (S. 97 ff.] Der Ver- 
fasser meint aber mit Recht, irgendwie seien fast alle Menschen mitschuldig an der 
Kippwipperei ; hier also die Selbsthülfe zu gestatten, hiesse einen Krieg Jedes wider 
seinen Nächsten heraufbeschwören. (S. 53.] 

Z\) Aehnlich die zu Augsburg 1623 bei Sebast. Müller herausgekommenen Tria 
responsa Juris. 



81] Aeltere deutsche Nationalökonomik. 343 

enthalten, zum Trost; den verdampten Gottesvergessenen Land- und 
Leuteverderbten, hochmütigen, stoltzen ärgerlichen Schacherern und 
Geitzhälsen aber zur Nachricht, auch Hohn und Spott im Druck verfer- 
tigt durch Johann Winterfeld Haggnensem, Juris divini et humani culto- 
rem.ii (Hagenauw im Jahr VLtor InIqVItatVM glaDIVs est.) (1624.) — 
Das Verfahren der Kipper, die kleinen Münzsorten zu fälschen, die gro- 
ben im Preise zu steigern, erklärt das Buch als gegen die Natur der Münze 
streitend : denn nummus est res sterilis et ideo inventus, ut esset inslrumeti- 
tum contractus legitimi, non ut esset merx, quae venderetur, quaeque suo 
usu ingentem pareret fructum. (S. 6.) Mit komischer juristisch-theologi- 
scher Gelehrsamkeit wird den Kippern zwanzigerlei schuldgegeben: 
u. A. dass sie den Armen das Almosen geschmälert und dadurch Mörder 
geworden seien ; auch sonst zu Morden Ursach gegeben, zu militärischer 
Plünderung, Diebstahl etc. gereizt haben, (weil die Menschen mit ihrer 
bisherigen Einnahme nicht mehr auszukommen vermögen.) Sie haben 
gegen alle fünf Hauptstücke des Katechismus gesündigt^, ebenso gegen 
die drei juristischen Grundregeln, {Neminem laede etc.) haben ein sacri- 
legium begangen, (weil man nun nicht mehr so viel in den Gotteskasten 
legt,) Kinder im Mutterleibe durch Hunger umgebracht, (also die Lex 
Cornelia de sicariis übertreten,) Fürstengepräge zerbrochen und in den 
Tiegel geworfen, (also ein furtum cum atroci injuria!) alleWaaren gestei- 
gert, (also Verletzung der Lex Julia de annona !) »Aller Ehr und dignitet 
seid ihr unfähig und unwürdig. Non digni eliam communione s. sacra 
coena nee sepullura, dass man euch zum Nachtmahl gehen, zu Gevatter 
stehen, für Zeugen passiren, endlich auch begraben soll. . . . Euer ge- 
raubtes Gut gehört der hohen Obrigkeit als fisco, und ist solches eueren 
Kindern zu extorquiren, ne alieno scelere ditescant. Und ihr als Dieb, 
Mörder und Geldverfälscher gehöret an den Galgen, auff das Rad und 
in das Fewer, wie die beschriebenen Rechte . . . (mehrere Citate) euch 
Kippern so\che poenam dictiren. . . . Welches ihr Geldmauscher euch nicht 
wollet verschmähen lassen und für ein cahimniam anziehen ; dann die - 
weil ihr nach aussweisung der Kayserlichen Recht nicht allein Leibs 



3 3) Eine Redeform, die bis ins 18. Jahrhundert sehr beliebt war, so dass z. B. 
der Hamburger Neumeister noch 1730 nachwies, die Union der Lutheraner und Re- 
formirten Verstösse gegen alle Zehngebote, alle sieben Bitten des Vaterunsers, alle 
drei Glaubensartikel, sowie die Artikel \on der Taufe, vom Amte der Schlüssel und 
Abendmahl. 

Abhandl. d. K. «>. Gi«. d. Wi»». X. *3 



344 WiLH. RoscuER, Aeltere deutsche Nationalökonohk. [82 

und Lebens, sondern auch aller Ehr verfallen, so kan keine calumnia 
oder Ehrenrührige schmach wieder euch geredt werden. Ich bin gar 
gelind mit euch umbgangen.« Nun folgen allerlei Kraftstellen wider Gei- 
zige, Wucherer etc. von Augustin, Basilius, Ambrosius, Luther und an- 
deren Theologen. So z. B. : »alle Dieb, so in hundert Jahren gehenckt 
worden, so viel nicht gestolen haben, als die Kipper — Die Schweden 
haben solche Gesellen zum teil in zerschmoltzener Mttntz gebrüet, theils 
in heissen Wasser ersäufil, theils an hohe Bäume gehencket. dass 
doch solche scharffe Exemtion wider etliche solche Grundschelme anheut 
vollzogen würde! Sed nondum mnnium dierum sol occidit, es kann die 
Straflf noch hernach kommen.« — Dieser scharfrichterliche Beigeschmack 
war damals nicht bloss in der juristischen, sondern auch in der theolo- 
gischen Polemik zu beliebt, als dass man hier, in dieser halbjuristischen, 
halbtheologischen Abhandlung, sich darüber wundem sollte. Merkwür- 
dig ist hier nur, dass nationalökonomische Gründe eigentlich gar keinen 
Platz daneben gefunden haben. In vielen damals geachteten Schriften 
gegen die Kippwipperei werden die Gründe sogar durch blosse Schimpf- 
reden ersetzt. So heissen die Kipper z. B. in Georg Zeaemann Wucher- 
Arm^, S. 198: »schädliche gemeine Landräuber, Schelme, die ärger 
als gemeine Dieb, ärger als Unkraut, Meyneidige, Eyd- und Pflichtver- 
gessene Leut, Verächter Gottes Wort, und der hochwürdigen Sacrament« 
Epikurer« etc. Göldelius in seiner Predigt : Aetalis ukerosae fames et fu- 
mus nennt sie : »Höllstinckende Wucherer, eingeteuffelte und durchteuf- 
felte Geitzhälss, abgefaumte, abgeriebene und durchtriebene Ertzkipper, 
leichtsinnige Schandfunken, Ertzdieb, Grundschelmen« u. dgl. m. 

Man siebt aus diesem ganzen Kapitel, wie sehr die Obrecht, Bor- 
nitz und Besold über dem Durchschnitte ihrer Zeitgenossen hervorrag- 
ten, wie lange folglich das im ersten Kapitel aus Männern wie Spangen- 
berg und Erenberg entlehnte Bild seine Gültigkeit bewahrte. 



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