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Full text of "Die Dominikanerklöster der ehemaligen Ordensnation "Mark Brandenbrug.""

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Die  onTTTffTTkanerklöster 

der  ehemaligen  Ordensnation  „Mark  Brandenburg*'. 

(Mit  etwa  350  Einzeldarstellungen) 


Dissertation 
zur  Erlangung  der  Wurde 
eines  Doktor- Ingenieurs. 


Der  Königlichen  Technischen  Hochschule  zu  Berlin 
vorgelegt  am  6.  Mai  1914  von 
dem  Kgl.  Regierungsbauführer 

Dipl.Ong.  Gottfried  Muller 

aus  Ketzür. 


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^850 

B7 

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191^1 

FAD 


Genehmigt  am 
6.  Juli  1914. 


STORAGE-ITEM 
FINE    ARTS 

LP5-H30A 
U.B.C.  LIBRARY 


Die  Dominikanerklöster 

der  ehemaligen  Ordensnation  „Mark  Brandenburg". 

(Mit  etwa  350  Einzeldarstellungen) 


Dissertation 
zur  Erlangung  der  Würde 
eines  Doktor- Ingenieurs. 


Der  Königlichen  Technischen  Hochschule  zu 
vorgelegt  am  6.  Mai  1914  von 
dem   Kgl.  Regierungsbauführer 

Pipl.Ong.  Gottfried  Müller 

aus  Ketzür. 

Berlin 

Genehmigt  am 
6.  Juli  1914. 

^ibliottifk 

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R.  ß.  nioiiidüiiiii'.^vn  ^orfij'c^ 

in  ^.-ci.ru. 

2     - 


Referent:  Geh.  Reg.-Rat,  Kgl.  Sachs.  Geh.  Hofrat  Professor  Härtung. 
Korreferent:  Geh.  Baurat  Professor  Borrmann. 


Meinem  Bruder  Johannes. 


Digitized  by  the  Internet  Archive 

in  2010  with  funding  from 

University  of  British  Columbia  Library 


http://www.archive.org/details/diedominikanerklOOml 


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-     7     — 


INHALT. 


Vorwort ') 

Verzeiclinis  der  angeführten  Literatur        .11 

Verzeichnis  der  Abbiidnn,i;en 15 

A.  Einleitung: 

§  1.     Mönciisbauten  bis  zum   15.  Jaiirhundert  .     .     17 

!^  2.     Ober  den  Dominikanerorden  und  seine  Ausbreitung  .          .          l'i 

i?  3.     Die  Mark  Brandenburg  im  frühen  Mittelalter  .         .20 

B.  Hauptteil: 

Die  Doiiiinikanerkiüster  der  ehemaligen  Ordensnation  „Mark  Brandenburg". 


Or 

4. 

t: 

6. 

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1. 

2. 

3. 

^, 

Kapitel: 

Neu- 
Ruppin 

Straus- 
berg 

See- 
hausen 
i.d.A. 

Prenz- 
lau 

Soldin 

Bran- 
den- 
burg 

Berlin 

Tan- 
ger- 
münde 

Seite: 

Seile: 

Seite: 

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Seite : 

1.  Teil: 

Die  Geschichte: 

§  1.     Qründungsge- 

schichte  .... 

21 

67 

75 

81 

107 

117 

145 

155 

^  2.     Besitzverhält- 

nisse des  Klosters 

im  Mittelalter  .     . 

24 

67 

76 

82 

108 

119 

145 

15() 

§  3.     Reformations- 
zeit       

30 

70 

77 

86 

j  108 

123 

S  3. 

Uoinstifl: 

146 

15(> 

§  4.     Neuzeit       .     . 

31 

71 

78 

86 

123 

1     s-* 

Kefornia 
1     lions- 
(      und 

Neuzeit: 

151) 

147 

2.  Teil : 

Die  Baulichkeiten: 

S  1.    Kirche     .     .     . 
i;  2.    Klostergebäude 

3ö 

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79 

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96 

110 
114 

125 
135 

1- 

161) 
l(i4 

3.  Teil: 

Die  Altertümer:    . 

5y 

74 

80 

104 

116 

144 

" 

Seite: 
C.  Schluß: 

i?  1.     (jründungsart  von  Dominikanerklöstern 16Q 

§  2.     Bauliche  Vorschriften 171 

§  3.     Das  märkische  Dominikanerkloster 173 


Inhalt 


9     - 


Vorwort. 


Bei  Beginn  der  vorliegenden  Arbeit  war  nur  geplant,  das  ehemalige  Neu- 
rt'ppiner  Dominikaner-Mönchskloster  in  baugeschichtlicher  Hinsicht  eingehend  zu 
untersuchen.  Wenngleich  zahlreiche  Arbeiten  über  diese  Niederlassung  vorliegen, 
so  beschränken  sie  sich  doch  größtenteils  auf  ihre  äußere  Geschichte  oder  nur  kurze 
Erwähnung  ihrer  Baulichkeiten,  die  sich  aber  bei  näherer  Betrachtung  stets  als  mehr 
oder  weniger  unzuverlässig  herausstellten.  In  keinem  Falle  geben  sie  ein  voll- 
ständiges Abbild  von  dem,  was  sich  noch  jetzt  einwandfrei  feststellen  läßt. 

Leider  verhinderten  örtliche  Verhältnisse  Nachgrabungen  nach  den  Fundamen- 
ten der  verschwundenen  Gebäude  neben  der  allein  noch  stehenden  Kirche.  So  lag 
es  nahe,  verwandte  Anlagen  in  derselben  Gegend  zum  Vergleich  heranzuziehen. 
Dabei  wurde  nicht  die  im  Mittelalter  oft  veränderte  politische  Grenze  zugrunde 
gelegt,  sondern  das  Gebiet  eines  ehemaligen  Verwaltungsbezirkes  des  Dominikaner- 
ordens, der  auch  das  damalige  Land  Ruppin  umfaßte,  die  Ordensnation  „Mark 
Brandenburg".  Zu  ihr  gehörten  mit  je  einem  Dominikanerkloster  von  den  Städten 
der  heutigen  Provinz  Brandenburg  nur  Brandenburg  a.  d.  Havel,  Cöln  a.  d.  Spree,  Neu- 
Ruppin,  Prenzlau,  Soldin  und  Strausberg,  während  Luckau  zur  Nation  Meißen  ge- 
rechnet wurde.  Hinzu  kamen  aber  noch  die  beiden  altmärkischen,  jetzt  in  der 
Provinz  Sachsen  liegenden  Orte  Seehausen  und  Tangermünde. 

Naturgemäß  legte  der  achtfache  Umfang  des  so  erweiterten  Themas  textliche 
Einschränkungen  auf,  die  aber  um  so  unbedenklicher  erschienen,  als  die  bei  dem 
ältesten  Kloster  in  Neu-Ruppin  entwickelten  Grundsätze  zumeist  auch  bei  den  folgen- 
den in  großen  Zügen  sich  wieder  aufstellen  ließen. 

Von  einer  gemeinsamen  Besprechung  aller  acht  Klöster  wurde  im  Interesse 
einer  übersichtlichen  Geschichte  der  einzelnen  Abstand  genommen.  Trotz  des  au 
sich  rein  baugeschichtlichen  Themas  glaubte  der  Verfasser  nach  einer  allgemein  ein- 
führenden Einleitung  bei  jedem  Kloster  neben  der  Gründungsgeschichte  auch  eine 
Untersuchung  über  die  Herkunft  der  Mittel  anstellen  zu  müssen,  die  dem  zur  Armut 
verpflichteten  Orden  seine  immerhin  recht  stattlichen  Bauten  zu  errichten  und  zu 
unterhalten  ermöglichten.  Daran  schließt  sich  in  den  Hauptzügen  die  äußere  Ge- 
schichte der  Klöster  seit  Beginn  der  Reformation  bis  in  unser  Jahrhundert  hinein. 
Es  folgt  in  einem  zweiten  Hauptteil  an  Hand  von  Abbildungen  eine  Beschreibung 
und  Besprechung  der  erhaltenen  und  der  bereits  untergegangenen  Baulichkeiten, 
soweit  sich  aus  der  Literatur  darüber  noch  Feststellungen  machen  ließen.  Ein  letzter 
Teil  behandelt  vorzugsweise  die  .'Mtertümer.  .Am  Schluß  des  Ganzen  sind  dann  die 
Ergebnisse  der  Einzelteile  unter  besonderer  Berücksichtigung  von  alten  Ordens- 
vorschriften kurz  zusammengefaßt. 

Bei  dem  großen  Umfange  des  freilich  trotzdem  leider  nicht  sehr  ergiebigen 
literarischen  Materials  ist  in  den  Anmerkungen  in  der  Regel  nur  eine  Stelle  an- 
gegeben, auf  die  sich  die  iKtreffende  Textangabe  stützt,  obwohl  gewöhnlich  auch 


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-     10     - 

dieses  oder  jenes  aiidie  Buch  dafür  als  Beleg  dienen  könnte.  Dementsprechend  sind 
nur  die  in  den  Anmerkungen  angeführten  Werke  als  benutzt  in  das  Literatur- 
verzeichnis aufgenommen  worden. 

Die  auf  20  Tafeln')  beigefügten,  in  den  Jahren  1910 — 1913  eigenhändig  an- 
gefertigten Aufnahmen  waren  bei  Beginn  dieser  Arbeit  größtenteils  noch  nicht  ver- 
öffentlicht. Wenngleich  inzwischen  das  Paulikloster  zu  Brandenburg  in  den  Bau-  und 
Kunstdenkmälern  erschienen  ist,  dürften  die  andern  Darstellungen  doch  wesentliche  Er- 
gänzungen namentlich  zu  Adlers  Kirchenaufnahmen  bilden,  zu  denen  die  Kloster- 
gebäude als  völlig  neu   hinzutreten. 

Somit  hofft  der  Verfasser,  in  bescheidenem  Teile  zur  weiteren  Bekanntschaft 
mit  Baulichkeiten  größtenteils  aus  jener  frühen  Zeit  beigetragen  zu  haben,  die  unserer 
jetzt  blühenden  Mark  die  Kultur  und  das  Christentum  gebracht  hat-'). 


')  In    der    Regel    gelten    für   die  verkleinerten  Vervielfältigungen    ziemlich    annähernd 
folgende  Maßstäbe: 

Grundrisse  1  :  600. 
Ansichten  und  Schnitte  1  :  300. 
Portale,  Fenster,  Qewölbeanfänger,  Profile  usw .  1  :  öO. 
Ornamente  1  :  10. 
■-')  Für  sorgfältige  r^urchsicht  und  Durcharbeitung  der  Korrekturbögen  zu  vorliegender 
Abhandlung  sei  an  dieser  Stelle  Herrn  Lehrer  Herbert  Schulz,  Herrn  Dr.  Siegfried 
Bünger  und  vor  allem  Herrn  Lic.  Dr.  Fritz  Bünger  der  wärmste  Dank  ausgesprochen. 


-    11 


Verzeichnis  der  angeführten  Literatur. 


1)  Abbatis  Cinnensis  Annales.     Um  1529.     In:   Scriptores  Rerum  Jutrebocensium, 

S.  136  ff;  herausg.  von  J.  Eckhardus.     Wiltemberg  und  Leipzig  1734. 

2)  Ada  capitulorum  generalium  ordinis  Praedicatorum ;  herausg.  von  B.  M.  Reichert. 

Rom   1S08.'9. 

3)  Adler,  F.     A4ittelalterliclie  Backsteinbauwerke  des   Preußisclien   Staates.    2  Bi.le. 

Berlin  1862  ff. 

4)  Analecta  sacri  Ordinis  Fratrum  Praedicatorum,  annus  ili;  edita  iussu  A.  Frühwirth. 

Romae  1895. 

5)  Aue,  R.     Zur  Entstehung  der  altmärkischen  Städte.     In:  Jahresberichte  des  alt- 

märkischen  Vereins    für  vaterländische  Geschichte    zu  Salzwedel,   Ber.  37 
(IQIO),  S.  34ff.:  „Tangermünde". 

6)  Bekmann,  B.  L.     Handschr.  Nachlaß.     I.Viertel  des  IS.  Jahrhunderts.     Im  Geh. 

Staatsarchiv  zu  Berlin,  Rep.  92,  Nr.  35-36. 

7)  Bekmann,  J.C.  Aufsatz  von  der  Stadt  Seehausen.  In:  J.C.  Rüdemann,  Historicorum 

Palaeo-Marchicorum  Collectio  II,  S.  218  ff.:  „Dominicaner- Kloster,  dessen 
Stifftung  und  Reductioii".     Salzwedel  1726. 

8)  Derselbe.     Historische  Beschreibung  der  (^hur  und  Mark  Brandenburg.     2  Bde. 

Berlin   1751  ff. 

9)  Bergan,  R.     Inventar  der  Bau-  und  Kunstdenkmäler  in  der  Provinz  Brandenburg 

Berlin   1885. 
10;  Berghaus,  H.  Landbuch  der  Mark  Brandenburg.  ...  3  Bde.  Brandenburg  1854  ff. 

11)  Bergner,  H.     LIandbuch  der  bürgerlichen  Kunstaltertümer  in  Deutschland.  2  Bde. 

Leipzig  1906. 

12)  „Berlin  und  Cöln  um  das  Jahr  1500";  nach  der  Originalzeichnung  von  E.  Müller. 

Im  Besitz  der  Berliner  Magistratsbibliothek,  Plankamnier,  Mappe  I  A,  1  —  19. 

13)  Bittkau,  G.     Das  Alter  der  Kirche  zur  heiligen  Dreifaltigkeit  oder  Klosterkirche. 

Sonderdruck  der  „Märkischen  Zeitung"  zu  Neu-Ruppin. 

14)  Derselbe.     Geschichte   der  Kloster-Kirche  zu  Neu-Ruppin.     Neu-Ruppin  1908. 

15)  Borrmann,  R.,  und  P.  Clausswitz.     Die   Bau-  und  Kunstdenkmäler  von  Berlin. 

Berlm   1893. 

16)  Brasch,  M.      Plan   der  Stadt  Neu-Ruppin   .  .  .    1789.      Im  Besitz  der  Berliner 

Magistratsbibliothek,  Plankammer,  Mappe  IIa,  125. 

17)  Bratring,  A.     Geschichte  der  Grafschaft  Ruppin.     Berlin   1799. 

18)  Derselbe.  Statistisch-topographische  Beschreibung  der  gesammten  Mark  Branden- 

burg.   3  Bde.    Berlin  1804. 

19)  Büsching,  A.  Fr.      Beschreibung  der   Reise  von    Berlin  nach  Kvritz  .  .  .  1779. 

Leipzig  1780. 

20)  Derselbe.     Beschreibung   der   Reise   von    Berlin  .  .  .    nach    Rekahn  .  .  .  1775. 

Leipzig  1780. 

21)  Büsching,  J.  G.      Reise   durch    einige    Münster    und    Kirchen    des    nördlichen 

Deutschlands  .  .  .  1817.     Leipzig  1819. 

22)  Campe,  Dr.    Geschichte  der  Grafen  von  Lindow  und  der  Stadt  Neu-Ruppin.    Um 

1850.     Handschrift  im  Besitz  der  Neuruppiner  Pfarrkirchhibliothek. 

23)  Chytraeus,  D.     Marchia  Brandenburgensis;  herausg.  von  Chr.  Dithmar.    Frank- 

furt 1717. 

24)  Constitutiones,  declarationes  et  orationes  capitulorum   generalium  sacri  ordinis 

fratrum  praedicatorum  ab  anno  1220     1650,  n  .  .  .  fratre  (ajetano  I  o-(~ice'0 
Teil  I.     Rom    18ii2. 

25)  Constitutiones  Fratrum  Ordinis  Praedicatorum.    Parisiis  1872.  Distinctio  II,  Gap. 

1:  „De  Domibus  concedendis  et  construendis". 


Literatur 


-     12     - 

26|  Cornerus,  H.  Chronicon.  In:  ("orpus  historicum  medü  aevi;  editum  a  J.  Q. 
Eccardo.  Tomus  II.  Lipsiae  1723.  |Neu  herausg.  von  A.  Potthast  m: 
Bibliotheca  historica  medü  aevi,  Berlin  1S95/6.) 

27)  Danneil,  F.     Kirchengeschichte  der  Stadt  Salzwedel.     Halle  1S42. 

28)  Daume,G.  Bilder  aus  Seehausens  Vergangenheit.  2  Hefte.  Seehausen  i.d.  A.  1910. 

29)  Die    Denkmalpflege;    herausg.    von    der   Schriftleitung    des    Zentralblattes    der 

Bauverwaltung. 
W)  Dieterich,  C.     Programma  ad  indicendum  specimen  Oratorium  .  .      1711).     Im 
Anhang  A  (S.  159  ff.)  von: 

31)  Dieterich,  M.    Historische  Nachricht  von  denen  Grafen  zu  Lindow  und  Ruppin  .. . 

Berlin  1725. 

32)  Dilim.     Die  Türme  der  Klosterkirche  in  Neu-Ruppin.     In:  Zentralblatt  der  Bau- 

verwaltung, 28.  Jahrg.  (1908),  No.  41,  S.  281  ff. 
33|  Dobbert,  E.     Prenzlaus  Hospitäler.     Sonder-Abdruck  aus  den  Mitteilungen  des 
Uckermärkischen  Museums-  und  Geschichts -Vereins  zu   Prenzlau,    4.  Bd., 
2.  Heft.     1909. 

34)  Eichholz.    Die  Kunstdenkmäler  der  Provinz  Brandenburg.    Bd.  2,  Teil  3:  „Stadt 

und  Dom  Brandenburg."     Berlin  1912. 

35)  Engel  (Angelus,  Engelius),  A.     Annales  Marchiae   Brandenburgicae.    3  Bücher. 

Frankfurt  1598, 

36)  Derselbe.     Rerum  Marchicarum  Breviarium.     Wittenberg  1593. 

37)  Entzelt,  Chr.     Chronicon  ...  der  alten  Marck  Brandenburg.     Magdeburg  1579. 

(Neu  herausg.  von  H.  Böhm.     Leipzig  1911.) 

38)  Feldmann,  B.     Miscellanea  Historica  der   Stadt  Neu-Ruppin.     2  Teile.     1757/8. 

Handschrift  im  Besitz  des  Magistrats  zu  Neu-Ruppin. 

39)  Fidicin,  E.     Die    Territorien    der   Mark  Brandenburg.    4  Bde.     Berlin  1S5S  ff. 

40)  Derselbe.     Historisch -diplomatische   Beiträge  zur  Geschichte   der  Stadt  Berlin. 

5  Bde.     Berlin   1837  ff. 

41)  Finke,  D.     Nachrichten  von.Alterthümern  und  Urkunden  der  Chur-  und  Haupt- 

stadt  Brandenburg.     5    Einladungsschriften.     1749  ff.     In:  A.  Fr.  Büsching, 
Magazin  für  die  neue  Historie  und  Geographie,  Teil  13,  S.  415  ff. 

42)  Derselbe.     Von  denen   in   der  Neustadt  Brandenburg  seit  der  Reformation  ge- 

wesenen   wichtigsten  Veränderungen Brandenburg  1749. 

43)  Fiorillo,  D.     Geschichte  der  zeichnenden  Künste  in  Deutschland.    3  Bde.    Han- 

nover 1815. 

44)  Fischbach,  J.     Historische  politisch-geographisch-statistische   ....  Beiträge,  die 

Kgl.  Preußischen  und  benachbarten  Staaten  betreffend.    5  Teile  in  3  Bänden. 
Berlin   1781  ff. 

45)  Derselbe.     Statistisch-topographische  Städte- Beschreibungen  der  Mark  Branden- 

burg.    Teil  I,   Bd.  1.     Berlin-Potsdam  17S6. 

46)  Fragment  einer  Brandenburg-Brietzenschen  Chronik.  In:  Riedel,  Cod.  dip!.  Brand., 

D  1,  S.  276  ff. 

47)  Fromme,  J.     Nomenclatura  rerum,  quae  Brandenburgi  sunt,  .  .  .  Neustadt  Bran- 

denburg 1679. 

48)  Garcaeus,  Z.     Successiones  familiarum  et  res  gestae  illustrissimorum  praesidum 

Marchiae  Brandenburgensis  ab  anno  1427  ad  annum  1582.     Um  1590. 

49)  Gottschling,  C.     Beschreibung  der  Stadt  Alt-Brandenburg.     1732. 

50)  Götze.     Kirchengeschichte  der  Stadt  Seehausen.    Programm  des  Progymnasiunis. 

1865. 
5!)  „Grundriß   von    Berlin   zur   Zeit  des  ersten  Königs  von  Preußen  1710";    darauf 
in  der  unteren  Ecke  links:  ..Die  ehemalige  Schloß-  und  Dom-Kirche"  (1710). 
Lithographie    von    etwa    1848.      Im    Geh.  Staatsarchiv    zu    Berlin,   Karten- 
sammlung \'l,  S9a. 

52)  „Grundriß  und  Aufzug  von  der  Soldinschen  wüsten  Closter  Kirche  wie  selbe  zur 

Reformirten   Kirche  soll   aptiret  werden."      L'm    1734  ?>.      Im  Geh.  Staats- 
archiv zu  Berlin,  Kartensammlung,  J.  13. 

53)  Haftitius,  P.     Microcronicon  Marchicum.    Cöln  a.d.Spr.  1599.    In:  Riedel,  Cod 

dipL  Brand.,  D  1,  S.  46  ff. 

54)  Hager,  G.     Zur  Geschichte  der  abendländischen  Klosteranlage.     In:  Zeitschrift 

für  christliche  Kunst,  16.  Jahrg.,  Heft  4-7.     Düsseldorf  1901. 

55)  Heffter,  M.  W.   Geschichte  der  Kur- und  Hauptstadt  Brandenburg.  Potsdam  1840. 

56)  Derselbe.     Wegweiser    durch  Brandenburg  und    seine  Alterthümer.     Branden- 

burg 1850. 

57)  Heimbucher,  M.     Die   Orden    und    Kongregationen   der    katholischen    Kirche. 

2  Bde.     Paderborn  1896. 


-     13     -  . 

5S|  Helmreich,  C.     Annales  Tangermiindenses.     5  Bücher.     Magdeburg  1627(?)  ff. 

In:  ü.  Küster,  Antiquitates  Tangermundenses.     Berlin   1720, 
5y)  Hendreich,  Chr.     Derer   die   Marck   zu  Brandenburg  betreffende  Sachen  erster 

Entwurf!.     2  Teile.     Berlin  I6S2. 
60)  Hentzeke,  Matias.     Landbuch  der  Herrschaft  Ruppin.    ]4yi.    Nicht  vollständig 

erhalten.     In:  Riedel,  Cod.  dipl.  Brand.,  A  4,  S.  llö  ff. 
61 1  Heydemanii,  F.     Die  neuere  Geschichte  der  Stadt  Neu-Ruppin.  Neu-Ruppin  186'i. 
()2)  Historische  Aufzeichnungen  Berliner  Stadtschreiber.  In  :  Riedel,  Cod.  dipl.  Brand., 

D   1,  S.  104  ff. 

63)  Historisch-genealogischer  Kalender  auf  das  Schalt-Jahr  1820. 

64)  Jobst,  W.     t:in  Kurtzer  Auszug  vnd  beschreibung  .  .  .  der  Marck  zu  Branden- 

burgk  .  .  .  Frankfurt  a.  d.  O.     1572. 

65)  König.    Versuch   einer  historischen    Schilderung  ....  der  Residenzstadt  Berlin 

seit  den  ältesten  Zeiten  bis  .  .  .  1786.     7  Teile  in  5  Bänden.     Berlin  1792. 

66)  Küster,  G.,  und  Chr.  Müller.     Alles    und  Neues  Berlin.     5  Teile.     Berlin   1737. 
Ö7i  Derselbe.     Antiquitates  Tangermundenses.     Berlin   172Q. 

68j  Derselbe.     Meniorabilia  quaedam  Tangraemundensia.     [Brandenburg  1722. 
6Q|  Leukfeld.     Antiquitates    Praemonstratenses    de  S.  Mariae  Monast.    Magdeburg. 

Magdeburg  1721. 
70)  Leutinger,  N.     Commentarii  rerum  Brandenburgicarum.    30  Bücher.    Um  1600; 

herausg.  in  2  Bänden  von  G.  Küster.     Frankfurt  1779. 

71]  V.  Loe,  P.,  und  B.  Reichert.     (^)uellen    und    Forschungen    zur    Geschichte    des 
Dominikanerordens  in  Deutschland.     Heft  1  und  4.     Leipzig  1907  ff. 

72)  Merian,  M.,  der  Eitere.    Opus  Topographicum.  Teil  13:  „Topographia  Electoratus 

Brandenburgici  .  .  ."  Frankfurt  a.  M.     1652. 

73)  V.  Minutoli,  A.     L)enkmäler    mittelalterlicher    Kunst   in   den  Brandenburgischen 

Marken.     1.  Teil,  Lieferung  1—2.     1836. 

74)  Müller,  Nikolaus.     Der  Dom  zu  Berlin.     2  Bde.     Berlin  1906. 

75)  Neuruppiner  Stadtplan.     Vor  1723.     In:  fJekmanns  handschr.  Nachlaß,  im  Geh. 

Staatsarchiv  zu  Berlin,  Rep.  92,  Nr.  35     36. 

76)  Nicolai,  Fr.  Beschreibung  der  Königlichen  Residenzstädte  Berlin  und  Rotsdam  .  .  . 

3  Bde.     Berlin   1786. 
77|  Nicolai,  M.     Brandenburgi   urbis    Electoralis   ....  historica    descriptio.     1650. 
In:  G.  Küster,  Collectio  opusculorum    Historiam   Marchicam   illustrantium, 
Bd.  II,  21.  Stück,  S.  1  ff.     Berlin  1753. 

78)  V.  Niessen,  P.     Repertorium    der    im    Kgl.    Staatsarchive    zu    Königsberg  i.  Fr. 

befindlichen    Urkunden    zur   Geschichte    der   Neumark.     In:  Schriften  des 
Vereins  für  Geschichte  der  Neumark,   Heft  III.     Landsberg  a.  d.  W.     1895. 

79)  Paalzow,  G.    Lehrreiches  Denkmal  der  doppelten  Überschwemmung  des  See- 

hausenschen  Districts  in  der  Altenmarck  .  .  .  1771.     Berlin  1772. 

80)  Petzold,  D.     Ansichten    märkischer    und    pommerscher    Städte   aus  den  Jahren 

1710-1715;  herausg.  von  der  Kgl.  Bibliothek.     Berlin  1913. 

Tafel  10:  Brandenburg. 

Tafel  49:  Neu-Ruppin. 

Tafel  59:  Prenzlau. 

Tafel  69:  Seehausen. 

Tafel  70:  Soldin. 

Tafel  74:  Strausberg. 

Tafel  75:  Tangermünde. 

81)  „Plan  von  Berlin  mit  Befestigungswerken",  aus  den  Lindholzschen  Papieren.  Lm 

1660.     Im  Geh.  Staatsarchiv  zu  Berlin,  Tit.  CXV,  Stadt  Berlin,  Nr.  ii\ 

82)  Pohlmann,  W.     Geschichte    der   Stadt  Tangermünde  seit   Gründung  derselben 

bis  .  .  .  1829,  nebst  einer .  .  .  topographisch-statistischen  Beschreibung  dieser 
Stadt.     Stendal   1829. 

83)  Derselbe.     Historische  Wanderungen  durch  Tangermünde.    Tangermünde  184t). 

84)  Pulcawa.    Bruchstücke  einer  Brandenburgischen  Chronik  in  seiner  „Böhmischen 

Chronik"  vom  Ende  des  14.  Jahrhunderts.     In:  Riedel,   Cod.  dipl.  Brand., 
D  I,  S.  1  ff. 

85)  Redorf,  Wolfgang.     Landregister  des  Landes  Ruppin.     1525.     Nicht  vollständig 

erhalten.     In:  Riedel,  Cod.  dipl.  Brand.,  A  4,  S.  131  ff. 

86)  Reinhold,  W.     (  hronik  der  Stadt  Soldin.     Soldin  1S46. 

87)  Riedel,  A.  Fr.     Codex  diplomaticus  Brandenburgensis.    37  Bde.    Berlin  183Sff: 

AI     25;   B  1     6;  C-  1     4;  D  1;   1  Suppl.-Bd. 


Literatur 


-     14     - 

SS)  Riedel,  A.  Fr.     Die  Mark  Brandenburg  im  Jahre  1250.     Berlin  1831. 

89)  Derselbe.     ( jeschiclite  der  Klosterkirche  und  des  ehemaligen  Dominikaner-Mönchs- 

Kloslers  zu  Neu-Ruppin:  herausgeg.   von  Campe.      Neu-Ruppin,  um  1840. 

gO|  Riggenbach,  Ch.  Die  Chorgestühle  des  Mittelalters  vom  13.  bis  16.  Jahrhundert. 
In:  Alitteilungen  der  Kaiserl  Königl.  Central-Commission  zur  Erforschung  und 
Erhaltung  der  Baudenkmale,  Vlll.  Band,  Jahrgang  1863,  S.  213  ff.   Wien'1863. 

Ol)  Rittner,  A.  Altmärkisches  Geschichtsbuch.  _Zerbst  \'r)  1651  ff.  In:  G.  Küster, 
Anuquitates  Tangermundenses,  Berlin  1720. 

92  V.  Rocliow,  R.  Geschichtliche  Nachrichten  von  Brandenburg  und  dessen  Alter- 
thümern.     1821. 

93)  Schäffer,  R.     Kurtze  Einleitung  in  die  Kirchen-  und  Reformations-Historie  der 

Stadt  Brandenburg  .  .  .  Brandenburg  1740. 

94)  Scheerer,  F.     Kirchen    und    Klöster   der    Franziskaner    und    Dominikaner    in 

Thüringen.    Jena  1910. 

95)  Schinkel,  Fr.     Bauzeichnungen  im  Schinkelmuseum  der  Kgl.  Technischen  Hoch- 

schule zu  Charlottenburg.     Um   1836. 

96)  V.  Schlosser,  J.     Die    abendländische    Klosteranlage   des    früheren    Mittelalters. 

Wien  1889. 

97)  Schmidt,  M.     Historischer  Atlas  von  Berlin  in  6  Grundrissen  von  1415^1800. 

Berlm   1835. 

98)  Schosser,  Th.      Kurtze  jedoch  Gründliche  Beschreibung  der  gantzen  Churfürst- 

lichen  Marck  zu  Brandenburgk  .  .  .  Magdeburg  1617. 

90)  Schulz,  Bernhard.     Prospekt  ,,Residentia  Electoratus  Brandenburg "   1688. 

Im  ßesuz  der  Berliner  Magislratsbibliothek,  Plankammer,   Mappe  I  A,  1  —  19. 

100)  Seckt,  S.     Versuch  einer  Geschichte  der  Uckermärkischen  Hauptstadt  Prenzlau. 
2  Teile.    1785  ff. 

101    Seidel,  Fr.     Brevis    historiola    camerae    electoralis    Brandenburgicae  .  .  .  1660. 
In:  G.   Küster,    Collectio.  opusculorum   Historiam  Marchicam  illustrantium, 

Bd.  II,  21.— 24.  Stck.,  Nr.  9,  S.  285  ff. 

102)  Derselbe.      Historischer     Aufsatz,     wie    es    mit    Verbrennung    des    Probsten 

Nicolai  von  Bernau  zugegangen  (1323).  Berlin  165S.  In:  G.  Küster, 
Collectio  opusculorum  Historiam  Marchicam  illustrantium,  Bd.  II,  20.  Stück, 
S.  54  ff.     Berlin  1736. 

103)  Sello,  G.     „Trierer  Chronik".     In:    Forschungen    zur   Brandenburgischen    und 

Preußischen  Geschichte  I.     (1888'. 

104i  Sternbeck,  W.     Beiträge  zur  Geschichte  der  Stadt  Strausberg.     2  Teile.     Straus- 
berg 1878  ff. 

1051  Wattenbach,  W.    Anleitung  zur  lateinischen  Paläographie.     Leipzig  1886. 

106)  Wedekind,  L.     Geschichte  der  Neumark  Brandenburg.   Berlin  und  Küstrin  1848. 

107)  Zahn,  W.     Geschichte  der.Armen- und  Krankenpflege 

in  der  Altmark.     Ber.  31,  Heft  1  (1903). 

108)  Derselbe.     Geschichte    des    Dominikanerklosters    in        ,„.  |ahresberichte  des 

Seehausen.     Ber.   3/     19101.  ,        ,■    , 

iniu  rv       lu       /-      u-  u.     j      '^-    <  j  .•    ,i    i  altmarkischeu  Vereins 

100)  Derselbe.     Geschichte  der  Kirchen  und  kirchlichen  >    ,..        ,    ...    ■•    ,     ^ 

Stiftungen    in    Tangermünde.  Ber.  24,    Heft  2        '"''  vaterländische  Ge- 

(18971,  und  Ber.  25  (1S9SI 


schichte  zu  Sa'zwedel. 


11(1)  Derselbe.     Mittelalterliche     Topographie     und     Be- 
teiligung der  Stadt  Tangermünde.   Ber.  30(1903).  .' 

111)  Zeiler,  M.     Itinerarium  Germaniae.     Straßburg  1632. 

112)  Zeitschrift  für  Kirchengeschichte.     Bd.  XXXIV  u  XXW.     Gotha  1913f.     (Die 

Artikel  von  I".  Bünger.) 

1 13)  Zentralblatt    der    Bauverwaltung;    herausg.    im    Ministerium    der   öffentlichen 

Arbeiten.     Berlin   ISSl  ff. 


-     15     - 


Verzeichnis  der  Abbildungen. 


I.  strich 
ätzungen : 


Orte: 


Seite: 


Titelbild 
Klosterltirche 
Blatt     1 


3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

14 


Klosteransichten  aus  Merianschen  StädtL-biidern 
Neu-Ruppin,  1.  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts     . 

N'eu-Ruppin 

Neu-Ruppin 

Neu-Ruppin  und  Strausberg 

Neu-Ruppin      ...  

Neu-Ruppin  und  Berlin 

Prenzlau 

Prenz'au  und  Seehausen 

Prenzlau 

Prenzlau 

Prenzlau  und  Neu-Ruppin  

Prenzlau  . 

Soldin      ....         

Brandenburg 

Brandenburg  

Brandenburg  

Brandenburg 

Brandenburg 

Soldin,  Brandenburg,  Tangerinünde 

Tangermünde 

Tangermünde 


35 

41 

49 

55 

83 

89 

93 

97 

101 

105 

111 

121 

127 

131 

137 

141 

157 

Kil 

165 


2.  Auto- 
typien : 

Bezeichnung: 

Seite: 

Figur    1 

Nordseite  der  ehemaligen  Neuruppiner  Dominikaner-Kloster- 
kirche    .    .         .         .     .         .    . 

''l 

,        2 

Pater  Wichniann 

(Meu-Ruppin) 
ikaner-Kloster- 

59 

3 

Pietä    .         .                   

60 

4 
5 
„    6-9 

iVlaria  und  Johannes 

Altarreliefs ... 

Sandsteinreliefs 

60 
dl 

„       10 

Choransicht  der  ehemaligen  Prenzlauer  Doinin 

81 

„       11 

„       12 
„       13 

Inneres  der  ehemaligen  Prenzlauer  Dominikaner-Klosterkirche 
Westseite  des  ehemaligen  Soldiner  Dominikanerklosters  .     . 
Nordostseite  der  ehemaligen   Brandenburger    Dominikaner- 
Klosterkirche        

87 
107 

117 

„       14 

Inneres  der  ehemaligen  Brandenburger  Dominikaner-Kloster- 
kirche               ... 

125 

„      15 

Klosterhof    des    ehemaligen    Brandenburger    Dominikaner- 
klosters  

135 

„       U) 

Nordansicht    der    Ruinen    des    ehemaligen     langermünder 
Dominikanerklosters 

155 

1 

Abbildungen 


-     17     - 


A.  Einleitung. 


Von   mönchischem    Leben  spricht   man,   seit   Pachomius   in   der    1.    Hälfte    des      S  1-    Mönchs- 
4.   Jahrhunderts    die  zerstreut    lebenden    stadtflüchtigen   Einsiedler  (monachi)   der        bauten  bis 
ägyptischen  Wüste  gesammelt  und  nach  gewissen  Regeln  organisiert  hat.     „Manent      zum  13^  Jahr- 
separati,  sed  junctis  cellulis",  charakterisiert  Hieronymus  (t  420)  in  einem   Briefe        hundert.  ') 
an  Eustachius  den  Zusammenschluß  dieser  Anachoreten,  der  also  nur  locker  ge- 
wesen ist.     Ihre  Wüstenklöster,  in  den  Urkunden  Lauren  oder  Cönobien  genannt, 
wurden  durch  die  große  Zahl  ihrer  Bewoiiner  bald  zu  förmlichen  Mönchskolonien. 
Gewöhnlich  kamen  die  „Cönobiten"  nur  Sonnabends  und  Sonntags  in  Kirche  und 
Speisehaus  als  denjenigen  Gebäuden  zusammen,  die  dem  Gemeinschaftsleben  dienen 
sollten  und  deswegen  auch  in  der  Mitte  der  Siedelung  ihren  Platz  gefunden  hatten. 
Alle  andern  Tage  verbrachten  sie  in  ihren  Einzelzellen,  welche  sich  an  eine  rings- 
um das  Kiostergebiet  abschließende  und  schützende  Mauer  lehnten.     Die  eigentüm- 
liche Wahrung  des  Einsiedlerlebens  bei  gleichzeitiger  Betonung  eines  zentralen  Ge- 
meinwesens ist  für  die  Klosteranlagen  des  Morgenlandes  bis  auf  den  heutigen  Tag 
der  leitende  Grundgedanke  geblieben.     In  der  Anlage   überlieferte  frühe   Beispiele 
finden  sich  u.  a.  auf  dem  Berge  Athos  in  Mazedonien  und  in  Zentralsyrien. 

Als  das  Mönchtum  noch  im  4.  Jahrhundert  seinen  Einzug  in  das  Abendland 
hielt,  entstanden  auch  hier  zunächst  Cönobien,  bis  Benedikt  von  Nursia  530  mit 
seiner  Regel  die  Grundlage  für  einen  neuen  Klostertypus  schuf,  der  fortan  Abend- 
land und  Morgenland  getrennte  Wege  gehen  ließ:  „monasterium  autem,  si  fieri 
potest,  ita  debet  construi,  ut  omnia  necessaria,  id  est  aqua,  molendinum,  hortus, 
pistrinum  vel  aites  diversae,  intra  monasterium  exerceantur".  Das  Kloster  wurde 
von  der  Außenwelt  abgeschlossen  (claustrum);  Wirtschaftsanlagen  großen  Stiles 
entstanden;  straffere  Organisation  traf  em.  Im  inneren  Klosterleben  aber  kam 
zu  der  bloßen  Llandarbeit  der  orientalischen  Niederlassungen  die  Pflege  der  Wissen- 
schaft als  wesentliches   Moment   hinzu. 

Ob  schon  damals  die  Gruppierung  von  Kirche  und  Klostergebäuden  um 
einen  viereckigen  Kreuzgang  stattfand,  läßt  sich  aus  den  vorhandenen  Literatur- 
angaben nicht  sicher  erweisen,  ist  aber  nicht  unwahrscheinlich.  Zur  Gewißheit  wird 
sie  erst  bei  dem  655  gegründeten  Kloster  Gemeticum  (Jumieges  bei  Rouen), 
wo  wir  die  orientierte  Kirche  auf  der  Nordseite  eines  Kreuzganges  finden, 
an  den  sich  im  Osten  der  Kapitelsaai,  im  Westen  das  Refektorium  mit  der  Küche  und 
dem  Keller  anschlössen,  während  sich  im  1.  Stockwerk  beider  Flügel  Schlafsälc  be- 
fanden. Die  Südseite  war  mit  einem  Gebäude  unbestimmten  Zweckes  geschlossen. 
Diese  sogenannte  „klaustrale  Anlage"  wurde  etwa  seit  dem  S.  Jahrhundert  bei  allen 
Orden  außer  bei  den  Karthäusern  (1084),  die  wieder  auf  das  morgenländische  Prinzip 
zurückgingen,  allgemem  der  Mittelpunkt  eines  jeden  neugegründeten  Klosters,  und 
die  einmal  für  Anordnung  von  Gebäuden  und  einzelnen  Räumen  als  brauchbar 
gefundene  Form  hat  sich  allen  Sonderforderungen  der  einzelnen  Orden  sowie  der 
einzelnen  Baustile  im  Laufe  der  folgenden  Jahrhunderte  willig  angeschmiegt  und 
sich  so  das  ganze  Mittelalter  hindurch  ohne  wesentliche  Veränderungen    erhalten. 

')  Bergner, 
Hager, 

Heimbucher  I, 
V.  Schlosser. 


Einleitung 


-     18     - 

Die  ausgebildete  Klaustralanlage  als  Abschlu(5  einer  Jahrhunderte  währen- 
den Entwicklung  zeigt  uns  zuerst  in  allen  ihren  Einzelheiten  der  Bauriß  von 
St.  Gallen.  Er  ist  kein  Abbild  des  St.  Gallener  Klosters,  sondern  ein  Planschema, 
nach  Graf  sogar  ein  eigens  für  ein  großes  Benediktinerkloster  aufgestellter  Muster- 
plan, der  allen  fränkischen  Klöstern  auf  der  Aachener  Reichssynode  im  Jahre  817 
als  verpflichtende  Norm  auferlegt  worden  ist.  Wir  finden  auf  diesem  Plane  vier 
streng  gesonderte  Bezirke:  das  Mönchsviertel  als  den  Mittelpunkt  der  ganzen  Anlage, 
umgeben  im  Norden  vom  Gastviertel  mit  der  Abtswohnung,  im  Osten  von  Novizen- 
haus, Krankenhaus  und  Friedhof,  im  Süden  und  Westen  von  Wirtschaftsgebäuden. 

Auf  diese  karolingischen  Vorbilder  gingen  auch  die  Reformorden  der  Benedik- 
tiner zurück,  die  Kluniazenser  (10.  Jhd.)  und  die  Zisterzienser  (1098).  Während 
aber  bei  ihnen  das  Ostviertel  durch  allmählichen  Fortfall  besonderer  Gebäude  für 
eine  Klosterscliule,  die  in  das  östliche  Klausurgebäude  verlegt  wurde,  und  durcli  räum- 
liche Einschränkung  der  Krankenhausanlage,  die  sich  nebst  dem  Friedhofe  dem 
eigentlichen  Klaustrum  näherte,  immer  mehr  verkümmerte,  wuchs  der  Wirtschaftshof 
mit  zunehmenden  landwirtschaftlichen  und  gewerblichen  Interessen,  besonders  der 
Zisterzienser,  an  und  glich  schließlich  einem  ausgedehnten  Gutshofe;  das  Gastviertel 
aber  mit  einer  besonderen  Fremdenkapelle  rückte  an  das  Torhaus.  Starke  Mauern 
gewährten  nach  wie  vor  einen  wirksamen  Schutz  gegen  feindliche  Angriffe.  So  stellen 
sich  uns  die  Landklöster  um  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  in  ihrer  Gesamt- 
anordnung dar. 

Betrachten  wir  nun  in  den  Grundzügen  die  Raumverteilung  in  dem  Kern  dieser 
Arilage,  dem  eigentlichen  Klaustrum,  so  finden  wir  in  unseren  nordischen  Landen 
das  hohe  Kirchengebäude  als  wirksamen  Schutz  gegen  rauhe  Winde  zumeist  auf 
dessen  Nordscitc,  wahrend  es  im  Süden  auf  der  Gegenseite  zu  stehen  pflegte,  um  die 
sengenden  Strahlen  der  Mittagssonne  abzufangen  und  erquickenden  Schatten  zu 
spenden.  Grundriß  und  Aufbau  der  Kirche  waren  natürlich  bei  den  einzelnen  Orden 
gemäß  ihren  Sonderinteressen  verschieden.  Immer  aber  schloß  sich  unmittelbar 
an  eine  ihrer  Längswände  ein  in  der  Regel  viereckiger  Kreuzgang  an,  nach  Otte  von 
den  darin  stattfindenden  Prozessionen  mit  dem  Kreuze  so  benannt.  Große  Öffnun- 
gen nach  dem  mit  Bäumen  bepflanzten  Innenhofe  führten  ihm  das  nötige  Licht  zu, 
Türen  zu  den  ringsum  sich  anschließenden  Kloslerräumen  lassen  ihn  recht  eigentlich 
als  einen  Korridor  erscheinen.  Seine  drei  nicht  von  der  Kirche  eingenommenen 
Seilen  waren  gewöhnlich  mit  regulären  Gebäuden  besetzt. 

Da  sich  der  Wirtschaftsbetrieb  an  der  West-  und  Südseite  abzuspielen 
pflegte,  war  der  Ostflügel  der  ruhigste.  Darum  lag  hiei'  im  Erdgeschoß 
der  Kapitelsaal,  mit  einer  Seite  meist  an  das  Querschiff  der  Kirche  stoßend  oder  doch 
nur  durch  eine  Sakristei  davon  getrennt.  Hier  hielten  die  Mönche  ihre  Andachts- 
übungen und  Beratungen  ab;  deshalb  zogen  sich  ringsum  an  seinen  Wänden  Bänke 
hin,  während  in  der  Mitte  einer  Langseite  ein  erhöhter  Sitz  für  den  Abt  stand.  Nach 
dem  Kreuzgang  zu  war  regelmäßig  eine  Tür  durchgebrochen,  neben  der  sich  beider- 
seits Fensteröffnungen  symmetrisch  gruppierten. 

Möglichst  weit  dagegen  von  der  Kirche  entfernt,  meist  im  Südflügel,  zuweilen 
auch  im  südlichen  Teil  des  Westgebäudes,  lag  der  Speisesaal  (refectorium),  oft  an 
den  Wänden  mit  bildlichen  Darstellungen  aus  dem  Alten  Testamente  geschmückt. 
Wie  sich  schon  bei  der  morgenländischen  Baugruppe  zwischen  Kirche  und  Refek- 
torium die  Zisterne  befand,  so  stand  auch  hier  auf  dem  Innenhofe,  im  Anschluß  an 
den  Kreuzgang,  ein  Brunnenhaus  mit  offenen  Wänden. 

Kapitelsaal  und  Refektorium  waren  die  Haupträume  und  traten  als  solche  durch 
ihren  Hallencharakter  mit  meist  zwei  gleichbreiten  Schiffen  sofort  in  Erscheinung; 
alle  andern  pflegten  von  größter  Bescheidenheit  zu  sein. 

Das  Westgebäude,  an  dem  gewöhnlich  die  Zufahrtsstraße  zum  Wirtschaftshof 
\'orbeiführte,  enthielt  den  Eingang  zur  Klausur.  Hier  ließen  sich  auch  für  Wagen 
leicht  erreichbare  Keller-  und  Lagerräume  anordnen.  Darum  lag  die  Küche  gewöhn- 
lich in  seiner  südwestlichen  Ecke,  möglichst  zwischen  Refektorium  und  Vorratsraum. 
Ziemlich  regelmäßig  befand  sich  schließlich  noch  der  seit  dem  6.  Jahrhundert  ge- 
meinsame Schlafsaal  im  Obergeschoß  des  Ostgebäudes,  während  sich  für  die  Unter- 
bringung von  Bibliothek,  Kranken-,  Arbeits-,  Unterrichtsräumen  usw.  keine  feste 
Norm  aufstellen  läßt. 

Von  Gemeticum  an  über  St.  Gallen,  Cluny,  Farfa,  Hirsau  und  Cisterciuni  läßt 
sich  diese  Raumordnung  einwandfrei  feststellen,  und  sie  bleibt  auch  für  die  Folgezeit 
(las  ganze  Mittelalter  hindurch  die  Regel. 


-      19     - 

Den  vorgenannten  Orden  stand   zu   ihren   Niederlassungen  stets  ein   Bauplatz      S  2    Über  den 
von  solcher  Größe  zur  Verfügung,  dall  sie  sich  nnt  dem  Umfang  ihrer  Gebäude  in      Dominikaner- 
keaier  Weise  einzuschränken  brauchten.     Auf  den  Höhen  führten  die  Benediktiner        orden  und 
ihr  beschauliches  Dasein,  in  den  Tälern  schlugen  die  Zisterzienser  ihre  Wohnsitze        seine  Aus- 
auf, und  je  mehr  Boden  sie  der  oft  unwirtlichen  Wildnis  abrangen  und  zu  frucht-         breitung. 
barem  Ackerland  machten,  desto  größer  wurde  ihr  Gebiet,  desto  bedeutender  ihr 
Reichtum  und  Ansehen.     Die  Landesherren  hatten  Interesse  daran,  diesen  Pionieren 
ihr  Kulturwerk  durch  mancherlei  Vergünstigungen  leichter  zu  machen. 

Andre  Verhältnisse  traten  ein,  als  bald  nach  1200  die  sogenannten  Bettel- 
mönchsorden gestiftet  wurden.  Sie  erstrebten  durch  ihre  fromme  Lebensweise  nicht 
nur  mehr  die  eigene  Heiligung,  sondern  fügten  der  ausschließlich  beschaulichen 
Lebensart  bisheriger  Orden  noch  die  tätige  hinzu,  widmeten  sich  auch  dem  leiblichen 
und  geistigen  Wohl  ihrer  Mitmenschen.  So  wuchsen  ihre  Siedelungen  naturgemäß 
in  den  Städten  empor.  Neben  den  mehr  zurücktretenden  Augustiner-Eremiten  (1256) 
erlangten  die  Franziskaner  (Anfang  des  13.  Jahrhunderts)  und  bald  noch 
mehr   die   Dominikaner   im    Mönchsleben    des   Mittelalters   eine   führende   Stellung. 

Der  spanische  Kanonikerprior  Dominikus  Guzman  zu  Osma  war  der  Gründer 
des  nach  ihm  benannten  und  1216  vom  Papst  bestätigten  Dominikanerordens.') 
Ursprünglich  nur  zur  Bekämpfung  der  südfranzösischen  Albigenser  bestimmt,  wandte 
sich  der  Orden  bald  der  Lösung  der  großen  Aufgabe  zu,  in  allen  christlichen  Landen 
durch  Schrift  und  Wort  den  Irrlehren  entgegenzutreten,  durch  Predigt  und  Unter- 
richt die  religiöse  Unwissenheit  des  Volkes  zu  heben.  Dazu  konnte  nur  Pflege  der 
Wissenschaft  und  eifriges  Studium  befähigen,  dazu  bedurfte  es  bei  dem  ausgedehnten 
Arbeitsfelde  einer  straffen  Organisation,  einer  Oberleitung,  die  in  der  Hand  eines 
einzigen  Mannes  mit  größten  Befugnissen  liegen  mußte,  des  Ordensnieisters  (magister 
ordinis). 

Der  neue  Orden  faßte  außerordentlich  schnell  festen  Fuß.  Schon  fünf  Jahre 
nach  seiner  Bestätigung  finden  wir  auf  dem  zweiten  Generalkapitel  zu  Bologna 
sechzig  einzelne  Konvente,  welche  in  die  acht  Provinzen  Spanien,  Provence.  Frank- 
reich. Lombardei,  Rom  mit  Mittel-  und  Unteritalien,  Ungarn,  England  und  Deutsch- 
land geteilt  waren.  Jede  Provinz  unterstand  einem  vom  Provinzialkapitel  zu  wählen- 
den, vom  Ordensmeister  zu  bestätigenden  Provinzial,  der  die  einzelnen  Konvente 
seines  Bezirkes  zu  beaufsichtigen  hatte.  An  der  Spitze  eines  jeden  Konventes  wieder 
stand  ein  von  den  Mönchen  selbst  zu  wählender,  vom  Provinzial  zu  bestätigen- 
der Prior. 

Die  rasche  Ausbreitung  des  Ordens  blieb  das  ganze  13.  Jahrhundert  hindurch 
fortbestehen.  Obwohl  sich  von  der  Provinz  Deutschland  (Teutonia),  welche  1221 
das  große  Gebiet  von  Frankreich  bis  Ungarn,  von  den  .Alpen  bis  in  den  hohen  Norden 
hinauf  umfaßte,  schon  die  skandinavischen  Länder  sowie  Polen  und  Böhmen  als 
besondere  Provinzen  losgelöst  hatten,  erschien  doch  1301-)  eine  erneute  Teilung  der 
Mutterprovinz  erforderlich,  die  auf  drei  aufeinanderfolgenden  Generalkapiteln  be- 
schlossen und  somit  1303  zu  Besangon  rechtskräftig  wurde. 

Aber  auch  die  neugebildete  Provinz  Saxonia  hatte  1303  noch  48  Mönchsklöster. 
Darum  wurden  diese,  wie  bei  andern  großen  Provinzen  schon  seit  1275  üblich,  1308 
auf  dem  Provinzialkapitel  zu  Seehausen  zur  Erzielung  einer  leichteren  Verwaltung 
nach  einzelnen  Landesteilen  zusammengefaßt  zu  neun  sogenannten  Kontraten  oder 
Nationen,  nämlich  Sachsen,  Thüringen,  Meißen,  Westfalen,  Slavenland,  Holland, 
Friesland,  Livland  und  Mark  Brandenburg. 

Die  Leitung  einer  solchen  Nation  hatte  ein  vicarius  nationis  als  Vertreter  des 
Provinzials;  auch  hatte  er  im  allgemeinen  die  gleichen  Befugnisse  wie  dieser  mit 
Ausnahme  der  Berechtigung,   Prioren   und   Lektoren  abzusetzen. 

Über  den  Umfang  der  Nation  „Mark  Brandenburg"  erhalten  wir  u.  a.  Kenntnis 
aus  einer  Urkunde  vom  Jahre  1478-'),  in  welcher  der  damalige  Ordensvikar  Clemens 
Lossow  genannt  wird  „conventuum  nationis  Marchice  videlicet  Ruppinensis, 
Brandenburgensis,  Sehusensis,  Prentzlaviensis,  Strutzbergensis.  Soldinensis, 
Perlinensis,  Tangermundensis  inmeritus  vicarius".  Die  Reihenfolge  besagt  nichts 
bezüglich  des  .Alters  der  einzelnen,  da  sie  z.  B.  in  der  .Aufnahmeurkunde  der  Soldiner 


•)  V.  Loe  I,  S.  1  ff. 

2)  Acta  capit.  gener.,  Vol.  I,  S.  :?04,  313/4,  319. 

3)  Riedel  A  25,  S.  Sl. 


Einleitung 


20 


Fischer  in  die  Gemeinschaft  der  geistlichen  Verdienste  dieses  Ordens  vom  Jahre  1504') 
wesentlich  anders  ist.  v.  Lue-)  hat  die  Klöster  der  Provinz  Saxonia  nach  den  Auf- 
nahmedaten zusammengestellt,  dabei  zugleich  die  Verteilung  der  den  Konventsvertre- 
tern auf  den  Prcvinzialkapiteln  zukommenden  Plätze  abwechselnd  auf  die  beiden 
Chorseiten  angegeben.  Den  ungeraden  Nummern  entspricht  ein  l^latz  auf  der 
rechten,  den  geraden  ein  solcher  auf  der  linken  Seite,  beide  um  so  näher  dem  Altare, 
je  niedriger  ihre  Nummer  ist.     Danach  ergibt  sich: 


Nr. 


16. 
18. 
19. 
24. 
25. 
32. 
46. 
54. 


287. 


1442 


Neu-Ruppin.     1246. 

Strausberg.     1254. 

Seehausen.     1255. 

Prenzlau.     1275. 

Soldin.     1275. 

Brandenburg. 

Berlin.     1297. 

Tangermünde. 

Die  zum  Teil  erhaltenen  Chorstühle  der  ehemaligen  Dominikanerkirchen  zu 
Göttingen  und  zu  Röbel  in  Mecklenburg,  deren  Daten  sich  hiermit  im  allgemeinen 
decken,  geben  also  nicht  Ankunft  und  Niederlassung  der  Mönche  an,  wie  Scheerer^) 
meint,  sondern  das  Jahr,  in  dem  der  Konvent  vom  Generalkapitel  als  voll- 
berechtigt mit  Sitz  und  Stimme  zum  Provinzialkapitel  zugelassen  wurde. 

S  3.  Die  Mark  Ehe  wir  auf  die  genannten  Klöster  im  einzelnen  eingehen,  sollen  die  politischen 

Brandenburg  und  kirchlichen  Verhältnisse  der  Mark  im  frühen  Mittelalter  kurz  besprochen  werden. 
im  frühen  Zwischen    Elbe   und    Oder   wohnten    seit    der   Völkerwanderung    heidnische 

Miltelalltr  Slavenstämme.  Sie  zu  unterwerfen  und  dem  Christentum  zu  gewinnen,  hatte  schon 
Karl  der  Große  den  Anfang  gemacht.  Heinrich  I.  und  Otto  I.  hatten  seine  Be- 
strebungen fortgesetzt,  Kirchen  gebaut,  Bistümer  gegründet.  Doch  scheinen  sich  die 
kaiserlichen  Markgrafen  zu  sehr  als  Herren  aufgespielt  zu  haben;  bis  dahin  un- 
gekannte  Lasten,  wie  der  Zehnte  an  die  Geistlichkeit,  werden  ihr  Teil  dazu  bei- 
getragen haben,  daß  der  Freiheitssinn  der  Slaven  öfters  aufloderte  und  wieder 
dahinraffte,  was  mühsam  aufgebaut  war. 

Innere  Zersplitterung  des  Deutschen  Reiches  ermöglichte  erneutes,  nachdrück- 
liches Vordringen  gegen  Osten  erst  wieder  am  Anfang  des  12.  Jahrhunderts.  Albrecht 
der  Bär,  vom  Kaiser  1134  mit  der  in  ihrem  Umfange  etwa  der  heutigen  Altmark 
entsprechenden  Nordmark  belehnt,  eroberte  dazu  1136 — 37  die  Priegnitz  und  die 
Lt.nde  bis  an  den  Rhin,  erwarb  auf  friedlichem  Wege  von'  dem  Wendenfürsten 
Pribislav  die  Landschaft  Zauche  und  das  Havelland.  Doch  war  dies  Gebiet  ver- 
ödet und  menschenleer,  sumpfig  oder  von  dichten  Wäldern  bedeckt.  Darum  holte 
Albrecht  Kolonisten  herbei,  deutsche  Bauern  aus  dem  Sachsenlande,  durch  Über- 
schwemmung vertriebene  Bewohner  des  Rheingebietes,  selbst  Holländer  aus  ihrer 
fernen  Heimat.  Die  Mönchsorden  der  Prämonstratenser  und  Zisterzienser  haben 
deren  Kulturarbeit  unterstützt,  durch  Ausrodung  von  Wäldern  und  Trockenlegung 
von  Sümpfen  sich  ein  bleibendes  Verdienst  um  die  Mark  erworben. 

Albrechts  Nachfolger  haben  das  Ziel  ihrer  großen  Vorfahren  nie  aus  dem 
Auge  verloren,  und  als  die  Brüder  Johann  I.  und  Otto  111.  nach  fast  vier  Jahrzehnte 
langer  gemeinschaftlicher  segensreicher  Tätigkeit  in  den  Jahren  1266  und  1267  aus 
dem  Leben  schieden,  hatte  die  Mark  eine  hohe  Blüte  erreicht.  Das  Erbe  Albrechts  I. 
war  fast  um  das  Doppelte  vergrößert  durch  die  Lande  Barnim  und  Teltow,  durch 
große  Teile  der  Uckermark,  durch  Lebus  und  Sternberg,  durch  weite  Strecken  der 
Neumark.  Unter  dem  starken  Schutze  der  Markgrafen  waren  in  den  neuen  Gebieten 
zahlreiche  Städte  emporgeblüht,  in  denen  der  Handwerker  und  der  rührige  Kaufmann 
sicher  ihrem  Gewerbe  nachgehen  konnten,  und  draußen  auf  den  Dörfern  bestellte 
der  Bauer  das  neuerworbene  Feld  und  schuf  mehr  und  mehr  aus  der  ehemaligen 
Wildnis  fruchtbares  Ackerland.  Wenn  Gero  und  Albrecht  mit  Schwert  und  Recht 
ihre  Herrschaft  begründet  hatten,  so  hat  das  große  Brüderpaar  vor  allem  das  Ge- 
deihen und  die  innere  Wohlfahrt  seines  Landes  im  Auge  gehabt,  hat  es  das  Herz 
der  Slavenstämme  zu  gewinnen  versucht,  indem  es  diese  nach  und  nach  in  seine 
Interessen  mit  hineinzog,  so  die  spätere  Verschmelzung  zweier  ganz  verschiedener 
Volksstämme  vorbereitend,  die  in  den  folgenden  Jahrhunderten  das  starke  deutsche 
Volk  gezeitigt  hat. 

Um  diese  Zeit  faßten  die  Dominikaner  festen  FuP^  in  der  Mark  Brandenburg. 


')  Riedel  A  18,  S.  505 

2)  v.  Loe  iV. 

3)  Scheerer,  S.  9. 


21     - 


B.  Hauptteil. 
Kapitel  1.    Neu-Ruppin. 

1.  Teil ;   Die  Geschichte. 


Fig 


Nordseite  der  ehemaligen  Xeiinippiner  Dominikaiicr-Kli^tu  kiici;. 

Von  Herrn  Baurat  Di  lim  freundlichst  zur  \'erfüijung  gestellt. 


Welchen  Weg  die  Donimikaner  bei  ihrer  Ausbreitung  durch  Deutschland  ge- 
nommen haben,  läßt  sich  auf  Grund  irgendwelcher  stets  beobachteter  Gesichts- 
punkte im  einzelnen  nicht  mehr  feststellen.  In  der  Mark  scheinen  sie  die  damals 
in  großer  Zahl  gegründeten  Städte  bevorzugt  zu  haben.  Ruppin  ist  nach  der  .Auf- 
stellung V.  Loes  das  10.  Kloster  der  Provinz  Saxonia  und  mit  seiner  Jahreszahl  1246 
der  älteste  Düminikanerkonvent  in  der  Mark  überliaupt.  Seinen  urkundliciien  Belegen 
gegenüber  muH  die  durch   nichts  bewiesene,  zu  frühe   Datierung  Büscliings')  auf 


S1. 
Grflndungs- 
geschichte 


')  Rüscliinsj,  Iv'eise  nach  Kvrilz,  S.  223 


Ncu-Ruppiii 


-     22     - 

das  Jahr  1209,  die  hernach  wegen  des  Widerspruchs  zu  dem  Gründungsjahre  des 
Ordens  zuweilen  zu  der  Annahme  eines  ursprünglichen  Prämonstratenserklosters 
verleitete,  endgültig  abgetan  sein.  Dasselbe  gilt  von  den  Jahren  1253')  und  1256=), 
die  aus  mißverständlicher  Deutung  einer  ehemaligen  Unterschrift  unter  der  Statue 
des  ersten  Priors  sowie  der  großen  W'andinschrift  auf  der  südlichen  Chorwand 
angenommen  worden  sind. 

Wir  hatten  gesehen,  wie  Albrecht  der  Bär  das  Gebiet  von  der  Havel  bei 
Oranienburg  den  Rhin  nordwärts  hinauf  erworben  hatte.  Unmittelbar  an  dieser 
Grenze  lag  die  Burg  (Ah-)  Ruppin,  wahrscheinlich  schon  von  Albrecht,  wenn  auch 
mit  nur  geringem  Landbesitze,  dem  thüringischen  Edelgeschlechte  derer  von  Arnstein 
für  treue  Dienste  bei  Erwerbung  der  neuen  Landesteile  übergeben^).  Das  spätere 
Neu-Ruppin,  etwa  '-j  Meile  von  der  Burg  entfernt,  mag  damals  schon  als 
wendischer  Ort  einige  Bedeutung  gehabt  haben.  Am  Anfang  des  13.  Jahrhunderts 
muß  es  bereits  recht  ansehnlich  gewesen  sein,  weil  es  am  0.  März  1256  von  Günther 
von  Arnstein  das  Stendalsche  Stadtrecht  erhielt')  und  sich  nach  der  darüber  aus- 
gestellten Urkunde  als  wohlorganisierter  Ort  mit  mancherlei  wichtigen  Rechten  und 
Einkünften  zu  erkennen  gibt. 

Mit  Gewißheit  ist  zuerst  von  einem  Gebhard  von  Arnstein  nachweis- 
bar, daß  er  das  Land  Ruppin  in  Besitz  gehabt  hat,  da  er  auf  einer  alten  Wand- 
inschrift der  Kirche  als  der  erste  Wohltäter  des  Neuruppiner  Klosters  bezeichnet 
wird,  in  dem  er  auch  begraben  ist. 

Vermutlich  der  jüngste  Bruder  dieses  Gebhard  war  Wichmann,  von  dem  sein 
Vater  in  einer  Urkunde  von  1104  sagt^):  „quem  in  Ecclesia  beate  Marie  Magdeburg, 
ad  serviendum  Deo  sub  habitu  religionis  devotus  obtuli  .  .  .".  Er  war  also  anfangs 
Magdeburger  Prämonstratensermönch,  gelangte  aber  bald  zu  solchem  Ansehen,  daß  er 
Propst  wurde  und  1221")  als  Elekt  des  Leitzkauer  Kapitels  in  engste  Wahl  um  den 
erledigten  Bischofsstuhl  des  alten  Bistums  Brandenburg  kam.  1224  wurde  er  mit 
einem  für  die  Geschichte  der  Dominikaner  in  unseren  Gegenden  höchst  wichtigen  Auf- 
trage nach  Paris  geschickt:')  „Anno  domini  MCCXXIV  venerabilis  pater  et  dominus, 
domnus  Albertus  ecclesie  Magdeburgensis  archiepiscopus  XVIIl  misit  Parisios 
honorabilem  virum  domnum  Wichmannum  de  Arnsten,  prepositum  beate  virginis 
Marie  ordinis  Premonstratensis,  ad  vocandum  fratres  Praedicatores  ad  istam 
civitatem . . . .".  Die  Predigermönche  kamen  auf  Geheiß  des  Ordensgenerals 
Jordanus  noch  in  demselben  Jahre  und  fanden  zunächst  im  dortigen  Prämon- 
stratenserkloster  „Unser  Lieben  Frauen"  Aufnahme.  Bald  darauf  wird  denn  auch 
Wichmanns  Übertritt  zum  Dominikanerorden  in  dessen  neues  Kloster  zu  Magdeburg 
erfolgt  sein,  das  älteste  der  nachmaligen  Ordensprovinz  Saxonia.  Was  für  uns 
von  dem  weiteren  Leben  dieses  Mannes  von  Bedeutung  ist,  berichtet  Corner"*): 
,, Dominus  Wichmannus,  Praepositus  B.  Virginis  Ordinis  Praemonstratensis  in 
Magdeburg,  .  .  .  Ordinem  intravit  Fratrum  Praedicatorum  ...  in  conventu  ejusdem 
civitatis.  Qui  mox  Frater  factus,  se  in  Rupin  opidum  transtulit,  et  ibidem  oidini  suo 
solenne  Monasterium  fundavit;  ubi  factus  primus  Prior  .  .  .  .".  Dort  starb  er  auch, 
dort  liegt  er  auch  wohl  begraben  unter  der  nach  ihm  benannten  Linde. 

Sein  Todesjahr  ist  nicht  sicher  bekannt,  dürfte  aber  bei  Corner  mit  1270  zu 
hoch  angesetzt  sein.  Wenn  es  richtig  ist,  wie  Campe")  in  mehreren  leider  nicht 
näher  bezeichneten  Quellen  bei  Erwähnung  einer  ehemaligen  Schrift  auf  dem 
Sockel  der  erhaltenen  Wichmannsstatue  gefunden  hat'"),  daß  dem  Jahre  1256  das 
Wort  „obiit"  beigefügt  gewesen  sei,  fallen  alle  Zweifel  darüber  fortan  hin.  Da 
aber  der  Konvent  1256  schon  10  Jahre  bestand,  kann  auch  ohne  dieses  bedeutungs- 
volle Wörtchen  mit  der  Zahl  weniger  das  Jahr  der  Klostergründung  gemeint  sein, 
wie  oft  angenommen  worden  ist,  als  vielmehr  das  Todesjahr  seines  Miterbauers  "). 
Ob  Gebhard  das  Kloster  aus  eigenem  Antriebe  stiftete  und  seinem  Bruder 
Wichmann  dann  dessen  geistliche  Einrichtung  übertrug,  oder  ob  Gebhard  erst  durch 

')  Feldmann  II,  S.  282/3. 
4  Bittkau,  Gesch.  d.  Klosterk.,  S.  6. 
3)  Riedel,  Mark  Brandenb.,  S.  377. 
1)  Riedel,  Gesch.  d.  Klosterk.,  S  4. 
=)  Leukfeld,  S.  116. 
'')  Engel,  Annal.  II,  S.  Q7/98. 
')  V.  Loe  IV,  S.  48. 
**)  Cornerus,  ad  annum  1270. 
0)  Campe,  S.  19. 
">)  s.  3.  Teil,  die  Altertümer. 

")  Dem  Wichmann  zugeschriebene  mystisclie  Traktate  werden  denuiächst  von  F.  Biinger 
in  der  Sammlung  von  Loes  veröffentlicht  werden. 


-     23     - 

warme  Fiirspiaciu'  W'ichmaiins  seine  Zuwendungen  an  die  Predij;ermönche  machte, 
läßt  sich  nicht  mehr  entsciieiden. 

Zahlreiche  Sagen  umspinnen  die  Persönlichkeit  dieses  ersten  Priors.  Man 
erzählt  sich  von  seiner  wunderbaren  Wanderung  über  den  See');  von  seinem  sogleich 
in  Erfüllung  gegangenen  Befehl  an  die  Fische,  sich  fangen  zu  lassen,  als  eines  Tages 
unvermutet  noch  Gäste  eingetroffen  waren-');  von  seiner  Unverweslichkeit  (vivens 
incorruptibili  corpore'),  seiner  glänzenden  Grabstätte  unter  der  uralten  „Wichmann- 
Imde"  nahe  dei-  Stadtmauer.  Interessant  ist  Feldmanns  Mitteilung-'),  dal5  dort  tat- 
sächlich im  18.  Jahrhundert  „ein  vierecktes  steinernes  fundament  von  gebackenen 
mauer-  oder  Ziegelsteinen,  etwan  8  fuß  lang  und  breit",  unter  i  Ful5  hoher  Erdschicht 
gefunden  sei,  in  der  die  Linde  stehe,  und  daß  jenes  bei  weiteren  3  Fuß  Tiefe  noch  nicht 
aufgehört  habe.  Weitere  örtliche  Nachforschungen  darüber  können  zurzeit  nicht 
angestellt  werden.  Um  ein  altes  Turmfundament  kann  es  sich  nicht  handeln,  weil 
hier  nie  ein  Torturm  gestanden  hat  und  ein  bloßer  Weichturm  nicht  bis  etwa  4  m 
hinter  die  Stadtmauer  gereicht  haben  kann,  wo  heute  noch  die  Linde  steht. 

Wie  Gebhard  von  Arnstein  in  dem  von  ihm  mitbegründeten  Kloster  beigesetzt 
worden  ist,  fanden  auch  die  nachfolgenden  Generationen  seines  Geschlechtes,  die 
später  die  Namen  Grafen  von  Lindow'),  Herren  von  Ruppin  und  Möckern  an- 
nahmen, in  der  Stiftung  ihres  Vorfahren  ihre  letzte  Ruhestätte.  Noch  heute  steht 
im  3.  Joche  auf  der  Südseite  des  dort  fensterlosen  Langchores  als  einzig  erhaltenes 
Denkmal  aus  jenes  edlen  Hauses  Geschichte  die  Inschrift-'): 

„Hierunner  is  der  edlen  Herrn  van  Lindow  Graft 

Van  Olders  hefft  se  gewerket  Oades  Krafft, 

Dorch  ören  Veddern  Broder  Wirhmann 

Want  de  allererst  huff  det  Closter  an 

Oreve  Qewerd  de  uns  de  Stede  hefft  gegewen 

Van  sinet  und  all  synes  Geschlechtes  wegen, 

Die  ist  de  erste  de  syn  Graff  hie  heft  gekaren 

Gott  gewe  dat  aller  Seelen  nimermehr  werden  verlaren. 

Requiescat  in  pace. 
Ano  Di  M"cclvi  obiit  hie  inclylus  Dominus  Geberhardus  Comes  de  Arnsteyn  Fun- 
dator  hujus  Conventus.    Ano  M''cclxxix  0.")  Dominus    Waltherus  Comes  de  Arnsteyn. 
Ano  M  cclxxxiv  O.    Dominus  Guntherus  Senior    Co  nes  de  Lindow.  Ann  M^ccxc  O. 
Dominus  Albertus  Comes  de  Lindow.    Aiio  M^cccx  O.  Domina    Sophia  filia  Domi- 
ni Ulrici.  Afio  M^cccxi  O.  Dominus    Burchardus  Comes  jimior   Ario  MOcccxii 
O.  Dominus  Guntherus  Comes  junior.    Ano  Wcccxv!  O     Dominus  Comes  Ulrici  (!). 
Ano  MOcccxvii  ö.  Domina  Euphemia  de  Holsatia.   Ano  M'cccxviii  0.    Domina  Eli- 
sabeth uxor  Domini  Burchardi  cujus  avia  ac  mater  Beatae  Elisahelh  sorores  exiilerimt. 
Aiio  M°cccxviii  O    Domicellus  Comes  Johahes  filius  Domini  Burchardi.  Ano  M"- 
cccxxii  O    Domina  Alheydis  de  Staden.  Ano  M"cccxxx  O    Dominus  Comes  Guniher: 
filius  Domini  Olrici.  Ano  M^cccxlvi  0,  Dominus  Comes  Adolphus    Ano  A\°CC'  lii  ü    Domi- 
na Agnes  Uxor  Domini  Ulrici.    Ano  M^ccdii  O.  Dominia  I  utgardi«  ux'^r  Domini  Günther!. 
Afio  M''cc  Ix  O.  Domicellus  Comes  Woldemarus  sepuhus  in  Witstock.  /Xn  -)  .MOccclx  O  Comes 
Ulricus.  Ano  M^ccclxxix  O.   inclytus  Comes  Dominus  Guntherus  hie  sepultus.  Ano  M^ccc- 
Ixxxiv  0.  inclyta  Domina  Sophia  filia  Domini  Sl.iviae  uxor  Domini  Alberti  de  Lindow  hie  se- 
pulta.  AnoM''ccclxxxxi')0.  dominus  AlbertusComesdeLindow  hie  sepultus  .•\noM''ccccxxO  in- 
clytus Dominus  Ulricus  Comes  de  Lindow  qui  convenlui  dedit  in  perpetuam  eleemosynam  ad 
structiuram  certos  reditus  in  Villa  Nietwerde  ac  liberam  capturam  piscium  in  stagno  prope  op- 
pidum   Ano  /Wcccclx  ( ).  inclytus  Dominus  Albertus  Comes  de  Lindow  hie  sepultus  qui  eleemo- 
synam dictam  rativicavit  apud  quem  Requiescunt  ossa  Dominae  Kathae  de  Lobbin  ac  Dominae 
Anae  de  Zagen  contoralium  hactenus  suarum.  Ano  .WOccccIxxxiv  O.  inclytus  (I)  Doiiiina  Ursu- 
la de  Barbey  uxor  Domini  Johanis  Comitis  de  Lindow  liicsepulta.  Ano  M^cccclxxxxix  in  die  Phi- 
lippi  acjacobi  Apostolorum  O.  inclytus  Dominus  Jacobus  Comes  de  Lindow  hie  sepuhus.  Ano 
M"d  in  profesto  divisionis  Apostolorum   < ).   inclylus  Dominus  ac  strcnuus  niiles  Dominus 


')  Cornerus,  ad  aiinum  1270. 

')  M.  Dieterich,  S.  111. 

I)  Feldmann  II,  S.  370/71. 

')  Nicht    nach    dem    bei    Ruppin,    sondern    dem    bei    Zerbst    im    Fürstentum   Anhalt 

gelegenen  Orte. 
'')  Die  ?urTrennung  der  einzelnen  Worte  verwandten  Zwisclienpunkte  sind  hierfortgelassen. 
'•)  0.  =  obiit. 
')  Das  »1"  fehlt   derzeit   in   der   Inschrift,   ist   aber   wegen    der  sonst  stets  gewahrten 

Zeitfolge  wohl  mit  Bestimmtheit  zu  erganzen. 


Neu-Ruppin 


-     24     - 

Jülianes  de  Liiidow  liic  sepulta(!).  Ano  Modvii  feria  lertia  ante  diem  cineris  iiiclytiis  Dominus  Joa- 
chim Comesde  Lindow  0,  hie  sepultus.  Ano M"dviii  0  incl yta  Domina  Margarelha  de  Honstein  Do- 
minica post  vestum  Dyonysii  hie  sepuita.  Ano  Modxxiv  Dominica  Ocuh'  ().  inclytus  Dominus 
Wichmafius  Comes  de  Lindow  hie  sepultus  ac  hujus  progeniei  ultimus  cujus  anima  requieseat 
in  pace.  Amen.  Ano  Domini  M^dxxvi  feria  sexta  post  festum  undecim  milium  virginum 
O.  inclyta  Domina  Ana  de  Staibergh  rehcta  Comitis  Domini  Jacobi  de  Lindow  hie  sepuita  cu- 
jus anima  cum  asscripta  Comituni  nobili  prosapia  requieseat  in  sancta  paec.  Amen". 
Renovatum.  Anno  MDCCCXXXIX. 

Nocii  andre  Namen  aus  diesem  Grafenjresclil echte  begegnen  uns  bis  zimi 
Ende  des  14.  Jahrhunderts  in  den  alten  Urkunden;  sie  gehörten  aber  wohl  einer 
(andren?)  Seitenlinie  an  oder  fanden  doch  ihren  Tod  weit  entfernt  von  der  bisher 
einzig  bekannten  Begräbnisstätte  des  Altruppiner  Hauses. 

Die  obige  Wandinschrift  zerfällt  ihrem  Wortlaut  nach  in  drei  Abschnitte,  ge- 
teilt durch  die  Jahre  1360  und  1484.  Im  ersten  Teil  werden  Mitglieder  des 
Hauses  unter  Beifügung  ihres  Todesjahres  größtenteils  nur  namhaft  gemacht;  den 
einleitenden,  niederdeutsch  abgefaßten  Versen  zufolge  sind  auch  sie  im  Chor  be- 
graben. Im  zweiten  wird  noch  ausdrücklich  „hie  sepultus  (-a)"  beigefügt  sowie 
neben  dem  Ehrentitel  „inclytus  (-a)"  ein  erläuternder  Zusatz  verwandtschaftlichen 
oder  für  das  Kloster  bedeutungsvollen  Charakters  üblich.  Der  letzte  Abschnitt  end- 
lich bringt  auch  noch  den  Todestag  der  einzelnen.  Das  ist  von  Wichtigkeit  für  die 
Zeitstellung  dieser  Inschrift.  Im  Jahre  1465  nämlich  wurde  das  Kloster  von  einer 
gewaltigen  Feuersbrunst  heimgesucht,  der  auch  eine  vielleicht  schon  vorher  an- 
geschrieben gewesene  Totentabelle  nebst  ihren  genauen  Daten  mit  zum  Opfer  fiel. 
Nach  Wiederaufbau  der  zerstörten  Teile  bis  zum  Jahre  1488  konnte  man  nun  gleich- 
zeitig mit  jeder  Bestattung  leicht  den  Sterbetag  beifügen,  während  man  die  Reihe 
rückwärts  bis  auf  Gebhard  hin  für  den  ersten  Abschnitt  vielleicht  aus  Chroniken,  für 
den  zweiten,  wie  die  bestimmte  Ausdrucksweise  schließen  läßt,  aus  Inschriften  auf 
noch  vorhandenen  Särgen  vervollständigen  mußte.  Bei  dieser  Annahme  ließen  sich 
auch  einige  Widersprüche  zwischen  den  Jahreszahlen  des  ersten  Teiles  und  Nach- 
richten aus  alten  Urkunden  erklären.  Im  Hinblick  auf  die  fast  wörtliche  Über- 
einstimmung ihrer  Angaben  mit  denen  der  Inschrift  ist  es  zuerst  von  Angelus')  und 
Haftitius'-')  am  Ende  des  16.  Jahrhunderts  als  ei"wiesen  zu  betrachten,  daß  diese  sie 
schon  gekannt  haben. 
S  2.  Besitz-  Das  Grafengeschlecht  hat  für  das  Neuruppiner  Kloster  stets  eine  große  Rolle 

Verhältnisse.  gespielt.  Zuerst  hatte  Gebhard  bei  seiner  Gründung  die  „Siede"  hergegeben,  wie 
ausdrücklich  in  obiger  Inschrift  steht.  Diese  umfaßte  wohl  außer  der  eigentlichen 
Baustelle  in  nächster  Nähe  der  neuen  Anlage  auch  noch  einige  Worthen  für  einen 
Garten.  Wir  finden  einen  solchen  zuerst  in  einer  Urkunde  von  1382  erwähnt''),  nach 
der  er  sich  gegen  Westen  hin  scheinbar  mindestens  bis  zur  jetzigen  Karlstraße 
erstreckt  hat.  In  diesem  Garten  wurde  am  Ende  des  Mittelalters  Weinbau  getrieben; 
denn  1541  beklagt  sich  der  Magistrat,  daß  die  Mönche  „etzliche  weinlobenn  (haben) 
ausschlagenn  lassenn  vnnd  verkauft"'). 

Nicht  mehr  zu  dieser  Landschenkung  Gebhards  gehörten  aber  die  späteren 
Freistellen  östlich  vom  Kloster,  zwischen  jetziger  Poststraße,  Siechenstraße  und  See, 
wie  mehrfach  angenommen  wird.  Vielmehr  geht  aus  zahlreichen  Aufzeichnungen 
Feldmanns'')  ziemlich  einwandfrei  hervor,  daß  dort  ein  einziges  stattliches,  etwa 
50  Fuß  (rd.  16  m)  tiefes  Bauwerk  mit  einem  in  der  Siechenstraße  gelegenen  Brauhause 
und  einem  dahinter  liegenden,  wenigstens  im  Keller  gewölbten  Gebäude  gestanden 
hat.  Vor  diesem  aber  breitete  sich  ein  bis  zur  Stadtmauer  und  dem  ehemaligen 
Klosterfriedhofe  am  Ostgebäude  reichendes  Backsteinpflaster  aus,  das  auf  jeden  Fall 
auf  eine  wichtige  Stätte  schließen  läßt.  Es  ist  kaum  anzunehmen,  daß  die  Mönche 
bei  ihrer  für  Ruppin  stets  nur  als  gering  angegebenen  Zahl  dort,  in  nächster  Nähe 
ihies  Klosters,  noch  ein  Gebäude  von  den  Maßen  ihrer  Kirche  besessen  haben. 
Zudem  finden  wir  schon  in  der  Urkunde  von  1382-')  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
als  Besitzer  des  Grundstücksteiles  nach  dem  See  zu,  wenn  nicht  gar  dieses  ganzen 
Gebietes,  einen  Randeberch  van  Ronnebeke  erwähnt,  der  hier  einen  1  lof  hatte.  Ob 
die  andern  Freihäuser  beim  Kloster  zu  diesem  gehörten,  was  ebensooft  angenommen 
wie  bestritten  wird,  läßt  sich  aus  den  erhaltenen,  nur  unzulänglichen  Nachrichten 

')  Engel,  Breviar.  1W3  und  Annal.  1598. 

■-')  Haftitius,  15i)9. 

3)  s  2.  Teil,  die  Baulichkeiten,  §  2,  Klostergebäude. 

*)  Riedel,  Gesch.  d.  Klosterk.,  S.  28/'),  Anm. 

')  Feldmann  II,  5.354  ff. 


-     25 


-     27     - 

nicht  feststellen.  Wenn  z.  B.  der  Rat  den  Kurfürsten  im  Jahre  1572  bittet'),  er 
möge  „die  gebeute,  so  bey  Churt  Rhorn  des  Heuptmanns  zciten  dauon  entfrembt 
sein,  widderum  vns  (Ratmannen)  lassen  emantwurten",  so  kann  es  sich  ebensogut 
um  ein  klaustrales  Gebäude  wie  um  ein  Freihaus  an  andrer  Stelle  in  der  Stadt  handeln. 

Von  Zuwendungen  an  das  Kloster  schon  durch  Gebhard  wird  uns  nichts 
Genaueres  gemeldet,  wenngleich  solche  offenbar  vorhanden  gewesen  sein  müssen, 
da  sein  Nachfolger  Walther  (t  1-^70)  sie  vermehrt  haben  soll.-) 

Ausführlicher  wird  zuerst  von  Schenkungen  berichtet,  die  der  1420  gestorbene 
Graf  Ulrich  dem  Kloster  vermachte  und  die  sein  Nachfolger  Albert  bestätigte.  Sie 
waren  augenscheinlich  so  groß,  daß  man  sich  verpflichtet  fühlte,  sie  in  obiger  Wand- 
inschrift festzulegen.  Der  Konvent  erhielt  „als  ewiges  Almosen  zum  Bau"  gewisse 
Einkünfte  im  Dorfe  Nietwerder,  dem  Kloster  gegenüber  jenseits  des  Sees  gelegen,  und 
den  freien  Fischfang  in  diesem  See.  Dem  Landesherrn  trug  seine  Freigebigkeit,  die 
auch  andern  zugute  gekommen  sein  mag,  den  schönen  Erinncrungsspruch  ein''): 
„Hew  ick  Geld,  so  mütt  ick  gewen, 
Andre  Stände  mütten  ock  lewen." 

In  unbekannter  Zeit  kamen  seitens  der  Grafen  noch  die  Fähreinkünfte  dazu ; 
denn  der  Magistrat  bittet  den  Kuifürsten  im  Jahre  1572")  „zu  widderanrichtung  vnnd 
erhaltung  der  gebeute  "um„  den  khan  vffm  She,  so  vorzeiten  von  den  Graffen  zu 
Ruppin  seliger  gedechtnuss  dartzu  geben  .  .  .". 

Schließlich  werden  die  Klosterbrüder  auch  nicht  leer  dabei  ausgegangen  sein, 
wenn  ein  Mitglied  des  gräflichen  Hauses  in  der  Ruhestätte  seiner  Vorfahren  im 
Kloster  beigesetzt  wurde.  Vom  letzten,  1524  gestorbenen  Grafen  Wichmann 
wenigstens  heißt  es  in  seinem  kurz  vor  dem  Tode  verfaßten  Testamente'):  „Wir.  . . 
befellen  .  .  vnser  sele  got  .  . ,  den  leichnam  zu  der  erden  vnd  yn  das  Closter  zu  Nien 
Ruppin,  dar  jnnen  zu  begraben,  Vnd  .  .  vormachen  .  .  dem  Closter  zu  Nien  Ruppin 
twanzig  Gulden  .  .". 

Obgleich  so  stets  ein  enges  Band  zwischen  Kloster  und  Grafengeschlecht  ge- 
knüpft war,  geht  Riedel  doch  zu  weit,  wenn  er  dem  Konvent  als  Bestimmung  zu- 
schreibt, für  das  Seelenheil  der  gräflichen  Familie  zu  beten  und  zu  arbeiten,  im  Leben 
der  Grafen  Erzieher,  Lehrer,  Prediger  und  Beichtvater  zu  sein,  nach  dem  Tode  durch 
deren  Beisetzung  in  der  Kirche  und  durch  eigene  geistliche  Verdienste  und  Fürbitten 
den  Fortgeiuiß  der  kirchlichen  Wohltaten  aufrecht  zu  erhalten'').  Wie  schon  dem 
Dominikanerorden  die  Seelsorge  an  einzelnen  Kirchen  verboten  war,  hätte  eine 
solche  ausschließliche  und  einseitige  Tendenz  eines  Klosters  die  sonst  befürchtete 
Lockerung  des  straffen  Bandes  noch  weit  eher  herbeiführen  müssen,  das  den  ganzen 
Orden  als  eine  Einheit  zusammenhielt  und  ihn  dadurch  zu  seiner  Größe  führte. 
Auf  jeden  Fall  kann  der  Grafendienst  nur  eine  Nebenrolle  im  Programm  des  Ruppiner 
Klosterlebens  gespielt  haben. 

Wenn  wir  schon  vor  1420  bei  den  Ruppiner  Dominikanern  dauernde  Ein- 
nahmen aus  dem  Dorfe  Nietwerder  finden,  zu  einer  Zeit,  wo  noch  das  seit  dem 
Generalkapitel  zu  Paris  von  1228  bestehende  Verbot  galt,  ,.ne  Fratres  in  posterum 
possessiones  et  reditus  recipiant""),  so  ist  dies  nur  erklärlich  durch  die  ausdrück- 
liche Beifügung  „ad  structuram",  zum  Bauen;  es  handelte  sich  also  nicht  etwa  um 
dauernde  Pfründen  für  die  Klosterbrüder. 

Anders  wurde  es,  als  bald  darauf,  zuerst  1425  durch  Papst  ,\\artin  V.,  für 
einzelne  Häuser  von  dieser  Bestimmung  eine  Ausnahme  gemacht  wurde,  die  der 
Papst  1475  und  1477  auf  den  ganzen  Orden  ausdehnte"):  „Sixtus  IV.  .  .  .  omnibus 
et  singulis  Conventibus  ac  locis  Ordinis  nostri,  ut  possessiones,  redditus  et 
proventus  et  alia  bona  immobilia  libere  possint,  in  communi  et  non  aliter,  habere, 
emere  et  retinere,  concessit""). 

Drei  Quellen  aus  den  Jahren  14i>l"),  1525'")  und  1541")  geben  uns  einige  im 
nachfolgenden  nebeneinander  gestellte  Einzelheiten  über  derartige  nunmehr  zulässige 
Einkünfte  dieses  Klosters  aus  den  benachbarten  Dörfern: 


')  Riedel  A  4,  S.  274. 

■-)  Bratring,  Gesch.  d.  Qrafsch   Ruppin,  S.  140. 
')  Bratring,  Gesch.  d.  Qrafsch.  Rupiiln,  S.  203. 
M  Riedel  A  4,  S.  147. 
!■)  Riedel,  Gesch.  d.  Klosterk.,  S.  Id. 
")  Const.  Fratr.  Ord.  Praed.,  S.  254. 
7)  Heimbucher  I,  S.  556. 
*)  Const.  Fratr.  Ord.  Praed.,  S.  255. 
■')  Hentzeke,  Landbiich,  S.  116  ff 
'")  Redorf,  Landregister,  S.  151  ff. 
")  Protokolle  der  Kirchenvisitation.     In:  Riedel,  Gesch.  d.  Klosterk.,  S.  25  ff. 


Ncu-Ruppin 


-     28 


Ort 


Landbuch  von  1491 


Landregister  von  1 525 


Kirchenvisitation 
von  1541 


Dobbergotz, 
(Doebergatz) 

jetzt: 
Dabergotz. 


Oarttz, 

jetzt: 
Gartz. 

Kudouw, 
(Kuedow) 

jetzt: 
Küdow. 

Mannker, 
(Mancker) 

jetzt: 
Manker. 


Nakell, 

(Nackell) 

jetzt: 

Nakel. 


Nietwerder. 


S.  126 

1)  Jacob  Swarte  II  huiien, 
gift  darvoiin  .  .  \'11I 
schul,  den  Monneken 
(zu  Neu-Ruppin?). 

2)Achimpa\velII(  =  l'/2) 
huue,  gift  darvon  .  . 
den  Monnekenn  (zu 
Neu-Ruppin)  I  wsp.  ban- 
den I;arns. 

S.  122. 
Peter  Middag  II  tiuue, 
gift  .  .  den  Monneken 
toRuppinlwsp.gersten. 

S.  125/6. 
Drewes      Molner     III 
liuuen,  gift  .    .  1  wsp. 
(Korn)  den  Monnekenn 
to  Ruppin 

S.  120 

1)  Clawes  Bernde  11  huue, 
gift  darvonn  .  den 
Monnekenn  XVsch.  half 
rogg-i  half  gersten,  II 
Schill. 

S.  122. 

2)  Achim  fcddeler  II  hu- 
fen,  gift  alle  pacht  mit 
dem  Rochon  (=:Rauch- 
huhn)  den  monken  II 
wischen. 


S.  132. 

1)  Brunnigk  I  huue,  gifft 
darvann  .  ,  VI  Schill 
IUI  pf.  den  monneken 
(zu  Neu-Ruppin?). 

2)  Merten  krangeman  II 
huue,  gifft  darvann  .  . 
IX  Schill,  to  der  mon- 
neken Bede. 

fehlt. 


S.  174. 

Ort  erwähnt,  aber  keine 
Abgaben   an   Mönche 


fehlt. 


S.  176. 

Ort  erwähnt,  aber  keine 
.Abgaben   an   Mönche. 


S.  165. 

1)  Simon  Berendt  hat 
2hueben,giebt.. .  8sch. 
gersten,  7  seh.  roggen, 
4  Schill,  dem  Closter 
derPredigerzuRuppien. 

2)  feddeler  nicht  erwähnt, 
dalür: 

a)  Simon  hoffman  hat 
eme  huebe.giebt  15sch. 
roggen,  lösch  gersten, 
8  Schill, ,  1  Ruchuen, 
1  Viert  erbssen  die  Pre- 
diger in  das  Closter  zu 
Newen  Ruppien. 

S.  166. 

b)  Jesper  Berboem  hat 
eine  huebe,  gibt  15  seh. 
rnggen,  1 5  seh.  gersten, 
Sschill.,  1  Virt  erbssen, 
1  Ruchuen  dem  Kloster 
Prediger  monnich  zu 
Newen  Ruppien. 

3)  hoffman,  Jasper  Ber- 
baum  .  .  dienen  den 
monnichen  zum  Predi- 
ger Closterzu  Ruppien. 


S  173. 
Brunne  mit  1  Hufen 
und  Krangemaun  mit 
1  '/2  Hufen  wohl  er- 
wähnt,  aber  keine  Klo- 
sterabgaben mehr. 


fehlt. 


S,25. 

1)  Die  Mönche  hatten 
von  1  Einwohner  8 
Schillinge  Zins. 

2)  Die  Mönche  hatten 
2  Hufen,  und  von  jeder 
•/2  Winspel  Roggen  und 
'/aWinspel  Gerste. 

S.  25. 
Aide  Henningk  Quast, 
löblichen  gedechtnuss, 
hefft  by  vnns  Sine 
ewig  gedechtnuss  ge- 
stifft  vnnd  vns  dauor 
perpetueret  1  Winspel 
karn,  nemlich  '/z  Wins- 
pel Roggen  thu  kudow 
vnnd  ';2  Winspel  Gerste 
binnen  Garttze  vellich. 

S.  25. 

1)  1  Halbhufner  gab 
8     Scheffel     Roggen , 

7  Scheffel  Gerste  und 
4  Schilling  Zins  an  die 
Mönche. 

2)  2  Vollhufner,  von 
denen  jeder  den  Mön- 
chen 15  Scheffel  Rog- 
gen, 15  Scheffel  Gerste, 
•/4  Scheffel  Erbsen  und 

8  Schillinge  gab. 


3)  Dusse  beide  lüde 
hebbe  wie  (Mönche) 
mith  allen  gnaden 
vnd  rechtichheit  confir- 
mert;  men  der  hovet- 
man  hefft  den  dhenst 
tho  sik  ghenommen. 

fehlt. 


S.  25. 
Die  Mönche  hatten  die 
Roggen-,  Hafer-  und 
Geldpächtevon5Bauer- 
höfen  und  noch  gewisse 
Scheffel  Roggen  und 
Hafer  von  andern  5 
Bauerhöfen,  im  ganzen 
eine  Hebung  von  4 
Winspein  22  Scheffeln 
Roggen  und  4  Winspein 
3  Scheffeln  Hafer;  an 
Gelde  haben  sie  hier 
S7  Schillinge. 
(Nach  Bericht  desMagi- 
strats  an  die  Visitatoren 
sogar  „Inn  die  .XI  wins- 
pell vngeferlich  .  ."). 


-     29     - 

Nicht  LTwäliiit  wird  iii  diesen  drei  Quellen,  da(S  nocli  1540,  dem  NX'ortlaut  nach 
aber  schon  früher  i;ebräuclilich,  „die  Paaren  zu  Buschow  (Buskow)  j^eben  2  schock 
aus  der  Klosterbede",  die  in  obigem  Jahre  in  den  gemeinen  Kasten  tlossen').  Man 
ersieht  aus  dieser  Gegenüberstellung,  daß  wesentliche  Veränderungen  der  ländlichen 
Einnahmen  in  dem  fünfzigjährigen  Zeitraum  nicht  vorhanden  sind,  und  kann  des- 
halb auch  wohl  weiter  rückwärts  auf  ähnliche  Verhältnisse  schliefen. 

Über  die  Herkunft  dieser  Einnahmen  ist  uns,  aulkr  von  dem  Wispel  Korn  des 
Herrn  von  Quast,  nichts  bekannt,  wenngleich  die  Nietwerderschen  Abgaben  wahr- 
scheinlich die  „gewissen  Einkünfte"  des  Grafen  Ulncli  aus  dem  Anfang  des 
15.  Jahrhunderts  sind. 

In  der  Stadt  selbst  hatten  die  Mönche  zur  Zeit  der  Reformation  auch  nur 
geringen  Besitz,  nämlich  zunächst  je  8  Schock  Groschen  Kapital,  zu  30  Groschen 
jährlicher  Zinsen  (6' 4  %)  auf  6  Häusern  stehend-');  ferner  haben  sie  lt.  Anzeige  des 
Magistrats  an  die  Visitatoren  „etzlichen  acker  alhie  vor  die  Stadt  gehabtt,  welchen 
sie  kurtzlich  verkaufft  habenn"'');  schließlich  gab  nach  einer  Kämmereirechnung  von 
1477^)  ein  gewisser  „.Michel  Ladewtch  (Ladewich?)  HI  Schill,  vor  bir  im  Kloster  van 
der  bede  wegen". 

Bei  der  recht  schwierigen  Feststellung  der  Klostcreinnahmen  durch  die  Visitatoren 
mußte  noch  dem  Umstände  Rechnung  getragen  werden,  daß  manche  Zinspflichtigen 
sich  die  Reformation  zunutze  gemacht  hatten,  indem  sie  dem  Konvente  eigen- 
mächtig Grundbesitz  entzogen  oder  Abgaben  vorenthielten:  „Etliche  wurde 
(Worthen)  hebben  vns",  wie  die  .Mönche  betreffs  Nietwerders  angaben,  „die 
Barstorpe  to  Wulkow  .  .  genhamen  vnnd  jn  Eren  gebruck  gewanth";  Zins  von 
einigen  andern  Worthen  ebenda  sei  nicht  mehr  in  Brauch  gewesen;  in  Dabergotz 
hätten  die  Abgaben  nicht  mehr  die  wirkliche  Höhe  der  Verschreibungen;  die  drei 
Schock  Groschen  Zinshebung  habe  der  Rat  dem  Konvente  schon  seit  länger  als 
10  Jahren  entzogen;  und  über  den  Herrn  von  Quast  in  Gartz  klagten  sie,  „diewile 
wy  nhu  auer  die  vigilien  vnd  Sielmissen  muth  vallen  lathen,  enthalt  he  vnns  ock 
dat  karne"-). 

Im  Hinblick  auf  alle  diese  urkundlichen  Angaben  ist  es  erklärlich,  wenn  die 
Visitatoren  im  Jahre  1541  schließlich  das  jährliche  Einkommen  des  Klosters  aus 
Abgaben  und  Geldzinsen  auf  nur  13  Wispel  1  Scheffel  Korn  und  6  Schock 
15  Schillinge  festgesetzt  haben. 

Mag  die  Zahl  der  Mönche  in  Ruppin  auch  stets  gering  gewesen  sein,  so 
werden  wir  die  oben  festgestellten  bescheiclenen  Einnahmen  doch  nur  für  einen  Teil 
dessen  halten  dürfen,  was  den  Klosterbrüdern  wirklich  zufloß,  wenn  wir  aus  den 
I.  J.  1541  im  Kloster  vorgefundenen  Sachen  den  Eindruck  eines  gewissen  Wohlstandes 
gewinnen  müssen.  So  berichtet  der  Rat^),  die  Mönche  hätten  unter  anderm  auch 
mancherlei  wertvolles  Hausgerät  gehabt,  „davnter  ein  großer,  schöner  grape 
(gegossener  Metalltopf)  gewesenn,  welchenn  Ihre  zwey  schwerlich  tragenn  konnten; 
den  pflag  mann  Inenn  zu  hochzcytenn  abzumyeten,  drinne  man  hersc  kochtte,  vnnd 
schwerlich  von  der  Stadt  entperen  kann  ....  Es  sollen  auch  die  Munche,  wie  mann 
weytlewfftig  dauon  redet,  zwey  Joecke  (wie  sie  es  genennet)  gehabt  habenn,  vonn 
Silber  und  verguldet,  die  sie  vber  die  korkappenn  gezogen  habenn.  So  schwer  von 
Silber,  daß  etzliche  Munche  sich  beschwerdenn  dieselbigenn  anzuziehenn".  Dazu 
rechne  man  die  nach  Einführung  des  evangelischen  Gottesdienstes  entbehrlich  ge- 
wordenen Kirchengeräte  im  Werte  von  29  Mark  vergoldeten  und  15'-  Mark  weißen 
Silbers-'),  die  nach  einer  Ratsquittung  von  1541  durch  den  Landeshauptmann  Gurt 
von  Rohr  zur  Hilfe  bei  der  bewilligten  Landesstcuer  dem  Rate  überantwortet  und 
zugewogen  wurden,  ganz  abgesehen  davon,  daß  neben  den  verschwundenen  Joecken. 
dem  „vor  III  gülden  vngeuerlich"  einem  Edelmanne  im  Lande  zu  Bellin  verkauften 
Grapen  wohl  auch  mancher  andre  Wertgegenstand  von  den  Mönchen  noch  im  letzten 
Augenblick  verkauft  worden  ist;  denn  sie  „hanndellen  mit  den  guteren,  gleich  wer 
es  Ire  vaterliche  erbe",  berichtet  der  Rat  entrüstet^). 

Bei  solcher  immerhin  günstigen  finanziellen  Lage  war  es  von  selbst  gekommen, 
daß  die  Neuruppincr  Mönche  sich  inuner  reiclioros  und  kostbareres  Ornat  zugelegt 


')  Feldmann  I,  S.  111/12. 

2)  Riedel,  Oescli.  d.  Klosterk.,  S  25  ff. 

3)  Riedel,  Qesch  d.  Klosterk.,  S.  2S/'),  Aiim 
■•)  Riedel  A  A,  S.  3^4 

5)  Rifdcl   A  4,  S.  268. 


Neu-Ruppin 


-     30     - 

hatten.  17  Kasein')  (Meßgewänder)  mit  in  der  Regel  je  2  Dienströcken  fanden 
die  Visitatoren,  goldgestickt,  aus  Seide  oder  rotem,  schwarzem,  blauem  oder  grünem 
Samt,  ferner  16  gewöhnliche  Kasein  und  4  Chorkappen,  rot-,  grim-,  blau-  und  gold- 
gestickt. Wo  war  nach  alledem  die  Einfachheit  des  Dominikus  geblieben,  der  uns 
von  seinen  Zeitgenossen-)  als  „summus  paupertatis  amator ...  in  victu  et  vestitu 
fratrum  ordinis  sui  .  .  et  ornatu  vestium  ecclesiasticarum"  geschildert  wird,  als  Mann, 
der  sein  ganzes  Leben  lang  streng  darauf  hielt,  daß  die  Brüder  „in  ecclesiis  non 
uterentur  vestimentis  purpureis,  vel  sericis  tarn  super  se,  quam  in  altaribus,  nee  vasa 
aurea  vel  argentea  haberent,  praeterquam  in  calicibus" ! 

Ein  nicht  unbeträchtlicher  Wert  mag  schließlich  noch  in  der  Klosterbibliothek 
gesteckt  haben.  Wir  treffen  nämlich  in  Ruppin  mehrfach  Lektoren  an'),  das  sind 
Lehrer  der  Theologie  und  Philosophie,  die  diesen  Rang  erst  nach  schweren  Prüfungen 
seitens  des  Ordens  erlangen  konnten.  Die  Wissenschaft  muß  also  auch  hier  eifrig 
gepflegt  worden  sein. 

In  den  aufgenommenen  Inventarien  von  1541  finden  Bücher  allerdings,  wie  auch 
andern  Ortes,  keine  Erwähnung.  Das  urkundliche  Material  haben  die  letzten 
Mönche  wahrscheinlich  böswillig  vernichtet,  um  ihre  wahre  Vermögenslage  besser 
verheimlichen  zu  können;  die  Bücher  aber  sind  vermutlich,  wie  wir  es  auch  an 
andern  Orten  finden  werden,  zunächst  im  Kloster  geblieben,  bis  ein  Teil  in  die  i.  J. 
1585  vom  Inspektor  Bötticher  und  dem  Bürgermeister  gestiftete  Kirchenbibliothek  ge- 
langte'), während  der  Rest  mit  andern  alten  Klostergegenständen  in  das  damalige 
Rathaus  kam,  wo  alles  am  26.  August  1787  mitverbrannte.  Wenigstens  berichtet  uns 
Dieterich"')  von  einem  dort  befindlichen  Psalterium  auf  105  Pergamentblättern  mit 
Hymnen  u.  a.  auch  für  Dominikus,  deren  am  Schluß  gebotene  stündliche  Absingung 
die  Herkunft  dieses  Buches  außer  Zweifel  setzt.  Die  Pfarrkirchbibliothek  aber  blieb 
trotz  gänzlicher  Einäscherung  der  Marienkirche  1787  wunderbarerweise  erhalten, 
befand  sich  1700")  wieder  in  der  Klosterkirche  und  steht  heutigen  Tages  noch  in  der 
neuerstandenen  Stadtkirche.  Mehrere  Werke,  darunter  besonders  4  dicke,  von 
Mönchshand  geschriebene  Bände,  sind  nach  Bittkau  wohl  mit  Recht  als  die  letzten 
Überbleibsel  einer  Sammlung  anzusehen,  aus  welcher  vor  Zeiten  die  dortigen 
Dominikaner  sich   zu   ihrem   Predigerberufe  vorbereiteten. 

Auf  den  baulichen  Besitz  kommen  wir  in  einem  späteren  Kapitel  zu  sprechen. 

Blicken  wir  zum  Schluß  zurück  auf  die  Kunde,  die  uns  von  des  Ruppiner 
Klosters  Vermögensverhältnissen  insgesamt  überkommen  ist,  so  finden  wir  einen 
wohl  zu  allen  Zeiten  gleichmäßigen,  aber  doch  nur  bescheidenen  Wohlstand,  der 
nie  einen  solchen  Grad  erreichte  wie  bei  den  Prämonstratensern  und  Zisterziensern 
in  der  Mark.  Es  entbehrt  nicht  einer  gewissen  Tragik,  daß  nach  dem  Aussterben 
des  Grafengeschlechtes,  der  uralten  Gönner  des  Klosters,  nach  der  Bestattung  des  letz- 
ten Wichmann  im  Kirchenchore,  auch  das  Kloster  seinem  Ende  entgegenging.  Wenn 
die  Mönche  damals  durch  die  Straßen  zogen  und  ihrem  Schmerze  über  das  Dahin- 
scheiden ihrer  Wohltäter  in  Trauergesängen  Ausdruck  gaben,  war  es  ihnen  nicht 
nur  um  Almosen  zu  tun;  sie  waren  sich  bewußt,  daß  sie  eine  feste  Stütze  verloren 
hatten.  Die  Geschichte  des  Grafengeschlechtes  war  mit  ihrer  eigenen  durch  Jahr- 
hunderte fest  verknüpft  gewesen.  Jetzt  bröckelte  ein  Stück  nach  dem  andern  von 
dem  Besitze  des  Klosters  wieder  ab,  bis  auch  ihm  bald  die  letzte  Stunde  schlug: 
die  Reformation  hielt  ihren  Einzug  in  die  Mark. 
>;  3  Kurfürst  Joachim  1.  hatte  sich  nicht  entschließen  können,  eine  Reform  gutzu- 

^    '  heißen,  die  nach  seiner  Ansicht  nicht  von  einem  einzelnen  Manne  hätte  ausgehen 

dürfen,  sondern  höchstens  von  der  Kirche  selbst  hätte  angeordnet  werden  können. 
Doch  war  es  ihm  nicht  mehr  möglich,  die  immer  heftiger  aus  dem  nahen  Sachsen- 
lande in  die  Mark  hinüberschlagenden,  gegen  den  voller  Mißstände  befundenen 
Katholizismus  gerichteten  Wogen  der  Begeisterung  für  Luthers  Religionsauffassung 
zurückzudämmen,  und  nachdem  gar  sein  Sohn  Joachim  II.  1530  erst  in  Spandau,  dann 
in  Berlin  (?)  das  heilige  Abendmahl  in  beiderlei  Gestalt  genommen  hatte,  war  es  in 
wenigen  Jahien  um  die  Herrschaft  des  Papsttums  in  unseren  Gegenden  überhaupt 
geschehen. 

Auch  in  Ruppin  waren  schon  vor  dem  Übertritt  des  Landesfürsten  freiere 
Religionsanschauungen  aufgetaucht ;  aber  die  ungewöhnlich  starke  Geistlichkeit  in 
dieser  Stadt,  die  bei  festlichen  Gelegenheiten  mit  Einschluß  der  Mönche  wohl  hundert 


Reformations- 
zeit. 


')  Riedel,  Gesch.  d.  Klosterk.,  S.  27. 

')  Analecta,  S.  646,  Aiim.  13. 

3)  F.  Bünger  in:   Zeitschr.  f.  Kircliengesch.  XXXIV,  S.  83;  XXXV,  S.  51,  54,  508,  519. 

^)  Bratring,  Oesch.  d,  Orafscli.  Ruppin,  S.  318. 

5)  M.  Dieterich,  S.  11 1). 


—    31     — 

Priester  ,<;ezälilt  haben  dürfte'),  liatte  stets  die  Oberhand  zu  behalten  gewußt.  So 
galt  es  denn  nocli  15'W  als  etwas  Ungeheuerliches,  als  der  junge  Tuchmachergeselle 
Hans  Litzmann,  der  in  seinen  Wanderjahren  in  Prag  die  Lehren  des  Huß  in  sich  auf- 
genommen, in  Wittenberg  sich  zu  den  Anhängern  des  großen  Reformators  gezählt 
hatte,  mit  zwei  Tuchknappen  im  öffentlichen  Sonntagsgottesdienste  in  der  Kloster- 
kirche den  lutherischen  Gesang  „Vater  unser  im  Himmelreich"  anzustimmen  wagte-'). 
.Wußte  er  auch  vor  den  Mönchen  und  ihren  noch  zahlreichen  .Anhängern  schleunigst 
die  Flucht  ergreifen:  das  mutige  Bekenntnis  leitete  recht  eigentlich  die  neue  Zeit  ein, 
und  schon  zwei  Jahre  später  hatte  das  Ruppiner  Kloster  als  solches  zu  bestehen 
aufgehört.  Man  sieht  noch  heutigen  Tages  an  einer  Gewölberippe  des  Mittelschiffes 
eine  Ratte  und  eine  Maus  abgebildet-'),  zur  Erinnerung  an  die  selbstbewußten  Worte 
eines  .Mönches,  es  würden  die  Lutheraner  diese  Klosterkirche  ebensowenig  bekommen, 
wie  eine  Ratte  hinter  einer  Maus  an  ihren  Gewölben  entlanglaufen  könne,  und  an 
das  noch  während  seiner  Rede  erfolgte  Eintreten  dieses  den  Naturgesetzen  wider- 
sprechenden und  deshalb  für  unmöglich  gehaltenen  Vorganges.  Ein  päpstlicher 
Geschichtsschreiber  aber  schilderte  die  Auflösung  dieses  Konventes:  „Inter  furentis 
Monachi    tumultus    e   regno    Christi    transiit   ad    regnum    Draconis"*). 

Eine  unmittelbare  Folge  der  Reformation  von  weitgehendster  Bedeutung  war 
neben  der  Festsetzung  der  Amtsverrichtungen  aller  geistlichen  Personen  und  der 
rücksichtslosen  Amtsentsetzung  aller  derer,  die  am  alten  festhielten,  die  Verwelt- 
lichung des  gesamten  Kirchenbesitzes,  eine  Maßnahme,  die  der  Kurfürst  auf  Grund  der 
sogenannten  Kirchenvisitation  vollzog.  Er  begründete  die  vorzunehmenden  Besitz- 
feststellungen'') den  Landständen  gegenüber  im  Jahre  1540  mit  der  Tatsache,  daß 
Priester  und  Patrone  von  Stiftungen  auf  jegliche  Weise  im  Trüben  zu  fischen  suchten, 
und  „in  gleichnus  soll  es  auch  mitt  den  Manchen  Inn  Closternn  zu  gheen,  wann  sye 
Irenn  seckel  erfoUen,  so  bcgebenn  sye  sich  nach  Irer  gelegenheytt  Inn  anders  lanndt, 
beraubenn  die  Closter  nitt  alleinn  der  Clenodien  vnnd  barschafft,  sonndern  auch  der 
widerkeufflichenn  Znise  brieffe,  die  sye  volgennden  vmb  halb  geltt  gebenn,  doitiit 
die  Innehaber  der  Brieff  demnach  volkumlichenn  Zins  bekhommen  .  .". 

Was  wir  bei  den  Ruppiner  Mönchen  vermutet  hatten,  scheint  also  allgemeiner 
Brauch  gewesen  zu  sein.  Doch  ließ  die  Regierung  Milde  walten,  verlangte  nicht 
plötzliches  Ausziehen  der  Klosterbrüder,  sondern  beließ  ihnen  gewöhnlich  wenn 
auch  nicht  die  freie  Verfügung  über  ihr  bisheriges  Eigentum,  so  doch  dessen  Nutzung, 
bis  sie  freiwillig  schieden  oder  der  Tod  sie  aus  dem  alten  Heim  entführte.  So  lange 
pflegten  die  Klöster  nur  unter  der  Aufsicht  der  Landesherrschaft  zu  stehen,  dann  erst 
fielen  sie  ihr  als  uneingeschränkter  Besitz  zu. 

Von  den  Ruppiner  Mönchen  verließen  manche  wohl  die  Gegend;  einige  legten 
ihre  Mönchskappen  ab  und  nahmen  lutherische  Pfarrstellen  auf  den  Nachbardörfern 
an;  wieder  andre  sollen  sich  in  der  Stadt  als  Bürger  niedergelassen  und  dort  als 
Brauer  Tüchtiges  geleistet  haben");  nur  zwei  waren  bei  der  Visitation  noch  im 
Kloster  geblieben  und  sahen  den  Veränderungen  ruhig  zu;  wie  lange,  ist  unbekannt. 

Dem  Landeshauptmann  von  Rohr  wurde  die  Aufsicht  übertragen.  Für  gottes-  5;  4.  Neuzeit, 
dienstliche  Handlungen  blieb  das  Kloster  zunächst  unbenutzt,  scheint  aber  sonst  für 
jedermann  zugänglich  gewesen  zu  sein,  da  dort  u.  a.  im  Jahre  1550  „Bursprachen" 
der  vier  Gewerke  abgehalten  wurden').  Der  Kurfürst  entschloß  sich,  wie  zumeist 
anderswo,  so  auch  hier  nicht  sogleich  betreffs  zukünftiger  Verwendung  des  Klosters. 
Ständigen  Bitten  des  Rates  um  Zuschlag  desselben  an  die  Pfarrkirche  war  er  wenig 
geneigt,  weil  diese  ihm  schon  reich  genug  bewidmet  schien;  doch  konnte  auch  das 
kurfürstliche  Amt  Altruppin  die  Gebäude  nicht  recht  verwerten^),  und  so  schenkte 
Joachim  IL  schließlich  den  Vorstellungen  des  Bürgermeisters  Joachim  Kriele  Gehör 
und  überließ  die  Anlage  dem  Rate  der  Stadt").  Die  Urkunde,  die  allein  uns  über  Um- 
fang und  Art  dieser  Zuwendung  genaue  Auskunft  geben  könnte  und  die  Feldtnann  noch 
gesehen  hat'"),  ist  nicht  mehr  vorhanden.  Eine  Inschrift  im  zweiten  Ctiorjoch  der 
Kirche,  nicht  weit  von  der  Totentabelle,  und   die  offenbar  darauf  sich   stützenden 


')  Riedel  A4,  S.  242 

2)  Riedel,  Gesch.  d.  Klosterk.,  S  24/5. 

3)  Schon  bei  Feldmann  II,  S  370;  I,  erwähnt. 
■•)  M    Dieterich,  S.  113. 

5)  Riedel  C  3,  S.  4SQ/00. 

'■)  Bratring,  Gesch.  d.  Orafscli.  Riippin,  S.  Jd4. 
')  M.  Dieterich,  S.  154/5 
s)  Riedel,  Gesch.  d.  Klosterk ,  S  30. 
")  Feldmann  II,  S.  203. 
■0)  Feldniann  II,  S  220  21 


Neu-Ruppin 


-     32     - 

Angaben  des  märkisclien  Chronisten   und   Zeitgenossen  dieser  Ereignisse  sind   die 
einzigen  erhaltenen  Quellen  dafür'): 

„Der  Durchlauchtigster  Hochgeborncr  t"iirst  und  Herr,  Herr  Joachim  dieses 
Namens,  der  andere  Marggraf  zu  Brandenburg  und  Churfürst  in  Preus- 
scn,  Herzog,  unser  Gnädigster  Herr,  haben  auf  unterthänigster  Intercessi- 
on  J.  C.  F.  Q.  Camer-Raths  Matthias  von  Saldern,  und  Churdt  Rohren, 
Hauptmans  der  Prignitz  und  Landes  Ruppin,  dies  Kloster  samt  allen  Zu- 
gehörigen, gnaden  und  Gerechtigkeit,  einen  Ehrbaren  Wohlweisen  Rathe  all- 
hicr,  Freitags  uacli  Luciae  Christi  unsers  emigen  Seeligmacher  und  Erlösers 
Geburt,  im  1504    Jahr  aus  Gnaden  gegeben  und  eingereimet". 

Renovatum.  Anno  MDCCCXXXIX. 
Von  den  früher  erwähnten  Klostereinnalimen  aus  Korn-  und  Geldpächten 
wird  darin  nichts  erwähnt,  und  da  auch  ein  Erbregister  von  1500'-')  nur  berichtet, 
daß  „das  Closter  zu  Neu  Ruppin  neben  denen  daran  gelegenen  (zum  Kloster  ge- 
hörigen?) Freihäusern  .  .  dem  Rathe  daselbst  anno  1564  von  Churfürstlichen 
Gnaden  Erblich  und  Eigenthümlich  übergeben  und  verschrieben  worden"  sei,  ein 
Vortrag  des  Magistrats  beim  Kurfürsten  (i.  J.  1572)-')  sogar  ausdrücklich  spricht 
von  „ierüchen  pechten,  kilchen  vnnd  mißgewanndt,  so  itzo  im  Ampt  Ruppin  ein- 
gezogen", so  handelte  es  sich  bei  obigen  Zuwendungen  offenbar  nur  um  Liegen- 
schaften des  Klosters  in  der  Stadt  selbst. 

Späterhin  müssen  wohl  Streitigkeiten  entstanden  sein  über  den  Umfang  der 
Befugnisse,  die  dem  Rate  auf  Grund  obiger  i'berlassung  zustanden;  denn  1607 
wurde  von  der  Universität  Rostock  ein  Gutachten  eingeholt,  nach  welchem  dem 
Magistrate  die  Jurisdiktion  über  dieses  Kloster  zuerkannt  wurde*). 

Über  die  Verwendung  der  Kirche  durch  den  Rat  erfahren  wir  von  Angelus') 
beim  Jahre  1564:  „Folgendes  hat  man  angefangen/die  Closterkirche  widerumb  in 
bäwlichen  wirden  zubringen/vnnd  hat  M.  Andreas  Buchou,  weyland  Pfarherr  allda/ 
gedachte  Kirch  zur  H.  Dreyfaltigkeit  genennet  vnd  eingeweyhet:  wie  sie  denn  auch 
noch  allewege  (1598)  genennet  wird";  die  Klostergebäude  aber  waren,  nach  dem 
mehrfach  erwähnten  Vortrage  des  Magistrats  beim  Kurfürsten  von  1572-'),  mit  der 
Bestimmung  übergeben  worden,  „alt  Burger  vnd  Burgerinnen,  welche  die  Bürger- 
liche pflicht  vnuermuglichkeit  halber  fort  mehr  nicht  tragen  können,  dorin  zu  be- 
hausen vnd  zu  beherbergen".  Das  Kloster  wird  dabei  als  „zurissen  vnd  fast  ein 
desolat"  bezeichnet  —  kein  Wunder,  da  es  von  1541  bis  1564  unbenutzt  gestan- 
den hat.  ,  •Ji^tjj.'jr 
Die  Bürgerschaft  stand  bei  den  allgemein  erforderlichen  Reparaturarbeiten 
nicht  zurück,  auch  ihrerseits  dazu  beizutragen,  daß  die  neue  Stadtkirche  für  den  neuen 
Gottesdienste  würdig  ausgestaltet  werde,  indem  sie  eine  Orgel,  neue  Kelche  und 
wohl  noch  manches  andre  Stück  zu  deren  Gebrauch  stiftete. 

Schwere  Zeiten  brachen  bald  über  die  Stadt  herein.  Die  Pest  durch- 
zog ganz  Nordeuropa  und  raffte  auch  in  Ruppin  allein  in  dem  einen  Jahre  1611  an 
1900  Personen  dahin-').  Man  brachte  die  Kranken  zu  ihrer  Isolierung  möglichst  in 
dem  an  der  Stadtgrenze  liegenden  Kloster  unter,  errichtete  wegen  Raummangels 
auch  noch  besondere  Hütten  auf  dem  Klosterhofe.  Dann  kam  der  Dreißigjährige 
Krieg.  Während  aber  damals  ganze  Stadtteile  in  Schutt  und  Trümmer  sanken, 
hielten  die  Klostergebäude  alle  Stürme  des  Krieges  aus  und  dienten  nach  wie  vor 
als  Pestbaracken.  Nur  einmal  wurde  die  Kirche  von  feindlichen  Scharen  heim- 
gesucht, als  im  Jahre  1639'^)  die  Schweden  unter  Lille  die  Stadt  erobert  hatten  und 
nun  auch  die  Särge  dei  Grafen  im  Chor  öffneten  und  beraubten.  Hernach  hatte 
die  Stadt  mit  sich  selbst  genug  zu  tun,  um  die  Wunden  wieder  zu  heilen,  die  unglück- 
selige Zeiten  ihr  geschlagen  hatten.  So  kamen  einzelne  Teile  des  Klosters  mehr 
und  mehr  in  Verfall.  Bekmann")  sah  noch  1714  „einige  gebäude  und  gewölbte  gänge 
davon  vorhanden,  von  welchen  jene  von  einigen  alten  Leuten  bewohnet  werden, 
diese  aber  öde  stehen";  doch  wurden  sie  bald  darauf  größtenteils  abgetragen. 
Ihre  Steine  dienten  als  billiges  Material  zu  neuen  Magistratsbauten.  Nur  Kirche 
und  Westgebäude  blieben  erhalten.  Eine  neue  Mauer  umzog  seit  1738')  den  Kirch- 
hof, der  sich  im  Norden  und  Osten  des  Klostergrundstückes  befand;  die  Kirche, 
bereits  1719")  innen  ausgeputzt,  erhielt  in  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts 

')  Engel,  Annal.  ill,  S.  363. 

-)  Feldmann  II,  S.  381/2. 

3)  Riedel  A  4,  S.  274. 

0  Feklniann  II,  S.  220/21. 

^>)  Feldmann  II,  S.  384/5. 

'■)  Bekmann,  handschr.  Nachlaß. 

')  Riedel,  Gesch.  d.  Klosterk.,  S.  46. 

••<)  Feld  mann  II,  S.  274/5. 


-     33     - 


—    35     — 

eine  neue  Innenausstattung,  wie  Kanzel,  Gestühl  und  Emporen.  Im  Westgebäude 
wurden  Wohnungen  eingerichtet  und  nebst  dem  m  klemere  Stucke  geteilten  ehe- 
maligen Klostergarten  vermietet. 

Kaum  begann  sich  der  Wohlstand  in  der  schwer  heimgesuchten  Stadt  wieder 
etwas  zu  heben,  da  brach  eine  neue,  furchtbare  Katastrophe  über  sie  herein:  Am 
•>6  August  1787  vernichtete  ein  gewaltiger  Brand  in  wenigen  Stunden  zwei  Drittel  des 
Ortes  "darunter  das  Rathaus  mit  seinen  wertvollen  Urkunden,  und  außer  mehreren 
andern  Kirchen  auch  die  alte  St.  Marienkirche.  Im  Jahre  1604')  hatte  die  Stadt  noch 
5  lutherische  Kirchen  gezählt,  jetzt  war  außer  2  kleinen  Kapellen  die  Klosterkirche 
die  einzige,  und  lutherische,  reformierte  und  Militärgemeinde  mußten  sich  in  ihre 
Benutzung 'teilen,  bis  im  Mai  1806  die  neue  Pfarrkirche  eingeweiht  wurde  und  damit 
der  Abschluß  des  Wiederaufbaues  der  Stadt  durch  Friedrich  Wilhelm  III.  gemacht  war. 

Neue  Kriegsjahre  kamen.  Die  Verwendung  der  Kirche  zu  Militärmagazinen 
von  Freund  und  Feind  machte  sie  bald  für  gottesdienstliche  Zwecke  unbrauchbar, 
und  seit  der  .Magistrat  im  Jahre  1808-)  die  von  der  französischen  Besatzung  für 
ihre  Bäckereien  auf  dem  Hofe  und  im  Westgebäude  verlangten  Fenster  mit  Gittern 
zur  Kostenersparnis  aus  der  Klosterkirche  hatte  nehmen  lassen,  wurde  es  mit  deren 
baulicher  Verfassung  immer  schlimmer.  Auch  das  letzte  Klostergebäude  wurde 
durch  die  unwürdige  Benutzung  so  mitgenommen,  daß  es  nebst  der  .Mauer  um  das 
ganze  Grundstück  etwa  1816^)  abgetragen  werden  mußte.  Von  den  gewonnenen 
Steinen  führte  man  eine  Mauer  auf  um  den  1798  angelegten  jetzigen  Alten  Kirchhof 
vor  der  Stadt.  Die  Einnahmen  der  Kirche  aus  Gärten,  Kirchenstühlen,  Grabstellen 
und  Klingelbeutel  waren  viel  zu  gering,  um  dem  fortschreitenden  Verfall  Einhalt  ge- 
bieten zu^önnen,  und  der  König  hatte  dringlichere  Pflichten,  konnte  nur  auf  spätere 
Zeiten  vertrösten.  So  kam  es  dtnn,  dali  in  den  dreißiger  Jahren  des  vorigen  Jahr- 
hunderts nach  lieydemanns')  Schilderung  keine  Scheibe  mehr  unversehrt  war,  kein 
Pflaster  mehr  den  Fußboden  bedeckte,  der  Wind  durch  die  leeren  Räume  heulte  und 
der  Regen  in  Strömen  durch  das  Dach  drang  und  die  Höhlungen  der  Gewölbe  er- 
füllte. Ebenso  stolz  aber  wie  vor  Jahrhunderten  ragten  noch  die  alten  .Wauern 
empor,  kein  Stein  hatte  sich  gelöst. 

Da  erklärte  sich  der  König  auf  die  jahrelangen  dauernden  Gesuche  der  kirch- 
lichen und  städtischen  Behörden  hin  endlich  im  Jahre  1834')  bereit,  die  Kosten  der 
Wiederherstellung  zu  übernehmen,  und  somit  war  die  Erhaltung  wenigstens  des 
letzten  Überrestes  des  ältesten  märkischen  Dominikanerklosters  gesichert.  Die  Bau- 
pläne wurden  zum  Teil  von  dem  Ruppiner  Pfarrerssohn  und  damaligen  Oberbau- 
direktor Schinkel  selbst  angefertigt,  die  andern  sah  er  wenigstens  persönlich  durch. 
Leider  ging  es  bei  der  Ausführung  nicht  ohne  Beschädigung  oder  Vernichtung  von 
Altertümern  ab,  wie  wir  später  sehen  werden. 

Wie  man  die  Kirche  selbst  wieder  in  ein  würdiges  Gewand  kleidete, 
so  wurde  auch  der  Platz  ringsum  mit  gärtnerischen  Anlagen  versehen,  und  durch 
Niederreißen  der  Stadtmauer  am  Ende  der  Poststraße  eröffnete  man  den  Ausblick 
auf  den  herrlichen  Ruppiner  See.  ohne  die  geschlossene  Platzwirkung  nach 
dieser  Seite  hin  zu  beeinträchtigen. 

Eine  dritte  und  letzte  Chorinschrift"),  angeblich  unter  der  vorerwähnten 
kleineren,  aber  heute  durch  ein  Bild  verdeckt,  wurde  bei  der  Feier  des  sechshundert- 
jährigen Bestehens  der  Stadt  im  Jahre  1856  angebracht').  Sie  berichtet  uns  nach 
kurzem  Rückblick  auf  die  letzten  Jahrzehnte  von  der  Fertigstellung  der  Kirche: 

„Dieses  Gotteshaus  wurde  seit  dem  Jahre  1806  wiederholt  durch  feindliche  Truppen 
entweiht  und  verfiel  während  des  Krieges  dergestalt,  daß  es  über  30  Jahre  nicht  für  den 
öffentlichen  Gottesdienst  benutzt  werden  konnte.  Durch  Königliche  Gnadenwohltat  wurde 
dieses  erhabene  Denkmal  echt  deutscher  Kunst  und  Frömmigkeit  seiner  eigentlichen  Be- 
stimmung zurückgegeben,  indem  es  auf  Befehl  S.  Majestät  des  Königs  Friedrich  Wilhelm  III. 
mit  einem  sehr  bedeutenden  Kostenaufwande  völlig  wiederhergestellt  und  in  Gegenwart 
Seiner  Majestät  unseres  jetzt  regierenden  Allergnädigsten  Königs  und  Herrn  Friedrich 
Wilhelm  IV.  feierlich  eingeweiht  wurde  am  16.  .Mai  1841." 

Die  weitere  Geschichte  steht  im  engsten  Zusannnenhange  mit  dem  Bau  eines 
massiven  Turmes  und  soll  deshalb  eingeflochten  werden  in  ein  Sonderkapitel 
über  die  sämtlichen  Klosterkirchtürme,  von  denen  uns  Nachrichten  überkommen  sind. 


')  Feldmann  11,  S.  83.  

2)  Heydemann,  S.  82. 

3)  Heydemann,  S.  145  u.  201/5. 
-1)  Heydemann,  S.  183. 

5)  Heydemann,  S  ISl. 
")  Heydemann,  S.  21)1). 
')  Bittkau,  Gesch.  d.  Klosterk.,  S.  28. 


N"eu-Ruppin 


36     - 


2.  Teil:  Die  Baulichkeiten. 

(Blatt  1-5  und  10) 


S  I.   Kirclie.  ^  o"  ^'^^'  ersten  Anlage  des  Klosters  ist  uns  sehr  wenig  bekannt.     Die  ältesten 

Klausurgebäude  haben  schon  vor  Jahrhunderten  andern  weichen  müssen,  und  auch 
diese  sind  bereits  wieder  verschwunden.  Nur  die  Kirche  ragt  heute  noch  auf  einem 
ringsum  freien  Platze  stolz  empor,  ein  prächtiger  Bau  aus  frühem  Mittelalter. 

Das  Kloster  lag  ehedem  im  Stadtbilde  an  einer  Stelle,  die  steil  zum  See  hin  abfiel, 
nahe  der  Stadtmauer,  die  hier  infolge  ihres  natürlichen  Schutzes  den  dreifachen  Wall 
mit  Gräben  entbehren  konnte  (Titelbild).  Die  Kirche  ist,  wohl  auch  wegen  der  Lage 
des  Klosters  im  Stadtbilde,  etwa  um  26 "  nach  Norden  zu  abweichend  orientiert 
(Bl.  5);  doch  soll  der  Kürze  halber  hier  wie  auch  bei  den  folgenden  Kirchen  die 
Längsachse  im  allgemeinen  als  West-Ost-Richtung  der  Beschreibung  zugrunde  gelegt 
werden. 

Sie  besteht  aus  einem  einschiffigen  Chore  und  einem  dreischiffigen  Langhause 
(Bl.  1).  Bei  einer  lichten  Weite  des  Chorraumes  von  9,43  m  zwischen  den  Außen- 
niauern  und  deren  ungewöhnlicher  Stärke  von  1,24  m  auf  der  Südseite,  die  im 
Norden  bis  zu  1,34  m  anwächst,  ergibt  sich  seine  Gesamtbreite  zu  etwa  VI  m, 
während  seine  Länge  von  der  Mitte  der  Rundpfeiler  am  Choranfange,  die  im  Schnitt- 
punkte der  inneren  Wandflucht  der  Chormauern  sowie  der  östlichen  .^bschlußwände 
der  Seitenschiffe  liegt,  bis  zum  polygonalen  Abschluß  30,55  m  beträgt.  Das  hallen- 
artige Langhaus  hat  zwischen  dem  geradlinigen  West-  und  Ostabschluß  der  Seiten- 
schiffe eine  Länge  von  31,94  m,  während  seine  lichte  Breite  zwischen  den  zumeist 
96  cm  starken  Umfassungswänden  sich  auf  17,15  m  beläuft;  nur  die  Westgiebelwand 
ist  1,16  m  dick.    Die  gesamte  innere  Länge  der  Kirche  beträgt  demnach  etwa  62,50  m. 

Der  gegen  das  Mittelschiff  zunächst  um  3  Stufen  erhöhte  Chorfußboden  setzt 
sich  als  trapezförmiger  Ausbau  noch  ein  Stück  in  dessen  östliches  Joch  fort.  Etwa 
beim  Anfang  des  4.  Chorjoches  führen  2  weitere  Stufen  hinauf  zu  dem  Altare,  so 
daß  sich  schheßlich  eine  gesamte  Erhöhung  von  84  cm  ergibt. 

Die  2  >  4  Pfeiler  des  Langhauses,  welche  auffallenderweise  und  offenbar  zur 
Verringerung  der  Mittelschiffsspannweiten  mit  ihren  Achsen  genau  in  der  Flucht 
der  inneren  Chorwand  stehen,  verraten  damit  eine  gewisse  Ängstlichkeit  in  der  da- 
mals in  diesen  Gegenden  noch  unbekannten  Konstruktionsart.  Sie  zerlegen  es  der 
Breite  nach  in  1  Mittelschiff  und  2  durch  ihre  geringen  Breiten  ebenfalls  als 
früh  gekennzeichnete  Seilenschiffe,  der  Länge  nach  durch  genau  gleichmäßige  Auf- 
teilung der  lichten  Weite  in  5  gleichgroße  Joche.  Diese  sind  mit  je  3  oblongen 
Rippenkreuzgewölben  von  derzeit  13,80  m  Schlußsteinhöhe  im  Mittelschiff  und 
12,80  m  in  den  Seitenschiffen  überwölbt  (Bl.  1).  Sie  mögen  auch  in  Ruppin  früher 
höher  über  dem  Fußboden  gelegen  haben,  da  dieser  wohl  zu  Schinkels  Zeiten  und 
auch  1888  mit  Rücksicht  auf  die  Feuchtigkeit  der  Wände  erhöht  worden  ist.  Auch 
der  Chor  hat  solche  Kreuzgewölbe.  Das  westliche  Chorjoch  (Bl.  3)  ist  etwas  breiter, 
und  nur  sein  Schlußstein  ist  etwas  höher  als  die  vorher  erwähnten;  das  2.  und 
3.  Joch  sind  ebenso  breit  wie  ein  Langhausjoch ;  das  4.  ist  etwas  schmaler.  Das 
letzte  Stück  überdecken  einzelne  Kappen  zwischen  Rippen,  die  zusammenlaufen  in 
einen  Schlußstein  über  dem  Mittelpunkte  des  regelmäßigen  Zwölfecks,  von  dem 
7  Seiten  den  Chorschluß  bilden. 

Die  einzelnen  Joche  werden  voneinander  durch  profilierte  Gurte  getrennt,  die 
im  Chor  Halbkreisform  haben,  im  Langhausmittelschiff  flache,  nach  den  Seiten- 
schiffen zu  steilere  Spitzbogenform  annehmen,  in  den  Seitenschiffen  selbst  wegen 
deren  zu  geringer  Breitenentwicklung  etwa  1,90  m  gestelzt  sind  (Bl.  1  und  3).  An 
den  ihnen  parallel  laufenden  Außenwänden  finden  sich  entsprechende  profilierte, 
durchweg  spitzbogige  Wandbögen,  an  den  Schmalseiten  der  äulkren  Schiffe  sowie 
im  letzten  Chorjoch  und  im  Polygon  auch  je  nach  Erfordernis  mehr  oder  weniger 


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gestelzt  (8  und  20  Scliicliten  hoch;  Bl.  3).  Dazwischen  spannen  sich  im  Chor  wieder 
rundbogige,  im  Schiff  spitzbogige  und  nur  hier  etwas  höher  als  die  Quergurte 
ragende  Diagonalrippen,  die  im  Scheitel  gegen  einen  mit  nach  unten  sich  verbreiternder 
Öffnung  durchbohrten  und  in  derselben  mit  zierlichen  Blättern  geschmückten  Schluß- 
stein laufen,  wie  sie  in  Westfalen  üblich  waren.  Die  Mehrzahl  dieser  Schlußsteine 
allerdings  ist  heute  durch  ein  vorgehängtes,  ebenfalls  durchbohrtes  und  mit  ver- 
schiedenem Blattwerk  antikisierenden  Charakters  versehenes  lonstück  verdeckt  oder 
gar  ganz  erneuert  in  einer  Konstruktion,  wie  sie  auf  Bl.  5,  Abb.  8 — 10,  nach 
Bruchstücken  im  Dachboden  dargestellt  ist. 

Alle  diese  Bögen  steigen  zunächst  rechtwinklig  auf  von  den  Kapitellen  ihrer 
Stützen,  der  Schiffspfeilcr  und  Wanddienste.  Bl.  1.  .Abb.  AI  —  A  6,  zeigt  nacheinander 
die  Gewölbeanfänger  der  Chordienste  im  Langchor  und  im  Polygon,  der  Wand- 
pfeiler am  XX'estgiebel  und  am  Choranfang  (unsymmetrisch!),  der  freistehenden 
Schiffspfeiler  und  der  Seitenschiffsdienste.  Dabei  bedeutet  die  starke  Linie  den  Kern 
der  Stütze,  die  darumliegende  schwächere  den  Außenrand  der  Kapitellplatte,  die 
durch  Schraffur  hervorgehobene  die  Linienführung  obiger  Bögen  unmittelbar  über 
dem  Kapitell,  die  sich  erst  allmählich  voneinander  loslösen  und  selbständig  machen. 
Die  Wand-  und  ebenso  die  Diagonalbögen  zeigen  danach  in  der  ganzen  Kirche  unter 
sich  gleiches  Profil.  Während  aber  im  Chor  auch  die  Gurte  den  birnförmigen  Quer- 
schnitt der  Rippen  (Bl.  3)  aufweisen,  sind  sie  im  Langhaus  wesentlich  anders  und 
altertümlicher  ausgebildet.  Die  Längsgurte  bestehen  dort  aus  einem  kräftigen 
Bogen,  der  im  Querschnitt  5  Seiten  des  regelmäßigen  Achtecks  aufweist  und  beider- 
seits von  denjenigen  zarten  Profilen  begleitet  wird,  die  wir  schon  bei  den  Wandbögen 
gesehen  haben.  Die  Quergurte  haben  n  i  c  h  t  die  Form  der  Längsgurte,  wie  Adler  an- 
gibt, sondern  zeigen  einen  zwar  ähnlichen  kräftigen  Bogen  von  nur  wenig  geringerer 
Stärke,  der  aber  durch  geschwungene  Profile  seines  Querschnitts  erheblich  leichter 
wirkt.     Nur  im  Mittelschiff  finden  sich  auch  hier  die  gleichen  begleitenden  Bögen. 

Im  Dachboden  des  Langhauses  sind  nicht  nur  die  Längsgurte  46  cm,  sondern 
nach  früher,  hessisch-westfälischer  Art  auch  die  Seitenschiffsquergurte  30  cm  dick 
bis  zur  Oberkante  des  Hauptgesimses  aufgemauert  (Bl.  1). 

In  dieses  Tragesystem  hinein  spannen  sich  nun  die  stets  nur  >{•  Stein 
(15  cm)  starken,  mit  geringem  Busen  versehenen  und  in  den  Zwickeln  bis  fast  %  ihrer 
Höhe  hintermauerten  Kappen.  1836/41  wurden  die  Rippen  ebenso  wie  die  NX'ände 
und  Stützen  rot  angestrichen,  während  die  Kappen  in  Nachahmung  des  Himmels- 
gewölbes auf  blauem  Grunde  helle,  leuchtende  Sterne  erhielten. 

Zur  Aufnahme  des  von  den  im  übrigen  ganz  unbelasteten  Gewölben  aus- 
geübten und  von  Rippen  und  Gurten  übertragenen  Druckes  dienen  die  Pfeiler  und 
Dienste  (Bl.  1,  Abb.  AI  —  A  6).  Die  freistehenden  Schiffspfeiler  haben  noch  den 
vorzugsweise  im  13.  Jahrhundert  üblichen  Querschnitt,  nämlich  als  Kern  eine  runde, 
unverjüngt  aufsteigende  Säule  von  etwa  1  m  Durchmesser,  die  bis  zur  Oberkante 
des  Kapitells  8,30  m  hoch  ist.  An  diese  lehnen  sich  in  den  Achsen  der  Gurte 
4  kleine,  nur  27  cm  starke  Dreiviertelsäulen  an.  Den  letzteren  entsprechen  an  den 
Längsseiten  des  Schiffes  genau  ebensolche,  bis  zum  Fußboden  herabgeführte  Dienste, 
während  sich  am  Choranfang  eine  zu  drei  Vierteln  freie  einfache  Ecksäule  von 
1,20  m  Durchmesser  befindet.  Der  erste  Pfeiler  links  vom  Haupteingange  wurde 
1836/41  nebst  den  umliegenden  Gewölben  völlig  erneuert,  ein  rechtsstehender  wich 
schon  damals  erheblich  aus  dem  Lot  nach  Norden  zu  ab.  Die  Wandnfeiler  am 
Westgiebel  haben  im  Querschnitt  zunächst  oben  die  kräftige  Form  von  5  Seiten  eines 
Achtecks,  gehen  dann  etwa  in  Höhe  der  Fenstersohlbänke  durch  Einschaltung  eines 
besonderen  Kämpferstückes  (Bl.  1,  Abb.  .\3)  in  die  Gestalt  der  Wanddienste  über. 
Beiderseits  von  diesen  westlichen  Wandpfeilern  nehmen  14  cm  starke  und  nur  2  m 
lange,  durch  einfach  profilierte  Konsolen  abgefangene  Dienste  die  Diagonalrippcn 
auf  (Bl,  1,  Abb.  A3).  Die  Dienste  in  den  4  äußersten  Ecken  des  Langhauses  von 
14  cm  und  diejenigen  im  Langchor  von  17  cm  Stärke,  deren  Kapitell  aulierdem  etwa 
85  cm  höher  liegt  als  bei  den  Schiffsdiensten,  sind  bis  zur  Fenstersohlbank  herunter- 
geführt und  werden  dort  von  frühgotischen  halbkugelförmigen,  mit  Blättern  be- 
legten Konsolen  aufgenommen,  wie  sie  Bl.  5,  Abb.  15 — 19,  unter  45"  von  unten  ge- 
sehen zeigt.  Die  14  cm  starken  und  um  noch  weitere  30  cm  hoch  ragenden  Polygon- 
dienste endlich  laufen  ohne  Basis  gegen  den  Fußboden  (Bl.  3). 

Als  lichte  Weiten  zwischen  den  Diensten  ergeben  sich  für  das  .Wittelscliiff 
7,96  m,  für  den  Langchor  9,15  m,  für  die  Seitenschiffe  2,92  m. 

Die  Kapitellformen  der  Chordienste  mit  aufgelegten,  ebenfalls  frühgotischen 
Blättern  zeigt  im  Schema  Bl.  5,  Abb.  1 — 7,  während  das  zumeist  kelchfönnige  Wand- 
dienstkapitcH    und   das   ursprünglich    einfach    karniesförmige,    29   cm    hohe   Pfeiler- 


Neu-Ruppin 


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dienstkapitell,  um  den  ganzen  Schiffspfeiler  fortgesetzt,  nebst  den  zugehörigen,  24  cm 
hohen  Basen  aus  Bl.  1,  Abb.  A  5  —  A  6,  ersichtlich  ist.  Die  runden  Ecksäulen  ent- 
lehnen die  Basis,  die  sich  an  den  Stufen  totläuft,  den  Diensten,  das  kariüesförmige 
Kapitell  den  Pfeilern.  Um  das  ganze  Ecksäulenkapitell  und  um  die  Kapitelle  nur  der 
Schiffspfeilervorlagen  legen  sich  heute  verschiedene  mit  Gips  angeheftete  Blattformen 
aus  Ton  u.  a.  derart,  wie  sie  das  Hauptportal  auf  Bl.  5,  Abb.  12,  auch  zeigt. 

Von  den  durch  Dienste  und  Wandbögen  der  Gewölbe  gebildeten  einzelnen 
Wandteilen  sind  nur  die  in  den  3  ersten  Chorjochen  auf  deren  Südseite  ohne 
Belassung  von  Fensterblenden  geschlossen,  weil  daselbst  ehedem  das  Ostgebäude 
gegenstieß  (Bl.  3).  Sie  tragen  hier  im  2.  Joche  die  früher  erwähnten  kleineren  In- 
schriften; das  dritte  ist  fast  ganz  von  der  großen  Gedächtnistafel  der  Grafen 
ausgefüllt.  Sämtliche  andern  sind  jetzt  von  Fensteröffnungen  durchbrochen, 
während  früher,  nach  dort  vorhandenen  Kalkleisten  zu  urteilen,  im  Süden  das 
1.  Langhausjoch  und  die  ganze  Langchorwand')  geschlossen  gewesen  sein  müssen 
(Bl.  2).  Auf  der  Nordseite  des  Langhausmitteljoches  (Bl.  2)  befindet  sich  jetzt 
eine  Rose  von  etwa  3^4  m  lichter  Öffnung,  durch  einfache  Profilierung  mit  ein- 
gesetztem kräftigem  Wulst  (Bl.  1)  aus  der  starken  Wand  allmählich  übergeleitet  zu 
dem  radial  sich  entwickelnden  Maßwerk.  Bei  Adler  ist  hier  (versehentlich?)  noch 
eine  Putzblende  angegeben,  die  demnach  scheinbar  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des 
19.  Jahrhunderts  durchbrochen  und  mit  Maßwerk  nach  Schinkelschem  Entwurf") 
nachträglich  ausgefüllt  worden  ist.  Am  Westgiebel  (Bl.  1)  hat  das  Mittelschiff  ein 
dreiteiliges  Fenster  von  2  m  i./L.  Die  Pfosten  schließen  sich  oben  als  einfache  Spitz- 
bögen ohne  Nasen  zusammen  und  tragen  einen  Dreipaß,  dessen  oberer  Kreisteil  mit 
kleinerem  Radius  geschlagen  ist.  Alle  andern  ebenfalls  spitzbogigen  Fenster  sind  bei 
ihrer  altertümlich  geringen  lichten  Weite  von  1,35  m  nur  zweiteilig  und  haben,  bei 
gleicher  Pfostenendigung  wie  vorher,  oben  einen  Vierpaß  (Bl.  1).  Dieses  Maßwerk 
ist,  soweit  es  sich  bei  seiner  großen  Höhe  erkennen  läßt,  unter  Nachahmung  des 
ursprünglichen  durch  Schinkel  in  bedeutendem  Umfange  erneuert  worden,  weim- 
gleich  zu  beachten  ist,  daß  es  auf  seinen  Entwurfszeichnungen  dreiteilige  Pässe  für 
das  Langhaus  besitzt;  noch  jetzt  finden  sich  auf  dem  Kirchenboden  zahlreich  solche 
großen  gebrannten  Tonstücke,  aus  denen  es  zusammengesetzt  ist  .und  die  nach 
Färbung  und  Struktur  mit  Sicherheit  als  ganz  jung  bezeichnet  werden  können. 
Während  das  neuzeitliche  Pfostenprofil  der  Rose  glatt  geschnitten  und  somit  an 
beiden  Außenseiten  flach  ist,  wird  ihm  bei  allen  Langfenstern  innen  ein  Rundstab 
vorgelegt,  dei'  im  Kämpfer  im  Schiff  kelchförmige,  im  Chor  karniesförmige  Kapitelle 
und  am  unteren  Ende  nur  im  Chor  noch  vorhandene  Basen  von  derselben  Profil- 
gebung  hat  wie  die  Schiffsdienste  (Bl.  1,  Abb.  F  1 — 3).  Die  heutige  Verglasung, 
am  Polygon  bunt  gemustert,  an  allen  andern  Stellen  aus  weißem  Kathederglas, 
stammt  aus  den  Jahren  1836 — 41. 

Durch  die  verschiedenen  Wandbogenhöhen  ist  auch  die  größere  Höhe  der 
Fenster  in  Chor  und  Mittelschiff  gegenüber  den  andern  bedingt.  Ihre  tiefen  Leibun- 
gen sind  sehr  flach  geschmiegt  und  ohne  jegliches  Profil.  Nur  das  nördliche  Fenster 
des  1.  Chorjoches  liegt  beiderseits  in  einer  L5  cm  breiteren  und  ebenso  tiefen  Nische, 
die  früher  zum  mindesten  überall  im  Langchor  vorhanden  gewesen  sein  wird 
(Bl.   1—3). 

Die  Sohlbänke  werden  im  allgemeinen  beiderseits  aus  schrägen,  abgetreppten 
Profilsteinen  unter  etwa  40  "  Neigung  gebildet ;  am  Westgiebel  jedoch  und  an  der  süd- 
lichen Langhausseite  finden  sich  außen  ganz  flache,  geputzte  Abwässerungen  jüngeren 
Datums  (Bl.  1  u.  3).  Die  Unterkante  der  Sohle  liegt  durchschnittlich  3,30  m  über 
dem  Schiffs-  oder  dem  um  3  Stufen  erhöhten  Chorfußboden.  Nur  an  der  südlichen 
Chorwand  schneidet  sie  erst  30  cm  höher  in  die  Wand  ein  (Bl.  2). 

Die  Zone  unterhalb  der  Fenster  zeigt  zahlreiche  Durchbrechungen.  Wir  finden 
zunächst  im  2.,  4.  und  5.  Langhausjoch  (Bl.  3)  in  85  cm  Höhe  3  kleine,  satteldach- 
artig überdeckte  Nischen  von  40  cm  Tiefe  und  64  -88  cm  größter  Weite.  Gleiche 
Gestalt  zeigt  bei  etwas  größeren  Malkn  eine  Maueröffnung  am  Chorschluß 
hinter  dem  Altare  und  eine  kleinere  im  nördlichen  Seitenschiff,  unmittelbar  neben 
der  dortigen  Ecksäule  (Bl.  1),  während  sich  an  die  gegenüberstehende  nach  dem 
Chor  zu  eine  hohe,  schmale,  rundbogig  überdeckte  anschließt  mit  einer  Podeststufe 
zur  Vergrößerung  ihrer  nur  20  cm  betragenden  Grundfläche  (Bl.  3). 

Neben  diesen  unter  einem  rechten  Winkel  in  die  Mauer  eingeschnittenen  Nischen 
finden  wir  an  der  Südseite  des  Chors  (Bl.  3)  auch  solche  mit  profilierten  Leibungen: 
zunächst   am    Chorschluß    eine   kleine   Spitzbogennische   oberhalb    des    Fußbodens 

')  Bei  Merlan  (Titelbild)  und  Petzold  (Tafel  49)  also  falsch  dargestellt. 

2)  Vgl.  Schinkels  Entwurf  für  die  Westfront,  Bl.  5,  Abb.  22,  mit  der  Rose  im  Giebel. 


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(Bl.  4,  Abb.  3  A— C)  und  im  Nebenjoch  eine  große  mit  Nasen,  auf  einer  mit  der 
Wandflucht  bündigen  Stufe  aus  schwarzen  Glasursteinen  stehend  (Bl.  4,  Abb.  2  .\— C). 
Weder  hier  noch  bei  der  an  entsprechender  Stelle  in  der  Brandenburger  und  Prenz- 
lauer Kirche  befindlichen  Nische  sind  irgendwelche  Spuren  von  Tiirverschlüssen 
oder  Einlassungen  in  der  Rückwand  oder  im  Boden  mehr  festzustellen,  die  auf 
ehemalige  W^andschränke  oder  Benutzung  dieser  Nischen  als  Piscina  oder  Lavabo 
hinwiesen,  obwohl  gerade  die  letztere  Art  der  Benutzung  im  Hinblick  auf  andre 
Oidenskirchen  sehr  wahrscheinlich  ist.  Das  sich  anschließende  4.  Chorjoch  hat 
eine  viel  ältere  spitzbogige  Portalnischc  mit  14  cm  starkem  Wulst,  der  im  Kämpfer 
Kelchkapitelle  und  am  unteren  Ende  Basen  mit  aufgelegten  Eckblättern  zeigt  (Bl.  4, 
Abb.  5  A— C,  und  Bl.  5,  Abb.  13—14),  während  ein  zweiter  Portalüberrest,  im  1.  Chor- 
joch befindlich,  außer  dem  Wulst  eine  Hohlkehle  besitzt,  aber  weder  Kapitell  noch 
Basis  aufweist  (Bl.  4,  Abb.  7  A— C). 

Ganz  durchgebrochen  sind,  wieder  abgesehen  von  den  neuen  Türmen,  noch 

3  spitzbogige  Türen.  Zwei  davon  finden  sich  im  1.  Langhausjoche.  Die  südliche 
(Bl.  4,  Abb.  6  A— C)  mit  reicher,  ohne  Unterbrechung  durchgeführter  Profilierung 
nach  innen  zu  führt  in  einen  kleinen,  durch  ein  Spitzbogenfensterchen  erleuchteten 
und  seitlich  abgeschlossenen  Teil  der  (überall  vorhandenen?)  Hohlräume,  die  durch 
Ausmauerung  des  unteren  Teiles  der  südlichen  Schiffsstrebepfeiler  entstehen  (Bl.  1); 
die  nördliche  (Bl.  4,  Abb.  1  A— C)  hat  im  inneren  Anschlag  noch  heute  die  Haken 
der  ehemaligen  Tür,  während  außen  beiderseits  je  2  Ganzsäulen,  aus  40—50  cm 
langen  Stücken  und  einbindenden  Ringen  zusammengesetzt,  über  Kelchkapitellen 
mit  sehr  stark  modellierten  Blättern  (Bl.  5,  Abb.  11)  sich  nach  oben  hin  in  Wülsten 
fortsetzen.  Basen  sind  nicht  mehr  vorhanden.  Auch  das  Hauptportal  im  mittelsten 
Langhausjoche  (Bl.  4,  Abb.  4  A— C)  zeigt  nach  innen  hin  nur  den  alten  Anschlag; 
außen  stehen  beiderseits  je  3  Säulen,  die  äußeren  aus  längeren  Tonstücken  ohne  Ringe, 
die  innere  aus  Profilsteinen  von  IT)  cm  Höhe  zusammengesetzt.  Das  Kapitell  mit 
Blättern  in  strengen  Formen  und  die  Basis  ist  auf  Bl.  5,  Abb.  12,  dargestellt.     Die 

4  äußeren  Säulen  sowie  die  ganze  Kapitell-  und  Basiszone  zeigen  nicht  die  Über- 
reste eines  mittelalterlichen  Überzuges  mit  Pfeifenton  und  Spuren  ehemaliger  Be- 
malung darauf,  die  sich  an  allen  andern  Stellen  der  unteren  Portalwandungen  fest- 
stellen lassen.  Sie  sind  daher  als  spätere  Erneuerungen  oder  gar  als  Er- 
gänzungen zu  betrachten  und  könnten  vielleicht  aus  Schinkels  Zeit  stammen. 
Nach  oben  hin,  über  die  Kapitellzone  hinaus,  setzt  sich  nur  das  Profil  der  inneren 
Säule  fort,  während  sich  über  den  äußeren  und  stärkeren  an  Stelle  von  Wülsten  reich 
profilierte  Bögen  erheben,  die  früher  wohl  ebenfalls  in  den  Wandungen  gewesen  sind. 
Ein  dachartig  nach  außen  abgeschrägter  Giebel  von  schwarzen  Glasursteinen 
spannt  sich  darüber  zwischen  die  Strebepfeiler  und  vermittelt  so  den  Übergang 
von  der  Kirchenwandflucht  zum  vorspringenden  Hauptportal.  An  der  Spitze  dieses 
Giebels  ist  ein  Rest  einer  ehemaligen  Kreuzblume  (aus  Kalkstein?)  aus  Schinkels 
Zeit  noch  vorhanden;  unmittelbar  darüber  befindet  sich  die  Rose:  in  dieser  Zu- 
sammenstellung eine  alte  Gruppe. 

Nur  an  diesen  beiden  Portalen  der  nördlichen  Langhauswand  sind  Spuren 
alter  farbiger  Bemalung  noch  zu  erkennen. 

Die  Außenseiten  (Bl.  1 — 2)  zeigen,  mit  Ausnahme  eines  Stückes  der  süd- 
lichen Chorwand,  der  inneren  Jochteilung  entsprechende  Strebepfeiler,  ursprünglich 
überall  ohne  Absätze,  mit  einfacher  oberer  Abischrägung  versehen,  am  Chor  etwa 
60X75,  am  Westgiebel  80 '^' 100,  an  den  Langhausseiten  97  -MSO  cm  stark  und 
nur  hier  oben  mit  kleinen,  satteldachartig  abgedeckten  Strebepfeilerchen  von 
30  X  30  cm  Querschnitt  geschmückt.  An  den  Ecken  der  Westfront  dagegen  erheben 
sich  2  achteckige,  turmartige  und  mit  einer  kleinen  Pyramide  abgedeckte  Strebe- 
pfeiler von  etwa  2  m  Durchmesser,  ebenso  gestaltet  wie  ein  etwas  größerer  Treppen- 
turm an  der  Nordostecke  des  Langhauses.  Die  nicht  rechtu'inklig  zur  Längsachse 
der  Kirche  gerichteten  Strebepfeiler  am  Polygon  sowie  der  zunächst  auf  der  Nord- 
seite folgende  haben  hinter  ihrem  jetzigen  Abschluß  eine  dreieckige  Putzfläche.  Die 
massive,  schräge  .Abdeckung  der  bereits  erwähnten  Ausmauerung  zwischen  den 
Strebepfeilern  auf  der  südlichen  Langhausseite  reicht  bis  fast  SO  cm  unter  die 
Fenstersohle  hinauf.  Etwa  in  Höhe  ihrer  Traufe  ansetzend,  sind  hier  vor  die 
Strebepfeiler  kleine  Absätze  gefügt,  .\usmauerung  und  Vorlagen  stammen  wohl 
aus  Schinkels  Zeit. 

Den  Chor  umzieht  ein  3  cm  vorspringender  Sockel  von  behauenen  Granit- 
steinen, der  an  den  3  ersten  Jochen  der  Nordseite  in  Backstein  übergeht  und  zu- 
meist eine  1  iöhe  von  durchschnittlich  40  cm  aufweist  (Bl.  2).  Das  Stück  der  fenster- 
losen Südwand  tlagegen  bis  etwa  zum  ersten  dortigen  Strebepfeiler  hin  ist  infolge 


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Absetzens  doppelt  so  hoch.  Da  die  Gegenseite  unter  Erdboden  nicht  abgeglichenes 
Feldsteinfundament  zeigt,  kann  man  auch  an  Stelle  des  jetzigen  hiiM' befindlichen  Back- 
steinsockels für  frühere  Zeit  em  höheres  Feldsteinfundament  annehmen,  das  durch 
starke  Beschädigung  infolge  Abbruchs  der  früher  hier  vorhanden  gewesenen  Sakristei 
und  äußeren  Emporentreppe  erneuerungsbedürftig  geworden  sein  mag.  Der  Ost- 
abschluß des  nördlichen  Seitenschiffes  (jetzt  verdeckt),  der  Treppenturm,  die  Nord- 
seite des  Langhauses  und  deren  4  Strebepfeiler  erheben  sich  auf  einem  an  den  beiden 
obersten  Schichten  glasierten,  profilierten,  niedrigen  Backsteinsockel  (Bl.  3,  Abb.  S  3), 
dessen  unteres  Profil  am  Westgiebel  in  gleichartiger  Verwendung  nur  zwischen  den 
Strebepfeilern  auftaucht,  während  das  obere  ebenda  sich  als  Kaffgesims  unter  den 
3  Fenstern  hinzieht  und  um  die  mittleren  und  die  beiden  Eckstrebepfeiler  herum- 
kröpft (Bl.  1  u.  Bl.  3,  Abb.  S  1^2).  Neben  einigen  gut  erhaltenen,  sehr  alten  schwarzen 
Glasursteinen,  aus  denen  bei  Beschädigungen  immer  ganze  Stücke  abgesprungen 
sind,  finden  sich  zumeist  solche,  die  vermutlich  in  Schinkelscher  Zeit  ergänzend  zu- 
gefügt sind  und  jetzt  schon  wieder  erneuert  werden  könnten,  weil  die  dünne  Deck- 
schicht stark  abblättert.  Der  Sockel  ragt  nur  noch  etwa  80  cm  in  den  Erdboden 
hinein,  und  diese  Fundamente  sind  trocken,  ohne  Mörtel  verlegt  und  gehen  nicht 
bis  auf  den  guten  Baugrund  hinunter,  der  auf  der  Seeseite  erst  in  etwa  2  m  Tiefe 
beginnt. 

Das  Hauptgesims  des  Chors  ist  4  Schichten  hoch.  Es  wirkt  besonders  durch  eine 
große  Hohlkehle  viel  kräftiger  als  das  ebenso  hohe,  aber  weit  ziedicher  profilierte 
Hauptgesims  des  Langhauses  (Bl.  3),  welches  überdies  unter  den  abschließenden 
Pyramiden  der  Eckstrebepfeiler  und  des  Treppenturmes  sowie  an  dem  Rest  eines 
ehemaligen  Gesimses  wiederkehrt,  das  sich  unterhalb  des  jetzigen  noch  an  der  süd- 
lichen Chorwand  befindet.  Dieses  letztere  ist  nach  unten  hin  verbreitert  durch  einen 
Kreuzbogenfries,  dessen  geschwungene  Bogensteine  auf  wenig  vorragenden  einfachen 
Konsolsteinen  ruhen  (Bl.  3).  Jede  Konsole  ist  '-.•  Stein  breit,  und  zwischen 
je  zweien  steht  hochkant  ein  ganzer  Stein.  Diese  Hochkantschicht  aus  abwech- 
selnd einem  halben  und  einem,  ganzen  Steine  zieht  sich  in  genau  derselben  Ent- 
fernung unter  dem  jetzigen  Hauptgesims  auch  auf  der  Nordseite  des  Chores  bis 
zu  gleicher  Entfernung  vom  Seitenschiff  hin  wie  an  der  Südseite  (Bl.  2).  Die  Er- 
haltung dieses  Gesimsstückes  ist  wohl,  ebenso  wie  z.  B.  bei  der  Marienkirche  in 
Rathenow,  nur  dem  Umstände  zu  verdanken,  daß  ein  nachträglich  angefügter  Bau 
darüberweg  lief. 

Die  äußere  Kirchenwand  trägt  noch  mancherlei  Spuren  ehemalig  anstoßender 
Bauten.  In  der  nördlichen  Ecke  zwischen  Langhaus  und  Chor  war  bis  vor  kurzem 
an  der  Choi-w-and  eine  gegen  das  Seitenschiff  bis  zu  etwa  4  '/i..  m  ansteigende  schräge 
Kalkleiste  sichtbar.  Ebenfalls  auf  der  Nordseite,  beim  3.  Chorjoch,  ist  noch  der  An- 
schluß eines  kleinen  Satteldaches  erkennbar,  dessen  First  etwa  5  m  hoch  war 
(Bl.  2).  Auf  der  Südseite  bemerkt  man,  außer  einer  nach  Osten  ansteigenden  hohen 
Kalkleiste  am  achteckigen  Strebepfeiler  und  einer  ebensolchen  nach  Westen  gerich- 
teten beim  4.  Chorjoche,  die  bemerkenswerterweise  nicht  über  den  Strebepfeiler, 
wohl  aber  über  das  Fenster  sich  hinzieht,  vor  allem  an  dem  fensterlosen  Teile  der 
Chorwand  mehrere  Bögen  neben-  und  übereinander,  sämtlich  '■_.  Stein 
breit  (Bl.  2).  Im  Erdgeschoß  liegt  im  Osten  ein  halbkreisförmiger  Bogen,  auf  den  in 
etwa  1  m  Abstand  3  jetzt  zum  Teil  verdeckte  Spitzbögen  gleicher  Höhe  nach  Westen 
zu  folgen.  Im  Obergeschoß  wiederholt  sich  der  Rundbogen  über  dem  unteren, 
während  sich  über  die  3  kleinen  Spitzbögen  ein  großer  spannt,  der  über  das  alte 
Hauptgesims  hin  sich  an  dessen  Steinen  durch  vorhandene  Kalkspuren  verfolgen  läßt. 

Es  bleiben  noch  die  Giebel  zu  betrachten  (Bl.  1).  Beide  liegen  bündig  mit  der 
Dachneigung!  Am  Ostgiebel  sind  2  kleine,  schmale  Schlitzfenster  vorhanden  ge- 
wesen. Er  wird  innerhalb  des  Daches  von  einem  großen,  starken  Spitzbogen  ge- 
tragen. Wo  sich  am  Westgiebel  die  Ecktürmchen  von  der  Giebelschräge  loslösen, 
ist  ein  Gurt  aus  schräg  verlegten  Normalsteinen  gezogen,  auf  dem  über  dem  drei- 
teiligen Mittelschiffsfenster  jetzt  ein  zweiteiliges  mit  dem  MafnNerk  der  entsprechen- 
den Kirchenfenster  steht.  Ihm  zur  Seite  befinden  sich  in  gröl5erer  Entfernung 
2  schmale,  hohe,  geputzte  Blenden.  An  der  Giebelspitze  stehen  3  weitere  Putzblenden, 
die  seitlichen  niedriger  als  die  mittlere.  Sie  sind  1906,  bei  Ersatz  der  seit  Schinkels 
Turmbau  etwa  in  6  m  Breite  in  heutigem  Normalformat  vorhanden  gewesenen 
Giebelspitze  durch  altes  Klosterformat,  hinzugefügt  worden.  Alle  6  Wandeinschnitte 
sind  spitzbogig  und  an  den   Kanten  einfach  abgefast,   die  Blenden     '-    Stein    tief. 

Über  das  ganze  Langhaus  breitet  sich  ein  großes  Satteldach.  Es  liegt  mit 
seinem  First  noch  etwa  13,30  m  über  dem  außen  durchschnittlich  ebenfalls  13,30  m 
hohen  Hauptgesimse.    Gegen  seinen  Ostgiebel  stößt  das  jetzt  etwa  l.fiO  m  höhei-  an- 


41 


-     43     - 

setzende  steilere  Chordach,  so  dali  bei  seiner  Gesamthöhe  von  rund  10,10  m  sein 
First  etwa  1,60  m  unter  dem  des  Schiffsdaches  bleibt.  Am  Ende  geht  es,  der 
Orundrißform  entsprechend,  in  einen  Teil  der  zwölfseitigen  Pyramide  über.  Das 
alte  Chorgesims  liegt  etwa  2,70  m  unter  dem  jetzigen  und  1,10  m  unter  dem 
Schiffsgesims. 

Von  dem  mittelalterlichen  Dach  fniden  sich  nur  noch  über  dem  Langhause  geringe 
Teile  (Bl.  1  u.  3),  die  aber  genügen,  um  den  alten  Zustand  daselbst  noch  festzustellen. 
Zunächst  bildete  jede  Sparrenlage  bei  Achsenabständen  von  1,10  m  in  mittelalter- 
licher Weise  einen  selbständigen  Binder  für  sich;  zwei  in  der  Längsrichtung  durch- 
gehende Hölzer  sind  nicht  Pfetten,  die  nur  alle  paar  Meter  einen  Binder  erforderlich 
machen  würden,  sondern  dienen  lediglich  dem  Längsverbande. 

Die  Dachkonstruktion  ruht  auf  den  Außenwänden  und  der  bis  zur  gleichen 
Höhe  aufgeführten,  46  cm  starken  Übermauerung  der  Längsgurte.  Hierauf  liegen 
außen  2  Mauerlatten  13/13,  innen  nur  eine  12/22.  In  jedem  Gespärre  hält  über  den 
Seitenschiffen  ein  Balken  22/22  diese  Mauerlatten  zusammen.  Auf  dessen  innerem 
Ende  steht  ohne  besondere  Schwelle  ein  Stiel  22/22,  der  mit  seinen  Nachbarn  in 
der  Mitte  durch  einen  Riegel  13/13,  am  oberen  Ende  durch  ein  Langholz  22  26, 
außerdem  durch  lange,  aufgeblattete  und  -genagelte,  schräge  Streben  10;12  ver- 
bunden ist.  Diese  gezimmerte  Wand  erfüllt  dieselbe  Aufgabe  wie  die  massiven 
Bogenmauern  mancher  frühen  französischen  und  auch  einiger  westdeutschen  Hallen- 
kirchen: sie  bildet  das  Auflager  für  den  selbständig  ausgebildeten  Teil  des  Daches 
über  dem  Mittelschiffe,  den  wir  schon  um  1200  bei  St.  Nazaire  zu  Carcassonne  und 
bei  Notre  Dame  in  Poitiers  finden.  Zu  diesem  Zwecke  sind  zunächst  die  beiden 
gezimmerten  Wände,  weil  wegen  der  höherragenden  Mittelschiffsgewölbe  ein  durch- 
gehender Binderbalken  von  den  Außenmauern  her  nicht  möglich  war,  über  das 
.Mittelschiff  weg  unter  sich  einmal  in  geringer  Entfernung  über  dem  Gewölbe  durch 
einen  22/22  starken,  zapfenartig  durch  den  Stiel  gesteckten  und  dahinter  mit  einem 
Holznagel  angepflockten  Anker  versteift,  sodann  auch  noch  durch  einen  über  dem 
vorerwähnten  Längsverbande  liegenden  Kehlbalken  desselben  Profils;  1  bezw.  2  an- 
geblattete und  -genagelte  Kopfbänder  13/16  verstärken  ihre  Verbindung  mit  den 
einzelnen  Stielen.  Auf  obigem  ersten  Kehlbalken  steht  nach  den  Enden  zu  je  ein 
Stiel  L5/15  zur  Unterstützung  eines  zweiten,  und  etwa  in  der  Mitte  zwischen  diesem 
wieder  und  der  Firstlinie  liegt  noch  ein  sogenannter  Hahnenbalken,  beide  Hölzer  eben- 
falls 15/15.  Kreuzstreben  12/12  vom  untersten  Kehlbalken  bis  zum  oberen  Sparren- 
ende verbinden  diese  Hölzer  untereinander.  Die  Dachteile  über  den  Seitenschiffen  sind 
nun  an  diesen  in  sich  festen  Mittelteil,  als  Nebenkonstruktion  behandelt,  in  einfacher 
Weise  durch  eine  Strebe  zur  gezimmerten  Wand  und  einen  Stiel  zum  Seitenschiffs- 
anker angeschlossen.  Am  Sparrenfuß  findet  sich  ein  kleiner  Aufschiebung;  daß  die 
Sparren  bei  ihrer  Länge  gestoßen  sind,  ist  selbstverständlich.  Geringe  Reste  lassen 
schließen,  daß  sie  unter  sich  durch  aufgenagelte  schräge  Latten  verbunden  waren, 
die   ebenso  wie  die  gezimmerte  Wand    dem  Längsverbande  dienten. 

Vergleiche  mit  zeitlich  festgelegten  Dächern  früher  Hallenkirchen  lassen  vor 
allem  wegen  des  Vorhandenseins  einer  gezimmerten  Wand,  die  zwar  die  Selbstän- 
digkeit der  einzelnen  Gespärre  beeinträchtigt,  doch  ohne  daß  bereits  die  am 
Ende  des  Mittelalters  sich  einbürgernden  Pfetten  auftreten,  dieses  in  einigen  Resten 
erhaltene  Dach  als  im  14. — 15.  Jahrhundert  entstanden  erscheinen.  Da  wir  aus  der 
Klosterbaugeschichte  erfahren  werden,  daß  ein  großer  Brand  1465  gewaltige  \'er- 
wüstung  unter  den  Gebäuden  anrichtete,  1488  die  Kirche  selbst  mit  einem  neuen 
Dachreiter  geschmückt  wurde,  kann  man  wohl  auf  vorherige  Zerstörung  auch  des 
Daches  der  nicht  erwähnten  Kirche  schließen  und  das  eben  besprochene  somit  als 
am  Ende  des  15.  Jahrhunderts  errichtet  ansehen. 

Die  angeführten  Holzstärken  sind  Mittelmaße;  eine  andre  Angabe  ist  meist 
nicht  möglich,  weil  viele  der  fast  ausschließlich  verwandten  Eichenstämme,  be- 
sonders die  kürzeren,  oft  nur  an  den  unteren  Enden  behauen  sind,  während  sie 
oben  noch  fast  runden  Querschnitt  aufweisen. 

Von  diesem  alten  Dache  sind  die  gezimmerten  Wände  einschließlich  ihrer 
Querversteifungen  mit  nur  geringen  Veränderungen  erhalten,  ferner  5  fast  voll- 
ständige Gespärre.  Alles  andre  im  Schnitt  auf  Bl.  1  Schraffierte  stammt  wohl  aus 
der  Zeit,  wo  unter  Schinkels  Oberleitung  bis  1841  auch  das  sehr  schadhafte  Dach 
großenteils  erneuert  wurde.  Man  hat  damals  u.  a.  die  unteren  .Ankerbalken  des 
Mittelschiffs  teilweise  zu  Hänge-  und  Sprengewerken  ausgebildet,  die  durch  Eisen- 
anker mit  den  dachtragenden  A\auerteilen  verbunden  wurden,  um  so  den  Gewöibe- 
druck  auf  diese  zu  vermindern.  Ferner  wurde  zu  dieser  Zeit  unter  vielfacher  \'er- 
wendung  des  vorhandenen  Holzes  über  dem  .Wittelschiff  und  den  Seitenschiffen  in 
der  neuzeitlichen  Binderkonstruktion  je  ein   liegender  Stuhl  aufgesetzt,  das  ganze 


Ncti-Riippin 


-     44     - 

Chordach  in  ähnhcher  Weise  unter  Benutzung  eines  Hängeweri\es  ausgebildet.  Diese 
Konstruktion    ist,   dem   Polygon   entsprechend,   um   den   ChorschluR   herumgeführt. 

Auch  die  massive  Aufmauerung  über  dem  ersten  Joche  am  Westgiebel  bis  7ur 
Oberkante  der  untersten  Stielversteifung  ist  eine  Zutat  Schinkelscher  Zeit;  das  Auf- 
lager des  ehedem  an  dieser  Stelle  befindlichen  Dachreiters. 

Wo  die  heutigen  Türme  sich  erheben,  mußte  auch  das  Schmkelsche  Chordach 
zum  Teil  wieder  entfernt  werden. 

In  engstem  Zusammenhange  mit  der  Dachausbildung  steht  die  Geschichte  der 
Türme,  die  hier  wegen  zahlreich  erhaltener  Nachrichten  von  frühester  Zeit  an  bis 
auf  den  heutigen  Tag  in  einem  Sonderabschnitte  behandelt  werden  soll : 

Wir  hatten  bereits  an  der  Nordostecke  des  Langhauses  einen  gemauerten 
Treppentunn  gefunden,  der  oben  gemäl)  seiner  achteckigen  Unirißform  mit  einer 
massiven  geputzten  Pyramide  bedeckt  war.  Er  war  bis  vor  kurzem  von  außen 
her  auf  wenigen  Stufen  zugänglich  durch  eine  Tür,  die  auf  derjenigen  halben  Achteck- 
seite lag,  welche  rechtwinklig  auf  die  Nordmauer  des  Langhauses  stößt  (Bl.  I,  Abb. 
T  3).  Eine  unmittelbare  Verbindung  mit  der  Kirche,  auf  die  Bittkau*)  nach  gewissen 
früheren  Spuren  seiner  inneren  Mauerfläche  schließt,  kann  nach  diesem  Grundriß 
nie  bestanden  haben.  Zwar  zeigt  eine  photographische  Aufnahme  des  1906  halb  ab- 
gestemmten Turmes  in  diesem  eine  flache  Nische  von  der  Größe  einer  Tür 
(Bl.  1,  Abb.  TI),  doch  würde  diese  gerade  in  die  östliche  Abschlußwand  des 
dortigen  Seitenschiffs  geführt  haben;  es  kann  sich  also  höchstens  um  eine  Nische 
für  die  hierhin  aufschlagende  Eingangstür  handeln.  Eher  möglich  wäre  ein 
Durchbruch  der  nördlichen  Kirchenwand  unmittelbar  neben  dem  Turm,  dort,  wo 
jetzt  noch  das  Mauerwerk  außen  erneuert  erscheint  und  zuvor  eine  flache  Wand- 
nische sich  befand  (Bl.  2).  Dieselbe  Photographie  läßt  erkennen,  daß  die  ersten 
Stufen  der  Wendeltreppe  stets  gemauert  waren,  während  sich  etwa  von  Höhe  der  Tür 
an  Holzstufen  anschlössen,  alle  in  rechts  um  eine  Spindel  sich  bewegender  Steigung. 
In  den  fast  3  m  starken  und  tiefen  Fundamenten  aus  Feldsteinen  in  Mörtelbettung 
aber  sieht  man  eine  Öffnung  (Bl.  I,  Abb.  T  1),  die  sich  damals  als  ein  mit  flacher 
Backsteinkappe  überdecktes  Grabgewölbe  entpuppte,  dessen  Fußboden  mit  merk- 
würdigerweise scheinbar  stark  abgetretenen  und  deshalb  offenbar  schon  anderweitig 
verwendet  gewesenen  schwarzen  und  roten  Fliesen  belegt  war.  In  dem  1,80  m 
langen,  0,80  m  breiten  und  0,85  m  hohen  Raum  bedeckte  eine  20  cm  hohe  braune 
Flüssigkeit  den  Boden,  und  darin  fand  man  ein  guterhaltenes  Gerippe  und  —  — 
2  Schädel,  den  einen  mit  einem  Loch  im  Kopfe;  ferner  neben  Holzresten  einige  recht- 
winklige Eisenbeschläge  und  Nägel,  die  vermutlich  von  einem  flachen,  jetzt  ver- 
schwundenen Holzkasten  oder  Sarg  herrührten.  Dieser  Kasten  stand  ehedem  jeden- 
falls auf  den  noch  vorhandenen  Eisenstangen,  die  sich  in  der  Längsrichtung  von 
Westen  nach  Osten  etwa  15  cm  über  dem  Boden  hinzogen.  Die  Wände  waren  ge- 
weißt, die  Farbe  sehr  gut  erhalten.  Keine  Spur  von  Inschrift,  kein  Ring  oder 
Ähnliches  fand  sich,  was  Licht  in  das  geheimnisvolle  Dunkel  dieses  Fundes  bringen 
konnte.  Sind  es  die  später  hier  eingeschlossenen  sterblichen  Überreste  Gebhards? 
Sind  es  die  eines  Mönches?  Die  Frage  wird  ewig  ungelöst  bleiben.  Übrigens 
kamen  solche  (lebendigen?)  Einmauerungen  häufiger  vor;  1709-)  fand  man  beim 
Berliner  Schloßbau  in  einer  Mauer  ein  weibliches  Skelett,  desgleichen  vor  wenigen 
Jahren  im  Fürstenwalder  Dom  in  einer  Wand  ein  vollständiges  Gerippe,  ebenfalls 
ohne  daß  Bestimmung  der  Person  möglich  gewesen  wäre. 

Ebenso  wie  ein  gemeinsamer  Sockel  Turm  und  Langhaus  aneinanderknüpft,  ein 
gleiches  Hauptgesims  beide  umzieht,  die  Maueranschlüsse  ohne  durchgehende  Fuge 
gebildet  sind,  ließ  auch  der  unterirdische  Fundamentanschluß  auf  gleichzeitige  Er- 
richtung des  Turmes  und  des  anstoßenden  Kirchenteiles  schließen,  so  daß  wir  in  den 
Fundamenten  auf  ein  Geheimnis  aus  des  Langiiauses  erster  Erbauungszeit  ge- 
stoßen sind. 

55  Steigungen  von  durchschnittlich  21  cm  Höhe  führen  von  der  heutigen  Vor- 
halle in  den  Turm  hinauf  zu  dem  nordöstlichen  Zwickel  des  anstoßenden  Seiten- 
schiffsgewölbes (Bl.  1,  Abb.  T  1,  2,  5),  die  ersten  11  wie  einst,  aber  in  andrer 
Führung,  aus  Backstein,  die  12.  und  13.  aus  neuem  Holz,  die  14.  bis  letzte  aus  alten, 
roh  bearbeiteten,  aber  gut  erhaltenen  Eichenblockstufen,  innen  mit  13  cm  starker 
angtarbeiteter  Spindel  versehen  (Bl.  1,  Abb.  T  4),  während  das  äußere  Ende  in  die 
Mauer  eingreift.  Die  lichte  Gangbreite  beträgt  zwischen  Wand  und  Spindel  nur 
63  cm,  so  daß  der  innere  Durchmesser  des  hier  runden  Turmes  sich  auf  1,39  m  be- 
läuft, der  äußere  infolge  55  cm  starker  Wände  auf  etwa  2,50  m.  Schmale  Schlitz- 
fenster erleuchten  das  Innere. 


')  Bittkau,  das  Alter  d.  Klosterk. 
-')  Fr.  Nicolai  III,  .Anhang,  S.  11. 


-     45     - 

An  den  4  auf  die  Einiiangstür  folgenden  Achtecksciten  (Bl.  1  u.  2)  befanden 
sich  ehedem  4  kleine,  jetzt  im   Polygon   innen  angebrachte  Sandstemreliefs. 

Dieser  Turm  entbehrt  jeglicher  größeren  Schallöffnungen,  hat  also  nie  eine 
Glocke  enthalten,  sondern  stets  nur  der  Verbindung  mit  dem  Dachboden  gedient. 
Die  Glocke,  die  bei  der  streng  geregelten  Zeiteinteilung  der  Dominikaner  eine  be- 
sondere Rolle  spielte'),  fand  gewöhnlich  ihren  Platz  in  einem  Dachreiter.  „Wich- 
mannus  .  .  .  ultra  stagnum  .  .  .  audivit  per  campanam  conventus,  horam  esse 
manducandi . . .",  berichtet  uns  Corner  schon  beim  Jahre  1270.  Wenn  die  Glocke 
bis  über  den  breiten  See  hin  ertönte,  muß  sie  hoch  gehangen  haben.  Also  ist  wohl 
schon  in  der  ersten  Klosterzeit  ein  Dachreiter  vorhanden  gewesen,  über  den  aber 
sonst  nichts  bekannt  ist,  so  daß  Riedel-')  willkürlich  verfährt,  wenn  er  einen  solchen 
schon  Ende  des  15.  Jahrhunderts  als  auf  dem  Westgiebel  stehend  annimmt. 

Von  einem  weiteren  Dachreiter  erfahren  wir  Genaueres  aus  der  Urkunde,  die 
in  seinem  Knopf  am  Ende  des  17.  Jahrhunderts  vorgefunden  wurde  und  die  uns 
wichtige  Daten  aus  der  Baugeschichte  des  Klosters  überhaupt  übermittelt.  Auf  einem 
noch  Mitte  des  18.  Jahrhunderts-')  im  alten  Rathause  befindlichen  Pergamentzettel 
stand'): 

,,Initium  Evangelii  secundum  Johannem.    In  Principio  erat  verbum,  et  verbum 

erat   apud   Deum Per  hacc  sacra   et  sancta  Evangelica   dicta  conservetur  hoc 

opus  in  secuta.  Amen." 

Der  Anfang  des  JohannesevangeUums  wurde  somit  dem  Turme,  dem  letzten 
Gliede  einer  ganzen  Reihe  von  Neubauten,  wie  wir  sehen  werden,  als  Geleitwort 
mitgegeben  auf  die  Wanderung  durch  die  Jahrhunderte. 

Auf  der  andern  Seite  des  Zettels  stand : 

,,Anno  Domini  millesimo  quadringentesimo  octogesimo  octavo  in  vigilia 
praesentationis  Virginis  Mariae,  erectum  est  praesens  opus  (nur  der  Turm?)  a 
Magistro  Paulo  Architectore  civitatis  Brandenburgensis,  sub  Priore  domus  fratre 
Matthaeo  Wentzeln,  qui  fidelis  erat  executor  hujus  aedificii..  Orate  pro  eo  et 
Piesbyteris.  Habuit  conventus  Magistrum  Mathaeum  Lampertum  de  Wismaria,  et 
quoq.  plures  alios  Patres  ac  Fratres. 

Anno  Domini  millesimo  quadringentesimo  se.xagesimo  quinto  in  vigilia 
ascensionis  incineratus  fuit  iste  conventus  cum  omnibus  aedificiis,  demta  domo 
pistrini,  quae  post  in  Anno  Domini  millesimo  quadringentesimo  octogesimo  sexto 
tempore  Tiburtii  incineratur. 

Eodem  Anno  regnaverunt  ülustres  comites  Dominus  Johannes  et  Jacobus 
Fratres.     Ipsa  sancta  Trinitas  benedicat  hoc  opus  ac  conservet." 

In  einer  achteckigen  bleiernen  Dose'')  fand  sich  ferner  ein  Zettel,  in  den  ein 
kleiner  Knochen  gewickelt  war    und  auf  dem  stand'): 

„Reliquiae  de  decem  millibus." 

Als  Baumeister  dieses  Dachreiters  lernen  wir  den  Architekten  Paul  aus  Branden- 
burg kennen,  der  bereits  1480  in  Spandau  an  dem  Turm  der  Nikolaikirche  gebaut 
und  1484  in  Brandenburg  an  der  Katharinenkirche  Knopf  und  Helmstange  des 
dortigen  Turmes  errichtet  hatte«).  Sein  Bau  mußte  1093«)  abgetragen  werden,  weil 
er  einzustürzen  drohte.  Er  stand,  wie  das  Ruppiner  Bild  Merlans  zeigt  (Titelbild), 
etwa  in  der  Mitte  des  Langhauses,  war  verhältnismäßig  hoch  und  hatte  nach 
gotischer  Art  einen  langen,  spitzen  Helm.  An  derselben  Stelle  zeigt  ihn  ein  Gemälde 
der  Stadt,  in  der  Kirche  des  dem  Kloster  jenseits  des  Sees  gegenüberliegenden  Dorfes 
Wuthenow  befindlich'),  das  lt.  Campe")  für  die  Kopie  eines  in  der  ehemaligen  Pfarr- 
kirche befindlichen  und  im  Auftrage  des  Rates  von  einem  Ruppiner  .Waier  bereits 
im  15.  (?)  Jahrhundert  erneuerten  Stadtbildes  gehalten  wurde. 

Bereits  im  folgenden  Jahre  (1694)")  wurde  „mitten  auf  der  Kirche",  also  an 
der  Stelle  des  alten  Dachreiters,  ein  neuer  von  ähnlicher  Größe  errichtet, 
aber  mit  2  welschen  Hauben"),  wie  sie  der  nur  etwas  jüngere  Brandenburger  Turm- 
aufbau auch  zeigt.     In  seinen  Knopf  wurde  eine  Inschrift  mit  Namen  und   Anits- 


')  s.  u.  a.:  Acta  capit.  gener.,  Vol.  11,  S.  36<)  (1355). 

2)  Riedel,  Gesch.  d.  Klosterk.,  S.  22. 

3)  Feldmann  II,  S.  273/4. 
■")  M.  Dieterich,  S.  108/9. 
5)  Campe,  S.  141. 

")  Fr.  Nicolai  III,  Anhang,  S   10. 
')  Bittkau,  Gesch.  d.  Klosterk.,  S.  17. 
*)  Campe,  S.  1)7. 
'')  Abgebildet  bei  Petzold,  Tafel  49. 


Neii-Ruppin 


-     46     - 

bezeichnung  damals  lebender  Personen  gelegt.  Wegen  „besorglichen  Einfalls" 
mußte  er  aber  schon  1751^  wieder  abgebrochen  werden.  Seitdem  wurde  die 
Stellung  eines  Turmes  in  der  Mitte  des  Langhauses  aufgegeben. 

Sein  Nachfolger  wurde  1752')  höher  als  der  alte  und  von  Holzwerk  „am  Ende 
der  Kirche,  nach  dem  (damaligen)  Wall  hin"  errichtet,  d.  h.  am  Westgiebel.  17Q9 
mußte  dieser  umfassend  ausgebessert  werden,  doch  konnten  sich  noch  1807=)  zwei 
preußische  Soldaten  vor  französischen  Streifkorps  mit  Erfolg  einige  Tage  in  seiner 
Spitze  verbergen. 

Wir  sehen  ihn  auf  nebenstehender  Zeichnung  aus  dem  Anfang  des  18.  Jahr- 
hunderts^) als  zweigeschossigen  Bau  von  Abmessungen,  die  für  einen  Dachreiter 
als  beträchtlich  gelten  müssen.     Wann  er  abgetragen  wurde,  ist  nicht  bekannt. 

An  seine  slelle  trat  1836—41  bei  Wiederherstellung  der  Kirche  durch  Friedrich 
Wilhelm  III.  und  IV.  ein  Neubau,  dessen  Entwurfszeichnung  sich  noch  im  Schinkel- 
museum der  Kgl.  Technischen  Hochschule  zu  Charlottenburg  befindet  (Bl.  5,  Abb.  22). 
Es  muß  heute  als  erfreulich  bezeichnet  werden,  daß  damals,  wohl  auch  infolge 
Geldmangels,  nicht  alle  Vorschläge  Schinkels  zur  Ausführung  gelangten.  Spitz- 
bogenfries um  das  Giebeldreieck,  Hinzufügung  von  Rose  und  Hauptportal  sowie 
Profilierung  der  Strebepfeiler  hätten  dem  Westgiebel  vollständig  den  feierfichen 
Ernst  genommen,  der  für  das  alte  Bauwerk  eines  nach  Einfachheit  strebenden 
Ordens  charakteristisch  ist  und  es  deshalb  so  eindrucksvoll  für  den  Beschauer  macht. 
Die  Höhe  dieses  gleich  allen  seinen  Vorgängern  in  Holz  errichteten  Turmes  wird 
auf  18y  Fuß  angegeben.  Die  Spitze  lag  also  über  doppelt  so  hoch  wie  der  Dach- 
first des  Langhauses.  Seine  auf  3  Seiten  massiven  Auflager  wurden  von  den  Über- 
mauerungen der  Längsgurte  und  von  der  Westgiebelwand  gebildet,  wie  bis  1906 
an  der  nachträglichen  Aufführung  der  Giebelspitze  in  jetzt  üblichem  Normalformater- 
kennbar  war  (Bl.  1).  Nach  diesen  Spuren  zu  urteilen,  wird  er  in  etwa  6X>  m 
Breite  aus  dem  Dach  herausgetreten  sein,  worauf  er  sich  dann  der  Zeichnung  nach 
in  Absätzen  bis  zur  Spitze  mit  dem  Kreuz  hin  verjüngte.  Er  soll  mit  Zink  plattiert 
gewesen  sein,  das  zum  Schutz  rot  angestrichen  war.  Abweichend  von  dem  Ent- 
würfe hat  man  bei  der  Ausführung  die  einzelnen  Absätze  nicht  schräg  abgedacht, 
sondern  wohl  auf  den  beiden  unteren  Umgänge  angebracht;  denn  1856  empfing 
man  bei  einem  Festzuge  zur  Klosterkirche  hin  den  König  mit  einem  Chorale  „von 
der  unteren  Tunngallerie".  1838  waren  Kreuz  und  Kugel  aufgesetzt  worden,  in  die 
man  Geldstücke  und  geschichtlich-statistische  Aufzeichnungen  von  1806  bis  zu  diesem 
Jahre  gelegt  hatte;  doch  wurden  schon  in  den  fünfziger  Jahren  kostspielige  Repara- 
turen notwendig,  weil  das  Holzwerk  infolge  Eindringens  von  Regen  zu  faulen  be- 
gann, und  1S6S  brach  ein  heftiger  Sturm  die  obere  Spitze  ab.  Zwar  suchte  man 
den  unteren  Teil  durch  ein  aufgesetztes  Dach  vor  Regen  und  Schnee  weiter  zu 
schützen,  doch  konnte  man  dem  Fortschritte  des  Verfalls  keinen  Einhalt  mehr  ge- 
bieten, und  so  mußte  denn  schließlich  1883  auch  das  letzte  Stück  abgetragen  werden. 
Nur  wenige  Hölzer  im  Dach  lassen  heute  noch  auf  diesen  mit  großen  Kosten  auf- 
geführten Turm  schließen,  dem  eine  kürzere  Daseinsdauer  beschieden  gewesen  ist 
als  allen  andern  vor  ihm. 

Man  hat  an  ihm  gelernt.  Die  beträchtlichen  und  dauernden  Ausbesserungen 
mußten  aufhören,  weim  man  statt  eines  hölzernen  einen  massiven  Turm  vom  Erd- 
boden auf  errichtete,  dessen  größere  Bausumme  sich  durch  Wegfall  kostspieliger 
L'nterhaltungsarbeiten  bald  ausgleichen  mußte.  Bei  der  hundertjährigen  Gedenkfeier 
an  den  Wiederaufbau  der  Stadt  im  Jahre  1887  trat  man  dem  schon  früher  auf- 
getauchten Gedanken  näher.  Am  26.  August  desselben  Jahres  legte  man  vor 
dem  Westgiebel  den  Grundstein,  wo  er  auch  heute  noch  liegt!  Zehn  Jahre  später 
waren  bereits  50  000  Mark  gesammelt.  Doch  das  reichte  noch  nicht  für  einen 
damals  aufgestellten  Entwurf.  So  konnte  man  erst  1906,  nach  fast  weiteren  10  Jahren, 
nach  Plänen  von  Dihm')  an  die  Ausführung  der  jetzigen  Türme  gehen  (Bl.  5,  Abb.  20), 
die  nach  mancherlei  Erwägiuigen  vor  allem  mit  Rücksicht  auf  ihre  schätzungsweise 
um  die  Hälfte  geringeren  Kosten  gegenüber  einem  Westturm  ihren  Platz  in  den 
Ecken  zwischen  Langhaus  und  Chor  fanden.  Bei  quadratischer  Grundfläche  von 
7,10  m  Seite  sind  die  Türme  zunächst  unter  Verzicht  auf  neue  Mauern  vor  denen 
des  Chores  aufgeführt  und  im  Dachboden  durch  2  etwa  1  m  im  Querschnitt  messende 


■)  Feldmann  II,  S.  271/2. 

-)  Heydeinann,  S.  69. 

^)  Eine  genaue  Datierung  des  Stadibildes,  aus  dem  die  Teilansicht  entnommen  ist,  war 
trotz  Anfrage  bei  der  noch  bestehenden  Verlagsfirnia  nicht  zu  ermitteln.  Da  der  heutige 
Pfarrkirchturm  bereits  vorhanden  ist,  kann  frühestens  1S06  angenommen  werden.  Lim 
den  Schinkelschen  Turm  kann  es  sich  nicht  handeln,  weil  die  Galerien  fehlen. 

>)  Dihm,  S.  2SI/4. 


47 


Spitzbögen  im  Westen  und  Osten  gegeneinander  abgesteift.  Sie  tragen  in  Höhe  des 
Chorfirstes  einen  kleinen  Verbindungsbau,  und  erst  dort,  wo  die  beiden  Türme,  von 
dessen  1  lauptgesims  an  selbständig  sich  loslösend,  bis  zu  ihrer  Gesamthöhe  von  65  m 
emporsteigen,  werden  nunmehr  auch  ihre  einander  zugekehrten  Innenseiten  massiv 
erforderlich.  Format  und  Fugenbehandlung  schließen  sich  genau  der  alten 
Kirche  an. 


Klosterkirche  Neu-Ruppin. 

Nach  einem  Stadibilde  aus  der  1.  Hälfte  des  10.  Jahrhunderts  gezeichnet. 

Den  Aufstieg  zum  Dach  vermittelt  auch  heute  noch  wie  früher  der  alte  Treppen- 
turm. Nur  wurde  sein  Zugang  mittels  eingebauten,  gegen  das  Gewölbe  stoßenden 
Rundbaues  in  den  kreuzgewölbten  Erdgeschoßraum  des  Nordturmes  verlegt  (Bl.  1, 
Abb.  T  2).  Wir  hatten  schon  gesehen,  daß  er  zur  Hälfte  den  neuen  Türmen  hatte 
weichen  müssen.  Die  Gebeine  im  Fundament  wurden  in  den  verbleibenden  Raum 
wieder  eingeschlossen,  die  Eichenblockstufen  unverrückt  in  die  neue  Hälfte  mit- 
übernommen. 

Erwähnenswert  ist  die  Nachahmung  alter,  ehemaliger  Eisenbeschläge  von  der 
Ruppiner  St.  Georgskapelle,  die  sich  an  der  Außentür  des  Südturmes  finden,  dem 
Zugang  zur  neuen  kreuzgewölbten  Sakristei.  Gleichzeitig  mit  diesen  großen,  1Q06 
bis  1908  erbauten  Haupttürmen  wurde  am  Westgiebel  an  der  Stelle  des  Schinkelschen 
ein  nur  12,50  m  hoher,  vierseitiger,  schiefergedeckter  Dachreiter  aufgesetzt  (Bl.  5, 
Abb.  21).  Er  trägt  eine  im  Dachboden  aufgefundene  kleine,  sehr  alte  Glocke,  die 
wohl  schon  zu  der  Mönche  Zeiten  vom  Kirchendach  herabblickte  auf  eine  Stätte 
ernsten,  weltabgeschiedenen,  entsagungsvollen  Lebens,  dort,  wo  jetzt  ein  völlig  ebener 
Platz  sich  ausdehnt. 

In  der  Plananlage  der  Kirche  sind  t  Bauperioden  festzustellen : 

1.  Von  dem  um  3  Stufen  erhöhten  einschiffigen  Langchore  mit  seinen  auf- 
fallend starken  Wänden  lösen  sich  3 — 4  gerade  Joche  schon  beim  äußeren  .Anblick 
durch  ihren  höheren  Feldsteinsockel,  ihren  teilweise  erhaltenen  Rundbogenfries 
unter  dem  älteren  Hauptgesimse  und  ihre  2  auf  der  Südseite  und  3  auf  der  Nord- 
seite erst  nachträglich  ohne  Verband  vor  die  Wand  gelegten  Strebepfeiler  als  be- 
sonderer Bauteil  von  der  übrigen  Kirche  los.  Die  bedeutende  Länge  für  einen 
Chor  läßt  diesen  Teil,  ebenso  wie  in  Brandenburg,  als  einen  selbständig  errichteten 
Bau  erscheinen.  Da  sich  der  Bogenfries  nicht  um  das  Polygon  fort  verfolgen  läßt, 
ist  ursprünglich  platter  Chorschluß  etwa  am  jetzigen  4.  Joche  nicht  unwahrschein- 
lich. Dieser  ältere  Chorbau  hatte  jedenfalls,  wie  die  Dominikanerkirchen  zu  Halber- 
stadt und  Worms,  anfangs  keine  Gewölbe,  sondern  flache  Decke.  Wenngleich  die 
heute  vorhandenen  halbkugelförmigen  Dienstkonsolen  mit  angehefteten,  naturalistisch 
gebildeten  Blättern  und  die  ebenso  verzierten  Dienstkapitelle  auf  Wölbung  noch  in 
früherer  Zeit  der  Gotik  schliel5en  lassen,  so  erfolgte  sie  doch  sicherlich  später  als 
beim    Langhause,    das   noch    die   altertümlich    schweren    Quergurte   aufweist.      Die 


Neu-Ruppin 


-      48     - 

uiiregelmäßigL'  rcilung  der  Joche  ist  vielleiclit  so  zu  erklären,  daß  das  westliche 
später  durch  Wegfall  einer  Westabschlußwand  am  jetzigen  Choranfang  breiter  wurde, 
während  das  östliche,  um  2  Stufen  des  Fußbodens  erhöhte  ehemals  den  Altar  ent- 
halten haben  mag. 

Neben  diesen  Ausführungen  über  die  ehemalige  Deckenform  lassen  auch  die 
schmalen,  zweiteiligen,  flach  geschmiegten  Fenster  ohne  profilierte  Leibungen  mit 
altertümlichem  Maßwerk  und  die  spitzbogigen  Portalnischen  der  Südwand,  beide 
mit  starkem  Wulst  in  Wandung  und  Bogen,  die  eine  außerdem  mit  Eckverstärkungen 
an  den  Basen,  diesen  Bauteil  noch  in  das  Aufnahmejahr  1246  zurückversetzen,  in 
dem  mangels  irgend  welcher  Nachrichten  darüber  die  Bautätigkeit  begonnen 
haben  mag. 

Hierher  gehört  auch  zeitlich  das  kleine  Nordportal  des  Langhauses  mit  seinen 
sehr  altertümlichen  Stützensäulen  und  Säulenringen  zu  ihrer  Befestigung  sowie  den 
erst  seit  Ende  des  12.  Jahrhunderts')  auftauchenden  Modellierungen  der  Blätter  an 
den  Kapitellen,  die  sich  bei  der  damals  jungen  Herstellungsart  im  Brand  noch  stark 
verzogen  haben.  Adlers  Vermutung,  es  sei  erst  später  an  seine  jetzige  Stelle  verlegt, 
ist  somit  sehr  wahrscheinlich. 

Das  Format  der  festen  Steine  ist  namentlich  an  der  Südwand  infolge  zahl- 
reicher Ausbesserungen  nicht  ganz  einheitlich,  im  Mittel  aber  10  :  14,5  —  15  :  30. 
Die  Fugen  sind,  vielleicht  unter  Verwendung  des  quarzhaltigen  Seekalkes,  glatt  aus- 
gestriclien  und  etwa  2  cm  dick.  Trotz  überall  vorhandenen  gotischen  Verbandes  ist 
doch  hier  wie  bei  allen  folgenden  Bauten  die  heute  übliche  regelmäßige  Wieder- 
kehr desselben  vermieden.  Man  wollte  in  gotischer  Zeit  nicht  durch 
Fugenmusterung  die  Flächenwirkung  der  Wände  beeinträchtigen. 

2.  Das  Langhaus  erscheint  innen  und  außen  als  in  einem  Zuge  entstanden.  Es 
unterscheidet  sich  vom  Langchor  äußerlich  durch  seine  stets  vorhanden  gewesenen 
Strebepfeiler  und  den  Backsteinsockel.  Gleiche  Jochbreiten,  gleiche  Ausbildung  der 
Fensler,  gleiches  Profil  des  Hauptgesimses  wie  über  dem  dortigen  Rundbogenfriese 
und  gleiche  dunkelrot-bräunliclie  Färbung  der  Backsteine  lassen  trotz  der  weiter  vor- 
geschrittenen Profilierung  des  1  lauptportals  diesen  Bauteil  nicht  allzulange  nach  dem 
Langchore  entstanden  sein.  Nur  hier  finden  sich  auch  Langnäpfchen  von  1  landlänge 
und  halbkugelförmige  Rundnäpfchen  von  3 — 5  cm  Durchmesser,  über  deren  Ent- 
stehung und  Bedeutung  man  noch  zu  keinem  abschließenden  Ergebnis  gekommen  ist. 
Sie  treten  besonders  häufig  an  dem  ehemaligen  Eingange  zum  Treppenturme  bis  zu 
etwa  2  m  Höhe  desselben  auf,  wo  überdies  die  zu  allen  Zeiten  vorkommende  Behand- 
lung der  Ecken  mit  dem  Schariereisen  festgestellt  werden  kann,  finden  sich  aber  auch 
andern  Ortes  vereinzelt.  Entgegen  manchen  Angaben  über  andre  Kirchen  muß  betont 
werden,  daß  einige  dieser  Marken  über  die  Fugen  weglaufen,  unbedingt  also  erst 
nach  dem  .\ufbau  entstanden  sind.  Ziegelstempeln  sind  sie  demnach  keineswegs 
gleichgeltend. 

Im  Vergleich  zu  den  Klosterkirchen  in  Prenzlau  und  Brandenburg,  mit  denen  das 
Langhaus  die  kleinen  Strebepfeilerchen  auf  den  großen  gemeinsam  hat,  lassen  die  ver- 
steifende Übermauerung  der  Quergurte  in  den  Seitenschiffen,  die  ängstliche  Verringe- 
rung der  Mittelschiffsspannweite  sowie  die  sehr  schmalen  Seitenschiffe,  die  kräftige 
Gestaltung  besonderer  Quergurte  in  allen  drei  Schiffen,  die  vorzugsweise  im  13.  Jahr- 
hundert übliche  Stützenform  aus  runder  Mittelsäule  mit  4  vorgelegten  Dreiviertel- 
säulen in  Längs-  und  Querachse,  die  Herunterführung  starker  Wanddienste  bis  zum 
Fußboden  dieses  Langhaus  früher  als  jene  entstanden  sein,  etwa  am  Ende  des 
13.  Jahrhunderts. 

3.  Das  Polygon  ist  zugleich  mit  den  Strebepfeilern  errichtet,  die  zuvor  sattel- 
dachartig abgedeckt  waren.  Infolge  verschieden  starker  Langchormauern  ergab  sich 
bei  der  genau  gleichmäßigen  Aufteilung  des  inneren  Polygons  am  ersten,  schräg  zu 
den  Hauptachsen  gestellten  Strebepfeiler  der  Nordseite  seine  Abweichung  von  der 
inneren  Polygonachse  um  etwa  20  cm  nach  Osten  zu.  Andre  Kennzeichen  für 
nachträgliche  Anfügung  des  Polygons,  wie  Fugenverschiedenheit  oder  An- 
stückelung,  sind  in  der  aufgehenden  Mauer  derzeit  nicht  mehr  erkennbar,  weil 
an  den  beiden  etwa  in  Frage  konnnenden  Anschlußstellen  späterhin  Strebepfeiler 
bis  zur  Flöhe  des  ehemaligen  Kreuzbogenfrieses  vorgesetzt  worden  sind;  die 
darüberliegenden  Schichten  aber  stammen  bei  Langchor  und  Polygon  aus  einer  Zeit 
und  weisen  darum  natürlich  einheitlichen  Verband  auf.  Dagegen  ist  der  Feldstein- 
sockel am  Chorschluß  niedriger  als  beim  Langchore,  die  schwächeren  Dienste 
reichen  bis  zum  Fußboden  herab,  stets  fehlte  der  Bogenfries.  Format,  Farbe  und 
Behandlung  der  Fugen  lassen  gegen  die  übrige  Kirche  keine  nennenswerten  Unter- 


')  v.  Minufüli  L    1,  S.  1!. 


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schiede    erkennen;    nur    die    Steine   sind    viel    schärfer    durchgebrannt,    oft    bis    zur 
Sinterung  an  der  Oberfläche. 

Über  die  Entstehung  des  Polygons  fehlen  jegliche  bestimmtere  Nachrichten. 
Aus  der  W'andinschrift')  erfahren  wir,  daß  Graf  Ulrich  um  1400  dem  Kloster  gewisse 
Einnahmen  zu  Bauzwecken  vermacht  hat.  Es  ist  möglich,  daß  zu  jener  Zeit  der 
letzige  Chorschluß  entstand,  wobei  man  ja  vielleicht  auch  damals  erst  zugleich 
die  Mauern  des  Langchores  um  2,70  m  erhöhte  und  durch  Strebepfeiler  verstärkte 
sowie  seine  Joche  einwölhte,  da  jetzt  ein  gemeinsames,  anders  als  beim  Langhaus 
gebildetes  llauptgesims  den  ganzen  Chor  umschließt;  Bittkau-)  nimmt  sogar  noch 
weitergehend  an,  daß  der  alte  Chor  damals  für  die  Orafengräber  zu  klein  gewesen 
sei,  und  stellt  seine  Erweiterung  durch  das  Polygon  in  Beziehung  zu  einer  ein- 
geritzten undeutlichen  Steininschrift,  die  sich  links  vom  Haupteingang  im  4. 1.anghaus- 
jüche  außen  unter  dem  Fenster  befindet  und  die  er  für  1391  liest.  Doch  kann  sie 
auch  als  „Anno  1491"  gelesen  werden-').  1488  wurde  nach  dem  großen  Klosterbrande 
ein  Dachreiter  aufgesetzt,  1491  mögen  auch  die  andern  Reparaturarbeiten  vollendet 
gewesen  sein.  Wir  hören,  daß  Brandschutt  und  geschmolzenes  Material  im  jetzigen 
Chorfußboden  gefunden  wurde.  Das  einfallende  Dach  mag  die  üewölbe  zer- 
schmettert haben,  und  bei  ihrer  Erneuerung  gab  man  ihnen  wieder,  wie  wir  es  auch 
in  Tangermünde  feststellen  werden,  wie  am  Anfang  des  gotischen  Stils  die  bis  heute 
erhaltenen  rundbogigen  Diagonalen  und  Gurte  von  gleichem  Profil.  Die  Ent- 
stehung des  Polygons  wäre  somit  um.  1400  zu  setzen,  während  die  jetzigen  Chor- 
gewölbe dem  Ende  des  15.  Jahrhunderts  entstammen  dürften. 

4.  Zu  Schinkels  Zeit  wurde  1836—41  der  alte  Sakristeianbau  an  der  nördlichen 
Chorwand,  aus  unbekannter  Zeit  stammend,  entfernt  und  durch  einen  Neubau  in 
der  Südostecke  zwischen  Chor  und  Langhaus  ersetzt.  Damals  entstanden  auch  ver- 
mutlich die  Ausmauerung  und  die  Vodagen  an  den  südlichen  Langhausstrebepfeilern. 

5.  Durch  Dihm  wurde  1906—8  auch  diese  Sakristei  abgebrochen  und  in  den 
südlichen  der  beiden  besprochenen  Türme  verlegt,  während  der  nördliche  eine  Vor- 
halle erhielt,  wie  wir  oben  gesehen  haben. 

Die  Neuruppiner  Klosterkirche  finden  wir  in  mittelalterlichen  Urkunden  oder  (<  2.  Kloster- 
Schriften  höchstens  dem  Namen  nach  erwähnt.  1  lätte  nicht  ein  guter  Stern  über  gebäude. 
diesem  Bauwerk  gestanden  zu  Zeiten,  wo  Feuer  und  Schwert  ganze  Stadtteile  in 
Trümmer  sinken  ließen;  hätte  nicht  des  Königs  Hand  noch  im  letzten  Augenblick 
sich  rettend  ausgestreckt,  als  auch  das  kraftvoll  massige  Denkmal  frühheimatlicher 
Kunst  schließlich  infolge  dauernder  Vernachlässigung  in  seinen  Grundfesten  er- 
schüttert war,  so  hätten  wir  heute  vielleicht  von  ihm  ebensowenig  bauliche  Nach- 
richten mehr  wie  von  mancher  andern  stolzen  Kirche,  die  auch  erst  in  den  beiden 
letzten  Jahrhunderten  dem  Untergang  verfallen  ist. 

Nicht  ganz  so  unergiebig,  wenngleich  auch  nur  spärlich,  sind  die  überkommenen 
Nachrichten  von  dem  andern  Teile  des  Klosters.  In  einer  Heberolle  der  Stadt  von 
!36t  wird*)  in  der  „prima  platea  Bagutarum"  (jetzt  Poststraße,  östlich  der  Kirche; 
Bl.  j)  auch  erwähnt  die  „Curia  illorum  de  ronebeke  .  .  .  vicina  claustro";  ebenda 
wird  die  Stelle  gegenüber  dem  Kloster  nach  Norden  zu  (versus  aquilonem  a  claustro) 
als  bebaut  aufgeführt;  in  der  „secunda  platea  bagutarum"  (jetzt  Klosterstra(5e,  etwa 
auf  das  Hauptportal  zulaufend)  werden  u.  a.  von  der  „Curia  dominarum  in  lyndovv" 
und  „de  domo  frm.  (fratrum)"  Abgaben  geleistet.  Von  dort  an  bis  zum  Eingang  zum 
„Taschenberg"  (jetzt  Karlstraße,  etwa  parallel  der  Klosterstraße  und  etwa  50  m 
westlich  vom  Westgiebel  beginnend)  werden  die  Häuser  genannt  „in  acte  apud 
Fratres"  und  „apud  Fratres  vicina  claustro";  beim  Eingang  zum  Taschenberg  steht 
„domus  .  .  .  versus  Fratres"  und  „in  alio  latere  (nach  der  Stadtmauer  zu?)  domus 
prope  valvam  Fratrum".  Wenngleich  die  genaue  Lage  der  genannten  Grundstücke 
aus  diesen  Angaben  nicht  festzustellen  ist,  besonders  die  westliche  Begrenzung  nicht 
sicher  angegeben  wird,  erkennt  man  doch  hieraus,  daß  schon  um  die  .\Aitte  des 
14.  Jahrhunderts  das  Klostergebiet  im  Osten  und  Norden  unter  Belassung  eines  an- 
gemessenen Zwischenraumes  umbaut  gewesen  ist,  auf  dem  späterhin  ein  Fried- 
hof lag. 

Eine  zweite  Urkunde  von  1382-^),  einen  \crtrag  zwischen  dem  Konvent  und 
dem  Rat  der  Stadt  enthaltend,  ergänzt  trotz  mancher  Lücken  und  dadurch  ent- 
stehender L'nklarheiten  im  Text  obige  Feststellung  und  gibt  zuerst,  wenn  auch  nur 
unbestimmt,   Kunde   von   den   Klostergebäuden  selbst.     Es  wird   darin   vereinbart; 


')  s.  1.  Teil,  die  Geschichte,  §  1,  Qründungsgeschichte. 

2)  Bittkau,  das  Alter  d.  Klosterk. 

3)  s.  Watteiibach. 

')  Riedel  A  4,  S  3(Hl-302. 

5)  Riedel,  (lescli   d.  Klosterk.,  S.  Iiff. 


Neii-Ruppin 


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1  „de  Conuent  moghe  des  nachtes  sloten  stan  hebben  gliegunt  vnde  ghunnen 
cwichhken  dersuluen  stad  der  miiren  thusghen  demsuluen  Conuente  vnde 
Rappincsghen  see  also  vele,  alse  sye  daran  hadden,  vnd  eynes  rumes  vnd  weghes 
ttiusghen  dersuluen  muren  vndt  deme  Conuente  van  vnd  ut  deme  hove,  den  nu 
Randeberch  van  Ronnebeke  lieft,  dorch  ere  scherehus  vnd  spisehus  wente  umme 
eres  vorgenanten  Conuentes  Bachus  wedder  ut  deme  dore,  dat  tgusgen  der  stad 
muren  vnd  erenn  garden  is,  also  dat  sye  enige  \'ele  dersukie  ....  (Brau?)  hus 
schun  breken  vnde  den  tygel  beholden." 

2.  „Ok  schal  sik  de  Conuent  suluen  afbwen,  muren  oder  tunen,  vnde  de  ghebwe, 
muren  oder  tune  seluen  waren  vnde  beteren  na  ereme  willen,  vnde  de  Conuent  schal 
der  Stadt  muren  nicht  neger  bwen,  muren  oder  tunen,  wan  also  de  thwn  nu  irst 
ghebwet  vnd  ghesat  wert." 

3.  „Vnde  de  wech  schal  in  vnde  ut  slotafighe  doren  oder  porten  hebben,  de 
me  des  daghes  van  der  stad  vveghene  sluten  schal.  Dat  de  Conuent  dar  neyn 
vngemak  af  hebbe.  Doch  schal  me  desuluen  doren  vnde  porten  apenen  deme 
Conuente  des  daghes,  wen  en  des  not  is  vnde  behuf  eren  Conuente  tu  bwende  vnde 
beternde.  Ok  schallen  wy  Ratmanne  ...  dat  schikken,  dat  deme  Conuente  vnde  des 
Conuentes  bruderen  des  nachtes  neyn  vnghemake  edder  schade  schye  van  deme  sulue 
weghe,  thu  sunderliken  so  van  de  wekeren  vnde  dat  de  wech  reyne  bliue." 

4.  „Des  Conuents  borne  vnde  [watere  moghen]  dorch  de  Stadt  muren  vliten 
vnde  de  Conuent  schal  sye  moghen  beteren  vnde  suuere  bynnen  der  stad  muren 
vnde  buten  wen  en  [des  not  vnde  behuf  is]". 

5.  „[Vortmer  de]  Stadt  schal  des  Conuents  Renneter  vnd  Gasthus  nicht  vorbwen 

met  tormen,  wychhusen  oder  weren,  dorch  des  lichtes  willen de  schun  den 

orkenner  ut  deme  gheuele  eres  gasthuses  afbreken." 

6.  „Ok  schal  de  Conuent  moghen  bwen  vnde  beteren  ere  heymelike  kamere 
vnde  den  ghank  darthu  ouer  de  stad  mure  wen  en  des  behuf  is  darsulues  dar  sye 

nu  sint  oder  eynen  anderen dat  de  stad  mure  nicht  darmede    besweret    en 

werde,  dat  sye  moghe  vallen  vt  oder  in.     Doch  schal  me  de  kamere  nicht 

schyuen  van  dem  watere  up  mer  van  bouen  neder  also  vele  alse  des  behuf  is." 

7.  „Vor  desse  ghunst . . .  hebben  de  Ratmanne  . . .  ghegunt  dat  dat  hus  vnde 

liof ...  des  Conuentes  bichthus  thu  der  stad  ward Ok  schal  de  hof 

schotpflichtich  blyuen " 

8.  „Vortmer  schulte  wy  Ratmanne  dem  Conuente  gheven  also  vele  ekenre  Stile 

van  virteyn langh alse  de  Conuent  bhwet  thu  deme  irsten  male  thu 

den  thunen  vnde  druttich  mark  brandenb.  syluer " 

9.  Schließlich  werden  noch  ohne  erkennbaren  Zusammenhang  erwähnt  der 
Stadtmauer  „doren  vnde  porten  de  dar  dorc  ghinghen,"  von  denen  Dieterich')  Anfang 
des  18.  Jahrhunderts  noch  eine  zugemauert  gesehen  hat. 

Wir  finden  hier  zwischen  Stadtmauer  und  Klosteranlage  einen  größeren 
Zwischenraum  mit  einem  Wege,  der  von  Ronnebekes  demnach  offenbar  am  Ende  der 
heutigen  Poststraße  gelegenen  Hofe  in  ost-westlicher  Richtung  durch  (?)  das 
„scherehus"  (Geschirrhaus?)  und  Speisehaus  schließlich  zum  Backhause  führte,  dort 
mittels  eines  Tores  zwischen  Stadtmauer  und  Klostergarten  einen  Abschluß  fand 
und  nun  nach  einer  Wendung  das  Interessengebiet  des  Klosters  verließ.  Bei  dieser 
Annahme  könnte  dieses  „dor"  der  früher  erwähnten  „valva  Fratrum"  am  unteren 
Ende  der  heutigen  Karlstraße  entsprechen;  es  würde  sich  der  Klostergarten  also 
nach  Westen  zu  bis  hierher  erstreckt  und,  abzüglich  aller  als  anliegend  anzunehmen- 
den Straßen,  eine  nutzbare  Fläche  von  rund  50  60  m  eingenommen  haben;  ein  Maß, 
wie  es  anderswo  nicht  größer  angetroffen  wird.  Deutet  man  dagegen  die  zweifelhaften 
Worte  dahin,  dal]  der  Weg  erst  nach  einer  Schwenkung  um  das  Backhaus  aus  dem 
erwähnten  Tore  führte,  so  muß  man  den  Klostergarten  als  4-  bis  5mal  so  groß  und 
bis  zur  jetzigen  Präsidentenstraße  reichend  annehmen,  der  damaligen  Stadtgrenze 
nach  Westen  zu. 

Ebenso  schwierig  ist  die  Lagebestimmung  der  erwähnten  Gebäude.  Faßt  man 
das  „dorch  ere  scherehus  vnd  spisehus"  wörtlich  auf,  so  müßten  beide  Gebäude  Tore 
besessen  haben.  Da  solche  in  Wirklichkeit  nie  zur  Klausur  selbst  führten,  müßte  man 
Flügelbauten  annehmen,  die  bis  nahe  an  die  Stadtmauer  reichten,  vielleicht  nur  unter 
Belassung  eines  für  die  Stadtverteidigung  erforderlichen  Raumes.  Damit  wäre,  unter 
\oraussetzung  der  üblichen  Lage  eines  Schlafsaales  im  1.  Stock,  von  dort  leicht  ein  be- 
quemer Zugang  denkbar  für  die  „heymelike  kamere  vnde  den  ghank  darthu  ouer  de 

')  M.  Dietericli,  S.  111. 


-     53     - 

stad  mure".  Diese  Kammer  hat  übrigens  nichts  zu  tun  mit  einem  unterirdischen  Gange 
zur  inneren  Stadt  oder  gar  unter  dem  See  weg  ans  andre  Ufer,  wie  die  Volkssagc  be- 
richtet; ihre  Bestimmung  steht  vielmehr  wegen  zahlreich  bekannter  ähnlicher  Anlagen 
außer  Zweifel.  Die  Annahme  solcher  Flügelbauten  gewinnt  dadurch  an  Wahrschein- 
lichkeit, daß  der  Rat  sich  weiter  unten  verpflichtet,  dem  „Renneter  vnd  Gasthus" 
nicht  durch  hohe  Befestigungsbauten  das  Licht  nehmen.  Der  Remter  oder  das 
Refektorium  ist  aber  das  Speisehaus,  und  somit  dürfte  dem  Gasthause  das  „scherehus" 
entsprechen  oder  vielmehr  nach  .Art  z.  B.  von  Cluny-Farfa  in  einem  Gebäude  mit 
einem  Obergeschoß  unten  das  Geschirrhaus  (Geräte-,  Gepäck-  und  Wagenhaus)  der 
Gaste  anzunehmen  sein,  während  oben  die  eigentlichen  Gasträumt  sich  befunden 
hrben  mögen.  Dem  Gasthause  wäre  damit  zugleich  die  stets  übliche  I-age  außerhalb  des 
eigentlichen  Klaustrums  zugewiesen.  Ein  so  gebildeter  äußerer  Klosterhof  sollte 
dann  wohl  mit  den  vom  Rat  zu  liefernden  Eichenstielen  gegen  den  Gang  an  der 
Stadtmauer  hin  abgeschlossen  werden,  den  der  Konvent  auf  Grund  dieses  Vertrages 
gegen  30  Mark  Silber  und  ein  seiner  Lage  nach  nicht  bezeichnetes  Beichthaus  in 
der  Stadt  unter  gewissen  Bedingungen  abtrat.  Der  in  einem  lückenhaften  Satze 
ei-wähnte  Tiegel  läßt  auf  ein  Brauhaus  schließen,  das  wir  wie  auch  sonst  häufig 
vielleicht  bei  dem  Backhause  in  der  südlichen  Ecke  des  Klostergartens  zu 
suchen  hätten.  1 

Wenn  wir  demnach  von  der  ersten  Plananlage  des  Klosters  in  Neu-Ruppin 
so  wenig  Zuverlässiges  wissen,  so  hat  das  neben  der  bedauernswerten  Vernichtung 
aller  Dokumente  aus  jener  Zeit  auch  seinen  Grund  in  einem  furchtbaren  Natur- 
ereignis, das  nicht  nur  das  Kloster,  sondern  auch  seine  nächste  Umgebung  in  arge 
Mitleidenschaft  zog.  Aus  der  oben  in  der  Geschichte  der  Türme  bereits  mitgeteilten 
Knopfurkunde  erfahren  wir,  daß  1465  das  eigentliche  Kloster  mit  allen  seinen  Ge- 
bäuden außer  dem  Backhause  (domus  pistrini)  ein  Raub  der  Flammen  wurde.  Seine 
abgesonderte  Lage  am  Ende  des  Klostergartens  mag  dieses  damals  vor  einem  gleichen 
Geschicke  bewahrt  haben;  doch  auch  ihm  waren  nur  noch  wenige  Jahre  beschieden: 
14S6  fiel  es  ebenfalls  einem  Brande  zum  Opfer. 

Bis  zu  welchem  Grade  das  Feuer  in  den  Gebäuden  vernichtend  gewütet 
hat,  wird  uns  nirgends  berichtet;  aber  es  ist  sehr  wahrscheinlich,  daß  nur  dFe  leich- 
teren Nebengebäude  und  alles  Holzwerk  von  den  Flammen  verzehrt  wurden,  von 
der  Kirche  also  nur  das  Dach,  wobei  freilich,  wie  bereits  erwähnt,  von  einstürzen- 
den Balken  und  den  herabfallenden  Glocken  die  Gewölbe  großenteils  durchschlagen 
sein  werden.  Jedenfalls  fand  man  bei  Nachgrabungen  im  Chore  im  Jahre  1906 
neben  mancherfei  Brandspuren  auch  Reste  von  geschmolzenem  Glas  und  Blei,  die 
offenbar  von  den  damals  mitvernichteten  Fenstern  herrührten. 

Nicht  nur  als  den  Erbauer  eines  Glockenturmes,  sondern  als  den  technischen 
Leiter  der  ganzen  erfordedich  gewordenen  Bauarbeiten  dürfen  wir  wohl  den  Branden- 
burger Architekten  Paul  ansehen,  wenn  er  allein  in  der  Knopfurkunde  von  1488 
bei  Erwähnung  des  ganzen  Brandschadens  der  .Vleister  genannt  wird,  von  dem 
„erectum  est  praesens  opus". 

Auch  diese  neuen  oder  doch  zum  mindesten  stark  erneuerten  Klausurgebäude 
sind  nicht  mehr  vorhanden.  Wir  können  uns  zu  ihrer  Betrachtung  nur  auf  die 
recht  knappen  Angaben  stützen,  die  uns  Feldmann  über  das  Westgebäude  noch  aus 
eigener  Anschauung  gibt,  während  er  über  Süd-,  Ost-  und  Nordgebäude  die  Aus- 
sagen eines  alten  Leinewebers  Eichner  sorgfältig  gesammelt  hat^  der  in  seinen 
jungen  Jahren  diese  Teile,  wenn  auch  schon  ohne  Dach,  noch  gesehen  hatte.  Unter 
Berücksichtigung  der  Spuren  an  der  Kirchenwand  und  der  obigen  .'\ufzeichnungen') 
kann  man  sich  von  der  Gesamtanlage  folgendes  Bild  machen  (Bl.  5): 

Zwischen  der  heute  noch  stehenden  Klosterkirche  und  der  von  der  äußeren 
Wandflucht  des  Langhauses  i./M.  51  m  entfernten  Stadtmauer,  also  etwa  nach 
Süden  zu,  lag  ein  viereckiger  „innerer"  Klosterhof  von  93',.  Fuß  Länge  (29,36  m) 
und  87  Fuß  Breite  (27,32  m).  Rund  um  ihn  herum  lief  eine  gemauerte  Rinne,  mit 
3  Fuß  (94  cm)  langen  gebrannten  Steinen  überdeckt,  so  daß  man  frei  darüber 
hinweggehen  konnte.  Werksteine  irgendwelcher  Arf  waren  nicht  dazu  verwandt 
worden.  Ein  Brunnen  war  in  diesem  inneren  Klosterhofe  wenigstens  um  1700  nicht 
mehr  vorhanden;  wohl  aber  hatte  sich  bis  dahin  weiter  seewärts,  nahe  am  Ende 
des  Westgebäudes,  ein  alter  offener  Brunnen  befunden;  vor  seinem  X'erschütten 
hier  vorgenonnnene  Nachgrabungen  haben  nichts  zutage  gefördert,  was  über  frühere 
Zeiten  hätte  .-Xiifschluß  geben  können. 


')  Feldmann  II,  S.  M3     i6  und  36S  -71,     Da    in    der   ll.indschrift  gerade  an  dieser 
Stelle  Blätter  fehlen,"  ergänzt  nach  Cimpe,  S.  141/42. 


Neu-Ruppin 


—    54    — 

An  der  nördlichen  Seite  dieses  Hofes  stand  die  Kirche;  an  diese  schlössen 
sich  im  Osten  und  Westen  zwei  Häuser  mit  Obergeschoß  an,  während  die  Süd- 
grenze nur  von  dem  „Spaziergang"  gebildet  wurde.  Unter  den  südlichen  Kirchen- 
fenstern aber  zog  sich  als  Verbindung  der  beiden  großen  Seitengebäude  ein  ein- 
geschossiger gewölbter  Kreuzgang  entlang,  dessen  (Pult-)Dachhöhc  etwas  mehr 
als  17  Fuß  (5,40  m)  betrug.  Da  eine  Verlängerung  der  Kirchenfenster  nach  unten 
hin  aus  jüngerer  Zeit  am  Mauerwerk  nicht  erkennbar  ist,  muß  also  der  Fußboden 
dieses  Kreuzganges  etwa  ■'•  i  m  tiefer  gelegen  haben  als  der  jetzige  Klosterplatz. 
Solches  Anwachsen  der  Geländehöhc  bei  alten  Bauwerken  werden  wir  auch  in  Prenz- 
lau  und  Soldin  wiederfinden.  Die  (Gesamt  ?-)Breite  des  obigen  Verbindungsbaues 
wird  auf  etwas  mehr  als  12  Fuß  (3,80  m)  angegeben,  wobei  zwischen  den  Strebe- 
pfeilern und  der  Außenwand  eine  Gangbreite  von  etwa  2  m  verblieben  wäre, 
während  die  gesamte  lichte  Weite  mit  etwa  3,10  m  den  auch  anderswo  anzutreffen- 
den Kreuzgangsabmessungen  entsprechen  würde.  Die  sehr  geringe  Weite  der 
Seitenschiffe  wird  in  Ruppin  die  Beibehaltung  von  Strebepfeilern  auch  auf  der 
Kreuzgangsseite  veranlaßt  haben,  die  wir  u.  a.  auch  beim  Dom  zu  Wetzlar  antreffen. 
Spuren  an  der  Kirchenwand  sind  an  dieser  Stelle  nicht  mehr  sichtbar.  Sie  müßten 
hinter  der  Ausmauerung  der  Strebepfeiler  liegen.  Vom  Klosterhof  her  führte  in 
diesen  Bauteil  eine  Tür  und  ging  „nach  die  Kirche  hinein";  ihre  Lage  ist  nicht 
näher  bestimmt,  auch  nicht  mehr  feststellbar.  Vielleicht  ist  es  die  ehemalige  Tür 
in  der  südöstlichen  Ecke  zwischen  Chor  und  Langhaus  gewesen,  die  ähnliche  Lage 
hat   wie  ein  ehemaliger  Durchgang  zu  St.  Pauli  in  Brandenburg. 

Betrachten  wir  zugleich  den  südlichen  Abschluß  des  Klosterhofes,  so  finden 
wir,  selbst  wenn  wir  obige  Hofabmessungen  und  die  weiterhin  angegebene  Ent- 
fernung des  Westgebäudes  von  der  Stadtmauer  zu  54  Fuß  (16,96  m)  als  etwas  zu 
hoch  gegriffene  Näherungswerte  ansehen,  daß  der  „freie  Kreuzgang"  wirklich  nur 
ein  niedriger  Gang  gewesen  sein  kann,  nicht  ein  ganzes  Klostergebäude,  wie  Riedel 
meint.  Hier  sollen  auffallenderweise  gleich  3  gewölbte  Türen  in  den  inneren  Kloster- 
hof geführt  haben.  Es  erscheint  aber  bei  dem  Zweck  des  Klaustrums  äußerst  be- 
denklich, so  viel  Öffnungen  als  ursprüngliche  anzunehmen. 

Das  Erdgeschoß  des  westlichen  Klausurgebäudes  enthielt  an  seinem  Südende 
im  18.  Jahrhundert  die  aus  Flur,  Stube  und  Kammer  bestehende  Küsterwohnung, 
„alle  gewölbt  und  mit  mauren  umgeben",  während  der  größere  nördliche  Teil  trotz 
eingezogener  Fachwerkwände  noch  auf  einen  ehemaligen  Raum  schließen  ließ,  der 
„eine  einzige  hölung"  war.  Obgleich  Feldmann  einmal  ausdrücklich  angibt, 
daß  im  Westgebäude  kein  Kreuzgang  gewesen  sei,  spricht  er  an  zwei  andern  Stellen 
wieder  davon,  daß  ein  solcher  „rund  um  den  hof  war,  unter  dem  Gewölbe",  bezw. 
daß  er  „einen  recht  viereckten  hof  eingeschlossen"  habe;  und  dies  ist  im  Hinblick 
auf  ähnliche  Bauten  das  Wahrscheinlichste,  umsomehr,  als  eine  hier  erwähnte  Tür 
zum  Klosterhofe  wchl  kaum  unmittelbar  von  dem  Inneren  unter  freien  Himmel  geführt 
hat,  statt  in  einen  überdeckten  Kreuzgang.  Die  eingezogenen  Fachwerkwände, 
durch  die  kleine  Wohnungen  geschaffen  wurden,  können  Feldmann  sehr  wohl  den 
wahren  Zusammenhang  verheimlicht  haben.  Hat  er  doch  auch  nicht  bemerkt,  daß  der 
nördliche  Erdgeschoßraum  unmöglich  ,.gantz  frei"  gewesen  sein  kann ;  oben  haben 
nämlich  5  dünne  Säulen  „in  der  mitte  in  einer  Reihe"  gestanden,  die  rings  um 
sich  her  die  Gewölbe  trugen.  Diese  müssen  sich  unbedingt  auch  nach  unten  hin 
in  Stützen  fortgesetzt  haben,  zumal  man  in  solchen  Fällen  auch  die  unteren  Räume 
stets  gewölbt  findet;  denn  bei  Annahme  ihrer  Stellung  über  der  inneren  Kreuzgangs- 
wand würde  man  nach  der  westlichen  Aulknseite  hin  Räume  von  der  unwahrschein- 
lichen Tiefe  nur  des  Kreuzganges  selbst,  etwa  3  m,  voraussetzen  müssen. 

Die  „circumferenz"  der  erwähnten  Säulen  von  2  Fuß  2  Zoll  oder  2  Fuß  10  Zoll 
(i./M.  25  cm  Durchmesser)  läßt  Werksteinsäulen  vermuten,  die  wir  z.  B.  auch  in 
Prenzlau  finden  werden;  ihre  Höhe  betrug  nur  etwas  mehr  als  5  Fuß  (1,60  m).  Die 
Höhe  des  Westgebäudes  betrug  27  Fuß  (8,48  m),  so  daß  wir  nach  der  am  südlichen 
Achteckstrebepfeiler  etwa  in  entsprechender  Höhe  befindlichen  Dachkalkleiste  und  in 
Übereinstimmung  mit  einem  alten  Stadtplane  von  etwa  1723')  sowie  mit 
dem  Plane  Braschs-)  von  1789  die  Westseite  dieses  Gebäudes  in  der  Flucht  des 
Westgiebels  der  Kirche  zu  suchen  haben.  Im  südlichen  Ende,  in  der  dafür  typischen 
Lage,  kann  man  wegen  der  massiven  Uniwehrung  wohl  die  Küche  vermuten,  an- 
schließend im  Erdgeschoß  den  Speisesaal.  Die  Benutzungsart  der  oberen  Räume 
ist  ungewiß. 

1)  Neuruppiner  Stadtplan. 

2)  Brasch,  Plan  der  Stadt  Neu-Ruppin. 


55 


Das  östliche  Klosterfrebäiide  liabeii  wir  uns  wie  im  äußern  Aufbau  so  auch 
im  inncrn  dem  westhchen  sehr  ähnlich  zu  denken:  In  beiden  Geschossen  finden  wir 
hier  Gewölbe,  „ebenso  gebauet"  und  „mit  eben  solchen  dünnen  kurtzen  Säulen"  wie 
dort.  Neben  dem  Kreuzgange  im  Erdgeschof?  befanden  sich  an  der  ostlichen  Außen- 
mauer dieses  Gebäudes  um  1700  angeblich  etwa  8—10  kleine  Zellen,  jede  mit  einem 
besonderen,  an  der  Ostwand  hochgeführten  Schornsteine,  aber  nicht  j  e  zwei  von- 
einander durch  einen  schmalen  Gang  getrennt,  wie  Campe  angibt,  sondern  immer 
zwei  zusammenstehende  von  zwei  andern.  Die  Zellen  waren  „alle  gemauert  und 
kein  Krümchen  holtz  daran",  „die  inneren  Wände  ....  nur  dünn,  nehmlich  von  auf 
die  Kante  gesetzten  mauersteinen  gemauert".  Zellen  und  Zwischengänge  wurden 
durch  zwei  Arten  von  Fenstern  erleuchtet,  teils  durch  Rundfenster  „so  groß  als 
mein  Theetisch",  die  Mehrzahl  aber  durch  anders  gestaltete  zierliche,  oben  „zu- 
gerundete", in  denen  sich  „2  steinerne  Stiele  wie  in  den  großen  Kirchenfenstern" 
befanden.  Jene  mögen  in  den  Gängen,  diese  in  den  Zellen  gelegen  haben.  Es  ist 
nicht  verständlich  und  wegen  der  aufs  tiefste  zu  bedauernden,  durch  groben  Ver- 
trauensbruch entstandenen  Lücke  in  Feldmanns  Handschrift  nicht  mehr  nachzu- 
prüfen, woraufhin  Campe  bei  Erwähnung  dieses  Ostgebäudes  zu  einer  Breite  „des 
ganzen  Gebäudes"  von  IQ'-  Fuß  kommt  (6,12  m).  Für  einen  Kreuzgang  allein 
wäre  das  sich  ergebende  lichte  Maß  bei  einem  Dominikanerkloster  ganz  ungewöhn- 
lich groß,  und  wollte  man  noch  Innenwand  und  Zellen  hinzurechnen,  würde  es 
wieder  bei  weitem  nicht  ausreichen.  Nähme  man  aber  den  Kreuzgang  im  Ostflügel 
nur  eingeschossig  an  wie  an  Kirche  und  Südseite,  bezöge  also  die  ö,I2  m  Gebäude- 
breite auf  ein  sich  nur  über  den  darunterliegenden  Zellen  erhebendes  Obergeschoß, 
wo  fanden  dann  die  oberen  Mittelsäulen  bei  den  nur  schwachen  unteren  Zwischen- 
wänden ihren  Unterstützungspunkt?  Stammten  denn  auch  die  kleinen  Erdgeschoß- 
räume, die  sich  1^4  Jahrhundert  nach  Auflösung  des  Klosters  vorfanden,  be- 
stimmt noch  aus  der  Zeit  der  Mönche?  Können  nicht  ebensogut  diese  ganz 
ungewöhnlich  dünnen  Wände  nachträgliche  Zwischenstellungen  sein,  die  aus 
größeren  Räumen  für  Hospital-  und  Krankenzwecke  nach  der  Reformation  kleine, 
einzeln  zugängliche  und  voneinander  abgeschlossene  Kammern  schufen?  Betrach- 
ten wir  die  gewiß  auf  vorreformatorische  Zeiten  zurückweisenden  Bögen  an  der 
südlichen  Chorwand,  wenn  sie  heute  auch  nur  noch  die  Linienführung  ehemaliger 
Anschlußstellen  verbürgen,  die  wohl  1836—41  in  dieser  Weise  ausgebessert  wurden'): 
Drei  Spitzbögen  reihen  sich  im  Erdgeschoß  aneinander;  beim  gemeinsamen 
Kämpfer  des  östlichen  und  mittelsten  kann  man  heute  noch  an  der  Wand  auf  ein 
abgestemmtes  Bauglied  von  etwa  2 — 3  Schichten  Höhe  schließen,  also  den  Ab- 
messungen einer  Konsole;  der  andre  Kämpfer  ist  leider  nicht  mehr  sichtbar.  Ein 
großer  Bogen  im  Obergeschoß  faßt  die  3  unteren  zusammen  und  läßt  somit  alle 
4  Bögen  unter  gemeinsamem  Dache  und  zwischen  gemeinsamen  Mauern  liegen.  Be- 
rücksichtigt man  ferner,  daß  unter  Annahme  einer  Breite  des  Westgebäudes  von 
10 — 11  m,  nach  durchschnittlichen  Abmessungen  andrer  Klosteranlagen  mit  zwei- 
schiffigen  Räumen  und  Kreuzgang  festgestellt,  dessen  Ostwand  von  der  soeben  an- 
genommenen, ihr  gegenüberliegenden  etwa  29  m  entfernt  wäre  (gleich  oben  an- 
geführter Hoflänge),  so  kann  man  wohl  mit  ziemlicher  Wahrscheinlichkeit  an  dieser 
Stelle  das  ehemalige  Ostgebäude  suchen.  Damit  ließen  sich  auch  Campes  oben  er- 
wähnte unklare  Maßangaben  in  Einklang  bringen.  Der  „Gang",  dessen  Innen- 
und  Außenmauern  von  je  3  Fuß  wir  als  Innen-  und  östliche  Außenwand  des  Ge- 
bäudes betrachten  müssen,  wäre  dann  der  Gang  zwischen  den  Zellen,  „das  ganze 
Gebäude"  also  seine  Länge,  vermehrt  um  die  beiden  Wandstärken.  Doch  muß 
dies  unbeweisbare  Annahme  bleiben. 

Feldmann  erwähnt  nirgends,  an  welchem  Ende  des  Ostgebäudes  die  oberen 
Mittelsäulen  gestanden  haben.  Darum  könnte  man  zunächst  dem  Chore  in  der  Profil- 
gebung  des  oberen  Spitzbogens  nach  manchen  andern  Beispielen  einen  ins  Dach 
hineinragenden,  vielleicht  nur  mit  Holztonnc  überdeckt  gewesenen  Schlafsaal  an- 
nehmen, während  ein  zweischiffiger  Raum  im  Südende  dieses  Obergeschosses  ge- 
legen haben  mag. 

Beachtenswert  erscheint,  daß  hinter  dem  großen  Spitzbogen  im  Kircheniiniern 
eine  kleinere  ehemalige  Durchbrechung  erkennbar  ist  (BI.  3). 

Unten  wären,  genau  wie  bei  allen  später  zu  betrachtenden  Klöstern,  der  west- 
liche Spitzbogen  für  den  Kreuzgang,  die  beiden  andern  für  vielleicht  mehrere  zwci- 


')  Die  puiiktuMten  Böi;eii   slaiiiineu   \on   einer    Itiilieren  Aufiialiine  dieses  Waiidteiles, 
die  Herr  [iaiirat  I'ünii,  Fricdenau.  mir  frciuulllchst  zur  Xxrfügung  gestellt  hat. 


Ncu-Ruppin 


-     58     - 

schiffige  Räume  in  Anspruch  zu  nehmen,  die  von  Norden  nach  Süden  zu  als 
Sakristei,  Kapitelsaal,  Durchgangshalle  und  Tagesraum  zu  dienen  pflegten.  Die 
zwei  noch  östlich  von  diesem  Gebäude  befindlichen  Rundbögen  können  dann  wegen 
zu  großer  Tiefenentwicklung  höchstens  Anbauten  gewesen  sein,  worauf  auch  die 
in  der  Nähe  befindliche  Kalkdachleiste  schließen  ließe,  wenn  sie  nicht  überhaupt  von 
Gebäuden  aus  einer  früheren  Zeit  stammen,  die  nach  dem  Brande  von  1465  nicht 
wieder  aufgebaut  wurden.  Die  romanische  Portalnische  und  eine  jetzt  vermauerte 
Türöffnung,  beide  nur  im  Innern  der  Kirche  noch  erkennbar,  mögen  ehedem  ihre 
Verbindung  mit  dem  Chorraum  hergestellt  haben  (Bl.  3).  Wenngleich  Campe 
unter  der  Inschrift  der  Grafen  den  jetzt  zugemauerten  ,, Eingang  zu  dem  östlichen 
Kreuzgange"  sieht,  ist  dies  mit  den  festgestellten  Maßen  doch  nicht  vereinbar. 
Riedel  glaubt  darin  sogar  den  „Eingang  zum  Grabgewölbe"  erkennen  zu  können'). 

Schließlich  stand  nach  Feldmanns  Aufzeichnungen  um  1700  eine  Sakristei 
„noch  außerhalb  diesem  Kreutzgange",  wobei  zu  berücksichtigen  ist,  daß  in  dieser 
Quelle  sehr  oft  Kreuzgang  für  Klostergebäude  überhaupt  gebraucht  wird.  Da 
1835 — 38")  die  „alte"  Sakristei  in  der  Mitte  der  Chorlangseite,  also  dort,  wo  heute 
noch  Dachspuren  erkennbar  sind,  unter  Verlegung  in  die  südöstliche  Ecke 
zwischen  Chor  und  Langhaus  abgerissen  wurde,  mögen  diese  beiden  sich 
entsprechen.  Welchem  Zweck  sie  zu  Mönchszeiten  gedient  hat,  ob  sie  damals 
überhaupt  schon  vorhanden  war,  entzieht  sich  unserer  Kenntnis.  Der  zwischen 
Ostgebäude  und  Ostchor  verbleibende  Winkel  mag,  wie  in  St.  Pauli  zu  Brandenburg, 
eine  Erweiterung  des  Kreuzganges  gewesen  sein^). 

Auf  Grund  dieser  Betrachtungen  ist  auf  Bl.  5  der  Lageplan  des  Klosters  nach 
1488  dareestellt. 


')  Campe,  S.  18;  Riedel  A  4,  S.  266. 

2)  Heydemann,  S.  190/1. 

3j  Vergl.  den  leider  sehr  kleinen  ,,Neuruppiner  Stadtplan"  von  etwa  1723  der 
neben  dem  kleinen,  fast  quadratischen  Anbau  an  der  nördlichen  Chorlangseite  im 
Süden  die  Ecke  zwischen  Chor  und  Langhaus  ausgefüllt  angibt,  wenngleich  in  dieser 
Art  der  Darstellung  unwahrscheinlich.  Ferner  zeigt  der  Chor  auch  auf  dieser  Süd- 
seite 2  kleine  quadratische  Anbauten. 


5g 


3.  Teil.  Die  Altertümer. 


Düiltig  sind  die  Nacliiichten  über  Lage  und  Gestaltung  der  eigentlichen 
Klausurgebäude;  auf  späten  Vermutungen  nur  beruht  einige  Kunde  von  ihrer 
früheren  Benutzungsart;  nichts  wird  uns  überliefert  von  Wirtschaftsgebäuden,  und 
ganz  in  Dunkel  gehüllt  ist  uns  die  Fomiensprache  und  ehemalige  Ausstattung  dieser 
mehr  profanen  /wecken  tlienenden  Gebäude.  Wohl  aber  finden  wir  in  der  Kirche 
manches  Stück,  dessen  Entstehung  noch  in  die  Zeiten  des 
.Mittelalters  fällt,  und  die  Literatur  gibt  uns  ergänzend 
.Auskunft  auch  noch  über  mancherlei  Andres,  was  im 
lauf  der  Zeiten  als  Schmuck  oder  Innenausstattung  dieses 
Gebäudes  eine  Rolle  gespielt  hat. 

Zunächst  finden  wir  heute  in  Nischen  auf  der  süd- 
lichen Chorwand  vier  selbständige  figürliche  Dar- 
siellungen.  Wohl  die  älteste  davon  ist  die  eines  .Mannes 
m  Mönchskleidung,  in  der  Rechten  ein  Gebetbuch,  in 
der  Linken  einen  Stab  haltend.  Dieterich')  sah 
uiter  ihr  noch  am  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  die 
Worte : 

,,Frater  Wichmannus,  fundator  hujus  Coenobii 
A.  p.  C.  n.  1256". 
Fs  ist  nicht  ersichtlich,  weshalb  später  Bratring  ohne 
.Angabe  seiner  Gründe  die  Statue  für  Thomas  von 
Aquino  hielt,  andre  gar  Dominikus  darin  zu  sehen 
meinten.  Sie  ist  1,42  m  hoch  und  scheinbar  aus 
weichem  Sandstein,  vielleicht  aber  auch  aus  Stuck  an- 
gefertigt. Der  Kopf  als  die  Hauptsache  ist  mit  größter 
Liebe  dargestellt.  Die  hohe  Stirn  deutet  auf  Klugheit, 
tiefe  Furchen  unter  den  Augen  und  spärlicher  Haarwuchs 
:uil  hohes  Alter;  etwas  gesenkte  Augenlider,  ein  lächeln- 
Ller  Mund  und  ein  gerundetes  Kinn  geben  einen  milden 
Ausdruck.  In  schroffem  Gegensatz  zu  dem  lebenswahren 
Gesamteindruck  des  Kopfes  steht  die  nachlässige  Aus- 
bildung des  Körpers.  Schon  die  Haltung  ist  unnatür- 
lich, indem  der  wohl  schreitend  Gedachte  sich  nach  der 
dem  stützenden  Stab  entgegengesetzten  Seite  neigt;  der 
Faltenwurf  wirkt  angeklebt;  kein  Glied  löst  sich  völlig 
vom  Körper  los;  der  Oberkörper  ist  14  cm  dick  und  er- 
scheint stark  eingedrückt:  alles  Merkmale,  die  diese 
Statue  vielleicht  bis  in  das  13.  Jahrhundert  zurück  datieren  lassen. 

Von  unbekannter  Zeit  an  bis  etwa  1700  stand  diese  Figur  „außer  der  Mauer", 
d.  h.  wohl  irgendwo  frei  im  Kirchenraume.  Dann  ließ  der  Magistrat  ein  Loch  in 
die  Kirchenmauer  hauen  und  „zu  seinem  epitaphio"  eine  Tafel  darüber  setzen^), 
die  noch  heute  in  der  Nische  hinter  dem  Altare  steht  und  in  ihrem  SO'-  100  cm  großen 
Oval  unter  einem   Adler  die  Inschrift  trägt: 

,,Frater  Wichnianiuis 
Fundator  hujus  coenobii.  a.p.C  ii. 
MCCLVI. 
Coenobii    Neo    RuppinI    Fundator  et 
Auetor  Wichmannus   Comes  est,    vir 
pietate  gravis   :    Effigiem  videas  et 
contenipleris  lionestos  In  vultu  mo- 
res, ac  monachale  Decus. 


Fig.  2.    Pater  Wichmann. 

Aufiifii.  1911. 


Ad  .Mandatuni  Magistratus 

renovatum 

17-i6". 


')  M.  Dieterich,  S.  110. 

•)  Feldniann  II,  5.37(1/1;    li.  Bckmann,    liaiidschr.    Nachlaß,  bereits: 
Magistratus  in  niemoriani  posteritatis  rennvatuni  .Anno  1703". 


.Ad    mandatuni 


Ne»-Ruppiii 


Fig.  3    Pietä. 


-     60     - 

Bald  darauf,  im  Jahre  1714,  erhielt  die  Statue  einen  neuen  Anstrich');  wahr- 
scheinlich sind  also  schon  vorher  die  ursprünglichen  Farbtöne,  die  noch  heute  am 
Gesicht  als  rötlich,  am  Gewand  als  schwarz  sich  feststellen  lassen,  unter  einer 
einheitlichen  Deckschicht  dem  Auge  verborgen  worden. 

Ebenfalls  aus  einem  weichen  Sandstein  oder  Stuck, 
nicht  aus  Holz,  wie  Bergau  angibt,  ist  eine  SO  cm  hohe 
sitzende  Figur  der  Maria  mit  dem  Leichnam  Christi  auf 
dem  Schöße,  eine  in  mittelalterlichen  Kirchen  öfters  an- 
zutreffenfle  Gruppe.  Als  bester  Beweis  für  ihre  Herkunft 
noch  aus  vorreformatorischer  Zeit  kann  auch  ihre 
Übermalung  mit  einer  graugrünen  häßlichen  Deckfarbe 
gelten,  unter  der  sich  z.  B.  das  ehemalige  Rot  des  Marien- 
gewandes noch  feststellen  läßt.  Wenngleich  Arme  und 
Beine  sich  auch  noch  nirgends  ganz  loslösen,  lassen 
doch  die  fließenderen  Formen  und  die  plastischere  Bil- 
dung gegenüber  der  Wichmannsstatue  dieses  Werk  später 
entstanden  sein,  etwa  im  15.  Jahrhundert. 

Stilistisch  etwa  in  die  gleiche  Zeit  zu  setzen  sind 
zwei  Holzfiguren,  ohne  den  Sockel  1,12  m,  mit  ihm 
1,27  m  hoch,  Maria  und  Johannes  darstellend.  Wie 
ich  und  rücksichtslos  man  nach  der  Reformation  bei 
i'bermalung  farbiger  Gegenstände  verfuhr,  deren  Her- 
kunft aus  katholischer  Zeit  man  damit  verdecken  wollte, 
zeigt  die  Frauengestalt:  am  rechten  Arm  gewahrt 
man  unter  der  heute  dick  aufgetragenen  Farbschicht 
weißes  Leinen!  Die  ehemals  rote  Farbe  des  Gewandes  läßt  sich  auch  hier  noch 
feststellen.  Diese  beiden  Figuren  standen  wohl  von  jeher  in  engstem  Zusammen- 
hange mit  einem  seit  Schinkels  Kiixhenausbesserung  verschwundenen  hölzernen 
Kruzifix,  das  sich  damals  zwischen 
obigen  Holzfiguren  an  der  Wand 
des  Altares  befunden  hatte. 

Neben  diesen  allseitig  freien 
Figuren  finden  wir  einige  alte  Reliefs, 
deren  Gruppen  sich  kräftig  vom 
Hintergrunde  abheben.  Die  heutige 
Altarrückwand  bedecken  seit  1836 
bis  1 84 1  Darstellungen  aus  dem  Leben 
Christi,  die  schon  Anfang  des  1  S.Jahr- 
hunderts-) als  , .Altarbilder"  bezeich- 
net werden  und  früher  auch  am  alten 
Altare  angebracht  gewesen  sein 
mögen.  Ein  Rahmen  von  2,00X2,80m 
umschließt  6  fast  quadratische  Ab- 
teilungen, die  in  2  Reihen  von  je  3 
Bildern  übereinander  stehen.  Es  ist 
schwer  festzustellen,  ob  nicht  auch 
hier  Sandstein  als  Material  verwandt 
worden  ist,  zumal  an  die  Stelle  einer 
wohl  schon  früher  vorhanden  zu  den- 
kenden farbigen  Bemalung  vermutlich 
seit  Schinkels  Zeiten  eine  neue  ge- 
treten ist.  Wahrscheinlicher  ist,  da 
Holz  nicht  vorliegt,  eineModellierung 
aus  Ton,  weil  namentlich  die 
Falten  der  Gewänder  so  scharf  an 
ihren    Kanten    sind ,    daß    sie    eher 

wie  geschnitten  als  wie  gemeißelt  aussehen.  Dargestellt  werden  rechts  unten  die 
Geburt,  darüber  die  Auferstehung  Christi :  die  beiden  bedeutungsvollsten  Momente 
seines  Lebens  für  die  Menschheit.  Links  finden  wir  unten  die  Huldigung  der  drei 
Könige,  oben  die  Darbringung  im  Tempel  mit  Simeon:  die  Anbetung  Christi  durch 
Heiden  und  Juden.     Die  Mitte  nimmt  unten  die  Kreuzigung  Christi  ein,  oben  sein 


Fig.  4.    Maria  und  Johannes. 


Auf  gen.  1911 


')  Riedel,  Qesch  d.  Klosterk.,  S.  8. 
-)  Bekniann,  handschr.  Nachlaß. 


61 


und  Marias  Aufenthalt  uii  1  iininu-l :  scme  tiefste  flrniedrigung  und  seine  liöchste 
Erhöhung.  Die  einzehien  Figuren  weisen  neben  argen  Mißgriffen  iin  Maßstab 
häufig  eine  solche  Steifheit  auf,  daß  man  sie  trotz  aller  Durcharbeitung  der  Einzel- 
heiten eher  als  früher,  denn  als  gleichzeitig  mit  den  oben  besprochenen  entstanden 
annehmen  möchte.  Doch  liegt  der  Gedanke  nahe,  daß  alle  diese  Piastiken  außer 
Wichmann  nach  dem  Klosterbrande  von  1465  entstanden  sind,  weil  die  Kirche  da- 
mals vollständig  ausgebrannt  zu  sein  scheint,  wie  wir  gehört  haben. 

Hierher  gehören  auch  wohl  die  vier  einschließlich  ihrer  ehemaligen  Inschriften 
fast  bis  zur  Unkenntlichkeit  zerstörten  und  verwitterten,  54  •  80  cm  großen  Sand- 
steinreliefs, die  sich  bis  lOOft'S  auf  vier  äußeren  Seiten  des  Treppenturmes  an  dessen 


Fig.  5.     Altarreliefs.  Aufgcn.  1911 

unterem  Ende  befanden  und  seitdem  im  Polygon  angebracht  sind.  Sie  stellen 
1.  die  Krönung  der  .Maria,  2.  die  heiligen  drei  Könige,  3.  die  Kreuzigung  und 
4.  Maria  mit  dem  Leichnam  des  Herrn  dar.  Die  stark  vortretenden,  aber  noch 
nirgends  ganz  vom  Hintergrund  losgelösten  Reliefs  waren  früher  ebenfalls  farbig 
behandelt,  wie  dunkle  und  rötliche  Tönungen  m  den  Tiefen  noch  klar  er- 
kennen lassen. 

Wenn  sich  somit  einige  mehr  als  Schmuck  der  Kirche  veiAvandt  gewesene 
Reste  aus  gotischer  Zeit  in  unsere  Tage  hinübergerettet  haben,  so  haben  die  ehe- 
maligen eigentlichen  Einrichtungsgegenslände,  die  ja  dauernd  beim  Gottesdienst 
benutzt  wurden,  längst  neuen  und  ihrer  jeweiligen  Zeit  praktischer  erscheinenden 
weichen  müssen.  Am  tiefsten  ist  der  Verlust  des  alten  Chorgestühls  zu  beklagen,  das 
1836 — 41  wegen  Einengung  des  Chorraumes  herausgenommen  wurde  und,  statt 
an  geeigneter  Stelle  aufbewahrt  zu  werden,  vielleicht  als  altes  Brennholz  ein  ruhm- 
loses Ende  gefunden  hat.  Beinahe  einem  Zufall  verdanken  wir  es,  wenn  uns  in 
Skizzen  von  Quasts  wenigstens  einige  Teile  in  ihrer  Gestaltung  überkommen  sind 
(BI.  10).  Seine  Formen  waren  äußerst  schlicht.  Glatte  Bretter  bildeten  die  Rück- 
wand, unmittelbar  an  die  Mauer  stoßend.  Eine  weit  ausladende  Hohlkehle  mit 
kleinem  Alischlußprofil  bildete  im  Vergleich  mit  dem  reichen  Schmuck  der  Spätzeit 
die  denkbar  einfachste  obere  Endigung.  Senkrecht  zu  dieser  Rückwand,  mit  Stein- 
schrauben in  der  Wand  befestigt  und  wohl  auch  hier  wie  anderswo  nach  geringer 
Anzahl  von  Sitzen  sich  wiederholend,  waren  grolle,  ebenso  hohe  Zwischenwangen 
angebracht,  während  die  einzelnen  Sitze  durch  nur  halb  so  hohe  Teilwände  von- 
einander getrennt  wurden,  auf  denen  in  üblicher  .Anordnung  eine  hinter  jedem 
Sitze  einfach  ovalförmig  ausgeschnittene  Bohle  lag.    Bekmann')  berichtet  uns  aus  dem 


')  Bektnaiin,  luituischr.  Xacliiali. 


Neu-Ruppiii 


62 


Anfang  des  IS.  Jahrliunderts,  daß  er  noch  auf  beiden  Seilen  des  Chores  die  Chor- 
stühle sah,  und  es  befand  sich  „über  jedwedem  Gestühle  [auf  einem  rohten  felde] 
ein  Nahmen  einer  Stat,  als  Egrensis,  Oronyngensis,  Marienburgensis,  Branden- 
hurgensis  etc,  von  welchen  man  doch  nur  die  auf  rohtem  gründe  lesen  kann'"). 
Den  im  ganzen  Chor  abgefangenen  Diensten  nach  zu  urteilen,  die  andernfalls 
der  Befestigung  des  Gestühls  an  der  Wand  hinderlich  gewesen  wären,  nahm  es  wohl 


Fig.  6— 9.     Sandsleinreliefs. 


die  ganze  Strecke  zwischen  den  Chorecksäulen  und  den  beiden  letzten  Stufen  ein, 
soweit  nicht  die  gewiß  kleine  älteste  Orgelempore  daselbst  für  sich  Raum  be- 
anspruchte. 

Was  uns  das  Neuruppiner  Chorgestühl  besonders  interessant  macht,  sind 
die  an  den  hohen  Zwischenwangen,  sowohl  an  der  schmalen  geschwungenen 
Vorderseite  als  auch  auf  den  Breitseiten,  vorhandenen  Schnitzereien.  Ein  feines 
Säulchen,  an  der  Vorderkante  aus  der  Bohle  herausgeschnitten,  trägt  oben  ein  ent- 
sprechend kleines  Kapitell.  Bündig  mit  der  Deckplatte  beginnt  dann  eine  spiral- 
förmige Linienführung  der  .Außenseiten,  wobei  die  scharfen  Kanten  beiderseits  als 
Weinreben  abgerundet  sind,  von  denen  sich  nun  eine  große  Zahl  kräftig  modellier- 
ter Weinblätter  auf  die  schmale  Vorderseite  sowie  auf  das  Innere  der  Schnecken- 
form hin  abzweigt.  Diese  frühgotischen  Einzelformen  eines  nicht  stilisiert,  sondern 
ganz   der   Natur   entsprechend    verwandten    Laubwerkes    zusammen    mit   der   kraft- 


';  Eger,  aufgen.  1296.       Groningen,  aufgen.  1310, 
Magdeburgensis(?),  anfgen.  r224/'2() 


Statt    Marienburgensis   richtiger 


-     63     - 

vollen  Behandluny;  der  einzelnen  Blätter  lassen  nach  Riggenbachs')  eingehenden 
Studien  dieses  Chorgestühl  zurückversetzen  in  die  Zeit,  wo  beim  Übergang  von 
dem  spröden  Steinmaterial  romanischer  Zeit  auf  das  bildsamere  Holz  der  schwere 
Steincharakter  der  Bauglieder  und  der  Einzelformen  sich  erst  allmählich  verlor: 
in  den  Anfang  des  14.  Jahrhunderts. 

Ob  auch  für  die  Gemeinde  in  ältesten  Zeiten  festes  Gestühl  vorhanden  war, 
ist  nicht  überliefert;  erst  1738  wird  von  der  Erneuerung  eines  solchen  allgemein 
berichtet-). 

Von  dem  ältesten  Altare  mag  nur  der  massive  Kern  den  Klosterbrand  über- 
standen haben,  nach  allen  Beschreibungen  ,,aus  einem  einzigen  stein  künstlich  aus- 
gehauen". Eine  fast  4  m  hohe  und  auf  der  Mitte  der  Ostseite  mit  einer  türartigen, 
in  der  Leibung  dreifach  abgetreppten  Spitzbogennische  versehene  Rückwand  aus 
Backstein  in  Klosterformat  trägt  heute  wie  wahrscheinlich  auch  vordem  das  oben 
besprochene  Altarrelief.  Aller  sonstige  Schmuck  wurde  bei  der  Wiederherstellung 
1836 — 41  erneuert,  die  Vorderseite  in  Schinkelscher  Gotik  mit  schwarzem  Stein 
verblendet.  Dabei  fand  man  unter  der  Deckplatte  ein  Blechkästchen  mit  drei 
Knochen,  einem  Stückchen  Haut  und  einigen  Stückchen  Harz,  den  an  solcher  Stelle 
üblichen  Reliquien. 

Eine  Kanzel,  die  doch  in  einer  Predigerkirche  stets  vorhanden  sein  muß,  wird 
zum  ersten  Mal  bei  der  Erneuerung  vom  Jahre  1723-')  erwähnt.  Diese  neue 
ruhte,  wie  gewöhnlich  im  18.  Jahrhundert,  auf  der  Figur  des  Moses,  hatte  viel 
Schnitzwerk  und  war  gut  vergoldet.  Sie  stand  an  einem  Pfeiler'),  vermutlich,  wie 
in  Brandenburg  heute  noch,  am  zweiten  vom  Chor  aus  auf  der  Seeseite,  bis  sie 
1836 — 41  unter  abermaliger  völliger  Erneuerung  an  den  Choreckpfeiler  derselben 
Seite  rückte.  Dort  findet  sie  sich  auch  heute  noch,  ist  aber  seit  1860  um  einige  Fuß 
niedriger  gelegt.  Dabei  verschwand  leider  die  12  Fuß  hohe  Wendeltreppe,  die 
allgemein  als  ein  wahres  Musterwerk  der  Schnitzkunst  bezeichnet  wurde. 

Nicht  viel  mehr  erfahren  wir  von  alten  Orgeln.  Doch  sind  solche  schon  früh- 
zeitig anzunehmen,  im  14. — 15.  Jahrhundert  vielleicht,  weil  die  Vorsteher  des  „ge- 
meinen Kastens"  1550  den  Kurfürsten  um  Überlassung  „der  2  Orgeln  hier  im 
Kloster"  bitten,  „da  diese  vf  großem  Verderb  und  minderung  stehen"'*);  und  im 
folgenden  Jahre  erhielt  ein  Hamburger  Orgelbauer  zu  einer  neuen  für  die 
Pfarrkirche  „alles  zinn,  Blei  und  Kleinschmiedewerk"  zumeist  von  obigen  beiden"). 
Somit  waren  die  Mönchsorgeln  dahin. 

Die  Neuausstattung  der  Kirche  zu  gottesdienstlichem  Gebrauche  brachte  auch 
wieder  eine  neue  Orgel,  1586  gestiftet  aus  den  Krieleschen  Mitteln").  Bis  zur 
zweiten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  stand  sie  nahe  bei  der  großen  Wandinschrift 
„auf  einem  aparten  Chor,  so  an  einer  Seitenmauer  der  Kirche  zwischen  dem  .-Mtar 
und  der  Kantzel . . .  angebauet  ist  und  vorn  auf  einem  hölzernen  Pfeiler  ruhet"'*), 
und  dieser  Chor  mit  seinem  blauen  Rahmen  war  laut  früherer  Inschrift  1586  bemalt 
worden.  Es  ist  im  Hinblick  auf  die  Spuren  eines  ehemaligen  Durchbruches  im 
oberen  Teile  des  zweiten  Chorjoches  wahrscheinlich,  daß  auch  zu  der  Mönche 
Zeiten  die  Orgel  hier  ihren  Platz  hatte.  Vom  1.  Stockwerk  des  anstoßenden  öst- 
lichen Klausurgebäudes  wäre  ihre  Empore  dann  unmittelbar  zugänglich  gewesen.  Erst 
etwa  mit  der  Einführung  von  Emporen  rings  um  das  Langhaus,  die  wohl  nach 
dem  großen  Brande  von  1789')  zur  Aufnahme  der  ganzen  Stadtgemeinde  erforder- 
lich wurden,  rückte  die  schon  Mitte  des  18.  Jahrhunderts^')  erneuerungsbedürftig 
gewordene  Orgel  aus  dem  Chor  weg  an  den  Westgiebel.  Während  aber  die  Längs- 
emporen, in  deren  Brüstungen  „leidlich  gute  Gemälde"  Begebenheiten  aus  der 
Heiligen  Schrift  darstellten  und  die  auch  von  außen  her  in  der  nördlichen  Ecke 
zwischen  Chor  und  Langhaus  einen  besonderen  Zugang  besaßen,  trotz  Bittgesuches 
des  Magistrats  an  den  König  vom  Jahre  1839  zum  Vorteil  für  die  Raumwirkung 
der  Kirche  für  immer  wieder  verschwanden,  wurde  die  hölzerne  Westempore  in 
gotisierenden  Formen  damals  wieder  errichtet  und  abermals  mit  einer  neuen  Orgel 
ausgestattet,  die  von  dieser  Stelle  bis  auf  den  heutigen  Tag  den  Gesang  der  Ge- 
meinde begleitet,  leider  aber  den  Westgiebel  innen  verdeckt. 


')  Riggenbach.  S.  213  ff. 

-'j  Feldmann  II,  ?.  274/5. 

3)  Feldmann  II,  S.  32/3. 

^)  Bratring,  Gesch.  der  Orafsch.  Ruppin,  S.  320. 

5)  Feldmann  I,  S.  81/82. 

")  Feldmann  II.  S,  435/6. 

')  Fekimann  II,  S.  283. 

^)  Feldmann  II,  S  '51/2,  S\.  Dietericli,  S.  15. 


Neu-Ruppin 


-     64     - 

Schließlich  sind  noch  2  alte  Glocken  zu  nennen,  die  eine  unbestimmten  Alters, 
aber  von  noch  roher  Arbeit,  von  fi2  cm  Durchmesser,  im  jetzigen  Dachreiter 
aufgehängt,  die  andre  nach  ihrer  Inschrift  15S2  vom  Rat  „der  Kirche  zur  heiligen 
Dreifaltigkeit  vorehret";  sodann  3  große  Kelche  nebst  Hostientellern  aus  der  Zeit 
um  1600,  von  städtischen  und  kirchlichen  Körperschaften  gestiftet  und  auch  heute 
noch  im  Gebrauch*).  Ein  schöner  Taufstein  in  der  .Witte  des  Langchores,  ab- 
wechselnd mit  den  Figuren  der  vier  .Xpostel  und  Sprüchen  aus  ihren  Evangelien 
auf  seinen  S  Seiten  geschmückt  und  auf  einem  Holzpodest  mit  reichen  Intarsien 
stehend,  ferner  ein  metallenes  und  vergoldetes  Kruzifix  auf  dem  Altare,  auf  dem 
der  Heiland  in  hoher  .\uffassung  nicht  mit  dem  .\usdruck  unsäglichen  Leidens 
und  in  der  Haltung  des  grausam  Gemarterten  erscheint,  sondern  als  der  fast  nur 
an  das  Holz  gelehnte  Segenspender  der  Menschheit,  sind  erst  auf  Schinkels  Einfluß 
zurückzuführen.  Ein  Ölgemälde  „die  Heimkehr  des  verlorenen  Sohnes"  von 
Bernhard  Christian  Rohde,  dem  Zeitgenossen  Friedrichs  des  Grolkn^),  und  ein 
weiteres  von  Gentz  „.V^aria  zu  den  Füßen  des  Herrn"  schmücken  erst  seit  noch 
späteren  Jahren  die  fensterlose   südliche  Chorwand. 

Die  Schinkelsche  Zeit  hat  somit  manches  Einrichtungsstück  entfernt,  dessen 
Ursprung  zuweilen  bis  ins  frühe  Mittelalter  zurückreichte.  Wenngleich  keine  be- 
stimmte Nachricht  darüber  vorliegt,  kann  man  doch  wohl  damals  bei  dem  all- 
gemeinen Streben,  alles  innen  wie  außen  glatt  und  eben  zu  machen,  auch 
die  X'ernichtung  alter  Epitaphien  und  Grabinschriften  annehmen,  die  Feldmann  noch 
um  die  .Witte  des  18.  Jahrhunderts  zahlreich  antraf. 

Das  älteste  Denkmal  ging  bis  in  die  Zeiten  der  Grafen  zurück,  die  hier  ihr  Erb- 
begräbnis hatten :  ..Hierunner  is  der  edlen  Herrn  van  Lindow  Graff",  steht  in  der  Grab- 
inschrift des  3.  Chorjcches.  .\ber  nicht  im  Ostflügel  des  Kreuzganges,  wie  Bratring 
auch  für  möglich  hälf^)  und  Campe  meint*),  sondern  i  n  der  Kirche  war  die  Gruft; 
hier  ist  der  letzte  Graf  W'ichmann  1524  „furm  Altar  im  Chor  zur  Erden  bestetigef*) ; 
hier  waren  auch  noch  um  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  die  „vestigia"")  zu  sehen, 
nach  näherer  Bezeichnung  bei  Feldmann'^)  wohl  ein  sargähnliches  hölzernes 
.Wonument;  und  Dieterich")  berichtet  ergänzend,  daß  Wichmann  „sepulchro 
majorum",  „in  dem  Begräbniss  seiner  N'orfahren,  beygesetzet"  sei.  War  hier  eine 
zusammenhängende,  ausgedehnte  Grabanlage?  Heute  ist  nichts  mehr  davon  zu 
sehen.  Zuerst  hatten  ja  die  Schweden  1641  die  Särge  der  Grafen  erbrochen  und 
die  Kostbarkeiten  geraubt;  dann  waren  bei  der  Wiederherstellung  1836 — 41  die  durch 
.Waterialien  ungewöhnlich  belasteten  Grabgewölbe  zum  Teil  eingestürzt,  und  man 
hatte  deshalb  auch  die  übrigen  aufgegraben,  die  vorgefundenen  sterblichen  Über- 
reste außerhalb  der  Kirche  wieder  zur  Erde  bestattet  und  nunmehr  sämtliche  Ge- 
wölbe ganz  ausgefüllt.  So  konnten  denn  auch  Nachgrabungen  im  Jahre  1906,  durch 
Ziehen  zweier  sich  in  der  Mitte  kreuzender  Stollen  am  östlichen  Ende  des  Langchores 
angestellt,  nichts  Gewisses  mehr  zutage  fördern.  Es  fanden  sich  an  der  bevor- 
zugten Stelle  beim  .Altare,  die  wir  wohl  für  die  Grafen  in  .\nspruch  nehmen  müssen, 
sowohl  Spuren  einzelner  Kreuzgewölbe,  die  auf  Einzelbestattung  der  Verstorbenen 
schließen  lassen,  als  auch  die  Grundzüge  einer  Treppenanlage,  etwa  bei  dem  ehe- 
maligen .\nbau  der  nördlichen  Chorwand  beginnend,  die  zum  Chorinnern  hinab- 
führte und  nach  Wendelung  in  der  -Witte  auf  den  .\ltar  zulief.  Hierin  könnte  man 
wieder  den  Zugang  zu  einer  wirklichen  gemeinsamen  Gruft  erblicken.  Die  Frage 
über  die  Bestattungsweise  der  Grafen  läßt  sich  somit  nicht  endgültig  entscheiden. 

Wo  die  .Wönche  der  ersten  Zeit  ihre  Ruhestätte  gefunden  haben,  entzieht  sich 
unserer  Kenntnis.  Am  Ende  des  Mittelalters  sollen  sie  im  östlichen  Kreuzgangsteil 
beigesetzt  worden  sein,  und  nur  ein  schlichtes  Kreuz,  über  jedem  Grab  in 
den  Steinfußboden  geritzt^),  hielt  bis  zum  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  die  Er- 
innerung an  den  unten  ruhenden  Pilger  wach,  der  im  Leben  so  oft  über  diese  Stätte 
dahingeschritten  war. 

Erst  nach  dem  Aussterben  des  Grafengeschlechtes  scheinen  auch  andre  des 
Vorzuges  der  Bestattung   im   geheiligten   Kirchenfußboden   teilhaftig  geworden   zu 


')  Bittkau,  Gesch  d.  Klosterk.,  S.  12/13. 

2)  Fiorello  111,  S.401. 

3)  Bratring,  Gesch.  der  Grafsch.  Riippin,  S.  134. 
*)  Campe,  S.  18. 

5)  Feldraann  II,  S  196;7. 

*)  C.  Dielerich,  S.  162. 

'■)  M.  Dieterich,  S.  138;  C.  Dieterich,  S.  162. 

s)  Feldmann  II.  S.  356:  Bekmann,  handschr.  Nachlaß. 


-     65     - 

sein.  Dieterich')  und  Feldmann-')  sahen  nocii  beim  damali;ren  Orgelchor  das 
Epuaphium  des  Joachim  von  Wuthenow,  wegen  der  nur  noch  leserlichen  ersten 
beiden  Zeilen  seines  Todesjahres  „A.  15.."  mit  Bestimmtheit  in  das  Ift.  Jahr- 
hundert, wegen  seiner  Inschrift  wohl  noch  in  die  Mönchszeit  zu  setzen.  Doch 
scheinen  solche  Fälle  nur  vereinzelt  gewesen  zu  sein.  Nachdem  der  Magistrat  aber 
1564  Patron  der  Kirche  geworden  war,  erhob  zunächst  er  für  sich  Anspruch  auf 
dortige  freie  Beisetzung,  während  die  Aufnahme  andrer  Verstorbener  gegen  ent- 
sprechende Entschädigung  für  die  Kirche  lange  eine  bedeutende  Einnahmequelle 
blieb.  So  konnte  die  Klosterkirche  Feldmann  bei  seiner  Besichtigung  im  Jahre  1756^) 
eine  reiche  Fülle  wappengeschmückter  Orabdenktafeln  darbieten,  die  bis  in  das 
16.  Jahrhundert  zurückreichten.  Daß  sich  solche  Inschriften  auch  ,, unter  den  Bildern 
der  biblischen  Historie  an  dem  Chore"  fanden,  also  im  Schiff,  kann  nicht  auffallen; 
selbst  der  lange  Chorraum  wird  schließlich  nicht  mehr  Platz  genug  geboten  haben 
für  die  dauernd  neu  zu  schaffenden  Grabstätten,  die  sich  mit  der  Zeit  in  der  ganzen 
Kirche  nebeneinander  reihten.  Damit  findet  auch  die  starke  Abweichung  des 
1.  Pfeilers  rechts  vom  Haupteingang  eine  Erklärung. 

.Wit  dem  IS.  Jahrhundert  ließ  hier  wie  anderswo  allgemein  die  Wertschätzung 
solcher  Beisetzungen  nach;  neue  kamen  also  nicht  mehr  hinzu;  die  Emporen  mit 
den  älteren  Inschriften  verschwanden;  der  ganze  Kirchenfußboden  wurde  aufgewühlt 
und  wieder  eingeebnet;  ein  roter  Anstrich  wurde  über  die  Mauerflächen  gebreitet  — 
kein  Wunder,  daß  heute  jegliche  Spur  verschwunden,  beinahe  jegliche  Erinnerung 
an  all  die  vielen  verwischt  ist,  die  hier  im  Schutze  des  alten  Bauwerkes  unter  seinem 
Fußboden  schlafen.  Nur  dem  Geschlecht,  das  ihm  Gründer  und  bleibender  Wohl- 
täter gewesen  ist,  hat  es  noch  Jahrhunderte  nach  seinem  Aussterben  ein  treues  Ge- 
denken bewahrt,  dem  Hause  derer  von  Arnstein. 


')  M.  Dielerich,  S.  111^-2 

2)  Feldmann  11,  S.  260/1. 

3)  Feldmann  11,  S.  31/2. 


Neu-Ruppin 


-  öö 


Ehemaliges  Chorgestühl  der  Neuruppiner  Klosterkirche. 

(Nach  V.  Quast.) 


Ö7 


Kapitel  2.    Strausberg. 

1.  Teil:    Die  Geschichte. 


Weitaus  weniger  auseinandergehend,  als  wir  es  in   Ruppin  gefunden   haben,  S  '• 

sind  die  Altersangaben  über  das  Strausberger  Kloster.  Aus  einer  sehr  späten  Nach-  Gründungs- 
richt  vom  Jahre  1540,  die  sich  früher  im  rathäuslichen  Archiv  dieser  Stadt  befand  geschichte. 
und  nach  ihrer  Aufschrift  „Vom  Cluster  zu  Strausberg"  handelte,  leitet  Berghaus') 
durch  Rechnung  das  Jahr  1252  ab,  weil  die  Mönche  damals  288  Jahre  im  Besitz 
dieses  Klosters  gewesen  sein  wollen.  Die  andern  uns  überkommenen  mittelalter- 
lichen Angaben-)  scheinen  wegen  ihrer  fast  wörtlichen  Übereinstimmung  in  den 
Hauptsachen  und  Auslassung  nur  von  Einzelheiten  auf  ein  und  dieselbe  Quelle 
zurückzugehen,  eine  leider  im  Original  verloren  gegangene  märkische  Fürstenchronik. 
Die  ausführlichste  von  ihnen,  nach  ihrem  Fundort  auch  wohl  die  „Trierer"  Chronik 
genannt,  berichtet  uns,  daß  „Otto  tercius . .  anno  domini^)  .\ACCLII  in  die 
annunciacionis  beate  virginis  Marie  (25.  März)  fratres  predicatores,  quos  ex  corde 
dilexit,  Struzeberch  collocavit,  et  eis  aream  in  loco  castri  sui  et  bibliam  glosatam 
de  C  marcis  et  expensas  ad  structuram  claustri  et  ecclesie  et  plura  alia  ministravit')". 
Im  Röbeler  ChorgestühF')  ist  bei  Strausberg  das  Jahr  1254  angegeben.  Ebenso  datiert 
v.  Loe  die  Aufnahme  des  Konvents  (mit  der  Nummer  18)  in  das  Provinzialkapitel; 
dieselbe  Zahl  findet  sich  bei  Brottuff  und  Jobsf);  im  gleichen  Jahre  ist  nach  dem 
Strausberger  Pfarrer  Engel')  das  dortige  Dominikanerkloster  „gestifftet  vnd 
auffgebawet/wie  ein  altes  Briefflein  aussweiset",  und  derselbe  stellt  aus  einem 
Ablaßbriefe  des  Bischofs  Otto  von  Brandenburg  fest,  daß  1256,  somit  2  Jahre  nach 
der  Aufnahme,  „die  Closterkirch  zu  Straussberg  anfenglich  erbawet  wordenn"  ist. 
Spätere  Datierungen  ohne  Begründung,  bei  Helmreich  mit  HöS**)  und  Hendreich') 
mit  1267,  dürften  dagegen  hinfällig  sein. 

Der  Ort  Strausberg  war  damals  in  kräftigem  Emporblühen  begriffen.  Nach 
obigen  Chroniken  erst  von  den  Brüdern  Johann  I.  und  Otto  III.  in  deren  kürzlich 
erworbenen  Landen  nordöstlich  der  Spree  errichtet,  tritt  er  uns  schon  1238  als  an- 
sehnliche Siedelung  entgegen'"),  die  bereits  1254  gegen  äußere  Feinde  mit  .Mauer. 
Wall  und  Graben  umgeben  wird,  während  die  Landesherren  zugleich  einem  Mönchs- 
orden in  der  Stadt  die  Aufgabe  zuweisen,  die  neu  unterworfenen  heidnischen  Slaven 
dem  Christentum  und  dadurch  auf  friedlichem  Wege  auch  der  weltlichen  Obrigkeit 
unterzuordnen. 

Daß  obige  „area  in  loco  castri",  dem  Wortlaut  nach  nur  eine  Baustelle,  bei  der        j;  2.  Besitz- 
Überiassung     an     die     Mönche     bereits     mit     irgendwelchen     Gebäuden     besetzt       Verhältnisse. 
war,  also  etwa  einen  Teil  der  Burg  ausmachte,  ist  unwahrscheinlich,  weil  die  Kloster- 
brüder auch  noch  zur  Neuerrichtung  von  Gebäuden  eine  ganz  bedeutende  Summe 


Berghaus  II,  S.  392. 

a)  Sello,    Chronica    Marchionum    Braudenburgensium ,    aus   dem    fiühereti     Trierer 

Jesuitenkolleg  stammend:    b)   Abbat.  Cinn.  Annal. :    o)   Frasm.  emer  Brand. -Brietz. 

Chronik:  d)  Pulka\va. 

Abbat  Cinn.  Anna!.,  S.  140:  MCCLIIII :  Pnlkawa,  S.  10.  wohl  versehentlich: .  Anno 

Millesimo  CCXLllIl". 

Abbat.  Cinn.  Annal.,  S.  140:  „aream  et  Bibliam  et  DCC.  Marck  ad  Ecclesiam  donavit". 

„et"  fehlt  in:  Fragm.  einer  Brand.-Brietz.  Chron.,  S.  279. 

Riedel  A  4,  S.  2S1 

Jobst,  Kap.  (I. 

Engel,  Annal.  11,  S.  105,0 

Helmreich,  S.  25. 

Hendreich,  Kap.  4. 

Riedel,  Mark  Brandenburg,  S.  412. 


Strausberg 


-     68     - 

Geldes  erhalten  und  weil  ferner  nach  einem  Vermächtnis  Albrechts  HI.,  eines 
dritten  Sohnes  Ottos  III.,  von  129Q')  der  markgräfliche  Hof  als  „apud  Fratres"  gelegen 
bezeichnet  wird.  Doch  mag  der  Konvent  schon  1252  außer  der  eigentlichen  Bau- 
stelle noch  das  Mitbenutzungsrecht  der  Burggebäude  bekommen  haben;  denn  nach- 
dem in  diesem  Testamente  bestimmt  ist,  daß  „Fratribus  siue  Ordini  (!)...  post 
mortem  nostram  (Albrechts  III.)  et  uxoris  nostrae . . .  ipsa  curia  cum  aedificiis 
attinentibus  ....  libere  pertinebit",  fügt  der  fromme  Spender  ausdrücklich  hinzu,  daß 
sein  Vater  sowie  sein  Bruder  Otto  (der  Lange,  Ottos  III.  zweiter  Sohn)  bereits  vor 
vielen  Jahren  „eandem  curiam  eisdem  Fratribus  dederant".  Die  Burg  sollte  fortan 
unbeschränktes  Eigentum  des  Konvents  werden;  er  sollte  sie  sogar  einschließlich 
aller  Vorrechte  und  Freiheiten,  die  sich  an  den  ehemaligen  landesherrlichen 
Besitz  knüpften,  an  die  Stadtbürger  weiter  verkaufen  können.  Unbegreiflich  ist  es 
daher,  wenn  wir  noch  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  einen  Siegfried  von  Ernow  im 
Besitz  dieser  Stätte  finden"),  ein  weiterer  Beweis,  daß  sie  nicht  mit  dem  Kloster- 
grundstück gleichbedeutend  sein  kann.  Erst  im  Jahre  1355  fiel  sie  dann  durch  erneute 
Zuwendung  des  Markgrafen  Ludwig  des  Römers  dem  eigentlichen  Erben  zu,  und  „ist 
derwegen  dis  Schlos  allwege  hernach  beym  Closter  geblieben:  Wie  denn  der  ohrt, 
darauf!  es  gestanden,  noch  heut  zu  tage  (1598)  dazu  gehöret". 

Die  alte  Burg  hat  demnach  ein  frühes  Ende  genommen.  Die  Gebäude  sind 
vielleicht  abgetragen,  der  Platz  ist  zum  Garten  verwendet  worden,  ebenso  wie  es  von 
Seehausen  berichtet  wird;  oder  die  Burg  hat  regulären  Baulichkeiten  weichen  müssen. 
Ein  Vorrecht  aber  haben  sich  die  Markgrafen  vielleicht  schon  bei  der  Übergabe  ihres 
Strausberger  Besitzes  ausbedungen,  das  nach  einem  kurfürstlichen  Schreiben  von 
1545  damals  Brauch  war^):  „Wir  wollen  vns  auch  furbehalten  habenn,  ...  Im  Kloster 
daselbst  wie  gewonlich  freye  herberge  zu  halten" ;  ja  es  scheint  sogar,  als  ob  ein 
bestimmtes  Gemach  stets  zu  persönlichem  Gebrauch  des  Landesherrn  und  seiner 
Familie   bereit  gehalten   worden  sei,   naturgemäß   „das  alderbeste  vnd   lustigste"'). 

Wenn  wir  es  in  Ruppin  nur  als  wahrscheinlich  bezeichnen  konnten,  daß  die 
Stede  Gebhards  noch  mehr  Gebiet  umfaßte  als  die  bloße  Baustelle  für  das  Kloster, 
so  wird  uns  in  Strausberg  solches  zur  Gewißheit.  Als  r321-')  zwischen  dem  Rate 
und  dem  Kloster  daselbst  Meinungsverschiedenheiten  eintraten  über  dessen  Aus- 
dehnung und  Befugnisse,  wurde  auf  Grund  alter  „ungefälscht  vndt  gantz  un- 
verdorben" gefundener  Briefe  festgestellt,  daß  den  Mönchen  bereits  von  den  Mark- 
grafen Otto  (dem  Langen)  und  Otto  (IIL),  dem  Stifter  des  Klosters,  folgendes  zu- 
gestanden worden  sei: 

1.  „frey  zu  bauende  vndt  befestende  ihr  Closter  innen  vndt  ausserhalb  nach 
ihrer  Bequemblichkeit,  sonderlich  ausserhalb  . . .  von  dem  Statthore  vom  Orienten  biss 
an  den  ersten  Hause  nach  dem  Kietze,  . . .  daß  Sie  sollen  lassen  aufwerffen  vndt  ziehen 
einen  Graben  von  der  Stattmauer  biss  in  dem  Strausse . . . ,  umb  ihren  Garten  vndt 
Wiesen  zu  befestigen, . . .  dass  ihnen  nicht  Schade  darinnen  geschehe." 

2.  „  . .  Grawe,  Garten  vndt  Stattgraben  biss  an  dem  Stadt-Kietze  in  Brauchung 
vndt  Genutz  zu  habende,  mit  Fischen  vndt  Früchten  vndt  Bäume  zusetzen  vndt 
pflanzende  vndt  nider  zuhawende  nach  ihren  Begehr  vndt  Muhte . ." 

An  diese  Vorrechte  knüpfte  sich  nur  die  eine  eigentlich  selbstverständliche  Ver- 
pflichtung, daß  sie  ,,denn  Stattgraben,  denn  Sie  in  Brauchung  haben,  grawen  vndt 
räumen  sollen  vndt  bessern  in  der  Tieffte  vnd  Weite". 

Kirchliche  und  weltliche  .Macht  änderten  an  diesem  Bestände  nichts:  1440") 
bestätigte  Bischof  Stephanus  IL  von  Brandenburg  nur  allgemein  der  Strausberger 
Mönche  „Priuilegia  und  Indulgentzbrieffe",  1470')  Markgraf  Johann  ausdrücklich  die 
obigen  von  den  Markgrafen  Otto  (IIL),  Otto  (dem  Langen)  und  Albrecht  (III.)  ge- 
gebenen Privilegien,  betreffend  „Hüssern,  Garden  vnd  Wesen,  die  sie  itzund  haben 
in  Besitz  gehabt  wente  an  dieser  Zeit". 

Die  freie  Lage  dieses  Garten-  und  Wiesenlandes  außerhalb  der  Stadtmauern 
muß  oft  zu  Räubereien  und  vielleicht  gar  zuweilen  zur  Entwendung  verleitet  haben; 
doch  die  harte  Drohung  Kaiser  Karls  IV.,  etwa  100  Jahre  später  erneut  von  .Mark- 
graf Johann  ausgesprochen'),  „wer  sich  vergreiffet  an  dem  Closter  zu  Strausberg 
vnd  Freyheit  bricht,  verfallen  seyn  soll  140  Mark  pur  Goldes,  vnd  das  übrig  nehmen 


')  Engel,  Annal.  II,  S.  119/20. 

2j  Engel,  Annal.  11,  S   157. 

3)  Riedel  A  12,  S.  133. 

^)  Riedel,  Suppl.,  S.  475 

5)  Riedel  A  12,  S.  70 

'■•)  Engel,  Annal   111,  S.  21=.. 

')  Riedel  A  12,  S.  100. 


-     69     - 

sollen  seine  Aints-Lüde",  eihielt  Ins  ins  späteste  Mittelalter  hnieni  dem  Kloster  un- 
eingeschränkt das,  was  landesherrliche  Gnade  ihm  als  Grundlage  und  zur 
weiteren  Förderung  seiner  Ansiedlung  dereinst  vermacht  hatte:  Noch  1541  bei  der 
Kirchenvisitation')  zeigt  der  aufgenommene  Bestand  neben  verschiedenen  I  läusern 
2  Wiesen  und  1  Weinberg,  in  den  der  Garten  auch  hier  wie  bei  andern  Klöstern  zu 
unbekannter  Zeit  zum  Teil  umgewandelt  worden  sein  mag,  während  wir  den  Rest 
wohl  mit  in  den  24  Hufen  Landes  zu  Strausberg  suchen  dürfen,  von  denen  die 
Mönche  zu  jener  Zeit  die  dadurch  erklärliche  geringe  Summe  von  4%  Floren  jähr- 
licher Zinsen  erhoben'-). 

Zählt  man  zu  der  reinen  Landschenkung  die  Zuwendung  von  700  •  100  Mark 
Silbers  beim  ersten  Aufbau  und  die  Gewähr  freien  Bau-  und  Brennholzes  aus  der 
Stadtheide  vom  Jahre  1470,  „dar  sie  vnsern  Rath  umb  grüssen  sollen,  so  oft  sie 
etwas  hawen  wollen,  vnd  were  es  Sache,  dass  sie  es  ihn  vorsagen  wollen,  gleich- 
wohl hawen  mögen  vnd  sollen"''),  so  finden  wir  auch  hier  die  regierenden  Fürsten 
als  die  Hauptwohltäter  des  Klosters,  die  Gründer  und  Erhalter  der  Stätte,  die  dem 
Konvent  ein  Heim  sein  sollte. 

Außer  dem  eigentlichen  Klostergebiet  mit  seinen  Gebäuden  besaß  der  Konvent 
schon  vor  den  Ausnahmebestimmungen  des  Papstes  nachweislich  noch  andre  Liegen- 
schaften. Im  Jahre  1325')  überließ  der  Rat  von  Eberswalde  zugleich  den  Straus- 
beiger  Dominikanern  und  den  Angermünder  Minoriten  (Franziskanern)  „unam 
aream  in  civitate  Euerwolde  sitam  . . .  lihere  et  quiete  sine  omni  exactione  perpetuo 
possidendam".  Sie  sollten  sich  hier  ein  Haus  bauen  dürfen  und  darin  wohnen,  so- 
lange es  ihnen  gefiele  und  sie  sich  untadelig  führen  würden.  In  dem  andern  Falle 
jedoch  sollte  das  Haus  samt  der  Baustelle,  die  übrigens  nicht  über  ihre  ursprüng- 
liche Abmessung  vergrößert  werden  durfte,  „sine  rixa  fratrum"  dem  Rat  zufallen. 
Offenbar  handelt  es  sich  aber  hier  nur  um  eine  sogenannte  Terminie,  eine  zum 
Mutterkloster  gehörige  Niederlassung,  in  der  sich  gewöhnlich  nur  1  Ordensbruder 
beständig  aufhielt,  um  zu  predigen,  Beichte  zu  hören,  die  Sakramente  auszuteilen 
und  vor  allem  milde  Gaben  in  Empfang  zu  nehmen. 

Anders  steht  es  mit  einem  dem  Kloster  gegenüberliegenden  Hause  neben  dem 
Mönchskirchhof''),  das  ein  ,,Herman  vorlaut"  und  seine  Frau  durch  Testament  vom 
Jahre  1412  oder  auch  erst  1415")  dem  Strausberger  Konvente  vermachten,  weil 
oder  wohl  richtiger  wofür  sie  und  ihre  Eltern  von  den  Mönchen  in  das  Bruder- 
schaftsverhältnis aufgenommen  und  einer  ewigen  Messe  teilhaftig  wurden.  Wann  der 
Erbfall  erfolgt  ist,  wird  nicht  überliefert. 

über  den  Ursprung  der  andern  Einkünfte,  die  nicht  nur  das  zum  Lebensunter- 
halt unbedingt  Erforderliche  gewährleisteten,  sondern  sogar  noch  Geldausleihung 
auf  Zins  ermöglichten,  erfahren  wir  auch  in  Strausberg  fast  nichts.  Schwerlich  aber 
dürften  sie  nur  durch  Almosen  erworben  sein.  Aus  vorreformatorischer  Zeit  ist  uns 
nur  bekannt'),  daß  1486  ein  Hans  Ebel  vom  Prior  3  Schock  (Groschen),  die  ein 
gewisser  Nykamer  aus  ungenanntem  Anlaß  dem  Kloster  gegeben  hat,  auf  seine  Wiese 
gegen  Verzinsung  verschrieben  bekomm*.  Die  Feststellung  der  \isitatoren  als 
einzige  weitere  Quelle  hierfür  ergab  1541-'),  daß  dem  Kloster  damals  an  jährlichen 
Hebungen  noch  zustanden: 

1.  „4  f  Fl.  von  '24  Hueffen  zu  Strausberg." 

2.  „2  Schock  46  Gr.  und  4  Pf.  zu  Wilmsdorff  von  dreyen  Bauern,  und  1  Cossäte 
von  wegen  der  von  Waldau  dem  Closter  übergeben,  einzuheben." 

'3.  „15  Schock  hat  Christoph  Termo  zu  Bruno  auf  Pacht." 

4.  „34  Goldtgulden  seynd  bey  Burgermeister  Lindtholtz  dem  Closter  zuständig." 

5.  „3  Wispel  Mehl  .Wöllen-Pacht  einzuheben  von  allen  Barfüßen,  dem  Closter 
übergeben  in  der  Gielsdorffischen  Mühle." 

Vernichtung  der  Verschreibungsurkunden,  die  ja  leider  nirgends  in  den  .Auf- 
zeichnungen der  Visitatoren  anzutreffen  sind,  mag  auch  hier  schuld  tragen  an  dem 
geringen  Umfange  der  schließlich  noch  nachweisbaren  laufenden  Kloster- 
einnahmen, die  nach  obigem  hier  noch  für  weit  spärlicher  gehalten  wurden  als  bei 
dem  kleineren  Ruppiner  Konvent. 

Mehr  wurde  noch  in  den  Klostergebäuden  und  in  der  Kirche  angetroffen-), 
nämlich  einmal  das  scheinbar  fast  vollständige    einfache  Hausgerät,  wie: 


')  Fischbach,  Städtebeschr.  1.  1,  Seite  503. 

■')  Riedel  A  12,  S.  130/2. 

3)  Fischbach,  Beiträge  II.  I,  S,  4J0 

')  Riedel  A  12,  S.  2Q1. 

■•)  Sternbeck  1,  S.  IQ. 

")  Riedel  A  12,  S.  82,  und  A  24,  S.  409. 

7)  Fischbach,  Beiträge  11.  1,  S.  370,  Anm. 


Strausberg 


-     70     - 

1 1  Betten  gut  und  böse, 

12  Küssen, 

1  Hauptpfülil, 

2  paar  Lachen-Tücher, 

()  Becken,  gross  und  klein, 

22  Schüsseln,  gross  und  klein,  z  T.  aus  Zinn, 

40  Zinnen  Teller, 

14  Kannen,  gross  und  klein, 

2  eherne  Grapen,  ziemlich  gross, 

1  ehernen  und  1  irden  Tygel, 

2  Bradt-Spiesse, 

3  Kessel,  gross  und  klein, 

1  Brau-Pfanne. 

Dazu  kamen  zahlreiche  wertvollere  Stücke,  zu  gottesdienstlichen  Zwecken  in  Ge- 
brauch gewesen,  wie; 

2  Monstrantzen, 

1  gross  Creutze  mit  vielen  Crystallen  und  andern  Edelgesteinen, 

1  Silbern  Marien-Bild  mit  einer  verguldeten  Crone, 

2  höltzerne  Hände,  unten  an  vtrgüldt,  oben  versilbert, 
14  Kelche,  gross  und  klein,  mit 

7  Patenen, 
10  Pacificalia, 

5  Spangen,  gross  und  klein,  auf  lernen  gewandt  gehefft, 

43  Caseln  i 

5  Chor-Kappen  I  von  farbigem  Sammet,  Seide,  Damast, 

S  Missgewänder  j     Atlas,  mit  Gold  und  Silber  verziert, 

13  (Diaconen-jRöcke  > 

1  Kaste  voll  Pallen  von  den  Altarien, 

1  silbern  Weyrauch-Fass. 
Schließlich  fand  man  noch')  in  der  „Librarey  des  dasigen  Closters  33  und  m  der 
Sacristey  6  Bücher",  die  auf  kurfürstlichen  Befehl  einige  Jahre  darauf  nach  Berlin 
geschafft  wurden. 

Nachdem  Otto  III.  mit  seiner  Stiftung  von  100  Mark  Silbers  bereits  eine  gute 
Grundlage  für  die  in  damalige..  Zeiten  wertvolle  Bibliothek  geschaffen  hatte,  nach- 
dem sicherlich  manches  Stück  edlen  .Wetalles  im  Laufe  der  Zeit  gestiftet  worden 
war,  läßt  denn  auch  die  Gesamtheit  des  Klosterbesitzes  bei  der  Reformation  er- 
kennen, daß  es  auch  den  Strausberger  Brüdern  nicht  gerade  schlecht  ergangen 
sein  mag. 

In  der  letzten  Zeit  treffen  wir  sie  noch  mehrfach  als  Vertreter  des  Pfarrers  bei 
der  Stadtkirche  am  Elenden  Altare  an.  Es  erhielten  dafür  nach  den  Kämmerei- 
rechnungen z.  B.  1530  der  Mönch  Martin  Ritzken,  1538,9  allgemein  „die  Münche", 
1530  Mönch  Christoffel-)  jährlich  2  Schock  ausgezahlt.  Ebenso  werden  sie  1537 
bei  der  Kapelle  des  St.  Georgs-Hospitals  als  Kapellane  genannt,  bei  dem  der  Prior 
1542  sogar  Patron  eines  geistlichen  Lehens  ist^).  .\hnlicher  Herkunft  werden  die  6fl. 
gewesen  sein,  die  1541')  „dem  prediger  im  kloster  gegeben"  worden  sind. 
^  3_  Der  Durchbruch  der  Reformation  zu  ihrer  endgültigen  Herrschaft  ist  in  Straus- 

Reformations-      '^^'»  ^'^*  '"  '^^^  -I^'^''  ^^"^^   ^^  setzen,  weil  da  zuerst  in  öffentlicher  X'ersammlung 
^gj(  die  lutherische  Lehre  gepredigt  wurde'').    Als  bald  darauf  die  kurfürstlichen  Visitatoren 

dort  eintrafen  und  unter  anderm  auch  den  Dominikanern  die  Aufforderung  des 
Landesherrn  überbrachten,  die  neue  Lehre  anzunehmen  sowie  ihr  bisheriges  Besitz- 
tum aufzugeben,  stießen  sie  auf  heftigen  Widerstand.  Dem  Ordensgeneral  hatten 
die  Mönche  im  Profeß  Gehorsam  geleistet,  ihm  allein  wollten  sie  sich  unterwerfen.  So 
schlössen  sie  sich  denn  einfach  ein,  bis  der  Magistrat  schließlich  den  Befehl  erhielt, 
die  Türen  von  einem  Schlosser  gewaltsam  öffnen  zu  lassen").  Erst  jetzt  konnte  das 
Inventar  unter  Hinzuziehung  des  widerspenstigen  Priors  aufgenommen  werden. 
Die  oben  aufgezählten  Gegenstände  wurden  zunächst  bei  dem  Strausberger  Magistrat 
in  Verwahrung  gegeben,  das  Silberzeug  hier  wie  allenthalben  von  diesem 
zur  bewilligten  Landessteuer  gebraucht,  der  Rest,  „Ornaten,  Bücher  vnd  anders",  1548 
auf  kurfürstlichen  Befehl  nach  Berlin  gebracht'). 


')  Fischbach,  Beiträge  II.  1,  S.  426. 

-)  Sternbeck  I,  S.  5. 

3)  Sternbeck  I,  S.  211. 

*)  Riedel,  Suppl.,  S.  422 

5)  Engel,  Breviar.,  S.  135. 

<>)  Fischbach,  Städtebeschr.  I.  1,  S.  508. 

')  Riedel  A  12,  S.  134. 


—    /l     - 

In  den  Klostergebäuden  suchte  sich  im  Einverständnis  mit  den  Visitatoren  der 
lutherische  Prediger  zunächst  das  „Kurfürstengemach"  als  seine  Wohnung  aus,  mußte 
es  aber  auf  Beschwerde  des  Priors  hin  bereits  im  Jahre  1542')  wieder  ver- 
lassen. Andre  Räume  wurden  schon  im  lA.  Jahrhundert  vom  Kurfürsten  der  Stadt 
zu  Schulzwccken  überlassen  (Joachimus . .  .  (ampliora)  oppidana  civitatibus  in  vsum 
scholarum,  et  discentuun  humaniores  et  sacras  literas  permisit-).  Trotzdem  war  es 
auch  hier  den  Mönchen  freigestellt,  weiterhin  im  Kloster  zu  verbleiben.  Wenngleich 
manche  Orden  Haus  und  Stadt  verließen  und  sich  anderswohin  begaben-'),  finden 
wir  doch  1542  „Jorge  forstenberg  vnd  geringe  vorsamelunge  des  Closters'"),  1545 
„ein  prior  vnd  etliche  Munche"  als  noch  dort  zurückgeblieben  erwähnt.  Nachdem 
ihnen  aber  das  Verfügungsrecht  über  ihren  Besitz  genommen  war,  mußten  sie  sich 
nach  dem  Bericht  des  Priors  an  den  Kurfürsten  vom  Jahre  1542  recht  und  schlecht 
durchschlagen'):  „dieweil . . .  das  almuss  geringe  vnd  zcwar  nichts  mehr  mitgeteilet 
vnd  sunst  von  standen  (  stehenden)  Inkommen  gar  wenig  jnzukommen,  haben  wier 
etzlich  fehe  (-  Vieh)  jn  Closter,  die  wier  auss  vnsern  gartten  mit  swarer  muhe 
erneren,  darmit  wir  mit  mulken  zw  vnsern  enthalt  versorget  werden,  haben  wier  eyne 
alte  abgelebte  persone,  die  vnssere  fehe,  gartten  vnd  kuchen  versorget." 

Hin  und  wieder  mag  ihnen  ja  nach  dem  Fortfall  des  früher  erbettelten  Almosens 
noch  eine  besondere  Unterstützung  zuteil  geworden  sein.  Im  übrigen  sollten  sie  nur 
„mit  notturftiger  vnderhaltung.  Als  Essen,  Trincken,  Kleidung  vnd  aller  andern  leibs 
notturfft  Zeit  Ires  lebens  vorsehenn"  werden,  und  dies  wurde  auch  als  Bedingung 
beibehalten,  als  der  Kurfürst  das  Kloster  späterhin  als  Lehen  vergab,  freilich  mit  der 
Hinzufügung,  daß  man  „dieselben  Munchspersonen  einen  oder  mhcr  mit  gelde  oder 
sunst  aus  dem  Kloster  fertigen"  dürfe,  vorausgesetzt,  „das  solchs  mit  Irem  willen 
zugehe"^). 

Nur  dem  Prior  persönlich  scheint  es  etwas  besser  ergangen  zu  sein;  er  hat 
noch  1549  „etliche  eigene  erbguther,  die  zum  kloster  nicht  gehorigk  gewesen  noch 
gehorn,  an  sich",  die  deswegen  auch  für  schoßpflichtig  erachtet  wurden').  Es  soll 
ein  Garten  vor  dem  Landsberger  Tore  gewesen  sein,  für  den  der  Prior  1529 — 50 
dem  Rat  jährlich  3  Groschen  Zinsen  entrichten  mußte'). 

Wie  lange  die  emzelnen  .Wönche  in  Strausberg  noch  m  dieser  Weise  ihr  Dasein 
fristeten,  ist  nicht  bekannt.  Ihr  früherer  Vorsteher  aber  soll  bis  zuletzt  auf  seinem  Posten 
verblieben  sein,  bis  ihn  im  Jahre  1552'-)  der  Tod  erlöste  aus  einem  Leben,  das  ihm 
zum  Schluß  noch  Kummer,  Verachtung  und  Elend  gebracht  hatte.  Sein  Privatbesitz 
ging  fortan  mit  an  die  Besitzer  des  Klostergrundstücks  über. 

Der  Kurfürst  hatte  schon  vordem  über  das  gesamte  Klostergebiet  verfügt,  in-  S  ■*•  Neuzeit, 
dem  er  es  1545^)  „mit  allen  vnd  Jglichen  ein  vnd  zugehorungen,  Mollen,  pechten, 
Eckern,  Gertten,  Wiesen,  Wassern,  Teichen  vnd  andern  darzu  gehörenden  gnaden 
vnd  gerechtigkeiten,  nichts  aussgeschlossen",  seinem  Hofmeister  Joachim  Elans  als 
Mannlehen  verlieh.  Wohl  nach  dessen  Tode  kam  es  einige  Jahre  an  eine  Familie 
Spiegel,  die  es  laut  Kaufbrief  von  1574')  für  2100  Taler  „erblichenn  vnnd 
eigenthumblirhen"  mit  Bestätigung  des  Kurfürsten  wieder  an  Hans  von  Röbel  ver- 
kaufte. Als  dessen  Sohn  mit  dem  Magistrat  in  Streit  gerät  wegen  der  ihm  als  In- 
haber des  Grundstücks  auch  sonst  noch  zustehenden  Besitzungen,  werden  1594  vom 
Kammergericht  ein  Freihaus  in  der  Stadt,  eine  Wiese  und  ein  Weinberg  als  auch 
noch  zum  Kloster  gehörig  bezeichnet;  der  alte  Besitzstand  ist  also  noch  vollständig 
vorhanden.  Die  eigentlichen  Gebäude  aber  und  besonders  die  Kirche  müssen  wohl 
die  ganze  Zeit  über  arg  vernachlässigt  worden  sein,  wenn  Chytraeus")  über  dieses 
Kloster  in  Klage  ausbricht,  „cujus  aedificia  ruinosa,  et  chorum  templi . . .  nunc 
tecto  nudatum  sub  dio  complui  et  coUabi,  non  sine  gemitu  superioribus  annis 
conspexi",  und  wenn  auch  Engel")  1598  berichtet,  daß  die  Marienkirche  „jtziger  zeit 
allein  zum  Gottesdienst  erhalten  wird".  Noch  1620  wird  „das  blosse  (Kirchen-) 
Gebäwde  vnndt  gantz  voi-fallene  Closter"  erwähnt'"). 


i|  Riedel,  Suppl.,  S.  475/6. 

2)  Leutinger,  0.  Buch,  §  12,  S.  133. 

')  Riedel  .\  12,  S.  133. 

')  Riedel,  Suppl.,  S.  503. 

■>)  Sternbeck  I,  S.  ?6. 

")  Fischbach.  Slädtebeschr   1.  1,  S.  Mlb  u.  508. 

')  Riedel  A  12,  S.  \M. 

*)  (31iytraeus,  S.  11. 

")  Engel,  Annal.  11,  S.  150. 

'";  Fischbach,  Beiträge  II.  1,  S.  429. 


Strausberg 


—    72    — 

Gewaltsamer  ging  die  Zerstörung  der  Kirche  weiter,  als  1Ö46  ')  Joachim  von 
Röbels  Witwe  einige  Kirchenpfeiler  zum  Kalkbrennen  an  den  Berliner  Magistrat 
verkaufte.  Da  noch  häufig  Formsteine  und  gewöhnliche  Steine  auf  dem  Grundstück 
vorgefunden  werden,  kann  die  Kirche  nicht  vollständig  aus  Kalkstein  errichtet  worden 
sein,  wie  Adler  vermutet.  Vielmehr  werden  vielleicht  nur  die  tragenden  und  be- 
sonders stark  beanspruchten  Stützen  aus  diesem  härteren  .Material  bestanden  haben, 
das  aus  den  nahen  Rüdersdorfer  Kalkbergen  von  deren  damaligen  Besitzern  bezogen 
sein  dürfte,  den  Zinnaer  Mönchen,  die  im  frühen  .Mittelalter  fast  ausschließlich  Kalk 
zu  Bauten  benachbarter  märkischer  Städte  geliefert  haben-). 

Die  oben  als  „ruinosa"  bezeichneten  Klausurgebäude  aber  hat  man  wohl  wieder 
instand  gesetzt,  weil  sie  sich  auf  Merians  Abbildung  (Titelblatt)  äußerlich  alle  in 
gutem  Zustand  zeigen;  nur  der  Kirche  fehlt  das  Dach.  Wenn  wir  übrigens  bei 
Petzold  60 — 70  Jahre  später  noch  genau  dasselbe  Bild  finden,  läßt  das  wie  sonst 
zuweilen    so  auch  hier  auf  Benutzung  des  Merianschen  \'orbildes  schließen. 

Nachdem  das  Kloster  fast  160  Jahre  im  Besitz  einer  Familie  gewesen  war,  ging 
es  nunmehr  schnell  hintereinander  durch  mehrere  Hände^):  1730  kaufte  es  der 
Minister  von  Marschal,  der  im  folgenden  Jahre  davon  einen  leeren  Platz  (den 
Garten?)  zur  Errichtung  eines  Witwenhauses  abgab;  1742  erwarb  es  der  spätere 
Bernauer  Bürgermeister  Gericke;  1747  veräußerte  dieser  es  weiter  an  das  Potsdamer 
Waisenhaus,  das  vorübergehend  im  Kloster  verschiedene  Wohnungen  zurecht 
machte,  „um  die  Fabrike  von  allerhand  Flanelle  anzulegen",  und  von  diesem  erst 
gingen  laut  Kaufbrief  von  1772  in  den  Besitz  der  Stadt  über:  1.  die  Überbleibsel 
der  alten  Kirche,  2.  die  baufälligen  Klostergebäude,  3.  eine  Wiese. 

Wie  schon  etwa  230  Jahre  zuvor,  wurde  hier  auch  jetzt  wieder  durch  Ver- 
legung*) der  Knabenschule  eine  Stadtschule  eingerichtet,  und  auch  Lehrer  erhielten 
hier  ihre  Wohnung').  1805  traf  Bratring")  diesen  Zustand  noch  an,  wogegen  Stern- 
beck behauptet,  daß  die  Gebäude  schon  1787')  vom  Fiskus  gegen  die  Verpflichtung 
erworben  worden  seien,  auf  dem  sogenannten  Kapellenplatz  ein  neues  Schulhaus  zu 
errichten.  Später  entstand  hier  ein  Landarmenhaus  —  vielleicht  aber  schon  damals 
ein  neuer  Bau,  da  Berghaus  den  alten  nicht  mehr  kennt.  Heute  ist  nichts  mehr  von 
all  den  alten  Gebäuden  übrig  geblieben. 


')  Fischbach,  Städtebeschr.  1.  1,  S.  509. 

2)  Fidicin,  Beiträge  V.  1,  S.  221  ff. 

3)  Fischbach,  Städtebeschr.  I    1,  S.  tI2  ff. 
■>)  Sternbeck  I.  S.  60. 

')  Fischbach,  Städtebeschr.  I    1,  S.  514. 

")  Bratring,  Stat.-top.  Beschr.  der  Mark  11,  S  235. 

^)  Sternbeck  I,  S.  206. 


73 


2.  Teil:  Die  Baulichi<eiten. 

(Blatt  3) 


Über  die  Strausberyer  Klostergebäude  selbst  erfahren  wir  aus  dem  Mittel- 
alter fast  gar  nichts  weiter,  als  daß  sie  „versus  meridiem",  nach  Süden  zu,  im  Stadt- 
bilde gelegen  haben.  Von  den  jetzigen,  durchweg  neuen  Gebäuden  der  Korrigenden- 
anstalt steht  vielleicht  das  südliche  zum  Teil  noch  auf  den  Klosterfundamenten.  Die 
Versteifungsbögen  m  den  Kellern  sind  aber  auf  alle  Fälle  neu.  Hin  und  wieder  wird 
auch  jetzt  noch  auf  dem  Hofe  eine  Spur  alter  Bebauung,  ein  Rest  eines  alten  Grab- 
gewölbes, wohl  gar  ein  Stück  fortlaufenden  Fundamentes  angetroffen;  zur  Auf- 
stellung eines  Lageplanes  reichen  die  spärlichen  Nachrichten  aber  bei  weitem  nicht 
aus.  Wir  sind  zurzeit  lediglich  auf  die  folgenden  allerdüritigsten  Nachrichten  m 
der  Literatur')  und  auf  die  Abbildung  Merlans  angewiesen. 

Das  ganze  Kloster  befand  sich  in  der  Südwestecke  der  Stadt,  nahe  der  Stadt- 
mauer und  dem  See.  Die  Kirche  lag  im  Norden  der  Anlage,  nach  Osten  und 
Westen  zu  „freistehend",  d.  h.  wohl  über  die  im  Süden  gegenstoHenden  Kloster- 
gebäude hinausragend,  wie  es  für  den  Westgiebel  das  Meriansche  Bild  zeigt.  Ihre 
Länge  betrug  etwas  mehr  als  80  Ellen,  ihre  Breite  16  Ellen.  13  große,  schmale 
Fenster  haben  sie  erleuchtet,  auffallenderweise  2  davon  am  Westgiebel,  der  nur  an 
den  Ecken  je  einen  einmal  gering  abgetreppten  Strebepfeiler  besitzt.  Der  Chor 
zeigte  nach  Chytraeus-)  Bekleidung  mit  Marmor  (chorus  marmoratis  parietibus  in- 
signis).  Das  Dach  war  durch  einen  bis  um  1700  erhalten  gewesenen  Treppenturm 
zugänglich,  der  wie  in  Brandenburg  und  Tangermünde  zugleich  die  Verbindung 
mit  den  „an  der  Kirche  oberwerts  gebaueten  Zellen"  vermittelte;  er  ist  vermutlich 
wie  bei  vielen  andern  Bauten  an  der  Südseite  des  Chores  zu  suchen. 

Mehrere  Türen  stellten  die  Verbindung  der  Kirche  mit  den  „weitläufig  und 
heirlich  eingerichteten"  Klostergebäuden  her,  an  denen  noch  am  Ende  des  18.  Jahr- 
hunderts zahlreiche  Spuren  von  ehemaligen  Kreuzgängen  sichtbar  waren,  die  also 
auch  hier  den  Klosterhof  rings  umschlossen  haben  werden.  Nach  Fischbach  be- 
fanden sich  in  diesem  Gebäude  Refektorium,  Küche,  Gastkammer,  Librarei.  Prior- 
zimmer (1541  „des  Priors  Habitation"  genannt)  und  Zellen,  während  wir  die 
Räume  für  Ausübung  der  1321  vom  Rat  bestätigten  Braugerechtigkeit-'')  sowie  die 
Destillierstube  und  Badestube  nach  ähnlichen  .\nlagen  vielleicht  in  besonderen 
Gebäuden  annehmen  müssen. 

Von  Einzelheiten  der  Konstruktion  ist  uns  nichts  weiter  bekannt,  als  daß  einige 
kleinere  Räume,  vielleicht  die  Kreuzgänge,  mit  Kreuz- (?)  Rippengewölben  aus  Back- 
stein versehen  waren.  Zwei  Profile  dieser  .Xrt,  auf  dem  Hofe  gelegentlich  aus- 
gegraben, sind  auf  Blatt  3  dargestellt. 


')  Fischbach,  BeitrasJc  II    1,  S    iTH/l:  Städtebeschr.  I.  I,  S.  =i04. 

')  Chytraeus,  S.  U. 

')  Fi.schbach,  Städtebeschr.  I   1,  S.  iü7. 


Strausberg 


-     74 


3.  Teil:    Die  Altertümer. 


Alte  Einrichtungsstücke  def  Kirche  sind  fri^ih  aus  ihr  entnommen  worden. 
Der  Taufstein  wurde  auf  Befehl  des  Kurfürsten  1545  dem  Rat  zu  Fürslenwalde  ver- 
abfolgt'); von  dem  Altare  wußte  man  in  der  2.  Hälfte  des  IS.  Jahrhunderts  nicht 
einmal  mehr  seinen  ehemaligen  Standort-).  .Wan  vermutete  ihn  dort,  wo  derzeit 
ein  Birnbaum  sich  erhob').  Es  war  ehedem  ein  Altar  mit  beiderseits  3  Flügeln, 
auf  denen  die  Empfängnis  Maria,  die  Geburt,  das  Leiden  und  der  Tod  Jesu  sich 
abgebildet  befanden;  die  zwei  vorderen  Altarflügel  aber  nahmen  je  6  Apostel  in 
2  Reihen  übereinander  ein.  Sternbeck')  nimmt  an,  daß  er  ebenso  wie  die  beiden 
Unterarme,  die  am  jetzigen  Hauptschrein  der  iWarienkirche  zu  Strausberg  auf- 
gerichtet sind,  nach  der  Reformation  dorthin  gekommen  sei,  da  obige  Beschreibung 
auf  die  in  dieser  Kirche  befindlichen  Stücke  passe.  Ein  zweiter,  nicht  näher  be- 
kannter Altar  soll  1518  in  der  Kapelle  Corporis  Christi  gestanden  haben-'). 

Auch  von  ehemaligen  Epitaphien  hat  sich  nichts  erhalten,  ja  ist  nicht  einmal 
Zuverlässiges  bekannt.  Erwiesen  ist  schon  durch  eine  Urkunde  von  1321"),  daß 
„Otten,  Stifter  des  Closters,  daselbst  begraben"  sei,  und  ergänzend  fügen  die  ein- 
gangs erwähnten  Chroniken')  und  Angelus")  hinzu,  daß  sein  selbstgewähltes  Grab  „in 
choro  ecclesie  fratrum  predicatorum",  und  zwar  „vor  dem  hohen  Altar",  gewesen 
sei.  Leutinger")  sah  noch  Ende  des  16.  Jahrhunderts  die  Grabmale  (sepulchra) 
Ottos  III.  und  seiner  Gattin'")  Beatrix  stehen. 

.Wit  dem  Untergange  seiner  Stiftung  ging  auch  die  sichtbare  Erinnerung  an 
den  „frommen  Markgrafen"  dahin ;  nur  die  Geschichte  erzählt  uns  von  den 
großen  Taten  des  Mannes,  der  heute  noch  an  unbekannter  Stelle  ruht,  dort,  wo 
sich  jetzt  ein  abgeschlossenes  Leben  so  ganz  andrer  .-Xrt  abspielt  als  zu  der  Mönche 
Zeiten. 


')  Riedel,  Suppl.,  S.  4Sh. 
-)  Fischbach,  Städtebeschr.  1    1,  S.  504. 
3)  Fischbach,  Beiträge   iL  !,  S.  370 
*)  Sternbeck  I,  S.  111/12. 
5)  Engel,  Annal.  111,  S.  301. 
•^;  Riedel  A  12,  S.  70. 

')  Abbat.  Ciiin.  Annal.,  S.  141;  Piilkawa,  S.  \A 
■")  Fngel,  Annal.  11,  S.  107. 
")  Leutinger,  9.  Buch,  §  12,  S.  333. 
'")  Abbat    Ginn.  Annal.  S.  140:  Pnlkawa,  S.  13. 


—    75 


Kapitel  3.    Seehausen  i.  d.  A. 

I.Teil:  Die  Oeschichte. 


Von  demselben  Otto  111.,  der  das  Strausberger  Kloster  gestiftet  hatte,  wurden  _S  I- 

die  Dominikaner  in  Seehausen  angesiedelt.  Von  allen  hier  zu  besprechenden  Klöstern  Gründungs- 
sind  uns  nur  über  dieses  altmärkische  genaue  bauliche  Nachrichten  aus  der  Zeit  geschichte 
seiner  Gründung  überkommen.  Die  ganz  auffallende  Ausführlichkeit,  mit  der  die 
„Trierer"  Chronik  im  Gegensatz  zu  den  andern  auf  gleiche  Quelle  zurück- 
gehenden und  daher  in  den  Hauptsachen  mit  ihr  übereinstimmenden  Handschriften 
über  das  Scehausener  Kloster  berichtet,  legt  die  Vermutung  nahe,  daß  sie  dort 
sogar  entstanden  sei'): 

„Anno  domini  MCCLIII,  XI.  kalendas  Augusti  (22.  Juli),  ipso  (Ottone  III.) 
procurante  receperunt  fratres  ordinis  predicti  domuni  Sehusen  (markgräfliche 
Burg),  et  manserunt  inter  duas  civitates  in  curia,  que  fuerat  domini  Petri  de  Gardiz 
militis  Sita  super  aquam,  ebdomatibus  fere  tribus.  Deinde  (1253)  ceperunt  edificare 
iuxta  ecclesiam  sancti  Jacobi  in  fine  veteris  civitatis,  et  illam  annis  XIII  (bis  1266) 
habuerunt;  et  castellum  domini  marchionis  complanantes  pomerium  et  latam  aream 
possederunt.  Anno  autem  domini  MCCLXII  idem  illustris  marchio  Otto  in  loco, 
ubi  diciores  manserunt  (Wohnsitz  der  Reichen),  in  nova  civitate  Sehusen  fratribus 
pro  C  viginti  talentis  aream  comparavit;  et  positus  est  lapis  primarius  monasterii  III. 
idus  Junii  (11.  Juni  1262),  et  fratres  operi  fortiter  insistebant.  .Apud  ecclesiam  tarnen 
beati  Jacobi  fratres  usque  ad  consumniacionem  dorniitorii  permanebant.  Quinto 
denique  anno  postquam  primarius  lapis  fuerat  positus,  videlicet  anno  domini 
MCCLXVI.,  III.  idus  Septembris  (10.  September  1266),  iidem  fratres  ecclesiam  sancti 
Jacobi  deserentes  ad  locum  sibi  preparatum  domino  Henrico  Havelburgensi  episcopo 
et  multis  aliis  religiosis  presentibus  et  utriusque  se.xus  magna  multitudine  congregata 
se  sollempniter  transtulerunt . .  Postea  fratres  Sehusen  promovere  volens,  eis  ad  libros 
contulit  C  marcas"-). 

Dieselbe  Chronik  berichtet  uns  auch,  daß  1259  unter  den  zuerst  errichteten 
Baulichkeiten  sich  ein  Krankenhaus  befand:  „notarius  (Ottonis  III.)  febre  . .  correptus, 
et  apud  sanctum  Jacobum,  ubi  fratres  tunc  (1250)  manebant,  in  iiifirniaria  fratrum  sc 
deponens  . . .  postera  die  .  .  ordini  se  devovit". 

Durcii  diese  Urkunde  werden  sowohl  die  von  vornherein  unwahrscheinliche 
Gründungsangabe  Merians  auf  das  Jahr  1221  als  auch  die  andern  Stiftungs-  und 
Baudatierungen  von  Entzelt^)  an  auf  1254  hinfällig.  Zu  beachten  ist  dabei,  daß 
wohl  Entzelts  „betler  Münchkloster"  in  späteren  Jahrhunderten  so  häufig  das  frag- 
liche Kloster  als  Eigentum  der  Franziskaner  bezeichnen  ließ,  wie  es  auch  auf  Merians 
Städtebild  genannt  wird,  während  Jobst  es  1572')  noch  richtig  als  „das  Prediger 
Closter"  anführt. 

Wenn  nun  nach  v.  Loes  Forschungen  der  Konvent  (als  10.)  im  Jahre  1255, 
also  im  3.  Jahre  nach  seiner  Niederlassung  und  dem  Beginn  der  ersten  Bautätig- 
keit, Sitz  und  Stimme  auf  dem  Provinzialkapitel  erhielt  und  wenn  das  Röbelcr  Chor- 
gestühl'') dieselbe  Angabe  macht,  so  können  wir  vielleicht  auch  von  den  andern 
Klöstern  dieses  Ordens  bei  dem  Mangel  genauerer  Nachrichten  den  Baubeginn 
schon  etwa  2 — 3  Jahre  früher  annehmen  als  die  .Aufnahme;  denn  diese  mußte  erst 
auf  drei  einander  folgenden  Jaliressitzungen  des  Generalkapitels  beschlossen 
werden,  ehe  sie  rechtskräftig  wurde. 


')  Sello,  Forschungen  .  .  ;  Jahresber.  des  altmärk   Vereins  .  .  .,  Ber.  21,  Heft  1,  S.  25/26. 
-)  Abbat.  Cinn.  Annal..  S.  140,  und  Fragm.  einer  Brand -Brietz,  Chronik,  S.  279,  eben- 
falls: ,,C  lihras  et  .X.\.  ad  aream,  ad  libros  contulit  C  .Marcas" 
3)  Kntzelt,  1. 
■•)  Jobst,  Kap.  5. 
5)  Riedel  A4,  S.  2S1. 


Seeliausen 


-     76     - 

Die  Lage  der  allerersten  Mönchsbesitzungen  und  der  vielleicht  nur  provisori- 
schen Bauten  an  der  im  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  abgetragenen  altstädtischen 
jakobikirche  läßt  sich  nicht  mehr  ermitteln,  weil  die  genaue  Grenze  der  damaligen 
Altstadt  infolge  Stadterweiterung  und  -Verschiebung  nach  Norden  zu  längst  unserer 
Kenntnis  entschwunden  ist.  Das  gleichzeitige  Vorhandensein  einer  Alt-  und  Neu- 
stadt beim  Auftauchen  der  Dominikaner  läßt  bereits  auf  einen  größeren  Ort  schließen, 
dessen  Stadtrecht  denn  auch  schon  1256  dadurch  als  vorhanden  bewiesen  wird,  daß 
es  von  hier  aus  dem  Orte  Pritzwalk  verliehen  werden  kann'). 
S  2.    Besitz-  Qgß  ijjp  Seehausener  Mönche  ebenso  wie  die  Strausberger  außer  der  Burg 

Verhältnisse.  ^^^^^^  jg,^  jqq  ,\\ark  für  eine  Bibliothek  noch  Geldunterstützungen  zum  ersten  Aufbau 
von  dem  Markgrafer.  erhielten,  wird  zwar  nirgends  eiAvälint,  ist  aber  bei  der  fast 
gleichzeitigen  Gründung  beider  Klöster  als  wahrscheinlich  zu  betrachten. 

Von  andern  Einkünften  und  Stiftungen  aus  späterer  Zeit  und  von  üirer  Her- 
kunft ist  uns  aber  hier  erheblich  mehr  überliefert  worden,  als  bei  den  beiden  vorigen 
Klöstern  noch  festgestellt  werden  konnte,  wenngleich  sie  nur  recht  geringe  Beträge 
ausmachen.  Die  ältesten  aus  dem  14.  und  dem  Anfange  des  15.  Jahrhunderts  sind 
ausschließlich  Vermächtnisse.  Als  das  Heilige-Geist-Kloster  vor  Salzwedel 
1305-')  von  einem  Heinrich  pellifex  40  M.  brand.  Silber  gegen  6  Wispel 
Weizen  jährlicher  Verzinsung  erhielt,  bestimmte  dieser,  daß  nach  seinem 
Tode  u.  a.  auch  das  Seehausener  Kloster  einen  von  diesen  Wispeln  empfangen  solle. 
Zehn  Jahre  später,  131 5''),  vermachte  der  Propst  Hermannus  de  Osterwolde  auch 
unserm  Kloster  testamentarisch  eine  halbe  Mark.  Wieder  in  Naturalien  bestand 
die  Zuwendung  von  Wein  und  Oblaten,  die  das  obige  Heilige-Geist-Kloster 
für  gestiftete  Güter  seit  1322')  nach  dem  Willen  der  Stifter,  derer  von  Kröcher  zu 
Salzwedel,  den  Abgesandten  des  Seehausener  Konventes  zu  geben  verpflichtet  war, 
sooft  diese  darum  bitten  würden,  die  aber  1340")  dahin  umgeändert  wurde,  daß 
nur  Oblaten  geliefert  werden  sollten.  Schließlich  vermachte  der  Vikar  Heinrich 
Hartwig  an  der  Salzwedeler  Marienkirche  den  „fratribus  in  Sehusen"  im  Jahre 
1421")  testamentarisch  12  Mark  zu  einer  jährlichen  Memorie.  Doch  scheinen  die 
Seehausener  Mönche  bei  alledl?m  vor  dem  15.  Jahrhundert  außer  Almosen  nichts 
weiter  besessen  zu  haben,  wenn  ihnen  Markgraf  Johann  1429')  in  Ansehung  von 
„solch  armut  vnd  bekummernisse ....  den  czehenden  über  den  hoff  czu  vnden  (bei 
Seehausen),  den  sie  von  kune  fosse  gökaufft . . ,  czu  ewigen  czyten  uereigent". 

Von  da  an  mag  sich  ihre  Lage  etwas  gebessert  haben,  weil  ja  der  Orden 
fortan  stehende  Einnahmen  haben  durfte.  Nicht  nur  die  aufrichtige  Zuneigung 
der  Salzwedeler  Gewandschneider  und  des  Kalands  in  der  Heide  zu  dem  ganzen 
Orden  und  dem  Seehausener  Konvent  insbesondere  wird  es  also  gewesen 
sein,  die  den  Provinzial  Bernhard  von  Dülmen  1462")  und  den  Generalinquisitor 
der  Saxonia  Clemens  Lossow  1478")  veranlaßte,  diese  Körperschaften  der  guten 
Werke  ihres  Ordens  teilhaftig  zu  machen.  Wir  hatten  ja  in  Strausberg  beim  Jahre 
1412  (1415)  gesehen,  daß  solche  geistliche  Gemeinschaft  nicht  ohne  Opfer  zu  er- 
reichen war;  nur  pflegte  man  in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  die  wirt- 
schaftliche Seite  als  zu  den  hochtönenden  Worten  nicht  passend  und  wohl  auch  als 
etwas  Selbstverständliches  in  den  nach  einem  festen  Muster  abgefaßten  Aufnahme- 
erklärungen nicht  mehr  zu  erwähnen. 

Schließlich  gehörten  dem  Kloster  nach  einem  alten  Gerichtsbuche*")  seit  1473 
noch  die  folgenden  3  Legate: 

1.  13  M  stend.  von  Ebel  Rossow,  wofür  die  Mönche  alle  Jahr  eine  Memorie 
und  ein  Begängnis  seiner  selbst  sowie  seiner  Angehörigen  und  Freunde  ab- 
halten sollten; 

2.  die  Zinsen  von  10  M  stend.,  von  der  Ww.  Katharina  Kogelmann  nach  ihrem 
Tode  zur  Anschaffung  von  jährlich  4  Lichten  von  4  Pfund  Wachs  bestimmt, 
„vor  unser  lieben  Frauen  Bilde  auf  dem  Schlafhause  des  Nachts  zu  brennen"; 

3.  10  Mark  von  der  Ww.  des  Heine  Meynkin,  zunächst  zum  Nießbrauch  ihres 
Neffen  im  Kloster  bestimmt,  der  für  sie  und  ihrer  Eltern  Seelenheil  ein  ewiges 
Gedächtnis  halten  sollte;  nach  seinem  Tode  aber  sollten  sie  beim  Kloster 
bleiben. 


')  Riedel,  Mark  Brandenburg,  S  110. 

■|  Riedel  A  14,  S.  48. 

•■■)  Riedel  A  5,  S.  309. 

«)  Riedel  A  25,  S.  194. 

5)  Riedel  A  17,  S.  382. 

")  Riedel  A  14,  S.  235. 

')  Riedel  A  6,  S.  365/6. 

ä)  Riedel  A  14,  S.  324/5. 

»)  Riedel  A  25,  S.  81/2. 

">)  Daume  II,  S.  26/7. 


—    77    — 

Dazu  kam  MW)  das  testamentarische  Vermächtnis  der  \Vw.  Beata  eines 
Salzwedeler  Bürgers  Ermbrecht  van  der  Bynde  im  Retrafje  von  1  Gulden,  wofür 
die  Mönche  Vigilien  und  Seelmessen  halten  sollten. 

Trotz  der  zahlreichen  Überlieferungen  wird  uns  angesichts  der  kleinen 
Beträge  auch  hier  nur  ein  geringer  Teil  der  wirklichen  Einnahmen  übermittelt  sein, 
wenn  sich  in  der  Reformationszeit  noch  ein  Gesamtbetrag  der  Klosterkapitalien 
von  etwa  200  Gulden  feststellen  läßt-'),  wofür  der  Konvent  in  der  oben  bei  Ruppin 
eingehend  wiedergegebenen  Weise  teils  Geldzinsen,  teils  Getreidehebun^en  käuflich 
erworben  hatte. 

Alles  dies  wurde,    nachdem   mit   der  ersten  evangelischen   Predigt   1539    die  s  3. 

Reformation  in  Seehausen  ihren  Einzug  gehalten  hatte'),  auch  hier  von  den  Visitatoren      Reformations- 
eingezogen,  ebenso  die  Gebäude  und  das  wohl  nur  noch  bescheiden  vorgefundene  zeit. 

Klosterland;  denn  ihren  Weinberg,  '-  Meile  südwestlich  der  Stadt,  von 
93  Morgen,  ihren  Obstgarten  in  der  .Altstadt  sowie  einen  Kohlgarten  vor  dem 
Steintore,  6  Morgen  31  Quadratruten  groß,  hatten  die  Mönche  nach  Ausweis  eines 
Kontraktes  von  1537  noch  kurz  zuvor  an  den  Rat  verkauft-').  In  demselben  Jahre  ging 
auch  ihr  Terminier gebäude  in  Salzwedel  durch  Kauf  an  den  dortigen  Rat  über').  Der 
Name  Klosterhufe  hat  sich  noch  bis  in  die  jüngste  Zeit  erhalten,  obwohl  die  Gebäude 
längst  verschwunden  sind. 

Über  die  Klostergebäude  zu  Seehausen  wurde  von  dem  Kurfürsten  sehr  früh 
eine  Entscheidung  getroffen.  Wohl  auf  vorheriges  Bittgesuch  hin,  die  ganze 
Anlage  der  Stadt  zu  überlassen,  begab  sich  noch  Ende  des  Jahres  1539  der  Amts- 
kastner  Hieronymus  Staudt  als  Vertreter  des  Landesherrn  auf  dessen  Befehl  samt 
dem  Rate  zu  örtlicher  Besichtigung  dorthin,  und  man  fand"'): 

1.  „dass  das  Kloster  überal  bauwfällig  vnd  tacheloss  (sei),  so  daß  es  sich 
selbst  nicht  langk  ertragen  müge,  besondern,  wo  nicht  In  der  Zeit  dazu  gethan  vnd 
das  Kloster  unter  Tach  gebracht  vnd  nach  aller  Nothdurff  gebauet  vnd  gebessert 
würde,  einfallen  müsse." 

2.  daß  „die  Brodere  desselben  Klosters,  dero  alleine  drei  darinne  gefunden, 
(sich)  mercklich  beclaget,  dass  sie  das  Kloster  mit  Gebewe  vnd  sich  darein  nicht 
langk  erhalten  Konthen". 

Auf  Grund  dieser  Feststellungen  verhandelte  nun  der  Kastner  in  des  Kur- 
fürsten Namen  mit  den  Mönchen  und  dem  Rate  und  brachte  „mit  einhelliger  Bewilli- 
gung beider  theile"  folgenden  Vergleich   zwischen   ihnen   zustande: 

1.  „daß  die  Brodere  In  bedenkung,  daß  ihre  Kloster  aus  der  Stadt  Güteren 
gebauwet  vnd  sie  auch  Von  den  Bürgern  bis  daher  merentheils  erhalten  vnd  erneret, 
Vnd  das  jetzo  Ihre  Religion  Vffgehaben  vnd  abgethan  wird,  das  Kloster  mit  sambt 
seinen  Zugehörungen  Zu  Nutz  vnd  fürderung  der  Stadt,  Vnd  sonderlich  \onn  dem 
Kloster  ein  Spittellhauws  Zu  Erhaltung  Armer  leuwthe  vnnd  einer  Scholenn  darinn 
Zuzurichten  wittelichen  vnd  auss  sonder  freuntlicher  Zuneigung  gegeben  vnd  frey 
aufgetragen." 

2.  „Dar  entgegen  hat  ein  Rath  Vor  sich  vnd  Irhe  Nachkommenden  Rath- 
mannen  Zu  Seehausen  den  gemelten  Brödern,  Nambtlich  Ern  Johan  Berns,  Priorn, 
Ern  Jochim  Wendermann,  Ern  Thomas  Schnitzen  vnd  broder  Joachim,  dem  Leyen- 
Monnich,  gelobt  vnd  Zugesagt,  jdern  im  besondern  eine  wolgeschickte  Wohnung 
oder  habitation  mit  Kempden")  vnd  Dorntzen  (Stuben)  außerhalb  dem  Kloster,  who 
einem  idern  das  best  gefeilig  vnd  gelegen  ist,  Zu  bauen  vnd  Zuzuferdigen,  Darin 
sie  die  Zeit  ihres  lebens  whanen  sollen  vnd  mögen." 

3.  Es  solle  auch  „ein  Radt  dafür  seyn  vnd  aus  der  Stadt  Güttern  beschaffen, 
das  es  ihnen  Jo  ahn  Kledern,  Schoen  (Schuhen),  essen  vnd  trincken  die  Zeit  ihres 
lebents  Zu  guter  Ausskunfft  nicht  mangele,  auch  dass  sie  einen  Zeitigen  Dranck- 
pfenning  im  Bewthel  haben  sollen". 

4.  „nach  Absterben  der  drier  Bröder  Vffgemeldt  sol  das  Kloster  sampt  seinen 
Zugehörungen  der  Stadt  eigentliümlich  Zu  vorangezeigten  Gebrauch  Zuständig  seyn 
vnd  bleiben.  Alles  getreuv\  lieh   vnd  ahne  gefehrde." 

')  Zahn,  Otscli.  d.  Domin  -Kl.  in  Seeh.,  S.  84. 

-)  Riedel  A  0,  S.  ■?J2. 

3)  Bekmann.  Aufsatz  von  d.  Stadt  Seeh.   S.  219:     Bekmann,  Histor.  Besdir.  d.  .Wark, 

II.  Bd.,  V.  Teil,  1.  Buch,  i.  Kap  ,  8.  22;  Riedel  A  6,  S.  342. 
^)  Danneil,  S.  76. 

5)  Riedel,  Siippl.,  S.  447/8:  Bekmann,  Aufs  v.  d.  Stadt  Seeh.,  S.  220  1 
")  Nach  Bekmann:  [Aufs  v.d.  Stadt  Seeh.,  S.22(il  7-  Kemmten.Caminata,  Feuerstätten;  nach 

Seehausener Sprachgebrauch  [Histor.  Beschr.  d.  .Mark,  II.  Bd.,  V'.Teil,  1 .  Buch,  5.  Kap., S. 23] 

aber  jede  Kammer  über  einem  Keller,   mit  oder  ohne  Feuerstätte. 


Seehausen 


-     78     - 

S  4.  Neuzeit.  W'ir  finden  also  auch  hier,  nachdem  die  größere  Zahl  der  Mönche  das  Kloster 

bereits  früh  verlassen  hatte,  die  meist  übliche  Verwendungsart  der  Stadtklöster  zu 
Schul-  und  Spitalzwecken  der  Stadt.  Dabei  wurden  „die  Armen  alle  ms  Kloster 
gebracht",  die  bisher  vorhanden  gewesenen  3  Spitäler  also,  nämlich  St.  Spiritus, 
St.  Gertrud  und  St.  Georg,  1547')  sämtlich  dort  vereinigt.  3  Häuschen  für  die 
3  Mönche  aber  errichtete  der  Rat  bei  der  Klosterkirche  in  der  kleinen  Brüder- 
straße, nahe  dem  ehemaligen  Beguinenhause.  1713  standen  noch  alle,  freilich 
bereits  sehr  baufällig,  1744  nur  noch  2;  aber  auch  diese  mußten  bald  darauf 
andern  Gebäuden  weichen-). 

Die  alten  Klostergebäude  wurden  nun  in  leidlich  gutem  Zustande  erhalten. 
Doch  scheint  sie  der  Rat  nach  einem  kurfürstlichen  Schreiben  von  1547  hier  aus- 
nahmsweise erst  nach  Erlegung  von  800  Talern  wirklich  bekommen  zu  haben,  so 
daß  die  Umwandlung  in  ein  Hospital  erst  in  das  Jahr  1548  gesetzt  werden  könnte^). 
Zuerst  von  allen  Bauten  fiel  die  stattliche,  zwar  nicht  urkundlicher,  doch  ander- 
weitiger Überlieferung  nach  dem  heiligen  Cyriakus  geweihte  Kirche")  dem  Untergang 
anheim,  nämlich  im  Jahre  1641/42,  als  die  Schweden  in  Seehausen  ihre  Winter- 
quartiere bezogen.  Da  die  Stadt  infolge  der  langen  Kriegszeiten  großenteils  wüst 
war,  mußte  auch  die  noch  gut  erhaltene  Klosterkirche  Kriegsvolk  aufnehmen,  und 
das  wurde  ihr  zum  Verhängnis.  Die  Soldaten  sägten  zur  Gewinnung  von  Brenn- 
holz Balken  und  Stützen  aus  dem  Kirchendach  heraus,  und  zwar  in  solcher  Menge,  daß 
es  bald  darauf  einfiel  und  dabei  die  Gewölbe  zerschlug.  23  Kriegsjahre  hatten 
nach  Merian  den  Bauten  trotz  zahlreicher  Plünderungen  des  Ortes  keinen  Schaden 
zugefügt;  infolge  dieser  letzten  Einquartierung  gingen  sie  schnell  ihrem  Ende  ent- 
gegen''). Bei  Merian  (Titelbild)  sind  ein  sogenanntes  Brauhaus  und  die  Kirche  noch 
vollständig,  auf  ihrem  Westgiebel  erhebt  sich  ein  kleiner  Dachreiter.  Etwa  70  Jahre 
später  sieht  man  bei  Petzold  die  Kirche  anscheinend  nur  noch  zum  Teil  erhalten, 
ohne  Giebel  und  ohne  schützendes  Dach;  von  dem  Wirtschaftsgebäude  aber  ragen 
die  beiden  Außengiebel  einsam  empor  gen  Himmel.  Der  Rat  hatte  es  wegen  Baufällig- 
keit  bereits  1706  verkauft,  und  es  wurde  hernach  nur  noch  eine  Zeitlang  zum 
Fouragemagazin  für  die  Garnison  verwandt"),  bis  es  in  der  zweiten  Hälfte  des 
18.  Jahrhunderts  abgebrochen  wurde').  In  solchem  „verwüsteten  Zustand"  sah 
auch  Paalzow")  noch  1772  einige  Klostergebäude  und  die  Kirche  liegen.  Ihr  innerer 
Raum  war,  wie  ihre  ganze  Umgebung,  zum  Kirchhof  gemacht  und  mit  Maulbeer- 
bäumen bepflanzt  worden.  In  den  alten  Häusern  aber  und  einigen  damals  bereits  neu 
dazu  gebauten  waren  einmal  12  K'losterstellen,  jede  von  ihnen  mit  einer  hiufe  des 
anliegenden  ehemaligen  Klostergartens,  mit  dem  Zehnten  von  dem  früheren  Kloster- 
lande und  kleinen  sonstigen  Einnahmen  verbunden.  Ferner  verbrachten  einige  alte 
Ehepaare  gegen  20  Taler  hier  ihre  letzte  Lebenszeit.  Schließlich  genossen  noch 
zahlreiche  andre  Personen  daselbst  das  Vorrecht  freier  Wohnung^).  Die  letzten 
Reste  des  immer  mehr  verfallenden  Kirchenmauerwerks  wurden  um  1820  ab- 
getragen'). Heute  ist  keine  Spur  mehr  von  den  früheren  Klostergebäuden  über 
dem  Erdboden  zu  sehen;  ja  nicht  einmal  die  Gestalt  eines  jetzt  vorhandenen  vier- 
eckigen Hofes  ist  dieselbe  wie  früher,  weil  nach  Abbruch  des  Alten  am  An- 
fang des  19.  Jahrhunderts  die  neuen  Häuschen  aus  unbekannten  Gründen  nicht 
auf  den  vorhandenen  Fundamenten  wieder  errichtet  worden  sind.  Etwa  dort,  wo 
heute  Post  und  „Herberge  zur  Heimat"  stehen,  erhob  sich  ehedem  die  Kirche,  und 
bei  regnerischem  Wetter  gewahrt  man  noch  jetzt  auf  dem  Hofplatze  in  dem  auf- 
geweichten Boden  die  Reste  der  alten  Fundamente,  auf  denen  sie  sich  Jahrhunderte 
lang  stolz  erhoben  hatte. 


')  Zahn,  Qesch.  d.  Armeiipfl.,  S   107  ff;  Riedel  A  6,  S.  543. 

-I  Zahn,  Gesch.  d.  Domin. -Kl.  in  Seeh.,  S.  85. 

n  Götze,  S.  28. 

M  Zahn,  Gesch.  d.  Domin. -Kl.  in  Seeh.,  S.  80. 

*)  Bekmann,  Hist.  Beschr.  d.  Mark,  II.  Bd.,  V.  Teil,  I.  Buch,  =>.  Kap.,  S.  23/24 

")  Riedel  A  6,  S.  342. 

')  Zahn,  Gesch.  d.  Domin-Kl.  in  Seeh.,  S.  88. 

*)  Paalzow,  Vorrede. 


-     79     - 


2.  Teil:  Die  Baulichkeiten. 

(Blatt  7) 


Das  Kloster  mit  seinem  Garten  lag  in  der  Südwestecke  der  Stadt  auf  einer  ^  i.  Kirche, 
hohen  Stelle  unmittelbar  neben  der  Stadtmauer,  anscheinend  durch  einen  schmalen 
Gang  zu  Verteidigungszwecken  davon  getrennt.  Die  Kirche  stand  im  Norden  der 
ganzen  Anlage  und  war  offenbar  ziemlich  genau  mit  dem  Chor  nach  Osten  gerichtet, 
nicht  umgekehrt  nach  Westen,  wie  es  sicher  irrtümlich  bei  Merlan  dargestellt  ist, 
während  bei  Petzold  die  Orientierung  richtig  zu  sein  scheint,  soweit  sich  dies  bei 
dem  Fehlen  von  Dach  und  Giebel  noch  erkennen  läßt.  Auch  Paalzow')  gibt  an, 
daß  der  Altar  „gegen  Morgen"  gestanden  habe,  und  Bekmann-)  berichtet,  daß 
nordwärts  6  hohe  Fenster,  südwärts  ebensoviel  halbe  gewesen  seien,  unter  denen 
sich  ein    niedriges  Gebäude  hinzog. 

Die  Kirche  war  160  Fuß  (50,24  m)  lang,  60  Fuß  (18,84  m)  breit  und  bestand  nach 
Merlans  und  Petzolds  Abbildungen  (Titelbild)  aus  einem  dreischiffigen  Langhaus 
und  einem  einschiffigen,  polygonal  geschlossenen  Chor,  der  bei  .Merlan  bis  zum 
Polygon  (aus  5  Seiten  des  Achtecks?)  3  Langchorfenster  zeigt,  so  daß  wir  ins- 
gesamt 6  Schiffsjoche,  3  Langdiorjoche  und  den  Chorschluß  annehmen  müssen, 
genau  wie  bei  St.  Pauli  in  Brandenburg.  Das  Fehlen  der  Strebepfeiler  ist  bei 
Merlan  typisch.  Petzold  zeigt  am  Westgiebel  zwischen  3  hohen  Fenstern  2  mittlere 
Strebepfeiler,  ferner  2  an  den  Ecken  und  noch  4  weitere  an  der  Nordseite  des  Lang- 
hauses, sämtlich  ohne  Absatz  und  oben  mit  einfacher  Schräge.  Die  beiden  letzten 
Langhausjoche  und  der  Chor  müssen  also  samt  Dach  und  Dachreiter  auf  dem 
Westgiebel  schon  um   1715  verfallen  gewesen  sein. 

An  die  Südseite  des  Langhauses  stieß  unterhalb  der  „halben"  Fenster  der  ^  2.  Kloster- 
Kreuzgang,  der  breiter  als  gewöhnlich  gewesen  sein  muß,  weil  hier  wohl  i.  J.  1784  die  gebände. 
Wohnung  des  Baccalaureus  mit  der  Mädchenschule  und  die  Küsterwohnung  unter- 
gebracht waren-').  Wenn  „dabei  ein  Rest  des  alten  Klosterrefektoriums,  ein  gewölbter 
kleiner  Saal",  sich  befunden  hat,  kann  dies  nur  im  Ostgebäude  gewesen  sein,  weil 
damals  nur  hier  noch  ein  alter,  (bereits?)  einstöckiger  Seitenflügel  mit  wenigen 
Stuben  sich  befand,  während  im  Westen  sich  schon  ein  neueres  Gebäude  erhob. 
Nach  unsern  früheren  Ausführungen  aber  wurde  der  Speisesaal  nie  so  nahe  dem  Chor 
untergebracht.  Wir  müssen  also  obigen  Gewölberaum  hier  violleicht  als  Kapitel- 
saal oder  als  Sakristei  betrachten. 

Ein  zweites  Klausurgebäude  stand  noch  i.  J.  1784  im  Süden  des  somit  viereckigen 
Klosterhofes,  der  Kirche  gegenüber.  Es  wird  als  hoch  bezeichnet,  konnte  jedoch 
wegen  Baufälligkeit  nur  noch  im  Erdgeschoß  bewohnt  werden. 

Schließlich  zeigen  Merian  und  Petzold  noch  westlich  der  Kirche  das  bereits 
erwähnte,  ziemlich  hohe  Wirtschaftsgebäude  mit  abgetrepptem,  blendengeschmück- 
tem Giebel. 


')  Paalzow,  Voriede 

')  Bekmann,  Hist.  Besdir  d.  Mark,  II.  Bd  .  V.  Teil,  1.  Buch,  n.  Kap.,  S.  24. 

Bekmann,  Aufs,  von  d.  Stadt  Seeh.,  S.  22]. 
3)  Daume  1,  S.  11. 


Seehauseii 


-     80     - 


3.  Teil:   Die  Altertümer. 


Ein  in  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  beim  früheren  Hochaltare  vom 
lotengräber  aufjredecktes  „ordentliches  ausgemauertes  Grab'")  beweist,  daß  auch 
hier  Verstorbene  in  dem  KirchenfuRboden  beigesetzt  wurden,  ohne  daß  uns  über 
ihre  Persönlichkeiten  eine  Kunde  erhalten  geblieben  ist. 

Von  sonstigen  Schmuck-  und  Einrichtungsgegenständen,  von  Formsteinen, 
Ornamenten  usw.  ist  nichts  mehr  vorhanden ;  doch  mögen  noch  manche  Stücke  im 
Erdboden  verborgen  ruhen.  Erst  wenn  solche  gefunden  und  die  teilweise  noch 
vorhandenen  Fundamente  bloßgelegt  sind,  lassen  sich  für  den  Umfang  der 
ursprünglichen  Anlage,  ihre  Konstruktionsweise  und  ihre  Formensprache  weitere 
Schlüsse  ziehen. 


')  Paalzow,  Vorrede. 


81 


Kapitel  4.    Prenzlau. 

I.Teil:  Die 'Geschichte. 


Fig. 


10.    Choransiclit  der  ehemaligen  Pten/Jai.er  Duniinikaiiei-Klosterkiiclie 
A\it  Genehmigung  der  Kgl.  Mel5biidanslalt  zu  BerHn. 


Über  die  Anfangszeit  des  Dominikanerklosters  in  Prenzlau  berichten 
uns  noch  heute  2  Inschriften,  die  sich  beiderseits  am  Choranfang  unmittel- 
bar neben  den  Diensten  des  1.  Langchorjoches  bis  zum  1.  Fenster  hin  unterhalb 
dessen  Sohlbank  an  der  Wand  befinden.  Die  nördliche  gibt  uns  einige  bau- 
geschichtliche  Nachrichten: 

,.ANNO   DM  1273.  (3.)')  NONAS  MAU  (    5.  Mai)  FüN'DA- 

TA  EST  ECCLESIA  ISTA  IN  HONOREM  S.  CRUCIS. 

AO.  DNI  1343.     IN  DIE  BEATI  GREQORII  PAPAE  (    12.  März) 

COSECRATA  EST  ECLIA  ET  SUMl'.    ALTARE  IN  HO- 

NORE  S^CRUCIS    TRIU    REGU.    S.  .MARTINI  EPISCOP. 

ET  DECE  MILLIA  MILITUM  FACIT'M. 

AO.  DNI  1375.  4    NONAS  lUNII  (    2.  Juni)  FR.\TRES  PRALDI- 

CATORES.  j\D  VOLUNTATEM  DOMINORU  M.ARCHl- 

ONU  ET  COSULUM  CIVITATIS   RENUNTIAVERT 

JURI  SUO  Q.(:-quod)_[N  ECLIA  S.NICOLAI  HABERUT 

ET  F.  (    pro)  EO  LOCU  ISTl'  RECEPU I    AC  IN  EODE  ECLESI- 

AM   ET  CLAUSTRf-  AEDIFIC,\RE  COEPERUNT«. 


S  1. 
Gründungs- 
gescliichte 


Scckt  I,  S.  51,  ergänzt  die  „3"  aus  einer  Abschrift  im  ältesten  Nikolai-Kirchenbuclie. 


Prenzlau 


—    82     — 

Diese  Inschrift  ist  nicht  mehr  die  ursprüngliche;  während  jetzt  große 
lateinische  Buchstaben  verwandt  sind,  sieht  man  darunter  an  einigen  Stellen  noch 
ältere  kleine,  die  sich  auch  in  der  Höhe  nicht  mit  den  jetzigen  decken.  So  wird 
es  erklärlich,  wenn  Anfang  und  Ende  sich  widersprechen:  Im  letzten  Teil,  der 
doch  nur  offenbar  später  hinzugefügte  Erläuterung  zum  ersten  ist,  hat  man  vermut- 
lich bei  einer  früheren  Erneuerung  der  Schrift  ein  „C"  zuviel  gesetzt,  sei  es  aus 
Versehen,  sei  es,  daß  man  den  lateinischen  Text  nicht  verstand  und  am  Schluß 
eine  höhere  Jahreszahl  setzen  zu  müssen  glaubte  als  bei  den  vorhergehenden  Angaben. 

Ein  Zufall  hat  es  gefügt,  daß  umgekehrt  eine  Literaturangabe  die  Altarweihe, 
ebenfalls  versehentlich,  um  100  Jahre  früher  ansetzt,  als  obige  Inschrift  besagt: 
Es  befand  sich  noch  bis  gegen  1800  in  der  Kirche  auf  „ziemlich  durchnagten 
Pergament . . .  mit  aller  .Mönchsschrift'")  eine  jetzt  verlorengegangene  Nachricht, 
die  vermutlich  beim  Abbruch  des  alten  Altares  gefunden  wurde: 

„Anno  Domini  MCCXLIII  hoc  altare  consecratum  est  a  venerabili  Patre  ac 
domino.  domino  Henrico  de  Appoldia  Episcope  Ecclesie  Lauacensis  (Lavant  in 
Kärnthen)  in  honore  Stae  Crucis  Trium  regum  et  Decem  millium  Militum  quarta 
feria  post  Reminiscere  et  Sti:    Martini  Episcopi." 

So  früher  Datierung  widerspricht  nämlich  die  Inschrift  auf  der  gegenüber- 
liegenden Südseite,  die  uns  Wohltäter  des  Klosters  nennt: 

„AÖ.  DNI  1281.    4.  IDUS  SEPTEMBRIS.  (=10.  Sept.)  OBIIT  MARCHIO 

lOHAIMNES  FUNDATOR  ISTIUS  CONVENTUS. 

AO.  DNI.  1287.    5.  IDIIS  SEPT.  {--  0.  Sept)  OBIIT  DNA  HEDWIG  UXOR 

MARCHIONIS  mHANNIS  PRAEDICTI,  QL'AE  DEDIT  NOBIS 

ORTU:  Aü.  DNI   I39ö.    1.  NONAS  DECEMB^  (-4.  Dez.)  OBIIT  HERMAN 

lh<^   PRAEFECTUS  HVIVS  CIVITATIS  SICERUS  FRA- 

TRU  FAUTOR  ET  AMICUS  SEPULTUS  HlC  SUB  LAPADE 

QUAE  IN  ElUS  MEMORIAM  lUGITER  DEBET  ARDERE  ET 

OMNI  DIE  IN  SUMMO  ALTARI  PRO  ElUS  MEMC^RIA 

MISSA  NON  DEBET  DEFICERE.- 

Da  die  Trierer  Chronik  dieselben  Todesjahre  für  Johann  II.  sowie  für  seine 
Gemahlin  Hedwig  nennt  und  als  ihrer  beider  Begräbnisstätte,  die  in  obiger  Inschrift 
überhaupt  nicht  erwähnt  wird,  das  Kloster  Chorin  angibt,  kann  man  die  viel  jüngere, 
von  Entzelt  1579  zuerst  aufgebrachte  und  von  Angelus  und  den  andern  Nachfolgern 
übernommene  Nachricht  als  irrtümlich  betrachten,  daß  Hedwig  als  Stifterin  des 
Prenzlauer  Klosters  „ist  alda  begraben  1277.    6.  Idus  Sept." 

Diese  wenigen  Nachrichten  sind  immerhin  ausreichend,  um  uns  ungefähr  ein 
Bild  von  dem  Auftreten  der  Dominikaner  in  Prenzlau  zu  geben.  Der  Ort,  ursprüng- 
lich nur  ein  Burgflecken,  erhielt  schon  r2'55  Magdeburgisches  Stadtrecht,  das  ihm 
1252  nach  Übergang  aus  der  Pommernherrschaft  an  Johann  1.  von  diesem  Mark- 
grafen bestätigt  wurde^).  1275  wurde  durch  Erweiterung  eine  alte  und  eine  neue 
Stadt  geschaffen''),  bemerkenswerterweise  in  demselben  Jahre,  in  dem  den  Dominika- 
nern ein  Platz  für  einen  Kiosterneubau  geschenkt  wurde,  nachdem  sie  schon  einige  Zeit 
vorher  an  der  (früheren!)  Nikolaikirche  einige  Rechte  genossen  hatten.  Dieser 
Platz  kann  nicht  das  Schloßgrundstück  des  Pribislav  gewesen  sein,  das  sich  aller- 
dings dicht  beim  Kloster  befunden  haben  soll,  weil  jener  alte  Hof  (curia)  1348')  der 
Stadt  geschenkt  wurde.  Doch  hält  Seckt'')  das  jetzige  Pfarrgebäude,  das  nach 
Westen  zu  eine  Fortsetzung  des  südlichen  Klausurgebäudes  bildet,  hauptsächlich 
wegen  seiner  vermauerten,  hohen  Kirclienfenster  für  die  kleine  christliche  Kapelle 
aus  den  Zeiten  des  Wendenfürsten,  die  man  gewöhnlich  in  der  alten  Nikolaikirche 
zu  sehen  meint. 

Da  das  Röbeler  Chorgestühl  und  v.  Loe  die  Aufnahme  bereits  auf  1275  setzen, 
muß  man  die  erste  Niederlassung  nach  unserer  früheren  Darstellung  spätestens  auf 
das  Jahr  1273  datieren.  Die  Weihe  des  Hochaltars  1343  läßt  den  östlichen  Kirchenteil 
zu  dieser  Zeit  vollendet  oder  doch  erneuert  erscheinen. 
S  2.  Besitz-  Hat  Johann  II.,    der    genau    wie    Gebhard    in  Ruppin    als  „Fundator  istius 

Verhältnisse.  conventus"  bezeichnet  wird,  zum  ersten  Aufbau  auch  Geld  gegeben?  Wurde  der 
Kirchenbau  mit  Unterstützung  des  Landesherrn  aufgeführt?  Warum  wurde 
der   Präfekt    Hermann    Jagow     weitere     53    Jahre    später    als     ,,sincerus    fratrum 


')  Seckt  1,  S.  51. 

•■')  Riedel,  Mark  Brandenb.,  S.  461  ff. 

3)  Engel,  Anrial.  II,  S.  110:  Jobst,  Kap.  10. 

')  Seckt  I,  S.  3/4. 

5)  Seckt  I,  S.  10/11. 


83 


DOMINIKANERKLOSTER   IN   PRENZLAU 


UNTERER    &RUNDRI55 


A.I-2;&EW0LBE- 

ANFÄNOER 


FENSTER  IM- WESTLICHEN  • 
KLOSTERGEBAUDE 


OBERER    CRUNORI SS 


AUFGENOMEN  UNO  GEZEICHNET: 

.4/  /„, 


% Jwl Jfl 


-     85     - 

faiitor  et  amicus"  in  der  Waiuliiisclirift  verewigt,  eine  immer  lirennende  Lampe  zu 
seinem  Gedächtnis  angezündet,  die  auf  einem  noch  zu  Seckts  Zeiten  vorhandenen, 
aus  zwei  Stüci<en  zusammengesetzten  „künstlichen"  Backsteinpfeiier  stand?  Es  wäre 
nicht  undenkbar,  daß  bei  den  zahh'eichen  Eroberungen  Prcnzlaus  bald  durch 
pommersche,  bald  durch  brandenburgische  Fürsten  bis  ins  15.  Jahrhundert  hinein 
auch  Kirche  und  Kloster  der  Dominikaner  öfters  in  Mitleidenschaft  gezogen  wurden, 
so  daß  die  Stadt,  d.  h.  ihr  Bürgermeister  samt  dem  Rat,  hernach  den  Brüdern 
helfend  unter  die  Arme  griff.  Jedenfalls  sehen  wir,  daß  das  Kloster  nicht  immer 
aulk-rhalb  des  kriegerischen  Lebens  stand,  wenn  die  Pommernherzöge  i.  J.  1424, 
sogleich  nach  erneuter  Einnahme  der  Stadt,  die  Bürger  dorthin  beschieden,  „quod 
locus  ille  capacissimus,  minus  etiam  armis  formidabilis  videretur'")-  Doch  sind 
das  nur  Vennutungen;  die  obigen  Fragen  lassen  sich  derzeit  nicht  bestimmt  be- 
antworten. 

Nachdem  der  Kanonikus  Zacharias  Schlüter,  ein  geborener  Prenzlauer,  die 
Klöster  seiner  Heimatstadt  1419-')  in  seinem  Testament  bedacht  haben  soll,  erwarben 
die  Mönche  1441  die  ersten  bedeutenderen,  urkundlich  nachweisbaren  Einnahmen, 
als  Kurfürst  Friedrich  den  Dominikanern  und  zugleich  den  Franziskanern  zu  Prenz- 
lau  einen  Hof  in  dem  benachbarten  Dorfe  Klinkow  „vereygent . . .  czu  einem  rechten 
eigenthum  . .  vnd  auch  in  aller  masse  vnd  mit  allen  rechtickeiten,  rechten,  czehenden, 
rauchhunern  vnd  freiheiten"-').  Zu  unbekannter  Zeit  wurde  ihnen  von  den  Franzis- 
kanern für  100  Gulden  deren  Anteil  abgetreten.  So  treffen  wir  sie  am  Anfang  des 
16.  Jahrhunderts  als  die  alleinigen  Herren  dieser  Hofstellc  an,  zu  der  noch  u.  a. 
2  Hufen  unbekannter  Herkunft  auf  der  Feldmark  desselben  Dorfes  kamen*).  Doch 
sollten  sie  sich  dieses  Besitzes  nicht  lange  erfreuen.  Vielleicht  schon  bei  dem  Brande 
von  1483"),  durch  den  der  größte  Teil  der  Stadt  in  Flammen  aufging,  oder  doch 
spätestens  im  zweiten  Jahrzehnt  des  16.  Jahrhunderts  muß  eine  größere  Feuers- 
brunst auch  das  Kloster  heimgesucht  haben;  denn  1519")  sehen  sich  die  Mönche  ge- 
zwungen, „vmb  . . .  anliegender  vnd  Treffliker  noth  willen,  Brandes  haluen  herkamen", 
im  Einverständnis  mit  dem  Provinzial  im  Dorfe  Klinkow  „den  Hoff  vnde  twe  Howen, 
darvp  wanet  vnd  bodrifft  Claws  Schröder,  Achte  marck  Penninghc  vnde  twe 
Winsspei  Korne . . ,  den  Dienst,  tegent  vnd  Rockhun  mit  allen  Gnaden,  tobehörlngen 
vnd  rechticheiden,  gresinge,  Holtinghe,  Wischen,  Weidunghe,  Acker,  Water,  Ror 
vnd  mor, . .  nichts  vthgenamen",  wiederkäuflich  an  den  Rat  zu  veräußern  Dafür 
gibt  dieser  ihnen  „ein  Parth  mit  Dacksten"  und  160  Gulden.  Zwar  löst  noch  der- 
selbe Prior  i.  J.  1520,  wohl  zu  dem  ausbedungenen  Rückkaufspreis  von  160  Gulden, 
Hof  und  Acker  wieder  ein"),  doch  kann  das  Kloster  sie  nur  bis  1536  halten; 
dann  müssen  die  Mönche  „vmme  vnser  groten  anliggende  Noth"  beides  im  Früh- 
jahr (am  Daghe  Magarethe)  nebst  2  Brandenburgischen  Pfund  jährlicher  Pacht 
und  den  andern  oben  genannten  Zubehörungen  abermals  an  den  Rat  verpfänden, 
der  ihnen  diesmal  nur  noch  100  Mark  und  jährlich  1  Wispel  Malz  aus  der  Stadt- 
mühle dafür  bietet'). 

Jetzt  kam  es  zu  keiner  Einlösung  wieder;  vielmehr  wurden  der  Hof  und  die 
2  Hufen  'A  Jahr  später  (auf  Martini)  mit  Genehmigung  des  Provinzials  für 
25  Gulden,  obige  jährliche  Malzhebung  und  noch  jährlich  4  Gulden  aus  der 
Kämmereikasse  an  den  Rat  endgültig  verkauft").  Die  geringe  Kaufsumme  ist  nur  so 
zu  erklären,  daß  das  Kloster  die  im  Frühjahr  entliehenen  100  Gulden  nicht  zurück- 
gab, sondern  als  Kaufgeld  behielt.  Die  Schenkung  des  Kurfürsten  war  wieder 
dahin.  Trotzdem  treffen  wir  bei  der  Reformation  noch  lO'j  Hufen  Land  auf  dem 
altstädtischen  Felde  an,  deren  i  lerkunft  uns  freilich  nicht  bekannt  ist.  Sie  verblieben 
bis  zum  18.  Jahrhunilert  beim  Kloster;  dann  gingen  7  von  ihnen  durch  Kauf  in  den 
Besitz  der  französischen  Kolonie  über"). 

Was  wir  von  sonstigen  Einkünften  erfahren,  ist  ebenfalls  nur  gering.  1474  ver- 
machte ein  Prenzlauer  Priester  Mathias  Schapow'")  den  Dominikanern  für  seine 
und  seiner  Eltern  ewige  Gedächtnisfeier  und  für  Zusage  einer  Grabstelle  in  der 
Klosterkirche  in  seinem  Testamente  1    Talent  und  sein  Haus  nebst  dem  Hofe  mit 


'1  Garcaeus   S.  IQO. 

')  Seckt  II,  S.  13. 

■')  Riedel  A2I,  S.  2i)l. 

')  Riedel  A2I,  S.  39L 

5)  Seckt  II,  S.  176. 

")  Riedel  A21,  S.  392. 

7)  Riedel  A2I,  S.  39S  9. 

s)  Seckt  I,  S.  56. 

•')  Seckt  I,  S  57. 

'")  Riedel  .^21,  S.  345/6. 


Preiizlau 


S3 
Reformations- 
zeit. 


vj  4.  Neuzeit. 


der  Einschränkung,  daß  nach  seinem  Tode  zunächst  ein  Magister  Johannes  Damerow 
mit  seiner  Mutter  gegen  jährliche  Zahlung  von  1  Brandenburgischen  Talent  an 
die  Brüaer  Haus  und  Hof  erben  solle;  erst  nach  deren  beider  Tode  solle  das  Grund- 
stück dem  Kloster  für  alle  Zeiten  gehören.  Ferner  solle  dem  Kloster  sein  Hausgerät 
zufallen,  eine  große  Waschwanne,  einige  metallene  Töpfe,  mehrere  Zinngefäße  und 
ein  paar  Küchengeräte. 

Ein  andres  Mitglied  der  Familie  Damerow,  namens  Vicentius,  hatte  gleich- 
falls „vmnie  syner  vnde  synen  Uff  heuenden  Sielen  salicheit"  ein  zu  diesem  Zwecke 
von  einem  Clawes  Melmeker  gekauftes,  nicht  näher  bezeichnetes  Eigentum  zu  un- 
bekannter Zeit  den  Barfüßern  und  Dominikanern  zugleich  geschenkt.  1510  treffen 
wir  beide  Klöster  in  seinem  Besitz'). 

Erwähnen  wir  noch,  daß  i.  J.  1488-')  Rat  und  Gerichte  Prenzlaus  in  die  Brüder- 
schaft des  Ordens  aufgenommen  worden  und  dadurch  den  Mönchen  neue  Einnahme- 
quellen entstanden  waren,  erwähnen  wir  schließlich  die  einmalige  testamentarische 
Zuwendung  eines  Priesters  Johann  Heckett  von  2  Mark  und  1  Tonne  Bier  aus  dem 
Jahre  1507-'),  so  ist  damit  erschöpft,  was  uns  die  Urkunden  über  den  Besitz  des 
räumlich  größlen  Dominikanerklosters  in  der  Mark  berichten. 

Nach  der  Einziehung  des  Klosters  durch  den  Kurfürsten  auf  Grund  der  hier 
1543')  vorgenommenen  Kirchenvisitation  scheint  es  zunächst  als  kurfürstliches  Korn- 
magazin gedient  zu  haben.  Als  nämlich  der  Landesherr  1544  der  Stadt  Prenzlau 
nach  vorherigem,  in  besonderer  Urkunde  festgelegtem  Verzicht  des  damals  leben- 
den letzten  Priors  und  nach  dessen  Zustimmung  zu  der  neuen  Verwendungsart 
seiner  bisherigen  Wirkungsstätte'')  „uf  ihr  bittlich  Ansuchen  das  schwartze  Kloster 
daselbst,  soweit  es  umbfangen,  um  Gotteswillen  und  Behueff  vnd  Anrichtung  eines 
Hospitals  vor  die  Armen  vorwilligt,  voreigend  und  vorschrieben"  hatte,  machte  er 
zur  Bedingung,  daß  man  ihm  in  der  Stadt  ein  Kornhaus  „wiederumb"  beschaffen 
und  erbauen  solle").  Der  Prior  soll  als  Entschädigung  lebenslänglich  vom  Rat 
Kleidung  und  Unterhalt  bekommen  haben'). 

Die  Kirche  gewann  bald  darauf  besondere  Bedeutung  dadurch,  daß  die  alte 
Nikolaikirchc,  bei  der  sich  etwa  300  Jahre  zuvor  die  ersten  Dominikaner  nieder- 
gelassen hatten,  1568  zum  Teil  einstürzte  und  deswegen  bald  hernach  der  städtische 
Gottesdienst  von  dort  in  die  nahe  gelegene  Heilige-Kreuz-Kirche  verlegt  wurde"). 
Nur  einer  der  beiden  alten  Türme  in  Ziegelrohbau")  auf  breitem  Fundament  aus 
Granitquadern  steht  heute  noch  als  Rest  der  längst  ganz  verfallenen  Kirche  auf  dem 
Hofe  der  Kaserne  von  1768 — 70.  Ihr  Name  aber  ging  seitdem  an  die  Kloster- 
kirche über. 

Wie  es  sich  anderswo  findet,  wurden  auch  hier  früher  schon  vorhanden  ge- 
wesene Hospitäler  nebst  ihren  Einkünften  mit  dem  neugeschaffenen  vereinigt.  Schon 
1577'")  waren  die  Insassen  des  Georgs-Hospitals  dahingezogen,  und  1582  wurde 
auch  das  Elendenhaus  am  Markt  dorthin  verlegt.  Gegen  ein  Einkaufsgeld  erhielten 
nunmehr  arme  Bürger  und  Bürgerinnen  freie  Wohnung  und  freies  Deputat.  Nach- 
dem noch  1736")  das  Kloster  mit  11  neu  ausgebauten  Zimmern  versehen  worden 
war,  blieb  es  bis  zum  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  bei  dieser  Verwendungsart. 
Wohl  der  nördliche  Raum  im  Westgebäude  war  es,  der,  wenn  auch  von  Seckt") 
als  Speisesaal  bezeichnet,  bereits  in  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  und 
weiterhin  bis  m  die  letzten  Jahre  den  Katholiken  zum  gottesdienstlichen  Ge- 
brauch diente.  Die  weitläufigen  Klosterkeller  sollen  etwa  im  16.  oder  17.  Jahr- 
hundert die  städtische  Münze  gebildet  haben'),  und  seit  1828'")  sind  die  Kloster- 
gebäude nach  /\usbau  des  Dachgeschosses  und  nach  Verlegung  des  Hospitals  in 
ein  andres  fiaus  in  ein  städtisches  Armen-  und  Krankenhaus  umgewandelt  worden. 
Die  Kirche  wurde  1874  innen  sehr  ausgebessert  '"),  i876  nach  Adler  auch  das  alte 
Maßwerk  vollständig  erneuert. 


')  Riedel  A '21,  S.  391. 

2)  Seckt  1,  S.  53. 

3)  Riedel  A  21,  S.  376. 

4)  Seckt  II,  S.  55. 

5)  Seckt  I,  S.  54. 

")  Riedel  A  21.  S.  442. 

')  Seckt  I,  S.  55. 

8)  Fidicin,  Territor.  IV,  S.  9. 

")  s.  S.  81. 

'")  Dobbert,  S.  4. 

")  Dobbert,  S.  13. 

'2)  Bergau,  S.  612. 


-     87 


2.  Teil:  Die  Baulichi<eiten. 

(Blatt  ö-ll) 


11.    Inneres  der  eheinalif^en  Prenzlaner  Dominikaner-Klosterkirche. 
Mit  Genehmigung  der  Kgl.  MelSbildanstalt  zu  Berlin. 


Das  Prenzlauer  Doniinikanerkloster  ist  trotz  seines  fast  ()40jährigen  .\lters 
eins  der  besterhaltenen  Klöster  in  der  Mark.  Die  Klausurgebäude  snid,  abgesehen 
von  mehrfachen  Um-  und  Ausbauten  der  einzelnen  Räume,  äußerlich  wie  innerlich 
in  solchem  Zustande,  daß  man  sich  noch  leidlich  gut  eine  N'orstellung  von  ihrem  Aus- 
sehen und  ihrer  Benutzung  zur  Zeit  der  .Mönche  machen  kann.  Das  Kloster  liegt 
im  Süden  der  Stadt,  durch  den  breiten  Uckerwiek  (Bl.  6)  von  der  alten  Stadtmauer 
geschieden.  Die  Kirche  befindet  sich  im  Norden  der  ganzen  .Anlage;  ihre  um  etwa 
25 "  von  der  Ostrichtung  nach  Norden  zu  abweichende  Längsachse  soll  auch  hier 
wieder  der  Einfachheit  halber  als  Haupthimmelsrichtung  zugrunde  gelegt  werden. 
Nachdem  die  Ruppiner  Klosterkirche  in  all  ihren  Teilen  eingehend  besprochen  worden 
ist,  können   die  folgenden,  ihr  ähnlichen   Hallenkirchen  kürzer  behandelt    werden: 

Die  Kirche  dient  noch  heute  dem  gottesdienstlichen  Gebrauche.  Sie  besteht 
(Bl.  ())  aus  einem  Ruppin  gegenüber  auffallend  kleinen  Chor  von  S,S6  m  Breite 
und  nur  12,02  ni  Länge,  von  der  östlichen    inneren  .Mtschlußwand  der  Seitenschiffe 


ü  1.   Kirche 


Prenzlau 


bis  zu  dem  aus  5  Seiten  des  Achteci<s  gebildeten  Chorschluß  gemessen,  und  einem 
desto  größeren  dreischiffigen  Langhause  von  40,30  m  Länge  und  18,12  m  Breite, 
so  daß  der  ganze  Kirchenraum  52,32  m  lang  ist. 

Die  Grundfläche  des  Langhauses  ist  in  der  Längsrichtung  nicht  so  regelmäßig 
aufgeteilt,  wie  wir  es  in  Ruppin  gesehen  haben,  sondern  die  Abstände  der  Pfeiler- 
mitten betragen,  von  der  östlichen  Innenwand  der  Seitenschiffe  nach  Westen  zu 
fortschreitend,  3  ^■'  6,70  m,  2  •  6,84  m  und  1  ■  6,52  m.  \m  Querschnitt  sind  die 
achteckigen  Schiffspfeiler  so  angeordnet,  daß  ihre  dem  Mittelschiff  zugekehrten  Seiten 
in  der  vorderen  Flucht  der  Chordienste  liegen. 

Die  Umfassungsvvände  messen  zumeist  95  cm,  nur  die  westliche  Giebelwand 
ist  mit  1,36  m  auffallend  stark.  Am  Choranfang  setzt  sich  die  Wand  72  cm  dick  in 
einfachster  Weise  als  Rechteck  mit  abgefasten  Ecken  38  cm  ins  Schiff  hinein  fort, 
wobei  zur  Aufnahme  der  5  hier  zusammenstoßenden  Profilbögen  ein  Dienst  nach 
der  Kirchenmitte  zu  vorgelegt  werden  mußte.  Eine  entsprechende  Vorlage  weist 
der  Westgiebel  innen  auf.  So  wird  nach  allem  eine  einheitliche  lichte  Weite  für 
Chor  und  Langhaus  geschaffen,  die  nur  am  Fußboden  zwischen  den  östlichen 
Wandpfeilern  durch  4  Stufen  von  61  cm  Höhe  von  einander  geschieden  sind. 

Die  so  gebildeten  3  ■  6  einzelnen  Langhausjoche  sind,  ebenso  wie  das  eine 
schmalere  Chorjoch,  wieder  mit  Kreuzrippengewölben  von  15,30  m  Schlußsteinhöhe 
im  Mittelschiff  und  14,64  m  in  den  Seitenschiffen  überwölbt,  während  der  Chor- 
schluß die  dafür  übliche  Lösung  zeigt  (Bl.  7  u.  9). 

Die  altertümlich  schweren  Quergurte  des  Ruppiner  Langhauses  fehlen  hier 
bereits;  einfache  Rippenprofile  überspannen  alle  Schiffe  (Bl.  11,  Abb.  42).  Nur  die 
Längsgurte  müssen  zur  Übertragung  der  Dachlast  stets  besonders  stark  ausgebildet 
bleiben;  sie  werden  in  einfacher  Weise  aus  einem  rechteckigen  Kern  gebildet,  den 
beiderseits  eine  schmale  einfassende  Kante  begleitet.  Sämtliche  Gurte,  Diagonal- 
rippen und  Wandbögen,  letztere  nur  am  Westgiebel  fehlend,  sind  hier  spitzbogig 
gestaltet,  je  nach  der  Spannweite  flacher,  steiler  oder  gar  noch  gestelzt.  Die 
Diagonalen  laufen  mit  geringem  Stich  gegen  schembar  schmucklose  durchbohrte 
Schlußsteine.  Die  Kappen  des  Hauptschiffs  zeigen  sanften  Busen.  Auf  Bl.  6  ist  bei 
A2  der  Oewölbeanfänger  eines  Schiffspfeilers  dargestellt,  aus  dem  sich  nunmehr 
alle  andern  in  der  bei  Ruppin  dargestellten  Weise  leicht  ableiten  lassen. 

Im  Dachboden  sind  die  Längsgurte  70  cm  stark  bis  zur  Höhe  der  Außenwände 
übermauert.  Die  zur  Schubübertragung  in  Ruppin  vorhandene  Übermauerung  der 
Quergurte  in  den  Seitenschiffen  ist  hier  nicht  mehr  für  notwendig  erachtet  worden. 

Die  achteckigen,  1,27  m  dicken  Schiffspfeiler  sind  bis  zur  Oberkante  des 
Kapitells  9,40  m  hoch.  Im  allgemeinen  schwächere  Wanddienste  als  in  Ruppin,  im 
Schiff  und  Langchor  als  Dreiviertelsäulen  von  21  cm,  im  Polygon,  in  den  8  Seiten- 
schiffsecken und  neben  den  westlichen  Wandpfeilern  im  Mittelschiff  als  Ganzsäulen  von 
nur  11  cm  Durchmesser  gebildet,  werden  hier  sämtlich  in  etwa  3,50  m  Höhe  über 
dem  Schiffsfußboden  von  verschiedenartigen,  im  übrigen  sich  wiederholenden  Kon- 
solen abgefangen,  unter  denen  sich  im  Chor  die  selten  vorkommenden  Hörnchen- 
konsolen befinden  (Bl.  11,  Abb.  23—28  im  Chor,  Abb.  29—32  im  Langhaus).  Die 
niedrigen  Kapitelle  der  Pfeiler  im  Schiff  sowie  an  der  Ost-  und  Westgiebelwand, 
wieder  einige  Schichten  tiefer  als  bei  den  Chordiensten,  nebst  der  einfachen  Basis 
zeigt  Bl.  11,  Abb.  38—40. 

In  der  oberen  Wandzone  sind  ursprünglich  nur  im  1.  und  6.  Joch 
der  Südseite  wegen  der  hier  gegenstoßenden  Klostergebäude  und  im  2.  Joch  der 
Nordseite,  vom  Westgiebel  an  gerechnet,  wegen  des  hier  befindlichen  hohen  Haupt- 
portals keine  Öffnungen  durchgebrochen  gewesen.  Die  beiden  Fenster  in  der  süd- 
lichen Ecke  zwischen  Chor  und  Langhaus  waren  ehedem  zum  Teil  verdeckt,  wie 
Kalkspuren  an  den  Außenwänden  noch  beweisen  (Bl.  7  u.  8).  Daß  die  3  Fenster 
am  Westgiebel  sogar  unter  Belassung  der  alten  Sturmstangen  ganz,  die  nördlichen 
Schiffs-  sowie  alle  Chorfenster  an  ihren  unteren  Teilen  später  zugemauert  sind, 
ist  außen  klar  ersichtlich  (Bl.  7).  Sie  reichten  also  auch  hier  im  Innern  ursprüng- 
lich bis  zu  den  jetzigen  Dienstkonsolen  herab.  Die  südlichen  Schiffsfenster  aber 
hatten  stets  nur  ihre  heutige,  geringere  Höhe,  weil  sich  außen  an  dieser  Stelle 
ehedem  ein  Kreuzgangsteil  an  die  Kirche  lehnte.  Zu  beachten  ist,  daß  in  den  3  west- 
lichen Jochen  auf  der  Südseite  innen  und  auf  der  Nordseite  außen  die  Fenster- 
und  Blendennischen  nicht  so  weit  herunter  geführt  sind  wie  in  den  folgen- 
den (Bl.  8  u.  9). 

In  den  spitzbogig  geschlossenen  Öffnungen  befinden  sich  am  Ende  der 
Seitenschiffe  und  des  Chors  etwa  1,75  i./L.  breite  zweiteilige,  an  allen  andern 
Stellen  2,35  m  breite  dreiteilige  Fenster  mit  allenthalben  einfachen,  glattgeschnittenen 


S9    — 


—    Ql     — 

Pfostenquerschnitien.  Die  erhaltenen  Spuren  am  Westgiebe!  lassen  hier  kein  eigent- 
liches Maßwerk  annehmen,  sondern  beim  Mittelfenster  einfachen  oberen  Zusammen- 
schluß der  Pfosten,  beim  nördlichen  Seitenfenster  jedenfalls  sehr  emfache  Aufteilung 
des  oberen  Feldes  durch  einen  Kreisteil.  Die  zweiteiligen  Fenster  sind  oben  mit 
1  Dreipässen,  die  dreiteiligen  abwechselnd,  aber  im  gleichen  Joch  stets  gleich, 
mit  ebensovielen  Drei-  oder  Vierpässen  ausgefüllt.  Der  spitzbogige  obere  Zu- 
sammenschluß der  Pfosten  darunter  findet  ohne  Nasen  statt  (Bl.  6).  Die  Leibungen 
smd  flach  geschmiegt  und,  abgesehen  von  dem  oberen  Ende  des  Mittelfensters  am 
Westgiebel,"  nicht  profiliert.  Die  Sohlbänke  sind  etwa  unter  45"  abgeschrägt.  Ver- 
mutlich bei  Anlage  von  Emporen  brach  man  den  unteren  Teil  des  großen  West- 
giebelfensters vierteilig  wieder  durch.  Jetzt  ist  dieses  Stück  auch  schon  wieder 
vermauert. 

In  der  Zone  unterhalb  der  Fenslei"  (Bl.  0)  finden  wir  am  Chorschluß  hinter 
dem  Altare  eine  ähnliche  wandschrankartige  Nische  wie  in  Ruppin;  ferner  ist  an 
derselben  Stelle,  wo  dort  die  Profilnische  mit  Nasen  liegt,  also  seitlich  vor  dem 
Hochaltäre  in  der  südlichen  Chorwand,  hier  eine  fensterartige  Spitzbogennische 
mit  dreiteiligem,  vorn  1 1  cm  starkem,  rundem  Pfostenwerk  und  kelchförmigen 
Kapitellen  in  Höhe  der  äußeren  Kämpfer,  aber  ohne  Basen  (Bl.  9  u.  Bl.  11,  Abb.  36). 

2  rechtwinklig  eingeschnittene  Türöffnungen  in  der  südlichen  Ecke  sind 
offenbar  neueren  Datums.  An  alten  Eingängen  zur  Kirche  sind  nur  noch  2  erhalten: 
zunächst  ein  mit  leider  verputzten,  umgekehrt  gleichen  Kämpfern  und  Basen  ver- 
sehenes Portal  aus  gebündelten  Birnenstäben  in  der  Mitte  des  Westgiebels  von 
1,64  m  i./L.  (Bl.  10  und  Bl.  11,  Abb.  37);  dann  das  liauptportal  im  2.  Joch  der 
Nordseite.  Dieses  zeigt  ebenfalls  reiche  Profilierung  der  Wände,  im  Kämpfer  durch 
blatthelegte  Kapitelle  unterbrochen,  am  unteren  Ende  von  ebensolchen  Basen  ge- 
tragen. Ein  Wimperg,  am  Außenrande  schräg  und  über  dem  obersten  Spitzbogen 
horizontal,  mit  einem  fortlaufenden  Bande  von  kräftig  modellierten  Weinranken 
auf  Tonplatten  verziert,  erhebt  sich  darüber,  und  eine  für  solchen  Bau  ungewöhnlich 
reiche  Verzierung  in  Gestalt  zweiteiligen,  spitzbogig  abschließenden,  blinden  Stab- 
und  Maßwerkes  füllt  die  Mauerfläche  noch  ein  gut  Stück  nach  oben  hin  aus,  bis 
endlich  eine  große  Schräge  fast  in  Höhe  der  Strebepfeiler  den  Übergang  zu  der 
Kirchenwandflucht  wiederherstellt  (Bl.  10  u.  11,  Abb.  1^7).  Die  jetzige  Zweiteilung 
der  Tür  nebst  dem  Vierpaß  darüber  ist  spätere  Wiederherstellung. 

Die  ganze  Kirche  außer  der  Westseite  umgeben  Strebepfeiler  ohne  .Absätze, 
am  Polygon  70  ■  105,  am  Langchor  70  ■  112,  am  Schiff  auf  der  Nordseite  88  110, 
im  Süden  88  ■  140  cm  groß,  in  den  beiden  nördlichen  Langhausecken  in  entsprechen- 
den Abmessungen  über  Eck  gestellt,  am  Hauptportal  bis  auf  2,15  m  vorgezogen. 
Die  großen  Strebepfeiler  auf  dem  Hof  lassen  unschwer  spätere  Ummantelung  er- 
kennen. In  den  beiden  südlichen  Langhausecken  haben,  wohl  wegen  gleichzeitiger 
Aufführung  der  dortigen  hohen  Klostergebäude,  besondere  Strebepfeiler  anscheinend 
nie  gestanden.  Nur  der  nordwestliche  Eckstrebepfeiler  der  Westfront  ist  bis  zur 
Loslösung  von  der  Wand  hochgeführt  und  mit  einer  vierseitigen  Pyramide  mit 
Kugelspitze  abgedeckt,  eine  schwache  Erinnerung  an  die  Ruppiner  Ecktürmchen; 
alle  andern  zeigen  wieder  die  einfachen  Schrägen,  aus  denen  junge,  satteldach- 
artig  abgedeckte  Strebepfeilerchen  hervorwachsen. 

Soweit  die  verschiedene  Höhenlage  des  umliegenden  Bodens  noch  erkennen 
läßt,  umzog  die  ganze  Kirche  ein  etwa  1  m  hoher  Sockel  aus  behauenen  Feldsteinen, 
der  etwa  in  30  cm  Höhe  durch  einfache  Schräge  von  10  cm  Länge  unter  45"  in  die 
Wandflucht  übergeleitet  wurde  und  sich  nun  in  dieser  noch  60  cm  nach  oben  hin 
fortsetzte  (Bl.  8).  Wenngleich  er  heute  am  Westgiebel  fehlt,  läßt  doch  eine  Aus- 
füllung in  Normalformat  von  genau  der  Höhe  des  Feldsteinsockels  am  nordwestlichen 
Eckstrebepfeiler,  die  sich  über  die  ganze  Westseite  bis  fast  an  die  Mitteltür  hinzieht, 
immerhin  auch  hier  diese  Annahme  zu.  Ein  ebensolcher  Sockel  findet  sich  übrigens 
auch  an  der  Nordostecke  des  Ostgebäudes  wieder. 

Chor  und  Schiff  weisen  in  gleicher  Höhe  ein  gleiches  Hauptgesims  mit  kräf- 
tiger Hohlkehle  auf  (Bl.  7,  Abb.  H  2).  Auf  der  Nordseitc  des  Langhauses  sieht 
man,  aber  nur  in  den  3  östlichen  Jochen,  unter  diesem  Gesims  einen  breiten  Putz- 
streifen, auf  ihm  anschementl  Spuren  früherer  Sgraffitomuster.  Ein  ähnliches  .Wotiv 
hat  sich  wohl  unter  der  obersten  Dachschräge  des  Hauptportals  befunden  (Bl.  S). 

Die  äußere  Kirchenwand  zeigt  uns  noch  zahlreiche  Spuren  von  .Anschlüssen 
ehemals  anders  gestalteter  oder  jetzt  bereits  ganz  verschwundener  Gebäude:  Auf 
der  Südseite  (Bl.  8)  sieht  man  am  Ostflügcl,  über  Fenster  und  Strebepfeiler  des  1.  Clior- 
joches  weglaufend,  eine  Daclianschlußspur,  die  sich  nicht  mit  dem  heutigen  Dachprofil 
deckt;  .\hnliclies  läßt  sich  am  .\nscliluri  des  Westgebäudes  feststellen.    .\ls  Deckleiste 


I^ciizlau 


-     92     - 

füi  ein  fiüliLT  gc^ienstoßendes  Pultdach  sind  die  oben  abgeschrägten  vorgezogenen 
Schichten  zu  betrachten,  die  sich  ebenda  auf  der  östHchen  Hälfte  des  Langhauses 
unmittelbar  unter  den  Fenstern,  auf  der  westlichen  etwa  3  m  höher  hinziehen. 
Unter  ihnen  führten  zu  ebener  Erde  2  jetzt  vermauerte  Öffnungen  in  die  Kirche 
hinein;  in  Höhe  ihres  Scheitels  sind  an  2  Stellen  ehemalige  Anschlüsse  von  Ge- 
wölben deutlich  erkennbar,  das  östliche  offenbar  herrührend  von  einem  Treppen- 
lauf, welcher  mit  einem  Fensterchen  nach  der  Kirche  zu  versehen  war,  das  westliche 
im  i.  Langhausjoch  nicht  mehr  bestimmbar.  In  Höhe  des  \.  Obergeschosses  der 
Klausurgebäude  befinden  sich  2  weitere  vermauerte  Türen,  die  wohl  zu  ehe- 
m.aligen  Emporen  geführt  haben  können.  Eine  hohe,  schmale  Türspur,  etwa  über 
der  Hofwand  des  Ostgebäudes  befindlich  und  durch  frische  Farbe  jüngerer  Steine 
deutlich  als  sehr  spät  zugemauert  erkennbar,  setzt  sich  im  Dachboden  noch  heute 
als  Türnische  fort,  deren  Schwelle  in  dem  Gewölbesack  des  5.  und  6.  Seitenschiffs- 
joches liegt. 

Auch  auf  der  N'ordseite  finden  wir  am  5.  Langhausjoch  den  .Anschlul)  eines 
Satteldaches,   das  ebenfalls  über  Fenster  und   Strebepfeiler  fortlief. 

Oberhalb  der  Hauptgesimse  erheben  sich  die  beiden  Giebel  des  Langhauses 
(Bl.  7),  beide  etwa  1  Stein  hoch  brandmauerartig  über  den  First  hinausragend;  der 
östliche,  mit  16  schmalen  Putzblenden  geschmückt,  deren  Sohle  staffeiförmig  mit  der 
Neigung  des  Chordaches  ansteigt,  wird  im  Dachboden  von  einem  weiten,  hohen 
Spitzbogen  getragen,  der  sich  über  das  ganze  Mittelschiff  spannt;  der  westliche 
mit  2  Reihen  von  unten  5  und  oben  3  Spitzbogenblenden  verschiedener  Größe,  deren 
mittlere  breiter  sind  als  die  seitlichen,  in  jeder  Reihe  von  horizontaler  Basis  an- 
steigend. Die  Giebelschräge  begleiten  jederseits  2  Reihen  von  Sägefriesen,  oben  gegen 
eine  kleine  Fiale  laufend.  Über  ihnen  befanden  sich  ehedem  Kriechblumen  (Bl.  11, 
Abb.  S),  von  denen  aber  nur  noch  3  am  alten  Platze  sind.  Den  Abschluß  des 
Giebeldreiecks  nach  unten  hin  bildet  eine  kleine  Schräge,  unter  der  sich  nur  eine 
Sägeschicht  hinzieht.  Sämtliche  Giebelblenden  sind  '■:  Stein  tief,  an  den  Kanten 
nicht  profiliert  und  nicht  (mehr?)  geputzt. 

Über  das  ganze  Langhaus  breitet  sich  wieder  ein  großes  Satteldach  (Bl.  7 
und  y),  das  über  dem  15,60  m  hohen  Hauptgesims  noch  weitere  15,10  m  bis  zu 
30,70  m  Firsthöhe  ansteigt,  während  das  8,10  m  hohe  Chordach  nur  einen  23,70  m 
hohen  First  aufweist.  Den  Chorschluß  überdeckt  ein  Teil  einer  Pyramide  über  5  Seiten 
eines  Achtecks. 

Gegenüber  dem  Ruppmer  Schiffsdach  und  andern  mittelalterlichen 
Dächern  überhaupt  erscheint  die  Dachkonstruktion  der  Kirche  in  Prenzlau  mit 
größter  Sparsamkeit  an  Holz  ausgeführt.  Mancherlei  Abweichungen  in  der  An- 
ordnung der  Streben  und  Stützen,  die  hier  und  da  auch  noch  neben  einer  neueren 
Kcnstruklion  stehen  geblieben  sind,  lassen  den  derzeitigen  Zustand  nicht  mehr 
als  den  ursprünglichen  erscheinen,  obwohl  eine  gewisse  Selbständigkeit  jedes  Ge- 
spärres auch  noch  auf  ein  mittelalterliches  Dach  schließen  läßt. 

Von  Außenwand  zu  Außenwand,  aber  nur  dort,  nicht  auf  der  ebenso  hoch 
geführten  Übermauerung  der  Längsgurte,  auf  2  Mauerlatten  15/15  liegend,  gehen 
jetzt  nur  noch  in  jedem  zweiten  Gespärre  Binderbalken  26/33  durch.  In  den  andern 
scheinen  sie  über  dem  Mittelschiff  nachträglich  herausgesägt  zu  sein.  Auf 
diesen  Querbalken  stehen  wieder  in  Richtung  der  Längsgurte  2  gezimmerte  Wände 
mit  Fußschwelle  und  Stielen  je  22/26,  einem  Riegel  22/22  und  1  pfetlenartigen  Längs- 
balken etwa  gleichen  Maßes,  der  auch  wieder  unmittelbar  unter  dem 
untersten  Kehlbalken  liegt.  Jeder  dieser  Kehlhaiken  ist  mit  dem  zugehörigen  Stiel 
durch  ein  großes  Kopfband  20  22  verbunden.  Bis  zum  First  hin  folgt  dann  nur 
noch  1  Spannbalken.  Der  Achsenabstand  der  einzelnen  Gespärre  beträgt 
etwa  1,20  m. 

Das  Dach  über  den  Seitenschiffen  ist  jetzt  nur  noch  durch  eine  schräge,  lange 
Strebe  15/23  abgesteift,  die  zum  Binderbalken  oder  unteren  Stielende  läuft.  Früher 
scheinen  hier,  wie  einige  Überreste  noch  zeigen,  Kreuzstreben  23,23  die  Sparren 
mit  der  gezimmerten  Wand  und  den  Binderbalken  zu  einem  festen  Gefüge  ver- 
bunden zu  haben.    Die  Sparren  sind  20/26  stark. 

In  dem  kurzen  Chordach  läuft  wieder  nur  in  jedem  zweiten  bezw.  dritten  Ge- 
spärre der  Binderbalken  durch.  Auf  den  beiden  äußeren  steht  in  der  Mitte  je  ein 
Stiel  17/24;  gegen  den  östlichen  laufen  die  Gratsparren  des  Chorschlusses.  An  den 
oben  durch  einen  !  lahnenbalken  gegeneinander  abgesteiften  Sparren  finden  sich 
hier  in  Gestalt  von  Riegeln  und  langen,  angeblatteten  Diagonalen  Reste  einer  Längs- 
verstrebung, die  auch  beim  Schiffsdach  vorhanden  gewesen  sein  wird.  Am 
Chorschluß  ist  die  Konstruktion  in  einfachster  Weise  herumgeführt. 


93 


—    95    — 

Das  Prinzip  der  ganzen  Dachkonstruktion  ist  dem  Ruppiner  sehr  ähnlich, 
wenn  auch  jetzt  stark  vereinfacht.  Da  wir  aus  ungefähr  gleicher  Zeit  wie  dort, 
nämlich  vom  Jahre  1319,  die  allgemeine  Nachricht  haben,  daß  die  Mönche  durch 
einen  großen  Brand  arg  in  Not  geraten  sind,  kann  man  das  Dach  wohl  als  in  dieser 
Zeit  entstanden  ansetzen. 

Ein  Treppentumi,  dessen  Gestalt  nicht  mehr  feststellbar  ist,  vcrmittehe  ehe- 
dem den  Zugang  zum  Kirchendach.  Er  befand  sich  in  der  nordwestlichen  Hofecke, 
dort,  wo  wir  im  Dachboden  die  Türnischc,  außen  die  zugemauerte  Öffnung  ge- 
funden hatten. 

Von  ehemaligen,  selbständig  aufragenden  Türmen  und  Dachreitern  der  Prenz- 
lauer Klosterkirche  wird  uns  nirgends  berichtet;  auch  auf  den  Abbildungen  bei 
Merian  (Titelbild)  und  Petzold  sind  keine  vorhanden.  Doch  ist  bei  der  Bedeutung 
der  Glocke  für  das  klösterliche  Leben  als  gewiß  zu  betrachten,  daß  ehedem  ein  Dacli- 
reiter  vorhanden  gewesen  ist,  der  eben,  wie  auch  in  Ruppin  so  häufig,  öfters 
ersetzt  werden  mußte  und  schließlich,  wohl  in  nachreformatorischer  Zeit,  nicht  mehr 
erneuert  wurde.  .Mit  dem  Verfall  der  alten,  in  der  Nähe  befindlichen  Nikolaikirche 
im  16.  Jahrhundert  standen  ja  deren  massive  Türme  zur  Verfügung,  von  denen  auch 
bis  in  unsere  Tage  hinein  ein  angeblich  altes  Klostergeläute  die  Gläubigen  zum 
Gottesdienst  zusammenruft. 

An  der  Kirche  lassen  sich    3  Bauperioden  feststellen : 

1.  Wenngleich  die  Kirche  wegen  ihrer  Einheitlichkeit  in  den  lichten  Weiten 
des  Mittelschiffs  und  Chors,  wegen  gleicher  Gewölbeausbildung  in  allen  Jochen,  wegen 
des  (ehedem  überall  sichtbaren)  hohen  Sockels  aus  geschichteten,  behauenen  Feld- 
steinen, wegen  des  Hauptgesimses  und  der  jungen  Strebepfeilerchen  auf  den  großen, 
wegen  des  kräftigen  Maßwerks  im  Charakter  des  13. — 14.  Jahrhunderts  und  des  über- 
all fast  gleichen  Formats  von  27  27,5  : 9,5/10  :  13  13,5  als  nach  einem  Plane  ziemlich 
rasch  vollendet  erscheint,  zeigt  doch  schon  das  .Äußere  verschiedene  Bauabschnitte. 
Einige  Schwierigkeit  in  der  Bestimmung  ihres  Alters  bietet  die  Nachricht,  daß 
der  Hochaltar  erst  1343  geweiht  sei.  Man  kann  es  nämlich  bei  Ordenskirchen  als 
tlie  Regel  betrachten,  daß  zuerst  die  Klerikerkirche  errichtet  wurde  und  der  weitere 
Bau  erst  dann  nach  Westen  zu  fortschritt.  Da  aber  einer  mit  der  .\ltarweihe  gleich- 
zeitigen Errichtung  oder  auch  nur  Vollendung  des  Chores  mit  keiner  Silbe  Er- 
wähnung getan  wird,  kann  der  Hochaltar  erst  nach  einer  gewissen  Vollendung 
der  ganzen  Kirche  geweiht  worden  sein,  während  vorher  nur  eine  provisorische 
Weihe  stattgefunden  haben  mag.  Tatsächlich  weist  auch  der  Chor  die  ältesten 
Einzelformen  auf,  wie  die  Hörnchenkonsolen  am  Schluß  und  die  Spitzbogennische 
an  der  Südwand  mit  dem  kräftigen,  dreiteiligen  Stabwerk  aus  starken  Wülsten.  Die 
im  regelrechten  Verbände  anschließenden  3  Schiffsjoche  müssen  wegen  genau  des- 
selben Formates  der  gut  durchgebrannten,  schön  rot  gefärbten,  vorzüglich  er- 
haltenen Steine  gleichzeitig  mit  dem  Chor  entstanden  sein.  Wenngleich  uns  als 
Baubeginn  der  Kirche  in  der  Inschrift  das  Jahr  1275  angegeben  wird,  kann  dieses 
Datum  doch  nicht  auf  die  heutige  Ostpartie  bezogen  werden :  In  Kapitel  7 
werden  wir  feststellen,  daß  die  Kirche  des  erst  1297  aufgenommenen  Berliner 
Dominikanerklosters  fast  bis  auf  den  Zentimeter  genau  in  ihrem  Grundriß  mit  der 
Prenzlauer  Kirche  übereinstimmt.  Die  oben  bezeichneten  ältesten  Teile  dürften  also 
aus  dem  \nfang  des  14.  Jahrhunderts  stammen. 

2.  Während  die  3  Ostjoche  des  Langhauses  in  den  Pfeilerachsen  ö,7()  m  breit 
sind,  weisen  die  beiden  folgenden  6,84  m  auf.  Von  oben  bis  unten  trennt  beider- 
seits, außen  als  regelmäßig  abgetreppte,  senkrechte,  im  gotischen  Verband  sonst 
nie  vorkommende  Fuge  sichtbar,  ein  durchgehender  Riß  diesen  Mittelteil  von  der 
Ostpartie,  und  zwar  -"u  bezw.  1 '  i  m  westlich  von  dem  dortigen  Strebepfeiler,  so 
daß  hier  anscheinend  die  an  der  früheren  Westfront  vorhandenen,  gegen  Westen  ge- 
richteten Strebepfeiler  in  die  jetzige  Außenwand  miteingemauert  sind.  Ferner  tritt 
an  die  Stelle  des  im  Osten  vorhandenen  fleischfarbenen  Steines  ein  häßlich  grünlich- 
gelblicher; die  Fenstersohle  rückt  fortan  höher;  der  Sgraffitofries  unter  dem  Haupt- 
gesims der  Nordseite  verschwindet;  ein  gcsiinsartiger  X'orsprung  auf  der  Südseite, 
wahrscheinlich  die  Deckleiste  für  den  .Unfall  des  Kreuzgangsdaches,  taucht  vom  Riß 
an  etwa  3  m  höher  auf;  statt  der  im  Ostteil  des  Daches  vorhandenen  .Xussparungen 
für  die  Balkenköpfe  finden  sich  hier  in  Schichten  vorgekragte  Konsolen  aus  Back- 
steinen. 

Die  jungen  Strebepfeilerchen  und  vor  allem  der  Weinrankenfries  am  Wimperg 
des  Hauptportals  nebst  seinen  in  frühgotischer  .\rt  mit  zackigen  Blättern  belegten 
Kapitellen  und  Basen  lassen  dieses  2.  und  3.  Langhausjoch  nicht  allzulange 
nach  der  Ostpartie  entstanden  sein,  vielleicht  im  Jahre  der  .Mtarweihe  (1343),  in  dem 
somit  ein  gewisser  .Abschluß  des  Kirchenbaues  erreicht  war. 


Prenzlau 


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3.  Das  eiste  und  westlichste  Joch  mit  nur  6,52  in  Achsenabstand  der  Stütze 
von  der  Westwand  ist  ebenfalls  wieder  durch  einen  namentlich  im  Dachboden 
beiderseits,  aber  auch  auf  der  Nordseite  außen  deutlich  erkennbaren  Riß  von  dem 
andern  Baukörper  losgetrennt.  Die  Technik  ist  hier  wohl  am  schlechtesten:  Der 
Gewölbewandbogen  am  Westgiebel  fehlt.  Die  Fenstersohle  rückt  abermals  um  ein 
gut  Stück  höher  hinauf,  das  Maßwerk  wird  wenigstens  an  der  überdies  strebe- 
pfeilerlcsen  Giebelwand  einfacher  und  lockerer  in  der  Zeichnung,  fällt  beim  Mittel- 
fenster sogar  ganz  fort  und  wird  hier  durch  spitzbogig  sich  schließendes  Pfosten- 
werk ersetzt,  das  sich  in  beginnender  Profilierung  der  Leibungen  erhebt. 

Das  Fehlen  des  jungen  Strebepfeilers  an  der  Nordwestecke  und  ein  mittleres 
Westportal  mit  weit  vorgeschrittener  Profilierung  seiner  gebündelten  Birnstab- 
wandungen  läßt  das  Westjoch  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  in  die  2.  Hälfte  des 
14.  Jahrhunderts  setzen. 

Nicht  mit  der  bisherigen  Anlage  im  Zusammenhang  steht  die  grolk  Reparatur, 
die  von  den  3  Westjochen  den  oberen  Teil  erneuerte:  Deutlich  hebt  sich  daselbst 
von  dem  gelblichen  Unterbau  der  10/10,5  :  14/1 4,.5  :  28  28,5  große,  tiefrote,  bereits 
zerbröckelte  Stein  zwischen  ausgewaschenen  Fugen  ab,  der  auf  der  Hofseite  etwa  in 
Höhe  des  Hauptgesimses  vom  Westgebäude  beginnt,  am  Giebel  und  auf  der  Nord- 
seite in  etwa  gleicher  Höhe  sich  zeigt  und  besonders  hier  gegen  den  älteren  Unterbau 
um  einige  Zentimeter  nach  innen  hin  absetzt.  Der  Giebel  selbst  ist  sogar  fast  nur 
aus  Läufern  wiederhergestellt,  zwischen  denen  zahlreiche  Löcher  zur  Erleuchtung 
des  Dachbodens  gelassen  sind.  Wir  erfahren  1510,  daß  der  Konvent  durch  Brand 
in  große  Not  geraten  ist.  Um  1500  mag  also  die  Kirche  am  westlichen  Ende 
durch  Feuer  stark  zerstört  und  in  obiger  Weise,  vielleicht  erst  jetzt  unter  Ausbildung 
der  beim  Westjoch  beschriebenen  Giebelwandfenster,  wieder  ausgebessert 
worden  sein. 

2.    Kloster-  Gegen  die  südliche  Wand  des  Langhauses  stoßen,  beiderseits  etwas  darüber 

gebäude.  hinausragend,  2  Klostergebäude,  Sie  umschließen  noch  heute  mit  einem  südlichen 
Gebäude  zusammen  einen  recht  geräumigen  Klosterhof.  Früher  zog  sich,  wie  aus 
den  beiderseitigen  Entlastungsbögen  gleicher  Höhe  und  Breite  an  dem  Ost-  und 
Westgebäude,  auf  der  Ostseite  sogar  vielleicht  noch  aus  dem  Maueransatz,  ferner 
aus  den  oben  erwähnten  Spuren  an  der  südlichen  Kirchenwand  deutlich  erkennbar 
ist,  auch  unterhalb  der  Kirchenfenster  ein  schmalerer  Bauteil  entlang,  so  daß  der 
Hof  etwa  26,70  m  lang  und  27,10  m  breit  gewesen  ist.  Ihn  umschloß, 
heute  noch  im  Osten,  Süden  und  Westen  erhalten,  der  Kreuzgang,  allerseits  9  Joche 
i./L.  weit  und  in  jedem  Joch  durch  ein  dreiteiliges,  1,90  m  breites  Spitzbogen- 
fenster erleuchtet,  dessen  glattgeschnittene  Pfosten  sich  oben  ebenfalls  einfach  spitz- 
bogig  zusammenschließen  (Bl.  9,  Abb.  F  1 — 3).  Jedes  Joch  ist  mit  einem  Rippen- 
kreuzgewölbe auf  verschiedenartigen  Konsolen  überspannt  (Bl.  11,  Abb.  34),  von 
dessen  sämtlich  spitzbogig  gestalteten  Konstruktionsbögen  die  Diagonalen  (Bl.  11, 
Abb.  41)  in  einen  mit  flachem,  ornamentalem  (bei  3  von  ihnen  figürlichem) 
Schmuck  versehenen  Schlußstein  zusammenlaufen  (Bl.  11,  .\bb.  20—22).  Die  lichte 
Weite  des  Kreuzgangs  beträgt  3,15  m,  die  Schlußsteinhöhe  etwa  3,90  m.  Der  darüber- 
liegende,  wahrscheinlich  stets  nur  auf  3  Seiten  um  den  Hof  vorhanden  gewesene 
Korridor  zeigt  keine  Gewölbespuren  und  war  wohl  auch  früher  mit  flacher  Holz- 
decke versehen.  In  gut  wirkendem  Gegensatz  zu  dem  großen  Kreuzgangsfenster 
geben  hier  etwa  die  doppelte  Zahl  ehedem  anscheinend  noch  4 — 5  Schichten  tiefer 
reichender,  aber  nur  schmaler  Fenster  das  notwendige  Licht.  Ein  3 — 4  Schichten 
hohes  Hauptgesims  mit  Sägeschicht  darunter  (Bl.  7,  Abb.  H  1)  bildet  den  oberen 
Abschluß.  Das  südliche  Klausurgebäude  zeigt  sich  auf  der  Hofseite  noch  heute 
fast  unversehrt  in  dem  ursprünglichen  Zustande  (Bl.  9);  in  den  beiden  andern  fehlt 
das  Pfoslenwerk,  und  die  Fensterformen  sind  durchweg  den  derzeitigen  Verhält- 
nissen entsprechend  umgeändert  worden.  Zu  beachten  ist,  dali  im  Süd-  und  West- 
gebäude die  kleinen  Fensterchen  mit  Segmentbögen  überdeckt  sind  oder  gewesen  sind, 
von  denen  die  südlichen  bis  auf  2  heute  noch  ihrem  Zweck  dienen,  die  westlichen 
trotz  Vermauerung  wenigstens  noch  deutlich  zu  erkennen  sind ;  im  Ostgebäude 
dagegen  findet  sich  ein  gemauerter,  wagerechter  Sturz,  die  einzig  feststellbare  Ab- 
weichung in  den  sonst  ringsum  gleichmäßig  gebildeten  Hofwänden. 

Die  jetzt  im  Kreuzgang  vorhandenen  Treppen  sind  nach  Einschlagen  der 
Gewölbe  an  den  betreffenden  Stellen  hergestellt  und  damit  am  besten  als  neuzeitlich 
gekennzeichnet.  Von  mittelalterlichen  Treppenanlagen  sind  nur  noch  2  nachweisbar: 
Die  eine  am  2.  Langhausjoch,  nur  noch  an  den  Anschlußspuren  erkennbar,  führte 
innerhalb  des  hier  an  der    westlichen  Hälfte    des  Langhauses    anscheinend    zwei- 


—    99    — 

geschossigen  Kreuzgangsteiles  z,  T.  unter  dem  jetzigen,  ehemals  also  abgefangenen 
Strebepfeiler  weg  von  Osten  nach  Westen  zu  in  das  Obergeschoß  des  Westgebäudes ; 
die  Oewölbcwiderlager  erscheinen  als  nachträglich  eingestemmt.  Die  andre  ist  fast 
vollständig  erhalten  (Bl.  6  u,  8).  Sie  liegt  nach  mittelalterlicher  Weise  z.  T.  in  der 
dicken  Kirchenmauer  an  der  südöstlichen  Langhausecke  und  hatte  2  kleine  Fenster 
nach  der  Kirche  zu.  Die  untersten  Stufen  des  langen,  geraden  Laufes  fehlen  heute. 
Dadurch  wird  jetzt  an  dieser  Stelle  ein  kleiner,  von  der  Kirche  aus  nachträglich  zu- 
gänglich gemachter  Geräteraum  geschaffen.  Kurz  bevor  man  auf  dieser  1,02  m 
breiten,  mit  halbkreisförmiger  Tonne  überwölbten  Tn-ppe  mit  ihren  gemauerten 
Stufen  zur  westlichen  Außenwand  des  Ostgebäudes  gelangt,  wendclt  sich  der  Lauf 
gegen  Süden  hin,  nun  nur  noch  88  cm  breit.  Er  führte  früher  mittels  einiger 
weiterer  Stufen  durch  eine  jetzt  vermauerte  Spitzbogentür  in  das  Obergeschoß. 
Wir  finden  also  hier  die  übliche  Anlage  der  Treppe,  die  vom  Dormitorium  hinab 
in  die  Kirche  führte.  Etwas  östlich  von  dieser  Austrittstür  liegt  noch  heute  eine 
zweite,  hinter  der  4  gewendelte  Stufen  eines  80  cm  breiten  Treppenlaufes  nach  rechts 
weg  zu  einem  langen,  dunklen  Korridor  gleichen  Maßes  hinaufgehen,  von  dem 
eine  vermauerte  Türöffnung  zur  Kirche  hin  die  ehemalige  Verbindung  mit  ihr 
an  dieser  Stelle  gewährleistet;  nach  links  weg  aber  gelangte  man  höchstwahrschein- 
lich in  den  bereits  erwähnten,  jetzt  verschwundenen  Treppenturm.  Gewöhnlich 
findet  man  auch  in  den  andern  Gebäudeecken  Treppenanlagen;  sie  mögen  in  Prenz- 
lau  neuzeitlichen  Ansprüchen  an  die  Räumlichkeiten  gewichen  sein. 

Der  Hauptzugang  zur  Klausur  von  außen  her  ist  im  Westgebäude  zu  suchen, 
dort,  wo   in  dem  vor  die  Westgiebelflucht  der  Kirche  vorspringenden,   oben    mit 

2  Reihen  schmaler  Putzblenden  geschmückten  Gebäudegiebel  eine  einfache  Spitz- 
bogentür mit  abgetreppten  Leibungen  noch  heute  auf  einen  kleinen  Korridor  führt 
(Bl.  9).  3  gleichmäßig  mit  oblongen  Rippenkreuzgewölben  überspannte  Joche 
stellten  die  Verbindung  mit  dem  Kreuzgang  her,  an  den  sich  nun  allseitig  die  Kloster- 
räume anschlössen.  Vielfache  Umbauten  zu  den  verschiedenartigsten  Zwecken  machen 
es  heute  unmöglich,  die  ehemalige  Gestalt  und  Verwendung  der  sämtlichen  Räume 
im  Obergeschoß  festzustellen;  im  Erdgeschoß  ist  dagegen  mehr  im  alten  Zustand 
geblieben: 

Zunächst  liegt  (Bl.  6)  in  der  Ecke  zwischen  Chor,  südlichem  Seitenschiff  und  öst- 
lichem Klostergebäude,  über  dieses  hinausragend,  aber  nicht  im  Verband  mit  ihm 
aufgeführt,  ein  fast  quadratischer  Raum  mit  2  m  hoher  Mittelsäule  aus  rötlichem 
Stein  von  29  cm  Durchmesser  (Bl.  8),  deren  Basis  und  Kapitell  auf  Bl.  11,  Abb.  35, 
dargestellt  sind.  4  nicht  genau  gleichgroße  Rechtecke  bilden  die  Grundform  von 
4  Kreuzgewölben  mit  gekehlten  Birnenrippen  (Bl,  11,  Abb.  41)  und  Wandbögen 
auf  architektonisch  gegliederten  Konsolen.  Diese  Rippen  nebst  den  Gurten  über- 
spannen den  Raum  von  seiner  Mitte  aus  strahlenförmig  (Bl.  6,  Abb.  A  1).  Die 
Schlußsteine  sind  flach,  ohne  Schmuck.  In  der  südwestlichen  Ecke  führte  zuvor 
eine  Tür  zu  der  besprochenen  Wandtreppe;  eine  dicht  daneben  befindliche  tiefe 
Nische  mag  der  Überrest  einer  \'erbindung  mit  dem  Seitenschiff  sein,  während 
eine  rechteckige  Tür  zum  Chor  hin  zum  mindesten  heute  nicht  mehr  die  ursprüng- 
liche Form  haben  wird.  Der  Raum  dürfte  auch  früher  schon  als  Sakristei  gedient 
haben.  Kalkspuren  an  den  Kirchenwänden  lassen  diese  Ecke  als  ehemals  zwei- 
geschossig erscheinen ;  der  alte,  ohne  Verband  mit  diesem  Bauteil  stehende  Chor- 
strebepfeiler, jetzt  noch  z.  T.  in  der  Sakristei-Fensterwand  steckend,  läßt  diese  als 
spätere  Hinzufügung  erkennen.  Der  dunkle  Korridor,  den  wir  über  dem  geraden 
Treppenlauf  gefunden  hatten,  mag  zu  dem  über  der  Sakristei  liegenden  Raum  ge- 
führt haben.  Die  Mönche  konnten  also  aus  der  Kirche  durch  die  Sakristei  auf 
der  Wandtreppe  ms  Obergeschoß  gelangen,  wo  auch  hier  die  Schlafräume  ge- 
wesen sind. 

Sehr  wahrscheinlich,  wenn  auch  heute  wegen  des  Wandputzes  nicht  feststell- 
bar, ist  eine  weitere  Erdgeschoßtür  in  das  eigentliche  Ostgebäude  hinein,  i  leute 
finden  sich  an  dieser  Stelle  4  einzelne  Gefängniszellen  mit  kleinem  Korridor  davor; 
doch  erkennt  man  die  Zv^'ischenwände  leicht  als  spätere  Zutat.  Es  ergibt  sich 
für  diesen  ganzen  Teil  ein  Raum  mit  2  gemauerten  .Wittelstützen  und  6  erhaltenen 
Rippenkreuzgewölben,  dem  nach  Osten  zu  zwischen  stets  massiv  gewesenen 
Wänden  ein  ebenfalls  mit  2  derartigen  Gewölben  überdeckter  Raum  sich  an- 
schließt. 

Der  große  Raum  ilürfte  als  Kapitelsaal  anzusprechen  sein,  der  nach  außen  zu 

3  jetzt  größtenteils  vermauerte  Spitzbogenfenster  von  1,25  m  Außenmaß  besaß, 
während  der  kleinere  vielleicht  ein  Querflur  gewesen  ist,  in  dem  man  noch  eine 
Türöffnung  von  1.05  lu  i.  I  .  eikeiineii  kann. 


Pien/Iau 


—    100    - 

In  dem  übrigen  Gebäudeteil  kann  man  nach  Entfernung  aller  nachträglichen 
Zwischenwände  aus  der  Achsenteilung  und  den  verschiedenen  Maßen  der 
meist  zugesetzten,  aber  in  den  Umrissen  noch  feststellbaren  Fenster  sowie  den  im 
Innern  erhalten  gebliebenen  starken  Quermauern  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit 
auf  einen  größeren  Raum  mit  4  weiten  Fenstern  von  etwa  2,30  m  Außen- 
maß schließen,  an  den  sich  dann  ein  etwas  kleinerer  mit  2  Fenstern  schloß,  die 
aber,  abweichend  von  allen  vorhergenannten  Öffnungen,  statt  Spitzbögen  oben 
Segmentbögen  besitzen.  Ein  quadratischer  Raum  in  der  Südostecke  endlich  hatte 
nach  Osten  und  nach  Süden  zu  wieder  je  2  kleinere  Spitzbogenfenster  von  1,55  m 
Außenmaß.  Die  äußere  Kreuzgangswand  des  Ostgebäudes  setzt  sich  nicht  (mehr?) 
durch  das  Südgebäude  hin  fort,  in  dem  überdies  wegen  Putzüberzuges  der  Außen- 
seite und  wegen  zahlreicher  Umänderungen  im  Innern  der  Versuch  einer  Raum- 
bestimmung nach  obiger  Art  versagt.  Nur  hin  und  wieder  kann  man  im  Ober- 
geschoß Spuren  kleinerer  Fenster  entdecken  (Zellen?).  Eine  Durchfahrt  in  der 
Mitte  stellt  jetzt  die  Verbindung  mit  dem  Hofe  her;  sie  ist  natürlich  zu  der  Mönche 
Zeiten  nicht  vorhanden  gewesen. 

Außergewöhnlich  gut  ist  das  Erdgeschoß  des  Westgebäudes  erhalten.  Durch 
den  Eingang  auf  seiner  Nordseite  gelangt  man  geradezu  in  einen  fast  quadratischen 
Raum,  in  dem  eine  achteckige,  32  cm  starke,  2,55  m  hohe  Mittelsäule  mit  offenbar 
später  durch  oberen  Aufsatz  in  Holz  bereichertem  Kapitell  (Bl.  11,  Abb.  11),  ferner 
Wandkonsolen  ein  schönes  Sterngewölbe  mit  zahlreichen  einfachen  Schlußsteinen 
tragen  (Bl.  8).  Ein  breiteres  Mittelfenster  und  2  schmalere  Seitenfenster  mit  fast 
vollständig  erhaltenem  Maßwerk  aus  reicherem  Pfostenprofil  (Bl.  6,  Abb.  Fl — 2), 
dem  einzigen  noch  in  den  Klostergebäuden  vorhandenen,  erleuchten  den  Raum, 
der  bis  in  die  neuere  Zeit  der  katholischen  Gemeinde  zum  Gottesdienst  überlassen 
war.  Früher  mag  er,  seiner  ringsum  abgeschlossenen  Lage  und  seiner  leichten 
Zugänglichkeit  von  der  Straße  nach  zu  schließen,  als  Sciiulraum  gedient  haben,  der 
bei  den  Dominikanern  nie  zu  fehlen  pflegte. 

Links  von  dem  erwähnten  Eingangsflui-,  lier  früher  ein  einziger  Raum  mit 
3  noch  jetzt  erhaltenen  Gewölben  war,  gelangte  man  durch  eine  einfach  profilierte 
Spitzbogentür  (Bl.  10)  in  den  Kreuzgang,  Ging  man  diesen  nach  Süden  zu  entlang, 
so  kam  man  im  6,  freien  Joche  rechts  durch  eine  Tür  in  einen  Raum,  der  heute  als 
Küche  dient.  Zwischen  ihm  und  obiger  Kapelle  befindet  sich  eine  rechteckige 
Kammer,  mit  2  einfachen  Kreuzgewölben  überdeckt,  die  überhaupt  keine  Wand- 
bögen und  keine  profilierten  Gurte  und  Rippen  besitzen,  sondern  rechteckig  nach 
unten  vorspringende  Gurt-  und  Rippenverstärkungen  von  20  30  cm,  denen  eine 
kleine  Platte  von  15X1  cm  vorgelegt  ist.  Diese  einfache,  nur  bei  Kellern  übliche  Aus- 
bildung läßt  uns  hier  eine  Vorratskammer  für  die  nebenliegende  Küche  vermuten; 
zudem  bezeugen  im  Äußeren  3  Segmentbogenfenster  den  Zusammenhang  (Bl.  7). 

Wie  diese  beiden  letzten  Räume  heute  noch  ihrer  ursprünglichen  Benutzung 
dienen,  so  auch  der  nach  Süden  zu  sich  anschließende,  das  alte  Refektorium.  Eine 
Durchgabeöffnung  vermittelt  jetzt  wie  damals  die  Verbindung  zwischen  der  Küche 
und  diesem  Speiseraum,  Der  Eingang  dazu  ist  dort,  wo  der  südliche  Kreuzgangs- 
leil  gegen  das  Westgebäude  stößt.  Das  gut  erhaltene  Refektorium  (Bl.  9)  ist  zwei- 
schiffig,  wie  die  größeren  Räume  in  den  Klausurgebäuden  meist.  Eine  runde 
Säule  in  der  Mitte  und  2  achteckige  an  den  Seiten  von  2,05  m  Höhe  bis  zur  Ober- 
kante des  Kapitells,  die  in  der  Längsachse  stehen,  tragen  nebst  den  zugehörigen  erker- 
artigen Wandkonsolen  4','  2  fast  quadratische  Rippenkreuzgewölbe  mit  schönen  Schluß- 
steinen in  4,10  m  Höhe  (Bl.  11,  Abb.  12—19).  Die  geringe  Stärke  der  Stützen 
von  nur  29  cm  läßt  wieder  Sandstein  als  Material  annehmen.  Die  achtkantigen 
Kapitelle  (Bl.  11,  Abb.  9 — 10)  sind  mit  strengen,  senkrecht  stehenden  bezw.  hän- 
genden, fast  schon  archaischen  Blättern  belegt,  die  beiden  äußeren  gleich- 
gestaltet. Basen  sind  leider  nicht  sichtbar,  wohl  durch  nachträgliche  Fußboden- 
erhöhung verdeckt  oder  gar  bei  der  Gelegenheit  entfernt.  Rippen,  Bogenform  usw. 
sind  wie  die  früheren.  Der  ganze  Raum  mit  seinen  3  außen  fast  2  m  breiten 
Fenstern  macht  einen  sehr  weiten,  freien  Eindruck, 

Die  Fensterformen  des  Obergeschosses  auf  dieser  Seite  sind  natürlich  neu. 
Das  Hauptgesims  sowie  die  Firstlinie  an  diesen  die  Klausur  umschließenden  Ge- 
bäuden liegt  überall  in  gleicher  Höhe;  Giebel  sind  wenigstens  derzeit  nicht  mehr 
vorhanden,  die  Dächer  mit  der  ausgebildeten  Pfettenkonstruktion  sind  leicht 
als  neuzeitlich  erkennbar.  Höchstens  am  Anschluß  des  Ostgebäudes  an  die  Chor- 
wand, dort,  wo  heute  der  Zugang  zum  Kirchendach  sich  befindet,  könnte  man  in 
ein  paar  binderlosen  Gespärren  die  Reste  einer  mittelalterlichen  Konstruktion  ent- 
decken. Doch  verbürgen  auch  hier  wie  am  Westgebäude  verschiedenartig  laufende 
Kalkleisten,  daß  die  ursprüngliche  Dachausbildung  nicht  mehr  vorhanden  ist. 


-     101 


PQMINIKANERKL05TERINPR|NZ1-AU 


-    103   — 

Es  bleibt  nun  noch  ein  üebäudeflügel  zu  betrachten,  der  sich  an  das  südliche 
Klausurgebäude  nach  Westen  zu  anschließt:  Er  ist  bereits  seit  sehr  langer  Zeit  zur 
Wohnung  des  Pfarrers  umgebaut,  und  so  ist  denn  innen  keine  noch  so  geringe 
Spur  mehr  auffindbar,  die  auf  den  früheren  Zustand  schließen  ließe.  Auch  hier 
hatte  der  First  die  Höhe  wie  bei  den  Klausurgebäuden.  Ein  Stück  Dach  am  West- 
giebcl  von  etwa  ':•  m  I3reite  ist  noch  alt,  das  andre  heute  flacher.  Außen  läßt  die 
\\'estansicht  in  ihrer  Grundform  noch  die  alte  Gestalt  erkennen,  wenn  man  sich  alle 
nachträglichen  Fensterdurchbrüche  fortdenkt  (Bl.  7).  Wir  finden  im  Giebelfelde  auf 
gleicher  Grundlinie  t  glcichbreite,  mit  der  Dachneigung  ansteigende  geputzte  Spitz- 
bogenblenden, die  mittlere  nicht  genau  in  der  Gebäudeachse;  darunter  nahmen 
3  jetzt  vermauerte  hohe  Spitzbogenfenster  von  1,42  m  i.L.  mit  stärker  geschmiegten 
Leibungen  die  ganze  Breite  ein;  sie  sind  als  ehedem  auch  auf  der  Südseite  befindlich 
noch  'deutlich  zu  erkennen;  wegen  gleicher  Achsenteilung  darf  man  sie 
auch  für  die  Nordseite  annehmen.  Unten  ist  ein  Feldsteinsockel  von 
70  cm  Höhe  erhalten.  Da  die  Fenster  durch  beide  jetzt  vorhandenen  Geschosse 
gehen,  muß  das  Ganze  früher  wohl  ein  einziger  großer  Raum  gewesen  sein,  viel- 
leicht eine  Kapelle.  Daß  Gewölbe  vorhanden  waren,  vielleicht  gemäß  der  Achsen- 
teilung am  Giebel  3  Schiffe,  ist  nicht  unwahrscheinlich,  aber  nicht  nachweisbar, 
weil  nur  an  der  Nordwestecke  ein  absatzloser  Strebepfeiler  mit  reicherem  Kopf  sich 
befindet.  Im  Keller  sind  noch  die  alten  Gewölbe  erhalten,  nach  üblicher  Art  mit 
einem  kurzen,  90  cm  starken,  im  Querschnitt  quadratischen  Mittelpfeiler,  auf  den  sich 
die  rechteckigen,  nach  unten  vorragenden  Verstärkungsbögen  stützen,  während  sie 
gegen  die  Wände  aufschneiden  (Bl.  7).  Erhalten  sind  heute  noch  die  4  hier  dar- 
gestellten Joche,  die  aber  früher  mit  weiten,  teilweise  gleichfalls  noch  erhaltenen 
Kellereien  unter  dem  ganzen  Südgebäude  in  Verbindung  gestanden  zu  haben 
scheinen.  Nach  Seckts  Angaben  soll  im  18.  Jahrhundert  bei  der  Reparatur  des  Pfarr- 
hauses ein  unterirdischer  gewölbter  Gang  entdeckt  worden  sein,  der  aber  nicht 
weiter  untersucht  wurde'). 

Somit  gibt  uns  das  Prenzlauer  Dominikanerkloster  noch  em  sehr  gutes  Bild 
von  Raumanordnung,  Zugänglichkeit,  Aufbau  und  z.  T.  auch  ehemaliger  Benutzungs- 
art dieser  Anlage,  wenngleich  uns  von  alten  Wirtschaftsgebäuden  nichts  erhalten 
geblieben  ist.  Nur  die  Petzoldsche  Abbildung  aus  dem  Anfang  des  18.  Jahrhunderts 
zeigt  noch  ein  von  Norden  nach  Süden  laufendes  größeres  Gebäude  mit  Staffel- 
giebel und  Putzblenden  nach  .\rt  des  westlichen  Kirchengiebels,  das  etwa  auf  der 
Stelle  der  heutigen  Schule  gestanden  haben  könnte;  doch  ist  seine  Bestimmung 
durch  nichts  festzustellen. 

Auch  die  Klostergebäude  scheinen  innerhalb  nicht  allzulanger  Zeit  erbaut 
zu  sein.  Nur  aus  der  Hofansicht  noch  kann  man  wegen  der  schmalen  Fenster  mit 
geradem  Sturz  im  Obergeschoß  des  Kreuzgangs  im  Gegensatz  zu  den  im  Süd- 
und  Westgebäude  vorhandenen  oder  doch  noch  erkennbaren  schließen,  daß  diese 
beiden  Bauteile  zu  verschiedenen  Zeiten  entstanden  sind.  Die  Gleichheit  der  sonst 
erhaltenen  Bauformen  und  Einzelheiten  sowie  des  Steinformates  legt  die  Ver- 
mutung nahe,  daß  das  Ostgebäude  wie  üblich  zugleich  mit  dem  Chor  und  den 
3  Ostjochen  des  Langhauses  errichtet  sei,  also  am  Anfang  des  14.  Jahrhunderts. 
Das  Südgebäude,  in  dem  außer  dem  Kreuzgang  und  obigen  Fensterformen  leider 
alles  verschwunden  ist,  was  eine  Datierung  durch  Vergleich  mit  den  Flügel- 
bauten ermöglichen  könnte,  und  ferner  das  Westgebäude  mit  seiner  reicheren  Ge- 
wölbeblldung  und  seiner  reiferen  Maßwerkentwicklung  im  Schulraum  könnten 
der  2.  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  zugeschrieben  werden,  in  dem  wohl  auch  das 
6.  Langhausjoch  entstanden  ist.  Das  Fehlen  besonderer  Strebepfeiler  in  der  Süd- 
west- und  der  Südostecke  des  Langhauses  scheint  solche  .■Xnnalime  zu  bestätigen, 
umsomehr,  als  die  von  Anfang  an  vorhandene  Wandtreppe  in  der  Chormauer  nur 
als  Verbindung  mit  dem  Obergeschoß  einen  Zweck  hatte. 

Die  vor  die  Ostflucht  vorspringende  Sakristei  erscheint  ein  wenig  jünger 
als  der  Chor,  wie  aus  den  alten  Anfallsspuren  des  Ostgebäudedaches  und  aus  ihrem 
verbandlosen  Anschluß  an  seine  Mauer  entnommen  werden  kann,  wenn  man  nicht 
hier  wie  auch  am  Nordgiebel  des  Westgebäudes  eine  an  solchen  Stellen  meist 
anzutreffende  AnschlulUuge  damit  erklären  will,  daß  zuerst  das  Kirchengebäude  für 
sich  errichtet  wurde,  an  das  sich  dann  die  nur  halb  so  hohen  Klostergebäude  ein- 
fach anlehnten. 

Das  jetzige  Pfarrhaus  zu  datieren,  ist  wegen  Fehlens  jeglicher  Einzelheiten 
nicht  möglich.  Wenn  Seckt  es  noch  für  einen  Bau  aus  dem  Anfang  des  13.  Jahr- 
hunderts hält,   las^ien   sich    doch   Gründe    weder    dafür    noch    dagegen   anführen. 

')  Seckt  1,  S.  55. 


Prenzlau 


—    104 


3.  Teil:    Die  Altertümer. 


Den  mehrfachen  Ausbesserungen  der  Kirche  fielen  alle  alten  Stücke  ihrer 
ehemaligen  Einrichtung  zum  Opfer.  Der  1343  geweihte  Altar  von  grober  Arbeit 
war  nach  Fidicin*)  noch  im  18.  Jahrhundert  vorhanden,  während  nach  Seckt  und 
Bergan-)  schon  1600  Reste  eines  gotischen  Flügelaltars  zu  dem  jetzigen  großen 
Renaissancealtar  mitverwandt  sein  sollen,  wobei  alte  Reliquienknochen  nebst  einem 
Zettel,  auf  dem  ihre  frühere  Bestimmung  angegeben  war,  wieder  hineingelegt 
wurden.  Wir  finden  zwar  noch  jetzt  in  Holzschnitzwerk  Darstellungen  der  Geburt, 
Kreuzigung  und  1  limmelfahrt  Christi ;  aber  der  Umstand,  daß  auf  dem  Kreuzigungs- 
bilde römische  Kriegsknechte  mit  französischen  Karten  um  Christi  Gewand  spielen, 
scheint  auf  die  Zeit  der  Entstehung  erst  im  17.  Jahrhundert  hinzudeuten.  Charak- 
teristisch ist  die  Auffassung,  daß  die  Seele  des  reuigen  Sünders  als  Engelsgestalt 
von  Engeln  fortgeleitet,  die  des  verstockten  Sünders  als  Ungeheuer  von  Teufeln 
fortgezerrt  wird.     1874  wurde  auch  dieser  Altar  ausgebessert. 

Im  übrigen  erwähnt  Bergan  noch  2  große  gotische  Altarleuchter,  einen  alten 
silbernen  Kelch  von  15Q8  und  5  große  Bronzekronleuchter  aus  der  Renaissancezeit. 

Alte  Epitaphien,  die  uns  aus  früher  Zeit  Kunde  geben  könnten  von  denen, 
die  hier  ihre  letzte  Ruhestätte  gefunden,  haben  sich  nicht  erhalten.  Wir  hatten 
schon  oben  festgestellt,  daß  die  markgräflichen  Gründer  oder  Stifter  dieses  Klosters 
hier  nicht  bestattet  worden  sind,  wie  seit  Angelus-')  von  der  Markgräfin  Hedwig  öfters 
behauptet  wurde.  Die  erste  sichere  Nachricht  von  Beisetzung  im  Chor  liefert  uns  die 
südliche  Wandinschrift,  nach  der  ein  Präfekt  Hermann  Jagow  zum  Dank  für  seine 
Wohltaten  gegen  das  Kloster  unter  einer  zu  seinem  Gedächtnis  ewig  brennenden 
Lampe  1396  daselbst  begraben  wurde;  und  auch  die  zweite  uns  urkundlich 
wenigstens  als  versprochen  überlieferte  Aufnahme  in  den  geweihten  Boden  der 
Kirche  kam  einem  Wohltäter  der  Mönche  zugute,  dem  oben  erwähnten  Priester 
AAathias  Schapow  in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts.  Nach  andern  Stifts- 
und Klosterkirchen  zu  urteilen,  werden  diese  beiden  nicht  die  einzigen  gewesen 
sein.  Wie  aber  die  Messe  für  das  Seelenheil  des  Jagow  trotz  des  „non  debet 
deficere"  längst  aufgehört  hat,  wie  die  „ewige"  Lampe  längst  verloschen  ist,  so 
sind  auch  die  Namen  derjenigen  der  Vergessenheit  anheimgefallen,  die  da  unten 
im  Kirchengrunde  den  letzten  Schlaf  halten. 


M  Fidicin,  Territor,  IV,  S.  0. 

•-')  Seckt  I,  S.  53/4;   Bergau,  S.  613. 

3)  Engel,  Annal   11,  S.  110. 


lO'S 


DOMINIKANERKLOSTERIN-PRENZL^U 


KREUZ&ANOSAK  RISTE 

10        20        30        40      50 

[iiiiliinl  I  I  I 


rcwTiiulFTPR  PORTAL'AM-       ECK- 

CENTIMETER  ^estoiebEL   PFEILER 


AUFG-EN.UNDOEZ    t4y/  fu^  •^<f44JTt^M'i</(cr' 


AM 


CHOR    5CHIFTSPFEILER 


107  — 


Kapitel  5.    Soldin. 

1.  Teil:   Die  (leschichte. 


Fig.  12.    Westseite  des  ehemaligen  Soldiner  Doiiiinikanerl<lnsters. 


Aufgen.  IMH 


Während  uns  bisher  stets  einige  Inschriften  oder  Url<unden  über  die  Gründun» 
und  die  ersten  Jahre  der  Klöster  wenn  auch  zum  Teil  spärliche  Auskunft  gaben, 
sind  wir  in  Soldin  nur  auf  gelegentliche  Minweise  unbestimmtester  Art  beschränkt. 
Zwar  soll  auch  hier  ehedem  an  der  Kirchenwand  eine  Inschrift  gestanden  haben, 
in  der  von  dem  „ordo  mendicantium  vel  Dominicanorum"  die  Rede  war'),  wahr- 
scheinlich im  Zusammenhang  mit  geschichtlichen  Daten  dieses  Baues;  doch  inul5 
sie  schon  im  18.  Jahrhundert  verschwunden  gewesen  sein,  wenn  Mensel  die  Er- 
bauung der  ganzen  Anlage  in  der  damals  doch  noch  heidnischen  und  un- 
eroberten  Gegend  so  unwahrscheinlich  früh  in  das  Jahr  1227  setzen  konnte,  in 
die  Zeit  des  Markgrafen  Albrecht  II.,  der  noch  dazu  nur  bis  1220  gelebt  hat.  Die 
Aufnahme  des  Klosters  erfolgte  jedenfalls  erst  1275,  und  nach  den  früheren  Aus- 
führungen werden  die  Mönche  nur  wenige  Jahre  zuvor  in  dem  Ort  eingetroffen  sein, 
der  erst  12(12  Stadtrecht  erhielt-). 

')  Reinhoki,  S.  21/2. 
')  Wedekind,  S.  68. 


Gründungs- 
geschichte. 


Sold  in 


—    108   — 

Wenn  nun  in  einer  Uri<unde  von  1289')  bei  Grenzstreitigkeiten  zwischen  den 
Dominil<anern  zu  Kammin  und  Soldin  diese  Grenzen  als  i.  J.  1252  zwischen  Heu 
Mönchen  zu  Kammin  und  Strausberg  festgesetzt  bezeichnet  werden  (terminos  .  . 
secundum  limitacionem  factam  inter  eos  [Camin.]  et  Struthbergenses),  muß  man 
wohl  schließen,  daß  vor  1252  in  Soldin  noch  keine  Dominikaner  waren;  weiter 
ist  es  nicht  ganz  unwahrscheinlich,  daß  sie  von  Strausberg  aus  dorthin  ge- 
kommen sind.  Vermutlich  fanden  sie  zunächst,  ähnlich  wie  in  Seehausen,  an 
irgend  einer  andern  Stelle  Unterkunft,  ehe  sie  sich  an  die  Erbauung  ihres  eigenen 
Heims  machten,  weil  hei  der  Verleihung  von  Zoll-  und  Zinshebungen  an  die  Stadt  durch 
die  Markgrafen  im  Jahre  1281-')  von  einem  ehemaligen  Hof  der  Mönche  gesprochen 
wird,  der  nebst  den  anliegenden  Grundstücken  abgabenfrei  bleiben  soll  ( . . .  censu 
excepto,  qui  prouenerit  de  ortis  adiacentibus  curie  et  de  Curia,  que  fuerat 
monachorum).  Von  wem  sie  diese  Grundstücke  in  der  Stadt  bekamen,  ist  nicht 
bekannt.  Wahrscheinlich  hat  aber  auch  hier,  wie  überall  vorher,  der  Landesherr 
tätigen  Anteil  an  der  Stiftung  genommen,  zumal  er  1298  bei  Gründung  des 
Kollegiatstiftes  Soldin  den  dortigen  Predigermönchen  die  bereits  früher  von  ihm 
verliehene  Holzgerechtigkeit  bestätigt  (donamus  liberam  facultatem  ligna  secandi 
et  sumendi . . .  pro  edificiis  et  aliis  suis  usibus,  quia  eandem  gratiam  a  nobis  ante 
fundationem  ecclesie  (des  Domes)  habuerunt)^). 

Die  weit  nach  Osten  vorgeschobene  Lage  des  Ortes  führte  bereits  1281  auf 
dem  Generalkapitel  zu  Florenz,  desgleichen  im  folgenden  Jahre  zu  Wien  den  Be- 
schluß herbei.  Soldin  an  Polen  abzugeben,  „cum  ...  in  provincia  Polonie  esse 
dicatur""),  und  dafür  Greifswald,  Pasewalk  und  Kammin  an  die  Teutonia  über- 
gehen zu  lassen;  doch  unterblieb  die  endgültige  Bestätigung  1283  zu  Montpellier. 

S  2.  Besitz-  Auffallend  früh   erwarben   die   Soldiner   Mönche  Grundbesitz.     Nach   Hensel 

Verhältnisse.  gehörte  dem  Kloster  schon  im  13,  (?)  Jahrhundert  ein  Vorwerk  in  Woltersdorf 
als  Freigut;  es  wurde  aber  später  freiwillig  an  den  neumärkischen  Statthalter 
abgetreten,  der  es  1459  dem  Magistrat  schenkte-')-  Zuverlässiger  ist  eine  Urkunde 
von  1326"),  nach  der  der  Soldiner  Rat  den  Brüdern  einen  dem  Kloster  gegen- 
über auf  dessen  Nordseite  liegenden  Platz  (area)  von  7  Ruten  Länge  und 
4'l.  Ruten  Breite  für  alle  Zeiten  erblich  zueignete  mit  der  Erlaubnis,  daß  sie  dort 
1  oder  2  Häuser  nach  ihrem  Belieben  bauen  könnten;  dabei  sollten,  un- 
abhängig von  der  Bebauung,  an  der  ganzen  Stelle  nur  die  Pflichten  eines  Bürger- 
hauses haften.  Die  Mönche  hatten  somit  wohl  eine  ständige  Einnahmequelle,  da 
Teilbefreiung  von  den  bürgerlichen  Pflichten  die  zu  erbauenden  Häuser  be- 
gehrenswert machen  mußte. 

Von  andern  Einkünften  ist  uns  nichts  weiter  urkundlich  überliefert,  als  dai5 
man  aus  der  Aufnahme  der  Soldiner  Fischer  in  die  Gemeinschaft  der  geistlichen 
Verdienste  aller  Dominikanerklöster  der  Nation  Brandenburg  im  Jahre  1504') 
wieder  auf  besondere  Zuwendungen  seitens  dieser  Gilde  sowohl  bei  Ausstellung 
der  L'rkunde  als  auch  bei  den  einzelnen  Andachtsübungen  für  ihre  Verstorbenen 
schließen  muß. 
^5  3/4.  In   vorreformatorischer  Zeit  finden  wir  die  Klostergebäude  nur  zweimal  er- 

Reformations-      wähnt:    zuerst,  als  1434  die  Hussiten  Soldin  einnahmen,  die  Stadt  anzündeten  und 
und  Neuzeit.       neben  andern  Gotteshäusern   auch   die  Klosterkirche    nebst   den    anstoßenden  Ge- 
bäuden verwüsteten").     Sodann  wird  vom  Jahre  1470")  berichtet,  daß  Ritterschaft 
und  Städte  der  Neumark  im  Kloster    ein  Schutz-    und    Trutzbündnis    geschlossen 
hätten. 

Die  Wiederherstellung  der  Ruinen  muß  aber  bald  begonnen  haben,  da  der  Hoch- 
meister des  Deutschritter-Ordens  1437'")  dem  Prior  Johann  Brussow  und  einem 
Mönche  aus  Soldin  die  Genehmigung  zu  einer  Kollekte  erteilt  für  Wiederaufbau 
des  Klosters  und  Wiederanschaffung  von  Büchern,  kirchlichen  Gefäßen  und  Glocken. 
Als  dann  zur  Reformationszeit  die  Stadt  öfters  von  Feuersbrünsten  heim- 
gesucht und  1530  und  1539  sogar  „sampt  der  Kirchen  vnd  dem  Rathause  im  gründe 


')  Riedel  A  18,  S.  441/2. 

-')  Riedel  A  18,  S.  441. 

3)  Riedel  A  18,  S.  443. 

•*)  Acta  capit.  gener.  .  .  Vol.  I,  S.  211  u.  21(i. 

5)  Reinhold,  S.  22  u.  56. 

")  Riedel  A  18,  S.  446. 

')  Riedel  A  18,  S.  505. 

8)  Reinhold,  S.  54. 

9)  Reintiold,  S.  61. 

'")  V.  NiesscMi,  Rcpert.,  S.  148,  Nn,  867. 


—    109   — 

abe"  brannte  und  das  Kloster  allfin  stehen  blieb'),  wurde  der  Gottesdienst  i  Jahre 
lani;  nur  in  seiner  Kirche  ab^ielialten,  bis  der  Dom  1585 — 92  vviedererbaut 
worden  war. 

Damit  begann  auch  der  \erfall  der  Gebäude.  Zum  .Aufbau  des  Turmes 
wurden  viele  Steine  „von  der  Klosterkirche  und  deren  Mauer"  abgebrochen-').  Was 
übrig  blieb,  wurde  im  Dreiliigjährigen  Kriege  von  Kaiserlichen  und  Schweden  1630  31 
weiter  verwüstet,  in  der  Kirche  alles  zerschlagen'').  1635  fiel  dann  das  Gebälk  auf 
3  Gewölben  ein,  vermutlich  den  östlichen"),  und  so  ist  denn  bei  .Werian  (Titelbild) 
um  1650  ein  östliches  Klausurgebäude  schon  nicht  mehr  vorhanden,  und  auch  der 
Chor  fehlt  bereits.  Erneuter  Brandschaden  der  Pfarrkirche  im  Jahre  1655  ver- 
anlaßte  beim  Wiederaufbau  1687  den  Abbruch  und  Verkauf  von  „vielen  .Mauern 
des  alten  Klostergebäudes,  welches  an  der  Klosterkirche  angebaut  gewesen"'');  und 
als  1733  die  Mauern  der  Stadt  zum  Teil  sehr  eingefallen  waren,  ist  zu  ihrer  Aus- 
besserung, „damit  es  nicht  an  Steinen  fehlen  durfte,  ein  altes  Klostergebäude,  welches 
an  der  Schule  (also  wohl  im  Süden)  gestanden,  demolirt  worden". 

Somit  waren  nur  noch  das  Westgebäude  und  die  bereits  bei  Petzold  1715  mit 
halbzerfallenem  Dach  dargestellte  Kirche  vorhanden.  Diese  wurde  1733  auf  Ver- 
mittlung des  Markgrafen  Karl  den  Reformierten  eingeräumt,  die  von  1723  an  bis 
dahin  ihren  Gottesdienst  im  Rathaus  abgehalten  hatten.  Kollekte  und  königliche 
Hilfe  unterstützten  den  gänzlichen  Ausbau  der  Ruine  in  den  Jahren  1734 — 36"). 
Das  VC'estgebäude  aber  wurde,  wenn  nicht  schon  früher,  bestimmt  im  IS.  Jahr- 
hundert als  Stadtschule  verwandt.  1809')  hatte  es  in  ähnlicher  Benutzungsart  wie 
heute  (unten?)  3  Klassen,  während  es  vermutlich  oben  zu  Lehrerwohnungen  diente. 

Bei  obiger  Umgestaltung  der  Kirche  zu  Zwecken  der  reformierten  Gemeinde 
ging  leider  der  Eindruck  eines  gotischen  Baues  völlig  verloren;  die  Gewölbe,  das 
Maßwerk  verschwanden,  die  Kirchenwände  wurden  niedriger,  die  übrigbleibenden 
Fensteröffnungen  rundbogig  geschlossen,  die  Öffnungen  am  Westgiebel  und  das 
Hauptportal  vermauert.  Seitdem  gar  noch  1782^)  der  östliche,  übrig  gebliebene 
Kirchenteil  auf  königliche  Verordnung  zu  .Montierungskammern  eingeräumt  werden 
mußte  (wohl  die  letzten  beiden  Joche,  die  heute  noch  als  Speicher  dienen);  seitdem 
1813")  hier  ein  Lazarett  eingerichtet  und  Öfen  aufgestellt  worden  waren,  ist  der  ehe- 
malige Kirchenraum  aufs  äußerste  entstellt,  und  fast  könnte  man  Adler  recht  geben, 
wenn  er  sagt,  die  Kirche  sei  verschwunden. 


')  Engel,  Annal.  111,  S. '530. 

'-)  Reinhold,  S.  237. 

3)  Reinhold,  S.  105. 

')  Reinhold,  S.  160. 

5)  Reinhold,  S.  241. 

")  Reinhold,  S.  242/3. 

')  Bratring,  Stat.-top.  Beschr.  d.  .Mark  III,  S.  120. 

s)  Reinhold,  S.  1S3. 

')  Reinhold,  S.  192. 


Soldin 


—    110 


2.  Teil :  Die  Baulichkeiten. 

(Blatt  12  und  18) 


S  1.    Kirche  Wir  hatten  gesehen,  daß  nur  noch   ein  Teil   der  Kirche   und   das    westliche 

Kiausurgebäude  erhalten  geblieben  sind.  Man  kann  sich  daraus  sowie  aus  den 
Merianschen  und  Petzoldschen  Abbildungen  im  Zusammenhange  mit  der  Geschichte 
des  Baues  nur  noch  folgendes  Bild  von  der  ganzen  Anlage  machen : 

Das  Kloster  lag  wieder  am  Rande  der  Stadt,  in  nächster  Nähe  der  Stadtmauer, 
und  zwar  findet  sich  die  Kirche  wieder  am  weitesten  von  dieser  entfernt,  nach 
Norden  zu  und  etwa  ()"  gegen  Norden  hin  abweichend  orientiert.  Sie  ist  aus- 
nahmsweise keine  1  lallenkirche  gewesen,  wie  es  Adler  angibt,  sondern  ein  einschiffiger 
Saalbau  von  9,72  m  Breite  und  etwa  61 — 62  m  Länge,  von  denen  aber  nur  noch  42  m 
vorhanden  sind.  Die  Fundamentreste  des  ehemaligen  Chorschlusses  fand  man  bei 
Anlage  einer  Wasserleitung  noch  vor  einigen  Jahren  etwa  19  m  vom  heutigen  Ost- 
giebel entfernt  im  Boden  stecken.  Jede  Seitenwand  ist  1,05  m  dick,  die  Westgiebel- 
wand wieder  stärker  ^  1,31  m.  Stufen  zum  ehemaligen  Priesterchor  hinauf  sind 
nicht  mehr  vorhanden. 

Der  ganze  Kirchenraum  ist,  nach  Fenstern  und  Strebepfeilern  zu  schließen, 
in  seiner  jetzigen  Länge  in  7  Joche  geteilt  gewesen,  dieselbe  Zahl,  die  sich  nach 
Merlan  und  Petzold  ergibt.  Für  das  zerstörte  letzte  Chorende  werden,  wenn  man 
glatten  Chorschluß  annehmen  will,  noch  3  Joche  hinzuzurechnen  sein.  Der 
Soldinsche  Plan  der  Klosterkirche  von  etwa  1734')  zeigt  zwar  8  Joche  und  einen 
Chorschluß  5/8  mit  Strebepfeilern,  doch  ist  daraus  nicht  festzustellen,  ob  dieser 
Chorscliluß  neu  entworfen  oder  noch  der  ursprüngliche  ist.  Der  dort  offenbar  ge- 
plante Abputz  des  Gebäudes  unter  Hinzufügung  von  Fensterumrahmungen  jeden- 
falls ist  nicht  ausgeführt  worden.  Von  der  ehemaligen  Wölbung  sind  nur 
an  der  Westgiebelwand  geringe  Spuren  der  Vernichtung  entgangen,  weil  das  erste 
Joch  daselbst  vom  Kirchenraum  abgetrennt  worden  ist,  um  den  bis  zum  Erdboden 
heruntergeführten  Fachwerkturm  aus  dem  18.  Jahrhundert  aufnehmen  zu  können. 
Wir  finden  dort  in  den  beiden  Ecken  noch  2  runde  Wanddienste  von  14  cm  Durch- 
messer auf  einem  Gurtgesims  stehen  (Bl.  18,  Abb.  S  12),  das  sich  etwa  3' 4  m  über 
dem  jetzigen  Kirchenfuliboden  ringsum  hinzieht.  Rund  6  m  darüber  ist  noch  eine 
kelchförmige,  mit  roten  Blättern  auf  weil31ichem  Grunde  bemalte  Dienstkonsole  er- 
halten (vergl.  kleines  Nordportal  in  Ruppin!),  von  der  2  einfache  Wandbögen  und 
eine  diagonal  verlaufende  gekehlte  Birnstabrippe  ausgingen  (Bl,  18,  Abb.  S  3  u. 
S  10).  Man  kann  aus  diesen  kümmerlichen  Resten  immerhin  wohl  schließen,  daß 
die  Kirche  in  ähnlicher  Weise  mit  Kreuzrippengewölben  auf  runden  Wanddiensten 
überdeckt  gewesen  sei. 

Das  Kaffgesims  wird  sich  vermutlich  innen  um  die  ganze  Kirche  hingezogen 
haben.  Darauf  erhoben  sich  die  Fenster,  von  denen  heute  nur  noch  der  untere  Teil 
der  Öffnungen  erhalten  ist.  Etwa  das  ot>ere  Drittel  mit  jedenfalls  anzunehmendem 
Maßwerk  im  Spitzbogenfelde  ist  gleich  den  ganzen  oberen  Kirchenwänden  über- 
haupt nicht  mehr  vorhanden.  Am  Westgiebel  war  früher  nur  das  große,  2,10  m 
1.  1  .  breite  Mittelfenster  mit  seinen  geschmiegten  Leibungen  durchgebrochen,  während 

')  Grundriss  .    .  von  der  Soldinsclien  .  .  .  Kirche  .... 


-    113    - 

die  reclitwinklig  in  die  Wand  einschneidenden  Rundblenden  von  etwa  2,00  m  Durch- 
messer und  die^UOO  m  i.  L.  breiten  Spitzbogenblenden  daselbst  wohl  stets  geschlossen 
waren.  Letztere  zeigen  nämlich  auf  der  Innenseite  noch  heute  Spuren  mittelalter- 
licher Bemalung.  Im  Spitzbogenfelde  der  nördlichen  Nische  befindet  sich  ein  auf 
weißlichem  Grunde  rot  gemaltes  und  grün  umrandetes,  aber  schlecht  gezeichnetes 
zweiteiliges  Maßwerkmuster  mit  Nasen,  während  in  der  südlichen  oben  Spuren  eines 
roten,  scliwarz  umrandeten  Kreises  von  etwa  40  cm  Durchmesser  anzutreffen  sind, 
unter  dem  sich  ein  rahmenartiges  Rechteck  anschließt,  ebenfalls  rot  gemalt,  aber 
hlau  umrandet.  In  seiner  Füllung  durchranken  sich  Linien  wie  Zweige,  und  an 
diesen  sitzen  zahlreiche  rote  Blüten,  nach  gotischer  Art  aus  mehreren  um  eine  Mitte 
gruppierten  Punkten  gebildet. 

Als  nie  durchgebrochen  werden  ferner  die  Niscnen  auf  den  südlichen  Seiten 
derjenigen  Joche  anzusehen  sein,  gegen  welche  die  beiden  Klostergebäude  stießen. 
Die  Hellte  Öffnung  des  ehemaligen  nördlichen  Fensters  im  2.  Jcch  beträgt  nur 
1,25  m,  die  aller  andern  auf  den  Langseiten  etwa  1,80  m.  Wir  werden  somit  für  das 
eine  schmalere  Fenster  zweiteiliges,  für  alle  andern  dreiteiliges  Maßwerk  voraus- 
setzen können.  Diese  durchweg  schlanken  Fenster  sind  schwach  geschmiegt,  und 
ihre  nicht  profilierten  Leibungen  stoßen  unten  auf  eine  Art  Sockel,  der  durch  recht- 
eckige Grundrißbildung  der  4     Schichten  hohen  Sohlbänke  geschaffen  wird. 

Unterhalb  des  ehemaligen  inneren  Kaffgesimses  sind  im  1.,  4.  und  5.  Joch  rund- 
bcgig  geschlossene,  IK.— 2'i.  m  hohe,  bis  V'^  m  breite,  tiefe  Nischen  vorhanden, 
der'en  Zweck  nicht  mehr  ersichtlich  ist.  Im  3.  Joch  der  Nordseite  liegt  das  erst 
kürzlich  wieder  aufgedeckte  Hauptportal  mit  reicher  Profilierung  und  schönen,  blatt- 
geschmückten Kapitellen  (Bl.  12  u.  18,  Abb.  S  1—2).  Die  Zwischenteilung  der 
großen  Spitzbogenöffnung  ist  neuzeitlich;  ein  Wimperg  fehlt;  statt  dessen  ist  das 
oberste  Bogenprofil  vorspringend  und  mit  Wassernase  gebildet. 

Im  .Äuljcren  wird  die  Wandfläche  außer  von  Fenstern  durch  absatzlose,  oben 
einfach  abgeschrägte  Strebepfeiler  gegliedert,  im  Norden  100  135,  im  Süden 
100  X  100,  an  den  beiden  Ecken  des  Westgiebels  115  ;•,  160  cm  stark.  Sie  standen, 
wie  beim  Hauptportal  noch   ersichtlich,  nebst  den  Umfassungswänden   auf    einem 

1  Schicht  hohen,  schlicht  abgeschrägten  Sockel,  während  die  Fenster  zuvor  auch 
außen  auf  einem  jetzt  abgestemmten  Kaffgesimse  sich  erhoben.  Das  Hauptgesims 
und  somit  Giebel  und  Dach  fehlen  längst.  Während  Merlan  den  (neuen!)  Ost- 
giebel gestaffelt,  den  Westgiebel  als  schmucklose  Fläche  darstellt,  zeigt  uns  Petzold 
mit  seiner  allenthalben  feststellbaren  größeren  Genauigkeit  am  Westgiebel 
nicht  3  Fenster,  sondern  der  Wirklichkeit  entsprechend  1  Mittelfenster  und  daneben 

2  Kreisblenden,  im  Dreieck  darüber  aber  5  Spitzbogenblenden,  mit  der  Dach- 
neigung nach  der  Mitte  zu  ansteigend.  Der  östliche  Teil  ist  auf  seiner  Abbildung 
bereits  arg  zerfallen.  Der  jetzige  Ostabschluß  mit  seinen  3  runden  oberen  Blenden 
ist  nach  alledem  neu. 

Ein  massiver  Turm  ist  nicht  mehr  nachweisbar,  auch  von  einem  doch  be- 
stimmt anzunehmenden  Treppenturm  zum  Dach  ist  keine  Spur  mehr  vorhanden. 
Abgesehen  von  den  Schlüssen,  die  man  aus  der  „\X'ieder"anschaffung  von  Glocken 
nach  dem  Jahre  1437  ziehen  kann,  geht  die  früheste  literarische  Kunde  von  einem 
Glockentürmchen  erst  auf  das  Jahr  1605  zurück'),  in  dem  mit  Hilfe  einer  Stadtkollekte 
ein  neuer  Turm  mit  Spiel  und  Uhr  auf  die  Klosterkirche  gesetzt  wurde.  Es  wird 
der  schlanke  Turm  auf  dem  Westgiebel  sein,  den  uns  Merlans  Bild  aus  der  .Witte 
des  17.  Jahrhunderts  zeigt  (Titelbild),  während  ebenda  ein  kleiner  Dachreiter  etwa 
über  dem  4.  Joch  wohl  aus  älterer  Zeit  stammen  dürfte.  Bei  Petzold  um  1715  ist 
der  Mittelturm  bereits  verschwunden,  der  Frontturni  aber  zeigt  bei  ähnlicher  Linien- 
führung doch  wesentlich  wahrscheinlichere  Breitenabmessungen  als  bei  .Werian. 
1717  stürzte  dieser  Turm  ein-),  Uhr  und  Glocken  fielen  auf  das  Kirchendach  und 
zerschmetterten  dieses  sowie  mehrere  Gewölbe. 

Erst  bei  der  Wiederherstellung  des  Gebäudes  zum  Gottesdienst  für  die  Refor- 
mierten wurde  wieder  ein  neuer  Turm  aufgeführt,  der  aber  schon  1738  von  einem 
starken  Sturm  „etwas  gedrückt  und  gebogen"  wurde,  so  daß  sehr  bald  gröl5crc 
Ausbesserungen  notwendig  waren,  „ohngeachtet  er  kaum  erbauet  und  noch  nicht 
völlig  ausgefacht  war"').     Der  auf  dem  Plan  der  Klosterkirche  von  etwa  1734')  dar- 


>)  Reinhold,  S.  145  und  238. 

-)  Reinhold,  S.  16i. 

3)  Reinhold,  S.  107. 

■')  Grundriss  .  .  .  von  der  Soldinschcn  ....  Kirclu' 


Soldin 


-    114    - 

gestellte,  offenbar  massive  Turm  in  den  seinerzeit  üblichen  Baufornien  sciieuit  dem- 
nach nicht  zur  Ausführung  gekommen  zu  sein;  vielmehr  wurde  wohl  ein  Fachwerk- 
turm errichtet,  dessen  Stumpf  jetzt  noch  vom  Fußboden  des  ersten  Kirchenjoches 
an  sich  erhebt.  1771*)  war  er  jedoch  bereits  so  baufäüig,  daß  nach  großen  Stürmen 
seine  beiden  oberen  Stockwerke  abgetragen  werden  mußten,  weil  ihre  Ausbesserung 
zu  große  Kosten  gemacht  haben  würde.  Nach  einer  alten  Skizze  mi  Rathaus  zu 
Soldin  ist  seine  Grundform  auf  Bl.  12  punktiert  wiedergegeben.  Das  untere  Stück 
wurde  wieder  mit  Dach  versehen  und  der  alte  Knopf  1773  wieder  aufgesetzt.  Die 
durch  die  Verkürzung  bewirkten  hälilichen  Verhältnisse  des  Aufbaues  haben  sich 
bis  heute  erhalten  und  dienen  wahrlich  nicht  zur  Verschönerung  des 
Stadtbildes. 

1;;  2.    Kloster-  An  der  Südwand  der  Kuxhe  gewahrt  man  noch  die  Spuren  der  alten  Gebäude- 

gebäude, anschlüsse.    Wo  heute  die  beiden  letzten  Joche  Rechteckfenster  in  3  Geschossen  über- 

einander aufweisen,  war  zuvor  im  6.  Joch  auch  ein  hohes  Kirchenfenster,  während 
im  7.  das  zweigeschossige  Ostgebäude  mit  seiner  nördlichen  I  lälfte  gegenstieß. 
Welche  Bestimmung  eine  jetzt  vermauerte  Tür  im  6.  Joch  etwa  in  halber  Höhe  der 
jetzigen  Wand  hatte,  ist  ungewiß.  An  der  ganzen  südlichen  Kirchenwand  aber  und 
an  den  Strebepfeilern  erkennt  man  noch  an  kleinen  Absätzen  und  Vorkragungen  in 
Höhe  der  erhaltenen  Kreuzgangsspuren  am  Westgebäude  sowie  an  einem  Putzstreifen 
etwa  in  doppelter  Höhe  davon,  der  sich  an  den  Seitenflächen  der  Strebepfeiler  in 
der  Neigung  etwa  eines  Pultdaches  fortsetzt,  daß  auch  hier  ehemals  ein  zwei- 
geschossiger Bau  sich  befunden  hat.  Die  Kirchenfenster  waren  dann  natürlich  nur 
oberhalb  dieses  Daches  durchbrochen,  während  sie  sich  nach  unten  hin  vielleicht 
nur  innen  als  Nischen  fortgesetzt  haben  dürften. 

Gegen  die  beiden  ersten  Joche  stößt  noch  heute  das  Westgebäude,  nicht  ganz 
so  weit  reichend  wie  die  westliche  Giebelwandflucht.  Hier  liegt  auch  dicht  am 
Kirchengebäude  noch  der  alte,  2,80  m  breite  und  3,80  m  hohe  Zugang  zur  Klausur, 
überdeckt  mit  3  spitzbogigen  Kreuzgewölben  auf  Konsolen  (Bl.  18,  Abb.  S4).  Die 
Schlußsteine  sind  schmucklos,  die  Wandbögen  rechteckig  profiliert,  die  Rippen  und 
Gurte  doppelt  gekehlt  (Bl.  18,  Abb.  S  9  u.  S  13).  Der  Eingang  war  früher  in  ganzer 
Ausdehnung  des  hier  stärker  gebildeten  Wandbogens  geöffnet;  eine  ähnliche  Ver- 
bindung führte  wohl  zu  dem  dahinter  liegenden  Kreuzgang. 

in  der  nordöstlichen  Flurecke  befindet  sich  zur  Linken  eine  Türöffnung,  hinter 
der  man  noch  geringe  Reste  einer  in  der  Wand  liegenden  Treppe  gewahrt,  die  ehe- 
dem vom  Kreuzgangsteil  an  der  südlichen  Kirchenwand  aus,  nach  Westen  zu  an- 
steigend, in  das  Obergeschoß  geführt  hat.  Zur  Rechten  führt  im  3.  Joch  eine 
zweite  Tür  in  einen  mit  Kamin  versehenen  Vorraum,  von  dem  aus  man  durch  eine 
derzeit  vermauerte,  profilierte  Türöffnung  (Bl.  12)  nach  links  hin  in  den  Kreuzgang, 
nach  rechts  in  einen  kleinen  Raum  mit  flacher  Decke  kam,  geradezu  in  einen  größeren 
mit  2  schönen  Sterngewölben;  diese  haben  keine  Rippen,  aber  Schlußsteine  und 
Kappen,  die  trichterförmig  nach  oben  zu  gefaltet  sind  (Bl.  12). 

Daran  schlielit  sich  ein  weiterer  Raum  mit  62  cm  starker  Mittelsäule,  gegen 
welche  die  Rippen  (Bl.  18,  Abb.  S  14)  und  Gurte  von  4  Kreuzgewölben  ohne 
zwischenlicgendes  Kapitellstück  unschön  aufschneiden.  An  der  Westwand  finden 
sich  hier  außen  2  kleine  Strebepfeiler,  während  an  den  beiden  seitlichen  Innen- 
wänden 45  und  <iO  cm  starke,  oben  spitzbogig  zusammengefaßte  Vorlagen  den 
Schub  aufnehmen. 

Beide  Räume  sind  4,15  bezw.  3,05  m  hoch,  ihre  Fensterlöcher  1,70  und  1,50  m 
breit.  Spärliche  Reste  der  verputzten  Außenwand  lassen  darauf  schließen,  daß  sie 
spitzbogig  waren.  Die  Stellung  des  letzten  Strebepfeilers  der  Westwand,  ein  er- 
haltenes Mauerstück  der  Ostwand  sowie  das  gezogene  Kaminrohr  am  jetzigen 
Giebel  und  die  Abbildung  dieses  Gebäudes  bei  Merian  lassen  erkennen,  daß  sich 
ehedem  noch  ein  weiterer  Raum  anschloß. 

Auf  der  Hofseite  scheint  sich  hier  nur  ein  eingeschossiger  Kreuzgang  entlang 
gezogen  zu  haben.  Nachdem  vor  einigen  Jahren  anläßlich  eines  Neubaues  auch 
größere  Fundamentreste  des  Ostgebäudes  aus  teilweise  ■'■;  m  dicken  Granitsteinen 
aufgedeckt  worden  sind,  wobei  vor  allem  die  Jochteilung  des  östlichen  Kreuz- 
gangsteiles festgestellt  werden  konnte,  ergibt  sich  nach  der  auf  Grund  obiger  Aus- 
führungen angefertigten  Rekonstruktion  auf  Bl.  12  ein  Klosterhof  von  etwa 
21,30  m    Länge    und    20,75  m    Breite    mit    8  Jochen    i./L.,     also     von     erheblich 


')  Reiiihokl,  S.  lSü/1. 


-    115   — 

geringeren  Abmessungen,  als  wii  bisher  in  Ruppin  und  ['lenziau  gefunden  hatten. 
In  ähnlicher  Weise  ist  aus  den  vorhandenen  Resten  der  Querschnitt  der  Kirche  er- 
gänzt, wobei  für  die  Gurte  und  Rippen  die  mittleren  Bogenverhältnisse  von  Ruppin, 
Prenzlau  und  Brandenburg  zugrunde  gelegt  worden  sind.  Es  ergibt  sich  dabei 
eine  Schlußsteinhöhe  von  etwa   15,80  m. 

Eine  Datierung  einzelner  Gebäude  ist  nach  alledem  kaum  möglich.  Wenn  man 
den  Ostteil  der  Kirche  bis  zum  3.  Joche  einschließlich  mit  seinem  großen  Format 
von  27  : 9,5/10  :  14  14,5  noch  für  einen  Bau  aus  dem  Ende  des  13.  Jahrhunderts 
ansehen  will,  vornehmlich  wegen  der  schlanken  Fenster  mit  nicht  profilierten 
Leibungen  und  wegen  der  frühgotischen  Zackenblätter  auf  Kapitellen  und  Basen 
des  reich  profilierten  Hauptportals,  so  erscheinen  doch  die  beiden  westlichen  Joche 
mit  der  Verminderung  ihrer  Jochbreiten  auf  5,20  m  gegen  6,30  m  an  der  Ostpartie  als 
jünger.  Eine  Wandtreppe  in  der  Südmauer  läßt  sie  etwa  gleichzeitig  mit  dem 
zum  Teil  erhaltenen  Westgebäude  entstanden  sein,  das  wegen  seines  kleineren  Formates 
von  27  :  9,5  :  13,  wegen  seiner  reichen  Sterngewölbe  mit  den  tütenförmigen  Kappen  im 
nördlichen,  wegen  seiner  kapitellosen  Mittelsäulen  und  seiner  zum  Teil  eingezogenen, 
unter  sich  durch  Spitzbögen  verbundenen  Strebepfeiler  im  südlichen  Gewölberaum 
den  Charakter  des   15.  Jahrhunderts  trägt. 

Es  dürfte  um  1440  mit  Hilfe  der  oben  erwähnten  Kollekte  neu  errichtet  oder 
zum  mindesten  doch  völlig  neu  ausgebaut  worden  sein. 


Sold  in 


11(1 


3.  Teil:  Die  Altertümer. 


Durch  die  frühe  Zerstörung  der  Kirche  und  wohl  nicht  am  wenigsten  durch 
das  Bestreben  der  Reformierten,  sich  ein  völlig  schmuckloses  Gotteshaus  zu  schaffen, 
ist  es  gekommen,  daß  kein  einziges  Stück  der  alten  Einrichtung  uns  erhalten  ge- 
blieben ist.  Zwar  wird  uns  berichtet,  daß  1568  eine  neae  Kanzel,  1604  neues  Gestühl 
in  die  Klosterkirche  gebracht,  daß  1606  eine  T'-  Zentner  schwere  Glocke  für  den 
neuen  Turm  verfertigt  wurde,  daß  ferner  1734 — 36  die  Kanzel  für  Zwecke  der 
Reformierten  erneuert  und  gleichzeitig  Emporen  angelegt  wurden');  aber  was  mit  den 
alten  Stücken  geschah,  wie  Chorgesiühl,  Altar,  Orgel,  Kruzifix  usw.  beschaffen 
waren,  darüber  ist  keine  Nachricht  bis  zu  uns  gedrungen. 

Kümmerlich  und  lückenhaft  ist  die  Geschichte  des  Soldiner  Klosters;  kümmer- 
lich Sinti  die  baulichen  Reste,  die  kaum  genügen,  sich  ein  notdürftiges  Bild  von  der 
einstigen  Anlage  zu  machen.  Einen  Bau  aus  frühgotischer  Zeit  hofft  man  anzu- 
treffen; man  findet  von  ihm  nur  noch  Ruinen. 


')  Rcinhokl,  S.  242/3. 


—    117   — 


Kapitel  6.    Brandenburg. 

.    1.  Teil:  Die  Geschichte. 


Fig.  15.    Nordostseite  der  ehemaligen  Brandenburger  Dominikaner- Kiosterkin. 
Mit  Genehmigung  der  Kgl.  Meßbildanstalt  zu  Berlin. 


Es  ist  auffallend,  daß  die  alte  Hauptstadt,  die  der  Mark  den  Namen  gegeben, 
so  viel  später  ein  Dominikanerkloster  erhalten  hat  als  alle  die  andern,  weiter 
östlich  liegenden,  erst  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  mit  Stadtrecht  bewidmeten 
Orte. 

Der  Platz  der  späteren  Neustadt  Brandenburg,  in  der  sich  unser  Orden  nieder- 
liel\  war  durch  die  Havel  getrennt  von  der  im  Havellande  liegenden  slavischen 
Altstadt,  kam  deswegen  wohl  schon  früher  in  den  Besitz  der  Markgrafen  j^  der  Ort 
erhielt  somit  auch  wohl  früher  das  Magdeburger  Stadtrecht.  "  '  '  ■"""' 
als  „nova  civitas"  bezeichnet. 


Er  wird  1106')  zuerst 


Qründungs- 
geschichte. 


1)  Heffler,  Wegweiser,  S. 


Brandenburg 


—    118   — 

Über  die  Hauptereignisse  aus  der  Geschichte  dieses  Klosters  berichten  uns 
3   Inschriften    an    der    südHchen  Chorwand.   In    der  Fensternische    des  3.   Chor- 

j°^'^^'^  '^'''^*-  „PSALM:  24. 

ATTOLLITE  PORTAE 

CAPITA  VESTRA, 

ET  ELEVAMINI  PORTAE 

AETERNALES  ET  IN- 

TROIBIT  RE.X 

QLORIAE". 
„Der  Durciileuchtigc  vnd  Hochgebonie  Fürst  ütto  der 
Grosse  oder  Lange  genandt  Marggraffe  zu  Brandenburgi< 
Ottonis  des  güttigenn  Sohn  aus  dem  Stamme  und  Geschlechte  derr 
Graifen  von  Ascanien  vnd  Fürsten  zu  Anhalt  hall  im  Jare  nach  Christy 
yeburtt  1286  am   Tage  Matthei  a]50stoli  (—24.  Febr.)  seinen  hoff  in  der  Newen 
Stadt  Brandeiiburgk  gebawett  den  München  dominicaner  orden;  zu  eine 
Cluster  geschanckett  Ihnen  auch  viell  geldes  zum  gebewde  verordnett, 
Derselbiger  orden  halt  im  Jare  des  herr  Christi  I2It  erstlich  angefangen  vnd 
ist  von  babpst  Honorio  im  Tage  Thome  apostoli  CONFIRMIRET  vnd  beste- 
tigett  vnd  hernach  auch  der  prediger  Orden  genandt  worden 
In  obgesatzten  1280  Jhare  ist  die  erste  Papistische  Messe  vnd  ein 
vieihung  dieser  kirchen  durch  Bischoff  Qebhartten  zu  brandenburgk 
gehalten,  vnd  zu  patronen  Andreas  apostolus  vnd  Maria  magdalena 
erwelet  vvordenn.     Anno  Christi  1311  ')  haben  ein  Radt  der  Ne«en 
Stadt  brandenburgk  ein  Platz  von  gemeiner  Stadt  zu  dieser  kirchen  ge- 
schancket  das  die  Münche  Ire  wonunge  drauf  gebawt.     Dasselbige 
Closter  ist  bei  '545  Jaren  in  seine  stände  gblieben  bis  die  reine  wäre  Religion 
durch  D.  Martinuni  Lutherum  eingeführet  worden.     Daselbst  es  in  abnehmen 
komen  die  Münche  zum  Theil  daraus  Entlauffen  vnd  zum  Teil  daraus 
gestorben,  vnd  weill  keine  wider  hineingenomen  gar  wüste  worden 
.'Xuch  an  Gebenden  gar  verfallen  vnd  in  die 
25  Jahr  Öde  gestanden." 

.\uf  einer  architektonisch  umrandeten  Holztafel  mit  dem  Reliefbildnis 
Joachims  II.  elaiunter,  etwa  in  der  Mitte  zwischen  2.  und  3.  Chorjoch  ai^gehängt, 
findet  sich  die  Inschrift: 

„Der  Durchleuchtigstcr  Hochgeborner  Fürit  vnd  H2rr 
Herr  Joachim  der  ander,  Marggraffe  zu  Brandenburgk  .  .  . 
Hatt  im  Jar  nach  Christi  gcburt  1560  dieses 
Kloster  mitt  der  Kirchen  den  zugehörigen  Gebenden  vnd 
allen  frey  vnd  Gerechtigkeiten  dem  Rath  und  gemeine  der 
Newen  Stadt  Brandenburgk  zu  wideranrichtung  einer  Pfar- 
kirchen  darein  Gottes  wort  reine  vnd  lauter  geleret  vnd  eines 
Pfründenhauses  darein  alte  abgelebte  Bürger  und  bürgerinnen 
auch  armen  mit  wohnunge  vnd  sonsten  underhalten  würden 
gnedigst  eingereumet  confirmeret  vnd  bestetiget. 
ihre  Chur.  F.  Gnaden  haben  auch  zw  beforderunge  solchs 
Christlichen  werks  ein  jerlichs  einkomen  gnedigst  verordnet  und 
dasselbige  mit  allen  gnaden  reichlich  bedacht  .  .  ." 

Es  folgen  einige  Daten  aus  der  Landesgeschichte,  die  damit  abschlielien,  daß 
Johann  Georg  im  Jahre  \^7\  bei  Entgegennahme  der  Erbhuldigung  zu  Branden- 
burg „alles,  was  J.  C.  F.  G.  Herr  Vater  zu  dieser  Kirchen  vnd  Pfründenhause  ge- 
schencket  gnedigst  dabei  gelaßen  confirmirret  vnd  verbessert". 

Die  von  Heffter-')  als  darunterstehend  angegebene  Zahl  „1574"  fehlt  jetzt. 
Schließlich  ist  noch  in  dei"  2.  Chorfensternische  angeschrieben: 

„PSALM  o8. 

CONFIRMA  HOC 

DEUS  QUOD  OPERA 

TUS  ES  IN  NOBIS 

A  TEMPLO  TUO  IN 

HIERUSALEM  TIBI  OF 

FERENT  REGES 

MUNERA". 


')  Engel,  Annal.  II,  S.  123:  „1310  .  .  .  bawen  sollen' 
2)  Heffter,  Wegweiser,  S.  122. 


-    119   - 

„Als  IUI  der  Alarggraff  vml  Churfürst  zu  Brandenburgk 

Joachimiis  der  ander  die  kirclie  zusambt  allen  zugehörigen  gebewde 

vnd  gerechtigkeitten  dem  Ratlit  der  Xewen  Stadt  Brandenburgk 

eingereumet  vnd  CONPIRMIRF.T  haben  ein  Radt  anfenglich  die 

kirche  zu  einer  Pfarkirchen  wiederumb  erbawett  vnd  angerichtet  dar 

zu  aucli  die  Bürger  \nd   sonsten  viele  fronie  Qottfürchtige  ChrislcMii 

vnd  fürhneine  leute  Ihre  Almosen  Reichlich  vnd  niildiglich  darzii  gcgcbc. 

Nach  wideranrichtunge  der  kirchen  ist  im  gemelleii  IS'iü  Jahre  den 

11  octobris  die  erste  kirclm-eihe  darein  gehaltten  vntl  der  erste  i:vangelische 

Predigt  durch  M.  Johanneni  Kittel.'Tn)aiin  Pfarrhern  dieser  gemeine,  bestellet 

vnd  M-  Joachimvs  Beluz  zum  ersten  Pfarhern  darein  verordnet  vnd 

angenomen  \-nd  \ün  der  Zcitt  bis  anher  Gottes  wortt  lautter  vd  reine 

geprediget  vnd  die  sakramenta  nach  Christi  einsetzung  verriebet  worden, 

Nach  wider  anrichtung  der  kirchen  haben  auch  ein  Radt  die  andern 

verfallene  gebewde  zu  einem  Pfriindehause  wiederum  erbawet  vnd 

nach  verfertigunge  altte  abgelebte  Burger  und  Burgerinnen  hineinge- 

nomen  vnd  dieselbigen  kegen  erlegunge  eines  liedliegen  vnd  billiche  kostgeldes 

mit  essen  und  drincken  die  Zeitt  ires  lebens  notturfftig  versorget  werden,  vnd 

ist  die  erste  einweihung  mitt  den  Pfrondern  in  bei  sein  aller  Kirchen 

Personen  und  Prediger  im  1565  Jahre  am  Suntage 

nach  Elisabethae  geschehenn." 

Wann  die  zu  Anfang  stehenden  Nachrichten  über  Ereignisse  aus  vorrefornia- 
torischer  Zeit  zuerst  aufgezeichnet  worden  sind,  läßt  sich  nicht  bestimmen.  Als 
erste  berufen  sich  Garcaeus')  1582  und  Angelus-')  1598  schon  ausdrücklich  darauf. 

Vor  kritikloser  Annahme  der  frühesten  Daten  warnt  schon  Adler  mit  Recht,  weil 
die  ganze  Kirche  unmöglich  in  höchstens  10  Monaten  erbaut  sein  kann.  Haben 
wir  doch  schon  bei  Ruppin  und  Prenzlau  gesehen,  daß  sich  bei  den  Jahreszahlen 
leicht  Fehler  einschlichen,  wenn  alte  und  vielleicht  bereits  schwer  leserlich  gewordene 
Inschriften  erneuert  wurden.  Auf  solchem  Mißverständnis  kann  es  auch  nur  be- 
ruhen, wenn  Finke-')  die  Paulikirche  bereits  1270  fertiggestellt  sein  läßt,  „wie  man 
an  dem  alten  Chor  die  Jahrzahl  sähe",  wenn  ferner  das  Kloster  345  Jahre  be- 
standen haben  soll  statt  245  ( 1286    ■   245       1531). 

Zu  der  in  der  Inschrift  ausführlich  dargestellten  Klostergeschichte  ist  nur 
weniges  hinzuzufügen.  Wenngleich  das  Röbeler  Chorgestühl  für  Brandenburg 
die  Zahl  1292  aufweist,  kommt  v  i-oe  doch  auf  Grund  andrer  Quellen  zu  dem 
Ergebnis,  daß  der  Brandenburger  Konvent  bereits  1287  Zutritt  zu  den  Provinzial- 
kapiteln  erlangte.  Die  Dominikaner  müssen  also  schon  mindestens  2 — 3  Jahre 
zuvor  in  Brandenburg  festen  Wohnsitz  gehabt  haben,  um  die  Genehmigung  eines 
derartigen  Antrages  vom  Generalkapitel  bis  zu  jenem  Termin  erlangen  zu  können. 

Der  von  Markgraf  Otto  den  Mönchen  geschenkte,  seiner  genauen  Lage  nach  ;<  2.  Besi(z- 
nicht  bekannte  Hof  scheint  sich  nicht  mit  dem  späteren  Klostergrundstück  gedeckt  Verhältnisse, 
zu  haben,  weil  die  Mönche  nach  alter  Urkunde  im  Stadtarchiv')  vom  .Magistrate 
1306  die  Erlaubnis  erhalten,  nicht  nur  eigentliche  Klostergebäude,  sondern  auch 
vermietbare  und  von  sonstigen  städtischen  Lasten  befreite  Wohnhäuser  darauf  zu 
bauen,  wogegen  ihnen  der  Rat  1311  der  Inschrift  nach  ein  neues  Stück  Bauland 
„zu  (der  Erweiterung?)  dieser  kirchen"  schenkt. 

Außer  einigen  solcher  angrenzenden  Häuser  nebst  dem  ebenfalls  dabei- 
liegeiiden  Weinberg  und  Garten  scheinen  die  Mönche,  abgesehen  von  dem  eigent- 
lichen Klostergrundstück,  in  der  Stadt  keinen  liegenden  Besitz  weiter  gehabt  zu 
haben.  Wohl  aber  besaßen  sie  in  Treuenbrietzen  beim  Nikolaikirchhofe  eine  mit 
Freiheiten  und  Gerechtigkeiten  ausgestattete  Mönchszelle '),  die  sie  jedoch  1533,  kurz 
vor  der  Reformation,  wie  auch  anderswo  üblich,  an  einen  dortigen  Bürger  ver- 
kauften mit  der  Bedingung,  daß  ihnen  auf  Grund  eines  Ausweises  stets  Kammer 
und  Stall  zur  Verfügung  ständen,  sooft  einer  von  ihnen  zum  Terminieren  oder  in 
andern  Geschäften  ihres  Klosters  dorthin  kommen  sollte.  Bei  der  Gelegenheit  wird 
das  Brandenburger  Kloster  zum  ersten  Mal  ein  Kloster  des  „Sante  Panels  Preddiger 

')  Garcaeus,  Buch  111,  S.  it7:  ,,in  choro  legitur". 

2)  Engel,  Aniial.  II,  S.  114  und  123;  III,  S.  358:  „so  ...  im  Chor  zu  lesen  ist". 

^)  Finke,  Von  denen  . . .  Veränderungen  .  .  .,  S.  1 4  ;  Einke,  Nachrichten  .  .  .,  5  Schrift,  S.425. 

■>)  Heffter,  Geschichte,  S.  IQl. 

5)  Riedel  A  9,  S.  443/4. 


Crandtnbiirg 


—    120    - 

Ordens"  genannt.  Es  ist  ungewiß,  ob  zu  den  2  Patronen  der  Kirche  von  1286 
später  noch  Paulus  als  dritter  hinzugekommen  ist,  oder  ob  Paulus  als  Schutz- 
patron der  ganzen  Ordensprovinz  Saxonia  nur  dem  Ordensnamen  beigefügt  wurde, 
wie  es  dem  Wortlaut  nach  scheinen  möchte. 

Neben  der  Miete  aus  obigen  Häuserchen  seit  Anfang  des  14.  Jahrhunderts 
erwarben  die  Mönche  schon  1347')  eine  weitere  ständige  Einnahme,  indem  ihnen 
der  Magistrat  der  Stadt  Rathenow  für  alle  Zeiten  jährlicli  von  3  Morgen  Wein- 
bergslan'd  bei  seiner  Stadt  zu  Sai<ramentszweci<en  „unam  hamam  de  optimo  rubeo 
vino"  verschrieb;  falls  die  Naturallieferung  aber  einmal  ausbliebe  oder  aus  irgend- 
welchen Gründen  ganz  einginge,  sollten  statt  ihrer  10  Brandenburgische  Schillinge 
zur  Weinbeschaffung  bezahlt  werden.  Interessant  ist  die  Verbriefung  von  Altar, 
Brüderschaft  und  Totenfeier  an  die  Brandenburger  Liebfrauengilde  vom  Jahre 
1381-),  weil  man  daraus  klar  erkennt,  wie  sich  die  Mönche  durch  solche  Gunst- 
erweisung  dauernde  Einnahmen  zu  verschaffen  wußten,  und  weil  man  ent- 
sprechende Schlüsse  auch  auf  die  Fälle  ziehen  kann,  wo  uns  wie  meist  nur  die 
Tatsache  der  Aufnahme  in  die  Gemeinschaft  der  geistlichen  Verdienste  des  Ordens 
in  einer  Urkunde  erhalten  geblieben  ist.     Die  Gilde  vereinbart  mit  dem  Konvent: 

1.  „dat  wy  (Mönche)  em  wolden  vorbryven  dat  Altar  in  unsen  Kerken,  dat 
ghewyet  ys  in  die  Ere  unser  lewen  Vrowen,  dat  sy  dar  tho  mochten  bogan  dy  ghene 
(diejenigen),  dy  ut  der  Broderscap  verstörven, ...  in  desser  Wise,  dat . . .  wy  em 
(scholde)  synghen  eync  Mysse  van  unser  lewen  Vrowen;  dar ..  wollen  alle  ..  offern 
malk  eynen  Pennyng". 

2.  „scholde  wy  began  dat  Jarghetyd  der  ghenen,  de  ghestoi-ven  weren  ut  erer 
Broderscap,  met  Vilghen  (Vigilien)  unde  met  Selemyssen,  unde  under  der  Selemyssen 
scholde  wy  bydden  unde  ap  kündinghen  alle,  de  dar  ut  vorstorven  weren  (—  taten 
lesen  den  Doden  Breff,  den  se  hebben)". 

3.  „scholde  wy  sy  nemen  in  unser  Broderscap  beyde  an  deme  Levende  und  ok 
an  deme  Dode  (teilhaftig  machen  aller  Myssen,  alles  Bedes,  aller  Predekynghe,  alles 
Wakendes,  aller  Castigynghe,  aller  Vasten,  alles  Arbeydes,  dy  tho  Godes  Dynst  hört 
und  aller  andern  guten  Werke)". 

4.  „scholde  wy  em  holden  to  deme  sulven  Altare  eyne  ewyghe  Mysse  tho 
Godes  Löve  und  tho  erer  aller  Salycheyt". 

„Und  uppe  dat  sy  danknamych  wesen  mochten  des  gestlichen  Gudes,  so  wollen 
sie,  so  vake  (oft)  alze  eyn  storve  ut  erer  Broderscap,  senden  tho  unseme  Kloster  eynen 
Schyllink  wonlicher  Pennig  in  Godes  Ere  unde  to  Tröste  der  Selen  des  ghestorven 
Bruders  edder  Süster  (Schwester)". 

5.  „also  vake  also  eyn  Broder  storve  unses  Klosters,  so  wolden  sy  alle  to  uns 
kernen . .  unde  yo  dat  Par  Wolkes  edder  eyn  scholde  offeren  synen  wonliken 
Penning". 

6.  „wan  wy  beghyngen  de  Jarghetid  unser  Olderen  und  erer . .  ,so  wolden  sy 
echter  cfferen  jo  dat  Par  Wolkes  edder  eyn  eynen  Penning." 

Die  Mönche  steckten  somit  manches  Geldstück  in  ihren  Säckel,  und  damit 
die  gute  Quelle  nie  versiegen  könnte,  wurde  gleich  vereinbart,  daß  im  Falle  eines 
Bannes  die  ewige  Messe  statt  an  dem  dadurch  verbotenen  dafür  „to  deme  hoghen 
Altare"  gehalten  werden  solle. 

Nur  bei  Verbrüderungen  mit  andern  Orden,  wie  1401  mit  dem  Branden- 
burger Prämonstratenser-Domstift^)  und  mit  dem  Kloster  der  Benediktinerinnen 
zu  Wanzka"),  wird  keine  Vergütung  für  die  aufgewandten  Mühen  stattgefunden 
haben,  da  sie  ja  auf  Gegenseitigkeit  beruhten. 

Bei  aller  Einfachheit,  die  Dominikus  selbst  an  den  Tag  gelegt  und  von  seinem 
Orden  gefordert  hatte,  waren  infolge  von  Einkünften  meist  unbekannter  Herkunft 
doch  allmählich  bessere  Verhältnisse  bei  den  Klöstern  eingetreten.  Wie  schon  in 
früheren  Jahrhunderten  hei  andern  Orden  zuweilen  Reformbestrebungen  zwecks 
einer  Rückkehr  zur  alten  Einfachheit  aufgetaucht  waren,  so  traten  im  15.  Jahrhundert 
auch   im   Dominikanerorden   Strömungen   hervor,  die  allen   überflüssigen  Aufwand 


')  Riedel  A  Q,  S.  41. 

2)  Riedel  A  9,  S.  62  u.  65. 

3)  Riedel  A  8,  S.  48. 
')  Riedel  A^'J,  S.  242. 


123   — 


wieder  entfernen  wollten,  der  sicii  mit  der  Zeit  eingebürgert  hatte.  Diesen  fratribus 
de  observancia"  gehörten  auch  die  Brandenburger  Dominikaner  an.  Der  Provinzial- 
vikar  nun  dem  neben  manchen  andern  solcher  Klöster  auch  das  inre  unterstand, 
verbot  1460')  den  weiteren  Gebrauch  und  die  Neuanschaffung  von  Spangen,  be- 
sonderen .WelVewändern,  goldenen  und  silbernen  Geräten  außer  den  für  Sakra- 
mentsreichun-'^  "erforderlichen  Kelchen,  Patenen  und  .Monstranzen,  ferner  von 
Or^reln  und  allem  Sonstigen,  was  kostbar  und  nicht  unbedingt  erforderlich  sei. 
Ein"  'H-oßer  Teil  dieser  Sachen  wurde  in  Brandenburg  verkauft  unü  für  den  l-.rlos 
eine  Bibclkonkoidanz  (Nachschlagebuch)  angeschafft,  der  offenbar  noch  große  Rest 
zu  einem  neuen  und  sonst  für  Dominikaner  ganz  ungewöhnlichen  Bauteil  verwandt: 
pro  quibus  alienaiis  in  isto  conventu  Brandenburgcnsi . . .  inceptuni  (est) 
edificari  campanile  muratum,  quod  ex  causis  racionalibus,  approbatis  per  capitulum 
provinciale,  sie  edificari  opportebat,  et  consummatum  fuerat  a.  d.  .WCCCCLXIX  circa 
festum  san'cti  Michaelis  archangeli  in  autumpno". 

Die  andern  Gebäude  mögen  damals  nicht  mehr  m  gutem  Zustand  gewesen 
sein  weil  Hans  Bardeleben  und  seine  Frau  14<)4-')  den  Mönchen  neben  3  Schock 
Groschen  für  Wachslichte  auch  15  Rheinische  Gulden  verehren,  wovon  diese  an- 
scheinend notwendige  Reparaturen  ausführten;  natürlich  erfolgten  obige  Zuwendun- 
gen wieder  für  die  Gegenleistung,  daß  gewisse  Messen  für  die  Stifter  gelesen  wercen 
sollten. 

Weiterhin  hören  wir  vom  Kloster  und  seinen  Bewohnern  bis  zur  Reformations- 
zeit nichts  mehr.  Diese  setzte  in  Brandenburg  wegen  der  Nähe  Sachsens  un- 
gewöhnlich früh  ein.  Dort  waren  schon  1530  die  geistlichen  Stifte  aufgehoben, 
üire  Insassen  anderweitig  versorgt  worden.  Im  folgenden  Jahre  verließen  auch 
unsere  IWönche  ihr  Heim  und  gingen  hinüber  in  das  Nachbarland,  so  daß  die 
Gebäude  ganz  leer  standen,  bis  Joachim  II.  5  oder  6  in  Berlin  noch  vorhandene 
Brüder  dorthin  versetzte,  als  er  1535/6  das  Kloster  seiner  Residenzstadt  zum  Dom 
und  zum  Erbbegräbnis  seines  Geschlechts  bestimmte. 

Diese  Berliner  Mönche  nahmen  in  dem  neuen  Heim  die  einige  Zeit  lang  aus- 
gesetzten Verrichtungen  ihres  Ordens  wieder  auf,  bis  ihnen  sowie  den  andern 
Brandenburger  Mönchen  1539-*)  ausdrücklich  geboten  wurde,  keine  .NAessen  mehr 
zu  halten,  „widrigenfalls  sie  würden  eingeschlossen  werden".  Sie  blieben  aber 
wie  anderwärts  auch  hier  im  Kloster,  durften  natürlich  keine  neuen  Brüder  mehr 
aufnehmen. 

Als  es  ihnen  nun  nach  der  Säkularisalion  wegen  Einziehung  ihrer  bisherigen 
Einkünfte  zu  ärmlich  erging,  vermachte  ihnen  der  Kurfürst  1555')  für  die  Zeit 
ihres  Lebens  eine  jährfiche  Rente  von  2  Wispeln  Malz  aus  den  .abgaben,  die  ihm  aus 
den  Mühlen  zustanden.  1548  treffen  wir  noch  5  Mönche  an,  1560  sind  sie  aus- 
gestorben bis  auf  einen  Pater  Hermann,  der  sich  noch  wie  in  vorreformatorischer 
Zeit  größtenteils  von  erbettelten  .Mmosen  ernährt  zu  haben  scheint,  wobei  er  den 
drastischen  Spruch  herzusagen  pflegte''): 

„Hie  kömmt  Pater  Hermen 
Met  sien  ledgen  Dermen. 
Wille  jys  em  füllen? 
Ts'eit  in  juen  Willen." 
Das  Todesjahr  dieses  letzten  ist  nicht   bekannt. 

Ehe  aber  die  Mönche  aus  ihren  Behausungen  durch  den  Tod  abberufen 
wurden,  hatte  der  Kurfürst  über  diese  zu  verfügen  angefangen.  1548")  bereits 
schenkte  er  seinem  Rat  Johann  Heyler  für  treue  Dienste  auf  seine  Bitte  hin  „das 
Haus  in  und  an  dem  schwarzen  Closter  unser  Neustadt  Brandenburgk,  darin  die 
Liberey  gewest,  sampt  den  dreien  Buden  und  Garten  doran  und  hmter  gelegen 
und  zu  solchem  Closter  gehörig".  Dazu  wird  berichtet,  „dass  gemelt  Haus  zu 
bürgerlicher  Nahrung  entlegen  und  zu  keiner  Wohnung  zugc'-'cht,  dazu  die  Buden 
ganz  baufällig  und  mit  sechs  Leibkaufen  beschweret,  auch  des  Gartens  über  einen 
halben  Morgen  nit  ist  und  über  200  Gulden  nit  wirdigk".  Damit  ist  die  ursprüng- 
liche Benutzungsart  dieses  Gebäudes  glaubwürdig  festgestellt.  Wenn  weiter  154Q") 
dem  Rat  gestattet  wird,  „den  Thurm  am  Clcstcr.  nach  dem  Stadt-Graben  zu,  ab- 


S3. 

Reformations- 

zeit. 


^  4.  Neuzeit. 


■■)  v.  Loe  IV,  S.  51. 

2)  Riedel  A  Q,  S.  240/7. 

3)  Heffter,  Geschichte,  S.  307. 
')  Heffter,  Geschichte,  S.  321. 
5)  Oottschlini;,  S.  QO. 

••)  Riedel  A  0,  S.  301. 
')  Schäffer,  S.  46. 


Br.uKlcnburj 


-    124    - 

zubrechen",  so  sind  wir  mangels  jeder  weiteren  Nachricht  nicht  mehr  imstande, 
dessen  Platz  und  frühere  Bestimmung  genauer  anzugeben.  Den  Weinberg  an  der 
Stadtmauer  schenkte  der  Kurfürst  etwa  zu  derselben  Zeit  dem  Geh.  Rat  Stolpe, 
der  ihn  aber  schon  1557  an  den  Rat  der  Stadt  verkaufte;  dieser  machte  daraus 
einen  Gottesacker  für  die  Pauliner  Gemeinde.  Ein  gewisser  Hans  Schrobsdorff 
war  der  eiste,  der  1583')  hier  beigesetzt  wurde.  Noch  1679-)  wurden  \ornehme 
und  Geringe  zumeist  hier  begraben,  und  erst  seit  1714  „auf  dem  Pauliner-Kirch- 
hofe     von   dem   Rath    eine   Quartal-Schule  angelegt"  wurde,    bestehend 

aus  2  Schulstuben  und  2  LehreiAvohnungen,  wird  er  allmählich  eingegangen  sein-'). 

Somit  unterstand  schließlich  nur  noch  das  eigentliche,  bebaute  Klostergrund- 
stück dem  Landesherrn,  bis  er  auch  dieses,  wie  die  Inschrift  ausführlich  erzählt, 
1560  der  Stadt  unter  gewissen  Bedingungen  überließ.  Zur  Instandsetzung  der 
lange  unbenutzt  gewesenen  Gebäude  steuerte  der  Kurfürst  aus  der  Landschaftskasse 
2000  Taler  bei.  Die  Baukosten  mögen  auch  recht  hoch  gewesen  sein,  weil  doch 
allein  schon  im  Ostgebäude  innen  alle  Wände  herausgenommen  wurden  und  aus 
dem  bisher  zweigeschossigen  ein  dreigeschossiges  Haus  geschaffen  wurde. 

Hier  erhielten  nun  12  alte  Bürger  und  Bürgerinnen  gegen  100  Taler  Eintritts- 
geld (Centum  Imperialibus  numeratis)  lebenslänglich  freie  Wohnung,  aus  je  einem 
Gemach  mit  einem  Bett  und  allem  sonstigen  Zubehör  bestehend,  ferner  gutes 
Essen  und  Trinken  im  gemeinsamen  Speisesaal  und  70  bis  80  Taler  aus  den  übrig- 
gebliebenen Klostereinkünften,  die  noch  vermehrt  worden  waren  durch  einen  Teil 
der  bisherigen  Einnahmen  des  anstoßenden  alten,  auch  weiterhin  bestehenden 
St.  Spiritushauses,  namentlich  aus  dem  Dorfe  Wust  stammend.  Die  große 
jährliche  Präbende  brachte  diesem  Pfründenhause  den  Beinamen  „das  reiche 
Kloster",  im  Gegensatz  zu  dem  „armen  Kloster",  wo  neben  freier  Wohnung  und 
Nahrung  nur  geringe  Geldunterstützung  meist  aus  der  .\rmenkollekte  gewährt 
wurde"). 

Dieser  Benutzung  dienen  die  Klausurgebäude  bis  auf  den  heutigen  Tag, 
während  die  ehemalige  Bibliothek,  nachdem  die  Gewölbe  über  dem  Erdgeschoß 
entfernt  worden  waren,  seit  1775^)  die  städtischen  Spritzen  aufnimmt,  die  bis  dahin  im 
Rathaus  gestanden  hatten.  Die  Kirche  aber,  1712")  auf  Grund  eines  Vergleiches 
den  Reformierten  zur  Mitbenutzung  eingeräumt  und  etwa  seit  jener  Zeit  bis  1870  mit 
Emporen  versehen,  seit  Ende  des  18.  Jahrhunderts  auch  vom  Militär  besucht, 
sieht  noch  heutigen  Tages  die  Gemeinde  zum  Gottesdienst  in  ihren  weiten  Hallen 
versammelt. 


>)  Schaffen,  S.  46. 

2)  Fromme,  Nomenclat.,  unter  „caemeterium." 

3)  Gottschling,  S   108. 

')  Heffter,  Geschichte,  S.  322;  M.Nicolai,  S.  15. 
')  Heffter,  Geschichte,  S.  400. 
■■)  Schäffer,  S.  SO. 


—    12t 


2.  Teil:  Die  Baulichkeiten. 

(I'.latt  13-18) 


Fig.  14    Inneres  der  elienialigcii  Braiulenburoer  Doiiiiiiikaiicr-KlosiLTkirclR-.  An(g>n,  i>'6. 

Mit  Genehmigung  der  Kgl.  Meßbildanstalt  zu  Beilni. 

Das  Brandenbuiger  Kloster  ist  ein  gut  Stück  weiter  von  der  Stadtmauer 
entfernt,  als  wir  es  bisher  bei  den  andern  gefunden  hatten.  Zunächst  lag  an  der 
Mauer  "der  ehemalige  Weinberg  und  spätere  Kirchhof,  nach  Norden  zu  von  emem 
o-roßen  Wirtschaftsgebäude  begrenzt,  an  dem  nur  außen  noch  an  Giebeln  und  Sud- 
seite geringe  Spuren  seines  ehemaligen  Aufbaues  erkennbar  sind.  Hmter  diesem 
wieder  liegt  ein  kleiner  trapezförmiger  Mof,  el.c  man  auf  das  südliche  der  eigent- 
lichen Klausurgebäude  stößt. 

Im  übrigen  befindet  sich  tue  .\nlage  wieder  im  Süden  der  Stadt,  die 
etwa  33"  gegen  Norden  abweichend  orientierte  Kirche  (Bl.  13)  auf  der  Nordseite 
der  Klausur.  Sie  besteht  aus  einem  24,3t  m  langen,  0,90  m  breiten  Chorraum,  in 
T  Seiten  des  regelmäßigen  Achtecks  geschlossen,  und  einer  32,85  m  langen  Hallen- 
kirche, deren  3  Schiffe,  in  den  I'feilerachsen  gemessen,  von  Süden  nach  Norden  zu 
3,40  10,65 -i- 4,27  _  18,11  m  Breite  besitzen.  Die  gesamte  Länge  ist  demnach 
57,20  m. 


^  1.   Kirche. 


Brandenburg 


—    126   — 

Die  Umfassungswände  sind  am  Chor,  an  der  strebepfeilerlosen  südlichen 
Langhauswand  und  am  Westgiebel  1,10  m  dick,  am  östlichen  Abschluß  der  Seiten- 
schiffe und  an  der  Nordseite  des  Langhauses  Q5  cm. 

Der  Chorfußboden  ist  um  30  cm  erhöht  und  bis  zur  Vorderkante  der  40  cm 
ins  Schiff  vorspringenden  Wandpfeiier  vorgezogen.  2  Stufen  von  je  2,42  m  Breite 
in  der  Mittelachse  führen  dort  hinauf. 

Die  5  ■  2  achteckigen,  1,18  m  starken  und  bis  zur  Oberkante  des  Kapitells 
10,10  m  über  den  jetzigen  Kirchenfußboden  aufragenden,  freistehenden  Pfeiler  liegen 
mit  ihrer  dem  Mittelschiff  zugekehrten  Seite  in  der  vorderen  Flucht  der  Chorwa.id- 
dienste.  Der  Länge  nach  schaffen  sie  6  > ,  3  Joche  von  2,73,  9,47,  3,51  m  Hehler 
VC'eite  zwisclien  den  Stützen,  wieder  von  Süden  nach  Norden  zu  gezählt.  Sie  sind 
so  gestellt,  daß  die  Längsarkaden  zwischen  ihnen  genau  gleichweit  gespannt  sind, 
während  sie  zu  den  rechteckigen  östlichen  Wandpfeilern  hin  von  40  >'  78  cm  und 
zu  den  westlichen  von  nur  1 1  78  cm  um  10  cm  enger  sind.  Da  das  1.  Chorjoch 
nach  dem  Schiff  zu  wieder  von  2  Diensten  an  der  weiterlaufenden  Chorwand  ab- 
geschlossen wird,  ergeben  sich  insgesamt  ein  etwas  kleineres  Mittelschiffsjoch  am 
Wcstgiebel  und  ein  etwas  größeres  am  Ostgiebel  des  Langhauses,  während  die 
4  dazwischen  liegenden  mit  den  3  Langchorjochen  gleiche  Breite  haben.  So  wird 
bei  Überwölbung  mit  den  nur  auf  der  Unterseite  geputzten,  spitzbogigen  Rippen- 
kreuzgewölben von  übrigens  vorzüglicher  Technik  auch  hier  wieder  ein  einheitlicher 
I  iauptrauni  geschaffen. 

Die  durchbohrten  sclnnucklosen  Sclilulisteine  liegen  im  Mittelschiff  15,70  m, 
in  den  Seitenschiffen  14,50  m  über  dem  Langhausfußboden.  Der  Chorschluß  zeigt 
die  übliche  Einwölbungsart.  Besondere  Quergurte  sind  auch  hier  nicht  mehr  vor- 
handen. Bl.  17  zeigt  den  Oewölbeanfänger  eines  Schiffspfeilers  mit  dem  einfachen 
rechteckigen,  an  den  Kanten  abgefaslen  und  von  einfachen  Wandbögen  begleiteten 
Arkadenquerschnitt,  während  Quergurt-  und  Diagonalrippen  aus  demselben  gekehl 
ten,  birnförmigen  Profilstein  gebildet  werden.  Hieraus  lassen  sich  wieder  alle 
andern  Anfänger   wie  bei  Prenzlau  und  Ruppin    leicht  ableiten. 

Die  Längsgurte  sind  im  Dachboden  wieder  75  cm  stark  übermauert,  hier 
bis  zur  Oberkante  der  Mittelschiffsgewölbe.  Die  15  cm  starken  Kappen  zeigen  nur 
in    den    Seitenschiffen    stärkeren    Busen. 

In  allen  einspringenden  Ecken  des  Langhauses,  in  den  Schnittpunkten  der 
Quergurtrippen  mit  den  Außenwänden  und  in  den  Polygonecken  leiten  einfache 
runde  Wanddienste  die  Gewölbebögen  an  den  Wänden  herab  bis  zu  einfachen 
Konsolen,  die  sich  jetzt  in  Höhe  der  Fenstersolilbank  i^  etwa  3,70  m  über  dem  Schiffs- 
fußboden allenthalben  in  der  Kirche  finden,  während  sie  früher  in  gleicher  Höhe 
im  Chor  und  vermutlich  auch  im  Schiff  auf  ein  nur  im  Polygon  noch  erhaltenes 
Gurtgesims  liefen.  Nach  Adler  stiegen  sie  freilich  Mitte  des  19.  Jahrhunderts  an 
der  Nordmauer  vom  Fußboden  empor.  Die  zumeist  kelchförmigen  Dienstkapitelle 
sind  äußerst  schlicht  (Bl.  18,  Abb.  B  5),  die  niedrigen,  schmucklosen  Pfeilerkapitelle 
und  altertümlich  schlichten  Basen  einfach  (Bl.  18,  Abb.  B  3).  Nur  im  Chor  finden 
sich  noch  in  frühgotischer  Art  aufgelegte  Wein-  und  Fichenblätter,  wie  wir  sie 
schon  öfters  angetroffen  haben. 

Fenster  sind  in  der  Südwand  des  2.  Schiffs-  und  des  2.  und  3.  Chorjochs  nie 
durchgebrochen  gewesen,  während  man  die  beiden  in  der  südlichen  Ecke  zwischen 
Chor  und  Langhaus  und  das  südliche  des  1.  Chorjochs  auf  ihrer  Außenseite  als 
durch  nachträgliche  Anbauten  vermauert  erkennt.  Die  4  übrigen  Schiffsfenster  der 
Südwand  geben  nur  aus  ihrer  oberen  Hälfte  Licht,  weil  sich  unten  ein  Kreuzgangs- 
teil anlehnt.  Zu  beachten  ist,  daß  sie  sich  nicht  in  den  durch  die  Pfeilerstellung  fest- 
gelegten Achsen  befinden  (Bl.  17).  Das  Pfostenwerk  ist  an  den  Seitenflächen  teils  glatt 
geschnitten,  teils  flach  gekehlt.  Die  lichte  Weite  beträgt,  abgesehen  von  den  vier 
1,35  m  i./L.  breiten,  zweiteiligen  Fenstern  an  den  Seitenschiffsenden,  etwa  2,10  m. 
Davon  tragen  die  zweiteiligen  im  oberen  Bogenfelde  einen  Vierpaß,  am  Westgiebel 
mit  Nasen,  am  Ostgiebel  ohne  (Bl.  15,  Abb.  F2 — 3);  die  dreiteiligen  zeigen  in 
verschiedenartiger  Zeichnung  im  Chor-  und  6.  Langhausjoch  reiches  kräftiges, 
streng  gezeichnetes  Maßwerk,  im  1. — 5.  weniger  schwungvolles,  ärmlicheres  (Bl.  14, 
Abb.  F  1 — 6).  Nur  bei  den  3  jetzt  geschlossenen  Chorfenstern  der  Südwand  läuft 
das  schlicht  profilierte,  glatt  geschnittene  Stabwerk  mit  nur  hier  vorhandenen  Kelch- 
kapitellen am  .\nfang  des  Bogenfeldes  oben  einfach  spitzbogig  zusammen.  In  der 
unteren  Hälfte  ist  es  unterbrochen,  und  hier  stehen  im  2.  und  3.  Fenster  die  er- 
wähnten Inschriften  (Bl.  17). 

Sämtliche  Chorfenster  haben  innen  wie  aulkn  reich  gegliederte  Leibungen 
von  beiderseits  2  Profilsteinen  (Bl.  16,  Abb.  P  6).  Das  Ostfenster  des  nördlichen 
Seitenschiffs  sowie  1 14   Fensterleibung  an  dem  östlichen  Ende  der  südlichen  Lang- 


129   — 


„„„.,„<,  lassen  außen  '«^^";:S.:^\^^  ^o^^^I^l  S^ei"; 
V  Langhausjoch  ehedem  '"''»?' .P'°™!™„„rTiiaste  Ecke  in  der  Wandlluchl 

aebildel  odci  mn  f'^''  '"'"","%,„  ,„j„„  haben  Rlatce,  sehwach  geschmiegte 
Fenalermsche  ™"  '  *  f'"'J„'*;,|  p,i  und  Schabtonenmalere,  bedeckt  waren. 
2rn*i,c*™rnoS  dif"og'e":le,,,,mge„  gepat.t  s,„d,     D,e  Sohlbänke  zetgen 

-*^1er":;::;n^ziL"Se,-t:^She,»de„  s.h^  .•-•   den   E^n.nngen 

:ct-XefKLXSr(S;;^  A.b.  eTi^»  unC  n.edn,en  Basen,  d,e  aber 
etwa  7  Schichten  über  dem  Chorschluß  hegen  (Bl    W). 

An  der  Südseite  des  3.  Chor-  und  des  3.  Langhausjoches  sind  2  einfache 
Türöffnungen  mit  oberem  Segmentbogen  durchgebrochen,  an  der  Nordseite  des 
ü  °nci  TTanSausjoches  ein^e  kle.n^-e  Spitzbogentür  ^nit  Profiherung  wie  d, 
Chorfcnsler  aber  m  umgekehrter  Reihenfolge,  und  das  einfache  liauptportal  (Bl  3 
mh  dopSt  so  tefen  Leibungen  aus  eben  solchen  Profilstemen,  deren  außer  s 
üed  im  '  Ol  en  Spitzbogen  in  Kämpferhöhe  von  Konsolsteinen  au.genomme,  wi  d, 
Besonia-e  Basen  weist  es  nicht  auf;  seine  vielen,  kleinen,  getafeUen  Kapite  le  (B 1.  16 
Abb  B  4  wiederholen  sich  der  Form  nach  in  den  Klostergebauden  hadig.  Ub^^^^ 
dem'  arol  en  äußeren  Spitzbogen  erhebt  sich  ein  vor  die  NX'andflucht  mit  traufen 
atTc.emTof.1  vor  pin-ender  Wimperg  mit  einfachen  Kr.echblumen.     Das  Pens  er 

^  L  vhiLrmi  16  Abb  P'^Bl  17-  Bl  18,  Abb.  Bö).  Eine  noch  jetzt  durch- 
:Sod.  e?T  !ms'dei'cts'rL'angha'usjoches  und  e-  vermauerte,  aber  a^ßen 
t,och  erkennbare  am  Ostabschluß  des  südlichen  Seitenschiffes  beide  etwa  in  Hohe 
des  1.  Stockwerks  der  Klostergebäudc,  führten  ehemals  gewiß  zu  den  im  18.  Jahr 
hundert  eingebauten  Emporen. 

Auf  der  Außenseite  fehlen  nur  an  der  Südwand  des  Langhauses,  ab- 
'.esehen  von  einer  dortigen  Vorlage  von  30  ■  92  cm  zwischen  dem  5,  und  6.  och. 
de  Strebepfeiler;  am  südhchen  Langchor  ist  der  eine  noch  an  Kalkspuien  nach- 
weisbar der  andre  gröi^tente.ls  innerhalb  des  Ostgebäudes  noch  vorhanden 
7bT  ?6)  Ihre  Maße  betragen  am  Polygon  77  ■  125,  am  Langchor  zumeist 
105  ■  140,  zwischen  1.  und  2.  Chorjoch  aber  116  •  145,  zwischen  o.  und  6.  Lang- 
hausjoch 104  nO.  an  den  andern  Ol  ■  138,  am  Westg.ebel  zumeist  91  ^130 
h.im  südlichen  daselbst  aber  104  56  cm.  Nur  einer  von  ihnen  niit  109  109  cm 
Querschnitt  steht  an  der  Nordostecke  des  Langhauses  über  Eck.  ^amtl'ch^,  Strebe- 
pfeiler zeigen  gleichmäßig  in  etwa  ■■■ ,  Höhe  einen  kleinen  Absatz  von  etwa  ..  Stein 
(Bl.  16,  Abb.  G  1).     Die  Höherführung  bis  zur  Traufe  bei  den  meisten  ist  als  neu 

erkennbar.  ,  ,.  „  ,       „,  /ri    u. 

Am  untern  Ende  der  Außenwände  kröpft  sich  ein  Kaffgesims  hei  um  (Bl.  16. 
Abb  G  2)  das  die  ganze  Kirche  unmittelbar  unter  der  Fenstersohlbank  umzieht, 
wobei  die  Ausladung  der  Pfeiler  wieder  um  einige  Zentimeter  wachst  Die  Hohe  dei 
crroßen  Spitzbogennische  in  der  inneren  südlichen  Chorwand  veranlage  an  dieser 
Stelle  ähnlich  wie  in  Ruppin  eine  geringe  1  iöherlegung  der  Fenstersohle;  gleichzeitig 
damit  wurde  obiges  Gesims  um  2  Schichten  höher  gelegt. 

Ein  einfacher  Vorsprung  von  3  cm  bildet  jetzt  den  Sockel;  doch  labt  ein 
geringer  Rest  in  dem  Winkel  der  beiden  Strebepfeiler  an  der  Nordwestecke  des  Lang- 
hauses überall  ehedem  ein  15  cm  hohes  Profilglied  vermuten  (Bl.  6.  Abb.  02. 
Das  aus  2  Hochkantschichten  gebildete  Hauptgesims  zeigt  bei  gleichem  wulst- 
arti^em  Obcrglied  am  1.-5.  Langhausjoch  im  Unterglied  eine  Kehle,  >m  o.  und 
am  ganzen  Chor  2  Rundstäbe  (Bl.  16,  Abb.  H  1  u.  H  3).  Nach  oben  hin  lolg 
diesen    Profilgliedcrn    eine   senkrechte    .Nufmauerung   von   mehreren   Schichten,    aut 


Brandenburg 


—    130   — 

der  sich  an  der  nördlichen  Schiffsseite  noch  Putzreste  finden,  während  sich  am 
Chor  darunter  ein  vollständig  erhaltener  breiter  Putzstreifen  hinzieht.  Am  Ende 
des  5.  Langiiausjoclies  ändert  sich  die  Höhenlage  der  Profilschichten  auf  beiden 
Seiten  derart,  daß  das  Schiffsgesims  am  östlichen  Teil  1—2  Schichten  tiefer 
liegen  bleibt. 

Da  die  alten  Gebäude  im  äußeren  Aufbau  fast  unverändert  erhalten  geblieben 
sind,  so  findet  man  an  der  Kirchenwand  nur  wenige  Spuren  baulicher  Veränderungen, 
nämlich  außer  einer  kleinen  Dachkalkleiste  neben  der  bereits  erwähnten  Abbruchs- 
spur eines  Strebepfeilers  der  südlichen  Chorwand  nur  noch  1  alten  Anschluß 
eines  ehemaligen  Baukörpers  in  der  südöstlichen  Ecke  zwischen  Chor  und  Langhaus, 
der  den  Beweis  liefert,  daß  ehedem  die  Überdeckung  dieses  Stückes  bis  zum  Turm 
hin  durch  Verlängerung  des  Kreuzgangsdaches  geschah. 

Der  Ostgiebel  tritt  von  der  Traufe  an  um  '-^  Stein  hinter  die  untere 
Landflucht  zurück  und  wird  durch  zahlreiche  schmale,  '^  Stein  tiefe, 
rechteckig  in  die  Mauer  einschneidende  Putzblenden  verschiedener  Breite  und 
unregelmäßiger  Anordnung  belebt,  die  sämtlich  an  der  massiv  durch  den  ganzen 
Dachraum  fortgesetzten  Giebelwand  bis  zu  einem  großen,  48  cm  starken,  runden 
Entlastungsbogen  heruntergeführt  sind.  Das  Chorhauptgesims  setzt  sich  auf  der 
Südseite  noch  ein  kleines  Stück  über  diese  Wand  hinaus  ins  Schiffsdach  fort!  Kienie, 
viereckige  Fialen  von  1  '-  Stein  Stärke  mit  Spuren  von  ehemals  abgefasten  Kanten 
und  Pyramidenabdeckungen  unterbrechen  die  einfache  Oiebelschräge,  die  brand- 
niauerartig  etwa  20  cm  über  Dach  ragt. 

Der  guterhaltene  Westgiebel  ist  für  ein  Dominikanerkloster  auffallend  reich, 
aber  dabei  straff  gegliedert.  Schwierigkeiten  bot  hier  wie  auch  am  Ostgiebel  wohl 
der  Umstand,  daß  die  Längsachse  des  Mittelschiffs  infolge  der  verschiedenen  Breite 
der  Seitenschiffe  nicht  zusammenfiel  mit  der  Mittellinie  des  ganzen  Langhaus- 
raunies.  Doch  tritt  dies  in  der  Ansicht  nur  bei  der  Achsenverschiebung  der  Strebe- 
pfeiler in  Richtung  der  Längsarkaden  zu  den  5  etwa  1  m  starken  Fialen  des  Giebel- 
feldes deutlicher  zutage.  Die  Auflösung  der  einzelnen  Felder  zwischen  den  '.•  Stein 
vor  die  Giebelwand  vorspringenden,  in  der  unteren  Wandflucht  verbleibenden 
Fialen  quadratischen  Querschnitts  mit  Pyramidendächern  zeigt  Bl.  15.  Ab- 
gefast  sind  nur  die  10  breiten  Blenden,  die  zuvor  sämtlich  geputzt  waren;  auffallend 
ist  eine  ansteigende  Rollschicht  von  flacherer  Neigung  als  die  jetzige  krabben- 
besetzte Giebelschräge,  der  im  Innern  ein  gröikrer  Absatz  entspricht.  Da  auch 
der  Ostgiebel  in  seinen  unteren  Ecken  noch  Reste  einer  solchen  zeigt  und  da  ferner 
der  obere  Schnittpunkt  der  beiden  schrägen  Rollen  etwa  in  Höhe  des  Chordach- 
firstes liegt,  ist  der  Schluß  Eichholz'  sehr  wahrscheinlich,  daß  man  ursprünglich 
für  die  ganze  Kirche  nur  1  Firstlinie  schaffen  wollte,  wegen  zu  flauer  Verhält- 
nisse des  Westgiebels  aber  davon  noch  Abstand  nahm,  ehe  man  das  Dach  über 
dem   Langhaus  aufrichtete. 

Auf  dem  15  m  hohen  Hauptgesimsabschlul5  liegt  das  16,50  m  hohe  Sattel- 
dach über  den  3  Langhausschiffen,  früher  wohl  in  seiner  ganzen  Ausdehnung,  heute 
nur  noch  etwa  2  m  vom  First  an  herab  beiderseits  mit  Mönchen  und  Nonnen 
eingedeckt.  Das  Chordach  beginnt  erst  bei  16,30  m,  erhebt  sich  weitere  11  m  bis 
27,30  m  Firsthöhe  und  bleibt  somit  4,20  m  unter  dem  31,50  m  hohen  Schiffsdach- 
first liegen.  Das  mittelalterliche  Kirchendach  aus  Kiefernholz  ist  noch  vollständig 
erhalten  (Bl.  13  u.  17).  Es  zerfällt  über  dem  Langhaus  wieder  in  die  ITaupt- 
konstruktion  über  dem  Mittelschiff  und  die  Nebenkonstruktionen  über  den  Seiten- 
schiffen. Die  75  cm  starken  Übermauerungen  der  Längsgurte  sind  höher  geführt 
als  die  Außenmauern  und  tragen  auf  je  2  Mauerlatten  20/20  in  jedem  Gespärre 
einen  nur  über  das  Mittelschiff  reichenden  Binderbalken  26/30.  Auf  jedem  von 
ihnen  steht  in  der  Längsachse  der  Schiffspfeiler  ein  Stiel  26/26,  mit  jedem  seiner 
Nachbarn  durch  2  Riegel  20/20  und  ein  oberes  Rahm  26/26  in  gleichen  Abständen, 
sodann  durch  2  schräge,  mit  den  Riegeln  in  deren  Mitte  fest  verbundene  Streben 
18/18  zu  einer  gezimmerten  Wand  zusammengefügt.  Ein  weiterer  Ankerbalken  23/23 
in  mittlerer  Höhe  der  Stiele  und  ein  etwas  stärkerer  Kehlbalken  auf  dem  Rahm, 
beide  auch  in  jedem  einzelnen  Gespärre  vorhanden  und  mit  den  zugehörigen 
Stielen  durch  angeblattete  und  -genagelte  Kopfbänder  21  21  verbunden,  versteifen 
die  beiden  gezimmerten  Wände  gegeneinander. 

Die  Oberkonstruktion  des  Mittelschiffsdaches  ist  die  bei  norddeutschen  Hallen- 
kirchen wohl  am  meisten  gebräuchliche;  Der  Raum  zwischen  den  eben  erwähnten 
Kehlbalken  und  der  Firstlinie  wird  durch  einen  weiteren  Spannbalken  in  2  gleiche 
Teile  geteilt.  Kreuzstreben  fassen  den  Spannbalken  mit  und  bilden  feste 
Dreiecksverbände.  Eine  Art  Sparrenfuß  sichert  die  Verbindung  der  Sparren  mit 
dem  untersten  Kehlbalken.    Am  oberen  Ende  liegt  ein  Hahnenbalken. 


—    133   — 

Über  den  Seitenschiffen  finden  sich  statt  einer  Verankerung  der  2  Mauerlatten 
durch  einen  Binderbalken  ein  fester  SparrenfuR  und  ein  Paar  gekreuzter  Streben, 
die  die  Sparren  mit  der  gezimmerten  Wand  verbinden.  Die  einzelnen  Sparren  sind 
am  unteren   Ende  eingezapft  und   iiaben   kleine  Aufschieblingc. 

Bemerkenswert  ist  die  1  lolzkonstruktion  am  westlichen  Teil  des  ehemaligen 
Chorwestgiebels. 

Über  dem  Chor  hat  jedes  Gespärre  auf  beiderseits  2  Mauerlatten  20/20 
Binderbalken  24  30,  auf  deren  Mitten  eine  gezimmerte  Wand  ähnlicher  Ausbildung 
steht  wie  über  den  Längsgurlen  des  Schiffs.  Die  20  20  starken  Stiele  dieser  Wand 
gehen,  im  Gegensatz  zu  zahlreichen  ähnlichen  Dächern,  nicht  bis  zum  First  durch, 
sondern  laufen  unter  dem  mittelsten  der  3  voriiandenen  Spannbalken  m/23  in  eine 
Art  ebenso  starker  Pfette.  Übergroße  Belastung  der  Bindcrbalken  durch  die  ge- 
zimmerte Wand  verhindern  2  2  schräge  Str-ben,  die  von  den  Sparren  23  23  je 
über  einen  Spannbalken  weg  zum  zugehörigen  Stiel  laufen  und  diesen  zu  einer  Ar. 
Ilängesäulc  machen.  Da  die  Sparren  am  Fuß  in  den  durchgehenden  Binderbalken 
eingezapft  sind,  ist  das  schräge,  aufgeblattete  Holz  18  18  daselbst  eigentlich 
überflüssig. 

Am  Chorschluß  sind  senkrecht  zum  letzten  Binderbalken  Sticfibalken  an- 
gezapft, und  der  Sparren  in  der  Ebene  der  gezimmerten  Wand  ist  mit  dem  letzten  Ge- 
spärre durch  zahlreiche  Streben  kräftig  verbunden.  Alle  andern  Sparren  des 
Polygons  sind  nur  durch  1  Strebe  unterstützt,  wie  die  punktierte  Horizontal- 
projektion auf  Bl.  17  zeigt. 

Von  einer  Erneuerung  dieser  Dachstühle  wird  uns  zu  keiner  Zeit  berichtet. 
Es  spricht  somit  nichts  dagegen,  ihre  Entstehung  im  Hinblick  auf  ihre  frühe 
Konstruktionsart  für  die  Zeit  des  ersten  Kirchenbaues  anzusetzen,  tur  da? 
14.  Jahrhundert. 

Über  dem  2.  Chorjoch  findet  sich  noch  innerhalb  des  Dachraumes  die  untere 
Konstruktion  eines  ehemaligen  sechseckigen  Dachreiters  von  nur  etwa  2 '-  m  Durch- 
messer. Seine  6  Stiele  stehen  zu  je  2  auf  Schwellen  in  der  Längsrichtung  der  Kirche 
und  sind  in  deren  Hauptachsen  durch  zahlreiche  Streben  und  angeblattete  Kopf- 
bänder miteinander  verbunden,  so  daß  die  gezimmerte  Wand,  die  für  das  <ranze 
Chordach  einen  wirksamen  Längsverband  bildet,  auch  dem  Dachreiter  festen  Halt 
bot.     Die  schraffierten  Hölzer  geben  die  Konstruktion   in  der  Mittelachse  wieder. 

Schon  bei  Petzold  am  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  ragte  dieser  Dachreiter 
nicht  mehr  über  das  Dach  empor,  und  auch  die  späteren  Städtebilder  zeigen  nur 
den  jetzt  noch  vorhandenen  massiven,  schlanken,  unten  viereckigen  Turm,  der  sich 
nicht  schon  seit  Errichtung  des  letzten  Langhausjoches,  sondern  erst  seit  1469  an 
der  südlichen  Wand  zwischen  dem  1.  und  2.  Chorjoch  erhebt,  also  auch  nicht 
von  Anfang  an  geplant  war,  wie  Eichholz  vermutet,  ferner  nicht  „auf  dem  Giebel 
gegen  Mittag"  stand,  wie  Büsching  nur  auf  Grund  eines  undeutlichen  Bildes  an- 
geben kann,  bei  dem  noch  dazu  der  ganze  Chor  fehlt  und  der  Turm  selbst  bis  zum 
Dach  quadratisch  dargestellt  ist').  Bl.  16  zeigt  in  einem  Vertikal-  und  4  Horizontal- 
schnitten,  wie  dieser  sichtbare,  schraffiert  dargestellte  Turm  einen  älteren,  zum  Teil  in 
der  Kirchenwand  liegenden  und  nur  noch  bis  etwa  zur  Traufe  des  Chordachs  vor- 
handenen Treppenturm  ummantelt,  wobei  dem  inneren  Turm  also  nur  mittelbar 
spärliches  Licht  zugeführt  wird;  wie  er  ferner  am  oberen  Ende,  etwa  in  Firsthöhe 
des  Chordachs,  aus  dem  viereckigen  in  einen  achteckigen  Querschnitt  übergeleitet 
ist  und  schließlich  unter  der  hölzernen  Turmhaube  mit  einem  2  Schichten  hohen 
steinernen  Profilgesims  abschließt.  In  welcher  Weise  in  Höhe  des  Hauptgesimses 
der  Übergang  von  der  alten  in  die  breitere  neue  Turmwand  erfolgt,  konnte  nicht 
festgestellt  werden;  vermutlich  spannt  sich  ein  angemessen  breiter  Bogen  von  der 
Chorwand  bis  zur  gegenüber  liegenden  Turmwand. 

Den  Zugang  zum  Kirchendach  vermittelt  noch  heute  die  alte,  nach  rechts 
steigende  Wendeltreppe  mit  15  cm  dicker  Spindel  und  62  cm  Laufbreite  der  41  ge- 
mauerten Stufen  von  ähnlicher  Technik  und  Konstruktion  wie  bei  der  Steintorturm- 
treppe.  Eine  spitzbogige  Tür  führt  oben  in  den  Zwickel  zwischen  dem  1.  und 
2.  Chorjoch.  Die  Stufen  werden  getragen  von  einem  schraubenförmig  ansteigen- 
den Gewölbe  mit  segmentbogigem  Vertikalschnitt.  Die  Wendeltreppe  beginnt  erst 
etwas  unter  dem  früheren  Obergeschoß.  Zu  einem  größeren  Podest  vor  ihrer  spitz- 
hügigen,  profilierten  Eingangstür  (B.  16,  Abb.  P4)  führt  ein  1,55  m  brtiter, 
gerader  Treppenlauf  von  17  Steigungen  unter  dem  dortigen  Strebepfeiler  weg,  der 
durch  je  einen  profilierten  Spitz-  und  Rundbogen  (Bl.  16,  .-Xbb.  P  3)  in  angemesse- 


')  J  Büsching,  S.'W:  Abbildung  u  a  bei  A.  Büsching,  Reise  nach  Rekaliii,  Anliaiig.  Tab.  II. 


Braiulenbiirg 


-     134    - 

ner  Höhe  abgefangen  wird.  Die  Decke  dieses  Treppenhauses,  von  der  innen  profi- 
lierten, spitzbogigen  Haustür  bis  zum  Strebepfeiler  massiv  als  ansteigende  Segment- 
tonne, im  weiteren  Verlauf  als  Balkendecke  gebildet,  ist  vielleicht  ebensowenig  mehr 
mittelalterlich  wie  die  ganze  innere  Aufteilung  dieses  Ostgebäudes. 

Der  äußere  Turm  steht  mit  seiner  dem  Chor  zugekehrten  Seite  auf  dessen  Um- 
fassungsmauer. Dadurch  erhält  der  im  Grundriß  zunächst  quadratische  Querschnitt 
von  der  Chortraufe  an  einen  größeren  Durchmesser  in  nordsüdlicher  Richtung. 
Die  Schmalseilen  werden  durch  3,  die  Breitseiten  durch  4  schlanke,  geputzte  Spitz- 
bogenblenden  geschmückt.  Die  jetzigen  beiden  welschen  1  lauben,  bei  Petzold  be- 
reits vorhanden,  mit  der  durchbrochenen  Laterne  dazwischen  sind  erst  1717')  unter 
gleichzeitiger  Erneuerung  des  Glockenstulils  aufgesetzt,  als  der  baufällige  Turm  mit 
großen  Unkosten  durch  den  Zimmermeister  Balthasar  Sandner  ausgebessert  wurde. 

An  dem  Kirchengebäude  sind  4  verschiedene  Bauzeiten  erkennbar: 

1.  Am  ältesten  ist  offenbar  der  Chor,  wie  schon  Eichholz  feststellte,  obwohl 
Adler  ihn  wegen  seiner  aus  2  Profilsteinen  gebildeten  Fensterleibungen  und  wegen 
der  bis  unten  durchgeführten  Blenden  des  östlichen  Langhausgiebels  für  jünger  als 
das  Langhaus  hält.  Man  erkennt  nämlich  noch  auf  beiden  Seiten  in  den  jetzigen 
Ostwänden  der  Seitenschiffe  die  Reste  der  früheren  Chorstrebepfeiler  im  regelrechten 
Verbände  mit  den  Chormauern;  sie  sind  so  weit  stehengelassen  worden,  wie  es  bei 
Anbringung  schmaler  Fenster  in  den  Ostwänden  dieser  Seitenschiffe  möglich  war. 
Ferner  ragt  auf  der  Südseite  im  Dachboden  sogar  noch  das  Chorgesims  ein  Stück 
durch  den  jetzigen  Ostgiebel  des  Schiffes  hindurch,  etwa  so  weit,  wie  der  dortige 
ehemalige  Strebepfeiler  reichte.  Zudem  tragen  die  Dienstkapitelle  mit  aufgelegten 
Wein-  und  Efeublättern,  die  Nische  in  der  Chorsüdwand,  das  kräftige  Maßwerk 
und  die  Kapitelle  im  Stabwerk  der  3  südlichen  Fensterblenden  so  ausgesprochen 
den  Charakter  deutscher  Frühgotik,  daß  man  den  Chor  mit  den  bereits  profilierten 
Leibungen  seiner  Fenster  im  Hinblick  auf  Prenzlau  und  Berlin  wenn  auch  nicht 
mehr  für  das  Jahr  1286,  so  doch  sicherlich  für  die  Zeit  um  1300  ansetzen  kann. 

2.  In  fast  unmittelbarem  Anschluß  daran  müssen  das  6.  und  zum  mindesten 
die  Hälfte  des  5.  Langhausjoches  entstanden  sein.  Sie  zeigen  noch  das  gleiche 
strenge  Maßwerk  —  das  übrigens  an  dieser  ganzen  Ostpartie,  entgegen  sonstiger 
Gewohnheit,  sehr  mannigfache  Zeichnungen  hat  — ,  und  ihr  kleines  Nordportal 
hat  gleiche  Profile,  wie  die  Chorfenster.  Dagegen  sind  die  Fensterleibungen  teils 
ganz  glatt,  teils  weisen  sie  doch  nur  einen  Profilstein  auf,  und  auf  der  Südseite 
findet  sich  nur  noch  e  i  n  wenig  vorspringender  Strebepfeiler.  Ein  Putz- 
streifen, wie  er  sich  unter  dem  ganzen  Chorhauptgesims  hinzieht,  fällt  dagegen 
vollständig  fort.  Da  der  Rat  der  Stadt  schon  1306  den  Mönchen  unter  mancherlei 
Vorrechten  besondere  Bauerlaubnis  für  den  von  Otto  geschenkten  Platz  erteilte, 
1311  ihnen  der  Inschrift  nach  ausdrücklich  „ein  Platz ...  zu  dieser  kirchen  ge- 
schanket"  wurde,  mögen  die  beiden  Ostjoche  des  Langhauses  ebenfalls  am  Anfang  des 
14.  Jahrhunderts  entstanden  sein. 

3.  Die  4  letzten,  westlichen  Joche  zeigen  gegen  den  östlichen  Teil  zahlreiche 
Unterschiede:  Die  Strebepfeiler  der  Nordseite  werden  sämtlich  einen  halben  Stein 
schmaler  als  zwischen  dem  5.  und  6.  Joch,  verschwinden  auf  der  Südseite  sogar 
ganz;  das  Hauptgesims  rückt  schon  von  der  Mitte  des  5.  Joches  an  sprungweise 
beiderseits  ein  bezw.  zwei  Schichten  tiefer  herab  und  ändert  sein  Profil  etwas;  das 
weniger  strenge  Maßwerk  zeigt  späteren  Charakter;  das  Format  der  überall 
gelblichroten  Steine  zwischen  vollgestrichenen  Fugen,  am  Chor  etwa  30:14:9, 
verringert  sich  auf  etwa  28,5  :  13,5  :9,5;  das  sehr  reich  profilierte  Hauptportal  trägt 
keinen  Blattschmuck  mehr,  sondern  die  im  14.  Jahrhundert  üblichen  getäfelten 
Kapitelle.  Wenngleich  an  der  ganzen  Kirche  Einheitlichkeit  des  Planes,  der  Joch- 
breiten, der  Sockel-,  Gurt-  und  Gesimshöhen,  der  überall  strengen  frühgotischen 
Formen,  der  attischen  Basen  auch  im  Schiff,  der  gleichen  Rippen-  und  Gurtprofile  usw. 
als  ein  Beweis  für  Errichtung  der  einzelnen  Teile  in  nicht  allzulangen  Abständen 
gelten  muß,  mag  dieser  westliche  Langhausteil  doch  wohl  erst  um  die  Mitte  des 
14.  Jahrhunderts  vollendet  worden  sein. 

4.  Noch  jünger  ist  der  massive  Kirchturm  an  der  südlichen  Chorwand,  durch 
den  auch  das  Hauptgesims  des  Westgebäudes  hindurchschießt  und  der  überall  den 
im  späteren  Mittelalter  üblichen  Fugenstrich  aufweist.  Urkundlich'-)  wurde  er 
frühestens  1460  begonnen  und  146U  vollendet. 


>)  Qoltschling,  S.  91. 

2)  S.I.Teil,  die  Geschichte,  §2,  Besitzverhältnisse. 


135    - 


Fig.  15.    Kk 


IliIil.,  Ues  ehemaligen  Brandenburger  Der.::. .,;.„. .^ .-..  -. 

Mit  Genehmigung  der  Kgl.  Meßbildanstalt  zu  Berlni. 


An  die  Südwand  von  Kirche  und  Chor,  derart,  daß  beiderseits  ein  Stück  der 
Kirche  noch  darüber  hinausragt,  stoßen  gegen  diese  das  östliche  Klausurgebäude 
von  14,26  m  und  das  westliche  von  10,77  m  Breite.  Ein  zweigeschossiger  Kreuz- 
gangsflügel an  der  Kirche  selbst,  dem  eigenes  Hauptgesims  fehlt  und  dessen  obere 
Lichtöffnungen  statt  massiven  Sturzes  direkt  die  Mauerlatten  des  Pultdaches  tragen, 
der  ferner  in  der  südwestlichen  Ecke  zwischen  Chor  und  Langhaus  ursprünglich 
durch  2  Joche  erweitert  war,  von  denen  das  östliche  jetzt  durch  den  Turm  eingenom- 
men wird;  sodann  ein  südliches  Klausurgebäude  von  11,96  m  Breite  schließen  mit 
den  vorerwähnten  Flügelbauten  einen  rechteckigen  Hof  von  i.  M.  22.0t  m  Länge 
und  18,82  m  Breite  ein. 

Rings  um  den  Hof  zieht  sich  der  2,02  m  breite  und  bis  zum  Schlußstein  der 
Kreuzrippengewölbe  auf  Konsolen  4,25  m  hohe  Kreuzgang,  die  einzige  bei  den 
hier  besprochenen  Klöstern  sowie  in  der  Stadt  Brandenburg  wohlerhaltene  Anlage 
ihrer  Art.  Konsole,  Wandbogen  und  Rippe  zeigt  Bl.  18,  Abb.  BS.  10,  11.  Der 
Länge  nach  öffnen  sich  8,  der  Breite  nach  7  Joche  in  Spitzbogenfenstern  mit  zwei- 
teiligem Pfostenwerk,  ohne  Nasen  oben  einfach  spitzbogig  zusammenlaufend,  nach 
dem  Innenhofe  zu  (Bl.  16).  Es  ist  nicht  mehr  verständlich,  woraufhin  Bergan 
angibt,  „die  steinernen  Pfosten  seien  gegenwärtig  (1885)  überall  durch  Holzgitter 
ersetzt".  Die  5  östlichen  Joche  des  südlichen  und  die  6  anschließenden  des  öst- 
lichen Kreuzgangsteils  weisen  neben  äußerer  .^bfasung  innen  profilierte  Leibungen 
auf,  während  sich  bei  den  andern  beiderseits  nur  Fasen  befinden,  teils  um  die 
ganze  Öffnung  herumgeführt,  teils  nur  bis  zum  Kämpfer  reichend.  Je  2  größten- 
teils erneuerte  Strebepfeilerchen  auf  jeder  .Außenseite  verstärken  in  fast  überflüssiger 
Weise  die  Wände  gegen  den  geringen  Gewölbedruck.  In  den  am  4.  lichten  Jocli 
des  Südflügels,  von  Westen  her  gezählt,  erhaltenen,  2,40  m  i.  L.  voneinander  ent- 
fernten Strebepfeilern  vermutet  Eichholz  die  Reste  eines  Brunnenhauses. 

Wir  haben  schon  gesehen,  daß  2  Türen  von  dem  Kreuzgang  die  N'erbinduiig 
mit  der  Kirche  herstellten.  Eine  weitere  Tür  führt  neben  dem  Turm  in  das  Ost- 
gebäude, in  die  Sakristei,  die  sich  südlich  an  das  besprochene  Treppenhaus  an- 
schließt und  durch  eine  rundbogige,  profilierte   Tür  mit  ihm  verbunden  ist.     Drei 


S  2    Kloster- 
gebäude. 


Prnndenbiirg 


-    136    - 

Fensler  ehemals  ^leiclier  Größe  von  1,52  m  Außenmaß,  in  eine  Gruppe  zusammen- 
gefaßt (Bl.  15),  könnten  zu  der  Annahme  führen,  daß  dieser  Raum  früher  noch 
halbmal  so  groß  gewesen  sei ;  doch  läßt  sich  dagegen  mit  Recht  das  Bedenken  einei- 
allzureichlichen  Abmessung  für  die  Sakristei  erheben.  Es  folgte  weiterhin  anscheinend 
ein  Raum  mit  4  Fenstern,  von  denen  die  3  südlichen  mit  je  1,00  m  äußerer  Breite 
wieder  eine  Gruppe  bilden.  Eine  ehemalige  große  Tür  zum  Kreuzgang  mit  reich 
profilierten  Leibungen  (Bl.  16,  Abb.  P  5)  nebst  Kapitellen  und  Basen  und  2  jetzt 
ebenfalls  größtenteils  vermauerte  Fenster  (Bl.  16)  beiderseits  von  ihr  lassen  hier  den 
Kapitelsaal  vermuten.  An  ihn  schloß  sich  wohl,  wie  auch  heute  noch,  eine  Durch- 
gangshalle, durch  ein  großes  Fenster  in  der  Ostwand  erleuchtet  und  durch  eine 
Eingangstür  daneben  mit  einem  ehemaligen  Nebenhofe  in  Verbindung  stehend, 
während  eine  zweite  mit  ununterbrochener  Profilierung  (Bl.  16,  Abb.  P  6)  zum 
Kreuzgang  führte.  Ein  letzter  grol^er  Raum,  über  das  Südgebäude  hinausreichend, 
erhielt  früher  auch  von  Westen  her  Licht  durch  ein  Fenster,  während  er  im  Süden 
und  Osten  je  3  Lichtöffnungen  besaß.  Nur  in  seiner  südwestlichen  Ecke  erinnert 
noch  eine  Konsole  an  frühere  Wölbung,  die  auch  bei  allen  vorherigen  Räumen 
vorauszusetzen  sein  wird.  Wenngleich  die  Dreiteilung  des  Giebels  den  Gedanken 
an  eine  dreischiffige  Anlage  nahelegt,  läßt  doch  die  Mittelteilung  des  nur  kleinen 
Kellers  darunter  mit  seinen  2  2  quadratischen,  im  Westen  und  Norden  von 
schmalen  Fluren  eingefaßten  Kreuzgewölben  zwischen  rechteckigen  Diagonalgurten, 
wie  wir  sie  schon  öfters  an  solcher  Stelle  gefunden  haben,  auch  hier  nur  eine 
Reihe  Stützen  annehmen.  Die  Gewölbebildung,  von  der  in  diesem  Flügel  leider 
jede  weitere  Spur  fehlt,  wäre  dann  ähnlich  wie  bei  dem  Schulraum  im  Westgebäude 
in  Prenzlau  zu  denken.  Wenn  Eichholz  hier  ein  Refektorium  sucht,  wäre  eine 
solche  Lage  desselben  im  Ostgebäude  selbst  bei  Trennung  vom  Kapitelsaal  durch 
eine  Halle  immerhin  ganz  außergewöhnlich;  viel  eher  könnte  man  hier  den  Tages- 
und Arbeitsraum  der  Mönche  annehmen,  der  sich  häufig  gerade  an  dieser  Stelle 
findet.  Eichholz'  weiterer  Annahme,  daß  ein  quadratischer  Raum  mit  großem  Rauch- 
fang, nicht  weit  von  der  Südostecke  dieses  Flügels  in  dem  Spittel  liegend,  die  alte 
KTosterküche  sei,  vermag  ich  mich  nicht  anzuschließen,  einmal,  weil  die  Kloster- 
küche regelmäßig  möglichst  weit  vom  Chor  weg  in  der  südwestlichen  Ecke  zu 
liegen  pflegte,  sodann,  weil  mir  dei'  Gebäudeteil  mit  dem  Tagesraum  erst  eine 
spätere  Hinzufügung  zu  sein  scheint'),  da  er  einen  eigenen  und  mit  Blenden  verzierten 
Ostgiebel  des  Südgebäudes  unorganisch  verbaut.  Irgendwelche  Spuren  einer  An- 
stückelung  konnten  an  den  in  Frage  kommenden  Anschlußteilen  nicht  festgestellt 
werden,  da  das  Ostgebäude  innen  und  außen  verputzt  ist. 

Sämtliche  Erdgeschoßfenster  hatten  profilierte  Leibungen,  waren  außen  spitz- 
bogig  und  unter  Belassung  einer  dreieckähnlichen  Putzfläche  mit  flachen  Segment- 
stichbögen  überwölbt  (Bl.  15).  Die  zwei  Etagen  Fenster  darüber  suid  neu  und 
entstammen  nebst  der  ganzen  jetzigen  horizontalen  und  vertikalen  .Aufteilung  im 
Innern  dem  16.  Jahrhundert.  Bl.  17  zeigt  eine  hölzerne  Stütze  aus  dieser  Zeit.  In 
vorreformatorischer  Zeit  war  nur  ein  Raum  mit  offenem  Dachstuhl  im  Obergeschoß 
vorhanden,  der  sich  über  das  ganze  Erdgeschoß  von  der  Kirche  bis  zum  Südgiebel 
(Bl.  15)  mit  seinen  3  schlanken,  früher  mit  Maßwerk  geschmückten  Fenstern  hinzog; 
das  östliche  von  ihnen  ist  zum  Teil  noch  erhalfen.  Auf  dem  jetzigen  Dachbeden  sind 
noch  die  alten  Fensteröffnungen  als  tiefe,  innen  flachbogige  Nischen  gleicher  Achsen- 
weite vorhanden,  die,  in  der  Westwand  außen  noch  als  profilumrahmte  Rechteckfenster 
von  60  cm  Breite  i./L.  erkennbar,  ehedem  diesem  Schlafsaal  von  beiden  Längsseiten 
aus  Licht  gaben.  Das  Obergeschoß  des  Kreuzgangs  nämlich  ist  hier  deutlich  als 
spätere  Zutat  erkennbar  (Bl.  16).  Auf  der  Liofseite  bezeichnet  ein  kleiner 
Mauerabsatz  die  Stelle,  von  der  an  die  Außenwand  höher  geführt  ist;  eine  vor- 
gckragte  Schicht  unter  der  Sohlbank  der  ehemaligen  Hoffenster  läßt  hier  den  An- 
schluß des  alten  Pultdaches  suchen. 

Das  Dach  ist  dem  Hauptdacli  nur  als  Nebenkonstruktion  aufgelegt.  Ein 
Hauptgesims  aus  Rundstäben  mit  deutschem  Band  läßt  sich  über  die  ganze  West- 
seite dieses  Flügels  hin  durch  den  Glockenturm  hindurch  bis  in  sein  Inneres 
hinein  verfolgen.  Auf  Bl.  13  ist  der  alte  und  neue  Zustand  nebeneinander  dar- 
gestellt.    Das  heutige  Hauptgesims  der  Ostseite  zeigt  Bl.  16,  Abb.  H  4. 

Die  Nichtbenutzung  des  jetzigen  2.  Obergeschosses  zu  Wohnräumen  hat 
hier  zahlreiche  Spuren  figürlicher  Darstellungen  besonders  an  den  beiden  Schmal- 
seiten und  rahmenartig  umrandete,  gemalte  Felder  mit  einfachen  Mustern  an  den 
Fensterpfeilern   erhalten,  in  denen  vielleicht  Sprüche  gestanden   haben.     Im   übrigen 

')  s.u.  a.  den  Raurili  von  St.  üalleii,  auf  dem  diese  ganze  Vxke  auch  iiiclil  i'ugtbaul  ist. 


137 


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finden  sich  hier,  wie  auch  anderwärts  im  Kloster,  noch  eini<;e  ahe  Kamine  ein- 
facher Form. 

Im  Süd-  und  Westgebäude  war  der  Kreuzgang  von  Anfang  an  zweigeschossig. 
2  biendengeschmückte  Giebel  sind  an  den  Schmalseiten  des  Südgebäudes  in  die 
Höhe  (Tefülirt,  der  östliche  jetzt  fast  ganz  im  Dachboden  des  Ostgebäudes  liegend, 
und  zwar  über  der  Westmauer  dieses  Flügels;  der  westliche  mit  7  an  den  Kanten 
abgefasten  und  durch  1  Stein  breite  Pfosten  getrennten  Blenden  verziert,  die  oDen 
miP  einem  einhüftigen,  zur  .\Aitte  hin  steigenden  Kreisbogen  abgeschlossen  sind 
(Bl.  15);  beide  am  First  mit  einer  kleinen  Fiale  von  quadratischem  Querschnitt 
und  mit  viereckigem  Pyramidendach  geschmückt.  .\uch  das  Westgebäude  weist  dort, 
wo  es  gegen  das  südliche  stößt,  einen  jetzt  größtenteils  nur  innen  noch  sichtbaren 
Blendengiebel  auf  (Bl.  15). 

Die  ehemalige  Benutzung  der  Räume  in  diesen  beiden  Klausurgebäuden  ist 
nur  in  wenigen  Fällen  zu  bestimmen;  Unmittelbar  an  dem  Ostgebäude  entlang  führt 
von  dem  östlichen  Kreuzgangsteil  in  dessen  Verlängerung  durch  eine  Tür  mit 
größtenteils  zerstörter  Profilierung  der  Leibung  eine  noch  vorhandene  breite 
Treppe  mit  gemauerten  Stufen  auf  daruntergespanntem  Gewölbe  hinauf  in  das 
Obergeschoß.  Daruntei-weg  gelangte  man  zuvor  von  dem  südlichen  großen  Raum 
des  Ostgebäudes  sowohl  zum  Hof  als  auch  in  einen  andern  langgestreckten  Raum 
nnt  Balkendecke  auf  mittleren  Holzstützen,  vermutlich  ein  altes  Refektorium;  von 
diesem  wieder  durch  3  Türen  in  den  Kreuzgang,  auf  den  Hof  und  m  ein  fast  quadra- 
tisches Gemach  mit  einem  großen  Rippenkreuzgewölbe.  Dahinter  liegt  ein  mit 
Segmenttonne  gewölbter  Verbindungsflur  in  der  Verlängerung  des  westlichen 
Kix'uzgangsteils,  von  diesem  durch  Profiltür  (Bl.  16,  Abb.  PI)  ohne  Kapitell  und 
Basen  "zugänglich.  Ein  zweiteiliger,  mit  2  durch  einen  Gurtbogen  getrennten  Rippen- 
kreuzgewölben überdeckter  Raum  bildet  den  Westabschluß  dieses  Gebäudes.  Die 
einstige  Bestimmung  ist  nicht  mehr  erkennbar,  ebensowenig  wie  bei  dem  nach 
Norden  sich  anschließenden  Gemach  mit  teilweise  erhaltener  spätgotischer,  kunstlos 
bemalter  Holzdecke  und  dem  Stück  eines  Inschriftenfrieses  darunter,  die  einer  nach- 
träglich gespannten  Zwischendecke  ihre  Erhaltung  verdanken.  Nach  dem  kleinen 
Stadtgrundriß  bei  Heffter  schloß  sich  rechtwinklig  an  das  Westgebäude  nach 
Westen  zu  ein  ziemlich  langer  Seitenflügel  an,  etwa  von  der  Größe  der 
Bibliothek.  Wegen  des  kleinen  Maßstabes  wohl  ist  er  irrtümlich  vor  den  dortigen 
Giebel  gesetzt.  Die  Außenwand  ist  an  dieser  Stelle  jetzt  rot  übertüncht,  so  daß 
nur  noch  ungefähr  festgestellt  werden  kann,  daß  neben  obigem  Giebel  nach  Norden 
zu  ein  etwa  um  1  m  niedrigeres,  auch  zweigeschossiges  Gebäude  gegengestoßen  hat. 
Spärliche  Kalkanschlußspuren,  über  die  Fenster  weglaufend,  sowie  Beschädigung 
des  Hauptgesimses  (Bl.  16,  Abb.  H  2)  lassen  dieses  ehemalige  Gebäude  jünger 
erscheinen  als  den  Westflügel.  Jetzt  vermauerte  Fenster  von  45  ■  45  cm  lassen  hier 
am  Südende  des  Westgebäudes  frühere  Kellereien  vermuten. 

Der  folgende  Raum,  ebenfalls  durch  eine  Tür  und  2  Seitenfenster  zum 
Kreuzgang  hin  geöffnet  gewesen,  mit  3  stark  oblongen  Kreuzgewölben  mit  un- 
gekehlten  Birnstabrippen  auf  Konsolen  und  ohne  Schlußsteine,  war  vielleicht  Schul- 
raum. Nur  über  diesem  findet  sich  auch  im  Obergeschoß  der  Klausurgebäude, 
durch  eine  Profiltür  zugänglich,  ein  dreiteiliger,  gewölbter  Raum  unbekannter  Be- 
stimmung mit  eigenartiger  Linienführung  der  Rippen  (Bl.  16  und  Bl.  18,  Abb.  7,  0,  1 1). 
Alles  andre  ist  oben  mit  flacher  Decke  versehen.  Im  Südgebäude  waren  vielleicht 
die  Zellen,  im  Westgebäude  ein  größerer  Lagerraum. 

Der  Schulraum  liegt,  genau  so  wie  wir  es  in  Pienzlau  gefunden  haben,  un- 
mittelbar an  dem  Verbindungsflur,  der  sich  vom  nördlichen  zweigeschossigen 
Kreuzgangsteil  aus,  unten  etwa  2  m  i./L.  breit,  an  der  Kirchenwand  entlang  gleichfalls 
zweigeschossig  nach  Westen  zu  anschließt,  hier  die  Verbindung  herstellend  mit 
einem  besonderen,  zweigeschossigen,  unten  wie  oben  flachtonnenartig  gewölb- 
ten Portalgebäude  (Bl.  14—16).  In  dessen  Mitte  liegt  im  Erdgeschoß  noch  heute 
die  Hofeinfahrt;  östlich  davon  erleuchtete  eine  große  Spitzbogenöffnung  eine  Vor- 
halle, vielleicht  eine  Pförtnerstube,  die  zur  Durchfahrt  hin  eine  kleine  Spitzbogentür 
besitzt;  westlicli  war  ein  etwas  größerer,  aber  ebenso  schmaler  Raum  abgetrennt, 
gleichfalls  durch  eine  Tür  von  der  Durchfahrt  aus  zugänglich.  Er  bildete  die  N'orhalle 
zu  dem  unten  5,Q0  X  19,50  m  i.'L.  grolkn,  dem  Kirchengiebel  parallelen  Bibliotheks- 
gebäude. Dieses  hat  3  nur  im  Obergeschoß  erhaltene  hochbusige,  zwischen  ge- 
kehlten Birnenrippen  (Bl.  18,  Abb.  B  12—13)  gespannte  Kreuzgewölbe  ohne 
besondere  Quergurte  und  Wandbögen.  Sie  erhoben  sich  zwischen  den  bis  auf 
15  cm  äußerer  Vorlage  nach  innen  gezogenen  und  an  den  Langseiten  durch  75  cm 
dicke,  im  Erdgeschoß  an  den  Kanten  abgerundete  oder  abgefaste  Spitzbögen  vei- 


Brandenbur" 


—    140    - 

bundenen,  92  cm  breiten  Strebepfeilern  (Bl.  14)  von  je  4  vorzüglich  gearbeiteten 
Eck-  und  Mittelkonsolen  aus  Backstein  mit  reichem,  kräftig  modelliertem  Blatt- 
schmuck. Ihre  flach  ornamentierten  Schlußsteine  weisen  in  kreisförmiger  Um- 
rahmung Adler,  Wappen  mit  3  Palmen  und  Heiligenbild  auf. 

Dei  Vorraum  scheint  in  jedem  Geschoß  ebenfalls  durch  einen  großen  Spitz- 
bogen nach  den  beiden  größeren  Oewölberäumen  hin  geöffnet  gewesen  zu  sein.  Ob 
wir  nur  oben  ein  Bibliothekszimmer  annehmen  können,  unten  aber  vielleicht  eine 
Marienkapelle  vermuten  dürfen,  wie  sie  anderswo  bei  den  Torhäusern  sicii  fmdet, 
läßt  sich  aus  nichts  mehr  schließen,  zumal  die  Wände  jetzt  mit  weißem  Innen- 
anstrich bedeckt  sinti. 

Während  im  Süd-  und  Westgebäude  im  1.  Stock  des  Kreuzgangs  die  nur 
40  cm  i./L.  breiten,  niedrigen  Fenster  mit  oberen  Segmentbögen  und  abgefasten 
Kanten,  in  kleinen,  ihrem  Umriß  folgenden  Nischen  liegend,  vollständig  erhalten 
geblieben  sind,  zeigen  sich  die  nach  außen  zu  liegenden  jetzt  großenteils  verändert. 
Nur  wenige  lassen  noch  ehemalige  Spitzbogenform  erkennen,  in  deren  Bogenfeld 
sich  wie  am  Ostgebäude  eine  Putzblende  befand,  nach  unten  zu  durch  einen  Segment- 
bcgensturz  abgeschlossen.  Andre,  namentlich  im  Westgebäude,  waren  wohl  stets 
rechteckig  oder  doch  segmentbogig.  Am  Torgebäude  aber  mit  seinen  etwa 
2,20  ^  2,70  m  großen  Segmentbogenfenstern  auf  den  beiden  Langseiten  stößt  das 
dreiteilige  Pfostenwerk  noch  in  roher  Weise  einfach  gegen  den  oberen  Sturz.  Nur 
an  den  drei  freien  Seiten  des  Bibliotheksgebäudes  und  an  der  westlichen  Schmal- 
seite des  Verbindungsganges  finden  sich  Reste  von  reich  profilierten,  1,94  m  i./L. 
breiten  und  3,30  m  hohen  Spitzbogenfenstern  mit  dreiteiligem,  sehr  zierlich  ge- 
gliedertem, in  den  einzelnen  Fenstern  zumeist  verschiedenem  Pfostenwerk,  das  sich 
oben  spitzbogig  zusammenschließt. 

Gesims  und  Sockel  sind  bei  Pförtnerhaus  und  Bibliotheksgebäude  aus 
gleichem  Profil  gebildet,  wie  es  sich,  nur  etwas  größer,  als  Rest  beim  Kirchen- 
sockel findet. 

Die  Dächer  dieser  Klostergebäude  könnten  ihrer  Konstruktion  nach  noch 
dem  Mittelalter  angehören:  Im  Westgebäude  (Bl.  16)  fehlt  jeglicher  durchgehende 
Balken  in  der  Längsrichtung;  dem  oberen  Gewölbedruck  begegnen  hier  einige 
Versteifungsbögen  über  dem  oberen,  übrigens  ringsum  nicht  gewölbten,  stets  zum 
Dach  hin  offenen  Kreuzgang.  Jedes  Gespärre  hat  einen  von  Kreuzstreben  gefaßten, 
über  der  Innenwand  durch  einen  Stiel  gestützten  Kehlbalken  und  einen  Hahnen- 
balken sowie  2  feste  Sparrenfüße,  entspricht  also  im  Konstruktionsprinzip  genau 
dem  Dach  über  dem  Kirchenmittelschiff. 

Beim  Dach  über  dem  Ostgebäude,  das  nach  der  Kalkspur  an  der  südlichen 
(  horwand  in  ältesten  Zeiten  höher  gewesen  sein  muß,  war  der  Raumgedanke  für 
die  Konstruktion  maßgebend  (Bl.  16):  Das  Dormitorium  mußte  bei  seiner  bedeu- 
tenden Länge  auch  eine  angemessene  Höhe  haben,  und  so  wurde  ein  Teil  des 
Dachraumes  mitbenutzt.  Trotz  mancher  Reparaturen  ist  der  ursprüngliche  Zustand 
noch  leicht  erkennbar:  Auf  2  Mauerlatlen  ruhten,  wo  jetzt  durchgehende  Balken 
eine  Decke  tragen,  früher  wohl  zumeist  nur  SparrenfüBe;  höchstens  daß  hin  und 
wieder  ein  Ankerbalken  hindurchging.  Liegende  Stühle  tragen  die  Sparren,  unter  sich 
durch  2  Riegel  versteift,  mit  doppelten  Spannbalken,  die  von  einer  großen  Strebe 
gefaßt  werden.  Oben  ist  wieder  ein  Hahnenbalken.  Über  dem  nachträglich  auf- 
geführten Obergeschoß  des  Kreuzgangs  an  dieser  Seite  ist  dann  in  einfacher 
Weise  ein  Schleppdach  mit  Binderbalken  und  2  Streben  zum  Hauptdach  hinzu- 
gefügt, so  daß  die  beiden  Dachseiten  verschiedene  Neigung  zeigen.  Der  Kreuz- 
gangsteil an  der  Kirche  hat  nur  Sparrenlagen  mit  festem  Sparrenfuß  auf  2  Mauer- 
latten, während  am  Anschluß  des  Pultdaches  an  die  Kirchenwand  eine  Firstpfette 
auf  vorgestreckte,  in  die  Wand  ragende  Holzkonsolen  gelegt  ist. 

.ähnliche  Konstruktion  wie  das  Westgebäude  zeigt  das  wohlerhaltene  Dach 
der  Bücherei,  nur  wegen  geringerer  Spannweite  vereinfacht:  Der  Hahnenbalken 
fällt  weg,  und  die  Kreuzstreben  laufen  in  den  Sparrenfuß. 

Von  den  Klostergebäuden  wird  zunächst  der  nördlichste  Teil  des  Ostgebäudes 
bis  zum  2.  oder  3.,  noch  verhältnismäßig  schmalen  Fenster  der  Außenseite  gleich- 
zeitig mit  dem  Chor  um  1300  errichtet  worden  sein. 

Es  folgte  dann,  vermutlich  am  Anfang  des  14  Jahrhunderts  Fei  Erteilung  der  Bau- 
erlaubnis für  den  bisherigen  Platz  und  bei  Zuwendung  weiteren  Baulandes,  wohl  die 
Errichtung  des  ganzen  östlichen  Kreuzgangsteils  und  der  4  lichten  Joche  in  seinem 
nördlichen  und  südlichen  Flügel  nebst  seiner  Erweiterung  um  2  Joche  in  der  süd- 


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-    143    - 

östlichen  Ecke  zwischen  Chor  und  Langhaus;  ferner  die  Aufführung  der  anliegenden 
Teile  des  Südgebäudes  und  des  weiteren  Ostgebäudes,  aber  nur  bis  zum  Schluß  der 
ehemaligen  Halle,  das  ist  bis  zum  Anfang  des  südlichen  Kreuzganys;  das  Südgfbäude 
weist  nämlich,  wie  bereits  erwähnt,  dort  einen  heute  im  Dach  liegenden  Giebel  mit 
Blenden  auf,  der  also  ehedem  freigelegen  haben  rmiR.  Die  Kreuzgangsfenster 
zeigen  nur  in  diesem  Teil,  mit  Ausnahme  der  Joche  am  Langhaus,  profilierte 
Leil)ungen  auf  der  Innenseite.  Auch  die  durchgehende  Gerade  in  der  Kirchenquer- 
achse fände  in  der  Ausfüllung  einer  damals  nur  bis  hier  reichenden  Baustelle  eine 
Erklärung. 

Daran  schloli  sich  um  die  .Witte  des  14.  Jahrhunderts  die  Aufführung  des 
noch  fehlenden  Westgebäudes  und  des  Kreazgangsteils  an  der  Kirche,  die  auch  in 
den  Konsolen  allenthalben  Übereinstimmungen  mit  dem  entsprechenden  Kirchenteil 
zeigen  und  zudem  die  .Anlage  besonderer  Strebepfeiler  auf  dieser  Seite  entbehrlich 
werden  ließen. 

Erst  nach  einiger  Zeit,  vielleicht  um  1400,  mögen  dann  der  westliche  Teil 
des  Südgebäudes  und  der  südliche  des  Ostgebäudes  vor  die  dortigen  ßlendengiebel 
gesetzt  worden  sein,  während  das  Bibliotheksgebäude  mit  den  breiten  Fugenrissen, 
mJt  seinen  bis  auf  dünne  Vorlagen  nach  innen  gezogenen  und  dort  durch  Spitz- 
bögen verbundenen  Strebepfeilern,  den  reich  und  vielartig  profilierten  Leibungen 
der  Fenster  mit  ihrem  dreiteiligen  Pfostenwerk,  den  fehlenden  Wandbögen  der 
Gewölbe,  dem  späten  Blattschmuck  seiner  Konsolen  den  Charakter  der  Bauten  vom 
Ende  des  15.  Jahrhunderts  trägt.  Im  Verband  damit  steht  das  Torgebäude  mit  seinen 
breiten  Segmentbogenfeiistern  und  der  unorganischen  Aufteilung  durch  Pfosten. 
Eine  klaffende  Fuge  an  der  Kirche  kann  nur  bestätigen,  daß  es  später  als  diese 
errichtet  worden   ist. 

Nicht  mehr  erklärlich  aber  sind  Reste  alten  Mauerwerks  in  der  südwestlichen 
Ecke,  die  von  einem  früheren  Bau  mitübernommen  sein  müssen,  da  sie  sogar  unter 
Verschiebung  der  Lagerfugen  ohne  Verband  mit  der  übrigen  Wand  stehen.  Ein 
Stück  reicht  bis  fast  zur  Mitte  des  südlichen  Giebelfensters  der  Kirche  hinauf,  ein 
andres  an  der  Pförtnerstube  auf  der  Hofseite  ist  nur  etwa  1,50  m  hoch  noch 
vorhanden. 


Braiuieiiburg 


-    144    - 

3.  Teil :   Die  Altertümer. 

Die  Brandenburger  Dominikanerkirche  weist  zwar  noch  zahlreichen  fio-ür- 
hchen  und  plastischen  Schmuck  auf;  doch  stellt  dieser  meist  Erzeugnisse  der  neueren 
Zeit  dar.  Wohl  noch  aus  dem  15.  Jahrhundert  stammt  eine  Slatue  des  Paulus  in 
etwa  -4  Lebensgröße  von  guter  Arbeit,  vielleicht  aus  gebranntem  Ton  Etwas  jünger 
durfte  eine  bemalte  liolzfigur  der  Maria  mit  dem  Jesuskinde  sein  während  ein 
großes,  roh  gearbeitetes  Triumphkreuz  der  frühesten  Zeit  angehören  könnte  In 
vorreformatorischer  Zeit  entstanden  schließlich  noch  aus  Holz  gefertigte  o-eschnitzte 
Reheftafeln,  deren  frühere  Vei-wendung  nicht  mehr  feststeht,  mit  den  zwölf'^Aposteln  ■ 
terner  ein  in  Resten  erhaltener  zweisitziger  Stuhl,  auf  dessen  geschnitzten  Seiten- 
wangen außen  in  v,  Lebensgröße  zwei  Figuren  unter  Baldachinen,  innen  Wappen- 
schilder dargestellt  sind,  während  Rückwand  und  oberer  Baldachin  von  Fischblasen- 
mustern durchbrochen  sind.  Spurlos  verschwunden  aber  ist  neben  alten  Inschrift- 
fhesen  im  Kreuzgang  aus  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts')  das  alte  Choro-estühl 
das  Schaffer  uns  noch  1740=)  als  vorhanden  bezeugt.  Es  soll  „in  unterschie"dlichen 
üemahlden  die  berühmten  Lebens-Geschichte  des  .  .  .  Thomae"  daigestellt  haben- 
dabei  fanden  sich  unter  anderm  die  Worte:  „Bene  de  me  scripsisti  Thoma"' 
Der  Hochaltar  hat  als  Kern  einen  großen  Backsteinkörper  mit  2  tiefen  Seiten- 
nischen  und  einer  Sandsteindeckplatte,  in  deren  Ecken  sich  zwei  Kreuze  befinden 
wahrend  die  Vorderseite  mit  der  alten  Reliquiengrufl  nach  Bergau^)  mit  Ranken- 
mustern aus  dem  16.  Jahrhundert  bemalt  war.  1714«)  ist  auf  Kosten  eines  Christian 
1  heodorus  Lehmann  ein  ganz  neuer  Altar  gebaut  worden,  womit  natürlich  nur  der 
gotisierende  Aufbau  gemeint  ist. 

Bedeutende  Reste  mittelalterlicher  Glasgemälde  am  Chorschluß,  die  bis  ins 
14.  Jahrhundert  zurückreichen  dürften,  stellen  Begebenheiten  aus  dem  Leben  des 
I  homas  von  Aquino  dar.  Sie  sind  bei  der  Wiederherstellung  durch  v.  Quast  1868  bis 
1870  unter  teilweisen  Ergänzungen  zu  Reihen  alt-  und  neuiestamenilicher  Vorgänge-n 
zusammengestellt  worden,  zwischen  denen  zahlreiche  Brustbilder  und  Spruchbänder 
t-ingeschüben  sind. 

Von  fünf  älteren  Kelchen  der  Kirche  wird  nur  einer  mit  großer  Kapsel  am  Fuß 
„in  der  sich  etwas  bewegt",  durch  die  beigefügte  Aufschrift  „reliquie  beati  pauli 
apostoh  -)  sowie  die  ferneren  Inschriften  „Ave  Maria"  am  Fuß  und  hilf  c^ot  mv" 
dicht  unter  dem  Trmkbehälter  als  vorreformatorisch  gekennzeichnet,  während  die 
andern  die  Jahreszahlen   1563,  1569  und   1633  tragen. 

Andre  Einrichtungs-  und  Schmuckstücke  entstammen  hauptsächlich  zwei  nach- 
reformatonschen  Zeitabschnitten.  Die  Neueinrichtung  der  Kirche  zum  lutherischen 
Gottesdienst  brachte  1564  eine  neue  Glocke  von  104  cm  Durchmesser  mit  der  prahle- 
rischen Inschrift  „Andreas  Moldenhawer.   Merten  Moldenh.   Anno  Domini  1564   Die 

?"i'^nu„x  !"  ''""'  ""'  ^"  '^'^^''  ^'^^l^*^"  gegeben.  Der  Bürgermeister  Lucas 
bcholl  );  die  noch  vorhandene  kleinere  von  nur  56  cm  Durchmesser  könnte 
vielleicht  von  einem  alten  Dachreiter  stammen.  Ferner  wurde  1565^)  in  der  Kirche 
ein  neuer,  achteckiger  Taufstein  aus  Sandstein  aufgestellt,  getragen  von  den  vier 
Evangelisten,  zu  deren  Füßen  Wappenschilder  liegen.  Der  Kurfürst  aber,  der  das 
ganze  Kloster  der  Stadt  überlassen  und  durch  eine  namhafte  Summe  die  Wieder- 
einrichtung der  Kirche  zu  gottesdienstlichem  Gebrauch  gefördert  hatte  wurde  an 
der  südlichen  Chorwand  durch  sein  übermaltes,  stark  hervortretendes 'Reliefbrust- 
bild  verewigt. 

Ein  zweiter  Zeitabschnitt  brachte  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  unter  Beseiticruno 
der  seitdem  verschwundenen  alten  Stücke  zunächst  1718')  durch  milde  Gaben  deT 
Gemeinde  die  noch   wohl  erhaltene,  barock  gestaltete,   von   der  Figur  des   Moses 

nrZ^^^i^Tf■  "ui  ^"^uP^'"'""  """^  ^'^°'-  ^"^'  1^20/21  eine  neue  und  große 
Orgel  1738')  die  beiden  oben  mit  Doppeladler  oder  Engel  verzierten  Kronen 
aus  Messing  zu  12  und  16  Lichtern.  Etwa  aus  dieser  Zeit  werden  wohl  wie  anders- 
wo so  auch  hier  die  Emporen  gestammt  haben,  die  1868-70")  durch  v  Quast  bis 
auf  ciie  Orgelempore  am  Westgiebel  wieder  entfernt  wurden,  zum  Glück  für  die 
schone  Raumwirkung  der  Kirche. 

au.  Infhpr''''?  y"!  '^'';.  """''  '"'  G'-a^^steine  oder  gemalte  Erinnerungstafeln 
aus  lutherischer  Zeit  erhalten,  von  Joachim  Belitz  an,  dem  1.  Pfarrer  nach  der  Re- 
formation, bis  in  die  Zeiten,  wo  der  Paulinerkirchhof  um  1800  ein^rina  Ein 
i5°o"T'M^Sn'^'*'".T°*'"'*"^  ^'^  Marschalls  Hans  von  Bredow  vom  Jahre 
ikr/'     7       K       .  ^"P^  gekommen,  scheint  zu  beweisen,  daß  auch  in  katho- 

lischer Zei  bereits  mancher  in  dem  geschätzten  Grund  und  Boden  des  Klosters 
wahrscheinlich  sogar  in   der   Kirche,   zur  letzten   Ruhe   bestattet   wurde 


!  '^;v'ff"'°  c'- ,'/  ^^'  '''■    ''  51'''8^"'   S-  266  ff.    ^)  J.  Büsching,  S.  31 .  r,  |  Büsching  S  30- 

I  Schaffer,  S.  4(,.  ^i  Qot(schling,S,9n.   "iHeffter,  Wegweiser,  S.  123.       Bergau    S  269 


-    145    - 


Kapitel  7.  Berlin. 

1.  Teil:    Die  Geschichte. 


Im  frühen  Mittelalter  waren  auf  der  Stätte  unserer  jetzigen  Hauptstadt,  äiinlich  S  1 

wie  wir  es  in  Brandenburg  gefunden  hatten,  zwei  Orte  vorhanden,  Berlin  auf  dem        Gründungs- 
iechten, Cölri  auf  dem  linken  Spreeufer.     Während  aber  Berlin  schon  in  der  ersten        geschichte. 
Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  von  Johann   1.   und  Otto  III.  Stadtrecht  erhält,  wird 
Cöln  vor  1261   nicht  ausdrücklich  als  Stadt  erwähnt'). 

Noch  bevor  im  Jahre  1307  die  Vereinigung  beider  Orte  stattfand,  siedelten 
sich  die  Dominikaner  auf  der  linken  Spreeseite  an.  Leider  sind  uns  über  diese 
Gründung  keine  zuverlässigen  Einzelheiten  bekannt,  wie  sie  uns  bisher  stets, 
wenn  auch  nur  in  geringem  Maße,  Einblick  in  die  ersten  Verhältnisse  der 
Neuanlage  gegeben  haben.  Das  Röbeler  Chorgestühl  und  v.  Lie  setzen  die  .Auf- 
nahme dieses  Dominikanerklosters  in  das  Jahr  1297;  wir  werden  aber  auch  hier 
wieder  die  Ankunft  der  Mönche  einige  Zeit  vorher  anzunehmen  haben.  Ihre  erste 
direkte  Erwähnung  geschieht  1300=),  als  ein  „Frater  Wilhelmus  prior  domus 
praedicatorum  in  Colonia"  als  Zeuge  auftritt.  Wenn  bei  früheren  Schriftstellern^) 
Ludwig  der  Römer  (r3bl — 65)  aus  unbekannten  Gründen  als  Stifter  des  Klosters 
angeführt  wird,  kann  es  sich  also  nicht  um  die  erste  Anlage  handeln,  sondern 
höchstens  vielleicht  um  eine  spätere  Erweiterung  wie  in  Brandenburg,  wenn  nicht 
überhaupt  bloß  um    eine  Bestätigung  der   Stiftungsurkunde. 

Ebenso  spärlich  sind  uns  Nachrichten  von  Klostereinkünften  überliefert:  .\ls  j^  2  ßesiiz- 
cer  Brandenburger  Bischof  Ludwig  22  Jahre  nach  Verbrennung  des  Bernauer  Verhältnisse. 
Propstes  auf  dem  Neuen  Markt")  dem  Prior  des  Cölner  Klosters  1345'*)  die  Voll- 
macht gab,  den  Bürgern  beider  Städte  die  endliche  Befreiung  vom  Bann  wegen 
obigen  Frevels  mitzuteilen,  werden  diese  bei  dem  gewaltigen  Zulauf  zur  Kloster- 
kirche noch  ein  letztes  Mal  in  die  bereits  stark  geleerten  Taschen  haben  greifen 
müssen.  Gleichfalls  nur  indirekt  erfahren  wir  aus  früher  Zeit  von  Einnahmen  der 
Mönche  durch  Übernahme  der  Totenfeiern  für  Verstorbene,  die  bei  Lebzeiten  zu 
dem  Kloster  in  Bruderschaftsverhältnis  gestanden  haben  müssen :  Der  Rat  beschwert 
sich  1436")  über  den  Propst,  weil  dieser  eifersüchtiger-  und  neidischerweise  dieselben 
Leute  förmlich  dazu  dränge,  nicht  nur  in  den  Klöstern,  sondern  auch  in  seiner 
Pfarrkirche  solche  Feiern  zu  bestellen. 

Erst  vom  15.  Jahrhundert  an  werden  die  Nachrichten  bestimmter:  1426') 
vermacht  die  Witwe  eines  Laurentius  Tuchen  in  ihrem  Testamente  den 
„predicatoribus  fratribus  in  Coln"  ein  Schock  Groschen;  anläßlich  eines  Besuches 
von  Kloster  und  Kirche  stattet  Kurfürst  Friedrich  II.  diese  mit  bedeutenden  Ein- 
künften aus,  und  1445")  bestätigt  derselbe,  daß  ein  Cölner  Bürger  Bartholomeus 
Schawm  (Schum)  „von  seiner  seien  selickeit  vnd  auch  vmb  gots  willen"  eine  jähr- 
liche Zinsrente  von  2  Schock  Groschen,  im  Dorfe  Bukow  von  2  Grundstücken  zu 
heben,  unsern  Mönchen  zur  Versorgung  einer  ewig  brennenden  Lampe  im  Chore 
mit  Öl  und  allem  sonstigen  Zubehör  verschreibt.  Schon  im  15.  Jahrhundert  scheinen 
auch  die  Schneidergesellen  beider  Städte  ein  Bruderschaftsverhältnis  mit  den 
Mönchen  gehabt  zu  haben,  da  ihnen  Kurfürst  Friedrich  1518")  obenein  noch  die 
Stiftung  einer  „frucmeszen  vnd  darzu  vier  begengknus  des  Jares"  für  ewige  Zeiten 
bestätigt. 

Woher  und  seit  wann  die  Cölner  Dominikaner  in  Spandau  auf  dem  Kirch- 
hofe bei  der  alten  Mönchsgasse  ihr  Terminieriiaus  gehabt  iiaben.  ist  nicht  bekannt. 

')  Riedel,  .Mark  Brandenburo,  S  4111  ff. 

2)  Fr.  Nicolai  I,  S.  75. 

3)  Hendreich,  Kap.  4;     Leutinger,  V  Buch,  §7,  S.  189  (fälschlich  „aedes  .Wonachorum 
Franciscatiorum"). 

1)  Seidel,  Histor.  Aufsatz,  S.  58. 

5)  Fidicin,  Beiträge  IV,  S.  23. 

")  Fidiciii,  Beiträge  IV,  S.  150. 

')  Fidicin,  Bciträjje  I,  S.  250. 

s)  Fidicin,  Beiträge  II,  S.  194. 

»)  Fidicin,  Beiträge  IV,  S.  229. 


Berlin 


-    146    - 

Als  der  Spandauer  Magistrat  es  um  1540  für  84  Gulden  12  Groschen  kaufte,  war 
es  bereits  so  baufällig  und  verfallen,  daß  es  1542")  abgerissen  werden  mußte. 
S3.  Domstift.  Die  erste  nähere  Erwähnung  des  Klosters  selbst  erfolgt  erst  bei  dem  Burg- 

bau der  Kurfürsten.  Bis  dahin  haben  wir  uns  den  Platz  des  jetzigen  Schlosses 
von  Bürgerhäusern  ganz  unbebaut  vorzustellen,  aber  schon  von  der  cölnischen 
Stadtmauer  umgeben,  während  der  nördliche  Teil  des  heutigen  Lustgartens  außer- 
halb derselben  lag  und  bis  1573-)  ein  Sumpf  war-^).  1442')  nun  wurde  obige 
Stelle  dem  Kurfürsten  Friedrich  I.  von  beiden  Städten  mit  der  Bauerlaubnis  ein- 
geräumt, und  im  folgenden  Jahre')  überließ  ihm  das  Lehniner  Kloster  seinen  dort 
gelegenen  Mof,  der  sich  der  Urkunde  nach  auf  der  Süd-  und  Westseite  des  heutigen 
Schloßgrundstücks  befunden  zu  haben  scheint.  Der  Schloßbau  begann  auf  der  Ostseite 
dieses  Geländes,  allmählich  nach  Westen  weiter  vorschreitend.  Die  Schloßkapelle 
wurde  auf  Antrag  des  Kurfürsten  beim  Papst  schon  1454")  in  eine  förmliche  Pfarrkirche 
umgewandelt  (in  parrochialem  cum  fönte  baptismali  et  cimiterio),  und  bereits 
1465")  wurde  sie  mit  Genehmigung  der  geistlichen  Behörden  „in  deme 
namen  der  heyligen  dryvaldickeit ...  in  die  ere  vnnser  lieben  frowen  . . .  Marien, 
des  heyligen  creutzs  sante  Peter  vnd  Pawels,  sante  Erasmus,  sante  Nikolaus"  usw., 
wie  es  in  einer  Urkunde  von  1460")  heißt,  zu  einem  Domstift  erhoben,  mit  Dom- 
herren besetzt,  gebührend  mit  kostbaren  Geräten  für  gottesdienstliche  Handlungen 
versehen  und  mit  immer  reicheren  Einkünften  begabt.  Diese  „Stifftkirchen 
St.  Erasmi",  wie  Joachim  I.  sie  1528  kurz  nennt"),  blieb  im  Schlosse  bestehen, 
bis  Joachim  II.'")  ihr  Kapitel  vermutlich  mit  dem  Domstift  vereinigte,  zu  dem  er 
die  nahe  Dominikanerkirche  mit  Genehmigung  des  Papstes  zur  Ehre  „Dei  omnipo- 
tentis, . . .  dive  Marie  Magdalene,  Sancti  Erasmi  Episcopi  et  Sancte  Crucis,  totiusque 
Coelestis  curie"  1536  ")  erhob.  Die  Mönche  schickte  er,  auf  jeden  Fall  wohl  im 
Einverständnis  mit  dem  Kirchen-  sowie  dem  Ordensoberhaupt,  größtenteils  nach 
Brandenburg  in  das  dortige  seit  1531  leer  stehende  Kloster'-').  Nur  einer,  Rupertus 
Elgersmann,  wird  späterhin  noch  als  Dekan  im  neuen  Domstift  namhaft  gemacht; 
von  3  weiteren  ist  es  wahrscheinlich,  daß  sie  in  gleiche  Stellungen  berufen  wurden'-''). 
Den  Gedanken  zur  Aufhebung  des  Klosters  und  zur  Stiftung  des  Domes  an 
seiner  Stelle  soll  der  Kurfürst  Joachim  II.  bei  der  Rückkehr  vom  Leichenzuge  seines 
Vaters  gefaßt  haben,  den  er  auf  seinem  Wege  nach  Lehnin,  der  alten  Begräbnis- 
stätte der  Markgrafen  und  Kurfürsten,  bis  an  die  cölnischen  Weinberge  begleitet 
hatte"):  Fortan  sollten  die  Mitglieder  seines  Hauses  nach  dem  Tode  nicht  mehr 
so  weit  über  Land  geschafft  werden,  sondern  in  nächster  Nähe  des  Schlosses  ihre 
letzte  Ruhe  finden.  Damit  aber  auch  andre  im  Dom  beigesetzt  werden  könnten, 
wurde  bereits  in  den  Domstiftsstatuten  von  1536'-'^)  die  Verteilung  der  Plätze 
genau  geregelt:  Nur  den  Fürsten  und  Hochadligen  war  der  mittlere  Schiffsraum 
vorbehalten  (medium  Ecclesie  intra  columnas),  während  einfache  Adlige  in  den 
Seitenschiffen  bestattet  werden  sollten  (inter  Columnas  et  parietes).  Für  andre 
(curiales)  standen  je  nach  Rang  und  Stellung  die  Seitenschiffe,  der  Kreuzgang 
(ambitus)  oder  der  Kirchhof  (cemetrium)  zur  Verfügung. 

Die  Erlangung  einer  Begräbnisstätte  in  der  Kirche  scheint  an  die  Stiftung  einer 
ewigen  Gedächtnisfeier  geknüpft  gewesen  zu  sein,  die  als  altherkömmlich  für 
solche  Fälle  (iuxta  consvetudinem  Ecclesie)  bezeichnet  wird,  während  für  Bestattung 
im  Kreiizgang  im  allgemeinen  20  Floren  gezahlt  werden  mußten.  Derartige  Ein- 
nahmen sollten  dem  Baufonds  zugute  kommen  (in  usum  fabrice  converti);  doch 
konnte  der  Kurfürst  als  Patron  in  besonderen  Fällen  nach  seinem  Ermessen  auch 
völlig  freies  Begräbnis  gewähren.  Eine  besondere  Stellung  nahmen  Propst  und 
Dechant  ein,  die,  „post  Stallum  suum  in  Ecclesia",  hinter  ihrem  Stuhl,  in  der  so- 
genannten Süd-  oder  Nordkapelle  begraben  und  deren  gemalte  Totenschilder  an  der 

')  Fischbach,  Beiträge  III.  2,  S.  365/6. 
^)  Fr.  Nicolai  I,  Einleitung,  S.  XXV. 

3)  s.  dazu:  Schmidt,  Nr.  1  :  „Grundriß  von  Berlin  .  .  .  1415". 
*)  Fr  Nicolai  I,  S.  81. 
^1  Fidlem,  Beiträge  V.  1,  S.  7Ü. 

")  Riedel  C  1,  S.  320;  N.  Müller  I,  S.  1 :  „-svahrscheinlich  1451". 
')  N.  Müller  I,  S.  2  und  141  ff. 
s)  Fidicin,  Beiträge  II,  S.  2(i0/l. 
•■')  Riedel,  Suppl,  S.  354. 
'»)  Küster,  Alte?  u.  Neues  Berlin  I,  S  70 
")  Engel,  Annal.  III,  S  324. 
")  Heffter,  Geschichte,  S  302. 
'3)  N.  Müller  I,  S.  S. 
'*)  Haftitius,  S.  98. 
'5)  Küster,  Altes  u.  Neues  Berlin,  S  34. 


-    147    - 

Wand  auoehdtct  werden  durften.  Nikolaus  Müller  vermutet  diese  Nordkapelle  im 
^^M  L  zweüen,  die  Sudkapelle  m  Seitenschiff  des  ersten  Joches  vom 
n  or  lus  wobei  zuc^leich  darauf  hingewiesen  werden  mu(^,  daß  diese  beiden  Lang- 
es oche  ein  ^  vm  dem  einschiffigen  Hauptchor  Hegenden  Vorchor  bildeten')- 
Sn  'sttn  b  r  dem  Grab  war  anfangs  in  der  Kirche  keinem  gestattet,  erst  im 
18  iah  hundert  wird  von  „verschiedener  Pröbste  Epitaphien  auf  dem  Fußboden 
des  Chors"  berichtet-'),  während  die  Gräber  in  dem  Langhaus  solche  damals  nur 
au-^nahmsweise  besaßen.  ,.  ,      /-.         j        i^ 

Nicht  erwähnt  wird  in  obigen  Bestimmungen  der  eigentliche  Chor,  der  als 
bevorzugteste  Stätte    von   vornherein    dem   Geschlecht    des  Landesherrn    vorbehal- 

^"  ^Diese  Grabkirche  des  Herrscherhauses  wurde  ihrer  hohen  Bestimmung  ge- 
mäß aufs  reichste  mit  Einnahmen  begabt  und  aufs  prächtigste  ausgeschmückt: 
Schon  1535/6^)  ließ  Joachim  11.  „die  altar  im  Schwartzen  Kloster"  einreißen,  wo- 
bei auch  wohl  manche  andre  alten  Stücke  durch  neue,  glänzendere  ersetzt  wurden. 
Nach  Berichten  von  Zeitgenossen')  ließ  er  alsdann  von  zahlreichen  Goldschmieden 
Statuen  von  Christus  und  Maria  aus  lauterem  Golde  anfertigen  und  reich  mit  Edel- 
steinen besetzen,  ferner  z.  T.  lehensgroße  Standbilder  der  zwölf  Apostel  und  vieler 
Heiligen  ebenfalls  aus  lauterem  üolde  oder  yetriehenem  Silber  und  mit  Edelstein 
oeschmückt  darunter  die  etwa  '■  m  hohe  Statue  der  Katharina  und  ein  Bildnis  des 
Kaisers  Mauritius.  Auch  alle  Geräte  für  die  gottesdienstlichen  Handlungen  waren 
von  edelstem  Metall,  besonders  ein  Kelch  Nürnberger  Arbeit  aus  arabischem  Go  de 
mit  zahlreichen  Diamanten,  der  allein  auf  8000  Taler  geschätzt  wurde.  An  deri 
Wänden  hinoen  wertvolle  Gemälde,  besonders  von  Lucas  Cranach.  Teppiche  und 
Ausstattung  "waren  purpurn  gehalten,  Bischofshüte.  Stolen,  Stäbe  mit  Perlen  und 
Steinen  besetzt  Der  Altar  war  derart  ausgeschmückt,  daß  er  in  der  Schilderung 
als  cranz  oolden"  bezeichnet  wird.  Dazu  kamen  zahlreiche,  damals  kost- 
spielige Reliquien.  So  erscheint  es  nicht  übertrieben,  wenn  die  Pracht  und  Aus- 
stattung des  Domes  als  unvergleichlich  weit  über  die  Grenzen  des  Landes  hinaus 

gerühmt  wurde.  .    ,       r,  i        i 

Es  kann  als  selbstverständlich  gelten,  daß  der  Kurfürst  fortan  Patronats- 
rechte  über  das  ehemalige  Kloster  ausübte,  dal5  er  vor  allem  für  sich  und  seine 
Nachkommen  das  Recht  in  Anspruch  nahm,  über  jede  bauliche  Veränderung  an 
Kirche  und   Kirchengebäuden  zu   bestimmen. 

Nur  3  Jahre  aber  noch  diente  die  alte  Klosterkirche  dem  katholischen  Gottes-  S  4. 

dienste  Nachdem  Joachim  IL  am  1.  November  1W9  in  Spandau  das  heilige  Reformations- 
Abendmahl  in  beiderlei  Gestalt  genommen  hatte'"),  wurde  es  kurz  darauf  auch  und  Neuzeit. 
in  dem  neuen  Dom  von  dem  Brandenburger  Bischof  Mathias  von  Jagow")  zuerst 
öffentlich  ausgeteilt.  Die  unmittelbar  darauffolgende  Kirchenvisitation  setzte 
auf  Grund  einer  kurfürstlichen  Kirchenverordnung  unter  anderm  fest,  in  welcher 
Weise  sich  künftighin  die  gottesdienstlichen  Handlungen  abspielen  sollten.  Dabei 
ließ  die  Duldsamkeit  des  Kurfürsten  sowie  seine  Rücksichtnahme  auf  den  Kaiser, 
den  er  nicht  verfetzen  wollte'),  manche  papistische  Zeremonie  in  Brauch ;  freilich  hielt 
ersieh  deshalb  nicht  für  weniger  berechtigt,  15ö3  oder  1565^)  im  Dom  ein  großes 
Dankfest  abzuhalten,  weil  Gott  ihn  und  seine  Untertanen  begabt  habe  „mit  dem 
rechten  verstände  seines  worts  vnd  gebrauch   der  hochwirdigen   Sakramenten-, 

Erst  Joachim  Friedrich  verfügte  unmittelbar  nach  seinem  Regierungsantritt 
1598»)  eine  Reformation  des  Domstiftes,  infolge  deren  „viel  unnötiges  Pfaffenwerk" 
abgeschafft  wurde,  wie  Elevation,  Monstranzen,  Prozessionen,  Kanonikate  und 
andres'").  Noch  weitergehend  war  die  neue  Kirchenordnung,  die  er  im  Jahre 
1608")  noch  kurz  vor  seinem  Tode  erfieß:  Zunächst  sollte  der  bisher  bewahrt 
gebliebene  lange  „abgöttische"  Name  aus  vorreformatorischer  Zeit  fortan  durch 
cten  Namen  „zlir  heiligen  Dreifaltigkeit"  ersetzt  werden;  ebenso  sollte  alles  ver- 
schwinden, was  im  Innern  noch  an  katholische  Zeiten  gemahnte,  nämlich  mancher- 
lei Bilder,  übermäßig  prunkvoller  Ornat  der  Geistlichen  bei  ihren  Amtshandlungen, 

')  N.  Müller  1,  S.  28  und  31,  und  Gruiidriss  S.  1 1 . 

2)  Küster,  Altes  u.  Neues  Berlin,  S.  52. 

3)  Haftitius,  S.98.  „..  ,   .  , 

')  Leutinger  's.  Buch, §7, S.  lS(),u  26.  Buch, §26,5.879 ff.;  Cardinal  AlbertsWappenbnef von 
1 536  (Küster,  Altes  u.  Neues  Berlin,  S.  36);  Histor  Aufz.  Berl.Stadtschr.,  S.  5 1 8:  Zeiler,  S  :5S  1 . 
5)  Pohlmann,  S.  179. 
■•)  Engel,  Annal.  III,  S.  331 
')  Leutinger,  -1.  Buch,  §32,  S.  17S. 
=')  König  1,  S  78;  Haflitius,  S.  123. 
")  Lngel,  Annal.  111,  S.  452. 
1")  Fr.  Nicolai  I,  S.  75/76. 
11)  Fidicin,  Beiträge  IV,  S.  331  ff. 


Berlin 


-    148    - 

entbehrlich  erscheinende  Zeremonien  und  andres')-  Die  neue  Kirche  sollte  im  Ein- 
verständnis mit  Rat  und  Gemeinde  der  Stadt  eine  Oberste  Pfarrkirche  sein,  in  der 
dem  Rat  und  den  vornehmen  Bürgern  nebst  ihren  Familien  zum  Dank  für  ihre  Ein- 
willigung in  die  vorgenommenen  Änderungen  gevk-isse  vom  Kurfürsten  beschaffte 
Stühle  fortan  unentgeltlich  überlassen  wurden.  Der  Erlös  aus  dem  alten  Gestühl 
aber  sollte,  wenn  dieses  künftighin  erledigt  sei,  zur  Erhaltung  der  Gebäude  ver- 
wandt werden-). 

Der  letzte  Rest  innerer  Ausstattung  ging  verloren,  nachdem  Johann  Sigis- 
mund  ein  Jahr  nach  seinem  Übertritt  zur  reformierten  Kirche  1614^)  die  alte  Dom- 
kirche seinen  Glaubensverwandten  eingeräumt  hatte:  Zwar  wurden  die  noch  vor- 
handenen Kruzifixe,  Statuen,  Bilder,  Altäre,  Taufsteine  und  andres  zunächst  vom 
Kurfürsten  dort  gelassen;  als  aber  dieser  1614/15  längere  Zeit  aus  seiner  Haupt- 
stadt abwesend  war,  ließ  der  damalige  Statthalter,  Markgraf  Johann  Georg,  all 
jenes  trotz  darüber  entstehenden  vorübergehenden  Aufruhrs  aus  der  Kirche  fort- 
nehmen und  nach  dem  Kult  der  Reformierten  einen  einfachen  Tisch  im  Chore 
aufstellen.  Die  Sachen  wurden  zunächst  im  Schloß  neben  dem  großen  Tor 
(Südwestecke)  „in  einem  Gewölb"")  untergebracht;  späterhin  kamen  sie  nach 
Küstrin-')  und  wurden  dort  1631  wegen  Geldmangels  zum  Anwerben  von  Soldaten 
eingeschmolzen  und   vermünzt. 

Georg  Wilhelm  bestimmte  dann  1632  die  Domkirche  ausdrücklich  „in  usum. 
Reformatae  religionis  unicum  perpetuum",  nachdem  so  lange  nur  ein  „Exercilium 
der  Rcformirten  Religion"  in  ihr  stattgefunden  hatte,  machte  sie  somit  erst  zu  einer 
„absonderlichen  Pfarrkirche  vndt  Paroccia  derer,  so  sich  zur . . .  reformirten 
Religion . . .  bekennen",  und  beließ  sie  bei  allen  bisherigen  Vorrechten  und  Ein- 
künften"). Seit  1663')  auch  noch  die  Dombibliothek  der  Kurfürstlichen  im  Schlosse 
einverleibt  worden  sein  soll,  erfahren  wir  erst  um  die  Wende  dieses  Jahrhunderts 
wieder  von  einigen  neuen  Ausstattungsstücken:  1685  wurde  ihrer  Inschrift  nach 
eine  Glocke  angeschafft"),  1689 — QO")  die  alte  Kanzel  von  der  Nordseite,  nach 
Nikolaus  Müller'")  vom  3.  Pfeiler  rechts  vom  Westeingang  aus,  fortgenommen  und 
der  Dorotheenstädtischen  Kirche  überlassen,  die  noch  keine  hatte,  dafür  an  ent- 
sprechender Stelle  auf  der  Südseite  eine  neue  „nur  von  Holz"")  auf  einem 
Postament  mit  Engelsköpfen  aufgestellt,  die  von  dem  Bildhauer  Christoph  Döbel 
angefertigt  war'-').  Ihr  gegenüber,  also  im  nördlichen  Seitenschiff,  erbaute 
Friedrich  111.  1689'-')  auf  einer  Empore  „drei  prächtige  Herrschaftschöre",  die  aber 
um  1717  bei  den  tiefgreifenden  Umbauten  unter  Friedrich  Wilhelm  I.  wieder  be- 
seitigt und  durch  einen  großen  Stuhl  (Loge)  zu  ebener  Erde  gegenüber  der  Kanzel 
ersetzt  wurden.  Gleichzeitig  wurden  verschiedene  alte  Chöre  ausgebessert  und 
nach  Entfernung  der  beiden  alten  Orgeln,  von  denen  eine  schon  1565  erwähnt 
wird"),  für  eine  neue  auch  eine  neue  Empore  geschaffen,  und  zwar  über  dem  alten 
Fürstenchor,  rechts  an  den  2.  Pfeiler  anschließend,  vor  dem  dortigen  Fenster  "\ 
also  etwa  in  der  Mitte  des  nördlichen  Seitenschiffes.  Diese  Chöre  wurden  weiß 
und  gelb  angestrichen,  die  Kirche  selbst  geweißt.  Um  diese  Zeit  gingen  auch  die 
beiden  Kirchhöfe  ein'"'),  und  die  Leichensteine  wurden  teils  den  Familien  überlassen, 
teils  in  der  Parochialkirche  aufgestellt.  Nachdem  Friedrich  Wilhelm  I.  1715'")  noch 
eine  reformierte  Schule  beim  Dom  geschaffen  hatte,  blieb  die  ganze  Anlage  im 
Besitz  der  Reformierten.  Am  16.  Juni  1747'")  wurde  dann  der  letzte  öffentliche 
Gottesdienst  im  Dom  gehalten,  1747/8'")  schließlich  die  alte  ehemalige  Dominikaner- 
kirche wegen  Baufälligkeit  abgebrochen. 

Ein  neuer  Dom  wurde  im  Lustgarten  von  Boumann  dem  Alteren  erbaut  und 
1750'")  eingeweiht;  er  ist  jetzt  ebenfalls  schon  wieder  durch  einen  Neubau  ersetzt 
worden. 

')  König  1,  S.  153/4 

2)  Fidicin,  Beiträge  IV,  S.  335  u.  337. 

3)  Fr.  Nicolai  II,  S.  601. 
■•)  Zeiler,  S.  381. 

■^i  Fr.  Nicolai  III,  Anhang,  S.  37. 

")  Fidicin,  Beiträge  IV,  S.  400  ff. 

')  Fr.  Nicolai  II,  S.  760. 

*)  Borrmann,  S.  150. 

")  Königin,  S.  20. 

'»)  N.  Müller  I,  S.  38. 

")  Küster,  Altes  u.  Neues  Berlin,  S.  50/51. 

'=)  Fr.  Nicolai  III,  Anhang,  S.  Sl. 

'3)  Küster,  Altes  u  Neues  Berlin,  S.  50/51  ;    N.  Müller  1,  S.  38,  Anm.  4. 

")  Haftitius,  S.  123. 

''j  König  IV.  1,  S.  64. 

'")  König  IV.  1,  S.  50. 

17)  König  V.  1,  S.  100/1. 

'-")  N.  Müller  I,  S.  0. 

")  Fr.  ^h■colai  I,  S.  75/6. 


-    149 


2.  Teil;  Die  Baulichkeiten. 

(Blatt  b) 


Ober  die  Klosteruebäude  .st  uns  aus  vorreformatonsclie.-  Ze>t  keinerlei  genaue. e 
Nachricht  erhalten  geblieben,  und  auch  späte.-hin  sind  alle  Angaben  über  d.e  ehe- 
malige Ordensniederlassung  so  unbestimmt,  daß  man  sich  nur  ein  sehr  obertlacli- 
liches  Bild  von  der  ganzen  Anlage  machen  kann'): 

Wir  haben  das  jetzt  vollständig  verschwundene  Heim  der  Berliner  Dominikaner- 
mönche auf  der  westlichen  Hälfte  des  heutigen  Schloßplatzes  zu  suchen  (Bl  ->  ""cl 
Titelbild)  Die  dem  Kurfürsten  Friedrich  I.  1442  von  den  beiden  Städten  zum  Burg- 
bau überlassene  Baustelle'-')  lief  „dy  Klostermure  lenges",  die  also  wenn  wir  oie 
etwa  ^0 "  nach  Norden  zu  abweichende  Längsachse  der  Kirche  wieder  der  Ein'ach- 
heit  halber  als  Ost-West-Achse  zugrunde  legen,  im  Norden  das  Klosterget^iet  be- 
grenzte sich  aber  nicht  mit  der  noch  weiter  nördlich  liegenden  Stadtmauer  deckte  und 
ungefähr  an  der  Stelle  der  jetzigen  südlichen  Außenmauer  des  Schlosses  gelegen 
haben  mag^). 

Der  Eingang  zum  Kloster,  das  somit  ausnahmsweise  nördlich  von  der  Kirche 
lacr  befand  sich  anscheinend  im  Osten,  also  auf  der  Stadtseite,  da  gesagt  wird,  daß 
obige  Baustelle  „den  Ordt  von  den  Closterporten  na  der  langen  Bruggen"  mit  um- 
fassen solle  Nach  Osten  zu  erstreckte  es  sich  bis  zum  Anfang  der  Breiten  oder, 
wie  sie  früher  hieß,  der  Großen  Straße;  im  Süden  blieb  außer  einem  schmalen 
Kirchhof  nur  die  enge  Domgasse  bestehen,  während  sich  im  Westen  bis  zur  damaligen 
cölnischen  Stadtmauer  ein  breiterer  Vorplatz  ausdehnte,  der  durch  die  Bruderstrahe 
mit  der  alten  Petrikirche  in  Verbindung  stand.  Wo  sich  ein  Klostergarten  befunden 
hat  der  sonst  stets  vorhanden  war,  wird  nirgends  angegeben.  \  ermutlich  lag  er 
anfangs,  ebenso  wie  in  Brandenburg,  zwischen  dem  der  Kirche  gegenüber  befind- 
lichen Klausurgebäude   und   der  Stadtmauer. 

Das  Gotkshaus  bestand«)  aus  einer  dreischiffigen  Hallenkirche  von  i.  L. 
142>'58  rhein  Fuß  (rd.  44,50"-  18,20  m)  und  einem  einschiffigen  Chor  von 
3g  rhein  Fuß  Länge  (rd.  12,25  m)  und  28'.  Fuß  Breite  (rd.  8,95  m),  m  5  Seiten 
des  regelmäßigen  Achtecks  geschlossen,  stimmte  also  bis  auf  wenige  Zentimeter  Ab- 
messuno- aenau  mit  der  Prenzlauer  Dominikanerkirche  überein,  nur  daß  in  Berlin 
in  dem  "etwa  4U  m  längeren  Langhause  ein  Joch  mehr  vorhanden  war.  Strebepfeiler 
im  Äußeren  lassen  Wölbung  von  vornherein  annehmen.  Sechs  Paare  von  gleichfalls 
achteckigen  Pfeilern,  wie  in  Prenzlau  und  auch  in  Brandenburg,  standen  wohl 
ebenso  wie  dort  mit  den  auch  hier  anzunehmenden  Chordiensten  nach  dem  .Wittel- 
schiff  zu  bündig  und  schufen  ein  geräumiges  Hauptschiff  und  zwei  stattliche  Seiten- 
schiffe. Da  Wanddienste  in  Feldmanns  Grundriß  überhaupt  nicht  eingetragen  smd, 
motten  sie  wie  andern  Ortes,  in  Höhe  der  Fenstersohlbank  von  einem  Gurtgesims 
aufgenommen  worden  sein.  Die  1747  festgestellte  Höhe  des  Hauptgesimses  zu 
56  Fuß  (rd.  17,60  m)  läßt  für  das  Mittelschiff  eine  annähernd  ebenso  große  Schluß- 
steinhöhe annehmen,  die  also  Brandenburg  und  Prenzlau  sogar  noch  um  etwa 
1  ;{■  m  übertroffen  haben  dürfte. 

Wenn  uns  Küster')  berichtet,  daß  im  Chor  7,  im  Süden  6,  im  Norden  S  (3  offene 
und  5  „zugemachte")  und  im  Westen  3  Fenster  durchgebrochen  waren,  so  läßt  sich 
daraus  "noch  nicht  feststellen,  wo  die  ehemaligen  Klostergebäude  gegen  die  Kirche 
stießen ;  ja,  diese  Angabe  läßt  sich  nicht  einmal  mit  den  Feldmannschen  Grundrissen 
in  Einklang  bringen.  Nach  Lindholz'  Plan  von  etwa  1660")  jedoch  standen  Ost- 
und  Westgebäude  bündig  mit  C^st-  und  Westabschluß  der  Hallenkirche. 

')  Neben  zahlreichen  Abbildungen  im  Besitz  des  Geh.  Staatsarchivs  und  besonders  der 
Magistratsbibliothek  in  Berlin,  von  denen  nur  die  wichtigsten  im  folgenden  nätier_be- 
zeichnet  sind,  verdienen  vor  allem  3  Grundrisse  des  Domes  von  Feldniann  (174  0 
Beachtung,  die  bei  Nikolaus  .Müller  I,  S.ll,  zu  einem  Lageplan  zusammengetal^t  sind. 

2)  Fr.  Nicolai  I,  S.  81,  Anm. 

3)  s. dazu:  Schmidt,  Nr.  1 :  „Grundriss  von  Berhn  ....  Hl=>." 
*)  N.  Müller  I,  S.  10  ff. 

5)  Küster,  Altes  u.  Neues  Berlin,  S.  50. 
")  „Plan  von  Berlin  .  .  ,  16()0." 


Berlin 


-    150    - 

Der  Fußboden  des  östlichen  Langhausjoches  war  in  nachreformatorischer  Zeit 
gegen  das  Schiff  zunächst  um  6  Stufen  erhöht.  Zum  einschiffigen  Chorteil  führten 
ferner  von  diesem  vorderen  Chorraum  2  seitliche  Treppen  von  je  12  Stufen  hinauf 
zur  Stätte  des  Hochaltars,  während  eine  mittlere  den  Eingang  in  eine  Gruft  er- 
möglichte'). 

Die  Kirche  erhob  sich  über  einem  Granitfundament  als  reiner  Backsteinbau-). 

.\uf  die  Formengebung  einzelner  Bauteile  können  wir  bescheidene  Rückschlüsse 
nur  aus  einigen  fleischrotgefärbten,  sehr  scharf  gebrannten  Formsteinen  von  i./M. 
28,5:13,5:10  cm  Abmessungen  ziehen,  die  Stiehl')  18Q3  beim  Abbruch  des 
neueren  Domes  fand,  der  1747  unter  Veraendung  von  Steinen  des  ältesten  erbaut 
worden  sein  soll.  Danach  waren  u.  a.  im  Kloster  Gewölbe  mit  frühzeitlichen,  ge- 
kehlten Birnstabrippen  vorhanden.  Die  Wanddienste  waren  rund,  das  Pfostenwerk 
der  Fenster  glatt  geschnitten,  Tür- (auch  Fenster-?)  leibungen  reich  profiliert.  Ein 
sehr  einfaches  Gurtgesims  scheint  unter  den  Fenstern  vorhanden  gewesen  zu  sein. 
Über  Bogenformen,  Schlußsteine,  Gewölbeanfänger,  Stützenquerschnitte,  Konsolen, 
Kapitelle  und  Basen,  Inschriften  und  Maßwerk  usw.  haben  wir  aus  älterer  Zeit 
keine  Kunde. 

1740')  zeigt  die  Westfront  3  dreiteilige  Fenster  ohne  Maßwerk,  mit  spitz- 
bogigem  Zusammenschluß  der  Pfosten. 

An  älteren  Türen  zur  Kirche  von  außen  her  waren  zur  Zeit  des  Großen  Kur- 
fürsten wahrscheinlich  nur  3  vorhanden''),  eine  im  Süden  (vermutlich  das  Hauptportal, 
bei  Nikolaus  .Müller  nicht  erwähnt),  1  im  Norden  (hei  Feldmann  im  4.,  auf  der  Dom- 
ansicht von  1710*)  im  5.  Joch)  und  eine  Mntt-Iiür  in  der  Westfassade').  Feldmanns 
Plan  zeigt  dagegen  von  der  Domgasse  her  den  Eingang  durch  eine  Wendeltreppe 
und  einen  als  Sakristei  benutzten  .\nbau").  Schließlich  soll  im  östlichsten  Langhaus- 
joch von  Norden  her  1689")  ein  weiterer  Zugang  zur  Empore  geschaffen 
worden  sein'). 

Im  Äußeren  waren  nach' Küster  und  dem  Grundriß  von  1710  zwischen  den 
Fenstern  gotische  Strebepfeiler  vorhanden,  den  Abbildungen  aus  dem  17.  bis  18.  Jahr- 
hundert von  Merlan  (Titelbild),  Bernhard  Schulz  und  Stridbeck")  und  dem  Plan 
von  1710  nach  am  oberen  Ende  einmal  abgetreppt  und  schlicht  mit  einer  Schräge 
abgedeckt.  Die  Westansicht  zeigt  1(552  drei  schlanke,  hohe  Fenster  in  den  3  Schiffen, 
in  Merianscher  Weise  schematisch  mit  oberer  Kreisfüllung  gezeichnet.  1710  weisen 
sie  dreiteiliges  Pfostenwerk  mit  spitzbogigem  oberem  Zusammenschluß  auf.  Da- 
zwischen  erhoben   sich    in    üblicher   .Anordnung   in    den   Gurtachsen   Strebepfeiler. 

--Ms  früher  Anbau  muli  „die  Halle  nach  der  Brüder  Straße  zu"  betrachtet 
werden,  die  sich  am  3.  Joch  von  Westen  her  an  die  Kirche  bis  etwa  zu  ihrer  halben 
Höhe  anlehnte.  Sie  war  außen  in  5  Seiten  eines  Achtecks  geschlosser.  und  besaß 
an  den  beiden  schräg  zu  den  Hauptkirchenachsen  gerichteten  Seiten  je  einen  Eingang. 
Schon  1632  wird  von  ihr  berichtet,  daß  man  sie  „ehezeit  die  halle  oder  das  Leichhauß 
zunennen  gepflecht";  späterhin  soll  sie  als  Sakristei  gedient  haben'")  Es  handelt 
sich  also  hier  um  ein  Bauwerk  gleicher  Art,  wie  wir  es  in  Ruppin  und  Prenzlau 
an  Wandspuren  auf  der  dem  Kloster  entgegengesetzten  Seite,  auf  dem  ehemaligen 
Kirchhofe,  feststellen  konnten.  Weiterhin  wird  uns  in  den  Domstatuten  von  1536'^) 
das  Vorhandensein  eines  Kreuzganges  (ambitus)  bezeugt,  der  sich  auch  an  der  Kirche 
entlang  gezogen  haben  muß,  da  deren  Fenster  am  ,\nfang  des  18.  Jahrhunderts') 
«gegen  das  neue  Schloss  tiefer  gemacht"  wurden.  Auf  dem  Lindholzschen  Plan'-) 
ist  er  um  1660  an  dieser  Stelle  noch  angedeutet.  Das  ist  alles,  was  uns  vom  Kloster 
vor  seiner  Erhebung  zum  Domstift  bekannt  ist. 


')  Küster,  Altes  u.  Neues  Berlin,  S.  50. 

-)  N.  Müller  I,  S.  10. 

3)  Zentralbl.  1893,  S.  519  u.  531. 

^1  Qrundriss  von  Berlin  .  .  .  1710,  hier  aber  nicht  (mehrr)  in  mittelalterlichen  Formen. 

5)  Küster,  Altes  u.  Xeues  Berlin,  S.  49. 

")  Prospekt  von  Bernhard  Schulz,  1688. 

')  N.Müller  1,  S.  14/15. 

s)  N.  Müller  I,  S.  19. 

•>)  In:  Hist.-genealog.  Kalend.  1820,  Abb.  4.  (Schloßplatz  1690). 

'»)  N.Müller  I,  S.  15. 

")  Küster,   Altes  u.  Neues  Berlin,  S.  34. 

'2)  „Plan  von  Berlin  .  .  .  1660". 


-    151    - 

\'on  Joachim  II.  wird  berichtet,  daß  er  das  Kloster  1536  „schön  ausgebaut" 
habe').  Neben  oben  genanntem  inneren  Schmuck  erhielt  die  Kirche  vor  allem  ein 
prächtiges  Geläut,  wozu  der  Kurfürst  nach  und  nach  die  großen  Glocken  aus 
Vi'ilsnack,  Bernau-)  und  nach  157ö-')  von  der  verfallenden  Marienkirche  auf  dem 
Harlunger  Berge  zu  Brandenburg  herbeischaffen  ließ;  eine  weitere  große  Glocke 
soll  aus  Osterburg  gestammt  haben,  eine  fünfte  mit  dem  Bildnis  Joachims  IL")  hatte 
dieser  wohl  selbst  gestiftet,  weitere  5  wurden  in  der  Folgezeit  hinzugefügt'').  Ver- 
mutlich erst  für  sie  wurde  nordwestlich  neben  dem  Chor  ein  viereckiger  Turm 
von  gedrückten  Verhältnissen  aus  Ziegeln  und  Feldsteinen  erbaut  (Titelbild),  nach 
seiner  Bcstinmiimg  „die  Glocke"  benannt,  der  im  ohei'en  Geschoß  das  Geläut  trug, 
W'ährend  wir  am  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  unten  in  einem  gewölbten  Gemach  einen 
Gefängnisraum  der  Hausvogtei  finden,  die  damals  im  Ostgebäude  untergebraclit 
war").  Überhaupt  scheinen  die  Klausurgebäude  schon  nach  Aufhebung  des  Klosters 
umgebaut  worden  zu  sein,  weil  die  lierrscherfamilie  kurz  nach  der  Reformation 
„unterschiedene  schöne  Conclavia  (Gemächer)  noch  an  ihre  neue  Stifts-Kirchen  . . .  zur 
Audienz-  und  Parthen-Stuben"  hatte  anfertigen  lassen,  um  unbemerkt  den  Ver- 
handlungen beiwohnen  zu  können').  Ferner  führte  schon  zu  Joachims  11.  Zeiten 
ein  1540")  zuerst  erwähnter  langer,  hölzerner,  bedeckter  Gang,  der  auf  steinernen 
Pfeilern  ruhte,  von  der  damaligen  neuen  Südwestecke  des  Schlosses  an  der  Breiten 
Straße  nach  dem  Dom,  vermutlich  durch  das  Ostgebäude;  denn  so  kurze  Zeit  nach 
Aufhebung  des  Klosters  sind  die  regulären  Baulichkeiten  auf  Süd-  und  Westseite 
wohl  sicher  noch  nicht  durch  den  „hulzern  gangk  vom  Langen  Sali  in  die  Thumb- 
kirchen"  ersetzt  gewesen,  wie  N.  Müller")  vermutet.  Zudem  ist  auch  noch  nicht 
sicher  festgestellt,  daß  damals  schon  die  Kurfürstenempore  über  dem  West- 
eingang vorhanden  war,  ebensowenig  wie  die  Entstehung  der  beiden  Westtürme 
bekannt  ist,  mit  denen  obige  Empore  wohl  gleichzeitig  angelegt  wurde.  Erst  nach- 
dem 1606  nebst  manchen  andern  Bauten  in  der  Nähe  des  Domes  auch  der  bereits 
sehr  baufällige  Brückengang  abgetragen  worden  war'"),  entstand  dann  wohl  der 
uns  in  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts")  beschriebene  längere  Gang  im 
Obergeschoß  eines  z.  T.  neuen  Gebäudezuges,  der  um  einen  Teil  des  inneren  und 
um  den  äußeren  Schloßhof  herum  bis  an  den  Dom  führte,  somit  durch 
das  Westgebäude  zur  Empore  über  dem  westlichen  .Vlitteleingang  gegangen 
sein  mag. 

Der  ältere  Gang  aber  wird  zu  der  nördlichen  der  beiden  Joachim  II.  zu- 
geschriebenen „steinernen  Empor-Kirchen  in  dem  vorderen  Chor"  geführt  haben'-'), 
während  die  südliche  die  alten  Orgeln  getragen  haben  dürfte''').  Es  ist  nicht  un- 
wahrscheinlich, daß  der  ganze  östliche  Kirchenteil  zur  Reformationszeit  verändert 
wurde,  indem  die  beiden  östlichsten  Langhausjoche  durch  Anlage  von  2  Emporen  in 
den  beiden  Ecken  zwischen  Chor  und  Langhaus  im  Innern  neue  Gestalt  erhielten,  wo- 
bei zugleich  außen  neben  dem  Dachreiter  im  Schnittpunkt  der  Firste  die  zwei  blenden- 
geschmückten Staffelgiebel  (Titelblatt)  entstanden  seui  mögen,  die  sich  nach  Feld- 
manns Plänen  nicht  auf  vorspringenden  Querschiffen  erhoben,  sondern  in  der  Wand- 
flucht der  Kirche  verblieben.  Die  gegensätzliche  und  schon  im  16.  Jahrhundert 
vorkommende  Bezeichnung  „chorus  interior"  für  die  Stätte  am  Hochaltar  läßt  darauf 
schließen,  daß  auch  „der  vordere  Chor"  schon  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  durch 
Erhöhung  des  Fußbodens  in  obigen  beiden  Jochen  geschaffen  und  von  Joachim  IL  zur 
Begräbnisstätte  der  verstorbenen  Mitglieder  seines  Hauses  bestimmt  wurde.  Durch 
einen  Lettner  vom  Laienraum  oder  der  eigentlichen  „ecclesia"  geschieden  und 
durch  3  Treppenanlagen  in  den  3  Schiffen  von  ihm  aus  zugänglich,  führten 
von  diesem  Vorchor  wieder  weitere  Stufen  empoi'  zu  dem  Hauptchor  am 
Kirchenende. 


')  Küster,  Altes  u.  Neues  Berlin,  S.  70. 

-}  Leutinger,  27.  Buch,  §  7,  S.  8i)8/Q. 

3)  Heffter,  üeschichte,  S.  336. 

•■)  Bomiiann,  S.  150. 

')  N.  Müller  I,  S.  6b  ff. 

'■)  Borrmann,  S.  162. 

')  Seidel,  Brevis  historiola  .  .  .,  S  287. 

S)  N.  Müller  I,  S  15. 

'■')  N.  Müller  I,  S.  16. 

'")  Fr  Nico:ai  I,  S.  S3  u.  S<»:    X.  Müller  1,  S.  16. 

"i  ilendreicli,  4.  Kap. 

'-')  Küster,  Altes  u.  Neues  Berlin,  S.  50. 

'■')  N.  Müller  1,  S.  21,  Anrii.  2. 


Berlin 


-    152    - 

Es  läßt  sich  nicht  mehr  mit  voller  Gewißheit  feststellen,  wie  die  Beisetzung 
der  Verstorbenen  aus  dem  Herrscherhause  in  der  ersten  Zeit  des  neugegrundeten 
Domes  erfoWt  ist  „Vber  etliche  Zeit'"),  also  etwa  um  1540-50,  soll  Joachim  11. 
die  Gebeine  seines  Großvaters  Johann  Cicero  und  seines  Vaters  von  Lehnin  wieder 
nach  Berlin  haben  schaffen  lassen,  wo  Joachim  I.  nach  Leutinger-')  in  einem  aul- 
fallenden, ausgeschmückten  Grabe,  nach  Haftitius")  bereits  „im  Gewelbe  des 
Chors  vnter  einem  Messingen  Leichstein"  beigesetzt  worden  sein  soll.  Da  noch  am 
Anfancr  des  18.  Jahrhunderts»)  Johann  Ciceros  Bronzemonument  im  vorderen  Chor- 
raum beim  dortigen  kleinen  Altar  vorhanden  war,  wird  auch  Joachim  I.  dort  geruht 
haben-  da  ferner  1587  noch  ein  Graf  Joachim  von  Zollern  „vor  dem  Chor'")  be- 
graben wird,  auch  Joachim  IL  1571  dort  (non  longe  a  patris  tumulo)'-)  bestattet 
wurde,  werden  wir  hier  die  erste  Ruhestätte  der  landesherrlichen  Familie  zu  suchen 
haben.'  Von  den  meisten  ihrer  Mitglieder  schreiben  zeitgenössische  Chronisten»)  ein- 
fach, daß  sie  „zur  Erden  bestattet"  oder  „begraben"  seien ;  nur  betreffs  Sabina,  der 
zweiten  Gemahlin  Johann  Georgs,  wird  ausdrücklich  berichtet,  daß  sie  1575  „im 
Chor  des  Thumbstiffts  im  gewelbe""),  nach  andrem  Bericht  „im  Chor,  in  eim  newenn 
gewelb,  so  in  eil  darzu  erbawet""),  bestattet  worden  sei.  Da  bereits  1625")  die 
Stelle  dieser  Gräber  nicht  mehr  nachweisbar  war,  sondern  „in  kleinem  Gewölb- 
lein, so  unter  dem  vordersten  kleinen  Altar  mag  gestanden  seyn,  vermutlich"  die  Bei- 
setzung stattgefunden  haben  soll,  da  ferner  nirgends  von  einer  hinabführenden  Treppe 
die  Rede  ist,  werden  wir  wohl  trotz  Bekmann,  der  hier  3  Gewölbe  angibt  und  das 
nördliche  für  die  Fürstengruft  des  16.  Jahrhunderts  hält"),  im  vorderen  Chorteil 
des  6.-7.  Joches  keine  zusammenhängenden  Gruftgewölbe  nach  Kryptenart  an- 
nehmen dürfen,  vielmehr  für  jeden  Loten  ein  besonderes  Grabgewölbe  vorauszu- 
setzen haben,  wie  es  ja  auch  in  Ruppin  gewesen  zu  sein  scheint.  Das  einzige  Beweis- 
moment für  eine  förmliche  Gruft,  das  neue,  eilig  erbaute  Gewölbe  für  Sabina,  ist  doch 
gegenüber  den  andern  und  zum  Teil  früheren  Berichten  wenig  stichhaltig. 

Hier  wurden  also  nach  Hendreich  ")  die  Mitglieder  des  Herrscherhauses  mit 
Ausnahme  von  Georg  Wilhelm  beigesetzt,  bis  der  Große  Kurfürst  im  eigentlichen 
einschiffigen  Chor  1660'-')  die  oben  erwähnte,  sogenannte  Königliche  Gruft  anlegte, 
die  sich  mit  insgesamt  18  Stufen  etwa  3  m  über  den  Schiffsfußboden  erhoben  haben 
mag.  Die  alten  Metallsärge  und  Epitaphien  sind  in  ihrer  mit  der  Zeit  reicher  und 
kostbarer  werdenden   Ausstattung  größtenteils  noch  erhalten. 

Die  großen  Bauanlagen  Joachims  IL,  nämlich  der  dreigeschossige  Schloßbau 
des  Caspar  Theiß  und  die  Anlage  der  Stechbahn  auf  der  östlichen  Hälfte  des  jetzigen 
Schloßplatzes  vom  Dom  bis  zur  Langen  Brücke  hin,  bedingten  wohl  auch  nach  außen 
hin  eine  würdige  Gestaltung  des  westlich  davon  liegenden  Domes.  So  mag  viel- 
leicht auch  schon  damals  außer  der  bereits  erwähnten  „Glocke"  der  viereckige  Uhr- 
turm entstanden  sein,  der  sich  anscheinend  über  dem  einzigen  Chorjoch  erhob  (Titel- 
bild). Der  Kirchhof  auf  der  Südseite  aber  erhielt  eine  neue  Mauer,  die  nach 
späterer  Beschreibung'-')  an  den  beiden  Enden  der  Langseite  2  Eingänge  mit  zier- 
lichen eisernen  Torflügeln  besaß  und  mit  einigen  Zieraten  aus  Quadersteinen 
geschmückt  war.  Das  Material  dazu  in  Gestalt  von  24  Wispel  Kalk  und  6000  Mauer- 
steinen forderte  der  Kurfürst  1562")   vom   Rat  der  Stadt   Berlin. 

Ob  auch  schon  damals  2  Westtürme  erbaut  wurden,  die  bestimmt  noch  nicht 
zu  der  alten  Dominikanerkirche  gehört  haben,  da  diese  um  1500'=')  nur  1  schlanken 
Dachreiter  am  östlichen  Ende  des  Langhauses  aufweist,  oder  ob  solche  erst  unter 
Joachim  Friedrich  entstanden,  von  dem  nur  allgemein  berichtet  wird,  daß  er  an- 
läßlich der  Erhebung  des  Domes  zur  Obersten  Pfarrkirche  1598  diese  hat  „erweitern 
vnd  ernewern'"")  lassen,  ist  mangels  jeder  Nachricht  nicht  zu  erweisen.    Als  gewiß 

')  Haftitiiis,  S.  96. 

2)  Leutinger,  5.  Buch,  S.  189 

3)  Küster,  Alles  u.  Neues  Berlin,  S  50 
')  Engel,  Annal.  III,  S.  398. 

■')  Leutinger,  IS.  Buch,  §  26,  S.  632/33. 

")  Engel,  Annal.  III,  S.  368,  371,  428;    Haftitius,  S.  129. 

')  Haftitius,  S.  132. 

«)  Hist.  Aufz.  Berl.  Stadtschr.,  S.  308. 

5)  Borrmann,  S.  160. 

'")  Borrmann,  S.  162. 

")  Hendreich,  4.  Kap. 

")  Borrmann,  S.  161. 

'3)  Küster,  Altes  u.  Neues  Berlin,  S.  49. 

'^)  Fidicin,  Beiträge  IV,  S.  276. 

■5)  Plan  „Berlin  und  Cöln  um  .  .  .  1500". 

"•)  Fidicin,  Beiträge  IV,  S.  331. 


-    153    - 

aber  ist  anzunehmen,  daß  am  Anfang  des  17.  Jahrliunderts  durch  den  nach  Westen 
gegen  die  heutige  Schloßfreiheit  hin  sich  fortsetzenden  Schloßbau  der  nördliche 
Teil  der  Klosteranlage  verdrängt  wurde'). 

Nachdem  noch  1630-)  an  der  „Glocke"  und  an  der  Sakristei  Reparaturarbeiten 
vorgenommen  worden  waren,  sehen  wir  bei  Merian  zum  ersten  Mal  alle  die  Bau- 
teile der  Kirche  dargestellt,  deren  Zeitbestimmung  so  ganz  ungewiß  ist,  und  zwar 
von  links  nach  rechts  die  „Glocke",  den  l'hrturm,  den  stattlichen  Dachreiter  nn 
Schnittpunkt  der  Firste  von  Haupt-  und  Giebeldächern  an  den  blendengeschmückten 
Staffelgiebeln^),  die  aber  nicht  über  QHierschiffen  sitzen,  wie  es  den  Abbildungen 
nach  scheinen  möchte,  und  die  beiden  westlichen  Türme.  Durch  das  Westgebäudi 
aber  führte  nach  anderm  Berichte')  nur  eine  gewölbte  Tür  zu  dem  dargestellten 
großen  Kirchhofe  auf  dem  Klosterhof,  an  dessen  Wänden  damals  zahlreiche  Erb- 
begräbnisse gewesen  sein  sollen.  Ein  Ostgebäude  ist  nur  noch  zum  Teil  an  der 
Kirche  vorhanden,  Südgebäude  und  Kreuzgang  scheinen  bereits  zu  fehlen. 

Wenn  der  Uhrturm  um  lOftü — 70-)  mit  dem  Kurhrandenburgischen  Wappen 
geschmückt  wurde,  mag  damit  seine  Reparatur  verbunden  gewesen  sein. 
Eine  Wendelstiege,  auf  Bernhard  Schulz'  Bild  von  1688  auf  der  südlichen  Langhaus- 
seite am  5.  Joch  von  Westen  her  dargestellt,  zeigt  auf  Feldmanns  Grundriß  von 
außen  und  innen  je  einen  Zugang  und  ist  außen  in  5  Seiten  eines  .Achtecks  ge- 
schlossen, während  der  Treppenlauf  runden  Abschluß  nach  außen  hin  besitzt.  Ihre 
eingezwängte  Lage  und  vor  allem  die  Anordnung  der  Treppe  selbst  wider  alle 
mittelalterliche  Gewohnheit  außerhalb  der  Kirchenwand  lassen  sie  unzweifelhaft 
als  spätere  Hinzufügung  erkennen.  Sie  wurde  1669")  vollständig  neu  errichtet 
und  diente  u.  a.  als  Emporenaufgang.  Der  frühere  Zugang  zum  Dach,  der  gewöhn- 
lich auf  der  Seite  der  Klostergebäude  lag,  mag  damals  mit  dem  dortigen  Kreuz- 
gangsteil beseitigt  worden  sein.  Gegen  Ende  des  17.  Jahrhunderts  waren  auch  die 
beiden  Westtürme  so  baufällig  geworden,  daß  1607'')  zunächst  ihre  schlanken  Helme 
abgenommen  und  durch  Giebel  ersetzt  wurden").  Das  gewonnene  Dachkupfer  sollte 
nach  Bestimmung  des  Kurfürsten  verkauft  und  der  Erlös  zur  Verbesserung  der 
Fenster  verwandt  werden').  Doch  scheinen  an  diesen  erst  1717 — 18  gemeinsam 
mit  den  andern  tiefgreifenden  Umbauten  größere  Veränderungen  stattgefunden  zu 
haben.  Die  vorherigen  verstaubten,  dunklen  Scheiben  wurden  durch  bessere, 
hellere  ersetzt,  ein  Nordfenster  aufgemacht  und  unter  den  hohen  Fenstern  der 
Emporen  wegen  einige  neue  angebracht).  Zugleich  wurden  die  beiden  Eingänge 
dem  Schloß  gerade  gegenüber  (im  4.  bezw.  5.  und  im  7.  Joch)  mit  zwei  zierlich 
gearbeiteten  Türen  versehen,  wodurch  „dem  sonst  finsteren  Gebäude  ein  besser  in 
die  Augen  fallendes  Aussehen"  gegeben  wurde.  Überhaupt  trachtete  man  nach 
möglichst  reicher  Verzierung,  so  daß  der  altehrwürdige  Eindruck  des  Gebäudes  ganz 
verloren  gewesen  sein  muß,  wenn  Küster  nach  dem  Umbau  das  LJrteii  abgibt,  daß 
es  „nunmehr  vor  ein  wohlangelegtes  ordentliches  unil  zierliches  Kirchengebäude 
passieren  kann". 

Im  übrigen  mußte  die  Zeit  den  Bau  schon  stark  mitgenommen  haben,  wenn  das 
ganze  Dach  erneuert  wurde"),  wobei  außer  den  bereits  baufälligen  seitlichen  Zier- 
giebeln der  beiden  östlichen  Langhausjoche  zugleich  der  Dachreiter  verschwand  '"). 
Da    ebenso    die    „Glocke",    wohl    wegen    der    Schloßeru-eiterung  "),  abgetragen 


')  Küster,  Altes  u.  Neues  Berlin,  S  4'). 

2)  Borrmann,  S.  160. 

3)  Der  Versuch  von  N.  Müller  1,  S.  14,  diese  Ziergiebel  durch  Vergleich  mit  Joachims  11. 
Schloßbau  noch  als  Bestaiuileile  aus  der  Mönche  Zeiten  herzuleiten,  hat  neben  der 
in  diesem  Falle  einzig  in  der  Mark  dastehenden  und  aucli  sonst  wohl  seltenen 
Bereicherung  der  doch  gerade  angestrebten  ruhigen  Dachwirkunt;  noch  darin  ein 
Bedenken  gegen  sich,  daß  es  sich  dort  um  einen  Putz-,  hier  um  einen  Backsteinbau 
handelte,  für  den  die  verschiedene  Formensprache  das  Gegebene  ist. 

')  N.  Müller  1,  S  14. 
--<)  N.  Müller!,  S.  13. 
")  Die    Doniansiclit    auf    dem    .Oriindriss    von    Berlin  .  .  .     1710"    kann    also   nicht 

aus  diesem  Jahre  stammen,    sondern    erst    von  1717/18,   zumal    ja  auch  bereits  die 

Fenster  unter  den  Emporen  durchgebrociien  sind. 
')  N.  Müller  I,  S.  13,  Anm.  5 
ä)  Küster,  Altes  u.  Neues  Berlin,  S.  50. 
^)  Borrmann,  S.  161. 

'")  Küster,  Altes  u.  Neues  Berlin,  S  50;    N.  .Müller  I.,  S.  13. 
")  Borrmann,  S.  160/1. 


Berlin 


—    154   — 

wurde,  war  von  dem  reichen  Oberbau  auf  Merlans  Bild  schließlich  außer  dem  Uhr- 
turm') nichts  mehr  übrig  geblieben.  So  wurden  dann  1718=)  am  Westgiebel  von 
dem  Baudirektor  Böhme  an  Stelle  der  bereits  1697  zum  Teil  abgebrochenen  zwei  neue 
Fachwerktürme  errichtet,  „so  von  außen  mit  Steinen  bekleidet  waren",  und  „nach 
der  neuen  gotischen  Art".  Die  alten  Glocken  wurden  nun  zum  Teil  in  ihnen  auf- 
gehängt, im  nördlichen  Turm  die  Wilsnacker,  mi  südlichen  die  Osterburger'), 
und  von  ihnen  herab  riefen  sie  mit  eherner  Stimme  die  Gemeinde  zum  Gottesdienst 
zusammen  bis  1747.  In  diesem  Jahre  hat  der  damalige  Kriegsrat  Feldmann  noch 
einen  Entwurf  aufgestellt")  für  Verstärkung  der  Mauern  und  Strebepfeiler  auf  der 
südlichen  Seite  sowie  an  dem  Turmpaar  der  Westfront  und  zugleich  Pläne  für 
einen  Turmneubau  auf  der  Ostseite  entworfen;  sie  kamen  aber  nicht  zur  Aus- 
führung: Noch  in  demselben  Sommer  wurde  der  alte  Bau  nach  450iährigem  Be- 
stehen abgetragen  und  statt  seiner  bald  darauf  im  Lustgarten  mit  Verwendung  seines 
Materials  ein  neuer  Dom  geschaffen. 

Über  das  alte  Klostergebiet  flutet  heute  der  Verkehr  einer  Großstadt  dahin, 
und  kaum  einer  von  den  Tausenden  von  Menschen,  die  dort  gehen,  ist  sich  be- 
wußt, daß  sein  Fuß  über  einen  Ort  schreitet,  der  jahrhundertelang  eine  Stätte 
stiller,  frommer  Andacht  gewesen  ist. 


')  Grundriss  von  Berlin  .  .  .  1710. 
2)  N.  Müller  I,  S.  13. 
■■•)  Borrmann,  S.  161. 
<)  N.  Müller  I,  S.  10. 


-    155    - 


Kapitel  8.    Tangermünde. 

1.  Teil:  Die  Geschichte. 


Fig.  16.      Nordansicht    der     Ruinen    des     ehemaligen    Tangernuinder   Dominikanerklosters. 
Mit  Genehmigung  der  Kgl.  Meßbildanstalt  zu  Berlin.  ..\ufgen.  is97. 

Während  die  vorhergenannten  sieben  Klöster  alle  noch  aus  dem  Vi.  Jahrhun- 
dert stammen,  haben  sich  die  Dominikaner  in  Tangermünde  erst  fast  1  'A  Jahr- 
hundert später  niedergelassen.  Wir  hatten  gesehen,  daß  die  ersten  Siedlungen  in 
jung  angelegten  Städten  anzutreffen  waren;  etwas  .ähnliches  kann  man  auch  hier 
ann'ehmen,  weil  die  Neustadt  Tangermünde,  die  übrigens  nie  ein  eigenes  städtisches 
Leben  geführt  hat,  vor  den  Toren  der  selbständig  stark  befestigten  und  vielleicht 
schon  im  12.  Jahrhundert  entstandenen  .Mtstadt')  vermutlich  erst  im  14.  Jahr- 
hundert^)  angelegt  v^'urde.  Genauere  Datierung  ist  mangels  urkundlicher  Nach- 
nchten  nicht  "möglich.  Nach  einer  alten  Inschrift,  die  sich,  abweichend  von  sonst 
üblicher  Stätte,  oben  am  westlichen  Teile  der  Kirche  befunden  und  mit  ihren 
großen  Buchstaben  fast  die  ganze  Mauerfläche  daselbst  ausgefüllt  haben  soll,  ist 
das  Kloster  1438  gestiftet  worden.  Damit  stimmt  etwa  überein,  daß  v.  l.oe  nach 
Orcensquellcn  die  Aufnahme  in  das  Jahr  1442  setzt,  während  von  Entzelts  Zeit  an 
Helmreich»),  Kittner')  und  Bekmann>)  viel  zu  früh  Johann  I.  als  Grunder  annehmen. 
Die  Inschrift  war  am  Anfang  des  18.  Jahriiunderts  bereits  unleserlich  ge- 
worden, doch  hat  eine  von  Küster  damals  in  der  Kirche  aufgefundene  Abschrift 
uns  ihren  Wortlaut  erhalten"): 

„Anno  MCDXXXVIII.  hat  .^\arggiaf  Friederich  der  Jünger  mit  Willen  und 
VoUw'örd  des  Raths/diss  Kloster  Prediger  Ordens,  Gott  dem  Allmächtigen  zu 
ewigen  Lobe/der  Hochgelobten  Jungfrauen  Marien  der  .\Autter  GOttes  und  allen 
GOttes  Heiligen  zu  Ehren  und  Würdigkeit  gestifftet/und  die  Stätte  und  Plan  dazu 
verehret.  Welche  Fundation  Papst  FUGENIUS  IV.  in  selbigem  lahre  confir- 
miret/auch  mit  Privilegien  und  Indulten  bewidmd  Ferariae  XI\'.  Cal.  Decembr.  Ao. 
pontificatus  sui  octavo." 


')  Riedel,  Mark  Brandenburg,  S.  131. 

2)  Zahn,  Miltelalterl.  Topogr.,  S.  3t:    Aue,  S.  40. 

3)  Helmreich,  S.  24 

>)  Rittner,  S.S.  ,       „     ,        ,-        c  ii 

ä)  Bekmann,  Histor.  Beschr.  d   Mark,  II.  Bd..  V.  leil,  1.  Buch,  ü.  Kap.,  S.24. 

")  Küster,  Antiqnit.  Tangerm  ,  S.  47/8. 


Gründungs- 
geschichte. 


Tangernuiudc 


156    - 


S  2.  Besitz 
Verhältnisse, 


S3. 

Reformatlons- 

zeii. 


S  4.  Neuzeit. 


„Anno  MDXLIV.,  wie  das  Pabstthum  gäntzlich  abgeschaffet,  hat  JOACHIMUS 
der  andere  Churfürst . . .  dieses  Kloster  zusammt  aller  und  jeder  seiner  Zugehörung 
um  GOttes/Willen  zu  Anrichtung  eines  Spittals  vor  die  Armen  vereignet  und  ver- 
schrieben". 

Der  erste  Teil  dieser  Schrift  scheint  der  genauen  Daten  wegen  in  vorreforma- 
torische  Zeit  zurückzugehen,  der  zweite  kann  seinem  Inhalt  nach  erst  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  stammen. 

Entsprechend  seinem  verhältnismäßig  kurzen  Bestehen  hat  das  Tanger- 
inünder  Kloster  anscheinend  auch  nur  geringen  Besitz  ei-worben.  Friedrich  der 
Jüngere,  ein  Bruder  Friedrichs  II.,  hatte  bei  Teilung  der  Brandenburgischen  Länder 
die  Altmark  erhalten  und  Tangermünde  zu  seiner  Residenz  gemacht.  Er  vermachte 
den  Mönchen  außer  Stätte  und  Plan  im  Jahre  1442')  noch  „zu  eyner  ewigen  lampen 
in  Irin  kirchen  .  .  .  eine  margk  geldes  stendalischer  werunge  Jerlicher  Zinsse  vnnd 
Rcntlie  In  der  vehre  (Fähre)  zu  Tangermunde",  die  so  lange  eine  Familie  Schulz  als 
Mannlehn  besessen,  jetzt  aber  an  das  Kloster  abgetreten  hatte.  Ungewiß  ist  da- 
gegen 1  ierkunft  und  Erwerbszeit  der  wenigen  Liegenschaften,  die  wir  zur  Refor- 
mationszeit im  Besitz  des  Klosters  vorfinden-),  nämlich  eines  Terminierhauses  in 
Stendal,  einer  Wiese  auf  der  Jerichower  Feldmark  und  eines  kleinen  Weingartens, 
höchstens  daß  letzterer  mit  zu  der  Stätte  gehört  haben  könnte  und  dann  dort  zu 
suchen  wäre,  wo  heute  noch  ein  kleines  Gartenland  südlich  vom  Kloster  Hegt.  Un- 
bekannt ist  auch,  auf  welche  Weise  die  Mönche  das  Recht  erworben  haben,  daß 
ihnen  vom  Jahre  1544  an  jährlich  1  Mark  von  Jerke  Dobbelyn,  1  Mark  von  Cüne 
von  Gohre  und  1  Tonne  Heringe  von  100  Gulden  Hauptsumme  von  Busso  von  der 
Schulenburg  gegeben   werden  mußte. 

Der  ebenfalls  bescheidene  Besitz  der  Klosterkirche  an  Edelmetall  wurde  hier, 
wie  wir  es  auch  anderswo  gefunden  haben,  im  Jahre  1541'')  der  Stadt  zur  Auf- 
bringung der  bewilligten  Landessteuer  vom  Kastner  Hieronymus  Staudt  zugewogen. 
Dabei  fanden  sich  nach  der  Empfangsbescheinigung  des  Rates  vor: 

,,Drey  kilche  mit  den  patenen  vergüldt  und 
dry  pacificalia  vriuergült, 

haben  gewogen  vier  marck  zehn  loth, 
Eine  monstrantz  vergüldt  dry  marck, 

also  des  klosters  silberwerck   In   Summa  syben 

marck  zehen  loth". 
Alles  zusanmiengenommen,  ging  es  den  Mönchen  somit  nicht  übermäßig  gut. 

Die  Reformation  wurde  bereits  1538  in  Tangermünde  ohne  jegliche  Friedens- 
störung durchgeführt,  und  schon  1540  begann  die  Kirchenvisitation  der  Altmark 
in  ebendieser  Stadt').  Damit  ging  auch  der  Klosterkonvent  ein.  Die  iMönche 
scheinen  sich  hier  den  neuen  Verhältnissen  nicht  widersetzt  zu  haben,  wie  wohl 
daraus  hervorgeht,  daß  der  Rat  zweien  von  den  letzten  vier  Zurückgebliebenen 
bei  ihrem  Scheiden  1540-)  gute  Empfehlungsschreiben  mit  auf  den  Weg  gibt,  in 
denen  er  ihnen  ein  treffliches  Leumundszeugnis  ausstellt  und  ausdrücklich  betont, 
daß  sie  „nicht  heimlich  edder  düfftlick,  sondern  ehrlick  vnd  redelick"  fortgezogen 
seien.  Von  ihnen  wird  Andreas  .Moller  als  gut  geeignet  und  brauchbar  bezeichnet, 
eine  Pfarr-  oder  Predigerstelle  zu  übernehmen.  Er  darf,  ebenso  wie  Caspar  Gerlow, 
ein  Schreibpult,  eine  Schlafbank  und  sein  Gerät  mitnehmen,  ,,dat  he  vp  syne  rolle 
gehat",  und  beiden  wird  neben  einem  „Themelich  (geziemenden)  kleyd"  das  Ter- 
minierhaus in  Stendal  überlassen.  Bin  dritter,  Bartholomäus  llolthusen'),  erhielt 
als  Abfindung  2  Gulden;  der  vierte,  vielleicht  ein  Laienbrudcr,  wird  nicht  besonders 
genannt. 

Der  Kurfürst  erlaubte  noch  in  demselben  Jahre-)  dem  Rate,  „dat  kloster  alhier 
intonehmende  vnd  ein  Spittael  darvan  to  makende";  doch  scheint  die  Urkunde 
darüber  erst  nachträglich  im  Jahre  1544")  ausgestellt  worden  zu  sein,  in  dem  der 
Stadt  „uff  Ihr  pittlich  Ansuchen  das  Pauler  Kloster  daselbst  sampt  aller  und  jeder 
desselbigen  Zugehörung"  zu  obigem  Zwecke  ausdrücklich  verschrieben  wird.  Bei 
der  Gelegenheit  wurden  auch  die  Hospitäler  von  St.  Elisabeth  im  Hühnerdorfe, 
von  St.  Gertrud,  vermutlich  nördlich  vom  Klosterkirchhofe  gelegen,  und  vom  Elen- 
denhause  samt  einem  großen  Teile  ihrer  bisherigen  Einkünfte  mit  dem  neugeschaffe- 


')  Riedel  A  Ifi,  S.  73;  nach  S.  77  erst  14-17. 

^)  Riedel  A  16,  S.  152/3;  Pohlmanii,  Wanderungen,  S.  279/80. 

3)  Riedel  A  16,  S.  154/5. 

'I  Zahn,  Gesch.  d.  Kirch.,  Ber.  24,  Heft  2,  S.  10, 

■^1  Zahn,  Gesch.  d.  Kirch.,  Ber.  25,  S.  43 

'')  Pohlmann,  Wanderungen,  S.  279. 


157 


BLATT- 18 


DOMINIKANERKLOSTER:    b=brandenburg-  s.soldin    t=tan&ermunde. 


AUFGENOMMEN  UND  G-EZEICHNET 


BIBLIO- 
ßlä.  THEK 


-    159    - 

ncn  Klosterhospital  vereinigt')-  Die  Kirche  aber  diente  noch  weiterhni  zur  Ver- 
richtung   crottesdienstlicher    Handlungen.      Ihre    Prediger  wurden    seit    Ende  des 

16.  Jahrhunderts  für  ihre  Tätigkeit  aus  dem  Georg  Düsterschen  Legat  von 
1000  Talern-)  entschädigt. 

Somit    treffen    wir    die    Kirche    und    ebenso    das    Kloster    am    Anfang    des 

17.  Jahrhunderts  in  guter  finanzieller  Lage  an.  Werden  doch  30—40  Personen 
in  ihm  verpflegt,  und  um  dies  zu  ermöglichen,  ist  eine  förmliche  Acker-  und 
Viehwirtschaft  auf  dem  Grundstück  angelegt').  Da  brach  der  Dreißigjährige  Krieg 
herein.  Die  Altmark  hatte  besonders  viel  von  den  Scharen  der  Kaiserlichen  zu 
leiden,  die  dauernd  das  Land  überschwemmten.  Ihre  Macht  war  dort  so  groß, 
daß  1620  ein  Jesuitenpater  Strizerus'')  nach  Zahn  einen  Halberstädter  Dcminikaner- 
prior  auf  Grund  des  nach  dem  Lübecker  Frieden  vom  Kaiser  erlassenen  Restitutions- 
ediktes vom  Tangermünder  Rate  die  Rückgabe  des  Klosters  an  die  Katholiken  ver- 
langen ließ.  Dieser  fand  natürlich  kein  Gehör,  sondern  wurde  vom  kurfürstlichen 
Statthalter  „schlecht  abgewiesen". 

Klostergebäude  und  Kirche  litten  durch  ihre  Benutzung  zu  kriegerischen 
Zwecken  außerordentlich:  Schon  1626  soll  der  dänische  General  Fuchs")  „die 
balken  an  dieser  Kirchen  einen  um  den  andern"  haben  herausschneiden  lassen ; 
nach  Rittner")  waren  es  erst  1642  die  Kaiserlichen,  die  dann  das  Holz  zum  Bau 
einer  Brücke  über  den  nahen  Fluß  verwandten.  Vielleicht  haben  die  eine.i 
genommen,  was  die  andern  übrig  gelassen  hatten.  Jedenfalls  hat  der  Dreißigjährige 
Krieg  hier  ebenso  wie  in  Seehausen  verschuldet,  daß  die  Kirche  nach  .^usraubung 
ihres  Daches  bald")  durch  Wind  und  Wetter  zur  Ruine  wurde,  indem  einstürzenac 
Balken  die  Gewölbe  durchschlugen  und  das  Innere  in  einen  Schutthaufen  ver- 
wandelten, in  dem  alte  Leichensteine  noch  im  Anfang  des  IS.  Jahrhunderts  gelegen 
haben  sollen'). 

An  Wiederherstellung  war  damals  bei  dem  allgemeinen  Elend  nicht  zu  denken, 
und  so  ragten  die  massiven  Mauern  einsam  empor,  schutzlos  dem  zerstörenden  Ein- 
fluß der  Witterung  preisgegeben.  1749'*)  wollte  man  die  Kirchenruine  abbrechen 
und  die  Steine  zum  Bau  einer  Mauer  um  das  Hühnerdorf  veiwenden ;  doch  mögen 
die  Überreste  immerhin  noch  in  leidlichem  Zustand  gewesen  sein,  wie  sich  wohl 
daraus  ergibt,  daß  aus  gleicher  Zeit  Kostenanschlag  und  Zeichnung  für  Instand- 
setzung zu  gottesdienstlichen  Zwecken  im  Stadtarchiv  erhalten  sind.  Danach  sollten 
Chor  und  3  Schiffsjoche  wiederhergestellt,  nach  Abbruch  der  westlichen  Joche  ein 
neuer  Westgiebel  geschaffen  und  das  ganze  mit  einem  neuen  Dach  überdeckt  und 
mit  einem  Dachreiter  geschmückt  werden.  Die  dazu  erforderlichen  4300  Taler 
werden  dazu  beigetragen  haben,  daß  aus  diesem  Plan  nichts  wurde. 

Der  Verfall  ging  also  weiter  und  weiter,  bis  schließlich  am  Ende  des  18.  Jahr- 
hunderts'*) das  Mauerwerk  der  Kirche  zum  Teil  an  einen  neustädtischen  Schiffer 
verkauft  wurde,  der  sich  davon  ein  Haus  baute.  So  standen  nur  noch  die  schon 
früh  zu  Spital  und  ökonomischen  Zwecken  verwandten  Klostergebäude,  wenngleich 
auch  sie  durch  den  großen  Krieg  stark  gelitten  hatten  und  der  Wohlstand  aus 
dem  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  lange  dahin  war.  Nur  vier  arme  Bürger- 
frauen fanden  um  1750'")  dort  noch  Wohnung  und  Verpflegung,  bis  die  Stadt 
schließlich  das  Hospital  eingehen  ließ  und  das  Grundstück  mit  seinen  Gebäuden 
1829")  für  1400  Taler  an  den  Ackerbürger  Daniel  Sempf  verkaufte,  in  dessen 
Familienbesitz  die  seitdem  durch  Umbau  zu  Scheunen  und  Ställen  innen  fast  völlig 
zerstörten  Gebäude  noch  heutigen  Tages  sich  befinden.  Die  andern  Ländereien 
wurden  damals  vom  Kloster  getrennt  und  anderweitig  verpachtet.  Aus  dem  Erlös 
und  einigen  verbliebenen  Einkünften  schuf  man  vier  Klosterpiäbendeii  für  be- 
dürftige Witwen'-'),  die  aber  fortan  ihre  Wohnung  andern  Ortes  hatten. 

Seitdem  i.  J.  1841  ")  der  anliegende  Kirchhof  geschlossen  wurde,  erinnern  nur 
noch  die  südlichen  inneren  Wandflächen  zweier  Chorjoche  als  nördlicher  .Abschluß 
des  größeren  Klostergebäudes  daran,  daß»  auf  dem  jetzigen  Platze  früher  ein  stolzes 
Gotteshaus  emporragte. 

')  Zahn,  Gesch.  d.  Armenpflege,  S.  90/1. 

2)  Rittner,  S.  9 

3)  Küster,  Menior.  Tangr  ,  S.  37/8. 
')  Küster,  Memor.  Tangr,  S.  36. 

■<)  Rittner,  S.  70. 
'')  Küster,  Menior.  Tangr.,  S.  35 

')  Bekmann,  Histor.  Beschr.  d  .Wark,  II.  Bd  ,  V.  Teil,  1.  Buch,  6.  Kap.,  S-  25. 
'^)  Zahn,  üesch.  d.  Kirch.,  Ber.  25,  S  51. 
'')  Polilmann,  Geschichte,  S.  48'9. 

'»)  Bekmann,  Histor.  Beschr.  d  Mark,  II.  Bd.,  V.Teil,  1.  Buch,  6.  Kap.,  S.  24. 
")  Zahn,  Mittelalt.  Topogr.,  S.  36 
'2)  Zahn,  Gesch.  d.  Armenpflege,  S.  02. 


Tangerniünde 


-    160 


S  I.  Kirclie. 


2.  Teil:  Die  Baulichkeiten. 

(Blalt  18-20). 


Das  Kloster  lag  vor  dem  Neustädter  Tor,  nach  dem  Tangerflüßchen  zu, 
auf  einem  der  steil  nach  dessen  Wiesen  zu  abfallenden  Hügel;  dieser  zeigt  noch  heute 
Reste  der  alten  neustädtischen  Mauer,  die  zugleich  als  Böschungsmauer  diente. 

Die  Kirche  stand  im  Norden,  der  Chor  gegen  Osten,  wieder  etwa  um  30 " 
nach  Norden  zu  abweichend.  Südlich  von  ihr  befand  sich  der  Klosterhof,  umgeben 
im  Osten  und  Süden  von  je  einem  größeren,  zweigeschossigen  Gebäude,  im  Westen 
nur  von  einem  Flügel  des  Kreuzganges,  der  sich  aber  anscheinend  nicht,  wie  Adler 
angibt,  auch  an  der  Südwand  der  Kirche  entlang  gezogen  hat. 

Östlich  von  dieser  eigentlichen  Klausur  liegt  noch  heute  ein  kleineres  Ge- 
bäude, durch  einen  schmalen,  zweigeschossigen  Gang  mit  ihr  verbunden.  Die  Ge- 
stalt des  Hügels  und  die  wohl  schon  im  Mittelalter  hier  vorhanden  gewesene 
Straße  zum  Tanger  hin  werden  veranlaßt  haben,  daß  es  nicht  parallel  dem  großen 
Ostgebäude  errichtet  wurde,  sondern  mit  ihm  und  dem  Verhindungsbau  einen  trapez- 
förmigen, nach  Süden  zu  offenen  und  hier  schmaleren  zweiten  Hof  einschloß.  Nörd- 
lich und  östlich  der  Kirche  dehnte  sich  bis  1841  ein  Kirchhof  aus.  Sämtliche 
eigentlichen  KTausurgebäude  waren  den  Spuren  nach  früher  höher;  die  mittelalter- 
lichen Dächer  sind   somit  sämtlich  verschwunden. 

.\uf  die  Kirche  können  wir  schon  allein  aus  den  äußerst  spärlichen  und  nur 
durch  besondere  Umstände  erhaltenen  Mauerteilcn  weitgehende  Rückschlüsse 
ziehen  (Bl.  10  und  20):  In  der  nördlichen  Abschlußwand  des  östlichen  Klausur- 
gebäudes und  in  einem  anschließenden  Stück  seiner  Westfront  bis  etwa  zu  4  3^  m 
Höhe  sind  uns  die  Jochbreiten  des  Chors,  der  Fensteranfang  des  ersten  Polygon- 
fensters, die  Breite  des  südlichen  Seitenschiffs  und  die  zugehörigen  Teile  des  Aufbaus 
sämtlich  erhalten.  Das  kleine  Arbeiterhäuschen  westlich  davon  verbürgt  die 
Stellung  der  Westfront  durch  einen  noch  etwa  2,50  m  hoch  erhaltenen  und  einen 
zweiten,  nur  noch  dem  Ansatz  nach  erkennbaren,  bis  vor  kurzem  vorhandenen 
Strebepfeiler;  ferner  durch  ein  Stück  von  fast  3  m  hochgehender  Wand  und  einen 
Sockel,  der  sich  um  den  Strebepfeileriest  sowie  die  West-  und  Südseite  des  jetzigen 
Häuschens  herumzieht  und  an  dem  westlichen  Kreuzgangsteil  fortsetzt.  Bei  An- 
nahme der  üblichen  gleichen  Jochbreiten  in  Chor  und  Schiff  würden  sich  für  den 
Raum  vom  Choranfang  bis  zur  Weslwand  genau  fünf  Joche  ergeben.  Damit  stimmt 
Bekmanns')  Beschreibung  überein,  daß  die  Gewölbe  „auf  12  seulen"  geruht  hätten. 
Wir  müssen  dabei  die  vier  Wandpfeiler  an  den  beiden  Enden  als  mitgerechnet  be- 
trachten, wie  es  ja  z.  B.  Heffter-),  Büsching")  und  Rochow')  tun,  wenn  sie  das 
Langhaus  der  Brandenburger  Klosterkirche  mit  seinen  Tj  Jochen  mit  Gewölben  über- 
deckt sein  lassen,  die  „auf  14  achteckigen  Pfeilern"  ruhen,  von  denen  cioch  in  Wirklich- 
keit nur  10  freistehend  sind. 

Reste  von  jetzt  unter  dem  Erdboden  liegenden  Fundamentmauern  unter  den 
Pfeilerreihen  und  die  Grundrißskizze  des  östlichen  Kirchenteils  bei  Zahn")  aus  dem 
Jahre  1749  mit  dem  Chorschluß  aus  sieben  Seiten  des  Zwölfecks,  genau  wie  in 
Ruppin,  ermöglichten  die  Rekonstruktion  des  Kirchengrundrisses  auf  Blatt  19,  nach 
dem  das  Langhaus  mit  seinen  fünf  Jochen  etwa  29,  70  m,  der  einschiffige  Chor  aus 
zwei  Jochen  und  dem  Polygon  bis  zum  Chorschluß  etwa  19  m,  die  ganze 
Kirche  also  etwa  48,70  m  innerer  Länge  besaß.  Die  gesamte  lichte  Weite  der  Kirche 
betrug  etwa  23  m,  die  Achsenentfernung  der  südlichen  Pfeilerreihe  von  der  Außen- 
wand 5,58  m.     Das  erhaltene  Chorwandstück  ist  85  cm  dick.       Wo  ein  von  Zahn 


')  Bekmann,  Histor.  Beschr.  d.  Mark,  11.  Bd.,  V  Teil,  1.  Burli,  6.  Kap.,  S.  25 

2)  Heffter.  Wegweiser,  S.  117. 

3)  j.  Büsrhing,  S.  31. 
•*)  V.  Rochow,  S.  ()7. 

'')  im  25.  Jahresbericht  (IS'tS),  .Anhang,  Grdr.  11. 


-    löl 


-    163    - 

beschriebenes  (Zentralblatt   1897),  gebranntes  Tonstuck  in  Form  eines  Schildes  mit 
figürlichen   Darstellungen  angebracht  gewesen   ist,  entzieht  sich   unserer  Kenntnis. 

Die  Kreuzgewölbe  auf  Rippen  werden  uns  als  im  schlanken  Spitzbogen  erbaut 
beschrieben').  Starke  Längsgurte  mit  reicher  Profilierung  verbanden  die  Säulen, 
während  die  Quergurte  nur  wieder  das  Profil  der  Diagonalrippen  aufwiesen 
(Bl.  20).  Die  I^feiler  im  Schiff  waren  rund'-')  und  in  den  hiauptachsen  der  Kirche 
mit  vermutlich  ebensolchen  vorgelegten  fünfgliedrigen,  von  Konsolen  abgefangenen 
Bündeldiensten  von  23  cm  Durchmesser  besetzt,  wie  sie  der  erhaltene  Chorwand- 
teil zeigt  (Bl.  IS,  .'\bb  T  2u.  4).  Jedenfalls  waren  sie  in  derselben  Weise  wie  die 
1,56  m  starke  Ecksäule  mit  spiralförmigen  Schichten  aus  schwarz  glasierten  Ziegeln 
verziert,  die  sich  in  jeder  6.  Schicht  wiederholen.  Im  Chor  sitzen  die  Dienste  auf 
'4  Stein  vorspringenden,  im  Langchor  in  etwa  3  m  Höhe  durch  auskragende  Profil- 
schichten abgefangenen  Vorlagen,  die  an  den  Kanten  abgefast  sind  und  sich  oben 
als  spitze  Wandbögen  für  die  Gewölbe  zusammenschließen  (Bl.  18,  Abb.  T  1).  Die 
nur  etwa  S  m  hoch  liegenden,  einfach  und  straff  profilierten,  aus  dem  Achteck  ent- 
wickelten Kämpferstücke  der  Dienste,  das  ringförmige  Kapitell  der  halbrunden 
Ecksäule  und  die  blattlose  Dienstkonsole  zeigt  Bl.  18,  Abb.  T  1 — 4. 

Die  2,65  m  breiten,  spitzbogigen  Chorfenster  hatten  vierteiliges  Pfostenwerk 
mit  beiderseits  vorgelegten  Rundstäben  (Bl.  20),  das  sich  oben  spitzbogig  zusammen- 
schloß; die  Leibungen  waren  nicht  geschmiegt,  sondern  nur  an  den  Außenkanten 
profiliert.  Unter  der  steilen  Sohlbank  zog  sich,  etwa  2,80  m  hoch,  in  Fenster- 
breite innen  ein  einfaches  Gesims  mit  runder  Unterschneidung  entlang. 

Vom  2.  Chorjoch  führte  eine  kleine  Segmentbogentür  mit  Spitzbogen- 
umrahmung und  geputzter  Bogenfüllung  in  das  Ostgebäude,  unmittelbar  jenseits 
der  dortigen  Wandvorlage  eine  ähnliche  zweite  ins  Freie. 

Ein  vorspringender  Sockel  ist  hier  an  der  Außenseite  noch  nachweisbar, 
auch  ein  98  ■  130  cm  starker  Strebepfeiler  größtenteils  noch  vorhanden.  Nacli  den 
Abbildungen  bei  Petzold  und  Küster^),  die  übrigens  in  der  Gruppierung  der  Kloster- 
gebäude zur  bereits  dachlosen  Kirche  stark  verzeichnet  sind  und  deshalb  über 
diese  keine  weiteren  sicheren  Aufschlüsse  geben,  waren  diese  Strebepfeiler  absatzlos 
bis  fast  zum  Hauptgesims  hochgeführt  und  schlicht  mit  einer  Schräge  abgedeckt. 

Zwischen  dem  1.  und  2.  Chorjoch  erhebt  sich  noch  heute  an  der  Außenseite 
ein  bedeutender  Rest  eines  außen  viereckigen,  innen  runden  Turmes  mit  Spindel 
von  12  cm  Durchmesser  und  noch  47  erhaltenen  68  cm  breiten,  etwa  20,5  cm 
hohen,  gemauerten  Stufen,  von  denen  etwa  je  15  auf  eine  Wendelung  kommen.  Jede 
einzelne  wird  durch  2  absatzförmig  übereinander  vorragende,  flache  Bögen  ge- 
tragen, die  sich  von  der  Spindel  nach  der  50 — 55  cm  starken  Außenwand  hin 
spannen  (Bl.  19,  Abb.  T  1 — 2).  2  Schlitzfenster  nach  dem  Chor  und  1  nach  der 
Gegenseite  zu  gaben  bescheidenes  Licht. 

Nach  Spuren  an  der  Wand  zu  urteilen,  führte  die  erwähnte  Tür  im  1.  Chor- 
joch in  einen  gewölbten  Flur  des  Ostgebäudes,  in  dem  dann  einige  von  einem 
steigenden  Gewölbe  getragene  Stufen  an  der  Wand  entlang  emporführten  zu  der 
Turmeingangstür  (Bl.  20).  In  den  beiden  Ecken  aber  sind  Kreuzgewölbe  als  gewiß 
erkennbar.  Jedenfalls  spannte  sich  anfangs  an  der  schmalen  Stelle  eine  Tonne 
gegen  den  Turm,  die  später  durch  ein  Kreuzgewölbe  ersetzt  wurde,  beide  niedriger 
als  die  Kämpfer  der  Eckgewölbe,  so  daß  hier  nur  ein  Durchgang  vorauszusetzen 
sein  wird.  Weitere  3  Wandbögen  im  1.  Stockwerk  lassen  auch  hier  Gewölbe 
vermuten,  und  eine  Türöffnung  im  oberen  Turmende  verbürgt  noch  heute  die 
spätere  Zugänglichkeit  auch  des  längst  erneuerten  Daches  des  Ostgebäudes  durch 
diesen  Treppenturm,  der  zunächst  nur  die  Verbindung  zum  Kirchenboden  her- 
gestellt hatte.  Es  ist  nach  zahlreichen  ähnlichen  Anlagen  als  ganz  sicher  zu  be- 
trachten, daß  sich  an  dieser  Stelle  auch  die  Verbindung  mit  dem  Obergeschoß  des 
Klausurgebäudes  befunden  hat;  doch  läßt  sich  Genaueres  über  ihre  Gestalt  und 
Lage  wegen  gänzlicher  Vernichtung  aller  ehemaligen  Innenräume  nicht  mehr  fest- 
stellen. Eine  Tür  von  der  Wendeltreppe  aus  zum  früheren  1.  Stock-%verk  hin  ist 
nicht  mehr  nachweisbar.  Vielleicht  gelangte  man  also,  ähnlich  wie  in  Prenzlau 
und  Brandenburg,  ohne  Benutzung  des  Treppenturmes  zu  den  oberen  Räumen 
hinauf,  indem  der  kurze,  gerade  Lauf  vor  der  Turmeingangstür  nach  links  zu 
wendelte. 


')  Pohliiiann,  Geschichte,  S.  49. 

-)  Skizze  im  25.  Jahresbericht  (180S),  Anhang,  Grdr.  11. 

3)  Küster,  Antiquit.  Tangenn  ,  Titelbild;  Küster,  .Menior.  Taugr.,  S.  33. 


Tangermünde 


164 


Ein  Dachreiter  ist  bei  Petzold  und  Küster  am  Anfang  des  18.  Jahrhunderts 
ebenso  wie  das  ganze  Dach  verschwunden. 

Aus  zahh'eichen  Funden  im  Schutte  in  der  Kirche  und  um  sie  herum  im  Erd- 
boden schließt   man    mit   einiger  Wahrscheinlichkeit,    daß    sie    mit   Schiefer    ein- 
gedeckt war'). 
;-■  Kloster-  Südlich  von  dem  Langhause  lag  der  kleine  Klosterhof,  20,00  m  lang  und  nur 

gebäude.  13,25   m   breit,   wie  man  aus  den   Resten  eines  Sockels  aus  Viertelkreiskehle  und 

•Stab  von  nur  einer  Schicht  Höhe  auf  Ost-,  Süd-  und  Westseite  und  aus  der  Gestal- 
tung des  nördlichsten  Strebepfeilers  am  Ostgebäude  schließen  kann,  der  durch  sein 
Kantenprofil  nach  der  Kirchseite  zu  sowie  durch  den  Rücksprung  der  Wandflucht 
des  Ostgebäudes  gegen  den  Ostabschluß  des  südlichen  Seitenschiffes  um  15  cm  als 
Rest  der  südlichen  Kirchenwand  erscheint.  Auch  die  erwähnte  Aufnahmeskizze  bei 
Zahn  vom  Jahr  1749  verbietet  es,  obigen  Strebepfeiler  für  den  äußeren  Rest  einer 
Kreuzgangswand  zu  halten. 

Die  an  den  inneren  Wandflächen  allenthalben  erhaltenen  Ansätze  von  Ge- 
wölben und  Konsolen  lassen  somit  nur  auf  Ost-,  Süd-  und  Westseite  dieses  Hofes 
einen  jetzt  völlig  zerstörten  Kreuzgang  voraussetzen,  der  an  den  Schmalseiten  4, 
an  der  Langseite  6  Joche  im  Lichten  besaß  und  nur  im  Westen  das  Breitenmaß  von 
2,86  m  um  etwa  !4  m  überschritt. 

Am  Ostgebäude  sind  noch  heute  in  jeder  Gurtachse  einmal  abgetreppte,  hier 
bis  zum  Hauptgesims  hochgeführte  Strebepfeiler  von  28  bezw.  5ö  cm  Vorsprung 
mit  Profilsteinen  an  den  Absätzen  vorhanden  (Bl.  20);  an  den  beiden  andern 
Kreuzgangsseiten  sind  sie  den  Spuren  nach  nur  nach  immer  je  2  Jochen  errichtet 
worden. 

Die  Leibungen  der  spitzbogigen  Kreuzgangsfenster  waren,  ebenso  wie  es  die 
Chorfenster  zeigten,  nicht  geschmiegt,  sondern  an  den  Kanten  innen  und  außen 
sehr  verschiedenartig  profiliert  (Bl.  20).  Die  Brüstungen  sind  jetzt  sämtlich  heraus- 
gebrochen. Das  I^fostenwerk  war  wohl,  wie  bei  den  ebenfalls  l,yO  m  i./L.  breiten 
Fenstern  in  der  Südostecke,  dreiteilig  und  ohne  Maßwerk  gebildet  (Bl.  19). 

Nur  im  östlichen  Klausurgebäude  sind  in  der  Südostecke  noch  5  Gewölbe 
erhalten,  die  aber  zusammen  mit  den  Anschlußspuren  an  den  Wänden  die  Rekon- 
struktion des  Grundrisses  auf  Bl.  19  ermöglichten.  Danach  schlössen  sich  an  den 
bereits  besprochenen  Flur  längs  der  Chorwand  2  durch  einen  ehedem  tonnengewölb- 
ten Flur  getrennte  Räume  an,  jeder  von  4  Kreuzgewölben  auf  starker  Mittelsäule 
mit  einfachem  Kapitell  (Bl.  18,  Abb.  T  9)  und  umgekehrt  gleicher  Basis  über- 
deckt. Es  folgte  sodann  an  dem  Südende  dieses  Gebäudes  der  zum  Teil  erhaltene 
Raum  mit  2  ebensolchen  Säulen  und  mit  Kreuzrippengewölben,  die  im  Scheitel 
schmucklose  Schlußsteine  in  Gestalt  eines  Quadrates  mit  abgestumpften  Ecken  tragen. 

Neben  diesem  Raum,  in  Verlängerung  des  östlichen  Kreuzgangsflügels,  ist  eine 
alte  Treppenanlage  zum  Obergeschoß  an  Resten  einer  steigenden  Kappe  noch  er- 
kennbar. 

Die  hier  erhaltenen  Gewölbe  haben  bei  runden  Wandbögen  steigende,  busige 
Gewölbekappen.     Die  Rippen  liegen  mit  der  Vorderkante  bündig  mit  dem  Kapitell. 

Für  das  zweistöckige  Südgebäude  ist  im  Erdgeschoß  dasselbe  Aufteilungs- 
prinzip festzustellen,  wenngleich  wegen  der  inneren  Umbauten  die  Abmessungen 
einzelner  Räume  hier  nicht  mehr  angegeben  werden  können.  Anscheinend  ragte  es 
aber  noch  ein  Stück  über  den  westlichen,  selbständigen  Kreuzgangsteil  hinaus.  In 
dem  jetzt  abgebrochenen  Raum  findet  sich  zwischen  2  großen  Segmentblenden  eine 
kleine  Wandschranknische,   neben   der   die  alten   Türangeln   noch   vorhanden   sind. 

In  den  Kreuzgang  mündeten  mehrere  Türen:  Zunächst  führte  durch  den  Quer- 
flur im  Ostgebäude  früher  eine  profilierte  Spitzbogentür  hinaus  ins  Freie.  Zum 
1  reppenhaus  in  der  Südostecke  und  zu  einem  Raum  westlich  davon  gelangte  man 
ebenfalls  durch  reich  profilierte  Spitzbogentüren,  von  denen  die  crstere,  ebenso 
wie  eine  kaum  noch  sichtbare  Ausgangstür  des  westlichen  Kreuzgangs,  in  dem 
Bogenfelde  über  einem  zwischengespannten  Segment  eine  unleserlich  gewordene 
Inschrift  trägt. 

Alle  Räume  zeigen  die  schon  an  der  Chorwand  besprochenen  Wandlisenen, 
an  denen  hier  unter  Wegfall  von  Diensten  die  Rippen  auf  einfach  gestaltete  Konsolen 
laufen ;  diese  sind  im  Ostgebäude  nur  eine  Schicht,  im  Südgebäude  45  cm  hoch, 
haben  hier  die  Gestalt  einer  umgekehrten,  halben  vierseitigen  Pyramide  mit  abge- 
stumpfter Spitze  (Bl.  18,  Abb.  T  6 — 8),  und  sind  noch  mit  alten  Farbresten 
versehen.     Blatt   20   zeigt   die   Profilierung  an   den    Mauerdurchbrüchen   des   Erd- 


>)  Pohlmann,  Geschichte,  S.  248. 


-    165 


-    167    - 

geschosses  im  Ostgebäude,  wobei  die  lichten  Weiten  von  je  2  gegenüberliegenden 
Öffnungen  gleichmäßig  eingeschränkt  dargestellt  sind,  so  daß  die  Achsen  sich 
entsprechender    Pfeiler   maßstäblich    richtig    zueinander    liegen. 

Im  Obergeschoß  ist  nur  im  östlichen  Klausurgebäude  ein  Mittelkorridor 
mit  grol5em  Giebelfenster  nebst  zahlreichen  kleinen  Räumen  zu  beiden  Seiten  fest- 
zustellen (Bl.  19),  deren  jeder  mit  einer  schmalen  Wandschranknische  und  einem 
profilierten  Segmentfensterchen  versehen  war  (Bl.  20,  Abb.  F  1—3).  Uie  erwähnte 
Treppe  scheint  in  der  Südwestecko  hier  hinaufgeführt  zu  haben. 

Am  Südende  dieses  Gebäudes  fmden  wir  schließlich  noch  den  auf  Bl.  19  u.  20 
dargestellten  kreuzgewölbten  Keller  mit  74  cm  starken,  gedrungenen,  1  m  hohen 
vierkantigen  Stützen,  denen  an  den  Wanden  wieder  Vorlagen  entsprechen  und 
an  denen  in  den  Gurtachsen  Konsolen  nach  Art  der  im  östlichen  Kreuzgang 
befindlichen  die  ebenso  wie  dort  und  im  Erdgeschoß  gestalteten  Rippen  auf- 
nehmen. In  diesem  Keller  scheint  früher  außer  der  jetzigen  90  cm  breiten,  ge- 
wendelten  noch  eine  weitere  Treppe  vorhanden  gewesen  zu  sein,  die  wohl  direkt 
ins  Freie  führte  durch  die  vermauerte  Tür  (Bl.  19,  Ansicht  C),  vor  die  sich  anschei- 
nend noch  ein  kleiner  Vorbau  gelegt  hat. 

Im  Aufbau  dieser  eigentlichen  Klausurgebäude  finden  wir  allenthalben  mehr 
odei  weniger  vollständig  in  den  Gurtachsen  die  oben  besprochenen,  abgetreppten 
Strebepfeiler  wieder,  deren  Abdeckung  mit  Nonnen  und  Mönchen  Rückschlüsse  auf 
die  Eindeckungsart  der  Klostergebäude  zuläßt,  während  dazwischen  im  Erdgeschoß 
des  Südgebäudes  breite  Segmentbogenfenster,  im  Ostgebäude  dagegen  die  erwähnten 
großen,  dreiteiligen,  im  1.  Stockwerk  1—2  von  den  kleinen  Fenstern  vorhanden 
waren.  Der  Südgiebel  ist  leicht  als  abgetragen  zu  erkennen.  Ringsum  ist  wieder 
das  einfache  Sockelgesims  aus  Viertelkreiskehle  und  Wulst  zu  verfolgen,  und  das 
namentlich  im  Südwesten  heute  sehr  hochragende  Feldsteinfundament  läßt  die  ehe- 
maligen Fußbodenhöhen  des  Erdgeschosses  auch  hier  als  ebenso  hoch  annehmen,  wie 
sie  im  Ostgebäude  noch  erkennbar  sind.  Spuren  halkonartig  auskragender  Vor- 
bauten auf  Ansicht  C  und  E,  auf  die  man  wohl  nach  Balkenlöchern  und  Kalkleiste 
schließen  muß,  dürften  spätere  Zutaten  sein. 

Weitaus  weniger  ist  aus  dem  kleineren  Gebäude  an  der  Ostseite  des  Kloster- 
hügels noch  abzuleiten:  Im  Erdgeschoß  befand  sich  am  Nordende  anscheinend  ein 
fast  quadratischer,  ungewölbter  Raum  mit  Resten  eines  Rauchfanges  am  Giebel. 
An  ihn  schloß  sich  nach  Süden  zu  wieder  ein  zweischiffiges,  gewölbtes  System 
an,  das  sich  auch  in  die  jetzt  völlig  ausgebaute  Südhälfte  des  Gebäudes  fortgesetzt 
haben  könnte.  Oben  scheint  nur  ein  einziger  Raum  gewesen  zu  sein,  für  den  im 
Innern  nach  dem  Giebel  zu  erhaltene  Nischen  kleine  Fenster  verbürgen.  Von  dem 
trapezförmigen  Hofe  führten  2  einfache  Türen,  wieder  mit  geputztem,  spitzbogigem 
Felde  über  einem  eingespannten  Segmentbogen,  direkt  in  die  beiden  Erdgeschoß- 
räume. Sie  liegen  in  '.■  Stein  vorgezogenen,  oben  mit  Profil  abgeschlossenen,  recht- 
eckigen Wandfeldern. 

Bemerkenswert  auch  wegen  seiner  bei  unsern  Klosterbauten  ungewöhnlich 
reichen  Gliederung  ist  der  Nordgiebel  dieses  kleinen  Baues  mit  seinen  Masken  aus 
gebranntem  Ton  (Bl.  19  und  20),  die  teils  wie  Balkenköpfe  sich  unter  dem  Gietel- 
dreieck  in  einem  Putzstreifen  hinziehen,  teils  systemlos  in  dem  mit  vier  reich 
profilierten,  28  cm  tiefen,  schlanken  Blenden  und  2  Schildern  in  den  Ecken  ge- 
schmückten Giebel  angebracht  sind.  .Adler  bringt  noch  Zinnenpfeiler  an  der 
Giebelschräge,  die  aber  jetzt  verschwunden  sind.  Die  schwachen  Strebepfeiler  und 
das  Sockelglied  sind  wie  am  Ostgebäude  angeordnet,  die  Fenster  teils  spitz-,  teils 
flachbogig  geschlossen. 

Der  schmale  Verbindungsbau  zum  Ostgebäude  hin  ist  nur  noch  außen  zu 
prüfen.  Er  könnte  sehr  wohl  eine  Hinzufügung  aus  nach  reformatorischer  Zeit  sein 
da  keine  Verbindungstür  zu  den  beiden  ihn  abschließenden  Gebäuden  mehr  fest- 
zustellen ist,  die  alte  Außentür  des  Ostgebäudes  sogar  durch  ihn  unorganisch 
verbaut  wird. 

Die  ehemalige  Benutzung  der  einzelnen  Klosterräume  ist  recht  ungewiß:  Zu- 
meist wird  das  Refektorium  ohne  irgendwelche  Begründung  als  im  Erdgeschoß 
des  Ostgebäudes  befindlich  angenommen,  wenngleich  es  doch  der  .-Xnlage  nach  auch 
hier,  wie  sonst  gewöhnlich,  im  Südgebäude  gelegen  haben  könnte.  Wo  ein  16100  i» 
einer  Klostereirechnung  ei^wähntes  Brauhaus  gestanden  hat,  wird  nirgends  be- 
richtet. Auch  welchem  Zweck  das  äußerlich  ziemlich  reich  ausgebildete  kleine 
östliche  Gebäude  gedient  hat,  läßt  sich  wegen  gänzlicher  Zerstörung  des  Innern 
nicht  mehr  angeben.     Der  „sommerscte"  (Sommersitz.  Sommerrefektorium?)-)  aber 

')  Zahn,  Gesch.  d.  Kirch  ,  Ber.  25,  S.  47. 
■-)  Riedel  A  16,  S   1=)3. 


Tanj'trmünde 


-    168    - 

muß  wohl  unbedingt  auf  der  südlichen  Seite  des  Hofes  gesucht  werden.  Gewiß  ist 
nur,  daß  im  1.  Stockwerk  des  östlichen  Klausurgebäudes  die  Zellen  der  Mönche 
lagen,  für  die  man  am  Ende  des  Mittelalters  keine  gemeinsamen  Schlafsäle  mehr 
zu  errichten  pflegte.  Wo  wir  Gastzimmer,  Priorwohnung,  Bücherei  und  Küche 
zu  suchen  haben,  wird  uns  nirgends  in  der  älteren  Literatur  angedeutet.  Der  Kapitel- 
saal aber  mag  wieder  in  nächster  Nähe  des  Chors  sich  befunden  haben. 

Wir  finden  somit  an  der  Tangermünder  Klosteranlage  alle  diejenigen  Merk- 
male eines  Baues  aus  dem  15.  Jahrhundert,  die  wir  schon  bei  der  Brandenburger 
Bücherei  angetroffen  hatten,  urkundlich  belegt,  nämlich  zum  Teil  nach 
innen  gezogene  und  dort  spitzbogig  zusammengefaßte  Strebepfeiler,  breite  Fenster, 
mit  Segmentbögen  überdeckt  und  nur  mit  spitzbogig  sich  schlielkndem  Pfostenwerk 
aufgeteilt,  sehr  reiche  und  wechselnde  Profilierung  der  Gewände  sowie  der 
Nischen;  hinzu  kommen  noch  an  der  Kirche  die  fast  schwächlich  wirkende,  völlige 
Auflösung  des  Längsgurtquerschnittes  in  kleine  Profile,  die  Bündeldienste,  die 
Spiralstreifen  an  den  Schiffssäulen  und  im  Obergeschoß  des  Ostgebäudes  der  Miltel- 
korridor.  Das  Format  ist  überall  ziemlich  einheitlich  —  2S/2S,5  :  13,5/14  ;  8,50; 
die  Steine  an  den  Klostergebäuden  sind  nicht  ganz  so  rot  gefärbt  wie  an  dem 
Chorrest. 

Der  älteste  Bauteil  ist  wieder  die  Kirche,  wohl  schon  1438  begonnen,  also 
hier  4  Jahre  vor  der  Aufnahme  des  Konventes,  da  der  Papst  schon  in  diesem  Jahre 
die  Gründung  bestätigt  haben  soll,  zu  der  Stätte  und  Plan  vom  Landesherrn  ge- 
schenkt waren.  Adler  weist  mehrfach  auf  Beziehungen  formaler  Art  zwischen  dieser 
Kirche  und  gleichzeitigen  Stendaler  Kirchenbauten  hin,  Beziehungen,  die  auch  tat- 
sächlich bestanden  haben,  weil  nach  urkundlicher  Überlieferung')  besonders  zur 
Stendaler  Nikolai-(Dom-)kirche  bei  deren  teilweiser  Erneuerung  Steine  aus  der  Tanger- 
münder Ziegelei  geliefert  worden  sind. 

Später  als  die  Kirche,  aber  wegen  gemeinsamer  Treppenanlage  zweifellos  sehr 
bald  nach  ihr,  entstand  zunächst  das  östliche  Klausurgebäude.  Man  kann  nämlich  im 
Innern  noch  sehr  deutlich  den  alten  Kirchensockel  verfolgen,  und  der  östlichste, 
erhaltene  Chorstrebepfeiler  weist  gegen  das  anschließende  Gebäude  eine  klaffende 
Fuge  auf.  Nur  hier  vorhandene  Ziegelstempel  in  Gestalt  kreisrunder,  mit  flachen 
Kuppen  eingedrückter  Vertiefungen  beweisen,  daß  es  zu  Beginn  der  4,  Jahrzehnte 
dauernden  Epoche  erbaut  worden  ist,  in  der  solche  Ziegelstempel  nach  Adlers 
Feststellungen  in  der  Altmark  überhaupt  nur  vorkamen,  um  1440. 

Erst  dann  folgte  das  Südgebäude,  das  schon  bestehende  Oberfenster  des  Ost- 
gebäudes verbaut,  und  vielleicht  der  westliche  Kreuzgangsteil.  Bei  der  fast  völligen 
Zerstörung  dieser  Baugruppe  lassen  nur  noch  die  hier  45  cm  hohen  Kreuzgangs- 
konsolen gegen  die  dort  10  cm  hohen  den  Schluß  auf  eine  andre  Bauzeit 
zu.  Man  wird  Süd-  und  Westgebäude  um  1450  ansetzen  können,  da  Einheitlich- 
keit in  Sockelbildung,  Format  und  Technik  bei  Kirche  und  Klostergebäuden  eine 
Errichtung  in  kurzer  Zeit  wahrscheinlich  macht. 

Jünger  dürfte  das  östlich  der  Klausur  gelegene  kleinere  Gebäude  sein ;  seine 
Einzelheiten,  seine  mangelhaftere  Technik  und  die  fehlenden  Ziegelstempel  ver- 
anlassen Adler  zu  der  Datierung  auf  1480 — 90. 

Der  kleine  Verbindungsbau  besitzt  nach  beiden  ihn  einschließenden  Gebäuden 
zu  keine  Türen,  ja  er  verbaut  sogar  die  Tür  zum  östlichen  Klausurgehäude;  er  ent- 
stammt demnach   wohl  erst  nachreformatorischer  Zeit. 


')  Riedel  A  5,  S.  188,  229. 


169     - 


C  Schluss. 


Die  vorbespiocheaen  märkischen  Klösler  geben  uns  keinerlei  Auskunft,  wolier 
die  Mönche  in  die  betreffenden  Städte  kamen.     Nur  von  einem  andern,  dem  ältesten  ;;  i. 

Dominikanerkloster  der  späteren  Ordensprovinz  Saxonia,  dem  zu  Magdeburg,  wird      (jrüiidungsart 
uns  berichtet,  daß  Wichmann  von  Arnstein  seine  späteren  Bewohner  1224  im  Auftrag  von 

des  Magdeburger  Erzbischofs  aus  Paris')  herbeigerufen  habe.     Den  Charakter  ihrer      Dominikaner- 
ersten  Niederlassung  in  unserer  Gegend  werden  wir  auch  für  die  Mark  in  allen  Fällen  klöstern. 

feststellen  können,  wo  uns  überhaupt  darüber  Nachrichten  erhalten  sind. 

An  die  Klostergründungen  knüpften  die  Vorschriften  des  Dominikaner- 
ordens verschiedene  Bedingungen-'):  Es  mußte  unter  Angabe  der  in  Aus- 
sicht genommenen  Stadt  und  der  für  die  geplante  Anlage  sprechenden  Gründe 
ein  förmlicher  Antrag  beim  Provinzialprior  und  den  Diffinitoren  eingebracht 
werden,  die  eine  vicrgliedrige  Kommission  zur  Regelung  provinzialer  Angelegen- 
heiten bildeten.  Diese  hatten  zunächst  zu  prüfen,  ob  die  Neugründung  auch  auf 
guten  wirtschaftlichen  Verhältnissen  basierte  (ne  domus . .  cum  incongruis 
conditionibus  recipiantur)  und  ob  sie  nicht  etwa  bereits  bestehende  Klöster 
in  der  Nachbarschaft  schädigte''),  worüber  gewöhnlich  der  Bischef  des  betreffenden 
Landesteiles  befragt  worden  zu  sein  scheint.  Ferner  mußten  s:e  durch  besonders  zu 
wählende  sachverständige  Brüder  feststellen  lassen,  ob  die  betreffende  Baustelle 
auch  wirklich  zur  Errichtung  eines  Klosters  geeignet  sei').  Bis  diese  Forderungen 
der  vorgesetzten  Behörde  als  einwandfrei  erfüllt  galten,  durfte  kein  Mönch  bei 
Strafe  der  Stimmrechtsentziehung  Bauland  annehmen''). 

Zu  den  rein  wirtschaftlichen  Fragen  kamen  innere:  Jede,  auch  die  geringste 
Änderung  in  Kultus,  Lebensweise  und  Kleidung  der  Brüder  mußte  unbedingt 
unterbleiben;  und  wo  besondere  Verhältnisse  eine  solche  nachträglich  erwarten  ließen, 
machte  man  trotz  günstiger  Bedingungen  lieber  eine  gegebene  Zusage  zu  einer  Grün- 
dung wieder  rückgängig.  Darin  liegen  ja  die  großen  Erfolge,  die  gewaltige  Erstarkung 
und  Ausbreitung  der  Dominikaner  in  ihrer  ersten  Zeit  begründet,  daß  sie  ohne  Rück- 
sicht auf  materielle  Vorteile  nur  die  ideellen  Interessen  des  Ordens  kannten  und 
wahrten.  So  ist  es  nicht  verwunderlich,  wenn  ihnen  die  Seelsorge  an  Kirchen 
nicht  gestattet  war,  da  sie  Sonderinteressen  und  Zersplitterung  mit  sich  bringen 
konnte;  wenn  vielmehr  stets  streng  darauf  gehalten  wurde,  daß  der  Konvent  ohne 
Einschränkung  von  irgend  welcher  Seite  her  seinen  Oberen  unterstellt  war  und 
einheitlich  und  in  vollem  Umfange  seinen  Ordenpflichten  genügte.  Dazu 
gehörte  auch  die  Abhaltung  des  Gottesdienstes  im  Chore  bei  Tage  und  bei  Nacht, 
neben  dem  den  Brüdern  aber  auch  noch  Zeit  für  die  gemeinsamen  Übungen  und 
Studien  verbleiben  mußte;  schließlich  wollte  auch  jeder  für  sich  allein  noch  un- 
gestört stillen  Betrachtungen  nachgehen  können,  um  dem  hohen  Ziele  näher  zu 
kommen,  das  er  sich  in  seinem  Gelübde  gestellt  hatte.  Die  Zahl  von 
12  Brüdern,  von  denen  mindestens  10  Geistliche  sein  mußten,  erschien  für 
obige  Pflichten  als  die  geringste  und  wurde  deshalb  bei  allen  Neu- 
gründungen sofort  oder  doch  für  tlie  allernächste  Zeit  gefordert.  Besser 
war  natürlich  eine  größere  Zahl,  und  deshalb  schränkte  man  vom  14.  Jahr- 
hundert an  die  Neugründungen  ein  und  schuf  die  „conventus  maiores". 
zu  denen  mindestens  30  Brüder  gehörten.  Mit  diesen  hinreichenden  Kräften 
konnte  man  nun  Klosterschulen  größeren  Stils  anlegen,  in  die  Novizen  und  Studenten 
Aufnahme  fanden.  Nur  aus  rechtmäßig  anerkannten  Gründen,  zu  denen  v:r 
allem  der  Nachweis  gehörte,  daß  das  Kloster  die  volle  Zahl  der  Brüder  nicht 
unterhalten  könne,  durfte  diese  herabgehen,  aber  nie  unter  sechs.  In  jedem  andern 
Falle  verlor  der  Konvent  vor  allem  bei  sämtlichen  X'erhandhingen  das  Stinniirecht. 

')  seit  1217. 

2)  Const.  Fratr.  Ord.  Praed.,  S.  238  ff. 

3)  Acta  capit.  general.  Vol.  1,  S.  209  11280). 
^)  Acta  capit.  general.  Vol  1,  S.  170  |1273] 
'>)  Acta  capit.  general.  \'ol.  I,  S.  2U  |1281j 


Schill  li 


-    170    - 

Boten  nun  alle  diese  Punkte  nach  Ansicht  des  Provinzialkapitels  zu  Bedenken 
keinerlei  Anlaß,  so  reichte  es  den  Antrag  weiter  an  das  Generalkapitel.  Von 
diesem  mußte  er  in  drei  aufeinanderfolgenden  Jahren  durch  inchoatio,  approbatio 
und  confirmatio  genehmigt  werden,  ehe  er  rechtskräfiig  wurde,  ehe  somit 
der  betreffende  Konvent  auf  dem  Provinzialkapitel  neben  dem  Stimmrecht  für  seinen 
Vertreter,  gewöhnlich  den  Prior,  einen  besonderen  Sitz  erhielt,  den  Platz  des  Chor- 
gestühls, der  Namen  und  Aufnahmejahr  dieses  Konventes  trug.  Für  die  einzelnen 
Konvente  wurden  nun  genau  die  Grenzen  ihres  Wirkungskreises  festgesetzt,  in 
Soldin  z.  B.  durch  den  Ordensgeneral  und  die  interessierten  Provinziale  und 
Prioren'),  ebenso  wohl  auch  anderwärts. 

In  jedem  Falle  also  mul5ten  mindestens  schon  2—3  Jahre  vor  der  Aufnahme 
alle  Forderungen  erfüllt  sem.  die  an  einen  ordentlichen  Konvent  gestellt  wurden. 
Wir  werden  annehmen  können,  daß  die  Mönche  währenddessen  wie  in 
.\'\agdeburg  bei  einem  andern  Kloster  oder  wie  in  Seehausen  vielleicht  bei  einem 
Edelmanne  Gastfreundschaft  genossen  haben,  bis  sie  sich  ihr  eigenes  Heim  schufen; 
für  ihren  Gottesdienst  aber  stellte  man  ihnen  zunächst  irgend  eine  andre  Kirche 
zur  .\litbenutzung  zur  Verfügung,  an  der  sie  sogar  öfters  gewisse  Rechte  erworben 
zu  haben  scheinen. 

Die  Innehaltung  der  genannten  Ordensvorschriften  hatten  wir  in  einigen 
Fällen  auch  für  die  .Mark  noch  feststellen  können:  12=)2  gab  Otto  III.  den  Domini- 
kanern m  Strausberg  eine  Baustelle.  1254  erhielt  der  Konvent  Zutritt  zu  den  Pro- 
vinzialkapiteln;  1253  bekamen  sie  m  Seehausen  auf  Vermittlung  desselben  Fürsten 
eine  Hofstelle,  1255  erfolgte  die  Aufnahme;  1438  stiftete  Markgraf  Friedrich 
das  Tangermünder  Kloster.  1442  erhielt  es  die  vollen  Rechte  eines  solchen.  Da  die 
.Wönche  in  Prenzlau  1275  auf  gewisse  Rechte  an  einer  Kirche  verzichten,  in  Soldin 
bereits  1281  eine  Hofstelle  als  ihnen  früher  gehörig  bezeichnet  wird,  so  sind  sie 
auch  in  diesen  Orten  sicherlich  schon  einige  Jahre  vor  der  Aufnahme  eingetroffen. 
.Ähnlich  dürfte  es  in  Ruppin.  Berlin  und  Brandenburg  gewesen  sein,  obwohl  bei  dem 
letzteren  Kloster  die  Schenkung  des  Hofes  nur  1  Jahr  früher  als  die  Aufnahme 
erfolgt  sein  soll.  Nach  den  früheren  Ausführungen  aber  muß  hier  ein 
weiterer  Irrtum  der  in  den  Zahlen  unzuverlässigen  Inschrift  vorliegen :  entweder 
wird  die  Hofschenkung  1 — 2  Jahre  zu  spät  gesetzt,  womit  auch  zugleich  die 
unwahrscheinliche  Nachricht  von  der  überaus  schnellen  Errichtung  der  Kirche  in 
nur  wenigen  Monaten  eine  Erklärung  fände;  oder  die  Mönche  hatten  auch  hier 
anfangs  eine  andre  Wirkungsstätte,  wie  wir  es  in  Seehausen  gesehen  hatten. 

.Mit  dem  Erwerb  der  Baustelle,  die  in  der  Mark  in  allen  bekannten  Fällen  das 
Herrscherhaus  schenkte  (Stätte.  Stede,  area,  ortus)  und  die  deshalb  gewöhnlich 
eine  alte  markgräfliche  Hofstelle  war,  begann  auch  sofort  der  Bau  selbst,  wie  es  bei 
Seehausen.  Prenzlau  und  Brandenburg  nachgewiesen  ist.  Mit  der  Gründung 
(fundatio)  übernahmen  die  Stifter,  die  in  den  Klosterkirchen  beigesetzt  zu  werden 
pflegten,  wohl  immer  die  Verpflichtung,  auch  zu  Aufbau  und  Einrichtung  des 
Klosters  erheblich  beizusteuern ;  die  Unterstützungssumme  erreichte  in  Strausberg 
die  Höhe  von  100  Mark  für  eine  Bibliothek  und  700  Mark  für  den  Bau,  für 
damalige  Zeit  ein  bedeutender  Betrag,  wenn  Otto  III.  z.  B.  das  ganze  Gebiet 
des  Seehausener  Klosters  bei  dessen  Verlegung  in  die  beste  Stadtgegend  für 
120  Talente  erwerben  konnte.  Dazu  kamen,  ebenfalls  von  seilen  des  Landesherrn, 
bereits  bei  der  Gründung  oder  doch  schon  frühzeitig  \'ermächtnisse  laufender  Art, 
die  größtenteils  dem  Bestände  und  der  Erhaltung  des  Klosters  dienen  sollten,  wie 
freies  Bau-  und  Brennholz,  freier  Fischfang,  Einnahmen  von  landesherrlichen 
Fähren  und  Mühlen  sowie  von  einigen  Liegenschaften,  zuweilen  mit  der  ausdrück- 
lichen Bestimmung  .,ad  structuram".  zum  Bauen.  Mit  der  Zeit  wuchsen  diese 
laufenden  Einnahmen,  besonders  seit  ein  bescheidener  Besitz  (paupertas,  quae 
modica  humanae  vitae  necessaria  . . .  procurat)  im  15.  Jahrhundert  durch  Sixtus  IV. 
den  Dominikanern  förmlich  zugestanden  wurde,  während  vorher  wegen  des  gelei- 
steten Armutsgelübdes  liegende  Gründe  und  andre  Güter  für  Eigentum  nicht  des 
Ordens,  sondern  des  Apostels  Petrus  erklärt  wurden.  Überhaupt  wurde  das  Armuts- 
gelübde bei  den  Dominikanern  nie  in  der  Weise  als  ein  selbständiges  Ideal  be- 
trachtet wie  z.  B.  bei  den  Franziskanern;  vielmehr  sollte  die  Befreiung  von  irdischen 
Sorgen  nur  beitragen  zur  vollkommeneren  Erreichung  des  vom  ersten  Anfang  an 
stets  hochgehaltenen  Ordensziels,  der  wirksamen  Predigt  zum  Schutz  der  Kirche  und 
zur  Belehrung  des  Volkes. 


1)  Riedel  A  18,  S.  441/42. 


-    171 

Manches  Stück  üeld  brachte  auch  der  Ruf  grolkr  Frömmigkeit  ein,  mdeni  nicht 
nur  einzelne  Personen,  sondern  namentlich  im  15.  Jahrhundert  ganze  Gilden  m 
em  Bruderschaftsverhältnis  zu  den  Mönchen  traten,  bei  ihnen  Altäre  und  Messen 
stifteten,  Jahrbegängnisse  ihrer  X'erstorbenen  abhalten  ließen  und  als  Entgelt  für 
ihre  Aufwendungen  Anteil  erhielten  an  den  guten  Werken,  die  der  fromme  Orden 
im  Überschuß  verrichten  sollte.  Aus  gleichen  Motiven  heraus  sind  wohl 
die  zahlreichen  Vermächtnisse  zu  erklären,  die  den  Klöstern  neben  Naturailieferungcn 
an  Lichten,  Wein,  Oblaten,  Korn,  Geflügel  und  andrem  auch  Geld,  Grundstücke  und 
Häuser  einbrachten.  Zu  einem  rechten  Wohlstande  aber  kam  es  nie;  wir  erfahren 
vielmehr  öfters,  auch  noch  im  späteren  Mittelalter,  als  es  den  Mönchen  im  allgemeinen 
besser  ging,  daß  sie  recht  sehr  auf  das  Almosen  der  Gläubigen  angewiesen  waren. 

Von   der  Vermögenslage  war  die   Art  der  Bauwerke   unmittelbar  abhängig.      5;  2.    Bauliche 
Namentlich  zu  den  Zeiten  des  Dominikus  und  der  nächstfolgenden  Ordensgenerale       Vorschriften, 
waren  strenge   Vorschriften   in   Geltung,   die,   ähnlich    wie   bei   den   Zisterziensern, 
weniger   direkte    Angaben    enthielten,    als    vielmehr     durch    Untersagung     üblicher 
Bauausführungen  Vereinfachung  geboten ; 

„Mediocres  domos  et  humiles  Fratres  nostri  habeant').  nee  fiant  |aut 
permittantur  fieri]  in  domibus  nostris  curiositates  et  superfluitates  notabiles  in 
sculpturis.  picturis.  et  pavimentis.  et  aliis  similibus  que  paupeilatem  [nostram] 
deformant.    In  Ecclesiis  tamen  permitti  poterunt")." 

„Murus  domorum  sine  solario  non  excedant  in  altitudine  mensuram.  .Xil. 
pedum  et  cum  solario.  XX.  ecclesia.  XXX.  et  non  fiat  lapidibu?  testudinata  nisi 
forte  super  chorum  et  sacristiam^)." 

Dabei  ist  zu  bedenken,  daß  der  Orden  sich  im  zweiten  Jahrzehnt  des 
13.  Jahrhunderts  in  Frankreich  entwickelte,  wo  die  gewaltigen  frühgotischen  Kathe- 
dralen der  Städte  sich  mit  einem  Schlage  die  führende  Stellung  im  Kirchenbau 
erobert  hatten,  die  bis  dahin  den  Klosterkirchen  zukam:  Mit  ihnen  konnte  und 
sollte  der  Orden  nicht  in  Wetteifer  treten.  Einfach,  niedrig  und  ohne  jegliche 
überflüssige  Ausschmückung  sollten  die  Gebäude  der  Brüder  sein,  die  ohne  Ge- 
wölbe nicht  höher  als  3,80  m  bis  zum  Dach,  die  mit  solchen  nicht  höher  als 
6,30  m  bis  zum  First;  nur  die  Mauern  der  Kirche  konnten  9,40  m  hochragen;  nur 
sie  durfte  reicheren  Ausbau  erhalten,  da  sie  auch  für  die  Gemeinde  bestimmt  war. 
Durch  Wölbung  sollten  nur  Chor  und   Sakristei   hervorgehoben  werden. 

Wie  streng  Dominikus  auf  Befolgung  seiner  Vorschriften  hielt,  wird  uns  in 
den  Analecta')  berichtet:  Als  sich  die  Mönche  bei  der  Nikolaikirche  zu  Bononia 
niedergelassen  hatten,  errichtete  einmal  in  Abwesenheit  des  Ordensgenerals  dessen 
dortiger  Stellvertreter  einige  neue  Zellen  nur  etwas  höher  als  die  andern.  Kaum 
sah  Dominikus  dies  bei  seiner  Rückkehr,  als  er  den  Mönchen  die  heftigsten  Vor- 
würfe machte,  daß  sie  ihre  Armut  so  schnell  aufgegeben  hätten,  indem  sie  sich 
„große  Paläste"  bauten.  Freilich  muß  man  diese  strengen  Bestimmungen  noch  mi 
13.  Jahrhundert  bereits  wieder  aufgegeben  haben,  da  bei  keinem  der  märkischen 
Klöster  aus  dieser  Zeit  obige  Höhenbestimmungen  mehr  befolgt  wurden'). 

Die  Ausführung  von  Kloster-  und  Kirchenbaulen,  die  bis  zum  Entstehen  der 
Gotik  vorwiegend  in  den  Händen  der  Geistlichkeit  und  der  Mönche  zu  liegen 
pflegte,  ging  mit  dem  erhöht  geforderten  technischen  Können  und  Wissen  seit  dem 
12.  Jahrhundert  mehr  und  mehr  in  die  Hände  von  Laien  über,  und  dies  wurde  seit 
dem  13.  Jahrhundert  zur  Regel.  Die  Zisterzienser  schufen  sich  zu  dieser  Z^it  eine 
Art  Halbmönche"),  die  Konversen,  die  zwar  auch  die  Gelübde  der  Armut,  der  Keusch- 
heit und  des  Gehorsams  ablegten  und  somit  ans  Kloster  gebunden  waren,  im 
übrigen  aber  im  Gegensatz  zur  Priesterklasse  der  Konventualen  die  arbeitende 
Klasse  darstellten;  zu  diesen  kamen  die  weltlichen  „Klosterverwandten",  die  in 
lösbarem  Verhältnis  zum  Konvent  standen  und  voi'  allem  als  Handwerker  und 
Bauleute  für  das  Kloster  tätig  waren"). 

Bei  den  Dominikanern  gelangten  die  wenigen  vorhandenen  Laienbrüder  nie  zu 
besonderer  wirtschaftlicher  Bedeutung,  und  den  Priestern  fehlte  wegen  ihrer  theolo- 


')  Const  1-ratr.  Ord   Praed„  D.  11,  Kap.  1  c,  Deklar.  1!  iBoiionia  1220] : 
Const..  declar.  .  .  .  1,  S.  23  ff. 

-i  Acta  capit.  general.  Vol.  1,  S.  117  [1263]  u.  S.  2S4. 

3)  Analecta,  S.  646. 

')  Analecta,  S.  546,  .Xiim.  13. 

v  Nach  Heimbucher  I,  S.  553/4;  1238  durch  Raymuiui  aulkr  Kraft  gesetzt. 

")  Schon  1038    bei    Reforniorden    der  Benediktiner  (Vailoinbrosaner,  bei  Florenz)  ein- 
geführt :  später  Ciuny-Hirsau  .  .  . 

")  Bei  Dominikanern:     Const,    declar S.  195:     ..Faniulos   seculares    in    nostris 

Conventibiis  non  habeamus  plus  quam  duos,  vel  tres  . .»  [Parisiis  123Q]. 


SchliiR 


-    172    - 

tischen  Studien  die  Zeit,  sich  mit  technischen  Fragen  eingehend  zu  befassen.  Sie 
wurden  nur  noch  für  das  Bauprogramm  entscheidend  und  verwalteten  höchstwahr- 
scheinlich als  Bauherrn  die  Baugelder,  die  sie  nötigenfalls  durch  Anregung  zu  Ver- 
mächtnissen und  Schenkungen  aufzubessern  häufig  sich  veranlaßt  sahen.  Schon  nn 
13.  lahrhundert  scheint,  nach  der  Aufnahme  solcher  Bestimmung  m  die  Constitu- 
tiones  zu  schließen,  in  jedem  Konvent  eine  dreigliedrige  Baukommission  geschaffen 
Würden  zu  sein;  späterhin  wurde  vom  Provinzialprior  auch  in  jeder  Nation  eine 
All  piovinzialer  Aufsichtsbehörde  (praesides)  über  die  stets  weltlich  zu  denkenden 
Baukünstler  (periti  in  artes)  gewählt,  die  zusammen  die  Bauhütte  (fabrica)  bildeten. 
Die  „praesides"  mulMen  vor  jeder  Bauausführung  unter  Vorlegung  eines  gemein- 
sam mit  den  Bauleuten  aufgestellten  genauen  Planes  oder  Modells  beim  Provinzial 
die  Bauerlaubnis  einholen,  an  die  sie  sich  hernach  streng  zu  halten  hatten,  während 
die  örtliche  Bauleitung  einem  dazu  besonders  geeigneten  Mönch  übertragen  wurde 
(praefectus  operum),  wie  die  nachfolgenden  wichtigsten  Vorschriften  im  einzelnen 
zeigen : 

,.In  quolibet  coni'.entu  tres  fratres  de  discrccioribus  eligantur  sme  quorum 
consilio  edificia  non  fiant')." 

„Tenentur  etiam  Praesides  requirere  consilium  peritorum-)." 
„Volumus  autem  quod  fiat,  cum  maturo  consilio  peritorum  in  arte,  in  ligno 
vel  in  alia  materia,  formula  totius  domus  construendae,  quam  non  liceat  transgredi 
pro  voluntate  varia  Praesidentium,  sed  juxta   illam   aedificetur^)." 

„Uli  autem,  quibus  cura  aedificationis  vel  reaedificationis  Conventuum  incumbit, 
prius  hanc  formulam,  seu  exemplar,  seu  delineationem  Provinciali  omnino  ostendant, 
absque  cujus  licentia  nihil  omnino  suscipiant")." 

„Praefectus  operum  dicitur  Frater,  qui  constituitur  ad  exequendum  circa  opera 
illud,  quod  Praelatus  de  consilio  operariorum,  si  magnum  quid  fuerit,  vel  etiam 
alia  sine  consilio,  dummodo  non  sint  magna,  duxerit  ordinandum  .  .  .  ;  habeat 
prudentiam,  qui  inter  operarios  et  inter  alios  saeculares  sciat  honeste  et  praefice 
conversari,  qui  etiam  circa  agenda  gerat  sollicitudinem  competentem . . . .  ;  ad 
ipsum  etiam  pertinet  conducere  operarios  et  sollicitare  eosdem-^)." 

„In  domibus  autem  constructis  mandamus  nullam  fieri  constructionem  aut 
aedificationem  notabilem  in  fabrica  a  Priore  vel  Prccuratore,  nisi  de  licentia  Prioris 
Provincialis,  et  consilio  atque  assensu  Patrum")  (  . . .  nisi  de  consilio  et  assensu 
eorum,  quos  super  fabricam  in  qualibet  natione  a  priore  provinciali  de  consilio 
discretorum  constitui  mandamus')." 

Auch  erst  im  16.  Jahrhundert  ist  die  bemerkenswerte  Vorschrift  erlassen 
worden,  daß  angefangene  Bauten  nur  in  ganz  besonderen  Fällen  eine  kurze 
Zeit  unvollendet  liegen  bleiben  dürften,  wenn  nämlich  andre  Teile  des  Klosters 
in  Verfall  geraten  waren  oder  außerhalb  der  Klausur  liegende  Baulichkeiten  wegen 
ihres  schlechten  Zustandes  eine  Schädigung  der  Vermögenslage  des  Konventes  be- 
fürchten ließen: 

„Quod  ab  uno  Praelato  incoeptum  est,  subsequens  prosequatur,  ita  quod 
non  possit  nova  aedificia  inchoare,  si  priora  non  sunt  finita  ....  Non  interdicitur, 
quin  possint  inchoare  illa  aedificia,  quibus  reparatur  aliqua  pars  Conventus  collapsa, 
vel  quae  in  ruinam  tendit;  nee  etiam  aedificia  illa  quae  extra  Conventus  fiunt,  quibus 
annui  redditus  crescunt  et  promoventur"*)." 

Im  übrigen  galten  für  alle  derartigen  grölieren  Reparaturarbeiten  dieselben 
Vorschriften  wie  für  Neubauten. 

Von  unseren  märkischen  Klöstern  sind  uns  hinsichtlich  aller  dieser  Bestim- 
mungen nur  die  beiden  Nachrichten")  überkommen,  daß  die  Seehausener  Mönche  1262 
„operi  fortiter  insistebant",  woraus  man  aber  keineswegs  zu  schließen  braucht, 
daß  sie  hier  noch  mehr  als  die  bloße  Bauleitung  gehabt  hätten;  daß  ferner  der 
Prior  Matthäus  Wentzel  1486  „fidelis  erat  executor"  des  Wiederaufbaues  des  Rup- 
piner  Klosters  nach  dem  großen  Brande  am  Ende  des  15.  Jahrhunderts,  dieser 
neben  dem  gleichfalls  genannten  weltlichen  Baumeister  ausdrücklich  als  Bauleiter 
charakterisiert. 

')  Analecia,  S.  640. 

2)  Constit.  Fratr.  Ord,  Praed.,  S.  246. 

3)  Constit.  Fratr.  Ord.  Praed.,  S.  240/1. 
1)  Constit.  Fratr.  Ordin.  Praed.,  S.  245. 

5)  Constit.,  abgedruckt  bei  Scheerer,  S.  1 1 . 

'••)  Constit.  Fratr.  Ordin.  Praed,,  S.  240  [ISIS).    Const.,  declar  .  .  .  I,  S.  23  ff. 

')  Acta  capit.  general.  Vol   iV,  S.  101   |1513]. 

8)  Constit.  Fratr.  Ordin.  Praed.,  S.  246  [15181.    Const.,  declar  .  .  .  1,  S.  23  ff 

")  s.  S.  75  u.  45. 


-    173    - 

•\iiiape  und  Aufbaa  im  einzelnen  sind  bereits  bei  den  verschiedenen  Klöstern  S_3_ 

enmcliend  besprochen.    Wir  können  uns  danach  von  einem  märkischen  Dominikaner-      »^^J™^ 
Kloster  etwa  folgendes  allgemeine  Bild  machen: 

Es  la<>^  stets  an  der  Peripherie  der  Stadt,  gewöhnlich  in  deren  südöstlichem 
Teil  anfan  "s  wohl  unmittelbar  an  der  Stadtmauer,  späterhin  erst  von  ihr  durch  einen 
Weo  getrelint,  der  für  Verteidigungszwecke  des  Ortes  wünschenswert  erschien, 
des."en  Stätte  aber  nach  wie  vor  öfters  ausdrücklich  als  Interessengebiet  des  Klosters 
gekennzeichnet  wird.  Da  sich  im  Osten  und  Norden  ein  Fnednof,  im  Westen  der 
Garten  herumzulegen  pflegte,  war  somit  in  der  Frühzeit  stets  die  später  ausdrücklich 
aufcrestellte  Forderung  erfüllt,  daß  die  Fenster  der  Klostergebäude  nirgends  direkt 
nach  öffentlichen  Wegen  oder  nahen  Nachbarhäusern  zu  angelegt  werden  sollten  ). 

Das  hohe  Kirchengebäude  findet  sich  stets  möglichst  weit  von  der  Stadtmauer 
entfernt  auf  der  Stadtseite,  also  im  Norden  der  Anlage;  wo  diese  sich,  wie  m 
Berlin  abweichend  von  der  Regel  im  Süden  erhebt,  dürfte  die  Lage  des  Bauplatzes 
in  der  damaligen  nordwestlichen  Stadtecke  zwischen  den  rechtwinklig  zusamn^en- 
lauienden  Mauerteilen  entscheidend  gewesen  sein.  Die  Kirche  weicht  stets,  zum  i  ei 
erheblich  aus  der  West-Ost-Achse  nach  Norden  zu  ab.  Wehner-')  kommt  auf  ürund 
seiner  Studien  über  die  Ostung  mittelalterlicher  Kirchen  zu  dem  Ergebnis,  da(^  diese 
auffallende  Erscheinung  nicht  auf  Orientierung  nach  dem  jeweiligen  Sonnenaufgang 
zurückzuführen  sei,  sondern  auf  den  seit  etwa  dem  Jahre  lOÜU  bekannten  KompafS, 
dessen  Fehlweisungen  bis  20 "  betragen  haben  könnten.  Zwischen  Stadtmauer  und 
Kirche,  also  auf  deren  der  Stadt  entgegengesetzten  Seite,  lag  das  eigentliche  Kloster 
mit  den  Klausurgebäuden. 

Den  Mittelpunkt  dieser  ganzen  Anlage  bildete  ein  stets  viereckiger,  meist  fast 
quadratischer  Hof,  der  in  Ruppin  und  Prenzlau  die  stattlichen  Abmessungen  von 
27—28  m  Seite  erhielt,  während  er  in  Strausberg,  Soldin  und  Brandenburg  das 
Maß  von  20—22  m  nicht  überschritt,  in  Tangermünde  sogar  nur  13,25  m  breit  war, 
vermutlich  wegen  der  Bodenbeschaffenheit  und  der  Lage  des  Grundstücks  an  bereits 
vorhandenen  Straßen.  Ihn  umzog  in  der  Regel  auf  allen  vier  Seiten  ein  im  Erd- 
geschoß stets  mit  Kreuzrippengewölben  auf  Konsolen  überdeckter  Kreuzgang,  in 
jedem  der  7—9  lichten  Joche  durch  breite  Fenster  mit  schlichtem,  verglastem  Pfosten- 
werk reichlich  erhellt.  Bei  3  m  Breite  und  4  m  Höhe  i./L.  stellte  er  einen  recht  statt- 
lichen Korridor  dar  für  die  ringsum  sich  anschließenden  Räume,  deren  ursprüng- 
liche Bestimmung  nur  in  wenigen  Fällen  noch  einwandfrei  feststellbar  ist.  Ge- 
wöhnlich scheint  sich  im  Ostgebäude  an  den  Chor  eine  Sakristei  angeschlossen  zu 
haben,  der  nach  Süden  zu  ein  Kapitelsaal  mit  seinen  charakteristischen  Durch- 
brechungen zum  Kreuzgang  hin,  ferner  ein  Korridor  oder  eine  größere  Halle  folgten, 
die  die  Verbindung  des  Hofes  mit  der  östlichen  Aul5enseite  ermöglichten,  aber  nicht 
als  Verbindung  zur  Straße  und  somit  als  Eingang  von  dorther  dienten.  Ein  bis 
zwei  weitere  Räume  nach  dem  Südende  des  Ostgebäudes  zu,  durch  Kreuzgewölbe 
auf  Mittelstützen  ebenso  wie  Sakristei  und  Kapitelsaal  als  besonders  bedeutungsvoll 
charakterisiert,  mögen  in  erster  Zeit,  als  nur  dieser  Flügel  bestand,  das  Refektorium 
gebildet  haben;  späterhin  pflegt  letzteres  regelmäßig  wie  auch  bei  allen  andern 
Mönchsorden  möglichst  weit  vom  Chore  wegzurücken  und  wird  nun  auch  mit  Holz- 
decke angetroffen.  Es  wurde  also  nach  der  Südwestecke  zu  verlegt,  zumeist  in  das 
Südgebäude,  öfters  auch  in  das  westliche.  Damit  war  die  Lage  der  Küche  bestimmt, 
die  wir  neben  dem  Speisesaal  meist  im  Westgebäude  antreffen,  stets  in  nächster 
Nähe  einer  geräumigen  Vorratskammer  im  Erdgeschoß  und  eines  Kellers.  Dort, 
wo  das  Westgebäude  an  die  Kirche  stieß),  finden  wir  regelmäßig  in  einer  Ver- 
längerung des  Kreuzgangsflügels  an  der  Kirche  den  Klostereingang  in  Verbindung 
mit  einer  Pförtnerstube.  Südlich  davon  liegt  immer  ein  Raum  mit  reicherer  Gewölbe- 
ausbildung, der  ohne  Betreten  des  Kreuzgangs  von  dem  Vorflur  aus  zu  erreichen 
war,  vermutlich  der  bei  den  Dominikanern  stets  vorhandene  Schulraum. 

Das  gewöhnlich  auf  allen  drei  nicht  von  der  Kirche  eingenommenen  Seiten 
vorhandene  Obergeschoß  war  durch  Treppen  an  den  Stellen  zugänglich,  wo  zwei 
Gebäude  aneinanderstießen :  An  der  Chorwand  tntlang,  oder  in  deren  starker  Mauer 
liegend,  führte  eine  solche  hinauf  zu  dem  großen,  im  früheren  Mittelalter  gemein- 
samen Schlafsaal,  der  sich  meist  über  das  ganze  Untergeschoß  des  Ostgebäudes 
einschließlich  des  Kreuzgangs  hinzuziehen  pflegte  und  in  das  Dach  hineinragte. 
Zugleich  gelangte  man  auf  diesem  Wege  zum  Eingang  des  massiven  Türmchens 
mit  seiner  etwa  fiü  cm  breiten  Wendeltreppe,  die  zum  Kirchendach  hinauffüiine. 
Eine  zweite  Treppe  lag,  elienfalls  zuweilen  als  Mauertreppc,  unmittelbar  vor  dem 

')  Const   Fratr.  ürd.  Praed.,  S.-245. 

2)  In  „Die  Denknialpflege"  1890,  S.  QT  ff. 


SchlulS 


-    174    - 

West^ebäude,  in  dem  an  der  Kirche  sich  hinziehenden  Kreuzgangsteil,  war  also 
von  dem  Vorilur  in  der  Nordwestecke  aus  nicht  zu  benutzen.  Ebenfalls  nur  dem  inneren 
Verkehr  dienten  weitere  und  bequemere  Treppen,  die  am  Zusammenstoß  der  Klausur- 
gebäude längs  einer  durchgehenden  Außenwand  in  Verlängerung  der  Kreuzgangs 
flügel  angeordnet  wurden. 

Die  Benutzungsart  der  oberen  Geschosse  ist  im  allgemeinen  unbekannt,  bie 
werden  außer  dem  erwähnten  Schlafsaal  und  vielleicht  dem  Krankenraum')  unter- 
creordnete  Kammern  und  Lagerräume  sowie  die  besonderen  Zellen  der  Mönche  ent- 
halten haben,  bis  diese  am^  Ende  des  Mittelalters  bei  Aufgabe  des  gemeinsamen 
Schlafsaals  an  dessen  Stelle  rückten  und  sich  nun  an  einen  neu  geschaffenen,  vom 
Giebel  aus  erleuchteten  .Wittelkorridor  beiderseits  anschlössen. 

Vielleicht  darf  man  noch  in  dem  Brandenburger  gewölbten  Saal  über  dem 
Schulraum,  übrigens  dem  einzigen  im  Obergeschoß  der  besprochenen  Klöster  er- 
haltenen Gewölberaum,  die  Priorwohnung  vermuten,  die  auch  andern  Ortes  als 
„abgesonderte  Habitation"  bezeichnet  wird;  hatte  doch  der  Klostervorsteher  ge- 
wöh'nlich  ein  Gemach  im  Westgebäude,  von  dem  aus  er  den  Eingang  und  den 
Wirtschaftsverkehr  beobachten  konnte.  Wo  Krankenstube,  Gaslwohnung  und 
Bücherei  gelegen  haben,  läßt  sich  zumeist  nicht  mehr  nachweisen.  Nur  in  Branden- 
burg wuixle,  aber  erst  im  15.  Jahrhundert,  außerhalb  der  Klausur  ein  besonderes 
BibUotheksgebäude  errichtet,  in  dessen  Untergeschoß  sich  eine  Kapelle  befand,  die 
in  früheren  Zeiten  am  Eingang  typisch  war.  Wir  finden  also  in  Grundriß  und  Auf- 
bau die  Gesichtspunkte  wieder  beobachtet,  die  das  Ergebnis  jahrhundertelanger 
klösterlicher  Bauweise  waren,  wenn  auch  den  ausgedehnten  Klöstern  älterer  Orden 
gegenüber  räumlich  eine  starke  Einschränkung  festgestellt  werden  muß,  mitbe- 
dingt durch  die  Enge  der  Städte,  da  ja  mit  deren  Umfang  auch  die  Kosten  für  die 
Befestigung  und  die  Schwierigkeit  der  Verteidigung  wuchsen. 

Anders  als  bei  jenen  Landklöstern  ist  der  Hauptbau  gestaltet,  die  Kirche. 
Ziehen  wir  nur  die  Zisterzienser  zum  Vergleich  heran,  die  unmittelbaren  Vorgänger 
der  Dominikaner  in  den  brandenburgischen  Landen,  deren  Gepflogenheiten  die  gleich- 
zeitig mit  ihnen  hier  auftauchenden  Prämonstratenser  im  allgemeinen  folgten:  Sie 
hatten  zuerst  die  neuen  gotischen  Bauidecn  zu  den  ihren  gemacht  und  sie  wie  im 
Fluge  über  das  ganze  westliche  Europa  verbreitet.  Sie  brauchten  eine  Kirche  nur  für 
ihre  eigenen  Zwecke.  Trotzdem  bewirkte  deren  Scheidung  in  zwei  Teile  durch  einen 
hohen  Lettner  im  Mittelschiff  noch  ein  Trennung  der  priesterlichen  Konventualen 
und  der  Halbmönche,  der  Konversen.  Laien  hatten  keinen  Zutritt.  Das  ganze 
Leben  war  auf  Abgeschiedenheit  von  der  Welt  zugeschnitten.  Die  typische  Bauform 
war  die  Basilika. 

Ganz  anders  die  Mönchsorden  des  13.  Jahrhunderts  und  besonders  die 
Dominikaner!  Sie  wollten  mit  der  Welt  in  engste  Berührung  kommen;  drum  öffneten 
sie  weit  die  Tore  ihrer  Kirchen,  in  denen  sie  dann  auf  die  Menge  durch  die  Macht 
ihrer  Predigt  einwirken  konnten.  Anderseits  hatten  sie,  wie  jeder  andre  Orden,  auch 
ihre  eigenen  ständigen  gottesdienstlichen  Pflichten.  Damit  war  das  Bau- 
programm vorgeschrieben:  eine  geräumige  Stätte  für  die  Laien,  ein  geräumiger 
Chor  für  die  Geistlichkeit,  beide  durch  einen  hohen  Lettner  getrennt'-). 

Größte  Schlichtheit  der  Bauten  war  schon  von  Dominikus  streng  vor- 
geschrieben. Sie  tritt  denn  auch  allenthalben  bei  den  Niederlassungen  deutlich  zu- 
tage. Doch  können  wir  bei  den  Dominikanern  nicht  in  dem  Maße  von  typischen 
Kirchenanlagen  sprechen  wie  bei  den  früheren  Orden,  die  sich  ja  zumeist  auch  viel 
langsamer  ausbreiteten  und  durch  das  Abgeben  von  Mönchen  aus  sehr  zahlreichen 
Konventen  an  neu  zu  schaffende  Klöster  der  Übermittlung  ihrer  Plananlagen  Vor- 
schub leisteten.  Vielmehr  weisen  die  Dominikanerkirchen  einmal  in  den  einzelnen 
Ländern  verschiedene  Typen  auf,  indem  sie  sich  an  die  dort  übliche  Bauweise  an- 
lehnten, sodann  auch  in  diesen  Ländern  selbst  wieder  mancherlei  Verschiedenheiten 
provinziellen  Charakters:  In  Italien  wird  der  Zisterziensertyp  mit  Querschiff  (außer  in 
Oberitalien)  und  geradem  Chorschluß  nachgeahmt;  Frankreich  läßt  das  Querschiff 
stets  fortfallen,  zeigt  aber  namentlich  in  den  ältesten  Anlagen  oft  zweischiffige  Hallen 
(Toulouse,  Paris,  Arles).  Deutschland  bevorzugt,  abgesehen  von  einigen  Beispielen 
ursprünglicher  Zweischiffigkeit  (Augsburg),  ein-  oder  dreischiffige  Kirchen,  auch 
ohne  Querschiff,  gewöhnlich  in  5  Seiten  des  Achtecks  geschlossen,  im  Süden  meist 
basilikal,   in   den  nördlichen   Provinzen   und   vor  allem   in   der   Markt  zumeist  als 

')  Const.,  declar.  .  .  .  I,  S  230:  „In  quolibet  Conventii  sit  una  catnera  specialiter 
deputata  pro  infirmis."     [Mediolani  1505]. 

-)  Const.,  declar.  .  .  I:  „In  Ecclesiis  nostris  sinl  intermedia  divideiitia  chorum  ab 
Ecciesia  laicorum  (S.76)[ .  .  .  chorum  . .  .  a  reliquis  earundeni  partibus,  ita  ut  Fratres,  qiii 
sunt  in  choro.  in  ingressu,  el  exitii  a  sccularibus  videri  nequeant"  (S  146).  Treverisl249  ]. 


-    175    - 


Halle  hcch-efuhrt  die  gegenüber  der  Basilika  mit  ihren  höher  ragenden 
bemt^^den  Vorzug 'größerer  Billigkeit  hat  Wir  '-bc"  diese  mai^.c^^^^^ 
Hallenkirchen  als  in  der  Regel  dreischiffige  Anlagen  kennen  gelernt  mit  5-7  Achsen, 
7-Tsm  breit  und  30-45  m  lang,  ohne  Apsiden  an  dem  östlichen  geraden  Ab- 
hluß  der  Seitenschiffe,  während  sich  der  Chor  einschiffig,  ohne  ^uerschiff  un 
polygonal,  gewöhnlich  in  5  Seiten  des  Achtecks,  zuweilen  in  J  Se'ter^^ 
des  Zwölfecks  geschlossen  vorfand.  Er  war  gleich  dem  M'ttel»cl.  t 
0-10  m  breit  und  hatte  in  der  Länge  1-4  Joche,  Wenngleich  ein  Mitte  1- 
eingang  in  der  Westfront,  wie  bei  Kathedralen  und  Pfarrkirchen  üblich,  dem  zui 
Predicrt  herbeieilenden  Städter  sofort  beim  Eintritt  die  machtvolle  Wirkung  der  statt- 
lichen" Mittelschiffshalle  vor  Augen  geführt  hätte,  finden  wir,  und  zwar  nicht  nur 
in  der  Mark  bei  den  Bettelmönchskuchen  den  Haupteingang  in  der  Regel  etwa  in 
de:  Mitte  des  der  Stadt  zugekehrten  Seilenschiffes.  Die  möglichste  Ausnutzung  des 
nur  beschränkten  Klostergebiels  und  die  typische  Lage  der  Kirche  am  Rande  der  b  adr 
und  parallel  deren  Umfassungsmauer  mögen  bewirkt  haben,  dab  man,  wenigsten, 
bei  den  märkischen  Dominikanerklöstern,  auf  die  Westseite  der  Anlage  den  Garten 
le<^te  während  man  über  den  gewöhnlich  an  der  freien  Langseite  befindlichen  Kirch- 
hof hin  den  für  die  Stadtbewohner  kürzesten  Zugang  zum  Gotteshause  fuhite. 

Die  Dominikaner  schufen  freilich  mit  solchen  Hallenkirchen  keinen  neuen 
Bautyp  sondern  nahmen  nur  eine  Bauidee  wieder  auf,  die  seit  altersher  nie  ganz 
verschwunden  war  und  im  12.  und  13.  Jahrhundert  in  Südfrankreich  und  vor  allem 
in  Westfalen  und  Hessen  manche  schönen  Vertreter  aufzuweisen  hatte.  Ihr  I  rinzip 
beruht,  wenn  man  von  den  flachen  Decken  aus  dem  Anfang  des  13.  Jahrhunderts 
absieht  (Halberstadt,  Worms,  Neuruppiner  Chor?)  und  nur  die  Gewölbekirche  be- 
trachtet, auf  gleicher  Höhenlage  der  Kapitelle  aller  Schiffe,  wobei  sich  bei  vi-r- 
schiedenen  Schiffsbreiten  verschieden  hohe  Gewölbe  ergeben  müssen.  Von  den 
mannigfachen  Möglichkeiten  eines  Ausgleichs  wählten  die  Dominikaner  in  der  Mark 
den  Weg,  daß  sie  die  spitzbogigen  Quergurte  der  schmaleren  Seitenschiffe  erheblich 
stelzten,  die  des  Mittelschiffs  aber  drückten,  so  daß  die  stets  vorhandenen  und  im 
\Uttelschiff  14—16  m  hohen  Schlußsteine  schließlich  nur  etwa  1  m  höher  ragten 
als  die  in  den  Seitenschiffen.  So  wurden  Raumgebilde  geschaffen,  die  in  ihrem 
inneren  Aufbau  mit  seiner  überall  durch  profilierte  Rippen,  runde  Dienste  und  zu- 
meist achteckige  Stützen  von  8—10  m  Höhe  und  l't  m  Stärke  klar  hervortretenden 
Konstruktionsidee  von  außergewöhnlicher  Einfachheit  und  Schlichtheit  waren,  die 
zwar  den  Blick  nicht  so  streng  nach  dem  Chor  zu  lenkten  wie  die  Basiliken  der 
Zisterzienser  mit  ihren  hohen  Obermauern  der  Mittelschiffe,  dafür  aber  weite  und 
breite  Räume  zur  Aufnahme  der  gläubigen  Gemeinde  boten.  Die  gegenseitige 
Versteifung  der  einzelnen  Schiffsgewölbe  nebst  Höherführung  der  äußeren  Mauern 
ermöglichte  den  Verzicht  auf  unruhig  wirkende  äußere  Strebebögen,  an  deren  Stelle 
nur  Strebepfeiler  von  geringen  Abmessungen  sich  bis  fast  zum  Hauptgesims  erhoben. 
Die  in  Hessen  und  Westfalen  beliebte  und  nach  Dehio  in  der  älteren  Zeit  der  Hallen- 
architektur wahrscheinlich  überhaupt  gebräuchlichste  Dachform  mit  durchgehendem, 
steilem  Mittelschiffsdach  und  daran  sich  anlehnenden  flachen  Seitenschiffsdächern, 
iiber  denen  sich  in  jedem  Joch  in  der  Querachse  der  Kirche  wieder  kleinere  Dächer 
mit  Giebel  und  Walm  erhoben,  wurde  von  den  Dominikanern  nicht  übernommen. 
Ebensowenig  gaben  sie  den  3  Schiffen  gesonderte,  parallele  Längsdächer,  wie  sie 
z.  B.  in  Ost-  und  Westpreußen  häufiger  vorkommen.  Ein  einfaches  gewaltiges, 
monumentales  Satteldach  von  gleicher  Höhe  wie  die  Umfassungsmauern,  also 
2f)— 30  m  hohem  First,  überspannte  alle  3  Schiffe  des  Langhauses;  das  Chordach 
lehnte  sich  gegen  dessen  Ostgiebel.  Das  Ganze  ergab  für  den  Bau  eine  solche 
Schlichtheit,  daß  man  einen  "unbefriedigenden  Gesamteindruck  gewinnen  müßte, 
wenn  die  einzelnen  Verhältnisse  in  der  Frühzeit,  in  der  die  .Mehrzahl  unserer  Kirchen 
entstand,  nicht  so  außergewöhnlich  gut  gegeneinander  abgewogen  gewesen  wären. 
So  schuf  der  Orden  bei  seinem  Streben  nach  äußerster  Einfachheit  in  Kon- 
struktion, Aufbau  und  Ausschmückung  doch  Bauten  von  imponierender  Großzügig- 
keit und  Mächtigkeit.  Seine  Kirchen  mit  dem  einfachen  Grundriß,  der  klar  aus- 
gesprochenen Trennung  zwischen  Priesterhaus  und  Laienhaus  und  besonders  der 
nionumentalen,  hallenartigen  Ausbildung  des  letzteren  zur  Aufnahme  einer  größeren 
Gemeinde  erschienen  als  die  zweckmäßigste  Form  für  eine  Predigerkirche,  die  bis 
dahin  keinen  ausgesprochenen  Bautyp  ihr  eigen  genannt  hatte.  Die  rasche  X'erbrei- 
timg  der  Dominikaner  über  ganz  Europa  verhalf  diesem  Baugedanken  zu  seiner 
schnellen  Ausbreitung  über  alle  christlichen  Länder.  Im  14.  Jahrhundert  währte 
noch  der  Kampf  um  die  Herrschaft  zwischen  Basilika  und  Hallenkirche,  im  15.  Jahr- 
hundert war  er  endgültig  zugunsten  der  letzteren  entschieden. 

In  diesem  Erfolge  liegt  die  baugeschichtliche  Bedeutung  des  Dominikanerordens 
begründet. 


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LißRARY 


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