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DIE
ENTSTEHUNG DER ARTEN
AUF GRUND VON VERERBEN
ERWORBENER EIGENSCHAFTEN NACH DEN GESETZEN
ORGANISCHEN WACHSENS
ZWEITER THEIL:
ORTHOGENESIS DER SCHMETTERLINGE
VON
De. 6. H. THEODOR EIMER
PROFESSOR DER ZOOLOGIE UND VERGLEICHENDEN ANATOMIE
ZU TÜBINGEN
LEIPZIG
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN
1897.
ORTHOGENESIS
DER
' SCHMETTERLINGE
Em BEWEIS BESTIMMT GERICHTETER ENTWICKELUNG MD OHNMACHT
DER NATÜRLICHEN ZUCHTWAHL BEI DER ARTBÜ^DUNG
ZUGLEICH
EINE EEWIDERUNG AN AUGUST WEISMANN
VON
Dr. 6. H. THEODOR EIMER
PROFESSOR DER ZOOLOGIE UND VERGLEICHENDEN ANATOMIE
Zu TÜBINGEN
UNTER MITWIRKUNG VON
Dr. C. FICKERT
i. assistent an der zoologischen anstalt daselbst
MIT 2 TAFELN UND '235 ABBILDUNGEN IM TEXT
LEIPZIG
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN
1897.
Alle Rechte, besonders das der Übersetzung, sind vorbehalten.
Vorwort.
Die folgenden Untersuchungen über bestimmt gerichtete Ent-
wickelung oder Orthogenesis bilden einen zweiten Teil meiner
im Jahr 1888 erschienenen »Entstehung der Arten auf Grund von
Vererben erworbener Eigenschaften nach den Gesetzen organischen
Wachsens« und zwar eine besondere Darlegung und Beweisführung
des organischen Wachsens, der Organophysis oder Morphophysis
und ihrer Bedeutung für Transmutation und Artbildung. Sie sind
eine Fortsetzung meiner nun seit vierundzwanzig Jahren ausge-
führten Arbeiten (zuerst in: Zoologische Studien auf Capri I,
Lacerta muralis coerulea 1874) über diesen Gegenstand, welche
in der Abhandlung über das »Variieren der Mauereidechse« 1881
zu einem ersten grundlegenden allgemeinen Ergebnis geführt haben.
Die vorliegenden Untersuchungen aber schließen sich an meine
unter dem Titel »Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetter-
lingen« 1889 und 1895 herausgegebenen Abhandlungen über Papilio-
niden , nämlich über die Segelfalter und Schwalbenschwänze an
und liefern insbesondere den Nachweis für die Vollgültigkeit der dort
gezeigten Entwickelung bei den Schmetterlingen überhaupt, weisen aber
endhch jeden Naturforscher, der in der Erkenntnis einer und der-
selben herrschenden Gesetzmäßigkeit das höchste Ziel der Forschung
sieht, mit besonderem Nachdruck hin auf die Bedeutung der Ortho-
genesis für die Entwickelung der gesamten Lebewelt.
Zur Erleichterung des Verständnisses wäre die Beifügung zahl-
reicher farbiger Tafeln nötig gewesen. Ich beziehe mich zur Erzielung
desselben Zweckes im Text auf die Tafeln von Staudinger's »Exo-
tischen Schmetterlingen«, auf die meiner »Artbildung und Verwandt-
schaft bei den Schmetterlingen« I und II und auf andere mit farbigen
Tafeln versehene Schmetterlingswerke.
Genauer sind von mir nur die Typen der Tagschmetterlinge be-
handelt, die übrigen habe ich nur einem kurzen Überblick unterziehen
VI Vorwort.
können. Aber es ist mir selbst ein überzeugender Beweis von der
Richtigkeit der Grundlage meiner Darstellung gewesen, daß ich im
Stande war, mit geringem Zeitaufwand die Übereinstimmung der Ge-
setzmäßigkeit in der Umbildung der Zeichnung mit jener der Tagfalter
auch hier zu erkennen.
Die Arbeit ist in äußerlich gleichwertige Abschnitte eingeteilt.
Es sind aber eigentlich die zwei ersten den übrigen gegenüber zu
stellen : der erste enthält meinen Leydener Vortrag, welcher zugleich
einen Überblick meiner Ansichten gibt und als Anhang einen Auszug
aus den in »Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen« I
veröffentlichten Untersuchungen über die Artbildung bei den Segel-
faltern. Der zweite Abschnitt behandelt die WEisMANN'sche sogenannte
Germinalselektion in weiterer Ausführung des Inhalts jenes Vor-
trags. Mit dem dritten beginnen meine eigenen, zum großen Teile
erst in den letzten zwei Jahren ausgeführten Untersuchungen über die
gesetzmäßige Umbildung und über die Artbildung bei den Schmet-
terlingen.
Lebhaften Dank habe ich auch bei dieser Arbeit meinem ersten
Assistenten, Herrn Dr. C. Fickert auszusprechen für den Anteil,
welcher ihm an derselben zukommt. Er hat sie ebenso durch seine
Temperaturversuche, wie durch andere eigene Beobachtungen und
durch Nachprüfung und oft treffende und maßgebende Beurteilung der
meinigen wesentlich gefördert. Er hat ihr Erscheinen in der vor-
liegenden Gestalt erst ermöglicht durch unermüdliche Bethätigung an
Litteraturauszügen und endlich kommt ihm die wesentlichste Arbeit
bei den Correcturen, die ausschließliche an der Herstellung des Re-
gisters zu. Vor Allem aber bin ich Herrn Dr. Fickert Dank schuldig
für die meisterhafte Ausführung der Mehrzahl der Abbildungen.
Einen kleineren Theil derselben verdanke ich Dr. Gräfin Linden und
meinem zweiten Assistenten Dr. Bär. Dem Herrn Verleger bin ich
nicht nur für die Ausstattung des Buches zu Dank verpflichtet, son-
dern namentlich auch für die Nachsicht, welche mir derselbe bei
Gelegenheit von Änderungen gezeigt hat, die sich durch zum besseren
Verständnis nachträgUch als notwendig erschienene Einschiebung
neuer Abbildungen ergeben haben.
Hörbranz bei Bregenz im Weinmonat 1897.
■ o
Eimer.
Inlialtsverzeiclmis.
Seite
Allgemeine Einleitung I— XVI
I. Über bestimmt gerichtete Entwickelnng Ortliogeuesis) und über
Ohnmacht der Darwin'schen Zuchtwahl bei der Artbildung ... i— 49
Einleitung 1 — 'II
Vortrag ■« 2—41
Die bestimmt gericlitete Entwici^elung, Orthogenesis 13 — 21
Artbildung oder Trennung der Organismenkette in Arten. . . 21 — 25
Beweisführung 23 — 41
Zusatz: Die segelfalterähnlichen Papilio-Arten 41 — 49
II. Die sogenannte Germinalselektion. Kritik und Erwiderung . . . 50—97
Vorwort gegen Vorwort 50 — 57
Antworten auf die Lehrsätze der »Germinalselektion« 57 — 89
Zusammenfassung 89 — 97
III. Entstehung der Blattähnlichkeit bei den Schmetterlingen .... 98—128
Ursprüngliche Grundzeichnung bei den Familien der Tagfalter . . 98 — lou
Die Umbildung der Grundzeichnung zu Blattähnlichkeit bei den
Nymphaliden 100—103
Nach Art der Blattschmetterlinge gezeichnete Nymphaliden ohne
oder mit nur unvollkommener Blattähnlichkeit 103 — 107
Ungleiches Wachsen verschiedener Flügelteile als Ursache der Ver-
lagerung der Zeichnung 107 — 111
Beginn der die Blattähnlichkeit bedingenden Eigenschaften bei nicht
blattähnlichen Nymphaliden 112 — 418
Coenophlebia Archidona, ein umgekehrter Blattschmetterling. . . 118 — 120
Blattähnliche Schmetterlinge mit teilweise verkehrten Blattrippen 120—122
Caerois Chorineus, ein Falter mit ganz verrückten Blattrippen. . 122—124
Doleschallia polibete, ein bis zur Blattunähnlichkeit abändernder
Blattschmetterling 124 — 128
IV. Die wichtigsten Entwickelungsrichtnngen der Tagfalter. Zeich-
nungstjpen und Pseudo-Mimicry 129—218
A. Außenfeld, Mittelfeld und Binnenfeld als besondere Entwickelungs-
richtungen bei den Tagfaltern 129 — 143
1. Sarpedon-Hectorides-Daraxa- oder Mittelfeld-Typus . . . 137—143
VIII Inlialtsverzeichnis.
Seite
B. Entstehung von Fleck- und Schrägbandzeichnung auf den Vor-
dei'flügeln 1U — 168
2. Sibylla-prorsa-Zarinda- oder Mittelfeld-Schrägfleck-Typus U6 — 1/.9
Unterabteilung Hesperus-Gruppe -149 — -150
3. Cardui-Atalanta-Inachis-Dirce- oder Eckfleck-Schrägband-
Typus 150—157
fi. Hyaie-edusa-brassicae-Glaucippe- oder Vorderflügel-Eck-
zeichnungs-Typus der Pieriden 157—159
5. Chrysippus-Ruspina-Typus 159 — 162
6. Gea-niavius-Merope-Typus 162—166
7. Der Bolina-Alyattes- oder Sechs- und Vierfleck-Typus. . 166 — 168
C. Querstreifung durch Schwarzfärbung der Adern, als Entwicke-
lungsrichtung 168 — 172
8. Xuthus-Typus 169 — 172
D. Fächerzeichnung 172 — 175
9. Lyra-Typus 172 — 175
E. Die Entstehung allgemeiner Fleckzeichnung 175 — 218
A. Entstehung heller Fleckzeichnung 175 — 180
10. Leonidas- oder heller Großfleck-Typus 175 — 176
11. Midamus-Anomala- oder heller Kleinfleck-Typus .... 176 — 179
12. Pardalis-Typus 179 — ISO
B. Entstehung schwarzer Fleckzeichnung 180 — 182
13. Hestia- und Paphia-Typus 180 — 182
Danaiden als Nachahmer oder als Beispiel für Homoeo-
genesis? 182—184
F. Die Rieselung, eine besondere Entwickelungsrichtung der
Zeichnung 184 — 186
14. Caligo-Typus 184—186
G. Ringförmige Zeichnung auf der Unterseite der Hinterflügel
und spitzwinkliges Zusammentreten der Längsbinden auf
letzteren als Folge der Flügelform 187 — 190
H. Zeichnung der Helikonier und der helikönier-ähnlichen Falter 190 — 209
Teilweise Farblosigkeit der Flügel bei Dismorphia-
Männchen 202 — 204
Rückbildung von »verkleideten« Dismorphien und
anderen Pieriden 204 — 208
Übersicht über die hauptsächlichsten Entwickelungs-
typen 209—218
V. Entwickelungsriclitniigen tei einzelnen Familien der Tagfalter und
Weiteres üter Mimicry 219—251
Papilioniden 220 — 224
Übergang von den Papilioniden durch die Parnassier zu den Pie-
riden und von diesen zu gewissen Denaiden 224 — 225
Nymphaliden 225-^226
Anhang: Die Zeichnung der Ageronien 226 — 229
Pieriden 229 — 23 4
Morphiden 234 — 237
Brassoliden 237 — 238
Inhaltsverzeichnis. IX
Seite
Satyriden 238—239
Eryciniden und Lycaeniden 239 — 2i3
Hesperiden 213 — 244
Acraeiden 244
Kailima paralecta. Ein Nachtrag : 244 — 251
. VI. Die Entwickelungsrichtnngen der Heterocera und ^licrolepidoptera 232 — 265
Die Spanner, Geometridae 234 — 237
Ein wunderbares Beispiel für Homoeogenesis 236—257
Die Eulen, Noctuidae 257 — 238
Die Spinner, Bombycidae 238 — 26-1
Die Schwärmer, Sphingides 261 — 282
Die Kleinschmetterlinge, Microlepidoptera 262 — -263
Die Zünsler, Pyralides 262 — 264
Die Wickler, Tortrices 264
Die Motten, Tineidae 264—265
Die Geistchen, Pterophoridae 265
VII. Allgemeines über Verkleidung (Miniicry) bei Sclimetterlingen . . 266—292
VIII. Gesetzmässig verschiedenstnfige Zeichnung und Farbe auf den
verschiedenen Flügelflächen der Tagschmetterlinge 293—333
Farbenfolge 296—310
Einzelheiten über Zeichnungs- und Farbenfolge 311 — 328
1. Gleichstufigkeit 311-313
Unterseite und Oberseite der Flügel sind gleich oder nahezu
gleich gezeichnet und gefärbt 311 — 313
2. Zweistufigkeit 315—321
Ober- und Unterseite der Flügel sind verschieden gezeichnet
und meist zugleich verschieden gefärbt 313 — 321
3. Dreistufigkeit 321—326
4. Vierstufigkeit 326—323
Bemerkungen über die Ursachen verschiedener Zeichnungs- und
der Farbenfolge 328-333
IX. Übergewicht des einen Geschlechtes (niäunliche und weibliche
Präponderanz: Geschlechts-Dimorphismns). Geschlechtliche Zucht-
wahl. Entstehung von Augenzierden 336 — 387
A. Übergewicht des einen Geschlechtes 336 — 330
Beispiele für Farben- und Zeichnungsfolge, insbesondere auch
in Beziehung auf männliche und weibliche Präponderanz
(Geschlechts-Dimorphismus) bei Tagschmetterlingen .... 344 — 330
B. Bedeutung der geschlechtlichen Zuchtwahl für die Umbildung
der Schmetterlinge und besonders für den Geschlechts-Dimor-
phismus 331 — 378
C. Die Entstehung der Augenzierden bei Schmetterlingen .... 379 — 387
X. Äussere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Art-
bildung bei Schmetterlingen. Versuche mit künstlicher Einwir-
kung von Wärme und Kälte auf die Entwickelung 3S8— 436
Papilio Podalirius 393—398
Papilio Machaon 398—399
Papilio Ajax und Philolaus 399—402
X Inhaltsverzeichnis.
Seite
Vanessa 4ö2 — 414
Vanessa levana-prorsa 414 — 421
Die Zeichnung von Vanessa levana und prorsa und die Entstehung
der letzteren aus der ersteren 421 — 427
Verwandte von Vanessa prorsa-levana 427 — 428
Gesetzmäßigkeit bei der Umbildung von Vanessa levana durch
porima in prorsa 428 — 431
Professor August Weismann und Vanessa levana-prorsa 431 — 434
Einheitliche Gesetzmäßigkeit in der natürlichen und künstlichen
Wärme-Umbildung der Schmetterlinge 434 — 456
Zusammenfassung einiger wichtiger Ergebnisse 437—466
Schlassbenierkungen 467—472
Besondere Anmerkungen 473—488
Verzeiclinis der Abbildungen 490—491
Autorenregister 489 — 493
Sachregister 494—313
Allgemeine Einleitung.
(Orthogenesis im Gegensatz zur Darwin'schen Zuchtwahllehre.)
»Eine falsche H3-pothese ist besser als gar keine
denn daß sie falsch ist, ist gar kein Schade : aber
wenn sie sich befestigt, wenn sie allgemein ange-
~ nommen, zu einer Art von Glaubensbekenntnis wird.
welches Niemand untersuchen darf, dies ist eigentlich
das Unheil, woran Jahrhunderte leiden«.
Goethe.
Nach meinen Untersuchungen ist das von beständigen äußeren Ein-
flüssen, Klima und Nahrung, auf das Plasma bedingte organische
Wachsen Organophysis) '), dessen Ausdruck wiederum die be-
stimmt gerichtete Entwickelung (Orthogenesis) ist, die haupt-
sächlichste Ursache der Transmutation und ihre stellenweise Unter-
brechung, ihr zeitweiser Stillstand (Genepistase , die hauptsächlichste
Ursache der Trennung der Organismenkette in Arten.
Bedeutende Abänderungen der aus dieser bestimmt gerichteten Ent-
wickelung hervorgehenden Gestaltung können Gebrauch und Nichtgebrauch
der Teile erzeugen 'Lamarekismus . andere die natürliche Auslese oder
Zuchtwahl (Darwinismus,.
Die letztere aber erscheint aus zu erörternden Gründen für die Ge-
staltung der Lebewelt von der geringsten Bedeutung.
Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit dem ersten und
wichtigsten der drei Umbildungsmittel, mit der Orthogenesis.
Alle von mir und meinen Schülern sowohl über die Zeichnung wie
über andere morphologische Eigenschaften der Tiere gemachten Unter-
suchungen haben zu demselben Ergebnis der Feststellung von gesetz-
mäßig nach wenigen bestimmten Richtungen vor sich gehender Ent-
wickelung geführt. Dasselbe gilt, wie ich in der Fortsetzung dieser
Arbeiten zeigen werde, für die niedrigsten Lebewesen, wie die Fora-
miniferen, ebenso auch für die Zeichnung der Blüten und Blätter wie
für die Gestaltung der Teile der Pflanzen.
1) Vergl. die Begriffsbestimmung in »Entstehung der Arten«. I. S. 407. 408.
Eimer, Orthogenesis. a
jl Allgemeine Einleituni:.
In welchen Beziehungen meine Auffassungen zu dem »VervoUkomm-
nungsprincip« Nägeli's stehen, der für die Pflanzen theoretisch schon
eine bestimmt gerichtete Entvvickelung vorausgesetzt hat, ist in »Ent-
stehung der Arten« 1 S. 1 6 ff., dann S. 2i und im Nachstehenden von
mir auseinandergesetzt.
Abgesehen davon, dass die NÄGELi'sche Annahme bestimmt gerichteter
Entvvickelung eine hypothetische, nicht durch Thatsachen bewiesene war,
würde der Zoologe, welcher so viel mit Rückbildungen zu thun hat,
kaum auf den Gedanken einer den Organismen innewohnenden, sie nach
bestimmten .Richtungen umbildenden Neigung zur Vervollkommnung
kommen können.
Dieser Trieb zur Vervollkommnung auf Grund der Voraussetzung
besonderer »innerer Bildungsgesetze«, widerspricht aber auch der An-
nahme äußerer Einflüsse als umgestaltender Ursachen, welche
Nagelt (für die höheren Lebewesen wenigstens) ^) ebenso fälschlich zu-
geschrieben worden ist, wie sie Lamarck in Beziehung auf die Tiere immer
wieder zugeschrieben wird. Dagegen sind nach meiner Auffassung eben
diese äußeren Einflüsse und von ihnen abhängige physiologische Vorgänge
die maßgebenden Faktoren in gleicher Weise für das phyletische Wachsen
wie für das individuelle.
Ebenso unrichtig ist es aber zu sagen, wie neuerdings gleichfalls
geschehen ist, es handle sich bei Nägeli um eine Ergänzung der Darwix-
schen Selektionstheorie. Was Nägeli und mir gemeinsam ist, das ist die
Lehre von der Entwickelung nach wenigen bestimmten Richtungen und
der Hinweis darauf, dass diese Entwickelung die Bedeutung
der Zuchtwahl für die Transmutation als eine vollkommen
nebensächliche, untergeordnete erscheinen läßt. Schon Nägeli
hat der DARwm'schen Zuchtwahl auf Grund der Annahme einer nach
wenigen Richtungen geschehenden bestimmt gerichteten Entwickelung nur
noch die Rolle des Gärtners zugeschrieben, welcher die aus »inneren
Ursachen« entstandenen Zweige eines Baumes beschneidet, der Krone die
Form giebt^). Und ich selbst habe an der Hand der Thatsachen immer
wieder hervorgehoben, daß die nach wenigen Richtungen vor sich gehende
Entwickelung der DARwm'schen Zuchtwahllehre die wesentlichste Grund-
lage entzieht. Denn diese steht und fällt mit dem regellosen
Abändern nach zahlreichen verschiedenen Richtungen. Sie
setzt ein solches regelloses, vielfältiges Abändern unbedingt voraus, denn
die Zuchtwahl muss stets die nothwendigen nützlichen Eigen-
schaften bereit vorfinden, wenn sie soll wirksam sein können.
Und diese Voraussetzung ist bei Darwin wie bei den Verfechtern der
Allmacht der Naturzüchtung, welche als seine Nachfolger auftreten, eine
stets von Neuem angerufene, selbstverständliche. Sie ist aber, wie die
von mir aus den verschiedensten Gebieten des Tierreichs festgestellten
1) Vergl. »Entstehung der Arten« IS. .18. 19. '-': Ebenda S. -20.
Allgemeine Einleitung. lll
Thatsachen zeigen, durchaas falsch: weil überall nur wenige, ganz be-
stimmte Richtungen der Umbildungen herrschen, ist der Zuchtwahl jene
zu ihrer Wirksamkeit notwendige Auswahl nicht geboten. Deshalb
kann die Auslese, kann die Zuchtwahl nicht maßgebend sein für die
Umbildung, für die Gestaltung der Lebewesen — maßgebend hierfür ist
vielmehr die bestimmt gerichtete Entwickelung, die Orthogenesis, in
letzter Linie das ihr zu Grunde liegende organische Wachsen: Organo-
physis.
Die Wirksamkeit der Zuchtwahl wird aber noch mehr eingeschränkt
dadurch, daß das organische Wachsen ohne jede Rücksicht auf
den Nutzen geschieht, daß die auf dem Wege der bestimmt gerich-
teten Entwickelung entstehenden Eigenschaften zum weitaus größten
Teile nicht nützliche sein werden, so daß der StofF, welcher der Nütz-
lichkeitsauslese zur Verfügung gestellt wird, ein sehr spärlicher sein
muß. Ja es giebt weite Gebiete, auf welchen die für die Artbildung,
bezw. für die Artunterscheidung maßgebenden Eigenschaften überhaupt
mit dem Nutzen gar nichts zu thun haben, wie denn schon Nägeli für
die Pflanzen hervorgehoben hat, daß gerade die Artmerkmale zumeist
für den Nutzen gleichgültig sind. Ein solches Gebiet wird im Folgenden
behandelt. In der ganzen Artbildung, wenigstens der Tagschmetterlinge,
ist nichts zu finden, was auf die Notwendigkeit einer Naturzüchtung
hinwiese, vielmehr zeigt sich in allen wesentlichen Umbildungen Ohn-
macht der DARwm'schen Naturzüchtung gegenüber der Herrschaft
der Orthogenesis.
Vor Allem wurde ich durch die sich mir darbietenden- Thatsachen
immer von Neuem wieder auf die endlose Fülle von erst in der
Bildung begriffenen, kleinsten, oft kaum noch sichtbaren
Eigenschaften hingewiesen, welche der Nutzen in keiner Weise
in Anspruch nehmen kann, und damit auf die Bedeutung des Satzes,
daß die Zuchtwahl nichts Neues schaffen, sondern daß sie nur
mit den Eigenschaften arbeiten kann, welche schon an und für sich
nützlich sind.
Damit ist eine andere Voraussetzung des Darwinismus zurückgewiesen
und zwar die wichtigste: die der Herrschaft nützlicher Eigen-
schaften in der Gestaltung der Lebewesen.
Wenn auch nichts bestehen kann, was unbedingt schädlich ist, so
besteht doch unendlich Vieles, was mit unmittelbarem Nutzen gar nichts zu
thun hat und was also niemals von der Zuchtwahl berührt wurde.
Andererseits wird vieles Nützliche bestehen, was gänzlich unab-
hängig von der Zuchtwahl (Selektion) zu seiner vollen Gestaltung gediehen
ist, denn es wird selbstverständlich orthogenetisch ebenso-
wohl Nützliches entstehen können wie nicht Nützliches.
Es ist notwendig, dies auch hier hervorzuheben, weil, wie im Fol-
genden gezeigt wird, von Epigonen Darwin's in elementarster Weise be-
ständig Nützlichkeit mit Selektion verwechselt wird. Es gibt ohne
Zweifel zahllose »Anpassungen«, welche ihr Bestehen ebenso wie ihre
IV Allgemeine Einleitung.
Entstehung einfach der physiologischen Notwendigkeit des organischen
Wachsens verdanken. Überall hat man unter der Herrschaft der Zucht-
wahllehre solche Anpassungen bis jetzt als Zeugen der Wirkung derselben
angerufen und besonders Botaniker scheinen allzugerne bereit zu sein
die zahlreichen und oft wunderbaren an den Pflanzen vorkommenden
zweckmäßigen Bildungen nur in diesem Sinne zu deuten.
Daran schließt sich eine andere Frage an: ich spreche im Folgenden
von dem Ansprüche des Darwinismus, die Entstehung der Arten zu
erklären, und ich weise diesen Anspruch als unberechtigt zurück, eben
mit dem Satze, daß die Zuchtwahl nichts Neues schaffen, sondern nur
mit schon Vorhandenem und zwar mit schon Nützlichem arbeiten
kann. Diesen »Fundamental-Einwurf« gegen die Bedeutung der Zucht-
wahllehre habe ich gegen den heute im Vordergrunde stehenden Ver-
treter der »Allmacht der Naturzüchtung« so lange wiederholt, bis der-
selbe endlich von ihm berücksichtigt werden mußte. Aber daß er ein
begründeter ist, wird dadurch bewiesen, daß schon Darwin veranlaßt
war sich gegen ihn zu wenden, obschon er andererseits wieder sagt,
und schon in der ersten Auflage seiner »Entstehung der Arten« ge-
sagt hat, er wolle nicht die Entstehung der Varietäten, sondern nur
die Erhaltung der nützlichen Eigenschaften erklären. Allein die That-
sache, daß er diesem Buch den Titel »Entstehung der Arten« gegeben
hat, zeigt, was dasselbe doch in Wirklichkeit erklären sollte. Und was soll
denn überhaupt die Zuchtwahllehre, was soll der Darwinismus, wenn er
nicht die Entstehung der Arten oder doch zum mindesten die Umbildung
der Lebe weit, die Transmutation erklärt? Daß er dies thun will, ist
jedenfalls die allgemeine Annahme und die Nachfolger, die Jünger und
Schüler Darwin's arbeiten und urteilen nur in diesem Sinne.
Meint ja der am lautesten thätige dieser Jünger sogar, der Zu-
sammenbruch des Selektionsprincips sei »gleichbedeutend mit dem Auf-
geben jeder Forschung über den causalen Zusammenhang der Erschei-
nungen auf dem Gebiete des Lebens«.
Mir scheint umgekehrt, daß die übertriebene, blinde Vertretung des
Selektionsprincips bis zur Proklamierung der Allmacht desselben — un-
beschadet seiner Bedeutung im Einzelnen — eben die Forschung über
den causalen Zusammenhang der biologischen Erscheinungen ungemein
geschädigt hat: man beruhigte sich entweder einfach damit, daß dies
und jenes »angepaßt« sei, und damit hatte die Forschung ein Ende, oder
man begann einen Reigen bodenloser Speculationen, welche mit exacter
Naturforschung sicherlich nichts zu thun haben.
Aber es ist auch ofiFenbar an und für sich das Selektion sprincip am
wenigsten ein maßgebendes Mittel im Dienste der Forschung über den
causalen Zusammenhang der Lebenserscheinungen: es ist im Grunde nichts
als ein Mittel zur Erklärung gewisser Einzelerscheinungen in der Natur.
Es ist gerade der schwerwiegendste Einwurf, der schon theoretisch gegen
die Bedeutung der Zuchtwahl für die Gestaltung der organischen Natur
gemacht werden kann, daß dieselbe, wie ich im Folgenden weiter
Allgemeine Einleitung. Y
ausführe, den thatsächlichen einheitlichen, gesetzmäßigen Zu-
sammenhang der Formen und deren Entwickelung auseinander
unmöglich zu erklären vermag, am wenigsten aber ihre Ur-
sachen. Das was heute oder morgen nützlich ist und zu irgend welchen
Zeiten nützlich war, bildet eine Summe von außer jedem ursächlichen
Zusammenhang stehenden Einzelheiten, welche, wenn sie im Sinne des
Darwinismus wirksam auf die Gestaltung der Lebewelt wären, nur eben
wieder eine zusammenhangslose Summe von Einzelgestaltungen hätten
erzeugen können, nicht eine Kette von augenscheinlich in ursächlichem
Zusammenhang stehenden Formen, nicht eine Entwickelung, welche, wie
die von mir aufgestellten Thatsachen zeigen, »wie nach einem Plane«
erfolgt ist. Die Ursachen solch stetiger gleichartiger Umbildung müssen
ebenso gleichartige, seit ungemessenen Zeiträumen stetig fortwirkende ge-
wesen sein und es ist nach meinen Darlegungen experimentell zu beweisen,
daß sie in den elementaren äußeren Einwirkungen des Klima und der
Nahrung auf das Plasma zu suchen sind: diese Einwirkungen sind es,
wie gesagt, welche nicht nur das individuelle, sondern ebenso das phy-
letische Wachsen bedingen. Jener Beweis ist in vollkommenster Weise
gewiß erbracht durch die glänzende Erfüllung meiner im ersten Teil der
»Entstehung der Arten« gemachten Vorhersage, daß wir im Stande sein
werden, »mit dem Thermometer in der Hand bestimmte Abarten zu erzeugen,
vielleicht sogar neue, welche in der freien Natur nicht vorkommen«.
Der lautredende Ausdruck jener gesetzmäßigen Umbildung aber ist
die Orthogenesis. Sie weist jede Möglichkeit zurück, dass eine Vielheit
zufällig da oder dort wirksamer Bedürfnisse die Gestaltung der Lebewelt
bedingt habe, gleichviel ob man dabei das Werden oder die Erhaltung
des Gewordenen in den Vordergrund stellen will.
Darwin hat nun, wie gesagt, allerdings von vornherein unter seiner
Zuchtwahl nicht eigentlich das Werden der Gestaltung, sondern nur die
Erhaltung des Gewordenen verstanden wissen wollen, während seine
Jünger den Darwinismus als »Allmacht der Naturzüchtung« auslegen.
»Diese Erhaltung vorteilhafter und Zurücksetzung nachteiliger Abände-
rungen ist es, was ich ,, natürliche Auswahl oder Züchtung" nenne«,
sagt Darwin in der ersten Ausgabe seiner »Entstehung der Arten« 2) und
weiterhin: »da natürliche Züchtung nur durch Erhaltung nützlicher Ab-
änderungen wirkt, so wird jede neue Form in einer schon vollständig
bevölkerten Gegend streben, ihre eigenen, minder vervollkommneten
Eltern sowie alle anderen minder vervollkommneten Formen, mit welchen
sie in Bewerbung kommt, zu ersetzen und endlich zu vertilgen«^).
Daß eine solche Vertilgung ohne weitere Hülfsmittel nach Maßgabe
des Thatsächlichen nicht überall stattfinden und die Trennung der Orga-
nismenkette in Arten nicht bedingen konnte, wird, nebenbei gesagt,
im Folgenden besprochen werden und ist schon vielfach ohnedies her-
vorgehoben worden. Aber dieser Vorgang der Trennung der Organismen-
1 S. 144. 2) Deutsche Ausgabe S. 86. 3 Ebenda S. 182.
VI Allgemeine Einleitung.
kette ist es nicht etwa, was Darwin als »Entstehung der Arten«, wie es
wörtlich gerechtfertigt wäre, in den Vordergrund stellt oder stellen kann,
weil er eine solche Organismenkette, wie sie die Thatsachen der Ortho-
genesis heute vor Augen führen, seinen Auffassungen gar nicht zu Grunde
legen konnte. Denn er nahm ja zwar eine Umbildung der einzelnen
Glieder der Lebewelt auseinander heraus an, aber da er kein gesetz-
mäßiges zusammenhängendes Abändern kannte, sondern nur ein regelloses,
»zufalliges«, so konnte bei ihm jene zusammenhängende Kette viel weniger
in den Vordergrund treten, als sie es heute thun muß, und so hat er
auch die Arltrennung nur eigentlich nebenher behandelt. Seine ganze
Vorstellung wurde eben beherrscht von der Idee der natürlichen Zucht-
wahl. Dies deshalb, weil er bei der Erklärung der Transmutation von
der künstlichen Zuchtwahl ausging und deren Wirkung voll und ganz auf
die Umbildung im freien Leben übertrug. Darin aber liegt ein Grund-
fehler seiner ganzen Lehre. Denn die Auslese in der freien Natur kann
nicht dieselben Mittel anwenden wie die bei der künstlichen Züchtung:
insbesondere kann sie nur bei letzterer, nicht auch in der
freien Natur Eigenschaften erhalten und zu weiterer Ent-
wickelung bringen, welche noch in den Anfängen der Aus-
bildung stehen ').
So viele Einschränkungen der Wirkung der Zuchtwahl Darwin auch
im Laufe der Zeit anerkannt hat: zuletzt erscheint sie doch bei ihm immer
wieder als die Beherrscherin aller Umbildung. Ja fast in derselben All-
macht, welche ihr später von seinen Jüngern zugeschrieben wird, tritt
sie bei ihm noch in spätester Zeit auf. Wohl soll sie nur die Erhaltung
des Passenden erklären, indem sie die anderweitig — zufallig — ent-
standenen Varietäten als gegeben voraussetzt; allein diese Varietäten
spielen ohne Zuchtwahl bei ihm gar keine Rolle: bevor sie von der
Zuchtwahl in die Hand genommen werden können, ist von ihnen
gar keine Rede, ja daß sie, so lange sie noch unbedeutend sind,
nicht nützlich sein können, wird nur auf den Zwang des Einwurfes von
Seiten Mivart's berührt.
Nach den Thatsachen, welche die Orthogenesis an die Hand giebt,
tritt dagegen das allmähliche W^erden, das Wachsen von Eigen-
schaften ohne jede Beziehung zu irgendwelchem Nutzen, zur
Zuchtwahl, in den Vordergrund. Die Orthogenesis bezw. die die-
selbe bedingende Organophysis ist das herrschende Mittel der Um-
bildung, nicht die Zuchtwahl.
Wie Darwin die Dinge auffaßt, in welchem Maße er thatsächlich,
trotz aller Einschränkungen, auch in seiner späteren Zeit im Grunde doch
die Transmutation und die Entstehung der Arten durch die Herrschaft der
Zuchtwahl allein erklären will unter völligem Zurückdrängen aller
Bedeutung der Variation selbst, das zeigt u. a. der folgende Satz,
welcher in der ersten englischen Auflage vom »Variieren im Zustande der
1) Man vergl. im Folgenden S. 7G und 482.
Allgemeine Einleitung. vii
Domestication« (1868) enthalten war und in der zweiten, nach der die
dritte deutsche, 1 878 erschienene, berichtigt ist, unverändert wiederkehrt.
Schon AsKENASY hat 1872 diesen Satz mit gesperrter Schrift angeführt,
zum Beweis dafür, daß eine unumschränkte, nach sehr vielen und von
einander divergierenden Richtungen erfolgende Variation die Grundlage
der D.vRWiN'schen Lehre ist und daß Darwin selbst diese Ansicht theile
— was übrigens nicht besonders bewiesen zu werden brauchte, da es
auch sonst bei Darwix überall klar in den Vordergrund tritt.
Der Satz lautet'): »Durch dieses ganze Kapitel und an anderen
Stellen habe ich von der Zuchtwahl als Hauptkraft gesprochen, und doch
hängt ihre Wirkun» absolut davon ab. w'as wir in unserer Unwissenheit
spontane oder zufällige Variabilität nennen. Man lasse einen Architekten
dazu gezwungen sein, ein Gebäude von unbehauenen Steinen aufzu-
richten, die von einem Abhang herunter gestürzt sind. Die Form jedes
Fragments kann zufällig genannt werden und doch ist die Form eines jeden
durch die Kraft der Schwere, die Natur des Gesteins und die Neigung
des Abhangs bestimmt worden — Ereignisse und Umstände, welche alle
von natürlichen Gesetzen abhängen; aber zwischen diesen Gesetzen und
dem Zweck, zu welchem jedes Fragment vom Erbauer benutzt wird,
besteht keine Beziehung. In derselben Weise sind die Variationen eines
jeden Geschöpfes durch fixierte und unveränderliche Gesetze bestimmt.
Aber diese stehen in keiner Beziehung zu dem lebenden Bau,
welcher durch das Vermögen der Zuchtwahl, mag diese nun
künstliche oder natürliche' sein, langsam aufgebaut worden ist.
Gelingt es unserem Architekten, ein nobles Gebäude unter Benutzung
der ungefähr keilförmigen Fragmente zu^ den Bogen, der längeren Steine
zu den Säulen u. s. w. aufzuführen, so würden wir sein Geschick selbst
in einem noch höheren Grade bewundern, als wenn er für diesen Zweck
geformte Steine benutzt hätte. Dasselbe gilt für die Zuchtwahl, mag sie
der Mensch, oder die Natur angewendet haben. Denn ist auch die
Variabilität unentbehrlich notwendig, so sinkt, wenn wir einige solche
complicierte und ausgezeichnet angepasste Organismen betrachten, die
Variabilität in eine völlig untergeordnete Stellung hinsicht-
lich ihrer Bedeutung im Vergleich zur Zuchtwahl, in derselben
Weise wie die Form eines jeden Fragmentes, welches unser hier ange-
nommener Architekt benutzt hat, im Vergleich zu seiner Geschicklichkeit
bedeutungslos ist.«
Damit ist der volle Gegensatz des Darwinismus zur orthogenetischen
Lehre in der wesentlichsten Grundlage ausgesprochen: nach der letzteren
ist das Variieren nicht etwas Untergeordnetes bei der Transmutation und
bei der Artbildung, sondern es ist die Hauptsache: das gesetzmäßige
während langer Zeiträume unentwegt, ohne Beziehung zum Nutzen nach
wenigen Richtungen fortschreitende, durch Einwirkung äußerer Einflüsse^
1) S. 260.
Vill Allgemeine Einleitung.
des Klima und der Nahrung vor sich gehende Abändern, das organische
Wachsen, ist die wesentlichste Ursache der Transmutation.
Die wichtigste Ursache der Trennung der Organismenkette in Arten
ist nach meiner Auffassung Stehenbleiben auf bestimmten Stufen
der Umbildung: Epistase, Genepistase. Die Entstehung der Arten
ist also wiederum ein Ausdruck bestimmter Verhältnisse der Orthogenesis:
Folge einer Unterbrechung derselben. Höchst wichtig für die Entstehung
von Arten ist aber auch die verschiedenstufige Entwickelung, Heter-
epistase, welche bedingt, daß an einer Form gewisse Eigenschaften
stehen geblieben, andere fortgeschritten sind, während noch andere sogar
sich rückbildeten. Dabei ist in der Regel Gebrauch und Nichtgebrauch sehr
wirksam und im Zusammenhang damit Kompensation und Korrelation.
Aber wie die Schmetterlinge zeigen, kann in weiten Gebieten allein
Orthogenesis mit Epistase — jene zugleich mit sprungweiser Ent-
wickelung (Halmatogenesis) und Korrelation — für Transmutation und
Entstehung von Arten maßgebend sein. Daß auch sonst die Zucht-
wahl für die Gestaltung der Lebewell eine verhältnismäßig geringe Be-
deutung haben muß, zeigt, wie schon ausgesprochen, der Faden des
dichotomisch verzweigten Zusammenhanges der Glieder derselben anstatt
des Vorhandenseins einer zusammenhangslosen Summe von Einzelgestal-
tungen, wie sie unter der Herrschaft der Auslese im Sinne des Nutzens
nachgerade entstanden sein müßten.
Ich darf nicht unterlassen, hervorzuheben, daß die von mir in An-
spruch genommene Bedeutung der Orthogenesis, der Epistase, der Hetere-
pistase, der Halmatogenesis und der Rückbildung offenbar für alle Gruppen
des Tierreichs und wohl ebenso des Pflanzenreichs gilt wie z. B. für die
Schmetterlinge: der Amphioxus verdankt seine Entstehung im Wesent-
lichen einem Stehenbleiben auf niederer Stufe der phylogenetischen Ent-
wickelung, teilweise auch wohl einer Rückbildung. Die Haie sind in
Beziehung auf Nervensystem und Sinnesorgane sehr vorgeschritten, in
Beziehung auf das Skelet u. a. auf tiefer Stufe stehen geblieben. Die
ganze australische Fauna und Flora ist in wesentlichen Eigenschaften
auf tiefer Stufe der Entwickelung stehen geblieben. Die nordamerikanische
Tierwelt ist in ihren Gliedern vielfach auf einer etwas tieferen Stufe
stehen geblieben, als die europäische.
Das Hirn des Menschen ist in einer durch den ganzen Wirbeltier-
typus maßgebenden Entwickelungsrichtung zum Höchsten vorgeschritten;
in Beziehung auf die Fähigkeit der Organe der Ortsveränderung steht
der Mensch hinter fast allen Wirbeltieren zurück, ebenso hinter vielen
in Beziehung auf Ausbildung der Sinneswerkzeuge. Überall kommt aller-
dings hier Gebrauch und Nichtgebrauch wesentlich mit in Betracht —
nicht aber, wie wir zeigen werden, eben bei den einzelnen Gruppen der
Schmetterlinge, wo wesentlich nur Organophysis und Orthogenesis maß-
gebend sind.
Der Kernpunkt des Unterschiedes meiner Entwickelungstheorie gegen-
über der DARwm'schen Zuchtwahllehre liegt also in der Wichtigkeit,
Allgemeine Einleitung. ix
welche der Variation, abgesehen von der Zuchtwahl und bevor sie unter
die Herrschaft derselben gelangen kann, zukommt. Dass der neuerdings
gemachte Versuch diese Herrschaft auch auf die Anfänge des Variierens
auszudehnen und so die Allmacht der Naturzüchtung gegenüber der Ortho-
genesis zu retten, vollkommen verfehlt ist, zeigen nicht nur die elemen-
tarsten Thatsachen, sondern auch die, wie wir sehen werden, falschen Vor-
aussetzungen und die Widersprüche, in welchen sich die »Germinalselektion«
des Herrn Weismanx bewegt: es gibt naturgemäß keine größere Unmöglich-
keit als die Vereinigung der thatsächlich bestehenden, nach wenigen
Richtungen gesetzmäßig fortschreitenden, bestimmt gerichteten Entwicke-
lung und der Voraussetzung zahlloser, für jede Anforderung der Auslese
bereitstehender Variationen, zusamt der Annahme der Züchtung dieser
letzteren durch die Auslese auf dem Wege bestimmt gerichteter Enl-
wickelung!
Sind die Thatsachen, welche ich bezüglich der Variation aufstelle, richtig,
besteht eine Orthogenesis in dem Umfange, in welchem ich sie nachweise,
wirklich, so ist die Bedeutung der Zuchtwahllehre, des Darwinismus, für die
Transmutation und für die Entstehung der Arten auf ein ganz Nebensäch-
liches zurückgedrängt, ja im Einzelnen erst zu erweisen. Sind meine
folgenden Untersuchungen über die Orthogenesis bei Schmetterlingen richtig,
so ist die vollkommene Ohnmacht des Darwinismus auf einem weiten
Gebiete nacheewiesen. Je läneer ich mich mit bezüglichen Thatsachen be-
schäftigt und deren neue festgestellt habe, um so mehr ist mir solche
Ohnmacht auch auf anderen Gebieten entgegengetreten: die Natur ist ein
Ganzes und die allgemeinen Gesetze, welche für eine Gruppe von Lebe-
wesen gelten, müssen auch für alle anderen gelten. Es ist daher schwer
begreiflich, wie wenig Beachtung diese Thatsachen und die darauf aufge-
baute Lehre in weiten Kreisen bis jetzt gefunden haben, und daß die
maßgebenden Fachmänner gar nicht zu bemerken scheinen, welche Fülle
von Arbeitsmaterial durch sie auf den verschiedensten Gebieten er-
schlossen wird. Paläontologen, Zoologen und Botaniker haben sich wohl
gelegentlich herablassend dahin ausgesprochen: diese Untersuchungen
seien ganz hübsch und wohl richtig für den bestimmten einzelnen Fall:
die Skulpturen der Schneckengehäuse z. B. mögen nach der aufgestellten
Gesetzmäßigkeit entstanden sein, schrieb ein Paläontologe — aber das
sei ein besonderer Fall. Auch wir kennen bestimmte Zeichnungen bei
Blüten , welche nach gewissen Regeln gestaltet sind, belehrt ein Botaniker
— Nägeli hat nicht einmal bei seinen Fachgenossen ernstere Beachtung
gefunden. Nur Wenige erfaßten bis dahin die Bedeutung der ganzen
Frage. Wenige erkennen, was doch so klar vor Augen liegt, welche
Fundgrube für Entdeckung neuer und Erklärung altbekannter Thatsachen
in dieser Orthogenesis liegt: und doch wird die Zeit kommen, da die
Nachfolger der heutigen Paläontologen ganze Systeme auf Grund der-
selben aufstellen und da die Botaniker ihre ganze Morphologie von ihr
beherrscht sehen werden. Leider kann ich nicht Alles allein bewältigen.
Was ich vorlege und vorgelegt habe, ist das Ergebnis mühevoller Arbeit,
X Allgemeine Einleitung.
deren Richtigkeit sorgfältige Untersuchung sicherlich überall wird be-
stätigen können. Viel mag an der Vernachlässigung der Anerkennung
des Thatsächlichen die Abneigung der herrschenden Biologie gegen die
Systematik haben und gegen Alles, was darnach aussieht. Und dennoch
ist es nicht möglich, die obschwebenden Fragen anders zu lösen, als an
den Erscheinungen der Artbildung, welche die genaueste Behandlung
der Arteigenschaften voraussetzen und deren Studium allein mich
auf den Nachweis der Orthogenesis geführt hat.
Aber noch ein ganz anderer Feind tritt dem Siege der Thatsachen
entgegen. Der verstorbene Geologe Neumayr sagt einmal, es müsse eine
Generation ausgestorben sein, bevor eine herrschende Erklärung von
Thatsachen durch eine andere ersetzt werden könne. Ich möchte noch
weiter gehen und sagen: es muß eine Generation als Trägerin einer
herrschenden Theorie aussterben, bis selbst neue Thatsachen diese
Theorie umzustoßen vermögen.
Die Trägheit des Stoffes ist es, welche sich überall dem Neuen ent-
gegenstemmt, und am wenigsten wird Gelehrsamkeit einen Boden ver-
lassen wollen, welchen sie einmal eine Zeit lang vertreten hat. Ganz
dasselbe erlebten wir gegenüber dem Darwinismus. Nun aber unterfange
ich mich gar, einem Mann wie Darwin entgegenzutreten und beweisen
zu wollen, daß seine ganze berühmte Theorie auf falscher Grundlage
aufgebaut ist, daß sie die Umbildung der Lebewelt und die Entstehung
der Arten nicht erklären kann, und ich unterfange mich, wenn auch an
der Hand von Thatsachen, dieser Theorie gegenüber eine ganz andere
zu vertreten.
Bei der ungeheuren Macht, mit welcher die DARwm'sche Lehre heute
die Geister gefangen hält, ist es nicht anders möglich, als daß mein
Unternehmen von vornherein als ein unbescheidenes, ja ungereimtes auf-
gefaßt wird. Es ist kein Zweifel: weil Darwin groß war, muß der, welcher
ihm entgegentritt, klein sein. Die Einen wollen mir beweisen, daß ich
Darwin entgegentrete, während ich ihn gar nicht gelesen habe, die
Anderen glauben mich in der öffentlichen Meinung schon zu ver-
nichten, indem sie mich als einen »erbitterten Gegner der Selektions-
lehre« bezeichnen. Daß ich dies nicht bin, daß ich auch der Selektion ihr
Recht lasse, und wie sehr ich Darwin als großen, objektiven Natur-
forscher, der er im vollen Gegensatz zu seinen vermeintlichen Nach-
folgern ist, verehre, geht aus meinen Arbeiten überall zur Genüge hervor.
Dagegen muss ich immer wieder finden, daß Diejenigen, welche solche
Nachfolger und Verteidiger sein wollen, die eigentlichen DARWiN'schen
Ansichten so und so oft gänzlich unrichtig aufgefaßt haben und daß sie
deshalb nicht entfernt im Stande sind, das, was ich denselben entgegen-
stelle, richtig zu beurteilen — von den gänzlich undarwin'schen Über-
bietungen und Übertreibungen der Zuchtwahllehre, vom Afterdarwinis-
mus gar nicht zu reden!
Ein laut redender Fall dieser Art ist der folgende. Vermeintliche
Kenner des Darwinismus und unbedingte Anhänger desselben können in
Allgemeine Einleitung. XI
förmliche Aufregung geraten, wenn gesagt wird, er fuße auf dem
Zufall, und sie werfen dem, der dies behauptet, gar etwa ein, er wisse
offenbar nicht, daß dies ein längst widerlegter, von Darwin selbst zu-
rücksewiesener Satz sei. Man hat auch mich in dieser Weise belehren
wollen. Ich denke, ein Jeder, der gewissenhaft über die Zuchtwahllehre
schreibt, muß wissen, was Darwin in dieser wichtigen Sache sagt und meint.
Was er meint, ist in dem vorhin wiedergegebenen Beispiel vom Aufbau
eines Gebäudes aus unbehauenen Steinen deutlich genug enthalten: Dar-
win verwahrt sich gegen den Vorwurf der Annahme schrankenlosen Zufalls
im Variieren durch den Hinweis, daß dasselbe notwendig physikalischen
Gesetzen unterworfen sein muß, so daß also nicht jede denkbare Abände-
rung entstehen kann, sondern nur solche, welche jene Gesetze bedingen.
Später erkennt er als Hemmschuh unbegrenzt allseitigen Abänderns
ausdrücklich auch die Konstitution an. Ich glaube nun kaum, daß
irgend jemand, der dem Darwinismus jenen Einwurf macht, den Zufall
des Abänderns anders aufgefaßt hat, als Darwin selbst ihn aufzufassen
erklärt.
Alles in der Natur muß selbstverständlich Gesetzen folgen — kein Ver-
nünftiger wird das bestreiten. Aber das von Darwin angenommene Abändern
nach den verschiedensten Richtungen ist ein regelloses, zufälliges im
Vergleich zu dem gesetzmäßig nach wenigen bestimmten Richtungen vor
sich gehenden, wie ich es thatsächlich nachweise. Und es ist auch nach ■
dem gew'öhnlichen Sprachgebrauch ein zufälliges an sich. Was Darwin von
bestimmt gerichteter Entwickelung wußte und was er von den Nägeli-
schen Aufstellungen gehalten, wie er sie zurückzuweisen versucht hat,
wird im Folgenden besprochen w^erden; er hat im Wesentlichen nichts
darauf gegeben und hat nichts darauf geben können, weil er sonst sein
ganzes Lehrgebäude selbst untergraben hätte.
Ich glaubte auch diesen Gegenstand hier besprechen und klar legen
zu müssen, weil mir scheinen will, daß derselbe kaum besser von Vielen,
die darüber urteilen , erfaßt w orden ist, als die Bedeutung des bestimmt
nach wenigen Richtungen gesetzmäßig stattfindenden Abänderns, also die
Orthogenesis an sich.
So ist es in der That kein Wunder, w^enn die ganze so hochw^ichtige
Frage trotz aller immer von Neuem beigebrachten orthogenetischen That-
sachen, trotz des durch sie gelieferten und trotz des experimentell ge-
lieferten Beweises von der Tragweite derselben bis jetzt keine irgend
ausgebreitete Beachtung gefunden hat.
Ich hoffe, die heute vorgelegten Beweise für die Herrschaft der
Orthogenesis bei Schmetterlingen werden den Bann brechen. Die That-
sachen einer großartigen, ohne jede Beziehung zum Nutzen stehenden
Gesetzmäßigkeit der Transmutation und der Artbildung, welche hier
entgegentreten, haben mich selbst hochgradig überrascht; sie haben
Alles übertroffen, was ich von der weiteren Verfolgung meiner Auf-
fassungen je erwarten konnte; sie zeigen die Möglichkeit der Zurück-
XII Allgemeine Einleitung.
führung der sämtlichen Zeichnungen und damit der Artmerkmale aller
Schmetterlinge auf einige wenige Typen und zuletzt auf die bei Segel-
faltern noch vorhandene Längsstreifung — überall Entstehung der Arten
ohne Selektion.
Zu meinem lebhaften Bedauern bin ich genötigt, im Folgenden alle
Rücksicht gegenüber einem Gegner fallen zu lassen, mit welchem ich
früher in der Beziehung des dankbaren Schülers zu seinem Lehrer ge-
standen bin, der mich einst gelehrt hatte, keinem Tierchen etwas zu
Leide zu thun, während er heute denjenigen mit persönlicher Kränkung
treffen will, welcher es wagt, anderer wissenschaftlicher Ansicht zu sein,
als er, ja den der in Wesentlichem die Ansichten vertritt, die er selbst
vor Jahren gehabt hat. Daß mir an der Anwendung dieser Kampfes-
weise keine Schuld beigemessen werden kann, zeigt der ganze Inhalt
des ersten Teils meiner »Entstehung der Arten«, zeigen insbesondere
die im Folgenden auf Seite 487 wiederholten Schlußworte der Einleitung
desselben. Ich habe verschuldet zuerst den WEiSMANN'schen Keimplasma-
Hypothesen gründlich entgegen getreten zu sein, besonders auch als
Verteidiger der Vererbung erworbener Eigenschaften. Ich will hier
nicht davon reden, daß ich die LAMARCK'sche Auffassung von der Wirkung
des Gebrauchs und Nichtgebrauchs, welche seitdem wenigstens in Amerika
als »Neu-Lamarckismus« wieder mehr und mehr Verbreitung findet, schon
damals auf das Lebhafteste verteidigt habe. Als ein triftiger Beleg für
das Gewicht meiner Gründe darf wohl die Thatsache angeführt werden, daß
mein Gegner, der Vertreter der Allmacht der Naturzüchtung, diese Gründe
und mein ganzes Buch vollständig totgeschwiegen hat, abgesehen von
gelegentlich darauf bezüglichen persönlichen Angriffen. Denn es ist nach-
weisbar stehende Übung desselben*), daß er Einwänden gegenüber immer
dann schweigt, wenn er sie nicht widerlegen kann, bezw. so lange schweigt,
bis er glaubt ein Mittel zu ihrer zeitweiligen Beseitigung ausgedacht zu
haben. Meine Begründung stützte sich aber schon damals und später
auf das Experiment, weshalb sie kaum minderwertiger sein konnte, als
die von H. SpeiNCer in's Feld geführte, gegen welche der Freiburger Zoologe
so lebhaft, aber mit sehr zweifelhaftem Erfolg angekämpft hat. Auch
meine hauptsächlichste Beweisführung, welche sich auf die psychischen
Eigenschaften, auf ihre Entstehung und Vererbung und auf die unab-
weisbare Vererbung von Geisteskrankheiten stützte, ersteres an der Hand
eingehender Versuche mit neugeborenen Hühnchen 2), ist von diesem
Gegner niemals ernstlich berührt worden. Dasselbe gilt für meine Expe-
rimente an Muskeln 3), welche unwiderleglich beweisen, daß die Ent-
1) Vergl. u. a. hinten S. 4 0. 78.
2] Vergl. »Entstehung der Arten« I. S. 263 ff. und hinten S. 273.
3) Die »Entstehung und Ausbildung des Muskelgewebes, insbesondere der Quer-
streifung desselben als Wirkung der Thätigkeit betrachtet«. Zeitschr. f. w. Zool.
Bd. LIII. Suppl. 1892.
Allgemeine Einleitung. xili
'D
Stehung der Querstreifung auf Thätigkeit beruht und damit auf Ver-
erbung erworbener Eigenschaften.
Schon damals habe ich u. a. auch auf die augenscheinlich durch
Thätigkeit erfolgte Umbildung von Teilen des Skeletes der Wirbeltiere
hingewiesen, welche ziemlich zu gleicher Zeit in so schöner Weise durch
die" Darstellung Cope's bezüglich der Gliedmaßen von Säugern gezeigt
worden ist. Später habe ich Andeutungen über eingehendere Arbeiten
bezüglich jener Umbildung, besonders in Beziehung auf die Bedeutung
der Ausgleichung (Kompensation) in einem im Jahre 1894 gehaltenen
Vortrage gegeben ^j.
Genug, daß die Anerkennung des Lamarekismus, welcher die Ver-
erbung erworbener Eigenschaften voraussetzt, besonders in Amerika
seitdem weite Kreise ergriffen hat und daß die Zahl der »Neu-Lamarckia-
ner« augenscheinlich immer mehr zunimmt^).
Es leuchtet ein, daß die Orthogenesis der Todfeind nicht nur der
»Allmacht der Naturzüchtung«, sondern auch der auf sie gegründeten
1) Über das Gesetz der Ausgleichung (Kompensation] und Goethe als vergleichen-
den Anatomen. A'ortrag gehalten in der Versammlung des Schwarz Wälder Vereins zu
Tübingen am 2. Febr. -1894. Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde
in Württemberg 1895. Die weitere Ausführung dieser Arbeit ist zum Abschluß ge-
diehen; dieselbe wird in Bälde erscheinen.
2) Übrigens darf ich hier wohl die Beurteilung meiner Beweisführung von
Seiten eines Ausländers anführen. Herr J. T. Cunnixgham, welcher meine »Entstehung
der Arten« I unter dem Titel »Organic Evolution« übersetzt hat, sagt in der Vorrede
zu seiner Übersetzung: »When I saw that many of the ablest British biologists ac-
cepted Weisma>n's dogma that acquired characters are not inherited, it seemed to
me that they were abandoning the riebest vein of knowledge under a mistaken guide,
and I cherished the hope of finding tinre and opportunity to add by my own re-
searches to the evidence that the etTects of the conditions of life extend beyond a
Single generation. I was therefore delighted to find that Weismann had to contend
with a formidable Opponent in bis own country, and concluded that I could not for
the present oppose the progress of bis views in England more effectively than by
Publishing a translation of Professor Eimers arguments.«
Die damals und lange nachher noch herrschende Strömung in England, welche
jetzt aber in augenscheinlichem Zurückweichen begriffen ist, hat allerdings die Wirk-
samkeit dieser Beweisführung wesentlich unterdrücken helfen.
Aus Rücksicht auf die DARwis'sche Autorität und deren Verehrung ist es wohl
auch geschehen, daß mein Übersetzer den Titel des Buches in »Organic Evolution«
verändert hat. Mein landsmännischer Widersacher aber ließ es sich nicht nehmen,
denselben höhnisch hervorzuheben. Ich habe den Titel »Entstehung der Arten« ab-
sichtlich gewählt, weil ich glaube den Anspruch erheben zu dürfen, daß die von mir
festgestellten Thatsachen und deren Deutung erst die wirklich maßgebende Erklärung
der Transmutation und der Trennung der Organismenkette in Arten, also der »Ent-
stehung der Arten« zu geben im Stande sind und die letztere erstmals thatsäch-
lich beweisen. Die Zukunft wird entsclieiden, ob dieser Anspruch berechtigt ist.
Auffallend erscheint es mir, wie wenig Beachtung meine Arbeit zu Gunsten der
Ideen des so lange verkannten Lamarck in Frankreich gefunden hat.
Einen eigentümlichen, erheiternden Ausdruck nationaler Anerkennung empfing ich
von Herrn Yves Delage, welcher meine Gesinnungsgenossen und mich mit dem Aus-
spruch abthut, daß in den Büchern von Nvgeli, Haacke und Eimer im Verhältnis zu
XiY Allgemeine Einleitung.
Keimplasma-Hypothesen ist. Mit der Anerkennung der ersteren fallen die
letzteren sämtlich in sich zusammen. Die Orthogenesis als Wirkung
äußerer Einflüsse auf das Plasma schließt zugleich die Vererbung er-
worbener Eigenschaften ein. Auf der Nichtanerkennung der letzteren
ruht wiederum das ganze Gebäude der Keimplasma-Hypothesen. Um jeden
Preis muß ihre Anerkennung abgewiesen werden: hat doch ihr Erfinder
der späten »Erkenntnis«, daß solche Vererbung nicht stattfinde, das Opfer
gebracht, eine ganze lange wissenschaftliche Vergangenheit zu verleugnen
und hat er doch auf Grund der Vertretung desselben Satzes in späteren
Tagen einen Siegesflug ohne Gleichen vollzogen.
Gewiß ist es ein Verdienst, einmal darauf hingewiesen zu haben,
daß die Voraussetzung der Vererbung erworbener Eigenschaften an der
Hand der Thatsachen geprüft werden müsse, ebenso wie die Vererbung
von Verletzungen. Aber es handelte sich doch im Verneinen derselben
nur um eine durchaus hypothetische Aufstellung, um einen Einfall
noch dazu von Seiten eines Mannes, der sein halbes Leben lang die
vollkommen entgegengesetzte Ansicht vertreten und darauf die wichtig-
sten Schlüsse aufgebaut hatte. Es handelte sich darin endlich um einen
Einfall, welcher allen physiologischen Vorstellungen und zahllosen That-
sachen der vergleichenden Anatomie von vornherein widerspricht. Für-
wahr, es ist kein günstiges Zeichen für die Tiefe heutiger biologischer
Wissenschaft, daß dieselbe weithin die neu vorgetragene Lehre als
Wahrheit annahm und, wie Johannes Schilde sagt, ex cathedra prokla-
mierte. Noch mehr, sie stützte mit staunender Anerkennung zur Ver-
neinung aller Ziele der Naturwissenschaft führende Auffassungen, indem
sie, statt Erkenntnis von Gesetzmäßigkeit anzustreben , die Voraus-
setzung unbedingtesten Zufalles zur Grundlage hatten: zufälliges Ab-
ändern des Keimplasma und Nützlichkeitsauslese aus diesen Abände-
rungen sollten die Mittel sein, welche den ganzen Aufbau der
Gestaltung der Lebewelt bedingt haben — ein Blick auf die Ge-
setzmäßigkeit, auf den inneren, augenscheinlich ursächlichen Zusammen-
hang dieses Aufbaues mußte solche Lehre unbedingt abweisen. Die
physiologischen Unmöglichkeiten, mit welchen diese arbeitete, ihre inneren
Widersprüche erregten nur bei Wenigen Anstoß, ihre falschen Vor-
aussetzungen und Trugschlüsse wurden nicht bemerkt, vielmehr machte
ihre Dialektik auf den oberflächlichen Leser den Eindruck geistreichen
Beweises einer neuen Erkenntnis und so zog diese Lehre, gestützt von
einem Ring, insbesondere englischer Bewunderer, welche darin fälschlich
ihrem Umfang sehr wenig stehe, und hinzufügt: »c'est alTaire de race« — dies in einem
Buche von 878 Seiten, in welchem selbstverständlich sehr viel steht! Ohne mich auf
schriftstellerische und andere Rasseneigentümlichkeiten hier weiter einzulassen, möchte
ich nur den Empfang einer freundlichen und unsere Übereinstimmung in Beziehung
auf Herrn Weismann betonenden Zuschrift des Herrn Delage bezüglich meiner Leydener
Rede mit dem Hinw'eis bestätigen, daß die Grundgedanken dieser Rede gegen Herrn
Weismann im Wesentlichen schon den Inhalt jenes meines Buches ausmachen', was
Herrn Delage beim »Studium« desselben demnach offenbar entgangen ist.
Allsemeine Einleitung. xv
'»
eine Apotheose Darwin's erblickten'), im Triumphwagen durch die Welt
unter Ehrenbezeugungen Einzelner wie gelehrter Körperschaften.
Die Vererbung erworbener Eigenschuften ist experimen-
tell bewiesen: die folgenden Thatsachen bringen von Neuem unwider-
leglichen solchen Beweis. Sogar für die Vererbung von Verletzungen
liegen vollgültige experimentelle Beweise vor. Damit ist ein Stück falscher
naturwissenschaftlicher Speculation erledigt.
Kein Wunder, daß der Triumphator seine so wenig sichere Errungen-
schaft ängstlich zu schützen suchte. Er verschwieg Jahre lang auch die
ihm immer wieder entgegengehaltenen Thatsachen der Orthogenesis.
Endlich hatte er sich eine Abwehr ausgedacht. Überraschend trat er
damit hervor in öffentlicher Rede auf dem Zoologen-Kongress zu Leyden.
Die Einzelheiten gehen aus Späterem hervor. Ich muß das Mitzuteilende
hier aber kurz zusammenfassen und ergänzen.
Der Redner hat die durch mich thatsächlich begründete Orthogenesis
unter Voranstellung meines eigensten neuen Beweismaterials, der Schmetter-
linge, unter vollkommenem Verschweigen meines Namens und meiner
physiologischen Begründung behandelt, indem er sprach, als ob nur die
»Bildungsgesetze« Nägeli's als solche aufgestellt seien 2], endlich dieselbe mit
vollkommen willkürlicher, widerspruchsvoller Behandlung der Thatsachen
unter die Botmäßigkeit seiner Speculationen zu bringen versucht.
Aber nicht genug: nachdem ich in meinem drei Tage später gehaltenen
Vortrag, welchem mein Gegner anwohnte, mein Recht und mein Eigentum
verteidigte, indem ich Widerspruch gegen obige Behandlung der Dinge
erhob und insbesondere darauf hinwies, daß ich selbst stets gegen die
NÄGELi'schen »Bildungsgesetze« aufgetreten sei und daß und welche Er-
klärung ich bekanntlich für die Orthogenesis gegeben und auf welche
experimentellen Beweise ich mich dabei berufe, ist mein Gegner
bei der Umarbeitung seiner Rede mir folgendermaßen gerecht geworden.
Er hat jetzt da und dort meinen Namen genannt, aber ohne anzudeuten,
daß es sich dabei um Einfügung handle — gegen allen Gebrauch und
trotz seiner Versicherung, er habe in der gedruckten Rede gegenüber der
mündlichen nichts geändert — und indem er mich jetzt ausdrücklich, »wenn
er mich recht verstehe«, als Vertreter eben jener »Bildungsgesetze« be-
zeichnete, meine ihm so unbequeme, wirkliche, ihm gegenüber soeben
nachdrücklichst betonte Auffassung jetzt erst recht in das Gegenteil
verkehrend •^1 .
1) Gewisse englische Blätter, wie z. B. »Nature« behandelten nicht nur alle gegen
die Keimplasma-Hypothesen gerichteten Arbeiten mit Geringschätzung, wenn sie über-
haupt davon Notiz nahmen, sondern sie nahmen überhaupt nichts mehr gegen dieselben
auf. Man vergleiche Cünnixgham im Vorwort der englischen Ausgabe meiner >Ent-
stehung der Arten« I (»Organic Evolution« ,, wozu ich sehr bezeichnende eigene Er-
fahrungen mitteilen könnte.
-I Zugleich ein ausgezeichnetes Beispiel, in welchem Maße und in welcher Art
mein Gegner seine eigenen frülieren mit den meinigen übereinstimmenden Ansichten
zu verleugnen pflegt. Man vergleiche hierzu außer den folgenden Hinweisen für den
besonderen Fall auch dessen Studien zur Descendenz-Theorie I. S. 81 . 82.
3, Man vergl. u. a. das hinten auf Seite 44 1. 442 mitgetheilte Seitenstück zu diesem
Verfahren.
XVI Allgemeine Einleitung.
Weiterhin hat er im >Historischen« seiner Schrift auch meine Arbeiten
vollkommen verschwiegen, ganz Nebensächliches hervorgezogen und zu-
letzt meiner in einer ganz besonderen Weise persönlich »gedacht«^).
Ich empfehle diesen seltenen persönlichen Angriff auf einen wissen-
schaftlichen Gegner der allgemeinen Beachtung: er enthüllt allein die
innerste Natur meines Widersachers vollkommen.
Wer aber das Folgende gelesen hat, der wird sich auch über diese
Handlungsweise des Freiburger Professors nicht mehr wundern: es ist
nur eine Methode, welche dessen ganzer, so erfolgreicher — Dialektik,
wie wir einmal sagen wollen, zu Grunde liegt'-).
Auf solche Art und Weise ist also endlich meine durch immer neue
Wiederholung meiner »Großthaten« bezweckte Absicht erfüllt worden,
Berücksichtigung der Orthogenesis von Seiten des Vertreters der »All-
macht der Naturzüchtung« zu erlangen.
Daß der Eindruck, welchen diese immerhin überraschende Behand-
lung meines geistigen Eigentums und der Wissenschaft überhaupt auf
mich, den Zuhörer in der Rede meines Gegners gemacht hat, im Fol-
genden, insbesondere in meinem Leydener Vortrag nachzittert und Aus-
druck findet, wird Niemanden wundern, der eine Empfindung hat für
das Recht ehrlicher wissenschaftlicher Arbeit.
Wer aber die Ergebnisse meiner Untersuchungen in sich aufgenommen
und sorgfältig nachgeprüft hat, der wird finden, daß ebenso selten wie
die Methode meines Gegners die Niederlage ist, welche durch solche Mittel
gestützte und zu zeitweiliger Anerkennung gebrachte Speculationen durch
die unerbittlichen Thatsachen erfahren.
1) Vergl. Weisjiann »Germinalselektion« S. 65.
-j Vergl. im Folgenden insbesondere auch S. 442.
I.
über bestimmt gerichtete Entwickelimg (Orthogenesis)
und über Ohnmacht der Darwin'schen Zuchtwahl
bei der Artbildung.
Vortrag,
gehalten auf dem dritten internationalen zoologischen Kongreß zu Leyden
am 19. September 1893.
D
Einleitung.
»"Wir liaben . . . gesellen, daß diejenigen am
ersten dem Irrtume unterworfen waren, welche
ein isoliertes Faktum mit ihrer Denk- und Urteils-
kraft unmittelbar zu verbinden suchten.«
Groethe.
er folgende Vortrag enthält die Umrisse meiner Anschauungen über
den Vorsaug der Transnuitation, soweit sie sich auf die von mir aufge-
stellten Thatsachen und Gesetze der bestimmt gerichteten Entwickelung
beziehen, und stützt sich zum Beweis auf neue solche Thatsachen, welche
ich kurz vorher als zweiten Teil meiner »Artbildung und Verwandtschaft
bei den Schmetterlingen« veröffentlicht hatte. Der Vortrag ist so wie er
gehalten worden schon in dem »Compte-Rendu des seances du troisieme
congres international de zoolosrie« ' i gedruckt. Er ist auch im Folgenden
im wesentlichen ganz so wiedergegeben, wie er gehalten worden ist:
meine Arbeit stützt sich auf objektive Wahrheit; ich hatte darum keine
Veranlassuns; , nachträglich Änderunsen am Inhalt vorzunehmen. Nur
habe ich im ersten Teil an der Form geändert, indem ich die Hauptsachen
übersichtlich in einzelne Absätze zusammenzog. Auch sind der Deutlich-
keit wegen einzelne Abänderungen und Zusätze gemacht worden. Die
dem Vortrag in dem Compte-Rendu; beigegebenen Anmerkungen habe ich
zumeist belassen, als den unmittelbaren Ausdruck der Abwehr gegen
einen Gegner. Neue sind hinzugefügt.
Es wird jene Abwehr sachlich und persönlich im Folgenden eine
ausgiebige Besründuno finden. Einen Beweis für die Notwendigkeit
i; Leyden, E. J. Brill 1896.
Eimer, Orthogenesis.
2 Einleitung.
dei'selben aber muß ich hier, abgesehen von dem im Vorwort Gesagten,
schon noch vorausschicken: naclidem ich seit mehr als 20 Jahren die
bestimmt gerichtete Entwiciielung als ein allgemeines Gesetz durch zahl-
reiche Thatsachen bewiesen, und gezeigt habe, daß sie und daß im be-
sonderen auch das von mir aufgestellte Zeichnungsgesetz, die Umbildung
von Längsstreifung in Fleckimg, Querstreifung, Einfarbigkeit für die ver-
schiedensten Klassen und Ordnungen der Tiere, für Mollusken, Reptilien,
Vögel, Säuger, auch in gewissem Sinne für Schmetterlinge gilt, nachdem
ich wiederholt darauf hingewiesen, daß die von mir bei den Papilioniden
beschriebene gesetzmäßige Umbildung der Zeichnung für alle Tagfalter
gelte, sagt Herr August Weismann in einer öffentlichen, auf einem inter-
nationalen Zoologenkongreß gehaltenen Rede, nachdem er einige bezüg-
liche Thatsachen für die Schmetterlinge anerkannt hat. Folgendes ^): »aber
ich glaube, man sollte sehr vorsichtig sein, daraus ohne weiteres Gesetze
zu machen, denn alle diese Regeln der Zeichnung gelten nur für kleine
Formengruppen und sind niemals durchgreifend, nur für die ganze Ord-
nung oder auch nur für die eine Unterordnung der Tagfalter, ja öfters
nicht einmal für eine ganze Gattung' maßgebend. Das deutet auf spezielle,
nur in dieser Gruppe wirkende Ursachen«.
Das Letztere braucht der Vertreter der Allmacht der Naturzüchtung
für seine Lehre, ja es ist klar, daß er dafür gar keine Gesetzmäßigkeit
brauchen kann, sondern, was er auch sonst vertreten hat und noch ver-
tritt, nur den Zufall, »der stets alle möglichen Variationen bereit hält«,
um für die tausend und abertausend verschiedenen äußeren Anpassungs-
bedürfnisse die nötige Auslese zu treffen.
Das Folgende wird zeigen, daß jedes Wort des vorstehenden Satzes
des Herrn Weismann auch für die Schmetterlinge unrichtig ist, und da
ich, wie gesagt, das volle Gegenteil durch zahllose, Herrn Weismann wohl
bekannte Thatsachen längst bewiesen habe, so kennzeichne ich diesen
Satz als dazu bestimmt, den Spekulationen meines Gegners, den That-
sachen zum Trotz eine Zeit lang weiter freie Bahn zu schaffen.
Ebenso wird sich aus dem Folgenden unter vielem Anderen als
Thatsache das vollkommene Gegenteil von dem als wahr ergeben, was
der Redner weiterhin behauptet, indem er sagt: »W^enn innere Gesetze
die Zeichnung der Schmetterlingsflügel bestimmten, so müßten wir er-
warten, daß sich irgend welche allgemeine Normen aufstellen ließen, sei
es nun, daß Ober- und Unterseite der Flügel gleich, sei es, daß sie ver-
schieden sein müßten, oder daß die Vorderflügel gleich oder anders gefärbt
wären wie die Hinterflügel u. s.w. In Wirklichkeit aber kommen alle mög-
lichen Kombinationen neben einander vor und keine Regel geht durch«.
Man wird sich aus den späteren Abschnitten dieser Arbeit überzeugen,
daß zwischen hinten und vorn, unten und oben bei den Faltern stehende
Gesetzmäßigkeit die Umbildungen beherrscht und daß es wiederum voll-
kommen gegenstandslos ist, wenn der Redner, abermals um beliebiger
1) »Germinalselektion« S. 9.
Einleitung. 3
Anpassung freie Bahn zu machen, die Behauptung aufstellt, es kämen
»alle möglichen Kombinationen nebeneinander vor«. Daß das Gegenteil
wahr ist, beweist übrigens schon die Gesetzmäßigkeit, welche ich in
dieser Beziehung für die Papilioniden nachgewiesen habe, und es wider-
spricht den Forderungen wissenschaftlicher Forschung, solch allgemeine
Behauptung aufzustellen, ohne die schon bekannten Thatsachen zu berück-
sichtigen und ohne einen prüfenden Blick auf die so laut redenden maß-
gebenden Naturgegenstände selbst geworfen zu haben.
Aber weiter muß ich mich schon hier aussprechen gegen den, wie
Herr Weismann sagt: »niederdrückenden Umstand, daß wir kaum in irgend
einem in der freien Natur vorkommenden Falle überhaupt nur sagen
können, ob eine beobachtete Variation nützlich ist oder nicht<-.i)
Der geübte Dialektiker will mit dieser einen berechtigten Einwurf
Darwins übertreibenden Behauptung all die unzähligen Thatsachen ab-
weisen, welche zeigen, daß die von ihm aufgestellte »Allmacht der Natur-
züchtung« ein Trugbild ist. Der »niederdrückende Umstand« unserer
Unfähigkeit, welchen der Freiburger Zoologe ins Feld führt, ist vielmehr
für ihn eine erlösende Erfindung, ein Ausweg aus der Enge, in welche
ihn vor allem die von mir und Anderen festgestellten Thatsachen über
bestimmt gerichtete Entwickelung bringen mußten. Denn diese That-
sachen führen eine Unzahl von Eigenschaften und Umbildungen von Eigen-
schaften vor, welche in den Augen eines jeden Unbefangenen ebenso-
viele unwiderlegliche Beweise gegen irgendwelche Anpassung liefern.
Es ist nicht Alles angepaßt.
Dies geht schon daraus hervor, daß die oft ganz verschieden ge-
zeichneten, bezw. auch gefärbten. .Jungen, Weibchen und Alten von
Tieren, daß die unter ähnlichen und wieder unter den verschieden-
sten äußeren Verhältnissen lebenden verschiedenen Arten dieser Tiere
und insbesondere auch der Schmetterlinge verschiedene und ähnliche
ganz bestimmte Zeichnungsmuster tragen, welche eben nur auf gesetz-
mäßige bestimmt gerichtete Umbildung zurückzuführen sind, als Ausdruck
derselben erscheinen. -) — Fische ^) im Wasser, Lurche und Mollusken
'} Ebenda und »AHmacht der Naturzüchtung« S. 27.
-) Man vergleiche übrigens die im Vortrag selbst zusammengestellten Beweis-
gründe, insbesondere S. 35.
3; Gerade Fische zeigen die typischen Arten der Zeichnung in ausgesprochenster
Weise und ebenso die Umbildung derselben während ihres Wachsens. Die Aale z. B.
sind in der Jugend längsgestreift. Acerina Schraitzer, Cobitis fossilis tragen diese
Zeichnung zeitlebens, Cobitis barbatula und taenia, Salmoniden, Lota vulgaris u. s.w.
sind erwachsen gefleckt, Perca fluviatilis, Lucioperca sanclra, wie auch die Aspro-Arlen
quergestreift. Die Hechte {Esox lucius sind zuerst längsgestreift, dann gefleckt.
Zahllose Beispiele bieten die Meerfische, insbesondere auch für L'mbildung der
Zeichnung während des Lebens.
Junge Lurche, wie Tritonlarven, sind in der Jugend auf das Schönste längs-
gestreift, manche bleiben gestreift oder gefleckt. Nach einer Photographie, welche ich
Herrn Dr. Sobotta in Würzburg verdanke, geht auch beim jungen Menobranchus lateralis
Längsstreifung in Fleckung über. Bezüglich anderer Amphibien habe ich mich schon
in »Variiren der Mauereidechse« geäußert. Bei Schlangen ist nach den Untersuchungen
1*
Einleitung
e-
im Wasser und auf dem Lande, Reptilien und Säuger, Raupen, Insekten
und Vögel, auf dem Land und in der Luft: alle zeigen dieselbe Ge-
setzmäßigkeit der Zeichnung. Insbesondere im »Variiren der Mauer-
eidechse« (S. 234 ff.) habe ich und ebenso in der »Entstehung der Arten«
(S. 72) darauf hingewiesen, daß auch zahllose andere Eigenschaften an
Tieren unmöglich nützlich sein können. Mit Bezug auf die Schnecken-
gehäuse stellte ich damals die Frage: »warum die zierlichen Skulpturen,
Zeichnungen und Farben der Schneckengehäuse, welch letztere noch da-
zu meist zeitlebens vom Schlamm oder Schmutz bedeckt sind und deren
Zeichnungs- und Farbenzierden sogar oft erst nach dem Polieren her-
vortreten?« In der »Entstehung der Arten« sagte ich (S. 38) u. A.:
»Wäre der unter dem Mantel vollkommen verborgene Perlmutterglanz
der inneren Fläche der Muschelschalen an der äußeren Fläche glänzend
sichtbar, so würde man ihn wohl als nützlich deuten. Dahin gehört
auch das schwarze und das silberglänzende Bauchfell von Fischen u. a. ...
nichts Prachtvolleres an Farbe kann es ja geben, als das Farbenspiel des
Labradorsteins — ist dieses dem Stein und sind Farbe und Glanz dem
Golde und zahllosen Mineralien nützlich, sind sie nützlich der Seifen-
blase?« — Zuerst habe ich auf der Naturforscherversammlung zu Straß-
burg (1885) und zwar an der Hand von Abbildungen auf die bestimmt
gerichtete, gesetzmäßige Umbildung der Zeichnung bei GehäuseschneckeD
des Meeres hingewiesen (vergl. Tageblatt S. 408) i).
von Jonathan Zenneck (Ztschr. f. w. Zool. LVIII. Bd. Tüb. zool. Arbeilen I. 2, 1894 die
früheste Zeichnungsstufe, die Längsstreifung, schon überwunden und tritt von vorn-
herein in Längsstreifen gelagerte Fleckung auf. Nach Zf.nneck liegt die Ursache der Längs-
zeichnung in der ursprünglichen Anordnung der Blutgefäße. H. Simroth
und Gräfin Linden nehmen solche Beziehungen auch für Mollusken an.
Früher (»Variiren d. Mauereidechse« S. 203 ff.) habe ich die Frage aufgeworfen, ob
nicht die verschiedenen Zeichnungsstufen als Anpassungen an die im Laufe der geologi-
schen Epochen veränderte — einst mehr monokotyledonische — Pflanzenwelt aufzufassen
seien, habe aber damals selbst schon Einwände gemacht. Eine übrigens sehr hübsche,
an Thatsachen und entsprechenden Schlußfolgerungen reiche Schrift von A. Sokolowsky:
Über die Beziehungen zwischen Lebensweise und Zeichnung der Säugetiere, Züricli
1 89ö, sucht diesen Gedanken auf die Erklärung der Säugetierzeichnung anzuwenden,
indem er die kryptogamische Pflanzenwelt als ursprüngliches Vorbild nimmt.
Nach den zahlreichen inzwischen bekannt gewordenen bezüglichen Thatsachen
erscheint die Annahme einer Anpassung der verschiedenen Zeichnungsarten in einzelnen
Fällen wohl als möglich und wahrscheinlich, in der Mehrzahl derselben aber als aus-
geschlossen. Gerade auch die Zeichnung der Fische spricht gegen eine solche Ver-
allgemeinerung.
1) Der anwesende Herr August Weismann wendete sich auch damals gegen innere
treibende Ursachen der Umbildung, indem er sagte: auch die intei'essanten EiMEa'schen
Beobachtungen gäben dazu keinen Anlaß, Ursachen, welche ich — im Sinne Nägeli's
— ja niemals angenommen und auch in Straßburg nicht vertreten hatte. Ich hatte
vielmehr die Konstitution als maßgebend für die Thatsache der Entwickelung nach
wenigen bestimmten Richtungen erklärt — als Anstoß für die Umbildung aber schon
lange vorher [»Lacerta muralis caerulea«, »Variiren der Mauereidechse«) äußere Ein-
flüsse und zwar Klima, Nahrung angenommen, während bei den Meeresmollusken. Fora-
miniferen etc. der Einfluß des Salzwassers und bestimmte im Laufe der Zeit vor sich
gehende Veränderungen desselben mitbestimmend auf Skulptur und Gestalt sein dürften.
Einleitung. 5
Herr Weismanx sagte nach dem »Tageblatt«: »bis jetzt wird nichts
der Vermutung entgegenstehen, daß auch diese Zeichnungen mindestens
zu einem Teil auf Anpassungen an die Lebensbedingungen beruhen.«
Worin diese »Anpassungen« von Zeichnungen liegen könnten, welche,
unter der Epidermis gelegen, gar nicht von aaßen sichtbar sind, erklärte
derselbe auch damals nicht und trotz wiederholtem Hinweis auf die
Thatsache ist er diese Erklärung bis auf den heutigen Tag schuldig
geblieben.
Inzwischen hat meine Schülerin Gräfin Maria von Linden, durch ihre
Untersuchungen über die Skulptur und Zeichnung der Gehäuseschnecken
des Meeres ') die Unmöglichkeit von Anpassung der bezüglichen Eigen-
schaften dieser Tiere ins Einzelne gezeigt, nachdem H. Simroth das
allgemeine Zeichnungsgesetz auch für die Nacktschnecken 2) mit Be-
weis belegt — wo mir Thatsachen übrigens längst aufgefallen waren ^),
wie ich denn dieses Gesetz schon vor fünfzehn Jahren für ein allgemeines
erklärte.
Heute möchte ich noch eine andere auf Mollusken bezügliche That-
sache der Erklärung durch »Allmacht der Naturzüchtung« empfehlen.
Am Straßenrand im Grase bei Bordighera las ich im Umkreis von weni-
gen Schritten einige hundert Helix pisana auf, unter welchen Gräfin
Linden nicht weniger als dreiundfünfzig unter einander zusammenhängende
Zeichnungsvarietäten feststellte , indem die Binden sich in verschiedener
Weise vereinigen oder ausfallen, wie dies in einfacherer Art auch bei
Helix hortensis und nemoralis gegeben ist. Wo liegt wohl der Selektions-
wert für alle dreiundfünfzig? Ich erinnere mich irgendwo gelesen zu
haben, daß ein englischer » Selektionsfanatiker <; denselben darin gesucht
hat, daß die — gestreiften Schnecken am Grase, indem sie diesem gleichen,
einen Vorteil vor den weidenden Schafen hätten — vielleicht weil diese
Kräuter dem Grase vorziehen? — Wahrscheinlich wird dies dem Frei-
burger Vertreter der Zoologie voll genügen, nachdem derselbe zu
Gunsten seines Selektionsbedürfnisses neuestens sogar auf »fiktive« Be-
weise verfallen ist.
Inzwischen sind auch die schönen Untersuchungen über Ammoniten
{Arietidae) von Hyatt erschienen, welche so schlagende Beispiele für
Orthogenesis und für eine Fülle nicht nützlicher Eigenschaften, die Skulp-
tur betreffend, geben ^j. Weitere solche Beispiele mögen hier folgen:
1; Vgl. Gräfin Maria von Linden: Die Entwickelung der Siiulptur und der Zeich-
nung bei den Gehäusesctinecken des Meeres, Zeitschr. f. wissenscb. Zoologie LXI. Bd.
(Tübinger Zoolog. Arbeiten Bd. II TSV. \ ). Inaug. Diss.
"-) H. Simroth: Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken
und ihrer europäischen Verwandten. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie XLII. Bd.
3 Schon im »Variiren der Mauereidechse« (S. 204) und in der »Entstehung der
Arten« I (S. 63) wies ich auf die Längsstreifung des jungen Arion empiricorum und an-
derer junger Nacktschnecken hin.
^; A. Hyatt, Genesis of the Arietidae. Washington 1889. Derselbe. Proceed. Araer.
Phil. Soc. Vol. XXXII no. 143, 1895: Phylogeny of acquired characteristic.
() Einleitung.
In diesem Jahre hat Herr Gymnasialprofessor Diez in Reutlingen in
meinem Laboratorium die Skulptur dei* Flügeldecken der Carabiden
untersucht und hat auch hier eine ganz gesetzmäßige orthogenetische
Umbildung und zwar mit postero-anteriorem und infero-superiorem Fort-
schreiten festgestellt. ')
Man untersuche die Flügeldecken anderer Käferfamilien und man
wird wohl überall dasselbe finden. So habe ich mich mit der Gattung
Ualtica in Beziehung auf diese Verhältnisse beschäftigt, Käfer, deren
Arten gerade darauf begründet, welche aber deshalb sehr schw-er zu
bestimmen sind, weil die bezüglichen Eigenschaften so fein sind, dass
man sie nur mit der Lupe erkennt und dass sie zum Teil gar nicht
zur Ausbildung kommen. Auch die verschiedene Farbe dieser kleinen
Käfer ist zuweilen nur mit Hülfe der Lupe zu erkennen. So ist es z. B.
bei //. euphorhiae und H. atrovirens ^ von welch ersterer die Farbe als
schwarzblau angegeben, während die letztere als metallisch oder schwarz-
grün bezeichnet wird. Diese Käfer sind nur etwa 2 mm lang. Auch
die Skulptur ihrer Flügeldecken ist schwer festzustellen wegen ihrer
Feinheit: atrovirens isi ei\ydiS runzelig, eu/;Aor6/ae nicht runzelig punktiert.
Andere solche Merkmale, nach welchen die Arten bestimmt werden, sind:
H. erucae, Seitenrand mit einer erhabenen Längsfalte und innerhalb der-
selben mit einer Furche; fein zerstreut punktiert. Flügeldecken an der
Wurzel viel breiter als der Halsschild. //. consobrina: äußerst fein zer-
streut punktiert, Flügeldecken an der Wurzel bedeutend breiter als der
Hinterrand des Halsschildes, mit rechtwinklig vorragenden Schultern und
deutlich abgesetzter Schulterbeule. H. oleracea: Fein, aber deutlich
punktiert. Querfurche des Halsschildes tief und fast gerade. Flügel-
decken an der Wurzel nur wenig breiter als der Hinterrand des Hals-
schildchens.
Wir sind nun in der That nicht im Stande, den Selektionswert
aller dieser feinsten, zum Teil kaum mit der Lupe sichtbaren Artmerk-
male zu erkennen, ebenso wie vom Standpunkt der Auslese nicht zu
erklären ist, warum diese und zahlreiche andere Käferarten, z. B. unter
den Chrysomeliden, auf demselben Untergrund in bald erzgrünen oder
goldgrünen, bald blauen oder schwarzen, bald violetten Stücken vor-
kommen.
Haltica erucae, welche gewöhnlich blau ist, kommt auch erzgrün
vor, wie gewöhnlich oleracea ist, und diese wiederum ist zuweilen blau.
IL consobrina steht in der Farbe meist zwischen blau und erzgrün,
kommt aber blau und erzgrün vor. //. erucae ist meist größer, als die
übrigen Arten, kommt aber auch so klein wie sie vor und unterscheidet
sich dann fast gar nicht von oleracea u. s. w.
ij Vgl. R. Diez in: Programm des K. Gymnasium in Reutlingen zum Schlüsse
des Schuljahres 1894/93. Reutl. Buchdruckerei von Ebner und Leib Nachfolger '1896
(mit 1 Tafel Abbildungen). Der Aufsatz wird in verkürzter Form demnächst in den
»Tübinger zoologischen Arbeiten« erscheinen.
Einleitung. 7
Auch in den hier und bei anderen Käfern auftretenden Farben-
al)arten handelt es sich, wie in den Skulpturen, überall um gesetzmäßige,
bestimmt gerichtete Umbildungen: es können von einer und derselben
Art, in einer und derselben Gattung immer nur gewisse wenige Farben-
abänderungen auftreten, nicht alle möglichen. Dasselbe gilt, wie wir sehen
werden, auch für die Schmetterlinge, wo eine bestimmte Farbenfolge in
überraschender Weise stattfindet.
Über die Zeichnung der Käfergattuug Zonahris Harold hat Herr
K. Escherich in Regensburg Untersuchungen gemacht, deren Ergebnisse von
ihm in folgenden Sätzen zusammengestellt werden'):
»1. In der Gattung »Zonabris Harold« sind 4 Hauptzeichnungsfor-
men zu beobachten:
a) Längsstreifung, b) Fleckenzeichnung, c) Querstreifung, d) Ein-
farbigkeit; und zwar treten diese in der Reihenfolge auf, daß die Längs-
streifung die ursprüngliche Zeichnung ist, und aus dieser sich die
Fleckenzeichnung, dann die Querstreifung, und endlich Einfarbigkeit
entwickelt.
2. Diejenigen Arten, die die Übergänge zwischen zwei
der oben genannten Hauptzeichnungsformen bilden, sind in
Bezus: auf die Zeichnung sehr unbeständig, während im Ge-
gensatz diejenigen Arten, die eines der 4 Stadien in reiner
Form darstellen, in Bezug auf die Zeichnung sehr konstaut
sind
3. Die ursprüngliche Zeichnung, die Längsstreifung, er-
hält sich am längsten; die Veränderungen treten zuerst an
der Flügeldecken - Spitze auf. von wo sie allmählich nach
vorne rücken
4. Die Stellung der Makeln steht in deutlicher Beziehung
zur Lage der Haupttracheenstämme.
Diese vier Schlüsse, welche sich aus unseren Betrachtungen über
die Gattung Zonahris ergaben, stimmen genau mit dem überein,
was Eimer bei seinen Studien über die Variationen der La-
certa muralis und der Papi Honen fand.«
Herr Escherich hebt hervor, daß nur Satz 2 (Über die Unbeständig-
keit der Zwischenformen) von mir nicht in dieser bestimmten Fassung
ausgesprochen sei. Dies ist vollkommen richtig: die Thatsache ist sehr
merkwürdig und verdient und verlangt eine Erklärung; sie findet sich
aber eben nicht bei allen Tieren so ausgesprochen wie gerade bei gewissen
Käfern und anderen Insekten, besonders eben bei Insekten mit vollkom-
mener Verwandlung, bei welchen auch die jugendlichen Stufen der Zeich-
nung wegfallen. Die Erklärung muß in den Ursachen der Entstehung
der Zeichnungsarten gesucht w^erden und sie liegt in dem Falle mit den
Käfern vielleicht nahe , wenn hier die Zeichnung in Beziehung zu den
1; K. Escherich: Über die Gesetzmäßigkeit im Abändern der Zeichnung bei In-
sekten. Deutsche ent. Zeitschrift 189-2 8. 128 f.
8 Einleitung
Haiipttracheenstämmen steht — ebenso dann, wenn sie in Beziehung zu
Blutgefäßen steht 'j.
1; Herr Escherich hat die ganze Zeichnungsfrage und deren Bedeutung in seiner
kleinen Schrift mit großer Sachkenntnis boiiandelt, indem er auf die Frage von den
konstitutionellen Ursachen der Lnibildung bozw. der bestimmt gerichteten Entwicke-
lung überhaupt eingeht und dieselbe auch auf pathologische Veränderungen anwendet,
welche er ebenso als Wechselwirkung zwischen äußeren Einflüssen und der stoff-
lichen Zusammensetzung des Körpers bezeichnet. Wenn die Entomologen so gut
verstanden haben, welche Ursachen der Umbildung ich annehme, und wenn sie die
Bedeutung der ganzen Frage so gut verstehen (denn dies gilt auch für andere als
Herrn Escherich so darf wohl dasselbe auch von Herrn Augist Weisma>n voraus-
gesetzt werden, umsomehr als die Ansichten des früheren Herrn August Weismank
mit den meinigen dergestalt übereinstimmen, daß Herr Escherich uns einfach als
Parteigänger friedlich zusammenstellt. Die späteren Wandlungen meines heutigen
Gegners sind demselben ollenbar nicht bekannt und so hat jene Zusammenstellung,
bei welcher auch noch N.\geli inbegriffen ist, eine etwas komische Wirkung. Escherich
beruft sich dabei auf die Ansichten, welche Weisjiann 1868 und 1875 aussprach in seiner
Schrift »über die Berechtigung der ÜARwiN'schen Theorie« und in seinen »Studien
zur Descendenzlehre«, hebt demgemäß hervor, daß wir alle drei bestimmt gerichtete
Entwickelung auf Grund von konstitutionellen Ursachen annehmen, und führt weiter
die Worte Weisjiann's (Descendenztheorie U S. IIQ) an: »Man darf nicht vergessen,
wie die Produkte der Naturzüchtung in erster Instanz von den Variationen abhängen,
welche der betreffende Organismus der Naturzüchtung bietet, daß die Zahl der mög-
lichen Variationen für jede Art zwar sehr groß sein mag, keineswegs aber unbegrenzt
ist. Es muß für jede Art auch unmögliche Variationen geben. Ich meine deshalb,
daß die physische Natur einer jeden Art eine nicht minder wichtige Rolle bei der
Hervorbringung neuer Charaktere spiele, als Naturzüchtung, welche doch immer erst
mit den Ausflüssen jener physischen Natur, nämlich mit den Variationen operieren
und Neues schaffen kann.«
Es geht allein aus diesen Worten meines heutigen Widersachers klar hervor,
daß derselbe vor zwanzig Jahren ganz derselbe »erbitterte Gegner Darwin's« gewesen
ist, als welchen er mich heute bezeichnet, und sicherlich hat mir der frühere Herr
August Weismann von rechtswegen dafür Dank zu sagen, daß ich ihn gegen den beu-
tigen verteidige — dieser mein Anspruch wird noch hinreichend weitere Begründung
finden. Dazu kommt aber, daß sich Herr August Weismann in seiner Anerkennung
bestimmt gerichteter Entwickelung im Jahre 1875 auf meine ein Jahr vorher erschie-
nenen »interessanten« Untersuchungen über Lacerta nmralis caerulea berufen und
darauf gestützt hat.
Weismann spricht auch damals übrigens, wie Escherich hervorhebt, im Gegen-
satz zu Nageli und mir von einer großen Anzahl bestimmter Variationsrichtungen.
Ich ergreife hier die Gelegenheit, auch etwas weiteres über die Beziehungen der
N.vGELi'schen Auffassung zu der meinigen beizufügen. Nägeli gründet wohl die be-
stimmt gerichtete Entwickelung auf die Konstitution, welche nur Umbildungen nach
W"enigen Richtungen gestatte, und er vergleicht wie ich dieselben mit der Entstehung
bestimmter Krystallformen aus der Mutterlauge. «■) Er nimmt aber für die höheren
Lebewesen keine äußeren Einwirkungen als Ursachen der Umbildung an. Nach meiner
Ansicht wirken äußere Einllüsse auf die Konstitution der Organismen wegen deren
Verschiedenheit verschieden und erzeugen so bestimmte Entwickelungsrichtungen.
Was ich »innere Ursachen« nenne, sind physikalisch-chemische, bezw. physiologische
Ursachen. Die ganze Umbildung ist nach meiner Auffassung ein physiologischer Prozeß,
»organisches Wachsen«. Nägeli dagegen nimmt an, daß sich che Organismen infolge
ihrer verschiedenen stofflichen Zusammensetzung aus sich heraus auf Grund eines
a) Vgl. m. Entstehung der Arten 1 S. 23.
Einleitung. 9
Die Tbatsachen, welche Esciierich für die Zonabris feststellt, lassen
sich auch an zahlreichen anderen Käfergattungen bestätigen. Zuweilen
stehen die Arten derselben zumeist oder durchaus noch auf der Stufe
der Längsstreifung oder auf der der Fleckung oder sie sind zur Quer-
streifung vorgeschritten. Die meisten Arten sind sehr l)eständig in der
erlangten Zeichnungsfonn, andere sind im Übergang begriffen. Ich will
nur einige Thalsachen hervorheben:
Coccinella ist hell mit schwarzen Punkten oder dunkel mit hellen
Punkten. Manchmal vereinigen sich die schwarzen Punkte, so daß nur
helle Flecke in einem dunklen Netze übrig bleiben, eine Art verbundener
Quer- und Längsstreifung. Bei C. variabilis finden sich alle Übergänge
von ungezeichneten Tieren durch schwarzgefleckte bis zu schwarzgenetzten
mit 3 Querstreifen. Auch C. bipunctata ändert von roten schwarz ge-
punkteten bis zu schwarzen rot gepunkteten ab.
C. (Epilachna) globosa ist rotgelb mit vielen schwarzen Punkten oder
das Schwarz ist zusammengeflossen, so daß rote Punkte übrig bleiben,
oder sie ist einfarbig rotgelb.
Chrysomeliden: man triff't zuweilen noch eine Fleckenzeichnung,
w'elche ganz der der Coccinelliden entspricht, und diese Fleckenzeichnuug
kann in Querstreifung übergehen, so daß 3 Querbinden auf den Flügel-
decken entstehen. Das Grundschema der Zeichnung bilden schwarze
Längslinien, welche hauptsächlich amerikanische Formen, z. B. Doryphora
10-lineata zeigen. Meist sind die Chrysomeliden aber einfarbig. Die
Clythra-Ar\en haben gelb- oder rotbraune Flügeldecken mit schwarzen
Punkten oder Flecken.
Chrysomela ist meist noch längsgestreift, so entsprechen die blauen,
grünlich eingefaßten Streifen von Chr. cerealis den schwarzen von Dory-
phora 10-lineata.
Gonioctena mit rotbrauner, rotgelber oder roter Grundfarbe zeigt
zuweilen noch die der der Coccinellen entsprechende F'leckenzeichnung,
so z. B. G. 6-punctata. Auch bei Lma-Arten z. B. L. 20-punctata kommt
solche Fleckenzeichnung vor.
L. lapponica hat Flügeldecken mit einer mittleren schwarzen Quer-
binde und vorn und hinten je einen groben schwarzen Fleck, der
hintere ist nach innen geöffoet c-förmig.
Auch Lema-Arten sind zuweilen Coccinellen ähnlich gezeichnet, z. B.
L. r2-punctata; L. asparagi dagegen zeigt nur 6 Flecke in der Grund-
farbe, weil bei ihr 3 dunkle Querbinden entstanden sind, welche der
schwarze Nahtstreifen durchkreuzt.
Bei Cerambyciden finden sich häufig dunkle Querbinden oder
Flecken auf den Flügeldecken, bisweilen zeigen sich helle mondartige
»Vervolllvominnungsprincips« umljilden, und zwar nur nach vorwärts, zu höherer
Yolllvommenheit. größerer Zusammensetzung, aus »inneren Ursachen«, welche in seinem
Sinne der Annahme einer Lebenskraft gleichkommen — die »inneren Bildungsgesetze«,
welche Herr ^Veismann mir immer zuschreiben will (vgl. dagegen auch m. Entstehung
der Arten I S. 1 6 ff.).
10 Einleitung.
Zeichnungen auf dunklem Grunde, selten ist Längsstreifung z. B. bei
Dorcadion molitor var. lineola.
Bei den Curculioniden finden sich Längsstreifung, Bildung heller
Flecken, namentlich durch stellenweise helle Behaarung. Eigentliche
Querstreifung ist selten, dagegen Einfarbigkeit häufig.
Unter den Lamellicorniern finden wir bei den Cetonien noch
Längsstreifung, welche aber nach hinten in Fleckung und teilweise Quer-
streifuDg übergehen kann: postero-anteriore Umbildung (Cef. semipunctata
vom Cap). Außerdem zeigt sich Fleckung und Querstreifung.
Bei den Clavicorniern finden wir hauptsächlich, wenn Zeichnung
vorhanden ist, Querbinden, seltener Flecken.
Bei den Buprestiden kommt bei sonst häufiger, gewöhnlich mit
Metallglanz verbundener Einfarbigkeit, Längsstreifung, Fleckung und
Querstreifung vor.
Auch die Dytisciden zeigen alle drei Zeichnungsformen mit vielen
Übergängen.
Die Carabiden bieten nur selten Zeichnung dar, dagegen zeigen
die Cicindelen sehr häufig namentlich Fleckung und Querzeichnung.
Ganz dieselben Verhältnisse der Zeichnung bezw. gesetzmäßige Um-
bildung derselben sind in letzter Zeit durch Herrn H. Salier aus Augs-
burg in meinem Laboratorium für die Schildwanzen fest£;estellt worden.
Die Zeichnung und die Skulptur der Flügel und Gehäuse von Tieren,
die Zeichnung der Haut überhaupt, der Haare und Federn aber deutet
auf entsprechend gesetzmäßige innere Umbildungsarbeit des Organismus
— sie verhält sich, wie ich wiederholt hervorgehoben habe, zu diesem
Innern wie der Titel eines Buches zum Inhalt.
Für meine Auffassung höchst wichtige Thatsachen hat ferner Herr
Franz Leuthner ^) für die Käferfamilie der Liicaniden bekannt gegeben.
. Es geht aus seiner Arbeit hervor, daß die Arten durch Herrschend-
werden bestimmter gesetzmäßig aufgetretener Abänderungen entstanden
sein müssen, wie ich das für die Papilioniden unter den Schmetterlingen
gezeigt habe.
Auch hier handelt es sich bei der Artbildung wesentlich um Eigen-
schaften, welche keine besondere biologische Bedeutung haben und
welche für die Tiere ohne irgend welchen Nutzen sein müssen, und zwar
handelt es sich um bestimmt gerichtete Entwickelung der verschieden-
sten äußeren morphologischen Eigenschaften.
Für die Pflanzen ist es zuerst von Nägeli nachdrücklich hervorgehoben,
daß gerade die artbildenden Eigenschaften wesentlich nur morphologische
und zwar solche sind, welche mit dem Nutzen nichts zu thun haben
können.
1) Franz Leuthner: A monograph of the Odontolabini, a subdivision of the Cole-
opterous family Lucanidae, Transact. zool. Soc. London vol. XI -1885 S. 38ü IT.
Einleitung. 1 1
Der Darwinismus aber wollte die En ts tehung der Arten erklären,
nicht allein das Überleben des Nützlichen, wie man jetzt zuweilen sagen
hört, und das Nützliche soll nach ihm eben diese Entstehuns mit Hilfe
der Auslese bedingt haben. Der Afterdarwinismus des Herrn Augcst
Weismanx lehrt die Allmacht der Naturzüchtung. Sein Vertreter weiß
mit all den hier mitgeteilten Thatsachen — für seine Ansichten
nichts anzufangen. Darum hilft er sich mit dem Satze, wir seien außer
Stande, den Selektionswert bestimmter Eigenschaften zu erkennen.
.Je mehr man die systematischen Merkmale der Arten von Pflanzen
und Tieren auf Nutzen und auf Orthogenesis untersuchen wird, um so
mehr wird man auf Grund dieser Aufstellung des Herrn Weismann vor einer
Naturgeschichte stehen, über deren Wert wir niemals zu einer Erklärung
kommen können, auf Grund meiner Ansichten aber werden wir zum Ver-
ständnis von Thatsächlichem gelangen und damit zu wirklicher Erkenntnis.
Im Folgenden führe ich meine bisherigen auf Orthogenesis bezüs-
liehen Arbeiten auf — zur Ergänzung des Historischen« über den
Gegenstand bei Herrn Weismann! ')
Zoologische Studien auf Capri II. Lacerla muralis coerulea , ein
Beitrag zur Darwin'schen Lehre. Leipzig, Engelmann 1874. Über das
Variiren der Mauereidechse, ein Beitrag zur Theorie von der Entwick-
lung aus konstitutionellen Ursachen, sowie zum Darwinismus. Archiv
für Naturgeschichte und selbständig Berlin, Nicolai 1881. Über die
Zeichnung der Tiere. I. Säugetiere. A. Raubtiere. Zoologischer Anzeiger
I8S2 und 1883/84. Über die Zeichnung der Vögel und Säugetiere.
Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg
1883. Bruchstücke aus Eidechsenstudien, Humboldt 1883. Über die
Zeichnung der Tiere I — VI, Humboldt 1885 — 88. Über die Zeichnung
der Vogelfedern. Humboldt 1887. Entstehung der Arten I, Jena 1888.
Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen. I. Eine
systematische Darstellung der Abänderungen, Abarten und Arten der
segelfalterähnlichen Formen der Gattung Papilio. Jena, G. Fischer 1889.
Die Verw'andtschaftsbeziehungen der Raubsäugetiere', Humboldt 1890.
Bemerkungen zu dem Aufsatz von A. Spuler, Zur Stammesgeschichte der
Papilioniden, nebst einem Zusatz: Über Thatsachen in Fragen der Ent-
wickelungslehre. Zoolog. Jahrbücher. Abt. für Systematik. Bd. VII. 1893.
Über die Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen.
II. Eine systematische Darstellung der Abänderungen, Abarten und Arten
der schw-albenschwanzähnlichen Formen der Gattung Papilio. Unter Mit-
wirkung von Dr. K. Fickert. Jena, G. Fischer, 1895. Über die Artbildung
und Verwandtschaft bei den schwalbenschwanzartigen Schmetterlingen.
Vortrag. Verh. der deutschen zoolog. Gesellschaft zu Straßburg i. E. 1895.
Über den Begriff des tierischen Individuum, Rede, gehalten a. d. Vers. d.
Naturforscher zu Freiburg i. B. 1883, abgedruckt in Entstehung der Arten.
1) Vgl. »Germinalselektion« S. 71.
12 Vortrag.
Vortrag.
1. Zur Entscheidung der Fragen der Entwickelungslehre, bezw. der
Entstehung der Arten ist vor allem die genaue Kenntnis der
Eigenschaften von Arten, die genaue Kenntnis ihres Ab-
änderns: der Abartung (Aberratio) und der Abänderung
(Varialio) notwendig.
Davon bin ich bei meinen Arbeiten seit Jahren ausgegangen, im Ge-
gensatz zu der heute in den Vordergrund getretenen Strömung, welche
dem ganzen Tiere, der ganzen Pflanze fremd gegenübersteht und welche
bei Nichtberücksichtigung von Thatsachen überhaupt zu den äußer-
sten Grenzen spekulativer Aufstellungen geführt hat.
Auf dem Wege der Feststellung von Thatsachen kam ich zu meiner
Entwickelungstheorie vom organischen Wachsen der Lebewelt
(Organophysis s. Morphophysis ), wie ich sie in der »Entstehung
der Arten auf Grund von Vererben erworbener Eigenschaften nach den
Gesetzen organischen Wachsens« niedergelegt habe.
Was in diesem Buche über die Ursachen der Umbildung der Lebe-
welt (Transmutation) und über die Ursachen der Trennung der Organis-
menkette in Arten gesagt ist, hat sich durch meine seither fortgesetzten
Untersuchungen voll bestätigt und ich habe nichts zurückzunehmen. Den
zweiten Teil des Buches ließ ich noch nicht erscheinen, eben, weil ich
weitere Thatsachen zur Stütze meiner Ansichten feststellen wollte ij.
Diese seit sechs Jahren fortgeführten Arbeiten sind nun in der Ver-
öffentlichung begriffen, eine derselben ist der soeben erscheinende zweite
Teil meiner »Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen«,
welchen ich diesem Vortrag zu Grunde legen will.
2. Das organische Wachsen, Organophysis s. Morphophysis,
findet seinen Ausdruck in der bestimmt gerichteten Entwickelung, Ortho-
genesis2), in der Art und Weise, in welcher die Transmutation, die
1) Zudem beherrschte eine Zeit lang jene Übertreibung des Darwinismus, welche
die Allmacht der Naturzüchtung vertritt und welche wegen ihrer Auswüchse
passend als After dar winismus bezeichnet wird, die öffentliche Meinung. Ihr Ver-
treter, Herr August Weismann, hielt es für angezeigt, meine Arbeiten und die darin
gegen ihn enthaltenen thatsächlichen Beweisgründe vollkommen totzuschweigen, so
auch die Ergebnisse des schon i 889 veröffentlichten Teils meiner Schraelterlingsstudien.
Zugleich aber zeigte es sich, daß er denselben hochgradig Rechnung trug, indem er
in jeder neuen Schrift seine Ansichten zu Gunsten der meinigen änderte und zwar in
geradezu grundlegenden Fragen. Es lag für mich also nahe, mit Weiterem zu warten,
bis dieser Prozeß der Verwandlung sich in der mir genügenden W^eise vollzogen hätte,
was nun nach der immerhin unverhofften Anerkennung nutzloser Eigenschaften und
der Orthogenesis eingetreten ist.
2) Die Übersetzung von »bestimmt gerichtete Entwickelung« in das Wort Ortho-
genesis hat zuerst ^Vilhelm Haacke in seinem Buche über »Gestaltung und Vererbung«
1893 gebraucht, und ich habe dieselbe, da sie sehr bezeichnend ist, angenommen.
Ich bedaure. daß ich, trotz meiner sonstigen Bestrebung mich unvermischter deutscher
Sprache zu bedienen, noch zahlreiche andere griechische Übersetzungen deutscher
über bestimmt gerichtete Entwickelung |Orthogenesis) bei der Artbildung. 13
allgemeine Umbildung der Formen, in die Erscheinung tritt. 3Iit der
bestimmt gerichteten Entwickelung als Ursache der Transmutation habe
ich es in diesem Vortrag zu thun, nicht mit der Wirkung des Gebrauchs,
der Thätigkeit der Organe, welche ich mit Lamarck nach Maßgabe des
Titels meines genannten Buches für die zweite wichtige solche Ursache
erklärte. In beiden Fällen beruht die Umbildung auf Vererbung erwor-
bener Eigenschaften.
Neben die Fraaje über
a) die Ursachen der Transmutation
stellt sich also die andere über
b die Ursachen der Trennung der Organismenkette in Arten.
Danach zerfällt mein Vortrag in zwei Teile.
Die bestimmt gerichtete Entwickelung, Orthogeuesis.
3. Der Beweis der Orthogenesis, der Thatsache, daß die Umbildimg
der Lebewelt nicht wie der Darwinismus und die Vertretung der »All-
macht der Naturzüchtung« WEisjiANx'scher Afterdarwinismus voraus-
setzten, nach zahlreichen, ja nach den verschiedensten Richtungen zu-
fällig, sondern daß dieselbe nur nach wenigen Richtungen ganz
gesetzmäßig geschieht, ist von mir durch meine Arbeiten über das
Abändern der Tiere seit Jahren geführt worden. Er ist mein Eigen-
tum, das mir Niemand streitig machen soll, wie ich gegen den Redner
vom letzten Montag entschieden hervorheben muß, der die Namen von
Nägeli und AsKENASY bei Besprechung der Lehre von der bestimmt ge-
richteten Entwickelung genannt, den meinigen aber verschwiegen hat.
Nägeli hat rein theoretisch bestimmt gerichtete Entwickelung angenom-
men und zwar auf Grund der ebenso theoretischen und unbegründeten
Annahme eines Vervollkommnungsprincips. Mit diesem VervoU-
kommnungsprincip fällt die ganze NÄGELi'sche Lehre und es hat meine
Auffassung mit derselben ursprünglich gar nichts zu thun. Denn meine
Arbeiten zeigen, daß ich ganz selbständig auf die Orthogenesis und deren
Nachweis als allgemeines Gesetz gekommen bin, eben durch das Studium
des Abänderns bis auf seine kleinsten Anfänge zurück, zunächst in Be-
Ziehung auf die Zeichnung der Tiere. Auf zoologischem Gebiete hat vor
mir ül)erhaupt Niemand die Orthogenesis als Gesetz vertreten') oder zu
begründen versucht oder auch nur als wesentlichen Entwickelungsfaktor
erkannt oder angenommen« 2).
Begriffswörter annehmen, bezw. bilden mußte, auch solche, welche nicht gerade wohl-
lautend sind. Allein es zeigt die Erfahrung, daß solche termini technici zur Festlegung
sowohl wie zur Verbreitung und Anerkennung von Begriffen unerläßlich sind.
1) Allerdings ein unter die Orthogenesis fallendes hochwichtiges Gesetz ist
ruber ausgesprochen worden: das meinem Undulationsgesetz entsprechende Gesetz
der rücklaufigen Übertragung von Eigenschaften: Cope, Würtexbergek, Hyatt (Ammo-
niten). Vgl. später: Kymatogenesis.
-) Auch AsKENASY (Beiträge zur Ivritik der DARwix'schen Lehre) hat in seiner
übrigens sonst viel zu wenig berücksichtiiiten wichtisen Schrift den Nachweis des
J4 ^Orli'iig.
4. Die Ortliogenesis ist ein allgemeines Gesetz. Es gilt
dasselbe, wie ich längst hervorgehoben habe, für die Zeichnung sowohl
wie für die übrigen morphologischen Eigenschaften der Tiere wie für
die der Pflanzen. Auch bei letzleren geht, wie mir eigene Beobachtun-
gen zeigen, die Zeichnung der Blüten und die Gestaltung der Blätter
vollkommen gesetzmäßig nach wenigen bestimmten Richtungen.
5. Das Gesetz der bestimmt gerichteten Entvvickelung oder Ortho-
genesis ist es, welches die ganze Umbildung der Lebewelt (abgesehen von
der Wirkung des Gebrauchs und Nichtgebrauchs) beherrscht, nicht die
Zuchtwahl. Die Thatsache, daß das Abändern der Lebewesen ganz ge-
setzmäßig nach w'enigen l^estimmten Richtungen geschieht, nicht zufällig
nach den verschiedensten oder gar allen möglichen Richtungen, er-
schüttert allein vollständig die Grundlage der DARwn'schen
Lehre. Denn die letztere muß stets die verschiedensten Ab-
änderungen bereit haben, wenn die Zuchtwahl bei der Ge-
staltung der Formen soll maßgebend sein, und in der That wird
der Satz von dem ständigen Bereitsein aller möglichen Eigenschaften von
der heutigen Vertretung der Allmacht der Naturzüchtung als notwendige
Voraussetzung dieser Lehre überall als Thatsache hingestellt.
Herrschen dagegen nur wenige bestimmte Entwickelungsrichtungen,
so gestalten sie die organische Welt und der Auslese bleibt nur eine
ganz beschränkte Aufgabe. Dies haben schon Nägeli und Askenasy
ausgesprochen.
6. Ich muß überhaupt immer und immer wiederholen, daß die
Zuchtwahl unbedingt nichts Neues schaffen kann. Sie kann
nur mit Vorhandenem arbeiten und zwar kann sie es erst benutzen,
w'enn es schon eine gevs'isse Ausbildung erreicht hat, wenn es schon
nützlich ist. Die Zuchtwahl kann nur beseitigen, was unbedingt schäd-
lich, und erhalten, was nützlich ist. Sie wird dadurch, daß sie immer
das Nützliche ausliest, die Entwickelung desselben stärken. Aber die
Thatsachen beweisen , daß dies jedenfalls nur in beschränktem Maße
geschehen sein kann ').
Die Zuchtwahl ist also zunächst darin ohnmächtig, daß sie kein
aktives Hauptmittel der Umbildung der Formen darstellt, daß sie hoch-
bestimmt gerichteten Abänderns bei Pflanzen an der Hand von Thatsachen nicht aus-
giebig geführt. Auf S. 7 sagt er nur, daß die Blüten nicht in den verschiedensten,
sondern nur in bestimmten Farben erscheinen, wie denn eine blaue Rose oder eine
blaue Maiblume bisher nicht gefanden worden sei. Ebenso sei es mit dem Variieren
der Gestalt von Blättern und Blüten. Während manche Pflanzen mit ganzrandigen
Blättern öfter Varietäten mit mehr oder weniger geteilten hervorbringen, seien bei
andern geteilte Blätter ganz unei"hört. Niemand werde erwarten, daß ein Gras eine
Varietät mit geteilten Blättei'n erzeuge. Im übrigen steht Askenasy auf dem Boden
des N\GKLi'schen Vervollkommnungsprincips und seine Abhandlung ist eine Ausführung
zu der Hypothese dieses Forschers.
1) Immerhin wird sie überall dann hervori'agend wirksam werden können, wenn
der Nutzen mit einer gegebenen Entwickelungsrichtung zusammenfällt.
über bestimmt gerichtete Entwickelung (Orthogenesis) bei der Artbildung. 15
stens als Nebenmittel derselben erscheint, indem sie vollkommen der
Orthoeenesis untergeordnet ist.
7. Die Ursachen der bestimmt gerichteten Entwickelung
liegen nach meiner Auffassung in der Wirkung äußerer Ein-
flüsse — Klima, Nahrang — auf die gegebene Konstitution
des Organismus. Das ist kein Lamarekismus, denn L.4.marck hat den
äußeren Einllüssen auf den tierischen Körper gar keine Wirkung zuge-
schrieben, auf den pflanzlichen nur ganz geringe, was immer wieder
verkannt und unrichtig wiedergegeben wird — so eben noch von Herrn
Weisjianx in seiner vorhergegangenen Rede^).
8. Nach meiner Auffassung kann die Entwickelung überall nur nach
w-enigen Richtungen stattfinden, weil die Konstitution, die stoffliche
Zusammensetzung des Körpers, solche Richtungen notwendig bedingt,
ein allseitiges Abändern verhindert.
Durch die Einwirkung der äußeren Einflüsse muß a])er die Konstitu-
tion allmählich verändert werden. Die Organismen werden so mehr und
mehr physiologische Eigenart erlangen und auf äußere Einflüsse mehr
und mehr eigenartig antworten — so entstehen neue Entwickelungs-
richtungen.
In jener auf der Konstitution beruhenden Beeinflussung der Ent-
wickelungsrichtungen, in der physiologischen Eigenart der Organismen aber
haben wir die sogenannten inneren Ursachen der Umbildung, welche
sonach mit den v^on Nägeli angenommenen, mit dessen »Vervollkomm-
uungsprincip« nichts zu thun haben 2.
9. Die Macht der unmittelbaren Einwirkung äußerer Verhältnisse kann
nicht mehr geleugnet werden, nachdem Staxdflss u. A. durch Einwirkung
von Wärme und Kälte auf Schmetterlingspuppen fast ganz dieselben
Schmetterlingsabarten erzielt haben, welche als Wärme- bezw.
Kälteformen in der freien Natur erscheinen, und nachdem
Staxdfuss Abarten erzeugt hat, welche fast vollkommen den
Arten entsprechen, deren Entstehung nach meinen Arbeiten
ihrem geographischen Vorkommen zufolge unzweifelhaft
eben auf klimatische Ursachen zurückzuführen ist. Die Macht
der äußeren Einflüsse beweisen ferner u. a. die Versuche von Schmanke-
wiTSCH an Artemia salina, sodann die künstliche Erziehung von Ambly-
stoma aus Siredon pisciformis und die Zurückhaltung der Entwickelung
von Tritonen durch Wasser- bezw. Luftentziehung und zusammengehalten
damit die ganze Reihe der Glieder des Lurchstammes.
1) In demselben Irrtum war schon Darwin befangen und der Irrtum erbt sich
fort, trotzdem daß Quatrefages ihm in seiner Schrift: Darwin et ses precurseurs fran^ais
(1892) gründlich entgegengetreten ist (S. 46).
2) Die physiologische Eigenart wird allein schon eine andere durch das Alter
des Organismus, bezw. seiner Gewebe. Das Alter der Gewebe allein bringt neue Ge-
staltungen hervor, wie die sogar ohne hervorragende Thätigkeit erfolgende Entstehung
von neuen Knochen z. B. in den Ohrmuscheln der Säuser beweist.
1 6 Vortrag.
Damit sind aber zugleich unwiderlegliche Beweise der
Vererbung erworbener Eigenschaften gegeben,
10. Jene äußeren und diese inneren Ursachen, welche nach meiner
Auffassung die Umbildung des Organischen nach wenigen bestimmten
Richtungen bedingen, sind v\irksam, indem sie einfach die Ursachen des
Wachsens sind. Es sind dieselben Ursachen, welche das individuelle
Wachsen und die Transmutation, die Umgestaltung der organischen Welt
bedingt haben und bedingen. Daher erkläre ich die letztere als orga-
nisches Wachsen (Organophysis oder Morphophysis).
Die Gestaltung der organischen Welt ist demnach eine durch die
äußeren Einwirkungen emporgetriebene und sie besteht nur durch das
Fortwirken dieser äußeren Einflüsse. Fallen dieselben weg, so haben
wir Tod.
M. Das organische Wachsen beruht aber, im vollen Gegensatz
zu der Nägem" sehen Vorstellung, nicht immer auf Vervollkommnung,
sondern oft auch auf Vereinfachung oder Rückbildung. Auch
diese Vereinfachung beruht nach von mir gegebener Begriffsbestimmung
auf Wachsen.
12. Die Entwickelungsrichtungen haben mit dem Nutzen
gar nichts zu thun, sie erzeugen Gestaltungen ohne jede Beziehung
zu demselben, indem sie mit kleinsten, kaum sichtbaren Anfängen be-
ginnen, um sich mit dem persönlichen wie mit dem phyletischen Alter
mehr und mehr auszugestalten, und die von mir undAnderen festgestellten
Thatsachen beweisen unbedingt, daß weitaus die meisten der so
entstandenen Eigenschaften überhaupt niemals in den Be-
reich des Nutzens fallen. Sie beweisen, daß zahllose Eigenschaften
an den Lebewesen bestehen, welche nicht nützlich sind, daß somit von
einer »Allmacht der Naturzüchtung« keine Rede sein kann.
13. Weil die Entwickelungsrichtungen mit dem Nutzen nichts zu
thun haben und weil ihrer nur wenige sind, ist die immer wieder-
holte Behauptung, dieAuslese finde jederzeit alle möglichen
Eigenschaften vor, um das Nützliche auszulesen, zu erhalten
und zu züchten, vollkommen gegenstandslos.
14. Darum ist auch der Satz vollkommen gegenstandslos, durch
welchen der Vertreter der »Allmacht der Naturzüchtung« die ihm so
unbequeme und darum von ihm so lange vernachlässigte Orthogenesis
unschädlich machen will : die Entwickelungsrichtungen seien durch
Auslese gezüchtet.
Die Entwickelungsrichtungen können eben deshalb un-
möglich gezüchtet sein, weil sie mit dem Nutzen von vorn-
herein gar nichts zu thun haben.
Daß nicht entfernt Alles nützlich ist, was besteht, daß noch weniger
Alles nützlich gerichtet ist, das beweisen die durch meine Untersuchungen,
besonders über die Zeichnung der Tiere so sehr ins Licht gerückten
kleinsten, zuerst fast unsichtbaren Anfänge von Eigenschaften, welche
über bestimmt gerichtete Entwickelung Orthogenesis bei dci' Artbildung. |7
auch in ihrer weiteren Ausbildung als Varietäten- und Ärtkennzeichen
durchaus nutzlos für den Kampf ums Dasein erscheinen.
15. Allen von mir und Anderen aufgestellten Thatsachen der bestimmt
gerichteten Entwickelung widersprechend und darum gegenstandslos ist
auch die von meinem Gegner in seiner Rede unter Berufung auf Galton
u. A. aufgestellte Behauptung, es sei bewiesen, daß das Abändern
von einem Nullpunkt aus nach den verschiedensten Richtungen
»hin und her oscilliere«. Es giebt kein Oscillieren der Ent-
wickelun2srichtuns;en, sondern nur ein Fortschreiten in gerader Linie
unter zeitweisen Abzweigungen, wodurch die Gabelungen des Stamm-
baumes entstehen').
Im gedruckten Vortrag hat Herr Weismaniv statt des im mündlichen
gebrauchten Wortes »Oscillieren« von einem »Schwanken der Variationen
um eine Mittlere« oder um einen »Nullpunkt« herum gesprochen. -
Wenn ich oben sagte, daß es ein solches Schwanken nicht giebt, son-
dern nur ein Fortschreiten, so wird man mir einwenden, daß ich den Rück-
schlag vergessen habe. Diesen fasse ich aber als ein Stehenbleiben
auf früheren Stufen der Entwickelung auf. Dagegen giebt es ja allerdings
auch ein Rückschreiten, ein sich Zurückbilden von Eigenschaften, in Verbin-
dung mit Nichtgebrauch Kompensation . Ich habe aber dieses Rückschreiten
ebenfalls unter den Begriff des organischen Wachsens gebracht: es
handelt sich darin gewissermaßen wieder um ein Fortschreiten zu bestimm-
ter, wenn auch zu einfacherer Gestaltung, aber nicht um Entwickelungs-
richtungen, denn diese haben mit Gebrauch und Nichtgebrauch zu-
nächst nichts zu thun. nur mit deren Verstärkung oder Abschwächung.
Es sei schon hier bemerkt, daß es die drei von mir unter 13, 14
und 15 behandelten Sätze sind:
1 In meiner »Entstehung der Arten« I S. 36 habe ich diese Gabelungen u. a.
darauf zurückgeführt, daß unmittelbare äußere Ein^virkungen, verschieden an jeder
Örtlichkeit, auf jede Entwickelungsstufe einwirken und die weitere Entwickelung von
der ursprünglichen Linie ablenken können und daß durch andauerndes Beharren unter
denselben Verhältnissen, unter ununterbrochener Fortdauer derselben Einwirkungen,
ein Organismus nach Generationen infolge von konstitutioneller Imprägnation kon-
servativer Anpassung seiner Zusammensetzung nach anders beschaffen sein und gegen-
über der Außenwelt sich anders verhalten wird als zuvor. Es ist klar, daß schon
<ias Bestehen des verhältnismäßig einfachen gabeligen Stammbaums der Tiere und
Pflanzen die Macht der bestimmt gerichteten nicht »oscülierenden«) Entwickelung bei
der Gestaltung der Lebewelt beweist: wären die zahllosen, wegen ihrer Mannigfaltig-
keit in kein System zu ordnenden Forderungen der Anpassung dabei maßgebend, so
gäbe es kein so einfaches, auf gabeliger Verzweigung beruhendes, einheitliches natür-
liches System, sondern ein regelloses Durcheinander von unter beliebigen Anpassungs-
forderungen entstandenen Arten.
So sagt schon N\geli in »Entstehung und Begriff der naturhistorischen Art«
München tcS65 S. 26: »Wenn das Abändern nach allen Richtungen gleichmäßig erfolgte,
müßte es auch absteigende, horizontale und von zwei verschiedenen Ausgangspunkten
konvergierende Reihen geben — die Verwandtschaft ließe sich nicht als baumförmigc
Verzweigung darstellen«.
-; Vgl. »Germinalselektion« S. 29.
Eimer, Orthogenesis. 2
18 "Vortrag.
i) Die Auslese finde jederzeit alle möglichen Abänderungen vor, um
das Nützliche auszulösen;
2) die Entwickelungsrichtungen seien durch Auslese gezüchtet;
3) es sei bewiesen, daß dies Alnindern von einem Nullpunkt aus
hin und her oscilliere,
welche Herr August Weismanx unter vollkommenem Verschweigen meiner
Arbeiten, welche unbedingt das Gegenteil beweisen, im Mitteli)unkt
seiner drei Tage vorher gehaltenen öffentlichen Rede aufgestellt und auf
diese Voraussetzungen Schlüsse gegründet hat. welche, in der von ihm
sogenannten »Germinalselektion« gipfelnd, die bestimmt gerichtete Ent-
wickelung unter seine Hypothesen beugen oder doch mit denselben in
Übereinstimmung bringen sollen, was das Ziel seiner ganzen Rede war.
Da aber die Voraussetzungen falsch sind, so fällt selbstverständlich alles
Folgende. Das Oscillieren würde überdies die gesetzmäßig bestimmt
gerichtete Entwickelung aufheben. Aber dasselbe ist für die Vertretung
der »Allmacht der Naturzüchtung < unbedingt notwendig, indem der Satz
gerettet werden w ill, daß der Auslese fortwährend die Fülle von Varia-
tionen zur Verfügung stehe — ein Satz, welcher, wie gesagt, wiederum
durch die von mir festgestellten Thatsachen der wirklich bestehenden
Orthogenesis als vollkommen gegenstandslos erwiesen wird.
16. Die Thatsachen der Orthogenesis fiudenAusdruck in denEntwicke-
lungsgesetzen, welche von mir zunächst auf die Zeichnung bezogen
und an der Hand derselben gefunden worden sind, sich aber vollkom-
men auch auf die morphologischen Eigenschaften beziehen. Es handelt
sich dabei um wirkliche Entwickelungsgesetze, indem alle auffindbaren,
auf dieselben bezüglichen Thatsachen. wie sich von Tag zu Tag mehr
zeigt, ausnahmslos derselben Regel folgen' .
Die von mir schon früher aufgestellten Gesetze sind:
1. Das allgemeine Zeichnungsgesetz (Allgemeines Umbildungs-
gesetz). (Umbildung von Längsstreifung in Fleckung, Querstreifung und
Einfarbigkeit).
2. Die von mir nach Maßgabe der Art der örtlichen Umbildung der
Zeichnung sogenannte postero-anteriore und die supero-inferiore,
bezw. infero-superiore Entwickelung äußert sich darin, daß die
neuen Zeichnungen in der Richtung von hinten nach vorn und von oben
nach unten oder umgekehrt am Tierkörper auftreten, während die alten
1 Herr Weismann hat in seiner vorhergegangenen Rede, ohne meinen Namen zu
nennen, aber mir wohl verständlich, von »sogenannten Entwickelungsgesetzen« ge-
sprochen — nicht ohne Grund, denn diese von mir festgestellte Gesetzmäßigkeit be-
deutet nichts weniger als den vollkommen thatsächlichen Gegenbeweis gegen seine
Hypothesen. Im übrigen wollen die Physiker und Physiologen den Biologen das Recht
bestreiten von »Gesetzen« reden zu dürfen. Ich glaube aber, daß auch wir bei jeder
Summe von Thatsachen, welche ausnahmslos sich ereignet, ausnahmslose Regel ist,
von Gesetzen reden dürfen, auch wenn wir die Ursachen der Erscheinung nicht
sehen oder berechnen können. — Da Herr Weismann früher selbst von gesetzmäßiger
Entwickelung gesprochen hat, so kann sich übrigens seine Ausstellung nicht auf
diesen Widerspruch gründen.
über bestimmt gerichtete Entwickelung (Orthogenesis) bei der Artbildung. 19
in derselben Reihenfolge schwinden. Es gilt diese bestimmt gerichtete
örtliche Umbildung, wie die meisten übrigen Gesetze, auch für die
anderen morphologischen Eigenschaften der Körperbedeckung, z. B. für
die Schalenskulptur der Mollusken und für die Flügeldecken der Käfer.
Man wird vielleicht diese Thatsachen passend unter einen allgemei-
nen gemeinsamen Ausdruck bringen, indem man von einem Gesetz der
bestimmt gerichteten örtlichen Umbildung: Topo-Orthogenesis spricht,
auf welchem wiederum das Gesetz der wellenförmigen Entwickelung
iK}Tiiatogenesis) beruht.
3. Das Gesetz des männlichen Übergewichts oder der männ-
lichen Präponderanz: die Thatsache, daß das Männchen dem Weib-
chen im Ausdruck der Entwickelungsrichtung gewöhnlich um einen Schritt
voraus geht und dann seine Eigenschaften gewissermaßen auf die Art
überträgt.
Ausnahmsweise kommt, wie ich neuerdings (bei Schmetterlingen) ge-
zeigt habe, aber auch eine
4. weibliche Präponderanz vor.
5. Das Gesetz der Alterspräponderanz '), die Thatsache, daß
neue Eigenschaften zuerst im persönlichen Alter, vielmehr wohl in der Zeit
höchster Kraftentfaltung und zwar zumeist bei älteren Männchen, z. B.
Mauereidechse) und im phyletischen Alter Beispiel: Ammoniten) auftreten.
6. Das Gesetz der wellenförmigen Entwickelung, Undulations-
gesetz, die Kymatogenesis, d. i. die Thatsache, daß während der ontogeneti-
schen und phylogenetischen Ausbildung des Einzelwesens eine Reihe von
Umbildungen, eine der anderen folgend, in bestimmter Richtung über den
Körper der Tiere wegläuft"^. Dazu kommt:
7. Das Gesetz der unabhängigen Entwickelungsgleichheit
oder Homoeogenesis, welches besagt, daß bei verschiedenen, nicht un-
mittelbar verwandten Formen dieselben Entwickelungsrichtungen wirken
und zu ganz ähnlicher Gestaltung führen können*).
8. Das Gesetz der verschiedenstufigen Entwickelung oder der
Heterepistase: die Thatsache, daß verschiedene Eigenschaften in dem-
selben Organismus in verschiedenem Grade und nach verschiedenen Rich-
tungen sich entwickeln können.
1 Hier eingeschobener, im »Compte-Rendu« nicht enthaltener, aber schon in der
»Mauereidechse« von mir vertretener Satz.
- Dieses Undulationsgesetz haben, wie schon bemerlct, zuerst Würtexberger,
CoPE und Hyatt an morphologischen Eigenschaften der Cephalopodengehäuse erkannt.
HvATT bezeichnet es als law of acceleration. wohl weil die älteren Eigenschaften, je
älter sie sind lun so schneller, am Organismus durch in bestimmter Richtung neu
auftretende sowohl ontogenetisch wie phylogenetisch verdrängt werden.
Ich glaube, daß die Bezeichnung Kymatogenesis, wellenförmige Entwickelung,
für alle Erscheinungen des Vorganges am bezeichnendsten ist. wenngleich auch gegen
sie sich Einwände erheben lassen. Sie läßt sich am schönsten veranschaulichen durch
die Entstehung und das Verschwinden von aufeinanderfolgenden Wellen nach Einwerfen
eines Steins in das ruhige Wasser.
3) Von Hyatt später in den »Arietidae« unter »Morphological Equivalence« mit
Beispielen bezüglich der Cephalopodenschalen belegt.
2*
20 Vortrag.
9. Das Gesetz der einseilieen Entwickolune oder der Amikto-
eenesis: die Thatsaclie, daß in der Reeel die durch 2;eschlechtlicbe Mischuna
zweier verschiedener Eltern entstandenen Nachkommen nicht eine voll-
kommene Mischung aus beiden Teilen darstellen, sondern nach der einen
oder nach der anderen Seite überwiegen ^).
10. Das Gesetz der Entwickelungsumkehr oder Epistrephogenesis:
die Thatsache, daß Entvvickelungsrichtiingen umkehren, zum Ausgangspunkt
zurückkehren können, wie ich neuerdings bei Foraminiferen beobachtet
habe 2) und wie auch wohl die HiLGENDORp'sche Plunorhis multiformis be-
weist, wie insbesondere Hyatt furCephnlopodenschalen nachgewiesen hat^ .
11. Das allgemeine Beharrungsgesetz oder der Entwickelungs-
stillstand, Epistase: die Thatsache, daß die Entwickelung oft lange
Zeit auf einer bestimmten Stufe stehen bleiben kann.
Diese und andere Gesetze, auf welche ich noch zu reden komme,
werden, soweit sie nicht schon früher von mir begründet sind, diese Be-
gründung in soeben in Veröffentlichung befindlichen Arbeiten erfahren;
für einige der wichtigsten ergeben sich die Belege, wie wir sehen wer-
den, aus meinem Werke über die Artbildune und Verwandtschaft bei
den Schmetterlingen. Die bis jetzt genannten Gesetze, welche sich auf
die Transmutation im allgemeinen beziehen, zeigen, daß die Entwickelung
überall eine bestimmt gerichtete und, abgesehen von der selten beobach-
teten und wohl nur bei niederen Lebewesen vorkommenden Umkehr,
eine »wie nach einem bestimmten Plan« unentwegt fortschreitende ist, eben
in vollkommenem Gegensatz zu der Behauptung, das Abändern »oscilliere
nach den verschiedensten Bichtungen von einem Nullpunkt aus«.
Mit dem Beweis, daß, wie hervorgehoben, die Entwickelungsrichtun-
gen vom Nutzen durchaus unabhängig sind, ist die Lehre von der
Herrschaft der Zuchtwahl bei der Transmutation und die Lehre von der
Allmacht der Naturzüchtung vollkommen zurückgewiesen — an Stelle
der letzteren erscheinen als maßgebend Orthogenesis und Morphophysis
und daraus folgt: Ohnmacht der DARwm'schen Zuchtwahl bei der
Umbildung der Pflanzen- und Tierformen ^Transmutation:, mit der
ausgesprochenen Einschränkung, daß die Zuchtwahl, indem sie Nützliches
ausliest, die Entwickelung desselben wird stärken können und daß diese
ohne w eiteres gefördert werden wird, sobald eine gegebene Entwickelungs-
richtung mit dem Nutzen zusammenfällt.
Die Zuchtwahl ist somit kein Hauptmittel der Transmutation, sie ist
höchstens ein Nebenmittel. Wie weit sie im Sinne des letzteren that-
sächlich zu Gunsten der bestehenden Gestaltung der Lebewelt wirksam
sein dürfte, das muß, nachdem die bestimmt gerichtete Entwickelung als
jenes Hauptmittel festgestellt ist, erst durch vorurteilslose neue Unter-
suchung gezeis;t werden.
1) Gegen die Bedeutung der WEisnuNN'schen Ampliimixis.
Vgl. eine spatere Ijezügliche Aliliandlung in der »Orthogenesis«.
3, Hierher: Acceleration in Degeneration Hvatt.
t
über bestimmt gerichtete Entwickelung Orthogenesis) bei der Artbildung. 21
Unzweifelhaft ist es aber, daß die Zuchtwahl für weitaus die meisten
gerade derjenigen Eigenschaften, welche die Art kennzeichnen , daß sie
für die Artmerkmale ganzer Tiergruppen aller Bedeutung baar zu er-
weisen ist.
Es ist heute meine Aufgabe, diesen Beweis für eine solche Tier-
sruppe, nämlich für Papilioniden, vorzuführen, nach Maßgabe der Unter-
suchungen, welche ich über Artbildung und Verwandtschaft bei den
Schmetterlingen veröffentlicht habe.
Ich komme nun zum zw^eiten Teil der Behandlung meines Ges;en-
Standes, zu der Frage von der
Artbildting oder Trennung der Organismenkette in Arten.
Die DARWiN'sche Zuchtwahl giebt keine Erklärung für die
Artbildung. Sie begnügt sich mit der Annahme, daß Zwischenformen aus-
sterben, weil die neu entstandenen, besser augepassten, die alten, weniger
gut angepassten verdrängen müßten. Die gegen diese Erklärung vorgebrach-
ten triftigen Einwände sind bekannt. Bei ganz allmählich vor sich gehen-
der Umbildung, wie sie thatsächlich in weitaus den meisten Fällen
stattfindet, ist ein derartiges Auslöschen von Zwischenformen, wenn das
Abändern nur einzelne Individuen betrifft, wegen der geschlechtlichen
Mischung allein möglich bei gleichzeitiger räumlicher Trennung. Es giebt
aber, wie ich bei Schmetterlingen gezeigt habe (z. B. Papilio Telesilaus),
Entstehuno; neuer Arten mitten im Yerbreituns;sa;ebiete der Stammformen
und überall sind offenbar neue Arten, w'enigstens nebeneinander, auch
ohne räumliche Trennung entstanden.
So wenig die ÜARWiN'sche Zuchtwahl die Umbildung der Formen
und die Entstehung neuer Eigenschaften an denselben erklären kann, so
wenig erklärt sie die Entstehung der Arten, trotz des Titels des berühm-
ten DARwix'schen Buches.
Die Entstehung der Arten beruht w^esentlich auf:
1. Entwickelungsstillstand, Genepistase, d.i. Stehenbleiben der
einzelnen Formen auf bestimmten Stufen derEntwickelungsrichtung. während
andere fortschreiten. Beharrung, Epistase ist es, welche bei der Art-
bildune vor allem maßgebend wirkt. Durch sie allein können überall
Arten entstehen ohne räumliche Trennung. Denn die Orthogenesis führt
zu gleichzeitiger Umbildung zahlreicher Einzelwesen derselben Art.
Wenn nun eine größere Anzahl von Einzelwesen in einer Entwickelungs-
richtung vorschreitet, während andere zurückbleiben, so wird sich von
selbst Entstehung einer neuen Art ergeben. Jenes Voranschreiten einer
größeren Anzahl von Einzelwesen kann dann mitten im Verbreitungsgebiet
der Art geschehen, wenn jene Einzelwesen gegenüber den äußeren Ein-
flüssen, welche die Umbildung bedingen, empfindlicher sind als die
übrigen. Je weiter aber vom Mittelpunkt des Verbreitungsgebietes einer
Art entfernt, um so mehr werden jene Einflüsse — klimatische und Er-
nährungsverhältnisse — in umbildendem Sinne wirken können. So
22 Vortrag.
zeigen die Thatsachen des Abäiulerns wiiklicli uiu so mehr A])-
artungen und Abarten, je weiter weg vom Mittelpunkt ihres
Verbreitungsgebietes wir die Glieder einer Art untersuchen,
und noch weiter entfernt davon werden neue Arten. Auch da-
für daß besondere Empfindlichkeit von Einzelwesen auf Grund der Ortho-
genesis für Umbildungen maßgebend sein wird, werden wir Thatsachen
kennen lernen.
Bei der Umbildung aber können nach dem Gesetz der Heterepistase,
der verschiedenstufigen Entwickelung, einzelneEigenschaften auf tie-
ferer Stufe der Entwickelung stehen bleiben, während andere fortschreiten.
Die Heterepistase scheint mir ein hervorragend wichtiges Mittel auch zur
Festigung abgeschlossener Arten zu sein und sie wird um so maßgeben-
der werden, je höher und zusammengesetzter ein Organismus ist. Das
Ineinandergreifen und Zusammenhängen so verschiedener Eigenschaften
zu einem Ganzen wird dieses Ganze in seinem Bestand deshalb festigen,
weil jene Eigenschaften sich gegenseitig die Wage halten müssen, indem
eben wegen des Zusammenhanges zum Ganzen nicht jede für sich um-
gebildet werden kann, ähnlich wie im Perpendikel einer Regulator-Ubr
die aus verschiedenem Stoff bestehenden Stäbe sich bei der Zusammen-
ziehung die Wage halten.
Dagegen werden einfache Organismen, in welchen noch wenige Ent-
wickelungsrichtungen wirksam sind, weniger ausgesprochene Arten bilden,
wie denn hier die Entwickelungsrichtungen sogar umkehren können (Fora-
miniferen).
Aber trotzdem ist die Beharrung, Epistase, für die Entstehung von
Arten und Abarten auch insofern von größter Wichtigkeit, als irgend
welche einzelne Eigenschaften nach ungeheuer langen Zeiträumen als Art-
merkmale, in Gestalt von »Rückschlag« wieder auftreten können. So
erscheinen z. B. im Kleid der Vögel zuweilen Zeichnungsmerkmale wie-
der als Kennzeichen der Gattung oder Art, welche bei gar nicht
unmittelbar verwandten weit zurückliegenden Vorfahren Art- oder Gat-
tungsmerkmale sind oder welche nur im Dunenkleid solcher Vorfahren
vorkommen 1). Es handelt sich hierbei also nicht um einen gewöhn-
lichen Rückschlag, welcher ja nur eine zeitweise auftretende Erscheinung
ist und mit der Kennzeichnung neuer Arten nichts zu thun hat, sondern
um einen ständigen Rückschlag, um einen ständigen Stammes-
rückschlae;.
Zuweilen erscheinen solche alte Merkmale von Neuem nur an einem
Geschlecht, besonders am Männchen — wir haben dann einen ständigen
männlichen Stammesrückschlag. Zuweilen erscheinen sie nur in
einem Kleide, z.B. im Prachtkleide oder während der Verwandlung im Üeber-
gangskleide — dann haben wir metamorphi sehen oder Verwand-
lungsrückschlag.
1; Vergl. das Nähere in der in der Fortsetzung der > Orlhogenesis« erscheinenden
Abhandlung über das Kleid der Schwimmvögel.
über bestimmt gerichtete Entwiciielung Orthogenesis bei der Artbildung. 23
Es ist solcher ständiger Rückschlag als Beharrung, Epistase aufzu-
fassen, denn es bleibt die betreffende Eigenschaft, welche sich nach dem
biogenetischen Gesetz während der individuellen Entwickelung als Erbteil
von Ahnen her wiederholen rauß, aber bei den unmittelbaren Vorfahren
der rückschlagenden Art nur eben vorübergehend wiederholte, so daß
sie am fertigen Wesen nicht mehr zu Tage trat — es bleibt diese Eigen-
schaft bestehen und erscheint als Merkmal der fertigen Art.
Damit ist zugleich die Erklärung des gewöhnlichen Rückschlags oder
Atavismus, des persönlichen oder Einzelrückschlasjs gegeben.
Es handelt sich auch dabei nur um ein Bestehenbleiben, um
ein Beharren einzelner Eigenschaften, welche nach dem bio-
genetischen Gesetz während der Ontogenese vorübergehend
erscheinen müßten, um alsbald anderen Platz zu machen^).
Somit reiht sich der Atavismus einfach ein in die übrigen von mir
aufgestellten Beharrungsgesetze und erklärt sich durch sie und durch
das biogenetische Gesetz. Er ist nichts als ein heterepistatischer, onto-
genetischer persönlicher Entwickelungsstillstand.
Ebenso ist der ständige Stammesrückschlag heterepistatischer Ent-
wickelungsstillstand, aber nicht ontogenetisch, sondern phylogenetisch. Man
kann die beidenArten von Rückschlag am einfachsten als ontogenetischen
und als phylogenetischen Rückschlag bezeichnen oder als ontogene-
tische und phylogenetische Epistase, bezw. Heterepistase. Beide weichen
von der artbildenden Genepistase dadurch ab, daß diese einen Stillstand auf
sämtlichen, durch eine bestimmte Entwickelungsrichtung bezeichneten
Eigenschaften bedeutet und zwar einen außerhalb der Ontogenese ge-
legenen. Damit kommen wir wieder auf das Gebiet der Orthogenesis,
in welches in letzter Linie ebenso der ontogenetische wie der phylo-
genetische Rückschlag gehören.
Auch das l)io genetische Gesetz 2) ist der Ausdruck bestimmter
Entwickelungsrichtungen, soweit diese nicht durch die Thäligkeit oder den
Nichtgebrauch der Organe bei den Vorfahren verändert worden sind. Es
bezieht sich dasselbe selbstverständlich nicht allein auf die Ontogenie,
sondern auch auf die Metamorphose, d. i. den Zustand der noch nach
der Geburt, bezw. nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei fortdauernden
Entwickelung. Hier sehen wir dann z. B. bei der Zeichnung der Ei-
dechsen, wie eine Zeichnung durch die andere ersetzt wird und zwar in
der Richtung von hinten nach vorn postero-anteriore Entwickelung, Un-
dulationsgesetz), wie die Weibchen meist die jugendlichen Eigenschaften
am längsten oder überhaupt behalten, während die Männchen zuerst
neue annehmen: männliche Präponderanz. Die letztere ist nichts als das
1 Vgl. H. KoHLWEY, »Das Gesetz der Vererbung«, Blätter für Geflügelzucht 1886
Nr. 41 — 46, wo das Gleiche ausgesprochen ist.
-] Hyatt meint, es sei das biogenetische Gesetz nicht von Haeckel, sondern von
A. Agassiz entdeckt worden. Thatsächlich findet es sich schon klar und bestimmt
ausgesprochen bei Kielmeyer, sodann bei Meckel und anderen Deutschen. Vgl. auch
Schopenhauer, Parerga II, S. 108.
24 Vortrag.
Yorschreiten des Männchens um eine weitere Entwickelangsstufe auf dem
Weg der ürtliogenesis. Bei zahlreichen der von mir untersuchten Tiere
finden sich im ausgebildeten Zustande bleibend vorne die alten, ursprüng-
lichen Eigenschaften, hinten die neuen: so in der Zeichnung der Echsen,
der Raubvögel, der Papilioniden u. A. In der Skulptur der Ammoniten-
und der Schneckenschalen linden sich die alten J^genschaften an den
ursprünglichsten Windungen, die neuen an den letzten.
Ganz entsprechende Beispiele lassen sich für die Pflanzen in Be-
ziehung auf die Blätterfolge beibringen.
Eine zweite wichtige Ursache der Trennung der Organismenkette in
Arten ist die
2. sprun g weise Entwickel iing oder Halmatogenesis, durch
die plötzlich, ohne Vermittelung auftretende Entstehung von neuen Eigen-
schaften oder, wenn eine ganze Summe solcher neuer Eigenschaften auf-
tritt, durch plötzliche Entstehung von neuen Formen, welche von der
Stammform sehr abweichen. In welchem Maße hier unmittelbare äußere
Einwirkungen veranlassend sind, beweisen zahlreiche Thatsochen , wie
die plötzlichen, kaleidoskopischen Umbildungen der Zeichnung und
Färbung der Schmetterlinge durch Einwirkung von Wärme oder Kälte
während der Entwickelung (dahin auch der Horadimorphismus oder die
Jahreszeitenabartung), die plötzlichen Undiildungen durch Ernährung oder
allgemeine äußere Lebensbedingungen, wie sie für die Entstehung des
Amblijstoma maßgebend sind. Auch die Umgestaltung der Artemia salina
in Branchipus (Schm.vnkewitsch) bietet plötzliche stufenweise Umbildungen
dar. Überall erscheint hier die Gorrelation als eine der wichtigsten
Ursachen der Uml>ildung der Formen ').
Daß die räumliche Trennung Einfluß auf die Entstehung der
Arten hat, ergiebt sich aus meiner Lehre von der genepistatischen Art-
bildung und von der Beeinflussung der Transmutation durch äußere
Einwirkuneen von selbst.
Äußere F^inflüsse werden umsomehr artbiidend oder die Artbildung
fördernd auf genepistatisch sich scheidende Formen wirken können, je
entschiedener räumliche Trennung die werdende Art von der Stamraart
entfernt hält und geschlechtliche Mischung hindert. Aber eine unmittel-
bare, selbständige Bedeutung für die Artbildung kann räumlicher Trennung
nicht zukommen.
Artbildung kann, wie schon hervorgehoben, auch innerhalb des
Verbreitungsgebietes der Stammform vorkommen und allein durch Gen-
epistase bedingt sein. Besonders wichtig ist aber für die Artbildung
ohne räumliche Trennung :
3. die Befruchtungsverhinderung, Kyesamechanie'i, die
bei einer Anzahl von Einzelwesen durch morphologische oder physiologi-
1 Von der hier maßgebenden kaleidoskopischen Korrelation ist die
funktionelle oder CuviEu'sche Korrelation zu unterscheiden, ^velche auf den Ge-
brauch der Teile zurückzuführen ist.
-, Von y.vTjais Befruchtung und (\i(7]%c<i'if! Unvermögen.
über bestimmt gerichtete Entvvickelung lOrttiogenesis) bei der Artbildung. 25
sehe Veränderung an Samen oder Ei oder an beiden oder wegen Ver-
schiebung der Reifezeit derselben erfolgende Unmöglichkeit der Befruch-
tung solcher Einzelwesen mit anderen, während sie unter sich möelich
ist. Derartige Veränderung wird besonders korrelativ, durch mittelbaren
Einfluß auf die GeschlechtsvAerkzeuge eintreten können.
Ich habe auf die Befruchtungsverhinderung schon seit 18741) [iJq_
gewiesen. G. .). Uoma.nes kam später (1886) ebenfalls auf den Gedanken
und stellte die Befruchtungs Verhinderung unter dem Namen: physiological
selection der Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl gegen-
über -].
Endlich ist es ganz besonders die Thätigkeit, der fortgesetzte
Gebrauch bestimmter Organe, was Artbildung fordert und bedingt und
auch der Kreuzung kann dieselbe Rolle zufallen, während sie anderer-
seits wieder ausgleichend wirkt und Artbildung verhindert.
Dagegen giebt es eine Entstehung der Arten durch natür-
liehe Zuchtwahl nicht, sondern nur eine Erhaltung schon
vorhandener Arten durch natürliche Zuchtwahl.
Damit erkenne ich aber den einen Teil der DARWix'schen Auffassungen
durchaus an. Denn der Inhalt derselben ist in der Aufschrift des DxRwrx-
schen Buches von der Entstehung der Arten bezeichnet: Über die Ent-
stehung der Arten im Tier- und Pllanzenreich durch natürliche Zuchtwahl
oder Erhaltung der vollkommensten Rassen im Kampf ums
Dasein.
Beweisführung.
Die Beweise für meine hiermit ausgesprochenen Auffassungen ent-
nehme ich heute den Thatsachen, welche mir meine Untersuchungen
über die Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen an die
Hand geben, und zwar dem soeben erschienenen zweiten Teil dieses
Werkes, die schwalbenschwauzähnlichen Formen enthaltend.
Unter diesen Schwalbenschwänzen unterscheide ich drei Gruppen:
die Turnus-, die Machaon- und die Asterias-Gruppe. Dieselben enthalten
meist Amerikaner, und zwar vorzugsweise Nordamerikaner. Nur Alexanor
1 Zuerst in: Zoologische Studien auf Capri. II Lacerta muralis coerulea, Leipzig
Engelniann i874 S. 45. Sodann Zoolog. Unters, mit bes. Berücks. d. Biologie, I üb.
Bau u. Bewegung d. Samenfaden. Würzb. Stahel 1874 S. 42 u. Würzb. Verh. dSTA.
Yariiren d. Mauereidechse 1S8I S. -261. Entstehung d. Arten I S. 43.
Es handelt sich bei der Befruchtungsverhinderung nach meiner Ansicht: 1. um
mechanische Ursachen, und zwar (abgesehen von solchen, welche etwa vom groben
Baue der Geschlechtsorgane abhängen a um Größe der Samenfäden, bezw. Weite
der Einlaßkanäle des Eies oder größere oder geringere Festigkeit der Eihaut, h) um
die größere oder geringere Kraft und die Art der Bewegung der Samenfäden, welche
letztere nach meinen Beobachtungen bei den Wirbeltieren nach Maßgabe der Schrauben-
bewegung, meist unter Drehung erfolgt. Gerade die Samenfäden sind in Gestalt und
Bewegung zuweilen auch bei sehr verwandten Formen sehr verschieden. 2. um physi-
kalisch-chemische Unterschiede in der Zusammensetzung von Samen und Ei.
-, Journal of the Linnean Society. Zoology, London 1886.
26 Vortrag.
aus der Turnus-Gruppe kommt in Europa und Asien vor, die Machaon-
Gruppe hat ihre Vertretung in Europa, Nordamerika, Asien und Afrika.
Alle drei leben übrigens in zusammenhängenden Verbreitungsgebieten
und hängen auch verwandtschaftlich unmittelbar zusammen. Der nord-
amerikanische, der Turnus-Gruppe angehörige Papilio Eurymedon oder
eine ihm ähnliche Stammform derselben Gruppe bildet den Ausgangspunkt
für alle anderen und schließt dieselben zugleich an die Segelfalter an.
Die verwandtschaftlichen Beziehungen werden zwar vorzugsweise aus der
Zeichnung erschlossen, aber alle übrigen Eigenschaften schließen sich dieser
an; die Aderung erscheint für dieselbe nicht durchaus maßgebend. Man
erkennt an Zeichnung, Färbung und Gestalt sofort, daß die Verwandtschaft
mit der geographischen Verbreitung in Übereinstimmung steht, dergestalt,
daß die Formen Schritt für Schritt weiter weg vom Sitz der Stammformen
entfernter verwandte Abarten oder Arten darstellen. Wie ich schon für
die Seselfalter nachgewiesen hatte, so läßt sich auch für die Schwalben-
schwänze durch einen Blick auf die jenem Werke beigegebenen Tafeln
erkennen, daß Abänderungen der Einzeltiere in benachbarten
Gebieten in Abarten, in noch entfernteren aber in Arten
übergehen. Jene Abbildungen der Schw-albenschwänze zeigen ferner,
daß überall bestimmte En twickelunssrichtunge n für die Um-
bilduns maßgebend sind. Durch sie entstehen zuerst individuelle Ab-
änderungen an Einzeltieren einer Art (Abartungen, aberrationes), dann
Abarten (varietates), endlichArten (species). Alle diese zur Entstehung
von Abartungen, Abarten undArten führenden Entwickelungs-
richtungen aber haben mitEntstehung durch natürliche Zucht-
wahl, auch mit e eschlecht lieh er Zuchtwahl, nichts zu thun:
die neuen Formen entstehen ohne jede Beziehung zum Nutzen, jede neue
Falterform zeigt für sich die vollkommene Ohnmacht der Natur-
züchtung. Dagegen ergiebt sich schon aus den Thatsachen der geo-
graphischen Verbreitung in Beziehung zur Verwandtschaft auf das deut-
lichste, daß äußere, besonders klimatische Verhältnisse bei der Artbildung
mit maßgebend gewesen sein müssen. Dies wird bewiesen durch die
Thatsache, daß künstliehe Temperatureinwirkungen ganz die gleichen
Entwickelungsriehtungen , bezw. Abändertingen derselben bedingen,
wie diejenigen sind, welche die nämlichen Falter nach ihrer geo-
graphischen Verbreitung zeigen. Dies haben in letzter Zeit insbesondere
eben die Versuche von Standfuss gezeigt, welcher z. B. durch Wärme-
einwirkung auf die Puppen von Papilio Machaon aus Zürich Falter erzeugt
hat, wie sie im August in Syrien fliegen. Dabei entsprechen nicht nur
die Veränderungen der Eigenschaften von Färbung und Zeichnung, son-
dern auch die der Gestalt, wie sie durch Wärmeeinfluß auf die Puppen
hervorgerufen werden, den südlichen Formen.
Einen weiteren Beweis für die Richtigkeit meiner Auffassung liefern
ferner die Thatsachen der Jahreszeitenabartung und zwar erstens
dahin, daß überall die Sommerformen den künstlich durch
Wärme erzeugten Formen entsprechen, und zweitens dahin.
über bestimmt gerichtete Entwickelung Orthogenesis) bei der Artbildung. 27
daß die E i g e n s c h a f t e n der S o m m e r f o r in e n mehr nördlich
lebender Arten den Artmerkmalen verwandter im Süden
lebender Falter gleich oder nahestehend sind^).
Die Versuche von Standflss, Merrifield und Fischer, sowie die
Thatsachen, welche die Jahreszeitenabartung an die Hand giebt, zeigen,
daß die von Herrn Weismanx aufgestellte Erklärung der Entstehung von
Vanessa Levana als Rückschlag ungiltig ist-), ebenso die von derselben
Seite versuchte Erklärung der Entstehung der dunklen Form von Polyom-
malus Phlaeas und daß es sich in den Folgen der Einwirkung von Wärme
und Licht auf die Falter einfach handelt um Vererbung erworbener
Eigenschaften, was durch jene Erklärungea zurückgewiesen werden
sollte.
»Auf den hier vorliegenden Tafeln meiner Schmetterlinge ist die
Artbilduno;, sind die Gesetze der Entwickelungslehre von den Flügeln
der Falter abzulesen. Die Zeichnungen und Farben derselben sind ebenso-
viele Buchstaben, welche eine so klare und eindringliche Sprache reden,
daß Niemand, der die Wahrheit sehen will, sie mißverstehen kann. Wie
die Blätter eines otfenen Buches stellen uns diese SchriftzQge auf den
Flügeln unserer Falter Gewordensein und Werden dar«.
»Hier auf den Gesetzestafeln, welche die lebende Natur uns an die
Hand giebt. steht die Wahrheit der Entwickelungslehre geschrieben,
nicht in den Schriften von Naturphilosophen, welche ohne alle Rücksicht
auf Thatsachen Entwickelungsphantasien träumen und dieselben in un-
verdrossener Fruchtbarkeit unter eine gläubige Menge ausschütten. Nicht
erdachte Hypothese ist Naturforschung. Nur dann hat die Hypothese in
dieser ein Recht, wenn sie auf Thatsachen sich aufbaut. Wer Thatsachen
mißachtet, ist kein Naturforscher« sagte ich im Vorwort zu den JiSchwalben-
schwänzen«.
Es lehrt diese Buchstabenschrift auf das Überzeugendste und Un-
angreifbarste. wie eine Art in die andere übergeht und wie die
Arten sich trennen. Nirgends ist bisher die^ thatsächliche Entstehung
von Arten und der Zusammenhang einer Kette von Arten gezeigt und
bewiesen worden wie hier.
Betrachten wir die Thatsachen näher.
Im ersten Teil meiner »Artbildung und Verwandtschaft bei den
Schmetterlingen«, in der Abhandlung über die segelfalterähnlichenPapilioni-
den, habe ich diese abgeleitet von Formen, welche elf Längsstreifen auf
den Flügeln gehabt haben, wie sie heute noch einigen Arten, wie P.
Alehion^ Paphus, Glycen'on zukommen. Diese längsgestreiften 3] Falter
1 Man vergleiclie liierzu Ijesonders auch den I. Teil meiner »Schmetterlinge«,
die Segelfalterähnlicben.
-; Man vergleiclie die spätere Darlegung.
3; Man hat mir von verschiedenen Seiten entgegengehalten, daß das, was icli als
Längsstreifung der Schmetterlinge bezeichne, ja doch eine Querstreifung der Flügel
sei. Das ist ganz richtig, eben wenn man von der Zeichnung eines einzelnen
Flügels redet. Ich spreche aber von der Zeichnung des ganzen Schmetterlings, seines
28
Vortrag.
gel)en aber, wie ich mich immer mehr überzeugt habe, die Grundform
der Zeiclmung der Tagfalter überhaupt wieder. Teilweises oder gänz-
liches Schwinden, Ver])reiterung und Ver-
schmelzen der Grundbinden bedingen die Bil-
dung der Kennzeichen von Abartungen, Abarten,
Gattungen und Familien. Aus Umbildungen
der Grundl>inden und der Zwischenräume der-
selben gehen auch die Augen flecke hervor.
Schon bei den meisten Segelfaltern sind
von den elf Binden einige geschwunden oder
in der Richtung von hinten nach vorne ver-
kürzt. Ähnlich ist es bei den Schwalben-
schwänzen, welche ihnen zunächst stehen.
Ich gebe hier eine Abbildung von Alebion
von der Oberseite') mit den elf Grundbinden
und deren Bezeichnung durch die Zahlen wie-
der, welche ich in meiner »Artbildung und
Verwandtschaft bei den Schmetterlini^en« über-
all angewendet habe und welche ich auch im
Folgenden der Beschreibung zu Grunde legen
werde — denn es kann
Abb. 1. Pupilio Alibion Guay.
jegliche
Zeichnung
der Tagfalter auf sie und auf Schwarzfärbung
der
zurückgeführt werden.
i^D-
Adern
Auch die folgenden Abbildungen von
Schwalbenschwänzen sind meiner »Artbil-
dung« entnommen. Der Beschreibung sind
am Fuße Zahlen in Klammern beigefügt, welche
auf die für das volle Verständnis notwendigen
farbigen Abbildungenjenes Werkes hinweisen.
DieForm der Schwalbenschwänze, welche
unter den lebenden der Ausgangsform dei'-
Körpers und seiner zwei Flügel jederseits, je des
vorderen und des hinteren als zusammengehöriger
Teile eines Ganzen. Daß die Flügel das letztere in
Beziehung auf die Zeichnung sind, beweist der Zu-
sammenhang der Zeichnung vorn und hinten bei
der .Stellung, welche die Flügel in ausgebreitetem
Zustande einnehmen und wobei die Zeichnung und
Farbe soweit fehlt, als die Hinterflügel von den
Vorderflügeln bedeckt sind. Desgleichen erweist
sich jener Zusammenhanji durch die Art der Um-
bildung ,bezw. Schwinden, der Zeichnung in der
Richtung von hinten nach vorn, von den Hinter-
flügeln auf die Vorderflügel, d. i. durch die Gültig-
keit von allgemeinen Zeichnungsgesetzen auch bei dieser Umbildung. Man vergleiche
des Näheren hierzu meine »Artbildung« H S. 48. 49.
' In den folgenden Abbildungen bezieht sich der linke Flügel immer auf die
Oberseite, der rechte auf die Unterseite.
Abb. 2. P. Eurijmedon Boisu.
über bestimmt berichtete Entwickelung lOrthogenesis bei der Artbildung.
29
selben am nächsten stehen dürfte und welche sich am nächsten an die
Segelfalter anschließt, Pupilio Eurymedon Abb. 2 , hat nur noch sieben
Längsstreifen; die übrigen sind teilweise geschwunden, teilweise seitlich
verschmolzen. Sie schwinden, wie bei den Seglern,
auf Grund der Orthogenesis. bei nachfolgenden
Arten in der Richtung von hinten nach vorn, nach
Maßgabe der postero-anterioren Entwickelung
[Papilio Turnus, P. Alexauoi-, P. Machaon).
Bei P. Alexanor sind, wie beifolgende Abbil-
dung zeigt, noch sieben Streifen, ganz oder teil-
weise, vorhanden (I, II, III, V/VI, VII VIII, IX,
XI), V/VI liegt hier, wie auch sonst stets, auf den
Vorderflügeln auf der äußern Grenze der Mittel-
zelle. IX bildet mit XI einen Winkel, ist auf der
Unterseite häufig schwarz-weiß-roth oder schwarz-
weiß-gelb gefärbt Prachtbiiide< ;. C auf der äuße-
ren Grenze der Mittel zelle der Hiuterflügel ist, wie
V/VI, auch in anderen Familien, z. B. Pieriden, eine
sehr wichtige Zeichnung, ursprünglich wohl ein
Bestandteil von VII/VIII, welcher bei einzelnen
Segelfaltern in Andeutuns;, bei Schwalbenschwän-
zen aber ausgesprochen als » C- Zeichnung < wieder auftritt.
Die weiteren Umbildungen der Binden der Schwalbenschwänze zeigen
den Ausdruck des allgemeinen Zeichnungsgesetzes
darin, daß sie durch Verkürzung und seitliche
Verschmelzung zunächst eine Fleckenzeichnung
darbieten, wie P. Machaon in Europa und Nord-
afrika'i, sodann, indem die Queradern sich
schwarz färben, den Beginn einer Querstreifung,
(andere Machaon), welche noch durch weitere
Mittel zu einer vollkommenen wird, wie bei P.
Xuthus und Xuthulus'^j: es tritt nämlich hier auf
beiden Seiten der Flügel auch in der vorderen
Mittelzelle eine Querstreifung auf [a Abb. o).
Bei P. JJospüon lAhh. 7 ist ein Anfang dieser
neuen Zeichnung vorhanden.
Endlich entsteht Einfarbig keit dadurch,
daß in ganz gesetzmäßiger Weise Schwarzfärbung,
welche am inneren Flügelwinkel bei Machaon
Abb. 3.
Papilio Alexanor
Esp. Q.
begonnen hat, nach außen über die Flügel sich
Abb. 4. Papilio Machaon
himacitlatiis m.
verbreitet und schließlich die ganze Fläche der-
selben bis auf wenige Randflecke einnimmt f^stenos -Gruppe Abb. 6 -^ .
Damit haben wir eine Vereinfachung in der Zeichnung und Fär-
bung der höheren Formen, nicht eine Vervollkommnung, wie sie Nägeli's
1 Taf. VI Fig. 8.1
(Taf. VI Fig. 9 und 40.)
3, (Taf. YII und VIII. ;
30
Vortrag.
Lehre und wie sie die geschlechtliehe Zuchtwahl verlangen würde;
das-
selbe gilt für die Schwänze der Hinterllügel , welche bei den höheren
Formen nicht verlängert, sondern verkürzt
werden. Beides gilt ebenso für die Segelfalter.
Die geschilderten Entwickelungsrichtun-
gen der Zeichnung aber zeigen somit in ihrer
Gesetzmäßigkeit im Einzelnen Verhältnisse,
welche auch bei mit den Schmetterlingen
nicht verwandten Tieren, so bei Säu-
gar
Abb. 5. Papilio Xnthiis L. (Unterseite).
gern, Vögeln, Eidechsen, Mollusken u. s. w.
maßgebend sind.
Die allmähliche Umbildung der Zeichnung
geschieht also, wie die Abbildungen, beson-
ders die meiner Tafeln lehren, zum wichtig-
sten Teil durch Schwinden, durch Verkürzung
und durch seitliches Verschmelzen von Bin-
den, wobei in der Regel die obere Seite
der unteren vorangeht, so daß die letztere
meist noch ursprünglichere Verhältnisse be-
w^ahrt — gerade umgekehrt wie es die An-
passungslehre für die Tagfalter verlangt.
Dazu treten neue eUinzende Farben und
.Farbenzeichnungen, Zierden, meistens zuerst
wieder auf der Oberfläche auf, wie die glän-
zend blaue innere Randbinde, welche zugleich,
entsprechend der postero-anterioren Entwicke-
lung, zuerst hinten entsteht, auf den Hinter-
flügeln sich ausbildet und von da nach vorne
rückt [P. Turnus^ Taf. V, Machaon i), Aslen'as-
Gruppe^). Wenn aber diese Binde unten
ausgesprochener und schöner ist als oben, so
ist sie dort erst nachträglich entstanden und
oben schon im Schwinden begriffen oder
geschwunden (P. TroiluS'^], Palamedes^].
Am inneren Winkel der Hinterflügel bildet
sich ebenso wie bei den Segelfaltern als
Zierde das Afterauge aus und zwar aus Teilen
der Randbinden , wie die Vergleichung des
ursprünglicher bleibenden Zustandes der
Unterseite oft zeigt, z. B. Papilio Hospiton (vgl.
Abb. 7 bei o außerhalb der Abbildung)^).
Sehr bemerkenswert ist die ganz allmählich und gesetzmäßig aus
einem Stück schwarzer Binde hervorgehende Entstehung eines schwarzen
Abi). 6. Papilio Asttrias Ckam. £.'.
'; (Taf. VI.] 2) (Taf. VII.;
und 4 u. a.) ä)" (Taf. VI Fig. 6.
Taf. VIII Fig. 2.
4j (Ebenda Fig. 3
über bestimmt gerichtete Entwickelung
Orthogenesis) bei der
Artbildung.
31
Kerns in dem oranienroten Afterauge besonders bei den Machaon und
Asterias. Während so die Oberseite meist der Unterseite in der Fort-
bildung vorangeht, kommt auch das Umgekehrte
vor, so z. B. in der Entstehung oranienroter Flecke,
welche wiederum zuerst am hinteren Teil der
Hinterflügel innerhalb der innersten schwarzen
Randbinde in den Flügelzellen auf der Unterseite
entstehen'), so bei P. Machaon^ ferner bei P. Hos-
piton [o Abb. 1)-:, dann bei P. Turnus, Daunus
(Stelle der vier inneren o auf den' Hinterflügeln
Abb. 8)3] und welche allmählich an Kraft der Farbe
und an Größe zunehmen, um sich zuletzt über die
Flügelzellen der Yorderflügel zu verbreiten [P.
brevicauda, P. Americits, P. Hellanichus)^), bei letz-
terem Falter sind sie auch auf der Oberseite vor-
handen, ebenso bei Calverleyi (o auf dem Hinterilügel
und entsprechende benachbarte Flecke Abb. 9) ^].
Für P. Tur-
(t^ nus ist bemer-
kenswert , daß
diese Flecke zuerst kräftiger beim
Weib erscheinen 6). Bei P.' Batrdii
ist es umgekehrt^).
Abb. 7. Papilio Hospiton
Gene. Unterseite.
[Die drei o auf dem Hinter-
flügel bedeuten die Stellen,
wo oranienruta (rotgelbe)
Flecke liegen.]
Abb. 8. Papilio Daunus Boisd. (5;
Unterseite.
[Die vier o innen auf den Hinterflügeln bedeu-
ten die Stellen, wo oranienrote Flecke liegen.]
Abb. 9. Papilio Asterias var. Calverleyi
Grote.
[o zwei Keihen rotgelber Flecke.
a Kern des Afterauges.]
1) Taf. V, VI.
fi Taf. Y Fi2. -2.
2' Taf. VI.)
(Taf. VII.)
(Taf. V,
4) (Taf. VII.
5; Taf. YIII.)
32
Vortras.
Ebenso treten in den schwefelgelben Flecken der äußern Randbinde
zuerst unten oranienrote Tupfen aui' [Turnus]. Dieselben finden sich l)ei
den höheren Formen nur noch in den vordem Flügelzellen, sind in den
(zwei) hinteren (Abb. 9) geschwunden I P. Astevioides und Asterias)^,.
Der vorderste dieser Flecke überträgt sich bei Turnus auf die Oberseite
(vgl. Abb. iO das vordere o), ebenso bei Troilus'^], und ebenda und an-
deutungsweise in den übrigen Zellen der Hinterflügel, sowie in der
hintersten der Vorderjlügel erscheint solche Färbung auch bei P. Machaon
asiatica'^) und diese Färbung ist es, welche ül)erall das Oranienrot des
Afteraugenflecks in der innersten Zelle der Hinterllügel herstellt z. B. o
bei Turnus Glaucus O, Abb. 19, n bei Papüio Bairdii (j^. Abb. 15).
/ i7/az
Alib. 10. Papilio Turnus L. Q.
Ablj. 11. PiipiUo Xnthus L. (Oberseite).
Eine sehr merkwürdise Entwickelunesrichtune in der Umbilduns; der
Zeichnung zeigt sich noch darin, daß zuerst bei den Machaon und zwar
auf der Unterseite Andeutung jener Streifung der Mittelzelle der Vor-
derflüsel vorkommt, welche bei Xuthus und Xuthulus weiter ausgebildet
und auf beiden Seiten vorhanden zu einem hervorragenden Artmerkmal
geworden ist (vgl. P. Hospiton Abb. 7, P. Xuthus Abb. o und flippo-
crates)-^]. ferner P. Machaon aestäms.
Zahlreiche andere solche gesetzmäßig vor sich gehende Umbildun-
gen von Zeichnung und Farbe ließen sich noch aufführen.
Statt dessen wollen wir nun einige neu auftretende Eigen-
schaften an unseren Schwall)enschwänzen in"s Au^e fassen.
V (Taf. VII.
iTaf. VlII Fig. 2.,
3] iTaf. VI Fig.
4 Taf. VI.)
über bestimmt gerichtete Entwickeliing Orthogenesis) bei der Artbildung. 33
Solche neue Eigenschaften entstehen, wie ich schon für die Segel-
falter nachgewiesen habe, mit unscheinbarsten, zuerst kaum sichtbaren
Anfängen. Sie entstehen ebenso wie alle übrigen Abänderungen zuerst
nur bei einzelnen Faltern einer Art als Abartungen (aberrationes , treten
dann als Merkmale von Abarten (variationes und zuletzt von Arten
species) auf.
In dieser Weise erscheinen gewisse schwarze Pünktchen bei den
Schwalbenschwänzen in Zellen der Vorderflügel teils erst als Merkmale
von Abartungen, teils schon als solche von Arten.
So findet sich bei Machaon in der Gabelzelle meist beiderseits, stets
aber oben, ein schwarzer Punkt oder Fleck, der ebenso bei Xuthus und
Xuthulus und bei mehreren Gliedern der /Isferm^-Gruppe vorhanden und
Artmerkmal geworden ist vgl. P. Hospiton, Abb. 7 bei G, P. Machaon
bimaculatus^ Abb. 4, P. Xuthus, Abb. 11, P. Bairdii r^, Abb. 15'. Bei
P. Turnus Q und bei P. Alexanor u. a. liegt an seiner Stelle ein nach
außen vorragender Teil der Binde IV \\ aus welchem er wohl entstanden
ist. Bei manchen Machaon (z. B. Hospiton] bekommt der schwarze Fleck,
als neue Eigenschaft, in der Mitte eine helle Stelle (vgl. die Abbildung).
So findet sich in der hinter der Gabelzelle gelegenen Zelle (erste
Seitenrandzelle im hellen Binnenraum derselben zuweifen ein sehr kleines,
aber scharf gezeichnetes Pünktchen bei einzelnen unserer einheimischen
P. Machaon (vgl. P. M. bimaculatus Abb. 4 . Ebenso findet es sich bei
einem Falter von Allahabad 2. Bei P. Xuthus vgl. Abb. II ist es auf
der Oberseite stets vorhanden, selten nur als kleiner Querstrich: meist
ist es zu einem großen eirunden Fleck geworden : aus der bei Machaon
als Aberrationserscheinung auftretenden Zeichnung ward es hier zum
ausgezeichneten Artmerkmal.
Neu ist das Auftreten einer schwarzen äußeren Begrenzung der
Mittelzelle der Hinterflügel, welche auf der Unterseite bei den Turnus
die ganze äußere Umgrenzung betrifft, auf der Oberseite nur als mehr
oder w"eniger kurzer schwarzer Strich erscheint: die von mir sogenannte
C- Zeichnung — sehr auffallend z. B. bei P. Turnus O (Abb. 10 C),
Daunus (f (Abb. 8 , Pilumnus, vor allem bei Alexanor Abb. 3 C]. Bei Daunus
Q. ist sie nur unten vorhanden ; bei den meisten P. Machaon ist auch auf
der Oberseite die ganze Begrenzung der Mittelzelle schwarz, ebenso bei
den meisten Asterias^).
Eine neue Eigenschaft ist auch der schwarze Kern im Afteraugen-
fleck, wie er ausgesprochen schon bei manchen Gliedern der Machaon-
1 In dem im »Compte-Rendu« gedruckten Vortrag S. 163 heißt es fälschlich
>Binde V/Vl«.
- Man vergl. für Madtaon Abbildung A auf S. 26 meiner »Schwalbenschwänze«.
3 Farbige und zwar rote Umgrenzung des äußeren Winkels der Mittelzelle der
Hinterflügel trat schon unter den Segelfaltern bei P. Protesilaus i>Segelfalter« Taf. I Fig. ö
auf, ohne aber dort weiter Bedeutung zu erlangen. Übrigens wurde schon hervor-
gehoben, daß es sich in der C- Zeichnung wahrscheinlich um Wiederauftreten Rück-
schlag eines Stückes der Binde YII/VlII handelt.
Eimer, Orthogenesis. 3
34
Vortrag.
Abb. 12. Pupilio
Machaon asiatica
Gruppe, z. B. P. Zolicaon und P. Machaon var. oregonia, sodann bei den
Asierias vorbanden ist und dessen Entstehung aus einem Stück Rand-
binde bereits erwähnt wurde. Man erkennt die erste Stufe dieser Ent-
stehung auf der folgenden Abbildung 19 von P. Turnus Glaucus Q
oberhalb des Buchstabens g, bei P. Machaon asiatica
(Abb. 12j bei a und bei P. Palamedes (;f (Abb. 13) (Unter-
seite). Eine weiter fortgeschrittene Stufe sieht man bei
P. Bairdii (;f (Abb. 15) rechts oben von a. Vollendet, d. h.
vollkommen abgeschnürt ist der Kern des Afteraugen-
flecks sodann bei P. Bairdii Q (Abb. 1 8), P. asterioides cf
(Abb. 16 beidemale bei a), P. Xuthus (Abb. 11) u. a.
Eine neue, die meisten Schwalbenschwänze im wei-
teren Sinne kennzeichnende und hervorragende Eigenschaft
ist endlich die blaue Randbinde, deren blaue Flecke in verschiedenen
der beifolgenden Abbildungen {P. Bairdii, Turnus Glaucus Q , Pahwiedes,
Daunus , Ästerias) mit b bezeichnet sind.
Es erscheint also ein Teil dieser zuletzt als
neue Artkennzeichen auftretenden neuen Eigen-
schaften ebenfalls als Umbildung von alten, ein
anderer ist ganz neu.
Diese neuen Eigenschaften, die kleinsten zu-
erst , auftretenden Pünktchen und Striche kann
man sehen in ihrer ersten Entstehung, kann man
verfolgen in ihrer Entwickelung aus fast unbe-
merkbaren nur hie und da an Einzeltieren 'einer
Art auftretenden Zeichnungen zu beständigen
Kennzeichen einer anderen Art. Die Iden und
Determinanten des Herrn Weismann kann man
nicht sehen. Man kann an jenen unscheinbaren
Pünktchen sehen, ganz unwiderleglich sehen, wie
die Transmutation und die Entstehung der Arten
im vollsten Gegensatz zu jener Determinanten-
lehre sich gestaltet. Dasselbe zeigen alle Umbildungen von bestehenden
Eigenschaften, welche zur Herstellung neuer Artmerkmale führen: die
Entstehung und die Ausbildung neuer Eigenschaften, die Transmutation
und die Artentstehung geschehen gesetzmäßig nach wenigen ganz be-
stimmten Richtungen ohne jedes »Oscillieren«, ohne jede Beziehung zum
Nutzen, sie beweisen, wie üesaet, auf diesem Gebiete die vollkommene
Ohnmacht der Natur Züchtung.
Es ist auf meinen Tafeln abzulesen, wie die sämmtlichen Eigen-
schaften der Abarten und Arten der schwalbenschwanz-
artigen Schmetterlinge durch Orthogenesis aus einander ent-
standen sind. Eine jede Abart oder Art ist gekennzeichnet durch eine
bestimmte Summe von orthogenetisch aus unscheinbarsten Anfängen
entstandenen Eigenschaften, welche auf Grund einerseits von Hetere-
pistase, andererseits von Homöogenesis, endlich infolge von Hal-
Abb. 13. Papilio Palamedes
Dru. (5.
Hmterflügel, Unterseite.
Ir braunrot, b blau (blaue
Kandbinde).
über bestimmt gerichtete Entwickelung Orthogenesis) bei der Artbildung. 35
matogenesis bald so, bald so ausgebildet und zusammengefügt sind
und deren Gesammtheit zeigt, daß die Entstehung der Arten eben wesent-
lich auf Stehenbleiben auf verschiedenen Stufen der Entwickelung, auf
Genepistase beruht, indem die eine Art immer eine Stufe
höherer Ausbildung von Eigenschaften gegenüber der andern
darstellt.
Daß dabei Nutzen ganz außer Spiel bleibt, ergiebt sich nicht nur
aus der Beschaffenheit der maßgebenden Eigenschaften an sich, sondern
besonders auch daraus, daß 1) die verschiedenen Stufen dieser Eigen-
schaften, nur in verschiedener Ausbildung Und Anordnung, an den
verschiedenen Arten einer und derselben phylogenetischen Reihe vor-
kommen. 2) Daß sie ebenso in verschiedenen nebeneinander liegenden
Ketten von Arten maßgebend sind. 3i Daß sie nebeneinander, nur in
verschiedener Entwickelung auch bei verschiedenen Geschlechtern
vorkommen. 4] Daß sie in derselben Ausbildung bei den verschiedenen
Arten einer phylogenetischen Reihe vorkommen — abgesehen davon, daß
sie 5) mit den unscheinbarsten Anfängen überall auftreten und in
unscheinbarer Ausbildung als Artmerkmale sich erhalten und wieder
schwinden können, und 6 daß vollkommene Rückbildung aller so ent-
standenen Eigenschaften oder Verdecktwerden derselben durch Schwarz-
färbung, also vollkommene Vereinfachung auftreten kann.
Die Bedeutung der Heterepistase für die Entstehung der Arten
springt an der Hand meiner Abbildungen überall in die Augen und will
ich nur einiges besonders Auffallende mit Bezug darauf hervorheben.
Bei den Machaon ist für die Gruppe die einheitliche Schwarzfärbung
der Vorderflügelwurzel auf der Oberseite kennzeichnend geworden. Bei
Xifthus und Xuthulus ist diese Eigenschaft nicht ausgebildet, dagegen
die Streifung der Mittelzelle der Vorderflügel, welche nur bei einigen
Machaon in den Anfängen angedeutet ist und hier nicht zu weiterer Aus-
bildung kommt. Hellanichus bekommt einen ganz besonderen Charakter
durch das Übertreten der oranienroten Farbenflecke von der Unterseite
der Flügel auf die Oberseite. Die Turnus haben viel von der ursprüng-
lichen Zeichnung verloren in dem Sinne, daß die ursprünglichen Längs-
streifen nicht nur von hinten nach vorn verkürzt, sondern auch ver-
schmälert wurden. Besonders die in der Umbildung sehr vorgeschrit-
tenen Männchen dieser Falter ') sind auf diese Weise sehr hell geworden.
Auch bei Machaon sind die Längsstreifen von hinten nach vorn ge-
schwunden, aber hier ist schwarze Färbung der Queradern einge-
treten.
Die Verbreiterung der Streifenreste der Vorderflügel und die Schwarz-
färbung der Wurzel derselben auf der Oberseite durch Verschmelzung
von Längsstreifen bedeutet eine den Verhältnissen bei Turnus entgegen-
gesetzte Entwickelungsrichtung.
Diese letztere Entwickelungsrichtung, das Auftreten gleichmäßiger
1) »Artbildung« Taf. V Fig. I und 6.
3*
36
Vortrag.
Schwarzfärbung der Wurzeln der Vorderflügel, welche schon bei den
Machaon auch auf die Hinterüügel sich zu erstrecken beginnt, verbreitet
JJ/m
Schwarz färbung
entgegen.
schreitende Schwarzfärbung
sich bei den Asterias auf beiden Flügeln
weiter und führt in der Js/mas-Gruppe
der Einfarbigkeit, bezw. vollkommener
Diese fort-
bietet nun mit
zwei Fällen von sprungweiser Ent-
wickelung ( Halmatogen esis] zugleich
hervorragende Beispiele von unabhängi-
gerEntwickelungsgleichheit,Homöo-
genesis und von weiblicher Prä-
ponderanz dar, während sonst gewöhnlich
die männliche Präponderanz maßgebend
ist. Dieselbe ist nämlich bei Bairdii §
and bei Turnus var. Glauctis Q plötz-
lich so w-eit vorgeschritten, daß sie sich
über die ganzen Flügel mit Ausnahme
erstreckt,
weniger
Flecke
während das
gewöhnliche Weibchen von
schwefelgelbe
Abi). 14. Pupilio Turnus L. 5-'.
Turnus ganz
Grundfarbe hat wie das
Männchen, und während bei den Männchen
von Bairdii die Schwarzfärbung nur etwas
weiter aasgebreitet ist als bei Machaon.
Was sich nun bei Bairdii Q und Turnus
Glaucus sprung-
w^eise mit ei-
nem Male und
nur beim Weib
ausgebildet hat,
geschah, bei Ma-
chaon anfangend,
in der Asterias-
Gruppe bei bei-
den Geschlechtern
allmählich: die
Schwarzfärbung
verbreitete sich
hier von Art zu
Art immer w-eiter
von den Flügel-
wurzeln aus über
die Flügel und
ließ zuletzt nur Fleckenreihen der Grundfarbe übrig — dieselben, welche
bei Bairdii Q übrig bleiben, während bei Turnus Glaucus auch diese
verloren gegangen sind.
Abb. 15. Papülo Bairdii Edw. rj
Abb. lö. Pupilio ustcrioiihs
Eeak. Q.
b und die 3 in den näcbst-
oberen Flügelzellen gelegenen
Flecke sind blau (blaue Eand-
binde).
über bestimmt gerichtete Entwickelung Ortliogenesis) bei der Artbildung. 37
Die in Abb. 1 4 bis 1 9 abgebildeten Falter zeigen sonach eine Reihe
verschiedener Stufen gesetzmäßiger Umbildung der Arten unserer Falter-
Gruppe und zwar ein Fortschreiten
nicht zur Schönheit und Mannigfaltig-
Abb. 17. Pupilio Ästerias Ckam. Q.
Abb. IS. Papilio Bairdü Edw. C .
keit, sondern zur Einfachheit, zu düsterer
Färbung, wie ich es auch bei den Segel-
faltern beschrieben habe und wie es nach
dem, was wir später sehen werden, auch
bei anderen Faltergruppen weit verbreitet
vorkommt. Es handelt sich dabei also nicht
etwa um geschlechtliche Zuchtwahl, welche
mit Bezug auf Zeichnung und Farbe bei
den Schmetterlingen offenbar vollkommen
ausgeschlossen ist, noch ist irgend ein An-
haltspunkt dafür gegeben, daß überhaupt
Auslese, bezw. Anpassung irgendwie im
Spiele sei.
Die auf Taf. VIT meiner »schwalben-
schwanzähnlicheu Schmetterlinge« abgebilde-
ten^) P. ÄmericuSj Nitra, Indra, brevicauda,
asterioides und Asterias zeigen eine voll-
kommene Reihe der Umbildung innerhalb der
.4sferms-Gruppe und sind zugleich wieder
hervorragende Beispiele für Genepistase. Den höchsten Grad der Umbildung
Abb. lU. Papilio Tuniiis Glattcus L. Q.
', Überhaupt sind wie gesagt die hier gegebenen Abbildungen nur ein Notbehelf zum
Zweck der'Erklärung der Beschreibung. Zum vollen Verständnis muß ich auf die Tafein
meiner »Artlüldung« verweisen, welche ich bei meinem Vortrag auch vorgezeigt hatte.
38 Vortrag.
in der Reihe hat Ästerias erreicht, welche Art fast so weit vorgeschritten
ist wie Bairdii Q. Fast ebenso weit ist andererseits P. Troilus^) vor-
geschritten, bildet aber wiederum ein Beispiel von Heterepistase, ebenso
wie Palamedcs.
Noch einen Falter habe ich abgebildet, welcher einen hervorragen-
den Fall von Halmatogenesis darbieten dürfte: Papilio Asterias var.
Calverleyi (vgl. Abb. 9)-j, welcher nach Edwards wahrscheinlich eine
Kälteform von Asterias darstellt: er ist nach den Machaon zu in der
Weise umgebildet, daß das Schwarz nur noch den inneren Teil der Flügel
einnimmt, während der breite Außenteil derselben gelb, bezw. oranien-
rot geworden ist, das letztere auf den Hinterflügeln, wo die oranienrote
Färbung der Flügelzellen, welche bei verschiedenen anderen Arten der
Asterias-Gruppe besonders auf der Unterseite ausgebildet ist, eine her-
vorragende Bedeutung auch oberseits erlangt.
Der schwarze P. Turnus Glaucus Q. ist gegenüber dem hellen ge-
wöhnlichen Weib des Turnus die südlichere, in wärmeren Gebieten
lebende Sommerform, so daß auch hier klimatische Verhältnisse für
die Umbildung maßgebend zu sein scheinen. Aber es gilt dies für die
dunkeln Asterias nicht, denn diese kommen auch in kälteren Gebieten
vor. Da bei Turnus Glaucus und bei Bairdii die weibliche Präponderanz
für die Umbildung maßgebend ist und da diese Umbildung ganz jener
der Asterias entspricht, so werden Einwirkungen auf das in diesem Falle
empfindlichere Geschlecht der Weibchen als Ursache derselben gesucht
werden müssen, um so mehr als Glaucus Q vereinzelt auch nördlich
unter den gewöhnlichen Turnus auftritt.
Die vorliegenden Thatsachen bieten ferner ein hervorragendes Bei-
spiel dafür, wie leicht von denjenigen, welche Mimicry in möglichster
Fülle zur Begründung ihrer Hypothesen bedürfen, solche fälschlich an-
genommen werden kann und offenbar angenommen worden ist. Man
hätte in den verschiedensten Arten der Asterias-Grvippe die schönsten
Fälle von Mimicry, wenn diese Arten nicht ganz ohne jede biologische
Beziehung sich entwickelt hätten und leben würden. Wie vollkommen
böten sich P. Turnus Glaucus Q, Asterias, Bairdii u. a. dem Liebhaber
als mimetische dar, wenn er nur die biologischen Beziehungen dafür
beibringen könnte! Schließlich müßten nach den Beispielen, welche jene
Liebhaber aufgestellt haben, nicht nur alle Glieder der /Is/erms-Gruppe,
sondern auch alle der Machaon- und alle der Turnus-GT\xpp& als mime-
tische gelten, und ich würde mich kaum wundern, wenn der After-
darwinismus solche Behauptung aufstellte.
Dem unbefangenen Beobachter aber zeigt sich sofort, daß die Ähn-
lichkeiten die Folge von Entwicklungsrichtungen sind und daß wiederum
die unabhängige Entwickelungsgleichheit, die Homöogenesis bei
der Ähnlichkeit auch nicht unmittelbar verwandter Formen maßgebend ist.
In der That unterliegt es für mich keinem Zweifel und wird bei
1) Taf. VIll Fig. 5. "-1 Taf. VIII Fig. 5 und 6.
über bestimmt gerichtete Entwickelung 'Orthogenesisj bei der Artbildung. 39
sorgfältiger Beurteilung der Einzelheiten sicher sich bestätigen, daß die
weitaus überwiegende Zahl der Fälle von sogenannter Mimicry mit An-
passung gar nichts zu thun hat. So sprach sich schon früher der
Entomologe Hahnel aus, welcher in Südamerika zahlreiche bezügliche
Beobachtungen in der freien Natur gemacht hat, während Erich Haase^),
ohne in der freien JNatur sich umgesehen zu haben, neuestens eine Über-
fülle von Mimicry -Fällen auf Grund äußerer Ähnlichkeit von Faltern
untereinander aufgestellt und ein ganzes Buch darüber geschrieben hat.
Es ist aber doch selbstverständlich, daß solche Ähnlichkeiten auch abge-
sehen von der Frage ihrer Entstehung für Anpassung gar nichts beweisen
können — nur der Nachweis der letzteren in der freien Natur ist maß-
gebend.
Was aber die Entstehung auch von wirklichen Fällen von Mimicry
angeht, so ist diese durch Zuchtwahl unmöglich zu erklären, und was
Herr Weismanx am letzten Montag von Kallima als einem Wundererzeug-
nis der Zuchtwahl gesagt hat, verliert alle Beweiskraft gegenüber der
Fülle von Thatsachen, welche zeigen, daß es überall Orthogenesis ist,
welche die Ausgestaltung der Eigenschaften bedingt und welche ebenso
zur Ähnlichkeit der Unterseite eines Falters mit einem Blatte ward führen
können, wie Homöogenesis die größte Ähnlichkeit zweier gar nicht zu-
sammenlebender Falter zu bedingen vermag, wovon zahlreiche Fälle be-
kannt sind 2). So ist auch das Übergreifen der Blattzeichnung bei Kallima
vom Vorderflügel auf den Hinterflügel nach Maßgabe der Blattform mit
Überspringen des hintersten Randes des Vorderflügels, so weit dieser vom
Hinterflügel bedeckt wird, nicht wunderbar. Dasselbe Verhalten kommt
überall vor und ist augenscheinlich Folge von Lichteinwirkung bezw. von
Lichtmangel. Zuchtwahl kann ja nichts Neues schaffen, sie kann
nur mit schon Vorhandenem arbeiten. Ist einmal Ähnlichkeit der Flügel
eines Falters mit einem Blatt entstanden, so kann sie nützlich sein
und kann nun auch durch Auslese ihre Weiterentwickeluns; wohl be-
günstigt werden. Daß die Ähnlichkeit aber entsteht, das kann nicht
Folge zufälliger Variation sein, welche stets alle möglichen Eigenschaften
zur Auslese bereit hielte: die Blattähnlichkeit der Kallima ist bedingt
durch tausend Einzelheiten — es wäre nicht ein Zufall, es wären tausend
Zufälle zugleich, welche mit einem Male eingesprungen sein müßten,
um dieselbe mit den Mitteln des Darwinismus zu züchten. Die Blatt-
ähnlichkeit könnte durch die Mittel der Zuchtwahl auch nicht allmählich,
sie könnte nur plötzlich und zwar schon in annähernder Vollkommenheit
entstanden sein, um der Zuchtwahl eine Handhabe zum Eingreifen zu geben.
1; Erich Haase: Untersuchungen über die Mimicry auf Grundlage eines natür-
lichen Systems der Papilioniden. Kassel IS91.
-. Soeben hat Herr Piepers in der entomologischen Sektion dieser Versammlung
auf solche Fälle hingewiesen: Junonia Asterie auf Java gleicht unserer Hipparchia Me-
gaera, Junonia Erigone ebenda unserer Hipparchia Egeria so, daß in beiden Fällen
sicher Mimicry angenommen würde, wenn die ähnlichen Falter zusammen lebten.
"Weitere Thatsachen später.
40 Vortrag.
Es giebt aber keinen Zufall bei der Umbildung der Formen. Es giebt
nur unbedingte Gesetzmäßigkeil. Bestimmt gerichtete Entwickeln ng,
Orthogenesis, beherrscht diese Umbildung, kann Schritt für Schritt
von den einfachsten, unscheinbarsten Anfängen zu immer vollkommenerer
Gestaltung führen, allmählich oder sprungweise, und die Ursache dieser
bestimmt gerichteten Entwickelung ist Organisches Wachsen.
Es ist auch kein Zufall, daß ich diesen Vortrag über Orthogenesis
und über Ohnmacht der Naturzüchtung bei der Artbildung dem
Kongress angezeigt habe und daß mein Gegner, ohne daß ich es vorher
wußte, über denselben Gegenstand, bezw. über bestimmt gerichtete Ent-
wickelung am letzten Montag gesprochen hat, daß wir also beide unab-
hängig von einander, über denselben Gegenstand zu sprechen vorhatten.
Ich erwartete längst, daß der Schöpfer der Keimplasmahypothese es
über kurz oder lang unternehmen werde, der bestimmt gerichteten Ent-
wickelung, diesem Todfeind seiner Lehren, in seiner Weise entgegen-
zutreten, und nach Bisherigem war ich genugsam darauf vorbereitet, daß
dies geschehen werde mit vollkommener Umgehung der Thatsachen,
welche ich aufgestellt habe'), und ihm widersprechender Thatsachen
überhaupt.
Auch Spekulation hat in der Naturforschung ihr Becht, in den Augen
des Einen mehr, in den Augen des Anderen weniger, denn die Gehirne
sind verschieden und auch Schulung und Kenntnisse sind verschieden.
Aber Eines ist zweifellos: auch die kleinste Thatsache, mit
maßgebender Beziehung zu großen Fragen, ist mehr wert als
ein ganzes Gebäude hoher Spekulation, welches vor jener
Thatsache nicht Stand hält. Und: Spekulation, welche in der
Naturforschung berechtigt sein will, darf nicht im Wider-
spruch stehen mit Thatsachen, sie darf Thatsachen nicht ver-
schweigen.
Wer zu Gunsten seiner Hypothesen Thatsachen nicht Bech-
nung trägt, stellt sich außerhalb der Naturforschung.
Doch solches Verfahren muß sich an der Hypothese selbst rächen,
welche es schützen soll. Denn die Thatsachen werden früher oder später
erkennen lassen, daß dieselbe nicht lebensfähig ist und niemals lebens-
fähig war.
So ist auch die zur Erklärung der bestimmt gerichteten Entwicke-
lung soeben aufgestellte Germinalselektion durch Thatsachen zvu'ück-
gewiesen, bevor sie ausgedacht war — sie ist ein todtgeborenes Kind.
Nachdem der hier anwesende Vater der neuen Hypothese so viele
Kinder erzeugt hat, welche er später nicht anerkannte, darf er mir diese
Bescheinigung nicht verübeln.
1 Nicht aber allerdings darauf, daß in meiner Gegenwart diese Thatsachen
so behandelt w erden könnten, wie der Herr Redner vom Montag es sich gestattet hat.
über bestimmt gerichtete Entwickelung (Orthogenesis) bei der Artbilduntr. 41
Die von mir aufgestellten, für Jedermann, der die Wahrheit sehen
will, sichtbaren Thatsachen der Orthogenesis aber weisen allein den
ganzen Aufbau der Keimplasma-Hypothesen vollkommen zurück.
Andere nicht minder laut redende Thatsachen weisen ebenso be-
stimmt die Auffassungen zurück, welche mein Gegner am Montag in Be-
ziehung auf die Ursachen der Umbildung von Skeletteilen geltend
gemacht hat. und beweisen auf das Klarste abermals die Vererbung von
durch Gebrauch erworbenen Eigenschaften. Die ganze vergleichende
Anatomie des Skeletes ist ein Beweis für diese Vererbung und am
lautesten wird die Keimplasma-Lehre zurückgewiesen durch das Gesetz
der Ausgleichung oder der Kompensation, welches schon von
Geoffroy-St. Hilaire, Goethe u. A. behandelt, bis jetzt so wenig Beachtung
gefunden hat und welches im Zusammenhang mit dem Einlluss der um-
bildenden Thätigkeit nach meinen demnächst zu veröffentlichenden Be-
obachtungen, über welche ich mich übrigens an anderem Orte schon
ausgesprochen ha])e'), den ganzen Skeletbau der Wirbeltiere beherrscht.
Danach ist es wiederum handgreiflich unrichtig, was von gegnerischer
Seite behauptet wird, daß die einzelnen Eigenschaften des Körpers
auf Grund zufälligen Abänderns jede für sich durch Auslese gezüchtet
werden'-): der Organismus ist ein Ganzes, dessen Teile nicht nur physio-
logisch unter einander zusammenhängen, sondern auch in der Gestaltung
von einander abhängig sind.
Die Funktion, die Thätigkeit, der Gebrauch der Teile ist es,
was zusammt der bestimmt gerichteten Entwickelung, Orthogenesis,
die Formgestaltung der Lebewesen bedingt.
Vielleicht wäre es am einfachsten, an der Hand von Objekten auf
dieser Versammlung den Fragen näher zu treten. Für mich wäre es
wertvoll, wenigstens Anerkennung der Thatsachen öffentlich von dem
hier anwesenden Herrn Weismann zu erlangen, welche ich zum Beweis
meiner Auffassung gegen die seinige anführen kann.
Somit erkläre ich mich ihm gegenüber zu diesem Beweis bereit.
Zusatz: Die segelfalterähnlichen Papilio-Arten.
Dem wichtigen Satze, daß »Abänderungen der Einzeltiere in be-
nachbarten Gebieten in Abarten, in noch entfernteren aber in Arten über-
gehen«, muß ich hier eine weitere Betrachtung widmen, indem ich dafür
auch die erste Abteilung der von mir behandelten Papilioniden, die segel-
falterartigen, ins Feld führe.
Das Studium derselben ergab mir zuerst ein sehr bemerkenswertes
Gebundensein der einzelnen Gruppen: Unterfamilien, Gattungen und Arten
1) Vgl. meinen Vortrag: Das Gesetz der Ausgleiciiung (Kompensation; und Goethe
als vergl. Anatom. Württb. natw. Jahreshefte 1894.
-I Von Herrn Weismann inzwischen zurückgenommen , ebenso einiges vom Zu-
fall. Vgl. das Folgende.
42 Zusatz.
an bestimmte geographische Gebiete und die Thatsache, daß sich die
Abarten und Arten von einem gegebenen Mittelpunkt des Vorkommens
nach der Peripherie auf Grund bestimmter Entwiekekmgsrichtungen immer
mehr verändern und zuletzt zu anderen Arten werden. Die Thatsachen
sind derartige, daß man zu dem bestimmten Schlüsse geführt wird, die
Artbildung beruhe mit auf klimatischen Verhältnissen, sei eine Folge
derselben und von Zuständen, welche mit ihnen zusammenhängen, wie
Pflanzenwuchs und dadurch bedingte Ernährung der Raupen. Außerdem
giebt es Thatsachen, welche auf das Bestimmteste zeigen, daß solche
äußere Einwirkungen die Eigenschaften der Falter in Größe, Farbe und
Flügelgestalt unmittelbar beeinflussen.
Ich halte es für eines der wichtigsten Ergebnisse meiner Arbeiten,
daß ich für diese Auffassung sichere Grundlagen gewonnen habe, wie
mir das schon für die Eidechsen, zunächst für Lacerta muralis coerulea,
möglich gewesen ist und ebenso, daß ich gezeigt habe, wie die geographi-
sche Verbreitung auf Grund besonders der klimatischen Verhältnisse für
die Artbildung maßgebend ist.
Der Beweis für die Richtigkeit meiner Schlußfolgerungen ist dadurch
gegeben, daß auch hier 1) die verschiedenen Abartungen des Horadi-
morphismus, daß Sommer- und Winterformen eines und desselben Falters
und daß 2) die Erzeugnisse der künstlichen Versuche mit Kälte und
Wärme während der Entwicklung der Schmetterlinge ganz dieselben
Umbildungen vor Augen führen, welche nach meiner Ansicht Kälte und
Wärme im freien Leben zu Gunsten der Artbildung in verschiedenen
Gebieten erzeugt haben.
Auch die Gruppen der Schwalbenschwanz artigen Schmetter-
linge hängen, wie im Vortrag schon hervorgehoben worden ist und wie
ich hier noch etwas näher ausführen will, nach ihrer Verwandtschaft
geographisch zusammen. Die Tur7ms-Griippe ist hauptsächlich nord-
amerikanisch, reicht aber bis Mexiko [Papilio Pilumnus) und hat nur einen
ziemlich abweichenden Vertreter in dem in Südeuropa und Kleinasien
lebenden P. Alexanor.
Die Machaon- Griipipe hat ihren Hauptsitz in Europa und verbreitet
sich von da bis nach Nordafrika, Nordamerika und Ostasien, wo die
abweichendsten Formen P. Xuthus und Xuthulus vorkommen.
Die Glieder der Aste^^ias- Gruppe sind wiederum wesentlich nord-
amerikanisch und verbreiten sich bis nach Südamerika [P. americus,
P. asterioides^ Hellanichus).
Vergleicht man die Arten einer und derselben Gruppe unter sich,
so sieht man, daß in der That gewöhnlich um so mehr neue auf be-
stimmten Entwickelungsrichtungen beruhende Einzeleigenschaften auftreten,
je mehr eine Art vom Mittelpunkte des Verbreitungsgebietes entfernt ist.
Dies zeigen unter den Schwalbenschwänzen eben P. Xuthus und Xuthulus
aus Ostasien, P. Machaon Hippocrates aus Japan, P. Zolicaon aus West-
Nordamerika und P. Machaon oregonia aus Oregon (die letzteren zwei
Die segelfalterähnlichen Papilio-Xrten. 43
durch den Kern des Afterauges , alle gegenüber dem gewöhnlichen
europäischen P. 3Jachaon, dann P. Alexanor gegenüber den Turnus u. s.w.
Diese Beziehung schließt nicht aus, daß innerhalb desselben Yer-
breitunsissebietes noch viel größere Verschiedenheiten im Kreise derselben
Verwandtschaft entstanden sein können : P. Turnus Glaucus ist die süd-
lichere weibliche Sommerform von P. Turnus, während die weibliche
Frühjabrsform dem gewöhnlichen gelben r;/r/j?^s-Weibchen gleicht. Mit
den Turnus zusammen leben die sich entsprechend Glaucus mehr und
mehr schwarz färlienden Asterias und ebenso tritt auch Glaucus im Norden
bis New-York auf.
Bei Glaucus handelt es sich um besondere Verhältnisse, w^elche ur-
sprünglich offenbar mit der Konstitution des Geschlechts zu thun haben:
um besondere Empfindlichkeit desselben bezw. einzelner seiner Individuen
gegen bestimmte äußere Verhältnisse — offenbar gegen die Wärme. Das-
selbe gilt für die Umbildung von Vanessa levana in prorsa und die
zahlreichen anderen Fälle von Jahreszeiten-Abartung, nur daß hier beide
Geschlechter von der Umbildung betroffen werden. Es handelt sich dabei
aber, mögen die Veränderungen noch so bedeutende sein, stets wieder
um den Ausdruck bestimmter Entwickelungsrichtungen und zwar solcher,
welche auch bei geographisch entfernt lebenden Formen wahrscheinlich
auf Grund derselben äußeren Einwirkungen vorkommen können.
Viel ausgesprochener als bei den Schwalbenschwänzen ist der Ein-
fluß der geographischen Verbreitung auf die Ausbildung von Entwicke-
lungsrichtungen, um deren Ausdruck es sich ja überall handelt,
bei den segelfalterähnlichen Papilioniden zu erkennen und ich
will auch über sie in dieser Beziehung einen Überblick geben, während
ich des Näheren auf den ersten Teil meiner »Artbildung« verweise.
Zugleich will ich bei diesen Faltern genauer auf die Bedeutung der ein-
zelnen Entwickelungsrichtungen für die Artbildung eingehen.
Unter den segelfalterähnlichen Papilioniden haben wir eine austra-
lische, eine australisch-ind omalavisch-asiatische, eine afri-
7 «j 7
kanische, eine amerikanische und eine asiatisch-europäische
Gruppe zu unterscheiden. Diese Gruppen sind offenbar von gemeinsamer
Grundlage, von Schmetterlingen ausgegangen, welche, wie heute noch
der asiatische Alehion und Glycerion^ II Längsbinden auf den Flügeln
gehabt haben.
Nur im afrikanischen Gebiet scheint die Segelfalterform überwunden
zu sein, wenn sie dort überhaupt vorhanden gewesen ist und nicht Ein-
wanderuns; eines schon höher entwickelten Vorfahren stattgefunden hat —
nach der Verwandtschaft wäre diese eine dem amerikanischen Philolaus
ähnliche Form.
In jedem Gebiete haben sich nun auf Grund bestimmt gerichteter
Entwickeluns und des Stehenbleibens auf bestimmten Stufen derselben
besondere Arten gebildet.
Man vereleiche die Abbildunsen auf den vier Tafeln des ersten Teils
meiner ^ Artbildung bei den Schmetterlingen«. Man ersieht daraus, daß die
44 Zusatz,
segelfalterähnliche Grundform in Asien noch sehr ursprünglicli vertreten ist
durch Papilio Alebion aus Nordchina (vergl. vorn Abb. 1)i) und P. Gly-
cerion aus Nordindien-), in Europa, Südwestasien und Nordafrika durch
P. Podaiirius-''). In Nordamerika ist sehr ursprünglich segelfalterähnlich
P. Ajax*), in Südamerika sind ursprünglich die Prolesilaus, Agesilaus,
in gewissem Sinne auch Epidaus^), in Australien Leosthenes^].
Möglich ist, daß die Nord- und die Südamerikaner gar nicht gemein-
samen Ursprung haben, sondern zwei Gruppen darstellen; wahrscheinlich
aber stehen sie in demselben Verhältnis /ai einander wie die zwei indi-
schen, bezw. australiscii-indomalayischen, indem die Agesilaus und dann
die Protesüaiis vorgeschrittenere Ajax sind.
Die australisch-indomalayischen teilen sich in die ursprünglicheren,
bis nach Australien reichenden Anticrates'^], wo sie mit dem einer Stamm-
form nahestehenden Leosthenes zusammenhängen, und in die offenbar aus
den Anticrates hervorgegangenen, sehr weit vorgeschrittenen Antiphates^).
Die Antiphates, auf Java, Borneo, Celebes, den Philippinen, Andamanen
und Ostindien, leben im Ganzen nördlicher als die Anticrates, aber auch
diese reichen bis Indien.
Außer den Antiphates sind am weitesten vorgeschritten, aber nach
einer ganz anderen Richtung hin, die afrikanischen Arten: P. Policenes'-*),
P. Antheus^^), besonders aber P. Colonna^^) von Ostafrika, auch Evomhar^'^)
von Madagaskar.
Am meisten verwandt sind die Afrikaner, und zwar durch Policenes,
mit dem in Nord- und Mittelamerika heimischen Philolaus^'^], welcher
wiederum mit Ajax zusammenhängt.
Auch in Arcesilaus^-^) reichen die unmittelbaren Verwandten von
Ajax, wie hier noch bemerkt werden mag, sehr weit nach Süden: nach
Venezuela. Eine besondere Entwickelungsrichtung von der yljaa?-Gruppe
aus vertreten P. Celadon Luc.^'') auf Guba und P. Sinon F. '^) auf Jamaica.
Alle die genannten Gruppen bestehen aus durchaus von einander
ableitbaren verwandten Formen. Nur P. Rhesus von Celebes '" j weicht
weit ab von den dort heimischen Indiern [P. Androcles^^), P. Dorcus^'^J],
welche der Antiphates-Gruppe angehören. Er ist den mittel- und nord-
amerikanischen Philolaus verwandt, schließt sich also mehr an die Ajax
an. Es macht den Eindruck, als ob er, ein Fremdling in Indien, dahin
von Amerika aus verschlagen worden wäre'-'O).
1) Vgl. »Artbildung« Taf. I, Fig. 1 . 2) Xaf. 1, 2. 3) Xaf. I, 3. 4. 4) Taf. III, \ 2. IV, 3.
5; Taf. III. 6) Taf. III, \. ') Taf. III. 8) Taf. II. 9 Taf. IV, 2. W) Taf. IV, 3.
11) Taf. IV, 8. 1^) Taf. IV, 4. W) Taf. IV, \. 7. i*) Taf. III, 9. ^'^] Taf. III, 10.
ifi; Taf. III, -1. nj Taf. IV, 6. is) Taf. II, 7. W; Taf. II, 8.
20; Es gründet sich der Vorwurf des Herrn W. Rothschild gegen meine »Art-
bildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen I«, »daß ich oH'enbar ein zu
geringes Material verwendet habe, um imstande zu sein schwere Irrtümer über die
Verwandtschaft der verschiedenen Schmetterlinge zu vermeiden« i'A Revision of the
Papilio' s of the Eastern Hemisphere, exclusive of Afrika. Novitates Zoologicae II
no. 3 -1895), soviel aus seiner Schrift zu ersehen ist, wesentlich mit darauf, daß ich
diesen Falter nicht zu den indischen Anticrates-Aristens, sondern eben als wahrschein-
Die segelfalterähnlichen Papilio-Xilen. 45
Fassen wir zusammen, so haben wir zu unterscheiden:
1. Eine australische Gruppe, vertreten durch P. Leosthenes^] und
P. Anticrates parmatus"^).
lieh Eingewanderten zu den amerikanischen Ajax stelle. Was Herr Rothschild sonst
an meiner Arbeit auszusetzen hat, bezieht sich doch wohl auf nicht mehr als Meinungs-
verschiedenheiten über Species- Abgrenzung und ähnliches, wobei ich vollkommen
zugebe, daß selbst schwere Irrtümer für denjenigen unverschuldet möglich sind, wel-
cher nicht in der Lage ist, über solche Sammlungen zu verfügen wie Herr W. Roth-
schild. Ich würde daher für jeden Nachweis eines Irrtums nur um so dankbarer
sein können, je größer er wäre. Aber er muß eben thatsächlich nachgewiesen
werden, sonst bleibt nur ungerechter Vorwurf übrig. Dieselben Einwände bezüglich
meiner Auffassung des Rhesus habe ich schon E. Haase gegenüber zurückgewiesen [vgl.
Artbildung u. s. w. II S. 63 ff.). Gegen Herrn Rothschild muß ich feststellen, daß ich
Rhesus nicht nur wegen der nur in der Zahl von sechs statt sieben bei ihm vorhan-
denen Binden zu den Ajax stelle (Rothschild S. 423), sondern zugleich wegen zahl-
reicher anderer Eigenschaften der Zeichnung z. B. auch Verbindung von Binde VII/VIII
nach hinten, auch Eigenschaften der Unterseite. Pracht])inde u. s. w. , auch wegen seines
ganzen Flügelschnittes. Ich muß bei der Stellung bleiben, welche ich ihm zugewiesen
habe, trotzdem daß dann eine Einwanderung nach Indien als wahrscheinlich an-
genommen werden muß. — Ganz dasselbe gilt von meiner Ansicht über die Stellung
des P. Leosthenes, welchen Herr Rothschild (S. 40G; mit E. Haase zu den Podaliriern
stellen will (vergl. meine »Artbildung« IIS. 63). — Dem Beweis dafür, daß P. Agetes
mit den Podalirius nichts zu thun hat und mit P. Stratiotes zu den Antiphates zu
stellen sei (S. 417, würde ich gerne entgegensehen, zumal da Agetes thatsächlich einst-
weilen vereinzelt steht. Ich ünde aber zur Abweisung meiner Ansicht bei Herrn R.
nur allgemeine Behauptungen. In keinem dieser Fälle haben die Sammlungen des-
selben bis jetzt maßgebende Zwischenformen gebracht. — Daß mein P. Alebion nicht
dieser, sondern Tamerlanus Oberth. sei (S. 409), erledigt sich dadurch, daß einer der
ersten Kenner der exotischen Schmetterlinge, Staudinger, Tamerlanus nicht als Art an-
erkennt, sondern für synonym mit Alebion erklärt: es kann sich in ihm doch höchstens
um eine Abart handeln, denn die Trennung ist bei Rothschild's Tamerlanus auf nichts
anderes als auf die Trennung des gelben Afterauges in zwei Flecke begründet, welche
Trennung auch bei .Tahreszeiten-Abarten von P. Ajax vorkommt: nämlich bei Walshii
und Telamonides — bei letzterem ist bald Trennung vorhanden, bald nicht! — Was
die Ausstellungen über meinen P. Aristeoides^ Anticrates nigricans und Aristeus nigricans
angeht, dahin, daß sie alle Hermoerates seien S. 470 , so brauche ich wohl^ nur darauf
hinzuweisen, daß die ursprünglichen Bestimmungen meines Aristeoides als Nomius var.,
des Anticrates nigricans als Anticrates var. und des Aristeus nigricans als Aristeus var.
sämtlich von Herrn Dr. Staudinger herrühren und daß die betreffenden Typen der
STAUDiNGER'schen Sammlung angehören, sodaß sich also Herr Rothschild zum Beweis
von Irrtümern an Herrn Staudinger wird wenden müssen. Weiter möchte ich sagen,
daß die von Herrn Rothschild aufgestellte Vereinigung von P. Hermoerates, Aristeus,
Anticrates und parmatus vgl. meine Tafel III) zu einer Art und ihre Bezeichnung als
»Lokalrassen«, wenn nicht bewiesen, so doch wenigstens begründet werden müßte.
Jedenfalls nimriit Herr Rothschild den Begriff »Lokalrassen« sehr weit, da Hermoerates
auf den Philippinen lebt, Aristeus auf den Molukken, Anticrates in Nordindien und
parmatus in Nordindien und Australien! Indem Herr Rothschild so vereinigt, ist es
in seinen Augen ein Irrtum, wenn ich parmatus als Abart von Anticrates bezeichne
und nicht etwa als Lokalrasse, wie er tliut! Das sind doch merkwürdige Ausstellungen,
welche sich denjenigen des Herrn Erich Haase (vgl. »Artbildung« II S. 47 ff', voll-
kommen an die Seite stellen. — Wenn endlich Herr Rothschild die allgemeinen Er-
gebnisse meiner Untersuchungen sehr interessant findet, aber meint, daß dieselben
wegen obiger Irrtümer, bezw. des zu geringen Materials, wenig Bedeutung für die
ly »Artbildung« I, Taf. III, Fig. 1. 2) Xaf. III, 7.
46 Zusatz.
2. Eine australisch-indomalayische. vertreten
a) durch die Anticrates^ deren einer (A. pai-matus^ , wie soel)eu
bemerkt, auch schon in Australien vorkommt und andererseits, neben
Verwandten [P. Aristeoides mihi^), Nomius Esp.^) und Anticrates Doubl. ^j],
.sich bis nach Nordindien erstreckt, während P. Hermoerates Feld.^) auf
den Philippinen, Aristeus Gram.'') auf den Molukken lebt;
b) durch die Antiphates und ihre Verwandten, welche, offenbar
von den Anticrates ausgegangen, sich von den nordindischen Inseln bis
nach Asien hinein verbreiten.
2. Eine amerikanische Gruppe, deren ursprünglichste Form die
Ajax in Nordamerika sind, die aber eine besondere Entwickelungsrichtung
in Südamerika zeigen ' ).
3. Eine afrikanisch-madagassische Gruppe, wohl an die Mittel-
amerikaner anzuschließen und in ihren einfachsten Formen schon weit
vorgeschritten.
4. Eine asiatisch-europäische Gruppe.
Abgesehen von den Afrikanern haben wir überall als Ausgangspunkt
segelfalterähnliche Formen, welche die Zeichen der Verwandtschaft auf
ihren Flügeln tragen. Unter den Afrikanern ist, wie gesagt, noch am
ursprünglichsten P. PoUcenes Cram.sj.
In jeder Gruppe haben nun teils besondere, teils mit
denen der anderen Gruppen übereinstimmende Entwickelungs-
richtungen zu der Entstehung von Arten geführt.
Im Ganzen ist die Entwickelungsrichtung immer dieselbe: die
ursprünglich in der Zahl von H vorhandenen Längsbinden der Flügel
verkürzen sich z. B. überall im Binnenraum der Flügel von hinten nach vorn,
gemäß dem Gesetz der postero-anterioren Entwickelung, und einzelne
gehen so allmählich verloren. Oder die Binden verwachsen seitlich; so
werden Bandbinden und andere breite äußere Flügelbinden hergestellt.
Die zuerst schwarz-gelb-weiß-schwarz {Podalirius] oder schwarz-rot-
weiß-schwarz [Ajax^ Rhesus] gefärbte Pracht-Längsbinde auf der Unter-
seite der Hinterflügel löst sich in allen ihren Teilen in Flecke auf [Anti-
phates] oder einzelne ihrer Streifen schwinden ; durch Umbiegung vor
dem hinteren Flügelrande, Durchschlagen auf die Oberseite und Ab-
schnürung und Abrundung bildet sie Augenflecke u. s. w.-').
systematischen Arbeiter hätten, so darf ich mich mit der wiederholt ausgesprochenen
unverhohlenen Anerliennung solcher Arbeiter begnügen, daß diese Untersuchungen der
Systematilc ganz neue Bahnen eröffnet haben, was die Zukunft nur bestätigen wird,
denn es werden noch viele Nachfolger an dem von mir begonnenen Bau zu arbeiten
haben, Ins er fertig ist. Ich hoffe, es möchten zumeist solche sein, welche den großen
Plan des Baues vor allem im Auge haben und ihm bei ihrer Mitarbeit Rechnung tragen.
ij »Artbildung« Taf. III, Fig. 7. 2) Taf. III, 3. 3j Taf. III, 4. «) Taf. III, 6,
5) Taf. III, 2. 6) Taf. III, 5.
') In meiner »Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen« I habe
ich in einer »Leosthenes-Anticrates-Ajax-Grupi^e-^i diese drei Abteilungen zusammen-
gefaßt als in der Wurzel zusammenhängend. Vgl. den Stammbaum S. 192.
S| Taf. IV, 2. 9; Vergl. »Artbildung« I S. 7, wo die zur Artbildung führenden
Veränderungen übersichtlich zusammengestellt sind.
Die segelfalterähnlichen Papilio-Ä.rten. 47
Aber die Verschiedenheit der Umbildung im Einzelnen wird dadurch
bedingt, daß
1. in dem einen Falle die, in dem anderen jene Richtung vorwiegt
— z. B. bald mehr das seitliche Verwachsen gewisser Binden , unter
Verbreiterung derselben, bald mehr Verkürzung und Schwinden dieser
oder jener Binden maßgebend wird u. s. w. — kurz, indem verschie-
denstufige Ent Wickelung der verschiedenen Teile der Zeichnung
stattfindet, einerseits in stärkerer Ausbildung, andererseits im Schwinden
von Teilen derselben;
2. dadurch, daß neue Entwickelungsrichtungen auftreten, insbeson-
dere durch Entstehung neuer Eigenschaften, welche mit kleinsten An-
fängen beginnen und allmählich herrschend werden.
Und wie überaus merkwürdig sind die Erscheinungen jener ver-
schiedenstufigen Entwickelung! Die Prachtbinde der Unterseite der Hinter-
flügel hat im Fortschreiten der Umbildung überall die Neigung, ent-
weder in Stücke (Fleckei zu zerfallen oder aber dadurch einfacher
(nicht vollkommener) zu werden, daß zuerst ihr Weiß, dann ihre schwarze
Begrenzung entweder innen oder außen verloren geht und daß zuletzt
auch ihr Rot sich zerteilt und schwindet.
Ein wesentlicher Artunterschied zwischen den südamerikanischen
P. Protesilaus einerseits und den P. Agesilaus andererseits besteht darin,
daß bei jenen die äußere schwarze Begrenzung der Prachtbinde ge-
schwunden ist, bei diesen die innere! Ein anderer Unterschied besteht
darin, daß bei jenen die Binde III der Vorderflügel') verloren gegangen
zu sein scheint, so daß ein bedeutender Zwischenraum zwischen Binde
I und IV besteht^), während sie bei Agesilaus noch vorhanden oder mit
IV verschmolzen ist (vgl. hinten Abb. 39 und »Artbildung« I ^). Aber bei
einer Abartung, dem P. Agesilaus septemlineatus mihi aus Neugranada^),
haben wir in Beziehung auf diese Binden ganz dasselbe Verhalten wie
bei P. Protesilaus.
Vergleichen wir diesen Agesilaus mit Protesilaus, so ergiebt sich, daß
auch bei letzterem w^ahrscheinlich derselbe Vorgang stattgefunden haben
wird, wie er aus den drei von mir von Agesilaus abgebildeten Abarten
für diesen geschlossen werden muß^) — daß nämlich auch bei Protesilaus
die Binde III nicht ausgefallen, sondern daß sie sich zuerst mit IV ver-
bunden haben und daß sich dann die gemeinsame Binde III/IV zu der
bei Protesilaus und bei Agesilaus septemlineatus vorhandenen Binde ver-
schmälert haben wird.
Aber dieser Agesilaus septemlineatus zeigt noch eine andere Ent-
wickelungsrichtung gemeinsam mit dem durch die Prachtbinde ganz von
ihm verschiedenen Protesilaus : es ist bei ihm die Binde VII (die vierte
von außen auf den Vorderflügeln) bis auf einen kleinen Punkt geschwun-
den, ähnlich wie bei Protesilaus Telesilaus ^j und bei Epidaus '').
1; Die zweite von außen. 2 »Artbildung« I, Taf. I, Fig. 5. 6. 3 Xaf. I, 9. 10.
i'l Taf. I, 1 I. 5, Taf.. I, 9. 10. 11. 6) Xaf. I, 6. ^j Taf. I, 7.
48 Zusatz.
Wir haben also hier sehr bemerkenswerte Beispiele von unab-
hängiger Entwickelungsgleichheit: während sich Agesüaus und
Protesilaus durch verschiedene, bezw. entgegengesetzte Umbildung der
Prachtbinde nach ganz verschiedenen Richtungen entwickelt haben, be-
sondere Arten darstellen, die unabhängig von einander sind, arbeitet die
Umbildung in ihnen doch gleichartig nach anderen Richtungen. So ent-
stehen zwei Arten, bezw. zwei Varietäten verschiedener Arten, welche
sich äußerlich sehr ähnlich, aber in einer Grundeigenschaft doch eben
besonders geartet sind.
Der Fall ist aber noch dadurch hervorragend bemerkenswert, daß
sowohl bei Agesüaus wie bei Protesilaus das Schwinden der Binde VII
bei einer Abart vorkommt, so daß dadurch wieder ein Kennzeichen einer
neuen sich bildenden Art angezeigt ist, ein Kennzeichen, welches in der
That bei Epidaus ein Artkennzeichen geworden ist.
Ebenso ist das Verhalten der Binde IV bei der Abart Agesüaus
septemlineatus etwas Neues, entspricht aber hier demselben Artmerkmal
von Protesüaus — ein Zeichen, daß Agesüaus in dieser Beziehung auf
Gleichheit mit Protesüaus hin arbeitet, und ein Grund anzunehmen, daß
Protesilaus darin aus einer ^//e^Z/aws-ähnlichen Form hervorgegangen ist,
was durch die gemeinsamen Ursprungsformen beider bestätigt wird.
Von neuen Eigenschaften erwähne ich die bei Protesilaus rubrocinctus im
Gegensatz zu Protesilaus Telesilaus von mir abgebildete rote Färbung der
C-förmigen Ader auf der Unterseite der Hinterflügel in Verbindung mit dem
äußeren Rot der Prachtlängsbinde. Diese Ader bekommt in der Turnus-Ma-
c/mon-Gruppe durch Schwarzfärbung eine große Bedeutung als Artmerkmal.
Überhaupt werden bei der Turnus-Machaon-GTap])e und Verwandten
verschiedene neu auftretende Merkmale maßgebend für die Entstehung
neuer Arten.
So führt bestimmt gerichtete Umbildung, Orthogenesis, wie
meine Abbildungen zeigen, von Art zu Art und da, wo zwischen den
einzelnen Arten eine größere Kluft vorhanden ist, wird dieselbe bei Ver-
gleichung zahlreicher Stücke ausgefüllt durch gelegentliche Rückschläge
der vorgeschritteneren Form in die ursprünglichere, wie das z. B. bei
P. Podalirius undecimlineatus mihi') gegenüber P. Glycerion^) bezw. Alebion^]
der Fall ist, indem jene Abart des Segelfalters durch Rückschlag wieder
die elf ursprünglich offenbar allen Ahnen von Papüio zukommenden Binden
zeigt, wie sie Alehion und Glycerion haben, während sie bei dem gewöhn-
lichen Podalirius auf sieben geschwunden sind, ebenso auch bei der nord-
afrikanischen Abart Lotteri'^)^].
Ein wichtiges Ergebnis der vorstehend im Auszug mitgeteilten Unter-
suchungen über die Artbildung und Verwandtschaft bei den Papilioniden
ist auch dies, daß die amerikanischen, besonders die nordamerikanischen
1) »Artbildung« Taf. I, Fig. 3. 2j Xaf. I, 2. 3) Tat. \, \. 4) Xaf. I, 4.
5) Wo es fälschlich Latteri Gonst. statt Lottert Aust. auf der Tafel und im Texte heißt.
Die segelfalterähnlichen PflpjV/o-Arten. 49
Arten zu den europäischen zumeist in einem für meine Auffassung hoch-
wichtigen Verhältnis stehen, indem sie um eine Stufe tiefer in der Ent-
vvickelung verharren als diese. Für die meisten nordamerikanischen
haben wir in Europa weiter entwickelte »vikariierende« Arten, — daß
Nordamerikaner in einzelnen Eigenschaften, wie in der Ausbildung der
Einfarbigkeit, voranschreiten können, hebt die allgemeine Thatsache nicht
auf. Dasselbe gilt bekanntlich für zahlreiche andere nordamerikanische
Tiere gegenüber ihren europäischen Verwandten: die nordamerikanische
Fauna steht genepistatisch tiefer als die europäische, ebenso wie die
australische Tier- und Pflanzenwelt im Allgemeinen auf tiefen Stufen
der Entwickelung stehen geblieben ist.
Auch für die übrigen großen, und ebenso für kleine geographische
Gebiete, insbesondere die Inselgebiete geben meine Untersuchungen über
Papilioniden überall Bevi^eise der hohen Wichtigkeit der Genepistase im
Zusammenhang mit der geographischen Verbreitung.
Eimer, Ortkogenesis.
II.
Die sogenannte Germinalselektion.
Kritik niid Erwiderung.
»Gar manfhe wunderbare Entdecljuiig konnte mir
nicht entgellen, z. B. daß man sicli aucli im Sonderbaren
und Schwierigen gefiel, damit nur einigermaßen etwas
Merkwürdiges zum Vorschein käme.«
»weil ... es schmeichelhafter ist, irrend ein Original
zu sein, als, die Wahrheit anerkennend, sich einer
höheren Art und Weise unterzuordnen«.
Ct o e t h e.
Vorwort gegen Vorwort.
Zu meinem Bedauern sah ich mich in die Notwendigkeit versetzt,
Zeit und Mühe auf eine eingehende Besprechung der vorbenannten Schrift
zu verwenden. Es mußte einmal an einem Beispiel gezeigt werden,
welches die Mittel sind, mit denen die Errungenschaft Ch. Darwin's von
einem Manne vertreten und weiter ausgebaut werden will, der offenbar
im Glauben steht, die Pfade dieses großen und edlen Naturforschers zu
wandeln, während er thatsächlich von dessen Forschungsweise und von
induktiver biologischer Methode überhaupt vollkommen abgekommen ist,
deren hervorragende Zierde er einstens selbst war.
Nur wenn man eine oder die andere der Schriften des heutigen August
Weismann Satz für Satz, so wie ich es im Folgenden thun werde, durch-
nimmt, lernt man seine Methode so gründlich kennen, wie es nötig ist,
um zu sehen, daß sie in nichts Anderem beruht als in einer skrupellosen
Dialektik. Man hat derselben von anderer Seite die Fülle der Wider-
sprüche, in denen sie sich bewegt, ja Winkelzügigkeit vorgeworfen, aber
nur auf dem von mir gewählten Wege erkennt man, worauf insbesondere die
letztere beruht, wie es falsche oder doch unbewiesene und unbeweisbare
Vordersätze und wie es Zirkelschlüsse sind, die immer wieder zu maß-
gebend sein sollender Beweisführung benutzt werden. In dieser Be-
') August Weismann: Über Germinalselektion, eine Quelle bestimmt gerichteter
Variation, .Tena, 1896, und: Compte-Rendu des seances du 3"ie congres international de
Zoologie, Leyden, E. Brill -1896, S. ;^ö (T.
Vorwort gegen Vorwort. 51
handlung der Dinge liegt auch die Erklärung des »schwer Verständlichen«
der Darstellung und darin wieder eine Erklärung des erzielten Erfolges.
Dazu kommt, abgesehen von dem typischen Verschweigen unbequemer
Thatsachen, als Grundzug der ganzen Behandlung: das unaufhörliche
Widerrufen und Andern der eigenen früher aufgestellten und als er-
lösende »Einsicht« und »Erkenntnis« hingestellten Ansichten, eine Bezeich-
nung, welche nun auch dem »neuen Gedanken- der Germinaiselektion «
unbedenklich bereits im Vorwort der sie behandelnden Schrift von ihrem
Verfasser beigelegt wird. Schon dieses Vorwort enthält überhaupt über-
raschende Belegstücke für die Methode meines heutigen Gegners und
ich widme demselben daher eine besondere Betrachtunsr.
Möchte die eingehende sachliche Beurteilung der Schrift, welcher
ich mich unterziehe, dazu beitragen, dass der Versuch, unfruchtbare
Dialektik und Sophistik an Stelle von Naturwissenschaft zu setzen, endlich
von allen berufenen Seiten gründlich zurückgewiesen wird.
Nachdem der Verfasser die seiner Keimplasmahypothese zu Grunde
liegende »Erkenntnis«, daß die gesamte Transmutation auf zufälligem
Abändern beruhe, in äußerster, unbedingtester Vertretung und in allen
Varianten durchgeführt, seit Jahren auf das zäheste festgehalten, indem er
alle Thatsachen, welche das Gegenteil beweisen, und insbesondere die von
mir vorgeführten unberücksichtigt gelassen hat, tritt er jetzt plötzlich im
Vorworte zu seiner Schrift mit dem Satze auf: er werde durch seine
Erkenntnis den Widerstreit lösen, den die Gegner der Selektionstheorie
mit Becht darin erkannten, daß die Zweckmäßigkeiten der Organismen,
also die für ihre Existenz notwendigen Anpassungen durch zufäl-
lige Variationen zu Stande kommen sollten-. Dann fährt er fort: y>Wenn
allerdings auch die primären Variationen immer »zufällige« bleiben, so
hoffe ich doch, hier gezeigt zu haben, dass ein innerer Mechanismus besteht,
der sie zwingt, in bestimmter Richtimg weiter zu gehen, sobald Selektion
eingreift«.
Offenbar beruht nun schon diese Hoffnung auf Anwendung eines
falschen Vordersatzes, denn es erweist sich für jeden unbe-
fangenen Beurteiler der von mir und Anderen über bestimmt
gerichtete EntW'ickelung festgestellten Thatsachen als voll-
kommen unmöglich mit Grund zu behaupten, die primären
Variationen seien immer zufällige.
Alle diese Thatsachen zeigen vielmehr unwiderleglich, dass die
neuen Eigenschaften, so klein und unscheinbar sie auch sein mögen,
schon von vornherein bestimmt gerichtete Entwickelung
haben, daß sie »wie nach einem Plane« entstehen und in der Ent-
wickelung vorwärts schreiten — auch so lange sie, schon wegen
ihrer Unbedeutendheit, nicht den geringsten Nutzen für den
Organismus haben können.
4*
52 l^ie sogenannte Germinalselektion.
Diese Thatsache aber und die andere, daß zahllose
Eigenschaften, welche in bestimmt gerichteter Ent Wicke-
lung vorwärts schreiten, überhaupt niemals in den Bereich
des Nutzens fallen, weist allein die neue »Erkenntnis« der
Germinalselektion vollkommen zurück.
Nachdem ich seit Jahren seiner Behauptung, es sei Alles nützlich
und angepasst, immer wieder von neuem entgegengehalten, daß neue
Eigenschaften, so lange sie noch unscheinbar seien, nicht
nützlich sein können (was Mivart bekanntlich längst Dauwin gegen-
über betont hat), dass die Auslese nichts Neues schaffen, daß
dieselbe erst wirksam sein könne an der Hand dessen, was schon
nützlich ist, nachdem Herr August Weismann durch ebenso viele Jahre
alle nicht nur von mir und Anderen, sondern auch von ihm seilest früher i)
festgestellten bezüglichen Thatsachen als nicht vorhanden behandelt, nach-
dem er noch soeben seine Flugschrift von der »Allmacht der Naturzüch-
tung« geschrieben hat, erkennt er zu meiner vollsten Überraschung nicht
nur — zum zweiten Mal in seinem Leben — bestimmt gerichtete Ent-
wickelung (d. i. gesetzmäßige, nicht zufällige Umbildung), sondern er
erkennt auch den Nichtnutzen der neu entstandenen Eigenschaften an.
Warum er die bestimmt gerichtete Entwickelung nicht auch für die
»primären Variationen« zugibt? — deshalb weil er heute die bestimmt
gerichtete Entwickelung durch die Auslese, den Nutzen erst gezüchtet
sein lassen will! — Die Anforderungen des Nutzens sind aber im Leben
sehr verschiedene, wechselnde. Somit muß die neue Hypothese die
Möglichkeit offen lassen, daß aus ungezüchtetem Stoff nach Maßgabe
jener Anforderungen, nach Bedarf, Richtungen der Entwickelung ge-
züchtet werden können.
Es ist klar, dass die Vorstellung von dieser Art von Züchtung be-
stimmt gerichteter Entwickelung schon deshalb notwendig unrichtig ist,
weil dieselbe zahllose verschiedene, einzeln stehende Entwickelnngsrich-
tungen voraussetzt — wie sie eben das Anpassungsbedürfnis J^edingt,
— während doch überall nur wenige untereinander dicho-
tomisch zusammenhängende- Entwickelungsrichtungen be-
stehen, worauf denn auch, wie schon berührt, die entsprechende
Gestaltung der Stammbäume im Pflanzen- und Tierreich beruhen wird.
Nebenbei gesagt ist es nach Maßgabe seiner Hypothese selbstver-
ständlich, daß uns der Vertreter der Allmacht der Naturzüchtung nicht
sagen kann, von wann an diese oder jene Eigenschaft nützlich sei, der
Selektion unterliege. Er räumt dies auch ausdrücklich selbst ein und
beschränkt im Folgenden, wie wir sehen werden, den Zeitraum des
Zufälligen, nicht Nützlichen, welchen er in der Entwickelung gelassen
hat, zu Gunsten seiner neuen Hypothese in ganz unzulässiger Weise ein,
läßt ihn zuletzt geradezu verschwinden. Auf diese Weise scheinen die
der Hypothese entgegenstehenden Schwierigkeiten ohne Aufsehen beseitigt.
»Saisondimorphisraus der Schmetterlinge« i87ü.
Vorwort gegen Vorwort. 53
Und auf noch eigenartigerem Wege sucht er die von mir immer
von Neuem hervorgehobene Thatsache, daß zahllose Eigenschaften
überhaupt niemals in den Bereich des Nutzens und der
Auslese gelangen, aus dem Wege zu schaffen, indem er jenen Satz
aufstellt, wir >hätten überhaupt in keinem Falle über den Selektionswert
einer Abänderung ein Urteil«, noch könnten wir eine Erfahrung darüber-
machen (S. 55). In einem besonderen Falle aber, in Beziehung auf die
Oberseite der Flügel der von mir behandelten Papilioniden, wo die Nutz-
losigkeit der Zeichnung und der Farben offen vor Augen liegt und aus der
Umbildung selbst zu allem Überfluß auf das klarste bewiesen
werden kann — erklärt mein Gegner heute in geradem Gegensatz zu
seiner eigenen früheren Überzeugung '), es sei diese Zeichnung aus zahl-
reichen einstmaligen und jetzigen Anpassungen zusammengesetzt — ohne
daß er für die Berechtigung dieser Behauptung irgendwelche Begründung
oder irgend anderen Beweis brächte als eben seine voreingenommene
Ansicht — es sei Alles zuletzt doch angepaßt.
Unter den von mir für denselben so unangenehm oft ausgesprochenen
Sätzen 2) muß ich auch den wiederholen, daß die Auslese erst dann
einzugreifen vermag, wenn sie mit einer Eigenschaft arbeiten kann,
welche schon nützlich ist. Daher müssen nützliche Eigen-
schaften entstehen, ohne daß sie gezüchtet sind, und das
ist in der That der Fall, ebenso wie es viele Eigenschaften
giebt, welche niemals in den Bereich des Nutzens gelangen.
Die bestimmt gerichtete Entwickelung ist, da sie vor dem Eingreifen
von Selektion besteht, nicht durch diese gezüchtet. Ja sie wird vor
diesem Eingreifen rein und ungehindert wirken, weniger unbeschränkt
vielleicht, nachdem die mannigfaltigen Anforderungen des Nutzens an die
ohne ihn gewordene Eigenschaft herangetreten sind. Denn nachdem
dies geschehen ist, ist es wohl möglich, daß die bestimmt gerichtete Ent-
wickelung eben durch die Einwirkung des Bedürfnisses, in Folge von Aus-
lese und Vererbung des Passendsten, mehr oder weniger abgeändert wird
— in welchem Grade ist nach Maßgabe des Einzelnen noch zu beweisen.
Es ist dies so ziemlich das Gegenteil dessen, was der Verfasser
schon in dem behandelten Satze seines Vorwortes behauptet.
1. Es ist nicht Alles nützlich und angepaßt;
2. Das Abändern ist nicht zufällig, sondern es geschieht
gesetzmäßig nach wenigen ganz bestimmten Bichtungen.
3. Die Auslese kann nichts Neues schaffen, sondern sie
kann nur mit schon Vorhandenem arbeiten.
Dies sind die drei Sätze, welche ich seit nunmehr zweiundzwanzig
1) »Saisondiraorphismus der Schmetterlinge« -187 5.
-j Vgl. »Germinalselektion« S. 65, wo mir Wiederholung immer derselben »un-
bewiesenen Behauptungen« vorgeworfen wird.
54 Die sogenannte Germinalselektion.
Jahren gegen den Anspruch des Darwinismus, die Entstehung
der Arten zu erklären, und später gegen die Übertreibung desselben,
gegen den Afterdarwinismus geltend gemacht habe und welchen der
Vertreter des letzteren jetzt endlich Beachtung zu schenken sich ver-
anlaßt sieht, indem er
1 . Nichtnützlichkeit der erst im Beginn der Ausbildung befindlichen
Eigenschaften anerkennt,
2. erklärt, die »Gegner der Selektionstheorie« hätten mit Recht er-
kannt, daß die Zweckmäßigkeiten der Organismen nicht durch zufällige
Variationen zu Stande kommen können,
3. indem er endlich als Hauptergebnis seiner Leydener Rede aus-
ruft: »der Haupt- und Fundamentaleinwurf, daß die Selektion die Varia-
tionen, mit welchen sie arbeite, nicht schaffen könne, ist durch die Ein-
sicht, daß eine Germinalselektion besteht, beseitigt<(-.
Das Vorwort fährt fort: »Es giebt bestimmt gerichtete Variation,
aber nicht eine gewissermaßen prädestinierte, die unabhängig von den
Lebensbedingungen den Organismus vorwärts treibt, loie sie vor Allein
Nägel i annahm, sondern eine solche, die von diesen Bedingungen selbst
hervorgerufen und geleitet wird, wenn auch nur indirekt.«
Unter den Lebensbedingungen, welche die Variation leiten, versteht
der Verfasser also den Nutzen. Andere Lebensbedingungen als solche,
welche durch die Auslese an der Hand des Nutzens geschaffen, bezw. ge-
züchtet worden sind, kennt er überhaupt nicht. Die Lebensbedingungen«
leiten die Abänderung mittelbar, die Auslese leitet sie unmittelbar, d. h.
sie züchtet sie.
Mit der »prädestinierten Variation, wie sie vor Allem Nägeli annahm,«
aber hat es eine besondere Bewandtnis. In »vor Allem« ist, wie sich
aus Späterem ergiebt, meine Person mit enthalten, denn der Verfasser
schreibt mir in seiner Schrift die NÄGELi'sche Ansicht zu, welche die
Transmutation, bezw. die bestimmt gerichtete Entwickelung durch ein
»Vervollkommnungsprinzip«, und auf demselben beruhende »innere Ur-
sachen«, durch »innere Bildungsgesetze«, wie derselbe wiederholt sagt,
erklären will.
Es kann darüber Niemand in Unwissenheit sein, daß meine Ansicht
über die Ursachen der Transmutation derjenigen von Nägeli gerade in
diesem Punkte vollkommen entgegengesetzt ist. Ich habe auch dies oft
genug wiederholt. Es bildet geradezu eine der Hauptgrundlagen meiner
Entwickelungstheorie vom organischen Wachsen der Lebewelt
(Organophysis oder Morphophysis) der überall von mir vorangestellte
Satz, daß unmittelbare] äußere Einwirkungen, wie Klima, Nahrung,
kurz der Lebensbedingungen, auf die gegebene Konstitution — d. i.
innere, physiologische oder Wachstums-Ursachen — für die Trans-
mutation in erster Linie maßgebend sind.
Zu Allem hin habe ich diese Ansicht in meinem Leydener Vortrag
im Beisein meines Herrn Gegners, ja gerade diesem gegenüber abermals
Vorwort gegen Vorwort. 55
hervorgehoben •) — gegenüber diesem deshalb mit besonderer Betonung,
weil derselbe drei Tage vorher in seiner Rede den auch sonst gewöhn-
lichen Irrtum begangen hatte, die Annahme von der unmittelbaren
Wirkung auf die Umbildung als LAMA.RCK'sche hinzustellen.
Der volle Beweis dafür, wie gut ich von demselben in der That
verstanden worden sein muß, liegt aber darin, daß Herr WErsMANX jene
irrtümliche Äußerung bezüglich Lamarck's, welche er in der mündlichen
Rede gethan, in der gedruckten weggelassen hat.
In meinem Vortrage habe ich ferner den Gegensatz meiner ortho-
genetischen Auffassung und den Beweis derselben gegenüber den auf
dem Vervollkommnungsprinzip beruhenden theoretischen Aufstellungen
Nägeli's eben deshalb mit Nachdruck hervorgehoben, weil Herr Weisman\
in seiner Rede von Nägeli und Askenasy als Vertretern der Orthogenesis
gesprochen, meinen Namen aber verschwiegen hatte, obschon er selbst-
verständlich nicht gegen der Botaniker theoretische Ausführungen geredet,
sondern gegen mich, wie er ja thatsächlich meine Untersuchungen an
Schmetterlingen zum Gegenstand seiner V^iderlegung genommen hat.
Endlich habe ich angesichts meines Gegners in meinem Vortrag
abermals ausdrücklich hervorgehoben, was ich unter inneren Ur-
sachen verstehe, eben daß dies rein physiologische Vorgänge seien,
welche mit dem NÄGELi'schen Vervollkommnungsprinzip nichts zu thun
haben.
Schwer verständlich ist es nun, wie Herr Weismaxx, nachdem er
einmal, durch meine öffentliche Verwahrung gezwungen, sich endlich dazu
bequemte, in seiner gedruckten Rede meinen Namen zu nennen, auch
jetzt noch fortgesetzt meine Ansicht in das Gegenteil verkehren
mag — während er doch sonst die gedruckte Rede in Rücksicht auf
meinen Vortrag gegenüber der mündlichen so erheblich geändert hat.
Noch schwerer verständlich ist es, daß er jetzt die Behauptung, ich
nehme wie Nägeli »innere Bildungsgesetze« als Ursache der Trans-
mutation an, sogar um ein Bedeutenderes verstärkt, indem er dieselbe,
unter eingehenderer Behandlung meiner Schmetterlingsstudi<^n und mit
Nennung meines Namens mehrfach wiederholt.
In das Gegenteil verkehrt er, indem er später sagt-): »Offenbar ist
hier (bei der Blattzeichnung der Schmetterlingsflügel) mit der Annahme
rein innerer Triebkräfte^ wie sie Nägeli^ Askenasy und neuerdings —
falls ich ihn recht verstehe (!) — auch Eimer im Sinne einer mechanischen
Entwickelungskraft annehmen^ nichts auszurichten. <^^ Er thut es, indem er so
im Folgenden in seiner Schrift sogar behaupiel und durch diese Behauptung
die Berechtigung seiner »Germinalselektion« zu stützen sucht — es gebe
außer der Selektion keine andere Erklärung der bestimmt gerichteten
Entwickelung als die durch »innere Bildungsgesetze«. Und er thut es
an einer anderen Stelle seiner Schrift ohne jede Einschränkung wiederum
unmittelbar an mich gewendet 3).
Vgl. vorn S. 15. -^ »Gerniinalselektion« ». 16. ^, Vgl. S. 6.
56 Die sogenannte Germinalselektion.
Aber ich habe in Gegenwart des Herrn August Weisman.n in meinem
Leydener Vortrage außerdem das auf S. 26 mit fetter Schrift Gedruckte
wiederum mit besonderem Nachdruck hervorgehoben.
Warum denn verschweigt derselbe in seiner ganzen Schrift diesen
Hinweis auf die neuesten Versuche mit Wärme- und Kälteeinwirkung
auf die Schmetterlingsentwickelung in Beziehung zu meinen Ansichten?
— offenbar enthalten jene Versuche den experimentellen Beweis meiner
Auffassung von den Ursachen der Transmutation gegenüber der seinigen
und damit den Beweis für die Vererbung erworbener Eigen-
schaften ').
Mit solchen Mitteln will der Vertreter der »Allmacht der Naturzüch-
tung« das »eigentliche Endziel seiner Schrift« erreichen, die »Rehabili-
tierung des Selektionsprinzips«! »Sollte es mir gelungen sein, dasselbe
lüiedev in seine gefährdeten Rechte eingesetzt zu haben, so ivürde mir
1 Seit dem Erscheinen meiner »Entstehung der Arten« gehe ich bei meinem
ehemaligen Lehrer meist nur noch unter der Bezeichnung »man« u. dgl. So weiter in
seiner »Germinalseleiition« : »,Man' liebt es, sie (die Phantasie) als eine Art von über-
llüssigem Ballast zu betrachten, als ein unnützes Überbleibsel aus der Zeit der aus-
gearteten , Naturphilosophie' und spricht mit Stolz das mißverstandene Wort Newton's
nach: ,Hypotheses non fingo' und taxiert den Wert der kleinsten neuen
Thatsache unendlich höher als den der schönsten Theorie. Lnd den-
noch verbindet erst die Theorie die Thatsachen zur wirklichen Wissenschaft und ist
die unerläßliche Bedingung jeden bedeutenden Fortschritts«. Vorher wird den
Biologen vorgeworfen, es scheine unter ihnen nicht nur ein geringes Verständnis für
die wissenschaftliche Bedeutung der Phantasie, sondern auch für die Theorie überhaupt
vorhanden zu sein.
Gewiß »verbindet erst die Theorie die Thatsachen zur Wissenschaft«, aber sie
hat eben alle bekannten wesentlichen Thatsachen zu berücksichtigen,
sonst ist nicht von Theorie zu reden, sondern eben nur von Phantasie.
Man vergleiche hierzu übrigens die an Herrn Weismann gerichteten Schlußsätze
meines Leydener Vortrags: »Aber Eines ist zweifellos« u. s. w. (vgl. vorn S. 40), und
man wird in vorstehender Verteidigung desselben wiederum die Kunst des Dialek-
tikers bewundern müssen^ .
Noch mehr in Folgendem. Nachdem Herrn Weismann soeben von verschiedenen
Seiten öffentlich sein Nichtberücksichtigen von Thatsachen und »unerhörte Gering-
schätzung seiner Gegner« vorgeworfen worden war, sagt derselbe, an Herbert Spencer
gewendet: »Auf ähnliche Fälle . . . habe ich schon vor längerer Zeit hingewiesen und
ich kann mir das Ignorieren solcher zwingender Fälle von Seiten Herbert Spencers
imr dadurch erklären, daß ihm als Philosophen diese Thatsachen nicht durch eigene
Anschauung bekannt sind, ... denn ich möch te durchaus nicht annehmen, daß
er den Schwierigkeiten, welche sich seiner Ansicht entgegenstellen,
absichtlich aus dem Wege geht, wie es die Art der Volksredner und
Advokaten — leider auch mancher Naturforscher ist.«b
Damit hat der unerreichbare Dialektiker zugleich ausgesprochen , daß ihm von
uns deutschen Paria's »zwingende Fälle« überhaupt nicht entgegengehalten worden
sind. Inzwischen hat er sich auch darin ja freilich eines anderen besonnen — und
so erdachte er die »Germinalselektion«.
»; Ich habe in meinem Vortrag nicht von Theorie gesprochen, welche ich bei
Herrn Weismann gar nicht anerkenne, sondern von Spekulation, und seine oben ge-
sperrt gedruckten Worte verkehren meine Äußerung überhaupt vollkommen.
^] »Allmacht der Naturzüchtune;« 'f894S. 21.
Antworten auf die Lehrsätze der »Germinalselektion«. 57
dies zu große)' Befriedigung gereichen«, sagt er und fährt fort: nlenn
ich selbst bin von der Unentbehrlichkeit desselben so sehr überzeugt, daß
mir sein Zusammenbruch gleichbedeutend zu sein schiene mit dem Aufgeben
jeder Forschung über den causalen Zusammenhang der Erscheinungen auf
dem Gebiete des Lebens <!■.
Dieses Glaubensbekenntnis erklärt Vieles: wer dergestalt sein ganzes
Denken und Wissen einer einzigen alleinseligmachenden Erklärung der
Dinse unterordnet, der verfällt natursemäß dem irrenden Glaaben.
Was aber die »Rehabilitierung des Selektionsprinzips' angeht, so
meine ich mit einem anderen Kritiker der WEisMANN'schen Methode: »Wenn
der Darwinismus dieser Stütze bedarf, dann ist er verloren«.
Antworten auf die Lehrsätze der »Germinalselektion«.
Der Verfasser vertritt als Ausdruck seiner heutigen Einsicht die
folgenden Sätze:
i. Es giebt mögliche Variationsrichtungen, aber dieselben sind nur
die Schienen einer Eisenbahn. »In der Selektionstheorie wird der Loko-
motivführer durch die Nützlichkeit dargestellt, indem diese darüber ent-
scheidet, welches der Variationsgeleise befahren icerden soll«, iß. 2.)
Antwort: Das gerade Gegenteil ist durch die von mir und Anderen
über Orthogenesis festgestellten Thatsachen bewiesen: Die Variations-
richtuneen haben an sich mit dem Nutzen gar nichts zu thun. Aller-
dings wenn sie mit dem Nutzen zusammenfallen, so werden
sie gefördert werden; auch ist es, wie e;esaa;t, möglich, daß die
Auslese von durch Orthogenesis entstandenem Nützlichem die nützlichen
Entwickelungsrichtungen stärkt, weniger nützliche zurückdrängt. Ohne-
dies wird stets das, was von dem durch Orthogenesis Entstandenen
nützlicher ist, Bestand haben gegenüber dem ebenso entstandenen
weniger Nützlichen.
2. »Gerade darin liegt ja die Stärke, die unbesiegbare Stärke — wie
ich glaube — des Selektionsprinzips, daß sie uns zeigt, warum stets das
Zweckmüßige entsteht, und das ist doch gerade das große Problem des
Lebens« (S. 2).
Antwort: Dieser Satz ist widerlegt durch die Thatsache, daß
nicht stets Zweckmäßiges entsteht. Es entsteht und besteht sogar
Schädliches. Es besteht eine Unzahl von in Beziehung auf den Nutzen
gleichgültigen Eigenschaften. Der Satz ist aber schon widerlegt durch das
neueste Zugeständnis des Redners, daß die neu entstehenden Eigen-
schaften nicht nützlich sind, nach ihm nicht nützlich sein können, weil
sie ja nicht gezüchtet sind^).
1) Schon 1874 in »Lacerta muralis caerulea« S. 43 habe ich gesagt: »Es w'erden
\] aus inneren Ursachen Organisationsverhiiltnisse entstehen, gleichsam auskrystallisieren
können, welche dem Organismus ebenso nützlich sind, als wenn sie durch den Kampf
ums Dasein entstanden wären. In diesem Falle werden die Anforderungen des
58 '^ie sogenannte Germinalselektion.
Der Redner verwechselt hier wie im vorigen Satz und überall zwei
sehr verschiedene Dinge: die Nützlichkeit und die Selektion. Es ist
klar, daß das, was nützlich ist, nicht durch Auslest ent-
standen zu sein braucht, wie ich wiederholt anderwärts hervor-
gehoben habe. Damit fällt aber wiederum eine der wichtigsten Grund-
lagen der ganzen Auffassung^ von der »Allmacht der Naturzüchtung«
und von der »Germinalselektion«.
3. » Wir können in keinem Einzelfalle sagen, wie groß eine bestimmte
Variation sein muß, damit sie Selektionswert habe . . . Am nieder drückend-
sten vor Allem vielleicht ist dann noch der Umstand, daß ivir kaum in
irgend einem in der freien Natur vorkommenden Falle überhaupt nur sagen
können, ob eine beobachtete Variation nützlich ist oder nicht ... Es
ist nicht undenkbar, daß loirklich bei manchen Arten diese Fürbungen
(Schutzfärbungen bei Schmetterlingen) heute nicht mehr notwendig sind
für die Erhaltung der Art, daß sie es früher ivaren, daß aber heute die-
jenigen Feinde, ivelche die Falter im Sitzen absuchten, selten geworden
oder ganz ausgestorben sind, und daß die Schutzfärbung nur nach dem
Gesetz der Trägheit noch eine Weile fortdauert, bis Panmixie oder neue
Anpassungen sie verändern . . . Es ist auch ivenig Aussicht auf Besserung
dieses unseres Unvermögens vorhanden<^ ... (S. 4 u. 5).
Antwort: Es ist klar, daß der Redner mit dieser Klage über Un-
vermögen des Erkennens von Nutzen seine ganze Selektionslokomotive
in den Sand entgleisen läßt. Es bleibt von ihr nur übrig die heute
von ihm ohne jeden Revveis aufgestellte Behauptung, es sei Alles an-
gepaßt oder zu irgend einer Zeit angepaßt gewesen, eine Behauptung,
welche durch die von dem früheren Herrn August Weismann mit guten
Gründen vertretene vollkommen entgegengesetzte Ansicht aufgehoben
wird. Der heutige Herr Weismann h;it für seine Behauptung nur die
Inanspruchnahme des Glaubens, welcher ihm schon nach dieser seiner
Vergangenheit versagt werden muß ').
Nützlichkeitsprincips zufallig von dem Produkte der Entwickelung aus inneren Ur-
sachen erfüllt und dessen Bedeutung bleibt daher ungeschmälert. 2) Es können aus
inneren Ursachen für das Fortkommen des Organismus indifferente und 3) sogar
schädliche Eigenschaften entstehen — denn der Satz, welchen Darwin früher vertrat,
daß jede Eigenschaft, welche ein Organismus besitzt, demselben zu irgend einer Zeit
einmal nützlich gewesen sein müsse, ist, wie er ja selbst jetzt zugesteht, olfenbar
unrichtig. Mit schädlichen Eigenschaften behaftete Organismen werden sich aber nur
dann erhalten, und werden nur dann ihre Eigentümlichkeiten durch Generationen ver-
erben können, wenn jene im Vergleich zu den ihnen eigenen nützlichen nicht in Be-
tracht kommen, oder sofern sie in Korrelation stehen mit anderen, die nützlicher sind,
als sie selbst schädlich.«
1, Im Übrigen wirkt es doch fast etwas komisch, wie kläghch und ergreifend
zugleich derselbe unsere Unwissenheit in Beziehung auf den Selektionswert der ein-
zelnen Eigenschaften und die Hoffnungslosigkeit einer Besserung dieses Zu-
standes darstellt — während er selbst doch bestimmt wissen und uns zumuten will
zu glauben, daß alles angepaßt, alles nützlich sei — was ja, eben nach jener Un-
wissenheit zu schließen, olfenbar nichts als eine »unbewiesene« und unbeweisbare
»Behauptung« sein muß.
Antworten auf die Lehrsätze der »Germinalselektion«. 59
Ich wiederhole, es giebt nicht nur unbedingt schädliche Eigen-
schaften wie unseren processus vermiformis, sondern es sind auch gewisse
Teile wie Stoßzähne, Geweihe, Schwänze (Faultiere; bei manchen Tieren
zu so mächtiger Größe herangewachsen, daß dieselben offenbar daran
zu Grunde gegangen, ausgestorben sind^).
Als Darwin den an sich gewiß vollberechtigten Satz aussprach, daß
wir nicht überall im Stande seien, den Nutzen von Eigenschaften zu er-
kennen, waren die Thatsachen noch nicht bekannt, welche die Ortho-
eenesis uns vor Augen führt und W' eiche, um einen Ausdruck früherer
Groß ist diese Bescheidenheit im Bekenntnis des Nichtwissens, wenn es ii. a.
wörtlich weiter l)ei ihm heißt: »in manchen Fällen können wir wenigstens einen Wahr-
scheinlichkeitsschluß machen und z. B. sagen: die große Fruchtbarkeit des Frosches
sei eine Eigentümlichkeit von Selektionswert, insofern wir sehen, daß trotz derselben
die Zahl der Frösche eines Wohngebietes nicht zunimmt« — so bescheiden ist liier
der Mann, der die geheimsten Geheiumisse des Keimplasraa uns erschließen will und
der auf diesem Gebiete sogar fast Unglaubliches zu wissen und als Erkenntnis dar-
zustellen kein Bedenken trägt.
1) Man vergl. L. Doederlein: Phylogenetische Betrachtungen. Biolog. Centralbl.
VII S. 396: »Ohne Frage die merkwürdigsten und abenteuerlichsten Katzen, die man
kennt, gehören zur Gruppe der säbelzähnigen Tiger, deren letzte Glieder, wie Smilodon
Machaerodus) neogaeus aus dem Piocän von Brasilien, breite und flache obere Eck-
zähne besaßen von geradezu fabelhafter Länge, die große Ähnlichkeit zeigen mit einer
Säbelklinge. An und für sich fürchterliche AVafTen, müssen gleichzeitig diese Zähne
bei ihrer außerordentlichen Länge ihrem Besitzer beim Fressen höchst hinderlich ge-
wesen sein, da sie in diesem Falle wie ein Beißkorb wirkten. Die Unzweckmäßigkeit
dieser Zähne ist so auffallend, daß namhafte Autoren, darunter Flower und Cope, das
Aussterben dieser Tiergruppe, die an Wehrhaftigkeit sämtliche bekannte Raubtiere
weit übertraf, direkt auf Rechnung dieser Zahnentwickelung setzen.« Hierher gehören
nach Doederlein's Meinung auch die übermäßig gekrümmten und übermäßig ver-
längerten Stoßzähne des Mammuts, die Größe des Geweihs beim Riesenhirsch, die
Hauer von Babirusa, die langen Hörner mancher Antilopenarten und die übermäßig
dicken Hörner gewisser Steinböcke und Wildschafe.
Daß auch sehr bedeutende Rückschritte in der »Anpassung« erfolgen können, wer-
den meine Ausführungen über die blattähnlichen und andere Schmetterlinge zeigen.
Auch Herr M. Standfüss hat mit Kälteversuchen an Schmetterlingspuppen wichtige
hierher gehörige Ergebnisse erzielt. Er sagt auf Seite 341 seines Handbuchs für Forscher
und Sammler IL Auflage, Jena 1896: »Vielmehr reproduzierten wir experimentell in
gewissen Fällen als höchst wahrscheinlich atavistische Formen solche, w^elche die
gegenwärtigen durch Schutzfärbung hinsichtlich ihres Ruhekleides übertreffen. Denn
bezüglich der Ruhestellung wird eine unbefangene Beobachtung der untersuchten
Vanessa- Kvien in der freien Natur Schutzfärbung anerkennen müssen. Hier wenigstens
also würde, vom Standpunkte Weismann's aus gesprochen, eine biologische Anpassung,
wie wir diesen Vorgang vielleicht kurz nennen könnten, vorliegen — nur hätte sie
in jenen Fällen nicht Fortschritte, sondern Rückschritte (cfr. p. 28ä u. 286 gemacht.«
— Dazu mag bemerkt werden, daß zahlreiche Tierarten der verschiedenen Erdperioden
wahrscheinlich mit infolge ihrer bedeutenden Körpergröße zu Grunde gegangen sind,
denn es zeigt sich, daß jeweils die größten Vertreter ihrer Art ausgestorben sind:
Iguanodon, Ichthyosaurus, Mosasaurus, Megatherium. Iguanodon ging in der Wealden-
formation unter, die Ichthyosaurier in der Kreide, Mosasaurus in der oberen Kreide,
Megatherium im Pleistocän. — Hierher gehört nach der Ansicht Mancher u. a. auch
das Verhalten von Cephalopoden, welche zuerst gerade waren (Orthoceratiden), dann
sich ein- und zuletzt wieder aufrollten.
G 0 Die sogenannte Germinalselektion.
Einsicht des Freiburger Zoologen hier vorweg zu nehmen, »jeden Gedanken«
an Anpassung zurückweisen.
4. y>So niederschlagend es nun auch sein 7riag, daß es uns versagt ist^
die Natur hier ins Einzelne zu kontrolieren^ so heißt es doch wahrlich,
das Kind mit dem Bade ausschütten, wenn man nun aus unserem Unver-
mögen, dem einzelnen Fall zu folgen, das ganze Prinzip der Selektion
fallen läßt, oder für etwas Nebensächliches erklärt, wenn man glaubt, die
erwähnte Schutzfärbung des Schmetterlings sei keine Schutzfärbung, sondern
eine aus inneren Ursachen notwendig resultierende Farbenzusammenstellung.
Die Schutzfärbung bleibt eine Schutzfärbung, mag sie im Augenblick für
die Art noch, nottvendig sein oder nicht, und sie ist als Schutzfärbung
entstanden, ist entstanden, nicht iveil es in der Konstitution des Tieres
lag, hier einen roten, dort einen weißen, schwarzen oder gelben Fleck
hervorzubringen, sondern weil sie nützlich, besser weil sie notwendig für
dasselbe war. Für solche offenkundige Anpassungen aber haben wir nur
die eine Erklärung der Selektion, ja es ist überhaupt keine andere natür-
liche Entstehungsweise denkbar, als diese, da wir über werkthätige Kräfte
im Gebiete der Naturerscheinungen nicht ver fügen. 'i (S. 6.)
Antwort: Der Verfasser wendet sich hier unmittelbar gegen die
aus meinen Schmetterlingsuntersuchungen von mir gezogenen Schlüsse.
Er stellt mir zu vermeintlicher Beweisführung offenbar wieder Be-
hauptungen entgegen, welche nicht nur vollkommen unbewiesen und
unbeweisbar sind, sondern welche gerade das Gegenteil von dem be-
sagen, was der ehemalige Herr August Weismann ausgesprochen hat.
Wir haben andere Erklärung auch für Schutzfärbungen, seien sie
scheinbare oder wirkliche.
a) Es sind die Entwickelungsrichtungen, welche ebensogut etwas
herausbilden können, was nützlich ist, wie Anderes, was nicht
nützlich ist, ohne daß irgend Auslese dabei mitzuwirken brauchte.
In vielen Fällen allerdings mag Auslese mitwirken, aber der Nutzen
selbst kann nichts Neues schaffen und die Auslese kann es
auch nicht.
b) Schon in meiner »Entstehung der Arten habe ich gegen die
Erklärung aller Anpassung^ durch Auslese auf die Thatsache
hingewiesen, daß z. B. manche Puppen die Farbe der Umgebung,
von welcher sie beeinflußt werden, unmittelbar annehmen (Farben-
photographie) '). Es ist dieser Hinweis bekanntlich neuerdings
durch 0. Wiener 2] zu weiterer Feststellung und Verwertung der
bezüglichen Thatsachen benutzt worden und M. Standfuss^ hat
nachgewiesen, daß zahlreiche Anpassungen« bei Schmetterlingen,
1) »Entstehung der Arten« I. S. 155.
- 0. Wiener: Farbenphotographie durch Körperfarben und mechanische Farben-
anpassung in der Natur. Annalen der Physik und Chemie. Neue Folge Bd. 55 S. 225 ff. 1895.
3) M. Staxdfuss: Die Beziehungen zwischen Färbung und Lebensgewohnheit bei
den paläarktischen GroßschmetterHngen. Vierteljahrsschrift der naturforsch. Gesell-
schaft in Zürich, XXXlX.~Jahrgang 4 894, Sonderabdruck .S. 3 ff.
Antworten auf die Lehrsätze der »Germinalselektion«. 61
z. B. DunkelfärbuDg derjenigen Flügelteile, welche dem Lichte
und somit auch dem Auge der Feinde ausgesetzt sind, auf
einfacher Lichteinvvirkung beruhen müssen. Es sind so häufig
die deckenden Yorderflügel der Schmetterlinge offenbar durch
unmittelbare Einwirkung des Lichtes und ohne notwendige Mit-
wirkung von Auslese schützend oder scheinbar schützend) dunkel
gefärbt oder auch die Teile der Hinterflügel, welche in der
Ruhe die Vorderflügel bedecken.
Der Bekämpfer der Vererbung erworbener Eigenschaften erwähnt
in einer anderen Schrift die bezüglichen Angaben von Poulton; er
kennt ohne Zweifel auch die Arbeit von Standfuss und die von
Wiener, aber erwähnt heute nur einen Aufsatz von G. Brandes ^) über
ganz denselben Gegenstand, welcher überall Anpassung sucht.
c) Ganz ebenso wird die unmittelbare Einwirkung von Wärme oder
Feuchtigkeit oder Nahrung u. s. w. Eigenschaften an Tieren und
Pflanzen hervorrufen können und hervorrufen, welche denselben
nützlich sind und welche somit als »Anpassungen erscheinen,
ohne daß die Auslese mit ihrem Werden irgend etwas zu thun
hatte.
W^enn der Freiburger Vertreter der Zoologie zur Zeit selbst zugiebt,
daß z. B. Schwarzfärbung bei Polyommatus Phlaeas auf unmittelbare
Einwirkung hoher Temperatur zurückzuführen ist, ohne daß Anpassung
dabei irgend in Frage kommt'-), so verlangt es doch die Forderung
elementarster Logik anzuerkennen, daß auf dieselbe Weise auch
nützliche Eigenschaften, >Anpassungen< entstehen können,
ohne daß Auslese dabei irgend etwas zu thun hat.
In der That verdanken nicht nur Vanessa prorsa und Linie» itls sibylla
die »ficti verweise« als Mimicry gedeutete Ähnlichkeit ihrer Zeichnung
bestimmter Entwickelungsrichtung, sondern wir werden zeigen, daß
auch die Ähnlichkeit der Unterseite von Kallima und anderen »Blatt-
schmetterlingen« auf Entwickelungsrichtungen zurückgeführt werden muß,
wenn auch in einzelnen Fällen die Auslese hier mit wirksam gewesen
sein kann.
Auf diesen Gebieten winkt nach den von mir gebotenen Ge-
sichtspunkten reiche Arbeit über Werden und Gewordensein. Mein
Gegner bietet uns nur Glauben, dieser aber ist »das Ende der
Wissenschaft«.
Was soll es heißen: es sei eine Eigenschaft entstanden, weil sie
nützlich und notwendig war und nicht aus irgend einem anderen Grunde?
Ist denn damit, daß man sagt, eine Eigenschaft ist geworden, weil
sie nützlich ist — um die Worte des Redners selbst zu gebrauchen
— »irgend etwas über die Ursachen ausgesagt, welche« dieselbe »her-
vorgerufen haben?«
1) G. BuASDEs: Der Saisondiniorphismus u. s. \v. Zeitschr. f. Naturw. Halle 1893.
2) A. Weisma^n: Äußere Einflüsse als Entwickelungsreize. 1894, S. 16, 17.
ß2 J^ie sogenannte Germinalselektion.
Ich habe mich dahin ausgesprochen, daß jene Vorstellung, welche
die Grundlage der D.vRwiN'schen Erklärung der Entstehung der Arten
enthält, auf einem oifenbaren Denkfehler beruhe, und man hat mir dies
sehr verübelt als einen Angriff gegen den »Meister Darwin«.
Aber ich muß, trotz aller Verehrung für den Meister, welchen auch
ich im Übrigen als solchen voll anerkenne, dabei bleiben, dass es so
ist, und ich begreife nicht, daß ein solch thatsächlicher Irrtum, nachdem
einmal so bestimmt auf ihn hingewiesen wurde, auch von sonst vor-
urteilslosen Männern immer wiederholt wird. Indessen, die Einsicht
der Wahrheit wird kommen — ja sie ist schon da, denn schon hört
man sagen: DvnwiN habe überhaupt nicht die Entstehung der Arten,
sondern nur die Erhaltung des Nützlichen erklären wollen (z. B. G. .1.
ROMAXES).
Damit aber stehen wir, wenn mich nicht Alles trügt, am Anfang
vom baldigen Ende der Anerkennung der DARwm'schen Erklärung der
Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl.
5. y>Es ist schon oft behauptet worden, dass die Farbenmuster der
Schmetterlingsflügel aus inneren Ursachen sich entwickelt hätten, unabhängig
von Selektion nach inneren Entwicklungsgesetzen. Eimer hat versucht,
dies dadurch zu beweisen, daß er in einer Abteilung der Gattung Papilio
nachwies, wie sich hier die Arten nach der Verwandtschaft ihrer Zeichnung
in Reihen ordnen lassen. Aber wird dadurch, daß man zeigt, wie die
Zeichnung sich in bestimmten Richtungen im Laufe der Artenbildung um-
gestaltet hat, irgend etwas über die Ursachen ausgesagt, welche
diese Umwandlungen hervorgerufen haben?(( (S. 6 u. 7.)
Antwort: Wenn ich bedenke, was auf der Hand liegt, daß mein
Gegner ganz wesentlich durch meine Schraetterlingsarbeiten dazu v^er-
anlaßt wurde, endlich sein Schweigen gegenüber den Thatsachen der
Orthogenesis zu brechen und seine Rede über »Germinalselektion, eine
Quelle bestimmt gerichteter Variation« zu halten, so fällt es mir fast
schwer, auf die vorstehende Behandlung meiner Arbeit ohne besondere
Kennzeichnung zu erwidern. Denn es ist in diesem ganzen Satze, in
welchem mir Herr August Weismann zum ersten Male sachlich gegenüber-
zutreten scheint, auch nicht ein einziges Teilchen, das nicht zu meinen
Ungunsten unrichtig wäre.
a) Es ist freilich richtig, daß »schon oft« behauptet worden ist, die
Farbenmuster der Schmetterlingsflügel hätten sich unabhängig
von Selektion gebildet. Aber nur ich habe es behauptet — aller-
dings oft! — und einstmals behauptete es noch Jemand: — Herr
August Weismann.
bi Es ist nicht richtig, daß ich oder irgend Jemand sonst behauptet
hätte, diese Entwickelung geschehe aus inneren Ursachen, nach
inneren Entwickelungsgesetzen — also im Sinne Nägeli's und
ohne Wirkung äußerer Einflüsse, wie das der Herr Verfasser
darstellen will.
Antworten auf die Lehrsätze der »Gerniinalselektion«. 63
ci Es ist nicht richtig, daß ich nur in »einer Abteilung« der Gattung
Papilio »nachwies, wie sich die Arten nach der Verwandtschaft
ihrer Zeichnung in Reihen ordnen lassen
'O
«.
Herr Weismann führt — in seiner gedruckten Rede — selbst
die bisher erschienenen zwei Teile meines Schraetterlingswerkes an,
welche zwei große Abteilungen der Papilioniden enthalten , in die ich
zahlreiche kleinere Gruppen zusammengefaßt habe. Ich habe aber
wiederholt betont '), daß die von mir nachgewiesene Gesetzmäßigkeit der
Umbildung der Zeichnung für alle Tagschmetterlinge gilt, und ein
wissenschaftlicher Gegner"^ konnte sich schon lange davon leicht über-
zeugen, daß dies richtig ist, wenn er nur seine Schmetterlingssammlung
darauf ansehen wollte. Ebenso muß ein solcher wissen, daß Karl
FiCKERT dieselbe Gesetzmäßigkeit im Anschluß an meine Arbeiten für die
Ornithopteren nachgewiesen hat 3), F. A. Dixey für die Vanessen ^).
Ich habe auch nicht nur gezeigt, daß sich die Papilioniden nach
ihrer VervA^andtschaft »in Reihen ordnen lassen«. Meiner Arbeit einen
so kindischen Wert zuzuschreiben , ist ein Einfall meines Gegners, der
besser »durchdacht« ist, als mancher andere von denen, welche er ver-
öffentlicht hat. Es ist nicht gerecht zu behaupten, daß ich solche Reihen
zusammenstellte, ohne daß damit irgend etwas über die Ursachen der
Artbildung gesagt wäre: der wesentliche Inhalt meiner Arbeit — und
der Verfasser muß dies doch so gut wissen wie ich selbst — beruht
gerade darauf, jene Ursachen nachzuweisen und zu zeigen, daß die
Möglichkeit der »Anordnung in Reihen« nur der Ausdruck einer gesetz-
mäßigen Umbildung sein kann, welche auf Grund jener Ursachen, d. i.
der äußeren Lebensbedingungen, erfolgt sein muß. Es sollte demselben
auch nicht entgangen sein, daß ich darauf hingewiesen habe, ein weiterer
vollkommener Beweis für die Blutsverwandtschaft der von mir in Reihen
geordneten Formen, außer der geographischen Verbreitung und den Ver-
suchen mit Kälte und Wärme, liege in der Wiederholung der Formen-
reihen durch die Ontogenese, worüber mir schon damals Thatsachen
bekannt waren ^ — endlich daß meine Arbeiten über Eidechsen, Raub-
tiere u. s. w. eanz dasselbe auch für andere Abteilungen des Tierreichs
längst festgestellt haben.
Alles das verschweigt mein wissenschaftlicher Gegner, offenbar doch
wiederum deshalb — »weil er den Schwierigkeiten, welche sich seiner
Ansicht entgegenstellen, absichtlich aus dem Wege geht, wie es die Art
der Volksredner und Advokaten — leider auch mancher Naturforscher ist«.
1 Vgl. über den Begriff des tierischen Individuum, Rede, gehalten auf der
Naturforscherversaramlung zu Freiburg i. B. 1883: Entstehung der Arten S. 4öß. »Art-
bildung etc.« I S. 6, II S. 55.
-] Vgl. »Gerniinalselektion« S. 65.
3 C. Fickert: Über die Zeichnungsverhältnisse der Gattung Ornithoptera. Zoo-
logische Jahrb. Abt. f. Systematik IV 1889 S. 692 ff.
4 F. A. Dixey: On the phylogenetic significance of the wing-markings in certain
genera of the Nymphalidae. Transact. Ent. soc. London 1890 I S. 89 ff.
ä Yeral. »Artbildung« II .S. 46.
64 Die sogenannte Germinalselektion.
6. »Oder^, fährt derselbe fort, »bciveist unser augenblickliches Un-
vermögen .... die biologische Bedeutimg dieser Zeichnungen und ihrer
Veränderungen mit Sicherheit zu erraten^ daß dieselben keine solche Be-
deutung besitzen?^
»Ich glaube, es läßt sich im Gegenteil sehr anschaulich nachweisen,
daß der Schmetterlingsflügel eine Tafel ist, auf der die Natur alles nieder-
geschrieben hat, ivas ihr für die Erhaltung und das Wohl ihrer Geschöpfe
förderlich erschien .... daß diese Farbenmuster großenteils (!) jedenfalls
nicht direkt aus inneren Entwicklungskräften hervorgegangen sind, sondern
durch Vermittelung der Selektion.«- (S. 7.)
Antwort. Das Bild von der Niederschrift auf den Schmetterlings-
flügeln ist eine in der gedruckten Rede, bezw. in Germinalselektion neu
eingeschobene Erwiderung auf meine Äußerung, daß die Buchstaben-
schrift, mit welcher auf diesen Gesetzestafeln die Gesetze der Entwicke-
lungslehre verständlich für jedermann, der die Wahrheit sehen will,
geschrieben stehen u. s. w.
Niemand wird im Stande sein, zu beweisen oder auch nur wahr-
scheinlich zu machen, daß irgend etw^as, sei es klein oder groß, von
der Zeichnung der in Frage stehenden Schmetterlinge mit dem Nutzen
in irgend einer Beziehung stehe oder je gestanden haben könne. Es wäre
auch solche Beziehung schon an sich deshalb vollkommen ausgeschlossen,
weil die so sehr verschiedenen genepistatischen Zeichnungs-
stufen, welche wiederum der phylogenetischen Entwickelung
entsprechen, bei ganz verschiedenen Arten gleichzeitig ne-
beneinander und unter wesentlich denselben bezüglichen
Lebensverhältnissen vorkommen, wie ich kürzlich auch in Leyden
hervorgehoben habe. ')
Ein Gewährsmann für meine Auffassungen, ein hervorragender
Schmetterlingskenner, versichert: Bei den Tagschmetterlingen
kommt überhaupt auf der Oberseite der Flügel keinerlei
Schutzfärbung vor, sondern nur auf der Unterseite, denn sie sind
»vor allem in sitzender Stellung feindlichen Angriffen ausgesetzt « , in
welcher sie ihre Flügel zusammengeklappt tragen. »Unsere der ge-
mäßigten Zone angehörigen Tagfalter haben überhaupt nur wenige Feinde,
welche sie im Fliegen verfolgen«, wohl aber sind »sie vielen Angriffen
ausgesetzt während des Schlafes«. »Ich habe schon an einem andern
Orte darzulegen versucht, daß es für Tag Schmetterlinge während
des Flugs überhaupt keine schützenden Färbungen giebt,
aus dem doppelten Grunde, weil die Farbe des Hintergrundes, auf wel-
chem sie sich darstellen, fortwährend wechselt und weil die flatternde
Bewegung auch bei der besten Anpassung an diesen Hintergrund den-
noch sofort sie dem Ause ihrer Feinde verraten würde.«
Und in Beziehuns: auf die verschiedene Färbung und Zeichnung der
1) Gerade so wie ich dies für die Mauereidechse zeigte (vgl. »Variieren der Mauer-
eidechse«).
Antworten auf die Lehrsätze der »Germinalselektion«. 65
Jahreszeitenabartungen von Schmetterlingen sagt derselbe Gewährsmann
vorher: man könnte dabei eben an Anpassung durch Naturzüchtung
denken, aber es schließe die Qualität der vorkommenden Färbungs-
unterschiede »diese Deutung vollkommen aus, and ferner bleibt die
äußere Umgebung der Schmetterlinge, mögen sie nun im Frühjahr oder
Sommer ausschlüpfen, so sehr die nämliche, daß ein jeder Gedanke, man
habe es hier mit verschiedenartigen sympathischen Färbungen zu thun,
gänzlich aufgegeben werden muß«.
Mein Gewährsmann, der in so verständiger, einfacher Weise die
für Jedermann offenliegenden Thatsachen beurteilt, ist kein anderer
als — mein jetziger Gegner Herr August Weismann. Sein Urteil ist
zu lesen in den 1875 erschienenen Studien zur Descendenztheorie,
I. Über den Saison-Dimorphismus der Schmetterlinge J)
Heute will derselbe Gelehrte, um seinen neuen Glauben an die All-
macht der Naturzüchtung, um das A und Cl seiner ganzen zoologischen
Wissenschaft, die Selektion, mit der Orthogenesis abzufinden, beweisen,
daß alle Entwickelungsrichtung gezüchtet sei, und zu diesem Zwecke
muß er natürlich heute glauben und sagen , es sei die Zeichnung auch
auf der Oberseite der Papilionidenflügel nützlich oder einmal nützlich
gewesen.
Der Wert solcher ohne jeden Beweis geänderten Ansicht erscheint
aber nach der Rechnung + 1 + ( — 1 ) =0 unzweifelhaft = 0.
7. Ȇberall da wenigstens^ ivo wir ihre biologische Bedeutung ver-
stehen, sind diese Muster so beschaffen und so auf dem Flügel verteilt^
wie es der Nützlichkeit entspricht. Ich mache mich natürlich nicht
anheischig, jeden Fleck und jede Linie auf einem Flügel zu deuten; es ist
oft eine sehr ivirre Handschrift, ivohl aus verschiedenen Jahrtausenden
stammend, denn eine jede der heutigen Arten erbte die Muster einer Stammart
und diese wieder die Muster einer noch altern Art, der Flügel war also
schon bei ihrer Entstehung längst keine tabula rasa mehr, sondern ein eng- und
vollgeschriebenes Blatt, auf dem Neues nur Platz fand, wenn ein Teil des
Alten ausgelöscht wurde. Ein anderer Teil aber blieb oder wurde nur
schwach verändert, und so entstand in vielen Fällen allmählich eine Zeich-
nung von fast unentwirrbarer Verioickeltheit.« (S. 7, 8.)
Des weiteren will der gelehrte Erklärer jener Handschrift fern da-
von sein, zu behaupten, daß die Zeichnung gesetzlos wäre: -> natürlich
ivalten hier wie überall Gesetze ; es scheint mir(!) nur, daß diese Gesetze,
d. h. die physiologischen Bedingungen der Variation, hier ganz allgemein im
Dienste einer höheren Macht stehen — der Nützlichkeit — und daß diese
es ist, ivelche in erster Linie bestimmt, was für Farben, Flecke, Striche,
Bänder sein und wo sie stehen sollen. <■■ ....
Antwort: Es ist höchst erfreulich, daß der Vater der Keimplasma-
hypothese, deren Grundlage ein zafjilliges Entstehen von Abänderungen
ist, welche durch Zuchtwahl ausgelesen werden sollen, daß dieser
1; S. 5 ff.
Eimer, Orthogenesis.
(j(3 Die sogenannte Germinalselektion.
einstige Vertreter des maßgebendsten Zufalls heute anerkennt: »natür-
lich walten überall Gesetze«.
Die anschauliche Erzählung aber, welche dersell)e von der Bedeu-
tung der Zeichnung und Farbe und von ihrer Beziehung zum Nutzen
macht, ist ein hübsches Märchen. Meine Arbeit zeigt in der That Jedem,
der Augen hat zu sehen, wie die erstere Schritt für Schritt entstanden
ist von einer Längsstreifung her, ähnlich der, welche unser Segelfalter
trägt, nur mit einigen Streifen mehr [Alehion und Verwandte), und daß
von Anfang bis zu Ende weder Nutzen noch Verwickelung, sondern daß
vielmehr die größte Einfachheit einer gesetzmäßigen, vom Nutzen völlig
unabhängigen Umbildung zu erkennen ist, wenn man nur den Schlüssel
zur Erkenntnis dieser Dinge nicht verschmähen will, welchen ich an die
Hand gegeben habe.
Ich verlange auch von einem Vertreter der »Allmacht der Natur-
züchtung« nicht, daß er mir jeden Fleck, jede Linie auf einem Schmetter-
lingsflügel im Sinne des Nutzens deute — ich verlange aber, daß er
mir wenigstens einen einzigen solchen Fleck bei einem der von mii
behandelten Papilioniden so erkläre, um wenigstens etwas an der Be-
rechtigung seiner Behauptung zu beweisen.
8. » Wenn von Bildungsgesetzen hier gesprochen wird, so meint man (!)
wohl zunächst damit .... aber ich glaube, man sollte sehr vorsichtig
sein, daraus ohne loeiteres Gesetze zu machen, denn alle diese Regeln der
Zeichnung gellen nur für kleine Formengruppen und sind Jiiemals durch-
greifend und für die ganze Ordnung oder auch nur für die eine Unter-
ordnung der Tagfalter, ja öfters nicht einmal für die ganze Gattung
maßgebend. Das deutet auf specielle, nur in dieser Gruppe wirkend^-
Ursachen.« (S. 8, 9.)
Antwort: »Man« ist sehr dankbar für gütigen Rat zur Vorsicht,
aber es erscheint schwer verständlich, wie man so wenig Bedacht auf
bleibenden Wert seiner Äußerungen legen kann, daß man zum Zweck
einer augenblicklich sein sollenden Beweisführung immer und immer
wieder Sätze aufstellt, welche das volle Gegenteil zu den vor Aller
Augen liegenden Thatsachen bedeuten.
Niemals ist auch nur eines der von mir aufgestellten Bildungs-
gesetze nur für eine Ordnung oder gar nur für eine Gattung maßgebend,
denn sonst hätte ich sie eben nicht Gesetze nennen können. Die
Zeichnungen entferntest stehender Falter lassen sich durch Übergänge
in Zusammenhang bringen mit jenem Grundschema der Papilioniden-
zeichnung bestehend aus elffacher Längsstreifung. So werden wir sehen,
daß z. B. Zeichnungsreste, welche die Ähnlichkeit der Blatt-
schmetterlinge mit einem Blatte, bezw. mit Seitenrippen des-
selben bedingen, so bei Kallima, auf jene Grundzeichnung
ebenso deutlich zurückzuführen sind wie die Vorderrand-
flügelflecke der Van essen, Vanessa levana und prorsa nicht aus-
geschlossen. Ich werde den Beweis bringen und bitte dagegen meinen
wissenschaftlichen Gegner um den Beweis für seine Behauptung — an
Antworten auf die Lehrsätze der »Germinalselektion«. 67
der Hand meiner von ihm heute erstmals berührten und zugleich in
Bausch und Bogen beurteilten Gesetze.
Wäre seine Behauptung richtig, so hätte die Orthogenesis überhaupt
gar keinen wesentlichen Wert für die Entwickelungslehre und es könnte
dann allerdings nicht von ihr gesagt werden , was ich beweisen will,
daß sie die Grundlagen der DiRWiN'schen Lehre von der Herrschaft der
Zuchtwahl und daß sie den Afterdarwinismus vollkommen zurückweist.
Darum will ihre Bedeutung von meinem Gegner so klein gemacht
werden. Aber w^enn sie so klein, w^enn die Gesetzmäßigkeit der Zeich-
nungsbildung bei den Schmetterlingen, von welchen derselbe überall
redet, nur auf Untergruppen beschränkt ist — warum giebt er sich
dann die große Mühe, sie durch seine Schrift über »Germinalselektion«
unschädlich zu machen?
Daß im Laufe der Phylogenese neue Eigenschaften, neue Entwicke-
lungsrichtungen auftreten, gehört zu den Feststellungen meiner Arbeit
und kann von meinem Gegner nicht für sich verwertet werden , spricht
vielmehr in allen einzelnen Fällen auf das Unwiderleglichste gegen seine
Züchtungslehre. Denn alle diese neuen Eigenschaften haben zuerst
jedenfalls mit dem Nutzen gar nichts zu thun und in weitaus den meisten
Fällen kommen sie mit demselben gar nicht in Berührung — in anderen,
wie bei manchen Blattschmetterlingen, wird dies der Fall sein können,
aber es giebt deren, bei welchen eine Beziehung der Zeichnung zur
Umgebung schon deshalb nicht wahrscheinlich ist, weil sie gar nicht
»Waldschmetterlinge« sind, wie der Redner für sie alle zu beanspruchen
scheint. — Auch ein Teil der so auffallenden Hauptblattrippe der Blatt-
schmetterlinge ist schon bei den Segelfaltern, wie wir sehen werden, in
Gestalt eines der typischen Längsstreifen vorhanden; w^'e diese Rippe
im übrigen entsteht, w^erden wir kennen lernen: wiederum vollkommen
gesetzmäßig aus uralter Eigenschaft her, welche mit dem Nutzen nichts
zu thun haben kann.
Wer mir wissenschaftlich entgegentreten will, muß wissen, was ich
auch in der Einleitung zu meinem Vortrag erwähnte, denn es ist eine
der wichtigsten meiner so oft wiederholten »Großthaten« ^) : Die Bildungs-
gesetze, welche ich für die Zeichnung der Schmetterlinge aufgestellt
habe, gelten im wesentlichen auch für die Zeichnung ganz anderer Tier-
klassen und Tierstämme. Derselbe wird vor allem meine Arbeit über
»das Variieren der Mauereidechse« berücksichtigen müssen, welche die
für die Orthogenesis grundlegenden Thatsachen der Gesetzmäßigkeit der
Umbildung zu einem großen Teile schon enthält. Er muß wissen, daß er
als wissenschaftlicher Gegner alle diese Thatsachen zu berücksichtigen
hat, wenn er eine so hochwichtige Frage sachgemäß behandeln will.
9. »Sobald wir das Princip der Nützlichkeit mit hereinziehen^ wissen
wir, icarum hei den Tagfaltern die Oberseite die bunten Farben allein zu
tragen 'pflegt^ die Unterseite aber protectiv gefärbt ist, oder ivariim bei den
1; Vgl. »Germinalselektion« S. 63.
ßS Die sogenannte Germinalselektion.
Nachtfaltern die Vorderflihjel loie Rinde oder altes Holz oder wie ein Blatt
aussehen^ ivährend die im Ruhen verdeckten Hinterßügel allein lebhaft ge-
färbt sind. Dann verstehen ivir auch die Ausnahmen von diesen Regeln^
lüir begreifen, daß Danaiden, Heliconiden, Euploeiden und Acraeiden, über-
haupt alle widerlich riechenden und schmeckenden Tagfalter meist bunt und
zwar oben und unten gleich gezeichnet sind, während alle nicht immunen
Arten unten Schutzfärbung besitzen und oft ganz anders gefärbt sind
als auf der Oberseite. Jedenfalls sind also diese vermeintlichen y> Bildungs-
gesetze«- nicht bindend ; es kann Dispens von ihnen erteilt werden, und er
wird erteilt, sobald es die Nützlichkeit verlangt.« .... Es
»lassen doch schon die angefidirten Thatsachen keinen Zweifel darüber,
daß nicht innere Notwendigkeit, sog. Bildungsgesetze, die
Flächen des Schmetterlingsflügels bemalt hat, sondern daß
die Lebensbedingungen den Pinsel führen«. (S. 9, 10.)
Antwort: Wir haben hier wieder einen echt »WEisMANN'schen Be-
weis«. Die von mir festgestellten Thatsachen zeigen, wie jeder unbe-
fangene Beurteiler bestätigen muß, daß nicht der Nutzen, den Herr
Weismann allein hier unter »Lebensbedingungen« versteht, den Pinsel auf
den Schmetterlingsflügeln führt, sondern die Orthogenesis, und daß
eine mögliche Anpassung von dieser im wesentlichen abhängig ist, daß
der Nutzen überall nur das benützen kann, was das * organische Wachsen«
ihm darbietet, nicht aber umgekehrt. Ich ersuche den Herrn Redner,
mir einen einzigen Fall zu zeigen, in welchem, wie er so rundweg be-
hauptet, von den vermeintlichen »Bildungsgesetzen« Dispens erteilt wird,
»sobald es die Nützlichkeit verlangt«. Auch der von ihm für entscheidend
gehaltene Fall von dem Tagfalter Ageronia mit Rindenfärbung der Oberseite
der ausgebreitet getragenen Flügel beweist für die aktive Umbildungs-
thätigkeit des Nutzens so wenig wie die Nachtfalter. Diese Rindenfärbung
erscheint nämlich gleichfalls als der Ausdruck bestimmter Entwickelungs-
richtung. Wenn die Ageronien mit der Schutzfärbung der Oberflügel und
mit den buQten ünterflügeln sich so auffallend verhalten und dadurch ge-
schützt sind, wer sagt uns denn, daß sie sich die eigenartige Flügelhaltung
nicht erst angewöhnt haben, nachdem die schützende Färbung und
Zeichnung entstanden war, weil sie dadurch Schutz hatten? Gerade
die Thatsache, daß bei ihnen die Unterseite der Flügel bunt gefärbt ist,
dürfte für die Bejahung dieser Frage sprechen. Übrigens verlassen sich
die Ageronien, wie wir sehen werden, nicht auf diesen Schutz. — Auf
die Färbung und Zeichnung der Danaiden, Heliconiden u. s.w. kommen wir
noch ausführlich zu reden.
Niemand bestreitet, daß es nützliche Anpassungen auch bei Schmetter-
lingen giebt, und auch ich bestreite nicht, daß dem Nutzen eine gewisse
auslesende Wirkung zukommen wird, ich vertrete nur die Ansicht, daß
dies in weitem Umfange bei den Schmetterlingen, auch abgesehen von den
von mir untersuchten Papilioniden nicht der Fall ist, insbesondere nicht auf
der Oberseite bei allen Tagfaltern, welche sich nach gewöhnlicher Art
im Fliegen und Sitzen verhalten, denn hier besteht — ich berufe mich
Antworten auf die Lehrsätze der »Germinalselektion«. 69
auf den früheren Herrn Weismann selbst — keine Anpassung. Auch der
heutige Herr Weismann giebt aber zu, daß es scheinbare Schutzfärbungen
giebt. Zunächst wären diese durch genaue und unbefangene Beobachtung
der Lebensgewohnheiten mögHchst auszuscheiden. Sodann vermeidet
es der Redner, mag er nun den Nutzen als Pinsel oder als Lokomotive
behandeln, abermals mit ganz auffälliger Sorgfalt, auf die
unmittelbare Wirkung der äußeren Verhältnisse auf Zeich-
nung und Färbung einzugehen, welche doch bewiesen und deren
Tragweite noch gar nicht abzusehen ist.
Nachdem einmal die Macht der Orthogenesis festgestellt ist, ist mit
allgemeinen Behauptungen und auch mit Hinweisen auf einzelne Fälle
nichts mehr zu machen: es muß vielmehr für jeden einzelnen Fall erst
nachgewiesen werden, wie weit die Herrschaft der bestimmt gerichteten
Entwicklung und etwa die besondere unmittelbare Einwirkung äußerer
Verhältnisse für die in Frage kommende Eigenart maßgebend ist und
wieviel auf secundären Einfluß des Nutzens — denn nur von einem
solchen kann die Rede sein — entfallen mag.
Das sind Aufgaben, welche sich bei der Studierlampe nicht lösen
lassen und über welche nach den nunmehr maßgebenden Gesichtspunkten
von derselben aus zu schreiben vollkommen müßig ist.
Deshalb — und aus anderen naheliegenden Gründen — wird man,
wie ich glaube, sehr «vorsichtig sein müssen« mit allzu rascher Aner-
kennung bezüglicher vom Redner aufgeführter Beispiele.
Eines dieser Beispiele, welches ich inzwischen näher untersucht
habe, dasjenige der Blattschmetterlinge, gerade das, auf welches mein
Gegner das höchste Gewicht legt, dergestalt, daß er es eigentlich zum
Mittelpunkt seiner Rede gemacht hat, wird uns überraschenden Aufschluß
zu Gunsten meiner Auffassungen geben. Wir w'erden sehen, daß selbst
dieser merkwürdige Fall von Ähnlichkeit eines Tieres mit äußerer Um-
gebung keineswegs beweist, wie der Herr Redner weiterhin meint:
1 0. y>daß es Fälle giebt, denen gegenüber jede andere natürliche Erklärung
außer der durch Selektion versagt«. (S. 17.)
^>Wodicrch wurden nun gerade so zahlreiche Gattungen von Wald-
schmetterlingen befähigt blattähnlich zu werden"! Durch dirigierende Bil-
dungsgesetze ?«
»Fassen ivir aber die Zeichnung in' s Auge, durch welche die Blatt-
ähnlichkeit bedingt ivird, so finden wir z. B. bei Kallima Inachis und
Paralecta, den indischen Blattschmetterlingen, daß die Blattzeichnung völlig
unabhängig von den sonstigen, den Flügel beherrschenden Regelmäßigkeiten
ausgeführt ist.« (S. 14.)
y>Die Adereinteilung des Flügels wird von der Blattzeichnung gänzlich
ignoriert und die Fläche behandelt als eine tabula rasa, auf der man
zeichnen kann, tvas man loill: in diesem Falle ein Blatt.« (S. 16.)
Antwort: Ja, es sind Bildungsgesetze, welche die Grundzüge der
Blattähnlichkeit hergestellt haben, und es ist die Blattzeichnung nicht
70 Die sogenannte Germinalselektion.
unabhängig, sondern vollkommen abhängig »von den sonstigen den
Flügel beherrschenden Regelmäßigkeiten« ausgeführt.
Der Beweis hierfür wird in dem Abschnitt über die Entstehung der
Blattähnlichkeit bei Schmetterlingen eingehend erbracht werden.
1i. Dazu bemerkt der Vertreter der Alhnacht der Naturzüchtung,
er betone dies so scharf, Hlamit man sieht, es handle sich hier um einen
der Fälle, welche auf mechanischem, d. h. natürlichem Wege nur dann
erklärbar sind, wenn Selektion wirklich existiert und wirklich Neues
schaffe?} kann, denn das Lamarck^ sehe Princip ist hier vollkommen aus-
geschlossen Die Blatt Zeichnung wirkt durch ihre Existenz, nicht
durch irgend eine Funktion, die sie etwa ausübt. <•: (S. 16.)
Antwort: Wir brauchen nach meiner immer wiederholten Auffassung
über die Ursachen der Transmutation in letzter Linie und in zahlreichen
Fällen überhaupt keinen Lamarekismus, keine Funktion im Sinne des
äußeren Gebrauchs, sondern nur äußere Einwirkungen auf die gegebene
Konstitution, organisches Wachsen, als Ursache der Umbildung — so
eben bei der Zeichnung. — Der im Vorstehenden versuchte Beweis für die
Bedeutung und die schöpferische Kraft der Selektion ist nach den meiner
Auffassung zu Grunde liegenden Thatsachen somit vollkommen hinfällig.
Es ist deshalb auch vollkommen gegenstandslos, wenn der Verfasser
im Folgenden (S. 16), indem er mir mit Nägeli und Askenasy die An-
nahme inn er er Triebkräfte zuschreibt, sagt: »man würde . . . mit dieser
scheinbar mechanischen Kraft unweigerlich auf ein teleologisches Princip
zurückgewiesen werden« und es wäre deshalb nötig, »prästabilierte
Harmonie« zwischen der Vorfahrenreihe des Baumes, welcher das von dem
Schmetterling nachgebildete Blatt trägt, und diesem letzteren anzunehmen, wie
er es schon vor langen Jahren ausgedrückt habe, ivie es aber von den » Ver-
kündigern innerer Entivickelungskräfte immer wieder aufs Neue vergessen
wird«. ' — Es ist die Annahme dieser immer wieder verkündeten »prä-
stabilierten Harmonie« vollkommen unnötig. Die Orthogenesis allein muß
eine jedenfalls bis zu einem gewissen Grade täuschende Ähnlichkeit des
Schmetterlingsflügels mit dem Blatte ohne jede weitere Beziehung zu
demselben oder gar zu den Vorfahren des Baumes — lediglich auf Grund
äußerer Einwirkungen auf den gegebenen Gegenstand — geschaffen haben,
bis Auslese irgendwie eingreifen kann.
'12. »Es ist also keine bloße Vermutung, daß diese (der Blattschmetter-
linge) Zeüc/ini«?^/ langsam und allmählich, aber mit einer wunderbaren Sicher-
heit vorwärts geschritten ist. Es muß folglich niemals an den
passenden Variationen an der p assenden Stelle gefehlt haben,
oder, wie ich dies früher einmal ausdrückte: die nützlichen Va-
riationen waren immer da.« (S. 18.)
Antwort: Auch ich bin davon überzeugt, daß die Zeichnung in
der Regel langsam und allmählich mit wunderbarer Sicherheit vorwärts
geschritten ist. Aber gerade deshalb schon kann sie nicht wesentlich
durch Auslese gebildet worden sein.
Nichts kann mehr beweisen, welch herrschende Bedeutung der
Antworten auf die Lehrsätze der »Germinalselektion«. 71
Orthogenesis für die Umbildung der Formen zukommt, als die Blatt-
ähnlichkeit gerade von Kallima, einer der wunderbarsten Fälle von
Ähnlichkeit mit einem fremden Gegenstande, welcher in der ganzen
Tierwelt vorkommt, denn es sind wie überall thatsächlich wenige
gesetzmäßig wirkende Entwickelungsrichtungen, welche die Grund-
züge der Blattähnlichkeit hergestellt haben.
Es kann sein, daß solche ohne jede Beziehung zum Nutzen zuerst
sich bildende und vorschreitende Eigenschaften sich nach Erreichung
einer gewissen Vollkommenheit als nützlich erweisen und der Auslese
darbieten. Aber es widerspricht allem Thatsächlichen, zu behaupten,
daß überall sich an der passenden Stelle die nützlichen Eigenschaften
zur Auslese dargeboten haben.
Damit komme ich wieder auf den schon früher berührten wesent-
lichen Gegensatz zwischen meiner Auffassung, bezw. der schon von
AsKENASY hervorgehobenen und der DARwm'schen und afterdarwinistischen:
Weil die Umbildung nur nach wenigen bestimmten Richtungen vor-
wärts geht, deshalb kann der Auslese nicht die wichtige Rolle zufallen,
welche Darwinismus und Afterdarwinismus ihr zuschreiben wollen, denn
diese verlangen unbedingt, daß fortwährend alle möglichen Variationen,
vor allem die erforderlichen nützlichen, der Auslese zur Hand sein müssen,
mit andern Worten, sie setzen ein Abändern voraus, welches zufällig
nach sehr vielen und zwar nach den verschiedensten Richtungen geschieht
bis zu dem Zeitpunkte, wo sich die Auslese seiner bemächtigt.
Wenn also der Afterdarwinismus annimmt, daß die nützlichen
Variationen immer da sind, d. h. daß sie sich in einer für den Züchtungs-
proceß hinreichend großen Anzahl von Individuen stets darbieten 'S. 20 ,
so stellt er sich damit in den vollsten Gegensatz zu den Thatsachen der
Orthogenesis in demselben Augenblick, in welchem er diese in seinen
Dienst zu ziehen bemüht ist. Denn diese Thatsachen zeigen eben, daß
alles Variieren nur in wenigen bestimmten Richtungen geschieht.^)
1) Ich möchte schon hier verweisen auf den später näher zu behandelnden Fall
vom Nebeneinandervorkommen zahh-eicher Abänderungen des blattähnlichen Schmetter-
lings Doleschallia jjolibete, welche Herr G. Semper abbildet. Es hat ja überall bei
Tieren Variation sperioden gegeben, allerdings oft sehr lange, und es giebt auch
heute Arten, an welchen das Abändern gewissermaßen in besonderem Flusse ist.
Derartiges muß für unsere Fragen berücksichtigt werden. Aber da es sich eben meist
um langdauernde solche Perioden handelt, so liegt schon hierin wieder ein Gegenbeweis
gegen Anpassung, vor Allem aber darin, daß auch diese Variationen auf bestimmt
gerichteter Entwickelung beruhen. Dieselben werden daher wichtig für uns sein
für die Frage von der Entstehung der Blattähnlichkeit. — Einen bemerkenswerten
Fall vom Nebeneinandervorkommen zahlreicher solcher auf Orthogenesis beruhender
Varietäten unter Schmetterlingen bietet ein in dem Report entom. Depart. 1895
N. Yersey agric. coli. Fig. 63 S. 458 von Johx Smith abgebildeter Falter: Hyphantria
aenea, mit zahlreichen Varietäten, welche von einer längsgefleckten Form durch immer
spärlicher gefleckte zur Einfarbigkeit übergehen, ähnlich wie bei der erwähnten Helix
pisana und zahlreichen anderen Mollusken. Ebenso sind die Zeichnungsvarietäten von
Euprepia caja auf Übergang von einer Streifung zur Fleckung und zuweilen fast Ein-
farbigkeit zurückzuführen, und auch hier haben wir nebeneinander die verschie-
72 Die sogenannte Germinalselektion.
Der Verfasser empfindet wohl die Schwierigkeit dieses Gegensatzes
und sucht sich zu helfen durch sehr merkwürdige Beispiele, welche mit
der Blattzeichnung gar nichts zu thun haben und welche überhaupt,
gewiß auch bei der wohlwollendsten Beurteilung, für die ganze Frage
nichts bedeuten. Es ist eben unmöglich, was mein Herr Gegner so
oft für möglich hält und versucht. Unmögliches oder Unrichtiges mit
Gew^alt und gar etwa durch Beispiele zu beweisen.
»Wie kommt es denn«, fragt er, »daß bei Instinkten, die nur einmal im Leben
in Thätigkeit treten, wie z. B. die Verpuppungshandlungen der Insekten, die künst-
liche Anfertigung eines Gespinstes u. s. w., die nützlichen Variationen stets bereit
lagen?« (8.19.) Ein Cirkelschluß in schönster Form, denn wer sagt denn, daß sie bereit
lagen oder bereit liegen mußten? Der Verfasser nimmt wieder einmal eine unbe-
wiesene Behauptung — und zwar seine eigene — zum Vordersatz für einen Be-
weis. Er geht davon aus, daß es sich im Instinkt nicht, wie ich meine, um ver-
erbte Gewohnhcitsthätigkeit handle ii, und meint, dagegen spräche das Vorhandensein
von nur einmal im Leben ausgeübten Instinkten. Ich bin der Ansicht, daß bei der
von mir gegebenen Erklärung es von vornherein ganz einerlei ist, ob ein Instinkt
nur einmal im Leben zur Anwendung kommt oder mehrmals. Ja diese setzt eben
den unmittelbaren Zusammenhang der Thätigkeit bezw. der Erwerbung von Seiten
verschiedener oder zahlreicher Generationen voraus, mit anderen Worten: zahlreiche
Leben des Insekts* bezw. der Raupe sind für die Frage als ein zusammenhängendes
Ganzes, Einziges zu betrachten, was um so einleuchtender sein wird, je kürzer jene
Leben sind.-)
Der "Verfasser geht im Folgenden so weit, Beispiele zu bringen, nach welchen
jede zweckmäßige, vereinzelt da oder dort vorkommende Eigenschaft, so die Härte
densten Formen als Stufen gewöhnlicher Entwickelungsrichtungen im Sinne des allge-
meinen Zeichnungsgesetzes. Auf der großen Zahl solcher Thatsachen beruhen ja ge-
radezu meine Ausführungen über Orthogenesis überhaupt, insbesondere auch die
meiner »Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen« , xmd zuerst habe
ich dieselben in weiterem Umfange festgestellt in der »Mauereidechse«.
Dagegen möchte ich hier auch betonen, daß, wie gerade die Schmetterlinge zeigen,
die sprungweise Ent Wickelung, Halmatogenesis, eine große Rolle bei der Umbildung
der Arten spielt. Bei solchem plötzlichen Auftreten neuer Eigenschaften kann nun
da oder dort die Nützlichkeit im Sinne der Erhaltung des Passenden mit einem Male
einen günstigen Boden zur Wirksamkeit finden. Es hat diese von mir mit besonderem
Nachdruck, auf Grund von Thatsachen vertretene Entwickelungsweise, welche übrigens
mit der sprungweisen Entwickelung Kölliker's nichts zu thun hat (vgl. m. »Ent-
stehung der Arten« S. 49 IT., »Artbildung« I S. 19, II S. It ff., »Mauereidechse« S. 265 ff.),
bis jetzt sehr wenig Beachtung gefunden, und der Vertretung der »Allmacht der Natur-
züchtung« scheint es völlig entgangen zu sein, daß hier ein günstiger Boden für die
Verwendung der Selektion gegeben sei. Allerdings schafft wiederum die Auslese die
Sprünge nicht, sondern die äußeren Einwirkungen schaffen sie.
1,; Vergl. m. »Entstehung der Arten« S. 240. Mit jener einzigen Schwierigkeit
sollen alle hier gegebenen Beweise für Vererbung erworbener Eigenschaften beseitigt
werden vergl. hinten S. 80;.
-} Ferner macht G. J. Romanes in »Darwin und Nach Darwin« II, Leipzig, Engel-
mann, 1895, folgenden Einwurf: »Hierbei ist die Möglichkeit ganz außer Acht ge-
lassen, daß derartige Handlungen, welche jetzt allerdings nur ein einziges Mal im
individuellen Leben ausgeführt werden, ursprünglich, d. h. als die Instinkte sich
bei längst verschwundenen Vorfahren erst entwickelten, sich während des indivi-
duellen Lebens sehr häufig bei wiederholten Gelegenheiten abgespielt haben können«
;S. 106, vgL auch S. 109 ff.}.
Antworten auf die Lehrsätze der »Germinalselektion«. 73
der Spuhvurmeier, gar das Vorkommen der Augen an verschiedenen Körperstelien bei
verschiedenen Tieren seine Voraussetzung stützen soll. Vollends »überwältigend«,
meint er, »treten die Thatsachen uns entgegen, wenn wir bedenken, daß ja keine oder
kaum irgend eine Abänderung allein auftritt« .... So hätten gewisse Nacht-
schmetterlinge nicht nur täuschende Ähnlichkeit mit einem Stückchen Holz, sondern
zugleich den Instinkt sich todtzustellen. »Hier müssen also neben den Veränderungen
der äußern Erscheinung des Tieres solche in den feinsten Strukturen des centralen
Nervensystems pai'allel gegangen sein, obgleich diese mit jenen in gar keinem
inneren Zusammenhang stehen!«
»Wie hätte nun«, fragt er, »Alles dieses in so unzähligen Fällen jedesmal ein-
treten können, wenn die nützlichen, d. h. die notwendigen Variationen der betref-
fenden Organe sowohl als der ihrem Gebrauch vorstehenden Nervenmaschine nicht
stets zu haben gewesen wären?« (S. 21, 22.;
Der Verfasser behandelt ohne weiteres alle nützlichen bezw. brauchbaren Eigen-
schaften und alle Organe, ja gar die geistigen Fähigkeiten wiederum nach seinen
eigenen Voraussetznngen als zufällig entstandene nützliche »Variationen« und scheint
gar nicht zu bemerken, daß er plötzlich weit abgekommen ist von der bestimmt ge-
richteten Entwickejung und der Entstehung neuer Eigenschaften auf Grund von »in-
neren Bildungsgesetzen«, wie er es immer zu nennen beliebt, auf Grund organischen
Wachsens, wie ich sage, und daß er mit seinen Beispielen die Frage der Entstehung
von Organen durch den Gebrauch vollkommen mit der Orthogcnesis vermengt.
Zuletzt soll also gar die »Koadaption«, das gleichzeitige Vorhandensein mehrerer
physiologisch ineinandergreifender Eigenschaften auf Grund dessen entstanden sein,
daß durch zufälliges Abändern stets die verschiedensten nützlichen Eigenschaften
vorhanden siad, welche die Auslese benützt, um einen harmonisch gestalteten Or-
ganismus herzustellen. Die ganze unmittelbar vorhergegangene Schrift desselben Ver-
fassers war (»Neue Gedanken« u. s. w. dagegen dem Nachweis gewidmet, daß es
»Intraselektion « sei, welche diese Harmonie erzeuge!
Während der unaufhörlich oscillierende Hypothetiker es lange Zeit hindurch als
unzw^eifelhaft ansah, daß die Eigenschaften eines Organismus einzeln gezüchtet wor-
den seien, hat er jetzt, wie wir noch weiter sehen werden, auf einmal die mannig-
faltigsten Recepte, um gleichzeitige Züchtung verschiedener Eigenschaften zu erklären.
Heute will er die früher von ihm gar nicht anerkannte Korrelation, und zwar die
funktionelle Korrelation, durch das fortwährende Bereitstehen der verschiedensten
nützlichen Eigenschaften verständlich machen (S. 22) — Alles nur, um die Vererbung
sowohl unmittelbar wie mittelbar erworbener Eisenschaften nicht anerkennen zu
müssen und um die Allmacht der Naturzüchtung auf Grund der unmittelbaren Be-
thätigung des Keimplasma zu erweisen. Des weiteren schreckt er vor dem Satze
nicht zurück, zuerst seien die Gelenke entstanden gewesen, dann erst
seien sie in Funktion getreten.
Es giebt Behauptungen, gegen welche sich an Ursache und W^irkung geschulter
logischer Verstand ohne weiteres auflehnt und auflehnen muß wie gegen Wunder-
glauben. Zu ihnen gehört jener WEisMANN'sche Satz. Man stelle sich einmal vor, daß
alle die tausend und tausend verschiedenen, zweckmäßig bis ins kleinste hinein
arbeitenden Gelenke, welche in der Tierreihe vorkommen, zufällig im Keimplasma
durch Abändern bezw. durch »intrabiontische Selektion« entstanden, daß sie fix und
fertig zu Tage träten, um dann, durch die Personalauslese bevorzugt, erhalten, zum
bleibenden Bestehen gebracht zu werden, und man wird mitten im Lande des Zaubers
imd der Märchen angelangt sein. Die kühnsten Glaubenssätze der Religionen stellen
nicht höhere Anforderungen an ein gläubiges Gemüt, als solche Vorstellung, welche
nur auftritt, um die nächstliegende Erklärung nicht anerkennen zu müssen, weil um
keinen Preis Vererbung erworbener Eigenschaften zugegeben werden darf — funktio-
nelle Anpassungen dürfen nicht vererbbar seini), denn sonst fiele der noch stehen-
gebliebene Rest der Keimplasma-Hypothesen vollends zusammen.
1) Man vergl. hierzu G. Torxier: Über das Entstehen von Gelenkformen, Archiv
74 l^ic sogenannte Germinalselektion.
Aber nicht nur etwa einfache fieienkfornien sollen auf obige Weise entstanden
sein, sondern auch solche mit coniijlicierten Anpassungen an die verschiedensten »Be-
wegungsformen«, und dies soll bewiesen werden durch das Vorkommen rein passiv
funktionierender Teile, bei welchen also eine Veränderung durch die Funktion aus-
geschlossen Ware. »Dies verhält sich so bei den Skeletteilen der Gliedertiere, z. B.
bei ihren Gelenkllächen mit ihren complicierten Anpassungen an die verschieden-
artigsten Bewegungsformen. In allen diesen Fällen tritt erst das fertige, harte und
unveränderbare Chitinskelet in Thätigkeit, seine Anpassung an die Funktion muß also
vorher erfolgt sein, unabhängig von dieser Funktion«. Dies der Beweis, auf welchen
der Verfasser so großes Gewicht legt. Aber derselbe fällt doch mit der einfachen
Überlegung, daß die Gelenke nicht erst an den harten Chitinskeleten entstanden,
sondern daß sie ererbt sind von den Vorfahren jener Gliedertiere, von welchen der-
selbe spricht — bei diesen Vorfahren müssen sie sich schon gebildet gehabt haben.
Der Herr Verfasser stützte sich also wiederum auf einen falschen Vordersatz
und machte einen Cirkelschluß zum Zweck seiner Beweisfiihrung.
Des weiteren wird zugegeben, daß funktionelle Anpassung während des Einzel-
lebens thätig ist und die Ungleichlieit der ererbten Anlagen bis zu einem gewissen
Grade ausgleicht. Dann wird der Satz vertreten, »daß funktionelle Anpassung selbst
nichts anderes sei als der Ausfluß von Selektionsprocessen intrabiontischer Natur, wie
dies Spencek selbst vorahnend einst angedeutet , Wilhelm Roux aber als den Kampf
der Teile in die Wissenschaft eingefülirt hat«. Darüber mehr an einem anderen
Orte — für heute nur soviel, daß die von dem Gegner der Vererbung erworbener
Eigenschaften zu seinen Gunsten in Anspruch genommenen Roux'schen Ansichten i
\ollkonimen von dieser Vererbung ausgehen, wenn Herr Roux auch später der Keim-
plasma-Hypothese entgegengekommen ist. Es ist daher gar nicht abzusehen, wie sie
gegen dieselbe verwertet werden wollen.
Die Thatsachen der Orthogenesis beweisen, daß der Satz von der
allseitigen nützlichen Variation bezw. von der allseitigen Variation über-
haupt vollkommen unrichtig ist. Deshalb ist es in diesem Sinne auch
eine müßige Aufgabe, welche sich der Redner stellte, indem er sagte:
wir müssen zu erkennen suchen, wie es kommt, daß die nütz-
lichen Variationen immer da sind — denn da sei eine Lücke,
welche der Selektionslehre noch anhafte.
Die Lösune wird in der Annahme aesucht, daß
13. ein tieferer Zusa7nmenhang zwischen der Nützlichkeit
einer Variatio7i und ihrem wirklichen Auftreten bestehe; die
Variationsrichtung eines Teils muß durch die Nützlichkeit be-
stimmt tu erden. (S. 26.)
Damit nähern wir uns endlich der vom Redner so lange vorbereiteten
» Germinalselektion « .
Die künstliche Züchtung beruht ja darauf^ daß durch Auslese von
Individuen mit etwas stärkerer Ausbildimg der noch iveiter zu verstärken-
den Eigenschaft diese Steigerung so weit gebracht werden kanii, wie sie
zu Beginn des Züchtungsprocesses in keinem Individuum jemals vorgekommen
wa); führt derselbe aus.
Dabei muß die Keimesanlage im Sinne des Fortschritts verändert
worden sein:
für Entwickelungsmechanik I. Bd., 1894/93. G. Retzius: Über die Vererbung erworb.
Eigenschaften, biolog. Unters. Neue Folge VII, .Jena 1895.
1, W. Rocx, Der Kampf der Teile im Organismus, Leipzig 1881.
Antworten auf die Lehrsätze der »Germinalselektion«. 75
»Allein durch Auswahl der Plus- oder Minus-Variationen
eines Charakters wird derselbe zu fortgesetzter Abänderung
nach der Plus- oder M inu s-Richiung bestimmt.« Oder: »Allein
durch Auslese ivird der Keim derart progressiv verändert, wie es der
Hervorbringung einer bestimmt gerichteten progressiven Variation des be-
treffenden Teils entspricht.« (S. 28.)
Der Redner nimmt als Beispiel die in Japan und Korea gezüchtete
langschwänzige Varietät des Haushahns. » Heute noch verwenden die
Züchter . . . außerordentliche Mühe darauf, die Schwanz federn noch weiter
zu verlängern, und jeder Zoll, der an Länge gewonnen ivird, macht den
Vogel um ein Bedeutendes roertvoller.« (S. 27.)
Die Variation schwankt, wie schon Darwin angenommen und ivofür
Galton, Weldon u. a. den Beweis erbracht haben, um einen Nullpunkt
herum, »loenn nun Selektion immer Plus-Variationen zur Nachzucht aus-
wählt, so wird der Nullpunkt (die mittlere) nach oben verschoben und die
Variationen der folgenden Generationen schwanken um eine höhere Mittlere
als vorher.« 'S. 28.)
Antwort: Ich kann nicht finden, daß in diesen Sätzen irgend etwas
Neues enthalten ist : dieselben bilden ja die Grundlage der ÜARwix'schen
Züchtungslehre.
Allein es wird ihre Herrschaft zurückgewiesen durch die Thatsache.
daß auch die eifrigste Züchtung nur innerhalb gewisser Grenzen und
innerhalb gewisser Richtungen etwas erzielen kann — vorzüglich wird
dies möglich sein innerhalb der Richtungen, in welchen die Natur selbst
arbeitet: die Züchtung wird erfolgreich sein da, wo sie die
gegebenenEntwickelungs richtungen begünstigt, erfolglos da.
wo sie ihnen entgegenzuarbeiten versucht.
Herr Weismaxn erzählt uns, ein berühmter Taubenzüchter habe
ihm auf die Frage, ob er annehme, daß durch die künstliche Züchtung
selbst ein Charakter gesteigert werden könne, erwidert: »Wir können
freilich nichts machen, wenn die Variation, die wir wünschen, sich uns
nicht darbietet, aber ist sie einmal da, dann glaube ich, gelingt auch
die Steigerung«. »Nun in der That, so muß es sein«, setzt der erstere
erfreut hinzu und schließt sofort: dadurch, daß in jeder Generation
stets die Hähne mit den längeren Federn zu Nachzucht ausgewählt wurden,
sei eine bedeutende Steigerung dieses Charakters eingetreten. — Ich frage
aber, wodurch, auf Grund welcher Ursache ist der erste Anfang der
Veränderung der dann weiter gezüchteten Eigenschaft aufgetreten ? —
Doch gewiß nicht durch Selektion! Wenn aber Selektion die neue Eigen-
schaft nicht erzeugt hat. so braucht auch nicht von vornherein angenom-
men zu werden, daß sie es ist, welche alles weitere besorgt. Daß viel-
mehr entsprechende Entwickelungsrichtung auch bei der weiteren Züchtung
einer Eigenschaft mit maßgebend sein muß, das dürfte schon die That-
sache beweisen, daß nicht jede Eigenschaft, welche da ist, durch Züch-
tung in demselben Maße vergrößert werden kann wie z. B. die Schwanz-
federn des japanischen Haushahns. Übrigens hat als Zeichen gegebener
76 Die sogenannte Germinalselektion.
Eiitwickelungsriclitung auch der Stammvater des Haushahns, Gallus han-
l.ioa, ohne die Beihilfe künstlicher Züchtung schon erheblich verlängerte
Schwanzfedern : es sind die beiden mittleren hier beinahe doppelt so
lang als die übrigen, und auch bei unseren Haushähnen kommen, ob-
schon man sich auf die Züchtung nicht gerade verlegt, sehr lange mitt-
lere Schwanzfedern vor, nicht aber bei Hennen. Man versuche sie ein-
mal hier durch Selektion zu züchten! Auch kann dort nicht geschlechtliche
Auslese maßgebend sein, denn nicht der schönste Hahn kommt zur Be-
gattung, sondern der kräftigste.
Es geht übrigens, wie ja auch von Anderen hervorgehoben worden
ist, von vornherein nicht an, die Wirkung künstlicher Zuchtwahl unbe-
dingt auf die natürliche anzuwenden, weil dort mit Mitteln gearbeitet
wird, und weil dort Lebensverhältnisse mitwirken, welche in der freien
Natur nicht überall maßgebend sind, und mit einem einseitigen Hoch-
druck, der gleichfalls hier nicht in entsprechender Weise in Frage kommt.
Lassen wir aber das Beispiel mit dem langschwänzigen Hahn auch für
die natürliche Umbildung gelten , so ist wohl zweifellos , dass die Ver-
längerung der Schwanzfedern durch künstliche Auslese eben nur des-
halb erzielt werden kann, weil es sich dabei um Begünstigung
einer natürlichen Entwickelungsrichtung handelt.
Bei aller Abänderung sind immer in erster Linie die Ent-
wickelun gsrichtungen maßgebend, nicht die Züchtung. Die
letztere kann selbst nichts neues schaffen, sie kann nur mit dem arbeiten,
was ihr die Natur an die Hand giebt. Dies aber kann sie freilich zu
Gunsten des Nutzens noch weiter ausbilden. Dabei ist die Erklärung mit
dem Verschieben eines mittleren Zustandes, wie sie der Redner giebt,
ganz selbstverständlich und seit Darwin nie anders gedacht worden.
Selbstverständliche Grundlage der DARwiN'schen Auffassung und den
Thatsachen entsprechend ist es ja auch, daß nach durch Züchtung er-
folgtem Fortschritt im ganzen immer auch einzelne Individuen in der
bezüglichen Eigenschaft wieder unter das neu erreichte Mittel zurück-
sinken. In der freien Natur ist dies ebenso der Fall, auch dann, wenn
beim Fortschreiten Züchtung ganz außer Betracht bleibt. Daß aber die
Umbildung in weiten Gebieten ohne jeden Einfluß der Züchtung erfolgt,
vielmehr unmittelbar infolge äußerer Einflüsse und der Konstitution, das
beweist allein zur Genüge die Artbildung und Verwandtschaft bei den
Schmetterlingen « .
Die Umbildung der Eigenschaften geht, wie alle Thatsachen der Ortho-
genesis, wie insbesondere meine eingehenden Untersuchungen über das
Variieren der Mauereidechse auf das Unwiderleglichste beweisen, in be-
stimmter Richtung vor sich, ohne daß Züchtung in Betracht käme, und
zwar ist diese Richtung eine bestimmte, im gegebenen Falle nach vor-
wärts. — Auch hier kommen, wie gesagt, Rückschläge unter ein gewor-
denes neues Mittel vor, aber — und dies muß ich noch besonders her-
vorheben — es handelt sich in der freien Natur weder jetzt noch vorher
um ein gleichwertiges Oscillieren nach vor- und rückwärts, sondern in
i
Antworten auf die Lehrsätze der »Germinalselektion«. 7-7
der Hauptsache um ein unbeirrtes Vorwärts- oder um ein ebensolches
Zurückschreiten. Es ist klar, daß hier künstliche Züchtung mit der na-
türlichen Umbildung wieder nicht zusammengestellt werden darf: jene
übt einen gewissen Zwang aus, welchem sich der Organismus, sobald er
kann, wieder zu entziehen sucht, indem er strebt, in den früheren Zu-
stand zurückzukehren. Bei Züchtung in der freien Natur wird dies schon
weniger leicht statthaben, weil die züchtenden Mittel natürlichere und be-
ständigere sind. Bei rein orthogenetischer Umbildung endlich, bei welcher
nur die Äußerungen des »Wachsens« maßgebend sind, wird ein solches
Oscillieren in zurückschlagendem Sinne noch weniger häufig sein können.
Gänzlich zurückweisen aber muß ich die Vorstellung, daß das Oscil-
lieren von einem Nullpunkt aus nach den verschiedensten Bichtungen
geschehe. Davon kann gar keine Bede sein: es sind eben immer nur
wenige bestimmte Bichtungen, nach welchen die Umbildung geschieht,
und der gab el ige Stammbaum des Pflanzen- und Tierreichs zeigt allein
schon, wie früher ausgeführt, daß es sich dabei in der Begel um eine
Bichtung handelt, welche sich an bestimmten Stellen in zwei teilt.
14. Die Germinalselektion soll nun besagen, daß stets die »De-
terminanten<'- der gez-üchteten bezw. in Züchtung begriffenen Eigenschaften
besser ernährt iverden, sich besser ernühren, iveil sie kräftiger sind als
die anderen, schwächeren; »letztere iverden deshalb langsamer ivachsen
und schwächere Nachkommen liefern als jene«.
Die Minus -Variationen beruhen auf schivächeren Determinanten des
Keims, »d. h. auf solchen, icelche die Nahrung weniger kräftig anziehen
als andere. Da mm aber jede Determinante um die Nahrung mit ihren
Nachbarn kämpft, d. h. so viel davon an sich zieht, als sie vermöge ihrer
Assimilationskraft und vermöge des vorhandenen Nahrungsvorrats anziehen
mag, so werden die ungeschwächten Determinanten ihr die Nahrung stärker
entziehen als ihre Vorfahren« .... ihre Nachkommen iverden also noch
etwas schwächer ausfallen.
Daß es eine Germinalselektion giebt — »das geht aus dem gesetz-
mäßigen Schwinden nutzlos gewordener Teile hervor«-. (S. 37.)
Es wird nun also der Kampf der Teile im Organismus durch die
V Germinalselektion« auf die Keimzellen übertragen. Früher war es —
da es einmal keine Vererbung erworbener Eigenschaften und sonach
auch keine Bückbildung infoige des Nichtgebrauchs nach dem Glauben
des Verfassers geben kann — die Panmixie, welche diese Bückbildung
bedingt, d. h. diejenigen Eigenschaften, welche nicht mehr nützlich sind,
nicht mehr gezüchtet werden, sollten im Meer der geschlechtlichen
Mischune allmählich verschwinden.
Ich bin, wenn ich nicht irre, der erste gewesen, welcher auch
diesem Anspruch der Keimplasma -Hypothesen mit Gründen entgegen-
getreten istiy, hatte aber eine Antwort auf meine Einwände so wenig
wie später Andere erhalten.
1) Meine »Entstehung der Arten« S. 232 ff.
78 Die sogenannte Germinalselektion.
Heute auf einmal, da zum Zweck anderer besonderer Beweisführung;
die Gründung der Germinalselektion notwendig erschienen ist, verzichtet
man zu Gunsten der neuen Hypothese auf die Herrschaft der alten und
kleidet dies in folgende Worte: »Diejenigen meiner Gegner, welche zwar
nicht jede Wirksamkeit der Panmixie in Abrede stellen, wohl aber ihr
Ausreichen zur Erklärung des völligen Schwunds eines Teiles, haben
insoweit Recht gehabt, wie ich gerne anerkenne«. Ich erkenne dagegen
gerne an, daß dies die Sprache eines wissenschaftlichen Gegners wäre —
wenn sie nicht so vereinzelt, sondern überall geübt würde. Merkwürdig aber
ist es zu sehen, wie die jetzt plötzlich zu Ehren gekommene Orthogenesis
unter dem Schutze der Germinalselektion gar eine glänzende Leuchte
abgiebt für die Transmutation. Man muß sich in der That nach der
Überzeugungskraft, mit welcher diese neue Einsicht auftritt, darüber
wundern, wie ein so hervorragender Specialist in Fragen der Selektion
über so wichtige und notwendige Ergänzungen der DARwm'schen Lehre
so lange im Dunkeln bleiben, ja wie er den jetzt auf einmal für ihn so
klar liegenden Thatsachen, so oft dieselben ihm zu seiner Unlust auch
von mir entgegengehalten worden sind, so lange hat widerstreben können.^)
Die alte ehrwürdige »Personalselektion« wird nun ein ganzes Stiefkind
gegenüber den neuen Sprößlingen, welchen der Vater jetzt alle Gunst
zuwendet. Aber nicht genug: schon drängt der jüngste, kaum geborene
den nächst älteren in den Hintergrund. 2)
15. Jetzt yfängt es an verständlich zu werden^ wie so gleichzeitig
eine ganze Menge von Veränderungen verschiedener Art und
sehr verschiedenen Grades durch Personalselektion geleitet
werden kann.<: (S. 39.)
Antwort: Es ist schwer verständlich, wodurch dies anfangen
soll verständlich zu werden ! Der vorhergehende Satz stellt nur die
1) Vergl. auch G. Wolff: »Der gegenwärtige Stand des Darwinismus«, Vortrag,
Leipzig, Engelmann 1896, welcher zugleich Herrn August Weismann, ein Zeichen des
kräftig wachsenden Widerspruchs gegen dessen Zumutungen, von den Darwinisten
selbst als »enfant terrible« angesehen sein läßt. Herr Wolff hatte die »Panmixie«
mit besonders eingreifenden Gründen bekämpft (Biolog. Centralblatt Bd. X, XI, XIV).
Derselbe sagt in obengenannter Schrift, in völliger Übereinstimmung mit meinem Urteil:
»Solchen Einwänden war Weisjiaxn bisher völlig unzugänglich. Er schrieb Broschüre
auf Broschüre über seine Panmixie, als eine unbestreitbare Thatsache, und that, als
ob er nichts gehört hätte. Jetzt plötzlich ist ihm der »neue Gedanke« gekommen,
daß es mit der Panmixie am Ende doch noch nicht so ganz in Ordnung sei« (S. 13)
und weiter: »Die Gemeinde wird von ihrem Priester wissen wollen, weshalb er ihr
das jetzt erst sagt ; man wird von Weismann Auskunft fordern, weshalb er über diese
Unzulänglichkeit der Selektionstheorie bisher so hartnäckig schwieg und erst dann
darüber zu reden für nötig fand, als er glaubte, ein Mittel zu besitzen, das diese Un-
zulänglichkeit beseitige; und ich selbst wäre berechtigt, Weismann zu fragen, warum
er meine Einwände gegen die Selektionstheorie fünf Jahre lang ignorierte, obwohl er,
wie er jetzt gesteht, in den von mir beigebrachten Gegengründen unüberwindliche
Schwierigkeiten für die bisherige Selektionstheorie erblickte« (S. 29). (Mein obiger ähn-
lich lautender Vorhalt war schon vor dem Erscheinen des WoLFF'schen Vortrags
niedergeschrieben.)
2 Man vergl. A. Weis.mann, »Neue Gedanken zur Vererbungsfrage« 1 895.
Antworten auf die Lehrsätze der »Germinalselektion«. 79
Behauptung auf, daß sich, »wie es mir scheint«, -»verstehen läßt, wie
Personalselektion den Anstoß zu Vorgängen im Keimplasma giebt, welche,
wenn sie einmal in Gang gebracht sind, von selbst in der gleichen Rich-
tung iveitergehen und deshalb nicht der unausgesetzt auf einen bestimmten
Teil allein gerichteten Nachhülfe der Personalselektion bedürfen«.. (S. 38.)
Ich verstehe das alles nicht — aber doch — es fängt mir an ver-
ständlich zu werden, daß mein Gegner seine von mir durch den Hin-
weis auf Korrelation — »kaleidoskopische Umbildung« — und Kompen-
sation, wie ich meine, längst widerlegte, von ihm aber bis vor kurzem
unweigerlich festgehaltene Behauptung von der Einzelzüchtung Jeglicher
Eigenschaft nunmehr in das äußerste Gegenteil wendet. Er hatte bis
dahin jene Behauptung festgehalten zu Gunsten der in seinen Augen
früher einzig mächtigen Personalselektion.
Im vorliegenden Falle bereitet derselbe mit dem in Rede stehenden
Satze die Erkenntnis vom Gegenteil der Einzelzüchtung vor, nämlich die
Erklärung, daß nicht nur mittelbar durch »trophischen Reiz« mit Hülfe
der »Intraselektion« ^) im Zusammenhang mit einer neuen Eigenschaft
auch andere entständen, sondern daß eine ganze Summe von Eigen-
schaften mit Hülfe der Germinalselektion gleichzeitig in den Keim
hinein gezüchtet werden könne durch Auslese. Und zwar dies allein
dadurch, daß alle ausgelesenen Determinanten, weil sie kräftiger sind
als die nicht ausgelesenen, diese im Keimplasma verdrängen!
Es wird dem Leser längst der Einwurf gegen die »Germinalselektion«
gekommen sein, daß dieselbe einfach durch kräftigere Ernährung die Um-
bildungen verschiedenster Art — nicht nur die der Größe, sondern die
jeglicher Beschaffenheit und Zusammensetzung erklären soll. Diesem
naheliegenden Einwurf sucht der Verfasser dadurch die Spitze abzu-
brechen, daß er die Behauptung aufstellt,
'16. die meisten Qualitätsänderungen, ivelche in Betracht kommen, be-
ruhten auf Quantitätsänderwigen.
Antwort: Der Redner kommt damit abermals zur Anerkennung
einer von mir längst vertretenen Auffassung: ich habe mit dem Aus-
druck »kaleidoskopische Umbildung« die Art von Korrelation be-
zeichnet, bei welcher plötzlich — wie in einem Kaleidoskop — ein ganzes
Bild von Zeichnung und Farbe sich zu einem neuen Bilde gestaltet, wie
z. B. bei der Umbildung von Vanessa levana in prorsa auf Einwirkung
von Wärme. Es handelt sich dabei entschieden mit um Vorgänge der
Kompensation^!. Allein es kommen bei der Umbildung doch auch
qualitative Veränderungen in Betracht, und auf diese kann die Ger-
1) Verg]. »Neue Gedanken zur Vererbungsfrage«. Diese vielleicht merkwürdigste
aller Flugschriften über die Keiniplasma-Hypothese, mit deren Zurückweisung der
WoLFF'sche Vortrag sich hauptsächlich beschäftigt, bietet noch reichen ungehobenen
Schatz zur Beurteilung der Logik derselben. Vielleicht, daß ich veranlaßt werde, auch
diesen Schatz zu heben.
2) Vergl. auch F. Urech, Beobachtungen von Compensationsvorgängen in der
benzeichnung u. s. w. Zool. Anzeiger Nr. 300 — 502.
80 I^iß sogenannte Germinalselektion.
rainalselektion so wenig Anwendung finden wie auf irgendwelche andere
Veränderungen physiologischer Art, welche mit der Ernährung nichts zu
thun haben.
Der Redner will sich nun damit helfen, daß er sagt, die chemischen
Umsetzungen schlössen meist auch Quantitätsänderungen ein, da ja
Änderungen im Zahlenverhältnis der Atome wesentliche Änderungen in
den Eigenschaften eines chemischen Moleküls hervorrufen. (S. 40, 41.)
In letzter Linie sind es nicht die Determinanten^ ivelche durch die Aus-
lese bezw. die Ernährung beeinflußt iverden, sondern schon die Biophoren,
und es wird unter Bekräftigung durch ein drolliges Beispiel der allge-
meine Satz erreicht: »/)ee Verschiebung in den Quantitätsverhültnissen der
Biophoren erscheint uns aber als Qualitätsänderung der betreffenden De-
terminanten, ähnlich wie uns auch einfache Vermehrung einer Determinante,
z. B. der eines Haares, als Qualitätsänderung imponieren kann, wenn
dadurch eine Stelle der Haut, deren Haare vorher nur vereinzelt standen,
dicht gedrängt voll Haare zu stehen kommt und so den Charakter eines
wolligen Pelzes erhält« — ein wahrhaft klassischer Vergleich, der mir
eine nähere Beziehung zu den hoffnungsvollen Vorstellungen von Häuptern
mit beginnendem Mondglanz zu haben scheint als mit Chemie. Das Haar
ist in diesem Vergleich — Biophore, die Hautstelle mit dem Pelz —
Determinante.
Man beachte aber wohl, daß der Dialektiker, indem er doch nicht
die ganze Chemie unter die Wage bringen darf, nur von den meisten
in Frage kommenden Eigenschaften spricht, welche auch chemisch quan-
titativ sollten erklärt werden können — ohne im geringsten an dem,
was übrig bleibt, für seine Hypothese irgend Anstoß zu nehmen, wäh-
rend er doch sonst stets bereit ist, auf Grund einer einzigen
für jetzt nicht erklärbaren Thatsache jede gegnerische Mei-
nung umstoßen zu wollen oder aber wieder auf eine einzige
solche nicht sofort erklärbare Thatsache eine neue Hypo-
these zu gründen.
Von den gerade für die Farben so reichlich in Betracht kommenden
physikalischen Veränderungen wird ganz geschwiegen.
Man sieht, es bleibt lediglich eine völlig unhaltbare Annahme für
die Begründung der »Germinalselektion übrig: die nämlich, daß Er-
nährungsveränderung die ganze Umbildung des Keimplasma hervorrufen
soll, welche das gesetzmäßige Abändern des Lebewesens bedingt.
Durch das Beispiel von dem gewordenen wolligen Pelz wurde uns
vor Augen geführt, wie die größte Zahl der uns als qualitativ erschei-
nenden Änderungen auf für uns unsichtbaren Änderungen der Quantität
beruhen, »und solche können jederzeit an jeder Stufe von Lebenseinheiten
durch Germinalselektion hervorgerufen iverden«.
Da Herr Weismann in seinen Beispielen immer am deutlichsten und
unzweideutigsten spricht, so hören wir ein weiteres solches an.
17. Es soll also bewiesen werden, daß , auf Grund der Germinal-
selektion, »ganz beliebig umfassende Teile des Körpers als
Antworten auf die Lehrsätze der »Germinalselektion«. gl
Variationseinheiien auftreten und gleich oder verschieden va-
riieren können^ ganz nach Bedürfnis ^ d.h. nach Vorschrift der
Lebensbedingungen« (d.i. des Nutzens), »wie es z.B. bei den Schmetter-
lingsflügeln ganz von der Nützlichkeit abhängt, wie große und ivie gestaltete
Stellen in gleichem Sinne miteinander variieren sollen«. (!) »Bald erscheint
die ganze Unterfläche des Flügels als Variationseinheit und hat die gleiche
Farbe, bald stellt sich eine innere dunklere Hälfte einer äußeren helleren
gegenüber, bald die vordere der hinteren, bald endlich verhalten sich schmale,
band- oder linienförmige Streifen als Variationseinheiten und treten in
Gegensatz zu mamiigfacJien Flecken und breiteren Bahnen zwischen ihnen,
sodaß das Bild eines Blattes oder das einer geschützten anderen Art dabei
herauskommt.« (S. 41, 42.)
So weit ist also mein Herr Gegner — doch offenbar durch nichts
Anderes als durch meine zwingenden Beweise der Herrschaft der Or-
thogenesis — von seiner Vertretung des Zufalls abgekommen und zugleich
von seiner Lehre der Einzelzüchtung aller Eigenschaften ! Welcher Reichtum
an Phantasie aber aus Obigem spricht, werden weitere Thatsachen zeigen.
Hören wir das Beispiel, welches den denkbar einfachsten Fall er-
läutern soll, die gleichartige Umfärbung der ganzen unteren Flügel-
fläche.
» Wenn z. B. die Stammart eines Waldschmetlerlings die Gewohnheit
hatte, sich in der Ruhe an Zweigen nahe dem Boden mit dürren oder
faulenden Blättern zu setzen, so wird sie eine Schutzfärbung der Unter-
seite angenommen haben, welche durch dunkle braune, gelbe, rote Töne
eine Ähnlichkeit mit solchen Blättern anstrebte.« (S. 42.)
Ich bestreite diese Schlußfolgerung des Redners, vollkommen: wenn
die Macht der Naturzüchtung besteht, welche derselbe überall in An-
sprach nimmt und auch für seinen Waldschmetterling in Anspruch nehmen
will, so war dieser längst gefressen und seine Rasse ausgetilgt, bevor
sie die nötige Schutzfärbung angenommen haben wird — sofern die
Schmetterlinge nämlich nicht so vorsichtig gewesen sind, da zu bleiben,
wo sie durch ihre Farbe angepaßt waren statt sich auf das grüne Laub
zu setzen. — Das »Anstreben« wird wohl nicht wörtlich gemeint sein.
» Wenn nun aber Abkömmlinge dieser Stammart später die Gewohnheit
annehmen mußten — einerlei aus welchem Grunde — sich hoch oben an
die grün beblätterten Zweige zu setzen« — dann müßten sie alsbald ver-
tilgt werden, meine ich — nein: »es begann ein Prozeß der Selektion,
der zunächst nur in der Bevorzugung solcher Personen bestand, deren
braune und gelbe Farbentöne eine Hinneigung zu Grün zeigten«. — Man
sieht, mein gelehrter Kollege belehrt uns über die schwierigsten Grund-
begriffe des Darwinismus. In der That, die Darstellung ist bis dahin
sehr klar. Nur erlauben wir uns einige Fragen: 1. woher kommen auf
einmal grüne Farbentöne an den Faltern? 2. traten sie an vielen Faltern
zugleich oder nur an einzelnen Individuen auf? 3. hat schon Selektion
jene wichtige grüne Farbe hervorgerufen, als sie da und dort auftrat?
Auf die erste Frage giebt uns der Verfasser sofort selbst Antwort:
Eimer, Orthogenesis. g
82 Die sogenannte Germinalselektion.
die grünen Personen waren da, sagt er, auf Grund »einer Verschiebung in
dem Verhältnis der verschiedenen Biophoren- Arten und auf Grund dieses
Verhältnisses war eine Weiterentwickelung nach Grün hin ausführbar —
dann aber mußte sie erfolgen, weil ein Schwanken in den Verhältnis zahlen
der Biophoren immer vorkommt, folglich das 3faterial für Germinalselek-
tinn stets bereit liegt«^. (S. 42, 43.)
Mit einfachen anderen Worten: es gab eben grünliche Falter unter
den braunen, weil die Art abänderte. Mehr weiß uns der Erfinder der
Germinalselektion nicht zu sagen. Das erste Abändern ist ein zufälli-
ges und es ist nicht gezüchtet — es kann ja nicht gezüchtet sein,
weil die Stammeltern der Falter unter entgegengesetzten Verhältnissen
lebten, füge ich hinzu. Es kann aber auch an der auf den grünen Blät-
tern lebenden Brut zunächst nicht gezüchtet worden sein, denn es trat
zuerst nur in Farbentönen (»Nuancen«) gegen Grün hin auf — alle Um-
bildung geschieht ja ganz allmählich! — und der Redner hebt ja selbst
ausdrücklich hervor, daß die neu auftretenden Eigenschaften zuerst nicht
nützlich seien. So lange aber keine Züchtung vorhanden ist, giebt es
nach demselben auch keine bestimmt gerichtete Entwickelung, denn diese
soll ja erst durch jene geworden sein. Was fangen nun die in der
Hauptsache immer noch braunen Falter inzwischen auf den grünen Blät-
tern an, da ja doch gar keine Veranlassung dazu gegeben ist, daß sie
sich mit der Grünfärbung beeilen, oder daß diese überhaupt auch nur
zunimmt! Ich fürchte doch, daß sie im Lauf der Jahre, wo nicht im
ersten Sommer schon, auf den grünen Blättern gefressen werden !
Wenn aber nicht, und damit kommen wir zur zweiten Frage, während
die dritte in Vorstehendem schon behandelt ist, so ist gar nicht abzu-
sehen, wie bei rein zufälligem Abändern mit einem Male zahlreiche
Falter gleichzeitig grüne Farbe annehmen sollen, zumal ihre Vorfahren
so lange nach Braun gezüchtet worden waren! Es ist vielmehr wahr-
scheinlich, daß die grünen nur vereinzelt auftreten. Dann aber droht
ihnen eine andere Gefahr: die vereinzelten Anläufe grün zu werden,
werden durch geschlechtliche Mischung mit den viel zahlreicheren braunen
fortwährend zurückgehalten, und es ist jetzt klar, daß die grünen neben
den braunen nicht aufkommen und daß sie vor allem auch nicht grüner
werden können; jedenfalls ist inzwischen — das ist jetzt gewiß — die
ganze braune Gesellschaft auf den grünen Blättern von Feinden ver-
nichtet.
Wiederholt muß betont werden, daß das Abändern zunächst ja nur,
wie der Redner ausdrücklich sagt, in einem Hinneigen nach Grün, d.i.
in dem Entstehen einer »Nuance« von Grün besteht. Und es ist klar,
daß dieselben aus dieser Hinneigung unter besagten Umständen nicht
herauskommen, bezw. daß sie nicht über dieselbe hinauskommen können,
weder mit den Mitteln, welche der gewöhnliche Darwinismus an der Hand
hat, noch mit der Germinalselektion, denn diese ist zunächst noch gar
nicht wirksam, und so weiß man vorerst mit derselben nichts anzufangen.
»Sobald aber einmal der Anfang gemacht und der Variation eine bestimmte
Antworten auf die Lehrsätze der »Germinalselektion«. 83
Richtung gegeben ist, wird der Selektionsprozefi weiter gehen müssen, so-
lange bis die für die Art in dem betreffenden Falle erforderliche Treue der
Nachahmung des Blattgrüns erreicht ist.« (S. 43.)
In diesem Punkte befinden wir uns in einer auffallenden Überein-
stimmung. Ich möchte nur hinzufügen: die Auslese wird die Ausbildung
des Grün begünstigen und fördern können, umsomehr als — die Ent-
M'ickelungsrichtung, welche dessen Entstehung und Weiterbildung von
vornherein veranlaßt hat, fortdauern wird. Denn nur wenn beide von
vornherein, auch so lange als das Grün noch nicht nützlich sein konnte,
auf bestimmt gerichteter Entwicklung beruhten, ist es verständlich, daß
die Waldschmetterlingssippe immer grüner wurde, bis endlich Auslese
eingreifen konnte — dies schon deshalb, weil die Orthogenesis ,
abgesehen davon, daß sie unaufhaltsam vorwärts schreitet, nicht nur
einzelne derselben umbildet, sondern zahlreiche zugleich, so
daß geschlechtliche Mischung mit einer Mehrzahl von braunen Faltern
die grünen nicht aufsaugen kann: im Gegenteil, es werden immer mehr
grüne und immer grünere durch die bestimmt gerichtete Entwickelung
entstehen, bis etwa Züchtung eingreift.
Wenn aber der Redner des Weiteren sagt, »der Unterschied zwischen
dieser und der bisherigen Auffassung des Selektionsprozesses liegt nicht nur
darin, daß von Anfang an stets eine große Individuenzahl mit den An-
fangsstufen der gewünschten Variation vorhanden ist, da es immer Plus-
und Minus-Variationen giebt«, und daß die Selektion nicht mehr auf zu-
fällige Variationen zu warten angewiesen ist, sondern daß sie dieselben
selbst produziert, sobald die Elemente dazu überhaupt vorhanden sind,
»diese aber sind in solchen Fällen, bei denen es sich bloß um Vergrößerung
oder Verkleinerung eines Teils oder eines Teils von einem Teil handelt,
immer vorhanden, bei Änderung der Qualität aber wenigstens in vielen (!)
Fällen«, so kann sich dies alles selbstverständlich bei ihm nur auf die
Zeit nach Beginn der Auslese beziehen.
Ist es denn aber nicht der Mühe wert den Gedanken ins Ause zu
fassen, es könnte die Farbe der Oberfläche wie der Unterfläche der
Schmetterlingsflügel mit bedingt sein durch unmittelbare Einwirkung des
Lichtes? Liegt es nicht nahe anzunehmen, es möchte die düstere Fär-
bung der Unterseite bei Tagfaltern in unmittelbarer Beziehung stehen
zu der Farbe des Bodens bezw. auf ihm liegender toter Gegenstände,
wie dürres Laub und dgl.? In meiner »Entstehung der Arten« habe
ich auf diesen Gegenstand ausführlich auch an der Hand eigener Ver-
suche an Amphibien — entsprechend Erfahrungen, welche schon vorher
von Leydig ') gemacht worden sind — hingewiesen, und die erwähnten
Schriften von Wiener und Standfüss machen es sehr wahrscheinlich, daß
Färbungen von Faltern unmittelbar von solchen äußeren Lichtwirkungen
abhängen. Weitere Beweise dafür werde ich beibringen.
Im Übrigen will ich hier wiederholt auf den später zu behandeln-
1) F. Leydig: Die anuren Batrachier. Bonn 1877.
6*
84 Die sogenannte Germinalselektion.
den Fall des Ahänderns von Doleschullia polibete hinweisen mit der Be-
merkung, daß derselbe dem ganzen vom Verfasser ausgedachten Vorgang
einer angepaßten Umbildung zum Blattschmelterling vollkommen wider-
spricht. Denn dort kommen, wie gesagt, die verschiedensten Stufen von
Blattähnlichkeit nebeneinander an derselben Örtlichkeit vor.
18. Der Verfasser spricht von der Mimicry, wenn er sagt: >i'Nur
wenn die nützlichen Variationen durch interne Selektionsprozesse im Keim
selbst hervorgehen fen werden können^ erscheint die Nachahmung einer im-
munen Art durch zwei, drei andere Arten oder die Nachäffung verschie-
dener immuner Vorbilder durch ein und dieselbe schutzbedürftige Art ver-
stündlich«.
•»Man wird immerhin Darwin und Wallace zugeben dürfen (!), daß
irgend ein Grad der Ähnlichkeit zwischen Vor- und Nachbild schon von
vornherein vorhanden ivar ^ wenigstens in gar manchen Fällen., allein in
gar keinem Fall würde dies genügt haben, wenn nicht unbedeutende (!)
Schattierungen den Ansatzpunkt zur Personalselektion und damit zu selb-
ständiger, nur in einer Richtung beeinflußter Germinalselektion ge-
geben hätten« (S. 45).
Antwort: Da haben wir noch einmal ganz klar die Nichtberück-
sichtigung der Anfänge und der ersten Stufen des Abänderns in der
neuesten Keimplasma-Spekulation — man sieht, mit welcher Kunst der
noch nicht der »Germinalselektion« unterworfene Anfang von Farben
durch die Äußerung » unbedeutende Schattierungen « überbrückt werden
will, welche nebensächliche Bedeutung dem » Vorbild « zugeschrieben
wird! Und doch ist es ganz selbstverständlich, dass eine solche
»Schattierung« oder ein solches Vorbild schon recht deutlich sein muß,
wenn sie für Auslese maßgebend sein sollen.
Die Behauptung meines Gegners, seine ja erst mit der Nützlichkeit
einer Eigenschaft einsetzende »Germinalselektion« bewirke, daß Selektion
nicht mehr darauf angewiesen sei, auf zufällige Eigenschaften zu warten,
beruht also auf Unterschlagung des für die ganze Frage wichtigsten
Entwicklungsabschnittes, desjenigen, in welchem die neuen Eigenschaften
noch nicht nützlich sind, in welchem sie nach ihm als zufällig gebildete
erscheinen sollen.
Immer wieder habe ich — und zwar gerade in meinen Schmetter-
lingsarbeiten — darauf hingewiesen, und schon Nägeli hat dies hervorge-
hoben : nur bestimmt gerichtete Entwicklung sei im Stande, das Herrschend-
werden neuer Eigenschaften zu erklären, weil nur sie es verständlich
mache, daß diese Eigenschaften stets an einer genügend großen Zahl von
Individuen erscheinen, um das Unterdrücktwerden durch die ursprünglich
gearteten zu verhindern. .Jetzt verwendet mein Gegner diesen Satz ein-
fach nur auf die Zeit, in welcher seine Germinalselektion schon züchten
kann — während derselbe doch vorher zur Erklärung der Thatsachen
am wichtigsten ist, nicht nachdem die Auslese, sei es mit, sei es
ohne Germinalselektion, schon eingegriffen hat.
Ja auf einmal kommt derselbe in Beziehung auf Mimicry zu der
Antworten auf die Lehrsätze der »Germinalselektion«. 85
Erkenntnis, wie wenig die früher nach seiner Ansicht allmächtige Per-
sonalselektion (»Allmacht der Naturzüchtung«!) im Stande ist die That-
sachen zu erklären : » Unmöglich auch hätte jemals eine so weitgehende
Ähnlichkeit in den Farbenmustern und besonders in den Farbennuancen zu
Stande kommen können, wenn die ganze Anpassung lediglich auf Personal-
selektion beruhte. Da müsste ja fortivährend bei jeder Art eine ganze
Skala der verschiedensten Farbennuancen als Variationen sich darbieten,
loas doch nicht der Fall ist.<i So kommt man heute dazu, fast mit
meinen eigenen Worten zu wiederholen , was ich zu Gunsten der be-
stimmt gerichteten Entwickelung so oft gesagt habe.
19. An der Hand, wie er meint, ausgesprochener wunderbarer
Fälle von Mimicry, zunächst zwischen Faltern, »in denen die Farbentöne
des Vorbildes mehr oder iveniger, oft aber ganz genau loieder getroffen
worden sind, und lausender von Fällen, in denen der Furbentoii einer
Rinde, eines bestimmten Blattes, einer bestimmten Blüle genau bei dem pro-
tektiv gefärbte?}. Insekt loiederholt ist«, kommt jetzt die Überzeugung: »da
kann von Zufall nicht die Rede sein«. Aber weiter: »Da müssen die der
Personen-Zuchtwahl sich darbietenden Variationen selbst schon durch das
Prinzip des 'Überdauerns des Zweckmäßigen hervorgerufen tüorde?i sein!
Und dies geschieht, wie ich glauben möchte, durch solche intime Selektions-
vorgänge im Innern des Keimplasmas, wie ich sie eben an Germinal-Se-
lektion zu skizzieren versuchte.« (S. 46.)
Antwort: Die Thatsachen, welche ich schon bisher zum Beweis da-
für vorgeführt habe, daß zahlreiche — ja wahrscheinlich die weitaus
zahlreichsten — Fälle von sogenannter Mimicry gar nichts mit »Nach-
ahmung«, bezw. mit Auslese zu thun haben, und welche den unwider-
leglichen Beweis liefern, daß scheinbare wie wirkliche Mimicry zwischen
Faltern auf unabhängiger Ent wickelungsgleichheit (Homoeo-
genesis) beruhen '), sind hier nicht berücksichtigt. Es ist aber von
vornherein auf Grund dieser Thatsachen naheliegend, daß selbst die aus-
gesprochensten Fälle von Nachahmung fremder Gegenstände durch Falter
wenigstens in den Grundzügen durch Orthogenesis festgestellt sein müs-
sen, bevor die Auslese dieselben benützen kann. Es wird sich ferner,
falls unzweifelhafte Schutzbeziehung vorhanden ist, immer und überall
die von uns schon bezüglich der Ageronien berührte Frage aufv^-erfen
müssen: ist nicht eine gewisse, durch Orthogenesis gewordene Ähnlich-
keit das Wesentliche auch an der gegebenen Schutzbeziehung, mit an-
deren Worten: hat sich ein bestimmtes Tier nicht erst eine
Lebensweise angewöhnt zum Zweck des Schutzes, nachdem
jene gewisse Ähnlichkeit entstanden war, anstatt daß das Um-
gekehrte für das Werden der Ähnlichkeit maßgebend gewesen ist?
Endlich auch hier: handelt es sich bei der Ähnlichkeit von Farben-
ij Vergl. »Artbildung« II, S. 67 fl'. und dazu die folgenden Abschnitte der »Ortho-
genesis bei Schmetterlingen«.
86 Die sogenannte Germinalselektion.
tönen bei Ähnlichkeit mit fremden Gegenständen nicht vielleicht um un-
mittelbare Wirkung der von den letzteren ausgehenden Lichtstrahlen?
Alles dieses muß doch ein objektiver Naturforscher sorgfältig in
Betracht ziehen. Vor allem aber hätte ein solcher Naturforscher, bevor er
zu einem Schlüsse wie der vorstehende kam, widerlegen müssen, was
ich durch Schrift, Abbildung und Wort vorgeführt habe, nämlich, daß
die bestimmt gerichtete Entwickelung von Anfang an und be-
vor der Nutzen für die betreffenden Eigenschaften irgend in
Betracht kommt, ganz in derselben Weise schon gesetzmäßig
arbeitet wie irgend später. Indessen wir werden alsbald sehen,
auf welch überraschende Weise dieses »Bedenken« beseitigt wird.
20. »Und doch« (obschon ein Richten der Variation durch Personal-
Selektion nicht möglich sei!) »besieht ein solches Richten der Variation
und verlangt eine Erklärung, und die früheren Annahmen einer »bestimmt
gelichteten Variation«., wie sie Nägeli und Askenasy machten, genügen
nicht, weil sie nur innere Kräfte derselben zu Grunde legten und weil
doch — lüie ich zu zeigen versuchte — das Zusammenstimmen der Va-
riationsrichtung mit den Ansprüchen der Lebensbedingungen besteht und das
Rätsel darstellt, loelches zu. lösen ist. Der Grad der Zweckmäßigkeit
selbst, den ein Teil besitzt, ruft dessen Variationsrichtung her-
vor.« (S. 54.)
Dann fährt der Redner fort: sein zuletzt aufgeführter Satz scheine
ihm » die ganze Selektionslehre erst abzuschließen und ihr den Grad von
innerer Vollendung und Abrundung zu gehen«, welchen sie den Zweifeln
gegenüber bedürfe.
Ein Bedenken falle allerdings seiner Hypothese gegenüber
nicht: das von der Nützlichkeit der Anfangsstufen. Gerade
dieses aber sei das mindest Schwerwiegende. (S. 54, 55.)
Es folgt die überraschende Beweisführung hiezu: »Geiviß muß die
Theorie verlangen, daß schon die Anfangsstufen einer Variation Selektions-
wert haben, sonst kann eine Personalselektion nicht eintreten und damit
auch keine Germinalselektion. Da wir aber .... in keinem Falle über
den Selektionswert einer Abänderung ein Urteil haben oder eine Erfahrung
machen können, so ist die Annahme, daß in einem bestimmten Falle von
Umwandlung eines Charakters die ersten Anfangsstufen der Variation Se-
lektionswert hatten, nicht nur ebenso wahrscheinlich, als das entgegen-
gesetzte, daß sie keinen hatten, sondern sie ist unendlich viel wahr-
scheinlicher, iveil wir mit dieser Annahme die rätselvolle Thatsache der
Anpassung verständlich machen können, mit jener aber nicht. Wenn wir
also nicht geradezu auf jede Erklärung verzichten wollen (!), so sind wir
zu der Annahme gezwungen, daß die Anfangsstufen aller thatsächlich statt-
gehabten Anpassungen Selektionswert hatten.« (S. 55.)
Antwort: Hier entrollt sich noch einmal in unverhülltester Weise
die ganze Methode des Dialektikers. Ja dieser Versuch, die wichtigsten
Thatsachen, diejenigen, welche der »Germinalselektion« einfach allen
Boden entziehen, zu einem Teil zu verschweigen, zum andern als das
Antworten auf die Lehrsätze der »Germinalselektion«. 87
»wenigst Schwerwiegende«, als nebensächliche »Bedenken« mit einigen
Redewendungen zu beseitigen, dieser Versuch ist ganz allein so kenn-
zeichnend für den Wert der Spekulationen desselben überhaupt, daß es
nötig erschien, auch diesen ganzen Absatz wörtlich wiederzugeben.
Zuerst läßt man meine Auffassung von der Entstehung der Ortho-
genesis durch Wirkung der äußeren Lebensbedingungen auf die Kon-
stitution bei Seite, bezw. in der NÄGELi'schen aufgehen. Es bleibt da-
nach nur die letztere, und da diese den äußeren Lebensbedingungen
keine Rechnung trägt, so bleibt nur die Erklärung des Herrn Weismann.
Die Thatsache, daß Orthogenesis schon von Anfang an für die kleinsten
Eigenschaften, welche noch nicht nützlich sein können, besteht, wird als
»das mindest schwerwiegende Bedenken« gegen dieselbe erklärt. Während
von vornherein bis dahin anerkannt wurde, diese kleinsten Eigenschaften
hätten keinen Nutzen, heißt es jetzt mit einem Male: da wir über den
Selektionswert kein Urteil hätten, sei dies nicht bestimmt zu sagen, viel-
mehr sei es doch das Wahrscheinlichste, daß auch sie Selektionswert
besäßen. Endlich deshalb, weil wir die Anpassung nicht anders ver-
stehen können als dadurch, daß wir überall Anpassung voraussetzen,
muß die »Germinalselektion« die nicht mehr zu umgehende Orthogenesis
erklären und die Selektionslehre »vollenden und abrunden«.
Deshalb, weil er, Herr August WEiSM.iNN, jede andere Erklärung der
Erscheinungen, möge sie durch noch so viele Thatsachen gestützt sein,
nicht anerkennen, sonde'rn durch den Glaubenssatz ertöten will, daß »wir«
kein Urteil über dies und jenes — im besonderen Falle über Selektions-
wert — haben, so mutet er uns zu, anzuerkennen, daß »wir« auf jede
Erklärung verzichten müßten, wenn wir die seinige nicht annähmen.
Solche Girkelschlüsse, die Aufstellung unmaßgeblicher Prämissen und
die andauernde Verwechslung von Nützlichkeit und Selektion, wider-
sprechen den elementarsten Forderungen an logisches Denken. Der
immer von neuem sich schließende Gedankenkreis aber — die unaufhör-
lich sich wiederholende Logik des Drehorgelspiels dieser Art von Selektions-
lehre — läßt sich auch in den Satz fassen: weil alles nützlich ist,
ist alles durch Selektion entstanden, und weil alles durch
Selektion entsteht, ist alles nützlich.
Über diesen Ring hinaus giebt es nach dieser Lehre nichts von That-
sachen. nichts von Erklärung, nichts von Wissenschaft, nichts von Er-
kenntnis.
Aber wie kommt es. daß der Verfasser gegen den Schluß seiner
Schrift nun plötzlich annimmt, auch die primären Variationen müßten
Selektionswert gehabt haben, während er doch von vornherein von der
Behauptung ausging, daß sie nicht nützliche und daß sie »zufällige«
seien? Wir verstehen dies und die ganze Behandlung der Dinge, wenn
wir den Gedankengang, welcher seiner Rede zu Grunde liegt, über-
blicken.
Da Herr Weismann den Thatsachen der Orthogenesis nicht mehr aus
dem Wese gehen kann, so versucht er dieselben in den Dienst seines
88 Die sogenannte Germinalselektion.
Erkenntniskreises zu ziehen und behauptet, die bestimmt gerichtete Ent-
wicklung sei gezüchtet durch Auslese.
Weil er sich aber auch dem Einwurf nicht länger verschließen kann,
daß die Anfänge der Eigenschaften nicht nützlich sein können, und weil
er die in der Jetztzeit vorhandenen nützlichen Beziehungen zwischen
Eigenschaften und Außenwelt alle auf durch Auslese gewonnene An-
passung zurückführen will, so kann er die bestimmt gerichtete Ent-
wicklung nicht als von Anfang an bestehend anerkennen, sonst wäre
der Beweis der Züchtung derselben an Beispielen wie das der Blatt-
schmetterlinge ja von vornherein unmöglich.
Weil die Bedeutung der nicht gezüchteten Entwicklungsstufen anderer-
seits zu Gunsten der Selektion wiederum möglichst herabgedrückt werden
muß, so geschieht auch dies nach vollem Bedürfnis: es bleibt nach der
Darstellung des Dialektikers zuletzt davon kaum etwas übrig.
Allein immerhin bleibt ein Rest.
Aber dieser Rest ist sehr wichtig, denn er durchbricht das Selek-
tionsbedürfnis des Verfassers in einer für ihn immerhin unerträglichen
Weise. Deshalb ist er das »min dest Schwerwiegende « für ihn.
Der Rest wird auf das Bequemste beseitigt auf Grund der schon früher
vorbereiteten Behauptung, daß wir über den Selektionswert einer Ab-
änderung kein Urteil haben, und durch die plötzliche überraschende, auf
diese Behauptung gegründete Annahme, daß jener Rest — doch einmal
nützlich gewesen sein müsse: weil ja sonst Personalselektion nicht hätte
eintreten können und damit auch nicht Germinalselektion.
Damit ist der bewundernswerteste Reigen der Phantasie beendigt,
die Herrschaft der Selektion bezw. der Allmacht der Naturzüchtung,
w^as ja der Zweck der ganzen Schrift ist, gerettet und auch die feindliche
Orthogenesis ihr unterworfen : »Der Haupt- und Fundamentaleinwurf, daß
Selektion die Variationen, mit welchen sie arbeite, nicht schaffen könne,
ist durch die Einsicht, daß eine Germinalselektion besteht, beseitigt«.
Schade fürwahr um die Mühe, welche die Kunst dieser Einsicht
gekostet hat.
Für mich aber ist es erfreulich feststellen zu können, daß mein immer
und immer wieder gegen Darwinismus und Afterdarwinismus gerichteter
»Haupt- und Fundamentaleinwurf« endlich Gehör fand. Und es
ist abermals eine Genugthuung für mich zu erfahren, daß mein Gegner
von mir bewiesene und zu jenem Einwurf verwertete Thatsachen, wenig-
stens teilweise, anerkennt — wenn er auch meinen Namen nicht nennt,
sondern in seinen »Zusätzen« i) wiederum Andere, insbesondere Engländer,
mit der Ehre bedenkt, seiner würdige wissenschaftliche Gegner zu sein,
während er mir dieselbe ausdrücklich abzusprechen die Grausamkeit hat.
21. » Die drei Hauptauslesestufen , die der P e r sonalauslese, w ie sie
Darwin und Wallace aufstellten, die der Histonalaicslese, wie sie
von Wilhelm Roux nachgewiesen wurde als der »Kampf der Teile«, und
1) »Germinalselektion« S. 63.
Antworten auf die Lehrsätze der »Germinalselektion«. 89
schließlich diejenige derGerminalauslese^ deren Vorhandensein ich hier
aufzuzeigen versuchte^ sie sind es, welche zusammen wirken, um die Lebens-
formen stets lehensfähig zu erhalten, sie den Lebensbedingungen anzupassen«^.. .
so schließt Herr August Weismann seine Schrift — ein stolzer Satz zu seinen
Gunsten. Ich bedaure, demselben in den zwei letzten Teilen nicht zu-
stimmen zu können, denn der Roux'sche Kampf der Teile im Organismus ist,
wie schon gesagt, ein Stück Lamarekismus, Anwendung der LAMARCK'schen
Lehre von der Bedeutung des Gebrauchs für die Umbildung der Teile, ver-
bunden mit der Selektionslehre, beruht also auf Vererbung erworbener
Eigenschaften und kann darum zu Gunsten der Germinalselektion nicht
verwertet werden, sondern steht ihr vielmehr geradezu entgegen. Diese
»Germinalselektion« aber ist, wie ich sagte, ein totgeborenes Kind, sie
ist eine vollkommen unbegründete Vorstellung, weil sie den Thatsachen
nicht Rechnung trägt, vor allem nicht der Thatsache, daß durchaus
nicht alles durch Auslese entstanden zu sein braucht oder
entstanden ist, was nützlich ist, dann der anderen, daß lange
nicht alles nützlich ist, was besteht, und daß schon darum
nicht alles gezüchtet sein kann, dann der dritten und haupt-
sächlichsten, daß die Orthogenesis im Wesentlichen nicht
gezüchtet sein kann, einmal weil sie auch nicht nützliche
Eigenschaften beherrscht und ferner weil sie überall auch
die ersten Stufen der Entwickelung beherrscht, so lange als
diese noch nicht nützlich sind und nicht nützlich sein können.
Um nun der Bescheidenheit meines Gegners nicht die unberechtigte
Alleinherrschaft zu lassen, welche sie mit so großem Erfolg überall in
Anspruch nimmt, möchte ich seinem Schlußsatz gegenüber einen anderen
vorschlagen, nämhch: das orgauische Wachsen der Lebewelt, die Organo-
physis, wie es in der durch zahllose Thatsachen bewiesenen Ortho-
genesis zum Ausdruck kommt und durch die Wirkung zahlreicher
äußerer Einwirkungen auf die Umgestaltung der Tiere und Pflanzen, auch
künstliche, begründet ist, die durch J. Lamarck zuerst mit Nachdruck be-
tonte, gleich dem organischen Wachsen auf Vererbung erworbener Eigen-
schaften beruhende Wirkung des Gebrauchs der Teile, und die durch
Ch. Darwin zuerst zur Geltung gebrachte Erhaltung des Pass ends ten
im Kampf ums Dasein, zusammt der Förderung des Nützlichen durch die
Auslese sind es, welche die Gestaltung unserer Lebewelt bedingt haben.
Das Stehenbleiben der sich umbildenden Formen auf bestimmten Stufen
der Entwicklung aber, die Genepistase, war und ist das maßgebendste
31ittel zur Trennung der Organismenkette in Arten.
Zusammenfassung.
Stellen wir nun zusammenfassend fest, wie die »Germinalselektion«
wirksam gedacht werden muß, und nehmen wir als Ausgangspunkt das
Beispiel mit den Blattschmetterlingen: es soll einauf der Unterseite brauner,
90 Die sogenannte Germinalselektion.
mit Blatlrippen versehener, auch in der Form blattähnlicher Falter ent-
stehen wie die Kallima.
Braune Farbe und Blattrippen, ebenso Blattform der Flügel und alle
übrigen blattähnlichen Eigenschaften sind in gleicher Weise wie alle und
jede andere Eigenschaft, welche je an einem Organismus entstehen kann,
in der Anlage vorhanden, in den Biophoren bezw. Determinanten.
Alle diese Eigenschaften sind in der Zusammenstellung, wie sie ein
Blatt nachahmen, nützlich und diejenigen Falter, welche zuerst einmal
so deutlich mit denselben versehen sind, daß sie dadurch im Kampf
um's Dasein geschützt, daß sie ausgelesen werden, übertragen ihre
Eigenschaften auf den Keim der nächsten Generation.
Sehen wir von den Keimesanlagen einmal ab, so haben wir es bis
dahin mit einfacher DARwiM'scher Zuchtwahllehre zu thun.
Wir stoßen aber schon hier auf jene großen, von mir in allen meinen
Arbeiten, insbesondere auch in meiner Entstehung der Arten« hervor-
gehobenen Schwierigkeiten, welche freilich von meinem Herrn Gegner
als das mindest Schwerwiegende angesehen werden, v^^as gegen die
Seleklionslehre eingewendet werden kann. Derselbe nimmt an, daß die
Eigenschaften, welche die Blattähnlichkeit bedingen, allmählich ent-
standen seien und zufällig. Er giebt zu, daß für die Blattähnlichkeit wohl
ein gewisses »Vorbild« bestanden hat, welches noch nicht nützlich sein
konnte. Sagen wir einfach: die Blattähnlichkeit muß mit Anfängen be-
gonnen haben, welche noch keine Blattähnlichkeit zeigten, und sie muß
sich von diesem Zustand aus allmählich zur Blattähnlichkeit entwickelt
haben und zwar ohne Züchtung.
über diese Zeit der Umbildung wird also mit einem Salto mortale
hinweggegangen, als ob sie gar nicht in Betracht käme. Aber die That-
sachen zeigen uns, wie wir später sehen werden, eine so große Menge
solcher Vorbilder in den verschiedensten Stufen der Umbildung, daß die
Falter, bei welchen von angepaßter Blattähnlichkeit gesprochen werden
kann, die ungeheure Minderheit dagegen bilden. Es muß ungemessene
Zeiträume gedauert haben, während welcher blattähnliche Falter sich in
Beziehung auf die Ausbildung der Blattzeichnung in solchem Zustand des
unangepaßten Vorbildes befanden, sofern es sich dabei nicht um plötzliche,
sprungweise Umbildung zur Blattähnlichkeit gehandelt hat. Und für
diesen Zustand, welcher wahrscheinlich unendlich viel länger gedauert
hat, als der jetzt bestehende angepaßte und sein unmittelbarer Vorgänger,
der noch unvollkommener, aber immerhin einigermaßen angepaßte zu-
sammen, für diese lange Vorzeit gilt die Germinalselektion nicht.
Da die Umbildung während dieses langen Zeitraums zufällig vor
sich gehen soll, so ist, wie schon hervorgehoben, auch gar nicht zu ver-
stehen, warum sie an zahlreichen Faltern zugleich auftritt. Nur wenn
dies der Fall ist, kann sie aber bestehen, weil sie sonst durch geschlecht-
liche Mischung der wenigen Formen, welche sie angenommen haben, mit
den viel zahlreicheren nicht umgeänderten wieder verschwinden müßte.
Aber da die Vorstufen nicht angepaßt, nicht nützlich sind und da
Zusammenfassung. 91
nach der »Allmacht der Naturzüchtung < im Grunde doch nur Nützliches
bestehen kann, so konnten sie überhaupt nicht am Leben bleiben.
Wenn nachträglich behauptet wird, es müssen auch die Anfangs-
stufen irgendwie nützlich gewesen sein, so ist das eben eine Behaup-
tung, die uns unbewiesen, wie sie ist, nicht berühreu kann. Aber sie
ist auch unrichtig. Dies beweisen die Thatsachen. Und wenn dem
Einwurf, es könnten doch die kleinsten Anfänge der neuen Eigenschaften
nicht nützlich gewesen sein, mit der Äußerung begegnet werden will,
daß wir in keinem Falle diese ersten Anfänge wirklich kennen, indem
man sich damit wohl auf innere, im Organismus gelegene Ursachen der
Umbildung zurückziehe, so ist dies doch nur wieder ein Ausweichen vor
denjenigen Thatsachen, mit welchen wir es in der Anpassungsfrage zu
thun haben: im besonderen mit einer kleinsten, soeben erst
sichtbaren neuen Zeichnung, wie ich sie so vielfach nicht nur an
Schmetterlingen beschrieben habe. Und wenn behauptet wird, daß wn'r
in keinem Falle über den Selektionswert einer Abänderung ein Urteil
haben, so ist dies allein durch das Vorhandensein dieser kleinsten, zuerst
kaum sichtbaren Strichelchen und Pünktchen und ihr Wachsen und Fort-
schreiten zurückgewiesen.
Ist nun die Blattähnlichkeit so weit gediehen, daß sie von Nutzen
sein kann — ein Ziel, dessen Erreichung wunderbar genug auch deshalb
ist, weil alle dieselbe bedingenden Eigenschaften zusammen, zufällig
stets gleichen Schritt haltend, auftreten sollen — und ist nicht alles schon
vorher, weil noch nicht ausgelesen und angepaßt, zu Grunde gegangen,
so arbeitet jetzt die Auslese: das besser Angepaßte bleibt übrig.
Nun sollen die ausgelesenen Eigenschaften, welche auf den Keim der
Nachkommen übertragen werden — so behauptet die »Germinalselek-
tion« — stets auch kräftigere Determinanten haben, und deshalb sollen
sie allein im Keim bestehen bleiben, die schwächeren, welche nicht
angepaßten Eigenschaften zugehören, verdrängen. Von jetzt ab will
durch die »Germinalselektion« auch erklärt werden, warum zahlreiche
Eigenschaften zusammen auf die Nachkommen übertragen, bezw. weiter
gezüchtet werden: weil sie alle in gleichem Maße nützlich, bezw. kräftig
sind, werden sie die schwächeren verdrängen.
Aber warum arbeitete der Organismus denn durch so lange Zeit,
bevor schützende Blattähnlichkeit vorhanden war, gleichen Schrittes mit
allen diesen Eigenschaften nach der Blattähnlichkeit hin — ohne Auslese,
ohne Germinalselektion?
Die Annahme ferner, daß gerade die ausgelesenen Eigenschaften stets
die kräftigeren sein müßten, welche die Grundlage der Germinalselektion
überhaupt bildet, ist wiederum vollkommen willkürlich und, wie ich
meine, auf den ersten Blick unhaltbar, weil ohne jeden physiologischen
Hintergrund. Warum denn soll das Nützlichere, das Ausgelesene
auch das Kräftigere sein? In welchem physiologischen Zusammen-
hang steht jenes zu diesem? Liest denn die Zuchtwahl etwa nur ; kräf-
tiger Ernährtes < aus? dann wäre das Rätsel, warum gerade die Biesen-
92 l^ie sogenannte Germinalselektion.
tiere der Vorwolt, Iguanodon und andere Ungeheuer aus den verschie-
densten Abteilungen der Wirbeltiere ausgestorben sind, ganz unver-
ständlich.
Nein, neben kräftiger Ernährtem muß auch weniger kräftig Ernährtes
ausgelesen werden, ja das Eine wird im Organismus überall das Andere
bedineen. Kräftiger Ernährtes wird so und so oft nur auf Kosten von
geringer Ernährtem entstehen können, wie alles in demselben in Wechsel-
bezüglichkeit (Korrelation) steht. Und um so mehr wird solcher Ausgleich
zum Ausdruck kommen, wenn es sich, wie der Redner will, wesentlich
um quantitative Verschiedenheit beim Abändern handelt: es ist dann die
Kompensation, welche, indem sie eine Eigenschaft verstärkt, die
andere geringer macht, ohne daß letztere deshalb nicht nützlich zu sein
brauchte.
Aber es giebt zahlreiche Eigenschaften, welche, ohne von anderen
abhängig zu sein, nützlicher sein werden in weniger kräftiger Ausbil-
dung. So giebt es ganz zweckmäßige Rückbildungen zahlreicher Eigen-
schaften im Tierreich, bei welchen das Gegenteil von kräftiger Ausbil-
dung für die nützliche Gestaltung im Aufbau des Ganzen maßgebend ist.
Dasselbe gilt auch für die zu Grunde gelegten Beispiele von Färbung
und Zeichnung bei den Schmetterlingen in Beziehung auf beide in zahl-
reichen Fällen: so bei Abschwächung von Farbentönen, Zurücktreten und
Schwinden einer Zeichnung.
Indessen es ist kaum nötig, die Unhaltbarkeit dieser Vorstellung des
Verfassers zu widerlegen : es heißt geradezu alle Anatomie und Physio-
logie verleugnen, will man behaupten, die nützlichen Eigenschaften seien
nur quantitativ zu beurteilen, sie beruhten nur auf kräftigerer Ernährung.
Sollen denn wirklich die Fähigkeiten des Nervensystems des Menschen
nur auf besserer Ernährung der darin vorgeschrittenen Determinanten
beruhen, nicht auf Ausbildung einer feineren, leistungsfähigeren Qualität
der Teilchen? — Der Erfinder der »Germinalselektion« muß in der That
das Erstere behaupten, denn der Zweck seiner ganzen Aufstellung ist ja
eben der, die Vererbung erworbener Eigenschaften zu umgehen: also
darf er auch nicht zugeben, daß Übung die Organe leistungsfähiger macht
und daß etwas von dieser erhöhten Leistungsfähigkeit vererbt werden
kann.
Auch diese Ernährungsvorstellung hat etwas ungemein Rohes an
sich — genau wie die Vorstellung von der morphologischen Anlage der
Eigenschaften im Keimplasma: beide stützen sich nur auf Form und
Masse.
Allerdings spielt die Ernährung eine große Rolle bei der Umbildung
der Organismenwelt: die Übung verstärkt den Ernährungszufluß und die
bessere Ernährung ist es in zahllosen Fällen, was die Teile kräftigt, und
diese Kräftigung kann in Vergrößerung ihren Ausdruck finden — doch
dies sagt nur der von Herrn Weismanx durch die Germinalselektion um-
gangene Lamarekismus.
Aber auch in der Umbildungswirkung der Funktion handelt es sich
Zusammenfassung. 93
in allen Fällen nicht allein um Änderung der Quantität, sondern der
Qualität, wie eben die Ausbildung des Nervensystems vor Augen führt.
Ich meine, das ist selbstverständlich, bedarf nicht weiterer Beweise. Ist
es so, so ist damit allein schon der Germinalselektion jeder Boden ent-
zogen.
Es kann also die Germinalselektion die zahllosen auf Qualitätsände-
rung beruhenden Verschiedenheiten der Arten nicht züchten. Man könnte
ihr eine Bedeutung für die Vervollkommnung der physischen Kraft, ins-
besondere innerhalb einer und derselben Art zuschreiben, aber auch
dies geht auf dem Boden der WEisMAXN'schen Vorstellungen unmöglich an.
Der Ausgangspunkt der Umbildung ist das Oscillieren, die Plus- und
Minus-Variation der im Keimplasma präformierten Eigenschaften. Woher
kommt aber diese Plus- und Minus-Variation? Sie kann doch nicht auch
eine von äußeren Einflüssen unabhängige, seit Urzeiten unveränderlich
bestehende, hergebrachte Eigenschaft des Keimplasma sein !
Ja, dass bei dieser Unabhängigkeit und Selbständigkeit eine Minus-
Variation eintreten würde und zwar bald, sehr bald, das kann ich ver-
stehen. Aber woher kommt das Plus? Der erfahrene Kenner des
Keimplasma, welcher zuerst vollkommene Unabhängigkeit desselben
von der Außenwelt angenommen hatte, wandelte im Lauf der Zeit seine
Ansicht immer mehr zu Gunsten der Abhängigkeit um. Aber wie sollen
die Biophoren und Determinanten des Keimplasma unmittelbar von außen
ihre Ernährung nehmen, um Plus-Variationen erzeugen zu können? —
Das Plus der Variation kann doch nirgends anders herkommen als aus
dem Körper, welchem die Keimzellen angehören: von diesem Körper,
von seinem Ernährungszustand ist die Ernährung der Keimzellen ab-
hängig, das physiologische Wunder, als welches ich in meiner »Ent-
stehung der Arten« die WEisjiANx'sche Vorstellung von der Selbständig-
keit der Keimzellen bezeichnete, erscheint in seiner ganzen Größe, wenn man
auch nur eine einzige Plus-Variation von solchen selbständigen Keimzellen
verlangt. Weisen wir das Wunder ab, so gelangen wir schon durch die
Plus-Variation des Keimplasma auf den Boden der Vererbung erwor-
bener Eigenschaften — in der Thal, jeder physiologisch Denkende
wird finden, daß diese Vererbung durch die Voraussetzungen
der »Germinalselektion« anerkannt ist, indem sie sich, vielleicht
ohne daß ihr Gegner es merkte, in seine Vorstellungen eingeschlichen hat.
Zunächst müssen also spezifische Eigenschaften, d. i. nützliche der
verschiedensten Art, ohne Germinalselektion auftreten. Daß sie einfach
etwa durch vom Körper, bezw. Darmkanal her übermittelte Nahrung ent-
ständen, ist unmöglich. Das nimmt aber unser Schriftsteller auch nicht
an: sie sind ja nach ihm von vornherein im Keimplasma in der Anlage
vorhanden.
Einstweilen erfahren wir nichts darüber, wie die im Keimplasma in
der Anlage vorhandenen spezifischen nützlichen Eigenschaften dazu
kommen, durch Variation in die Erscheinung zu treten. Selbstverständ-
lich müssen sie zuerst zufällig nützlich oder im Lauf ihrer außerhalb
94 Die sogenannte Germinalselektion.
des Keimplasma fortgesetzten Umbildimg nützlich geworden sein. Denn
Züchtung giebt es ja noch nicht. Da der Verfasser selbst zugiebt, daß
sie zuerst nicht nützlich seien, obschon er gleich darauf wieder sagt,
wir hätten über den Nutzen keiner Eigenschaft ein Urteil, und dann
wieder, sie müßten doch nützlich gewesen sein — aber wir dürfen uns
wohl an diejenige seiner Ansichten halten, welche uns am besten ge-
fällt — sind sie also zuerst nicht nützlich gewesen , so müssen sie all-
mählich nützlich geworden sein, und dies kann in der That schon durch
kräftigere Ausbildung geschehen sein, aber auch durch mannigfache
qualitative Umbildungen.
Warum aber die nützlicheren Eigenschaften die kräftigeren, die
besser ernährten sein sollen, vermögen wir, wie gesagt, nicht einzusehen.
Deshalb ist es uns auch unverständlich, warum sie, auf das Keimplasma
von Nachkommen übergegangen, dort die nicht nützlichen verdrängen
sollen, weil diese die schwächeren sind.
Aber selbst wenn es sich in allen Eigenschaften nur um quantita-
tive, durch Ernährung entstandene handeln würde — wie können nun
die nützlichsten unter ihnen, auch nachdem Germinalselektion eingetreten
ist, fortgesetzt noch auf Grund von Plus-Variation gezüchtet werden, wenn
sie nur wieder auf den Keim von Nachkommen übertragen werden, aus
welchem sie ganz ebenso, wie sie übertragen wurden, hervorgegangen
sind? Wir stehen wieder vor demselben Rätsel w'ie vorhin, so lange
als die Eigenschaften eben nur Erzeugnisse des Keimplasma sein sollen,
ohne daß irgend ein äußeres Mittel ihre Umbildung bedingt. Es sei z. B.
eine Schmetterlingsfärbung als nützliche aus dem Keimplasma hervor-
gegangen. Sie wird unverändert in das Keimplasma von Nachkommen
übertragen; weil sie nützlich ist und darum kräftiger, verdrängt sie dort
die schwächeren, weniger nützlichen Determinanten. Aber was bewirkt nun
eine Plus-Variation dieser nützlichen Determinanten? Herr Weismann hilft
sich mit der Annahme, daß sie schon kräftiger Nahrung anziehen, eben
weil sie die kräftigeren sind. Allein die Voraussetzung des Kräftigerseins
ist, wie einleuchtet, völlig unbegründet. Und auch wenn sie begründet
wäre, müßte nach allem geläufigen und begründeten physiologischen
Begriff der Ernährungszustaud des Körpers überhaupt die Ernährung
bezw. die durch dieselbe bedingte Umbildung des Keimplasma beein-
flussen und damit wäre eben durch den Schöpfer der Keimplasma-
hypothese selbst Bresche geschossen in die letzte Schanze, welche er
heute noch zu halten versucht, in die Nichtvererbung erworbener Eigen-
schaften.
Es ist unmöglich, ohne Anerkennung der Vererbung erworbener
Eigenschaften eine stetig fortschreitende Plus-Variation in Beziehung auf die
verschiedenartigsten Eigenschaften der Lebewesen zu verstehen.
Es muß von außen etwas neues zu dem vom Keimplasma her ge-
gebenen hinzukommen, sonst bleibt alles beim alten. Nur unter An-
nahme von Vererbung erworbener Eigenschaften, sei es durch Gebrauch
oder durch unmittelbare äußere Einflüsse, läßt sich eine bis zu einem
Zusammenfassung. 95
gewissen Grade richtende Wirkung des Nutzens auf die Umbildung be-
greiflich machen: wenn immer wieder ausgelesen wird, so werden die
ausgelesenen Eigenschaften, indem sie in Generationen immer und immer
wieder auftreten und sich vererben, mehr und mehr zur Herrschaft ee-
langen können, um so mehr, wenn sie schon von vornherein vorhande-
nen Entvvicklungsrichtungen ihre Entstehung verdanken.
Die ganze »Germinalselektion« ist nichts als ein weiterer verzw'ei-
felter Versuch, der Vererbung erworbener Eigenschaften aus dem Wege
zu gehen.
Schon der dichotomische Stammbaum der Pflanzen- und der Tier-
welt zeigt, ich wiederhole es, daß unmöglich eine entwicklungsrichtende
Germinalselektion maßgebend für deren Formgestaltungen sein kann.
Somit sprechen ebenso alle Thatsachen w'ie alle folgerichtige Über-
legung gegen die Anerkennung auch dieser neuesten Spekulation.
In sehr Wesentlichem hat Herr G. Wulff in dem erwähnten Vor-
trag über die Grundlagen der »Germinalselektion« ebenso geurteilt, wie
ich es in den vorstehenden Ausführungen gethan habe, welche, wie ge-
sagt, vor dem Erscheinen desselben niedergeschrieben sind.
»Wer die Panmixie zu halten sucht dadurch, daß er das Auftreten
günstiger Variierungen als unw-abrscheinlich oder gar als unmöglich er-
scheinen läßt, der sägt sich damit selbst den Ast ab, auf dem er sitzt,
indem er in gleichem Maße der Erklärung der Entstehung zweck-
mäßiger Veränderungen entgegen arbeitet, und beruhigen kann sich bei
solchen Ausflüchten nur derjenige, der von der Hand m den Mund lebt,
dem es heute gleichgiltig ist, womit er gestern sein Dasein gefristet
hat«, sagt Wulff mit Beziehung auf einen anderen Fall, bezüglich des
Herrn Weismanx. Dieses Leben von der Hand in den Mund mit immer
neuen Ausflüchten und voller Widersprüche^) ist es ja in der That, w^as
diesen in allen seinen Flugschriften, in allen seinen Spekulationen
kennzeichnet.
Mit Beziehung auf die »Germinalselektion aber sagt Wulff: »Es ist
wohl kaum zu befürchten, daß für diese neue Theorie sich ein An-
hänger finden wird, sondern wir dürfen w'ohl die Zuversicht hegen, man
werde endlich einsehen, wohin solche darwinistischen Spielereien führen;
wir dürfen hofl'en, daß in die biologische Forschung ein Geist des Ernstes
wieder einziehen werde, der in der Natur nicht das zu finden trachtet,
was er gern möchte, sondern der stetig bereit ist, sich der Wahrheit
auf Gnade und Ungnade zu ergeben.«
1) In ausgiebiger Weise hat schon W. Haacke in »Gestaltung und Vererbung«
diese Behandlung der Dinge aufgedeckt, in einem Buche, welches sehr zutreffende
Kritik und Widerlegung — auch experimentelle — eines erheblichen Teils von Speku-
lationen des Herrn August Weismann enthält und daher mit Grund von diesem wiederum
vollkommen totgeschwiegen worden ist.
96 l^iß sogenannte Germinalselektion.
An und iür sich, um des endlichen Sieges der Wahrheit willen, war
es unnötig, daß ich vorstehende Kritik der »Germiiialselektion< schrieb.
Einmal würden die folgenden Thatsachen, zusammen mit den schon
mitgeteilten, diese allein zurückweisen. Sodann ist es an sich sehr unnötig,
mit Widerlegung der jeweiligen Einsicht eines Gegners sich zu befassen,
welcher demnächst doch von selbst wieder zu noch neuerer Erkenntnis
kommen wird — und leider habe ich schon einen und den anderen
Aufsatz geschrieben, welcher durch gan« unerwartet schnelle Wandlung
der Ansicht desselben im Sinne meiner Auffassung schon vor der Ver-
öffentlichung gegenstandslos geworden ist.
Wenn ich mich aber doch veranlaßt gesehen habe, einmal an einem
Beispiel dessen »Winkelzügigkeit« i) aufzudecken, so geschah dies in der
Überzeugung, daß ich, indem ich dadurch zum Verständnis der Schriften
des Herrn August Wkismann überhaupt beitrage, der Wissenschaft dienst-
bar bin.
Ich werde später genauer auf die Ansichten Darwin's eingehen , welche sich
auf die vorstehend behandelten Fragen beziehen. Hier sei nur bemerkt, daß derselbe,
insbesondere mit Rücksicht auf die Anschauungen Nageli's, auch die bestimmt ge-
richtete Entwicklung berührt und zwar in einer von Askenasy wiedergegebenen Stelle
in Beispielen, welche sehr die von mir im Vorstehenden vertretenen Anschauungen
in einem bestimmten Punkte stützen. In »Domestikation« II. Kap. 21 sagt er: »Stetige
1) Diese Kennzeichnung der Methode Weismann's hat G. J. Romakes gegeben in
seinem hinterlassenen Buche: »Darwin und nach Darwin« II. -1895, kurz nachdem derselbe
von jenem als eine Art Parteigänger gefeiert worden war in einer zu Oxford gehalte-
nen Rede, vgl. »xVußere Einflüsse als Entwicklungsreize«). Romanes wendet sich gegen
den in der That wieder sehr wenig ernsthaft wirkenden »Beweis«, welchen Weism.inn
gegen die Vererbung erworbener Eigenschaften darin erblickt, daß die Kinder nicht aus
eigenem Antrieb sprechen können, indem er sagt: er habe diesen Fall nur heraus-
gegriffen, um die Winkelzügigkeit der WEisMANN'schen Theorie zu zeigen. »Zuerst
greift er Weismann die Fähigkeit des artikulierten Sprechens heraus, um zu demon-
strieren, daß sie eigentlich instinktiv sein müßte, wenn überhaupt erworbene Cha-
raktere instinktiv werden können. Und solchen Wert legt er diesem Fall bei, daß er
auf ihn hin eine Entscheidung zwischen den beiden Theorien fällt und sagt, daß wir
darauf hin die Lehre, daß erworbene Charaktere niemals congenital würden, anzu-
nehmen uns nicht mehr sträuben dürften. Nachdem nun aber gezeigt ist, daß das
einzige Element in der artikulierten Sprache, welches möglicherweise congenital hätte
werden können fder Instinkt, artikulierte Töne von sich zu geben) , dies auch that-
sächlich geworden ist, erhalten wir eine Antwort, welche einen direkten Widerspruch
zu obigem Argument bildet: die Fähigkeit, die ursprünglich als ein erworbener Cha-
rakter aufgeführt wurde, wird jetzt als ein angeborener betrachtet. Durch solche
Schachzüge gegenüber allen Thatsachen« .... Ein andermal hat Herr Weismann zum
Beweis der Vererbung erworbener Eigenschaften vei'langt, daß die Kunst des Klavier-
spielens sich sollte vererbt haben. Daß in der That bei »Wunderkindern« und ein-
zelnen berühmten Musikern (Mozart) fast angeborene solche Fähigkeit, wie sonst auch
in der Kunst des Rechnens und sogar des Lesens vorkommt, vergißt er oder er wird
sich mit der Ausrede helfen, daß es sich dabei um vererbte »Anlagen« handle, als ob
diese nicht auch vererbte Eigenschaften voraussetzten. Verdienen auch solche Fälle
besondere Behandlung, so kann es doch keinem Zweifel unterliegen, daß dieselben
eben auf Vererbung erworbener Eigenschaften, bezw. Gewohnheitsthätigkeit beruhen
wie der Instinkt.
Zusammenfassung. 97
Divergenz der Charaktere hängt davon ab, daß dieselben Teile fortfahren nach der-
selben Richtung zu variiren .... Es ist an sich wahrscheinlich, daß, wenn ein Or-
ganismus in einer bestimmten Weise variirt, er wieder in der nämlichen Weise vari-
iren wird, wenn die Bedingungen, welche zuerst seine Variation veranlaßt haben, so
weit man es beurteilen kann, dieselben bleiben. Dies wird seitens aller Gärtner ent-
weder stillschweigend angenommen oder ausdrücklich ausgesprochen. Wenn ein
Gärtner nur ein oder zwei überschüssige Blumenblätter in einer Blüte bemerkt, so
ist er sicher, in wenigen Generationen eine gefüllte Blüte mit einer großen Zahl von
Blumenblättern zu erhalten .... Sageret, der eine große Erfahrung hat, bemerkt
über den künftig zu erwartenden Fortschritt in der Erzeugung von Fruchtbäumen:
»der wichtigste Grundsatz ist. daß, je mehr sich eine Pflanze von ihrem ursprünglichen
Typus entfernt hat, desto großer ihre Neigung ist, sich weiter von ihm zu entfernen«.
Man vergleiche hierzu das von mir in Beziehung auf die Züchtung langer Schwanz-
federn beim Hahn Gesagte! Die von Darwix angeführten Beispiele bestätigen das-
selbe insofern vollkommen , als sie für den Erfolg der Züchtung eine von vornherein
vorhandene Entwicklungsrichtung als günstig einschließen, was allerdings sonst von
Seiten desselben nicht geschieht, indem er trotz aller Einschränkungen und Zugeständ-
nisse immer wieder auf die vom Zufall beherrschte Zuchtwahl als das eigentlich maß-
gebende Transmutationsmittel zurückkommt und nirgends sonst bestimmt gerichteter
Entwicklung einen Einfluß auf die Umbildung einräumt.
So heißt es in seiner :*Entstehung der Arten« wiederum mit Beziehung auf letztere :
»Man hat eingewandt, wenn die Zuchtwahl ein so mächtiges Agens ist, warum ist
dieses oder jenes Organ nicht verändert und verbessert worden?. Warum ist der
Rüssel der Biene nicht so weit verlängert worden, daß er den Nektar des roten Klees
erreichen konnte? Warum hat der Strauß nicht die Fähigkeit zu fliegen erlangt?
Aber zugegeben, daß diese Teile und Organe in der geeigneten Richtung
variirt haben, zugegeben, daß genügende Zeit für das langsame Werk der natür-
lichen Züchtung vorhanden war, da doch die Wirkung der letzteren oft durch Kreu-
zung und die Neigung zu Rückschlägen beeinträchtigt wird, wer mag wohl behaupten
die Geschichte eines Wesens so genau zu kennen, daß er zu sagen vermag, irgend eine
bestimmte einzelne Änderung würde im ganzen zum Vorteil desselben ausschlagen«.
Weiterhin heißt es ebenda: »Niemand wird behaupten, daß wir jetzt den Nutzen aller
Teile irgend einer Pflanze oder die Funktion einer jeden Zelle in jedwedem Organe
angeben können. Vor fünf oder sechs .lahren würde man unzählige Besonderheiten
im Bau der Orchideenblüten, große Rücken und Kämme, Eigentümlichkeiten in der
relativen Stellung der einzelnen Teile als nutzlose morphologische Diflerenzen ange-
sehen haben; nun aber wissen wir, daß sie von großem Nutzen sind und unter der
Herrschaft der natürlichen Züchtung gestanden haben müssen«.
Das sind Worte, welche die vom Verfasser der »Germinalselektion« vertretene
.Auffassung von unserem Unvermögen in Beziehung auf die Erkenntnis des Nutzens der
einzelnen Eigenschatten zu stützen scheinen und welche derselben wohl zur Grund-
lage dienten. Allein Darwin ist von solcher Auffassung weit entfernt gewesen. Wäh-
rend er zuerst allerdings gemeint hatte, es müsse alles nützlich oder doch einmal
nützlich gewesen sein, erkannte er je länger desto mehr bekanntlich an, daß es viele
dem Organismus nicht nützliche Eigenschaften gebe, daß also nicht alles angepaßt sei ' .
Wer dies nicht berücksichtigt und die Meinung hegt, daß Nutzen das einzige Mittel
der Umbildung der Lebewelt sei. vertritt nicht Darwinismus, sondern Übertreibung
und überhaupt falsche Nachfolge desselben, d. i. Afterdarwinismus. So sagt auch
G. J. RoM.\NEs-): »Weismann's Schriften über die Vererbung und Wallace's Werk
über den Darwinismus werden gewöhnlich von den Jungdarwinisten als die wei-
teren Ausbildungen der D.VRwiN'schen Lehre in ihrer »reinen« Form hingestellt; erstere
suchen den Satz zu begründen, daß die natürliche Zuchtwahl die einzige mögliche
Ursache für die Anpassungsabänderungen sei; letzteres steht in all den Punkten, in
welchen es anderen »Ketzerei« vorwirft, in schrolfem Widerspruch mit Darwin's Lehre.«
1, Man vergl. hierzu bes. Askenasy S. 14 fl". - a. a. 0. S. VS.
Eimer, Orthogenesis. 7
III.
Die Entstehung der Blattähnlichkeit bei Schmetterlingen.
»Auch ich bin gewiß, daß inaucher dia-
lektiscli Kranke im Studium dei' Natur eine
wohlthätige Heilung finden könnte.«
Goethe.
Ursprüngliche Grniidzeichimng bei den Familien der Tagfalter.
Die elffache Längsstreifung von Papilioniden wie Alebion. Gb/cerion,
welche ich als die Grundzeichnung zunächst der Tagschmetterlinge über-
haupt bezeichnet habe '), findet sich in sehr ursprünglicher Weise auch
bei anderen Abteilungen der Tagfalter, so unter den Lycaeniden bei
ayÄ>'
^^- >-,
Abh. 20. Sithon hiemalis S. u. G.
Abb. 21. Megalura Bcrania He
Sithon hiemalis (Abb. 20)2), unter den Nymphaliden bei Megalura
Berania (Abb. 21)3). Wie bei den meisten Papilioniden ist auch in diesen
1, Fig. 1 u. 2, Taf. 1 meiner »Artbildung und YerNvandtscliaft bei den .Schmetter-
lingen« I, und vorn Abb. i.
2) Bei Staudinger »Exotische Schmetterlinge« Taf. 93 als S. nivea bezeichnet.
3) Staudixger Taf. 43.
Ursprüngliche Grundzeichnung bei den Familien der Tagfalter. 99
Fällen die Zahl der Längsstreifen verringert, aber die noch vorhandenen
lassen sich leicht auf die der Papilioniden zurückführen, wie ich das
für Megalura Berania in der beifolgenden Zeichnung durch Beifügung
aller entsprechenden Zahlen gethan habe.
Viele Lycaeniden Abb. 22 und Nymphaliden, auchEryciniden ^4bb.23)
zeigen eine solche Längsstreifung noch insbesondere auf der Unterseite
ebenso Falter anderer Gruppen: die Ober-
seite der Tagfalter geht, wie ich ge-
zeigt habe und wie aus allem fol-
genden hervorgehen wird, in der
Entwickelung meistens voran, die
Unterseite bleibt auf ursprüng-
licheren Stufen stehen, was der An-
aahme hervorragender Anpassung der Unter-
seite nur durch Zuchtwahl in den betreffen- ,T,v oo rr, , »vv oo ^, •
Atb. 22. Thecla Abb. 23. Charts
den Fällen widerspricht. Die Oberseite Aetoius Crxh. sapiurina s-igk.
ist oft — so z. B. eben bei den Lycaeniden,
aber auch bei anderen Gruppen — glänzend einfarbig oder verschieden-
farbig und zugleich in der Zeichnung abgeändert, während die Unter-
seite noch längsgestreift und zugleich düster ist. Indessen giebt es auch
zuweilen ein Vorschreiten der Unterseite in einzelnen glänzenden Eigen-
schaften. Oft ist die dunkle Längsstreifung auf der Oberseite samt
schöner Grundfarbe schärfer und ausgesprochener erhalten als auf der
Unterseite: so bei Papilioniden. Zuweilen ist sie oben und unten ziem-
lich gleichartig erhalten, so z. B. bei manchen Eryciniden: Mesosemla
Cippus, M. Lepida, M. Philemon, Hyphüaria Parthenis^). Nur unten ist
Euselasia Hahneli-] längstgestreift. Sehr hübsch ist das Verhalten von
Charis saphirina unter den Eryciniden (Abb. 23), wo cy und Q unten noch
sieben bis acht durchgehende Streifen haben und gelbbräunJiche Grund-
farbe, während das (^ oben schön blaue Grundfarbe hat, die Streifen
nur noch in der Zahl von sechs auf den Vorderflügeln und fünf auf
den Hinterflügeln vorhanden sind und auf ersteren anfangen, sich hinten
zu verkürzen (postero-anteriore Umbildung •^).
Sogar unter Älorphiden kommen noch Arten vor, welche unten
in Beziehung auf die Streifung ziemlich ursprünglich gezeichnet sind,
wie Amathusia Phidippus Q (Abb. 24) zeigt ^). Sodann, in geringerem
Grade, Morpho Adonis ^).
Sehr vorgeschritten in der Zeichnung sind Danaiden, Helico-
niden und Pieriden, auch manche Nymphaliden, insbesondere in
jenen bei allen drei Familien so ähnlichen Formen mit schmal ausge-
zogenen Flügeln und häufig schwarz, gelb und roter, bezw. brauner
Farbe, welche bis dahin allgemein als mimetische angesehen wurden,
aber, vA'ie gezeigt werden soll, durch Homoeogenesis entstanden sind und
1) Staudixger Taf. 88. -) St. Taf. 87. 3j St. Taf. 91.
*) St. Taf. 63. 5) St. Taf. 69.
7*
100
Die Entstehung der Blattähnlichkeit bei Schmetterlingen.
HL
im Zusammenhang mit der Flügelform eine quergerichtete Zeichnung
angenommen haben.
Dagegen linden sich ziemlich ur-
sprünglich längsgestreifte Gattungen
und Arten wiederum unter den Sa-
tyriden: so bei Eiiptychia^)^ und
zwar ist es immer wieder die Unter-
seite, welche die ursprünglichste
Zeichnung und unscheinbare Färbung
beibehalten hat; indessen haben sich
die meisten Längsstreifen bei man-
chen Euptychien auch oben erhalten.
Die Umbildung der Grniidzeichmiiig
zur Blattähulichkeit bei den
Nymplialideu.
Es läßt sich nun leicht zeigen,
daß es nichts als der Ausdruck
eigenartiger, bestimmt gerichteter
Entwickelung einzelner jener meiner
Grundstreifen der Zeichnung ist, wenn
eine blattähnliche Zeichnung auf der
Unterseite von Schmetterlingsflügeln
entsteht, und zwar handelt es sich
häufig wiederum um homoeogene-
tische Umbildungen, weil eine ganz ähnliche
Blattzeichnung auf Grund derselben Entwicke-
lungsrichtungen in verschiedenen, nicht uq-
mittelbar verwandten Schmetterlingsgruppen
entstehen kann. Aber es ist nicht überall ganz
dieselbe Entwickelungsrichtung, welche zur
Entstehung von Blattähnlichkeit führt. Während
die Seitenadern des Blattes überall im wesent-
lichen desselben Ursprungs sind, ist der Ur-
sprung der Mittelrippe nicht immer der gleiche.
Es kommen Blattschmetlerlinge ausge-
sprochener Art vorzüglich vor unter den
' Nymphaliden. Die vollkommensten liefert
Kai lim a in ihren indischen Formen,
während die afrikanische Kallima rumia
(Abb. 25) besondere Entwickelungsrichtungen
Abb. 25. Kallima rumia Westw. . , -, , . m t->i .^i -i i
zeigt, welche eme vollkommene Blattbildung
nicht, bezw. zum Teil nicht mehr erkennen lassen. Ich gebe hier
eine Abbildung der letzteren , wie auch solche von zwei ausge-
Abb. 24. Amatimsia Phidipptts L. £
III
lY
VIIl
JX
^^V
//■-L
-//
1) St. Taf. 80.
Umbildung der Grundzeichnung zur Blattähnliclii<eit bei den Nymphaliden. 101
sprochenen blattähnlicheu indischen Arten: Kailima Philarchus WestvA'.
aus Ceylon (Abb. 26) und K. Inachis Boisd. (Abb. 27' aus .Tava.
Die Unterseite der Inachis ist meist rotbräunlich grau, die von
Philarchus grünlich gelbbraun, die von rumia aber braungelb.
Inachis ist am blattähnlichsten. Man sieht an ihr auf Hinter- und
Vorderflügeln Spuren von Augenflecken, welche zum Teil fast wie
Schimmelflecke auf einem Blatte aussehen. Spuren derselben finden sich
auch bei dem mir vorliegenden Stück von Philarchus. Sie sind, wie
die Vereleichuns mit rumia schon
zeigt, Reste von Augenflecken. Auf
den Hinterflügeln sind es bei den mir
vorliegenden Stücken von Inachis vier,
- weiter
ersterer noch
M
y^^n-
auf den Vorder flu geln zwei
\
-n
■m
JT
nach vorn sind auf
Reste der Kerne weiterer Augenflecke
in Gestalt kleiner Pünktchen vorhan-
den. Weniger deutlich ist dies bei
Philarchus.
Die Mittelrippe des Blattes gabelt
sich bei Inachis und bei Philarchus
auf den Vorder flügeln, was die Blatt-
ähnlichkeit etwas beeinträchtigt, be-
sonders bei Philarchus, wo der innere
Schenkel zickzackförmig und fast kräf-
tiger ist als der äußere die Fortsetzung
der Mittelblattrippe bildende. Jener
innere Schenkel entspricht im übrigen
der ersten inneren Seitenrippe des
Blattes. Dahinter sind noch drei wei-
tere solche Seitenrippen bei Inachis,
bei Philarchus zwei und außerdem
eine Spur einer dritten zu erkennen.
Diese vier Seitenrippen ent-
sprechen ebensovielen der von
mir aufgestellten Grundlängsbinden der Zeichnung, bezw.
den vordersten Stücken derselben. Und zwar handelt es sich darin,
wie die Vergleichung lehrt und wie ich durch Zahlen bezeichnet habe,
um die Binden IV, V VI, VIII IX und X.
Die Mittelrippe des Blattes aber wird hergestellt durch
die Fortsetzung der Binde IV nach hinten und durch An-
fügung der Binde III an den vorderen sich umbiegenden
Teil von IV.
Die äußeren Seitenrippen auf den Hinterflügeln werden
hergestellt durch das hintere Stück der Binde III und durch
Binde II.
An und hinter der Gabelungsstelle von III IV liegen die vergilbten
Abb. 26. Kailima Philarchus Westw.
102
Die Entstehung der Blattähnlichkeit bei Schmetterlingen.
\i^-\
(iK,4.
Augenflecke der Vorderflügel; nach außen von III auf den Hinterflügeln
die der letzteren.
Es sei gleich bemerkt, daß die entsprechenden Augenflecke
auf beiden Flügeln bei allen Nymphaliden und ebenso bei
anderen Tagfaltern stets die Lage der Binde III andeuten,
indem sie nach außen von derselben gelegen sind, ferner,
daß die Binde HI, welche ursprünglich auf Vorder- und Hinterflügeln
dem Rande parallel gelagert ist, bei den Blaltscbmetterlingen aber auch
zuweilen bei anderen eine Verschiebung
Jü-,—, ihres unteren Endes nach einwärts erfah-
ren hat.
Vergleichen wir damit A'. rumia, so
erkennen wir vorne gekernte Augen in
derselben Lage zu III. während diese
Binde selbst fast geschwanden ist; auch
IV ist vorn undeutlich geworden. Da-
, . eeeen sind die Binden VIII und IX sehr
jj; verstärkt und erstere erstreckt sich rippen-
^ ähnlich bis über einen Teil der Hinter-
flügel. Die vorn und hinten in einer Reihe
parallel dem Flügelrande gelegenen Augen-
flecke deuten noch die ursprüngliche Lage
der geschwundenen, bezw. nur noch durch
nr: einen Schatten angedeuteten Binde III an.
Auch Binde II ist hinten wie vorn noch
ursprünglich — parallel dem Flügelrande
— selasfert und schließt sich erst an das
hinterste Ende von IV an; bei Inachis
scheint sie an letzterem weiter nach vorn
geschoben, in Wirklichkeit aber beruht
ihre Lage auf der Verlängerung der hin-
teren Blattspitze gegenüber von rumia.
Die Augenflecke, welche bei den
Kailima noch übrig sind, insbesondere
der in der dritthintersten Zelle des Vorderflügels und der in der
dritten und siebenten Zelle des Hinterflügels, sind dieselben, welche
bei vielen Tagfaltern, besonders bei manchen Satyriden, auch Morphiden
(Abb. 24j prachtvolle Augen werden, während die übrigen Augenflecke
verschwunden oder nur ganz klein vorhanden sein können. Oft ist aber
die ganze Kette der Augenflecke erhalten oder sind andere als die ge-
nannten aus dieser Reihe stark ausgebildet. Unser Distelfalter, Vanessa
cardui (Abb. 70), zeigt die ganze Reihe auf den Hinterflügeln unten, und
oben und bei unseren Silberstrichen, Argynnis. sind deren Reste noch
in kleinen silbrigen Pünktchen zu erkennen — in beiden Fällen liegen
die Flecke, bezw. Augen entsprechend der gegebenen Darstellung nach
außen vor Binde III ; der Fall von Argynnis aber zeigt, daß das Silbrig-r
Abi). 27. Kailima Inachis Boisr>.
L'iiibildung der Grundzeichnung zur Blattähnlichkeit bei den Nymphaliden. 103
werden nicht nur bei Blattschmetterlingen vorkommt und wohl auf einer
in der Konstitution begründeten Umbildung beruht. Bei Inachis ist der
Kern des in der dritthintersten Yorderflügelzelle gelegenen Auges in ein
solches silberglänzendes Pünktchen umgewandelt, welches mit der rost-
farbenen Umgrenzung Sporenflecken eines dürren Blattes ähnlich sein
mas. ebenso wie die teilweise weiß bestäubten Ausenfleckenreste der
HinterÜügel dieses Falters.
Ich will hier noch Ag anist hos
Od ins F., eine unten ziemlich blatt-
ähnliche, tief kupferbraune Nympha-
vil 1 hier noch A a a nisth o s
T/r
.-o^^
lide. anführen, ausgezeichnet neben- __, x^
bei durch weiße Bestäubung inner- z^'
halb der Seitenränder beider Flügel ^'
Abb. 28)1). Die Zeichnung dieses Falters rm.
bietet eine eigenartige Entwickelungs-
richtung dadurch dar, daß die inneren
Seitenrippen des Blattes verstärkt sind
und von diesen die der Binde Vll zu-
gehörige sich in scharfer nicht blatt-
rippenähnlicher Linie, parallel mit IV ^
über den Hinterflügel erstreckt, ferner / ;
dadurch, daß die sonst als Blattmittel- > ;
rippe erscheinende IV sehr schwach aus- ^
gebildet ist. ebenso III, welche in zwei — «^
Stücken vorhanden ist, deren vorderes
annähernd wie bei den blattähnlichsten
Kailima die Fortsetzung der Mittelrippe
bildet, während das hintere, wie dort, ^^%i^
sich ähnlich einer äußeren Seitenrippe Abb. 2<. Aganistnos Odim f.
verhält.
Dieser Aganisthos ist kein Waldschmetterling, sondern bevorzugt nach
Hahxel^i vielmehr freies Land (Südamerika^
Nach Art der Blatt.sclimetterliiige «ezeiclmete Xymplialideii oliue oder
mit uur uuvollkoiiimeuer Blattälmliclikeit.
Viele Falter, welche in der Zeichnung der Oberseite von den Kallinia
himmelweit verschieden sind — indem sich die Grundbinden und die
Augenflecke hier erhalten haben — zeigen auf der Unterseite, wie aus
den beifolgenden Abbildungen zu ersehen ist, die auffälligsten Beziehungen
zu der von Kallima: hei lunonia La o media aus Ostindien ist dies in
1; Die weiße Bestäubung [w] ist in der Abbildung nicht deutlich.
2 Hahnkl, »Entomolosische Erinnerungen aus Süd-Amerika« in: Deutsche entom.
Zeitsciir. Herausgegeb. v. d. Ges. Iris. Dresden 1890 S. 289.
104
Die Entstehung der Blattähnlichkeit bei Schmetterlingen.
Bezieliung auf Binde IV, die »Mittelrippe«, besonders deutlich, bei /. La-
vinia aus Südamerika (Abb. 29) und Er'igonc aus Ostindien (Abb. 30)
ist die Mittelrippe nur auf den Hinterflügeln als solche etwas schärfer
angedeutet. Dagegen ist hier III noch deutlieh hinten und vorn, bei
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Abb. 20. JuHonia Lavinia
Cram.
Abb. 30. Jimonia Eriijone
Oeam.
Abb. 31. Precis Iphita
Ceam.
Laomedia vorn — hier und hei Er ig one liegt diese Binde oder liegen die
ihre Lage bezeichnenden Augenflecke noch in einer über Vorder- und
Hinterflügel zusammenstoßenden geraden, nicht wie bei den indischen
KalUma gebrochenen und verschobenen Linie.
Ähnliche Verhältnisse bieten, gleichfalls unter den Nymphaliden, die
hier abgebildeten Precis: P. Iphita aus Java (Abb. 31) und P. terea
aus Afrika (Abb. 32), luit scharfer
Binde IV, entsprechend einer Mittel-
blattrippe, aber ohne die vermittelst
III in die vordere Flügelecke bei
den indischen Kailima erzielte Fort-
setzung.
Die auf den Vorderflügeln
M^
Abb. 32. Precis terea Drü.
bung dieser
Verhalten in
Binde und ihr
angedeutete III ist hier deshalb be-
merkenswert, weil sie in Beziehung
auf ihre Lage zu IV in der Mitte
steht zwischen dem Verhalten bei
lunonia Lavinia und Erigone einer-
seits und den Kailima andererseits :
überall ist die Lageverschie-
außerordentlich wechselndes
Beziehung auf ihre Deutlichkeit bemerkenswert.
Noch muß hervorgehoben werden, daß auch die hinteren Enden von
III und II auf den Hinterflügeln bei lunonia und Precis in verschie-
dener Weise gegen IV hinneigen, aber nirgends so weit nach vorne an
dieselbe sich ansetzen wie bei Kallima^ und daß bei P. terea ^ wie zu-
weilen auch sonst, die »Mittelrippe auch auf der Oberseite vorhan-
den ist.
Nach Art der Blattschmetterlinge gezeichnete Nymphaliden. 105
Während nun bei den genannten Faltern die Mittel angedeutet sind,
welche bei KaUiina zur Blattähnlichkeit führen, ist bei ihnen allen
von ßlattähnlichkeit keine Rede — am ehesten könnte davon noch
he'iPrecis Iphita gesprochen werden, weil hier wenigstens die Farbe
der Unterseite düster braun ist und die Augenflecke klein sind.
Auch die Gestalt eines Blattes ist bei diesen Faltern
nirgends vorhanden. Aber in anderen Fällen kann die Blattform
bei Nymphaliden wie bei Arten anderer Gruppen vollkommen aus-
gesprochen sein, auch die Grundzüge der Blattzeichnung sind vorhanden,
aber die Färbung schließt jede Blaltähnlichkeit aus oder es
ist nur der Hinterflügel wie ein halbes Blatt gebildet, der vor-
dere nicht. Oder es ist letzterer gar bunt; oder endlich es sind einige
Blattrippenstücke, wenn ich so sagen soll, ausgebildet, andere nicht,
während die Farbe der eines Blattes ähnlich
ist oder wiederum alle Ähnlichkeit mit sol-
chem ausschließt. Ein sehr merkwürdiges
Beispiel letzterer Art bietet Megalura Co-
resia (J' \), bei welcher die Oberseite ziem- ' ./ \
lieh einfarbig braun, die Unterseite aber xzz-j, \j^^_
durch die wie bei Meqalut^a Peletis (Abb. , /{''-
33) stark ausgeprägte Binde IV in zwei v ' *■
Hälften geteilt ist, die innere weiß, die f
äußere braun, die Binde selbst rotbraun
gefärbt! Megalur a Peleus dagegen ist
oben roto;elb mit noch sieben ganz oder teil-
weise ausgebildeten Längsstreifen und schließt
sich in beidem nahe an Meqalura Berania
(Abb. 21) an — diese hat noch neun Streifen
und ist oben gelbbraun. Unten ist Peleus
kupferbraun, also ebenso wie in der Gestalt ^^^- ^'^- ^''jaiura PeUus Sülz.
einem dürren Blatt nicht gerade unähnlich.
Allein es ist keine eigentliche Mittelblattrippe, wenigstens auf der
vorderen Flügelhäifte, vorhanden, auch keine Seitenrippen, da nur
Binde IV durchgehend scharf ausgeprägt ist, III aber sich bis zur hinter-
sten Hinterflügelecke erstreckt. Die Augenflecke der Binde III sind bei
Peleus kaum noch angedeutet, auf den Hinterflügeln durch Pünktchen
mit mehr oder weniger deutlichem hellem Hof. Der vorderste Teil der
Binde III auf den Hinterflügeln ist in eine silberglänzende Zickzackzeich-
nung verwandelt is Abb. 33j, nahe dem hintersten Rande der Vorder-
flügel ist in derselben Binde ein weißer Fleck entstanden.
Auf Grund ähnlicher Verhältnisse wie bei den südamerikanischen
Peleus ist bei der in Fig. 34 abgebildeten Nymphalide Doleschallia
pratipa von Sumatra etwas Blattähnliches hergestellt. Aber die Augen-
flecke sind hier noch ziemlich deutlich, und sehr hervortretende weiße
\
i
M
1] Staud. Taf. 45.
106
Die Entstehung der Blattähnlichkeit hei Schmetterlingen.
Flecke auf den Flügeln, besonders am Vorderrande am Beginn dei- Bin-
den III, IV, V VI, VII VHI IX und X, bezvv. zwischen denselben, bilden eine
sehr wenig blattähnliche Abänderung, wogegen die kupferbraune und
[Man vergleiche hierzu auch
grünliche Färbung zum Blatte stimmen.
D. polibete Abb. 52 und das dort Gesagte.)
Sehr häufig ist also nur eine Flügelhälfte mit einer Blatt-
rippe versehen, meist die hintere (z. B. Corades Enijo, Abb. 35,
ohne daß davon gesprochen werden könnte, es handle sich dabei um
/
TZjtw/y
%
Alib. 34. Doleschallia pratipu
Feld.
Abb. 35. Corades Kiiyo
Hi;\v.
Abb. 36. Anuea panaristt
Hew.
eine erste Stufe der Blattähnlichkeit, welche nach vorne vervollkommnet
werden sollte. Dies wäre noch möglich bei der in Fig. 36 abgebildeten
Anaea panariste, wiederum einer südamerikanischen Nymphalide, bei wel-
cher IV auf den Hinterflüseln sehr stark, auf den Vorderflüseln nur
schwach ausgebildet ist. Hinten verbinden sich bei diesem Falter nicht
nur III und II, sondern auch I nach Art äußerer Seitenrippen mit IV,
vorne nicht. Trotz der Eigenart der Vorderflügel hat das Ganze in seiner
graugrünen Färbung etwas Blattähnliches. Gerade hier liegt aber
Grund vor zu schließen, dass IV auf den Vorderflügeln nicht im Stärker-
werden, sondern im Schwinden begriffen ist. Dafür spricht schon,
daß dies mit III offenbar der Fall ist. Aber auch das Verhalten von
Kallima rumia spricht dafür, denn hier ist IV ebenso wie III auf den
Vorderflügeln otfenbar geschwunden, denn überall sind ja sonst
vorne, auf den Vorderflügeln und gerade gegen deren vorderen Band
hin, die Grundbinden ursprünglich besonders kräftig ausgebildet. Aller-
dings schwinden sie bei der allgemeinen Umbildung der Zeichnung, wie
ich dieselbe für die Papilioniden beschrieben habe, in der Bichtung von
hinten nach vorn.
I
i
Nach Art der Blattschmetterlinge gezeichnete Nyniphaliden. 107
Zahlreiche andere Arten, insbesondere die der Gattung Anaeu, zeigen
nun unzweifelhaft durch alle möglichen Übergänge, daß die Blattzeich-
nung und damit überhaupt die Blattähnlichkeit nicht nur auf den Vorder-
flügeln. sondern auf beiden Flügelpaaren allmählich schwindet. Die
die Blattrippen vortäuschenden Grundstreifen der Zeichnung
gehen verloren ').
Häufig hat demgemäß der Yorderflügel auf der Unterseite eine ganz
andere, neue Ausbildung angenommen, so dass von einer in Zukunft
möglichen Vervollständigung blattähnlicher Zeichnung der Hinterflügel
durch Ausdehnung auf die Vorderflügel nicht die Rede sein kann.
Es kommt bei Nymphaliden insbesondere sehr oft vor, daß, während
die Unterseite der Hinterflügel in Farbe und Zeichnung etwas Blattähn-
liches oder doch eine Mittelrippenbinde hat, die Vorderflügel auf der-
selben, wie gesagt, nicht nur ganz anders gezeichnet, sondern sogar
bunt gefärbt sind. Sehr ausgeprägt ist dies auch bei andern Gruppen,
so bei der südamerikanischen Satyride Corades Enyo (Abb. 35 . w^elche
auf den Vorderflügeln tief schwarzbraun ist mit vorderen weißen und
hinteren dunkelgelben Flecken, während die Hinterflügel silberbraun er-
scheinen mit zwei Rippen, ähnlich KolUma rumia : besonders auch die
Vanessen bieten Beispiele dieser Art: man vergleiche z. B. Pyrameis go-
nerilla^).
Aber w-ir dürfen nur gewisse unserer gewöhnlichen Vcmessa-Arten.
W'ie Vanessa atalanta und cardui. von der Unterseite ansehen, um die
fortgeschrittene Färbung und Zeichnung der Vorderflügel gegenüber den
düsteren mehr oder weniger rindenähnlichen Hinterflügeln zu finden,
während andere, wie Vanessa polychloros^ auch vorne den ursprünglichen
Zustand beibehalten haben.
Ungleiches AVacliseii verscliiedeiier Flügelteile als Ursache
der Verlageruug der Zeichnung.
Wir haben bis dahin gesehen, daß die Blattähnlichkeit, soweit
dieselbe durch die Zeichnung bedingt wird, stets beruht auf Be-
Stehenbleiben oder stärkerem Hervortreten von Teilen der ur-
sprünglichen Grundzeichnung der Tagschmetterlinge, mag sie
nun so gestaltet sein wie bei den indischen oder bei den afrikanischen
Kallima oder bei Anaea oder Aganisthos oder, wie ich hinzufügen will,
bei irgend welchen anderen Blattschmetterlingen gleichviel welcher
Gruppe.
Aber es erschienen dabei gerade bei den blattähnlichsten, bei den
indischen Kallima^ ganz ausgezeichnete Merkmale, nämlich das Verhalten
der Binde III als Fortsetzung der Mittelblattrippe und als zweithinterste
äußere Seitenrippe, die Folge, wie ich sagte, einer Verlagerung, Ver-
1 Man versl. hierzu Staudixgf.ii Tal". 61. - St. Taf. 37.
108 D't' l'iilsleluing der Blattühnlichkeit bei Schmetterlingen.
Schiebung einerseits des dem Vorder- und andererseits des dem Hinter-
llügel angehörenden Teils dieser Binde.
Diese Verlagerung ergiebt sich als Thatsache durch die Übergänge,
welche die verschiedenen Falterformen, bei denen dieselbe auch sonst
bis zu einem gewissen Grade vorkommt, zu dem gewöhnlichen ursprüng-
lichen Zustand zeigen, in welchem die Binde III der Binde II, bezw.
dem äußeren Flügelrande parallel verläuft. Aber die Ursache der Ver-
lagerung bedarf einer näheren Erklärung.
Es ist augenscheinlich, daß die Verlagerung der Binde III
mit der Form der Flügel in Zusammenhang steht, daß sie
eine Folge der Entstehung dieser Form ist.
Die blattähnliche Gestalt entsteht hauptsächlich durch Zuspitzung
und Verlängerung beider Flügel nach hinten und vorn, und diese geschieht
nach vorne mit durch starke Verlängerung des Vor der flügel-
randes. Wenn diese Verlängerung vorzüglich durchwachsen
des äußeren Teiles desjenigen Stückes der Flügel bewirkt
wird, welcher zwischen dem vorderen Teil der Binde IV und
III gelegen ist, während der der spät eren Winkel verbin düng
beider Binden entsprechende hintere Teil, bezw. die Mitte
des Vorder flügels, nicht wächst, so muß sich die Binde III
vorn von IV entfernen, in der Mitte des Vorderflügels aber
ihr nähern. Das Wachsen vorn und das Zurückbleiben des
Wachstums in der Mitte wird wohl als Ausgleichung (Kompensation)
erklärt werden dürfen.
Die Blattform ist nun weiter dadurch hergestellt worden, daß die
beiden Flügel von der Spitze ab nach vorne, bezw. hinten, besonders im
Gebiete des Randes, mit welchem sie zusammenstoßen, bezw. übereinander
gelagert sind, sich sehr verbreitert haben, und zwar ist hervor-
ragend verbreitert der nach außen von IV gelegene Teil der Flügel,
wie dieVergleichung mit einer ursprünglichen Form, wie Megalura Berania,
oder gar mit den (irundformen der Papilioniden, z. B. dem al)gebildeten
Alebion, sofort zeigt. Wenn nun die Stelle der Basis des Hinter-
flügels, welche zwischen IV und dem vorderen Ende von III
liegt, ebenso gewachsen ist wie die zwischen dem vorderen
Ende von III und IV gelegene Strecke des Vorderflügels,
während das Wachstum ebenso wie dort an der jetzigen
Vereinigungsstelle von III und IV zurückblieb, so mußte
sich III in Gestalt einer äußeren Blattrippe auf den Hinter-
flügeln mit IV verbinden. In den von III und IV auf Vorder-
und Hinterflügel gebildeten Dreiecken aber haben wir ein vollkommenes
Gegenstück.
Dieselben Verhältnisse bietet z. B. Aganisthos Odins. In anderen
Fällen von immerhin einiger Blattähnlichkeit verbindet sich III vorn
nirgends mit IV, hinten erst gegen deren hinteres Ende — es kommen,
wie wir schon gesehen haben, auch hierin verschiedene Über-
gänge vor.
Ungleiches Wachsen der Flügelteile als Ursache der Verlagerung etc. 109
Bei gewöhnlicher, nicht blattähnlicher FlügelJbrm verläuft III
niemals als Seitenrippe von IV, sondern mehr oder weniger parallel
dem Fliigelrande.
Bis dahin haben wir zumeist Fälle betrachtet, in welchen, gleichviel
ob im übrigen Blattähnlichkeit besteht oder nicht, eine aus den Binden
IV und III zusammengesetzte, sich in die Spitze des Vorderflügels fort-
setzende »Blattmittelrippe« vorhanden ist. Es kann aber, wie wir schon
sahen, auch eine blattähnliche Flügelform vorhanden sein, ohne daß eine
eigentliche Blattmittelrippe da ist, dann wenn die der Blattmittelrippe
entsprechende Zeichnung ausschließlich durch Binde IV ohne Teilnahme
von III vertreten wird: die so gebildete Rippe geht in diesem Falle nicht
in die Blattspitze, sondern sie endigt einwärts von derselben am Vorder-
rande des Vorderflügels.
Dies zeigt z. ß. Megalitra Peleus. welche annähernd Blattform hat
(Abb. 33). Zur Vergleichung und Erklärung der hier bestehenden Ver-
hältnisse aber wollen wir ausgehen von der sehr ursprünglichen, eine
Blattgestalt nicht darbietenden Megabint Berauia 'Abb. 21 . Hier schließt
sich III auf den Vorderflügeln nach hinten nicht an Binde IV im Winkel
an, sondern umgekehrt an II. Ebenso schließt sie sich bei Megalura
Peleus auf dem Vorderflügel nicht an IV an, sondern verläuft hier bis
gegen das hintere Ende des Hinterflügels nahezu parallel mit derselben.
Der Anschluß erfolgt erst nahe der Spitze des Hinterflügels, so daß von
Ähnlichkeit mit einer Blattrippe keine Rede mehr ist.
Bei MegdhiVd Berania ist der Vorderrand der Vorderflügel augen-
scheinlich etwas gestreckt durch Wachsen zwischen III und II; bei
M. Peleus aber, wo er ungleich stärker gestreckt ist, erfolgte das Wachsen,
wie der Augenschein zeiüit. am stärksten zwischen III und den daran
nach außen gelegenen Augenflecken. L'brigens ändern die einzelnen
Stücke von Peleus in dieser und anderer Beziehung offenbar sehr ab.
Die Versuche mit künstlicher Einwirkun g von Wärme auf
die Puppen von Schwalbenschwänzen un d Segelfaltern [Papilio
Mdchuon und Podaiirius) ergeben eine Ursache solcher Verände-
rung der Flügelform: durch Wärme wird dort der Vorderflügel
stärker nach der äußeren Flügelader hin ausgezogen, der Vorderflügel-
rand verlängert und stärker gebogen.
Ein Blick auf die erste Tafel meiner segelfalterähnlichen Papilioniden
zeigt nun, daß sich auch dort die äußeren Flügelbinden, nämlich Binde
I — IV, in verschiedener Art und in verschiedenem Grade nach hinten
in spitzem Winkel zu einander stellen, was augenscheinlich gleichfalls
von entsprechend verschiedenem Wachsen herrührt. Am schönsten zeigt
dort Pipilio HpicUms mit seinen lang ausgezogenen Vorderflügeln ein
bedeutendes Gewachsensein z. B. zwischen Binde I bis V VI und V VI
bis VIII gegenüber verwandten Faltern. Aber schon der südliche
110
Die Entstehung der Blattähnlichkeit bei Schmetterlingen.
IJI ]| I
/ JJ'm
Abt. 37. Papilio Tiirmts L. Q
Abb. 38. Papilio Dmimis Boisd. r^
P. Podalirius Lotten' zeigt ein solches Gewachsenseiii des äußeren Teils
des Vorderflügelrandes; ebenso unter den schwalbensch wanzähnlichen,
z. B. Papilio Turnus Q. (Abb. 37) und Daunus (J^ (Abb. 38) gegenüber
I iiiiii
in II 1
Abb. 39. Papilio Aijisilaus Boiso.
Ungleiches Wachsen der Flügelteile als Ursache der Verlagerung etc. 1 1 1
dem Segler Papilio Agesilaus (Abb. 39 , bei welchem der äußere Teil
der Vorderflügel sehr kurz ist, so daß hier Binde IV geschwunden ist,
ohne daß ein bemerkbarer Zwischenraum an ihrer Stelle übrig gebh'eben
wäre; es ist hier an der betreffenden Stelle
also sogar Verkürzung eingetreten.
Diese Verkürzung und jene Verlängerung
zeigt der Vergleich mit Pap. Alebion (Abb. 40\
Bei P. Turnus bezieht sich die Verlängerung
besonders auf die Strecke zwischen III und
IV, ebenso bei Daunus, wo dieselbe durch
ak in der Abbildung angedeutet ist.
Entsprechend jenem Einfluß künst-
licher Wärme aber sind es die natür-
lichen Wärmeformen derselben Gat-
tunsjen und Arten, nämlich die Som-
merformen und die im Süden, in
warmem Klima lebenden, welche z.B.
unter den segelfalterähnlichen Papi-
lioniden jene Verlängerung und stär-
kere Biegung des Vorderrandes der
Vorderflügel und dadurch die stärker
Abb. 40. Papilio Alebion Grat.
ausgezogeneGestalt derselben besitzen.
Schon die südliche Sommer form von Papilio Podalirius, P. Lotterig
zeigt also gegenüber der nördlicher lebenden Stammform jene Verlän-
gerung des äußeren Teils der Vorderflügel — es ist also die Wärme^
welche in diesem Fall Wachstumsveränderungen und dadurch Umbildung
einer Art hervorgerufen hat: organisches Wachsen im elementarsten
Sinne des Wortes.
Ganz ähnliche Veränderungen der Flügelform und der Zwischen-
räume zwischen einzelnen Binden zeigen die von mir beschriebenen und
abgebildeten Sommerformen von Papilio Podalirius aus dem Wallis ') und
in Kleinasien lebende Sommerformen desselben Falters, welche ich als
P. Sinyrnensis bezeichnet habe- .
Wir werden noch weitere Thatsachen kennen lernen, welche in über-
raschender Weise erklärt werden durch verschiedenartiges W^achsen der
Flügelform bei den Schmetterlingen, während die vorstehenden, im Zu-
sammenhalt mit der Wirkung künstlicher Wärme wiederum die Ver-
erbung erworbener Eigenschaften beweisen.
Im Folgenden wollen wir die Blattschmetterlinge und ihre Ent-
stehung in der Gruppe der Nymphaliden noch etwas näher verfolgen.
1 »Artbildung und Verw. b. d. Schmetterl.
2 Ebenda S. 94.
1 S. 90.
112 Die Entstehung der Blatlähnlichkeit bei Schmetterlingen.
Begiuu der die Slattähnliclikeit bedingenden Eigensclial'teu
bei nicht blattäliuliclieu Xymplialiden.
Zuerst müssen wir noch einise Abweichungen kennen lernen, welche
in Beziehung auf die Bildung einer blatlrippenähnlichen Zeichnung von
der Art der ausgeprägten Blaltform der KulUma Inacins und P/ulurclms
vorkommen.
Und einen Hauptsatz müssen wir nun aussprechen, welcher sich
übrigens aus den mitgeteilten Thatsachen schon erschließen läßt, den
nämlich, daß die Blatllorm und die Blattrippenbildung und daß die
Blattähnlichkeit überhaupt sich zunächst bei den Nympha-
liden in ihren einzelnen Eigenschaften durch zahllose Zwi-
schenformen ganz allmählich verliert, bezw. daß sie in ihren
Anfängen wiederzuerkennen ist in den tausend und tausend
Gliedern dieser Gruppe, und zwar bis zu unseren Vanessa-
und Apatiira-Arien.
Nach dem Typus IV III, wie wir sagen wollen, d. i. mit einer aus
den Binden IV und III hergestellten, in die Blattspitze verlaufenden
Mittelrippe, entsprechend Kallima Inachis und Philarchus , sind auch
andere Gattungen annähernd blattähnlicher Nymphaliden ausgebildet.
Aber schon nicht alle indischen Kallima haben die große Blattähnlichkeit
wie jene. K. albofasciata 31oore z. B. hat nach der Abbildung von Stac-
dinger') keine ausgesprochenen seitlichen Blattrippen. Die Zeichnung ist
bis auf den größten Teil der Binde IV und auf einen kleinen Rest der
diese nach vorn fortsetzenden lll geschwunden : wieder ist der vorderste
Teil von III oflFenbar rückgebildet, wie bei Ä'. nania.
],i ji Ähnlich wie Inachis sind auf der Unterseite ge-
nv-. zeichnet Arten der Gattung Salamis, wie N. Anteva,
"""" weniger deutlich Napeocles jucvnda "^). Man vergleiche
/ nun aber auf derselben Tafel abgebildete andere Arten
'/'^ von Salamis, nämlich S. Ethyru (Abb. 41) und S. Ana-
cardii, so erkennt man in ersterer schon ganz den
\ 'Tv^Nt^ Typus der Vanessen in der Flügelform, in der Zeich-
nung und in den Augenflecken der Binde III, und
Anacardii hat unten und oben auf sillu'ig weißem,
rötlich schimmerndem 3) Grunde noch die ähnlich einer
iX
N i
t
^-
Mittelblattrippe durchgehende Binde IV, während die
übrigen Binden bis auf Spuren geschwunden und
Abt. 41. nur noch vier Augenflecke vorhanden sind, aber er-
Salamts Ethiiru Peisth. ■ ■ ,. ■ ..n .
hebhch vergröbert.
Verschiedenstufige Entwickelung, H eterepistase, ist es,
deren Bedeutung für die Artbildung hier wie überall aus der V'er-
gleichung der Formen abzulesen ist: die Thatsache, daß durch Slehen-
1) Staudimger Taf. 39. 2j St. Taf. 38.
3) So ist die Farbe an einem mir vorliesenden Stück.
Beginn der die Blattähnlichkeit bedingenden Eigenschaften etc. 113
Iileiben maßgebender Eieenschalten auf verschiedenen Stufen von Ent-
Wickelungsrichtungen und Fortschreiten anderer Eigenschaften in ihrer
Entwickelungsrichtung die verschiedenen Merkmale verwandter Arten
gebildet werden.
Sehen wir uns nun die afrikanische Salamis Ethyra mit Beziehung
auf unsere Vanessen noch etwas näher an. Das mir vorh"egende Stück
ist oben dunkler und außer der doppelt schw^arzgeränderten, über beide
Füeel hinziehenden Binde IV und außer Binde II sind auch III und I
deutlich. Die Unterseite ist, besonders außerhalb der Binde IV III violett-
braun, nicht blattähnlich gefärbt. Ethyra hat ferner das Bemerkenswerte,
daß die scharf und dunkel gezeichnete Mittelrippe IV der Hinterflügel auf
den Vorderflüseln einerseits durch den äußeren Schenkel der durch
Wachsen vorne ungemein verbreiterten und geteilten III bis in die
Flügelspitze fortgesetzt wird, entsprechend der Mittelrippe von Inachis,
daß andererseits IV, entsprechend der ersten inneren Seitenrippe von
InachiSj in ihrer eigenen Fortsetzung einen spitzen Winkel mit III bildend,
zum Vorderflügelrande zieht. Diese Zeichnung ist auch bei Vanessen
wenigstens am Vorderrand vorhanden, ebenso fehlen die bei S. Ethyra
nach einwärts von IV gelegenen Binden den Vanessen nicht.
Blattähnlichkeit bei Vanessen. Binnenfeld. Von unseren
Vanessen haben Vanessa polychloros und V. c-alhum eine der Binde
IV allein entsprechende »Mittelrippe . Auch die übrigen vorne vorhan-
denen Bindenreste erzeugen wenigstens bei c-alhum den Eindruck von
etwas annähernd Blattrippenähnlichem, ebenso stimmen die unbestimmte
gemarmelte Zeichnung, die Farbe und der Silberfleck mit dem Aussehen
eines dürren Blattes überein. Durch entsprechende Mittel ist blattähnlich
auch die Zeichnung anderer Vanessen, wie die der V. Haronia von Cey-
lon, der V. glauconia von Japan, der \'. catiace von Sikkim und der V.
californica aus Californien. Überall ist Binde IV sehr ausgeprägt, bei
mehreren grenzt sie nach innen scharf ein dunkleres Binnenfeld auf
der Unterseite der Flügel der Falter ab, so besonders bei V. Milherti aus
Californien. Ein solches Binnenfeld ist in Abbildung 43 mit B bezeichnet.
Bei unserer V. In ist Binde IV auf den Hinterflügeln deutlich aus-
gesprochen, nur stark gezackt; auf den heller braunen Vorderflügeln ist
sie gleichfalls nur am Vorderrande deutlicher, und zwar vorne sehr breit;
nach außen von ihr liegt, ebenfalls sehr breit, ein Rest von III, nach
außen davon als Rest der Augenflecke kleine weiße Pünktchen; nach innen
von IV liegen V VI u. s. w. Die Unterseite von lo ist braun, der Farbe
gewisser dürrer Blätter nicht unähnlich. Bei T'^ Atalanta und carclui
sind nur die Hinterflügel noch mehr in düsterer brauner Farbe auf der
Unterseite gehalten, die Vorderflügel bunt. Man sieht auf jenen bei
cardiä noch die ehemalige Grenze von IV durch einen hellen Zwischen-
raum gegen III angedeutet, dann hinten eine Anzahl Augenflecke, diese
und die stark gezackte Binde IV erkennt man auch noch bei V. Atalanta.
V. polychloros ist unten braun, ähnlich lo. Die Binde IV grenzt hier
wiederum ein dunkleres Binnen fe Id. besonders hinten, von einem
Eimer, Orthogenesis. 8
114
Die Entstehung der Blattähnliclikeit l)ci Sclimetterliniien.
hellen äußeren ab, welches nach außen wieder durch die schwarz und
bläulich graue Randbinde (II) abgegrenzt wird. Auf den Vorderflügeln ist
eine breite liinde III zu sehen, wiederum vorn besonders dunkel. Nach
außen davon liegen einige helle Pünktchen als Beste von Augenflecken,
dann folgen Binde IV und die übrigen wie bei lo: überall Entstehung
verschiedener Artmerkmale auf Grund von verschiedenstufiger
Entwickelung, Ileterepistase.
Jenes dunkle, nach außen durch Binde IV begrenzte Binnenfeld,
wie es von der Unterseite von Vanessa polychloros beschrieben wurde,
\
Abi). 42. Precis Andremiaju Boisd.
Abb. 43. Ehinoindpa Sabhni Ckam.
spiell nun, als besondere Entwickelungsrichtung, eine ganz hervorragende
Rolle bei der Artbildung auch in ganz verschiedenen Gattungen und
Familien: ein hervorragendes Beispiel für unabhängige Entwicke-
lungsgleichheit, Homöogenesis. und zwar tritt dasselbe bald auf
der Unter-, bald auf der Oberseite der Flügel, bald auf beiden auf.
Es führt uns zunächst zu unserer Salamis Ethyra und Verwandten aui'
Tafel 38 bei Staudinger zurück. Man vergleiche dort außer diesem Falter
und Salamis Anacardii die auch vorstehend abgebildeten Precis Andremiaja
(Abb. 42) und Bhinopalpa Sahina (Abb. 43)i), dann Cynthia Moluccarvni
(^ und 2 ^) ' Bei letzterer ist ein ganz hervorragendes Beispiel von ver-
schiedenstufiger Entwickelung, Heterepistase, und zugleich von weiblicher
Präponderanz gegeben , indem das q^ , unten wie oben gelbbraun ge-
färbt, unten kein dunkles Binnenfeld hat, wohl aber die ausgeprägte
1) Auch bei diesen beiden ist Binde III vorne durch Wachsen geteilt.
2) Staüd. Taf. 35.
Beginn der die Blattähnlichkeit liedingenden Eigenschatten etc. 115
Binde IV, während bei dem braungrünlichen Q beiderseits ein dunkles
Binnenfeld aussebildet ist.
Die Binde IV, nach vorn und außen als in die Blattspitze verlaufende Mittelrippe
ergänzt durch III, giebt nach dem Mitgeteilten die Grundlage ab für die Ähnlichkeit der
Blattschmetterlinge mit einem Blatte, während in zahllosen anderen Fällen trotz solcher
Zeichnung schon wegen der Farbe keine Rede von Blattähnlichkeit ist. Andererseits
kann eine gewisse Blattähnlichkeit hergestellt werden, auch wenn die Blattrippe nicht
in die Blattspitze geht, sondern nur durch Binde IV gebildet wird, wie bei Megalura
Peleus, sobald die Gestalt und Farbe des Blattes das ihrige dazu beiträgt. Ein solcher
Blattschmetterling ist also bis zu einem gewissen Grade auch unsere Vanessa c-album,
deren Binde IV als Andeutung einer Rippe gelten kann, während die übrige Zeichnung
und die Färbung der Blattunterseite Ähnlichkeit mit einem dürren Blatte hat. Weniger
Blattähnlichkeit hat schon V. polychloros und bei anderen nahe verwandten Vanessa-
Artcn sind gar die Vorderttügel bunt gefärbt. Daß in anderen Fällen derart gezeich-
nete Falter trotz der Biattgestalt der Flügel von Blattähnlichkeit weit entfernt sind,
haben wir z. B. bei Megalura Coresia gesehen. Oft fehlt aber auch die Blattgestalt,
während Binde IV so wie bei V. c-album oder wie bei M. Peleus bis an den Vorder-
rand der Vorderflügel geht und III mit ihr parallel läuft und während auch die
Farbe nicht entfernt etwas mit einem Blatte zu thun hat: so z. B. bei Cymothoe
Caenis (J und Q von Westafrika' und bei unzähligen anderen Faltern. (Die beiden
Geschlechter dieses letzteren zeigen in ihrer großen Verschiedenheit zugleich wieder
verschiedenstufige Entwickelung, bezw. kaleidoskopische Umbildung: das Q. hat auf
der Oberseite ein weißes ^Mittelfeld und überhaupt den Typus der Limenitis popiili.
Sibylla u. a., das (5 hat nur noch Randbinden.) Es giebt keine Grenze in Beziehung
auf die Unterseite zwischen solchen oder nach Art der Kallima albofasciata (Blatt-
mittelrippe = IV -|- HI und A'. rumia gezeichneten Faltern, bei w eichen die Alittelrippe
auf den Vorderflügeln fast ganz oder ganz fehlt, und solchen, bei welchen die Vorder-
tlügel auf der Unterseite ganz bunt geworden sind.
Immer ist selbstverständlich die Blattähnlichkeit meist dann am größten, wenn
die Hauptrippe von Spitze zu .Spitze geht, und sie kann durch die Farbe auch dann
maßgebend sein, wenn keine Seitenrippen vorhanden sind, oder nur ganz unvoll-
kommen wie bei Arten der Gattung Siderone-]. Bei Anaea Electra^] sind nur Stücke
A'on Rippen wenigstens vorn vorhanden und doch besteht nach der Abbildung Ähn-
lichkeit mit einem dürren Blatt. Bei Anaea Panariste Abb. 33 fehlt die Mittelrippe
vorne, bei A. falcata fehlt sie hinten wenigstens zum Teil — dennoch ist bei beiden
Blattähnlichkeit vorhanden, insbesondere durch die Seitenrippenstücke darstellenden
Reste der übrigen Längsbinden.
Arten der Gattung Euryphene^ sind deshalb weniger blattähnlich, trotzdem sie
die in die vordere Flügelspitze vom Hinterrand der Hinterflügel an durchgehende
Binde Willi ausgesprochen haben, w^eil der Flügel hinten nicht zugespitzt, überhaupt
nicht recht blattförmig ist und weil IV/III ziemlich weit nach außen gegen den Flügel-
rand gerückt ist. Bei E. Sophus^] biegt die Binde sogar auf den Hinterflügeln nach
außen um und verläuft nach der Mitte des gebogenen äußeren Hinterflügelrandes, l'm-
gekehi't ist z. B. bei Prepona Chromus^], wo nur IV eine das Blatt in zwei Hälften tei-
lende »Rippe« bildet, trotzdem dieselbe weit nach innen liegt, insbesondere wegen
der allgemeinen übrigen Zeichnung und Färbung und durch die Blattform etwas Blatt-
ähnliches gegeben. Bei Apaturina Enninin'^ ist nur noch auf den Ilintertlügeln ein
Rest der Binde IV vorhanden, die Vorderflügel sind bunt.
Auch DoleschalUa Amboinensis'] ist trotz des Fehlens einer ausgesprochenen
Mittelrippe IV/III durch andere Mittel blattähnlich.
1) St. Taf. 32. 2) St. Taf. 62. 3) St. Taf. 61. 4 St. Taf. 32.
ä) St. Taf. 32. 6;, St. Taf. 36. ') St. Taf. 39.
1 1 (3 Die Entstehung der Blattähnlichkeit bei Schmetterlingen.
Die Vanessen zeigen also zum Teil auf der ganzen Unterseite eine
wenn auch nur unvollkommene Blattähnlichkeit — immerhin eine solche,
welche zum Schutz auf dürren Blättern genügen könnte und welche der-
jenigen wirklicher Blattschmetterlinge nicht nachsteht. Allerdings ist die
Form der Flügel nicht vollkommen blattähnlich, nähert sich aber durch
die mehr oder weniger zugespitzte Gestalt [c-album] wenigstens etwas
der Form eines nicht regelmäßigen dürren Blattes. Die blattähnlichen
Eigenschaften, insbesondere die Zeichnung zeigen jedoch die verschie-
densten Stufen der Ausbildung, bezw. Rückbildung und Umbildung,
besonders auf den Vorderflügeln, wodurch die Blattähnlichkeit mehr oder
weniger aufgehoben werden kann.
Da diese Falter sich mit ausgebreiteten Flügeln, dieselben hebend
und senkend, auf gleichgültig wie gefärbte Blumen niederlassen und
somit die schönen Farben ihrer Oberseite vollkommen preisgeben, so
werden sie von Vögeln kaum verfolgt werden, sie sind auch nicht
Bewohner des Waldes, sondern des freien Landes c-album fliegt auch
am Waldrande), und von irgend welcher Anpassung an dürres Laub ist
also keine Rede. Dasselbe wird sich sicherlich für viele sogenannte
»Wald«- oder Blattschmetterlinge herausstellen, wenn man sie im Leben
beobachtet.
Ernst HautertI) macht auf Grund eigener Beobachtung eine Bemer-
kung über Kallima- Arien, welche notwendige zwingende Anpassung der
Blattähnlichkeit selbst dieser Formen zurückweist. Derselbe hebt hervor,
daß sich die Annahme von Wallace, wonach mit starker Schutzfärbung
begabte Arten meist in großer Individuenzahl lebten, als »Regel« durch
viele Fälle widerlegen lasse. Er erinnere nur an Kallima Inachis und
paralecta, die doch überall mehr vereinzelt leben und an vielen Orten
sehr selten sind. Sodann fährt er fort: •> Kallima sitzt auch keineswegs
immer in der von Wallace beschriebeneu Weise; ich sah sie wieder-
holt an grünen Blättern sitzen, wo sie von fernher zu bemerken
war, während sie an einem Stamme oder trockenen Zweige sitzend
äußerst schwer und oft durchaus nicht aufzufinden wai'. «
Demnach sind die Kallima durchaus nicht unbedingt ihrem
Wohnort angepaßt und bedürfen vielleicht des Schutzes
durch die Blattähnlichkeit gar nicht, welchen man als die
treibende Ursache der Entstehung derselben angesehen hat.
Wir sind zu den vorstehenden Ausführungen gelangt durch die wich-
tige Rolle, welche bei den Nymphaliden Binde IV und dann Binde III
spielen, besonders aber die erstere, beide nächst der Flügelform und den
Farben zugleich die wichtigste Grundlage für die Entstehung von Blatt-
ähnlichkeit der Unterseite.
1 Eknst Hartert, »Biologisches aus dem indischen Faunengebiete«. Berliner
Entomolog. Zeitschr. 33. Bd, 1889 S. 289 fl'.
Beginn der die Blattähnlichkeit bedingenden Eigenschaften etc.
117
Die Rolle dieser Binden ist geradezu herrschend Jjei
den Nvmphaliden und zusamt dem so häufig zwischen ihnen gelegenen
hellen Bande, dem Mittelfelde (vergl. Abb. 43 zwischen B und III;,
ebenso wie durch die vermittelst Binde IV erfolgende scharfe Abgren-
zung des Binnenfeldes maßgebend für die Zeichnung zahlloser Falter
aus den verschiedensten Familien.'
So können zahllose Hinneigungen zur Blattähnlichkeit und ebenso
viele Entfernungen von derselben entstehen schon durch die bis jetzt
hervorgehobenen Mittel. Zu allem giebt es nun
aber auch noch Übergänge zu Formen, welche
zwei oder drei, sogar vier ausgespro-
chene mehr oder weniger parallel
nebeneinander gelagerte, über beide
oder nur über die Hinter flügel hin-
ziehende Binden haben, von welchen
die eine mehr oder weniger einer
Blattmittelrippe ähnlich sein kann,
aber sich in anderen Fällen durchaus
nicht so darstellt. Man vergleiche hiezu
z. B. Amathusia dihicida Abb. 133, ferner Anaea
Phidile Hübn.-), letztere mit Binde IV, III, II, I.
Bei A. Nessus, ebenda, sind hinten zwei Binden
vorhanden u. s. w.
Man vergleiche ferner u. a. Catonephele
Capenas und Hewitsonii^), CetJiosia Nicobarica,
Abb. iM), dann Arten der Gattung Dijnamine^]
sogar mit sechs mehr oder weniger schrägen und parallelen Binden auf
den Hinterflügeln. Man vergleiche auch z. B. Zeuxidia Aiirelius bei
Hewitsox Taf. 53, Vol. III u. a. — überall sieht man Reste der be-
kannten Grund bin den, welche auf der Unterseite der Hinterflügel
bestehen geblieben sind.
Abb. 44.
Celhosia nicobaricu
Feld.
Alle vorstehend hervorgehobenen und andere Thatsachen zeigen somit,
daß das gesamte Aussehen der Nvmphaliden und verwandter Falter, so weit
es durch die Zeichnung bedingt ist, auf wenigen bestimmten Entwicke-
lungsrichtungen beruht, bei welchen die Binden III und IV nicht nur
die wichtigste Rolle spielen, sondern daß insbesondere durch diese und
durch andere Grundbinden blattrippenähnliche Zeichnungen entstehen
können, auch ohne daß im Übrigen von Ähnlichkeit mit einem Blatte
1; Man bekommt den leichtesten Überblick über dieses Verhältnis durch die Ab-
bildungen des HEwiTSON'schen Schmetterlingswerkes, in welchen die Falter zugleich in
sitzender Stellung mit zusammengeklappten Flügeln gezeichnet sind, so daß man diese
von außen, bezw. von unten sieht. W. G. Hewitson. »Illustrations of new species of
exotic Butterllies«. London 1862 — 1866.
2] St. Taf. 61.
3) St. Taf. 41,
4] St. Taf. 34.
5) St. Taf. 42.
118
Die Entstehung der Blattähnlichkeit l)ei Schmcttcrlineen.
irgend die Rede ist. Ferner sahen wir, daß die blattrippenäbniiche
Zeichnung in anderen Fällen übergeht in die gewöhnliche mehrbindige
Grundzeichnung, indem die Binden, zu mehreren vorhanden, annähernd
parallel von hinten nach vorn verlaufen, und daß zuweilen nicht Binde
IV/ill allein, sondern IV oder diese und eine oder zwei andere, oder
daß nur eine der letzteren, außerhalb der Mitte des Blattes gelegen, also
keine Blattmittelrippe darstellend, vorhanden, bezw, verstärkt sind.
Außerdem haben wir gesehen, daß blattrippenähnliche Zeichnungen
oft auf der Unterseite der Vorderflügel oder daß sie auf beiden Flügeln
schwinden.
Coeiiophlebia Arcliidona, ein umgekehrter Blattsclimetterling.
Nun haben wir noch einen höchst merkwürdigen südamerikanischen
Blattschmetterling unter den Nymphaliden zu besprechen:
Coenophlebia Arch i d o n a.
Die Mittelrippe geht Mier (Abb. 45) ') nicht von der hinteren Blattspitze aus,
sondern mehr als IV2 cm unter derselben vom Innenrande weg. Von hier
zieht sie schräs nach außen
und vorn, um den Vorder-
rand des Hinterflügels
etwa in dessen Mitte zu
erreichen. Von da an,
wo in der Ruhelage der
Vorderflügel vom Hinter-
flüeel von unten her be-
deckt ist, tritt auf erste-
, rem in der Fortsetzung
/^ der Mittelrippe des Hinter-
■'««»■
V
y
^■h
\. ^.,
Abb. 45. Coenopldebia Archidona Hew.
flügels die des Vorder-
flügels auf und geht bis
in die vordere äußere
Spitze desselben. Etwa
in der Mitte der Haupt-
rippe der Vorderflügel
geht nach hinten und außen, gegen die äußere hintere Ecke der letzteren
ein Strich nach hinten ab wie eine Seitenblattrippe (11). Ein zweiter ebenso
gerichteter Strich geht ganz vorne von der Mittelrippe ab (I). Ein eben-
solcher dritter verläuft ziemlich parallel mit beiden etwa I cm vom
Außenrand der Hinterflügel auf diesen, am Vorderrande beginnend, eben-
falls nach hinten und außen, wiederum ähnlich einer Seitenblattrippe (116).
M St. Taf. 62.
Coenophlebia Archidona, ein umgekehrter Blatlschmetterling. 119
Denkt man sich den FaJter mit ausgebreiteten Flügeln auf den Rücken
gelegt, den Kopf nach unten gerichtet, so sind die Flügel einem Blatt mit
nach unten schauendem Stiel ähnlich: die Spitzen der Vorderflügel, in welche
hinein die Mittelrippe sich fortsetzt, stellen die Stiele dar, die Seitenrippen
sind jetzt nach aus- und vorwärts gerichtet wie bei einem Blatte und
wie bei der mit dem Kopfe nach aufwärts sitzenden Kallimu Iiiachis. Die
Ähnlichkeit mit einem dürren, feachtgelagerten Blatte wäre jetzt um so
srößer, als verschiedene unreeelmäßige Silberflecke darauf vorhanden
sind, welche vielleicht schimmelähnlich aussehen können, auch ist der
nach innen von der Mittelrippe gelegene Teil der Flügelfläche wiederum
einem verwitterten dürren Blatte nicht unähnlich, marmoriert.
Sitzt die Archidona aber in natürlicher Stellung mit zusammenge-
klappten, Flügeln, so stellt jeder der letzteren, von außen gesehen, ein
Blatt dar, dessen Stiel (die Vorderflügelspitze) nach oben und vorn,
dessen Seitenrippen nach unten und außen gerichtet sind. Auf Tafel 52,
Band III hat Hewitson den Falter in dieser Stellung abgebildet, und wir
haben denselben gleichfalls so dargestellt: in der Fortsetzung des Hinter-
leibs des Falters liegt die Spitze des Blattes, d. i. die stumpfe hintere
Spitze des Hinterflügels.
Coenophlebia Archidona wäre also darauf eingerichtet, ein Blatt
vorzutäuschen, wenn sie so säße, daß ihr nach oben ge-
richteter Blattstiel etwa an einen Zweig anstieße, als ob
das Blatt daran befestigt wäre.
Ob der Falter je diese Stellung einnehmen und wie oft er so den
Anforderungen vollkommener Anpassung, auf Grund deren er nach der
Mimicry-Theorie entstanden sein müßte, genügen wird?
Wie ist aber diese merkwürdige Blattbildung entstanden? Daß die
Mittelrippe auf den Vorderflügeln in ihrem vorderen Teile der Binde III ent-
spricht, kann keinem Zweifel unterliegen; ihr hinterer Teil entspricht wohl
auch hier der Binde IV. Ebenso ist deutlich, daß die zwei Seitenrippen
Stücken der Binde I bezw\ II entsprechen: das vordere der auf den Vorder-
flügeln gelegenen I, das hintere II. Letzteres ist offenbar hinten nach aus-,
vorn nach einwärts geschoben durch das sehr starke Breiten Wachstum
des hinteren Teils der Vorderflügel im Gebiete außerhalb der Mittelrippe.
Das auf den Hinterflügeln gelegene befindet sich nahezu in natürlicher
Lage, nur ist der zwischen ihm und dem Rande gelegene Flügelabschnitt
sehr in die Breite gewachsen.
Ist nun die unvollkommene Mittelrippe des Hinterflügels Binde IV
oder ist sie etwas anderes ? Dafür, daß sie die hinten nach einwärts ge-
schobene IV ist, scheint das Verhalten derselben Binde bei Änaea Pasi-
bule (Abb. 46) ') zu sprechen, denn IV ist hier nahezu so weit nach innen
geschoben wie bei Archidona und in beiden Fällen ist dieselbe starke Ver-
breiterung des Hinterflügels, d. h. dieselbe bogenförmige Ausziehung des-
selben nach außen vorhanden, im Gegensatz zu den daneben abgebildeten
1) St. Taf. 62.
120
Die Entstehung der Blattähnliclikcit liei Schmetterlingen.
Verwandten mit spitzen, schmäleren Hinterflügeln und mit in die Spitze
derselben eintretender Mittelrippe, z. B. Anaea opalitia (Abb. 47).
//
M
V.
n
I
Abb. 40. Anuca Pasibule Doüeld. Hkw.
Abb. 47. Auaeu opalina S. u. G.
Gegenüber dieser il/^aea o]ja//y?a, welche ein wirklicher Blattschmetter-
ling ist, macht die verwandte .1. Pasibule mit hinterer Rückbildung der
Binde IV, ohne alle wirklichen Seitenrippen und durch fast vollkommene
Einfarbigkeit durchaus wiederum den Eindruck eines Falters, der die
Blattähnlichkeit verloren hat.
Blattälmliche Schmetterlinge mit teilweise verkehrten Blattrippen.
IV
Abb. 48.
Zaretes Isidora Craji.
Wie schon hervorgehoben wurde, steht die Lage
und Richtung der Mittelrippe in Zusammenhang mit
der Form der Flügel, ist die Folge derselben. Das
Erste und Wichtigste zur Entstehung der Blattähnlich-
keit auch von Ai'chidona war also die Entstehung der
eigenartigen Flügelform. Dies zeigen die schon er-
wähnten ihr verw^andten Falter: Anaea Pasibule,
Anaea opali7ia\iiid Siderone (Zaretes) Isidora
(Abb. 48 . Anaea Pasibule hat schon eine, nahe von
der Vorderspitze des Vorderflügels nach hinten und
außen abgehende ; Seitenrippe < , d. i. es lagert sich
Binde I in der gegebenen Weise an die Mittelrippe
an — so nach der SiAUDiNGER'schen Abbildung^). An
dem mir vorliegenden Stück ist kaum etwas von Zeich-
nung vorhanden, was auf Seitenrippeu bezogen werden
1; St. Taf. 62.
Blattähnliche Schmetterlinge mit teilweise verkehrten Blattrippen. 121
könnte: Binde I und Spuren von Binden auf der inneren Seite der
Mittelrippe heben sich von der braunen Grundfarbe kaum ab.
Bei Zaretes Isidora rf aber, mit vorn aus Binde IV/III hergestellter
Mittelrippe, bilden Binde 1 und II auf den Vorderflügeln nach
rückwärts, III und II auf den Hinterflügeln aber nach vorwärts
gerichtete Andeutungen von Blattrippen. Ähnliches scheint nach der
von der Unterseite gegebenen Abbildung von Hewitson III. 53. 3) bei
der Morphide Aemona Amathusia vorzukommen, einem Falter, dessen
Binde IV III ähnlich wie bei Archidona^ nur hinten mehr gegen die
Flügelecke zu gerichtet, verläuft, dessen Flügel ferner ähnliche, wenn
auch oben nicht so sehr ausgezogene Blattform haben, der aber noch
eine Beihe von Augenflecken besitzt und auch der gelbroten Farbe seiner
Unterseite nach nichts weniger als blattähnlich erscheint.
Die Mittelrippe ist bei Isidora und Amathusia durch IV III hergestellt,
der vordere Teil von IV auf den Vorderflügeln geschwunden bis auf ein
kleines vorderes, dicht neben III gelegenes Stückchen. Dieser Rest von
IV ist ganz nach auswärts gedrängt durch sehr starkes Wachsen des
Zwischenrandes zwischen IV und V/VI im vorderen Teil des Flügels.
Dadurch wurden IV und V/VI sehr weit von einander entfernt und V VI
zugleich mit ihrem vorderen Teile nach innen geschoben. Letztere erscheint
als ein Stück seitlicher Blattrippe; ebenso bei Amathusia die darauf fol-
gende Binde (VIII IX?). Umgekehrt gerichtet, von vorn und außen und
hinten und innen, ist hier auch eine innere -Blattrippe« auf den Hinter-
flügeln vorhanden, welche ebenfalls Binde VIII IX entsprechen dürfte
und welche offenbar vorne nach auswärts gerückt ist infolge Wachsens
des inneren Teils des Vorderrandes der
Flügel.
Die auf derselben Tafel mit Archi-
dona bei Hewitson abgebildete Side-
rone Mars (unsere Abb. 49) hat nur
auf den Hinterflügeln und etwas dar-
über hinaus eine Art Mittelrippe, hinten
auch eine nach vor- (auf-; und auswärts
gerichtete äußere »Seitenrippe« (IF, ist
aber durch die bunte Farbe, bläulich ^,b. 49. sidcrone M.rs y^^,.,.
und rot, insbesondere durch ein rotes
Binnenfeld, trotz der beiderseits zugespitzten Flügelgestalt nichts weniger
als blattähnlich.
Die ebenda auf Taf. 51 Fig. 2 abgebildete Anaea [Paphia) Electra da-
gegen ist, ganz ähnlich der von uns abgebildeten Anaea Panariste (Abb. 36),
blattähnlich durch die graue, bezw. (Hinterflügel) gelbliche Farbe, die Blatt-
form, mit oberer stielartiger Spitze, wie bei Archidona, aber mit eigent-
licher Blattaderung nur auf den Hinterflügeln und zwar nach Art von
Inarhis mit nur drei äußeren nach vorn (oben; und außen gerichteten
Blattrippen.
So giebt es auch bei den Verwandten der Archidona verschiedene
122 Die Entstehung der Blattähnlichkeit hei Schmetterlingen.
Übergänge und Umbildungen untereinander und zu Archidoiia, aber es
sind wieder bestimmte Entwickelungsrichtungen für die Herstellung
derselben maßgebend gewesen und es giebt nach dem Mitgeteilten Falter,
welche geradezu die Eigenschaften entgegengesetzter Entwickelungs-
richtungen in Beziehung auf die Verhältnisse der Zeichnung und der
Blattgestalt haben, wie z. B. Anaea (Pap/ua) Electra vorne einen Blattstiel
der Gestalt der Flügel nach, hinten aber einen solchen auf Grund der
Zeichnung hat und wie bei Zaretes Isidora die Seitenrippen der Vorder-
flügel einem abwärts gerichteten , die der Hinterflügel aber einem auf-
rechten Blatt zugehören.
überall ist zu erkennen, daß die mehr oder weniger vollkommene
Blattähnlichkeit der Zeichnung der Unterseite von Schmetterlingen auf
ganz bestimmten Entwickelungsrichtungen beruht und daß sie auf die
von mir festgestellte Grundzeichnung überhaupt zurückzuführen ist.
Überall ist deutlich, daß eine gewisse Blattähnlichkeit auf diesem Wege
entstanden ist und nicht durch Zuchtwahl.
.le länger man sich nach Maßgabe der Thatsachen mit der Blatt-
ähnlichkeit beschäftigt, umsomehr wird man daran zweifeln, ob überhaupt
die Zuchtwahl eine Rolle bei ihrer Ausbildung auch nur dann gespielt
hat, nachdem einmal Ähnlichkeit mit einem Blatte in den allgemeinen
Zügen gegeben war, und umsomehr wird man Prüfung in allen einzelnen
Fällen selbst hochgradiger Blattähnlichkeit dahin verlangen, ob dem be-
treffenden Tiere im Leben durch dieselbe Schutz gewährt v^'ird.
Diese Vorsicht muß bestärkt werden durch die Thatsache, daß
zahlreiche Falter im Begriffe sind, die Blattähnlichkeit zu verlieren und
statt derselben zunächst auf den Vorderflügeln sogar bunte Farben an-
zunehmen, ja daß schon viele diese Umbildung in hohem Grade voll-
zogen haben.
Caerois Choriueus, ein Falter mit gauz verrückteu Blattrippeii.
Dieser zu den Satyriden gehörige Falter i) verdient eine besondere
Besprechung wegen der so sehr auffallenden Zeichnung der Unterseite
und der merkwürdigen Gestalt. Er schaut uns in seiner Verzerrung der
sonst der Blattähnlichkeit zu Grunde liegenden Verhältnisse an fast wie
eine Ironie auf die ganze so bestechende Annahme der Blattanpassung.
Die braune gerieselte Grundfarbe stimmt mit der eines dürren
Blattes. Auch weiße Fleckchen sind darauf, welche als Schimmelflecke
Eindruck machen können: einer im vorderen Flügelwinkel, drei im
hinteren. Sie sind, wie bei Inachis und Verwandten, oflenbar Reste der
Augenflecke der Binde III und unterrichten uns deshalb über die Be-
deutung der ihnen zunächst gelegenen, quer über die Flügelecken her-
überlaufenden Binden , welche man sonst geneigt sein könnte für II zu
halten: sie gehören III an.
1) Die Ahbildung (30) ist nach Staudinger Taf. 77 ausgeführt.
Caerois Chorineus. ein Falter mit ganz verrückten Blattrippen.
123
Auch die Gestalt des Blattes sieht sich an wie ein Scherz auf eine
Blattform: Die Vorderflügelecken sind ausgezogen, wie wenn sie eine
Blattspitze darstellen wollten, enden aber stumpf umgebogen, fast ein
bischen wie eine Schellenkappe. Die Hinterflügel haben, jener Spitze
entsesensesetzt, eine ordnungsmäßige hintere Blattspitze, aber dieselbe
ist ziemlich unbedeutend und stumpf, und die eigentliche Flügelspitze
wird hergestellt durch eine blattstielähnliche, aber nach der Seite ge-
richtete Fortsetzung der hinteren äußeren Flügelecke.
w
\^-
Abt). 5U. Caerois Chorineus HCcx.
Es sei nebenbei bemerkt, daß dieser äußere Hinterflügelfortsatz der
gewöhnlichen äußeren schwanzartigen Verlängerung der Hinterflügel ent-
spricht, wie sie oft neben einer inneren bei zahlreichen Nymphaliden,
Satyriden u.a. vorkommt, meist den eigentlichen Flügelschwanz bildend —
so auch den der Papilioniden.
Außer der so eigenartig auf Vorder- und Hinterflügeln verschobenen
Binde III sind noch Grundbinden als innere »Seitenrippen : vorhanden.
Das erste kurze Stück einer solchen nach einwärts von der vorderen III
entspricht wohl einem Rest von V VI; dann folgen zwei weitere stärker
erhaltene Grundbinden.
Die sonst so bedeutungsvolle Binde IV würde also fehlen — das
»Blatt« hat keine Mittelrippe.
Zu der gegebenen Deutung der Binden veranlaßt die Vergleichung
mit verwandten Faltern, wie sie auf derselben SxAUDiNGEu'schen Tafel
mit C. Chorineus abgebildet sind und welche Übergänge zu den gewöhn-
lichen Zeichnungs- und Gestaltverhältnissen der Flügel zeigen. Diese
Vergleichung läßt es auch möglich erscheinen, daß in der Binde, welche
124 '^'"^ Entsteluing der Blattähnlichkeit bei Schmetterlingen.
ich als III bezeichnet habe, IV mit inbegrifien ist. daß also beide ver-
schmolzen zu denken sind, denn die verwandten Formen: Pierella Hor-
tona, Antirrhaea Muren a und Pierella Dracontis zeigen eine immer größere
Annäherung von III und IV, so daß zuletzt das Mittelfeld fast vollkommen
geschwunden ist. Auch die allmähliche Verschiebung der Binde III, bezw.
in IV ist an diesen Faltern sehr schön ausgesprochen. Es handelt sich dabei
offenbar wiederum um die Folgen eigenartigen Wachsens der Flügel,
bezw. um hervorragendes Wachsen bestimmter Teile derselben, um das
Wachsen, welches eben die tjestalt der Flügel bedingt. Im vorliegenden
Falle ist die Verschiebung von III, bezw. III/IV auf den
Hinterflügeln, vorne nach außen, deutlich die Folge
eines sehr starken Wachstums des vorderen Randes
dieser Flügel zunächst einwärts von III. Und ebenso
beruht die Verschiebung von III der Vorderflügel in
der Richtung nach außen auf starkem Gewachsensein
des Hinterrandes der Vorderflügel im Gel)iete zunächst
nach einwärts von dieser Binde. Zugleich fand ein
starkes Wachsen beider Flügel nach außen von III
zur Gestaltung der Flügelspitzen statt.
Daß dies wirklich die Ursachen der Umbildung
sind, beweist die verwandte, auf derselben Tafel
bei Staudinger und in unserer Abb. 51 abgebildete
Cithaerits^iouta ke^v. Cithaerias polita, welche auf den Vorderflügeln und
auch auf den Hinterflügeln fast dieselben Zeichnungen
wie Caerois Chorineus hat — uns wohlbekannte Binden und entsprechend der
gewöhnlichen Flügelform in der gewöhnlichen ursprünglichen Anordnung.
Dolcschallia polibete, eiu bis zur Blattuuähulichkeit abäuderiider
Blattsclimetterliug.
Manche Blattschmetterlinge ändern in der Blattähnlichkeit sehr ab.
Es liegen mir zwei Stück Kallima Jnachis vor, von welchen das eine
dunkle braune Farbe und dunkle kräftige Zeichnung hat, während das
andere blaß, fahlgelb und fast ohne Blattrippenzeichnung ist. In letz-
terem Sinne ändern besonders auch die Arten der Gattung Änaea ab,
was offenbar als Rückbildung der Blattzeichnung aufzufassen ist.
Der hier behandelte Blattschmetterling bietet aber ein außerordent-
liches Beispiel von Abändern dar, wie die Äußerungen des Herrn Georg
Semper und die von ihm gegebenen Abbildungen beweisen, auf welche
ich mich berufe. G. Semper sagt von IJoleschallia polibete^): »während
die Unterseite der Flügel bei dieser Art so stark variiert, daß kaum zw ei
Exemplare sich völlig gleich sind, ist die Zeichnung der Oberseite fast
1) Georg Sempkk: Die Schmetterlinge der Philippinischen Inseln. I. Die Tagfalter.
Wiesbaden, Kreidel, 1886— -1892, S. ue. Taf. XXII.
Doleschallia poUbete, abändernder Blattschmetterling. 125
ohne jede Abweichung .... als Regel läßt sich nur sagen, daß bei den
(3f vorwiegend weiße Flecke vorhanden sind, während sie in der Regel
beim Q fehlen. «
Semper hat nicht weniger als 1126 Exemplare von allen philippi-
nischen Inseln, darunter über 900 von Gamiguin de Mindanao vor sich
gehabt. Er bildet acht Stück von der Unterseite ab , welche alle sehr
verschieden gefärbt sind und deren Zeichnung sehr verschieden ausge-
sprochen ist. Dieselben stammen alle von einer und derselben Örtlich-
keit, Camisuin de Mindanao.
Die Blattähnlichkeit der Doleschallia ist unvollkommen, weil die
»Mittelrippe« ausschließlich der Binde IV entspricht, also nicht in die
Blattspitze geht, sondern weit nach innen von ihr am Vorderflügelrand
endigt (Abb. 52), ja sie macht kurz vor diesem noch einen starken Haken
nach einwärts. Scharfe linienartige Seitenrippen sind nicht vorhanden, nur
einige verbreiterte Bindenschatten, welche besonders auf der äußeren
Hälfte der Hioterflügel Seitenrippen bei einem oder dem anderen der
abgebildeten Falter andeuten. Im übrigen wird die Blattähnlichkeit
durch mehr oder weniger unregelmäßige verschiedenartige Flecke und
durch Farbentinten aneedeutet. Sehr starke solche Fleckuns ändert aber
ab bis zu Einfarbigkeit und Übrigbleiben der Mittelblattrippe. Auch
die Farbe der Falter ist sehr verschieden und ebenso die Ausbildung
der Augenflecke.
Die abgebildeten Falter sind auf der Unterseite bald grünlich, bald
braun , bezw. gelbbraun. Einer ist außen grünlich, innen bis zur Mittel-
blattrippe schwärzlichbraun, einer darüber hinaus braun, im äußeren
Teil aber gelbbraun, beides scharf abgesetzt (vgl. unsere Abb. 53, 54;.
Die Augenflecke sind an Zahl sehr verschieden, auch im einzelnen
sehr verschieden ausgebildet: in Fig. 3 (unsere Abb. 52) zählt man deren
sieben auf dem Vorderflügel, fünf auf dem Hinterflügel: eine vollkommene
Reihe; in einem anderen Fall (Fig. 6, unsere Abb. 53) sieht man vorne nur
deren zw^ei, hinten drei, in einem weiteren (Fig. 8) sind ausgebildet nur
hinten zwei und davon einer schwach, vorne etwa drei kaum angedeutet.
Zuweilen ist die dunkle Binde IV nach außen durch eine weiße
Linie und diese wieder nach außen durch eine braunschwarze Schatten-
linie begrenzt (unsere Abb. 52). In einem Falle sind die zwei dunkeln
Linien vorhanden, die mittlere weiße fehlt. Die äußere dunkle Linie ent-
spricht der Binde III, welche sich nach hinten an IV anlegt — eine
zweite Mittelrippe !
Andeutungen von Seitenrippen sind also in einigen Fällen hinten
vorhanden, vorne nicht. Vorne sind nur im Binnenfeld Reste der Grund-
binden stark ausgeprägt.
Am größten ist die Verschiedenheit darin, daß auf dem Binnenteil
der Flügel in zwei Fällen große unregelmäßige weiße Flecke auftreten,
welche in den anderen fehlen (vgl. unsere Abbildung 52).
Die abgebildeten Stücke sind, wie Herr Semper sagt, allerdings die
am meisten abweichenden unter denen, welche ihm vorlagen. Aber
126
Die Entstehung der Blattähnlichkeit bei Schmetterlingen.
immerhin ist diese Abweichung eine sehr bedeutende. Alle Ver-
schiedenheiten sind aber wiederum au fStulen gesetzmäßige
U mb i 1 d u n g z u r ü c k z u f ii b r e n.
Fremd scheint auf den ersten Blick den von mir beschriebenen Ent-
wickelungsrichtungen nur die doppelte »Mittelrippe« zu sein, und das in
einem Falle abgebildete (Fig. 10, unsere Abb. 54) Übergreifen des dunkel-
braunen Binnenfeldes nach außen über die » Mittelrippe <' ; nach den Ab-
bildungen zu schließen handelt es sich aber sowohl in dieser äußern
Grenze des Binnenfeldes wie in der zweiten -Mittolrippe« um Binde III 'i.
Auch die zuweilen im Binnenfeld auftretenden großen weißen Flecke
(Abb. 52) sind uns nichts fremdes: sie entsprechen ganz genau den
Zwischenräumen zwischen einzelnen Grundbinden, und zwar
zwischen den Binden: 1) 1— II (A), 2) II— III (B), 3) III— IV (C), 4) IV—
V/VI ,D), 5) V/VI— VII JF), 6) IX— X (J). (Man vergleiche hierzu auch
die in Fig. 34 abgebildete DoleschalUa pratipa.)
Ob nun aber in den verschiedenen Umbildungen ein Fortschreiten
zu Blattähnlichkeit ausgesprochen ist oder eine Rückbildung derselben?
Ob die mehr grünen oder die mehr braunen Falter entsprechend ge-
färbtem Untergrund (Blättern) angepaßt sind? Ob die verschiedene Farbe
etwa bedingt worden ist durch den Einfluß der
Farbe der Umgebung auf die Pu])pe?
Was die Zeichnung angeht, so wird wohl zu
sagen sein, daß die meisten der verschiedenen
Abänderungen derselben eine gewisse Überein-
stimmung des Falters mit dem Aussehen dürrer
Blätter nicht stören. Aber dasselbe gilt für alle
anderen Schmetterlinge, welche dürre Blätter
nachahmen sollen, denn diese dürren Blätter sind
ja unter sich meist sehr verschieden.
Besonders hervorzuheben aber ist die That-
sache, daß einige der Abänderungen unseres
Falters derartige sind, daß dieselben gar
nicht als blattähnliche bezeichnet wer-
den können. Dies gilt z. B. für den von
Semper in Fig. 3 abgebildeten und von uns hier
wiedergegebenen Falter mit den großen weißen
Flecken (Abbildung 52), bei welchem zugleich die
Augenflecke in sehr ursprünglicher Ausbildung -vorhanden sind.
Wenn das Anpassungsbedürfnis der > Waldschmetter-
linge« ein so großes ist, daß dieselben ihre Blattähnlichkeit
x A
^
Abb. 52.
DoleschalUa polibete
Ceam. (5-
1) Das wäre eher ein »Schlagschatten« der Mittelrippe, als derjenige, welcher
nach A. Weismann (»Germinalselektion« S. U) bei Kallima Inachis und paralecta vor-
handen ist: er ist wenigstens durch eine dunkle Linie gebildet, aber er liegt bei
Aufrechtstellung der Flügel nicht nach unten, sondern nach oben; ebenso ist bei
Kallima eine Abschattierung in dieser Lage nach oben vorhanden, nach unten eine
helle Linie.
Doleschallia polibete, abändernder Blattschmetterling.
127
durch Auslese erlangt hal)en, warum ist diese Anpassung in
so vielen Fällen eine durchaus unvoUlvoramene; wie ist es dann
möglich, daß so verschiedene Varietäten einer und derselben
Art wie die der Doleschallia polibele untereinander leben,
darunter solche, deren Blattähnlichkeit eine so unvollkom-
mene ist; wie ist es möglich, daß in so vielen Fällen eine
Rückbildung derselben, sei es auf der ganzen Unterseite wie
bei Anaeen, sei es nur auf den Vorderflügeln stattgefunden
hat, wo, wie wir sehen, so häufig ein Fortschritt zur Ent-
stehung höherer Zeichnung und schöner Farben stattfindet?
Daß selbst bei Kailima eine solche Rückbildung thatsächlich statt-
gefunden hat, lehrt uns Kallima rumia.
Was Doleschallia polibele angeht, so dürfte der von uns abgebildete
Falter mit den großen weißen Flecken und mit der vollkommenen Augen-
fleckenreihe eine ursprüngliche Form darstellen, von welcher aus sich
n -,
ni
ni
II
B \ .
Abb. o.i. O
Doleschallia polibete.
Abb. 54. O
die übrigen, eiüfacher gefärl^teu gebildet haben. Wäre aber jenes große
Anpassungsbedürfnis vorhanden, so müßte diese Varietät aus den übrigen,
besser angepaßten längst ausgelesen, vernichtet sein.
Wir können also zunächst nur schließen, daß wir in dieser Dole-
schallia polibete eines jener Tiere vor uns haben, welche zur Zeit in
starkem Abändern begriffen sind und für deren Bestehen es durchaus
gleichgültig ist, ob sie mehr so oder so gezeichnet sind, ob sie der Um-
gebung mehr oder weniger ähnlich sehen.
Da wir aber andererseits bei der Verschiedenheit des Aussehens
dürrer Blätter auch für alle anderen Blattschmetterlinge voraussetzen
dürfen, daß sie bei erheblichem Abändern auf dürren Blättern geschützt
wären, so ist nicht abzusehen, weshalb bei den nicht ei'heblich ab-
ändernden Arten derselben gerade die bestüumte, bei ihnen zum Art-
merkmal gewordene Farbe und Zeichnung auf zwingenden, durch Auslese
gewordenen Eigenschaften beruhen soll.
Wäre Auslese für die Waldblattschmetterlinge maßgebend,
so müßten die verschiedensten der Verschiedenheit dürrer
Blätter entsprechenden Abänderungen von Farbe und Zeich-
nung bei denselben vorkommen, aber nur sie. Nun haben wir
128 D'6 Entstehung der Blattähnlichkeit bei Schmetterlingen.
aber von einem Augenzeugen gehört, daß gerade die ausgebildetsten
Blattschraetterlinge, Kailima Inachis und paralecta, sich gar nicht immer
auf dürren Blättern niederlassen, auf welchen sie fast unsichtbar sind,
sondern auch auf grünem Untergrund, von welchem sie schon von weitem
abstechen und wo sie auch Vögel kaum lange täuschen würden.
Es weisen vielmehr alle Thatsachen darauf hin, daß die Ähnlichkeit
der Unterseite der Blattschmetterhnge auf Entwickelungsrichtungen be-
ruht, welche zum Ausdruck kommen müssen, ohne daß Zuchtwahl
dieselben bestimmt ha])en könnte und ohne daß Zuchtwahl, auch nach-
dem eine gewisse Ähnlichkeit mit Blättern schon vorhanden war. die
weitere Ausbildung dieser Ähnlichkeit wohl auch nur begünstigt hat.
Daß solche blattähnliche Schmetterlinge durch ihr Aussehen, nach-
dem es einmal vorhanden ist, vor Verfolgung geschützt sein können, daß
sie somit angepaßt sein können, will ich keineswegs bestreiten.
Auch bestreite ich die Möglichkeit nicht, daß die Blattähnlichkeit
durch Auslese in einzelnen Fällen beeünstigt worden sein kann. Aber
es fehlt dafür jeder Beweis, so lange als nicht einmal bewiesen ist,
daß die in Frage kommenden Falter wirklich jenes Schutzes bedürfen,
und so lange nicht für die einzelnen Fälle sicher nachgewiesen ist, daß
sie diesen Schutz wirklich auch in ausgiebiger Weise in Anspruch nehmen.
Je länger ich mich mit der Entstehung der Blattähnlichkeit imd mit
deren Abänderungen abgegeben habe, um so mehr schwand vor meinen
Augen das poetische Bild des auf biologischer Grundlage nachgeahmten
Blattes, und machte der Überzeugung Platz, daß es sich in demselben viel-
mehr um den notwendigen Ausdruck von Entwickelungsrichtungen handle,
welche jedenfalls in ihrer Entstehung, aber wohl auch in ihrer weiteren
Ausbildung mit Nachahmung gar nichts zu thun haben, und noch mehr
W'urde ich in dieser nüchternen Auffassung bestärkt durch die im fol-
genden vorzuführenden Thatsachen, welche die unbedingte Herrschaft
der Orlhogenesis bei der gesamten Zeichnung der Tagfalter beweisen
und welche die Annahme schützender Verkleidung überhaupt
zweifelhaft machen, indem sie überall auf Ähnlichkeit nicht
durch Anpassung, sondern auf Grund von unabhängiger
Entwickelungsgleichheit, Homoeogeuesis, hinweisen.
In Anbetracht der so vollendeten Blattähnlichkeit mancher Blatt-
schmetterlinge fällt es schwer, sich von jener bestechenden Vorstellung
nützlicher Anpassung loszureißen, aber so lange als man nicht be-
weisen kann, daß die betreffenden Falter wirklich des Schutzes vor
Feinden bedürfen, so lange man nicht nachweist, daß ich Unrecht habe,
wenn ich aus allen bekannten Thatsachen schließen zu müssen glaube,
daß dies nicht der Fall ist schon deshalb, weil die Schmetterlinge ins-
besondere von Vögeln, welche hier allein wesentlich maßgebend sein
könnten, nur ganz ausnahmsweise verfolgt werden — so lange muß ich
die Auffassung der als nützliche Verkleidung durch Zuchtwahl entstan-
denen Blattähnlichkeit der Blattschmetterlinge zu meinem eigenen Be-
dauern für ein schönes Märchen erklären.
ly.
Die wichtigsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
Zeichnungs-Typen und Pseudo-Mimicry.
»Eines der größten Reclite und Befugnisse der
Natnr ist, dieselben Zwecke durch verscliiedene Mittel
erreichen zu können, dieselben Erscheinungen durch
mancherlei Bezüge zu veranlassen.«
Goethe.
A. Aufseufeld, Mittelfeld und Biuuenfeld als besondere Entwickelungs-
richtungen bei den Tagfaltern.
Bis dahin haben wir gesehen, daß zunächst bei den Nymphaliden,
zu welchen die wichtigsten Blattschmetterlinge gehören, die beiden Bin-
den III und IV in weiter Verbreitung, auch ohne daß irgend Blattähn-
lichkeit zu bestehen braucht, eine Längszeichnung vom hinteren Rande,
bezw. von der hinteren Spitze des Flügels zur vorderen bilden, oder
daß Binde IV allein eine solche Zeichnung zum Vorderrande der Vorder-
flügel herstellt. Es soll nun gezeigt werden, in wel-
chem Maße jene beiden Binden für die Zeichnung
der Tagfalter überhaupt durch Abgrenzung der drei
oben genannten Felder wichtig sind und welch' große
Bedeutung diesen Feldern zukommt.
Bei Limenitis Sibylla, welche ich aus be-
sonderen Gründen als erstes Beispiel nehme, haben
wir oben und unten als hervorragendste Zeichnung
ein weißes Band {m Abb. 55). Dasselbe ist auf der
Unterseite nach innen begrenzt durch Binde IV, nach
außen durch III; darauf, weiter nach außen, folgen
die zu schwarzen weißgekernten Flecken ums;ebildeten
Augenflecke, dann die in schwarze Flecke aufgelöste Abb. 55.
Binde II. Nach innen von IV folgen andere Grundbinden. Limenäis suyiu l.
Ebenso wird auf der Oberseite das weiße Band,
das Mittelfeld, durch Binde III außen, durch IV innen begrenzt (Abb. 75).
In der Vorderflügelecke finden sich unten und oben zwei oder drei
weiße Flecke, welche zwischen Binde II und III gelegen sind. Ein anderer
Eimer, Orthogenesis. 9
] 30 f^'*' liauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
kleiner weißer Fleck liegt weiter liiDten, nahe dem Rande, und entspricht
ebenfalls einem Rest des Zwischenraums zwischen Binde II und III (B;.
Endlich liegt nahe dem vorderen Flügelrande, einwärts vom vorderen
Ende des Mittelfeldes, oben zuweilen ein weißer Fleck, entsprechend
einem Reste des Zwischenraums zwischen V/VI und VII (F) ; unten ist
derselbe viel deutlicher, oben ist e« Artkennzeichen für L. CamiUa
und populi (Abb. 72).
Bei beiden letzteren Faltern ist das Mittelfeld auf den Vorderflügeln
mehr in Flecke aufgelöst, aber wie alle weiße Zeichnung nur beim Q
sehr ausgesprochen, beim rf zurückgetreten. Bei populi sind drei Flügel-
eckflecke vorhanden (B). Ähnlich sind die Verhältnisse bei Apatura Iris]
hier sind aber zwei hintere Randflecke der Vorderflüge] vorhanden,
und nach innen vom hinteren derselben entsteht ein Augenfleck, welcher
bei Ilia noch mehr entwickelt ist.
Das helle Mittelfeld ist eine bei Tagfaltern weit ver-
breitete, für das Aussehen ihrer Träger höchst auffallende
Eigenschaft.
Indessen ist dasselbe nicht immer durch die Binden III und IV begrenzt,
kann vielmehr nach außen oder innen verbreitert oder aber verlagert
sein, entweder auf das Gebiet von III beschränkt oder
Cjy^L, nach einwärts von IV gerückt. Bei den Nymphaliden
"^^ allerdings stellt IV meist die scharfe innere Grenze des
Mittelfeldes dar. Aber auch hier kommt es vor, daß
dasselbe zwischen Binde IV und V VI liegt, und zwar
ist dies der Fall bei Vanessa prorsa (Abb. 56), während
es bei Vanessa Canace aus Sikkim nur im Gebiete von
III liegt, bei anderen Vanessen, so bei Vanessa glauconia
Abb. 51.. g^^g Japan, zwischen III und IV; bei I'. Haronia aus
Yanessa prorsa h. '■ '
Ceylon aber nimmt es eine Mittelstellung zwischen den
beiden vorigen ein: es liegt hier noch im Gebiete von III, so daß es die
Augenflecke mit einschließt, und rückt nach einwärts vorn bis gegen,
hinten bis an IV heran (vgl. Abb. 81 — 83).
Nach innen von IV (bei den Papilioniden häufig erst nach innen von IX)
folgt dann als ebenso auffallende und gewöhnliche Zeichnung oft das dunkle,
durch Verschmelzung der inneren Binden (Abb. 43 bei B) entstandene:
Binnenfeld. Zuweilen ist es umgekehrt heller als der äußere Teil der
Flügel. Meist grenzt es nach außen an ein Mittelfeld. Es kann aber auch
vorhanden sein, wo dieses fehlt, dann, wenn es hell ist, und es grenzt
dann unmittelbar an das dunkle Außenfeld an (z. B. Megalura Coresia).
Das Außenfeld ist beim Vorhandensein eines 3Iittelfeldes in der
Regel gebildet durch die Binden I — III, und fallen in den Bereich dieser
auch die zu letzterer Binde in Beziehung stehenden Augenflecke, auch
andere Zier wie die blaue Randbinde der Schwalbenschwänze. Sehr
oft begreift das Außenfeld vorne auch die Binde IV in sich und wird
dadurch verbreitert. Aber es kann sich überhaupt nach einwärts ver-
breitern und so das Mittelfeld verdrängen. Die Entstehung eines
Außenfeld, Mittelfeld und Binnenfeld als besondere Entwickelungsrichtungen. 131
unbestimmt begrenzten
durch Verbreiterung des Außenfeldes
Verbreiterung
des Binnenfeldes zeigen
Längsstreifung,
hervorgegangen
Mittelfeldes
und allmähliche Entstehung ui
die Falter der Machaon- und der Aste-
r/a5-Gruppe. (Vgl. die nebenstehende
Abb. 57.)
Die Abteilung der Flügelzeichnung in
ein Außenfeld, Mittelfeld und Bin-
nenfeld ist auch auf der Oberseite der
Flüsjel eine verhältnismäßig ursprüng-
liche Entwickelungsrichtung ; denn sie
hängt zusammen mit der ursprünglichen
indem sie aus derselben
ist. Deshalb auch ist
auf der Unterseite, wo sich die Grund-
binden am längsten erhalten, die Ab-
grenzung eines Mittelfeldes durch be-
stimmte Binden oft am reinsten aus-
gesprochen.
Auf der Oberseite aber tritt das
Mittelfeld durch die größere Einheitlich-
keit von Binnen- und Außenfeld meist
schärfer hervor. Diese Einheitlichkeit
ist die Folge der Entstehung von Binnen-
und Außenfeld durch teilweise oder vollkommene Verschmelzung der ur-
sprünglich an ihrer Stelle gelegenen Grundbinden.
Am seltensten findet sich ein Mittelfeld bei Pieriden Abb. 76, 77' und
Hesperiden, am häufigsten bei den in Beziehung auf die Zeichnung so
ursprünglichen Papilioniden, häufig aber auch bei den (ebenfalls zuweilen
noch längsgestreiften) Nymphaliden, Eryciniden, Lycaeniden, auch bei
Satyriden; sogar bei Morphiden und Brassoliden kann es erhalten sein,
und selbst bei Danaiden kommt es vor (vgl. hierzu u. a. Abb. 62 — 69).
Bei vielen Papilioniden ist noch kein fertiges Binnenfeld vorhan-
den: es fehlt noch ganz bei den einfachsten, längsgestreiften Segelfaltern.
Bei den höheren, wie Philolaiis^ Antheus, Rhesus^ ferner Sino7i, Celadon^)
u. a. sind die inneren, dasselbe herstellenden Bindenstücke noch nicht
verschmolzen. Geschlossen ist es dann bei Sarpedon [Anthedon] u. a.^).
In diesen Fällen hat es eine eigentümliche, etwas nach außen sichel-
förmig) gebogene Gestalt, was mit der Form der geschweift-zugespitzten
Vorderflügel zusammenhängt. Ich nenne diese Art von Mittelfeld, welche
pseudo-mimetisch z. B. bei Limenitis Daraxa (Abb. 59) vorkommt, den Sa7'-
pedon-Hectorides-Daraxa-TYV^^j ^i^ ^^^ Limenitis Sibylla geschil-
derte, zusamt der noch zu beschreibenden Schrägfleckzeichnung, welche
Abb. 57. Papilio Bairdii Edw. (5
1) Vergl. Taf. IV und III meiner
falterähnlichen Schmetterlingen«.
2, St. Taf. 6.
• Artbildung und Verwandtschaft bei den segel-
J32 I^ic hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
sehr viel, z. B. auch von Vanessen, so von V. prorsa, wenn auch hier nur
äußerlich ähnlich, wiederholt wird, den 8/6y//^a-pror5a-Typus.
Das Mittelfeld kann nicht nur bei einer Art vorn und hinten, es kann
auch bei verschiedenen Arten derselben Gattung, ja bei den zwei Ge-
schlechtern einer und dersel])en Art verschieden gebildet sein, wie
dies eben bei Limeiiitis Sibylla, Camilla^ populi einerseits und Vanessa
prorsa andererseits der Fall ist.
Precis All drein ia ja ^) bietet uns eine Verschiedenheit der Ge-
schlechter, welche mit durch solches Verhalten des Mittelfeldes ausgesprochen
ist. Es ist hier der Mann, welcher in der Ausbildung des hellen Mittel-
feldes vorangegangen ist, aber nur auf der Oberseite. Das Weib zeigt
beiderseits nichts davon. Wir haben an diesem Falter drei verschiedene
Entwickelungsrichtungen, bezw. drei genepistatische Stufen der Entwicke-
lung vor Augen: 1. Die Unterseite beider Geschlechter ist braun mit
einer ziemlich ursprünglichen Zeichnung, beim (^ (Abb. 42) mit einer
Hinneigung zur Bildung eines dunkleren Binnenfeldes und mit einem etwas
größeren Zwischenraum zwischen III und II als beim Q (bei beiden ist
auch Binde I kräftig ausgebildet). 2. Auf der Oberseite ist beim O ein
ausgesprochenes dunkles Binnenfeld vorhanden. 3. Beim (;f ist dieses
Binnenfeld oben ebenfalls vorhanden, aber ein weißes Mittelfeld zwischen
der äußeren Begrenzung desselben (IV) und der Binde II.
Bei Cynthia Moluccariim^) z. B. ist umgekehrt beim Q das Mittelfeld
stärker ausgebildet und zwar beiderseits.
Das helle Mittelfeld zeigt scharf ausgeprägt auch: Rhinopalpa Sa-
hina (Abb. 43), ferner zeigt einen Rest davon Napeocles jucunda^)
— einen Rest, denn wenn das Mittelfeld auch in zahlreichen Fällen be-
stimmt begrenzt ist, so schwindet es ja in anderen doch allmählich durch
Vordringen der dunkeln Färbung von innen oder von außen oder von
beiden Seiten her, bis die Falter zuletzt düster einfarbig oder
schwarz werden, wie ich das bei Segelfaltern und Schwalbenschwänzen
beschrieben und abgebildet habe (vergl. auch vorn S. 35 ff . .
Sehr häufig ist die Begrenzung des Mittelfeldes nach beiden Seiten,
besonders aber nach innen, sehr scharf. Die Beispiele dieser Art bei
Nymphaliden, Satyriden, Eryciniden, Lycaeniden u. a. sind eben so zahl-
reich wie dem allgemeinen Aussehen nach bekannt.
In den meisten Fällen spielen auch hier die Binden III und IV eine
ganz hervorragende Rolle für die Zeichnung der Falter.
Unter den Nymphaliden liegt z. B. das Mittelfeld zwischen III und V/VI bei
Messaras Lampetia*), Charaxes Athamas^); vorne zwischen IV und V/VI, hinten zwi-
schen III und V/VI bei Anartia Amalthea; zwischen IV und IX (?) bei Victorina
Steneles <5f>), welche dadurch papilionidenähnlich wird, ebenso bei V. Sulpitia (5,
während bei Victorina Epaphus auf den Hinterflügeln ein helles Band liegt, entspre-
chend dem Zwischenraum zwischen II und III, über die Vorderflügel aber ein
ebensolches Band schräg herüberläuft, welches einer der verschiedenen, noch zu
1; St. Taf. 38. 2j St. Taf. 3Ö. 3) St. Taf. 38.
*) St. Taf. 36. 5) St. Taf. 59. 6) St. Taf. 46.
Außenfeld, Mittelfeld und Binnenfeld als besondere Enhvickelungsrichtungen. 133
behandelnden Eckllügelzeichnungen zugehört — also hat das ganze Band mit dem
Mittelfelde nichts zu thun. In solchen Fällen muß man sich fragen, ob die betretlen-
den Falter überhaupt einem und demselben Genus angehören, wenn auch bei sicher
zusammengehörenden Arten sehr große Verschiedenheiten als Ausdruck von Halmato-
genesis, bezw. kaleidoskopischer Umbildung vorkommen.
Sehr verschieden sieht die Zeichnung auf Grund des Verhaltens des Mittelfeldes
aber aus bei den offenbar unmittelbar verwandten Eurytela Hiarbas (5 und E. ful-
gurata (5 ^), indem dieselbe bei ersterer zwischen Binde II und III liegt, bei letzterer
nach innen von III bis IX verschoben ist.
Unter den Satyriden sind von Formen mit einem zwischen III
und IV gelegenen Mittelfeld besonders Hipparchien zu nennen. Zu-
weilen ist dasselbe hier über III nach außen gerückt, sodaß im Mittel-
felde Augenflecke liegen.
Wir haben gesehen, daß das Mittelfeld bei unseren Limenitis zwischen
Binde III und IV gelegen ist. Es giebt nun Argymiis-krien, welche in
Färbung und Zeichnung unseren Limenitis sehr ähnlich sind, so die
schwarze weibliche Argynnis Sagana aus China Abb. 73). Dieselbe hat
auf der Oberseite in schwarzer Grundfarbe fast ganz die w^eiße Zeichnung
von Limenitis Sibylla, Camilla und besonders popidi und steht in der Größe
zwischen letzterer und ersteren mitten inne. Auch die Flügelform ist
der von populi ähnlich. Von Sibylla unterscheidet Argrjnnis Sagana Q der
große weiße Fleck in der Mittelzolle, der bei Sibylla fehlt oder klein ist,
bei Camilla auffallend ausgesprochen, bei populi aber fast so groß ist wie
bei Sagana.
I JT
AT)b. 58. Tacliyris Zariudu Büisd. C
Abi). 59. Linunitis Daraxa Doubl. Hew.
Die größte Ähnlichkeit mit Limenitis populi und Argynnis Sagana Q
hat wiederum Tachyris Zarinda aus Gelebes (Abb. 58). Würden diese
Falter zusammen leben, und wäre einer derselben ungenießbar, so wäre
'J St. Taf. 39.
J 34 Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
für die Mimicryschwärmer ein herrlicher Fall von durch Zuchtwahl ent-
standener Verkleidung gegeben. Es handelt sich aber in der Ähnlichkeit
hier wie in tausend anderen Fällen offenbar einfach um unabhängige Ent-
wickelungsgleichheit (Homoeogenesis).
Es giebt andere Limenitis^ bei welchen das Mittelfeld nicht zwischen
Binde III und IV, sondern zwischen IV und IX liegt. So bei der schwarzen
Limenüis Daraxa vom Himalaja (Abb. 59). Bei diesem Falter ist dadurch
die größte Ähnlichkeit mit manchen Papilioniden gegeben : z. B. mit Papilio
Sarpedon {Änt/iedon), Jason (Evemon)^) aus Ostindien, um so mehr, als das
Mittelfeld wie dort grünlich ist, nur ist Daraxa kleiner als diese Falter.
Auch hier haben wir Homoeogenesis ohne Beweis für Mimicry, ja ohne
Zusammenleben; vielleicht kommt Daraxa mit einem Sarpedon zusammen
vor, aber weder diese beiden noch Jason sind durch Ungenießbarkeit
geschützt.
Auch bei Limenites Zayla (Abi), 66) vom Himalaja liegt das Mittelfeld
zwischen Binde IV und IX.
Es wurde von Seiten des » Selektionsfanatikers < 2) Herrn Aigust
Weismann neuerdings Vanessa prorsa »fiktiver«, d.i. eingebildeter Weise
in mimetische Beziehung zu Limenüis Sibylla gebracht. Schon die ver-
schiedene Größe beider Falter schließt solche Beziehungen vollkommen
aus, ebenso die verschiedene Flugweise, abgesehen davon, daß beide
vielleicht kaum zusammen fliegen, und daß Sibylla, welche die nach-
geahmte Form sein soll, wie die Limenitis überhaupt gar nicht geschützt
ist. Die ganze Vorstellung des Herrn Wf.ismann ist also in der That
vollkommene Einbildung.
Dagegen ist die Ähnlichkeit der Zeichnung zwischen Sibylla und prorsa
eine ziemlich ausgesprochene. Viel ähnlicher sind aber der Limenitis
Sibylla wieder Fanessa -Arten, welche gar nicht mit derselben in einem
Lande leben, ähnlicher schon wegen der bedeutenderen Größe, so
Vanessa prorsoides von Assam und Vanessa fallax aus Japan; die letztere
ist allerdings nur wenig größer als V. prorsa, dagegen ist die erstere
erheblich größer.
Herr M. Standfuss sagt in Beziehung auf jene »Fiction«:
»Die Möglichkeit« — (der Mimicry) — »ist aber aus mehr als einem
Grunde unmöglich. Zuerst und vor allen Dingen ist Lim. Sibylla L.,
welche nachgeahmt sein soll, überhaupt nicht geschützt, da sie von
unseren sämtlichen gemeinen, insektenfressenden Vögeln: Turdus-, Ridi-
cilla-, Sylvia -S\)ecies etc. sehr gern verzehrt wird, und bezüglich der
Eidechsen, deren Verhalten der Art gegenüber ich nicht kenne, hätte
man wohl ausschließlich mit der Unterseite zu rechnen, die doch wohl
kaum noch als mimetisch gelten kann.«
»Weiter dann: ich weiß aus Erfahrung, daß ich selbst auf eine sehr
bedeutende Entfernung jede Lim. Sibylla, die doch sehr erheblich größer
ist und andere Flugmanieren und Gewohnheiten hat als Van. prorsa,
ij St. Taf. 6. 2 Vgl. A. Weisma>'n: Zool. Jahrb. Abt. f. Syst. VIIl, S. 668.
Außenfeld, Mittelfeld und Binnenfeld als besondere Entwickelungsrichtungen. 135
sicher von letzterer zu unterscheiden vermag. Herr Professor Weismann
stellt unserer Vogelwelt aber ein schlechtes und ungerechtes Zeugnis aus,
wenn er deren Beobachtungsgabe hinsichtlich ihrer Nahrungsobjekte unter
die Durchschnittsleistungsfähigkeit des Menschen stellt. < >)
Die Flügeleckzeichnung der V. prorsa hat denselben Ursprung wie
die unserer Limenüis, besteht aber aus mehr Flecken. Das weiße Mittel-
feld liegt bei prorsa etwas w-eiter nach innen und entspricht nicht wie
bei unseren Limenitis dem Zwischenraum zwischen Binde III und IV,
sondern dem Zwischenraum zwischen IV und V/VI. Es ist dasselbe
entstanden aus einem schon bei V. levana in der Grundfarbe teilweise
vorhandenen Zwischenraum zwischen diesen beiden Binden. Ich werde
auf die Entstehung der prorsa-Zeichnung später näher eingehen.
Bei Jimonia orithya und Lavinia (Abb. 60),
welche den Vanessa ganz nahe stehen, ist das ^i-i
Mittelfeld auf der Unterseite z. B. ebenfalls zwischen
IV und V VI gelesen. Bei unserem Distelfalter
Vanessa cardui (Abb. 70) befindet sich auf dem hin-
teren Teil der VorderQügel und auf dem vorderen
der Hinterflügel hinter dem Bindenstück I V/V VI ein
Zwischenraum in der Grundfarbe, welcher dem
Mittelfeld entspricht. \\'\'~- >iflN! n
Aber auch bei Limenitis kommt ein weißes V\\ N -^/fN^y
Mittelfeld zwischen IV und V/VI vor, nämlich bei ^-Nr • '''
der von Staudinger^) abgebildeten ostindischen L. mV- • /
Procris. Wir haben also bei Limenitis wiederum
den Fall, daß bei Arten derselben Gattung ein au. eo.
p 1 • 1 ITT • 1 M 1 X m-ti. ir 1 1 Junonia Lavinia Ceam.
auf verschiedene Weise gebildetes Mittelield vor-
kommen kann.
Eine der vorhin berührten Gattungen bietet nun auch wieder den
Fall, daß Falter, welche weeen ihrer Ähnlichkeit mit anderen für mime-
tisch angesprochen werden könnten, diese Ähnlichkeit nur in einem
Geschlechte aufweisen. Denn der Mann von Argynnis Sagana ist nicht
entfernt Z/me/^/^/^-ähnlich wie das W^eib, sondern zeigt den gewöhnlichen
Argynnis-TyP'^^ i^it gelber Grundfarbe.
Wir sehen aus den mitgeteilten Thatsachen, wie mit verschie-
denen Mitteln auf verschiedenen Wegen ähnliche Zeichnung
erzielt werden kann. Die Fälle, in denen dies geschieht, sind zu
unterscheiden von den anderen, gewöhnlicheren, in welchen bei nicht
verwandten Formen Ähnlichkeit auf Grund derselben Entwickelungs-
richtungen entsteht. Nur im letzteren Falle haben wir Entwickelungs-
gleichheit, Homoeogenesis, im ersteren, also bei Vanessa prorsa und
Limenitis Sibylla, haben wir nur Zeichnungsähnlichkeit, entstanden auf
1) Standfuss, Handbuch der paläarktischen Groß-Schmetterlinge. 2. Aufl. Jena
1896. S. 294, 295.
2) St. Taf. 50.
136 Die hauplsüchlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
verschiedenen Entwickelungswegen: Heterhodogenesis^), wie man viel-
leicht zum Unterschiede von Homoeogenesis wird sasien dürfen.
Hervorragend bemerkenswert ist aber, daß auch das Mittelfeld,
ebenso wie alle anderen Zeichnungen, stets durch bestimmte Grund-
binden, bezw^ deren Verbreiterung begrenzt wird, mögen es in einem
Falle diese, in einem anderen jene Binden sein. Und ferner, daß so-
wohl bei verwandten Arten als auch bei den zwei Geschlech-
tern einer und derselben Art Verschiedenheit, bei nicht
verwandten Arten aber Ähnlichkeit der Zeichnung nicht
nur durch Verschiebung jener Grenz en, sondern sogar durch
Verlegung in einen anderen Rahmen auftreten kann, alles
zugleich auf Grund, bezw. verbunden mit kaleidoskopischer Um-
bildung, bei Vanessa prorsa aber zugleich durch Halmatogenesis:
hier ist es die Wärme, welche die ganze Umbildung verursacht.
Bezüglich des Verhaltens des Mittelfeldes bei beiden Geschlechten einer und der-
selben Art sei noch bemerkt, daß dasselbe z. B. vorhanden ist beim 5 von Euriades
Duponchelii-) (Papilioniden) , während es beim Q fehlt. Bei der Pieride Callosune
cinerascens^j hat dagegen das Q ein Mittelfeld, das ^ nicht.
Unter den Nymphaliden hat das (5 von Precis Andremiaja^, ein Mittelfeld, das
Q. nicht; bei Euthalia Monina hat nur das $ ein Mittelfeldö;, bei Apatura Laurentia^)
ist es beim (5 viel bi'eiter. Bei Apatura Parisatis^, hat das (5 kein Mittelfeld, wohl
aber das Q. Bei Cymothoe Caenis") hat das Q. oben ein schmales helles Mittelfeld,
beim (5 ist fast die ganze Oberseite hell; auch die Unterseite hat bei beiden verschie-
dene Mittelfelder.
Unter den Morphiden hat z. B. bei Morpho Adonis das (5 kein Mittelfeld, da-
gegen das Q .
Unter den Satyriden ist besonders bemerkenswert Zethera pimplea^), deren (5
ein breites weißes Mittelfeld bei übrigens schwarzer Färbung hat Abb. 68), während
das Q durch Schwarzfärbung der Adern jene Art Querstreifang aufweist, welche auch
bei Danaiden, Pieriden und Nymphaliden vorkommt. Der Zeichnung und Färbung des (^
sind dagegen sehr ähnlich die Nymphaliden Pyrrhogyra Amphira^) aus Süd-Amerika
und Papilio Cynorta^o, aus Afrika, während Zethera pimplea auf den Philippinen lebt,
also sehr merkwürdige Fälle von sogenannter Mimicry — in Wahrheit Beispiele für
Homoeogenesis.
Auch bei Eryciniden wären verschiedene Fälle von Vorkommen des Mittelfeldes
bei einem, Fehlen desselben beim anderen Geschlecht zu erwähnen, oder von Ver-
schiedenheit desselben in beiden Geschlechtern. Bei Eiiselasia Arbas^^j ist nur das Q
mit Mittelfeld, ])ei Mesosemia Loruhama i-) nur das £ , das (J mit Querband zwischen
IV und V/VI versehen.
Ganz entsprechende Verschiedenartigkeit und Gleichartigkeit der
Entstehung: Heterhodogeuesis und Homoeogenesis bedingen nun
auch die Ähnlichkeit zahlreicher Tagfalter in Beziehung auf
andere Zeichnung, insbesondere durch Bildung von Bändern. Wir
schildern im Folgenden die wesentlichsten dieser Umbildungen und damit
die wichtigsten Mimicry vortäuschenden Z eich nun gs typen.
1) Von ETspo; verschieden, &o6; Weg und ibiz'zic, Entwickelung.
2) St. Taf. 14. 3) St. Taf. 23. *) St. Taf. 38. 5) St. Taf. 53.
6) St. Taf. 53. 7) St. Taf. 52. 8) St. Taf. 79. 9) St. Taf. 44.
10) St. Taf. 6. ") St. Taf. 87. 12) St. Taf. 88.
1) Sarpedon-Hectorides-Daraxa- oder Mittelfeld-Typus.
137
1) Sarpedon-Hectorides-Daraxa- oder Mittelfeld-Typus.
Derselbe ist als ursprünglicher Typus am reichsten vertreten bei
den Papilioniden, in Amerika meist mit weißem und gelbem, in In-
dien und Afrika mit grünem, in Afrika auch mit gelbem Mittelfeld.
Weiß und gelb sind unter den amerikanischen als ungenießbar an-
gegebenen Aristolochienfaltern, wie Pap. Bunichus und Agavus (Abb. 61]
aus Brasilien, sodann zu den Seglern ge-
stellte ganz ähnliche Falter wie P. Lysithous,
Ilectorides^], /Isms ebendaher, welche als Nach-
ahmer der vorigen angesehen werden. Die
Ähnlichkeit beruht wesentlich mit auf der roten
Fleckenrandbinde der Hinterflügel, welche aber
bei Hedorides (J^ im Gegensatz zum Q nur
durch einige nach innen von einer gelben
Fleckenrandbinde gelegene rote Flecke spär-
lichen Ersatz tiudet.
Bei E. Haase sind auf Tafel 1 0 P. Hedorides,
Bunidms und Lysithous unter den hierher ge-
hörenden Faltern als mimetisch abgebildet.
Ein hochgelbes Mittelfeld hat eine beson-
dere amerikanische Untergruppe, vertreten durch
den cubanischen P. Andraenion, ferner P. Thoas
von Mexiko bis Brasilien (Abb. 62, 63) und dessen
Abart P. Cyniras-), sodann P. Thrason aus Neu-
Granada. Bei den drei letzteren hat sich das Mittel-
feld hinten sehr nach einwärts gestellt. Wenn die Flügel so ausgebreitet
sind, daß dasselbe auf den Vorder- und auf den Hinterflügeln ein zu-
Ablj. 61. Papilio Agavus Di;u. ^
sammenhängendes Band
bildet, so verläuft es zuweilen fast
quer von
einer Flügelspitze zur andern, so daß die Mittelfelder beider Seiten in
der Mitte nur einen weit offenen stumpfen Winkel nach vorn bilden.
Bei Stücken, an welchen dies am meisten ausgebildet ist, sind auch
die Flügel am meisten schmal und lang ausgezogen, schwalbenartig, d. i.
ähnlich wie die Flügel z. B. einer Rauchschwalbe (Abb. 62). In derselben
Art Thoas giebt es Falter, welche sich hierin sehr verschieden verhalten,
indem bei manchen die Flügel kürzer sind , wobei dann eben das
Mittelfeld zugleich mehr von hinten nach vorne, weniger nach außen ge-
richtet ist (Abb. 63). In beiden Fällen erstreckt sich das Mittelfeld nur noch
auf einen kleinen Teil der Hinterflügel, nämlich schräg über den inneren
oberen Winkel derselben; im zweiten Falle aber nimmt es doch noch
mehr Raum auf dem Hinterflüeel nach hinten ein. So gleichen diese
1) Hedorides (5 hat noch ein vollkommenes, auch auf den Hinterflügeln bis zum
Hinterrand reichendes Mittelfeld, das Q dagegen ist vorgeschritten, ganz ähnlich dem
Agavus.
-I Staud. Taf. 11.
abgebildeten P
138 Die hauptsächlichsten Entwiclielungsrichtungen der Tagfalter.
Abb. 02. Papilio Tkoas L. aus Surinam.
Abb. 63. Papilio Tlioas L. aus Neu-Graiiaila.
1) Sarpedon-Hectorides-Daraxa- oder Mittelfeld-Typus. 139
letzteren Falter in Allem, in Gestalt und Zeichnung, mehr dem gewöhn-
lichen Typus der Segelfalter und Schwalbenschwänze, und zwar sind es
unter den mir vorliegenden vorzüglich Stücke aus Neu-Granada, welche
dies thun, während die aus Mexiko jene lang ausgezogenen Flügel und
das nahezu quergestellte gelbe Mittelfeld haben.
Es ist auch hier wieder die Gestalt der Flügel, das Gewachsen-
sein derselben nach bestimmten Richtungen hin, was die Gestaltung und
das Aussehen der Zeichnung bestimmt, wie dies übrigens z. B. auch bei
P. Ihctoviiles gegenüber seinen Verwandten zu beobachten ist, indem bei
ihm die Flügel länger ausgezogen sind und das Mittelfeld entsprechend
verlängert ist.
Grün ist unter Amerikanern das Mittelfeld des von den vorigen in
der Gestaltung des vorderen Teiles derselben etwas abweichenden
P. Sinon aus Jamaika ^j.
Grün ist dasselbe sodann bei P. Policenes, Antheus aus Westafrika
und Evomhar aus Madagaskar"^), dann bei Sarpedon in Indien, dessen
Abart Anthedon von dem Molukken bei Staudinger 3) abgebildet ist; end-
lich bei dem afrikanischen P. Nireus'^). Hinten breiteres grünes Mittel-
feld hat P. PJwrcas aus Afrika, P. Bromius ebendaher ein breites in
bläulicher Farbe, der kleinere P. Latreillianus ebendaher ein grünlich-
gelbes. Gelb ist das Mittelfeld unter den Afrikanern bei P. Demoleus,
P. Menestheus u. a.
Es ist bei diesen Faltern offenbar eine Beziehung zwischen den
Farben Weiß, Gelb und Grün gegeben. Die Grundfarben Weiß und Gelb
herrschen überhaupt bei den ursprünglicher gezeichneten Pa-
pilioniden^i noch vor, erst bei den vorgeschritteneren tritt
Grünfärbung des Mittelfeldes auf — Blaufärbung ist, wie aus Spä-
terem folgen wird, ein weiterer Fortschritt.
Es giebt nur eine Danaide, welche manchen unter den behandelten
Papilioniden annähernd ähnlich ist durch die Gestalt und Farlje des
grünlich-gelben Mittelfeldes, durch jene aber nur auf den Vorderflügeln:
Ideopsis chloris von den Nord-Molukken^). An ihrem Wohnort kennen
wir keinen ähnlich gezeichneten und gefärbten Papilio.
Abgesehen von den Aristolochien-Faltern, deren Ungenießbarkeit gleich-
falls zweifelhaft ist, sind überhaupt keine ungenießbaren Papilioniden
bekannt"), jedenfalls nicht solche mit der Mittelfeldzeichnung. Eben-
sowenig sind unseres Wissens Falter aus anderen Familien geschützt,
welche jenen Papilioniden und unter sich oft im auffallendsten Maße
1) Vergl. »meine Artbildung« u. s. w. Taf. III. Fig. II.
2) Vergl. ebenda Taf. IV. Fig. 2, 3, 4.
3) St. Taf. 6. 4) St. Taf. 7.
5) Vergl. »meine Artbildung« u. s. w. I. S. 2.32 — 238.
6) St. Taf. 24.
") Die weißen amerikanischen Segelfalter: Agesilaus u. s. w. werden nach Hahnel
a. 0. S. 161 wegen ihres scharfen Geruchs von Hühnern verschmäht.
140 ^^^ hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
ähnlich sind und welche noch dazu meist ganz verschiedene Heimat
haben, so daß jede biologische Beziehung unter ihnen schon deshalb
vollkommen ausgeschlossen ist.
Solche pseudomimetische Formen sind z. B. : die Nymphalide
Limenitis Daraxa (Abb. 64), ein Falter etwa von der Größe der L. Sibylla,
also erheblich kleiner als die meisten anderen Arten des Tj^us. Daraxa
ist schwarz, ihr Mittelfeld weiß mit grünlichem Anflug. Heimath:
Himalaya. Ebenso gezeichnet, auch von ähnlicher Gestalt, mit weißem Mittel-
feld, aber viel größer ist die Nymphalide Charaxes Brutus (Abb. 65; aus
Süd- und Westafrika; ähnlich Limenitis Dudii^) aus Nord-Indien, nur
mit einigen Punkten in den Vorderflügelecken, welche wegen ihrer
Richtung nach vor- und auswärts eigenartig sind. Sie lebt mit Daraxa
in Darjeling, ist aber viel größer.
Charaxes Brutus hat in der schwarzen Farbe etwas bläulichen
Schiller. Dieser Schiller ist in der Mitte des Schwarz stärker ausgebildet
bei der ihm in Farbe und Zeichnung sehr ähnlichen auch ebenso großen
Brassolide Dasyophthalma rusina, aus Süd-Brasilien. Beide Arten wür-
den, wenn sie zusammen lebten und wenn die eine von ihnen
geschützt wäre, ein prachtvolles Beispiel für Mimicry abgeben.
So sind sie ebenso schöne Beispiele für Pseudo- Mimicry, wie die fol-
genden.
Ein prachtvolles solches Beispiel geben ferner die Nymphaliden
Limenitis Zayla (Abb. 66) aus Sikkim, Adelpha Erotia (Abb. 67)2) ^us Ost-
Südamerika und Apatura Lukasii aus Südamerika. Alle drei sind braun
[Erotia mehr braunschwarz^ mit auf den Hinterflügeln weißem, auf den
Vorderflügeln gelbbraunem Mittelfeld. Bei Erotia ragt vorn in das Mittel-
feld ein dunkler Fleck* III, IV) herein, bei Lukasii verengert dasselbe ein
entsprechendes Bindenstück Va^iessa- bezw. Apatura-artig'^), was aber die
große Ähnlichkeit mit Zayla nicht beeinträchtigt, nur ist letztere viel
größer als die beiden anderen, etwas größer als Limenitis populi.
Eine sehr große Ähnlichkeit, auch in Größe und Flügelform, haben
die gleichfalls braunen Nymphaliden Rhinopalpa Sabina aus Java und
Palla Decius Q von der Goldküste: leisten beide zusammen und wäre die
eine geschützt, so hätte Herr Erich Haase sie als überzeugenden Beweis
für Verkleidung aufstellen und abbilden können. Beide haben ein scharf
abgesetztes schwarzbraunes Binnenfeld, dann folgt ein gelbbraunes Mittel-
feld, welches bei Decius innen heller ist als bei Sabina, was aber bei
der übrigen Ähnlichkeit die Übereinstimmung nicht sehr beeinträchtigt.
Darauf folgt ein dunkelbraunes Außenfeld mit einem helleren Zwischen-
band, das bei Decius ausgesprochener ist, als bei Sabina.
Die Nymphaliden Prepona Laertes und Amphithoe aus Südamerika,
P. Miranda u. a. *) mit blauschillerndem l)reitem Mittelfelde haben die größte
1; St. Taf. 50. 2) St. Taf. 49.
3) Zum Sibylla-prorsa-Zarinda-Typixs übergehend.
4) Si. Taf. 56.
Sarpedon-Hectorides-Daraxa- oder Mittelfeld-Typus.
41
I I
Abb. 64. Linifnitis Daraxa Doubl. Hew.
vom Himalaya.
Abb. 05. Charaxes Brutus C'ßAir. aus Afrika.
Abb. 60. Limeniiis Zayla Doubl. Hew.
vom Himalaya.
Abb. 07. Adelplia Erotia Hew.
aus Südamerika.
142 I^i^ hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
Ähnlichkeit mit einzelnen Morphiden. Das Mittelfeld von miranda ist
grünlichblau wie das von Morpho melachcilus Q. i). Nur sind die Prepo7ia,
obschon groß, doch kleiner als die Morphiden; dagegen ist auch die
Flügelform beider ähnlich.
Wenn eine der Gattungen geschützt wäre , so hätte man die pracht-
vollsten Fälle von Verkleidung!
Erich Haase bildet auf seiner Tafel III Papilio Cynorta (Abb. 21 (5, Abb. 20 Q]
als mimetisch mit der Nymphalide Panopaea Hirce (= Pseudacraea Hirce) Q. und der
Satyride Elymnias Phegea Q (Abb. i 6;, alle als geschützt durch Acraea Gea Q (Abb. 18 .
alle in West -Afrika, ab.
Ich bin zweifelhaft, ob der als Q Cynorta (im Text, bei Haase bezeichnete Falter
überhaupt eine Cynorta ist: die wirkliche Cynorta hat in der Vorderflügelecke vor
dem Mittelfelde nur einen kleinen weißen Fleck, nicht ein Schrägbandstück, und da-
vor einen Fleck: die letztere Zeichnung weist eher auf eine Merope Q hin. Auch
hat das 2 von Cynorta nach unseren Stücken und nach Staudixger's Abbildung ein
gelbliches Mittelfeld in schwarzem Grunde, das (5 ein weißes, während es nach
Haase umgekehrt wäre. Der in Abb. 21 von Haase als Cynorta ^ abgebildete Falter
wäre somit ein Q. — Nur die Cynorta gehören dem Sarpedon-Daraxa-lypu» an,
nicht aber der von Haase als Cynorta Q bezeichnete Falter und nicht Panopaea,
Elymnias und Acraea Gea: diese alle haben ein quer gelagertes weißes Mittelfeld und
ein weißes Schrägband in der Yorderflügelecke ! ahnlich wie auch Merope und ge-
hören einem ganz anderen Typus, dem Gea-Typus an. Somit muß jedenfalls Papilio
Cynorta, wie auch die Abb. 21 bei H.^.ise auf den ersten Blick zeigt, von dessen
Mimicry-Gesellschaft ausgeschlossen werden.
Dagegen gleicht Papilio Zenobia (Abb. 69) als schwarzer Falter mit
weißem Mittelfeld sehr der Satyride Zethera pimplea (^ (Abb. 68) von
den Philippinen'-^), nur daß liei letzterer das Mittelfeld sich bis an
den Vorderrand der Vorderflügel erstreckt, die kleinen weißen Flecke
also fehlen.
Pseudomimetische Ähnlichkeit mit Zethera pimplea hat ferner Hip-
parchia Saraswati aus Indien ^^) und unser Satyrus Circe.
Schließlich sei hier noch erwähnt, daß z. B. Limenitis Libnites aus Calabar*) nur
auf der Unterseite ein weißes Mittelfeld nach dem Sarpedon-Typus hat, während sie
oben nach der Richtung, welche Athyma Nefte vertritt, vorgeschritten ist^,. Dasselbe
ist der Fall bei Apatura pavonii^) aus Central- und Südamerika.
Bei anderen Arten des Typus führt Vergrößerung der Hinterflügel-
flecke zu ziemlich vollständiger oder vollständiger Einfarbigkeit der-
selben, einschließlich des hintersten Teiles der Vorderflügel, zur Bil-
dung eines
Binnenfeldes.
Hierher gehören z. B. die prachtvollen Agrias"^] (Abb. 96) und zahl-
reiche andere Falter mit Übergängen zu heller Einfarbigkeit. (Man vergl.
hierzu vorläufig auch Archonias Pitana Abb. 77.)
1) St. Taf. 68. 2) Semper Taf. 7. Abb. 1, St. Taf. 79. 3) St. Taf. 82.
4J St. Taf. 30. 5) St. Taf. 51. 6) St. Taf. 55. ^) St. Taf. 57.
1) Sarpedon-Hectorides-Daraxa- oder Mittelfeld-Typus. 143
Abb. OS. Zethera pimplca Erichs, r^ von den Philippinen.
Abb. 69. Papilio Zenobia F. aus Afrika.
144
Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungon der Tagfalter.
B. Entstehung von Fleck- und Scliriigbandzeichnung auf den
Vorderflügelu.
Die Eckzeichnung der Vorderdügel l)esteht bei Vanessa cardici (Abb. 60),
welche wir zum Ausgangspunkt der Betrachtung nehmen wollen, ab-
gesehen von den am ganzen äußeren FlQgelrand vorhandenen weißen
Randfleckchen,
1 ) aus einer Anzahl kleiner weißer Fleckchen, zwischen Binde I und II,
2) aus einer Reihe von 4 mittelgroßen weißen Flecken, von welchen
der vorderste und der hinterste am größten sind, zwischen Binde II und III,
3) aus einem vom Vorderflügelrande schräg nach auswärts ziehenden
breiten weißen Fleck (G) zwischen III einerseits und IV, V/VI andererseits.
ATjb. 70. Vanessa canhn L.
Al>b. 71. Vanessa Dejeanii Godt.
Der zwischen IV/V/VI einerseits und VIII andererseits gelegene,
in der Grundfarbe gefärbte Zwischenraum von r.ardui entspricht, bei
Ätalanta dem schönen roten Querband, dessen äußerer Teil aber ur-
sprünglich an Stelle von weißen Flecken entstanden ist, welche Zwischen-
räume zwischen den Binden IV und V/VI, und III und IV, endlich II
und III darstellen. Dasselbe Querband, aber gelb, hat V. liea (Abb. 84).
Daß dem so ist, zeigen Falter wie Vanessa Dejeanii (Abb. 71) aus
.lava , welche ein dem roten der Ätalanta entsprechendes, aus 4 weißen
Flecken bestehendes Band (FG) besitzt. Der äußerste und hinterste
dieser Flecke entspricht eben dem Zwischenraum zwischen Binde II und
III und dem Haken , welchen das rote Band der Ätalanta nach hinten
macht. Daß der zweitäußerste dieser Flecke von Dejeanii einem Teil des
Zwischenraumes zwischen II und III entspricht, zeigt die Lage der 4 bis
5 weißen Fleckchen davor; bei Ätalanta sind es deren 5.
Bei anderen entsprechend gezeichneten Tagfaltern erweisen sich die
großen hellen, zwischen Binde III und IV gelegenen Vorderrandflecke
als die vordere Fortsetzung des Mittelfeldes. Indem Binde IV im vor-
deren Teil der Vorderflügel sich im Winkel nach einwärts wendet, ent-
steht die Schräg lagerung dieser Flecke bezw. des daraus zuweilen
Entstehung von Fleck- und Schrägbandzeichnung auf den Vorderflügehi. 145
hervorgehenden Schrägbandes. So entsteht z. B. die Eckflügelzeichnung
bei Limenitis Sibylla (Abb. 75), Camüla, popuU. Eine Ausnahme bildet hierin,
wie gesagt, V. prorsa , indem der hintere Teil des Mittelfeldes —
schon der den Vorderflügeln angehörende — bei diesem Falter zwischen
Binde IV und V/VI gelegen ist, jener Eckfleck aber zwischen III und
IV/V/VI (Abb. 56).
Solche Eckflügelbänder oder Schrägbänder können zwischen
allen Binden vorkommen, am häufigsten finden sie sich aber zwischen II
und III, III und IV oder IV und V/VI, bezw. III/IV/VI und zwischen
V/VI und VIII. Oft nehmen Schrägbänder, verbreitert , zugleich den
Raum ausgefallener Binden ein. Sie bilden, bald weiß, bald farbig, eine
der hervorragendsten Eigenschaften der Vorderflügel vieler Tagfalter.
Ihr häufiges Auftreten ist mit bedingt durch die Rolle, welche die
Binden III, IV, V/VI und VIII weithin spielen, indem auch die zwei letz-
teren sich durch die große Beständigkeit ihres Vorkommens im Bereiche
der Mittelzelle auszeichnen. (Man vgl. hierzu einstweilen Abb. 72 bis 75,
79 bis 82.)
Zuweilen, aber selten, kommt ein weiteres Schrägband nach innen
von VIII vor. Häufiger sind Fälle, in welchen die hellen Flecke zwischen
Binde II und III annähernd oder vollkommen zu einem äußersten Eck-
flügelbande verschmelzen.
Bezeichnen wir die Zwischenräume zwischen Binde I und II, welche
gewöhnlich als Flecke erscheinen, die Binnenrandflecke, im Gegen-
satz zu den äußersten, den Außenrandflecken, mit A, den Zwischen-
raum zwischen Binde II und III mit B, den zwischen III und IV, hezw.
V/VI mit G, bezw. CD, den zwischen V/VI und VIII mit FG, einen ein-
wärts davon gelegenen mit H, so benennen diese Buchstaben die haupt-
sächlichsten hellen und farbigen Zeichnungen, welche mit Ausnahme des
Mittelfeldes auf den Vorderflügeln der in der Zeichnung vorgeschritteneren
Tagfalter vorkommen fvergl. die Abbildungen).
Die Mannigfaltigkeit der Zeichnung entsteht dadurch, daß bald nur
ein, bald zwei, bald mehrere Zwischenräume in Flecken oder Bändern,
und zwar bald diese, bald jene vorhanden sind, oder daß auch zwei
oder mehrere dieser Bänder zu einem Bande verschmelzen.
Auf die Hinterflügel setzen sich am häufigsten B und C als Fleck-
reihen fort. Darauf folgt das so häufig durch G (III — IV) oder auf andere
Weise gebildete Mittelfeld.
Dies sind neben dem Bestehenbleiben von Grundbinden
oder Teilen derselben die Hauptmittel, durch welche unab-
hängige Entwickelungsgleichheit, Homoeogenesis, bedingt ist,
d. i. die Ähnlichkeit so vieler Falter, welche weder in ver-
wandtschaftlicher noch in irgend welcher biologischer Be-
ziehung untereinander stehen — sie rufen u. a. jene Ähnlichkeiten
hervor, welche Herr August Weismann und Herr Erich Haase unbesehen
als Mimicry angesprochen haben und ansprechen.
Da alle diese Bänder bestimmten Zwischenräumen meiner Grund-
Eimer, Orthogenesis. 10
146 '^''* hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
binden entsprechen, so sind diese letzteren, so bedeutende Umbildungen
in der Zeichnung auch vor sich gegangen sein mögen, in letzter Linie
für alle Zeichnung maßgebend.
Es sind die behandelten Bindenzwischenräume auch nicht die ein-
zigen, welche bei der Umbildung der Tagfalter eine Rolle spielen, sie sind
nur die hauptsächlichsten. Ursprünglich sind ja vorhanden:
zwischen Binde
I
und
II
Band A
II
»
III
> B
III
»
IV
G
IV
»
V
D
V
»
VI
> E
VI
»
VII
F
VII
»
VIII
» G
mi
»
IX
H
IX
»
X
» I
X
»
XI
> K,
welche fast alle auch bei sehr umgebildeter Zeichnung in Betracht kom-
men können, selten Band E, weil Binde V und VI schon sehr bald zusam-
men verschmelzen, selten auch G, weil ebenso Binde VII und VIII häufig
verschmolzen sind. Endlich bedingt die Entstehung des Binnenfeldes als
Folge von Verbreiterung und Verschmelzung der inneren Binden (VIII —
XI), daß auch Band H, I, K seltener vorhanden sind.
In der Hauptsache können wir drei Schrägbänder auf den Vorder-
flügeln unterscheiden, ein vorderes, mittleres und hinteres. Das mittlere
ist das häufieste, das vordere erscheint meist nur als kurzer, schmaler
Strich, entsprechend dem Zwischenraum II — III (Bj, und an seiner Stelle
liegen meist einige helle Fleckchen, oder auch diese sind geschwunden.
Wir unterscheiden vier hierhergehörige Typen:
' den Sibylla-prorsa-Zarinda- oder Mittelfeld -Schrägfleck-Typus,
mit der verwandten //espen/s-Gruppe,
den cardui-Atalanta-Inachis-Dirce- oder Eckfleck-Schrägband-Typus,
den vorzugsweise bei den Pieriden vorkommenden Eckflügel-
zeichnungs-Typus derselben, und als wichtigste Abteilungen eines
allgemeinen Innenfeld-Schrägband-Typus :
die des Chrysippus-Ruspina-Tjpns.
2) Sibylla-prorsa-Zarinda- oder Mittelfeld-Schrägfleek-Typus.
Es ist hier noch ein Mittelfeld vorhanden, dazu eine Eckzeichnung
der Vorderflügel ähnlich wie bei Vanessa cardui und Verwandten: ein
vom Mittelfeld abgetrenntes, nach vorn und innen gerichtetes Schräg-
bandstück oder ein großer Eckfleck, entsprechend oben dem bei cardui
vorhandenen, und nach außen und vorn davon einige helle Flecke, eben-
falls denen von cardui entsprechend.
Sibylla-prorsa-Zarinda- oder Mittelfeld-Schrägfleck-Typus. 147
Abb. 72. Limenitis popuU L.
Abb. 73. Argynnis Sagana Dodbl. Hew.
Abb. 74. Tachyris Zarinda Boiod. C^i.
Abb. 75. Limenitis Sihylla L.
10*
148
Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
Für den Typus sind in dessen Bezeichnung schon drei pseudo-
mimetische Arten aus verschiedenen Gruppen gegeben: Limenitis Sihylla
(Abb. 75), Vanessa frorsa (Abb. 56) und Tachyris Zarinda (Abb. 74), letz-
tere eine Pieride von Celebes. Dazu sind mit großer Ähnbchkeit weiter
zu nennen: Limenitis Camilla^ dMch. populi (Abb. 72, nur mit rotbrauner
Randbinde, welche aber auch prorsa hat), Apalura Iris und Ilia.
Ferner gehören hierher Formen wie Megalura Crethon aus Südamerika (Ama-
zonenstrom, Cayenne)!), Precis Andremiaja (5 von Madagaskar-!, Apatura Namouna
aus Sikkim3 — lauter pseudoniimetische Falter aus den verschiedensten Gebieten.
Zu Megalura Crethon vergleiche man Megalura Corinna Q und (5 bei Staüdinger
auf derselben Tafel mit ersterer, als Übergang in den Schrägband-Typus. In dem-
selben Sinne vergleiche man die schon beim Mittelfeld-Typus behandelte, aber in den
Sibylla-prorsa-TYYiXis übergehende Adelpha Erotia (Abb. 67) mit A. Mephistophiles^).
Noch mehr als Vanessa prorsa gleichen, wie bemerkt, der Limenitis
Sibylla: V. prorsoides aus Assam, V. fallax aus Japan.
Mit blauem Mittelfeld gehören in den Typus ; Vanessa glauconia 5) aus
Japan, Vanessa Haronia aus Ceylon (Abb. 82. 83) und sind pseudomi-
metisch mit Hypolimnas alimena (^f von den Molukken, Papua -Inseln und
Australien '''). Wiederum mit weißem Mittelfeld gehören hierher unter
den Pieriden: Eucheira socialis aus Mexico') und Archonias sebennica
(Abb. 76) aus Südamerika.
Abb. 76. Archonias sebennica Luc. (5
Abb. 77. Archonias Pitana Feld.
Die Pieriden Pereute chiriquensis von Mittelamerika (Vulkan Chiriqui)
und Archonias Pitana (Abb. 77) (ebendaher, beide abgebildet bei Stau-
dinger 8) haben auf den Hinterflügeln oben kein weißes Mittelfeld mehr,
sondern ein weißes Innenfeld: Übergang zum Hyale-Typus^ wo die
helle Grundfarbe auch auf den Vorderflügeln außer der dunkeln Eck-
fleckzeichnung und der Randbinde vollkommen herrschend wird.
An manchen Adelpha-Arten^) (Abb. 67) erkennt man oben und teil-
weise auch unten eine, wie es scheint, unmittelbare Entstehung eines
1) St. Taf. 45. 2^ St. Taf. 38. 3) St. Taf. 55. «) St. Taf 49.
5) St. Taf. 37. «) St. Taf. 46. ^) St. Taf. 16. «) St. Taf. 15.
9) St. Taf. 49 und 50.
Hesperus-Gruppe. 149
Schrägbandes durch beiderseits erfolgendes seiüiches Auswachsen des
vorderen Teils des Mittelfeldes.
Meist aber erscheint die Schrägfleckzeichnung der Vorderflügel ent-
weder als nach einwärts gerichtete Fortsetzung des Mittelfeldes oder als
ein dasselbe in seitlicher Abzweigung ergänzendes oder sich daran nach
innen ansetzendes Stück eines anderen Bandes oder anderer Bandteile.
Im Beginn tritt Schrägüeckzeichnung und zwar in der zuletzt genannten
Art und unter Beteilisjung von Band E auch neben vorne sehr ausge-
bildetem Mittelfeld auf, z. B. Papüio Thoas (Abb. 62, 63). Bei den Lime-
nitis handelt es sich dabei um eine Umbildung des Mittelfeldes ent-
sprechend Band C (Abb. 72 bis 75); bei Vanessa (vgl. den folgenden T^^us)
ist derselbe Fall der gewöhnliche, allein z. B. bei V. Haronia und Canace,
wo das Mittelfeld sehr nach außen gerückt ist, entspricht es BC oder B,
der Schrägfleck aber C u. s. w. Auch in sehr vorgeschrittenen Gattun-
gen, welche Arten enthalten, deren Mittelfeld schon geschwunden ist,
können andere vorkommen, welche dasselbe noch in recht ursprünglicher
Weise erhalten haben. Dies ist z. B. der Fall bei einer Verwandten
unserer V. cardui und Atalanta, bei der eine Art Zwischenstufe zwischen
diesen und den Limenitis darstellenden brasilianischen V. Myrinna: die
Vergleichung unserer Abbildung 88, mit den darauf folgend abgebildeten
Vanessen, zeigt eine sehr bemerkenswerte Reihe, in welcher sich das
rote Schrägband von Atalanta alimählich herausbildet.
Unterabteilung: H esper us-Gvw^^^e.
Die hierhergehörigen Falter bilden eine sehr schön gekennzeichnete
Gruppe von afrikanischen Papilio-Arten, deren Hauptzeichnung in einem
schmalen, vorn verkürzten Mittelfelde in schwarzer Grundfarbe besteht,
vor welchem — zum Teil als die ursprüngliche Verlängerung desselben,
jetzt von ihm abgetrennt — ein Stück Schrägband oder ein diesem ent-
sprechender Fleck liegt, vor diesem, in der Vorderflügelecke, ein kleiner
Fleck oder deren zwei. Dazu kommen in den meisten Fällen noch helle
Randbandflecke. Die auffallendste Form ist Papüio Hesperus (Abb. 78)
aus Westafrika mit schwefelgelber Grundfarbe. Mehr der gewöhnlichen
Pa/)?7/o-Zeichnung schließt sich der ebenfalls gelbe P. Constantimcs aus
Afrika an: er hat die Zeichnung gewöhnlicher Mittelfeld-Papilio's, nur ist
oben der vorderste Teil des Mittelfeldes als Schrägbandstück abgelöst.
Bei dem grünen P. Phorcas aus dem tropischen VVestafrika ist das
Schrägbandstück mehr ein großer, zuweilen schräger Fleck. Bei dem
blaugrünlichen P. Epiphorbas aus Madagaskar') (Abb. 79) ist ein aus-
gesprochenes Schrägband auf den Vorderflügeln vorhanden, ein Mittel-
feld aber nur auf den Hinterflügeln. Ich mache aufmerksam auf die
Farbenfolge: Gelb. Grün, Blau, welche sich hier vi'ie in so vielen anderen
Fällen findet.
1) BoisDUVAL, Fauna Mad. Taf. I. Fig. 1.
150
Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
Die Entwickelungsrichtung dieser Gruppe ist auf den Vorderflügeln
insofern entsprechend der, welche bei Sibi/lla zum Ausdruck gekommen
ist, als sich vorne ein Stück Mittelfeld losgelöst hat und, nach einwärts
gerichtet, zuw^eilen vervollständigt wird durch ein Stück des Zwischen-
raums zwischen zwei Binden
des Vorderrandes.
Höchst merkwürdig ist in
Rücksicht auf die entsprechende
Entwickelungsrichtung P. Dela-
landii aus Madagaskar >) (Abb.
80) mit einem gellien bis zum
Vorderrand der Vorderflügel
gehenden Mittelfeld, von wel-
chem sich aber ein Bandstück
(F), zugehörig dem Zwischen-
raum zwischen V/VI und VII,
im Bereich der Mittelzelle, ent-
sprechend dem Schrägband-
stück von Epiphorbas, abzweigt,
oben grau bestäubt, auf der
Unterseite aber in der Farbe der
übrigen Grundfarbe. Es ist also
hier der vor diesem Schräg-
bandstück gelegene Teil des
Mittelfeldes bestehen geblieben,
aber doch ist ein Stück des matt-
gefärbten Schrägbandstückes
auf Kosten eines Teils des an
ihm vorbeiziehenden Mittelfeldes entstanden. Denn dieses Mittelfeld
verschmälert sich in der Hohe des Schrägbandstückes und der dasselbe
einschließenden Mittelzelle, indem es sich der Grenze der letzteren an-
schmiegt.
Abb. 78. Tapilio Hesperus Westw.
3) Cardui-Atalanta-Inachis-Dirce- oder Eekfleek-Sehrägband-Typus.
Ein Mittelfeld fehlt hier, außer z. B. bei Vanessa Myrinna (Abb. 88).
Es können noch kleine Randflecke (II — III = B) in der Vorderflügel-
Ecke vorhanden sein, dann ein Stück eines mittleren Schrägbandes:
der große Vorderflügel-Eckfleck der Vanessen , und ein hinteres Schräg-
band [Vanessa Atalanta). Von hier aus ergeben sich die verschiedenen
Formen des T^T)US bis zum ausschließlichen Vorhandensein eines einzigen
Schrägbandes (vgl. Abb. 84 bis 87). *
1) Saalmüller, Lepidopt. von Madagaskar I. Frankfurt a. M. 1884. Abh. d.
Sexckexb. Ges. Taf. I. Fia;. I .
Cardui-Atalanta-Inachis-Dirce- oder Eckfleck-Schrägband-Typus. 151
Abb. 79. Papilio Epiphorbas Boisd.
Abb. 81. Vanessa Canace L.
Abb. S2. Vanessa Haronia Mooee.
Abb. SO. Papilio Delalandii Godt.
Abb. 83. Vanessa Glauconia Motsch.
152
Die hauptsächlichsten Entwicklungsrichtungen der Tagfalter.
Wir gehen aus von den carc/w?- ähnlichen Vanessen. Hier ist zu-
weilen das bei Atalanta auftretende hintere Schrägband noch nicht vor-
handen : bei Vanessa cardui (Abb. 89) ist das Gebiet desselben in der gelb-
braunen Grundfarbe gefärbt und unregelmäßig begrenzt. Etwas deutlicher
ist ein Band, wenigstens der Umgrenzung nach, wenn auch nicht durch
besondere Farbe hervorgehoben, bei der kleinen, aber sonst unserer
cardui sehr ähnlichen V. Kershavii aus Australien. Übergänge in Be-
grenzung und roter Farbe eines Bandes zu Alalanta bieten V. indica von
Sikkim und V. indica var. vulcanica (Abb. 92)
von den Canaren. Ein weißes Band beginnt
zu entstehen bei V. Dejeanii (Abb. 90) von
Java. Gelb ist dasselbe bei V. Itea (Abb. 84)
aus Australien.
Bei Vanessa urticae^ polychloros, c-al-
hum u. a. und bei den verwandten Juno-
nien verwischt die braune Grundfarbe die
sonst meist weiße oder gelbe Eckflügel-
zeichnung ganz oder nahezu ganz.
E^ gelb
"^
Abb. 84. Yanessa Itea F.
Abb. 85. Eunica Flora Feld.
Abb. 86. Kailima Inachis Boisd.
Auch da, wo ein ausgesprochenes Schrägband oder deren zwei vor-
handen sind, kann braune Grundfarbe alles außer denselben bedecken,
so z. B. bei Hypanartia Lethe^) (Abb. 93) aus Südamerika und bei Temenis
Laothoe aus Guiana und vom Amazonenstrom.
Viel häufiger ist nur ein einziges und zwar gewöhnlich das mittlere
Schrägband vorhanden, davor oft einige helle Flecke, entsprechend dem
Band B, wie in der abgebildeten Eunica Flora (Abb. 85). Oft ist nur
noch ein einziges solches Fleckchen vorhanden, so z. B. bei Kailima
Inachis (Abb. 86), deren Namen ich daher zur Bezeichnung der Gruppe
mit verwende, gerade weil sie fast eine äußerste Form derselben dar-
stellt.
1) Staud. Taf. 37.
Cardui-Atalanta-Inachis-Dirce- oder Eckfleck-Schrägband-Typus. 153
Endlich lassen sich die Falter, welche in der Vorderflügel-Ecke noch
einen kleinen hellen Fleck und ein Schrägband, und die, welche keinen
solchen Fleck, sondern nur ein Schrägband besitzen, nicht gut trennen.
Die letzteren sind durch zahlreiche Falter, wie die glänzenden Farben
zeigen, zum Teil sehr vorgeschrittener Art vertreten. Ich nehme die
hierhergehörige südamerikanische Gynaecia Dirce (Abb. 87), schwarz mit
gelbem Schrägband, mit zur Bezeichnung des Typus.
Andererseits kann die bei Vauessa cardui und
Atalanta vorhandene Eckflügelzeichnung dadurch
zurücktreten, daß im Gebiete des großen hellen
Schräg-Eckfleckes dieser Falter oft nur zwei Flecke
übrig bleiben, von welchen der äußere dem fünften
der Reihe II— III (Bj entspricht [V. Itea Abb. 84).
Pseudo mimetisch unter den cardui-Ata-
/a»ta- ähnlichen Faltern sind in der Weise, daß sie
durch ihre Ähnlichkeit geschützt sein könnten:
Vanessa Itea aus Australien und die Erycinide
Libythea Motya^) von Cuba, ferner die braune
Nymphalide Hypanartt'a Lethe von Südbrasilien
und die Erycinide Dodona Ouida"^) von Sikkim.
Unter den cardui -Atalanta- und den Schräg-
band- oder //mc/?/s- ähnlichen Faltern sind pseu-
domimetisch: Vanessa Itea aus Australien und Catonephele Aw-
müia Q 3j aus dem nördlichen Südamerika, beide mit gelbem Schräg-
band; ebenso, nur größer, Hypna Clytemnestra^) aus Süd- und Mittel-
amerika; ferner schwarz mit weißem Schrägband und zwei davor befind-
lichen weißen Flecken die Nymphalide Eunica Flora Q ^) (Abb. 85) vom
Rio negro und die Satyride Lethe rohria von Nordindien und Java,
ferner, nur mit vier weißen Eckfleckchen, die Nymphalide Aterica Tadema
von der Goldküste! Diese Falter, so weit auseinander lebend und
alle ungeschützt, sind in Farbe, Größe und Gestalt äußerst ähnlich.
Bei dieser Eckfleck-Schrägband-Gruppe sind der oder die Eck-
flecke teils durch Zwischenräume von Binde I und II, teils durch solche
von II und III gebildet, während das Band ungefähr die Mitte der Flügel
einnimmt und meist in seinem äußeren Teile dem Zwischenraum zwischen
III und IV entspricht. Dieselbe ist, wie gesagt, von den reinen Schrägband-
Faltern nicht zu trennen. Beide zeigen in Farbe, Größe und Gestalt große
Verschiedenheit der Arten. Insbesondere ist es die Farbe des Schräg-
bandes, welche wieder verschiedenes Aussehen bedingt: die blaue,
grünschillernde und glänzend rote Farbe, welche hier auftritt und welche,
wie wir später sehen werden, der Ausdruck höherer Ausbildung ist,
während Weiß, Lehmgelb und Gelb niederere Stufen darstellen. Wäre
die Farbe des Schrägbandes überall die gleiche, so hätten wir unter den
Abb. 87. Gynaecia Dirce L.
1) Staud. Taf. 87.
5; St. Taf. 40.
2j St. Taf. 87.
3) St. Taf. 41.
i) St. Taf. 61.
154
Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
TJL
Abb. SS. Vanessa Myrinna*) Doubl. Hew.
Abb. 89. Vanessa cardui L.
T/a R
f.. ■ '
SL^
Abb. 90. Vanessa Dejeaiiii Godt.j
E-E
Abb. 91. Vanessa vulcatiica Godt.
i/.tt Bm
A B
ß,{S.
Abb. 92. Vanessa Atalanta L.
Abb. 93. Hypanartia Lethe F.
* Der bei Myrinna mit ag bezeichnete weiße Fleck, ein Augenfleck, kommt zu-
weilen auch in dem entsprechenden äußeren Teil des roten Schrägbandes von Atalanta
vor und trat wieder auf in einer von Dr. Fickert gezüchteten V. cardui.
Cardui-Atalanta-Inachis-Dirce- oder Eckfleck-Schrägband-Typus. 155
Nymphaliden, Morphiden, Brassoliden, Satyriden, Eryci-
niden und Lycaeniden, welche hier vertreten sind, eine Überfülle
von »Mimicry«.
Bei dieser Gelegenheit will ich nicht unterlassen zu bemerken, daß
dies überhaupt für die verschiedensten Zeichnungstypen gilt (vor allem
auch bezüglich des Mittelfeldes) : wäre die Farbe die gleiche, so würde
uns in tausend Fällen Ähnlichkeit entgegentreten, wo jetzt
Verschiedenheit gegeben ist. Aber die Farbe ist etwas Nebensäch-
liches, erst in zweiter Linie und zwar, wie wir sehen werden, wiederum
gesetzmäßig, stufenweise Umgebildetes. Durch diese Betrachtung tritt
die Bedeutung der gesetzmäßigen, vielfach homöogenetischen oder heter-
hodogenetischen Gestaltung der Zeichnung gegenüber der Zuchtwahl-
Mimicry noch mehr hervor.
Die Grundfarbe der Eckfleck-Schrägband- und der Schrägband-Falter
ist meist einfach dunkel, oft gleichfalls ins Blaue schillernd, gewöhnlich
ohne, zuweilen mit einer in der Farbe des Schrägbandes gefärbten
Randbinde auf den Hinterflügeln.
Es gehören hierher viele der höchstentwickelten Falter, wie die pracht-
voll gefärbten Arten der Nymphaliden-Gattungen Ägrias^), Catagramma'^],
Batesia^) u.a., ferner unter den Morphiden z. B. Zeuxidia Amethystus^)^
ThaumanUs Odana^].
Besonders sind es die kleinen Formen der südamerikanischen Gat-
tungen Callicore, Catagramma und Catonephele (Abb. 94 bis 96), welche,
wie auch die Agrias (Abb. 97), durch ihre ähnliche Zeichnung und durch
ihre prachtvollen grün- und blau -schillernden und roten Farben, sowie
durch die gleichartige Gestalt ein ganz eigenartiges Aussehen bieten
ähnlich wie die gleichfalls südamerikanischen Helikonier und die ihnen
ähnlichen Falter eine typische Gruppe bilden.
Pseudomimetisch ist die südamerikanische Nymphalide Gynaecia Dirce
durch ihr gelbes Schrägband, trotz des Fehlens der Eckflügelzeichnung,
wiederum Catonephele Numüia und diese, wie hervorgehoben, Hypna
Clytemnestra und der australischen Vanessa Itea. Wenn z. B. die süd-
amerikanische Brassolide Opsiphanes Cassiae^) nicht ein ockerfarbenes,
sondern ein gelbes Schrägband hätte, so wäre sie ebenfalls mit den ge-
nannten »mimetisch«, so aber gleicht sie, und zwar nicht nur in der
Farbe des Bandes, sondern auch in Größe, nicht in Gestalt, Kallima
Inachis.
Charaxes Monteiri'') von St. Thomas Q (das (^ ist ganz anders
gezeichnet und gefärbt) hat ein weißes Schrägband, sonst wäre dieser
Falter wiederum mit den soeben genannten »mimetisch«, um so mehr,
als er auch in Größe und in der Flügelform Opsiphanes ähnlich ist.
Ebenso ist die Satyride Lethe Europa^) von Indien, China, den Sunda-
inseln, ein vergrößertes Abbild der schon behandelten L. rohria.
1) Staud. Taf. 57. 2) St. Taf. 42. 3) St. Taf. 43. 4) St. Taf. 63.
5) St. Taf. 65. 6) St. Taf. 7t. ^) St. Taf. 59. 8) St. Taf. 78.
156
Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
Ich unterlasse es weitere Beispiele von pseudomimetischen Arten
aus dieser Gruppe aufzustellen, welche sich jeder in großer Zahl auf-
suchen kann, und erwähne nur noch, daß hierher auch der merkwürdige
Falter Caerois Chorineus aus Südamerika gehört.
Anhangsweise sei hier bemerkt, daß es auch dreibänderige Formen
giebt, welche auf Grund anderer Entwickelungsrichtung entstanden sind
als die vorhin erwähnten, indem ein erstes schmales, kurzes Eckband
nun als Schrägstrich auftretend, zwischen Binde II und III entsteht,
das zweite wie vorhin, ein drittes, auf die Hinterflügel übergehendes
etwa zwischen Binde VI und VIII (Epiphile Electra^) aus Venezuela) oder
den ganzen hinteren Winkel des Vorderflügels mit einnehmend [Cata-
gramma Cynosura mit roten Bändern, Abb. 94). Wenn die Vorderflügel-
Eckzeichnung verloren geht, entstehen entsprechend gezeichnete zwei-
Abb. 94. Cutugranirna
Cynosura Doubl. Hew.
Abb. 95. Caiayramma
Pitheas Latk.
Abb. 9G. Catonephele
Capenas Hew.
bindige Formen, wie Catagramma Pitheas^ rot (Abb. 95), und Epiphele
adrasta, gelb 2), beide aus Südamerika.
Zweibänderige können endlich dadurch entstehen, daß die Eckzeich-
nung II — III (B) zu einem schrägstrichartigen Bande, neben dem ge-
wöhnlichen Mittelbande, wird, z. B. Catonephele Capenas (Abb. 96).
Endlich kann nur die vorderste Bandzeichnung (B) übrig bleiben,
z. B. bei Callicore Candrena aus Brasilien.
Eine bemerkenswerte Umbildung ein- oder zweibänderiger entsteht
bei il^r/as-Arten (Abb. 97^)), dadurch, daß das rote Mittelband sich über
den ganzen hinteren Teil der Vorderflügel verbreitert; dieselbe Ent-
wickelungsrichtung kommt off'enbar auch bei einzelnen Callühea- und
Catagramma- kTiQn^) zum Ausdruck: Innenfeldbildung.
Die aus Quer- bezw. Schrägbändern gebildete Vorderflügel-Eckzeich-
nung ist gegenüber der Mittelfeldzeichnung eine vorgeschrittene, hochent-
') Staud. Taf. 4^
St. Taf. 41.
3) St. Taf. 57.
«) St. Taf. 42 und 43.
Hyale-edusa-brassicae-Glaucippe od. Vorderflügel-Eckzeichnungstypus d. Pieriden. 157
wickelte. Sie bildet sich ja häufig zum Teil aus dem vorderen Abschnitte
des Mittelfeldes heraus.
Die höchststehenden Tagfalter wie die der Agrias- und der Cata-
gi'amma-GTuppe unter den Nymphaliden haben solche Bänder am meisten
Abb. 97. Agrias Amydonius Stgk.
ausgedehnt und in den leuchtendsten Farben. Ebenso sind sie hochaus-
gebildet z. B. bei den Helikoniden und den Helikonier-ähnlichen Danaiden.
Es ist die ursprüngliche und auf der Unterseite der Flügel auch
hier zuweilen noch erhaltene Längsstreifung der Flügel in eine Quer-
streifung übergegangen.
4) Hyale-edusa-brassicae-Glaucippe- oder Vorderflügel-
Eekzeichnungstypus der Pieriden.
Die Pieriden sind, wie wir sehen werden, offenbar entstanden aus
Parnassier-ähnlichen Formen, welche wiederum sich an die Segelfalter
anschließen. Bei dieser Umbildung ist postero-anteriore Entwickelung
dadurch maßgebend, daß die Längsstreifen der Segelfalterähnlichen in
der Richtung von hinten nach vorne schwinden, so daß sie bei den
meisten Parnassiern nur noch im Gebiete des Vorderrandes bezw. der
Mittelzelle vorhanden, bei einigen aber auch hier fast ganz geschwunden
sind {Ismene helios (Abb. 99), Parnassius Mnemosytie (Abb. Vi 8), P. gla-
cialis]. Es bleibt bei Ismene helios nur eine Vorderflügel-Eckzeichnung
übrig, welche der unserer Colias Hyale (Abb. 100) ähnlich ist: eine Band-
fleckenreihe zwischen Resten der Binden I und II: //i/a/e-Typus, der
sich bei vielen Pieriden findet.
Es ist nun aber überhaupt bei den Pieriden die beschriebene Ent-
wickelungsrichtung herrschend geworden, welche zur Einfarbigkeit führte,
mit Übrigbleiben einer Vorderflügel-Eckzeichnung und vielleicht einer
Randbinde.
158 ^'6 hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
Abb. 98. Parnassius Mnemosyne L.
Abb. 99. Ismene helios Nick.
Abb. 100. Colias hyale L.
Abb. 101. Colias edtisa F.
i-JE
Abb. 102. Pieria brassicae L. Q.
Abb. 103. Hebomoia Glaucippe L.
Chrysippus-Ruspina-Typus. 159
Eine vollkommen schwarze Vorderflügel-Eckzeichnung im Zusammen-
hange mit einer schwarzen Randbinde hat u. a. Colias edusa [Ahh. 101):
Edusa-Typus.
Nur eine schwarze Eckflügelzeichnung haben Pieris brassicae
fAbb. 102) u. a.: 5?'a55«cae-Typ us.
Viele Pieriden haben nun in dieser schwarzen Flügelecke als weitere
Ausbildung der Zeichnung von Hyale ein weißes, gelbes oder rotes oder
auch ein blauviolettes Schrägband oder ein ebenso gefärbtes breites
Innenfeld. Diese Zeichnung kann sich über mehrere Bindenzwischen-
räume erstrecken. Ein weißes Schrägband ist z. B. bei Ixias pirenassa Q
aus Indien ^) vorhanden, ein rotes Vordereck-Innenfeld bei Hebomoea Glaucippe
aus Ostindien^) (Abb. 103) und zahlreichen anderen: Glaucippe-Typ^s-
Eine pseudomimetische Salyride vom Hyale-Typus ist Lymanopoda
nivea^) aus Ecuador. Pseudomimetisch mit P. brassicae q^ d. i. ohne
schwarze runde Flecke auf der Oberseite der Vorderflügel) sind die
Eryciniden Theope "pieridoides aus Bahia und Pandemos Pasiphae Q. vom
Amazonenstrom ^) u. s. w*.
Der Eckflügelzeichnung nach schließt sich an die ca?'rf?/?- ähnlichen
auch Danais Clirysippus mit Verwandten an, um so mehr als diese Falter
ebenfalls in Formen übergehen, welche statt ausgebildeter Eckfleckzeich-
nung eine Eck-Schrägbinde haben. Da sich aber diese Falter alle durch
braune Farbe auszeichnen und mit dadurch mimetisch bezw. pseudo-
mimetisch werden, so behandle ich sie besonders.
5) Chrysippus-Ruspina-Typus.
Falter mit braunem oder rotbraunem Innenfelde, schwarzen Vorder-
flügeladern, meist mit weißen Flecken und einem noch aus Flecken zu-
sammengesetzten oder regelmäßigen weißen Schrägbande, mit schwarzer,
meist weiße Flecke enthaltender Randbinde. Die hierher gehörige Danais
Chrysippus und Verwandte sind »geschützt«, ebenso soll die ähnliche Litho-
siide Aletis Helcita von der Goldküste geschützt sein.
In die Bezeichnung des Typus nahm ich die Nymphalide Euphaedra
Ruspina^) aus Westafrika mit auf, weil sie nur noch ein helles Schräg-
band, keine Eckflecke mehr hat, also eine äußerste Form darstellt,
E. Haase bildet auf seiner Tafel IV als mimetisch ab : Euphaedra Ruspina,
Eusemia Falkensteinii, Aletis Helcita und Liptena sanyuinea. Die letztere,
eine Lycaenide, ist viel kleiner als die übrigen und schon deshalb wohl
von dieser mimetischen Gesellschaft auszuschließen.
Es sind von Formen dieses Typus noch zu nennen unter den Nym-
phaliden: Euphaedra Eleus von der Goldküste [Ruspina-öhnWch) ^ Cethosia
cyane von den Sunda-Inseln , Celhosia luzonica von Luzon ö). Euryphene
1) Staud. Taf. 22. 2) St. Taf. 22. 3) St. Taf. 83. * St. Taf. 93.
5) St. Taf. 51. 6) Semper Taf. 18.
160
Die hauptsächlichsten Entwiciielungsnchtungen der Tagfalter.
Plistonax^) von Westafrika. Endlich die Satyride Elymnias undularis Q
von Ostindien und den Sunda-Inseln.
Da die geschützten Danaiden des Typus weit verbreitet sind und
mit den anderen zusammen leben, so wäre Geschütztsein im Fliegen
hier möglich. Es ist aber das Wichtigste für die Schmetterlinge, daß
sie sitzend geschützt sind. Und auf der Unterseite fehlt den genannten
die ähnlichen Falter nachahmen sollenden Arten jede Beziehung zu diesen:
ihre Unterseite ist von sehr verschiedenem Aussehen.
Endlich muß hervorgehoben werden, daß auch die Ähnlichkeit
zwischen den Geschützten und Nichtgeschützten dieses Typus durchaus
nichts Besonderes bietet gegenüber den Typen, unter welchen von An-
passung keine Rede sein kann.
Ist aber im vorliegenden Typus Schutz wirklich gegeben, was erst
durch genaue Beobachtung für jeden einzelnen Fall festgestellt werden
müßte, so ist kein Grund vorhanden, auch hier etwas anderes als Ho-
moeogenesis als die Ursache der Ähnlichkeit anzuerkennen, nicht aber
Auslese, bezw. natürliche Zuchtwahl.
Betrachten wir die als mimetisch aufgefassten Falter dieses Typus
etwas näher und zwar zunächst die Chrysippus-QhnXichen:
Danais Erippus hat oben nur weiße Flecke als Vorderflügel-Eckzeich-
nung: äußere Randfleckchen, dann Randfleckchen zwischen 1 und II, dann
größere zwischen II und III, endlich kleinere
zwischen IV und V/VI, wie D. Chrysippus.
Bei Chrysippus (Abb.1 04) und Plexippus ist
zwischen III/IV und V/VI ein fast vollständiges
weißes Schrägband entstanden — jene auch
bei anderen Familien, inbesondere bei Nym-
phaliden, so weit verbreitete Entwickelungs-
richtung.
Die Nymphalide Hypolimnas Misippus Q
in Asien und Afrika bildet in Farbe und
Zeichnung eine der bekanntesten »mimeti-
schen« Formen, indem sie Chrysippus täu-
schend ähnlich sieht. Es handelt sich um
Heterhodogenesis , denn das weiße Schräg-
band liegt bei Hypolimnas Misippus zwischen
III und IV und nicht zwischen IV und V/VI.
Das cf von H. Misippus ist wiederum ganz anders gefärbt und gezeichnet:
schwarz mit einem weißen, großen Fleck: Mittelfeldrest auf den Hinter-
und zwei weißen Schrägbändern auf den Vorderflügeln.
Diese Verschiedenheit macht auch hier Schutzfärbung des Q un-
wahrscheinlich, und bestärkt werde ich in diesem Zweifel noch durch
Folgendes: Staudinger sagt a. a. 0. I. S. 136: •»Misippus hat nun noch
eine zweite Q Form, die von Gramer als Inaria veröff'entlicht wurde.
Abb. 104. Danais Chrysippus L.
1) Hewitson III. Taf. 2G. Eurijphene IX.
Chrysippus-Ruspina- Typus. 161
Bei dieser sind die Vorderflügel fast ganz braun, nur der Vorder- und
Außenrand schmal schwarz, und die weißen Flecke fehlen völlig oder
es sind deren nur 2 — 3 kleine verloschene am Ende des Vorderrandes
sichtbar. Gramer beschreibt diese Form aus Amboina und Java; ich
erhielt sie aus Vorderindien, Gabun, Angola, Transvaal und Natal, und
zwar aus letzteren Gegenden in Übergängen zum abgebildeten gewöhn-
lichen Q. Hochinteressant ist ferner, dass die zweite Q Form von
Misippus die Danais Dorippus Klug, die als Chrysippus var. angenommen
wird, und die ich aus Zanzibar, Abessinien und Syrien besitze, nach-
ahmt, von woher ich freilich die ,nachahmende' Inaria nicht erhielt.«
Den Hauptgrund gegen die Annahme von Schutzfärbung bildet aber
das so häufige Vorkommen der für mimetisch angesehenen Flügeleck-
zeichnungen bei nicht raimetischen Faltern, besonders bei Nymphaliden.
Dabei handelt es sich, wie früher beschrieben, hauptsächlich um folgende
Gestaltungen:
i . um mehr oder weniger vollkommen gefleckte Flügeleckzeichnung,
wobei aber die innere zwischen III und IV oder IV und V/VI gelegene
Fleckung schon in ein Bandstück übergehen kann: cardui-Atalanta-lj^n?,
oder, auf die braunen Danaiden angewendet: Erippiis-Cfn ysippus , wobei
Chrysippus gegenüber von Erippus ein ausgebildeteres Bandstück hat.
2. um das Vorhandensein von äußeren Fleckchen und eines voll-
kommenen, III — IV (Gl oder IV — V VI (D), entsprechenden Schrägbandes.
Dieser Typus ist sehr schön ausgesprochen bei der in Afrika lebenden
weiß-schwarzen Danaide Amaitris niavius^) (Abb. 107) und dem mit ihr für
mimetisch gehaltenen Papilio Merope Q. (Abb. 108 ( A'?ai'iW6-Typus).
3. Fehlen die äußeren hellen Flecke und es bleibt nur das
Schrägband, so bei der Nymphalide Punopaea Poggei C [Pseudacraea
Pogget)"^], welche wiederum mit Chrysippus mimetisch sein soll, wie auch
die Nymphalide Euphaedra Huspina Q ^), dann die Euprepie Eusemia
Falkensteinii ^ und die Lycaenide Liptena sanguinea Q, endlich die zu
den Lithosiiden (Bombyciden gehörige Aletis Helcita. *)
Es haben aber dieselbe Farbe und denselben Zeichnungstypus wieder
Formen, welche in ganz anderen Gebieten leben, ja in solchen, in
welchen fast gar keine rotbraunen Danaiden vorkommen ^), wie die Nym-
phalide Celhosia Chrysippe^) im östlichen Australien.
Auch Cethosia luzonica auf den Philippinen ') ist nach demselben
Typus und in derselben Farbe gezeichnet, nur mit breiter schwarzer
Randbinde, wie auch Chrysippe [Huspinu-Tyipus).
Eine Anzahl Falter aus verschiedenen Familien mit derselben Eck-
flügelzeichnung, aber weißer Grundfarbe auf den Hinterflügeln (weiß-
1) Staud. Taf. 25. 2) e. Haase Taf. III. Abb. 22. 3 Sx. Taf. öl.
*) Vergl. die Zusammenstellung auf Taf. IV bei Haase.
5) Nach Kirby's Catalog kommt in Australien Danais petilia vor, auch rotbraun
gefärbt, aber mir sonst unbekannt. Auch Enppus soll jetzt bis nach Australien gekom-
men sein. Diese ist Celh. Chrysippe aber nicht ähnlich.
6) Staud. Taf. 34. '; G. Semper, a. a. 0. Taf. XVIII.
Eimer, Orthogenesis. • 4-1
162 Die hauptsächlichsten Entwicicelungsrichtungen der Tagfalter.
schwarze Färbung) hat Haase auf Tafel III, wie ])emerkt, als mimetisch
abgebildet: Panopaea [Pseudacraea) Circe Q (Nymphalide), Elymnias
phegea Q (Satyride), Papilio Cynorta, welche die, gleich ihnen in West-
afrika lebende Äcraea Gea Q (Abb. 1 05) ') nachahmen sollen. Dieser
Falter gehört aber zu den seltneren, wird also kaum in der Lage sein,
die anderen zu schützen. Auch käme nur das Weib von Gea in Betracht,
denn der Mann hat bräunliche Grundfarbe und auch bräunliche Eck-
flügelzeichnung.
Wir nennen den ganzen Typus mit einer zwischen III und IV oder
IV und V/VI gelegenen Schrägbinde und weißer Grundfarbe auf den
Hinterflügeln wegen der pseudomimetischen Rolle, welche Äci^aea Gea
oö'enbar spielt, den Gea-Typus. Die Falter vom G^a-Typus stehen am
nächsten den ebenfalls weißschwarzen Gliedern des iV/a^ms-Typus.
Der fiwsp/na-Typus umschließt die rotbraunen und weißen Danai-
den und alle Falter mit gleicher Eckzeichnung. Es mag noch hinzugefügt
werden, daß dieser Typus ebenfalls bei Faltern vorkommt, welche weit
entfernt von den vorigen leben, nämlich bei dem Weib von Cethosia
luzonica var. boholica auf den Philippinen 2) und bei Eresia Emerantia
aus Columbien (vgl. S. 194 und Taf. I).
4, Giebt es unter den Danaiden ebenso wie bei anderen nicht mi-
metischen Faltern solche, welche nur ein äußerstes Schrägband (zwischen
II und III) auf den Ecken der Vorderflügel haben. Dahin gehört z. B.
Euploea laetißca 3).
5. Kommen zwei den Zwischenräumen II — III und III — IV, bezw.
V/VI entsprechende Schrägbänder zugleich vor, z. B. bei den (^ der
Nymphaliden Ilypolinmas Bolina und Misippus, was wir hier nur er-
wähnen, weil das Q von Misippus der Danais Chrysippus ähnlich ist;
denn bei den Danaiden kommt dieser Typus, welchen wir nach Hypo-
limnas Bolina q^ den ßo/i/ia-Typus nennen, nicht vor.
6) Der Gea-niavius-Merope-Typus.
Vorderflügel mit weißem Mittelschrägband, häufig mit einem oder
mehreren Vorderflügel-Eckflecken, außerdem Randflecke als Fortsetzung
derselben nach hinten. Auf dem hinteren Teil der Vorderflügel dem
vorderen oder dem größten Teil der Hinterflügel ein großes helles,
zuweilen quergestelltes Innen- (selten noch Mittel-jfeld. Die Grundfarbe
weiß oder gelb oder gelbrot, schwarz umrahmt. Hinterflügel mit mehr
oder weniger ausgesprochener Fächerzeichnung.
Eine Vorstufe des Typus stellt die afrikanische (Goldküste) Pseuda-
craea Lucretia (Abb. 1 06) dar, mit hellen Flecken statt des Schrägbandes
auf den Vorderflügeln und noch mit einem Mittelfeld.
Der Typus ist ein ausschließlich afrikanischer mit teilweise unge-
1) Staud. Taf. 33. 2) g. Semper Taf. 18. Abb. 9. 3j Staud. Taf. 26.
Der Gea-niavius-Merope- oder Schrägband-Breitmittelfeld-Typus. 163
nießbaren Formen wie die Danaide Amauris niavius (Abb. 107) und Acraea
Gea (Abb. 105), welche von anderen, wie die genannten Hypolimnas, die
Satyride Ehjmnias phegea und Papilio Merope, nachgeahmt werden sollen,
mit welchen sie auch zusammen leben.
Von der genannten Pseudacraea an durch Gea (Abb. 105) bis zu Merope
finden wir eine Vergrößerung der hellen Färbung auf den Hinterflügeln und
dem hinteren Teil der Vorderflügel, welche
sich bei Merope (^ (Abb. 111) über die
ganzen Vorderflügel mit Ausnahme des
äußeren Flügelrandes ausbreitet. Diese
Merope (^, welche also über den T^^us
hinaus vorgeschritten und schwefelgelb
sind, sind den übrigen nicht mehr ähnlich.
Auch auf den Hinterflügeln nimmt bei ver-
schiedenen Formen dieser Männchen die
Einfarbigkeit zu: die Reste einer äußeren
und inneren Randbinde, welche als Flecke
bei manchen noch stark ausgeprägt sind,
treten bei anderen fast vollkommen zurück.
Auch die weiblichen Merope sind ver- Abb. ins. Aa-aca Gea f.
schieden, und nur ein Teil derselben ist
ähnlich der Acraea- und Danais-Form des Typus in weiß und schwarzer
Färbung:
1) die gelbroten, ähnlich den Männchen geschwänzten Weibchen
(var. Ruspinae] aus Abyssinien und die ähnlichen ungeschwänzten vom
Kap (var. Trophonius) gleichen eher dem Chrysippus-Ruspina-TYpns. Auch
bei ihnen ist, wie bei den Männchen, der größte Teil der Oberseite in
dieser Grundfarbe gefärbt. Zeichnung fast gleich M. niavioides (Abb. 1 09).
2) Schwefelgelbe Weibchen, den q^ sehr ähnlich, auch geschwänzt,
aber mit einem Rindenstück VIT auf den Vorderflügeln im Rereich der
Mittelzelle, leben gleichfalls in Abyssinien neben den vorigen und haben
keine mimetische Beziehung (var. Antinorii Abb. 1 1 0).
Aber auch die weiß-schwarzen Weibchen zeigen, wie der Typus
überhaupt, eine ganz verschiedene Ausdehnung des weißen Innenfeldes;
es handelt sich auch hier, wie bei den Männchen und schon beim vorigen
Typus, um fortschreitende Vergrößerung dieses Innenfeldes:
3) bei der gleichfalls in Abyssinien vorkommenden geschwänzten
niavioides (Abb. 109) ist das Innenfeld fast so weit ausgedehnt wie bei den
gelbroten und sie ist dadurch dem Typus ebenfalls kaum mehr ähnlich.
4) die schwarz-weiße var. hippocoon der gewöhnlichen Merope Q,
(Abb. 1 08) gleicht Amauris niavius am meisten. Sie hat noch die ur-
sprünglichste, an Ps. Lucretia und A. Gea anschließende Zeichnung.
Alle diese Formen sind unter den angegebenen Namen bei E. Haase
auf Tafel I als mimetisch mit Danaiden abgebildet').
Statt niavioides heißt es dort niavina.
Iß4 Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
Abb. IOC. Pseudacraea Lucretia CfiAM.
1/2 nat. Gr.
Abb. 107. Amauris tiiarius L.
V2 nat. Gr.
Abb. 108. Papilio Merope L.
Q 1/2 nat. Gr.
Abb. 109. Papilio Merope L. var. niavioides Kleit.
Q 1/2 nat. Gr.
Abb. 110. Papilio Merope L. var. Antinorii Oberth.
Q '/2 nat. Gr.
Abb. 111. Papilio Merope L.
(S V2 nat. Gr.
Der Gea-niavius-Merope- oder Schrägband-Breitmittelfeld-Typus. 165
Hewitson bildet als hippocoon auch gelbrote und hinten nait gelblich-
rotem, vorne weißem Innenfeld, auch eine mit weißem Innenfeld —
alle mit weißem , eine mit gelbrotem Schrägband ab '). Haase bildet
weiter auf derselben Tafel eine var. (bezw. subspec.) Tibullus Cenea ab
mit gelbem kleinem Innenfeld und weißen Eckflecken und auf Tafel VI
unter demselben Namen eine Form mit noch kleinerem dunkelgelbem
Innenfeld und ebensolchen Eckflecken, welche wie auch die ihr, bezw.
der vorigen, ähnliche P. echerioides und HypoUmnas niima die Danaide
Ämauris echeria nachahmen sollen.
Die Eckflecke, welche bei den genannten Faltern statt eines Schräg-
bandes vorkommen und sich also auch bei einigen weiblichen Merope
finden, entsprechen derselben Zeichnung bei HypoUmnas dubius.
In diesen Weibchen von Merope haben wir also bezüglich
der Zeichnung eine fortlaufende Reihe von Umbildungsstufen,
ganz dieselbe, welche die verschiedenen Formen des Typus
zeigen und ebenso eine Farbenfolge von Weiß, Gelb, Gelbrot.
Die Umbildung zielt auf Einfarbigkeit der Oberseite unter Verdrängen
der schwarzen Grundzeichnung auf die Vorderflügelecke und den Rand
der Hinterflügel, bei den schwefelgelben Weibchen aus Abyssinien und
bei dem stets so gefärbten Männchen unter Verschwinden des Schräg-
bandes der Vorderflügel, während ein Fleck als Zwischenraum zwischen
II und III übrig bleibt (B). Dadurch entsteht eine Zeichnung ähnlich der
mancher Pieriden.
Indem die Verschiedenheit der Weibchen also einfach auf fort-
schreitende Entwickelungsrichtung zurückzuführen ist, und weil drei
auch in der Farbe ganz verschiedene, vom Typus sich sehr entfernende
Weibchen zusammen in Abyssinien vorkommen, so ist hier an mime-
tische Beziehungen zu ungenießbaren Faltern wiederum kaum zu denken.
Wenn nicht für alle drei weiblichen Formen ungenießbare »Vorbilder«
in Abyssinien gefunden werden können, so müßte nach der Lehre von der
Verkleidungsanpassung wohl nur diejenige zur Ausbildung gekommen
sein, welche solchen Vorbildern noch am ähnlichsten ist und denselben
auch etwa in der Größe entspricht, nämlich die schwarz-weiße. Ein
schwefelgelbes »Vorbild« giebt es nicht. Von Gelb-roten leben
nur die viel kleineren und ungeschwänzten Danais Chrysippus
ungenießbar im Gebiete der Merope.
Schließlich sei noch hervorgehoben, daß Papilio Dolicaon aus Süd-
amerika, also wiederum weitab von den Merope, ganz dieselbe Ent-
wickelungsrichtung wie die schwefelgelben abyssinischen, mit dem Rest
von Binde VII gezeichneten Merope -Weihchen zeigt 2).
Zu dem hier behandelten Typus gehören auch die bei Staudinger-^)
abgebildeten HypoUmnas Salmacis von Westafrika und H. imperiaUs
von Deutsch-Ostafrika. Beide sind aber sehr vorgeschritten. Der erstere
1) Hewitson Bd. I. Taf. \ 2.
2) Vergl. Staud. Taf. 12. 3) Staud. Taf. 47.
166 Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
ist auf dem größten Teil der Hinter- und auf dem hinteren Teil der
Vorderflügel einfarl>ig weiß, und bleibt bei ihm auf den Vorderflügeln
nur ein schrägbandartiger Rest des Schwarz der Zeichnung und oben
eine schwarze Flügelecke. Imperialis hat auf Vorder- und Hinterflügeln
unten ein breites weißes Schrägband, oben statt des letzteren einen
weiß und blauen Fleck.
7) Der Bolina-Alyattes- oder Sechs- und Vierfleck-Typus.
ist dadurch gekennzeichnet, daß auf den Vorderflügeln ein oder zwei
und in der Regel zugleich auch auf den Hinterflügeln ein großer Fleck
entstanden sind, die ersteren aus einem Außenband (aus dem Zwischen-
raum zwischen Binde I und II oder II und III oder I bis III) und Mittelband
(zwischen IV und V/VI oder IV und VII) , so bei Hypolimnas Bolina, oder
zuweilen aus einem Stück Mittelfeld, wie bei manchen Alyaües. Der
Außenbandfleck kann fehlen und fehlt stets bei den ^/?/aWes-ähnlichen.
Bemerkenswert ist es, daß eine ähnliche Zeichnung : Auftreten eines
hellen oder farbigen großen Fleckes in der dunkeln Grundfarbe der
Vorder- und der Hinterflügel, wiederum bei ganz verschiedenen Familien
homöogenetisch, bezw. heterhodogenetisch auftritt: so bei Nymphaliden,
Pieriden und bei südamerikanischen Papilio^s, wegen welcher ich den
Typus mit als Alyattes-Tyi>us bezeichnet habe, nach Papilio Alyattes (^
(Abb. 113)1). Näheres hierüber vergleiche man später.
Die £o/ma-Form, welche sich bei Nymphaliden, Satyriden und Ery-
ciniden findet, geht überall aus dem Eckfleck-Schrägband-Typus hervor
und findet sich schon bei Fanessa-artigen Faltern wie lunonia Wester-
manni aus Westafrika 2).
Für die Grundform, von welcher wir bei der Z?o/ma- Abteilung aus-
gehen, vergleiche man Hypolimnas Bolina q^ (Abb.1 12) und //. Misippus cf ^).
Die Q dieser Falter, besonders das von H. Bolina, und die Unterseite der
(^ zeigen in sehr hübscher Weise, wie der Sechsfleck-Typus hier ent-
standen ist. 4) Auf der Unterseite erscheint als frühere, ursprünglichere Ent-
wicklungsstufe auf den Vorderflügeln eine Außenbandzeichnung und ein
Mittelband als ausgesprochenes Schrägband, auf den Hinterflügeln aber
ist statt des Fleckes der Oberseite ein Mittelfeld vorhanden. Was beim (^
auf der Unterseite an Zeichnung vorhanden ist, findet sich im wesentlichen
beim Q auf Unter- und Oberseite. Das Q bleibt also auf der tieferen
Stufe der Entwicklung stehen, welche das (^ nur auf der Unterseite noch
zeigt. Auf der Oberseite ist das (j^ zur Sechsfleck-Zeichnung vorgeschritten
(männliche Präponderanz und supero-inferiore Umbildung).
Ähnliche Beziehung zeigen Q und cf von Catonephele Numilia^).
Wenn die Farben nicht verschieden wären, könnten auch hier zahl-
reiche pseudomimetische Formen aufgestellt werden, so z. B. Catonephele
1) Staud. Taf. 8. 2) St. Taf. 37. 3) St. Taf. 46.
4) Vergl. St. ebenda. 5) Staud. Taf. 41.
Der Bolina-Alyattes- oder Großflecken-Typus.
167
\uimlia (^ , Hypolimnas Bolina (f und Misippus (;f und Euthalia
Plateni^).
Numilia hat ockergelbe Flecke und lebt in Surinam und am Ama-
zonenstrom; die Hypolimnas haben weiße, blauschillernde Flecke und
leben im indischen Gebiet [Bolina) und über dasselbe hinaus, durch
Afrika bis nach Syrien [Misippus)\ Plaleni hat schwefelgelbe Flecke und
lebt auf den Nord-Molukken.
Bii
Abb. 112. Hypolimnas Bolina L. ^
Einen Anfang der Sechsfleckbildung, allem Anschein nach aus Limc-
nitis bezw. Vanessa- kvien heraus, zeigt Phyciodes
Ezra 2) von Mittelamerika und Cystineura tele-
boas^) von den Antillen.
Zum T)"pus gehören weitere Arten aus den
verschiedensten Vaterländern : unter den Nym-
phaliden Cyclogramma himaculata^) aus Mexico,
welcher der Hinterflügelfleck fehlt, wogegen er
bei Cybdelis mnasylus^) u. a. allein vorkommt.
Unter den Satyriden: Pierella hortona^) vom
Amazonenstrom , auf den Vorderflügeln nur mit
dem Mittelband (blau). Unter den Eryciniden:
Monethe Paulus ^) vom oberen Amazonenstrom (gelb)
u. a
S'
Mit blauer Grundfarbe und einem weißen
Vorderflügelfleck (Mitlelband) : Aricoris Jansoni^]
von Mittelamerika.
Abb. 11:3. Papilio Alyattes (5-
1; St. Taf. 33. 2
Ebenda. 61 St. Taf. 77.
St. Taf. 36.
• St. Taf. 89.
St. Taf. 44.
8) Ebenda.
4) St. Taf. 40.
9) St. Taf. 93.
168 I^ic hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
Merkwürdige pseudomimetische Formen sind die mit ihren Vorfahren
wohl in die Nähe dieses Typus gehörenden, Pijniwgyra amphira^) unter
den Nymphaliden und Thisbe irenaen'^] (beide am Araazonenstrom lebend)
und Nymphidium lycorias^) (Columbien , Mittelamerika) unter den Eryci-
niden, die erstere offenbar verwandt mit der nach der Zeichnung der
Oberseite dem Bolina-Typus nahestehenden Nymphalide Vüa mariana'^)
(Amazonenstrom).
Bei allen vier ist die Unterseite ganz eigentümlich gefärbt durch
weiße, schwarz und rot oder rotbraun eingefaßte Felder, welche man
als Abkömmlinge der Vorder- und Hinterflügel-Zeichnung des Typus er-
kennt. Auf der Oberseite haben die drei erstgenannten Falter ein
breites weißes, vom hinteren Teil der Vorderflügel auf die Hinterflügel
sich erstreckendes Mittelfeld, das noch weiter ausgebildet, bezw, ver-
größert ist bei Pyrrhogyra neaerea aus Mittel- und Südamerika -^j,
welche auch auf der Unterseite in der Zeichnung gegenüber den übrigen
genannten Arten zu Gunsten der Vergrößerung eines weißen Mittelfeldes
vorgeschritten ist.
C. Querstreifuug durch Schwarzfärbuug der Adern, als
Entwickelungsriclitung.
Ein weiteres hervorragendes Beispiel unabhängiger Entwickelungs-
gleichheit (Homoeogenesis) bei nicht unmittelbar verwandten Formen,
welches durch auf Verkleidung (Mimicry) gegründete Zuchtwahl zu er-
klären versucht oder bisher als selbstverständlich in diesem Sinne be-
handelt worden ist, bieten die meist farblosen oder weißen (auch
gelblichen oder grünlichen), entsprechend den Adern schwarz-
quergestreiften, zum Teil schwarzgefleckten Falter aus den
Gruppen der Danaiden, welche die ungenießbaren, nachgeahmten, und
der Papilioniden, Pieriden, Nymphaliden, Satyriden, welche die nach-
ahmenden sein sollen. h^
' Bei den Schwalbenschwänzen beschrieb ich''), und zwar bei Papüio
Machaon, die Entstehung und das Fortschreiten solcher Querstreifung durch
Schwarzfärbung der Adern und die vollkommene Ausbildung derselben
bei P. Xuthus und Xuthulus, wo auch eine schon bei Machaon vorbe-
reitetete entsprechende Streifung der Mittelzelle der Vorderflügel zur
Vollendung gekommen ist. Abgesehen von dieser letzteren Eigenschaft,
welche den Eindruck der Querstreifung nur noch erhöht, stellt Papüio
Xuthns (Abb. ii4, 115) schon den Typus dar, nach welchem die ähnlichen
Falter der übrigen genannten Familien gezeichnet sind. Ich nenne diese
Zeichnung daher den
1) Staüd. Taf. 44. 2, st. Taf. 92. 3; Ebenda. *) St. Taf. 44. 5) St. Taf. 44.
^) in »Artbildune und Verwandtschaft bei den schwalbenschwanzartigen Schmet-
terlingen«.
Xuthus -Typus.
169
8) Xuthus-Typus.
Xuthus und \uthulus leben im Amurgebiete, Xuthus auch in Japan
Der entsprechend gezeichnete P. Xenocles^) (Abb. 121) lebt jenseits des
Himalaja Sikkim — von Mimicry zwischen ' beiden kann also keine
Rede sein, sondern nur von unabhängiger Entwickelungsgleichheit.
Abb. 114. Pnpilio Xuthus L. Oberseite.
Abb. 115. Papilio Xuthus L. Unterseite.
Unter den Pieriden gehört hierher, in
den hellen Großfleck- oder Leo7iidas -Ty^as
übergehend, Pieris Agathon (Abb. 116, wo die
Unterseite dem ursprünglichen Typus mehr
entspricht als die Oberseite, weil ihre Grund-
farbe noch weiß (gelblich angeflogen, beim
2 ganz gelb), die der Oberseite grünlich ist,
beim Q dunkler.
Meist sind die Q der »nachahmenden«
Falter den nachgeahmten ähnlicher, und dies
wurde dadurch zu erklären versucht, daß die
$ schutzbedürftiger seien. Es handelt sich
aber in solchen Fällen einfach darum, daß
das Q. auf tieferer Stufe der Entwicke- Abb. iie. Piens Agathon grax
1) Staud. Taf. .3.
170 Dit^ hauptsächlichsten Entwickelungsrichtiingen der Tagfalter.
lung stehen gehlieben, während das (J' vorgeschritten ist, und
dies ist überhaupt der gewöhnliche Fall: männliche Präponderanz. Bei
Pieris Agathon aber haben wir den selteneren Fall der weiblichen Prä-
ponderanz.
Daß es sich beim AM//?MS-Typus nicht um Mimicry handeln wird,
beweisen auch die Fälle, wo größere Ähnlichkeit von Pieriden mit Da-
naiden auf der Unterseite vorhanden ist: bei Pieris Eperia^) z. B. ist
nur die Unterseite nach dem A?///n^s-Typus gezeichnet, die Obersfeite ist
bis auf eine schwarze Flügeleckzeichnung weiß. Es ist also auch hier
die Oberseite gegenüber der Unterseite vorgeschritten. *
Gegen Mimicry spricht ferner die Thatsache, daß gerade bei Pieriden
der Xw^/«<5-Typus zuweilen nur auf den Vorderflügeln (z. B. Piey^is
Emma)'^) oder nur auf den Hinterflügeln (z.B. P. severina)^] aus-
gebildet ist, während bei Emma die Hinterflügel noch dazu auffallend
gelb gefärbt sind.
Endlich spricht gegen Mimicry die Thatsache, daß manche Pieriden
mit Xwi/ius-Zeichnung ein strahlend rotes Binnenfeld [Deiias Pijramus)^)
oder gelbe Färbung im Binnenteil des oder der Flügel haben: bei Da-
naiden kommt Derartiges nicht vor.
Bei Deiias Eucharis^], wo vorzüglich die Unterseite wieder den
ausgesprochensten Aw^äm« -Typus zeigt, sind gar die Hinterflügel innen
gelb, außen mit roter Randbinde versehen.
Bei Eronia Valeria ^] ist das ^ Aw//ms-ähnlich, hat aber in der Ecke
der Hinterflügel der Oberseite gelbe Färbung. Das (^ ist fast zur
Einfarbigkeit vorgeschritten , es ist unten einfarbig bläulichweiß , oben
mit schwarzer Randbinde und Flügeleckzeichnung.
Alle diese Fälle führen die Annahme von Verkleidung geradezu ad
absurdum!
Unter den Nymphaliden ist Penthema Lisarda, ein sehr großer
Falter, A?/^/ms-ähnlich gezeichnet^), lebt aber in Darjeeling.
Unter den Satyriden wäre Orinoma Damaris mit gelber Grundfarbe
zu nennen, welche aber schon den Beginn der Fleckzeichnung zeigt,
entstanden durch seitliche Verschmelzung der Querstreifen. Auf den
Vorderflügeln ist auch Zethera pimplea Q Xuthics - ähnlich, gezeichnet,
hinten tritt Fächerzeichnung auf (vergl. später). Damaris lebt am Hima-
laja, in Assam und Birma, pimplea auf den Philippinen. '')
Ganz anders als das Q ist, wie wir schon wissen, das q^ von pimplea
gezeichnet (Abb. 68): auf beiden Seiten weit vorgeschritten, schwarz mit
breitem weißem Mittelfeld: es hat die größte Ähnlichkeit z. B. mit Papilio
Zenobia cf (Abb. 69) aus Afrika! Bei pimplea handelt es sich wieder,
wie auch in mehreren der vorgenannten Fälle, in der Zeichnung und
Färbung des einen Geschlechts gegenüber dem anderen um schönste
Beispiele für Halmatogenesis.
Die nachgeahmt sein sollenden Aw^/ms-ähnlichen Danaiden weisen
1) Staud. Taf. 1 8. 2) Ebenda. 3) Ebenda. *) St. Taf. 1 9. 5) Ebenda.
6; St. Taf. 21. ^) St. Taf. 48. §) St. Taf. 79.
Xuthus- Typus.
171
zum Teil mehr oder weniger schwarze Fleckung auf, hervorgegangen
aus bei Xuthus noch teilweise oder ganz erhaltenen Grundbinden. Bei
Hestia Idea (Abb. 117] z.B. sind äußere, bezw. Randflecke vorhanden,
gebildet aus Binde I, II und III, dann aus V/VI und VIII. Dieselbe
Entwickelungsrichtung bei gewissen Papilioniden erzeugt wiederum eine
als Mimicry verwertete Ähnlichkeit. (Man vergleiche hierzu z. B. Papilio
idaeoides^] von den Philippinen.)
Der von E. Haase'-) als mimetisch mit der Danaide Ideopsis Daos
(Abb. 120) abgebildete Papilio Laodocus s. Delessertü [Abb. 1 19) ist einer der
nächsten Verwandten des schon erwähnten P. Xenocles (Abb.121), nur ist die
Randbinde bei ersterem schon
in Flecke aufgelöst Heterepi- //j
stase). Beide haben aber im
Gegensatz zu Ideopsis Daos
in der Mittelzelle noch eine
größere Anzahl (bei beiden
fünf) Grundbindenstücke,
w^elche nach innen mit ge-
färbten Adern secundär ver-
schmolzen sind, also einen
noch ursprünglicheren Zu-
stand darstellen, als er bei
Xuthus vorhanden ist (Heter-
epistase). Ob die Ähnlichkeit
zwischen Laodocus und Daos
zur Annahme von Mimicry
genügen würde, erscheint
besonders nach der Abbil-
dung der letzteren bei Stau-
DixGER ^ sehr zweifelhaft,
denn darnach ist Daos eine
spärlich gezeichnete Form,
und jedenfalls ist sie nur
gefleckt. Laodocus und
Daos kommen auf Sumatra
vor. Aber es giebt andere
Ideopsis-Arten auf den Phi-
lippinen, welche im allgemeinen Aussehen der sumatranischen Laodocus
viel ähnlicher sehen als Daos, so z. B. Ideopsis anapis und GlaphyraJ)
Dagegen lebt die diesen philippinischen Arten gleichfalls sehr ähn-
liche Satyride Zethera hestioides^) auch auf den Philippinen, ob aber mit
jenen zusammen, ist mir unbekannt.
Ziemlich ursprüngliche Am^/h<s- Querstreifung, aber mit teilweiser
1) Hewitson Taf. I Fig. 2. 2 e. Haase Taf. 7 Fig. 43. 44. 3) Staud. Taf. 24.
*} Vgl. G. Semper »Die Schmetterlinge der philippinischen Inseln« I, Taf. 2 Fig. 1 — 3.
5) G. Semper ebenda Taf. 7 Fig. M," Haase Taf. 7 Fig. 43.
Abb. 117. Hestia Idea Ct.
172 öie hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
rechtwinkliger Verbindung der Grundbinden besonders in den Ecken der
Vorderllügel, wodurch eine helle Fleckung entsteht, hat z. B. Danais me-
laneus (Abb. 1 22), dann Papilio Macareus, dissimilis, Xenocles, sämtlich aus
dem ostindischen Gebiet, und Papilio Leucadion ') von den Molukken. Hier
ist Ähnlichkeit vorhanden, welche im allgemeinen dem Schutze voll-
kommen genügen könnte, aber keiner der genannten Papilio's ist hier —
in demselben Gebiet — der Danaide im einzelnen so ähnlich, wie dies
bei weit auseinanderlebenden , obschon verschiedenen Familien zu-
gehörenden Formen wie in den vorhin genannten Fällen vorkommt;
dagegen haben sie unter sich größere Ähnlichkeit als mit der nachge-
ahmt sein sollenden Danaide.
Sehr ähnlich Danais melaneus ist dagegen wieder die auf den nörd-
lichen Molukken lebende Pieride Eronia Argolis 2? während der Mann
dieses Falters durch breiten schwarzen Rand und grünlichweiße Grund-
farbe weiter vorgeschritten ist.
Manche Danaiden behalten die Queraderzeichnung und weiße oder
weißliche Grundfarbe nur auf den Vorderflügeln, während die Hinter-
jQügel farbig werden'^), andere verhalten sich umgekehrt. Das letztere
ist der Fall bei der D. Hegesippus^) genannten Abart von D. Plexippus,
welche mit Ausnahme der cardui-arüs^en Vorderflügeleckzeichnung ganz
braun ist. (Ähnliches Verhältnis zeigt die Alcippus genannte Abart von
Chrysippus.) Bei den asiatischen Hegesippus und Plexippus ist noch schwarze
Aderung vorhanden. Indem diese schwindet, erscheinen meist einfarbig
braune Formen mit schwarzer weißgefleckter Randbinde und Flügeleckzeich-
nung wie : Danais Erippus in Amerika, Chrystppus (Abb.1 04) in Afrika, Asien.
Die auffallendste Ähnlichkeit mit einer Danaide in diesem Typus,
nämlich mit Danais Titya (Sikkim), mit ihr zusammenlebend, zeigt Papüio
Agestor in Zeichnung, Farbe und Flügelform, insbesondere auf Grund der-
selben Verschiedenheit der Farbe auf Vorder- und Hinterflügeln ^), so daß
man hier ganz besonders geneigt sein wird, eine Anpassung oder gar
Nachahmung anzunehmen. Es muß aber hervorgehoben werden, daß es
andere Falter mit nicht minder großer solcher Ähnlichkeit, auch in Ver-
schiedenheit der Farbe auf Vorder- und Hinterflügeln giebt, bei welchen
von Mimicry keine Rede sein kann, so Limenitis Zayla (Abb. 66) und Adelpha
Erotia (Abb. 67).
D. Fächer -Zeiclmung.
9) Lyra-Typus.
Wenn die Aderung auf den Hinterflügeln breit schwarz gefärbt und
regelmäßiger nach außen und hinten gerichtet ist, statt wenigstens im
vorderen Teil mehr quer zu stehen, entsteht eine fächerartige Zeichnung.
Der Eindruck derselben wird verstärkt, w^enn im Zwischenfelde zwischen
je zwei Adern abermals ein schwarzer, bezw. dunkler Streifen auftritt,
1) Staüdinger Taf. i 3. 2) Danais Titya St. Taf. 25. ^) Ebenda.
4) E. Haase Taf. YII Fig. 46 und 47.
Fächerzeichnung' (Lyra-Typus). 173
und besonders wenn in der Mittelzelle eine der Länge derselben gleich-
laufende Streifung entsteht, wie sie bei Xuthus in der Mittelzelle der
Vorderüügel vorhanden ist. Auf dieselbe Weise, wobei wieder die
Streifung der Mittelzelle eine Rolle spielt, kann Fächerzeichnung auch
auf den Vorderflügel gebildet werden. In beiden Fällen müssen aber diese
Streifen der Mittelzellen entweder in die schwarzen Adern oder in die
schwarzen Zwischenstreifen übergehen, damit Fächerzeichnung, d. i. der
Eindruck einer Streifung entstehe, welche vorn wie hinten von der Flügel-
wurzel mehr oder weniger regelmäßig auseinander tretend nach vorne,
bezw. hinten und außen geht.
Indessen kann auf Grund des Auftretens jener Zwischenstreifen im
Zusammenhang mit Fächerform der Flügel auch ohne die Streifung der
Mittelzelle und bei stark dunkelm Binnenfelde Fächerzeichnung entstehen.
So z. B. bei Lyrapteryx ApoUonia und lijrck^ und Melhonetia CaecUia
(Abb. 1 1 8) unter den Eryciniden.
Der Beginn jener Fächerstreifung auf
Grund des Verhaltens der Mittelzelle ist
noch nicht bei Xuthus, wohl aber bei man-
chen anderen Papilioniden, wie z. B. bei
Pap. Gigon^), dann bei Aristolochienfaltern
zu sehen, z. B. bei dem Q von P. Dei-
phontes ^) , während beim (^ nur außen
Fächerzeichnung vorhanden ist, Binnen-
und Mittelfeld aber einfarbig schwarz ge-
worden sind. Alh. 118. Methonella Caecilia Gram.
Eine zweite Art der mit durch Zeich-
nung der Mittelzelle der Vorderflügel bedingten Fächerzeichnung entsteht
dadurch, daß die Grundbinden nicht mehr quer über dieselben weglaufen,
sondern sich schräg nach außen richten und je in die Adern sich fort-
setzen, wie dies bei P. Xenodes (Abb. 121) schon beschrieben worden ist.
Besonders hervorzuheben ist mit Beziehung auf das auch sonst so
weit verbreitete Verhalten der Zeichnung, daß diese und ihre Umbildung
im Bereich der Mittelzelle bei Xenodes mit dem Verhalten der Aderung
gar nichts zu thun hat.
Wie diese merkwürdige Entwickelungsrichtung der Fächerstreifung in
ihren Anfängen, aber schon ausgesprochen zum Ausdruck kommen kann,
zeigen mir die Abänderungen an zahlreichen Stücken von Danais melanrus
(Abb. 122, 12t), welche ich aus Java der Güte des Herrn Forstmeister
Seubert verdanke.
Einzelne Falter werden dunkler dadurch, daß die Aderung breiter
schwarz wird und daß sie im äußeren Teil der Vorderflügel teilweise
zusammenfließt, wodurch eine helle Fleckung entsteht. — Schon die
hellsten haben in der Vorder- und in der Hintermittelzelle und in der
hinter der ersteren gelegenen Zelle einen der Länge derselben nach
1; Staüd. Taf. 89. 2j St. Taf. 4. 3) St. Taf. 5.
174 Die hauptsächlichslen Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
I n
Abb. 119. Papilio Laodocns Dehaan. Q.
Abb. 121. Papilio Xenocles Dodbl.
Abb. 120. Ideopsis Daos Bolsd. Q,.
Abb. 122. Danais melaneus Cram.
Abb. 12H. Danais melaneus Cham.
Die Entstehung allgemeiner Fieckzeichnung. 175
verlaufeaden Streifen (+ in den Abb.), die dunkleren in den letzteren
deren zwei. Zugleich entstehen im Binnenraum von gewöhnlichen
Flügelzellen einzelne ebenso breite Zwischenstreifen. Dadurch wird die
Streifung im mittleren Teil der Flügel fächerförmig — außen ist sie es
auch hinten nicht, weil der Rand überall gefleckt ist.
Bei den Bestien (vergl. Abb. 1 1 7) ist die unvollkommene Ausführung
dieser Entwickelungsrichtung klar zu überblicken.
Die Thatsache des Vorkommens dieser Fächerzeichnung auf Grund
derselben Umbildung bei den verschiedensten Familien ohne unmittelbar
verwandtschaftlichen Zusammenhang der betreffenden Formen und ohne
daß in den meisten Fällen von irgendwelcher biologischen Beziehung
auch nur geredet werden kann, endlich bei verschiedenster Färbung und
Größe der Falter ist ein sprechendes Beispiel für Homoeogenesis und
gegen die Bedeutung der Zuchtwahl, bezw. Mimicry bei ähnlich umge-
bildeten Schmetterlingen: die die Fächerzeichnung bedingenden
secundären Streifen liegen auf Falten, welche zuweilen nach-
weisbar der Lage ehemaliger Tracheen entsprechen.
E. Die Eutstehnug allgemeiuer Fleckzeicliuuug
geschieht bei den Tagfaltern auf verschiedene Weise, entweder durch
Übrigbleiben heller Flecke in der Grundfarbe, indem die Gruudbinden
oder die schwarzen Striche der verschiedenen Adern quer untereinander
verschmelzen oder durch Übrigbleiben von fleckartigen Resten der Grund-
binden. Überall handelt es sich um bestimmte Entwickelungsrichtungen,
welche vielfach bei verschiedenen Gruppen und Familien zur Ähnlichkeit
führen.
A. Entstehung heller Fleckzeichnung.
Dieselbe erscheint im weiten Umfang als Randzeichnung oder als
Zeichnung des äußeren Teils des Außenfeldes überhaupt infolge von
nur teilweiser seitlicher Verbindung der Binden I und II und II und III.
Unter den Papilioniden kommt sie bei den höher umgebildeten
Segelfalter-ähnlichen zuerst auch im Bereich der Mittelzelle der Vorder-
flügel durch unvollkommene Verschmelzung der dort vorhandenen Grund-
bindenstücke zum Ausdruck und weiterhin infolge von Schwarzfärbung
der Adern im Bereiche des schmal gewordenen Mittelfeldes. ') Alle diese
drei Umbildungen geben z. B. P. Agamemnon'^) und Verwandten den
Zeichnungscharakter.
10) Leonidas- oder heller Grofsfleck-Typus.
Auf ähnliche Weise ist* auch die Zeichnung von P. Leonidas^), P.
Demoleus ^], P. Leucadion^ u. a. entstanden.
1) Vergl. meine »Segelfalter« Taf. IV. 2j Staud. Taf. 6. 3; St. Taf. 6.
4) St. Taf. i 3. ^5) Ebenda.
176
Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
P. Leonidas (Abb. 124) hat die größte Ähnlichkeit mit der auf dieselbe
Weise gebildeten Danais Limniace ') ; ersterer lebt in Afrika und ist weit
verbreitet, Limniace lebt in ganz Ostasien, auf den Philippinen u. s. w.. aus
Afrika erhielt sie Staudinger aus der Gegend von Sansibar und von der
Goldküste. Sie scheint in Afrika nicht häufig zu sein. Die gegenseitige
Verbreitung dieser zwei Falter spricht aber
wiederum gegen Verkleidung und ebenso die
bezügliche Häufigkeit in Afrika: die »nach-
ahmende« Art wäre hier die viel häufigere.
Ob beide überhaupt zusammen vorkommen,
wäre erst festzustellen, weiter, ob sie zu-
sammen üiegen. Aber Bejahung dieser Fragen
würde immer noch nicht für Verkleidung
entscheiden, da die Art, welche als die nach-
ahmende aufzufassen wäre, in weiten Gebieten
wohnt, in denen die Danaide nicht vor-
kommt 2). In Afrika lebt nämlich keine andere
weiße Danaide als Limniace. Es ist also
wieder keine Verkleidung anzunehmen, trotz
der großen Ähnlichkeit der beiden Falter.
Ähnlich, auf Grund derselben Entwicke-
lungsrichtung, sind sich ferner P. Leucadion^)
auf den Nord-Molukken und Danais Cleona'^)
auf den Molukken und Gelebes, ferner Danais [Chitlira] luzonensis^).
Dieselbe Entwickelungsrichtung beginnt bei Pieris Agalhon vom Hi-
malaja (Abb. 116). Pieris Emma^) hat die typische Zeichnung, wie gesagt,
nur auf den Vorderflügeln, hinten ist dieser Falter einfarbig gelb. Pno-
neris Thestylis hat sie nur noch auf der Unterseite, und Pieris Severina
(Afrika) nur noch auf der Unterseite der Hinterflügel ausgesprochen '^).
Ferner ist entsprechend gezeichnet die Pieride Eronia Valeria'^), die Satyride
Orinoma Dumaris, aber mit gelber Grundfarbe ^), die Nymphalide Heslina
assimiiis^'^], aber hinten mit roten Flecken.
Abb. 124. Papilio Leonidas F.
11) Midamus-Anomala- oder heller Kleinfleck-Typus.
Indem die hellen Flecke in Folge zunehmender Verbreiterung des
Schwarz der Grundbinden, bezw. Adern immer kleiner werden, entstehen
zuletzt fast einfarbig dunkle oder weiterhin auch anders gefärbte, beson-
ders blauschillernde Schmetterlinge mit weißen kleinen Flecken als
1) Staüd. Taf. 24.
2) R. Trimen, » South -African butterflies«, London 1889, giebt aus Süd-Afrika zwar
Leonidas, nicht aber Limniace in seinem Verzeichnis an.
3) Staüd. Taf. 13. 4) St. Taf. 24. &; Semper a. a. 0. Taf. II.
6) Staud. Taf. 18. 7) St. Taf. 20. «) St. Taf. 21. 9} St. Taf. 79.
10) St. Taf. 47.
Midamus-Anomala oder heller Kleinfleck-Typus. 177
Resten der hellen Grundzeichnung, wie z. B. manche Euploeen unter den
Danaiden, so Euploea Midamus u. aJ). Die Flecke sind, so spär-
lich sie sein mögen, nicht unregelmäßig gelagert, sondern sie erscheinen,
besonders auf den Vorderflügeln, in bestimmter Anordnung als Reste
der Zwischenräume zwischen bestimmten ursprünglichen Grundbinden,
besonders I— II, II— III, III— IV, auch V/VI, VII— VIII (vgl. z. B. Euploea
Midamus [Abb. 1251).
Es giebt nun zahlreiche Falter aus anderen Familien, welche diesen
Danaiden sehr ähnlich sind. E. Haase hat auf seiner Taf. VIII eine
Anzahl als mimetische abgebildet. Ich nenne unter den Nymphaliden:
Stibockiona nicea'^) (Nord-Indien, besonders Sikkimj, Hypolimnas alimena^)
(Molukken, Australien), anomala^) (Sunda-Inseln, Philippinen), unter den
Satyrideu: Elymnias beza^] (Philippinen), Me-
lanitis Malelas = Elymnias M. ^) (Ostindien). ABC
Dann giebt es zahlreiche ähnliche Papilio-
niden, wie Pap. paradoxa (Borneo, Java), P.
Caunus (Malakka, Borneo), P. Telearchus
(Himalaja) u. a.
Fast alle diese Falter haben den blauen
Schiller der Euploeen auf der Oberseite. Fast
alle fliegen im feuchtvvarmen Gebiete des
indischen Oceans. Dort im Urwald scheint
die ursprüngliche Heimat aller dieser Falter
gesucht w^erden zu müssen, und es dürften
äußere, klimatische Ursachen gewesen sein,
welche dieselbe bedingt haben. Dafür spre-
chen weitere Thatsachen : Herr L. Martin^) Abt. 12:-.. Etipioca siidamus l. c _
hebt die meist dunkelblaue oder violette
Färbung aller auf Sumatra im wirklichen Urwald fliegenden Tagfalter
hervor, im Gegensatz zu der von 0. Monike^) bedauerten Abwesenheit
oder Spärlichkeit blauer Blüten in den ewig grünen Wäldern des
Archipels. >Mir scheinen«, sagt er, »die geflügelten Bewohner derselben,
die Lepidopteren, mit ihrer so auffälligen, allein dem Walde angehörenden
Färbung berufen, gut zu machen, was Flora's Kinder durch ihre Einsei-
tigkeit verschulden. Selbst die Lycaeniden . . . erglänzen in tieferem
Blau, wenn sie Waldbewohner geworden sind. Beweis dafür die der
Lycaena (Lampides) elpis so ähnliche, nur tieferes und metallisches Blau
zeigende Lycaena (Lampides) pseudelpis und zahlreiche Narathura- und
Amölypodia-Arten. «
»Die einzige im tiefen Walde vorkommende Mycalesis: M. orseis
1) Staud. Taf. 25, 26. 2> St. Taf. 45. 3i St. Taf. 46. ^] St. Taf. 47.
5) St. Taf. 86. 6 Hewitson Bd. IV Taf. 36.
~; L. Martin: »Lepidopterologisches aus Sumatra«. Berliner Entom. Zeitschr.
35. Bd. 1890. S. i fif.
8 0. MoNiKE, »Bilder aus dem Tier- und Pflanzenleben der Malayenländer«. Münster,
1883.
Eimer, Ortliogenesis. .| 2
178 I^'G hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
zeigt einen tiefblauen Schimmer auf ihren schwarzbraunen Flügeln . . .
Die so gemeinen 3Ielanitis-Arten werden im Walde durch ein nahe ver-
wandtes Tier von gleicher Größe: Coelites epiminihia vertreten, das bei
gleichen Gewohnheiten und gleichem Augenschmuck auf der Unterseite
der Flügel auf deren Oberseite im tiefsten Violett erglänzt. Papilio erebus
aus der A^occ-Gruppe, welcher ausschließlich im Walde fliegt, zeichnet
sich durch ein herrliches tiefes Stahlblau aus. Alle Thaumantis-Arten, die
so zahlreichen im Walde fliegenden Euthalias und Ta7iaecias, die eben-
falls den hohen Busch liebenden Termos -Arten, sowie die nur den
Schatten bewohnenden Elymnias , die (^ vom Symphaedra, Discophora
und Zeuxidia, alle zeigen blaue Farben, die einen tief metallische Töne,
die anderen violetten, sammetartigen Glanz.«
Viele Tagfalter sind dort eigentlich Dämmerungs- oder Nachtfalter:
so alle Melanitis, welche tagsüber versteckt sind und nur in der Morgen-
und Abenddämmerung fliegen. Dann Amathusia Phidipptis , die Thaii-
manti s- Ar len , Discophora Gelinde, welch' letztere, Amath. Phidippus und
Melanitis Ismene und Leda Martin oft an den Lampen des Nachts fing.
Zu ausgesprochenen Nachttieren aber sind auf Sumatra die großen
Hesperiden geworden, vor allem Casyapa (Erionota) Thrax und Carystus
(Hidari) Irava. — Der Bambus besitzt eine ganz eigene Schmetterlingsfauna,
deren Angehörige sich durch prächtige Farben auszeichnen: die dunkeln
Lethe Europa und Mekara, Discophora Gelinde, die herrlichen Zeuxidia i'.
Es giebt Ageronien, in Süd-Amerika, also weit vom Wohnort der
Euploeen entfernt lebend, welche nach dem Typus derselben gefärbt
und gezeichnet sind: Ageronia Velutina und A. Arete^). Die letztere,
welcher wieder die von uns abgebildete (Abb. 178) A. Arinome ähnlich ist,
hat auch dadurch eine große Ähnlichkeit mit Euploeen, daß sie eine helle
und zwar eine gelbliche Schrägbinde besitzt wie Euploea Rhadamanthus.
bei welcher die Schrägbinde wie bei A. Arete ziemlich die Mitte des
Vorderflügels durchquert, aber nicht, wie dort, vollständig ist: die Da-
naide wäre es, von welcher man vermuten könnte, daß sie in dieser
Beziehung erst im Anfang einer Nachahmung der Nymphalide sich be-
fände, um so mehr, als die Schrägbinde in beiden Fällen in derselben
Weise wie auf der Oberseite auch auf der Unterseite ausgebildet ist.
Würden diese beiden Arten zusammenleben, so wäre nach anderen
Beziehungen für »Mimetiker« ein schönes Beispiel unvollkommener Nach-
ahmung der Danaide von Seiten der Nymphalide gegeben, denn die hellen
ij iJber Miinicry auf Sumatra sagt Herr Martin:
Danais chrysippus wird täuschend nachgeahmt durch die g (!y von HypoUmnns
Misippus.
Ein Geschlecht am Tage fliegender Spinner ahmt Danaiden und Pieriden nach,
auch im Fluge, so Ideopsis. Euploea, Terias, Catopsilia.
Die meisten Nachahmer findet Euploea midamus durch einen Papilio, g(!; von
Hypolimnas anomala, einen Elymnias und einen Euripus.
Die Nachahmer sind alle mehr oder weniger seltener als die gemeine Euploea
Midamus. Ȇb hier der Grund der Mimicry zu suchen ist oder weit ab auf ganz an-
derer Grundlage, ist noch nicht entschieden.« -) Staud. Taf. 44.
Midamus-Anomala- oder heller Klemfleck-Typus. Pardalis-Typus. 179
Flecke sind bei letzterer noch zahlreicher, dagegen aber nicht weiß,
sondern bläulich — alles Widersprüche zur Verkleidungsauslese, welche
sich eben nur durch Homoeogenesis, bezw. Heterhodogenesis und Heter-
epistase erklären lassen.
Eine Ironie auf die ohne jegliche Beobachtung und Kenntnis der
biologischen Beziehungen der ähnlichen Arten so vielfach und besonders
skrupellos von Seiten des Herrn Erich Haase angenommene Mimicry bietet
für die Euploeen die Thatsache, daß hier einige Arten der nachahmen
sollenden Falter auf der Unterseite Euploeen-ähnlicher sind
als auf der Oberseite, so Stibochiona nicea und besonders Hypo-
liinnas alimena, welche oben Van es sa-ahu\ich ist, mit blauem Mittelfelde,
während St. nicea oben vorn und hinten eine blaue Randbinde hat.
Solche helle Kleinfleckzeichnung in dunkler Grundfarbe wie bei
den genannten Faltern, wenn auch meist ohne den blauen Schiller, findet
sich nun noch bei vielen anderen Faltern, besonders der Familie der
Eryciniden und Lycaeniden, ferner der Hesperiden. Sie bieten eine
ausgesprochene Enlwickelungsrichtung mit weißer oder gelber Grund-
farbe, namentlich auf den Vorderflügeln mancher helikoniden-ähnlichen
Danaiden [Tithorea^]^ Callithomia Hesia'^), auch bei Ilhomia). Es ist hier
wieder dieselbe Anordnung der Flecke vorhanden wie bei Euploeen und
den erwähnten Euploeen-ähnlichen Nymphaliden.
Es giebt, wie beschrieben, unter den Danaiden auch Falter mit brauner
Grundfarbe und weißen Flecken, mit schwarzem Randsaum und schwarzen
Flecken: Danais Plexaure^)^ sich anschließend an die Chrysippus ; zunächst
an Erippus) — auch hier auf Grund von Resten der ursprünglichen weißen
Grundfarbe gebildet. Etwas ganz Ähnliches wiederholt sich z. B. bei der
Erycinide Stalachtis Phlegia*), in welcher Gattung außer der Hellfleckung
auch Eckbindenzeichnung, Fächerzeichnung und helikoniden-ähnliche
Querzeichnung bei entsprechender Flügelform vertreten ist^).
Weißgefleckt auf Grund von Aussparung von Grundfarbe zwischen
den Binden ist in hervorragendem Maße auch der später zu behandelnde
Papilio Antenor von Madagaskar und zwar off"enbar ganz selbständig in dieser
Weise entwickelt.
12) Pardalis-Typus.
Es giebt weiß- oder hellgefleckte Falter, deren Flecke in Querreihen
oder in Schrägreihen stehen, Ausdruck einer Querzeichnung überhaupt,
welche mehr oder weniger ausgesprochen mit der Flügelform in Zusam-
menhang steht, bezw. eine Folge derselben ist, wie Querzeichnung der
1) Staud. Taf. 30. 2) Ebenda Taf. 27. 3j Ebenda Taf. 24. 4 Ebenda
Taf. 93. 5) Ebenda.
12*
180 Diö hauptsächlichsten Eiitwickelungsrichtungcn der Tagfalter.
Hellkoniden und helikoniden-ähnlichen Falter, worüber später gesprochen
werden soll: es handelt sich, wie dort, so auch hier meist um seitlich
ausgezogene Flügel.
Es gehören hierher südamerikanische Falter aus der Gattung
Myscelia unter den Nymphaliden, deren Arten zum Teil hinten querge-
streift, vorne quergefleckt sind (weiß meist m Blau (^, weiß in Braun
Q)^), dann unter derselben Familie desgleichen Catonephele Acontius Q
(Abb, 126), ferner C. Nyctimus Q, wie die vorige gelb in Schwarz ge-
fleckt, nur kleiner.
Diese gell)gefleckten Catonephele aus Südamerika sind pseudomime-
tisch mit Symphaedra canescens Q und S. pardalis'^) aus Indien.
Merkwürdig ist bei Symphaedra canescens
und Catonephele Acontius der Geschlechts-
dimorphismus : nur die Weibchen sind quer-
gefleckt, das Männchen von C. Acontius steht
in der Zeichnung der Oberseite nahe dem
Bolina-Typus, welcher bei den Verwandten C.
Numilia (^ in derselben Ockerfarbe wie bei ihr
ausgesprochen ist. Symphaedra canescens (^ ist
oben einfarbig bis auf ein teils grünes, teils
blaues Band.
Wie die genannten Falter infolge allge-
meiner Querzeichnung quergefleckt sind, so ist
die dreireihige Längsfleckung des Außenrandes
.vv ,o,. r, i iT A 4- T r, der Morphide Discophora Tullia^] Folge von
ADD. 12(i. Catonfphclc Acontius L. ^. ^^ ' ^ o
Umbildung der Zwischenräume zwischen ur-
sprünglichen Längsbinden (I und II, II und III, III und IV).
In derselben Weise kommen nun auch bei anderen und zwar bei sehr
verschiedenen Arten Fleckreihen am Außenrande vor, bei anderen wieder
in der Flügelmitte [Euploea Plateni)^) oder nur auf den Vorderflügeln u. s. w. :
überall erkennbar als Reste der ursprünglichen Grundbandzeichnung
und überall könnte man aus z. T. weit entfernten Familien je nach der
Grundfarbe auch hier Beispiele für Pseudo-Mimicry anführen.
B. Entstehung schwarzer Fleckzeichnung.
Dieselbe ist Folge der Auflösung der Binden und zwar der ursprüng-
lichen Grundbinden in Flecke, insbesondere gehören hierher:
13) Hestia- und Paphia-Typus.
Unter den Danaiden haben wir dies bei den weißen Bestien (Abb. 127)
bei Ideopsis Daos und Papilio Laodocus {Delessertii)^ welch' letzterer von
E. Haäse wegen der aus dieser Entwickelungsrichtung entstandenen
1) Staüd. Taf. 4-1. 2 Ebenda Taf. 54. 3) Ebenda Taf. 63. 4) Ebenda Taf. 26.
Hestia- und Paphia-Typus.
181
Ähnlichkeit auf seiner Tafel VII ebenso wie die Satyride Zethera Hestioi-
cles als mimetisch mit Ideopsis abgebildet worden ist.
Die Zeichnung vieler Argynnis- und einiger verwandten Melitaea-
Arten beruht auf demselben Umbildungsvorgang: man kann auf das
Schönste meist die Lage der ursprünglichen Grundbinden an der An-
ordnung der Flecke noch deutlich erkeijnen.
Auch bei den AcraeidenM ist schwarze Fleckung häufig, besonders
auf den Hinterflügeln, welche, wie einzelne Arten zeigen, offenbar auf
die Grundzeichnung zurück-
zuführen ist.
Acraea Egina mit grauem
vorderem Teil der Vorder-
flügel hat auf Grund von
ausgesprochener Heterhodo-
genesis Ähnlichkeit mit Papilio
Ridleyanus'^)^ und soll dieser
als Schutzbedürftiger in
Folge von Zuchtwahl ähnlich
geworden sein, ebenso die
ähnlich gefärbte Nymphalide
Pseudacraea Boisduvaln^).
Auch letztere Ähnlichkeit
beruht auf Heterhodogenesis.
Die Acraeen sollen un-
genießbar sein. Alle haben
ihre Heimat in Afrika oder
Südamerika, nur einzelne
kommen im indischen Ge-
biete vor.
Eine sehr ausgesprochene,
auf Grund derselben Ent-
wickelungsrichtung entstan-
dene Schwarzfleckung zeigt
die Nymphalide Newosigma
Siva"^). Manche Nymphaliden,
wie Callithea s), sind nur auf der Unterseite schwarz gefleckt. Die Reihen
der Flecke zeigen die ursprünglichen Grundbinden.
Auch viele Eryciniden und Lycaeniden zeigen auf der Ober- oder
auf der Unterseite eine Schwarzfleckung, welche deutlich auf Auflösung
von Grundbinden zurückzuführen ist. Selbst bei Hesperiden kommt sie
noch vor. Bei Pieriden ist sie weit verbreitet, besonders im Bereich des
Randbindengebiets.
Schwarzfleckung tritt auch, insbesondere auf den Vorderflügeln,
Abb. 127. Hestia Idea Cl.
1, Stalp. Taf. 33.
5) Ebenda Taf. 43.
2) Ebenda Taf. 6. 3) Ebenda Taf. 49. 4) Ebenda Taf. 32.
182 Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
wiederum bei vielen Helikoniern und ebenso bei heb'konier-ähnlichen
Danaiden auf, infolge derselben Umbildung ursprünglicher Grundbinden.
Die allerverschiedensten Familien weisen auch in dieser Zeichnung
Ähnlichkeiten in Folge unabhängiger Entwickelungsgleichheit, Homoeo-
genesis, auf, und diese Ähnlichkeit besteht auch hier bei vielen Arten,
welche durch Größe, Farbe und auch durch Flügelform auf den ersten
Blick so verschieden sind, daß sie nicht entfernt mit einander verwech-
selt werden können, also nicht die geringste Handhabe für »Verkleidung«
darbieten.
Unter den schwarzgefleckten Typen sind hauptsächlich zwei hervor-
ragende zu bezeichnen: 1) der weiße f/esü'a-Typus, 2) der gelbrote
Pap hia^) -Typus.
Danaiden als Nachahmer oder als Beispiel für Homoeogenesis ?
Wir haben in der verhältnismäßig kleinen Familie der Danaiden
unverhältnismäßig viele Zeichnungstypen angetroffen. Es giebt deren
aber noch mehr. Keine Familie der Tagschmetterlinge zeigt
im Verhältnis zu ihrer Größe so viele in Farbe und Zeich-
nung verschiedene Untergruppen von Faltern.
Wir hatten: 1) den hellgefleckten Leonidas-, 2) den schwarzgefleckten
Hestia-Typus — in beiden Fällen Falter, welche den Eindruck des Weißen
machen; 3) den braunen Chrysippus-TYpus mit der weißen Schrägband-
zeichnung; 4) den weiß-schwarzen Maüms-Typus; 5) den blauschillern-
den Midamus-Typus.
Dazu kommt 6) der Übergang zur Fächerzeichnung, wie wir ihn am
Beispiel von Danais melaneus beschrieben haben; ferner 7) ein Typus,
welcher papilioniden-ähnlich ist durch ein Mittelfeld ähnlich den Sarpedon
( AnthedonJ-Daraxa und den Thoas, welches nur auf den Hinterflügeln sich
zum Innenfeld verbreitert: Ideopsis Chloris^), auf den Nord-Molukken
lebend. Dieselbe hat namentlich auch durch die grünliche Grundfarbe Ähn-
lichkeit mit Papdio LatreüJianus in Westafrika ; beide würden sicher als
mimetisch aufgefaßt, wenn sie zusammen lebten. Ganz einfarbig weiß
ist 8) Euploea Browni'^) von Neu-Mecklenburg (Neu-Irland).
Die Euploeen zeigen außerdem verschiedene Typen der Zeichnung,
wozu man die Abbildungen bei Staudinger^) vergleiche; 9) E. Usipetes
hat einen weißen Fleck in der Mitte der Vorderflügel: ^///a/^es- Typus-
ähnlich; 10) E. Rhadamanthus hat ein halbes Schrägband, entsprechend
dem Zwischenraum zwischen Binde V — VII oder VIII auf den Vorder-
flügeln: Inachis-Dirce-ahnlich] \\) E. laetifica von den Philippinen hat
ein helles Schrägband in der Vorderflügelecke zwischen Binde II und III
1) Nach Argynnis Paphia. 2) Staud. Taf. 24. 3) Ebenda Taf. 25.
4j Taf. 26.
Danaiden als Nachahmer oder als Beispiele für Homoeogenesis? 183
ähnlich der südamerikanischen Nymphalide Callicore Candrena — eigent-
h'ch Vertretung eines Lae<//i''ca-Typus; 12) E. Eurypon hat ein schwarzes
Innenfeld, breiten weißen Rand und schwarze Vorderflügelecken. Das
Schwarz hinter letzteren entspricht einer Schrägbinde zwischen II und IV.
Dies ist eine ganz besondere Entwickelungsrichtung. 1 3) Dazu kommt
im Anschluß an die Formen mit brauner Grundfarbe, besonders an
D. Erippus, D. Plexaure mit weißen Flecken auf der Flügelfläche.
1 4) Dann Formen wie Titya und Hegesippus , welche in Fleckung,
Aderstreifung und teilweiser Neigung zur Einfarbigkeit Übergänge zwischen
verschiedenen Typen herstellen, hierher auch Euploea Midanms u. a., welche
auf den Hinterflügeln Fächerzeichnung haben (Abb. 125).
\ 5) Endlich die helikonier-ähnlichen Danaiden, welche wiederum die
verschiedensten Zeichnungstypen aufweisen.
Es ist sehr bemerkenswert, wie gerade die kleine Familie der
Danaiden eine solche Fülle von Typen zeigt, daß ihre Gattungen und Arten
in Farbe und Zeichnung untereinander so verschiedene Formen darbieten,
als ob sie den verschiedensten Familien zugehörten — eine Reichhaltig-
keit in der Gestaltung, wie sie sonst in so engem Rahmen nirgends
vorkommt. Warum dies? Nach den Anforderungen der Verkleidunes-
theorie wäre das Gegenteil zu erwarten: da die Danaiden ungenießbar
und also vor Nachstellungen geschützt sein sollen, so haben sie doch diese
verschiedene Kleidung nicht notwendig. Man sollte deshalb erw^arten,
daß sie vielmehr alle ähnlich gezeichnet und gefärbt wären. Wie die
Dinge liegen, könnte man, wenn man von Anpassung ausgeht, eher
schließen, daß die Danaiden Glieder anderer Familien nachahmen als
umgekehrt.
Vielleicht wird uns ein echter Selektionsheros mit der »fiktiven«
Vorstellung überraschen: die Danaiden hätten selbst ihr verschiedenes
Aussehen, ihre verschiedenen Typen nur angenommen, damit Arten
anderer Familien sie nachahmen können. Nach den auf diesem Gebiete
vorliegenden Leistungen ist von dieser Seite Alles möglich und »be-
weis «bereit.
In unseren Augen giebt dagegen diese Verschiedenheit der Danaiden
einen hochwichtigen Beweis dafür ab, daß andere Ursachen als durch
Zuchtwahl entstandene Verkleidung die Entstehung der Typen bedingt
haben müssen.
In dieser Beziehung sind die Angaben des Herrn Martix über die
Blaufärbung der Falter des tropischen Urwaldes wertvoll. Diese Fär-
bung besteht ohne jede Anpassung etwa an blaue Blumen, denn das
Fehlen solcher steht in geradezu auffallendem Gegensatz zu der Farbe
der Falter. Es wird also wohl das feuchte Klima für jene Färbung be-
stimmend sein.
Die weißen Hestia-Arlen sind Bewohner der Meeresküsten.
Die braunen Chrysippus leben, wie in Ägypten, wo sie so gemein
sind, daß sie darin unsere Weißlinge ersetzen, im freien Lande.
Leider werden von den Sammlern überall zu wenig biologische
] 84 ßi'' hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
Bemerkungen gemacht; genaue Nachrichten über die Örtlichkeit des Vor-
kommens der verschiedenen Typen der Danaiden werden später manchen
Aufschluß ül)er die Ursachen der Entstehung derselben geben können.
Daß die helikonier-ähnlichen Danaiden und alle anderen entsprechend
gefärbten und gezeichneten Falter Südamerikaner sind, spricht gleichfalls
für den Einfluß des Wohnortes . und selbst ein sonst so unbedingter
Vertreter der Macht der Zuchtwahl wie A. R. Wallace nimmt hier für
die Entstehung der Ähnlichkeit der Färbung (schwarz, rot, gelb) die
klimatischen Verhältnisse in Anspruch.
Eine auffallende Ähnlichkeit wiederum zwischen einer angeblich
geschützten und nicht geschützten Form, insbesondere auch in Beziehung
auf entsprechende Verschiedenheit, bezw. Übereinstimmung in der Farbe
der Hinter- und Vorderflügel, bieten Acraea Egina^)^ Papilio Ridleyanus'^)
und die Nymphalide Pseudacraea Boisduvalii'^), welche E. Haase auf
Tafel IV Fig. 26 — 28 als mimetisch abgebildet hat. Es gilt hier dasselbe,
was ich von Limenitis Zayla und Adelpha Erotia, sowie von Rhinopalpa
Sabina und Palla Decius Q gesagt habe.
Außerdem muß erst festgestellt werden, ob die Acraeen wirklich
ungenießbar sind und von Vögeln verschmäht werden ; ja dies muß
für jeden einzelnen Fall auch bezüglich der Danaiden festgestellt werden.
Es ist nicht nur nicht ausgemacht, daß die nachgeahmt werden sollenden
Danaiden von Vögeln verschmäht werden, sondern wir werden sehen,
daß gegenteilige Beobachtungen vorliegen 4).
Endlich ist es, wie ich vorweg hier bemerken will, unzweifelhaft,
daß die Vögel überhaupt viel zu selten Schmetterlinge fangen, als daß
dadurch eine Auslese hervorgerufen werden könnte ^j.
F. Die Rieselung;, eine besondere Eutwickelungsriclitung der
Zeichnung.
14) Caligo-Typus.
Bei der Mauereidechse beschrieb ich zuerst eine sehr vorgeschrittene,
besonders bei Männchen der am vorgeschrittensten gezeichneten Abarten,
und zwar vorzüglich bei alten Männchen vorkommende Zeichnung, w-elche
dort aus der Querstreifung hervorgeht und welche ich als netzförmige
Zeichnung bezeichnete, wie ich denn die betreS"enden Varietäten rcticu-
latae nannte.
Es ist sehr merkwürdig, daß dieselbe oder eine ihr ähnliche Zeich-
nung, und zwar überall nur als sehr vorgeschrittene und nur bei den
höchstentwickelten Arten, an den verschiedensten Tieren auftritt.
Insbesondere zeigt sich diese Rieselung im Kleide vieler Vögel, bildet
z. B. eine Zierde an der Brust und den Seiten von Schwimmvögeln, wie
1; Stattd. Taf. 33. 2) Ebenda Taf. 6. 3) Ebenda Taf. 49.
4j Man vergl. die später mitzuteilenden Äußerungen von Herrn Piepers.
äj Vergl. später u. a. auch die frühere Ansicht von Herrn August Weismanx.
Caligo-Typus.
185
Enten, geht hier, z. B. bei Anas crecca a. a., auch auf den Rücken über.
Auch Eulen haben eine entsprechende Zeichnung. Ferner kommt die-
sel])e als hochentwickelte Zeichnung vor bei vielen Mollusken, wo sie häufig
in ein eigenartiges Dreieckmuster übergeht, nämlich auf den Schalen
von Schnecken und Muscheln. Bei ersteren findet sich die Rieselung
u. a. bei Helix adspej-sa., arbustoruiit. Auch bei Raupen kommt sie wie-
derum als höchste und letzte Zeichnungsstufe vor, so bei Sphingiden-
raupen, wie bei Deilephila vespertilioA)
Es ist besonders auffallend, daß diese Rieselung oder Gitterzeich-
nung auf ganz verschiedene Weise entsteht, zumeist als Umbildung von
Streifen, insbesondere von Querstreifung, aber auch ganz selbständig in
der Grundfarbe. Beides kommt bei Schmetter-
lingen vor. Bei Pieride n, z. B. bei Pieris-
Arten, entsteht an der Unterseite der Hinter-
flügel zuweilen eine grüne Rieselung aus
Streifen; bei anderen Pieriden kommt eine
feinere Rieselung gleichfalls auf der Unterseite
der Hinterflügel vor, ohne mit Streifung etwas
zu thun zu haben, oder sie verbreitet sich
auch schon auf die Unterseite der Vorder-
flügel (vergl. Ixias Pirenassa^ Hebomoia cele-
bensis'^). — Jene grüne, aus Streifung ent-
standene Rieselung ist moos artig z. B. bei
Midea Scolymus '^) vorhanden, weniger ent-
wickelt, noch mehr grobgitterartig z. B. bei
Pontia Bella ^ etwas feiner bei Änthocharis
cardamines.
Auch bei Nymphali den tritt die Riese-
lung zuerst auf der Unterseite der Hinter-
flügel auf: bei Antigonis Felderi*), Myscelia
cyaniris^]^ bei Arten der Gattung Prepoua^),
auf dem Außenteil der Unterseite von Hinter- und Vorderflügeln bei Palla
Decius'^). Oft findet sich die Rieselung auf beiden Flügeln der Unter-
seite bei Blattschmetterlingen, z.B. Anaea^); bei A. cyanea^] stellt sie
eine förmliche Tigerzeichnung her.
Auch bei Morphiden kommt sie auf der Unterseite vor^o). Am
ausgezeichnetsten aber ist sie bei Brassoliden, wo sie zuweilen an-
fängt, auch auf der Oberseite zu erscheinen, so bei Caligo Rhoetus und
Livius^^). Bei diesen Caligo stellt die Rieselung der Unterseite mit zwei
auf den Hinterflügeln gebildeten großen Augenflecken jene Ähnlichkeit
mit einem Eulenkopfe her, welche man als durch Zuchtwahl entstandenes
Schreckmittel aufgefaßt hat. Bei anderen Brassoliden tritt die Rieselung
.r
r-V-
Abb. 128.
Opsiphanes Boisduvalii
Brassolide.
1) Vgl. A. Weismann, »Die Zeichnung der Sphingidenraupen« Taf. III Fig. 49 C.
2) Staud. Taf. 22. 3) St. Taf. 23. 4, St. Taf. 43. ö) Ebda. Taf. 41. 6) Ebda.
Taf. 56. ') Ebda. Taf. 60. 8) Ebda. Taf. 61. 9) Ebda. Taf. 62. 'O Ebda.
Taf. 63. "i Ebda. Taf. 74.
1§6 Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
wiederum zuerst auf den Hinterflügeln auf und scheint bei Opsiphanes
Boisduvalii hier die vorn noch vorhandene Blaltzeichnung verdrängt zu
haben (Abb. 128). Auch bei Eryciniden, Lycaeniden, Hesperiden
kommt Rieselung auf der Unterseite besonders der Hinterfliigel vor. Sehr
häufig ist sie endlich bei Satyriden wiederum unten und hinten und
auch hier vielfach verbunden mit teilweiser Blattähnlichkeit. Bei Elym-
nius Pheyen^) hat sie sich auch auf der Oberseite der Hinterflügel ausge-
bildet. Caerois Chorineus (Abb. 129) ist auf der ganzen Unterseite gerieselt.
M
V
VA
\
Abb, 129. Caerois Chorineus F.
Es zeigt diese Zeichnung also eine ganz gesetzmäßige Folge der
Entstehung: von hinten nach vorn und unten nach oben, hier wieder
zuerst hinten auftretend (postero-anteriore und infero-superiore Umbildung).
Eine sehr merkwürdige Ausnahme von dieser Regel bietet unter den
Papilioniden, wo sonst die Rieselzeichnung noch gar nicht vorkommt,
Doritis apolliims dar. Hier tritt sie zuerst am kräftigsten auf der Ober-
seite, und zwar auf den Vorderflügeln auf und kann dann auch auf den
Hinterflügeln erscheinen. Bei einem dieser Falter aus unserer Sammlung:
ab. rubra aus Mesopotamien, ist auf den Hinterflügeln gar keine Rieselung
vorhanden, ebenso bei einer andern: var. Apollinaris aus Armenien,
Gebirgsform, während bei dem gewöhnlichen Armenier auch hinten etwas
Rieselung auftritt, bei var. bellarchus von Antiochien aber sehr starke.
Die Rieselung entsteht hier zwischen den Grundbinden und hat
mit denselben nichts zu thun. 2)
1) Staud. Taf. 86.
-I Man vergleiche hierzu meine Erwiderung gegen die Ausstellungen des Herrn
Erich Haase an meiner »Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen«
Ringförmige Zeichnung auf der Unterseite der Hinterflügel.
187
Gr. Ringförmige Zeichnimg auf der Unterseite der Hinterflügel und
spitzwinkliges Zusammentreten der Längsbinden auf letzteren als
Folge der Flügelform.
Augenscheinlich von der Flügelgestalt abhängig ist noch eine andere
Art der Zeichnung auf der Unterseite der Hinterflügel mancher Falter :
eine Biegung der Längsstreifen, welche besonders bei den zu den Nym-
phaliden gehörigen Gattungen Catagramma und Agrias schließ-
lich zur Entstehung einer Anzahl von ineinander gelagerten Ringen führt,
deren innerster, kleinster, bunte Flecke einschließen kann.
Atli. 130. Agrias Amydonius Stdge.
Es beruht diese Umbildung augenscheinlich darauf, daß die Hinterflügel
sich durch Verbreiteruna; und Abrunduno der Basis und gleichzeitige
starke Rundung insbesondere auch des äußeren Randes fast kreisrund
gestalten. Dadurch werden die nach innen und die nach außen auf den
Hinterflügeln gelegenen Längsstreifen einander dergestalt entgegenge-
bogen, daß sie schließlich concentrische Kreise bilden, die mehr oder
weniger vollkommen geschlossen sein können.
Die Gattungen Agrias und Catagramma und Verwandte, bei welchen
diese Eigentümlichkeit der Zeichnung vorkommt, sind hochentwickelte
erster Teil, welche ich im zweiten Teil desselben Werkes auf S. 64 ff. gegeben habe.
Herr Haase hatte in unbegreiflich oberflächlicher Weise wegen der Rieselung den
Doritis ApolUnus als »geradezu überzeugenden Beweis« dafür aufgeführt, daß die
Zeichnung der Schmetterlinge in derselben Gattung verschieden sein könne (was ich
übrigens keineswegs bestreite!) und daß deshalb eine »Untersuchung über Verwandt-
schaften«, welche wie die meinige, nur die Zeichnung berücksichtigt, »unmöglich zu
irgendwie verwendbaren (!; Resultaten führen könne« — denn die Zeichnung von
Doritis Apollinus sei eine ganz andere als die von Parnassius. Herr Haase hatte also
die maßgebenden Grundbinden bei Doritis. welche dieselben sind wie die bei
Parnassius, und damit die Hauptzeichnung des Falters — übersehen!
188
Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
Formen. Dies beweisen für mich nicht nur die meist glänzenden Farben
der Oberseite, besonders leuchtendes Blau und Rot, sondern vor allem
ähnlich glänzende Farbe der Unterseite der Vorderflügel, abgesehen von
der Zeichnung. Im übrigen hat sich die Eigentümlichkeit der Zeichnung
auf der Unterseite der Hinterflügel im Zusammenhang mit der Form-
gestaltung derselben off"enbar bei beiden Gattungen selbständig ent-
wickelt, da dieselben nicht unmittelbar verwandt sind.
Bei den Agrias ist die ringförmige Zeichnung unter den bei Stau-
dinger abgebildeten Faltern am meisten ausgebildet bei Agrias Amydo-
nius (5* (Abb. 130): schwarze Ringstreifen in schwefelgelbem Grunde,
dazwischen außen ein Halbring von blauen Augenflecken mit weißen
Kernen, von Schwarz umrahmt. Die innere schwarze Umrahmung ent-
spricht Binde 111. Darauf folgt nach innen Binde IV, einen Ring, bezw.
eine Schlinge bildend mit IX, während III eine ähnliche mit einer an-
deren Binde (wahrscheinlich X) herstellt. Nach innen von IV folgt V/Vl
wahrscheinlich mit VllI einen Ring bildend.
A. Sardanapalus (^ und Claudianus (f i) lassen die Augen-
flecke und Binde 111 und IV noch in ursprünglicherem Zustande
erkennen. Bei A. Narcissus (^ und A. Beata q^ macht sich eine
andere Entwickelungsrichtung, nämlich Auflösung, zuerst der inneren
{Narcissus), dann auch der
^Sv^, äußeren [Beata] Streifen in
Flecke geltend. Nicht ganz die-
selbe Entwickelungsrichtung
wie bei Agrias und Verwandten
haben wir bei den Catagramma
und Verwandten. Hier 2) spielen
Binde 111 und IV mit nach ein-
wärts von letzterer gelegenen
Grundbinden ebenfalls eine her-
vorragende Rolle als Bildner der
'^^
Abb. 131.
Callicorc Astula Gdee.
Abb. 132.
Perisama Yaninka Hew.
Innersten Ringe.
Eigentümlich
ist aber, daß die Augenflecke von III in den innersten Ring oder in
zwei getrennte solche Ringe eingeschlossen werden, indem dieselben
sehr weit nach einwärts bis in die Mitte der Flügel rücken. Vgl. Dy-
namine Persis, Caliicore Ästala (Abb. 131), C. Cdymena, Catagramma
Hesperis , C. excelsissima und C. Kolyma. Bei Perisama Vaninka sehen
wir den Beginn der Umbildung (Abb. 132).
Auch bei den mit diesen Arten verwandten Call ilhea- Arten kommt
Auflösung der Binden in Flecke zu stände, während andererseits ganz
nahe verwandte Arten wiederum noch teilweise sehr ursprüngliche Längs-
streifung auf den Hinterflügeln haben können.
Anhangsweise sei hier angeführt, daß merkwürdige Ring- bezw.
1) St. Tat. 57.
2) St. Taf. 42.
Ringförmige Zeichnung auf der Unterseite der Hinterflügel.
189
>^^
IS" ITj.
Augenfleckzeichnungen auf der Unterseite der Hinterflügel, offen-
bar ebenfalls im Zusammenhang mit abgerundeter Form derselben auch
bei anderen mit den vorigen nicht in unmittelbarem verwandtschaft-
lichen Zusammenhange stehenden Xymphaliden gebildet
werden, und zwar durch dieselben Mittel wie dort:
man vergleiche Eunica Sophonisbe (^, E. Flora (^,
E. Amelia q^, E. Violetta u. a. ^;, während diesen nahe
verwandte wiederum sehr ursprüngliche Verhältnisse,
Längsstreifen auf den Hinterllügeln, zeigen.
Dass bei langgestreckten nach hinten zugespitz-
ten Hinterllügeln die Zeichnung durch die Flügelgestalt
beeinflußt wird, ist in den verschiedensten Familien in
übereinstimmender Weise zu beobachten. Ich gebe
als Beispiel eine Abbildung der Lycaenide Thecla Aetolus
Abb. 133.
Thecla Äetolus Cham.
ff r
jzr j[
^ -,
Abb. 134. Amatintsia Phidippns L.
Abb. 135. Amathtisia dilucida Honk.
(Abb. i33; und verweise wieder auf die Morphide Ämathusia Phidippns
(Abb. 134) und A. dilucida (Abb. 135 , ferner auf meine Abbildungen von
Segelfaltern (»Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen I«).
1) St. Taf. 40.
190 O'ß hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
Auch unter den Schwal])enschwanzartigen ist noch ein spitzwinkliges
Zusammentreten der Längsstreifen auf den Hinterflügeln gegeben, wie
unsere Abbildung 1, Sund 3 (Papilio Alebion , Eurymedon, Alexanor)
zeigen, ebenso z. B. unter den Nymphaliden Megalura Berania (Abb. 21)
und andere bei Staudinger') abgebildete Falter.
Ebenso ist das Mittelfeld bei längsgestreckter Flügelgestalt ent-
sprechend längsgerichtet, wie u. a. Limenitis Daraxa (Abb. 64) zeigt.
Es ist eine sehr auffallende Erscheinung, daß durch die Gestalt der
Hinterflügel auch hier zwar in hohem Grade die Zeichnung, nicht aber die
Aderung beeinflußt wird. In demselben Maße ist dies der Fall bei
Blattschmetterlingen. Es liegt darin eine sehr merkwürdige, bis dahin
rätselhafte Thatsache vor, welche sich zunächst nur durch eine leichte
Verschiebbarkeit des die Zeichnung bedingenden Farbstoff"es erklären läßt.
Es ist schon jetzt hervorzuheben, daß die Zeichnung auf
beiden Flügeln sich überhaupt meist unabhängig von der
Aderung auch bei anderen Faltern verschiebt und daß nur
einzelne bestimmte Zeichnungen an bestimmte Adern ge-
bunden sind und gebunden bleiben. Dies gilt durchaus für die
Binde V/VI, bezw. Reste derselben in Beziehung zur äußeren Begren-
zung der Mittelzelle (Discocellularaderni der Vorderflügel.'^j
Ganz hervorragende Beispiele für Umlagerung der Zeichnung in Folge
von Veränderung der Flügelform durch Wachsen werden wir im nächsten
Abschnitt kennen lernen abgesehen von dem schon über Caerois Chori-
neus Gesaejten.
H. Die Zeichnung der Helikonier und der helikonier- ähnlichen Falter.
Die Lagerung bezw. Richtung der Zeichnungsmuster ist
also wesentlich bedingt durch die Gestalt der Flügel, wie wir
noch zuletzt bei Papilioniden, Lycaeniden, Morphiden und Nymphaliden
gesehen haben und wie vor allem die blattähnlichen Schmetterlinge uns
zeigten. Sind Vorder- und Hinterflügel zusammen als ein Ganzes ge-
dacht von vorn nach hinten gestreckt wie bei diesen Faltern, so hat sich
eine längsgerichtete Zeichnung erhalten: Längsstreifung , oder es ist in
diesem Falle eine neue längsgerichtete Zeichnung aufgetreten: Längs-
mittelfeld.
Je mehr sich dagegen die Flügel in die Breite ziehen, um
1) St. Taf. 45.
2) Somit ist die Verwunderung des Herrn August Weismanx, daß »die Aderein-
teilung des Flügels von der Blattzeichnung bei den Blattschmetterlingen gänzlich
ignoriert wird« vollkommen gegenstandslos und ebenso der hieraus gezogene Schluß
(»Germinalselektion« S. 16), der Nutzen behandle die Blattlläche als »tabula rasa, auf
der man zeichnen kann, was man will, in diesem Falle ein Blatt, d. h. eine bilaterale
symmetrische Figur auf eine im wesentlichen radiär symmetrisch eingeteilte
Fläche«. Ein bischen Naturbeobachtung hätte auch hier aufklären können.
Die Zeichnung der Heliiionier und der helikonierähnlichen Falter. 191
SO mehr verwandelt sich die längsgerichtete Zeichnung and
Bänderung in eine quergerichtete und zwar um so ausgesproche-
ner, wenn die Flügel zugleich kompensatorisch sich verschmälern (Libellen-
flügelform).
Dabei handelt es sich nicht um die Frage einer Umbildung von
Längsstreifung in Querstreifung im Sinne der gewöhnlichen gesetzmäßigen
Umbildung der Längsstreifen in Flecke und dann in Querstreifen, oder
eine solche wie sie durch Schwarzfärbung der Queradern entstehen
kann, sondern um eine Umlagerung der Zeichnung, gleichviel ob
diese aus Längsstreifen oder aus entsprechend gerichteten Flecken besteht.
Diese Umlagerung in quergerichtete Zeichnung findet sich am aus-
gesprochensten bei Helikoniden und entsprechend gebildeten Formen
aus anderen Gruppen wie Danaiden, Pieriden, Nymphaliden, auch Lycae-
niden und Papilioniden, insbesondere in jenen nicht nur in Flügelgestalt
und Zeichnung, sondern auch in der schwarz-rot- (bezw. braunrot-) gel-
ben Farbe untereinander so ähnlichen südamerikanischen Faltern, welche
man als mimetische, auf Grund von Anpassung ähnlich gewordene vor
allem auffaßt. Unter ihnen sollen die Helikoniden und die Danaiden die
ungenießbaren, die nachgeahmten sein.
Meine Untersuchungen ergeben auch hier eine ganz andere Erklärung
des Thatsächlichen.
Dieselben zeigen, daß es sich in der Ähnlichkeit von Flügel-
gestalt und in gewissen Grundzügen der Zeichnung handelt um
den Ausdruck unabhängiger Entwickelungsgleichheit, Homoeo-
genesis, auf Grund der mechanischen Ursache eines bestimmten
Form Wachstums der Flügel, während andere einzelne Ähnlichkeiten
wie auch sonst auf kaleidoskopischer solcher Homoeogenesis beruhen
müssen.
Die Helikonier und die helikonier-ähnlichen Falter anderer Familien
erscheinen zuerst als (besonders auf den Vorderflügeln und am Rande)
gefleckte, dann mehrfach quergestreifte, bezw. quergebänderte, meist
bunt, d. i. in jene schwarz-rot-gelbe Farbe gekleidete Falter. Diese
verfolgen nun in verschiedenen Familien dieselbe Entwickelung, nämlich
zu Einfarbigkeit (meist nach Schwarz) mit wenigen weiß oder gelb oder
rot u. s. w. gefärbten Schrägbändern auf den Vorder- und zuerst einer
mehrfachen, dann einer einfachen Querbänderung auf den Hinterflügeln,
zuletzt zu voller Einfarbigkeit — ganz dieselbe Entwickelungsrichtung,
welche auch die Tagfalter mit nicht libellen-ähnlicher Flügelform im sroßen
und ganzen zeigen.
In einigen Fällen, wie bei den Phyciodes-Eresia -Arten unter den
Nymphaliden ist auf das Schönste zu sehen, wie die Zeichnung der
helikonier-ähnlichen Falter sich aus gewöhnlicher Tagfalter- Zeichnung
herausbildet.
Gehen wir zum Zwecke der Begründung meiner Aufstellung aus von
den ursprünglicheren, meist schwarz-rot-gelb gefärbten helikonier-ähn-
lichen Faltern eben unter den
192
Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
Nymphaliden , weil hier die Art der Umbildung am deutlichsten
durch Zwischen- bezw. verwandte Formen belegt werden kann.
Arten der Gattungen At/iymu (Abb. 136, 137 und 138) und NepHs^)
mit Flüge.ln, deren Gestalt erst einen geringen Grad der Ausbildung
jener der schwarz-rot- gelben »mimetischen« Formen darstellt — ohne
daß übrigens eine unmittelbare verwandtschaftliche Beziehung beider
wird vorausgesetzt werden dürfen und welche noch kein Gelb und Rot
Abb. 136.
Athyma Leucothoe L.
Abb. 137.
Athyma Nefte Cram. Q.
Abb. 138.
Athyma Nefte Cram. (5-
haben — zeigen auch eine Querlagerung der Grundstreifen der Zeich-
nung in den Anfängen. Sehr quer gelagert ist aber im Zusaunmenhang
mit der Flügelform die Zeichnung unserer Neptis aceris gegenüber von
Li?7ie)iitis.
Maßgebend sind auch hier wieder die Binden III, IV und II. Zuerst
hängen die bezüglichen Bindenstücke auf Vorder- und Hinterflügeln noch
zusammen. Zuletzt aber verschieben sie sich so, daß sie auf jedem
Flügel für sich quer gelagert sind. Zusammenhängend sind sie z. B.
noch, wenn man Vorder- und Hinterflügel jederseits in die richtige Lage
bringt, bei Athyma Nefte (Abb. 137, 138), dann bei Neptls-ATten'^), während
sie bei Athyma Leucothoe (Abb. 136) entsprechend der Flügelform, auf den
Vorderflügeln noch längs-, auf den Hinterflügeln aber im Beginn quer-
gerichtet sind.
Ähnliche Verhältnisse zeigen, wie früher hervorgehoben, die quer-
gefleckten den Parda//s -Typus bildenden zu den Nymphaliden gehören-
den Falter'^).
»Mimetisch« mit Helikoniden sind unter den Nymphaliden Arten der
Gattung Phyciodes^]^ wie z. B. Phyciodes Callonia (^^ (Abb. 139). Hier
1 St. Taf. 50 und 51. 2j St. Taf. 50.
3j Vergl. die Abb. 126 von Catonephele ÄconUus Q und St. Taf. 41 und 54.
4) St. Taf. 36.
F. Die Zeichnung der Helikonier und der helikonier-ähniichen Falter. 193
sind also die schwarz-(braun-) rot-gelb gefärbten Flügel schmal ausge-
zogen wie bei den Helikoniden und helikonier-ähniichen Danaiden u. s. vv.
und es sind die Querstreifen der Vorder- und Hinterflügel nicht mehr
untereinander zusammenhängend.
Die Entstehung der Zeichnung von Phyciodes
Callonia läßt sich bei Athyma und Neptis er-
kennen.
Bei Athyma Neffe z. B. sehen wir auf den
Vorderflügeln Binde IV in einem eigentümlichen
Verhalten: nehmen wir zum Zweck der Be-
schreibung den Vorderrand des Flügels als An-
fang der Binde, so fällt auf, daß dieselbe, statt
wie sonst unmittelbar nach hinten zu ziehen, eine phydodes Caiionia Stdgr.
kurze Strecke nach außen und hinten, dann aber
plötzlich nach innen und hinten läuft. In der Flügelecke liegt ein Stück
der Binde III schräg über die Ecke herübergelagert und von dem durch
IV gebildeten Winkel geht eine Fortsetzung des hinteren Teils von III ab,
um sich nach hinten im Bogen über den Hinterflügel fortzusetzen.
An der äußeren Grenze der Mittelzelle erkennt man, von außen nach
innen vorragend, ein Stückchen der Binde V/VI, welches bei anderen ver-
wandten Faltern zu einem den ganzen Raum quer überbrückenden Binden-
stück ergänzt ist. So bei Athyma Leucothoe', wo hinter V/VI in demselben
Raum noch zwei weitere Bindenstücke vorhanden sind (VII und VIII).
Diese Zeichnung von Athyma und Verwandten stimmt nun im Wesent-
lichen mit Phyciodes Callonia überein: hier ist die schwarze Zeichnung auf
der äußeren Grenze der Mittelzelle der Vorderflügel (V/VI) zu einem kräf-
tigen Fleck gestaltet. Der nach hinten und außen von demselben mitten
im Flügel gelegene Fleck ist ein Stück der Binde IV. Die Fortsetzung der
letzteren liegt nach vorn von diesem Fleck, an den Vorderflügelrand an-
schließend, nach außen verbunden mit einem Stück der Binde HI/IV, dem-
selben, welches bei Athyma Nefte die Vorderflügelecke quer durchzieht.
Der hintere Teil der Binde IV aber bildet bei Ph. Callonia off'enbar zu-
sammen mit Stücken der nach innen von ihr gelegenen Grundbinden
einen parallel dem hinteren Rande des Vorderflügels auf und vor der
vorderen Grenze der zweithintersten Flügelzelle befindlichen Querstrich
(IV in der Abb.). Wiederum ziemlich parallel diesem liegt, nahe dem
Vorderrand der Hinterflügel ein ähnlich entstandener Querstrich, dessen
äußeres Stück off'enbar einem Teil der Binde IV entspricht (IV*j, während
das äußere Stück, der dahinter gelegene breite Querstrich bezw. Fleck
(Unterseite), der Binde III (III*) zugehört.
Diese Querstellung der Zeichnung ist also off'enbar Folge der Ent-
stehung der langgezogenen Flügelform. Aber wie ist die Umgestaltung
der Binde IV auf den Vorderflügeln schon bei Athyma Nefte Q zu
jenem mit der Spitze gegen die Flügelecke hinragenden Winkelhaken
geworden, vielmehr, wie kam es, daß der vordere Teil der Binde IV (mit
einem Teil von III) sich nach innen und hinten statt nach hinten richtete?
Eimer, Orthogenesis. ^3
194 ^^'•^ hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
Es ist die nach einwärts gerichtete schiefe Stellung des vorderen Stückes
von IV ja eine uns wohlbekannte, weitver]»reitete Erscheinung, maß-
gebend für die Flügeleckzeichnung zahlreicher Nymphaliden und an-
derer Falter. Weil der hintere Teil der Binde IV bei den Athyma
nach ein- und rückwärts verläuft, bezw. sich quer zu stellen beginnt,
wird ihre Stellung zu diesem spitzwinklig. Diese Querstellung ist durch
die Gestaltung der Flügel bedingt. Aber die Auswärtsstellung des
vorderen Stückes von IV ist doch bedeutender als z. B. bei den Vanessen.
Es steht dieses Stück gleichfalls der Querrichtung nahe. Dies hängt
offenbar wieder mit der Flügelgestalt zusammen: der Flügel ist in der
Richtung von der Spitze des durch IV gebildeten Dreiecks nach der
Flügelecke hin ausgewachsen; zwischen dem Ansatz von IV am Vor-
derrande des Flügels und der Wurzel desselben ist dieser Vorderrand
im Wachsen zurückgeblieben. Deshalb ist die Mittelzelle der Vor-
derflügel verhältnismäßig sehr kurz.
Ein augenfälliger Unterschied zwischen der Zeichnung von Athyma
Nefte und Phyciodes Callonia besteht darin , dass bei letzterer Binde IV
mit III verbunden ist, bei ersterer mit V/VI. Bei vielen anderen Phy-
ciodes ist, wie das Folgende zeigt, dieser Unterschied nicht vorhanden
und es bleibt in beiden Fällen Band C frei.
Man kann die Entstehung der Querzeichnung im Zusammenhang
mit der neuen Flügelform sehr schön bei den Phyciodes- krien selbst
verfolgen.
Es hat diese aus kleinen Faltern bestehende Gattung zahlreiche Arten
mit der gewöhnlichen Flügelgestalt, wie sie etwa Vanessen und Melitäen
besitzen. Diese zeigen eine ganze Reihe der sonst bei den Tagfaltern
vorkommenden, von uns beschriebenen Zeichnungstypen. Man vergleiche
hierzu Tafel I.
-1. Phyciodes Theona gleicht darin und in der Farbe sehr Melitaea maturna.
so daß man sie als pseudomimetisch mit dieser bezeichnen kann, weil sie ihr auch
in der Größe ähnlich ist. Nur ist bei Theona noch ein deutlicheres, wenn auch durch
die Färbung der Queradern geteiltes Mittelfeld vorhanden: wir haben hier den Mi tt ei-
tel d-Schrä gfleck-Typu s der Vanessen.
2. Ph. Yorita ist mehr nach dem Sibylla-Typvis gezeichnet, aber mit braun-
gelber Grundfarbe.
3. Ph. abas (5 ist pseudomimetisch mit Vanessa prorsa.
4. Ph. leucodesma hat den Innenfeld-Schrägband-Typus mit breitem
weißem Innenfeld in Schwarz. Sie ist pseudomimetisch mit der Erycinide Thisbe
irenaea^i vom Amazonenstrom und Guiana u. a. Ferner sagt Staudinger^) von Phy-
ciodes leucodesma: »Diese Art ... steht ganz allein und erinnert, wenig-
stens auf der Oberseite ziemlich stark an Neptis Kikideli Boisd. aus
Madagaskar. Sie bildet dadurch gewissermaßen eine Widerlegung
der Mimicry-Theorie, an deren Stelle Hahnel in seinen hochinteressanten ,Reise-
erinnerungen aus Süd-Amerika' eine andere Theorie setzt.« 3)
Ph. [Eresia] Emerantia erscheint durch braunrotes Innenfeld und weißen Schräg-
fleck in schwarzer Vorderflügelecke vollkommen pseudomimetisch mit Eu-
phaedra Ruspina, nur ist sie viel kleiner und lebt in Columbien, Ruspina \n AMkal
1) St. Taf. 92. 2) St. I S. 92. 3) Vgl. meine »Artbildung« II S. 71 ff.
F. Die Zeichnung der Helilvonier und der helilconier-ähnlichen Falter. 195
5. Ph. elaphiaea und crUhona \x. a. haben den Schrägband-Typus. Die letz-
tere hat viel Fanessa- Ähnlichkeit. Sie gleicht in Zeichnung und Flügelgestalt sehr
Temenis Laothoe. ist nur kleiner und abgesehen vom Schrägband dunkler.
6. Indem das bei leucodesma und Teletusa vorhandene breite Innenfeld sich ganz
über die Hinterfliigel und den hinteren Teil der Vordertlügel verbreitet und nur noch
einen schwarzen Rand und die Schrägband-Zeichnung übrig läßt, entsteht eine dem
bei den Pieriden so häufigen Hyale- und Glducippe-T\]ins ähnliche Eckflügel-
zeichnung, nur ist die Grundfarbe hier braun, so Ph. Flavia, Claudina u. a.
7. Zuletzt bleibt nur eine schwarze Randbinde mit verbreiterter schwarzer Vorder-
Eckflügelzeichnung übrig, entsprechend der £d»5a-Zeichnung wie bei Ph. fragilis.
Bei allen diesen Faltern haben wir also noch die gewöhnliche Flügel-
form und nichts von Querlagerung der Zeichnung. Es ist aber hoch-
wichtig, zu sehen, wie unabhängige Entwickelungsgleichheit,
Homoeogenesis, allein bei dieser Gattung Phyciodes so viele
der Zeichnungstypen entstehen läßt, welche wir als Grund-
formen der Zeichnung bei den verschiedensten Faltern be-
schrieben haben.
Bei den folgenden Arten tritt nun Querlagerung der Zeichnung
in Verbindung mit libellenähnlicher Gestaltung der Flügel
und zwar im Beginn zuerst auf den Hinterflügeln auf:
8. Ph. Janthe, Telemachos u. a. haben auf den Hinterflügeln ein ziemlich quer
verlaufendes helles Band, auf den Vorderflügeln Kleinfleckzeichnung, die erstere
Art braun, die letztere weiß.
Näher dem SiöyHa-Typus steht noch Ph. [Eresia] Ofella mit breitem weißem,
aber noch mehr längsgerichtetem, auf den hinteren Teil der Vorderflügel sich er-
streckendem Mittelfeld.
Ebenso breit, aber quergerichtet und nur auf den
Hinterflügeln findet sich das entsprechende weiße Band bei
Ph. {Eresia) i) Ciara 'Abb. 1 40), dazu ein schmales weißes Rand-
band. Auf den Vorderflügeln große weiße Fleckzeichnung,
bestehend 1) aus zwei Stücken entsprechend Band II — III
= B und III — IV = C, und außen davon Fleckchen ent-
sprechend Zwischenräumen zwischen Binde I und II. 2) Da-
hinter ein Stück des abgetrennten Innenfeldes (m und nach
innen davon in der Mittelzelle, entsprechend einem Zwischen-
raum zwischen Binde V/Vl und VII oder VIII !FG), ein
weißer Fleck, nach vorn und außen davon noch ein kaum
sichtbares weißes Fleckchen. Abb. 140.
Dieser Falter erinnert am meisten noch an den Gea- Phyciodes Clara Bat.
Typus, bei dessen Formen die Flügel gleichfalls schmal
ausgezogen sind, wodurch ein etwas quergestelltes Innenfeld auf den Hinterflügeln
entstanden ist. Ähnlich ist ihm die auf der Tafel abgebildete Ph. {Eresia) Clio.
Damit haben wir einen vollkommenen Übergang zum Helikoniden-
Typus, bezw. einer gewissenZeichnungsform desselben:
9. Ph. {Eresia] Alma Abb. 141 hat noch die zwei Vorderflügeleckflecke der vorigen,
statt der zwei hinteren Flecke der V^orderflügel aber ein quergelagertes, bis zur Flügel-
wurzel reichendes Band, auf den Hinterflügeln das Quermittelfeld der vorigen —
alles in gelblich-brauner Farbe, das Vorderflügel-Band im inneren Teil rotbraun —
damit ist zugleich auch der Anfang jener gelb-roten Grundfarbe und
zwar in derselben Anordnung gegeben, wie sie für den Helikoniden-Typus
so kennzeichnend ist.
1) Eresia werden alle schmalflügeligen Phyciodes genannt.
13^
196 Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
Mit dieser Eresia Alma stimmt in Zeichnung und Farbe am meisten iiberein die
Helikonide Euetdes lybioides^).
10. Die vorhin der Beschreibung zu Grunde gelegte Ph. [E.) Callonia und ihre
Verwandten, wie Ph. {E.) Eranites nähern sich dem Schräg band- Typus und
unterscheiden sich von den vorigen besonders dadurch, daß sie auf den Hinterflügeln
außer der Randbinde zwei schwarze Querbinden haben,
eine Zeichnung, welche auch bei sonst anders gezeichneten
Arten weit verbreitet ist, ebenso bei den Helikoniden. Es
ist dieselbe bei Callonia und Verwandten auf gewöhnlich
gestaltete Phyciodes zurückzuführen , bei welchen Binde III,
aus der die hintere Querbinde von Callonia entstand, noch
durch einen schmalen Zwischenraum von II getrennt ist.
Solche Phyciodes, zugleich mit Ecktlügelzeichnung, sind u. a.
Ph. Theona, Yorita, Crithona, Lelex, (E.) Clio.
j^\)Y,. J41. Die entsprechend oder doch ähnlich gezeichneten und
Phyciodes Alma Stgr. gefärbten Helikoniden und Danaiden sind zahlreich, besonders
die letzleren. Hierher die Helikonide Eueides Isabella(Ahh.\ M).
Für die Danaiden vergleiche: Ceratinia Daeta. C. Antonina';. Tilhorea Furia^] u. a.
\ 1 . Vollkommener ausgesprochen, aber noch mit unregelmäßiger Begrenzung des
Schrägbandes ist der Schrägband-Typus z. B. bei Ph. [E.) Eunice Q, noch mit zwei
kleinen Eckflecken und zwar weiter vorgeschritten, indem diese dem ^ fehlen.
Ganz rotbraune, nach demselben Typus gebaute Eresia-Arten mit noch schärfer
gezeichnetem Schrägband sind Eranites und die mit sehr lang ausgezogenen Vorderflügeln
versehene Philyra. Dieselben erscheinen wie libellenartig ausgezogene Formen von
Arten wie Phyciodes Teletusa.
Eunice sehr ähnlich, mit Gelb in den Vorderflügelecken, ist die Helikonide
Eueides Isabella (Abb. 142)*).
Der ganz braunen Philyra ist die Danaide Colaenis Euchroia^] sehr ähnlich in
Flügelform, Farbe und Zeichnung.
12. Reinen Schrägbandtypus und zwar nur ein Schrägband auf den Vorder-
flügeln haben
Ph. [E.) Cornelia mit breitem gelben Schrägband und einem schwarzen Fleck (V/VI)
im mittleren vorderen Teil derselben.
Ph. (E.) Acraeina mit rotem Schrägband soll Varietät sein von E. Perilla mit gelbem
Schrägband und fächerförmiger Zeichnung der Hinterflügel.
Ph. {E.) Castilla hat ein schmales rotes,
Ph. iE.) Levina ein blaues Schrägband; beide haben nur wenig ausgezogene Flügel.
Der Castilla ähnlich ist rot gebändert Heliconius Melpomene^; und die Pieride
Pereute Charops Q (Abb. U7)^).
Wir kommen demnach bei den Phyciodes ebenso wie bei
Helikoniern zu einfach schwarzen mit einem Schrägband ver-
sehenen Arten und zwar zeigt das Schrägband ziiletzt glänzend
rote Farbe, hier als höchste Stufe der Farbenfolge, welche
auch hier von Weiß und Gelb durch Braunrot zu vollem Rot überge-
gangen ist, entsprechend der Ausbildung der Zeichnung zu der hohen
Stufe der Schrägbandbildung, wie wir beides in derselben Weise bei
anderen Faltern beschrieben haben.
1) St. Taf. 32. 2) St. Taf. 27. 3) St. Taf. 30. *) St. Taf. 32.
5) Vgl. DouBLEDAY aud Hewitson, Genera of diurnal Lepidopt. I. Taf. 20.
6) St. Taf. 32. 7j St. Taf. 1 5.
F. Die Zeichnung der Helikonier und der helikonier-ähnlichen Falter. 1 97
Endlich kommt als hohe Ausbildung von Zeichnung bei den Eresia
mit Schrägband und Rot auch Fächerzeichnung vor, welche sich gleich-
falls bei schräggebänderten Helikoniern findet, wenn auch nicht gerade
bei solchen, die mit Eresia für mimetisch erklärt werden könnten.')
Es handelt sich überall auch in der Ähnlichkeit zwischen
den Phydodes-Eresia-Arten einerseits und Helikoniden und
Danaiden andererseits um Stufen bestimmter Entwickelungs-
richtungen in Farbe und Zeichnung, nicht aber um durch
Zuchtwahl entstandene Verkleidung, denn diese ist gerade im
vorliegenden Falle dadurch vollkommen ausgeschlossen, daß
alle die behandelten und andere, Helikoniden und Danaiden
nachahmen sollenden Phyciodes-Eresia viel kleiner sind als
die letzteren, wodurch eine Verwechselung vollkommen ausgeschlossen
sein muß, wie dies auch Hahxel nach Beobachtung an Ort und Stelle
hervorhebt 2).
Hahxel sagt aber weiter mit Bezug auf zwei solche sehr ähnliche
Formen: Phyciodes Lansdorfi und Heliconius Bescheid dieselben unter-
scheiden sich auch in ihrer Flugart so, daß sie nicht verwechselt wer-
den können: Ph. Lansdorfi flattert langsam und niedrig um die Büsche,
die Helikonier ziehen in der Höhe dahin.
Wir können nicht alle Beziehungen zwischen den nach Helikonier-Art
gezeichneten Faltern der verschiedenen Familien besprechen. Es kann
sich für uns nur um Feststellung der Grundzüge der Erscheinungen
handeln, zur Führung des Beweises, welches die Ursachen der merk-
würdigen Ähnlichkeit so verschiedener, nicht unmittelbar verwandter
Falter sind. Zu diesem Zwecke müssen wir aber noch auf Einzelnes
eingehen.
Trotz der äußeren Ähnlichkeit mit den helikonier-ähnlichen Nympha-
liden ist die Zeichnung der helikonier-ähnlichen Danaiden und der Heli-
koniden selbst auf andere Weise gebildet als bei ersteren.
Helikoniden. Die Zeichnung der den schwarz- rot- (bezw. braun-'
gelben Nymphaliden ähnlichsten Helikoniden beruht gleichfalls auf einem
Übergang von ursprünglicher Längsstreifung in Fleckung und Quer-
streifung.
Die größte Ähnlichkeit mit Phyciodes Callonia zeigt die Helikonide
Eueides Isabella (Abb. 1 42). Auf den ersten Blick scheinen in beiden
Fällen ganz dieselben Verhältnisse zu bestehen. Bei genauerer Betrach-
tung ergiebt sich jedoch, daß die beiden an der Grenze von Rot und
Gelb vor der die Vorderflügel durchziehenden Querbinde gegenüber der
Zahl VIII in der Abb.) gelegenen Flecke bei Eueides eine andere Lage
1) Vgl. Staud. Taf. 32. 3i P. Hahnel a. a. 0. S. 315.
198
Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtuniren der Tagfalter.
gelh ,
braiim?oti.
hvaunvoth
liegt wie vorhin
Er liegt zwar wie bei
Abb. 142. Eneidcs Isahella Craji.
in Beziehung auf die Mittelzelle haben, als die ihnen so ähnlichen Flecke
von Phyciodes CaUonia. Bei letzterer liegt der vordere äußere dieser
Flecke auf der äußeren Grenze der
Mittelzelle und entspricht unzweifel-
haft der Binde V/VI, für welche diese
Lage kennzeichnend ist. Bei Eueides
Isabella dagegen liegt dieser Fleck
nahezu in der Mitte der Mittelzelle.
Der innere Fleck
neben ihm.
Phyciodes auf der Grenze zwischen
Gelb und Rot, aber in der dritten
Flügelzelle von hinten, bei Ph. CaUonia
in der vierten. Demnach entsprechen
diese beiden Flecke, der innerhalb und der außerhalb der Flügelzelle, offen-
bar nicht den ihnen so ähnlichen Flecken von CaUonia. Es handelt sich
darin wahrscheinlich um eine der Grundbinde VIII entsprechende Zeichnung,
wie sie z. B. bei Äa^aea Anteas^) noch im Zusammenhang als ein über
die Mittelzelle hinausgreifender Schrägstrich vorhanden ist. Das vor der
Grenze der Mittelzelle bei Eueides Isabella gelegene Schwarz würde dann
IIIIV -\- V/VI entsprechen. Der Raum zwischen diesem Schwarz und
der in der Mitte der Mittelzelle gelegenen schwarzen Zeichnung, von
gelber Farbe, gehört also zur Mittelzelle: diese ist bei Isabella sehr ver-
längert und auf der Verlängerung des entsprechenden, des inneren, Teils
des Flügels beruht also hier die langgestreckte Gestalt des Vorderflügels:
es mißt derselbe beinahe 2/s der ganzen Länge des Vorderrandes; bei
Phyciodes CaUonia dagegen mißt er nur etwa die Hälfte desselben: hier hat
das Wachsen des Flügels im Gebiete vor der Mittelzelle die gestreckte
Gestaltung desselben bedingt.
Durch Verschmelzen, sich Ausdehnen oder Schwinden einzelner der
schwarzen Zeichnungeu entstehen verschiedene der Isabella ähnliche
He liconius- Arten j so H. Faumis , Auroi^a, Eucrate^), von welchen die
zwei letzteren dadurch bemerkenswert sind, daß sie auf der Ober-
seite der Vorderflügel im inneren Teil derselben (im Rot) nicht nur
einen ausgesprochenen Querstreifen haben wie Isabella, sondern deren
drei: einen vorderen Randstreifen, einen dahinter in der Mittelzelle
gelegenen und den auch bei Isabella hinter dieser vorhandenen.
Der vordere Randstreifen ist bei Isabella auf der Unterseite ^) im
Bereich des Rot stärker, oben schwächer angedeutet zu erkennen.
Der dahinter gelegene ist teilweise vorhanden. Dieser ist, wie die Unter-
seite von H. Aurora zeigt, aus zwei Flecken entstanden, deren äußerer
dem Fleck VIII der Mittelzelle, deren innerer einem Rest wahrscheinlich
der Binde IX entspricht: es handelt sich also um ein ursprünglicheres
Verhalten gegenüber dem von Isabella.
1 St. Taf. 32.
2] St. Taf. 31.
3i St. Taf. 32.
F. Die Zeichnung der Helikonier und der helikonier-ähnlichen Falter. 199
Durch Verbreiterung und Verschmelzung der Binden, so-
weit daß nur wenige bandartige Zwischenräume zwischen ihnen übrig
bleiben, entstehen ferner durchaus quergestreifte Helikoniden und
durch weitere Verbreiterung und Verschmelzung entsteht Einfarbigkeit
auf Vorder- oder auf Hinterflügeln oder auf beiden oder es erscheint
auf letzteren Fächerzeichnung. Verschiedene Artbildung entsteht ferner
auch hier durch Bestehenbleiben verschiedener Bänder.
Die Einfarbigkeit ist bemerkenswert als Endziel der Umbildung im
Sinne der Einfachheit, ja der Unscheinbarkeit der Farbe.
iIe b
mlw
Abb. 143. Heliconius Charithonia L. Abb. 144. EcUconius Pachinus Hew.
Durchaus quergestreifte Helikoniden mit einfachen breiten Binden und
schmalen Bändern sind Heliconius Charithonia (Abb. 143) u. a. Bei dieser
Art bleiben auf den Vorderflügeln gelbe Bänder zwischen den ver-
einigten Binden I II einerseits und III IV andererseits (B), sodann zwischen
IV und V VI (D) und zwischen V VI ff. und einer hinteren Randbinde.
Auf den Hinterflügeln zwischen einer vorderen Randbinde und III, dann
zwischen III und II.
Bei H. Pachinus (Abb. 144) sind vorn nur noch zwei Zwischenräume
(gelbe Bänder, B und D), hinten nur einer, bei H. Apseudes (Abb. 145)
nur vorn noch zwei übrig, bei //.. Chestertonii^] nur hinten noch einer;
bei anderen sind die zwei Bänder der Vorderflügel verschmolzen [H.
Eleusinus u.a.) 2), dann wieder sind sie unregelmäßig oder in Flecke
aufgelöst u.-s. w.
Die noch ursprünglichere Entwickelungsrichtung, welche ihren Aus-
druck nicht in Querstreifung, sondern in der Entstehung von Hell-
fleckung sowohl auf Grund von Randflecken, als durch Aussparen von
Flecken der Grundfarbe auf den Vorderflügeln findet, ist durch H. for-
mosus 3) vertreten. Dieselbe erscheint viel häutiger und ausgebildeter
bei Danaiden.
Vollkommene Einfarbigkeit zeigt auf der Oberseite keine Heli-
konide, wohl aber die verwandte Acraea nox, und zwar Schwarzfärbung.
Fächerzeichnung der Hinterflügel zeigen //e//conmsi)or«5, Mars u. a.^)
>) Staud. Taf. 32. 2j St. Taf. 31. 3j St. Taf. 3i. 4) st. Taf. 3-2.
200 r)'*^ hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
Die schwarz-(braun-) rot-gelben Helikoniden hängen mit den Danaiden
zusammen, welche offenbar deren Ausgangsformen sind.
Für die schwarz-rot-gelben helikoniden-ähnlichen
Danaiden gelten die bei den Helikoniden, z. B. bei Eueides Isabella
beschriebenen Verhältnisse sowohl was die Ursache der Gestaltung der
Vorderflügel als was die Zeichnung angeht. Meistens ist auch hier das
Mittelzellengebiet im Verhältnis zum übrigen Flügel sehr lang, wenn auch
nicht so lang wie gerade bei Isabella und überall da wo die Zeichnung
noch ursprünglichere Verhältnisse darbietet — und das ist gerade der
Fall bei den schwarz-rot-gelben Helikoniden und den ihnen ähnlichen
Danaiden — haben wir auch den schwarzen Fleck oder einen ihm ent-
sprechenden Querstrich oder zwei Flecke in der Mitte der Mittelzelle,
häufig auch den anderen Fleck in der dritten Flügelzelle nach hinten
und außen von ihm, sodann die auch sonst so weit verbreitete schwarze
Zeichnung von V/VI auf der äußeren Grenze der Mittelzelle (vgl. Taf. II:
Melinaea, Mechanitis).
Auch bei den einfarbigen hellen Danaiden bleiben diese Zeichnungen,
nebst der äußeren schwarzen Färbung der Vorderflügelecken oder schwarzer
Berandung beider Flügel, oft allein übrig.
In diesen Zeichnungen der Vorderflügel, in der Verstärkung, Ver-
größerung und Verbindung einzelner derselben bei den einen, imFehlen
einzelner bei anderen Faltern liegen die kennzeichnenden Merkmale
für zahlreiche helikonier-ähnliche Danaiden. Nehmen wir dazu wie
bei den Helikoniden helle Flecke in der Ecke der Vorderflügel zwischen
I und II, II und III oder IV, oft sich fortsetzend als Randflecke auch
auf die Hinterflügel [Melinaea Paraiya ^), Melinaea, Lycorea, Taf. II) u. a.
zuweilen einen starken Querstreifen auf dem hinteren Teil der Vorder-
flügel, auch einen weiteren solchen am hinteren Rande, sodann, abge-
sehen von der Berandung, einen oder zwei Querstreifen oder Querflecken-
reihen auf den Hinterflügeln [Eueides Isabella und die Abbildungen der
Tafel II) , so haben wir eine verhältnismäßig ursprüngliche Zeichnung
der Helikoniden und helikonier-ähnlichen Danaiden. Durch Verbreiterung
oder gegenseitige Verschmelzung der Binden und Übrigbleiben bestimmter
Zwischenräume zwischen denselben entstehen auch bei den Danaiden
weitere Veränderungen und aus allen diesen Veränderungen erklärt sich
die Bildung der Zeichnung der verschiedenen Arten. Dabei ist in vielen
Fällen wiederum, eben durch Verschmelzen der Binden, oder, wie bei
den schon behandelten farblosen, durch Schwinden, bezw. Zurücktreten
von Farbe und Zeichnung, eine Vereinfachung der Zeichnung und
überwiegendes Schwarzwerden als höhere Stufe der Ausbildung zu be-
obachten.
Auch bei den Danaiden sehen wir wie bei Heliconius foi-nwstis die
besondere Entwickelungsrichtung vertreten, daß eine helle Fleckung der
Flügel, besonders der Vorderflügel entsteht, durch Verschmelzung der
1) St. Taf. 30.
F. Die Zeichnung der Helikonier und der helikonier-ähnlichen Falter.
201
schwarzen Binden bis auf ausgesparte Flecke der hellen Grundfarbe.
JSapeogenes excelsa^)^ Callithomia Hezia'^], Tithorea Susanna, Bonplandii,
Tarracina'^) bilden hier Übergänge.
Die Danaiden dürften von den Pieriden
ausgegangen sein oder mit denselben gemein-
samen Ursprung haben. Dafür sprechen Formen
wie Ithomia pardalis (Abb. 149)^ unter den
Danaiden, welche durch die weiße Farbe und
durch die Zeichnung manchen Pieriden sehr nahe
steht. Die Ithomien sind, soweit sie ausgedehn-
tere schwarze Zeichnung haben, entsprechend
ihrer schmalen gestreckten Flügelgestalt quer-
gestreift, Ithomia pardalis aber mit kürzeren
und breiteren Flügeln ist mehr getleckt, ähnlich
vielen Pieriden.
Abb. 145.
Heliconius Apseitdes Hübn.
Tirfar
Drli^
Pieriden. Es giebt nun auch Pieriden, welche die gestreckte schmale
Flügelform der meisten Helikoniden und damit quergerichtete Zeichnung an-
nehmen, die Dismorphien: Leptalis Taf. II) ^j,
dann Perrhybris^).
Wieder sind es im Wesentlichen die-
selben Entwickelungsrichtungen wie
bei den vorher behandelten Faltern, den Da-
naiden und Helikoniden und den Nympha-
liden, welche die Ähnlichkeit der Zeichnung
mit denselben bedingen.
Bei den Dismorphien haben wir
teilweise äußere Eckflecke (zwischen II
und III, B) (z. B. Dismorphia Astynome
[Taf. II] und Arsinoe [Abb. 146]), dann
den weitverbreiteten queren Zwischenraum
der Grundfarbe in der Yorderecke der
Vorderflügel zwischen IV und V/VI , zu-
weilen als Flecke, dann zwei schwarze
Querbinden auf den Vorder- und eine
oder zwei auf den Hinterflügeln. Auch
Fächerzeichnung der Hinterflügel kommt
vor. Übergänge von diesen häufig wieder
Abb. 146. Dismorphia Irsn^Of Feld. Q.
schwarz-ibraun-rot-gelb gefärbten Dis-
morphien durch weiß und schwarze oder
gelb und schwarze schmalflügelige zu Pie-
riden mit gewöhnlicher Flügelform kommen
vor. Andererseits giebt es auch verwandte
Abb. 147. Perente Charops Boisd.
1 Staud. Taf. 28.
5 St. Taf. 15.
2 St. Taf. 27.
St. Taf. 20.
3, St. Taf. 30.
*i St. Taf. 29.
202 Die hauptsächlichsten Entwickelungsrlchtungen der Tagfalter.
Gattungen, welche bis auf ein rotes oder gelbes Band hinter der Vorder-
llügelecke schwarz sind, z. B. Pereute Charops (Abb. 1 47) und welche so
wieder vollkommene Parallelformen auf Grund derselben Entwickelungs-
richtung mit Helikoniden liefern [lleliconius Melpomene)^]. Ebenso giebt
es zahlreiche Dismorphia- Arten mit hellgefleckten Vorderflügeln, ent-
sprechend HeUconius formosus u. a. und ferner solche, welche, wie JJ.
Avonia, in Farbe und Zeichung der Phyciodes Clara und Clio vollkommen
ähnlich sind und von welchen letzteren beiden man annehmen könnte,
dass sie gewisse Danaiden nachahmen, wie z. B. Hamadryas Moorei'^).
Allein die Phyciodes und Dismorphien leben in Südamerika, Hamadryas
Moorei aber lebt, wie die ähnliche //. Zoilus'^), in Australien (Papua-Gebiet)!
Also wieder ein laut redender Beweis für Homoeogenesis ohne jede bio-
logische Beziehung der ähnlichen Formen. Und diese Ähnlichkeit ist so
groß, wie z. B. unter den zahlreichen gleichfafls schwarz -weißen oder
glashellen meist nach dem Schrägband -Typus gezeichneten ähnlichen
Ithomien und Pieriden keine wird gefunden werden können, auch wenn
oder obschon sie zusammenleben. Eine diesen Ithomien im Aussehen
nahestehende und mit ihnen lebende Pieride ist z. B. Dismorphia fortu-
nata (Abb. US)'*) mit Schrägband Coder/) oder CD. Hier wie bei den
Ithomien ist übrigens die Binde V/VI bestehen geblieben und dadurch
ist der Charakter der Zeichnung wesentlich bedingt (vgl. Ithomia galata,
Abb. 150). Bei D. fortunaia ist das Schrägband weiß, das Innere der
Vorderflügel und das Innenfeld der Hinterüügel glashell; bei den Itho-
mien ist außer der Zeichnung meist alles glashell.
Abb. 148. Dismorphia fortunata Luc. Q. Abb. 149. Ithomia pardalis Salv. Abb. 150. Ithomia galata Hew
Teilweise Farblosigkeit der Flügel bei Dismorphia-Wannchen.
Eine weitere Thatsache spricht dagegen, daß es sich auch unter
ähnlichen in demselben Gebiete lebenden Dismorphien einerseits und
Danaiden und Helikoniden andererseits um mimetische Beziehung handeln
könnte, und diese Thatsache ist noch nach anderer Bichtung hin von Wich-
tigkeit: die Männer vieler Dismorphien und nur sie, nicht auch die Weiber,
haben die Eigentümlichkeit, daß der größte (vordere) Teil ihrer Hinter-
flügel auf der Oberseite und der größte (hintere) Teil ihrer Vorderflügel
auf der Unterseite farblos ist, mögen die Falter im übrigen noch so
glänzend gefärbt sein, und zwar ist der ungefärbte Abschnitt vom
ij Staud. Taf. 32. 2) St. Taf. 26. 3) Hübner's Zuträge Abb. 799. 800.
4) Staud. Taf. 1 ö.
F. Die Zeichnung der Helikonier und der helikonier-ähnlichen Falter. 203
gefärbten jeweils durch eine ganz scharfe Linie abgegrenzt. Es handelt
sich dabei offenbar um die Folge einer besonderen Flügelhaltung von
Seiten der Männchen: dieselben müssen die Flügel so tragen, daß die
Vorderflügel die Hinterflügel zum größten Teil bedecken, und es ist
augenscheinlich der Mangel der Einwirkung des Lichtes,
welcher die Farblosigkeit jener Teile bedingt hat — Ver-
erbung erworbener Eigenschaft. Denn der Mangel an Färbung
findet sich bei allen Faltern auch anderer Familien in derselben Aus-
dehnung, in welcher die Vorderflügel die Hinterflügel decken, worauf
ich für die Papilioniden schon in meiner Artbildung und Verwandtschaft
bei den Schmetterlingen« hingewiesen habe. Dabei setzt sich die Zeich-
nung, z. B. die Längsstreifung der Segelfalter, von den Vorderflügeln
in der Weise auf die Hinterflügel fort, daß die bedeckte (farblose)
Stelle am Vorderrande der Hinterflügel von ihr überschlagen wird ^).
Diese D/smo/'/)/?^- Männchen nun, welche nach dem, was wir an
unseren Faltern beobachtet, eine von ihren Weibchen und ebenso von
den ihnen in Zeichnung, Farbe und Flügelform ähnlichen Danaiden und
Helikoniden ganz verschiedene Flügelhaltung haben müssen,
werden mit diesen trotz jener Ähnlichkeit weder im Fluge noch im
Sitzen verwechselt werden können.
Wir bilden im Folgenden als Beispiel Dismorphia Praxinoe von der
^--9e/(>
^o^3el6
Abb. 151. Dismorphia Praxinoe Doubl, r^. Abb. 152. Dismorphia Cornelia Feld.
Oberseite, Dismorphia Cornelia von der Unterseite ab. Jene ist zu-
gleich Beispiel für die Ausbildung der hellen Fleckzeichnung der Vor-
1) Herr August Weismanx hat es als besonders schlagenden Beweis für die ge-
heimnisvolle Macht der Zuchtwahl dargestellt, überall die nötigen Variationen bereit
zu halten und auf der »tabula rasa« eines Schnietterlingsflügels eine Blattzeichnung
herzustellen, daß bei den Blattschmetterlingen die Mittelrippe den vorderen Rand der
Oberfläche des Hinterflügels überschlägt und sich genau da auf diesen fortsetzt, wo
sie wieder erscheinen muß , eben um die »Mittelrippe« herzustellen (Germinalselek-
tion S. lö ff. und S. 4 4). Etwas Naturbeobachtung hätte demselben zeigen können,
daß jenes Verhalten der Zeichnung ein allgemeines, durchaus nicht auf die Blatt-
schmetterlinge beschränktes ist und daß die »Mittelrippe« auch bei letzteren genau
da auf den Hinterflügeln wieder erscheint, wo sie bei natürlicher Lage der
Flügel wiedererscheinen muß — wenn, wie ich voraussetze, die Einwirkung
des Lichtes bei ihrer Entstehung ebenso wie bei anderen Zeichnungen
der Schmetterlinge mit beteiligt ist.
204 Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
derflügel, entsprechend der von Ifeliconius formosus u. a. [H. formosus
hat allerdings auch noch Randflecke). In beiden Fällen erweisen
sich jene hellen Flecke wieder als Stücke von Schrägbändern. Die Ver-
gleichung mit H. formosus oder z. B. mit der nach demselben Typus
gezeichneten und ähnlich gefärbten Danaide Callithomia Hezia^) zeigt, daß
die Beschaffenheit der Oberseite der Hinterflügel bei Praxinod alle Ver-
kleidungsähnlichkeit mit diesen als schützend in Frage kommenden Fal-
tern aufhebt.
Rückbildung von »verkleideten« Dismorphien und anderen Pieride n.
Einen weiteren wichtigen Anhalt zu Gunsten des Schlusses, daß es
im besonderen bei den Pieriden nicht durch Zuchtwahl entstandene Ver-
kleidung ist, welche dieselben Helikoniden und Danaiden ähnlich gemacht
hat, bietet die Beobachtung, daß off'enbar zahlreiche solche »verkleidete«
Dismorphien in Rückbildung zu gewöhnlichen weißen oder
gelben Pieriden mit Hyale- oder Edwsa-Typus begriffen sind. Die
vorhin erwähnten Übergänge von ersteren zu letzteren beziehen sich auf
solche Rückbildung. Diese Rückbildung schließt auch eine Rückkehr
der libellenähnlichen zu gewöhnlicher Pieriden-Flügelform ein. Es giebt
ganze Reihen citronengelber oder weißer, schwarzgezeichneter Dismor-
phien, welche die Rückbildung andeuten. Bei manchen sind die Vorder-
flügel noch libellenflügel-ähnlich (auch zuweilen spitz], wenn schon Hyale-
oder £'f/r<sa-Zeichnung entstanden ist [D. Melite, Jethys (^, Albania, Theu-
genis; bei Jethys Q ist eben noch eine Andeutung von Libellenform vor-
handen. Vgl. Abb. 156, dann 155 Melite).
Sehr bemerkenswert ist, daß es Gattungen gewöhnlicher Weißlinge giebt, deren
Arten zum Teil die gewöhnliche, zum Teil Dismorphia-FlügeUovm besitzen. So sagt
Schatz von den zwei Arten der Gattung Leucophasia : »Die beiden bekannten Arten,
L. sinapis L. und L. Duponcheli Stdgr., gehören ausschließlich dem paläarktischen
Faunengebiet an und stehen unter den Pieriden der östlichen Halbkugel ganz verein-
zelt da, weil sie keine nähere Verwandtschaft zu irgend einer anderen Pieridengatturig
dieses Gebiets besitzen. Ihr Vorkommen im europäischen Faunengebiet wäre deshalb
ganz unverständlich, wenn wir nicht in der folgenden Gattung Dismorphia, mit welcher
sie eng verbunden ist, den Schlüssel hierzu hätten. Die Erklärung dieser Thatsache
haben wir kurz in der Einleitung zur allgemeinen geographischen Verbreitung der
Schmetterlinge angegeben -). Es kann daher kaum auffallend erscheinen, daß wir halb-
wegs zwischen Amerika und Europa, in den Amur-Gebieten, eine Varietät der Sinapis
antreffen, bei welcher sich noch ganz deutlich die für die meisten Dismorphiden so
charakteristisch sichelförmig umgebogener Flügelspitze erhalten hat« 3).
Ebenso hat die fast ganz wie die gewöhnlichen Weißlinge, z. B. Anthocharis car-
damines gezeichnete Midea Scolymus aus Japan*), noch die spitze Gestalt der Vorder-
flügel wie die Dismorphien. Dasselbe gilt für andere Arten derselben Gattung 5^.
1) Staud. Taf. 27.
2) der ehemalige Zusammenhang Nordasiens und Nordamerikas in der Gegend
des Behringsmeeres.
3] Staudinger und Schatz, Exotische Schmetterlinge II, S. 57.
4) Staud. Taf. 23.
^) Vgl. Hübner, Sammlung exotischer Schmetterlinge I. Taf. 1 4ä : Mancipium vorax
Midea = Midea genutia Fabr. Nordamerika.
F. Die Zeichnung der Helikonier und der helikonier-ähnlichen Falter. 205
Vom Schrägband -Eckfleck -Tj^us, welcher der Querbänderung der
libellenflügeligen Falter noch am nächsten steht [D. Virgo, Foedora, bei
letzterer ist wiederum die Flügelform des Q am meisten der gewöhn-
lichen ähnlich geworden, vgl. Abb. 153), kommen wir zu einer Durch-
brechung der inneren Schrägbandgrenze [D. Critomedia (^, Abb. 1 54 1),
bis 'lUT Hyale- und Edusu-Zeichnimg [Jethys, Critomedia Q, welches wie-
derum mehr zurückgebildet ist als das (J^, 3Ielite, Comelia, Abb. 152 2).
auch Lewyi, Psamathe, Marion] und zuletzt zu fast ganz einfarbig weißen
Arten [Nehemia]^), mit durchaus gewöhnlicher Flügelform. Höchst be-
merkenswert ist, daß auch bei diesen Umbildungen sich ein Rest der
Binde V/VI, wenn auch nur als kleiner Punkt nahe dem Vorderflügel-
A1)Td. 153.
Dismorplüa Foedora Luc. Q .
Abb. 154.
Dismorphia Critomedia Hübn. r^.
I- JE
Abb. 155.
Dismorvhia Melite L. Q
'f.
i-nr
\
Abb. 156. Dismorphia Jethys Boisd. Q.
Abb. 157. Dismorphia Psamathe F. (J.
rande, abgesehen von der Eckzeichnung der Vorderflügel, am längsten
erhält.
Wenn ich hier überall auf Rückbildung schließe, so gehe ich davon
aus, dass die Gattung Dismorphia wirklich eine natürliche sei, d. h. daß
deren Arten blutsverwandt zusammengehören.
Es giebt aber noch andere Thatsachen, welche beweisen, dass eine
solche Rückbildung von schwarz-rot-gelben Helikoniden-, bezw. Danaiden-
ähnlichen Eigenschaften zur Farbe, Zeichnung und Flügelgestalt gewöhn-
licher Weißlinge wirklich erfolgt ist
1) Staüd. Taf. 1 5.
2) Ebenda.
3) St. Taf. i 5.
206 Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
Bei Perrhybris-krien ^ wie P. Lorena^) und Pyrrha^) ist jene Farbe
und Zeichnung an den Weiliern noch vorhanden, auch die Gestalt der
Flügel noch etwas gestreckt; die Männer al)er sind gewöhnliche Weiß-
linge, weiß mit schwarzer Zeichnung, auch noch fast ganz mit der Ge-
stalt derselben, allein auf dem vorderen inneren Teil der Unterseite
der Hinterflügel tragen sie noch Reste der Farbe und Zeichnung der
weiblichen Tiere in Gestalt einiger dicht nebeneinander gelegener schwarz
und roter, bei Pyrrha schwarz, rot und gelber Querbinden- bezw. Band-
stücke, welche sofort den Eindruck von Rudimenten machen. Auf der
Oberseite fehlen diese Reste: hier sind beide Männer reine Weißlinge.
Was aber von schwarzer Zeichnung auf beiden Flügelflächen bei ihnen
noch vorhanden ist, ist gleichfalls ein Rest der Helikonier- Zeichnung:
bei Lorena^) vorne Schrägband-Typus, hinten noch ein schwarzer Hinter-
rand; bei Pyrrha^) vorne nur noch ein schwarzer Eckfleck nach dem
5rassjcae-Typus, hinten Rest eines schwarzen Randes, unten mehr als
oben. Ähnliche Verhältnisse zwischen Mann und Weib bietet Perrhyhris
Malenka^)^ während bei P. Pisonis^) auch das Q ein Weißling geworden
ist wie der cf ').
Es sind also diese Männer zu gewöhnlichen Weißlings-Eigenschaften
gelangt, während die Weiber z. T. noch auf jener der schwarz-rot-
gelben Vorfahren verharren. Ob es sich dabei um eine plötzliche,
sprungweise Rückbildung der ersteren handelt oder ob früher Zwischen-
formen zwischen beiden Geschlechtern vorhanden waren, läßt sich selbst-
verständlich nicht sagen. Es sprechen aber gewisse Thatsachen für Hal-
niatogenesis, und zwar derartige, welche zugleich noch weitere Beweise
dafür liefern, daß die vorliegende Umbildung überhaupt eine solche zu
Weißlingen ist, und daß nicht etwa umgekehrt die Eigenschaften der
letzteren, der Männer, die Ausgangsformen darstellen, die der schwarz-
rot-gelben Weiber die Endglieder.
Es giebt nämlich, wie wir später noch näher sehen werden, zahl-
reiche andere Pieriden verschiedener Zeichnungstypen und teilweise
bunter, gelber oder roter Farbe, welche im Begriff'e stehen, sich zu
Weißlingen umzubilden. Dies zeigt sich darin, dass solche Falter auf
der Unterseite und zwar besonders auf der Unterseite der Hinter-
flügel, noch ursprünglichere Zeichnung und ursprünglichere, d. i. in
diesem Falle buntere Farbe haben als oben, bezw. unten vorn. Auch
hier handelt es sich fast überall um stufenweise, nicht um allmähliche
1) Staud. Taf. 20. 2) Ebenda. 3) St. Taf. 20. *) Ebenda.
5) Hewitsos 1. Pieris 5, 6. 6) Ebenda 40, 41.
'^) Es giebt auch Callosiine-A.rten, welche noch .Stücke schwarzer Querstreifen
und zwar auf der Oberseite an der Grenze beider Flügelpaare, z. T. auch noch in der
Mitte der Hinterflügel haben 'i), von welchen die ersteren denen der genannten Perr-
hybris (5 entsprechen, der letztere wohl einem Rest einer schwarzen Randbinde. Das-
selbe dürfte für die bezügliche schwarze Zeichnung von Idmais Eris^] gelten. Alle diese
Falter haben schon die gewöhnliche Flügelgestalt der Weißhnge.
a) Staud. Taf. 23. i>) St. Ebenda.
F. Die Zeichnung der Heliivonier und der helikonier-ähnlichen Falter. 207
Übergänge zwischen hinten und vorn der Unterseite bezw. der Unter-
und Oberseite. Und in vielen solcher Fälle geht ebenso wie bei den
Perrhybris der Mann dem Weib im Fortschreiten zur Weißlingbildung
bezw. zur Vereinfachung voran. Wiederholt handelt es sich dabei
um den Xuthus- und um den hellen Großfleck -Typus der Unterseite
auf beiden oder nur noch auf den Hinterflügeln, welche vorne bezw.
oben der Einfarbigkeit gewichen sind. Häufig ist unten, bezw. unten
hinten noch gelbe Färbung vorhanden, welche vorne unten und auf der
Oberseite durch Weiß ersetzt wird. Besonders bemerkenswert sind aber
Fälle, in welchen, wie bei Lorena, Pyrrha und Malenka, auf der Unter-
seite der Hinterflügel noch Reste eines leuchtenden Rot vorhanden sind,
und zwar meist, wie bei diesen drei Faltern, vorn und innen! Man ver-
gleiche hierzu die Tafeln 18 — 23 von Staudixger's exotischen Schmetter-
lingen und das später über den Gegenstand Gesagte'.
Es müssen aber die Männer aller dieser Falter gegenüber den
Weibern zur Einfachheit vorgeschritten sein, weil die letzteren eben
noch Reste von Zeichnungst\^en tragen, welche überall gegenüber jenen
der Männer niedrigere, ursprünglichere sind. Andererseits läßt sich nur eben
durch diese Erklärung verstehen, daß so viele Pieriden namentlich im
weiblichen Geschlecht gerade auf der Unterseite und — besonders nach
Maßgabe späterer Darlegung — vorzüglich auf der Unterseite der Hinter-
flügel auch glänzende Farben oder noch Reste von solchen, wie glänzen-
des Rot zeigen können: die betreffenden Falter müssen — so ist aus
allem schon Mitgeteilten und noch Mitzuteilenden zu schließen — diese
schönen Farben früher auch auf der Oberseite getragen haben: genau
so wie dies heute bei Perrhybris Lorena, Pyrrha und Malenka Q noch
thatsächlich der Fall ist!
Endlich ergiebt sich der Schluß, daß die Umbildung in der Rich-
tung zu Weißlingen stattgefunden hat, aus den zahllosen Thatsachen der
allgemeinen Umbildung der Zeichnung, welche ich in dieser Arbeit vor-
führe: darnach können nicht einfarbige oder nahezu einfarbige Weiß-
linge zu gestreiften Pieriden geworden sein, sondern es muß die um-
gekehrte Umbildung stattgefunden haben. Und zwar müssen es nach Maß-
gabe der Entwicklung der Zeichnung der schwarz-rot-gelben Helikoniden-
und Danaiden-Art , wie ich sie bei den Nymphaliden beschrieben
habe , wohl längsgestreifte , wahrscheinlich aber schon mit der Anlage
breiter Längsbänder versehene Falter gewesen sein, welche Faltern wie
den heutigen weiblichen Lorena, Malenka und Pyrrha den Ursprung
gaben. Von solchen Vorfahren, wie sie heute unter den Pieriden nicht
mehr vorkommen, wohl aber unter deren Vorgängern, welche ausge-
1; Hier will ich nur anführen, daß unter den auf den genannten Tafeln abge-
bildeten Faltern die folgenden gleich wie P. Malenka, Lorena und Pyrrha nach der Einfach-
heit der Weißlinge vorgeschrittene Männer haben: Pieris Java, tenuicornis, Severina,
Deltas Aruna, Candida, chrysomelaena, nigrina, Egialea, Eronia Valeria, Callostine Jahne,
cinerascens, Hildebrandti !
208 I^ic hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
storbenen Parnassiern mit Längsstreifung geglichen haben werden, ähnlich
etwa Luehdorfia Puziloi, stammen wohl einerseits Pieriden wie Archonias
sebennica und pitana mit Mittel- und Innenfeld und andere mit Xuthus-
u. a. Zeichnung ab, welche sich zu einfarbigen Weißlingen umbildeten,
während andererseits daraus nach Art von Alhyma Nefle u. a. in Folge
der Entstehung von Libellen fliigelform die quergezeichneten helikonier-
und danaiden-ähnlichen Pieriden wurden, welche sich dann ebenfalls zu
mehr oder weniger einfarbigen Weißlingen umbildeten ').
Wenn es sich in den Resten bunter Farben und zusammengesetzterer
Zeichnungstypen auf der Unterseite gegenüber der einfachen Oberseite
so zahlreicher Pieriden nicht um eine Umbildung handeln würde, bei
welcher die Unterseite noch den ursprünglichen Zustand anzeigt, so ständen
diese Pieriden nach ihrer Entwickelung in vollem Gegensatz nicht nur
zu den übrigen Pieriden, in welchen die Umbildung thatsächlich so er-
folgt, sondern zu allen übrigen Tagfaltern. Denn wir werden später
noch ausführlich zeigen, daß hier überall die Umbildung der Oberseite
im Sinne der Einfachheit derjenigen der Unterseite und daß auf dieser
meist der Vorderflügel dem Hinterflügel vorangeht.
Unter den Pieriden, auf deren Unterseite man, besonders hinten,
noch Reste früherer Querstreifung erkennen kann,
sind zahlreiche, welche schon wieder vollkommen
die gewöhnliche Flügelform erlangt oder höchstens
noch eine Andeutung der Libellengestalt erhalten
haben. Ich bilde als Beispiel Archonias Corcyra
von der Unterseite ab. Die Binde IV liegt hier noch
ganz schräg auf den Hinterflügeln. Auf den Vor-
derflügelu liegt Binde III wie bei helikonier-ähn-
lichen Dismorphien , und wie übrigens bei den
meisten Pieriden, in entgegengesetzter Richtung
schräe;. Unten sind außerdem noch andere Reste
Abb. t5S. •"
Archonias Corcyra Feld. vou Zeichuung vorhaudcn. Die Unterseite der Hinter-
Ton unten. flügel ist uoch citroncugelb , die der Vorderflügel
schon weiß, nur außerhalb der Binde III gelb. Die
Oberseite ist vollkommen weiß und außer einer schwarzen Vorderflügel-
ecke durchaus zeichnungslos.
ij Durch das Vorstehende widerlegen sich vollkommen die Folgerungen, welche
Herr August Weismann in seiner »Germinalselektion« S. 45 unter Berufung auf Herrn
DixEY (Report of the British Association of 1894) aus den Eigenschaften der behan-
delten Perrhyhris gezogen hat, indem er meint, dieselben lieferten den Beweis, daß
nicht immer irgend ein Grad der Ähnlichkeit zwischen Vor- und Nachbild bei Ent-
stehung mimetischer Formen durch Zuchtwahl von vornherein vorhanden gewesen
sein müsse. Er sagt: »daß dies keineswegs der Fall ist, hat kürzlich Dixey an ge-
wissen Weißlingen Südamerika's gezeigt, welche Helikoniden nachahmen und bei
welchen ein kleiner gelbroter Streif auf der Unterseite der Hinterflügel als Ausgangs-
und Anknüpfungspunkt für die Entwickelung der protektiven Ähnlichkeit mit den völlig
verschieden gefärbten Helikoniden gedient hat.« Vgl. auch später Darwin und Wallace
Übersicht über die hauptsächlichsten Entwickelungstypen. 209
Auch bei Papilioniden kommen solche »mimetische« schwarz -rol-
gelbe helikoniden-ähnliche Falter vor, wiederum, gleich allen übrigen
ebenso gestalteten und gefärbten in Südamerika: Papilio Ascolius^) in
Neu-Granada und P. Zagreus"^) in Venezuela und Bogota.
Auch hier beruht überall die Ähnlichkeit auf denselben uns längst
bekannten Entwickelungsrichtungen.
Bei beiden Faltern haben wir Randtlecke, entsprechend Zwischenräumen zwischen
Binde II und III, in den Ecken der Vordcrflügel übergehend in größere Flecke. Nach
innen davon Binde III und IV verschmolzen, letztere vorne wieder durch Brücken mit
V/VI verbunden, quer über die Mittelzelle herüber eine schwarze Binde ähnlich wie
bei den Helikoniden. Dann weiter auf den VordertUigeln dem Mittelfeld entsprechende
Flecke, welche, wie aus der Zeichnung der Unterseite mit Wahrscheinlichkeit hervor-
geht, zwischen Binde III und IV liegen; endlich auf den Hinterflügeln ein Innenfeld,
nach vorne begrenzt von einer queren Randlünde.
P. Zagreus ist, wenngleich schwarz-rot-gelb gefärbt, sowohl in Flügelform wie
in Zeichnung den gewöhnlichen Papilioniden ähnlicher als Ascolius und bildet zu diesen
einen Übergang. Übrigens ist Ascolius von Gray als Varietät von Zagreus beschrieben
worden. Nur Ascolius hat schmale, gestreckte Vorderflügel, ähnlich Lycorea-. \rten
unter den Danaiden, welche er nachahmen soll; seine Zeichnung macht dement-
sprechend mehr den Eindruck des Quergestreiften, als die von Zagreus, der übrigens
gleichfalls als mimetisch mit Lycorea bezeichnet wird. Besonders Zagreus ist aber
erheblich größer als wohl irgend eine der in Frage kommenden Danaiden und als
alle schwarz-rot-gelben Helikonier, so daß Verkleidung ausgeschlossen erscheint.
Zagreus und Ascolius schließen sich an die Ornithoptera an, am nächsten der
erstere. Ihre Zeichnung läßt sich auf Eckfleck-Schrägbandzeichnung, verbunden mit
großen Mitteileidflecken auf den Vorderflügeln, zurückführen, während sich auf den
Hinterflügeln ein Innenfeld herausgebildet hat. Die Vorderflügelzeichnung steht am
nächsten etwa Ornilhoptera Richmondia Q ^ und 0. Victoriae Q 4
Gestaltveränderung der Flügel und die damit Hand in
Hand gehende Umbildung der Zeichnung haben auch hier die
Ähnlichkeit mit Danaiden in erster Linie bedingt, auch hier
kann keine Rede sein von sich anpassender Nachahmung in
Beziehung auf beide.
Überall sind es offenbar bei den helikonier-ähnlichen Fal-
tern einerseits und bei den Helikoniden bezw. Danaiden an-
dererseits die gleichen Entwickelungsrichtungen, welche,
wenn auch mit gewissen Abänderungen, zu übereinstimmen-
der oder doch ähnlicher Zeichnung führten.
Übersicht über die hauptsäeliliclisten Eutwickeluiigstypen.
Die Längsstreifung , wie sie bei den segelfalterähnlichen Papilio
besteht, ist, wie wir gesehen haben, der Ausgangspunkt für alle Tag-
falterzeichnung, mögen die Bilder, welche dieselben darbieten, noch so
1; Abbildung bei C. Fickert: Über die Zeichnungsverhältnisse der Gattung Orni-
o
thoptera, Zool. Jahrb. Abt. f. Systematik Bd. IV. -1889 S. 767
2, Staud. Tat. 10. 3) St. Taf. 4. «i Ficker
Eimer, Ortliogenesis. -| 4
Staud. Tat. 10. 3) St. Taf. 4. «i Fickert a. a. 0. Taf. 21 Fig. i.
210
Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
verschieden sein: die Möglichkeit die Zeichnung eines Weißlings oder eines
Heliconius oder einer Euploea, einer Vanessa irgendwelcher Art, irgend
einer Morphide oder Satyride u. s. w. , kurz jede Tagfalterzeichnung,
möge dieselbe beschaffen sein wie sie wolle, von derjenigen der Alebion-
Glycerion-Podalirius , bezw. der Megaliira Berania abzuleiten, erscheint,
wenn man nur die Endglieder in's Auge faßt, vollkommen ausge-
schlossen. Allein die Übergänge zeigen, wie wir gesehen haben, daß
sie besteht, daß alle Zeichnungsarten untereinander zusammenhängen
und daß es verhältnismäßig wenige bestimmte Entwickelungsrichtungen
sind, welche dieselben hervorgerufen haben müssen. Und der Gang der
Umbildung selbst wie die Endziele derselben zeigen, daß von irgend-
welcher auch nur im Geringsten maßgebenden Bedeutung der Zuchtwahl
dabei keine Rede sein kann.
Wir wollen die längsgestreifte Grundzeichnung als
Alebion-Podalirius- oder Segelfalter-Typus bezeichnen.
Aus ihm geht auf verschiedene Weise hervor der
Die
Sarpedon-Hectorides-Daraxa- oder Mittelfeld-Typus.
Wege der Bildung sind hauptsächlich zwei:
a. Die inneren wie die äußeren Binden verbreitern sich und ver-
schmelzen allmählich, und so entsteht eine immer mehr sich verbreiternde
Randbinde und ein eben solches Binnenfeld, welche einander gegen einen
hellbleibenden Mittelraum, das Mittelfeld, von beiden Seiten her entgegen-
wachsen. Dieser Vorgang findet sich z. B. bei den Schwalbenschwanz-
ähnlichen Schmetterlingen, in der Machaon-Asterias-Gruppe (vgl. Abb. 1 5,1 6).
b. Die äußeren wie die inneren Binden bleiben ganz oder teilweise
erhalten, zwischen ihnen tritt Verdunkelung oder dunklere Färbung ein,
zuweilen werden sie durch solche Verdunkelung auch unsichtbar oder
sie schwinden überhaupt und es entsteht wie vorhin ein dunkles Außen-
und ein ebensolches Innenfeld, zwischen beiden aber bleibt als ver-
breitertes helles Band, meist von zwei Binden und zwar meist von Binde
ii^x III und IV scharf begrenzt, das Mittelfeld
übrig. Dies findet sich besonders bei Nym-
phaliden, Morphiden, Brassoliden, Saty-
riden u. a.
Ein besonderes Beispiel hiefür giebt
die von uns abgebildete Nymphalide Adel-
pha Syme bei Vergleichung der Unter- und
Oberseite, welche in derselben Weise auch
bei zahlreichen anderen Arten die Ent-
stehung des Mittelfeldes und überhaupt
der Zeichnung der Oberseite erklärt. Auf
der Unterseite der Syme sehen wir den
Zwischenraum zwischen Binde III und IV/V/VI — VII verbreitert. Auf der
Oberseite ist an derselben Stelle zwischen dunklem Außen- und Binnen-
feld, in welch beiden noch Grundbinden oder Reste von solchen enthalten
sind, ein ausgesprochenes weißes Mittelfeld vorhanden (vgl. Abb. 159).
Abb. 159. Adelpha Syme Godt. Q
Übersicht über die hauptsächlichsten Entwickelungstypen. 211
Abb. 16U. Vanessa glaitconia Motsch.
Abb. IGI. Limcnitis Sibylla L.
Abb. 102. Painlio Delalandii Godt.
14^
212
Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungcn der Tagfalter.
Ähnliche Beziehungen zwischen unten und oben sehen wir z. B. bei
Morpho Adonis u. a., ebenso besonders bei Nymphab'den [Precis Andre-
miaja Abb. 42, Rhinopalpa Sabhia Abb. 43).
Der Sibylla-prorsa-Zarinda- oder Mittelfeld-Schrägfleck-
Typus entsteht aus dem vorigen zumeist entweder dadurch, daß der
vordere Teil des 3Iittelfeldes der Vorderflügel sich nach einwärts richtet
(Abb. 160) und oft abtrennt (Abb. 161), oder dadurch, daß ein solcher
Schrägfleck durch ein oder mehrere Stücke benachbarter Bänder ent-
steht. (So bei Papilio IJesperus, Abb. 78, durch Band />, bei P. Epiphor-
bas, Abb. 79, und P. Delalandü, Abb. 162, durch Band F, bei Vanessa
Canace^ Abb. 81, wo das Mittelfeld durch Band B gebildet wird, durch C,
ebenso bei V. Haronia^ Abb. 82, wo es durch BC gebildet wird, u. s. w.)
Der Cardui-Atalanta-Inachis-Dirce- oder Eckfleck-Schräg-
band-Typus entsteht aus jener nach einwärts gerichteten Fortsetzung,
bezw. Abgliederung des Mittelfeldes, während dasselbe im Übrigen ge-
schwunden ist. Zugleich sind oft noch Vorderflügel-Eckflecke (zu A oder
B gehörig) und besonders ein großer aus dem vordersten Teile des
Mittelfeldes C entstandener vorhanden. Der Schrägfleck kann sich nach
außen durch Zuziehung von Teilen anderer Bänder (.4, B) verlängern
und zuletzt ein einheitliches Schrägband bilden.
Einen Übergang vom vorigen zu diesem Typus bildet z. B. Vanessa
Myrinna (Abb. 163), bei welcher das Schrägband FG in Bildung begriff'en,
das bei V. Atalanta (Abb. 164) vollendet ist. In beiden Fällen ist
der Vordereckfleck C, welcher aus dem vorderen Teil des ursprünglichen
Mittelfeldes entstand, vorhanden.
Abb. 163. Yanessa Myrinna Doubl. Hew.
A B
.■ff/x
Abb. lt)4. Yanessa Atalanta L.
Reiner Schrägband-Typus kann aus dem vorigen entstehen, in-
dem alle Bandreste auf den Vorderflügeln mit Ausnahme des Schräg-
bandes schwinden, welches aus dem vorderen, nach einwärts gerichteten
Teil des Mittelfeldes oder dessen Anschlußstück entstanden ist.
Es kann aber ein reiner Schrägband-Tj^us auch auf andere Weise
entstehen nämlich: aus Band A oder B oder aus einem hinteren, im
Übersicht über die hauptsächlichsten Entwickelungstypen.
213
Bereich der Binden VII bis XI gelegenen Bande. Und es können zwei
oder drei Schrägbänder aus verschiedenen Bändern entstehen. Wie
dies besonders bei helikonier-ähnlichen Faltern mit Libellenflügelform
geschieht, haben wir beschrieben. Einen An-
lauf sogar zu vierfacher Schrägbandbildung zeigt
Abbildung 165.
Die Entstehung einer Anzahl weiterer Typen
beruht hauptsächlich auf der Bildung eines
Innen feides, indem sich das Mittelfeld zuerst
auf den Hinter-, später auch auf den Vorder-
flügeln, zuletzt unter Verdrängung des Binnen-
feldes bis an den inneren Flügelrand verbreitert.
Dabei können verschiedene Vorderflügel- Eck-
und auch Randband-fFleck-jZeichnungen, wie
bei den vorigen Typen, erhalten bleiben.
Wir haben von diesen Typen besonders
aufgeführt den
mit rot-
Innenfeld und Schrägfleckzeichnung,
Abb. 105. Eypanartia Lethe F.
Chrysippus-Ruspina-Ty\iM?,
braunem ')
ferner den
(rßa- w?avrw5-il/erope-Typus. Es giebt aber zahlreiche andere,
nicht unter diese zwei Gruppen fallende Falter, welche die Innenfeld-
bildung zeigen, denn diese ist, als Fortschritt zur Einfachheit, eine weit-
verbreitete höhere Zeichnungsstufe Die erste Stufe der Entstehung eines
Innenfeldes aus einem Mittelfelde ist die, dass sich das letztere ohne
besondere Verbreiterung bis zum inneren Rande der Hinterflügel ver-
längert, statt von diesem durch schwarze Zeichnung abgegrenzt zu sein.
Hierher gehören besonders afrikanische Papilioniden, wie Papüio Zenobia
(Abb.69). Dann als Übergang dieNymphalideP5eMcfacraeaZ-?<crefm{Abb.'166).
Es giebt nämlich solche Übergänge zu gewöhnlichen Mittelfeld- Faltern
gerade unter Verwandten, daß sich eine Grenze nicht ziehen läßt, und wir
haben deshalb Falter mit schmalem Mittel-Innen-
feld 2), wie z. B. Papilio Thoas, unter dem Mittelfeld-
Typus abgehandelt.
Dann verbreitert sich das Mittel-, bezw. Innenfeld,
und zwar zuerst auf den Hinterflügeln nach innen
und dann auch nach außen. So kann auf den Vor-
derflügeln noch eine schmale Mittelfeldzeichnung,
auf den Hinterflügeln ein breites Innenfeld vorhanden
Abb. 166. Pseudacraea
Liicretta Cram.
, >/•■; nat. Gr.
ij Die Farbe haben wir zur Feststellung eines Typus verwendet wegen der zahl-
reichen pseudomimetischen Formen. Es giebt aber andersgefärbte, ebenso gezeichnete
Arten, sogar in der Gattung Euphaedra, zu welcher Ruspina gehört, wie z.B. E. Zeuxis^\
'-) Man konnte diesen Ausdruck zur Unterscheidung gebrauchen, weil dabei das
Innenfeld in der Mitte der Flügel liegt.
a) Staud. Taf. 51.
214 Diß hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
sein, wie bei Archonias Päcma, Abb. 77'), auf der Oberseite, während
unten noch das ursprüngliche schmale Innenfeld wie bei den Papilioniden
vorhanden ist.
Ein Innenfeld-Typus ist nun auch der Hyale-Edusa-Brassicae-
Glaucippe- oder Vorderflügel-Eckzeichnungs-Typus der Pieriden,
welcher auf fortschreitender Ausbreitung des Innenfeldes beruht und
zuletzt zur weißen Einfarbigkeit führt.
Im Übrigen ist die Ausbreitung des Mittelfeldes zum Innenfeld und
die Vergrößerung des letzteren am schönsten zu sehen im Gea-niavius-
Typus von Pseudacraea Lucretia bis Papilio Merope ^f, Abb. 106 — Hl.
Der Bolina-Alyattes- oder Sechs- und Vierfleck-Typus führt
abermals auf den Mittelfeld-Typus zurück. Es handelt sich in ihm übri-
gens um zwei gar nicht zusammenhängende Gruppen:
a. Bolina- oder Sechsfleck- Gruppe: auf den Vorder- und Hinter-
flügeln befindet sich je ein großer heller Fleck als Rest des Mittelfeldes,
bezw. vorne als Rest des daraus gebildeten und damit zusammenhängen-
den Schrägbandes, und ferner gewöhnlich in der Vorderflügelecke noch
ein heller Fleck als Bandrest (Abb. 112). Es handelt sich hier um eine
Entwickelungsrichtung, welche der die Entstehung des Innenfeldes er-
zeugenden gerade entgegengesetzt ist, indem sie auf Verkleinerung des
Mittelfeldes durch Zunahme der umgebenden dunklen Färbung beruht.
Dasselbe gilt auch für die
b. Alyattes- oder Vierfleck-Gruppe in Beziehung auf den einzigen
hier vorhandenen hellen Vorderflügelfleck, während der Hinterflügelfleck
entweder gleichfalls aus dem Mittelfeld oder aus den (meist roten)
Randbandflecken oder aus beiden hervorgegangen ist und zuweilen,
indem er den Innenrand des Hinterflügels erreicht, zu einem kleinen
Innenfeld wird (Abb. 170)2).
Auf einer ganz neuen Entwickelungsrichtung beruht der
Xiithus-Typus.
Die Fächerzeichnung, welche den Lyra-Typus (Abb. 118) ein-
schließt, beruht darauf, daß zu der Schwarzfärbung der Adern, welche
den A'M//ms-Typus bedingt, soweit sie sich auf die Randadern bezieht,
noch weitere schwarze Streifen hinzukommen, die in der Mitte zwischen
je zwei Randadern gelegen sind.
Der Leonidas- oder helle Großfleck-Typus steht mit dem Xuthiis-
Typus in Zusammenhang in der W^eise, dass, abgesehen von auch dort
vorhandenen hellen Randflecken, ebensolche Flecke gebildet werden in
1; Vgl. auch die Danaide Ideopsis Chlor is^] und den ihr pseudomimetisch ähn-
lichen Papilio Latreillianus, Abb. Cuvier, regne animal. 1844 Taf. 46 Fig. 1 : jene auf den
Nord-Molukken, dieser in Westafrika!
2} auch z. B. bei Papilio Mylotes Q ^).
a) Staud. Taf. 24.
b) Staud. Taf. 9.
Übersicht über die hauptsächilichsten Entwickelungstypen. 215
Folge von seitlicher Verbindung der Xuthus- Streifen. Diese seitlichen
Verbindungen entsprechen in vielen Fällen nachweisbar den ursprüng-
lichen Grundbinden, Wenn diese vorwiegen, entsteht ein Bild, wie es
z. B. Papüio Agamemnon i) darbietet. Den vollsten Ausdruck dieser Ver-
bindung aber bietet Papilio Antenor\ Abb. 170.
Wenn von den schwarzen Längsbinden nur noch Flecke übrig
bleiben, entsteht der
Hestia-Paphia-Typus. Die Hestia-Gruppe schließt sich insofern
an Xuthiis an, als dort außer der Fleckung noch Schwarzfärbung der
Adern vorhanden ist (vgl. Hestia Idea, Abb. \ 27).
Der 31 idamus-Ä7iomala- oder helle Kleinfleck-Typus, welchen
z. B. Euploeen darbieten, beruht auf einer weiteren Verkleinerung von
Resten der Grundbänder, wie sie im Leonidas-Tfpus vorhanden sind, in
Folge von weiter fortgeschrittener Verbreiterung des Schwarz (Abb. 1 25,
Euploea Midamus).
Der Parda/js-Typus entsteht dadurch, daß die aus Flecken be-
stehenden Reste der Grundbänder sich in Querreihen lagern, und zwar
deutlich im Zusammenhang mit etwas ausgezogener Flügeiform, ebenso wie
die quergelagerte Zeichnung der Helikonier u. s. w. auf der
schmal ausgezogenen Flügelform beruht.
Der Cah'f/o-Typus, die Rieselung oder Gitterzeichnung, ent-
steht auf verschiedene Weise, nämlich einmal, wie auf der Unterseite
mancher Pieriden, durch feinste gitterartige Verbindung meistens von
Querstreifen, oder ganz selbständig, wie die Oberseite der Vorderflügel
von Doritis apollinus beweist.
Hier füge ich noch an den
Mittelzellen-Randfleck- oder V/VI-Fleck -Typus.
Mit ähnlicher Zähigkeit, wie die schwarze Vorderflügel-Eckberandung,
der Pieriden erhält sich bei den verschiedensten Familien, wie schon her-
vorgehoben, ein Rest der Binde V/VI meist als Fleck
auf der Außengrenze der Mittelzelle der Vorderflügel
und seltener ein ebensolcher auf der Außengrenze der
Mittelzelle der Hinterflügel. Man kann aber auch in
Beziehung auf ersteren Fleck bei den Tagfaltern nur
in beschränktem Sinne von einem besonderen Typus
reden , weil diese Zeichnung wiederum gegenüber
anderen meist als untergeordnet erscheint. Indessen ^^;,^,„,.„ ^„^^^^^ ^ew.
wird diese V Vl-Zeichnung geradezu maßgebend
für zahlreiche Ithomien -) und findet sich auch bei anderen Danaiden
und Helikoniern häufig, besonders ferner bei Pieriden, dann bei Eryciniden,
Lycaeniden, bei Morpho Epistrophis^) u. s. w. Unter den Papilioniden tritt
sie hauptsächlich hervor bei Parnassiern, hier wie in manchen anderen
Abb. 167
1) Staud. Taf. 6. 2) St. Taf. 29. 3) Ebenda Taf. 70.
216 Die hauptsächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
Fällen in Verbindung mit einem anderen, nach einwärts von ihr in der
Mittelzelle gelegenen Fleck, einem Rest der Binde VII oder VIII, das
letztere z. B. bei Eurycus Cressida (wo der Fleck zugleich auf den Hinter-
flügeln vorhanden ist). Auch durch diese Zeichnung entsteht, wie wir
noch weiter ausführen werden, pseudomimetische Ähnlichkeit; dieselbe
ist ebenso vorhanden bei Parnassius Mnemosyne.
Tritt aber die V/VI-Zeichnung unter den Tagfaltern schon bei Itho-
mien und bei den letztgenannten Parnassiern als maßgebend gewordener
Typus auf, so ist dies nicht minder der Fall bei Heteroceren, und ist
dort häufig auch der Fleck an der Außengrenze der Mittelzelle der Hinter-
flügel ausgesprochen: bei Sesien , Bombyciden, Geometriden, Noctuiden
(meist nur vorn), seltener Sphingiden nur vorn), endlich auch bei
Microlepidopteren (vgl. später).
Sehr wichtig können diese Flecke bei den Bombyciden werden : sie
helfen dort die schönen Augenzeichnungen herstellen, wie sie z. B. bei
den Nachtpfauenaugen [Saturnia Pyri, spini und car'pini), Aqlia tau u. a.
sich finden, und die Umgrenzung der weißen, bei vielen anderen Arten
auf den Vorderflügeln vorkommenden Flecke {(jastropacha pini, quercus n.Si.).
In hohem Grade bemerkenswert ist es aber, daß vier so ganz ver-
schiedene und in gänzlich verschiedenen Gebieten lebende Gruppen von
Faltern wie die Ithomien unter den Danaiden, die Eurycus und die
Mnemosyne-ähnMchen unter den Papilioniden und die Sesien oder Glas-
schwärmer, nicht nur dieselbe Randfleckzeichnung der Vorder- und z. T,
der Hintermittelzelle erlangt haben, sondern auch glasartig durchsichtige
Flügel. Es handelt sich dabei um eines der hervorragendsten
Beispiele für unabhängige Entwickelungsgleichheit, Homoeo-
genesis, in Beziehung auf zwei Eigenschaften, von welchen man wohl
wird voraussetzen dürfen, daß sie untereinander in Wechselbeziehung,
Korrelation, stehen, auf Grund ähnlicher äußerer Einwirkungen. Und
welche Ähnlichkeit bedingt diese Homoeogenesis zwischen Ithomien und
Sesien ! — nur mit dem Unterschiede, daß letztere in den meisten Fällen
viel kleiner sind als erstere, so daß schon deshalb von »Mimicry« nicht
die Rede sein kann. In der That haben wir in dieser Art von »Nach-
ahmung« wiederum einen der denkbar schönsten Belege für Pseudo-
Mimicry!
Schließlich sei hier noch angefügt, daß der häufig auf dem Außen-
rand der Mittelzelle der Hinterflügel zugleich mit dem V/Vl-Fleck der
Vorderflügel vorkommende ähnliche schwarze Fleck ein Rest verschie-
dener Grundbinden ist. Bei vielen Faltern entspricht er IX, bei vielen
anderen V/Vl.
Eine der auffallendsten Thatsachen der Entwicklung ist, wie immer
wieder hervorzuheben, die, daß diese Umbildung nach Einfachheit,
nach Einfarbigkeit geht. Dieselbe wird erzielt auf zweierlei Weise:
einmal dadurch, daß die Grundbinden und ihre etwaigen Querverbindungen
Übersicht über die haupsächlichsten Entwickelungstypen. 217
die Grundfarbe, d. i. die Bänder, verdrängen, und dann umgekehrt da-
durch, daß die Grundfarbe auf Kosten der Grundbinden herrschend wird.
1) Der erste Fall verwirklicht sich u. a. bei Segelfaltern durch ein-
fache Verbreiterung der Grundbinden, durch welche z. B. Papilio
Colonna ') bis auf kleine Reste der Grundfarbe schwarz geworden ist. In
der 31achaon-Aslenas-Gr\ippe 2) verwirklicht er sich durch allmähliche Ver-
breiterung von Grundbinden in der Richtung von innen nach außen und
von außen nach innen, bei den Vanessen in ersterer Richtung allein. In
den hellen Fleekzeichnungen [Leonidas- und il//c/a/?H«-.l/iomo/a-Gruppe;
erfolgt das Schwinden der Grundfarbe durch Verbreiterung und seitliche
Verbindung der Grundbinden u. s. w.
2) Die Ausbreitung der Grundfarbe geschieht zwar in sehr vielen
Fällen, wie beschrieben, durch Ausbildung eines Innenfeldes aus dem
Mittelfeld und immer größere Ausbreitung desselben, z.B. bei Papilio-
niden, aber in der Segelfaltergruppe, so bei den eigentlichen Segelfaltern
Gli/cerion, Protesüaus, Agesilaus u. s. w. und bei den Antiphates'^]^ durch
Schwinden der Grundbinden in der Richtung von hinten nach vorn, bei
vielen Pieriden durch Schwinden verschiedener Zeichnung in der Flügel-
mitte und nach innen, oft nach Art der Ausbreitung eines Innenfeldes.
Es giebt somit eine Entwicklungsrichtung zur hellen Einfarbig-
keit, welche unmittelbar, und eine solche, welche mittelbar ist, im ersteren
Falle beruhend auf unmittelbarem Schwinden der Grundbinden in der
Richtung von hinten nach vorn, im zweiten auf Schwinden schon ver-
änderter Grundzeichnung. Im letzteren Falle haben wir wieder zwei
verschiedene Wege: in dem einen geht die Entwicklung von der Ver-
größerung eines Mittelfeldes aus, in dem anderen, bei zahlreichen Pieriden,
beruht sie auf der Rückbildung irgend eines anderen Zeichnungstypus.
Dabei ist es höchst merkwürdig, wie auf allen Wegen im Wesentlichen
dasselbe Endergebnis erzielt wird, denn überall handelt es sich zu-
letzt um ein Übrigbleiben von Zeichnungsresten in den vorderen Ecken der
Vorderflügel, so zwar, daß in ganz verschiedenen Familien auf ganz ver-
schiedenem Wege Falter entstehen , welche eine ganz ähnliche Vorder-
flügel-Eckzeichnung haben und im Übrigen ziemlich oder ganz einfarbig
sind. So giebt es Papilioniden , Nymphaliden, Lycaeniden u. a., w^elche
fast oder ganz einfarbig sind und den Schrägband-, den Hijale- oder den
-ß/ass/cae-Typus zeigen oder, indem noch eine schwarze Randbinde oder
Reste derselben übrigbleiben, etwas £'rft/5a-ähnlich werden.
Hier muß noch angefügt werden, daß das Entstehen von schwarzer
Einfarbigkeit auch ganz unabhängig von Grundbinden erfolgen kann,
indem Schwarz , wie wir später sehen werden, die höchste Stufe einer
Farbenfolge ist, in welcher es an die Stelle von Braun oder Blau tritt:
braune oder blaue einfarbig gewordene Falter haben offenbar zuletzt
vielfach schwarze Färbung angenommen. Hier wird, wie jene Farben-
folge lehrt, die Grundfarbe allmählich schwarz.
^ vgl. meine »Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen« I, Taf. IV
Fig. 8. 2) Ebenda II, Taf. VI— VIII. 3; »Artbildung« Taf. I, II.
2l8 Die haupf sächlichsten Entwickelungsrichtungen der Tagfalter.
Ebenso wie die Grundfarbe, sei es nun Gelb, Grün, Blau oder Weiß,
alle Zeichnung bis auf in den Ecken der Vorderfliigel oder am Rande
gelegene Reste verdrängen kann, so kann umgekehrt die Überhandnähme,
bezw. das Zusammenfließen der schwarzen Grundzeichnung die Grund-
farbe verdrängen, wiederum unter Übrigbleiben der bekannten Reste
derselben in der Vorderflügelecke oder am Rande.
Wir haben solche helle Randflecke oder Randbänder nicht beson-
ders verwertet, obschon dieselben bisweilen für das Kleid des Falters
mit von maßgebender Bedeutung sind: man könnte von einem Rand-
fleck- oder Randband-Typus reden, wenn diese Zeichnungen nicht
nur vereinzelt und meist in Verbindung mit anderen wichtigeren auf-
treten würden, so daß man eine maßgebende Entwicklungsrichtung
darin nicht vor sich hat, auch können solche Randflecke oder Bänder,
selbst wenn sie sich ähnlich sind, auf verschiedene Weise entstehen:
aus Band A und B oder aus einem ganz nach auswärts geschobenen,
verschmälerten Mittelfeld oder aus zwei oder drei dieser Zeichnungsteile.
Einen ganz besonderen Ursprung hat das gelbe Randband unseres schönen
Trauermantels Vanessa Antiopa: es ist dasselbe entstanden durch Verbreiterung und
Aufhellung des äußeren Flügelrandes im Gebiete der Binde I. Noch breiter ist dieses
Randband bei der ab. Hygiaea i , welche zuweilen zwischen den gewöhnlichen Antiopa
auftritt und durch Kälte künstlich gezüchtet werden kann (vergl. später). Die blauen
nach innen von dem gelben Randbande gelegenen Flecke liegen im Bereich der
Binde II. Der äußere schräge Vorderrandfleck entspricht einem Rest von Band B, der
innere einem Rest von Band C. Die oben dunkelbraunviolette, unten schwärzliche
Grundfarbe des Innengebietes der Flügel ist, wie die verwandten Arten, urticae u. a.,
und wiederum Kälteversuche zeigen, aus dem dunkeln Binnenfelde in der Richtung
von innen nach außen entstanden. Auf der Unterseite bemerkt man in der Mitte
des Schwarz der Hinter- und Vorderflügel je noch ein helles Fleckchen, von welchem
das erstere dem C von C-album entspricht und auch bei anderen Vanessen in der
Mittelzelle am hinteren, äußeren Rand derselben gelegen ist, während das vordere, bei
anderen nur zuweilen spurenweise vorhandene, am hinteren Rand der vorderen
Mittelzelle liegt. Nach innen von der bläulichen Randfleckreihe erkennt man auf
der Unterseite außerdem noch eine Reihe von kleinen Fleckchen, welche den
Augenflecken der Binde III entsprechen. Im Übrigen ist die Unterseite des Falters
wie bei anderen Vanessen gerieselt, und auf den Hinterflügeln sieht man noch
(leuthch Binde IV.
Ein gelbes Randband ähnlich dem von Antiopa hat auch die Nymphalide Cethosia
Leschenaultü^) von Timor; dieser Falter ist überhaupt pseudomimetisch mit unserer
Antiopa.
i; Hübner, Sammlung europäischer Schmetterlinge I, 1805. Fig. 993.
2] Staud. Taf. 34.
V.
Entwickelungsrichtungen bei einzelnen Familien der
Tagfalter und Weiteres über Blattähnlichkeit.
»Eine große Gefahr, in welche der Analytiker
gerät, ist die, wenn er seine Methode da an-
wendet, wo keine Synthese zum Grunde
liegt. Dann ist seine Arbeit ganz eigentlich ein
Bemühen der Danaiden; und wir sehen hiervon die
traurigsten Beispiele; denn im Grunde treibt er doch
eigentlich sein Geschäft, um zuletzt wieder zur
Synthese zu gelangen. Liegt aber bei dem Gegen-
stand, den er behandelt, keine zum Grunde, so bemüht
er sich vergebens sie zu entdecken; alle Beobachtungen
werden ihm immer nur hinderlich, je mehr sich ihre
Zahl vermehrt.
Goethe.
Im Folgenden wollen wir die hauptsächlichsten Entwicklungsrich-
tungen zusammenstellen, welche für die einzelnen Familien der Tagfalter
in Betracht kommen. Ferner wollen wir insbesondere diejenigen Fälle
hervorheben, in denen dieselben Eigenschaften der Blattähnlichkeit auch
in anderen Familien außer den Nymphaliden und bei nicht eigentlichen
Blattschmetterlingen gebildet worden sind, wenn auch nur unvollkommen;
dabei spielen vorzüglich Binde IV und III wiederum eine Rolle als
Blattrippen.
Hervorzuheben ist hierbei, was auf Grund der vorausgesetzten Ent-
stehung der Zeichnungstypen als einer vorgeschrittenen Umbildung als
selbstverständlich erscheint, daß viele Falter Übergänge zwischen zwei
oder mehreren Typen aufweisen. Es können nur einzelne solcher Über-
gänge hier namhaft gemacht werden, und es ist überhaupt nicht möglich,
jeden Falter mit einer einfachen Bezeichnung einem bestimmten Typus zu-
zuweisen. Dies um so weniger, als insbesondere Vorderflügel und Hinter-
flügel häutig verschiedenen Typen angehören. Da die Vorderflügelzeichnung
am meisten kennzeichnend ist und da sich von vornherein manche der
von mir aufgestellten Typen nur auf sie beziehen, so tritt sie überall in
den Vordergrund. Allein in Fällen, in welchen die Oberseite (denn nur
diese benütze ich ja zur Bezeichnung) der Hinterflügel vorangeschritten
ist oder einen bestimmten Typus ausgeprägt zeigt, wird es sich, will
man einem Falter seine ganz bestimmte Stelle anweisen, empfehlen, auch
220 Entwickelungsrichtungen bei einzelnen Familien der Tagfalter.
den Zeichnungstypus der Hinterflügel mit zu verwenden, indem man
üntertypen aufstellt. Solche ergeben sich auch schon eben wegen der
Übergangsstellung, welche viele Falter zwischen Haupttypen einnehmen.
Man könnte so zu einer zusammengesetzten und zuletzt schwierig aus-
zudrückenden Namengebung gelangen. Ich werde mich aber im Fol-
genden darauf beschränken, einige wenige solcher Bezeichnungen anzu-
wenden, und muß mich im Übrigen damit begnügen die Haupttypen zu
verwenden , welche sich in der That überall als natürliche erweisen.
Indessen will ich auch durch sie den Gegenstand nicht erschöpft haben
und überlasse Nachfolgern gerne hierin, wie in der Aufstellung und
Bezeichnung von zusammengesetzten und überhaupt von Untergruppen,
ausgiebigen Stoff zur Behandlung. Insbesondere bei hochentwickelten
Familien, wie z. B. den Eryciniden, sind noch einige Typen aufzustellen,
w^elche allerdings nur wenige Glieder umfassen.
Papilioiiideii.
Bei den Papilioniden finden wir, abgesehen von der bei den
Segelfaltern so verbreiteten Längsstreifung, dem Älehion-Podalirius-
Typus, in dem wir den ursprünglichsten Zeichnungstypus vor uns haben,
eine ganze Reihe von Typen, welche ebenso wie der der einfachen Längs-
streifung auch noch bei anderen Familien vorkommen.
Der erste der hier in Betracht kommenden Typen ist der
1) Sarperfon-Z/^t-c^or/des-Typus oder der Mittelfeld-Typus. Da
bei den Papilioniden Binde IV, wie schon berührt, keine besondere Rolle
spielt, kommt sie auch bei der Bildung des Mittelfeldes nicht oder nur
wenig in Betracht. Die innere Grenze desselben wird häufig durch
Binde IX hergestellt, die äußere durch III, bezw. durch deren Verbrei-
terung nach innen. Dies sind aber ursprüngliche Verhältnisse, welche
durch allseitiges Hereingreifen der Grenzen und Verkleinerung des Mittel-
feldes, wie bei Machaon-Asterias, meist vervi'ischt werden.
2) Der Sihylla-prorsa-Zarinda- oder Mittelfeld-Schrägfleck-
Typus findet sich in ersten Anfängen bei Formen wie Thoas, dann findet
er sich bei Hespeius und Delalandii (Abb. Thoas, Hesperiis , Delalandit).
Eine andere Ausbildung bietet die Zeichnung von Lycortas und Verwandten:
P. Cleotas , Bitias , Laetitia ') , indem die Fleckreihe D bei Lycortas
(Abb. i69) an die Stelle von E bei Thoas getreten ist. Den Ausgangs-
punkt dieser Gruppe bilden die Schwalbenschwänze. Mit der Zeichnung
von Lycortas in gewisser Beziehung steht wiederum die von Äntenor
(Abb. 170), welche zum
3) hellen Großfleck-Typus gehört.
P. Antenor aus Madagaskar hat eine vollkommene weiße Fleckzeich-
nung, welche leicht auf unsere Binden und Bänder zurückzuführen ist.
1] Staud. Taf. -lO.
Papilioniden.
221
l^ Wis:
Abb. 168. Pupilio Hespertts Westw.
Abb. 170. Papilio Antcnor Di:u.
Abb. 169. Pupilio Lycorias Feld.
222
Entwickelungsrichtiingen bei einzelnen Familien der Tagfalter.
Zu äußerst, zwischen I und II, liegt eine Fleckreihe, dann nur vorn
zwei Flecke, von welchen der vordere ß, der hintere wohl C entspricht,
dann eine Fleckreihe D (IV — V/VI) , dann in der Mittelzelle ein Fleck F
(V/VI— VII/VIIIj, einer 11 (VII/VIII — IX) und einer J (IX— X/XI). Auf
den Hinterflügeln ist eine Fleckreihe A , dann vorn eine halbe Reihe Z),
innen einige Flecke J oder IIJ.
Von P. Ä7iteno7^ gelangen wir zur Zeichnung weißgefleckter Ornitho-
ptera, besonders von 0. Priamus.
Noch ursprünglicher ist die helle Großfleckzeichnung z. B. bei P. Aga-
memnon^), aber in grüner Grundfarbe, und hier ist noch schöner als bei
Anteiior ihr Zusammenhang mit ursprünglicher Grundbandzeichnung zu
erkennen.
Bei dem gleichfalls zu den Papilioniden gehörigen Leonidas ist die
Beziehung zu Antenor deutlich, aber die Hinterflügel haben ein kurzes
breites Innenfeld,
4) Den Aw^/iws-Typus vertritt P. Xenodes; zwischen ihm und dem
Zeowirfas-Typus steht P. Leucadion^).
P. Hector'^) hat in der Vorderflügelecke im schwarzem Grunde noch eine Fleck-
reihe, wahrscheinlich zu C gehörend, weiter hinten ein Band entsprechend F, auf den
Hinterflügeln eine Reihe äußerer roter Flecke A, eine Reihe innerer solcher Flecke D
und zuweilen noch an der Außengrenze der Mittelzelle einen roten Fleck (V/VI — Vll)
(Das betr. Stück unserer Sammlung stammt aus Ceylon.) Er stimmt in der Vorder-
flügelzeichnung mit einzelnen Gliedern des Cardui-Atalanta-T\^\xi überein.
5) Als Vertreter des Bolina-Alyattes- oder Sechsfleck- Vier-
fleck-Typus haben wir die Alyattes- und zahlreiche andere Aristolochien-
Falter, nebst den ebenso gezeichneten und
gefärbten, welche als mimetische gelten: für
diese bildet den Ausgangspunkt Hectorides Q,
für jene Agavus, beides in der Weise, daß das
Mittelfeld der Vorderflügel, welches hier noch
langgestreckt vorhanden ist, gleich dem der
Hinterflügel in einen kurzen Fleck sich ver-
wandelt haben muß 4).
Dem Bolin a- oder Sechsfleck-Typus ver-
wandt erscheint P. Triopas ^:. Ihm homoeogenetisch
ähnlich , aber noch mit einem weiteren hellen Fleck
auf den Vorderflügeln ist P. //«/;« e/jC). Hahneli hat,
wie schon Staudinger hervorhebt, eine ziemliche Ähn-
lichkeit der Vorderflügel mit der Danaide Thyridia
singularis'i , während die Hinterflügel in Zeichnung,
besonders aber in der Gestalt sehr verschieden sind:
es kann hier Mimicry nichtbeansprucht wer-
den, um so weniger, als beide Arten ungenieß-
bar sind. Die Zeichnung der Vorderflügel erscheint in beiden Fällen beinahe als
Querstreifung, ofTenbar in Zusammenhang mit der langgestreckten Flügelform.
Abb. 171. Papilio Alyattes 'S eld. ^
1) Staud. Taf. 6.
Staud. Taf. Il, 8, 9.
2j St. Taf. 1 3.
5) St. Taf. 9.
3; St. Taf. 3.
6i Ebenda Taf. 13.
4) Vergl. hierzu
7) Ebenda Taf. 27.
Papilioniden.
223
Abgesehen von schwarz-rot-gelber Helikoniden-Zeichniing tritt auch
nahezu oder vollkommen schwarze Einfarbigkeit als Endziel der Ent-
wickelung wenigstens auf der Oberseite auf [Turnus Glaucus Q^], Sem-
peri'^) und Cauca'^]). Andererseits giebt es hier Endentwickelung zu fast
vollkommener heller Einfarbigkeit wie bei Merope (J^.
6: Den Schrägband-Typus vertreten P. AndrogeosQ, Bitias u. a.^),
deren Zeichnung wiederum der Vorderflügelzeichnung von Alijattes Q. und
Verwandten derselben entspricht.
Den Schrägband-Innenfeld-Typus haben die gewöhnlichen
J/e/'ojoe-Weibchen, der Übergang vom gewöhnlichen Mittelfeld aus ist
schon bezeichnet durch P. Hectorides (^, P. torquattis'^], bei welchen sich
das Mittelfeld auf den Hinterflügeln nach innen bis an den Flügelrand
erstreckt.
7) Fächerzeichnung der Vorderflügel haben gelbe Ornithoptera,
Aristolochienfalter und die ähnlich gezeichneten und gefärbten Papilio-
niden''). Manche dieser Falter haben zugleich ein Mittel- oder Innenfeld
auf den Hinterflügeln.
Ein für die Bildung der Vorderfliigelbänder höchst bemerkenswerter Falter
ist die Papilionide Teinopalpus imperialis aus dem hohen Himalaja"]. (5 und Q
sind verschieden gefärbt, aber in den Grundzügen gleich gezeichnet. Unten und oben
haben beide ein grünes Binnenfeld, welches nach außen durch Binde YIII scharf be-
grenzt ist. Unten ist beim (5 ein gelbbraunes, beim Q ein graues Außenfeld vorhan-
den, in welchem zwei starke Binden: III und IV auf den Yorderflügeln liegen, ferner
zwei Randbinden. Auf den Hinterflügeln entsteht beim (5 unten und oben, abgegrenzt
nach innen durch YIII, nach außen durch III, ein gelbbraunes Mittelfeld. Auf der
Oberseite sind die Binden III und IV
bei beiden Geschlechtern als breite
Schatten, bemerkbar. Zwischen und
nach außen von ihnen treten beim S
grünliche beim £: teils grüne, teils
graue Bänder auf und zwar B (oder
AB), C und D— G flV— VIII).
Wie, im Gegensatz zu dem
gewöhnlichen Verhalten , die
Grundbinden auf Kosten der
Grundfarbe stark verbreitert,
aber in ursprünglichem Zustand
auf dem größten Teil der Flügel
erhalten sein können, dafür
liefert im Vergleich zu den
Segelfaltern bezw. zu Alebion-
Glycerion-Paphus-Podalirius ein y^^'' yf^'W-^S^' ^'=^"
prächtiges Beispiel die übrigens -^f^ JF y^Be.ihhr<xv.n
in Beziehung auf die Flügelform,
die vierfachen Schwänze und Abb. itj. Armandia Lidderdaia Atk.
1) meine »Artbildung« Taf. 8. 2) Stacd. Taf. 5, Semper a. a. 0. Taf. 47.
3) St. Taf. 9. *; St. Taf. tO. 5 Sx. Taf. lt. 6,, so Aecjeus c
Abb. 218 und Polyles £ Abb. 219. 'j St. Taf. U.
224
Entwickelungsrichtuiigen bei einzelnen Familien der Tagfalter.
die Hinterflügelzeichnung weit vorgeschrittene Papilionide Armandia
Lidderdalii (Abb. 172) aus Bhutan. In eine verschmolzen sind bei
diesem Falter nur Binde V/VI — nach Maßgabe der Lage auf der äußeren
Grenze der Vorderflügel-Mittelzelle — und X/XI.
Es handelt sich dabei um eine merkwürdige, weil sehr sel-
tene, nur vereinzelt, aber bei ganz verschiedenen Familien vorkommende
Entwickelungsrichtung (vergleiche hinten Eryciniden und Lycaeniden
unter 1 1 ).
Dieser Falter ist noch dadurch bemerkenswert, daß die Verlängerung
der Vorderflügel bei ihm auf off"enbar ganz gleichmäßiger Verbreiterung
der je einer Binde samt dazu gehörigen Teilen von Grundfarbe ent-
sprechenden Flügelabschnitte beruht, dergestalt, daß diese Verbreiterung
nur vorne etwas stärker ist, als hinten. Zugleich sind die Binden II
und III einerseits, IV, V/VI, VII andererseits hinten zu je einer gemein-
samen Binde verschmolzen, so daß am Hinterrande der Vorderflügel nur
noch sechs Binden auftreten.
Auf diese Weise ist, insbesondere in Folge des gleichmäßigen
Wachsens aller Teile, trotz der Verlängerung der Vorderflügel keine
Querstreifung entstanden, wie bei später zu behandelnden Faltern, son-
dern es ist ziemlich bei der Längsstreifung ') verblieben.
Übergang von den Papiliouiden durch die Parnassier zu den
Pieriden und von diesen zu gewissen Danaiden.
Abb. 173. Parnussius Eversmanni Men. Q.
Abb. 174. Purnassius Apollo L.
Es gehört die Armandia Lidderdalii in die Nähe von LiieJulorßa Puziloi,
welche den Übergang von den Segelfaltern zu den Parnassiern vermittelt.
Dieser ostasiatischen Puziloi'^], einem Segelfalter-ähnlichen Papilioniden,
steht zunächst, mit noch sehr Segelfalter-ähnlicher Grundzeichnung, Par-
7iassius Eversmanni Q aus Sibirien (Abb. 1 73), auf dessen Zeichnung sich
1) In dem von mir vorausgesetzten Sinne der ürstreifung des Körpers und beider
2) Staud. Taf. ^ 4.
Flügel zusammen.
Nymphaliden. 225
die von P.Apollo (Abb. 174) und die der übrigen Parnassier leicht zu-
rückführen läßt. Sehr Pieriden-ähnlich ist P. Mnemosyne, vor allen aber
Ismene [Hypermnestra) helios. Andererseits sind diesen Faltern, bezvv. den
verwandten Pieriden vsiederum nahestehend gewisse Danaiden, wie die
schon erwähnte Ithomia pardalis^]. Die Verwandtschaft aller drei findet
vorzugsweise Ausdruck in der Verkleinerung der Binde V VI zu jenem
auf der äußeren Grenze der jMittelzelle bei den Pieriden so häufig ge-
legenen schwarzen Fleck, welche Verkleinerung schon bei Apollo und
Mnemosyne vollzogen ist, während bei Ithomia pardaUs zwei solcher
Flecke dort gelegen sind.
Nymphaliden.
Bei den Nymphaliden finden wir fast alle Zeichnungstypen, welche
wir von anderen Familien kennen, wieder. Der einfachste bei ihnen zu
beobachtende Typus ist
1) der Daraxa- oder Mittelfeld-Typus, welcher nach der Li-
menitis Daraxa benannt ist, die diesen Tj3)us am ausgesprochensten
trägt Abb. 175).
Bei ihr ist das Mittelfeld rein weiß, ebenso bei Cha-
T TT
raxes Brutus und Limenilis Dudu'~. nur kommt bei letzterer ^^ /r
noch eine eigentümlich schief nach außen und vorn vom
vorderen Drittel des Mittelfeldes des Yorderflügels verlau-
fende Reihe von drei weißen länglichen Flecken hinzu. Auf
den Vorderflügeln hellbraun, hinten weiß ist, wie schon
beschrieben, das Mittelfeld bei Limenitis Zayla , Adelpha
Erotia und Apatura Lzicasii, nur auf der Vorderhälfte der
Vorderflligel braun ist es bei Apatura Laurentia^]. Ein ganz
braunes Mittelfeld haben RInnopaipa Sabina und Palla De-
cius Q . Ein blauschillerndes Mittelfeld haben verschiedene
Prepona-krten* . Im Übrigen sei auf das vorher über den
Mittelfeld-Typus Gesagte verwiesen, insbesondere auf die
Entstehung desselben bei Adelpha Syme. Abb. 159.
Ein zweiter Zeichnungstypus der Nymphali-
den ist
2) der Mittelfeld-Eckfleck-T vpus, wel- .,
chen WH' nach unserer Limenitis btoylla als Sibylla-
Typus bezeichnen (Abb. 161'. Er findet sich bei
unseren einheimischen Limenitis-Arlen , bei unseren Apaturen und bei
{'anessa prorsa. Weitere diesem Typus angehörige Formen sind schon
früher namhaft gemacht worden.
3^ Einen anderen hier maßgebenden Typus stellt der Cardui-
Atalanta-ljiachis- Dirce- oder der Eckfleck-Schrägband-Typus
dar (Abb. 79 bis 87], der im Vorhergehenden schon ausführlich behandelt
worden ist, so daß eine Hinweisung auf S. 150 ff. genügt.
4) Sodann folgt der Ritspina-Ty^fus, bei welchem nur noch ein
helles Schrägband ohne Eckflecke vorhanden ist wie bei Dirce, aber das
1) Staud. Taf. 29. 2j St. Taf. 50. 3 St. Taf. 55. *) St. Taf. 56.
Eimer, Orthogenesis. ^5
226 Entwickelungsrichtungen bei einzelnen Familien der Tagfalter.
Schrägband entspricht einer weiter vorne gelegenen Fleckreihe. Hierher
gehören z. B. Euphaedra Ruspina, verschiedene Cethosien, Euryphene plist-
onax u. a., welche ebenfalls schon früher beschrieben worden sind.
5) Der Schrägband-Mittelfeld-Typus ist bei den Nymphaliden
durch einige afrikanische HypoUmnas-kvien vertreten (S. 163 ff.).
6) Ein sehr ausgezeichneter ist der _ßo/nja-Typus, der aber unter
den Nymphaliden nur wenige Vertreter hat, welche schon früher auf-
gezählt worden sind. Er ist fast nur durch Männchen vertreten
(Abb. M2).
7) Der Xuthiis- oder Querstreifen-Typus ist ebenfalls bei den
Nymphaliden nur durch wenige Formen, wie Penthema Lisarda i) vertreten.
8) Den Anontala- oder hellen Kl ein fleck- Typus zeigen ebenfalls
nur wenige Nymphaliden.
9) Ein besonders den Nymphaliden eigener Typus ist der Pardalis-
Typus: er ist auf S. 179 ff. behandelt.
10) Der Argynnis Paphia- oder Schwarzfleck-Typus mit gelb-
roter Grundfarbe ist hauptsächlich bei den Äryynnis- und einzelnen
3k'litaea-Arten vertreten oder er zeigt sich, wie schon früher erwähnt,
meist nur auf der Unterseite. Er besteht darin, daß auf hellerem Grunde
dunkle Fleckreihen (Reste der Grundbinden) auftreten.
1 1 ) Die Rieselungs-Zeichnung findet sich
nur bei w-enigen Nymphaliden-Gattuugen, namentlich
bei ^naea-Arten auf der Unterseite (s. vorher).
12) Die ringförmige Zeichnung endlich kommt
nur bei Nymphaliden vor und zwar besonders bei
Agri'as-, Dynaviine-^ CalUcore- und Catagratnma-ÄTten
(Abb. 1 76 und die früher gegebenen) .
Die so mannigfach abändernde Zeichnung der
Phyciodes-krlen, ebenso wie die Zeichnung der At/iyma-
caiUcoTlsllia Qvt^. und Neptis-kvien ist ausführlich in dem Abschnitte
über die »Zeichnung der Helikonier und der hell-
konier-ähnlichen Falter < besprochen worden, so daß hier auf diesen ver-
wiesen sein mag.
Anhang: Die Zeichnung der Ageronien.
Teils bekannte, teils besondere Entwickelungsrichtang zeigen unter
den Nymphaliden die Ageronien. Nach den mir vorliegenden sieben
und weiteren vier bei Staudinger abgebildeten Arten sind unter den-
selben diejenigen noch als die ursprünglichsten in Beziehung auf die
Zeichnung der Oberseite zu bezeichnen, welche hier schwarze Flecke
{A. albiconiis) oder zum Teil noch Reste von schwarzen Binden in grau-
blauer Grundfarbe tragen, die beide, Flecke und Binden, einfach auf
1) Staud. Taf. 48.
Die Zeichnung der Ageronien. 22
lJ.t
die ursprünglichen Grundbinden zurückzuführen sind. Im ersteren Falle
handelt es sich um schwarzen Fleck- Typus.
Diese Flecke und Bandreste von Ageronien sind es nun, welche,
wie bei Ageronia fornax (Abb. IT* , zickzackartig werden und so, samt
der umgebildeten Randaugen-Zeichnung, Ähnlichkeit mit Baumrinde er-
zeugen. Dabei lassen sich wie die Grundbinden so auch die ursprüng-
lichen Bänder noch deutlich erkennen. 'Ebenso verhalten sich .4. Epinome^
Ä. Fcronia, A. Ferenlina. Diese Rindenzeichnung ist übrigens in ahn-
lieber Weise, wenn auch in schwarzen Flecken, ausgeführt bei der Nym-
phalide Dichorragia Nesimachus (^^]. Unter den Grundbändern der ab-
gebildeten -1. fornax fällt besonders auf CD als einwärts gerichteter
Schrägfleck der Vorderflügel, sodann F und dann D. Die Ageronien
stehen offenbar am nächsten den Vanessen, wie auch die im Folgenden
JlS. agnEc ^
ME
Abb. 177. Afjeronia fornax HCbx. Abb. 17S. Ageronia Ärüiomt Luc.
ZU erwähnenden Arten mit ausgebildeter Schrägfleck- bezw. Schrägband-
Zeichnung zeigen.
Weitere Umbildung der zickzackähnlich gezeichneten Ageronien, seit-
liche Verschmelzung von Teilen der Zickzackbinden, wie sie bei der
abgebildeten A. Arinome im Werden ist, führt zu hellgefleckten Arten,
ähnlich manchen Euploeen oder der Nymphalide S//6oc/H'ona AVcea-). Da-
hin gehören Ageronia velutinu und Arete''^): heller Kleinfleck-Typus.
Statt des weißen Schrägfleckes sind zuweilen deren mehrere vor-
handen (bei A. Belladonna vier) oder es entsteht auf den Vorderflügeln
zuweilen ein Schrägband wie bei der von uns abgebildeten Arinome\
zuweilen sind auch hier in den Vorderflügelecken noch helle Flecke vor-
banden, während die Grundfarbe im Übrigen blau werden kann wie
bei den weißgefleckten Euploeen. Auch in dieser Schrägbandbildung
zeigt sich die Verwandtschaft der Ageronien mit dem Cardui-Alalanta-
/nac/us-Typus.
1; Staud. Taf. 5 6. Man vgl. auch A. Alicia und albicornis bei Staidixger.
2, St. Taf. 43. 3. St. Taf. 44.
13*
228 Entwickelungsrichtungen bei einzelnen Familien der Tagfalter.
Auf der Unterseite der Vorderflügel haben die meisten Ageronien
noch sehr schön die drei weißen Fleckreihen oder auch ein helles
Schrägband. Bunte Färbung, Gelbbraun oder Rot tritt besonders auf
den Hinterllügeln auf, zuweilen mit Fächerzeichnung [A. Belladonna), oder
beide Flügel sind, abgesehen von dem Schrägbande, unten einfarbig
geworden {A. Arete) oder ganz einfarbig [A. velutina) '). Nur rote Rand-
und Flügelwurzelflecke sind hier geblieben.
Im Übrigen ist somit auch die Rindenzeiclinung der Ober-
seite von Ageronien aus der ursprünglichen Grundzeichnung
von Längsbinden entstanden und ist dabei von »Gesetzes -Über-
schreitungen« und »Dispens-Erteilen von den Bildungsgesetzen«, wie
Herr August Weismann gerade in Beziehung auf diesen Fall so nach-
drücklich meint'-), keine Rede.
In Beziehung auf den Schutz, welchen die Rindenzeichnung der
Oberseite den Ageronien gewähren mag, sei hier noch das Folgende
bemerkt. Zu behaupten, daß sie als »einzige Gattung und abweichend
von fast allen übrigen Tagfaltern die Flügel in der Ruhe ausbreitet,
wie die meisten Nachtfalter«'^), um so beweisen zu können, daß das
rindenartige Aussehen auf durch Zuchtwahl entstandener Schutz Verklei-
dung beruhe, widerspricht vollkommen den Thatsachen. Viele in keiner
Weise geschützte Falter, insbesondere auch solche mit prachtvollen Farben
auf der Oberseite breiten ihre Flügel beim Sitzen aus und zeigen diese
Farben, so manche Vanessen, wie Vanessa lo, urticae u. a., in geradezu
herausfordernder Weise, ohne daß sie etwa ungenießbar wären"*).
Daß die Ageronien durch die Art ihres Sitzens an Baumstämmen
schwer sichtbar und darum auch vor etwaiger Verfolgung geschützt sein
werden, ist nicht zu bezweifeln. Hervorzuheben aber ist, daß die nach
Hahnel's Beobachtungen wachsamen Ageronien« die ersten Schmetter-
linge sind, welche bei Störung abfliegen, und daß sie sich somit, wie
schon berührt wurde, auf diesen Schutz nicht verlassen, was gegen
maßgebende Bedeutung desselben für Entstehung von Farbe und Zeich-
nung auch dieser Falter spricht, ganz abgesehen von der auf Seite 68
schon aufgeworfenen Frage, ob die Ageronien sich nicht erst nach Ent-
1) Staud. Taf. 44.
2) »Gerniinalselektion« S. -10. Mit Bezug eben auf die Ageronien spricht Herr
Weismann hier jenen grundfalschen Satz aus: »Jedenfalls sind also diese vermeintlichen
»Bildungsgesetze« nicht bindend; es kann von ihnen Dispens erteilt werden und er
wird erteilt, sobald es die Nützlichkeit verlangt«.
3j »Gerniinalselektion« S. 10.
*) Dies ist doch wohl jedem schmettcrlingsfangenden Knaben bekannt. Der ge-
lehrte Zoologe August Weismann hat es aber so vollkommen vergessen, daß er ob der
vermeintlichen Ausnahme, welche die Ageronien hierin spielen sollen, leichthin zu dem
wichtigen, wiederum gesperrt gedruckten Satze kommt: es »lassen doch schon die ange-
führten Thatsachen keinen Zweifel darüber, daß nicht innere Notwendigkeit, sog.
Bildungsgesetze, die Flächen der Schmetterlingsflügel bemalt hat, son-
dern daß die Lebensbedingungen (soll heißen Selektion; den Pinsel führen«.
(»Germinalselektion« S. 10;.
Pieriden.
229
stehung des düsteren Aussehens ihrer Oberseite an die eigen-
artige, sie schützende Haltuna; der Flüeel beim Sitzen gewöhnt haben.
Dazu kommt nun noch, daß offenbar aus der Zickzackzeichnung der
rindenähnlichen Ageronien erst die Euploeen-ähnliche Weißfleckzeichnung
hervorgegangen ist, wofür die von uns abgebildete A. Arinome den Über-
gang zeigt. Auch demnach handelt es sich in der Zickzackzeichnung nicht
um eine durch den Zwang der Anpassung bestehende Zeichnung, sondern
nur eben um eine Stufe auf dem Wege bestimmter Entwicklungsrichtung
(Genepistase).
Dazu kommt endlich, daß, wie die Nymphalide Dichorragia Nesimachus
beweist, auch andere Falter auf der Oberseite eine rindenartige Zeichnung
haben und zwar auf Grund derselben Entwickelungsrichtung, nämlich
des Zerfalls der Längsbinden in verschiedengestaltete Stücke, ähnlich
wie sie Ageronia Alicia i) besitzt. Von diesem Falter aber sagt Herr
L. Martin'-): »It is found off setting on forest roads with ivings only
half open and has a very rapid flight . . . .«
Pierideu.
Bei den Pieriden kommt keine Grundbindenzeichnung mehr vor,
auch finden wir den reinen Mittelfeld-Typus nur selten vertreten.
Ganz rein zeigt ihn Archonias sebennica (Abb. 179).
Dem Sibylla-Zarinda- oder Mittelfeld-Eckfleck-Typus gehört
Tachyris Zarinda (Abb. 181) an. Die Abänderung dieses Typus zum Eck-
Abt. 179.
Archonias sebennica Lcc. (J.
Abb. 180.
Pereute Charops Boisd.
Abb. 181.
Tachyris Zarinda Boisd.
fleck-Innenfeld-Typus zeigen Pereute chiriquensis und Archonias pitana
(Abb. 77)3), welche wiederum gewissen Satyriden, wie Melanagria-kvien
1) Staud. Taf. 44.
2) L. Martin: A list of the Butterflies of Sumatra by L. de Niceville and
L. Martin, reprinted from the Journal, Asiatic Society of Bengal Vol. XLIH. Part, il
No. 3. 1890. Calcutta 1893. S. 414. 3) St. Taf. 15.
230 Entwickelungsrichtungen bei einzelnen Familien der Tagfalter.
ähnlich sind. Bei diesen Faltern hnt sich das Mittelfeld so sehr ver-
breitert, daß dieselben bis auf schwarze, weißgefleckte Eckflügel- und
Randzeichnung weiß (oder gelb) geworden sind — ein Übergang wieder
zum llijale- oder /i/as^/cae-Typus. Auf die Zeichnung der anderen
Pereute-kvien kommen wir sogleich zu sprechen.
Der Cardui-Atalanta-T^li-a^ ist bei den Pieriden durch Pereute
Charops vertreten (Abb. 180): wir finden also im Hinblick auf das vorher
über Pereute chiriquensis Gesagte hier ein hervorragendes Beispiel des
Vorkommens gänzlich verschiedener Zeichnungstypen bei einer
und derselben Gattung.
Bei weitem die größte Menge der Pieriden aber ist nach dem Hyale-
Edusa- Brassicae-Glaiicippe- oder dem Eckflügelzeichnungs-
Typus der Pieriden gezeichnet.
Hier finden wir nun folgende Untertypen:
1) Gewisse Zeichnungen der Vorderflügel und besonders der Vorder-
MQselecke bei manchen Pieriden leiten sich unmittelbar von den Par-
nassiern ab und zwar ist die nächslstehende Parnassierform Isinene helios.
Es handelt sich um eine Eckflügelzeichnung gebildet aus II — III oder
II — III/IV mit dazwischen gelegenen hellen Flecken (B;, wozu dann auf
der äußeren Grenze des Mittelfeldes ein schwarzer Strich oder Fleck
;V/VI) kommt. (Bei Ismene heiius ist in der Mittelzelle auch noch ein
schwarzer Fleck VIII vorhanden.) //?/a/('-Typus.
So sind die Verhältnisse bei vielen Weißlingen und bei Co/«as-Arten,
Ahh. 1^2. Ismene helios Nick. Abb. 1S3. Colias liijalc L. Abb. 184. C'olias edttsa F.
wie bei Pieris bellidice, callidice, daplidice, Anthocharis belemia, belia, Colias
lijjale, phicomene u. a.
2) Bei C. Hijale und zahlreichen anderen Pieriden findet sich nicht
nur auf den Vorderflügeln, sondern auch auf den Hinterflügeln im Außen-
rande der Mittelzelle ein schwarzer oder aber ein farbiger Fleck, auch
hier V/VI entsprechend. [Colias rhamni, edusa u. s. w.).
3) Es entsteht eine, meist auch auf die Hinterflügel sich erstreckende
schwarze Binde mit Verbreiterung in den Vorderflügelecken durch Ver-
schmelzung von Binde I — III oder I — IV. Dazu kann dann der Fleck V/VI
Pieriden.
231
vorn oder vorn und hinten kommen: Colias edusa, C. palaeno u. s. vv.
Edusa-Typus.
4i Es bleibt im Wesentlichen oft neben dem V/VI-Fleck nur noch
eine schmale schwarze Vorderllügel-Eckbegrenzung (1): Antfwchan's car-
damines oder ein Fleck auf der Vorderflügelecke I. II oder I. II. III: Leu-
cophasia sinapis, Archonias corcyra, Eurema^ Pieris agathina^). Oder es
entsteht eine vergrößerte schwarze Vorderflügel-Eckzeichnung, welche
von Binde I bis VI reichen kann, durch Verschmelzung der bezüglichen
Bindenstücke, z. B. Delias Egialea-): Brassicae-Glaudppe-T\Y)\is.
D; Durch Schwinden aller dieser Zeichnungen entsteht Einfarbigkeit,
Weiß oder Gelb. Zuweilen bleiben nur noch die Flecke V VI auf
Vorder- und Hinterflügeln bestehen, so z. B. bei Colias rhaniiii, oder Reste
von IV, wie die schwarzen Flecke auf den Vorder- und am Vorderrande
der Hinterflügel bei P. brassicae Q, und indem die Männchen den Weib-
chen in der Entwickelung voranschreiten, sind erstere häufig einfarbig
geworden, während letztere noch Reste von Zeichnung (IV der Abbil-
dung] haben. Auch P. rapae q^ hat weniger solche Flecke als Q.
Abb. 1S5. Pieris brassicae L. C.
Abb. 1>H. Hihomoia Glancippe L.
6) Es bleibt eine schwarze Eckzeichnung (I oder I/II) und innerhalb
derselben, entsprechend III oder IV eine Reihe [Pieris callidice, Pontia
narcaea) oder nur zwei oder drei schwarze Flecke, oder nur ein solcher
auf den Vorderflügeln (drei und einer am Vorderrand der Hinterflügel
eben bei Pieris brassicae).
7) Besonders bei Callosune und Verwandten^ , auch z. B. bei Hebomoia
Glaucippe u. a. sind jene bunten von schwarzem Rand und einem inneren
Bande eingerahmten Eckflügelzeichnungen häufig, wobei dies Band auf
verschiedenste Art gebildet sein kann (I — IV, II — IV), I — V/Vl: Glaucippe-
Typus u. s. w.^j. Die auf die beschriebene Art, auch die vorerwähnte, bei
1) Staud. Taf. lö, 16, 19. 2) st. Taf. 20. 3) St. Taf. 22, 23.
*) Yergl. Ixias Pirenassa Q^, Pereute Charops Abb. -178 , letztere als mimetisch
angesehen mit Heliconius Melpomene^], und zahlreiche andere, besonders Dismorphien.
a) Staud. Taf. 22.
bi St. Taf. 32.
232 Entw'ickelungsrichtungen bei einzelnen Familien der Tagfalter.
Cardui-Atalanta, gebildeten Schrägbänder der Vorderflügel oder die
ihnen entsprechenden Flecke bilden durch Homoeogenesis eine häufig
bunte, rote oder gelbe Zeichnung, welche die größte Ähnlichkeit mit
Faltern anderer Familien hervorruft, was wiederum auf Mimicry zu-
rückgeführt worden ist. Insbesondere handelt es sich hier um Ähn-
lichkeit mit Helikoniden und Danaiden.
8) Eine hochwichtige Entwickelungsrich-
tung ist die Entstehung der beschriebenen Art
von Querstreifung durch Schwarzfär-
bung der Adern, welche im weiteren Ver-
lauf durch Querverbindung der Streifen zur
Fleckung führen kann (Xuthus- und Leo-
nidas-TYpns). Ein Beispiel hierfür ist
Pieris Agalhon (Abb. 187).
Diese Entwicklungsrichtung ist es nun
auch, welche, bei manchen Weißlingen auf
die Unterseite der Hinterflügel beschränkt, hier
eine Art schwarzer oder grünlicher Quer-
streifung herstellt [Pieris Leucodice, P. napi).
Dieselbe wird bei anderen Arten durch seit-
Abb. 187. Pieris Affathon Gr^y. liche Verbindung der Querstreifen netzartig
[P. callidice), dann, durch breitere Verbindung,
fleckig [P. Ausonia, P. cardamines) und kann weiter eine sekundäre
Längstreifung herstellen [P. glauce, P. belemia), während in anderen
Fällen durch allseitige Verschmelzung der Streifen bezw. Flecke Ein-
farbigkeit entsteht [P. tagis).
Die Zeichnung von Pieris napi ist von Herrn Weismann neiiestens in folgender Weise
als durch Zuchtwahl entstandene Anpassungserscheinung verwertet worden: »Pieris
napi, der kleine Weißling, zeigt in seiner Frühjahrsform die bekannte schwärzlich-
grüne, breite Bestäubung der Unterseite der Hinterflügel, die eine offenbare Schutz-
farbe ist und in der That den auf Pflanzengrün in Schlafstellung sitzenden Schmetter-
ling ebenso gut versteckt wie die grün und weiß gerieselte Unterseite der Anthocharis-
Arten. Nun ist es aber gerade diese grüne Schutzfärbung, welche der Sommerform
fehlt, und der Gedanke liegt nahe, daß die trocknere und weniger lebhaft grüne Um-
gebung der Sommerbrut diese Änderung notwendig gemacht hat').«
Diese Schlußfolgerungen werden einem Jeden, der sich Pieris napi ansieht und
mit Anthocharis vergleicht, als vollkommen gegenstandslos erscheinen. Zunächst napi
stehen Arten mit ungezeichneter, gänzlich weißer oder gelblicher Unterseite der Hinter-
flügel. Napi ist von allen gezeichneten Arten am wenigsten gezeichnet und
grünlich gefärbt: bei den Frühlingsformen napi sind die Adern leicht grünlich
grau, bei der Sommerform noch etwas weniger gefärbt. Von Anpassung an ein Grün
der Pflanzen kann weder dort, noch hier die Rede sein und jedenfalls ist der Unter-
schied gegenüber von Arten wie Anthocharis ein sehr großer, der zwischen der Früh-
jahrs- und der Sommerform von napi aber ein so kleiner, daß gar verschiedengradige
Anpassung nicht in Betracht kommen kann 2). Wenn Schutz in Frage käme, so wäre
ij Neue Versuche zum Saison-Dimorphismus der Schmetterlinge 1895. S. 670.
2) Man vergleiche zu Vorstehendem die eigenen Abbildungen von Weismann selbst
in den alten Untersuchungen über Saison-Dimorphismus der Schmetterlinge 1875
Taf. I Fig. 1 0—1 4 !
Pieriden.
233
eher daran zu denken die helle und auffallende Farbe bei napi, wie sie auch unten vor-
handen ist. als Schutz- bezw. als Trutz färbe anzusprechen. Übrigens hält das durch
das Grün der Unterseite ungleich mehr als napi angepaßte (5 von cardamines beim
Sitzen mit zusammengefalteten Flügeln diese so, daß das Rot der Vorderflügelecke
weithin sichtbar ist, in den Augen des Selektionsphantasten wohl eine Blume vor-
täuschend! Zuchtwahl aber hat wiederum die betreffenden Zeichnungen nicht her-
vorgerufen: es handelt sich vielmehr um den Ausdruck einer weit verbreiteten Ent-
wicklungsrichtung.
Bei den in ganz verschiedenen Familien vorkommenden schwarz geäderten
Formen hat man gleichermaßen ohne weiteres Mimicry angenommen. Die kleine
Pieris Leucodice und die große Deltas Eucharis zeigen schon durch die Verschieden-
heit in der Größe, wie auch hier unabhängige Entwickelungsgleichheit, Homoeo-
genesis maßgebend ist, nicht Zuchtwahl.
In seltenen Fällen ist bei den Pieriden Binde IV nach vorn in 111
fortgesetzt, so daß eine Art Blattrippe IV/III entsteht. Man vergl. hierzu
z. B. Dercas Verhuellii aus Nordindien fAbb. 188).
Auch hier ist diese »Blattrippe« auf der übrigens
eanz citroneneelben Unterseite am vollkommen-
sten, oben nur auf den Vorderflüs;eln. Auch die
Flügelform ist blattähnlich und doch ist bei Citro-
nenfaltern selbstverständlich von Nachahmung eines
Blattes nicht die Rede. Solche Beispiele werfen
abermals ein schlagendes Licht darauf, wie wenig
ursprünglich Anpassung mit Blattbildung an Schmet-
terlingsflügeln zu thun hat.
Auch an anderen Arten von Pieriden treten
Reste der Binde IV zuweilen, quer über die
Hinterflügel verlaufend, besonders auf der Unter-
seite aufM.
vl^^
Endlich ist für die Pieriden die Querzeichnung
Abb. ISS.
Dercas Verhuellii Hoev.
der Dismorphien zu erwähnen, oft verbunden mit
schwarz-rot-gelber Färbung, helikonier-ähnlich, wie ausführlich besprochen.
Es ist gezeigt worden, daß die die Dismorphien kennzeichnende Flügel-
form, die Zeichnung und auch schwarz-rot-gelbe Farbe sich zu Eigen-
schaften gewöhnlicher Weißlinge umgebildet haben müssen uud daß
solche auch aus anderen Zeichnungst^^en entstanden sind.
Anmerkung. In den Transact. of the Entomological Soc. of London 4894
S. 249 ff. ist eine Abhandlung von F. A. Dixev in Oxford erschienen: on the Phylogeny
of the Pieridae, as illustrated bey their wing-markings and geographica! distribution,
welche ganz auf den Grundsätzen meiner Behandlung aufgebaut ist, ohne daß der
Herr Verfasser sich verpflichtet fühlt, dessen Erwähnung zu thun. Nachdem im Jahre
1889 die erste Abteilung meines Werkes über die »Artbildung und Verwandtschaft
bei den Schmetterlingen« veröfl'entlicht war, in welcher ich den Schlüssel für die Er-
klärung der Schmetterlingszeichnung zunächst an der Hand der segelfalterähnlichen
Papilioniden gegeben, wurde -1890 von demselben Verfasser eine Abhandlung; on the
phylogenetic significance of the wing-markings in certain genera of the Nymphalidae
veröffentlicht (ebenda), in welcher ganz nach demselben Muster, nur mit umgekehrter
1) Z. B. Idmais Vesta Staud. Taf. 23.
234 lintwickelungsrichtungen bei einzelnen Familien der Tagfalter.
Zahlenbezeichnung der Binden (!), insbesondere Vanessen behandelt sind und an deren
Schluß unter Hinweis auf meine Arbeit die Bemerkung steht: »Anothcr recent treatise,
mentioned by van Bi;m.mei.i:n, 1 have infortunately not at yet becn able to see«. Wenn
mich diese Beziehung der DixEY'schen Arbeit zu der meinigen überraschte, so läßt
sich das durch den fast wunderbaren Zufall derselben wohl verstehen. Immerhin
ist solcher Zufall möglich. Allein ich meinte, Herr Dixr:Y hätte doch jedenfalls dem
anderen von ihm selbst als unglücklich bezeichneten Zufall, daß er meine Arbeit vor
Veröffentlichung der seinigen nicht mehr zu Gesicht bekam, leicht abhelfen können,
und daß er dies nachträglich nicht gethan, sondern meine Arbeit in seinem Aufsatz über
I'ieriden überhaupt gar nicht berührt hat, berechtigt vollends meine Überraschung, um
so mehr als jetzt Herr Dixev meine zuerst für die Papilioniden begründete Auffassung,
daß die geographische Verbreitung maßgebend für die Umbildung ist, in Beziehung
auf die Pieriden zu der seinigen macht. Daß seine Befunde demgemäß mit den meinigen
im Wesentlichen übereinstimmen, ist selbstverständlich und erscheint zugleich als
eine Bestätigung der Richtigkeit der von mir aufgestellten und angewendeten Grund-
lagen der Untersuchung. Gegensätzliches ist in Beziehung auf Perrhybris bei der
Besprechung der Dismorphien angedeutet. Auch nach Veröffentlichung meiner vor-
liegenden Ergebnisse wird noch mancher Arbeiter zum Ausbau des Hauses Steine
behauen können. Ich erinnere nur an die Heterocera und Microlepidoplera, über welche
ich übrigens im Folgenden selbst schon Einiges berichten werde. Nur wäre es er-
wünscht, wenn weitere Arbeit nun in Beziehung zu der ursprünglichen Vor- und zu
der Hauptarbeit, wie ich doch wohl sagen darf, gebracht würde, nicht nur was die
Anerkennung ihrer Grundsätze anbetrifft, sondern, zum Zwecke des leichteren Ver-
ständnisses, auch in der Annahme der von derselben gewählten Bezeichnungen.
3Ior}»lii(leu.
Die schöne Schmetterlingsfamilie der Morphiden hat auf der Unter-
seite häufie; noch
1) verhältnismäßig sehr ursprüngliche Längsstreifung, wie Amathusia
Phidippus (Abb. i34j, .l. dilucida (Abb. '189y, MorpJto Aega^], M. Adonis-].
Amathusia dilucida hat eine gewisse Blattzeichnung bei violett-
grauer, nicht ausgesprochen blattähnlicher Farbe und kaum blattähnlicher
Gestalt. In der Abbildung sind die Flügel nicht in natürlicher Lage, um zu
zeigen, wie die Binden II, III, IV, auch VII und VIII IX auf dem hinteren
Teil der Unterseite der Vorderflügel, so weit als diese von den Hinter-
llUgeln in der natürlichen Lage bedeckt sind, fehlen, bezw. ausge-
bildet sind.
In der natürlichen Lage passen die Binden der VorderQügel auf
die der Hinterllügel.
Die Zeichnung giebt in durchaus unvollkommener Weise Blattrippen
wieder: III ist auf den Vorderflügeln nur schwach ausgebildet, besonders
gegenüber von IV. Hinten fehlt offenbar III, ihre ursprüngliche Lage
aber ist durch die zwei großen Augenflecke angedeutet, welche, wie
Übergänge zeigen, aus der bei anderen Faltern nach außen von III ge-
legenen Augenfleckreihe hervorgegangen sein müssen. III und II treten
») Staud. Taf. 67. ■■?) Ebenda Taf. 69.
Morphlden.
235
m
-ff x
ffnT/
m
auf den Vorderflügeln nach hinten, und IV und II auf den Hinterflügeln
nach vorn auseinander, in Folge starken Gewachsenseins des be-
züglichen Teils der Basis des Hinter- bezw. des Vorderflügels.
Binde II stellt sich auf den Hinterflügeln zu IV so wie bei Kalliina
Itiac/iis. Auch eine Art Blattstiel wie bei dieser ist vorhanden. Trotzdem
ist die Amathusia dilucida
kein Blattschmetterling,
denn die Ähnlichkeit des Fal-
ters mit einem Blatte ist eine
ganz unvollkommene, verzerrte
— es handelt sich wieder um
homoeogenetische Ent-
wickelung gegenüber den
Kalliina u. a. Als besondere
Entwickelungsrichtung zeigt sich
nun auch bei solchen Morphiden
wieder:
2) das Bestehenbleiben und
Hervortreten der Binde IV,
während die übrigen Binden
mehr oder weniger schwinden.
Es wird auf diese Weise allein
durch IV eine blatlrippenähn-
liche Zeichnung hergestellt,
welche aber vorne nicht in die
Blattspitze übergeht, sondern
sich nach innen davon am Vor-
derflügelrande anlegt.
Auch hier jiiebt es ganz schreiend
gellte Falter, welche, obschon sie
Spuren innerer Blattrippen, als Reste
von Grundbinden tragen, mit einem
Blatte gar nichts zu thun haben, so
Enispe Euthymius ' . Etwas blatt-
ähnlicher sind schon z. B. Disco-
phora Gelinde und Tullia^) mit drei parallelen Längsbinden: II, III, IV, unter
welchen IV die kräftigste ist — blattähnlicher wegen der Farbe, aber nicht in der
Gestalt. Diese tritt nun bei Zeuxidia Amethystus^) ebenfalls hinzu. Auch hier
ist Binde lY, und zwar sehr weit nach innen von der Flügelspitze, bis zum Yorder-
rand des Vorderflügels fortgesetzt, mit den Grundbinden V, VI u. a. als innerenlSeiten-
rippen die Hauptzeichnung, aber die innere Grenze der mit den äußeren Binden ver-
schmolzenen III macht vielleicht mit IV als deren vordere in die Blattspitze gehende
Verlängerung den Eindruck einer echten Blattrippe.
Unvollkommene ßlattähnlichkeit ohne Blattspitzenrippe bieten z. B. Morpko Aega*),
M. Adonis^; aber bei letzterer ist trotzdem keinerlei Blattähnlichkeit vorhanden,[auch
sind bei ihr die großen Augenflecke, welche bei vielen Morphiden vorkommen, schon
ausgebildet.
Fig. 1S9. Amathusia dilucida Honr.
1) Staud. Taf. 63.
Ebenda.
3 Ebenda. 4) St. Taf. 67. 5) St. Taf. 69.
236 Entwickelungsrichtungen bei einzelnen Familien der Tagfalter.
Auch bei anderen Formen, wie Thaumantis Howqua und Camadeva^ tritl
ohne jede Beziehung zu Blattähnlichkeit Binde IV im Sinne einer falschen Blattrippe
sehr hervor.
3) Bei den wiederum hellgelben und schon darum nicht blattähn-
lichen Äemoncij z. B. Ä. Amathusia und A. leva^] ist eine Blattmittel-
rippe durch IV/III gebildet. Dazu kommen bei Amathusia innere »Seiten-
rippen«, welche vorn und hinten entgegengesetzt gestellt sind (vergl. die
früher gegebene Beschreibung).
4) Auch hier kommt die Entwickelungsrichtung vor, daß Binde IV
auf der Unterseite nur noch auf den Hinterllügeln bestehen bleibt, vorne
zurücktritt oder wenigstens hier nicht mehr als falsche Blattrippe deutlich
ist, weil sie unregelmäßig wird^j.
Es handelt sich wiederum offenbar um ein Verlorengehen von
ursprünglich größerer Blattähnlichkeit.
5) Meist nach außen von diesem Mittelfeld (auf den Hinterflügeln
zum Teil auch nach innen davon) liegen die großen Augen flecke
der Morphiden^), als Ausdruck einer besonderen Entwickelungsrichtung,
indem die äußeren derselben entstanden sind aus Augenflecken ent-
sprechend den nach außen von Binde III gelegenen Augenflecken der
Nymphaliden. Auf den Hinterflügeln liegen diese Augenflecke z. B. bei
Moi'pho Adonis nach innen von Binde III in Binde V/VI, wie auch bei
Brassoliden, z. B. Caligo, und sind wohl anderen Ursprungs. Bei Hijantis
und Teuaris^) u. a. , welche eine ganz eigenartige Entwickelung ge-
nommen haben : helle Innenfeldbildung mit mehr oder weniger schwarzer
Umgrenzung und mit großen Augenilecken, entsprechen letztere w-ohl III.
Oberseite:
6) Zuweilen tritt auch hier ein durch IV begrenztes dunkleres
Binnenfeld auf, so bei Thaumantis Camadeva^]. Eigentlich ist das
Binnenfeld hier nur aus zwei Abteihmgen zusammengesetzt, welche
durch die bei den Papilioniden so wichtige Binde IX abgeteilt sind. So
sind hier beide, das Papilioniden- und das Nymphaliden-Binnenfeld vor-
handen.
7) Auch hier kommt zuweilen ein Mittelfeld, also der Sarpedon-
Daraica-Typus vor, z. B. bei Thaumantis Camadeva und Th. Huivqua,
Morpho Aega u. a. Auf der Unterseite von Morpho Hercules ^), M. Me-
lacheilus^) u. a. ist es unregelmäßig, in Flecke aufgelöst.
8) An den Flügelecken sind zuweilen weiße Flecke ausgespart,
welche Zwischenräumen zwischen III/IV und IV/V/VI entsprechen''), also
dieselbe Zeichnung wie bei Nymphaliden, Pieriden und Satyriden u. a.
(Vorderflügel-Eckzeichnung — besonders auf der Unterseite).
1) Staud. Taf. 65. 2) Ebenda. 3) Moriiho Aega bes. ^ St. Taf. 67.
4] Vgl. z. B. M. Melacheilus St. Taf. 68. ^] St. Taf. 63. 64.
6) St. Taf. 65. '') St. Taf. 66. ») St. Taf. 68.
9) Discophora Tullia und Thaumantis Aliris ebenda.
Brassoliden. 237
9) Eine auch schon bei Nymphaliden vorkommende Entwickelungs-
richtang besteht darin, daß die Vorderflügelecke schräg durchquert
wird durch ein helles, oft schön gefärbtes Schrägband, entsprechend
dem Zwischenraum zwischen IV, bezw. 11 1 und V/VI, so z. B. bei Zeu-
xidia AmctJvjstus vmd Thmcmantis - Arten ^) mit einem Fleckchen in der
Vorderflügelecke (//jac/ü's-Typusj: bei Z. Amethy&tus auch in Blattähn-
lichkeit der Flügelforra 7noc/?/s-ähnlich.
Es kommt auch vor, daß dieses Band zwischen III oder III/IV und
IX gelegen ist, nämlich bei Amathusia dilucida.
10) Zuweilen verbreitert sich das Mittelfeld nach innen zu einem
Innen feld, besonders auf den Hinterflügeln, so bei M. Hercules und
Phanodemus-s, ferner bei M. Rhetenor"^].
11) Zuletzt tritt Einfarbigkeit auf, in Folge des Schwindens der
Zeichnung auch in der Bichtung nach außen.
12) Eine besondere Entwickelungsrichtung zeigt sich darin, daß wie
bei vielen Pieriden und einzelnen Papilioniden Binde V VI mit großer
Schärfe im Bereich der äußeren Grenze der Mittelzelle auf den Vorder-
flügeln übrig bleibt, während sonst fast alle Zeichnung geschwunden ist,
bei dem fast weißen Morpho Laertes, wo auf der Oberseite außer dieser
Zeichnung nur noch eine schwarze Vorderflügel-Eckzeichnung vorhanden
ist und eine Reihe der Binde II ansehöri^er ebensolcher Flecke. Auf
der Unterseite ist außer V'VI noch ein Stück VII/VIII in der Mittelzelle
vorhanden, welches sich auch bei anderen Familien hervorragend erhält,
auf den Vorderflügeln zwei III angehörige runde Flecke und von Spuren
von I und II, auf den Hinterflügeln eine Kette von Augenflecken. Ähn-
lich ist Morpho Epistrophis^] gezeichnet, ein vorzügliches Beispiel für
Heterepistase.
Brassoliden.
Die Brassoliden sind im Allgemeinen sehr vorgeschrittene Formen,
doch kommen auch bei ihnen noch meistens Grundbinden oder Reste der-
selben auf den Vorderflügeln vor, zuweilen auch auf den Hinterflügeln
entsprechend V/VI und den innen davon gelegenen.
Vom Mittelfeld-Typus finden sich noch Spuren. So bei Caligo
Rhoetus Q^) oben und unten auf den Vorderflügeln und in Andeutungen
auch auf den Hinterflügeln unten. Bei Dasi/ophthabna Cri'usa*^) ist ein
Mittelfeld nur auf der Oberseite der Vorderflügel, bei D. Rusina'] auf
der Ober- und Unterseite beider Flügel vorhanden.
Der Eckfleck-Schrägband-Typus oder auch zw^ei helle Fleck-
reihen in der Ecke der Vorderflügel sind ebenfalls bei den Brassoliden
ij Staub. Taf. 63—65. 2) St. Taf. 66. 3 St. Taf. 70. *) St. Taf. 70.
ä) St. Taf. 74. 6] St. Taf. 76. ") Ebenda.
238
Entwickelungsrichtungen l)ei einzelnen Familien der Tagfalter.
vorhanden, so daß für Mimicry-Liehhaber wieder eine Menge Nachahmer
aufzustellen wäre.
Auch einlacher Schräg band- Typus kommt vor.
Sehr vorgeschritten ist die Zeichnung der Brassoliden dadurch, daB
bei ihnen manchmal auch oben, unten zu-
meist nur auf den Hinter-, zuweilen auch
auf den VorderÜügeln starke Rieselzeichnung
(Abb. 'I90j auftritt, und daß hochausgebildete
Augenflecke vorkommen. Diese Augentlecke
entsprechen auf den Vorder- und zum Teil
auch auf den Hinterflügeln den Augenflecken
der Binde III, zuweilen aber sind sie auf
den Hinterflügeln wie bei den Morphiden so
weit nach innen gerückt, nach innen von
Binde lY, daß Zweifel besteht, ob sie dessel-
ben Ursprungs sind.
Auch bei den Brassoliden haben wir
Blattschmetterlinge: Narope Sarasti^o^) hat
Blattgestalt der Vorderflügel und darauf eine
echte in die Spitze verlaufende Blattrippe IIIj,
dazu den anderen Grundbinden entsprechende
Zeichnungen, bei A'. Cyllastros-) ist alles
weniger deutlich.
X
Atl). 190.
Opsiphanes Boisduvaln Dodbl.u. Heiv.
Satyrideu.
Bei den Satyriden kommen die am wenigsten und die am weitesten
vorgeschrittenen Zeichnungsverhältnisse zugleich und zuweilen kommen
beide sogar nebeneinander an einem Falter vor, besonders auf der
Unterseite.
1) So hat z. B. Zopho&'ssa Baladeva^] auf der Unterseite gleich zahl-
reichen anderen Satyriden noch sehr ursprüngliche Längsstreifen, auf
den Hinterflüeeln aber sehr auseebildete Ausjen flecke. Auf letzteren
liegen neben den Binde III entsprechenden Augenflecken zwei, ein
vorderer und ein hinterer innerer in Binde V/VI.
2) Binde IV bildet unten häufig eine falsche Blattrippe und
spielt auch hier eine hervorragende Rolle bis zur Entstehung mehr oder
weniger ausgesprochener Blattähnlichkeit eben mit der unvollkommenen
Blattrippe IV. Auch hier giebt es aber die verschiedensten »unmög-
lichen Blattähnlichkeiten«, d. i. solche, deren Täuschungsfähigkeit durch
die Farbe aufgehoben wird.
3) Auch hier kommen übrigens, zugleich mit stärker oder schwächer
1) Staub. Taf. 76. 2] Ebenda. 3) St. Taf. 78.
Eryciniden und Lycaeniden.
239
vor ^j.
auf der Unter-
zugespitzten Yorderflügelu, echte Blattmittelrippen (IV/IIIj vor: 3Je-
lanitis Suradeva ^).
4) Zuweilen verlaufen zwei oder gar drei »rippenartige« Längs-
binden über beide Flügel inmitten grauer oder brauner Grundfarbe.
Daneben können auffallende Augenflecke vorkommen.
5) Häufig ist ein helles Mittelfeld zwischen lY und III vorhanden,
wie bei Zethera pimplea (f (Abb. 68)-).
6) Auf den Vorderflügeln ist häufig ein verschieden gebildetes helles
Schrägband vorhanden [Caerois Chorineus, Abb. 129).
7) Dasselbe ist zuweilen durch helle Fleck-
zeichnung ersetzt und kommt solche-^)
8) zugleich oder allein auch zwischen II
und III in der äußeren Flügelecke
9] Querrieselung kann
Seite, besonders auf den Hinterflügeln auftreten,
auf letzteren auch oben.
•10) Auch die durch die Dunkelfärbung der
Rippen entstehende Querstreifung und daraus
hervorgehende Fleckung kommt vor'').
1 1 1 Auch hier behält zuweilen nur der
Hinterflügel Ähnlichkeit mit einem Blatte durch
Gestalt und Zeichnung, während die Vorder-
vorgeschritten sind [Cor-ades Enyo,
a.).
größte umbildende Rolle spielen
jgen der Binde III hervorge-
gangenen Augenflecke und tragen zur Ver-
schiedenheit der Falter sehr viel bei, indem
bald nur einzelne von ihnen erhalten sind, bald die
entwickelt ist.
13) Häufig ist Innenfeld-Typus und sehr häufig
\ ,
-^-zr
flügel
sehr
Abb. 191 u.
12) Die
die aus den
Abb. 191. Corades Enyo Hew.
ganze Reihe stärker
14) Einfarbigkeit.
Eryciniden und Lycaeniden.
1) Zahlreiche Längsgrundbinden sind hier selbst auf der Oberseite
zuweilen noch erhalten. Am häufigsten erhalten sich wieder II, III. IV
und IX, dann Reste von V/VI, VIII, zuweilen entsprechend der
Flügelform hinten spitzwinklig vereinigt '^).
1) St. Taf. 79. 2) Staudinger Taf. 79.
4) Pronophila venerata St. Taf. 85.
5) Orinoma Damaris St. Taf. 79.
6) vgl. S. 189.
3) Tisiphone maculata St. Taf 80.
240
Entwickelungsrichtungen bei einzelnen Familien der Tagfalter.
ÄW
2) Zuweilen ist in beiden Familien wieder Binde IV wie eine falsche
Blattrippe auf der Unterseite erhalten, so bei der Erycinide Theope
basilea ').
3) Sehr häufig ist der Mittelfeld-Typus,
sehr häufig ein Innenfeld und Einfarbigkeit.
I) Schrägband und helle Vorderflügel-
Eckflecke, ebenso
5) Schrägbänder verschiedenster Art
sind sehr häufig.
6) Auch ein dunkles oder ein helles Bin-
nenfeld kommt vor.
7) Der Bolina-T\^\\s^ mit vorderem oder
mit vorderem und hinterem Fleckenpaar findet
sich wiederholt.
8) Auch der 57-ass/coe-Typus : schwarze
Vorderflügel-Eckzeichnung fehlt nicht; zu-
weilen ist er mit im Übrigen weißer Einfarbig-
keit verbunden.
9) Zuweilen bestehen die Innenfelder auf Vorder- und Hinterflügeln
getrennt, als ob das Mittelfeld, bezw. 5o/ma-Flecke sich nach innen
bis zum Flügelrand ausgezogen hätten, so wenigstens auf den Vorder-
flügeln, wie bei den ockerfarbenen Eryciniden Euselasia Chrt/sippe,
E. Mys, E. HcihneW^)^ die rote Lemonias Emylius'^) u.a., die ockerfarbene
Lycaenide Hypochrysops Apelles^)^ Aricoris flamnmla^] und Liphyra Bras-
solis Q '•). Es handelt sich hier um eine Zeichnung, welche allerdings
durch Zwischenformen ganz in den Innenfeld- bezw. in den Edusa-
Typus übergeht, welche aber nach den Ausgangsformen berechtigter-
weise als besonderer Typus: i/o/Zna-Innenfeld-Typus aufgestellt
werden dürfte, wenn er auch nur wenige Angehörige zählt.
Abb. l'J2. Siihon nivea S. u. G.
. braunroh
Abb. 19S.
Euselasia chrysippe B.
Abb. na.
Lyinnas milanocidoros Salv. Godm.
Abb. 195.
Cartca tupajona Bates.
Wenn die Flügel sich helikonierartig ausziehen und das
Mittelfeld dies gleichfalls thut, so daß auf den Vorder- wie auf den
1) Staudinger Taf. 93. 2) St. Taf. 87. 3) St. Taf. 92.
4) Staüdinger Taf. 94. ^] St. Taf. 93.
6) St. Taf. 94. Auch einige unserer roten Lycaenen stehen dieser Zeichnung
nahe, so Polyommatus Ballus. ,
Eryciniden und Lycaeniden.
241
Hinterflügeln kreuzweise stehende Bänder gebildet werden, so entsteht
die merkwürdige Zeichnung der Erycinide Lymnas melanochloros^)
[Abb.
194).
H) In
anderen Fällen be-
dingt diese Flügel form auch
helikonier-ähnliche Querstreifung,
so bei der Erycinide Cartea Tapa-
jona^) (Abb. 195).
12) Eine umgekehrt gerich-
tete Schrägbandzeichnung wie bei
melanochloros kommt z. B. bei der
Tnt
Erycinide Panara
196) auf den
offenbar in
Thisbe ^)
Hinterflügeln
Folge
der
(Abb.
vor:
nach
Abb. 196.
Panara Thisbe F.
Abb. 197.
Diorhina Periander Cham.
hinten gerichteten Verlänge-
rung der Hinterflügel: diese
hinteren Schrägbänder und die
vorderen stellen sich hier gegen-
seitig ganz wie die Binde III bei
Caerois Chorineus. Dasselbe zeigt u. a. Riodina Lysippus ^).
13) Einen eigentümlichen Typus bilden die Erycinidengattungen
Ancylwis , Diorhina und Zeonia, wiederum in Zusammenhang mit
der, in diesem Falle segelfalterartig. d. i. in der Richtung von vorn nach
hinten ausgezogenen Flügelform. Die Zeichnung ist bei Diorhina sehr
ursprünglich darin, daß ein schönes, auf beide Flügel sich erstreckendes
Mittelfeld vorhanden ist. Dazu kommt ein zwischen III und IV gelegenes,
langgezogenes Schrägband auf den Vorderflügeln, welches auf den hin-
teren in ein Randband übergeht. Es handelt sich also um einen eigen-
artigen Mittelfeld-Schrägband-Typus, eigenartig dadurch, daß das
Mittelfeld meist sehr weit nach innen liegt (bei D. Periander und D. Butes
wahrscheinlich zwischen VII und IX oder X) und, in Folge des starken
Wachstums der Vorderflügelecke nach vorn.
ebenso das Schrägband der
endlich durch die
Fortsetzung
dieses Bandes auf die
Vorderflügel ;
Hinterflügel.
Die Ancy Iuris zeigen verschiedene Abweichungen bis zum reinen
Schrägband-Typus.
Bei Zeonia sind Schrägband und Mittelfeld, ebenso die Randbinde
der Hinterflügel sehr verbreitert, so daß nur noch eine schmale schwarze
Schrägbinde (V/ VIl auf den Vorderflügeln mit Fortsetzung auf die Hiuter-
flügel vorhanden ist.
Es ist nun höchst bemerkenswert, daß unter den Papilioniden eine
diesen südamerikanischen Zeonia homoeogenetisch sehr ähnliche, im
malayischen Gebiete lebende Gattung Leptocircus vorkommt, welche auf
1) St. Taf. 89.
Eimer, Orthogenesis.
-I Ebenda.
3; Ebenda.
*) St. Taf. 90.
16
242
EiitwickeUingsriclituniicn bei einzelnen Familien der Tagfalter.
Grund wesentlich derselben Entwickelungsrichlungen gebildet ist, ein
hervorragendes Beispiel lür Pseudo-Mimicry in Beziehung auf
die Zeichnung und glasartige Flügelbeschaffenheit, während die Hinter-
flügel bei Lepfocircus noch viel mehr schwanzartig ausgezogen sind als
bei Zeonia^ wodurch die Pseudo-Mimicry noch mehr ausgesprochen wird.
smyi
Abb. 198. Zeonia sylphina Bates.
Abb, 199. Leptocircus virescens Bctl.
Man wird diesen in den Gattungen Diorhina und Ancyluris durch
hochentwickelte Farben ausgezeichneten Typus wohl passend als Diorhina-
Lep loci i^cns-Typ Vis bezeichnen.
14) Häufig ist eine andere neue Entwickelungsrichtung: Zerfallen der
Längsstreifen in kleine Flecke, so daß der ganze Falter auf einer oder
auf beiden Seiten oder daß wenigstens die Hinterflügel auf der Unter-
seite fein schwarz gefleckt erscheinen : schwarzer Kleinfleck-Typus.
Hierher gehören die Eryciniden Lasaia Arsis und Charis holosticta^] und
die Unterseite vieler Lycaeniden.
15) Umgekehrt kann eine Bespritzung mit lichten Flecken in dunk-
lerem Grunde durch Verschmelzen von Bindenstücken entstehen und zwar
Abb. 200. Amarynthis Meneria Cram. g.
Abb. 201. Mdhonella CaeciUa Ckam.
kommt dies bei Eryciniden sehr häufig vor: heller-Kleinfleck-Typus
(Abb. 200 Amarytithis Meneria)'^).
1) Z. B. Anteros Kupris Staud. Taf. 90. Emesis fatirnella ebenda, u. a.
2) St. Taf. 91 .
Hesperiden. 243
16) Bei Thccla Desdemona^) und Ärhopala-Arten-] sind die Binden
auf der Unterseite so verbreitert, daß die hellen Bänder nur noch als
eanz schmale Streifen übria; geblieben sind : die seltene Entwickelunas-
richtuns;, welche dem Papilioniden Annandia Lidderdalii 'Abb. 172 die
Eigenart verleiht, eben wegen dieser Seltenheit aber ein höchst be-
zeichnender Fall von unabhängiger Entwickelungsgleichheit.
Auch bei Desdemona treten die Streifen gegen die Spitze der Hinter-
flügel auf Grund von deren Gestaltung ähnlich wie bei manchen
Lycaeniden und Papilioniden in spitzem Winkel zusammen. Einen Über-
gang zu diesem Verhalten nach ersterer Bichtung zeigt auch z. B. die
Erycinide Dodona Ouida^)^ bei welcher zugleich die Streifen auf den
Hinterflügeln sich ebenso verhalten.
17) Fächerzeichnung kommt, an Vorder- und Hinterflügeln
zugleich, in höchst vollendeter Ausführung bei Eryciniden vor (Abb. 201 j.
18) Die Augen der Binde III können sich erhalten oder es erhalten
sich nur einzelne und bilden sich in größere Augen aus.
19) Nicht selten treten neue Augenflecke nach innen von IV auf.
20) Die oben abgebildete Aniarynthis Meneria giebt zugleich ein
Beispiel für einen bei Eryciniden wiederholt vorkommenden Randband-
Typus, bei welchem beide Flügel ein Randband tragen, anstatt dessen
in anderen Familien nur Randflecke vorhanden sind. Es ist dasselbe
wohl zu unterscheiden von einem weit nach außen gelegenen Mittelfeld,
wie es besonders auf den Hinterflügeln vorkommt, so bei Papilio Nicannr q^,
Vanessa Haronia und V. Canace. Dabei kann nicht nur dieses äußere
Mittelfeld wie bei Haronia , sondern auch das Randband sich auf den
Vorderflügel in ein Schrägband fortsetzen: Randband-Schrägband-
Typus. Es handelt sich hierin also um die Zeichnung, welche auch bei
Diorhina vorhanden ist, aber dort nicht herrschend^). Zuweilen sind
hinten Mittelfeld und Randband vereinigt: Eurytela Bekkeri'^].
21; Eine eigentümliche Zeichnung entsteht bei manchen Eryciniden,
aber auch bei Lycaeniden und Hesperiden, auch Satyriden, auf den
Hinterflügeln dadurch, daß deren hinterer Teil — wie Übergänge zeigen
durch Verbreiterung des im Übrigen fehlenden Randbandes — in größerer
Ausdehnung, bis oder fast bis zum Rand, nach innen aber meist unregel-
mäßig begrenzt und durch braune Farbe ausgezeichnet ist^).
Hesperiden.
In der Zeichnung der Hesperiden spielt eine große Rolle beson-
ders die Eckzeichnung der Vorderflügel: die hellen Flecke zwischen
1) St. Taf. 97. 2) St. Taf. 96. 3 St. Taf. 87.
4) Als Beispiel vergleiche man die Abbildung der Nymphalide Callithea Leprieurü,
Staudinger Taf. 43. 5) St. Taf. 39.
6) z. B. Eiirybia Donna und Mesosernia SibyUina St. Taf. 88.
244 Entwickelungsrichtungen bei einzelnen Familien der Tagfalter.
Binde II und III einerseits und III und IV andererseits, ferner das
helle Schrägband oder zwei solche, ein ol)eres kürzeres und ein
unteres längeres, jenes, gleich den hellen Flecken zwischen III und IV,
dem schräggestellten Mittelbande, dieses dem Zwischenraum zwischen
IV und V/VI entsprechend. Das Mittelband wird zuweilen, ganz oder in
Resten, auch auf den Hinterflügeln maßgebend.
Reste von Längsstreifung, wiederum auf Grund der bei den
vorigen maßgebenden Binden: besonders II, III, IV, auch IX kommen auch
hier vorzüglich auf der Unterseite zuweilen noch vor.
Durch jene Eckflügelzeichnung kann wiederum große Ähnlich-
keit in der Zeichnung mit Vanessen entstehen ^].
Durch Übrigbleiben von Längsbändern in der Grundfarbe zwischen
kräftigen Binden besonders auf den Hinterflüeeln u. a. kann auch
Papilioniden-Ähnlichkeit auftreten 2). Dies bei längsgestreckten Hin-
terflügeln. Bei breiten richten sieh die Binden III und IV u. a. wie-
derum quer.
Auch Fächer flüaler entstehen hier. Bei den
Acraeiden
haben wir als hauptsächlichste Entwickelungsrichtungen
\) die Auflösung von Grundbinden in kleine Flecke, wodurch
schwarze Tüpfelung entsteht, wie bei Eryciniden und Lycaeniden.
2) ein Schrägband auf den Vorderflügeln, zuweilen verbunden
mit helikonier-ähnlicher Flügelform, dadurch große Ähnlichkeit mit Heli-
koniern.
3) Schwinden der Zeichnung, besonders auf den Vorderflügeln,
oft mit übrigbleiben des bei den Pieriden so häufig erhaltenen Fleckes
V/VI auf der Außengrenze der Mittelzelle
Die Zeichnungsmuste
früher behandelt worden.
Die Zeichnungsmuster der Danaiden und Helikoniden sind schon
Kailima paralecta.
Ein Nachtrag.
Nachdem Vorstehendes schon zum Druck gegeben w^ar, bekam ich
durch Herrn J. Vosseler eine Anzahl dem Stuttgarter Naturalienkabinet
gehöriger Stücke von Kailima paralecta aus der Sammlung des Herrn
H. Fruhstorfer in Berlin und von diesem letzteren noch weitere, so daß
1] Spathüepia Clonius St, Taf. 98. -) Erycides Oreades, St. Taf. 99.
Kailima paralecta. Ein Nachtrag. 245
ich zur Vergleichung über 6i Stück dieses Falters verfüge. Dieselben
sind sämtlich im Tengger-Gebirge in Ost-Java in demselben Walde in
etwa i200 Meter (4000 Fuß) Höhe von Fruhstorfer gefangen worden. Sie
l)ieten ein vollkommenes Seitenstück zu dem Befund des Herrn G. Semper
an Doleschallia polibete und bestätigen in überraschender Weise meine
aus demselben gezogenen Schlüsse.
Die Falter ändern auf der Unterseite in solchem Maße ab,
daß kaum ein Stück unter den vierundsechzig dem anderen
vollkommen gleich ist, während die äußersten Abänderungen unter
sich in Farbe und Deutlichkeit der Zeichnung ungemein verschieden sind.
Die Hauptsache dabei ist für uns die, daß nur ein verhältnismäßig
kleiner Teil der Falter eine vollkommene Blattrippenzeichnung
hat, nämlich neun oder zehn Stück, während dieselbe bei den übrigen
auf den Vorder- oder auch auf den Hinterflügeln fast ganz oder — bis
auf Andeutung des hinteren Teils der Blattmittelrippe — ganz fehlt.
Und zwar ergiel)t sich als unzweifelhaft, daß ein Schwinden der
Blattzeichnung in der Richtung von vorn nach hinten statt-
findet, bezw^ stattgefunden hat. Zuerst schwinden die Seitenrippen,
meist die äußeren zuerst, sodann, in der Richtung von vorn nach hinten
die Mittelrippe der Vorderflügel. Auf den Hinterflügeln schwinden
zuerst die inneren Rippen, so daß hier häufig ein einfarbiges Binnenfeld
entsteht, und zwar schwinden wieder die vordersten zuerst. Nur die
Mittelrippe der llinterflügel bleibt stets deutlich erkennbar oder scharf
ausgesprochen, und wenn dieselbe, was häufig der Fall, auf den
Vorderflügeln geschw-unden ist, so ergiebt sich ein großer Gegensatz im
Aussehen der beiden Flügelhälften, wenn auch nicht so groß wie bei
Faltern anderer Art, bei welchen die Vorderflügel unten auch noch
l»unt geworden sind. Es sind sechzehn Stück K. paralecta unter
den vierundsechzig, l)ei welchen die Zeichnung vorne fast
ganz geschwunden ist. Dazu kommen zehn, bei welchen auf beiden
Flügeln nur noch die Mittelrippe vorhanden ist, die Seitenrippen aber
geschwunden sind. In diesem Falle ist die Blattähnlichkeit noch viel
größer, als dann, wenn nur der Hinterflügel Blattrippenzeichnung hat.
Unter diesen zehn Faltern befinden sich fünf, welche dadurch ein ganz
besonderes und zwar wiederum ein weniger blattähnliches Aussehen er-
langen, daß scharf abgegrenzt mit der Mittelrippe nach außen von der-
selben ein dunkler bis schwarzer Schatten beginnt, welcher nach außen
schwächer wird, im Gebiete der Binde III auf den Hinterflügeln eine
vorüljergehende Verstärkung erfährt und hier nach außen mit Binde II
abschließt, in der hintersten Flügelzelle aber, diese bis zu Binde II über-
schreitend, gewöhnlich noch eine vorspringende Zacke bildet lAbb. 202\
Dadurch werden also die Flügel in eine äußere dunklere und eine innere
helle Al)teilung geteilt: die letzlere entspricht einem hellen Binnenfeld.
Wir haben darin das Auftreten einer auch sonst sehr häufig vorkommenden
Entwickelungsrichtung und zwar einer solchen, welche, wie gesagt, ganz
erheblich dazu beiträgt, die Blattähnlichkeit zu verringern, um so mehr
246
Entwickelungsrichtunsen bei einzelnen Familien der Toufaltcr.
deshalb, weil der »Schlagschatten«, als welchen man die Abschattierung
gedeutet hat, bei sitzender Stellung des Falters oberhalb der Mittelrippe
gelegen ist, während dieselbe, falls sie als von letzterer geworfener
solcher Schatten erschiene, wie schon früher hervorgehoben, unterhalb
derselben gelegen sein müßte ^].
Wie unsere Abbildimgen 26, 27 und 28, noch mehr 29 bis 36 zeigen,
bilden sich solche Schatten auch sonst häuÜg an oder zwischen den ein-
zelnen Binden, und ihre fortschreitende Zunahme führt zidetzt zuweilen
zu Einfar])igkeit, wie sie z. B. auf den Vorderflügeln von Corades Enyo
(Abb. 191), abgesehen von den dort vorhandenen hellen Flecken, erreicht
ist. Auch Ijei Kallima paralecta tritt so erzielte Einfarbigkeit zuerst auf
den Vorderflügeln auf.
Es macht durchaus den Eindruck, daß die Ausbildung dieser Schat-
ten in Kompensation stehe zum Schwinden der Seitenrippen.
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Abb. 202. Kallima paralecta Hoksf. Q.
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Abb. 2U3. Kallima paralecta Hoksf. (^.
Dies ist noch mehr der Fall bei einer anderen Umbildung, welche mit
dem Schwinden der Seitenrippen verbunden sein kann und nie ohne das-
selbe vorhanden ist (Abb. 203): es treten entweder nur im Binnenfelde oder
1) Das Umgekehrte findet sich bei der in Abb. 53 dargestellten Doleschallia, daß
es sich aber auch hier nicht um durch Zuchtwahl entstandenen »Schlagschatten« han-
delt, zeigt wiederum Abb. 54.
Kaüima paralecta. Ein Nachtrag. 247
auch nach außen von der Mittelrippe rußartige, unregelmäßige
größere oder kleinere Flecke auf. Dieselben haben dort und hier
verschiedenen Ursprung: im Binnenfeld sind sie entstanden durch Zu-
sammenziehung der zwischen Seitenrandbinden (Seitenblattrippen) ge-
legenen Schatten und jener Binden selbst (V/VI, VIII, IX] oder auf Grund
von Schwinden der ersteren allein, im Außenfelde aber vorzüglich durch
Umbildungen von Augeoflecken, bezw. deren Resten: insbesondere er-
scheinen die Kerne derselben als rußschwarze Pünktchen und an den
eroßen Ausenflecken ist der Hof rußschwarz eeworden. Zuweilen nimmt
auch die Umgebung der Augenflecke an der Bildung der Ruß flecke teil
(III). Unsere Abbildung von KalUma Phdarchus (Abb. 204) zeigt im
Binnenfelde besonders der Vorderflügel, wie die Flecke hier entstehen:
es zieht sich offenbar der Farbstoff" auf Flecke zusammen. Und zwar
sind es immer ganz bestimmte Stellen bestimmter Binden, an
welchen die Fleckbilduns; erfolgt. Die Flecke sitzen aber nicht nur
bei allen Faltern an derselben Stelle , es hat ein jeder bei allen auch
ungefähr dieselbe verhältoismäßise Größe und bezügliche Verschieden-
heiten sind nur bedingt durch den geringeren oder größeren Grad der
Ausbildung, bezw. des Fertiggewordenseins dieser neuen Zeichnungen:
denn um solche, um das Arbeiten einer besonderen Entwickelungsricbtung
handelt es sich auch hier. Unter meinen vierundsechzig Faltern sind
elf. welche diese Rußflecke haben, und zwar sechs, bei welchen die-
selben nur im Binnenfelde, fünf, bei welchen sie auch nach außen von
der Mittelrippe vorkommen, und bei allen verhalten sie sich in beschrie-
bener Weise übereinstimmend.
Es überrascht in hohem Grade auch eine Zeichnung, welche
zuerst durchaus den Eindruck der ^Regellosigkeit, des Zufälli-
gen macht, in dieser Weise, nachdem man den nötigen Über-
blick gewonnen hat, als vollkommen regelmäßig und gesetz-
mäßig zu erkennen.
So sind also die »Schimmelpilze« beschaffen, welche auf der einem
dürren Blatte gleichenden Unterseite der Flügel unserer Falter liegen !
Es handelt sich darin um erst in der Ausgestaltung befindliche
Zeichnung, deren Anfänge eben, abgesehen von den Augenflecken, in
den Schatten erkennbar sind, welche sich zwischen und in den Seiten-
blattrippen an denselben Stellen wie bei Kaüima paralecta, auch bei
den von uns abgebildeten A'. PJtilarchus und Ä'. Inachis (Abb. 204, 205),
ja auch bei ganz anderen Gattungen, wie bei Aganisthos Odins (Abb. 206)
und Junonia und Precis , also bei Vanessen finden. Ich will nur darauf
hinweisen, daß die bei der abgebildeten K. Philarchus (Abb. 204) auf der
Außenhälfte der Hinterflügel im Bereich von Binde III sichtbare Fleck-
reihe in den Teilen, welche der dritten und vierten Flügelzelle von hinten
gerechnet angehören , den bei A'. paralecta ebendort vorhandenen Flecken
entspricht. Sie sind hervorgegangen aus zvvei dort gelegenen Augen-
Üecken, bezw. deren Umgrenzung, eben der Binde III zugehörend.
Auch die gegenüber, im Binnenfelde von Philarchus gelegenen Flecke
248 Entwickelungsrichtungen hei einzelnen Familien der Tagfalter.
-m
--JI
jzr
Abb. 204. Kulliina Phüarchvs Westw.
Abb. 205. Kallima Inuchis Boisd.
■s^..
/
IX
I
JT 1
Abb. 206. A(ianistlws Odins F.
Abb. 207. Junoniu Larinia Ceam.
Kallima paralecta. Ein Nachtrag.
249
entsprechen solchen bei paralecta und zwar einem meist größeren oberen
und einem unteren und inneren kleineren. Diese Flecke gehören wohl
Binde IX und X an. Ein weiterer Fleck liegt bei paralecta in der Mitte
des Yorderrandes der Ilinterflügel, entsprechend dem dort bei Philar-
chus eeles;enen der Binde YIII IX zugehörigen gebosenen Strich, und
meist finden sich noch zwei unansehnlichere zwischen diesen imd dem
vorigen. Die Lage der Flecke im Binnenfeldgebiet der Vorderflügel ist
auch für paralecta durch die Schattenflecke von Plülarchus angedeutet;
ein vierter liegt am Vorderrande der Binde IV.
Im Außenfeld der Vorderflügel liegen bei paralecta zwei große
Flecke (III) entsprechend den bei A'. Inachis in Abbildung 205 in der
zweiten und dritten hinteren Flügelzelle
Kleinere solche Flecke sind aus den übrigen Augenflecken gebildet.
Ich
Werden
Augenflecken.
sagte
vorhin, es handle sich in der
Bußfleckbildung
hinzugefügt werden,
Vanessen-Zeichnung
der
in dieselbe erfolgt.
Hier mögen auch die merkwür-
digen Glasfensterchen Erwähnung
finden, welche bei verschiedenen Kal-
lima und auch in anderen Gattungen,
z. B. bei .1/meo-Arten auf den Vor-
derflügeln vorkommen und welche
gerade bei Kallima paralecta sehr aus-
gebildet sein können (Abb. 203 bei X)-
Es handelt sich darin hier um Um-
bildung des Kerns des in der dritt-
hintersten Flügelzelle gelegenen Augen-
um das
muß aber
daß diese neue Bildung offenbar entsprechend Teilen
und wie mit Hülfe einer Art von Rückbildung
einer neuer Eigenschaft, neuer Zeichnungen. Es
IFwCf'
V/VI
vm/iK
z/Ja
n
daß die
fleckes dadurch,
vollkommen
Fensterchen ist verschieden
nicht immer vorhanden.
geschwunden sind
Schuppen
Das
und
Ein fast
groß
täuschendes Gegenstück findet dasselbe
in dem nach einwärts von Binde III auf
dem
oben
Vorderrand gelegenen gleichfalls
unten sichtbaren weißen
Bildungen können
Schimmelpilze vor-
hin
und
Fleck (XXj.
Diese zwei
vielleicht auch
täuschen !
Eine andere bei A". paralecta auf-
tretende Entwickelungsrichlung führt
zu einem ganz anderen Bilde Abb. 208): lehmgelbe Grundfarbe wird
durch eine dunkle Schattierung unterbrochen, welche mit Ausnahme
einiger größerer Flecke das Binnenfeld bis genau zur Mittelrippe einnimmt.
Abb. 208. KaUinra paralecta Hoksf. (^
250 Entwickelungsrichtungen bei einzelnen P'amiiien der Taglalter.
Jenseits dieser l)efindet sich wieder eine lebragelbe, nach außen unregel-
mäßig, aber überall in derselben Weise bogig begrenzte Zone, dann
folgt wieder Schattierung, welche auf den Vorderflügeln vorne bis zu
den Augenflecken, hinten bis zur Binde II reicht, auf den Hinterflügeln
vorn bis zum Außenrande, hinten ebenfalls bis zur Binde II. Die ganze
untere Flügelfläche ist schwarz getüpfelt und treten die Tüpfel selbst-
verständlich besonders in der lehmgelben Grundfarbe hervor. Auch bei
diesen Schecken-Faltern hält sich die neue Zeichnung an die ur-
sprünglichen Binden : es sind Zwischenräume zwischen ursprünglichen
Binden, welche hier heller geworden sind. Bei drei Stück K. paralecta
unter den mir verfügbaren kommt diese Zeichnung und zwar bei allen
drei in wesentlich der gleichen Weise ausgesprochen vor.
Die Grundfarbe der K. paralecta ist auf der Unterseite auch sonst
häufig lehmgelb, im Zusammenhang mit Schwinden der Zeichnung oft
sehr blaß, oft aber kupferbraun oder grau. Der Mann ist häufiger grau,
das Weib häufiger kupferbraun, jener zeigt öfter einen violetten Anflug.
Bei der Form mit Abschattierung des Außenfeldes erscheint der Schatten
zuweilen nach außen olivengrün.
Nach den Angaben von Staudinger ändert auch Kallima Inachis
sehr ab, vielleicht thun dies in demselben Grade die übrigen Arten.
Das würde, wie schon hervorgehoben, der xVnpassung an dürres Laub
nicht widersprechen. Wer im Herbst gefallene Laubblätter betrachtet,
findet eine so große Menge von Färbungen und Zeichnungen, daß sich
sehr viel von dem auch bei K. paralecta Geschilderten, ja alles darunter
unterbringen läßt. Insbesondere zeigen die gefallenen Blätter zwischen
den Blattrippen oft verschiedenfarbige, zuweilen getüpfelte Schatten,
häufig ist die eine Blatthälfte genau bis zur Mittelrippe dunkel, auf der
hellen Hälfte finden sich dunkle Flecke verschiedener Art u. s. \v.
Für die Verwertung des Thatsächlichen ist aber weit wichtiger als
die Möglichkeit solcher Beziehungen:
1) daß von einer »tabula rasa«, auf welche der Nutzen zeichnet,
was ihm dient, auch bei den unbestimmtesten, unfertigsten, äußerste
Ähnlichkeit mit leblosen Gegenständen darbietenden Eigenschaften unserer
Blattschmetterlinge, daß von irgend welchem Zufall auch hier keine
Bede ist, sondern daß Alles, was an neuen Eigenschaften entsteht,
wiederum auf Grund weniger bestimmter Entwickelungsrich-
tungen gebildet wird und zwar solcher, welche sich zumeist auf früher
schon vorhandene Eigenschaften beziehen.
2) Daß die wichtigsten derjenigen Eigenschaften, welche die Blalt-
ähnlichkeit überhaupt bedingen, also der angenommenen Anpassung vor-
züglich zu Grunde liegen, daß diese Eigenschaften bei der überwiegen-
den Mehrzahl der Stücke unseres Falters und offenbar bei den wich-
tigsten Blattschmetterlingen überhaupt teils schon verloren gegangen,
teils im Schwinden begrifl'en sind: die blattrippenähnliche Zeichnung
schwindet in der Richtung von vorn nach hinten, die Unterseite unserer
Kallinia paralecta. Ein Nachtrag. 251
Falter beginnt einfarbig zu werden und zwar zunächst auf der vorderen
Flügelhälfte ; dadurch bildet sich bei vielen Faltern eine solche Ver-
schiedenheit zwischen Vorder- und Hinterflügeln heraus, daß der
Eindruck des Blattes vernichtet wird.
Diese Art der Umbildung spricht auf das Bestimmteste
dafür, daß es sich überhaupt in der Blattähnlichkeit gar
nicht um die notwendige Anpassung handelt, welche man
bisher angenommen hat, und daß der Zuchtwahl der Anteil
an ihrer Bildung, welchen man bisher als selbstverständlich
annahm, nicht zukommt.
Ebenso wie bei Kallima-Avien, z. B. K. rumia^ ist die Blattrippen-
zeichnung auch bei anderen Gattungen ; so bei den meisten Varietäten
der Doleschallia polibete, vor Allem aber bei vlwaea-Arten unter den
Blattschmetterlingen verloren gegangen. Bei den von Herrn G. Semper
abgebildeten Stücken der Doleschallia polibete sind die Seitenrippen
verloren, bei den Anaea schwindet auch die Mittelrippe, bei A. Pasi-
bule (Abb. 46) tritt das Schwinden in der Richtung von hinten nach
vorne ein.
Sehr belehrend ist eine mir vorliegende Sammlung von T6 Stück
Anaea eurythema, alle in demselben Gebiete in einer Höhe von etwa
2-30 m (800 Fuß) gefangen. Diese Art ändert ungemein ab und die
Verwischung einer augenscheinlich ursprünglich vorhanden gewesenen
Grundbindenzeichnung ist hier in weitaus den meisten Fällen bis auf
matte Reste erfolgt. Diese Zeichnung war wohl nicht im Einzelnen
ausgesprochen blattrippenähnlich, aber immerhin ist in zahlreichen Fällen
auf den Vorderflügeln noch eine in die blattähnliche Spitze gehende
Blattmittelrippe zu erkennen, dunkler braun als die übrige Farbe oder
heller : kupferbraun ist nämlich hier überall die Unterseite und dies
und die im ganzen blattähnliche Flügelform bietet an sich auch hier
eine gewisse Blattähnlichkeit. Während nun hier zahlreiche Falter fast
einfarbig geworden sind, wurden andere ruß fleckig wie manche
Kallima paralecta und zwar stehen die Bußflecke noch mehr wie dort
in Reihen, welche ursprünglichen Grundbinden entsprechen, vielfach in
ziemlicher Regelmäßigkeit. Es kommt also hier dieselbe Entvvickelungs-
richtung wie dort, aber noch schöner und bestimmter zum Ausdruck.
Bei anderen Stücken dieser Anaea entstehen auf der Unterseite der
Ilinterflügel oft sehr auffallende, unregelmäßige, weiße Flecke, ein
vorderer großer nach innen von Binde W und eine Reihe hinterer klei-
nerer nach außen von derselben. Aach Maßgabe der Verhältnisse bei
Doleschallia polibete (Abb. 52) handelt es sich um den Ausdruck einer
bestimmten Entwickelungsrichtung. Und zwar handelt es sich in beiden
Fällen, bei der Bildung der schwarzen, wie bei der der weißen Flecke,
um einen noch unfertigen, erst im Werden begriffenen Zustand. Da-
her die Unregelmäßigkeit.
YI.
Die Entwickelungsrichtungen der Heterocera
und Microlepidoptera.
»Wie selir es an einem Vereinigungspunkte
gefehlt, nra welchen man die große Menge
Beobachtungen hätte versammeln können, wird
zunächst deutlicher werden.
Auch wird der Philosoph gar hald ent-
decken, daß sich die Beobachter selten zu
einem Standpunkte erhoben, aus welchem sie
so viele bedeutende bezügliche Gegenstände
hätten übersehen können.«
Goethe.
Im Folgenden will ich eine Übersicht der Zeichnungsverhältnisse
der Nachtfalter und der Kleinschmetterlinge geben — nur eben eine
Übersicht , die Untersuchung aller Einzelheiten muß ich zukünftiger
Arbeit überlassen. Auch muß ich ausdrücklich hervorheben, daß ich
meist nur unsere deutschen Schmetterlinge in diesen Gruppen berück-
sichtigt habe und zwar unter Zugrundelegung der Schmetterlingswerke
von Ramann und Hübner,
Das Ergebnis meiner Untersuchung ist dies, daß sämtliche
Zeichnungsverhältnisse auch der Heteroceren und Microlepi-
dopteren in letzter Linie auf mein Segelfalter-Grundbinden-
schema zurückzuführen sind. Aber was nahe lag zu erwarten, daß
sich in der einen oder in der anderen Gruppe dieser Falter, insbeson-
dere bei den Kleinschmetterlingen, sehr ursprüngliche Zustände und zwar
weit verbreitet fänden, vielleicht sogar noch ursprünglichere als bei den
Segelfaltern, dies hat sich nicht erfüllt. Vielmehr ergiebt sich umgekehrt,
daß sowohl die Nachtfalter wie die Kleinschmetterlinge in be-
stimmten Richtungen weit vorgeschrittene Formen sind und die
Segelfalter-ähnlichen und die entsprechend gezeichneten Nymphaliden in
ihren elf einfachen Grundbinden die ursprünglichste Zeichnung aller
Schmetterlinge darbieten. Ja gerade die kleinsten und unscheinbarsten
Schmetterlingsarten, die Wickler und Motten, sind die in der Zeichnung
vorgeschrittensten, dergestalt, daß bei ihnen, und bei ihnen allein, ur-
sprüngliche Grundbindenzeichnung vollkommen verloren gegangen ist.
Überall ergiebt sich auch bei den Heteroceren und den Microlepi-
dopteren wieder ein Fortschreiten zur Einfachheit, zuletzt zur
Die Entwickelungsrichtungen der Heterocera und .Microlepidoptera. 253
Einfarbiekeit. Sehr bemerkenswert ist aber, daß in beiden Ab-
teilungen eine gemeinsame neue Entwickelungsrichtung auf-
tritt, welche bei den Spannern den Anfang nimmt, bei Eulen und Spinnern
sehr maßgebend wird, aber auch noch bei manchen Schwärmern deut-
lich ist und welche bei den Kleinschmetterlingen, insbesondere bei
Wicklern und Motten, zu ganz neuen eigenartigen Zeichnungen führt:
die Bandbindenbildung, wie ich die seitliche Verbindung oder Über-
brückung bestimmter Grundbinden der Vorderflügel und die dadurch
erfolgende Entstehung neuer Binden nenne. Dieselbe kommt hauptsäch-
lich zwischen IV und einwärts davon gelegenen, dann wieder zwischen
IX und einwärts davon gelegenen Binden vor Binnenfeldbilduns;),
dann auch zwischen III und IV und II und III. Auf diese Weise wird ins-
besondere eine neue breite mittlere Binde auf den Vorderflüseln hersrestellt,
dann auch eine innere oder ein neues Binnenfeld und eine Bandbinde.
Bemerkenswert ist die Bolle, welche überall auch darin Binde IV,
dann IX und auch III spielen, abgesehen davon, daß sie es sind, welche
von den Grundbinden zumeist noch und zwar oft verstärkt übrig bleiben.
Veränderungen dieser neuen Bandbinden sind es nun, welche die
höchstausgebildeten Zeichnungen der Vorderflügel von Kleinschmetter-
lingen, wie Wicklern und Motten herstellen.
Überall, bei Heteroceren und Microlepidopteren kommt ferner als
besondere Entwickelunosrichtun» Zickzackbild une der Binden in Be-
tracht. Überall kann durch Zerfall derselben oder durch ihre seitliche
Verbindung wie bei den Tagfaltern Fleckung entstehen. Überall tritt auch
Xuthus-Zeichnung auf und überall auch sonst Querzeichnung in
ausgesprochenem Zusammenhang mit lang ausgezogener Flü-
gelform.
Eine ganz besondere Bolle spielt überall, abgesehen von den Spannern,
wo er seltener vorkommt, der V Vl-Fleck der Vorder- und häufig auch
der entsprechende Fleck der Hinterflügel, als Punkt oder Strich oder
kleine ringförmige Zeichnung oder als prachtvolle Augenzeichnung wie
bei manchen Spinnern. Selbst bei Motten ist er als kleines schwarzes
Pünktchen zuweilen noch erkennbar.
Hervorzuheben ist endlich, daß auch bei allen Gruppen der Hetero-
ceren und Microlepidopteren postero-anteriore Umbildung sich
äußert, indem zuerst die Hinterflügel, zuletzt und zwar bei den vorge-
schrittensten, bei Motten, auch die Vorderflügel einfarbig werden.
So ist es uns gelungen, nachzuweisen, daß die Zeichnung
sämtlicher Schmetterlinge abzuleiten ist von elf Grundbin-
den, wie sie bei manchen Seglern und Nymphaliden epistatisch
bestehen geblieben sind. Wunderbar ist nur, daß gerade die
kleinsten und unscheinbarsten aller Schmetterlinge, Wickler und Motten,
die am meisten umgebildete Zeichnung besitzen.
Es wird aber durch die überall maßgebenden Beziehungen der
Zeichnung der Schmetterlinge zur Artbildung bei all den tausenden von
Formen derselben in allen Abteilungen, es wird durch die unzähligen
254 IJ'C Entwickelungsrichtungen der Ileterocera und Microlepidoptera.
Thatsachen, welche diesen Beziehungen zu Grunde liegen, wiederum der
wichtige Satz meiner Entwickelungstheorie bewiesen, daß die Arten
auf bestimmten Stufen der Entwickelung stehen gebliebene
Gruppen von Einzelwesen sind: Genepistase.
Und endlich zeigen all diese unzähligen Thatsachen in allen Ab-
teilungen der Schmetterlinge, daß der Nutzen, daß die Zuchtwahl für
die Artbildung unmöglich irgendwie maßgebend gewesen sein kann, daß
vielmehr maßgebend ist: bestimmt gerichtete Entwickelung, Or-
thos; enesis.
Was die Verwandtschaftsbeziehungen der einzelnen Gruppen angeht,
so ergiebt sich, daß die Spanner noch die ursprünglichsten Verhältnisse
zeigen. Mit ihnen hängen einerseits die Eulen zusammen, andererseits
Spinner mit Bandbinden. Dann haben wieder manche Schwärmer nahe
Beziehungen durch Bandbindenzeichnung zu Spinnern: Smeiu'nthus po-
puli und Lasiocampa quercifolia könnten dadurch als »mimetisch« be-
zeichnet werden.
Die Zygaenen haben vielleicht Beziehung zu gewissen Arctieu. Doch
werden hierüber erst weitere Untersuchungen unter Berücksichtigung
auch der Entwicklung sicheren Aufschluß geben: ohne diese Probe könnte
Homoeogenesis überall täuschen.
Unter den Kleinschmetterlingen stehen die Zünsler zunächst Spannern,
den Zünslern zunächst wieder Wickler und diesen Motten. Die Geistchen
schließen sich im Allgemeinen den Motten an.
Die Spanner. Geometridae.
Es giebt solche, welche noch eine größere Anzahl von Grund-
binden haben, wie viele Acidalien. Diese Grundbinden veranlassen
häufig ein eigentümliches Zeichnungsbild dadurch, daß sie zackig werden.
Sie lassen sich auf unser Grundschema zurückführen. Anhaltspunkt für
die Bestimmung der Binden giebt in vielen Fällen ein schwarzer kleiner
Fleck auf den Vorderflügeln, welcher offenbar dem V VI-Fleck anderer
Falter entspricht. Auch auf den Hinterflügeln ist oft der als sein Gegen-
stück bekannte schwarze Fleck vorhanden. Nach außen vom V/Vl-Fleck
liegen häufig 3 oder 4 Binden (I — IV) , nach innen von demselben liegt
gewöhnlich nur eine Binde, wahrscheinlich IX entsprechend, so bei
Acidalia rufaria ') und zahlreichen anderen. Zuweilen liegen auch nach
innen davon zwei oder mehrere Binden , z. B. bei Arten der Gattung
Cidaria, manchmal nur noch auf den Vorderflügeln, welche überhaupt
bei den Spannern häufig allein noch Binden tragen : man vergleiche
hierzu z. B. Cidaria nigrofasciaria'^) und Verwandte, lugubrata^) u. a.
Die Eigenart der Zeichnung vieler Spanner ist nun dadurch bedingt,
daß von diesen Binden nur zwei (auch drei) übrig bleiben und besonders
1) G. Ramann, Schmetterlinge Deutschlands. Abb. 16 der Spanner.
2) Ebenda. Abb. 232. 3) Ebenda. Abb. 213.
Die Spanner, Geometridae. 255
stark ausgeprägt sind , entweder auf beiden Flügeln oder nur auf den
vorderen: es handelt sich dabei hauptsächlich um Binde lY (auch IUI einer-
seits und um eine innere, wahrscheinlich IX, andererseits, so bei Arten
der grünen Geometra und Verwandten'), den braunen Numeria, Ellopia,
Eugonia u. s. w. 2).
Es kommt vor, daß mehr Binden als elf vorhanden sind, besonders
auf den Vorderflügeln, so bei Eucosmia undulata^); es handelt sich dann
aber augenscheinlich um den Beginn einer Rieselzeichnung, wie sie
ausgesprochen ist z. B. bei Angerona prunaria^].
Bei den den Spannern nahestehenden', oft prachtvoll gefärbten, z. T.
Pap/Z/o-ähnlichen, tropischen Uraniiden kommt zuweilen auf dem inneren
Teil der Vorderflü£;el ebenfalls eine solche Vermehrmm von Binden vor.
so bei Urania Croesus aus Madagaskar. Bei dem nächstverwandten Leilus
aus Südamerika dagegen sind auf den Vorderflügeln die elf Grundbinden
verbreitert vorhanden, ähnlich wie bei der Papilionide Ärmandia Lidder-
dalii (Fig. 172).
Einen Gegensatz hierzu bildet unter den Uraniiden der große, braune
Xyctalemoji Patroclus aus China, bei welchem ein helles Band ein oben
dunkles Binnenfeld abgrenzt, dessen äußere Grenze wahrscheinlich Binde
IV entspricht. Das Binnenfeld ist unten ganz, oben nur auf dem inneren
Teil der Vorderflügel gerieselt und am Vorderrande finden sich beider-
seits Bindenstückchen, welche den Anfang der Entstehung solcher Riese-
lung aus Grundbinden andeuten.
Durch Zerteilung der Grundbinden kann ein Schwarzfleck-Typus
entstehen wie heA Bhyparia melanaria^]^ Abraxas grossulariata^] ^ Venilia
macidaria'] oder, durch Zerteilung der zwischen den Binden gelegenen
hellen Bänder, ein Weißfleck-Typus, wie bei Acidalia tessellaria^).
Auch Mittelfeld-Typus kommt vor, so bei manchen Cidaria^].
Derselbe geht bei C. albicillata auf den Hinterflügeln in den Innen feld-
Typus über. Besonders schön ist ein Mittelfeld Papilioniden-ähnlich bei
den schönfarbigen Uraniiden vertreten.
Zuletzt kann nach dieser Richtung hin ein vollkommenes Innenfeld
nach Art des isrfwsa-Typus entstehen: vollkommene »Mimicry« zeigt
in dieser Beziehung und auch in der Farbe mit Colias Edusa die Fidonia
limbaria^^], nur ist sie viel kleiner, wodurch wieder aller Verklei-
dungs-Zauber aufgehoben wird.
In einzelnen Fällen stellen sich die Grundbinden der Spanner, so
viele ihrer übrig geblieben sind , und zwar im Zusammenhang mit
Libellen- oder Sphingiden-ähnlich ausgezogener Gestalt besonders der
Vorderflü2;el schrä» von außen und vorn nach innen und hinten oder
sie stellen sich gar quer.
Zuweilen nehmen die V/VI-Flecke einen kleinen Anlauf zur Her-
ij Ramanx, Taf. LT. 2 Ebenda. Taf. LVII. 3) Ebenda. Fig. M3.
4) Ebenda. Fig. 75. ä) Ebenda. Fig. 46. ^] Ebenda. Fig. 47.
■?) Ebenda. Fig. 82. «) Ebenda. Fig. 31. 9) Vgl. Ramann Taf. LXIV.
lOj Ebenda. Fig. 132.
256 Diß Entwickelungsrichtungen der Hclcrocera und Microlepidoptera.
Stellung von Augenflecken, welcher weiter gediehen ist bei Eulen und
Spinnern.
Eine der hervorragendsten Eigentümlichkeiten vieler Spanner bleibt die
einseitig starke Ausbildung der Binde III oder IV und der Binde IX. Im
ersteren Falle kann eine dem Flügelrand nahegelegene Grenzbinde entstehen.
Eine besondere Entwickelungsrichtung bei den Spannern liegt darin,
daß Binde IV auf beiden oder nur auf den Vorderflügeln nach innen
eine mehr oder weniger bedeutende Verbreiterung erfährt, oder aber,
daß durch ihr Zusammenfließen mit einer oder mehreren einwärts von
ihr gelegenen Binden oder durch Entstehung dunkleren Tons zwischen
beiden durch eine Farbenbrücke eine breite auffallend dunkle Binde,
bezw. Bandbinde hergestellt wird. Dasselbe kann auch im Bereich von
III und IX geschehen oder auch im ganzen inneren Flügelwinkel, wo-
durch ein kleines dunkles Binnenfeld entsteht. Man vergleiche zu
letzterem u. a. Cidaria albicillata ') und zum Übrigen auf derselben Tafel
mit ihr bei Bamann abgebildete andere Arten dieser Gattung.
Die gleiche Entwickelungsrichtung findet sich auch bei den übrigen
Heteroceren. Man kann dabei überall von einer Bandbin den bildung
reden, indem Binden und Bänder sich zu einer neuen Zeichnung vereinigen.
Ein wunderbares Beispiel für Horaoeogenesis.
Der Schrägband-Typus ist vertreten bei Gliedern der Ura-
niiden-Gattung Nyctalemon aus dem indomalayischen Gebiete. Ganz ver-
schieden von dem so gezeichneten A^. Patroclus ist der blauschillernde A"^
Ägathyrsus^ bei welchem sich gleichfalls am Vorderrande der Vorderflügel
noch Anzeichen gespaltener Grundbinden finden. In schwarzblauem
Grunde liegt hier ein hellblaues Schrägband auf den Vorderflügeln, dahinter
ein zweites breites, welches nach Papilioniden-Art nach hinten in ein über
die Hinterflügel sich erstreckendes Mittel-, bezw. Innenfeld übergeht.
Agatliyrsus ist nun auf der Oberseite bis in alle Einzelheiten dem Papilio
Alcidinus täuschend ähnlich, wie mir die Abbildung des letzteren von
Roeber2) zeigt. Alcidinus ist sehr selten, Agatlu/rsus häufiger, beide
fliegen zusammen und scheint hier ein selten glänzendes Beispiel für
Verkleidung gegeben zu sein, welche der über den Flug beider Falter be-
richtende Herr Riebe 3] auch annimmt. Die Ähnlichkeit ist so groß, daß
nur der etwas konkav ausgeschnittene Vorderrand der Vorderflügel einen
Unterschied macht, was die Eingeborenen nach Bibbe veranlaßte, die
Flügel des gewöhnlicheren Agathyrsiis zum Zweck besseren Gewinns im
Sinne von Alcidinus zuzuschneiden. Alcidinus wäre also der Nachahmende,
Agathyrsiis müßte irgendwie geschützt sein, doch ist hierüber nichts
bekannt. Bibbe stützt sich in seiner Annahme der Nachahmung aller-
dings nur auf einen Fall von unmittelbarer Beobachtung des Zusammen-
Ramann, Fig. 212.
&•
2 Korrespondenzblatt des entomologischen Vereins »Iris« I. Taf. 1. Fig. I. Dres-
den I8S;;. 3) Ebenda. 3. Heft. S. 78 f. 1886.
Die Eulen, Noctiiidae. 257
fliegens beider Falter, indem er unter den die Krone eines Eisenholzbaumes
umschwärmenden Agathyrsus auch einen Alcidinus erbeutet bekam.
Verwandt dem Alcidinus und vielleicht nur eine Abart von ihm ist
P. Laglai::ei. Schatz sagt ') übereinstimmend mit dem von mir vorhin
über die Ähnlichkeit zwischen Alcidinus und Agathyrsus Geäußerten über
diesen Falter: »Dieser erst im Jahre 1877 entdeckte Papilio ist wohl das
wunderbarste Beispiel von Nachahmung, welches wir unter den Tag-
schmetterlingen antreflfen, denn das Vorbild ist der Nyctalemon Agatliyr-
sus , ein Schmetterling , welcher nicht einmal zu den Diurnen, sondern
zu den Uraniiden gehört. Die Entdeckung des P. Luglaizei brachte
s. Z. die ganze entomologische Welt in Aufresung, da man einen solchen
Fall von Nachahmung bei den Papilionen wohl nicht erwartet hatte«.
Möglich ist es, wie in anderen Fällen, daß hier ein Schutzverhältnis
besteht, aber ebenso möglich, daß die zwei Arten zusammenfließen, nur,
weil sie sich ähnlich sind und weil sie dieselbe Lebensweise haben,
welche wiederum die Ähnlichkeit bedingt haben kann: nach meiner
Ansicht handelt es sich hier um das wunderbarste Beispiel von
unabhängiger Entwickelungsgleichheit: Homoeogenesis. Für die
Annahme einer durch Zuchtwahl gewordenen Ähnlichkeit aber ist so
wenig wie irgendwo anders ein Anhaltspunkt der Möglichkeit gegeben.
Die Enlen, Noctnidae,
sind gegenüber den Spannern in der Zeichnung vorgeschritten. Die
Hinterflügel sind meist düster einfarbig geworden, während die Vorder-
flügel gewöhnlich sehr umgebildete Zeichnung führen. Bei den Ordens-
bändern [Catocala] und Verwandten ist auf den Hinterflügeln eine breite
schwarze aus Hill zusammengesetzte Randbinde entstanden, nach innen
davon eine ebensolche Binde aus IX.
Das blaue Ordensband, C. fraxini, hat nur noch ein blaues band-
artiges Mittelfeld auf den Hinterflüseln. Auch sonst kommt auf den
Hinterflügeln oder auch auf den vordem zuweilen ein Mittel- oder ein
Innenfeld vor 2).
Auf den Vorderflügeln spielt der V VI-Fleck eine besondere Rolle,
indem derselbe meist sehr auffallend auftritt, entweder als schwarzer oder
weißer Fleck oder, gewöhnlicher, als eine ringförmige oder unregel-
mäßige, zuweilen Augenfleck-ähnliche Zeichnung. Nach innen von ihr,
im Bereich der Binde VIII, liegt eine oder liegen von vorn nach hinten
hintereinander oft zwei ähnliche solche, eine weitere zuweilen an der
Flügelwurzel, selten auch eine in der vorderen Flügelecke, entsprechend
Binde II.
Von den Grundbinden sind auf den Vorderflüseln häufig stark aus-
ij Stacdixger, Exotische Schmetterlinge II. S. 44.
2; Man vgl. z. B. Ramann Taf. LI, LH.
Eimer, Ortiogenesis. in
258 C)'c Enlwickelungsrichtungen der Heterocera und Micrölepidoptera.
geprägt und spielen eine hervorragende Rolle wieder IV oder III, auch
II und dann IX.
Zickzackartiger Verlauf der Grundbinden auf den Vorderflügeln,
seitliche Verschmelzung oder Verbreiterung einzelner derselben und da-
durch Herstellung unregelmäßiger oft wie gekritzelter Zeichnung, wobei
besonders II, II/III, III IV, IV und IX wieder in Betracht kommen, sind
im Zusammenhang mit Bandbindenbildung und mit dem Vorhandensein
jener RingUecke Hauptmittel zur Eigenartigkeit. Zuweilen trennen sich
die Binden oder vereinigte Bindenstücke in dunkle Flecke (Schwarz-
fleck-Typus'), nicht selten finden sich auch hier am Vorderrande der
Vorderflügel schwarze Strichelchen als Stückchen gespaltener Grundbinden,
häufig trägt der innere Winkel der Vorderflügel Äi<//ms-Streifung u. s. w.
Der hauptsächlichste Unterschied im Aussehen der Spanner und
der Eulen liegt aber darin, daß bei ersteren meist die Hinterflügel
noch nicht einfarbig geworden sind, daß sich vielmehr die Grundbinden-
zeichnuna; im Zusammenhange mit der der Vorderflü2;el erhalten hat.
Die Spinner. Bombycidae.
Häufig sind auch bei den Spinnern die Hinterflügel einfarbig, aber
nicht so oft wie bei den Eulen. Auch hier spielen die V VI-Flecke auf
den Vorder- und oft die entsprechenden Flecke auf den Hinterflügeln
eine hervorragende Rolle als schwarze oder als weiße dunkel umrahmte
Zierden oder umgebildet zu prächtigen Augenflecken wie bei den Nacht-
pfauenaugen , dann bei Aglia tau u. a. Wieder herrschen IV und IX,
zuweilen auch III oder III IV wie bei Blattschmetterlingen und stellen
ausdrucksvolle Binden her oder helfen , von heller Far?)e begrenzt, zur
Bildung von hellen (auch weißen; Bändern. Dann wieder entstehen, be-
sonders auf den Vorderflügeln durch dunkle Verbindung zweier Binden
(hauptsächlich von IV und IX, auch von II und III^ einzelne breite Band-
binden ähnlich wie bei den Eulen oder es verschmelzen oder über-
brücken sich wie dort die innerhalb von IX im inneren Flüselwinkel
gelegenen Binden zu einem Binnenfeld. Für beides bieten Beispiele
Saturnia spini, pyri^ carpini.
Auch hier ist die Zickzackbildung der Binden hervorragend
herrschend, auch hier kommt Fleckbildung nach Art derjenigen der Eulen
auf den Vorderflügeln vor und es giebt Spinner, welche auf Grund
dieser gleichen Entwickelungsrichtungen vollkommen eulenartig aussehen,
z. B. Hepialus Velleda^).
Ein ausgezeichnetes Beispiel bieten für Rieselung Cossus cossiis
und terebra^).
Abgesehen von der viele Eulen kennzeichnenden unregelmäßigen
1) Moma Orion, Eichbaumeule u. a. Ramakn Taf. XXXYI.
2) Ramann, Spinner Fig. ■155. ^] Ebenda. Fig. 163, 164.
Die Spinner, Bombycidae. 259
Fleckung der Vorderflügel, welche eine sekundäre ist, indem sie aus
Stücken verschiedenartig seitlich verbundener Binden oder aus Zickzack-
binden entstand, kommt bei Spinnern eine viel ursprünglichere Schwarz-
fleckung vor, welche deutlich auf Auflösung von Grundbinden zurück-
zuführen ist. Denn oft stehen diese Flecke in Grundbinden ent-
sprechenden Reihen wie bei der auf S. 71 erwähnten Hyphantria aenea,
bei welcher alle Übergänge von Längsfleckung durch spärliche Fleckung
zu Einfarbigkeit vorhanden sind. Auf den Vorderflügeln hat z. B. Emydia
crihrum^j noch solche Fleckreihen. Bei Spilosoma lubricipeda-)^ dem
Hollunderspinner, kommen sie bemerkenswerter Weise hauptsächlich
noch in zwei Reihen vor und zwar in solchen, welche Hauptbinden der
Spinner entsprechen, in diesem Falle wahrscheinlich III/IV und IX,
Bei Setina-ATlen^) ist eine Randfleckreihe (I oder II) vorhanden und
dann auf den Vorderflügeln eine Reihe wahrscheinlich IV und eine IX
entsprechend.
An den Hollunderspinner schließt sich an der Roßminzespinner, Sp.
menthastri^)^ als ursprünglichere Form mit mehr Fleckchen auf den Vor-
derflügeln, während andere wie mendica nur noch spärliche Flecke haben,
urticae aber ganz weiß ist nur mit einem kleinen Fleckchen am Vorder-
flüeelrande.
Ganz prachtvoll ist für die Zurückführung der Flecke auf Grund-
binden als Beispiel der Purpurbär, Arct/a pnrpurea , bei welchem die
Flecke in Reihen stehen, die auf den Vorderflügeln sich auf das
schönste auf Binde II, III, IV, V VI, VIII und IX zurückführen lassen.
Auf den Hinterflügeln sind in den Flecken nur noch Reste von drei
Grandbinden III, IX und V. VI(?) zu erkennen, dieselben Flecke, welche
hier auch bei anderen Arctia-ATien noch vorhanden sind, nämlich die
von III und IX, zuweilen, wie bei einzelnen matronula, manchmal auch
bei caja noch zu Binden verschmolzen. Bei A. maculosa sind vorn noch
vier, hinten drei Fleckreihen vorhanden u. s. w.
Im übrigen beruht der Charakter der /Ircfm-Arten auf dem ver-
schiedenen Verhalten von Grundbinden auf den Vorderflügeln, insofern
als dieselben teils sich in Flecke trennen, teils seitlich in verschiedener
Weise verbinden und so eckige schwarze Fleckzeichnungen wie
bei piidica^ Flavia, plantaginis. caja u. a. hervorrufen, wo man von seitlich
labyrinthisch verbundenen Bändern zwischen den Grundbindenresten
reden kann, während in anderen Fällen wie bei dominula und villica
nur noch mehr oder weniger runde oder eckige Bandrestflecke zwischen
den verschmolzenen Grundbinden übrig geblieben sind. Bei matronula
sind nur noch Grundbandflecke am Vorderflügelrand und gewöhnlich
einer nahe der hinteren Vorderflügelecke vorhanden. Bei A. fasciata
sind auf den Vorderflügeln noch zwei oder drei Grundbinden oder es
ist wenigstens IX noch erhalten, während die übrigen in Flecke aufee-
1) Ramann Fig. i13. 2 Ebenda. Fig. U7. 3) Ebenda. Taf. XXI.
*] Ebenda Fig. U9.
2G0 I^'*^ Entwickelungsrichtungen der Heterocera und Microlepidoptcra.
löst sind. Auch Ifehe hat noch drei vollständige Grundbinden, von
welchen IX auf die Hinterüügel sich erstreckt, außerdem liegen am Vor-
derflügel Winkel verschmolzen X/XI. Bei Hera haben wir auf den Vor-
derflügeln außen wahrscheinlich 11/ III, dann III IV als keilförmigen Fleck
am Vorderrande, dann schräg nach außen gerichtet V/VI/VII/VIII, die
ersteren vorne noch durch einen hellen Fleck von den letzteren getrennt,
dann ebenfalls schräg, vorne leicht getrennt IX/X, endlich als Strich XI.
Die verschiedenen Abartungen von caja erklären sich durch
stärkere oder geringere Auflösung der Grundbinden in Flecke und auf
den Vorderflügeln zugleich durch seitliche Verbindung derselben und
Verdrängung der Grundbandreste, bis diese vollständig oder bis auf
Reste von Flecken schwinden. Es ist noch festzustellen, welchen Ein-
fluß verschiedene Ernährung auf die Art der Abänderung hat']. Ernährung
der Raupen mit Nußlaub soll einfarbige braune Vorderflügel hervorrufen,
eine Wirkung, welche durch Kälte gleichfalls hervorgerufen wird, die
zuletzt, wie die futura von Dr. Fickert (vgl. später^ beweist, auch die
Hinterflügel einfarbig dunkel färbt.
Dagegen giebt es eine Abartung von caja , welche fast vollständig
lichtfarbig ist: Vorderflügel lehmgelb entsprechend den Grundbändern
der gewöhnlichen caja^ Hinterflügel rotgelb, auf ersteren noch drei, auf
letzteren noch zwei dunkle Flecke, als Reste von Grundbinden. Die
Flecke der HinterflUgel entsprechen dem vorderen und mittleren der
äußeren Flecke der gewöhnlichen caja, unmittelbar davor liegen die zwei
hinteren der Vorderflügel, wahrscheinlich aus III entstanden, der vor-
derste Fleck scheint V/VI zuzugehören. Wir kennen nur ein einziges
solches Stück aus der Tübinger Sammlung (KELLER'sche Sammlung), welches
1853 in Reutlingen von einem Knaben gezogen worden ist 2], ohne daß
bekannt wäre, mit welchem Futter.
Bemerkenswert durch eigenartige Zeichnung der Vorderflügel ist
Arctia pulchra, indem hier zwischen die aus den Grundbinden entstan-
denen Fleckreihen in die mattgelbe Grundfarbe rote Flecke eingelagert
sind. Die Hinterflügel haben ein weißes Innenfeld.
Die eigentümliche Fleckung von Zeuzera aesculi'^) wäre erst durch
Zwischenformen zu erklären, vielleicht handelt es sich um weitere
Trennuns; von in Grundbindenreihen gelegenen Flecken , wie sie z. B.
bei Ecpantheria Scribonia^) vorhanden sind.
Ein ausgezeichnetes Zeichnungsbild geben bei manchen Spinnern wie
Liparis monacha, dispar die zickzackförmigen Grundbinden. Ein
anderes ausgezeichnetes Bild giebt die schon erwähnte Herstellung einer
dunklen Binde (Bandbindenbildung) auf den Vorderflügeln durch
Verdunkelung , bezw. Überbrückung, z. B. zwischen Binde IV und IX
wie bei crataegi, populi, neustria u. s. w.
1) Über Weiteres vergl. m. »Entstehung der Arten« I. S. 161 und später.
-} "Württembergische Jahreshefte 186). 3; Ramann, Spinner Abb. 165. 166.
*) Hübneu, Exotische Schmetterlinge II. Taf. 1 90.
Die Schwärmer, Sphingides. 261
Wir können nicht auf alle anderen Bilder einsehen, welche durch
verschiedene z. T. schon erwähnte Umgestaltung ursprünglicher Binden
entstehen, mehr als bei anderen Heteroceren tritt aber bei den Spinnern
Neigung zu gelber, brauner oder weißer Einfarbigkeit hervor, wobei
zuweilen nur noch der V VI-Fleck auf den Vorderflügeln (bei Salicis als
Winkelstrichi übrig bleibt. Dagegen findet sich eine ursprüngliche
Grundbindenzeichnung über beide Flügel erhalten bei Drepana falcataria^],
wenn auch die Binden etwas zickzackförmig geworden sind: man unter-
scheidet 1, II, III, IV, V/VI, VIII, IX.
In manchen Fällen tritt bei Spinnern auch Querstreifung der
Vorderflügel auf nach Art des Xw/Z^ws-Typus , auf Grund von Schwarz-
färbung der Adern. So bei Emydia striata {grammica) 2), welche auf den
Hinterflügeln ein Innenfeld hat. Bei manchen i4rc^/a -Arten, wie planta-
ginis, hospita, geht die Zeichnung wenigstens auf dem Innenwinkel der
Vorderflügel in entsprechende quere Streifung über, bei jacobaeae ist
ein roter Streif längs des Vorderrandes der Vorderflügel vorhanden wie
bei manchen Zygaenen. Überall sind in solchen Fällen die Vor-
derflügel libellenähnlich ausgezogen.
Endlich mag noch hervorgehoben werden, daß es Spinner 'Xolo-
f/onto-Arten) wie auch Eulen (Cucullien) giebt, deren Vorderflügel eine
gestrichelte Querstreifung haben, ähnlich manchen Sphingiden, wie Sphinx
ligustri. Es handelt sich auch hier um Beziehung der Zeichnung
zur Flügelform.
Die Schwärmer, Sphingides.
Einzelne Zygaenen haben noch eine oder die andere Grundbinde
auf den Vorderflügeln, so Z. phegea und carniolica^]. In den meisten
Fällen ist heller Flecktypus (mit roten oder weißen Flecken) ent-
standen, in anderen bildeten sich rote Querstreifen. Die Hinterflügel
sind meist einfarbig.
Die glasartigen Sesien (Glasschwärmer) mit ihrem V/Vl-Fleck sind
schon besprochen. Ahnlich sind Macroglossa-Arien glasartig und mit
V/VI-Fleck gezeichnet.
Von den großen bunten Schwärmern schließen sich manche, wie
Smeritithns populi, tiliae, Pterogon oenotherae und Proserpina^), insofern
an gewisse Spinner an, als auf den Vorderflügeln und zwar im mittleren
Teil derselben zwischen Binde IV und VIII oder IX jene Überbrückung
stattgefunden hat, durch welche eine Bandbinde hergestellt wird, in
der z. B. bei populi ein weißer V/VI-Fleck liegt, während nach außen
von dieser Zeichnung hier noch einige Binden vorhanden sind.
Bei Macroglossa stellatarum sind dagegen auf den Vorderflügeln noch
ursprünglichere Grundbinden vorhanden, während bei Achero7itia Atropos
1) Ram.vnx, Spinner Abb. 285. 2; Ebenda Fig. IM. 112.
3) Ebenda Fig. 72. 73. 74. 4) Ebenda Fig. 20.
262 Die Entwickelungsrichtungen der Heterocera und Microlepidoptera.
durch Zickzackbildung der Binden und teilweise Zerteilung derselben
zwar der Beginn eines Rieselmusters entstanden, aber doch deutlich
eine Spur jener Bandbindenzeichnung mit dem V VI-Fleck übrig ge-
blieben ist.
Bei Chaerocampa porcellus haben wir auf den Vorderllügeln noch
im Sinne der Grundzeichnung von vorne nach hinten gerichtete Binden-
und Bandspuren, bei dem Verwandten Ch. Elpenor aber haben sich diese
schon in Querzeichnung umgelagert: es sind offenbar Binde III und
IV, welche hier in grünlicher Färbung den von der Flügelspitze nach
hinten und einwärts verlaufenden roten Bandstreifen begrenzen. Bei den
Deilephila-Avlen wird die keilförmige mit der Spitze nach vorn in die
Vorderflügelecke gerichtete Bindenzeichnung durch III, im hinteren Teil
wohl durch 111 und IV hergestellt. Die quergerichtete Zeichnung ist in
diesem und im vorigen Fall ebenso wie bei anderen Schwärmern auf
Vorder- und auf Hinterflügeln wiederum durch die lang ausgezogene
Flügelform bedingt.
Am allermeisten verändert gegenüber der Grundzeichnung und
vielleicht unser am meisten veränderter Falter mit Beziehung auf die Zeich-
nung der Vorderflügel ist Deilephüa nerii, indem hier die Reste der Grund-
binden wahrscheinlich durch verschiedenes und sogar entgegengesetztes
Teilwachstum verschiedentlich in entgegengesetzte (Winkel-) Stellung ver-
schoben sind. Man erkennt aber noch Reste von Binde II, III, IV, V/VI,
VII, VIII, dann IX/X; verwandt sind die Verhältnisse bei Smerinthus
ocellata; nebenbei bemerkt, entsteht das auf den Hinterflügeln befindliche
Auge dieses Falters offenbar aus einem Bindenstück am inneren Teil des
hinteren Flügelrandes ganz ähnlich wie bei den Papilioniden. Hierauf
weist die Zeichnung von Dupo Jussieuae^) u. a. hin.
Auch hier tritt auf den Vorderflügeln Einfarbigkeit auf: bei Deil.
vespertilio, z. T. bei Sphinx convolvuli. Bei anderen erscheint sie nur
auf den Hinterflügeln.
Eine verhältnismäßig ursprüngliche Zeichnung hat auf den Vorder-
flügeln noch Smerinthus quer cus: Binde II, III, IV, IX, X sind noch aus-
gesprochen und in fast ursprünglicher Lage vorhanden, aber wieder
hervorragend IV und IX, erstere mit Brückenschattierung nach außen bis
III, letztere nach innen.
Die Kleiusclimetterliiige, Microlepidoptera.
Unter diesen haben die einfachste Zeichnung und zeigen überhaupt
verhältnismäßig ursprüngliche Entwickelungsrichtungen :
die Zünsler, Pyralides. Wenn auch in dieser Gruppe eine große
Zahl von Zeichnungstypen und z. T. hochentwickelten vertreten ist, so
sind doch viele schon dadurch ursprünglich, daß ihre Hinterflügel noch
ij HüBNEK, Sammlung exotischer Schmetterlinge, II. Taf. 163.
Die Kleinschmetterlinge, Microlepidoptera. 263
nicht einfarbig sind, sondern gezeichnet wie die Vorderflügel, ähnlich wie
bei den Spannern. Bei zahlreichen freilich sind die Hinterflügel einfarbig
geworden wie bei Eulen. Manche haben noch ursprüngliche Grund-
binden und V VI ist sehr häufig auf den Vorderflügeln wieder nur
als ein kleiner Strich oder Fleck vorhanden: lentaculalis , grisealis,
emortualis ^]. Bei den zwei ersteren sind auf den Vorderflügeln
Binde I, III, IV, V/VI, IX vorhanden. Andere haben noch mehr Bin-
den auf den Vorderflügeln. Zuweilen ist eiu schönes Mittelfeld vor-
handen: fascialis, amjuinalis u. a. ^j; hie und da löst sich dasselbe
in Flecke auf: puvpuralis, punicealis ■^] u. a. Öfter spielen Binde III oder
IV und IX eine besondere Rolle, erstere durch Herstellung einer nahe
dem Rande gelegenen, zuweilen hellen Binde oder durch äußere Ab-
grenzung des Mittelfeldes % IV durch Herstellung einer Bandbiude ^), IX
durch Abgrenzung eines Binnenfeldes ^). Häufig bildet der V/VI-Fleck
auf den Vorderflügeln eine besondere Zeichnung, zuweilen ein unregel-
mäßiges Ringchen wie bei Eulen, zuweilen liegen wie dort im Gebiet
von VIII zwei weitere solche Ringchen oder Flecke '). Häufig bekommen
die Vorderflügel überhaupt eine Kritzel- oder sonst eulenartige Zeichnung
auch durch Entstehung von Zickzackbinden und Flecken. Selten wn'rd
die Zeichnung auf den Vorderflügeln im Zusammenhang mit ausgezo-
gener Gestalt derselben schief oder quer''). Bei lucernalis ist ein schönes
Innenfeld vorhanden, ebenso bei manchen anderen, wenigstens auf
den Hinterflügeln. Polygonalis '•') mit hochgelbem Innenfeld und schwarzer
Randbinde der Hinterflügel hat vollkommen »mimetische« Ähn-
lichkeit mit Verwandten der gelben Ordensbänder wie mit
Plusia devergens^'-') auch in Beziehung auf die braungrauen Vorder-
flügel mit großem V VI-Fleck.
Es mag hier ein für allemal gesagt werden, daß man eine Unzahl
von sogenannten »mimetischen« Ähnlichkeiten zwischen Klein-
schmetterlingen überhaupt und anderen Faltern, insbesondere
Spannern und Eulen aufstellen könnte, deren biologischen
Wert schon die Kleinheit, dann Flügelhaltung und Lebens-
weise ersterer- vollkommen ausschließt.
Ebenso giebt es auch sehr auffallende, homoeogenetische Ähnlich-
keiten zwischen einzelnen Faltern verschiedener Gruppen der
Kleinschmetterlinge: ich weise hier nur hin auf die Pyralide anthra-
cinalis^^j und die Tineide antliracinella^-]. Diese beiden Falter sind
pechschwarz, auf den Vorderflügeln mit Weißfleckzeicbnung, beide haben
auf dem Thorax einige gelbe Flecke: eine Ähnlichkeit, welche nicht
1) Hübner, Europäische Schnnetterlinge, IV Pyralides Fig. 6r 4. I.
2,1 Ebenda Fig. 31. 32. 3) Ebenda Fig. 35. 34.
4, Hübner Fig. 18 barbalis, 20 bombycalis, 44 aerealis.
5) Ebenda 1 4 albulalis, 1 5 centonalis. 6) Ebenda 1 3 palliolalis.
'^) Ebenda 69 ßavalis, 68 Irinalis. ^] Ebenda 58 forficalis, 108 lucernalis.
9j Ebenda 204. W) Ra.mann, Eulen Fig. 398. H) Hübner, ebenda Fig. 22.
12) Ebenda V. Tineae, Fig. 224.
264 Die Entwickelungsrichtungen der Heterocera und Microlepidoplera.
weniger wunderbar ist, wie die von Papilio Alcidinus und Nyctalemon
Agathyrsus, nur ist unlhraciiiella erheblich größer als unthracinalis\
Bei den Wicklern, Tortrices, sind wie bei den Eulen die Hinter-
flügel fast durchweg zur Einfarbigkeit vorgeschritten , auch zeigen die
Vorderflügel häufig eine vorgeschrittene Zeichnung ähnlich derjenigen
der Eulen. Selten sind noch annähernd ursprüngliche Grundbinden auf den
Yorderflügeln vorhanden. Häufig hilft wieder Binde IV eine Bandbinde
bilden und entsteht einwärts von IX ein dunkles Binnenfeldchen. Auch
mehrere solcher Bandbinden kommen vor: drei bei Walbomiana^), in
anderen Fällen noch mehr, so daß allmählich die Flügeloberfläche mit
Ausnahme von schmalen Bandresten ganz von ihnen eingenommen werden
kann, so bei xylosteana [Buoliana]-]. Diese Bandbinden können sich
dann in verschiedener Weise verbinden und so sehr vorgeschrittene, auf
den ersten Blick fremdartige Zeichnungen herstellen 3). Sehr häufig ist
der V/VI-Fleck auf den Vorderflügeln, zuweilen kommt er auch auf den
Hinterflügeln vor. Einen hübschen solchen Fall zugleich mit IV und IX
auf den Vorderflügeln zeigt Varroniana^).
Auch die neuen Bandbinden können in Flecke zerfallen, so bei
histrionana'^). A'Mf/(i<s-Streifung der Vorderflügel kommt ebenfalls vor,
so bei radiana^), auch andere Querzeichnung, so bei Mayrana').
Endlich sind zahlreiche neue Zeichnungen auf den Vorderflügeln
entstanden: helle und dunkle Dreiecke oder Flecke, bei comfarana^] u. a.,
im Winkel gestellte Binden, auch Zickzackbinden, welche offenbar wiederum
meist auf Veränderungen der neuen Bandl)inden zurückzuführen sind.
Die Motten, Tineidae, sind fast stets zur Einfarbigkeit der Hinter-
flügel vorgeschritten und viele haben sogar vollkommene Einfarbigkeit
erreicht. Auch die Zeichnung zeigt sehr wenig Ursprüngliches mehr,
sondern öfters wieder Umbildung der neuen Bandbinden, zuweilen auch in
Form von Zickzackstreifen: Janthinella^]. Verhältnismäßig häufig tritt kleine
Schwarzfleckzeichnung der VorderQügel in weißem Grunde auf: evony-
mella^^], malinella, auch Weißfleokzeichnung: anthracinella, zuweilen
A'M//rM5-Streifuug, häufig andere Querzeichnung im Zusammenhang mit
der ausgezogenen Flügelform, welche ja überhaupt für viele Motten
kennzeichnend ist. Hervorragend kennzeichnend ist ferner, daß die
beiden Flügelpaare, auch wenn dieselben einfarbig sind, gewöhnlich ver-
schiedenfarbig sind, meist die vorderen dunkler, selten die hinteren.
Auch bei Motten kommt der V/VI-Fleck noch vor.
Bei vielen Motten ist aber, ähnlich wie bei Wicklern, eine sehr vor-
geschrittene Zeichnung dadurch entstanden, daß die neuen Band])inden
sich in verschiedener Weise umgebildet haben, durch Vereinigung, Ver-
schiebung, Zerfall, in Stücke, teilweises Schwinden. Diese Verhältnisse
bedürfen einer genaueren Untersuchung im Einzelnen.
1) HüBKER Tortrices Fig. 203. -) Ebenda Fig. 154.
3i Daliin gehört wohl z. B. die Zeichnung von LocupUtana 268.
. . 4] Fig. 291. 5) Fig. 310. Sil. 6) Fig. 177. '') Fig. 335. «; Fig. 284.
0) Tineae Fig. 374. 375. lO) Fig. 88.
Die Kleinschmetterlinge, Microlepidoptera. 265
Ursprüngliche Grundl)indenzeichnung kommt bei Motten nicht mehr vor.
Die Geistchen, Pterophoridae, sind sehr weit in der Zeichnung
vorgeschritten, teilweise einfarl)ig, ])esonders auf den Ilinterflügehi in
vielen Fällen einfarbig bis auf Reste von Binden auf dem äußeren Teil
der Vorderflügel. Hexadactijla^) aber hat sechs über beide Flügel
gehende schmale helle Bänder, welche mit Ausnahme des innersten zick-
zackförmig sind. Dieses innerste Band scheint im Gebiete der Binden
VIII IX zu liegen. Auf weitere ursprüngliche Bandzeichnung deuten je
zwischen den erwähnten Bändern am Vorderrand der Vorderflügel ge-
legene Flecke hin. Es handelt sich in den zwischen den Bändern ge-
legenen braunen Zwischenräumen wohl um Bandbinden, deutlich sind
entsprechende Streifen bei polydactyla 2) und dodecadactyla 3) auf solche
zurückzuführen.
Annähernd ursprüngliche Grundbindenzeichnung scheint bei Motten
so wenig mehr aufzutreten wie bei Wicklern, während sie bei Zünslern
noch verschiedentlich vorkommt.
Auch hier giebt es »Nachahmung« von Faltern anderer Gruppen,
so ist pronubella ^] mit braunen Vorder- und gelben mit schwarzer Rand-
binde versehenen Hinterflügeln eine ganz reizende Liliputnach-
ahmung von Agrotis pronuba — eine schöne Aufgabe zur Lösung
für Zuchtwahl Verkleidungs-Künstler.
1) Hübner Pterophoridae Fig. 10. -11. 30. 31. 2) Ebenda Fig. 28. 3, pig. 29.
Tineae Fig. 247.
YII.
Allgemeines über Verkleidung (Mimicry)
bei Schmetterlingen.
»Wenn der Naturforscter sein Recht einer freien
Besflianung und Betrachtung tehaupten ■will, so mache
er sich zur Pflicht, die Kechte der Natur zu sichern;
nur da, wo sie frei ist, wird er frei sein; da, wo man
sie mit Menscheusatzungen bindet , wird auch er ge-
fesselt werden.« Goethe.
Zunächst möchte ich die ganz auf dem Boden der Zuchtwahllehre stehen-
den Ansichten besprechen, welche ein bewährter Naturbeobachter ver-
treten hat: Fritz Müller, zu dessen Anschauungen die meinigen in dieser
Frage im Gegensatz stehen. Dieser Gegensatz beruht aber gewiß mit
darauf, daß es zur Zeit, als F. Müller schrieb, Bedürfnis jedes fort-
schrittlichen Geistes sein mußte, die DARWix'sche Lehre zu vertreten
und Thatsachen durch sie zu erklären, während es heute für denselben
Geist Bedürfnis sein wird, die Thatsachen an der Hand der Gesichts-
punkte zu prüfen, welche die jetzt als mächtig wirksam dargelegte Ortho-
genesis unbefangener und darum wissenschaftlicher Beurteilung darbietet.
Betrachtet man von diesem meinem Standpunkt aus die von Fritz
Müller gegebenen Erklärungen, so wird man, je geistreicher solche
Erklärung im Einzelnen sein mag, um so mehr auf die handgreiflichen
grundsätzlichen Mängel aufmerksam werden, welche dem Versuch ent-
gegenstehen, die Umbildung der Formen, das Werden von Anpassungen
durch Zuchtwahl zu deuten. Und gerade deshalb sind die Anschauungen
eines so hervorragenden Forschers uns wichtig und verdienen ein Ein-
gehen bis aufs Einzelne.
Fritz Müller') meint, daß die täuschende Ähnlichkeit von Faltern,
welche verschiedenen Gruppen angehören und an denselben Örtlichkeiten
vorkommen, wie Bates2] mid Darwin annehmen, allmählich durch Natur-
al FiuTz MüLLEB, Bemerkenswerte Fälle erworbener Ähnlichkeit bei Schmetter-
lingen. Kosmos 5. Jahrg. 10. Bd. 1881.
-] H. W. Bates (vgl. das Folgende) erklärte dieselben zuerst als Mimicry.
BoisDUVAL erwähnt schon die Thatsache des Vorkommens ähnlicher Falter aus
Fritz Müller über Vorkleidung. 267
auslese entstand, indem immer die dem Vorbilde ähnlichsten Tiere am
besten der Verfolgung durch Vögel und andere Feinde entgingen.
»Andere freilich haben anders darüber gedacht und dasselbe Beispiel von Jlhomia
und Leptalis^j benutzt, um daran nachzuweisen, daß zur Erklärung ihrer Ähnlichkeit
Naturauslese nicht ausreiche. Naturauslese, sagte man'-), könne nur wirken — und
das ist nicht zu bestreiten — , wenn jede einzelne in vorteilhafter Richtung auftretende
Abweichung sich für das abweichende Tier nützlich erweise, also erst wenn die
Ähnlichkeit zwischen Nachahmer und Vorbild groß genug geworden, um die scharfen
Augen der Vögel zu täuschen, könne sie durch Naturauslese erhalten und weiter
ausgebildet werden. Nun aber sei der Unterschied zwischen einem gewöhnlichen
weißen Pieriden und den Ithomiinen so groß, daß jedenfalls solche Zwischenstufen,
welche ersteren im Ansehen noch näher ständen, als letzteren, in keiner Weise irgend
welchen Schutz genießen, also ihrem Inhaber keinen Vorteil vor der Stammform
gewähren würden. Hier sei also obiüe Voraussetzung nicht nur für die ersten Stufen
zufälliger Abweichungen, sondern selbst bis zur Mitte des Weges hin nicht erfüllt,
also das Eingreifen der Naturauslese nicht möglich. Nur da, w-o die Stammform, von
welcher die Umwandlung zur natürlichen Maske ausgeht, der nachgeahmten Art
ohnehin schon so ähnlich aussehe, daß eine Verwechslung von Seiten der Feinde
möglich sei, könne Naturauslese die Ähnlichkeit vervollkommnen.«
Fritz Mijller meint dagegen :
1) 3) Auch wenn z. B. weiße unter bunte sich mischende Falter nur
etwas von der Farbe der letzleren hätten, so würde ihnen dies
nützlich sein.
2) Auch habe das scharfe Auge der Vögel jedenfalls erst im Wett-
kampf der Verfolgung seine Schärfe erlangt, deshalb werden die
Vöaiel anfangs auch durch minder vollkommene Nachbildunsen zu
täuschen gewesen sein.
Was aber den besonderen Fall angeht, so werden die
a) nachgeahmten Ithomiiden, wie Wallace auseinandergesetzt
hat^), zuerst ziemlich schlicht gefärbt gewesen sein.
b] Es spreche nichts dafür, daß Leptalis eine gewöhnliche weiße
Pieride gewesen sei, sondern es sei diese Stammform wahr-
scheinlich schwarz und gelb gewesen, mit ähnlicher Farben-
anordnung und ähnlichem Flügelschnitt wie bei den Ithomiinen
und heute unter den Leptalis noch bei Leptalis Melia und
Melite cf^j. Einer der Gründe hierfür sei, daß alle durch
Ungenießbarkeit geschützten Falter, die etwa der Leptalis Ästy-
nonie als Vorbild gedient haben können, in ihrer Flügelform
mitten inne stehen zwischen dieser lang- und schmalüügeligen
Leptalis und einer kurz- und breitflügeligen » gewöhnlichen
verschiedenen Gruppen an denselben Örtlichkeiten: Boisduval, Species general des
Lepidopt. T. I. IS36. S. 23.
1 Leptalis ist gleich Dismorphia.
-) vgl. »Das Unbewußte vom Standpunkte der Physiologie und Descendenztheorie«,
1872. S. 9 — H.
3) Jenaische Zeitschr. f. Naturw. ßd. X. 1876.
*j A. R. Wallace, Tropical Nature and other essays. -1878 S. 189.
5; Vgl. Fkitz Mlllek, Jenaische Zeitschr. f. Natw. Bd. X. S. I, wo dies näher
ausgeführt ist.
268 Allgemeines über Verkleidung (Mimicry) bei Schmetterlingen.
weißen Pioride«. Es kann aber die nachgeahmte Form niemals
zwischen der nachahmenden imd deren Stammform in der
Mitte stehen, mit anderen Worten: es kann die« nachahmende
nicht über die nachgeahmte in den nachahmenden Eigen-
schaften hinaus gehen.
Dagegen möchte ich sagen: Ja, wenn es sich um eine durch Aus-
ese entstandene Nachahmung handelte! Vorausgesetzt aber, daß die
Leptalis wirklich von gewöhnlich gestalteten Pieriden abstammt, was ich
vertreten möchte, so liegt im vorliegenden Falle ein Beweis dafür vor,
daß die Ähnlichkeit nicht durch Nachahmung auf Grund von Auslese
entstanden sein kann: die Flügelform ist bei der Leptalis noch
mehr in die Länge gewachsen, als bei der It/iomia, welche doch
Vorbild sein soll.
Die große Verschiedenheit der äußeren Erscheinung zwischen den
beiden Formen, welche gegen die Nachahmung aufgeführt werde, meint
F. MüLLKR, habe wohl niemals bestanden. »Wie aber die einmal in der
Ähnlichkeit mit gewissen Ithomiinen Schutz findende Leptalis durch
Naturauslese Schritt für Schritt auf demselben Wege weiter geführt
werden konnte, bedarf wohl keiner weiteren Ausführung« i).
Dagegen möchte ich bemerken:
Damit sind wir wieder auf dem Boden angelangt, daß die beiden
Formen von vornherein ähnlich gewesen sein müssen — daß
also die Auslese die Ähnlichkeit nicht gemacht hat!
Eine andere Frage sei es, sagt F. Müller weiter, ob alle Fälle von
Mimicry namentlich bei Schmetterlingen als schützende Ähnlichkeit auf-
zufassen seien. Es gebe gar manche Fälle , in welchen die BAXEs'schen
Voraussetzungen nicht zutreffen:
Die nachahmende Art kann häufiger sein als die nachgeahmte.
Es können beide des Schutzes durch Ungenießbarkeit entbehren.
Es können beide ungenießbar sein.
Der letztere Fall ist schon vor Fritz Müller durch Wallace behandelt worden-),
welcher sagt:
»In Südamerika finden wir in den drei sämtlich durch Widrigkeit geschützten
Unterfamilien der Danaiuen, Acräinen und Heliconiinen dieselben Farben und Zeich-
nungen wiederholt, bisweilen bis ins Einzelnste sich gleichend, und zwar ist jede
besondere Weise der Färbung bezeichnend für ein bestimmtes Gebiet des Erdteils.
Neun sehr verschiedene Gattungen beteiligen sich an diesen gleichlaufenden Wand-
lungen fparaliel changes) — Lycorea, Ceratinia, Mechanitis, Ithomia, Melinaea, Tithorea,
Acraea, Heliconius und Eueides. Gruppen von drei, vier oder selbst fünf derselben
erscheinen zusammen in derselben Tracht in dem einen Bezirk und in einem benach-
barten Bezirk erleiden die meisten oder alle zugleich denselben Wechsel in Färbung
oder Zeichnung. So treten in Guiana Arten von Ithomia, Mechanitis und Heliconius
auf mit gelben Flecken der Flügelspitze, die alle in Südbrasilien durch Arten mit
weißen Flecken vertreten sind. Von Mechanitis , Melinaea und Heliconius und bis-
weilen von Tithorea sind die Arten der südlichen Anden Bolivia und Peru,! mit
Orangerot und Schwarz gezeichnet, während die der nördlichen Anden (Neu-Granada)
i; »Vgl. was Wallace a. a. 0. treffend darüber sagt.«
•2) Wallace, Tropical Nature -1878. S. 236.
FiuTz Müller über Verkleidung. 269
fast immer dunkelgelb und schwarz sind. Ähnliche Wandlungen kommen bei Arten
der genannten Gruppen vor, welche dieselben Gegenden, sowie Centralamerika und
die Antillen bewohnen. Bald ist die so erzeugte Ähnlichkeit zwischen weit verschie-
denen Arten nur eine allgemeine, bald aber so ins Einzelne gehend, daß sie nur durch
genaue Lntersuchung des Baues sich unterscheiden lassen. — Da aber alle in gleicher
Weise durch die widerliche Absonderung geschützt sind, welche sie für Vögel unschmack-
haft macht, kann dies kaum wirkliche Mimicry sein.«
Wallace führt diese Fälle an als Belege für den Einfluß der Ört-
lichkeit auf die Farbe und meint, daß die Ähnlichkeit unbekann-
ten örtlichen Ursachen zugeschrieben werden müsse.
F. MlxLER stellt der WxLLACE'schen Ansicht^) fünf täuschend ähnliche,
durch Ungenießbarkeit geschützte Falter von Sta. Catharina entgegen aus
eben so vielen Gattungen und verschiedenen Gruppen:
Lycorea, dort sehr selten iDanaine),
Mechanitis Lysimnia und Melinaea (häufige Ithomiinen', Heliconms
Eucrate und Eueides Isabella (Helikoniden).
»Täuschend« ähnlich dürfen diese Falter trotz gewisser Verschieden-
heit deshalb genannt werden, weil zwei andere ähnlich gefärbte Falter
derselben Gegend, »Protogonhis Hippona und Leptalis Astynome, welche
nicht durch Widrigkeit geschützt sind und ihre Ähnlichkeit mit den
fünf ungenießbaren Arten nur den Umstände danken, daß dieselbe durch
Täuschung ihrer Feinde ihnen nützlich wurde-, weil diese nachahmen-
den Arten ihren Vorbildern weit weniger ähnlich sind als jene durch
Widrigkeit geschützten Arten unter sich.
Dazu möchte ich sagen :
Die Entstehung der Ähnlichkeit durch Nachahmung müßte
für die zwei Falter erst bewiesen werden. Die einfache Voraus-
setzung derselben berechtigt nicht zu dem gemachten Schlüsse. Die
Ähnlichkeit von Prologonius mit den übrigen ist außerdem eine sehr
geringe. Insbesondere hat derselbe eine ganz andere Flügelform und
bleibt so wohl außer Betracht; bestände aber Mimicry, so wäre es doch
nötiger, daß die Nachahmenden den Geschützten täuschender ähnlich
wären, als diese unter sich sind.
Da die Raupen der fünf widriggeschützten Falter auf ganz verschiedenen Pflanzen
leben, fährt F. Müller fort, so fällt der Einfluß der Ernährung weg und es bleiben
nur die allgemeinen klimatischen Verhältnisse. Sie verbreiten sich aber über ein
weites Gebiet bis hoch in die Berge und ihnen nahestehende Verwandte sind von
denselben örtlichen Verhältnissen nicht wie sie berührt, denn sie sind ganz anders
gefärbt :
Neben Eueides Isabella lebt die ^craea-ähniiche E. pavana und die feuerfarbene
E. aliphera.
Neben Heliconius Eucrate der sammetschwarze H. Besckei mit roter und H.
apseudes mit gelben Binden.
Neben Mechanitis und Melinaea leben eine ganze Zahl glasflügeliger Ithomiinen
[Thyridia, Ceratinia, Dircenna, Ilhomia).
1) Wallace hebt a. a. 0. S. 257 — 261 auch solche örtliche Ursachen auf Inseln
u. a. hervor. Deutsche Ausgabe S. 268 fif.
270 Allgemeines über Verkleidung (Mimicry) bei Schmetterlingen.
Neben Lycorea die glasOügelige Unna.
»Ja, was noch mehr ist, unter den hiesigen Verwandten der fiiiif Arien
finden sich noch drei andere Grnppen verschiedenen Gattungen angehöriger, tauschend
ähnlicher Arten. Das sind erstens die glasflügligen Arten, von denen lluna den
eigentlichen Danainen, Thyridia, Dircenna u. s. w. den Ithomiinen angehören; dann
die feuerfarbigen Helikonier: Eueides aliphera, Colaenis Julia und Dione Juno, und
drittens Acraea Thalia und Eueides Pavana. Nacii Kiuüy's Verzeichnis der Tagfalter
würden sich die in Betracht kommenden Arten in folgende Reihe ordnen: Dana-
inen: i. I^ycorea. -2. lluna. — Ithomiinen: 3. Thyridia. 4. Dircenna. 5. Ce-
raiinia (C. Eupompe u. a. . 6. Mcchanilis Lysimnia. 7. Ithomia (/. Sylvo u. a.).
8. Melinaea. — Acraeinen: 9. Acraea Thalia. — Helikoniinen: 10. Heliconius
Eucrate. 11. Eueides Pavana. 12. E. aliphera. 13. E. Isahclla. 14. Colaenis Julia.
15. Dione, von denen also 1, 6, 8, 10 und 13, — dann 2, 3, 4, 5 und 7, — dann
wieder 12, 14 und 15 — und endlich 9 und 11 je eine durch Ähnlichkeit der
Zeichnung und Färbung zusammengehaltene Gruppe bisweilen zum Verwechseln ähn-
licher Arten bilden. — So hätten also die gleichen »unbekannten örtlichen Ursachen«
gleichzeitig verwandten , also anfangs ähnlichen Arten (z. B. den drei Eueides-kviQn]
ein weit verschiedenes, und nicht verwandten, also anfangs verschiedenen (z. A. Acraea
Thalia und Eueides Pavana) ein fast ununterscheidbar ähnliches Gewand gegeben.
Gewiß eine höchst absonderliche Wirkungsweise!«
»Eine so verwickelte mehrfarbige Zeichnung in ähnlicher Weise bei fünf ver-
schiedenen, nicht verwandten Arten zu wiederholen muß für eine blind wirkende Ur-
sache als kaum glaubliche Leistung bezeichnet werden.«
Lassen wir auch die Farben durch »örtliche Ursachen« entstehen — wie aber
konnte eine ähnliche Zeichnung entstehen?
»Die einander entsprechenden Teile der Zeichnung liegen bei den fünf Arten
nicht an entsprechenden Stellen der Flügel oder — was dasselbe sagt — die ent-
sprechenden Stellen der Flügel sind bei den verschiedenen Arten oft in ganz ver-
schiedener Weise gezeichnet und gefärbt.«
»Wie sollen blinde, ohne Rücksicht auf etwa sich ergebende Ähnlichkeit wir-
kende »örtliche Ursachen« dazu kommen, dasselbe Flügelfeld einmal schwarz, einmal
orange und ein drittes Mal halb schwarz, halb orange zu färben?«
»Wenn eine blindwirkende Ursache bei verschiedenen Schmetterlingen ähnlich
gefärbte, aber nicht an entsprechenden Stellen der Flügel liegende bunte Flecken er-
zeugte, wie überaus unwahrscheinlich würde es sein, daß daraus selbst nur bei zweien
eine einigermaßen ähnliche Zeichnung hervorginge; wenn aber, wie hier, solche nicht
an gleiche Flügelstellen gebundene Flecken trotzdem bei fünf verschiedenen Arten ein
buntfarbiges täuschend ähnliches Gesamtbild liefern, so darf man mit der Gewißheit
nahekommender Wahrscheinlichkeit behaupten, daß dieses Ergebnis nur entstehen
konnte unter dem züchtenden Einfluß eines Auges, welches jeden Strich, jeden Fleck,
jede Farbenabstufung festhielt, wo immer sie auch auftrat, sobald nur dadurch die
Ähnlichkeit gesteigert, die Täuschung der Feinde erleichtert wurde.«
Die oben wiedergegebene Ansicht eines Mannes wie Wallace, der
sonst auf dem Boden des äußersten Darwinismus, ja auf dem des After-
darwinismus steht, wird gewiß für die richtige Beurteilung der vor-
liegenden Fragen als bedeutungsvoll angesehen werden müssen, um so
mehr als derselbe an Ort und Stelle beobachtet hat. Dagegen scheinen die
von Fritz Müller aufgeführten Beweismittel auf den ersten Blick voll-
kommen schlagende für dessen entgegengesetzte Auffassung zu sein und
zu der Zeit, als sie aufgestellt wurden, hätte man auf sie wohl kaum
etwas Triftiges erwidern können, es sei denn die Unmöglichkeit zu ver-
stehen, wie die Zuchtwahl die neuen Eigenschaften erzeugt haben könnte
und etwa noch, wie es überhaupt nötig war, daß zum Zweck des Schutzes
eine so ins Einzelne gehende Ähnlichkeit erzeugt werden mußte.
Fkitz Miller über Verkleidung. 27 1
Insbesondere die Thatsache, daß solche Ähnlichkeiten bei verschie-
denen Faltern auf verschiedenem Wege entstanden sind, scheint unbe-
dingt zu Gunsten der Auslese zu sprechen.
Allein das, was ich als Wirkungen der Orthogenesis dargelegt habe
— zahllose Fälle, in welchen durch Homoeogenesis bei den verschieden-
sten Familien die größten Ähnlichkeiten entstehen, ohne daß von dem
Zwang des Schutzes dabei irgend die Rede sein kann, und dann die
zahllosen Fälle, in welchen die größten Ähnlichkeiten auf ganz verschie-
denem Wege entstehen, ohne daß wiederum von Auslesebeziehungen
die Rede sein kann — so bei Limenüis Sibylla und Vanessa prorsa^
Limenitis populi und Argynnis sagana Q, Tachyris Zarinda und Apatura
jffs — kurz alles, was unter Heterhodogenesis gehört, endlich die
augenfällig verschiedene Empfindlichkeit selbst nahe verwandter Falter
gegenüber äußeren Einflüssen:
diese neuen Thatsachen müssen die Beweisführung Fritz Mlller's
heute als nicht mehr stichhaltig erkennen lassen, ganz abgesehen von
der sehr angreifbaren Rolle, welche die Vögel bei der ganzen Umbildung
nach dessen Darlegung spielen sollen. Die Pseudo-Mimicry zerstört
alle Schlußfolgerungen, welche bis dahin aus scheinbar nachahmenden
Ähnlichkeiten für die Zuchtwahllehre gezogen worden sind.
Weitere auf den ersten Blick bestechende Erklärung von Einwänden
gegen die Zuchtwahl -Mimicry- Lehre und Belege zu Gunsten derselben
brachte Fritz ÄIüller in einer anderen Abhandlung i).
Jtuna und Thyridia, beide ganz verschiedenen Gruppen der Danaiden angehörig,
sind sich so ähnlich, daß man sie früher für nahe verwandt gehalten hat. Thyridia
gehört zu den Ithomien. Unna schließt sich Danais und Lycorea an- , also an die
echten Danainen.
Die Vorfahren beweisen, daß die Ähnlichkeit eine in zweiter Linie entstandene ist,
daß Nachahmung oder Mimicry vorliegt.
Beide, Ituna und Thyridia, sind nun aber ungenießbar. Welchen Vorteil können
sie von der Nachahmung haben, besonders wenn beide ziembch gleich hüulig sind,
und welche ist die nachahmende, welche das Urbild? denn gewöhnlich ahmen die in
größerer Anzahl vorhandenen Genießbaren die Ungenießbaren nach.
Die Verfolger: Eidechsen, Vögel, müssen einzeln erst durch eigene Erfahrung
die Ungenießbarkeit der einzelnen Arten kennen lernen. Deshalb w^erden den noch
unerfahrenen Feinden der .Schmetterlinge auch ungenießbare zum Opfer fallen. Wenn
nun zwei ungenießbare Arten einander zum Verwechseln ähnlich sind, so werden
beide zusammen nur dieselbe Zahl von Opfern zu stellen haben, die jede einzelne
stellen müßte, wenn sie verschieden wären. -Sind beide gleich häufig, so hat jede die
gleiche Zahl von Opfern zu stellen. Ist aber die eine Art häufiger, so wird sich der
Vorteil für jede umgekehrt verhalten wie das Quadrat ihrer Häufigkeit. Verhält
sich z. B. die Häufigkeit der beiden Arten wie 1:5, so verhält sich der Vorteil, den
'! Fritz Müller: Unna und Thyridia, ein merkwürdiges Beispiel von Mimicry
bei Schmetterlingen. Kosmos III. Jahrg. V. Bd. -1879. S. 102.
-] Unterschiede: bei Thyridia (Ithomien) auf den Hinterllügeln hinter der Mittel-
zelle ein Flügelfeld weniger als bei Ituna. Bei letzterer am Grunde der Hinterflügel
eine »Wurzelzelle^; 'Herrich-Schaffer), bei ersterer nicht. Bei Thyridia Ithomien) (J
auf der Oberfläche der Hintertlügel vorn an der Subcostalrippe ein duftender
Haarpinsel.
272 Allgemeines über Verkleidung (Mimicry) bei Schmetterlingen.
sie von der Ähnlichkeit haben, wie 23:1. Handelt es sich um zwei Arten, von denen
die eine sehr häulig, die andere sehr selten ist, so fällt der Vorteil so gut wie ganz
auf Seite der selteneren Art.
Sind beide ziemlich gleich häufig, so wird man nicht sagen können, welche die
nachahmende ist. Dahin dürfte auch Thyridia und Unna gehören.
Übrigens können zuweilen auch die nachahmenden Falter zahlreicher sein: wenn
sich beide Arten in ein neues Gebiet verbreiten , können ja hier die Verhältnisse für
die ursprünglich häufigere Art ungünstig sein. Ja dasselbe kann im Laufe der Zeit
am alten "Wohnsitz der Arten geschehen.
Archonias [Euterpe] Tereas sei in Sta. Catharina häufig. Sein Vorbild: Pa-
pilio Neplialio7i aber gehöre zu den seltenen Schmetterlingen.
Das Zahlenverhältnis wechsele bisweilen recht erheblich in aufeinanderfolgenden
Jahren; es könne ein völlig umgekehrtes sein auf ziemlich naheliegenden Gebieten: Co-
laenis Julia sei in Itajahy viel häufiger als die täuschend ähnliche, nur kleinere Eueides
Aliphera, dagegen fand Fritz Müllek das Verhältnis umgekehrt einmal im Norden der
Provinz. Es scheine sogar der Fall nicht undenkbar, daß das Urbild einer nach-
ahmenden Art ausstirbt und letztere erhalten bleibt. So könnten nach der Meinung
von Mr. Trimen und Mr. A. G. Butler i; Pap. Anlimachus und P. Zalmoxis Nach-
ahmungen riesiger unbekannter Acraea- kvi&n sein. Fritz Müller fügt hinzu: »Im
vorliegenden Falle sind, w enigstens in Sta. Catharina, beide Arten selten, und ihre Zahl
giebt somit keinen Anhalt zur Ermittelung des Urbildes«.
Je ferner die sich nachahmenden Formen stehen, um so leichter ist zu erkennen,
welche die nachahmende ist: so sei die Archonias Tereas eine ganz fremde Erschei-
nung unter Gattungs- und Familiengenossen, während P. Nephalion eiuer langen Reihe
ähnlich gefärbter Arten angehöre, daher sei Archonias die nachahmende.
Acraea Thalin und Eueides pavana, von welchen die letztere mehr als 1000 mal
seltener ist als erstere, besitzen denselben widrigen Geruch.
Ebenso stinken in gleicher Weise Eueides Aliphera, Colaenis Julia und Dione
Juno, und deren Ähnlichkeit sei doch wenigstens nachträglich erworben.
»Ferner haben die kräftig stinkenden Eueides Isabella und Heliconius Eucrale
entweder einander oder gemeinsam die (von dem äußerst schwachen, für uns meist
kaum wahrnehmbaren Dufte der (5 abgesehen) für uns geruchlose Mechanitis Ly-
simnia nachgeahmt« ....
Es wäre durch die so hübsch durchdachte Erklärung Fritz Müller's
nun in der That auch verständlich, daß geschützte Falter andere ge-
schützte mit Nutzen nachahmen könneu. Allein auch damit ist nach
Feststellung des so zahlreichen Vorkommens pseudomimetischer Falter
nichts für die ganze Frage Beweisendes mehr gesagt. Dazu kommt aber
das Folgende.
Alle Vertreter der Zuchtwahl-Verkleidung müssen notwendig davon
ausgehen, daß vorzüglich die Vögel es seien, welche durch ihre Ver-
folgung besonders auch der fliegenden Schmetterlinge den Zwang der
Entstehung einer schützenden Ähnlichkeit geübt hätten. Mit der Be-
rechtisjuno dieser Annahme fällt die letzte Ursache der im Sinne des
Nutzens gedeuteten Umbildung hinweg.
Ein wesentlicher Teil der im Vorstehenden mitgeteilten Erklärungen
Fritz Müller's beruht sogar auf der Annahme, daß die jungen Vögel in
jedem einzelnen Falle es erst lernen müßten, die ungenießbaren Falter
von den genießbaren zu unterscheiden, denn nur dann können dieselben
1 Raph. Meldol.\, Entomological Notes, bearing on Evolution. Ann. and Mag. of
nut. bist. Febr. 1878. S. 137.
Fritz Müller über Verkleidung. , 2 73
zuerst schon durch unvollkommene Nachahmungen getäuscht werden
und damit wäre ein Mittel für die allmähliche Vervollkommnung gegeben.
Ich glaube aber, man wird diese Voraussetzung nicht so weit anerkennen
können, daß man ihr die gemeinte Wirkung zuschreiben dürfte: es ge-
hört zu den bemerkenswertesten Thatsachen der Vererbung erworbener
Eigenschaften die Vererbung von Furcht vor den wichtigsten Feinden ')
und von Zutrauen zu den Freunden , ferner der Neigung die Erbfeinde
zu verfolgen, wie wir das am einfachsten bei unserem Haushund mit
Beispielen belegen können: ein Stück der Vererbung von Gewohnheits-
thätigkeit der Vorfahren , d. i. angeborener Instinkt. Die von mir und
früher schon von D. Spaldixg angestellten Versuche über diesen Instinkt
bei neugeborenen Hühnchen"-) zeigen, wie sehr es Vögeln angeboren ist,
die ihnen zusagende Nahrung zu erkennen oder auf die geringste Ver-
anlassung hin kennen zu lernen. Es ist aber auch ohnedies nicht ein-
zusehen, wieso Vögel, um Ungenießbares und Genießbares unter Schmetter-
lingen unterscheiden zu lernen oder überhaupt sich täuschen zu lassen,
irgend erheblich lange Zeit brauchen und so viele Opfer unter letzteren
fordern sollten, daß dadurch die Zuchtwahl beeünstisit würde, voraus-
gesetzt sogar, daß die unterscheidenden Merkmale stets so groß wären,
um ein Erlernen der Unterscheidung wirklich im Fluge zu ermöglichen.
Aber es ist die Unterscheidung so kleiner Merkmale , wie sie die zu-
letzt so vollkommene Ähnlichkeit der nicht geschützten Arten mit den
geschützten aufweist, nicht nur im Fluge, sondern sie wäre auch gegen-
über dem sitzenden Falter für den ihn verfolgenden Vogel gewiß
unmöglich: solch feine Ähnlichkeit kann auf diesem Wege
nicht erreicht worden sein, sie wäre zur Täuschuns; über-
n
haupt gar nicht notwendig: dasselbe, was ich in Beziehung auf
die Blattähnlichkeit der Unterseite von Schmetterlingen gesagt habe.
1) Man vergleiche hierzu die hübschen Beobachtungen von Heinrich Kohlwey in
dessen Schrift: »Arten- und Rassenbildung, eine Einführung in das Gebiet der Tier-
zucht«. Leipzig, W. Engelmann 1S97. Abschnitt III. »Instinkte und Fähigkeiten«.
2) Vgl. m. »Entstehung der Arten« I S. 263 ff. Ich benütze hier die Gelegenheit,
Herrn Herbert .Spencer, der mir brieflich vorgeworfen hat, daß ich seine in den »Prin-
ciples of Psychology« entwickelten Schlußfolgerungen über die Entstehung der Instinkte
wiedergegeben hätte, ohne ihn zu nennen, während ich doch die Versuche von
Spalding, auf welche H. Spencer sich gestützt hat, erwähnt habe, auch öffentlich zu
erwidern, was ich ihm seiner Zeit antwortete:
Es gereicht mir zu großer Freude, daß meine ohne jede Kenntnis von H. Spencer's
bezüglichen Äußerungen aus vollkommen selbständigen Versuchen abgeleiteten An-
schauungen so sehr den seipigen entsprechen, um so mehr als auch diese meine
für die Vererbung erworbener Eigenschaften so wichtigen Ergebnisse von
Herrn August "NVeismanx vollkommen unberücksichtigt gelassen worden sind. Die
Übereinstimmung spricht für die Richtigkeit unserer Schlüsse in der Vererbungs-
frage. Die bezüglichen Versuche sind durch mehrere Jahre unter den Augen meiner
Assistenten und insbesondere mit Hülfe von Dr. Fickert von mir angestellt worden.
Von ähnlichen Versuchen Spalding's habe ich erst nachträglich durch Romanes'
»Mental Evolution« Kenntnis erhalten und habe sie nach demselben in der »Ent-
stehung der Arten« angeführt
Eimer, Orthogenesis. \^
274 Allgemeines über Verkleidung (Mimicry) bei Schmetterlingen.
Schon deshalb muß die Entstehung der Ähnlichkeil auf ganz anderen
Ursachen beruhen als auf der Verfolgung durch Vögel.
Aber wer hat denn überhaupt je Vögel in solchem Maße
Schmetterlinge verfolgen sehen, daß dadurch eine schützende
Umbildung durch Auslese erzielt werden könnte? Und dann:
ist es wirklich so sicher, daß die »ungenießbaren« Schmetter-
linge von Vögeln weniger verfolgt und gefressen werden, wie
es immer als selbstverständlich angenommen wird?
In überzeugendster Weise hat Herr Auüüst Weismann sich früher
dahin ausgesprochen, daß die Schmetterlinge im Fluge von Vögeln nicht
verfolgt werden, und ich selbst meinte, daß sie in ihren Flügeln einen
Schutz gegen solche Verfolgung haben'). Wenn derselbe jetzt die ent-
gegengesetzte Behauptung aufstellt, so möchte ich ihn an unsere gemeinsam
ausgeführten Schmetterlingsjagden in der Gegend von Freiburg erinnern:
er versetze sich zurück in die schöne Zeit, da wir in den feuchten Gras-
wegen des >Mooswaldes« an heißen Tagen in dem fast tropischen Anblick
einer üppigen Schmetterlingswelt schwelgten : wie dort die Schillerfalter
[Apatura Ilia und Iris), die Eisvögel [Limenitis populi) die Sihylla und
Camilla zu hunderten bald langsam hin und wider flogen, bald vor uns
mit ausgebreiteten Flügeln , dieselben wohlig wie im Übermute auf und
nieder bewegend auf der Erde saßen, während die Silberstriche [Ar-
gynnis paphia] in zahllosen Mengen auf den Blüten schaukelten, begleitet
von unzähligem kleinem Gefolge, insbesondere den Melllaea-Arlen.
O 0 7
Deckte ich doch einmal auf solchem mit meinem Lehrer unter-
nommenen Ausfluge neun Stück mit ausgebreiteten Flügeln auf einem
Haufen Auswurfs sitzende Sohillerfalter mit einem Schlage meines Netzes
zu — wo ist in solchem Idyll des Schmetterlingslebens, wie man es
überall in unseren Wäldern im Sommer täglich sieht, irgend eine Störung
durch Verfolgung von Seiten der Vögel zu beobachten!
Wer von uns hätte damals auf den Gedanken kommen können, es
möchte Limenitis Sihylla vor Vögeln geschützt'-) und Vanessa prorsa ihr
Nachahmer sein? Nein, wir hatten offene Augen damals, so frisch und
so froh in der freien Natur.
Und auf den Streifzügen, welche wir beide zusammen auf den
Schwarzwaldbergen zu Seiten des Dreisamthals in glühender Sonnenhitze
nach Schmetterlingen gemacht haben — wo so mancher Steinkrug des
trefflichen Markgräflerweins für uns den Lohn des Tages bildete : wann
und wo haben wir jemals einen Vogel bei der Verfolgung eines Schmetter-
lings gesehen?'^)
1) »Entstehung der Arten« S. 126.
2) Die früher (S. 134) wiedergegebene Bemerkung von M. Standfuss, daß gerade
Sihylla von unseren insektenfressenden Vögeln gerne verzehrt wird, bezieht sich
übrigens wohl auch nur auf seltene, für Auslese nicht maßgebende Fälle.
3) Erst nachdem Obiges schon seit längerer Zeit niedergeschrieben ist, finde ich
folgenden Ausspruch des früheren Herrn Weismann (Über den Einfluß der Isolierung
auf die Artbildung, 1872, S. 56i, welcher mich trotz aller Abstumpfung durch das
Verfolgung von Schnicttoriingen durch Vögel. 275
Einmal in meinem Leben, seitdem ich darauf geachtet habe, sah
ich, wie ein Rotschwänzchen einen Weißling im Schnabel zu tragen
schien, der am Abend nach einem sehr regnerischen Tage soeben träge
durch einen Garten geflattert war — vielleicht hatte der Vogel an diesem
Tage keine bessere Beute erhaschen können und war hungrig.
Wie sich Vögel gegenüber auf dem Boden sitzenden Schmetterlingen,
Weißlingen, Bläulingen und Hesperia comma in einem besonderen Falle
verhielten, habe ich in meiner >Entstebung der Arten« erzählt: eine
Schmetterlingsschlacht, als deren Ergebnis sich erwies, daß die Körper
der Falter offenbar eben durch ihre Flügel vor den Schnabelhieben der
Vögel sogar im Sitzen geschützt, von diesen in den meisten Fällen gar
nicht erwischt werden konnten.
Und in jedem Frühjahr, wenn sich Vanessa urticae, pohjchloros und
lo mit ausgebreiteten Flügeln auf den Arabisblüten wiegen, welche ich
in weichen Polstern in meinem Garten für die Bienen gepflanzt habe,
während die zahlreiche, durch Verfolgung der Katzen dort geschützte
Vogelwelt hin und wieder fliegt, ohne je einen Falter zu belästigen, werde
ich fortan der >' fiktiven« Idee des Geschütztseins der Schmetterlinge durch
Zeichnung und Farbe zu gedenken Gelegenheit haben.
Ich habe viele Schmetterlingsfreunde und wiederholt auch meine Zu-
hörer gefragt, ob sie Verfolgung von Schmetterlingen durch Vögel be-
obachtet hätten. Nur vereinzelt konnten solche Fälle mit Bestimmtheit
namhaft gemacht werden. Einer meiner Zuhörer sagte mir, daß die Enten
mit Vorliebe Weißlinge fangen und fressen.
Hören wir, was Beobachter der Schmetterlingswelt aus den Tropen
berichten.
Herr E. Hartert 1) sagt auf Grund von Reisen in Ostindien: er möchte davor warnen,
Gewöhntsein an den W^echsel und die Widersprüche in den Ansichten seines eige-
nen und meines heutigen Gegners, billig überrascht hat:
»Daß Vögel sich mit dem Fange der Schmetterlinge im Fluge abgeben, geschieht
in unsern Breiten gewiß nur ausnahmsweise, und auch Libellen werden nur wenigen
gefährlich werden. Wenn aber auch zahlreichere Feinde die Tagfalter im Flug be-
drohten, so würde doch keinerlei Färbung ihrer Flügel ihnen Schutz gewähren können,
da die dunkelste wie die hellste Farbe gleichmäßig vom blauen Himmel oder von den
wechselnden Farben der Erde absticht und die Flugbewegung allein genügt, um den
Schmetterling nach allen Seiten hin sichtbar zu machen. Somit können schützende
Färbungen der nur beim Fluge sichtbaren Oberseite nicht erwartet werden und noch
viel weniger ganz in's Specielle gehende Anpassung der Zeichnung.«
Ich brauche dem nichts hinzuzufügen als die Frage, was Ernsthaftes in den
Schriften eines »Naturforscliers« noch gesucht werden darf, der. ohne es für nötig zu
halten, auch nur eine einzige Thatsache zur Begründung seiner Meinuugsumkehr an-
zuführen, heute die gerade entgegengesetzte Ansicht zur Grundlage eines ganzen Ge-
bäudes von folgenschweren Hypothesen macht; der ferner kein Bedenken trägt, diese
dergestalt begründeten Hypothesen einer Versammlung von Fachgenossen als Fest-
redner darzubieten und darüljer eine Abhandlung zu schreiben, in welcher er den
Gegner, der seine eigenen früheren Anschauungen vertritt, persönlich in ganz unbe-
zeichenbarer Weise angreift.
ii Bukst Hartert, Berliner Entom. Ztschr. ISSQ.
18*
276 Allgemeines über Verkleidung Mimicry) bei Schmetterlingen.
von Mimicry zu reden , wenn nicht das nachgeahmte Thier durch einen schlechten
Geruch oder Geschmack geschützt ist. So z. B. »findet eine überraschende Ähnlich-
keit statt zwischen einem Geometriden und einer Pyralide. Doherty meint nun zwar,
alle Geometriden .seien beschützt, ich aber glaube das nicht, denn ich sah sie oft von
Geckonen und Fledermäusen gefangen werden und fand sie im Magen von Nacht-
schwalben«.
Ob sie nicht »geschützt« waren und dennoch gefressen wurden?
Denn so gut wie Gerüche bei Schmetterlingen vorkommen können und
für das Geschütztsein vor Vögeln in Anspruch genommen werden, welche
wir gar nicht zu riechen vermögen oder welche für uns wohlriechend
sind, ebenso leicht kann es vorkommen, daß das, was wir an Schmetter-
lingen als Gestank empfinden, für Vögel wohlriechend oder gar nicht
riechbar oder schmeckbar ist. Diese Gerüche dienen wohl wesentlich
den Beziehungen der Falter unter sich und nicht notwendig auch Anderem.
Hören wir, was weiter ein genauer Beobachter der javanischen
Schmetterlingswelt, Herr Piepers i) erzählt:
»Un jour qu'une Eiiploea Rafflesii Moore, c'est ä dire une Danaide reputee im-
mangeable etait eclose dans mon jardin oü plusieurs chenilles de cette espece avaient
habite, je vis un oiseau (Edolius?) la prendre et la manger; le lendemain une autre
avait le meme sort. Deux fois aussi j'ai vu un moineau attaquer une Amathiisia Phi-
dippus L. Les grands papillons quoique rhopaloceres ne volent qu'ä l'heure du cre-
puscule; pendant le jour ils reposent accroches ä quelque brauche; s'il arrive qu'ils
soient chasses ils se refugient souvent tout comme les papillons nocturnes dans les
maisons et s'y posent quelque part; c'etaient de ces papillons poses bien en vue
contre un mur blanchi k la chaux que j'ai vu atlaques par des moineaux, oiseaux tres
peu timides aux Indes comme en Europe qui entrent effrontement dans les maisons
ouvertes. L'une de ces Amathusia succomba et tut mangee, l'autre toutefois reussit
encore ä se refugier dans les broussailles du jardin, quoique poursuivie de pres par
le moineau qui lui portait de violents coups de bec, mais ne touchait probablement
que ses grandes alles deployees. Ces quatre cas sont les seuls durant les
28 annces de mon sojour aux Indes oü j'ai vu des oiseaux attaquer des
papillons diurnes. Et cependant pour justifier le fait dont il s'agit ici, 11 faudrait
bien, non (jue par-ci, par-lä un papillon soit dövorc par un oiseau, mais qu'il existät une
chasse de ce genre assez genorale et commune pour que l'existence des especes non
protegees en fut menacee et qu'ainsi une evolution comme leur mimötisme pretendu
leur devint d'une grande utilite. Or, pareil etat de choses n'aurait pas pu m'echapper.
II me semble du reste que c'est bien la meme chose ailleurs. Pryer ne l'a uralt
Jamals vu pendant 20 annees de chasses ä Borneo, ni Skertchley pen-
dant 30 annees d'observation en Europe, en Asie, en Afrique et en
Amerique. Selon ce dernier le celebre entomologiste Scudder n'accepterait non plus
de ce faif';. Dans la seance sus-noramee de Londres, tenue le 3 mal 1869, Home
enumera une quantite d'insectes (|u'il avait vu manges dans l'Inde par plusieurs
especes d'animaux; parmi ces insectes 11 nomma aussi les papillons nocturnes, mais pas
les rhopaloceres. Ici en Hollande c'est encore la meme chose. Selon les observations
publiees en 1890 par Butler un petit oiseau d'Angleterre, qu'on trouve aussi chez nous,
mangeait en captivite avec plaisir des Pieris brassicae L. et des Pieris NapiL. par centaines,
mais avec cela n'observe pas ici que les oiseaux s'occupent de ces papillons quoiqu'ils
soient tres communs. Du reste quant ä l'Angleterre Jordan a bien vu quelquefois
un certain petit oiseau insectivore s'emparer d'un papillon diurne, mais Butler nous
ij Piepers: Mimetisme. Compte-Rendu des Seances du troisiemo Congres internatio-
nal de Zoologie. Leyden 1896. S. 46'i IT.
2) Annais and magazine of natural history (Serie VI vol. 3, pag. 477). On butter-
flies enemies by Sidney B. J. Skertchley.
Verfolgung von Schmetterlingen durch Vögel. 277
raconte que pendant 30 annees dans le Kent il n'a pas pu constater un
seul fait de ce genre.«
Also: die hervorragendsten Schmetterlingskundigen Eu-
ropas und der Tropen weissen nichts davon, daß Vögel in
irgend nennenswerter Weise Schmetterlinge verfolgen. Herr
Piepers beobachtete während eines 28jährigen Aufenthaltes in Indien
diesen Fall nur viermal — darunter aber waren zwei, in welchen »ge-
schützte« Schmetterlinge von Vögeln gefressen wurden!
Demnach habe ich doch recht, wenn ich den ehemaligen Herrn
August Weismann gegen den jetzigen verteidige, indem ich die Ansicht
vertrete, dass die Schmetterlinge von den Vögeln im Fluge gar nicht
wesentlich verfolgt werden und daß Zeichnung und Farbe zunächst ihrer
Oberseite keinerlei Anpassung an die Umgebung darbieten. Nachdem
aber auch das Geschütztsein von Faltern gegenüber von gelegentlichen
solchen Nachstellungen nach den Beobachtungen von Herrn Piepers sich
als eine wenig begründete Annahme erweist, so erscheint die Vor-
stellung von der durch Zuchtwahl entstandenen, sie im Fluge
schützenden Verkleidung vollends als unbegründet. Sie wäre
dies auch dann, wenn übelriechende oder schlechtschmeckende Falter von
Vögeln nicht gefressen würden, eben weil die Vögel den Schmetter-
lingen nur ganz ausnahmsweise nachstellen und sie fressen.
Die Wichtigkeit dieser einfachen Thatsache in Beziehung auf die Se-
lektionsvorstellungen des jetzigen Herrn August Weismann ergiebt sich von
selbst: sie ist für dieselben geradezu vernichtend uüd weist im besonderen
im Verein mit den über die Blattschmetterlinge von mir mitgeteilten
Thatsachen allein seine ganze Leydener Rede zusamt der »Germinal-
selektion« in den Orcus hinab.
In der That sind gerade die Tagschmetterlinge das allerungünstigste
Beweismittel für einen Selektionstheoretiker. Diese schönen Kinder des
Sonnenlichts führen ein freud- und friedvolles Dasein wie kaum andere
Tiere, denn sie haben nur wenige Feinde — um so mehr ihre Larven.
Dasselbe sagt der Entomologe P. Haunel und weiter bemerkt auch
er: die Zahl der von Vögeln vorzugsweise verfolgten Falter »beschränke
sich in der Hauptsache auf die größeren und compactereu Nymphaliden,
welche am allerwenigsten eine Vorliebe für mimetische Nachbildungen
zeigen«!). Auch J. Schilde verneint jene Verfolgung (vgl. hinten).
1) Ein langjähriger Bewohner Java's, Herr Forstmeister Adolf Seubert, hebt mir
gegenüber das langsame Fliegen gerade der Danaiden hervor, die Absonderung eines
Saftes aus dem Körper auf Berührung und ihre Zählebigkeit, beruhend auf der Härte
ihrer Chitinteile. Einmal sah Herr Seubert: nachdem er soeben Wallace's »Tropen-
welt« gelesen hatte, wie ein Vogel einer solchen Danaide nachtlog und dann, als er,
wie der Beobachter meint, sie erkannt hatte, von ihr abließ. Sonst erinnert sich auch
dieser Naturfreund, welchem unsere Sammlung sehr schöne Sendungen von java-
nischen Tieren, insbesondere von Schmetterlingen verdankt, keiner Verfolgung von
Faltern durch Vögel. Dagegen berichtet auch er von ergiebiger solcher Verfolgung
durch Eidechsen und Geckos, welche aber selbstverständlich nicht die freifliegenden
Falter wesentlich treffen wird und wobei an eine »Auslese« überhaupt nicht zu denken ist.
278 Allgemeines über Verkleidung (Mimicry) bei Schmellerlini^en.
In dem Abschnitt über Verkleidung (Mimicry) des zweiten Teiles
meiner »Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen« 'j habe
ich den vollen Gegensatz hervorgehoben, in welchem die Ansichten von
Erich Haase zu den raeinigen stehen, indem derselbe zu dem Schlüsse
kommt, die zuerst von A. W. Bates und A. R. Wallace vertretene Meinung,
daß die wunderbaren Erscheinungen der Mimicry Produkte der natür-
lichen Auslese seien, dürfe »das natürliche System der Papilioniden als
eine ihrer wichtigsten Stützen betrachten«. Warum gerade das natür-
liche System der Papilioniden, für welche ich das vollkommene Fehlen
aller Anpassung ganz besonders gezeigt habe, ist mir vollkommen uner-
findlich. Aber Herr E. Haase meinte dasselbe mit Bezug auf die Schmetter-
linge überhaupt auf Grund des großen Fehlers, daß er alle homoeogene-
tisch ähnliche Falter ohne auf ihre biologischen Verhältnisse irgend Rück-
sicht zu nehmen oder dieselben auch nur zu kennen, als mimetische
angesehen und behandelt hat.
In jenem Abschnitt meines Schmetterlingswerkes habe ich weitere
Einwände gegen die Zuchtwahlverkleidung zusammengestellt, ohne daß ich
damals zahlreiche der im Vorstehenden behandelten bezüglichen That-
sachen kannte, welche jene Einwände so sehr verstärken. So sagte ich u. a.
»Die Entstehung einer Form, welche in Kleiching eine andere nachahmt, könnte
nur entweder durch schrittweise parallel vor sich gehende gleichartige Umbildung
beider Formen geschehen sein oder durch sprungweise Entstehung beider, so daß
beide gleichzeitig, plötzlich, unabhängig von einander, dieselbe Gestaltung erlangt
hätten, oder so, daß die nachahmende ebenso plötzlich und unabhängig sprungweise
die Eigenschaften der nachgeahmten erlangte.
In allen diesen Fällen müssen Ursachen der Umbildung vorausgesetzt werden,
wie ich sie annehme — die Auslese kann ja nur eben wirksam sein, wenn schon
vorhandene Ähnlichkeiten zweier Formen einer derselben nützlich sind, sie kann
nicht solche nützliche Ähnlichkeiten hervorrufen.«
Des Weiteren besprach ich den Einwand , welchen schon Mivart
gegen die DxRwiN'schen Ansichten über Mimicry erhoben hat : die Zucht-
wahl sei nicht im Stande, zu erklären, wie die äußerst geringen, nach
allen Richtungen gehenden, beginnenden Abänderungen jemals irgend
eine so hinreichend erkennbare Ähnlichkeit mit einem Gegenstand her-
Ich möchte aber hier anfügen , daß auch beim Sitzen der Falter viel weniger irgend-
welche Ähnlichkeit mit der Umgebung für den Schutz maßgebend sein dürfte, als
Stillsitzen. Jeder Jäger weiß, wie wichtig regungsloses Stillhalten auf dem Stand
ist, weshalb auch dem jungen Unruhigen nichts anläuft. Die geringste Bewegung
verrät viel melir als sehr wenig jagdmäliige Kleidung. Dasselbe gilt für das Verhalten
des Menschen gegenüber den meisten Tieren, welche nicht täglich mit ihm in Be-
rührung kommen: einst spazierte eine Maus vor mir, als ich mich ganz ruhig hielt,
beständig mit den Tastborsten sich unterrichtend, harmlos auf den Tisch hinauf, an
welchem ich saß, und kam mir ganz nahe, bis ich zugrilf, um sie zu fassen: man
kann bei solch ruhigem Verhalten leicht jede Maus mit der Hand fangen. — Manche
Tiere sind geradezu auf die Bewegung des Opfers bei der Verfolgung angewiesen,
wie z. B. die Frösche gegenüber den Fliegen und zahlreiche andere Lurche und
Kriechtiere. Vgl. H. Kohlwey a. a. 0,
1) S. 67 ff.
Bates über Verkleidung. 279
Stellen könnten, daß die Zuchtwahl sie zu ergreifen vermöchte, um sie
dauernd zu erhalten.
In seiner Erwiderung geht Darwin nicht auf die Entstehung der
ersten Anfänge der Eigenschaften ein , welche für uns die Hauptsache
ist, sondern er geht aus von einer gewissen schon vorhandenen, wenn
auch rohen Ähnlichkeit des nachahmenden Gegenstandes mit dem nachzu-
ahmenden und weiter behandelt er diese Ähnlichkeit als rein zufällig
entstanden.
Endlich besprach ich die mit den meinigen so sehr übereinstim-
menden Ansichten Hahnel's über die sogenannte Mimicry und dessen
Ausführungen über die Ursachen der Umbildung der Formen, welche in
sehr wichtigen Grundsätzen der von mir vertretenen Entwickelungstheorie
entsprechen und dieselbe durch Thatsachen stützen, und schloß mit den
Worten: »Schrittweise gesetzmäßig und sprungweise vor sich
gehende Umbildungen, welche der Ausdruck bestimmter
En tw icklu ns;srichtuneen sind, führen zu ähnlicher Gestal-
tung und Zeichnung bei sehr verschiedenen Arten und diese
Eigenschaften, welche mit Anpassung rein gar nichts zu thun zu haben
brauchen, geben leichthin urteilenden Schriftstellern Veranlassung zur
Annahme des Vorkommens einer Überfülle von durch natürliche Zucht-
W7»hl entstandenen Verkleidungsformen« ').
Im Übrigen muß ich noch auf die einzelnen Thatsachen verweisen,
w'elche ich dort schon gegen solch' leichte Verwertung der Verkleidung
geltend gemacht habe.
Sehen wir uns aber zuletzt das Wichtigste, die Beweise an, w'clche
Bates, der Schöpfer der Lehre von der Zuchtwahl -Verkleidung für
die Entstehung derselben bei Schmetterlingen aufführt und durch welche
er dieselbe überhaupt begründet, so erscheinen auch sie sehr unzu-
länglich. Bates geht davon aus, daß die gegenseitige Ähnlichkeit nicht
ganz der Ähnlichkeit der Lebensgewohnheiten oder der Anpassung an
ähnliche physikalische Bedingungen zugeschrieben werden könne 2). Nicht
ganz. Er sagt nämlich weiter'^):
»Dies ist eine sehr schwer verständliche abstruse) Thatsache in unserer Frage,
denn ich meine, die Thatsachen ähnlicher Abartung bei zwei schon nahe verwandten
Formen zeigen zuweilen, daß sie in ähnlicher Weise durch physikalische Bedingungen
beeinflußt worden sind. Eine große Anzahl von Insekten ist in einer Ricli-
1) Am angegebenen Orte hob icli auch hervor, daß weder Erich Haase, noch
August Weismann die mit den meinigen so sehr übereinstinmienden Ansichten P. Hahnel's
erwähnen, obschon der erstere den Aufsatz Hahnel's in Beziehung auf anderes anführt
und trotzdem schon in Staudinger's »exotischen Schmetterlingen« auf jene .\nsichten
Bezug genommen ist.
Herr Weismann benutzt nur die HAASE'schen Ausführungen über Mimicry zum
Beweis für deren weite Verbreitung und für die Allmacht der Xaturzüchtung, weil
sie ihm dienen — die Gegenbeweise des Biologen , welcher im Gegensatz zu Haase
an Ort und Stelle das Lebendige beobachtet hat, kennt er nicht.
-; H. W. Bates, Contribut. to an Insect Fauna of the Amazon Valley. Lepidopt.
Heliconidae. Transact. of the Linn. Sog. of London, Vol. XXIIL pari. II. 1861.
3) S. 508.
280 Allgemeines über Verkleidung (Mimicry) bei Schmetterlingen.
tung abgeändert worden durch Bewohnen der Meeresküste i). Ich fand
auch die allgemeine Färbung einzelner sehr verschiedener Arten in gleichartiger
Weise gebildet im Inneren das südamerikanischen Festlandes. Aber dies
bedingt nicht die Nachahmung einer Art durch eine andere im Einzelnen, es be-
reit e t nur den Weg dazu vor.
Es ist vielleicht wahr, daß die Ursachen, welche eine nahe oder
mimetische Ähnlichkeit hervorrufen, nicht an Formen wirken können,
welche nicht schon eine allgemeine Ähnlichkeit haben, die wieder
auf Ähnlichkeit der Gewohnheiten, äußere Bedingungen oder auf zu-
fälliges Zusammentreffen zurückzuführen ist«.
Weiter führt Bates als Beispiel die »English Bee-Moths« (Sesien) an mit den
schmalen, spitzen Flügeln, welche sie Bienen ähnlich machen. Diese Ähnlichkeit beruhe
zweifellos auf ihren bienenähnlichen Gewohnheiten , aber nicht ebenso specifische
(Einzel-) Ähnlichkeiten.
Er glaubt, daß die specifischen mimetischen Ähnlichkeiten gegenüber Heliconiden
Anpassungserscheinungen derselben Art seien wie bei Insekten und anderen Wesen,
welche oberflächliche Ähnlichkeit mit den Pflanzen oder den unorganischen Gegen-
ständen zeigen, zwischen oder auf welchen sie leben. Die Ähnlichkeit eines Käfers
oder einer Eidechse mit der Baumrinde, auf welcher sie kriecht, könne nicht durch
dieselbe auf den Baum und das Thier wirkende Ursache hervorgebracht worden sein.
Im Folgenden führt er Beispiele von auffallenden Ähnlichkeiten von Tieren mit
anderen Gegenständen an, so den Käfer Chlamys pilula vom Amazonenstrom, welcher
vom Auge nicht zu unterscheiden sei vom Raupenkot auf Blättern. Gewisse Motten
sehen vollkommen aus wie Vergoldung auf Blättern. »Die zwei Fälle von Nachahmung
sollten sorgfältig in Rechnung gezogen werden von Solchen, welche zu der Annahme
neigen, daß mimetische Ähnlichkeit auf einfacher Variation, Schönheit oder Schmuck
beruhe 2).«
Indem nun Bates weiterhin die Erklärung der Nachahmung von Heliconiden
von Seiten von Leptaliden durch Ungenießbarkeit der ersteren aufstellt, bemerkt er
doch sofort: diese Erklärung lasse sich allerdings nicht anwenden auf
die Nachahmung von Danaid-Heliconiden durch andere Arten derselben
Unter f am ilie. Diese kommt aber oft vor und es ist häufig nicht leicht zu unter-
scheiden, welche Form die nachahmende und welche die nachgeahmte 3;. In der Regel
haben aber die ersteren weniger den allgemeinen Typus ihrer Verwandten als die
letzteren.
Die örtlichen Varietäten oder Rassen können nicht durch unmittelbare Einwirkung
physikalischer Bedingungen entstanden sein und es sei unerklärlich, wieso sie die
hübschen Anpassungen hervorgebracht haben sollten, welche dieselben zeigen. Die
Mimicry erscheint vielmehr nur verständlich auf Grund der Daravin-
schen Lehre von der Entstehung der Arten durch natürliche Zucht-
wahl.
Die Arbeit der Auswahl, welche eine Art gradweise und beständig irgend einem
anderen Gegenstande ähnlicher macht, bringe den Eindruck hervor, als ob ein
1) Dies und das Folgende ist erst von mir durch gesperrten Druck hervor-
gehoben.
2) Bates hebt hier hervorragende Fälle',von Verkleidung bei Insekten hervor und sagt,
RössLER erwähne in der Wiener entom. Monatsschrift 1861 ebensolcher und habe schon
angenommen, daß es sich dabei um Schutz vor Verfolgung handle. Sodann zählt
Westwood, Trans. Linn. Soc. Vol. XVIII. S. 419 solche Fälle auf. Ferner wies Bates
hin auf eine Mitteilung von Jos. Greene in »Zoologist« 1836 S. 5073 über die eng-
lischen Herbst- und Winter-Nachtfalter (Moths), deren Farben nach ihm den vor-
herrschenden Farben der Natur in der betr. Jahreszeit angepaßt sind.
') S. 507.
Bates über Verkleidung. 281
inneres Princip vorhanden sei, welches einen Fortscliritt in bestimm-
ter Richtung bedinge.
Es erschiene demnach, »als wenn die eigenartige Abänderung in der Species
entstanden und die Verkleidung ein vorausbestimmtes Ziel wäre ij. Dies unterstützte
die einzigen anderen Erklärungen, welche ich gehört habe, namentlich, daßes eine in
der Organisation gelegene Neigung (tendency) sein könnte, in einer
bestimmten Richtung verändert zu werden, oder daß das Eltern-Insekt
mächtig berührt durch das Verlangen, sich vor den Feinden seiner Rasse zu ver-
bergen, Eigentümlichkeiten auf seine Nachkommen übertragen könne, welche dazu
helfen, dass dieselben verändert und daß so im Laufe von Generationen die Art Schritt für
Schritt anderen Formen oder Gegenständen ähnlich werde. Aber diese Erklärungen
halten der Prüfung nicht Stand und die Erscheinungen, welche dieselben stützen, er-
weisen sich als gegenstandslos (illusorious). Diejenigen, welche ernsthaft eine ver-
nünftige Erklärung verlangen, müssen, wie ich denke, zu dem Schlüsse kommen, daß
diese anscheinend wunderbaren, aber immer schönen, wundervollen, mimetischen
Ähnlichkeiten imd daß deshalb wahrscheinlich auch jede andere Art von Anpassung
unter den Lebewesen entstanden ist durch Mittel wie die hier besprochenen.«
Sehen wir nun, welche Beweise Bates für seine Erklärung beibringt.
» Wahrscheinlich«, sagt er, » sind die Heliconiden für feind-
liche Insekten ungenießbar«. Manche (Ltjcorea^ Ituna] haben aus-
stülpbare Drüsen nahe dem After, ähnlich den Organen, welche z. B.
Carabiden und Staphyliniden schützen. »Ich habe auch bemerkt, daß frisch
setötete Arten von Danaid-Heliconiden, wenn man sie zum Trocknen
auslegt, stets in geringerem Grade der Zerstörung durch Ungeziefer aus-
gesetzt sind, als andere Insekten. Sie haben alle einen besonderen Ge-
schmack«. Bates sah sie nie verfolgt werden von Vögeln oder Libellen,
Eidechsen oder Raubfliegen 'Asilidae), »welche man sehr oft über andere
Schmetterlinge herfallen sieht.« Ferner: »Es ist nicht unwahrscheinlich
anzunehmen!!), daß einige Arten von insektenfressenden Tieren ergriffen wer-
den, während andere, welche in ihrer Gesellschaft (der Danaid-Heliconiden)
fliegen, verschont bleiben. Wegen ihrer außerordentlichen Selten-
heit konnte ich nicht sofort feststellen, ob die Leptaliden in
dieser Weise ausgenommen würden (!). Ich merkte mir aber an,
daß andere Gattungen (!) aus ihrer Familie (Pieriden) viel verfolgt wurden.
Wir haben in dem Falle der Sandwespen, welche in ihren Nestern Vor-
rat von Insekten aufhäufen, den Beweis, daß sehr allgemein eine beson-
dere Species aus zahlreichen ausgelesen wird und zwar aus einer und
derselben in der betreffenden Örtlichkeit lebenden Gattung« ... »Wir ver-
mögen nicht alle Lebensbedingungen festzustellen, welche für jede
Art bei diesen mimetischen Beziehungen maßgebend sind. Alles was wir
sagen können (!) ist dies, daß einige Arten durch ihr zahlreiches Vorkom-
men im Alter darauf hinweisen sie seien durch irgend welche Mittel
vor Verfolgung geschützt und andere, nicht so glückliche müßten daher
einen Vorteil davon haben, wenn sie für jene gehalten werden.«
Das sind die Thatsachen, auf welche Bates seine Lehre
von der Schutz-Verkleidung stützen kann! Ist es nicht ver-
1) »a predestinated goal«. Daher also wohl die »prästabilierte Harmonie«
Weismann's.
282 Allgemeines über Verkleidung (Mimicry) bei Schmetterlingen.
wunderlich, wie eine auf so schwachem Grunde aufgebaute,
zugleich so ^^"iciltige Lehre ohne weiteres za allgemeiner An-
erkennung gelangen konnte und wie man gerade den Vögeln
dabei eine so große und selbstverständliche Rolle zuschreiben
mochte? Kein einziger Beweis ist für die Berechtigung dazu bei Batks
zu finden! Man kann aus seinen Äußerungen nur erkennen, daß er
auch die Vögel als Verfolger von Schmetterlingen ansieht, aber nichts
bestimmtes darüber zu sac-en weiß. Ja, er hatte in dem unmittelbar
wichtigsten in Frage kommenden Fall, in dem mit den Lcptalis, gar keine
Erfahrung darüber, ob überhaupt Verfolgung durch insektenfressende
Tiere stattfindet, und hält es nur für »nicht unwahrscheinlich«, daß gewisse
Arten gefressen werden, andere mit ihnen fliegende nicht! Was bleibt
aber bei ihm außer den Vögeln zur Verfolgung von Schmetterlingen im
Fluge, worauf es ja gerade bei den Heliconiden ankommt, noch übrig?
Nichts als Libellen und Raubfliegen, unter welchen jedenfalls die letz-
teren größere Falter kaum werden bewältigen können. Herr Piepers
findet sich sogar veranlaßt, ausdrücklich zu sagen, man könne nicht
daran zweifeln, daß Bates wirklich die Vögel als Veranlasser des Ver-
kleidungsschutzes mitgemeint habe'). Auch hat der letztere, wie Pie-
pers hervorhebt, später, in der Sitzung der entomologischen Gesellschaft
zu London, 1864, seinen Gründen hinzugefügt, er habe oft auf den Fuß-
pfaden des tropischen Amerika eine Menge ausgerissene Schmetterlings-
flügel zerstreut gefunden und in England sehe man nicht selten Weiß-
linge von Vögeln verfolgt. In derselben Sitzung sagte A. R. Wallace im
Gegensatze zu einer Äußerung in seinem Buche über den Darwinismus,
wonach er und Bates oft ausgerissene Schmetterlingsflügel im amerika-
nischen Urwald angetroffen haben : er habe persönlich nie feststellen
können, daß Vögel öfters Schmetterlinge fangen, aber er zweifle nicht,
daß diese zahlreichen Verfolgungen ausgesetzt seien!
Weiter erwähnt Herr Piepers, Roland Tkimen erzähle, daß in Südafrika Tehitraea
cristata {viridis Müll.) und wahrscheinlich auch Dicrurus musicus Schmetterlinge
fangen. In seiner Arbeit über die Schmetterlinge Afrika's-) erzählt derselbe, daß er
in England gesehen habe, wie eine Schwalbe einen Weißling verfolgte, und bringt
eine Mitteilung von M. Belt, welcher in Brasilien eine Anzahl insektenfressender
Vögel beobachtet habe, wie sie in Zeit von einer halben Stunde mehrere Arten von
Schmetterlingen fmgen und dieselben ihren .lungen brachten, die zahlreich vorhan-
denen Heliconiden aber verschonten 3).
Man kenne noch einige vereinzelte Fälle, in welchen Schmetterlinge von Vögeln
gefangen worden seien, sagt Herr Piepers weiter; das seien aber alle bekannten be-
züglichen Thatsachen. Im Malayischen Archipel habe Wallace also nichts derartiges
beobachtet und in der That komme es auch in Java und in Celebes nur sehr selten
vor. Ausgerissene Schmetterlingsflügel beobachtet zu haben glaube auch er sich
dunkel zu erinnern von Nachtschmetterlingen, welche sicherlich viele Vögel mit Genuß
verzehren und auf welche besonders Fledermäuse mit Leidenschaft Jagd machen —
1) A. a. 0. S. 463.
-) Roland Trimen: On some mimetic analogies among African buttertlies. Trans-
actions of the Linnean Soc. of London Vol. XXVI.
3) M. Belt: Westminster and Foreign Quarterly Review for July 1867. Article L
Verfolgung von Schmetterlingen durch Vögel. 283
aber so selten, daß er dessen kaum sicher sei. Nach einer Beobachtung von Trimen
rühre die Erscheinung aber nicht von Vögeln, sondern von großen Mantis her.
Dennoch kann die Beobachtung von Bates richtig sein, fährt Herr Piepers fort:
was sich in Indien nicht ereignet , kann sich in Amerika ereignen und gerade die
Morphiden, welche er verfolgt werden sah, und welche in Java selten, seien in den
von Bates besuchten Gegenden häufig. Aber das habe für die Verkleidungstheorie
keine Bedeutung wenn sich herausstelle, daß die Thatsachen, auf welche die-
selbe begründet sei, fürvlndien nicht gelten, könne sie auch für Afrika und Amerika
nicht angenommen werden.
Es bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung, daß die
so überaus spärlichen und unbestimmten Angaben über Ver-
folgung von Schmett;?rlingen im Fliegen durch Vögel, welche
auch hier wiederum und insbesondere von Bates selbst ge-
macht wurden, es nicht entfernt rechtfertigen, darauf die
berühmte Schutz-Ve rkleidungstheorie aufzustellen. Gerade
diese spärlichen Angaben, die Not, mit welcher einzelne unbedeutende,
in ihrer Wirkung vollkommen sesenstandslose Fälle von solcher Verfol-
eune zusammengetragen werden, zeisjt, daß diese Theorie für die flie-
genden Tagschmetterlinge, auf welche sie aufgebaut und für welche sie
zugeschnitten worden ist, gänzlich außer Betracht bleibt. Bemerkenswert
ist, daß für Europa wiederholt Fälle von Verfolgung von Weißlingen
durch Vösel berichtet werden und daß man sich darauf zu Gunsten der
Theorie stützen will. Nun weiß aber doch Jedermann, daß, wenn auch
solche vereinzelte Fälle vorkommen, gerade bei den Weißlingen eine
Verfolgung durch Vögel oder durch Insekten im Fliegen jedenfalls so
selten stattfindet, daß diese Falter, welche in Folge ihres trägen Fluges
und des häufigen sich Niederlassens auf Nahrungspflanzen so überaus
leicht zu verfolgen sind, sich eines sehr ungestörten Daseins erfreuen
und daß jedenfalls von einer auf Verfolgung beruhenden Auslese keine
Rede oder, um mit dem ehemaligen Herrn August Weismann zu reden,
daß »kein Gedanke- daran sein kann. Man könnte im Gegenteil, wie
ich schon hervorhob, eher annehmen, daß gerade die Weißlinge unge-
nießbar seien — wenn nicht thatsächlich auch die übrigen Tagfalter sich
derselben Sicherheit vor Verfolgung jedenfalls während des Fliegens er-
freuten, so weit wenigstens, daß auch bei ihnen keinem nüchternen Men-
schen ein Gedanke an Auslese dabei kommen kann. Wie unberechtigt es
ferner ist, aus auf dem Boden gefundenen Flügeln von Schmetterlingen
ohne weiteres etwa auf Verfolgung derselben während des Fluges zu
schließen und was für besondere Bewandtnis es damit überhaupt haben
kann, dies beweist die von mir gemachte, in meiner »Entstehung der
Arten I« mitgeteilte bezügliche schon vorhin erwähnte Beobachtung, zur
Stütze meiner Ansicht, daß die Falter während ihres Fluges
durch die Flügel geradezu vor dem Schnabelgriff der Vögel
geschützt seien, indem diese eher ein Stück aus dem Flügel-
herausbeißen, als den Körper fassen werden. Den Fall erzählte
ich des Näheren also']:
1) M. »Entstehung der Arten« 1 8. 127.
284 Allgemeines über Verkleidung (Mimicry) bei Schmetterlingen.
An einem heißen Sommertag ging ich auf der Hochebene der schwäbischen
Alb. Weit und breit war kein Wasser zu sehen gewesen. An einer Stelle des Feld-
wegs aber lief über diesen der Ausfluß eines kleinen Quells. Hier saßen Hunderte
von Schmetterlingen, lauter Weißlinge und Blaulinge, dicht gedrängt nebeneinander,
eifrig trinkend. Bei meiner Annäherung flogen zahlreiche Vögel (Steinschmätzer, von
der Stelle auf, und als ich näher trat, fand ich eine Menge von zerfetzten Schmettei"-
lingen am Boden liegen und herumflattern : den meisten waren Stücke aus den Flügeln
herausgebissen, letztere waren oft ganz zerfetzt worden, ehe die Vögel dazu gelangten,
den Körper der Schmetterlinge zu erwischen — trotzdem diese ruhig am Boden
saßen. Und nur weil sie am Boden gesessen waren, hatten sie sie erwischen können!
Ich maß hinzufügen, daß sich unter den Schmetterlingen zahlreiche
befanden, deren Körper fast noch ganz vorhanden, während die Flügel
zerfetzt waren: entweder hatten die Vögel den ersteren gar nicht voll-
ständig zu erfassen vermocht oder sie trieben überhaupt nur grausames
Spiel mit den Faltern, indem sie die gebotene günstige Gelegenheit dazu
benutzten.
Im Übrigen ist es nicht unwahrscheinlich, daß den Vögeln ein Stück
Schmetterlingsflügel im Schnabel ebenso lästig und unangenehm, weil oft
schwer entfernbar sein dürfte wie Spinnwebe oder jene wachsartigen Erzeug-
nisse auf der Haut von Schnabelkerfen, wie z.B. den Blutläusen [Schizoneura
lanigera), welche dadurch vor den Nachstellungen der Vögel offenbar
geschützt sind. Man kann ja oft beobachten, wie schwer die Vögel solcher
Stoffe sich zu entledigen vermögen, wenn ihr Schnabel einmal mit dem-
selben in Berührung gekommen ist^).
Bates ist immerhin darin weitherzig und vorurteilslos sienue, daß er
für manche Fälle unmittelbare äußere Einwirkungen als Ursache der
Eigenschaften von Faltern anerkennt. Er giebt für bestimmte Fälle
[Mechanitis Polymnia] auch bezüglich der Heliconiden zu^), daß die ört-
lichen Bedingungen die Zunahme einer oder der anderen Abänderungen
auf Kosten von anderen in einem Bezirk begünstigt haben konnten,
da die ausgelesenen in verschiedenen Bezirken verschieden sind.
Auf den östlichen Abhängen der Anden, sagt er, ändert Mechanitis Polymnia
sehr ab und in den Thälern derselben kommen bemerkenswerte Lokalformen des
Falters vor, welche man als Arten beschrieben hat. Manche, wie M. Macrinus, M.
Menophilus sind unzweifelhaft Varietäten, aber andere, wie M. Mothone, M. ^lenapis
sind schärfer abgegrenzt und haben das Aussehen von wirklichen Arten. »Der Schluß
ist unabwendbar, daß diese . . . Arten ebenso wie die wirklichen Varietäten Abän-
derungen sind; denn wir haben die Arten in allen Abstufungen: einfache Abänderung,
Ortsabänderung, kaum von ersterer unterscheidbar, vollkommene Orts-Abart und gut
gekennzeichnete Rasse oder Art. Die in Südbrasilien gefundenen Formen von M. Po-
1) Es ist anzunehmen, daß die Schwalben mit ihrem weiten .Schnabel noch
am ehesten zum Fangen von Schmetterlingen befähigt sind. In der That hat C. Fickert,
wie er mir erzählt, einen solchen Fall beobachtet, der aber freilich wieder etwas
Ungewöhnliches an sich hatte: derselbe ließ aus dem oberen Stockwerk des Hauses
eine frisch ausgeschlüpfte Vanessa cardui hinausfliegen, diese erhob sich hoch in die
Luft und wurde alsbald von einer Schwalbe ergriffen. Es ist dies wiederum der
einzige Fall von Verfolgung eines Schmetterlings durch einen Vogel, welchen auch
dieser Beobachter gesehen hat.
2) S. 5H und 530.
Bates über Verkleidung. 285
lytnnia bestätigen dies. In Rio Janeiro wird die gut gekennzeichnete Rasse oder Art
M. Lysimnia allein gefunden, in Bahia Indem man sich der Heimat der typischen
M.Pohjmnia zuwendet) M. Lysimnia in Gesellschaft von M. Nesaea, einer genau zwischen
M. Polymnia und 31. Lysimnia stehenden Form; zuPernambuco (weiter nordwärts] kommt
M. Nesaea allein vor; zu Para sieht man diese Form nicht mehr und .1/. Polymnia in
ihrem typischen Kleid beherrscht das Feld.«
Das sind also Fälle, welche ganz mit den von mir zuerst bei der
Mauereidechse und dann in der »Artbildung und Verwandtschaft bei den
Schmetterlingen« beschriebenen übereinstimmen und welche meine Auf-
fassung von der Entstehung der Arten mit Beziehung auf die geogra-
phische Verbreitung durchaus bestätigen und bei genauerer Untersuchung
auch im Einzelnen rechtfertigen werden , denn es handelt sich dabei
offenbar wieder um nur durch äußere Einflüsse angeregte Ent-
wicklungsrichtungen, wie sie überhaupt bei der Kleidung der Heli-
coniden und ihrer »Nachahmer« in augenblicklichem Flusse befindlich
überall zu erkennen sein werden, wenn man die Thatsachen auf Grund
meiner Auffassungen näher verfolgt. Solche Untersuchung verspricht auch
noch wichtige besondere neue Gesichtspunkte zu bieten.
Bates fügt hinzu: »diese Thatsachen scheinen zu lehren, daß in die-
sem und in ähnlichen Fällen eine neue Art als Orts-Abarl (Lokal-Varie-
tät) entsteht, gebildet in einem gewissen Bezirk, wo die Bedingungen für
sie günstiger sind als für die typische Form, und daß eine große Zahl
solcher gleichzeitig als Umbildung einer abändernden weit verbreiteten
Art auftritt . Also eine volle Übereinstimmung mit meinen eigenen Fol-
gerungen.
Aber an einer anderen Stelle') sagt er: die Orts-Abarten oder Rassen können
nicht durch unmittelbare Einwirkung der physikalischen Bedingungen erzeugt sein,
weil in begrenzten Gebieten, wo diese Bedingungen die gleichen sind, die verschiedenen
Abarten zusammen gefanden werden. Dagegen hebt er an einer anderen Stelle'-) wieder
hervor, es könne nicht ohne weiteres gesagt werden, daß eine Form an ihrem Wohn-
ort entstanden sei, weil Wanderungen berücksichtigt werden müssen.
Die ganze Frage bekommt aber ein anderes Gesicht, wenn man be-
denkt, daß außer den äußeren Einflüssen auch die stoffliche Zusammen-
setzung des Körpers, die Constitution, für die Art der Umbildung maß-
gebend ist, und wenn man ferner berücksichtigt, daß die Ursachen der
letzteren wohl nicht in erster Linie bei den Faltern, sondern bei den
Raupen zu suchen sein werden.
Ein Organismus ist als ein ungemein feines und empfindliches phy-
sikalisch-chemisches Compositum aufzufassen, mit außerordentlich feiner
individueller Eigenart, welche auf bestimmte kleinste äußere Einflüsse
hin äußerlich sehr auffallende Umbildungen erfahren kann, die andere
Male, bei scheinbar vollkommen gleichen Wesen, ausbleiben. Daß dem
so ist, zeigt wieder die Einwirkung künstlicher Wärme und Kälte und
zeigt in der freien Natur u. a. die Entstehung des Papilio Turnus Glaucus Q.
Aber, abgesehen hiervon: daß Auslese unter den Schmetterlingen
nicht die Ursache der Ähnlichkeit der Falter verschiedener Familien sein
ij S. oM, 512. -') S. 530.
2S6 Allgemeines über Verkleidung (Mimicry) bei Schmetterlingen.
kann, beweist, wie bereits hervorgehoben, allein schon der hohe Grad,
die feine Ausführung solcher Ähnlichkeit ins Einzelne hinein, wie sie zum
Schutze, zur Erzielung von Täuschung vollends im Fluge, wo die Ein-
zelheiten gar nicht unterschieden werden können, und gegen-
über von anderen Thieren als Verfolgern, wie etwa Raubfliegen und
Libellen, aber auch gegenüber von Vögeln, wenn diese thatsächlich solche
wären, unbedingt nicht notwendig ist.
Zu Allem hin haben wir gesehen, daß die Ausbildung der ähnlich
machenden Eigenschaften der sogenannten Nachahmer sogar über das
»Vorbild« hinausgehen kann, und es ist wahrscheinlich, daß weitere
Untersuchung eine größere Zahl solcher Fälle aufdecken wird, wodurch
zuletzt der Stiel umgedreht würde, indem die »geschützten« Falter als
»Nachahmer« der ungeschützten erscheinen, wie dies thatsächlich in den
schon jetzt hervorgehobenen Fällen gegeben ist. Übrigens ist ein einziger
solcher Fall schon lautredend genug.
Hier möchte ich noch die Bemerkung von Bates anführen, die Ähn-
lichkeiten scheinen specifischer in tropischen Gebieten, als in Europa zu
sein und es sei wahrscheinlich, daß die Nachahmenden in nördlichen
Gebieten nicht immer mit ihren Modellen zusammen gefunden werden.
Es sei möglich, daß die geographischen Beziehungen hier durch die
großen klimatischen und geologischen Wechsel gestört worden seien
(S. 507). Es gilt aber, wie wir sahen, dasselbe auch für tropische Formen.
Warum, fragt Bates ferner, sind mimetische Ähnlichkeiten so zahlreich
und genau bei niederen, so selten und wenig genau bei höheren Tieren?
die einzige Antwort sei die, daß Insekten vielleicht einen höheren Grad
von Specialisierung erlangt hätten, als die meisten anderen Klassen. Es
scheine dies auch gezeigt durch die Vollkommenheit ihrer angepaßten
Bauverhältnisse und ihres Instinkts. — Daß endlich Verkleidung in tro-
pischen Gebieten häufiger sei als in gemäßigten, sei dort vielleicht auf
größere Mitbewerbung zurückzuführen und auf die raschere Folge der
Generationen. Ich meine dagegen: die Mitbewerbung, der Kampf ums
Dasein, ist doch wohl umgekehrt im mageren kalten Norden größer, als
in den Tropen. Dagegen ist die physiologische Thätigkeit, das organische
Wachsen in den eingeborenen Wesen der tropischen Gebiete ein lebhaf-
teres und wird sich so leichter in Umbildung der Gestaltung äußern.
Weil für die Tagschmetterlinge Zeichnung und Färbung im Kampf ums
Dasein keine Bedeutung haben, können sie sich unbehindert auf Grund
der im Organismus und außerhalb desselben gegebenen Bedingungen
entfalten. Die Fähigkeit solche Feinheit der Zeichnungsmuster und der
Farbe hervorzubringen wird allerdings in der Eigenart des ersteren liegen.
Bates weist indessen auf zwei wundervolle Fälle von Verkleidung
bei Vögeln hin, welche Wallace beschrieben hat: Mimeta Bouroensis
[Oriolidae) und Tropidorhynchus n. sp. [Meliphagidae). Bourou, und Mimeta
Forstini und Tropidorhynchus subcarinatus, Ceram.
Ich erinnere dazu an die Übereinstimmung der Zeichnung unserer
Elster [Pica caudata) und der von Turdus mitidanaensis, des Austernfischers
Bates über Verkleidung. 287
[Haematopus ostrealegus) and des schwarzen Storches, des Sperbers [Astur
nisus) und Sylvia nison'a, des ersteren und des Kukuks im quergestreif-
ten grauen Kleide, abgesehen von der großen Ähnlichkeit des Kleides
der verschiedensten Vögel, welche eben durch die verschiedenen Zeich-
nungsstufen bedingt ist.
Endlich sei darauf hingewiesen, wie ein Blick auf die zwei der
BATEs'schen Schrift beigegebenen Tafeln beweist, daß die Zeichnung und
Farbe sämtlicher, dort als Nachahmer und nachgeahmte abgebildeter
Falter die Züge uns wohlbekannter Entwicklungsrichtungen zeigen.
Die auf Grund ebenso bestechender wie unzulänglicher und unrich-
tiger Voraussetzungen aufgestellte Lehre von der durch Zuchtwahl ent-
standenen Ähnlichkeit ungeschützter, genießbarer Schmetterlinge mit
geschützten, ungenießbaren, welche Darwix »an excellent illustration of
Ihe principle of natural selection« genannt hat'), wird durch die Erklä-
rung der Orthogenesis aller genetischen Beziehungen zur Zuchtwahl
entkleidet, ganz ebenso wie die Ähnlichkeit anderer Falter mit einem
dürren Blatte: überall handelt es sich in der Ähnlichkeit um den Aus-
druck bestimmter Entwicklungsrichtungen.
Merkwürdig genug ist die Thatsache, daß homoeogenetisch ähnliche
Formen nicht nur zusammen, sondern daß sie in sehr verschiedenen Gebie-
ten, ja in verschiedenen Erdteilen jede für sich vorkommen können. Es ist
dies viel merkwürdiger als das, was die Verkleidungslehre bisher voraus-
gesetzt hat und verlangen muß, nämlich daß beide zusammen leben und
untereinander fliegen, denn die Ähnlichkeit zusammenlebender Formen
legt die Erklärung der Entstehung der Ähnlichkeit durch Einwirkung
äußerer Verhältnisse wie Klima, Nahrung viel näher. Dennoch ist nicht
ausgeschlossen, daß in ganz verschiedenen Gebieten Einflüsse herrschen,
welche auf die jeweils gegebene Constitution in wesentlich der gleichen
Weise wirken. Hier aber liegt ein neues Feld für die Untersuchung und
die Experimente werden hier vielen Aufschluß zu geben vermögen. So
viel aber dürfen wir wohl jetzt schon sagen: die Thatsachen weisen
darauf hin, daß die Constitution bei der ganzen Umbildung die maßge-
bendste Rolle spielt und daß die äußeren Reize in sehr wesentlichen
Fällen nur den Anstoß zu derselben geben.
Im Übrigen weisen allein die Fälle von vollkommener Ähn-
lichkeit zwischen Kleinschmetterlingen mit um das zehn- und
mehrfache größeren Großschmetterlingen auf die gänzliche
Unhaltbarkeit der Zuchtwahl-Verkleidungslehre in ihrer bis-
herigen Anwendung hin.
Was das Zusammenleben, das Zusammenfliegen von ähnlichen Faltern
angeht, so ist die bisher ohne weiteres gemachte Annahme, dasselbe
beruhe auf Schutzbeziehungen, auch aus anderen Gründen anfechtbar.
Abgesehen davon, daß eben dieselbe Lebensweise den Anstoß zur
Herstellung von Ähnlichkeiten geben kann, wobei die Ähnlichkeit also
ii Darwin. Origin of spec. 4th ed. 1864. S. 506.
288 Allgemeines über Verkleidung (Mimicry) bei Schmetterlingen.
die Folge des Zusammenlebens sein wird, wofür in der That bei
»mimetischen« Faltern Vieles spricht — so gerade bei Heliconiern und
ihren Nachahmern — abgesehen davon ist noch ein anderer Gesichtspunkt
zu berücksichtigen, nämlich der, daß ähnliche Tiere, besonders in der
Farbe ähnliche, sich gern zusammen thun, von anderen Verwandten
sich trennen. Ich habe solche Beobachtung schon vor Jahren an der
gewöhnlichen Mauereidechse und ihrer Verwandten, der Lacerta muralis
coerulea vom Faraglione-Felsen gemacht und beschrieben ^) und Heinrich
Kohlwey'2) hebt hervor, daß Tiere verschiedener Rassen sich oft zusammen
halten, wenn sie in der Färbung übereinstimmen :
»Unter einer Glucke ließ ich Kücken verschiedener Rassen ausbrüten,
bei dieser Gelegenheit sah ich, daß die Tiere sich nach Farben und nicht
nach Rassen vereinigten, als sie sich umhertrieben. Ähnliche Beobach-
tungen findet man verzeichnet bei Neubert^).«
Es ist mir wichtig zu bemerken, daß auch Bates eine Zuneigung
zwischen farbenähnlichen Schmetterlingen hervorhebt und dieselbe für
die Zuchtwahllehre verwertet. Bates sagt^):
The process of the creation of a new species believe to be acce-
lerated in the Ithomiae and allied genera by the streng tendency of the
nsects, when pairing, to select none but their exact counterparts: this
also enables a number of very closely allied ones to exist together, or
the representative forms to live side by side on the confines of their
areas, without amalgamating«.
Ich zweifle nicht daran, daß die Ähnlichkeit auch für die geschlecht-
liche Mischung von Bedeutung sein wird: es muß sich aber dabei um
schon ausgesprochene Ähnlichkeit handeln, wenn auch nicht um genaue
(»exact«) ins Einzelne gehende. Die kleineren erst im Werden begriffenen
Eigenschaften, welche sich doch thatsächlich orthogenetisch weiter bilden
und zuletzt maßgebend werden, können durch geschlechtliche Auswahl
nicht begünstigt werden. Weiteres über diesen Gegenstand später.
Wenn man nach Vorstehendem die Äußerungen Darwin's über Ver-
kleidung liest und die Erklärung, welche er für ihre Entstehung zu geben
versucht, so wird man zugeben, daß damit nichts gesagt ist, was meine
auf Thatsachen beruhenden Ansichten erschüttern könnte.
Darwin ">) will die Schwierigkeit der Erklärung der ersten Schritte
im Proceß der Nachäffung durch natürliche Zuchtwahl dadurch beseitigen,
»daß der Proceß wahrscheinlich vor langer Zeit bei Formen seinen
1) Zoolog. Studien auf Capri, Lacerta muralis coerulea.
-] H. KoHLWEY a. a. 0.
3; Aug. Neubert, Die Arten der deutschen Farbentauben und ihre Zucht. Leipzig,
Expedition der »Geflügelbörse«.
4; Bates, Heliconid. S. 307.
5) Darwin, Abstammung des Menschen, Stuttgart Schweizerbart 1878, L S. 423.
Darwin über Verkleidung. 289
Anfang nahm, welche in der Färbung einander nicht unähnlich waren. In
diesem Falle wird selbst eine geringe Abänderung von Vorteil sein, wenn
die eine Species dadurch der anderen gleicher gemacht werden wird;
später kann die nachgeahmte Species durch natürliche Zuchtwahl oder
durch andere Mittel bis zu einem extremen Grade modificiert worden sein«.
Man sieht, daß das keine Erklärung für die Entstehung der ersten An-
fänge der Ähnlichkeit ist, denn sie setzt diese Ähnlichkeit schon voraus —
also immer wieder dasselbe Herumgehen um den Kern der Schwierigkeit.
Da aber Darwl\, wie aus der später folgenden Behandlung seiner
Ansichten über geschlechtliche Zuchtwahl hervorgeht, anderwärts für die
Schmetterlinge jede Bedeutung von Farbe und Zeichnung für den Nutzen
und da er somit die Entstehung derselben durch natürliche Zuchtwahl
vollkommen zurückweist, so fällt seine Verteidigung und Erklärung der
Verkleidung bei diesen Tieren von selbst und brauchte darauf nicht weiter
Rücksicht genommen zu werden. Indessen ist mir doch bemerkenswert,
daß Darwin fortfahrend sagt: »Waren die Änderungen stufenweise, so
können die Nachahmer leicht denselben Weg geführt worden sein, bis
sie in einem gleicherweise extremen Grade von ihrem ursprünglichen
Zustande abwichen«. Die Führerin soll, wie aus dem vorhergehenden
Satze hervorgeht, die natürliche Zuchtwahl sein, sie soll die
stufenweisen Änderungen hervorgebracht haben, welche Darwin
wiederum zur Erklärung der Wirkung geschlechtlicher Zuchtwahl, wie
wir sehen werden, z. B. beim Argusfasan, in Anspruch nimmt, wo er
natürliche Zuchtwahl ausschließt und die stufenweise Umbildung als »zu-
fällige« Voraussetzung für die Möglichkeit der Wirksamkeit der ge-
schlechtlichen Zuchtwahl hinstellt.
Wäre stufenweise Abänderung im Sinne bestimmt gerichteter gesetz-
mäßiger Entwickelung , als Ausdruck organischen Wachsens, hier wie
dort als Hauptsache der Umbildung von Darwin erkannt, so wäre der
Boden gewonnen worden, auf welchem ich stehe. Allein jene Spur einer
Anerkennung stufenweiser Abänderung wurde von Darwin nur aufgestellt
zur Unterstützung seiner Zuchtwahllehre,
Weiter aber erinnert Darwin daran, »daß viele Species von Lepi-
dopteren sehr gern beträchtlichen und plötzlichen Abänderungen in der
Farbe unterliegen«, und fügt hinzu: »einige wenige Beispiele sind in
diesem Kapitel mitgeteilt worden; noch viel mehr sind in Herrn Bates'
und Herrn Wallace's Abhandlungen zu finden«.
Es ist sehr merkwürdig, daß Darwin, einmal aufmerksam auf That-
sachen der sprung weisen Entwickelung, dieselben nicht mehr verfolgt
und für seine Zuchtwahllehre verwendet hat.
In seiner »Entstehung der Arten«') versucht Darwin die Einwände
Mivart's bezüglich der Entstehung der ersten Stufen der Verkleidung
durch Zuchtwahl in derselben unzulänglichen Weise zu widerlegen. Die
bezügliche Äußerung Mivart's ist auch sonst wegen ihrer Übereinstimmung
1) Siebente Auflage, Schweizerbart 1884. S. 251 ff.
Eimer, Orthogenesis. 49
290 Allgemeines über Verkleidung (Miraicry) bei Schmetterlingen.
mit meinen Auffassungen bemerkenswert. Derselbe saj^t: »Da nach Herrn
Darwin's Theorie eine konstante Neigung zu einer unbestimmten Varia-
tion vorhanden ist und da die äußerst geringen beginnenden Abände-
rungen nach allen Richtungen gehen werden, so müssen sie sich zu
neutralisieren und anfangs so unstete Modificationen zu bilden streben,
daß es schwierig, wenn nicht unmöglich ist, einzusehen, wie solche un-
bestimmte Schwankungen kleinster ') Anfänge jemals eine hinreichend
erkennbare Ähnlichkeit mit einem Blatte, einem Bambus oder einem an-
deren Gegenstände zu Stande bringen können, so daß die natürliche
Zuchtwahl sie ergreifen und dauernd erhalten kann«.
Darwin erwidert: > Aber in allen den vorstehend angeführten Fällen
boten die Insekten in ihrem ursprünglichen Zustande ohne Zweifel eine
gewisse allgemeine und zufällige Ähnlichkeit mit einem gewöhnlich an dem
von ihnen bewohnten Standorte zu findenden Gegenstande dar«.
Also: die nützliche Ähnlichkeit war schon da — die Zuchtwahl hat
sie höchstens vielleicht noch verbessern können. Das ist der Schluß, auf
welchen wir an der Hand der Thatsachen immer wieder zurückkommen.
Darwin führt des Weiteren »die beinahe unendliche Zahl umgebender
Gegenstände und die Verschiedenartigkeit der Form und Farbe bei den
Mengen von Insekten, welche existiren« in's Feld und fährt fort: »Wenn
man annimmt, daß ein Insekt zufällig ursprünglich in irgend einem
Grade einem abgestorbenen Zweige oder einem vertrockneten Blatte ähn-
lich war und daß es unbedeutend nach vielen Richtungen hin
variierte, dann werden alle die Abänderungen, welche das Insekt über-
haupt nur solchen Gegenständen ähnlich machten und dadurch sein Ver-
bergen begünstigten, erhalten werden, während andere Abänderungen
vernachlässigt und schließlich verloren sein werden; oder sie werden,
wenn sie das Insekt überhaupt nur dem nachgeahmten Gegenstande
weniger ähnlich machen, beseitigt werden. Herrn Mivart's Einwand
würde allerdings von Belang sein, wenn wir die angeführten Ähnlich-
keiten unabhängig von natürlicher Zuchtwahl durch bloße fluctuierende
Abänderung zu erklären versuchen wollten; wie aber die Sache wirklich
steht, ist sie von keinem Belang.«
Man sieht, die ganze Ausführung Darwin's fällt mit dem zufäll ieen
Abändern nach vielen Richtungen: in Wirklichkeit entstehen aber
die angeführten Ähnlichkeiten offenbar unabhängig von der natürlichen
Zuchtwahl auf Grund von gesetzmäßig nach wenigen Richtungen hin
stattfindendem Abändern. Dies zeigen allein schon unsere Schmetterlinge.
Bemerkenswert ist besonders, in welchem Gegensatz die An-
schauungen Darwin's immer und überall zu bestimmt gerichteter Ent-
Wicklung überhaupt stehen und daß er, wenn er zu seinen allgemeinen
Schlüssen kommt, das sonst wohl beigezogene »stufenweise Abändern«
vollkommen außer Acht läßt, ja daß er dieses nicht einmal zu der
ist das schreckliche Wort, das hiefür gebraucht wird.
Brunner von Wattenwyl über Verkleidung. 291
doch von ihm erwähnten^), bestimmt gerichteten Entwicklung
in Beziehung bringt! Ebensowenig legt er auch dabei weiter Gewicht
auf die von ihm im Vorbeigehen berührten plötzlichen Umbildungen. Und
doch ist es, wie schon hervorgehoben, selbstverständlich die sprung-
w^eise Entwicivlung, Halmatogenesis, welche mit einem Schlag alle
Schwierigkeiten der Entstehung von Verkleidung, zugleich vielleicht mit
Beihülfe von Zuchtwahl, im Sinne der Erhaltung des Passendsten erklären
könnte -).
Bei den von uns behandelten Schmetterlingen haben wir aber ge-
sehen, daß jedenfalls bei weitaus den meisten Arten die Erzeugnisse
der Halmatogenesis in keiner Weise zur Zuchtwahl in Beziehung treten.
Gerade bei den Kallima ist das Abändern ein allmähliches.
Sehr bemerkenswert zur Frage sind Schlußfolgerungen, welche der erfahrene
Entomologe Herr Biunner von Wattenwyl aus Thatsachen gezogen hat 3).
Derselbe bebt hervor, wie die Erklärung der Farben (und Zeichnungen und
aller anderen zum Dasein entbehrlichen Eigenschaften durch geschlechtliche Zuchtwahl
bei der »luxuriösen Farben- und Formen-Entv*ickelung jener niedrigen Tiere, bei
welchen eine geschlechtliche Bewerbung gar nicht stattfindet« , nicht angewendet
werden könne. So »bei den Raupen der Schmetterlinge, deren Zeichnung und Färbung
irgend so brillant sind wie bei dem Argusfasan«. Indem Herr Bkunner vom Boden des
Darwinismus ausgeht, bezeichnet er solche »Ästhetik der Schöpfung von dem Stand-
punkte des Darwinisten aus« als eine Hyper teile, d. i. ein über das Ziel Hinaus-
gehen. Auch »viele geradezu abstoßende und unsinnige Formen« , wie das Geweih
des Hirschschröters, dann auch die oft ins Kleinliche gehende Symmetrie der Organe,
welche nicht zum Kampf ums Dasein notwendig sei, gehöre hierher. Dann auch die
Mimicry. Man begreife den Schutz der Nachahmung eines dürren Blattes. »Allein
es bleibt unerklärlich, warum der Distelfalter auf seinen Hinterflügeln, die Raupe des
Wein- und Oleanderschwärmers am Kopf oder am Hinterleib die gleiche Zeichnung
trägt wie der Argusfasan auf den Federn, oder warum europäische Blumen den
Schnitt und die Farbe tropischer Schmetterlinge nachahmen«.
Die so häufige UnvoUkommenheit der Symmetrie in Fäi'bung und Zeichnung sei
durch Hypertelie zu erklären, ebenso wie Alles, was uns schön erscheint.
Sodann wird darauf hingewiesen, was besonders Nageli für die Pflanzen betont
hat, wie wenig gerade systematisch wichtige Eigenschaften für die Function von Wert
seien. Es wird u. a. erwähnt, daß Fach-Autoritäten das System gewis-er Insekten-
familien auf die Form des Flügelgeäders gründen. »Die Anwesenheit einer Querader,
die stärkere oder schwächere Krümmung derselben sind maßgebend für die Klassifi-
cation. Niemand wird behaupten, daß diese Formen von irgend einer Wesenheit
für die Lebens-Existenz seien, und dennoch ist ihre Heranziehung zur Klassification
unzweifelhaft ein glücklicher Gedanke, denn es liegt in der Erscheinung eine hart-
näckige Konsequenz.«
»Vor wenigen Wochen teilten uns die Botaniker unserer Gesellschaft mit, daß
Pflanzen, welche in Folge des Ausbleibens des Winterfrostes nicht absterben, unge-
wohnte monströse Entwickelungen annehmen, deren Gesetze zwar, wenn ich mich
1; Vgl. vorn Seite 97.
2) Mit Beziehung auf Vögel sagt Darwin in dieser Sache (Abstammung des
Menschen II. 1878 S. 1 1 6 : »Plötzliche und stark markierte Abänderungen sind selten;
auch ist es zweifelliaft, ob sie, wenn sie wohlthätig sind, durch Zuchtwahl häufig er-
halten und auf spätere Generationen überliefert werden.«
3 c. Brünner von Wattenwyl: Über die Hypertelie in der Natur. Verh. d. k. k.
zool. bot. Ges. in Wien IS73. S. 133 ff. Derselbe: Über hypertelische Nachahmungen
bei Orthopteren, ebenda 1883.
19*
292 Allgemeines über Verkleidung (Mimicry) bei Schmetterlingen.
so ausdrücken darf, in der Idee der Pflanze gelegen sind, aber unter normalen Ver-
hältnissen nicht zur Manifestation gelangen«.
Ebenso -entstehen die panachierten Blatter, die gefüllten Blüten »nach bestimm-
ten Gesetzen, die, in der Pflanze schlummern bis zu dem Augenblicke, wo eine äußere
Anregung die Erscheinung erweckt. Die Natur hat eine Fülle von Formen in petto,
welche zur Ausführung kommen, sobald die äußeren Bedingungen es gestatten.«
Die Mehrzahl der typischen organischen Formen seien wohl nach den Gesetzen
der Notwendigkeit und Nützlichkeit construiert, eine beträchtliche Zahl aber beruhe
auf dem Gesetz der Manchfaltigkeit ohne Nutzen.
Die Hypertelie beruhe auf bestimmten Gesetzen. »Die zierlichen Farben der
Schwanzfedern des Argusfasans entwickeln sich stets nur an bestimmten Stellen und
gruppieren sich nach bestimmten Gesetzen. Es ist eine in der Idee des Insekts liegende
Notwendigkeit, daß solche Eigenschaften an ganz bestimmten Stellen entstehen, und
»eben darum sind die daraus entlehnten Speciescharaktere vollkommen berechtigt«.
Brunner meint: das Genus sei der Inbegrifl' aller jener Charaktere, welche ein
Organismus durch die Notwendigkeit annimmt, »die Species dagegen entsteht dadurch,
daß der Organismus, seiner ideellen Ausbildung nachstrebend, durch Hypertelie die
Formen potenziert « i).
»Die Gesetze, nach welchen die Organismen nach diesen beiden Richtungen sich
umändern, sind allerdings bis jetzt kaum geahnt. Wenn sie einmal aufgerollt sein
werden, so geben sie uns die wissenschaftlichen Anhaltspunkte zur Ivlassiücation nach
Genus und Species, eine Einteilung, welche dermalen als eine instinktive der einzelnen
Naturforscher bezeichnet werden muß.«
In seiner zweiten Aljhandlung bezeichnet Herr Brunner von Wattenwyl die
Hypertelie als einen weit über die Notwendigkeit hinausgehenden Kraftaufwand. Die
bezüglichen Thatsachen machen, sagt er, den Eindruck, als ob außer der Sorge für
die Erhaltung der Species noch ein anderes Element aufträte, »welches ganz unab-
hängig von der Zweckmäßigkeit lediglich als Ausdruck einer zügellosen Phantasie
auftritt«. Sodann bespricht er zwei Orthopteren und bildet sie ab, bei welchen die Nach-
ahmung anderer Gegenstände weit über das Notwendige hinausgeht: die ungeflügelte
Laubheuschrecke Myrmecophana fallax aus dem Sudan , welche eine Ameise nach-
ahmt, und das Genus Pterochroza unter den Laubheuschrecken aus dem nördlichen
Südamerika, dessen Arten Blätter nachahmen. Darunter ist ein grünes Blatt, dessen
äußerer Teil in ungleicher Ausdehnung zu beiden Seiten der Mittelrippe von Chloro-
phyll befreit ist, wie es durch Insektenfraß vorkommt, und außerdem ist darauf die
Thätigkeit einer kleinen Minirraupe nachgeahmt. Auf zwei solcher Blätter sind un-
gleich große Flecke vorhanden, auf welchen das Chlorophyll fehlt, glashell, wie durch
Insektenfraß hervorgebracht. Also Verhältnisse, wie sie ähnlich auch auf den einem
Blatte ähnlichen Kailima zu beobachten sind.
In einem diese Schrift begleitenden Schreiben an mich bemerkt Herr Brunner
VON Wattenwyl, er befasse sich nun seit zwanzig Jahren mit dem Studium der Fär-
bung der Insekten und stimme mit Überzeugung meiner Ansicht bei, daß dieselbe
nicht von der Zuchtwahl abhängt. »Die Zuchtwahl hat keinen anderen Einfluß als in
einzelnen Fällen mit schwerem Kampfe und auf entsetzlich schwerfällige Weise zu
Gunsten des Kampfes um's Dasein in die Entwickelungsgesetze einzugreifen«.
1) Ich brauche nicht hervorzuheben, daß meine Auffassungen nicht in Allem sich
mit denen des Herrn Brunner von Wattenwyl decken. So ist ein solcher Unterschied,
wie er von ihm zwischen Genus und Species aufgestellt wird, selbstverständlich
nicht haltbar: der Schwanz ist Eigenschaft des Genus canis und ist nicht notwendig.
Vieles Andere aber, was Brünner berührt, erscheint als eine Vorahnung dessen, was
ich als Ausdruck allgemeiner Gesetzmäßigkeit vorführe. Brunner beschäftigt sich
eben mit Thatsachen und ward durch sie auf die richtige Spur geführt.
VIII.
Gesetzmäfsige verschiedenstufige Zeichnung und Farbe auf
den verschiedenen Flügelflächen der Tagschmetterlinge.
»Fortgesetzte, vieljährige Versuche hahen
mich belehrt, daß itamerfort wiederholte Phrasen sich
zuletzt zur Überzeugung verwirklichen und die Organe
des Anschauens völlig ahstumpfen.a
Goethe.
Es besteht eine bestimmte Zeichnangs- und Farbenfolge
zwischen der Unter- und der Oberseite der Tagschmetterlinge
und häufig auch eine bestimmte solche Folge zwischen hinten
und vorn. Zeichnung und Farbe gehen dabei im Wesentlichen
Hand in Hand, d. h. ursprünglicheren Zeichnungsstufen ent-
sprechen in der Regel auch ursprünglichere Farbenstufen.
Dabei ergeben sich folgende Hauptsätze:
1 ) Unter- und Oberseite sind annähernd oder ganz gleich. Die
Gleichstufigkeit, wie ich dieses Verhältnis nenne, kommt in zweierlei
Weise vor:
a) auf ganz niederer Stufe der Entwicklung, vorzüglich
in Fällen, in welchen sehr ursprüngliche Längsstreifung vorhanden ist,
wie bei niederen Nymphaliden [Megalura Berania) und Papilioniden
{Papilio Älebion, Glycerion u. a.), auch bei Satyriden.
b) auf sehr hoher Stufe der Ausbildung, bei den Arten
und Familien, welche den höchsten Grad derselben in Farbe und Zeich-
nung erreicht haben. Es werden im Folgenden hinreichend Beispiele
hierfür gegeben werden. Jetzt sei nur darauf hingewiesen, daß einige
der höchststehenden Familien, wie Eryciniden, Danaiden, Heliconiden
und Hesperiden, die meisten Falter mit Gleichheit von Unter- und Ober-
seite aufweisen.
2) In weitaus den meisten Fällen haben wir Verschieden-
stufigkeit, und zwar steht die Unterseite in Zeichnung und
Farbe gewöhnlich auf tieferer Stufe als die Oberseite. Die
Thatsachen zeigen, daß die Oberseite der Unterseite gewöhnlich nicht
nur in der Umbildung voranschreitet, sondern daß dieselbe ihre
Eigenschaften oft zuletzt auf die Unterseite überträgt.
294 Gesetzmäßige verschiedenstufige Zeichnung u. Farbe auf d. versch. !• lügelll. u. s. w.
Dadurch entsteht eben bei höheren Formen wieder Gleichartigkeit
beider Flügelflächen.
Die Thatsache, daß die Umbildung überall beruht auf dem Auftreten
höherer bezüglicher Zeichnungsstufen, zuerst auf der Oberseite, während
die Unterseite sich stets auf tieferen Stufen hält, zeigt sich in folgender
Weise. Bei Vorhandensein der ursprünglichen, längsgestreiften Grund-
zeichnung auf der Unterseite, deren Spuren sich bei allen Familien nach
Obigem am häufigsten hier nachweisen lassen, trägt die Oberseite etwa
den Mittelfeld- oder irgend einen höheren Zeichnungstypus. Ist unten
ein Mittelfeld ausgebildet, so trägt die Oberseite irgend eine höhere
Zeichnungsstufe, wie insbesondere ein ausgebildetes Innenfeld, auch
Schrägband u. s. w. Dieselbe Folge ergiebt sich auf beiden Seiten bei
höher stehenden Verwandten gegenüber den tiefer stehenden. Das
Gleiche gilt für Farbenstufen.
Dabei gilt also durchaus nicht, daß immer der nächsthöhere Typus
auf der Oberseite gegenüber der Unterseite oder bei den nächst höher
entwickelten Verwandten erscheint, vielmehr tritt häufig irgend ein
noch höherer Typus, vielleicht sprungweise auf.
Von der Farbenfolge soll alsbald gesprochen und hier nur voraus-
geschickt werden, daß meistens wiederum die Oberseite zuerst Farben
bestimmter höherer Stufe annimmt, welche dann in zweiter Linie auf
der Unterseite auftreten können und zwar gleichfalls, wie wir alsbald
sehen werden, in gesetzmäßiger Weise.
Die ganze Umbildung führt zuletzt, bei höchstentwickelten
Formen, zu Gleichseitigkeit in Einfachheit der Zeichnung und
Farbe, bezw. zu beiderseitiger Einfarbigkeit.
Die auf den ersten Blick auffallend erscheinende Thatsache, daß
einerseits die auf der niedersten Zeichnungsstufe stehenden Tagfalter,
andererseits diejenigen, welche die höchsten Stufen von Zeichnung und
Farbe erreicht haben, Gleichstufigkeit zeigen, während das große Heer
der dazwischen stehenden Falter auf der Oberseite weiter fortgeschritten
ist als auf der Unterseite, erklärt sich eben daraus, daß die letztere
zunächst auf tieferer Stufe stehen bleibt, während die Ober-
seite voranschreitet, daß dann diese, nachdem sie ein be-
stimmtes Ziel erreicht hat, in der Entwicklung still steht,
während die Unterseite ihr nachfolgt, bis sie dieselbe Stufe
wie die Oberseite erreicht hat.
3) Auf der Unterseite schreiten häufig die Vorderflügel
den Hinterflügeln in Zeichnung und Farbe voran: während auf
letzteren noch die ursprüngliche düstere, graue, lehmgelbe oder matt-
braune Farbe und oft noch Längsgrundbinden erhalten geblieben sind,
haben die ersteren einen höheren Zeichnungstypus, und zwar den der
Oberseite, und zugleich deren Farbe angenommen, oder sie sind gegen-
über den Hinterflügeln vorgeschritten, aber auf einem tieferen Typus
als der der Oberseite es ist, und auf etwas tieferer Farbenstufe stehen
geblieben. In diesen Fällen haben wir, je nachdem die Oberseite beider
Die einzelnen Fälle von Verscliiedenstufigkeit. 295
Flügelpaare gleich oder wiederum verschiedenstufig ist, Drei- oder Vier-
stuligkeit.
Beispiele für ersteren Fall bieten u. a. viele unserer Vanessa-Arten.
Es sind diese Eigenschaften der Unterseite der Vorderflügel
hier offenbar von der Oberseite her übertragen worden.
4) In einzelnen Fällen kommt es vor, daß die Unterseite der
Hinterflüs;el in schöner Zeichnung und Färbuim besonderer
neuer Art der Unterseite der Vorderflügel vorangeht.
Gewisse vorgeschrittene Zeichnungen, wie die Ringzeichnung, haben
überhaupt nur auf der Unterseite der Hinterflügel ihren Sitz. Hier
bilden sich auch meist die schönsten Augenflecke aus und hier tritt
meist zuerst die Fächerzeichnung auf. Auch Silberglanzflecke und
andere Silberglanz-Zierden haben hier allein ihren Sitz, so bei Argynnis-
Arten.
Solche zuerst auf der Unterseite der Hinterflügel auftretende Zeich-
nungen werden zum Teil auf die Oberseite derselben über-
tragen (Rieselung, Augenflecke, Fächerzeichnung), aber auch auf die
Vorderflügel (infero-superiore und postero-anteriore Umbildung).
ö) Auf der Oberseite gehen die Hinterflügel den Vorder-
flügeln in Farbe und Zeichnung voran, seltener umgekehrt.
Im Übrison beruht die Verschiedenheit der Zeichnung auf der
Oberseite der Vorderflügel einerseits und der Hinterflügel an-
dererseits wesentlich auf der Verschiedenheit der Flügelgestalt. Vorn
haben wir damit in Zusammenhang Eckfleck-, Schrägband-, Uyale-Zeich-
nung u. a., hinten mehr Mittelfeldreste, bezw. Innenfeld, dann Randbinden-
flecke und Aueenflecke. Wenn dazu, wie so häufis, vorn gegen hinten
verschiedene Farben auftreten oder entweder vorn oder hinten Einfarbig-
keit erscheint, so bekommen wir einen auffallenden Gegensatz im Aus-
sehen der beiden Fiügelpaare. Oft sind dabei die Vorderflügel einfarbig
geworden, in der großen Mehrzahl der Fälle aber die Hinterflügel.
Diese sind es, auf welchen auch schon bei den längsgestreiften Segel-
faltern die Grundbinden zuerst verloren gehen, wodurch Einfarbigkeit
in der Grundfarbe auftritt. Meist erscheint aber die Einfarbigkeit der
Hinterflügel in dunkler oder schwarzer, häufig auch in blauer Farbe.
Es handelt sich hier also um postero-anteriore Umbildung.
6) In manchen Fällen besteht eine unabhängige Umbildung der
Unter- und der Oberseite in der Weise, daß beide nach verschie-
dener Richtung zu hoher Ausbildung vorschreiten: divergierende
Entwickelung. Beispiele hierfür sind vor allem die hochgebildeten
Morphiden, oben mit blaustrahlender Einfarbigkeit, unten mit aus Grund-
binden hervorgegangener trübfarbiger Zeichnung, aber mit prachtvoll
ausgebildeten Augenflecken; sodann Brassoliden, unten mit Rieselung und
ebensolchen Augen, endlich die unten reich mit Augen geschmückten,
oben häufig einfarbigen Salvriden und Lvcaeniden. Auch die Kallinui
und andere Blattschmetterlinge gehören hierher.
296 Gesetzmäßige verschiedenstutige Zeichnung u. Farbe auf d. versch. Flügelll. u. s. w.
Es giebt nun selbstverständlich verschiedene Fälle von Zweistufig-
keit, indem a) die Unterseite, vorn und hinten gleich, der Oberseite,
vorn und hinten gleich, entgegenstehen kann oder b) Unter- und Ober-
seite oben und unten einerseits auf den Hinterflügeln und andererseits
auf den Vorderflügeln verschiedene Eigenschaften haben. Der erstere
Fall findet sich vorzugsweise bei Nymphaliden, der zweite bei vielen
Papilioniden.
Weiter ergeben sich verschiedene Arten von Entstehung der Drei-
und Vierstufigkeit, welche später behandelt werden sollen.
Zuletzt, bei ganz vorgeschrittenen Formen, erreicht also die Unter-
seite, die Entwicklung nachholend, die Oberseite. Derselbe Ausgleich
kann zwischen hinten und vorn stattfinden, und so entsteht zuletzt
wieder Gleichstufigkeit, nur eine ganz andere als die, welche den Aus-
gangspunkt der ganzen Umbildung al)gab: dieser bot die elf Grund-
binden und zwar in heller, oft unscheinbarer Grundfarbe, besonders
lehmgelber, bräunlicher oder graulicher Mischfarbe; das Endergebnis der
Umbildung besieht in leuchtenden Farben mit Schrägbandzeichnungen
und endlich in blauer oder schwarzer Einfarbigkeit, wie im Folgenden
gleichfalls des Näheren gezeigt werden soll.
Farbeiifolge.
Es besteht, was merkwürdiger Weise so wenig wie die übrigen
hier behandelten Gesetzmäßigkeiten vor mir bemerkt worden zu sein
scheint, eine wichtige Farbenfolge bei den Tagschmetterlingen, wie ein
Blick auf Abbildungen aus einer Familie, in welchen die Falter von
beiden Seiten, wie sie auf den SiAUDiNGER'schen Tafeln und auf jenen
meiner »Artbildung und Verwandtschaft« dargestellt sind, zeigen wird.
Aber allerdings nicht jede Familie zeigt die Farbenfolge gleich häufig.
Selbstverständlich zeigen sie nicht diejenigen Falter, welche schon die
höchste Stufe der Ausbildung erreicht haben und welche dement-
sprechend auf beiden Seiten gleich gezeichnet und gefärbt sind, sondern
am besten diejenigen, deren Flügel sich teilweise auf unteren Stufen
der Entwicklung auch in Beziehung auf die Zeichnung befinden, denn
Farbe und Zeichnung gehen, wie schon bemerkt, in der Um- und
Ausbildung im Wesentlichen Hand in Hand.
So läßt sich die Farbenfolge mit am besten erkennen bei Lycaeniden
und bei Nymphaliden, wo die Dreistufigkeit der Zeichnung oft so aas-
gesprochen ist.
Die am tiefsten stehenden Farben sind Weiß, Grau oder Grau-
bräunlich, wie es so vielfach auf der Unterseite der Taaschmetter-
linge und besonders auf den Hinterflügeln vorhanden ist, auch dann
wenn die Oberseite glänzende Farben trägt, und welche ferner bei
wenig vorwärtsgeschrittenen Tagschmetterlingen auch auf der Oberseite
Farbenfolge. 297
vorkommen können, wo sie bei Microlepidopteren und Heteroceren herr-
schend sind.
Oft sind diese Farl>en bei den Tagfaltern auf der Unter- und zu-
weilen auch noch auf der Oberseite zugleich mit Längsstreifung in den
Grundbindeu vorhanden. Eine große Ausnahme machen die Seeelfalter
mit ihrer gelben Grundfarbe.
Die nächst höhere Farbe, welche gleichfalls zumeist auf der Unter-
seite, häufiger auf der Unterseite der Vorderflügel vorkommt, ist,
außer Grau, Lehmfarben bis Matt-Gelblich, dann folgt ein mattes
Braun, Rotbra un oder Braun, auch Gelbrot, Braunrot und Schwarz.
Andererseits entsteht Schwefel- oder Citronengelb, Rotgelb, Gelb-
rot, leuchtend Rot, Blau oder aber Grün, Blau, endlich Blau-
violett, Schwarz.
Weiß erscheint teilweise sehr ursprünglich, so iu den Zeichnungen
der Oberseite, wo es auf höherer Stufe durch andere Farben ersetzt
wird; es tritt aber vielfach, besonders als Gesamtfärbung, erst in späterer
Folge auf und handelt es sich dann offenbar um ein Verbleichen oder
um ein Zurücktreten der Farbe überhaupt.
Rot giebt es nach Vorstehendem zweierlei: ein tieferstehendes,
mit Braun zusammenhängendes und ein hochstehendes, welch letzteres
meist leuchtend, glänzend ist wie beim Feuerfalter [Polyommatus Phlaeas),
im Schrägband des Admirals [Vanessa AtalaJita], besonders aber bei den
höchsten Nymphaliden, den Agrias^ CaUicore u. a., und es giebt über-
haupt also zwei Farbenreihen, deren eine aus Grau bezw. Lehm-
farben zu Braunrot (d. i. ein bräunliches Rot) führt, die andere
von Gelb zu leuchtendem Rot und Blau oder von Gelb über
Grün zu Blau.
Das leuchtende Rot kann aber wieder ein Gelbrot oder ein Violettrot
sein. Das letztere ist das höhere. Rotgelb (Oranienrot) steht in Ver-
bindung mit Gelb und geht fast überall aus diesem hervor, wie z. B.
bei so vielen Pieriden, wo Weiß, Citronengelb und dieses Rotgelb sich
vertreten.
Auch die anderen höchsten Farben sind meist leuchtend glänzend,
so Blau und Violett, zuweilen auch Grün.
Den Schluß der Farbenreihe bildet Schwarz, insofern als dasselbe
oft an die Stelle von Blau oder Violett tritt, wie bei manchen Nym-
phaliden.
In weitaus den meisten Fällen beherrscht nun also eine
tiefer stehende Farbe die Unterseite, eine höher stehende die
Oberseite. Und nicht selten folgen die Farben in denselben Stufen
wie die Zeichnung: hinten unten, vorn unten, oben. Es giebt auch hier
auffallende wirkliche und scheinbare Ausnahmen, welche, wie wir sehen
werden, sich zum Teil schon nach Maßgabe unserer jetzigen Kenntnisse
leicht erklären lassen.
298 Gesetzmäßige verschiedenstufige Zeichnung u. Farbe auf d. versch. Flügeltl. u. s. w.
Im Folgenden will ich einige Beispiele von Farbenfolge geben').
Die schönsten und einfachsten zeigen Lycaeniden. Viele sind zwei-
stufig zwischen unten und oben: meist unten grau, oben blau, violett
oder schwarz, auch grün; manche sind unten grau oder gelblich, oben
grün oder schwärzlich; andere unten grün, oben blau oder violett, auch
schwärzlich.
Manche werden dadurch dreistufig, daß die Unterseite der
Flügel verschieden geworden ist, meist in der Weise, daß sich die Farbe
(und Zeichnung) der Oberseite der Vorderflüge] wenigstens teilweise auf
die Unterseite derselben übertragen hat.
Vierstufig ist z. B. Sitho7i Ravindra'^) mit sehr schöner Zeichnungs-
und Farbenfolge mit der Formel 1 .2.4.3, wenn
1 die Unterseite der Hinterflügel,
21 die Unterseite der Vorderflügel,
3 die Oberseite der Hinterflügel,
4 die Oberseite der Vorderflügel
bezeichnet. Bei diesem Falter ist die Oberseite der Hinterflügel am vorge-
schrittensten, fast einfarbig blau, dann folgt die Oberseite der Vorder-
flügel mit rotem Schrägband, dann die Unterseite der Vorderflügel mit
Übertragung eines rotbraunen Farbentones von oben her. Am tiefsten
steht die Unterseite der Hinterflügel: weißlich mit schwarzen Binden-
stücken als Resten der Grundbindenzeichnung. Es ist dies ein typischer
Fall für hochstehende Formen auch anderer Familien.
Unter den Nymphali den besonders zeigen die hochstehenden
Ägrias- und Catagramma-Arten''-) dieselbe vierstufige Farbenfolge, nur
ist dort zuweilen die Unterseite der Hinterflügel eigenartig vorgeschritten
und deren Farbe ist schon um etwas höher als bei den Lycaeniden:
grau und grün oder gelb und grün. (Auch Rot und Blau kommt hier
ausnahmsweise, wie bei Papilioniden, als Schmuck vor.) Die Hauptsache
ist die, daß auch hier die Oberseite der Hinterflügel fast die höchste
Farbenstufe (Blau) erreicht hat, die der Vorderflügel die nächst höchste
(glänzendes Rot), daß dieses matter auf die Unterseite der Vorderflügel
übertragen worden, während die Unterseite der Hinterflügel meist erst
auf der Stufe von Grau, Gelb, Grün angelangt ist.
Sehr schön vierstufig in derselben Farbenfolge sind Junonien, wie
Junonia Lavinia und Oenone^) u. a. unter den Nymphaliden. Dann
MysceUa Cecida^): oben hinten und vorn in verschiedener Weise schwarz
und blau, unten vorn eine Stufe tiefer: rot, hinten grau mit Rot u. s. w.
Dreistufig ist unter den Nymphaliden in Farbe u. a. Temen is
Laothoa% unten hinten graurötlich, unten vorn ockergelb, oben braunrot,
Catacjramma Kolymu, unten hinten grau und grün, unten vorne mit Rot,
1) Weitere solche Beispiele vergleiche man in der bezüglich des Geschlechts-
Dimorphismus später gegebenen Zusammenstellung.
■\ Staud. Taf. 95. 31 vgl. St. Taf. 57. 42. *) St. Taf. 37.
5) St. Taf. 41. 6) gx. Taf. 41.
Farbenfolge. 299
oben blau und schwarz u. s. w. Überall: 1 .2.(3.4), die Klammer
bedeutet, daß die Oberseite beider Flügel ungefähr auf derselben Stufe
steht.
Zahlreiche andere Nymphaliden sind im Sinne der gegebenen Farben-
folge zwischen unten und oben zweistufig: (1 . 2) . (3 . 4).
Bei Pieride n^j erscheint Weiß als spät aufgetretene Eigenschaft
häufig dadurch, daß die Hinterflügel unten noch gelb, während die
Vorderflügel unten und die ganze Oberseite weiß sind oder daß die
Unterseite beider Flüeel selb, die Oberseite weiß oder daß nur die
Oberseite der Hinterflügel weiß ist. Vereinzelt kommt es auch vor,
daß die Oberseite der Hinterflügel gelbe, die der Vorderflügel weiße
Farbe zeigt: es handelt sich in dieser Gruppe eben um verschiedene
Stufen von Fortschritt und Rückbildung.
Zweistufig sind hier zwischen unten und oben (I . 2) . (3 . 4) in
dem erwähnten Sinne z. B. verschiedene Pieriden, welche unten gelbe,
oben weiße Grundfarbe haben.
Dreistufig mit noch ursprünglichen Zustand in roten oder
gelben Zeichnungen oder Färbungen zeigender Unterseite der Hinter-
flügel sind verschiedene Pieriden zu nennen, insbesondere Delias-
Arten. Dann umgekehrt, mit Übertragung von gelbroter Farbe der
Oberseite auf die Unterseite der Vorderflügel, während die Unterseite
der Hinterflügel erst gelb ist: Colias VaiUieri-) u. a.
Viele andere Beispiele wären hier zu nennen, auch solche, welche
sich auf Rückbildung beziehen.
Vierstufig ist z. B. Delias nigrina^).
Unter den Papilioniden sind zweistufig in Farbe und zwar im
Sinne von (1 . 2) . (3 . 4): unten mit Rot, oben mit Blau, Papüio
Deiphontes^]^ Ridleyanus^) und viele Segelfalter und Schwalbenschwänze,
unten matter als oben, desgleichen zahlreiche andere.
Viele, und zwar die höher stehenden, sind dagegen zwischen hinten
und vorn zweistufig (unten und oben in der Hauptsache gleich (1 .3) (2.4)).
So Papilio Hector, Rhodifer, Nicanor^) u. a.
Ebenso giebt es drei- und vierstufige, häufig im Sinne matterer
Färbung auf der Unterseite, in anderen Fällen auf Grund verschiedener
Färbung nach der Farbenfolge.
Dagegen treten bei Papilioniden, ebenso wie bei anderen Faltern,
auf der Unterseite der Hinterflügel zuweilen hochstehende Farben auf,
z. B. in der Prachtbinde.
Wir haben also bei Lycaeniden und Nymphaliden, ebenso bei
niederen Papilioniden die Zweistufigkeit (1 . 2) (3 . 4), bei den höheren
Papilioniden dagegen (1 . 3) (2 . 4). Beide geben verschiedenen Aus-
gangspunkt für Drei- und Vierstufigkeit.
Die niedere Zweistufigkeit der Farbe, bei welcher die Unterseite
1) vgl. Staud. Taf. 16—23. 2) St. Taf. 22. 3) St. Taf. 20.
4) St. Taf. 5. ö, St. Taf. 6. «) St. Taf. 3.
300 Gesetzmäßige verschiedenstufige Zeichnung u. Farbe auf d. versch. Flügelfl. u. s. w.
der Oberseite gegenübersteht (I . 2j (3 . 4), kommt nun ferner ausge-
sprochen vor bei Morphiden, Brassoliden, Satyriden, Eryciniden. Unter
den letzteren sind viele gleichstufig, indem zuletzt die Farbe der Ober-
seite auf die Unterseite übertragen und die der Hinterflügel auch auf
den Vorderflügeln herrschend geworden ist. Noch mehr ist dies bei
Hesperiden der Fall.
Die höhere Zweistufigkeit der Farben (1 . 3) (2 . 4) ist abgesehen
von Papiiioniden selten, indem bei Gleichheit der Farbe zwischen unten
und oben meist doch der Farbenton der Unterseite besonders der Hinter-
flügel ein matterer oder die Farbe eine etwas tiefer stehende ist als die
der Oberseite. Beispiele giebt es hauptsächlich bei Satyriden^) und
Eryciniden sowohl für diese Zweistufigkeit als für die durch das letzt-
erwähnte Verhalten eutstandene Dreistufigkeit.
Aber noch in zwei anderen hochstehenden Familien ist die höhere
Zweistufigkeit häufig, nämlich bei Danaiden und Heliconiden, während
schon hier in vielen Fällen und dann auch bei den hochstehenden
Eryciniden und bei den Hesperiden Gleichstufigkeit auftritt.
Manche Heliconiden zeigen wie Pieriden zuweilen noch Reste hoch-
stehender Farbe auf der Unterseite der Hinterflügel, wodurch Dreistufig-
keit oder Vierstufigkeit entsteheu kann.
Außerdem giebt es die verschiedenen Arten der Drei- und Vier-
stufigkeit auch in der Farbenfolge, wie sie für die Zeichnung be-
schrieben werden sollen, in einzelnen Familien.
Es wurde schon erwähnt, daß auf der Unterseite der Hinterflügel,
abgesehen von jenen Heliconiden und Pieriden, zuweilen rote und blaue
Schmuckfarben vorhanden sind, während sie oben fehlen. In seltenen
Fällen kommen solche glänzende Farben auch in größerer Ausdehnung
auf der Unterseite vorzüglich der Hinterflügel vor, so bei manchen
Eryciniden 2), wo, wie z. B. bei Ancyluris Inca, zuweilen auch die Ober-
seite der Hinterflügel eine höhere Farbe hat als die der Vorderflügel
und dieselbe wie die der Unterseite: Blau gegen Gelb. Hier handelt
es sich um Erscheinungen der Heterepistase: das Gelb der Oberseite der
Vorderflügel ist die Farbe eines Schrägbandes, und wir werden alsbald
noch darauf zurückkommen, daß die Bänder überhaupt meist auf tieferer
Farbenstufe stehen bleiben, als die übrige Flügelfläche. Das Blau der
Unterseite der Hinterflügel erscheint zuweilen als von oben übertragen
oder, wie auch Rot, als hohe schon hier erreichte Stufe, während die
Oberseite z. B. schon schwarz ist — worüber alsbald mehr — oder
es kann sich auch um Mischfarbe dabei handeln.
Alle einzelnen Fälle kann ich hier nicht erklären und alle lassen
sich auch wohl noch nicht erklären — genug, daß es sich dabei um
Ausnahmen handelt.
1) Staud. Taf. 77. ' 2) St. Taf. 89. 90.
Farbenfolge. 301
Auf Grund der geschilderten Farbenfolge ist es nun auch verständ-
lich, daß auf denselben Flügeln oder auf derselben Seite oder
an demselben Falter überhaupt vorherrschend nur gewisse
Farben vereinigt sind.
So Weiß und Gelb und wieder Gelbrot und zuletzt Rot bei vielen
Papilioniden und Pieriden , auch Heliconiden und helikonier-ähnlichen
Faltern. So in vielen Fällen Gelb und Grün, bei Papilioniden: Ornitho-
ptera Richmondia, 0. Croesus, Teinopalpus imperialis^), bei manchen Heli-
coniden, bei Nymphaliden in größerer Zahl, auch bei Lycaeniden [Ogyris
Genoveva'^) j Hesperiden.
Dann wieder Grün und Blau, wie bei verschiedenen Lycaeniden,
oder Blau und Schwarz allein oder mit Grün.
Ferner ist in die Augen fallend die so häufige Zusammenstellung
von Rot mit Blau, wie sie z. B. bei vielen hochstehenden Nymphaliden,
Agrias, Catagramma u. a. herrschend ist und in den Randbinden und
Augenflecken von Papilioniden so oft vorkommt.
Indessen muß überall auch hier berücksichtigt werden, daß ver-
schiedenstufige Entwicklung scheinbar die Gesetzmäßigkeit sehr
stören kann. Hauptsächlich sind es kleinere Zierden, wie Randbinden
und Augenflecke in schönen Farben, welche besondere Färbung zeigen
können: die aufgestellte Regel soll zunächst nur auf die Gesamt-
färbung bezogen werden. Aber auch darin giebt es erhebliche Aus-
nahmen.
Indessen werden sich, wie schon berührt, manche solcher Aus-
nahmen, in welchen also z. B. die Unterseite der Hinterflügel schönes,
auffallendes Rot hat, während dieses sonst oben und unten fehlt,
dennoch durch die Gesetzmäßigkeit der Farbenfolge wohl schon jetzt er-
klären lassen.
Wenn z. B. die Q von Perrhyhris Lorena und P. Pyrrha helikonier-
ähnlich schwarz-rot-gelb, die (^ aber, weiß geworden, nur noch Reste
der helikonier-ähnlichen Zeichnung und Farbe in schwarz-rot-gelben Quer-
strichen auf den Hinterflügeln tragen, so darf wohl, wie früher ausge-
führt wurde, angenommen werden, daß die roten Wurzelflecke und
Binden, welche bei Delias-Arten auf der Unterseite der Hinterflügel vor-
kommen'^), einen ähnlichen Ursprung haben, d. h. daß sie von ursprüng-
lich bunteren Faltern herstammen mögen, denn die Färbung in Gelb
und Weiß, wie sie bei fast allen diesen Faltern, abgesehen eben von
jenem Rot, vorherrscht, ist bei den Pieriden überhaupt der Ausdruck
einer neuen Entwicklungsrichtung.
Einen ähnlichen roten W^urzelfleck bei übrigens grünlicher, blauer
und schwarzer Farbe hat z. B. die Nymphalide Callühea Leprieurü*), bei
deren nahen Verwandten Batesia regina'^) und Ägeronia Ämphinome^)
die Unterseite der Hinterflügel ganz oder fast ganz rot ist. Auch andere
1) Staud. Taf. 14. 2i St. Taf. 96. 3i vs:!. St. Taf. 19. 20.
a'
*) St. Taf. 43. 5) ebenda. 6; St. Taf. 44.
302 Gesetzmäßige verschiedenstufige Zeichnung u. Farbe ;\uf d. versch. Flügelfl. u. s. \v.
Ageronia- Arien haben noch Reste solcher roten Wurzelflecke, während
sie im übrigen blau oder schwarz geworden sind.
Wie erklärt sich dies auf dem Wege gesetzmäßiger Farbenfolge?
Batesia regina wie Ageronia Amphinome haben auf der Oberseite und
auf der Unterseite der Vorderflügel die höchsten Farbenstufen: Blau und
Schwarz erreicht. Diesen Farben folst nach unten in der Reihe leuchtend
Rot, welches so vielfach auf den Vorderflügeln hochstehender Falter, be-
sonders Nymphaliden, auftritt, während die Oberseite der Hinterflügel
die höhere Stufe Blau erreicht hat. Wenn nun bei regina und ximphi-
nome alles übrige blau und schwarz geworden ist, sollte nicht das Rot
der Unterseite der Hinterflügel dadurch erklärt werden, daß es als die
nächst niedere Farbenstufe jetzt dort auftritt? Bei Ag. velutina und
Arete aber ist schon alles blau oder schwärzlich geworden, auch die
Unterseite der Hinterflügel, und nur rote Wurzelflecke sind geblieben.
Bei Callähea Leprieurii^) ist die Unterseite bläulich-grün, die Oberseite
der Vorderflügel, abgesehen von el)ensolcher Schrägbinde, schw-arz und
blau, die der Hinterflügel schwarz, die Unterseite der Vorderflügel blau-
grünlich und schwarz, wiederum mit einem leuchtend roten Farbenrest
am Innenrande der Hinterflügel.
Verwandte dieses Falters-) haben besonders auf Teilen der Unterseite der Vorder-
flügel oder auch im Schrägband der Oberseite eine eigentümliche gelbbraune Farbe
neben jenem Gelbgrünlich, der Lage nach scheint es einem nicht fertigen Rot zu ent-
sprechen. (In der That ist es an denselben und an verwandten Arten, wie ich sehe,
nachdem ich vorstehende Vermutung soeben ausgesprochen habe, bei Hewitson^) als
Goldgelb oder Gelbrot, im letzten Fall als z. T. vollkommener Übergang zwischen
Gelb und Rot dargestellt.)
Das Biaugrünlich würde in der Farbenfolge zwischen Gelb und Rot stehen; aus
ihm ging das Blau hervor. Ganz ähnliche Farben zeigen die gleichfalls in Farbe und
Zeichnung sehr hochstehenden, mit ihnen in Südamerika lebenden Agrias'^].
Die schönsten Beispiele für Farbenfolge hauptsächlich in hochstehen-
den, prachtvollen Farben bietet außer Agrias, Callicore u. a. insbesondere
die Gattung Catagramma. Man vergleiche z. B. die schon erwähnte
C. excelsissima'^): unten hinten Citronengelb und Grün, unten vorn Gelb-
rot neben Citronengelb und Grün. Oben vorn statt dieses Gelbrot
glänzend Rot, nach außen davon Blau. Oben hinten, als höchste Ent-
wicklung, rein Blau. Ganz ähnlich sind z. B. Agrias Sardanapalus und
N^arcissus^') gefärbt. Man vergleiche die Abbildungen von Catagrammci
bei Hewitson'), welche auf den ersten Blick zeigen, daß immer die sich
am nächsten stehenden Farben bei einem und demselben Falter neben-
einander vorkommen und in der als gesetzlich für die verschiedenen
Flügelflächen beschriebenen Ordnung aufeinander folgen: unten hinten
tritt als eine der ursprünglichsten Farben hier häuHg helles Gelb auf,
unten vorne RotgeJb oder Rot, oben vorne häufig Rotgelb oder Rot,
1) Staud. Taf. 43. 2) Call. Markii, Sapphira, Buckleyi. ebenda.
3j Hewitson, Exotic Butterfl. 111. Calllthea Taf. 1. 2.
*) St. Taf. 57. 5j St. Taf. 42. 6, St. Taf. 57.
'') Hewitson HI, Catagramma Taf. -1 bis 13.
Farbenfolge. 303
hinten Blau, wobei besonders hervorzuheben ist, daß das vordere
Schrägband häufig auf tieferer Farbenstufe stehen gebh'eben ist, oft auf
Gelb: manche ursprünglich weißen Grundbänder nehmen ge-
wöhnlich erst später eine höhere Farbenstufe an als die übrige
Grundfarbe, worüber soeben schon bezüglich anderer hochstehender Falter,
wie gewisser Eryciniden, Mitteilung gemacht worden ist (Heterepistase).
Insbesondere sind es die vordersten Schrägbänder, welche die ursprüng-
licheren Farben oder gar Weiß am längsten behalten.
So zeigt sich bei den schon erwähnten Catagramtna, Agrias u. a.
oft eine in die Augen springende Farbenfolge auf der Oberseite in der
Richtung von hinten nach vorn im Sinne der von mir aufgestellten
Reihe: hinten Blau oder Schwarz, vorne Rot oder Gelb, zuweilen in der
Vorderflügelecke noch Weiß. Auf der Unterseite aber hinten Gelb
(häufig mit blauen Flecken, welche aber Augenflecke sind), vorne Rot-
gelb oder Rot. Oben würde also der Hinterflügel mit dem Annehmen
höherer Farbe vorangehen, unten der Vorderflügel. Allein in den Fällen,
welche ich im Auge habe, handelt es sich im Rot der Vorderflügel off'en-
bar um eine Übertragung von der Oberseite her.
Als ein typisches Beispiel von Farbenfolge nehmen wir Catagramma Zelphanta^,.
Oberseite: Hinterflügel und hinterer innerer Winkel der Vorderflügel prachtvoll blau,
davor ein karminrotes breites Schrägband, vorn ein gelber Schrägfleck. Unterseite:
Hinterflügel gelb (Ringzeichnung, bläuliche Augenflecke). Yorderflügel hinten rot, vorne
mit gelbem Schrägband.
Bei C. Maimiina'^) sind die Hinterflügel oben schwarz, in der Mitte blauschillernd,
die Vorderflügel haben ein rotes Innenfeld und davor ein gelbes Schrägband in der
Flügelecke.
Auch bei den schwarz-braunrot-gelben Helikoniern und helikonier-
ähnlichen Faltern haben wir im allgemeinen ein Stück Farbenfolge in
der Richtung von hinten nach vorn, indem hinten die braunrote, vor-
geschrittenere, vorn die gelbe, zu vorderst zuweilen weiße Farbe (Vorder-
Eckflecke vorhanden ist. Indessen bietet dieser Fall besondere Ab-
weichungen und überhaupt erleidet die postero-anteriore Farbenfolge
auch bei anderen Familien Ausnahmen. Ganz selten wird man aber
den Fall finden, daß die ursprünglichere Farbe auf der Oberseite der
Hinterflügel vorkommt, die höhere auf den Vorderflügeln. Solche Fälle
werden sich jedoch durch Vergleichung der Verwandten meist gesetz-
mäßig erklären lassen, und zwar durch Rückbildung und Neubildung.
So hat Junonia Oenone^} auf den Hinterflügeln . einen blauen Fleck, dahinter
Gelb, letzteres auch auf den Vordertlügeln an Stelle des Schrägflecks der Vanessen.
Die Vergleichung der Verwandten: /. Orithya, Clelia und Westermanni*) ergiebt, daß
das Blau ein in Rückbildung begriffener Mittelfeldrest ist, das hintere Gelb aber eine
Neubildung, welche bei Westermanni in Rot übergegangen ist.
Durch Rückbildung erklären sich auch entsprechende Fälle bei den Pieriden
(Perrhybris u. s. w.).
Die auffallendste Ausnahme, welche ich mir bis jetzt nicht erklären kann, bei
1 Hkwitson III. Catagramma Abb. öS. 59. -) ebenda 62. 63.
3j St. Taf. 37. 4; ebenda.
304 Gesetzmäßige verschiedenstufige Zeichnung u. Farbe auf d. versch. Fiügelfl. u. s. w.
der mir eben Zwischenstufen andeutende "Verwandte fehlen, ist Catonephele Obri-
nus (5 , ein schwarzer Falter mit grünlichblauem Schrägband auf den Vorder- und
braungelbem Mittelfeldrest auf den Hinterllügeln i). Vielleicht handelt es sich hier
um Zurückbleiben der Hinterflügelfarbe auf einer tieferen Stufe gegenüber der des
Vorderflügels (Heterepistase) beim <^. Das Q ist auf den llinterttügeln ganz schwarz.
Vielleicht auch handelt es sich im Blau der Vorderflügel um eigenartige Ursachen der
Farbe, denn die von ihm eingenommene Stelle ist durchscheinend und der größte
hintere Teil des Schrägbandes ist auch unten blau, während der Falter hier im übrigen
grün ist, ganz wie C. Heivitsonii (5 -). Genau umgekehrt wie C. Obrinus , nämlich
hinten blau, vorn mit rotgelbem Schrägband, ist gef ärhi Agrias ZenodorwsSj, welcher
Abart sein soll von A. Amydon mit rotem Schrägband.
Verwandte Arten stehen in einzelnen Flügelgebieten um
eine Stufe höher oder tiefer in der Farbe, so daß da, wo z. B.
vorhin ein rotes Schrägband vorhanden war, jetzt ein blaues oder ein
s;elbes auftritt u. s. w., oder aber alle Gebiete erheben sich auf eine
und dieselbe Farbe und bekommen z. B. ganz rote oder ganz blaue
Grundfarbe. Dadurch erlangen die nächstverwandten Arten sogar einer
und derselben Gattung oft ein ganz verschiedenes Aussehen. Ebenso
kann die Verschiedenheit von Abarten, wie der Fall von Agrias
Zenodorus und Äinydon beweist, auf Abänderung durch Farben-
folge beruhen.
Die Farbenfolge spricht sich aber insbesondere auch in
der Allgemeinfärbung der tiefer und höher stehenden Falter-
gruppen innerhalb der einzelnen Familien und bei den ver-
schiedenen Familien selbst aus. Dabei handelt es sich übrigens
auch hier nicht um unmittelbares Aufeinanderfolgen aller Farben der
Skala, sondern um Vertretung einer niederen Farbe durch die eine oder
andere höhere und dieser wieder durch eine dritte höhere, doch ist es
meist die nächstfolgende und wieder die nächstfolgende, welche maß-
gebend wird.
So habe ich in Beziehung auf die Papilioniden schon in meiner
»Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen« I auf die
Farbenfolge bei den Segel faltern hingewiesen, w^o das lichte Gelb
der niederen Gruppen durch Grün bei höheren und durch Bläulichgrün
bei noch höheren (afrikanischen) oder durch Schwarz ersetzt wird. Eine
besondere Entwicklungsrichtung, welche Wärme als Ursache hat, be-
dingt bei den südamerikanischen und nordafrikanischen, bezw. süd-
europiiischen Formen die Entstehung von weißer Grundfarbe aus der
gelben.
Bei den Schwalbenschwänzen bildet sich das helle Gelb vielfach
in ein dunkleres Gelb, sogar in Rotgelb um, welches mehr entwickelt
ist in der verwandten Asterias-GvupY>Q.
1: Hübner, exot. Schmetterl. I. Taf. 58. Najas hilaris obrina.
2) Staud. Taf. 41. 3j Hewitson HI. Agrias 7.
Farbenfolge. 305
Mit dem Gelb dieser Falter steht Rot in Beziehung, welches zuerst
in den hinteren Rand flecken auftritt, dazu kommt Blau.
Auch bei der Segelfaltergruppe u. a. tritt in hinteren Randfleeken
Rot und Blau zu dem Gelb der Grundfarbe hinzu, ebenso bei anderen
Papilioniden. Das Rot wird herrschend in den Randflecken und über-
haupt in den Farbenzierden der Hinterflügel bei den südamerikanischen
Hectorides-Älyattes-Agavus, mit im übrigen ganz oder bis auf einen hellen
Bandrest der Vorderflügel schwarzer Farbe. Auch hier kann Blau auf
den Hinterflügeln zum Rot hinzutreten: P. Deiphontes^) (Molukken , bei
dessen ^ auf der Oberseite der Hinterflügel eine ganz blaue Randbinde
entstanden, während auf der Unterseite noch die rote Fleckrandbinde
vorhanden ist.
Eine ähnliche Umbildung ist maßgebend geworden bei den die
Hochgebirge Ostasiens Nord-Indien, Himalaja, bis zum Amur, Japan),
dann die ostindischen Inseln bewohnenden Faltern der Par/'s-Gruppe,
Verwandten der vorigen: sie tragen unten, zuweilen auch oben ange-
deutet, auf den Hinterflügeln noch Reste der roten Randfleckbinde,
oben ein grünblaues Mittelfeld oder meist nur hinten einen graublauen
oder blauen Mittelfeldrest 2),
An die Par/s-Gruppe schließt sich die mit ihr und südöstlich von ihr
in Java, Celebes, Molukken, Neu-Guinea, Australien bis Neu-Caledonien)
lebende C//z/sses-Gruppe an, bei deren höchsten Formen sich auf der
Oberseite vorn und hinten ein schön blaues Innenfeld ausgebildet hat,
während unten hinten noch die Reste der roten Randbandflecke zu
erkennen sind'*).
Es kommt also bei Papilioniden auf diese Weise zuletzt Blau zur
Herrschaft.
Wie hier Gelb, Rot und Blau sich ersetzen oder maßgebend
werden, so stehen bei anderen Papilioniden die Farben Gelb und Grün
in Beziehung.
Gelb wird, wie schon bemerkt, durch Grün ersetzt, namentlich bei
afrikanischen Segelfaltern wie P. Policenes, P. Antheus, P. Evombar*),
u. a. auch bei P. Sinon (Jamaika) und P. Celadon (Cubaj.
Gelb und Grün teilen sich in die Herrschaft bei dem durch die
Zeichnung bemerkenswerten Teinopalpus imperialis vom Himalaja^), und
zwar hat die Unterseite viel mehr Gelb, die Oberseite ist grün bis auf
einen gelben Mittelfeldrest.
Besonders bemerkenswert aber sind in Betreff" der Beziehung
zwischen Gelb und Grün und Grün und Blau Falter der Gattung Orni-
thoptera. Die grünen (^f von 0. Prianuis haben unten neben Grün noch
Gelb, oben nur Grün; der Hinterleib ist oben noch gelb. 0. Priamus
Croesus (f ist gelb mit grünem Schiller (0. P. Lydius cf ist rotgelb).
1) Staud. Taf. 5. 2; Vgi. st. Taf. 5. Pap. Ganesa aus Sikkim.
3 z. B. P. Telegonus (Nord-Molukken), St. Taf. 4.
4 Vgl. meine »Artbildung« Taf. IV. 5i j>r. Taf. 14.
Eimer, Orthogenesis. 20
306 Gesetzmäßige verschiedenstufige Zeichnung u, Farbe auf d. versch. Flügelfi. u.s. \v.
0. P. Urvilliana ist oben biau und schwarz mit gelbem Hinterleib, unten
vorn blau mit grünlichem Schiller, unten hinten gelb, grün und blau.
Die (^ von 0. Priamus sind also gelb, grün und blau. Von den gelben
weiß man, daß die Raupen auf im Sumpfe wachsenden Aristolochien
leben , von den grünen, daß sie auf im Trockenen wachsenden vor-
kommen, von den blauen ist nichts Genaues in dieser Beziehung bekannt.
Die grünen sind am weitesten verbreitet: von den Süd-Molukken an bis
nach Neu-Südwales mit dem Mittelpunkt Neu-Guinea. Die gelben kommen
auf Batjan und Halmahera vor, und zwar Croesus auf Batjan, Lydiits auf
Halmahera. Die blauen leben auf Neu-Mecklenburg.
Auch bei verschiedenen anderen Arten von ürnäJioptera kommen
solche Beziehungen zwischen Gelb und Grün vor: 0. Tithonus (^ ist
hinten gelb und grün, vorne grün. 0. Broohiana (J'- und Q sind grün
im Mittelfeld. Ebenso ist gelb und grün der (J^ von 0. Schoenbergi
[paradiseay].
Die Q. aller dieser Falter, mit Ausnahme desjenigen von Brookiana,
sind graubraun und haben den hellen Großfleck-Typus. Die rf sind
also in Farbe und Zeichnung sehr vorgeschritten — aber nur auf
der Oberseite: ihre Unterseite zeigt meist weibliche Eigen-
schaften (vgl. später;.
Gegenüber diesen grünen oder gelbgrünen Ornähoptera stehen die
gelben, welche nordwestlich von jenen leben (Indien, Sunda-Inseln). Nur
ßrookiana kommt mit ihnen vor. 0. Pompeiis ist der Hauptvertreter dieser
Gruppe. Dieselbe hat in beiden Geschlechtern noch gelbes Mittel- bezw.
Innenfeld auf den Hinterflügeln oder diese werden ganz gelb mit Ausnahme
von äußersten Randflecken: 0. Amphrysiis. Vorn haben die Q Fächer-
zeichnung, die (^ noch Spuren davon oder sie werden ganz schw'arz.
Es handelt sich hier um eine andere Entwicklungsrichtung. Eine Farben-
folge ist in Beziehung auf das Gelb auch hier insofern vorhanden, als
dasselbe bei den Q meist tiefer steht, indem es trüber ist. Das Gelb
der (^ ist ein sehr hochstehendes, sattes, glänzendes. Bei 0. Pompens
kann es plötzlich in Gelbrot übergehen, ähnlich dem Gelbrot der Abart
Lydius von Priamus: 0. Pompeus riitilans'^).
Überall bei den behandelten Papilioniden kommt die Herrschaft
hoher Farbenstufe mit derjenigen hoher Zeichnungsstufe zur
Geltung.
Diese Beispiele mögen für die Papilioniden genügen. Mehr als bei
ihnen tritt bei verschiedenen anderen Familien die für Ornähoplera her-
vorgehobene Thatsache in die Augen, daß die Männchen fortge-
schrittenere Färbung zeigen, selten die Weibchen, worüber
mehr in einem besonderen Abschnitt.
Die Pieriden neigen entschieden zur weißen Einfarbigkeit, meist
ij Abb. bei Arnold Pacenstecher, Beiträge zur Lepidopt. Fauna des Malayischen
Archipels (VII), Wiesbaden, Beugmann -1893. (Jahrb. d. Nassauischen Vereins f. Natur-
kunde. Jahrg. 46).
-] Weiteres vsl. C. Fickert a. a. 0.
Farbenfolge. 307
aus hellem Gelb hervorgehend. Andererseits steht dieses Citronengelb
in Beziehung zu 'Rotgelb [Ediisa], Gelbrot und Rot. Besonders das
letztere erscheint bei hochentwickelten Pieriden. wie Callosune u. a., als
Zierde in der Eckflügelzeichnung (ebenso beim (;f der Anthocharis car-
damines, dem Aurorafalter), und wird hier zuweilen durch Violett er-
setzt: Gelb, Rotgelb, Gelbrot, Kirschrot, Karminrot Callosune Amina^),
Violett ist hier die deutliche Farbenfolge.
Andererseits kommt, wie wir sahen, Rot und auch Gelb auf der
Unterseite als Überrest einst allgemeinerer Eigenschaft vor.
Die einfarbig gewordenen Nymphaliden sind oben oft blau oder
schwarz, und diese Farben beherrschen neben leuchtendem Rot die
höchststehenden Falter dieser Familie überhaupt, wie Callicore, Cata-
gramma und Verwandte, dann die Ageronien, die Agrias u. s. w.
Die höchststehenden Morphiden sind oben meist glänzend blau;
blau und schwarz oder braunschwarz sind die höchststehenden unter
den Brassoliden, die Caligo u. a.
Die höheren Satyriden haben düstere Einfarbigkeit, Braun. Braun-
schwarz, Schwarz ausgebildet. Hier folgen sich: Lehmfarbe. Ockerfarbe,
Schwarzbraun, Braunschwarz, Schwarz.
Die höchststehenden einfarbigen Eryeiniden sind wiederum meist
blau oder schwarz auf der Oberseite, ebenso die meisten derjenigen,
welche nur noch weiße oder farbige Schrägbänder haben"'').
Bei diesen höchstentwickelten Tagfaltern tritt, wie bei den höchsten
Nymphaliden, manchen Vanessen [Atalanta), Callicore, Catagramma^
Agrias u. a., nämlich der Fortschritt auf, daß die sonst gewöhnlich weißen
oder matt, lehmfarben oder gelb oder braun gefärbten Schrägbänder
und ebenso andere Reste der Grundfarbe leuchtende Farben annehmen.
Und zwar begegnen wir hier wieder der ganzen Farbenfolge, welche
sonst in der Haupt-Grundfarbe auftritt: mattes Gelb oder Lehmgelb,
Ockergelb, Citronengelb, Rotgelb, Grün, leuchtend Rot, Blau, zuweilen
mehrere, z. B. die drei zuletzt genannten Farben zusammen. Wie schon
besprochen, stehen die Farben dieser Bänder, weil sie erst nachträglich
aufgetreten sind, gewöhnlich auf tieferer Stufe als die der übrigen
Flügeloberfläche.
Bei den Lyeaeniden finden wir vielfach sehr schön die Farbenfolge
(Gelb) Grün, Blau, Schwarz, andererseits Lehmfarbe. Ockerfarbe, Braun,
Braunrot, Rot. Häufig tragen, besonders hier oft die (^ die höhere
Farbe, die Q die tieferstehende.
Bei den Hesperiden herrschen die Farben Citronengelb, Grün. Blau,
Schwarz, andererseits Lehmgelb, Ockergelb, Braun. Beide Reihen können
zu schwarzer Einfarbigkeit führen. Die erstere auch zu blaugrüner oder
blauer, die letztere mehr zu schwarzbrauner.
Die Acraeiden zeigen die Farbenfolge Lehmgelb, Ockergelb, Rotgelb,
Gelbrot, Kirschrot, dann Lehmgelb oder Graubraun zu Schwarz •^).
1) St. Taf. 23. 2) Vgl. z. B. St.ud. Taf. 89. 90.
3) z. B. Acraea Nox St. Taf. 32.
20*
308 Gesetzmäßige verschiedenstufige Zeichnung u. Farbe auf d. versch. Fiiigelfl. u.s. \v.
Die höchsten Danaiden kleiden sich in Blau oder in die ge-
wöhnliche Harlekinfarbe (Schwarz-Rot-Gelb) oder sie werden glushell
(Ithomien).
Bei den schwarz-rot-gelben Helikoniern haben wir, wie schon be-
merkt, und ebenso bei den ähnlichen Danaiden, Pieriden (Dismorphieni,
Papilioniden, eine Farbenfolge in der Richtung von hinten nach
vorn: das Braunrot ist hinten, Gelb vorne vertreten, selten auch noch
Weiß in der Vorderflügel-Ecke. Dabei ist aber merkwürdig, daß sich,
wie z. B. bei //. Eucrate^), die Folge von Braunrot und Gelb auf beiden
Flügelpaaren wiederholt. Das Gelb am Vorderrand der Hinterflügel muß
dabei wohl als heterepistatisch erklärt werden.
Tiefer in Farbe und Zeichnung stehen noch die hellgefleckten Arten
der Helikonier und Danaiden: hier ist zuweilen Gelb erst auf den Hinter-
flügeln aufgetreten: z. B. bei der Danaide Tithorea Bonplandii'^); bei
HeUconius forinosus^] sind die Flecke teils weiß, teils gelb.
Die höchste Stufe erreichen die Helikonier mit Schrägband-Typus
oder fast oder ganz vollkommener Einfarbigkeit wenigstens auf den
Vorderflügeln. Hier tritt ein leuchtendes Rot (ein anderes als das
Braunrot der Harlekin-ähnlichen) im Innenfeld und z. B. auch in den
Schrägbändern, zuweilen zugleich mit Fächerzeichnung der Hinterflügel
auf^). Meist sind aber Schrägbänder und Flecke der Vorderflügel
noch gelb.
Eine Ausnahme bietet H. Amaryllis Q 5j^ bei welcher das Schräg-
band leuchtend rot, das Querband der Hinterflügel aber gelb ist. Das-
selbe gilt für //. Phyllis, das Umgekehrte aber für H. dysonymus.
Einige hochstehende Helikonier haben weiße Schrägbänder, so
H. Aranea [Äntiochus), Eleusinus, Chioneus^). Dieses Weiß ist wahr-
scheinlich eine auf Rückbildung von Gelb beruhende NeuerwerJjung.
Chioneus hat auch eine weiße Randbinde auf den Hinterflügeln, ebenso
Cydno. Hahneli*') hat eine weiße hintere Randfleckbinde. Gerade
solche Arten hal)en auf der Unterseite der Ilinterflügel noch Reste von
Rot, teilweise in Querstreifen, ähnlich Perrhybris Lorena und Pyrrha.
Dies deutet darauf hin, daß diese Falter aus schwarz-rot-gelben sich
rückgebildet haben. Das Weiß wird also gleichfalls als Rückbildung,
und zwar von Gelb gedeutet werden dürfen. Die weißen Randbänder
könnten auch etwas heterepistatisch Ursprüngliches sein.
Die höchstausgebildeten Helikonier nähern sich der Einfarbigkeit,
besonders nach Schwarz; zuweilen tritt hinten ein grünes oder sattrotes
oder blaues Innenfeld mit Fächerzeichnung auf. Selten haben beide
Flügelpaare blauen Schiller.
1 Stal-d. Taf. 31. • 2) St. Taf. 30. 3 Ebenda Taf. 31.
4 Ebenda Taf. 32. 5' Ebenda. « St. Taf. 31.
Farbenfolge. 309
Gleichstufigkeit helikonier-ähnlicher Faltex*. Es ist, wie
schon erwähnt, eine bemerkenswerte Thalsache, daß die harlekinartigen
(schwarz-rot-gelben) Helikonier, Danaiden, Pieriden und Papilioniden auf
beiden Seiten gleich oder nahezu gleich gezeichnet und gefärbt sind.
Nach Maßgabe der von uns vorgeführten Thatsachen erklärt sich
dieses Verhältnis dadurch, daß bei den Harlekinfaltern die Oberseite in
der Entwicklung stehen geblieben ist (Genepistase) und daß die Unter-
seite ihr nachfolgte, bis sie ihre Eigenschaften erlangt hat.
Die betreffenden Falter beharren im Wesentlichen zur Zeit auf die-
sem Zustand der Gleichstufigkeit.
Weiter fortgeschritten, über diesen Zustand hinaus, sind aber offen-
bar die, abgesehen von den weißen, gelben und hochroten Schräg- und
Querbändern, einfach, meist schwarz gefärbten, hinten zuweilen roten
oder gelben oder blauen oder auch vorne blauen Helikonier. Diese
sind oben und unten nicht mehr ganz gleich gezeichnet und
gefärbt, sondern auf der Unterseite viel lichter und unbestimmter.
Manche sind unten auf tieferer Stufe der Färbung stehen geblieben
(z. B. Heliconius Doris, Mars, Thelxiope, Eueides Thaies^). Bei ihnen er-
kennt man ferner auf der Unterseite häufig in roten Flecken auf den
inneren Flügelwinkeln oder sogar, wie schon erwähnt, in roten Quer-
strichen die Anzeichen einer Bückbildung, welche schließen läßt, daß
diese Falter ursprünglich harlekinartig gezeichnet und gefärbt waren,
daß sie von schwarz-rot-gelben Arten abstammen.
Es giebt zahlreiche Falter, welche Gleichseitigkeit zeigen in den ver-
schiedensten Familien, sogenannte geschützte und nachahmende sowohl,
wie solche, bei welchen weder Geschütztsein (Ungenießbarkeit) noch
Nachahmung in Frage kommt.
Unter den Acraeen i. B., welche ungenießbar sein sollen, giebt es
neben solchen mit Gleichstufigkeit auch andere, bei welchen die Unter-
seite auf tieferer Stufe der Ausbildung steht-).
Unter den Danaiden sind die Ithomien gleichstufig, ebenso die
helikonier-ähnlichen , dann Ideopsis. Hestia, Danais u. s. w. Bei den
Euploee'n dagegen ist die Unterseite häufig von der Oberseite verschieden,
weniger glänzend, mehr düster, matt gefärbt und auch zuweilen niedriger
gezeichnet.
Zahllos sind geradezu die Falter mit Gleichstufigkeit. bei welchen
o^
Geschütztsein oder Nachahmung nicht in Frage kommt in den ver-
schiedensten Familien — nur bei Lycaeniden scheint fast ausnahmslos
1) Staud. Taf. 32.
'-J So Acraea Egina'^); ebenso die sie nachahmen sollenden Papilio Ridleyanus ^) ,
und Pseudacraea Boisduralii'^). Letzterer ist ein schlechter »Nachahmer« !
Staud. Taf. 33. , ^' St. Taf. 6. c) St. Taf. 49.
3 1 (I Gesetzmäßige Verschiedenstufige Zeichnung u. Farbe auf d. versch. Flügelfl. u. s. w.
Zweisluligkeit vorhanden zu sein im Sinne höherer Entwicklung der
Oberseite. Besonders zahlreich sind gleichstufige Falter in den Familien
der Satyriden und Eryciniden.
Nicht nur die Reste von roten Flecken und Querstrichen auf der
Unterseite der höheren Helikonier weisen darauf hin, daß dieselben von
harlekinartigen abstammen, ursprünglich schwarz-rot-gelb gefärbt gewesen
sind, sondern Übergänge in Zeichnung und Farbe, besonders auf der
Unterseite, abgesehen von der deutlichen Ableitung der Zeichnung der
Oberseite von der der Unterseite, beweisen es, daß die bunte Fär-
bung und mannigfaltigere Zeichnung durch die höhere, nach Einfachheit
zielende Entwicklungsrichtung verdrängt worden ist. Dies spricht aber
vollkommen gegen die Anpassung, denn je bunter und auffallender die
ungenießbaren und die sie nachahmenden Falter gefärbt waren, um so,
mehr mußten sie durch diese Trutzfärbung geschützt sein, und sie hatten
auf Grund von Anpassung keinerlei Ursache, irgend andere oder gar
einfachere Farbe und Zeichnung anzunehmen — sie müßten geblieben
sein wie sie waren. Ich gebe einige Beispiele.
Tithorea HumboldÜi, eine Danaide. ist oben einfach schwarz, auf den Vorder-
flügeln mit zwei schräggelagerten schwefelgelben Eckfleckreihen, hinten mit einem
schwefelgelben Randbande. Auf der Unterseite ist der Falter ungleich farbiger in
Harlekinzeichnung ausgestattet, auch mit einem dem von T. Bonplandü entsprechen-
den rostbraunen Fleck auf jedem Hinterflügel.
Eresia [Phyciodes] Polina (5 ist oben schwarz, auf den Vorderflügeln mit drei
gelben Flecken, auf den Hinterflügeln mit einem gelben Querband. Auf der Unterseite
ist sie noch ganz Harlekin-heliconidenartig gefärbt und gezeichnet, wobei wiederum
Rostbraun Anteil nimmt.
Ähnlich verhält es sich mit E. Clio (J.
Ebenso sind zahlreiche Dismorphien, welche ja nachahmen sollen, oben mehr
vorgeschritten als unten, und zwar besonders die Männchen, während die Weibchen
noch ursprünglicheren Zustand zeigen. Die harlekinartig schwarz-rot-gelb gezeich-
neten und gefärbten Falter, welche hier auf der Oberseite schon vollkommen quer
gelagerte Binden haben, sind unten oft noch gefleckt {Dismorphia Astynome u. a.)
oder wenn oben mehr Einfarbigkeit auftritt, ist unten noch Querstreifung vorhanden
[Dismorphia Soroi'na c5;i).
') Herr Weismann meint, die Wahrheit seiner Sätze, daß von den »vermeintlichen
Bildungsgesetzen« Dispens erteilt werden könne und er werde erteilt, sobald
es die Nützlichkeit verlangt,« und daß »nicht innere Notwendigkeit,
sogenannte Bildungsgesetze die Flächen der Schmetterlingsflügel
bemalt hätten, sondern daß vielmehr die Lebensbedingungen (d. i. die
Selektion) den Pinsel führen,« die Wahrheit dieser Sätze trete abgesehen von der
Anpassung der Ageronien (welche wir schon abgehandelt haben) und abgesehen von
den zahlreichen Fällen eigentlicher Mimicry, die immerhin das schärfste Beweismaterial
abgeben (welches wir gleichfalls beleuchtet haben) , noch schärfer hervor sobald wir
etwas mehr ins Einzelne gehen.« (Germinalselektion S. 10). Sehen wir, was Herr
Weismann hierunter versteht. Derselbe fährt fort: »Ich habe darauf hingewiesen, daß
die meist auffallenden Farbenmuster immuner Schmetterlinge, wie der Heliconiden,
oben und unten auf den Flügeln gleich sind. Man könnte also in dieser Thatsache
Gleichstufigkeit. 311
Eiiizellieiteu über Zeiclinuugs- und Farbeiifolge.
1) Gleichstufigkeit.
Unter- und Oberseite der Flügel sind gleich oder nahezu
gleich gezeichnet und gefärbt.
Wie schon hervorgehoben, ist die Gleichstufigkeit entweder ein sehr
ursprünglicher Zustand oder ein sehr hochentwickelter. Im letzteren
Falle hat die Unterseite die Eigenschaften der Oberseite, welche in-
zwischen einseitig vorgeschritten waren, nachgeholt.
Gleichstufigkeit ist vorhanden unter den Papilioniden bei einzelnen
sehr ursprünglichen Formen der Segelfalter-ähnlicheu, wie bei
P. Alebio))^], bei P. Podalirius'^), P. Epidaus'^) und anderen, w'elche meist
nur unten durch einen farbigen Streifen in der Prachtbinde schöner
den Ausdruck eines Gesetzes finden, und etwa sagen, Heliconidenmuster schlägt von
oben nach unten durch. Allein unter den zahlreichen Nachahmern der Heliconiden
steht auch die Gattung Protogonlus, welche oben das Farbenniuster der Heliconide,
unten aber ein prachtvolles Blattmuster trägt. Während des Fluges erscheint sie als
Heliconide, im Sitzen als Blatt. Wie könnten diese beiden gänzlich verschiedenen
Färbungstypen bei einer Art vereinigt sein, wenn irgend eine innere gesetzliche Be-
ziehung in Bezug auf die Färbung der beiden Flügelflächen bestände!«
Es handelt sich in der Annahme mimetischer Beziehung der Oberseite von Pro-
togonlus zu Helikoniern, bezw. schützender Nachahmung solcher von Seiten des Herrn
Weismanx wohl um Benützung der Angabe von Fkitz Müller a), welcher Protogonius
in diesem Sinne behandelt und abbildet. .\ber schon diese Abbildung b) zeigt, daß
die Ähnlichkeit desselben mit Helikoniern oder Danaiden eine sehr mäßige ist. Ins-
besondere ist die Flügelform ganz anders, aber auch die Zeichnung hat nur in-
sofern Beziehung zu Helikoniern, als es sich darin um die so weit verbreitete Schräg-
band-Eckfleckzeichnung der Vordertlügel tiandelt, wie sie auch bei Arten jener beiden
Familien vorkommt. Im Übrigen ist bei Protogonius eine einfache Innenfeld-Grundfarbe
vorhanden, während die gelben Querbänder gerade jenen ähnlichen »Ungenießbaren«
auf den Hinterflügeln fehlen. Auch die Farbe des Innenfeldes eben des bei F. Müller
abgebildeten Protogonius entspricht nicht der Grundfarbe der in Frage kommenden
»Ungenießbaren«. Die wirklich vorhandenen Teil- Ähnlichkeiten erscheinen also als
der einfache Ausdruck weit verbreiteter Entwickelungsrichtung ohne jede nach-
weisbare oder gar notwendig durch Zuchtwahl auf einer »tabula rasa« unter Dispens-
erteilung von Bildungsgesetzen entstandene verkleidende Nachahmung: Bildungsge-
setze haben auch hier den Pinsel deutlich genug geführt und zwar wohl wie überall
sonst allerdings an der Hand der Lebensbedingungen, d. i. äußerer physikalisch-
chemischer Einflüsse.
Wenn nun Protogonius auf der Oberseite nicht, wie Herr Weismann behauptet,
»das Farbenmuster der Heliconide« in dem von ihm ausgebeuteten Grade trägt, so
werde ich von Seiten nüchterner Beurteiler auch kaum Widerspruch finden, wenn ich
sage, es gehört eine ganz besonders ausgebildete Phantasie dazu, zu behaupten, daß
Protogonius unten ein »prachtvolles Blattmuster« trägt.
1) Vgl. meine »Artbildung« Taf. I Fig. -1. 2. Ebenda Fig. 3, 4.
3j Ebenda Fig. 7.
a) Fritz Müller, Kosmos 1881. ^] Fig. 6
312 Gesetzmäßige verschiedcnstulige Zeichnung u. Farbe auf d. verscli. Flügelll. u. s. \v.
gefärbt sind als oben '), ebenso wie manche der Schwalbenschwanz-artigen
durch gelbrote Flecke in den Fiiigelzelien, und wie auch viele aus der
.l^/erms-Gruppe^) wenigstens auffallender, bunter sind. Im Übrigen be-
steht der Unterschied zwischen unten und oben hier meist nur darin,
daß die Oberseite etwas vorgeschritten ist: bei den Segelfalter-artigen
besonders oft durch Schwinden von Grundbinden, liei den Schwalben-
schwänzen durch seitliche Verbindung der Grundbinden und dadurch
bedingte Schwarzfärbung'').
Häufig ist die Unterseite der Segelfalter-ähnlichen matter gezeichnet
als die Oberseite, und auch z. B. die eigentlichen Schwalbenschwänze
[Machaon) und einige Verwandte zeigen dies. Dann ist aber bei ersteren
häufig die Prachtbinde auf den Hinterflügeln um so auffallender rot
gefärl)t.
Fast vollkommen gleich auf beiden Seiten sind wieder einige sehr
vorgeschrittene Falter unter den Schwalbenschwanz-artigen aus der
Jsfe?"/as-Gruppe, wie P. Indra. Nitra (bei beiden ist nur der schwarze
Punkt in der Gabeizelle der Vorderflügel auf der Oberseite ein Fort-
schritt)^), HeUanichus^) u. a.
Überhaupt sind es die höchststehenden Papilioniden, welche in
den meisten Fällen oben und unten vollkommen gleich gezeichnet und
gefärbt sind, so die meisten gelben Ornühoptera, so die Hectorides-,
Alijaltes- und Aijavm-a\i\\\\c\xQXi der .d^dror/eos-Gruppe, ferner Encelades,
\icanor, Xenodes, Aegeus Q, XepJielus, Phüoxenus*') u. a. Ich sage die
höchststehenden, d. i. eben die, welche die vorgeschrittensten Zeich-
nungsstufen und zugleich meist auch vorgeschrittene Farben tragen.
u In mehreren Fällen von Geschlechts-Dimorphismus ist das
in Zeichnung und Farbe vorgeschrittenere Geschlecht auf
beiden Seiten fast vollkommen gleich, das weniger vorge-
schrittene in geringerem Grade. So ist P. Hectorides Q auf
beiden Seiten ähnlicher als der (f; insbesondere ist z. B. das ^ ^on
P. Androgeos mit Schrägband-Typus ungleich ähnlicher als der q^ mit
Mittelfeld-Typus.
Bei sehr vorgeschrittenen Faltern, wie Danaiden, Helico-
niden und Hesperiden, kommt überhaupt fast kein Geschlechts-
dimorphismus mehr vor.
So sind auch die fast zur vollkommenen schwarzen Einfarbigkeit
vorgeschrittenen unter den Hectorides-khwWchen^ wie P. Cauca, Perrhebus.
Thymbt^aeus"^) u. a., beiderseits fast vollkommen gleich, wie auch manche
1) Ygl. meine »Artbildung« Taf. i— IV. 2) Ebenda Taf. VII— VIII.
3j Von irgend welcher Anpassung der Unter- oder der Oberseite ist bei diesen
Faltern keine Rede und die Behauptung Weisjiasn's, daß die Übereinstimmung von
Farbe und Zeichnung beider Seiten bei den Heiiconiden , durch das Geschütztsein
dieser Falter zu erklären sei, ist schon deshalb gegenstandslos.
■*) Vgl. Abb. 7 Papilio Hospiton bei G. und Abb. 4 P. Machaon.
5 Vgl. »Artbildung« Taf. VII. VIII. 6 Vgl. Staud. Taf. 3—3.
") St. Taf. 9.
1, Gleichstufigkeit. 313
ebenso fortgeschrittene unter den ylZ//a/tes-Ähnlichen, wie P. Orellana,
Pizarro^) u. s. ^v.
Unter den Pieriden sind beiderseits gleich wiederum die am
meisten vorgeschrittenen Falter. Der Fortschritt ist hier in zahlreichen
Fällen in heller, gelber oder weißer Einfarbigkeit ausgesprochen, wie
denn auch, wie schon hervorgehoben, die auf tieferer Stufe stehen-
bleibenden Q hier zuweilen noch Reste von Zeichnung haben, welche
den (^ fehlen, so z. B. auch Pien's brassicae, oder gar noch einen aus-
gesprochenen Zeichnungstypus tragen, während die (^ einfarbig sind 2).
Auch Falter mit schwarzer Randbinde (iif/Msa-Typusj^) sind meist
beiderseits gleich gezeichnet und gefärbt, ebenso wie solche vom hellen
Großtleck- und vom A'i<<//i/5'- Typus, wie P. Agathon, P. Emma u. a.
Dagegen ist der bunte Vorder-Eckfleck-((T/a?<c/ppe-)Typus meistens
erst oben ausgebildet^), hat sich nicht auf die Unterseite übertragen.
Endlich sind die vorgeschrittenen helikonier-ähnlichen Pieriden meist
beiderseits sleich.
Aber bei verhältnismäßig vielen Pieriden bezieht sich, wie bei
Nymphaliden, was besonders behandelt werden wird, das Stehenbleiben
auf tieferer Entwicklungsstufe wesentlich nur auf die Unterseite der
HinterOügel, und bei nicht wenigen ist diese oder die ganze Unterseite
umgekehrt höherstehend, auch mit schöner, besonders roter Farbe
geziert.
Als Beispiele für Fortschritt der Zeichnung auf der ganzen Oberseite gegenüber
der ganzen Unterseite führe ich an ; Pieris Eperia ^) , unten mit Xuthus-, oben mit
A^orderflügel-Ecktleck-Zeichnung, Pnonerix Thestylis^'), unten mit hellem Großfleck-Typus,
oben nur noch mit Yorderflügel-Eck- und Rand-Rest aus demselben.
Da zahlreiche Pieriden unten (besonders auf den Yorderflügeln)
Reste einer Zeichnung haben, die oben scharf ausgesprochen ist, und da
viele unten ganz einfarbig sind, Mangel an Zeichnung aber ein Fort-
schritt ist, so könnte man zu dem Schluß kommen, diese Pieriden seien
alle auf der Unterseite fortgeschritten. Allein die Reste der Zeichnung
deuten auf Verblassen und, ich möchte sagen, Aufgezehrtwerden; ebenso
beruht Herrschaft heller Grundfarbe, Einfarbigkeit, meist auf Mattgewor-
densein, Verblassen. Es mag sich also mehr um einen kompensatorischen
Schwund der Farbe, bezw. der Kraftentfaltung gegenüber der Oberseite
handeln. Doch kommt, wie wir sehen werden, auch das Gegenteil vor,
und eine Erklärung jenes Verhältnisses liegt wohl auch mit darin, daß
die Pieriden in ihrer Mehrzahl überhaupt nach weißer oder gelber Ein-
farbigkeit hinarbeiten.
Die meisten Danaiden sind beiderseits gleich, nur sind einzelne
oben schön gefärbt, wie manche blaue Euploeen.
1) Stavd. Taf. 13.
■-: Vgl. die bei der Besprechung des Geschlechts-Dimorphismus behandelten Bei-
spiele. 3; -wie Eurema Candida St. Taf. 1 6, Tachyris Nephele Taf. -1 7.
*] St. Taf. 22. 23. 5] st. Taf. 18. ^] Ebenda Taf. 20.
314 Gesetzmäßige verschiedenstufige Zeiclinung u. Farbe auf d. versch. Vlügeill. u. s.w.
Ebenso sind die Heliconiden und Acraeiden als Falter mit sehr
vorgeschrittener Zeichnung und Farbe fast stets auf beiden Seiten voll-
kommen gleich. Dasselbe gilt für die so sehr weit vorgeschrittenen
Hesperiden, wo Schrägband- und Vorderflügel-Eckzeichnung, sowie
Einfarbigkeit vorwiegen.
Morphiden und Brassoliden sind oben und unten meist in ver-
schiedener Weise vorgeschritten; sehr ähnlich beiderseits sind aber
Movpho Epislrophis (^ und M. Rhetenov Q '), ersterer fast einfarbig mit
V/VI-Schrägstrich, letzterer mit Breitmittelfeld-Innenfeld-Typus.
Auch die Satyriden nehmen, gleich den meisten Morphiden, viel-
fach unten und oben eine verschieden fortschreitende Entwickelung,
unten wie die Morphiden durch Ausbildung von Augenüecken, welche
sich zuweilen auch auf die Oberseite übertragen.
Es sind auch hier besonders die vorgeschrittensten Stufen der Zeichnung, welche
auf beiden Seiten bei Faltern dieser Familie gleich ausgebildet sind und andererseits
wieder sehr tiefstehende — in letzterem Falle, wenn beiderseits ziemlich ursprüng-
liche Grundbinden-Zeichnung vorhanden ist, ist die Gleichheit der beiden Seiten hautig
nur dadurch gestört, daß unten, besonders unten hinten, große Augentlecke ausge-
bildet sind oder daß eine Seite, die obere oder die untere, leuchtend gefärbt ist-.
In den meisten Fällen sind übrigens ja die Satyriden düster gefärbt.
Diese beiderseitige Grundbindenzeichnung ist dann sehr häufig Mittelfeld-Typus,
wie beim (5 von Zelhera Pimplea (Abb. 68), Xuthus-T\])ns aber bei Z. Pimplea Q '■^),
ieon/das-Typus, z. B. bei Orinoma Damaris^). Ein schmales umgebildetes Mittelfeld
kommt vor bei manchen sonst vorgeschrittenen Formen, wie Piereüa-kviQn^]; glas-
artige Flügelbeschaffenheit mit Bindenresten und Übertreten von hinteren Augenflecken
auch auf die Oberseite findet sich z. B. bei Cühaerias, Hactera^) u. s. w. Meist
steht aber die Unterseite, besonders die der Hinterllügel, in der Ausbildung hinter der
Oberseite zurück — abgesehen von den Fällen, in welchen eben eine besondere
Entwickelung z. B. von Augentlecken auf der Unterseite der Hinterflügel stattge-
funden hat.
Die große Ähnlichkeit der Yordertlügel auf beiden Seiten läßt häufig, was den
Gesamteindruck angeht, von einer gewissen Verschiedenheit der Unterseite der Hinter-
llügel absehen, so besonders bei leuchtend weißem Schrägband wie bei Leihe Europa''],
Pedaliodes Pallantis'^] und anderen auffallenden Vorderflügel-Zeichnungen.
Elymnias Agondas Q'^] ist beiderseits fast vollkommen gleich durch weißliche Farbe
mit schwärzlichen äußeren Vorderecken der Flügel und durch blaue Augenflecke auf
den Hinterflügeln: pseudomimetisch mit der Morphide Tenaris bioeulatus^^j-, beide
sind ungeschützt.
Ein höchster Fortschritt zeigt sich auch in dieser Familie bei mancher Form
darin, daß sie beiderseits einfarbig dunkel werden.
Euptyclüa Acmenis H) ist beiderseits zu gleichartiger Rieselung vorgeschritten,
hat unten nur noch etwas von Binde IV und von Augenflecken.
Unter den Eryciniden giebt es wieder zahlreiche, in der Zeich-
nung und auch in Farbe sehr ursprüngliche Formen, welche oben und
unten gleich sind: grau oder bräunlich mit Längsstreifung durch Grund-
binden, doch können dazu noch hochausgebildete Augenflecke kommen,
') Staud. Taf. 70. 2) Man vgl. St. Taf. 80. 81. 3) St. Taf. 79.
4) Ebenda. 5] Sr. Taf. 77. " 6) Ebenda. ^) St. Taf. 78.
8) St. Taf. 84. »j St. Taf. 86. 'O) St. Taf. 64. H) St. Taf. 81
i) Gleichstufigkeit. 315
deren einer innerhalb von IV auf den Vorderflügeln gelegen, bei vielen
Eryciniden eine besondere Rolle spielt: Arten von Mesosemia^] u. a.
Die Eryciniden zeichnen sich aber dadurch aus, daß bei ihnen auch
die übrigen Zeichnungstypen in den verschiedensten Farben auf beiden
Seiten der Flügel gleiches Aussehen erzeugen, vor allem handelt es sich
in dieser Familie bei beiderseitiger Gleichheit wieder um fortge-
schrittene solche Typen. Nur bei den noch mehr als sie fortge-
schrittenen Hesperiden ist die Gleichheit beider Seiten noch häutiger, ja
fast ausschließlich geworden. Bei den Eryciniden ist sie in der größeren
Mehrzahl vorhanden.
Da hier, wie gesagt, auch dann, wenn der Zeichnungstypus ein
niedriger ist, oft einzelne hochausgebildete Augenflecke vorhanden sind,
haben wir ausgesprochene Beispiele für Heterepistase vor uns: die Aus-
bildung ist in einer Richtung stehen geblieben , nach anderen vorge-
schritten.
Außer der Grundbindenzeichnung sind hier vertreten mit gleicher Ausbildung
auf beiden Seiten: Mittelfeld- und Innenfeld-Typus, Schrägband- Eckfleck-Typus, Schräg-
band-Typus, ßo/ma-Typus, schwarzer und weißer Kleinfleck-Typus, XMi/ius-Typus,
Fächerzeichnung. Helikonierzeichnung, selten auch Einfarbigkeit.
In vollem Gegensatz zu den Eryciniden finden sich unter den
Lycaeniden nur ganz wenige, w-elche beiderseits gleich sind: die
Unterseite ist hier gewöhnlich weit hinter der Oberseite zurückgeblieben.
Auch unter den Nymphali den giebt es verhältnismäßig wenige
Falter, welche beiderseits gleich sind, und zwar einige auf sehr ur-
sprünglicher Grundzeichnungsstufe stehende, wie Megalura Berania, und
andererseits solche mit vorgeschrittenem Zeichnungstypus: Schrägband-,
Groß- Weißfleck-, i?wspma- Typus, Pantherung, Neptis-[Nefte-] Qner-
streifung u. a.2).
Bei einigen der vorgeschrittensten Formen finden wir auch hier,
wie bei Morphiden und Brassoliden, nicht beiderseits Gleichheit, sondern,
wüe bei Blattschmetterlingen, unten oder, wie oft bei Agnus, unten hinten
Fortschritt nach besonderer Richtung.
2) Zweistufigkeit.
Ober- und Unterseite der Flügel sind verschieden gezeichnet
und meist zugleich verschieden gefärbt.
Es ist dies der weitaus häufigste Fall und zwar in dem Sinne, daß
a) die Oberseite in Farbe und Zeichnung der Unterseite
vorangeschritten ist (1.2) (3. 4): niedere Zweistufigkeit.
Dabei giebt es aber verschiedene Ausführung, indem, wie wir sahen,
die Unterseite beider Flügel auf gleicher Stufe der Ausbildung stehen
1) Staud. Taf. 88. 2) Vgl. St. Taf. 47—51.
316 Gesetzmäßige verschiedenstufige Zeichnung u. Farbe auf d. versch. Klügeln, u. s.w.
geblieben oder al)er die des einen vorgeschritten sein kann. Im letzteren
Fall haben wir dann die später zu besprechende Dreistufigkeit.
Gewöhnlich ist die Unterseite matter und unbestimmter eezeichnet
und gefärbt als die Oberseite, sehr häufig auch düster gefärbt, wenn die
Oberseite leuchtend farbig oder bunt ist.
Besonders bemerkenswert ist aber die Thatsache, daß die Zeich-
nung der Unterseite meist einem um eine oder auch um
mehrere Stufen tiefer stehenden Zeichnungstypus angehört,
als die der Oberseite, und dasselbe gilt für die Farben.
Am auffallendsten ist die Ungleich-
heit in diesem Sinne bei Nymphaliden,
Satyriden und Lycaeniden ausgesprochen,
auch bei einigen Morphiden.
Bei den Nymphaliden
die
Unterseite in zahlreichen Fällen noch Längs-
zeigt
Abb. 209. Adelphu Syme G.
streifung durch Grundl)inden oder Reste
derselben bei düsterer Färbung, während
die Oberseite einen höheren Zeichnungs-
typus und bunte Farben hat oder auch
in der Hauptsache einfarbig geworden ist
(Abb. 209). Selten sind die Farben beider-
seits gleich, aber die Unterseite hat noch
ursprünglichere Zeichnung.
So Cynthia Moluccarum (J i),
schmales weißes Mittelfeld in
em
Cirrochroa Malaya-). Bei letzterer ist unten noch
der gelbbraunen Grundfarbe ^ orhanden, oben nur
noch ein Stück schwarzer Randbinde auf den Vorderflügeln.
Unten ursprüngliche Längsstreifung, oben Mittelfeld bezw. Schrägband zeigen,
jenes Megalura Crethon. dieses M. Corinna^).
Unter den Morphiden ist die hochgelbe Enispe Euthymius^) oben und
unten sehr ähnlich Cynthia Moluccarum q^, und zwar unten vollkommen
pseudomimetisch''). Ainathusia Phidippus, Morpho Aega u. a. haben unten
Grundbindenzeichnung, während sie oben fast oder ganz einfarbig sind.
Manche Satyriden haben unten noch Grundbinden und sind oben
(meist düster) einfarbig. Bicyclus Itahis^') hat unten noch Grundbinden
und Andeutung eines weißen Schrägbandes, oben hat er den ausge-
sprochenen Schrägband-Typus; manche Euptychien u. a. haben unten noch
Grundbinden, oben sind sie einfarbig'). Aber bei Satyriden wie bei
Morphiden wird die Einfachheit des Verhältnisses gestört durch die Aus-
bildung von Augenflecken.
Die größte Ungleichheit zwischen unten und oben zeigen die meisten
Lycaeniden. Viele sind unten düster mit Grundbinden, oben schön
1) Staud. Taf. 33. "-) Ebenda. ^) St. Taf. 45. 4)
5) Desgleichen die Morphide Thaumanlis Howqua^), nur viel größer.
6) St. Taf. 80. ") Ebenda.
St. Taf. 63.
a) St. Taf. C3.
2; Zweistufigkeit. 317
einfarbig. Andere sind oben ebenso, unten aber zum Schwarzfleck.-
Typus gediehen, noch andere zum Mittelfeld-Typus, andere zum hellen,
andere zum schwarzen Kleinfleck-Typus, wieder andere sind unten fast
farblos einfarbig, oben glänzend einfarbig u. s. w.
Bei Papilioniden endlich spricht sich das Beharren der Unterseite
auf tieferer Stufe , insbesondere bei den ursprünglicher gebliebenen
Formen, bei Segelfaltern und Schwalbenschwänzen, zunächst darin aus,
daß die Zeichnung matter und unbestimmter ist, als auf der Oberseite,
sodann aber darin, daß die Längsstreifung, z. B. bei den Seglern, wo
sie oben hinten schwindet, unten noch sehr ursprünglich vorhanden ist und
daß die beginnende Schwarzfärbung der Flügelwinkel und der Quer-
adern bei den Schwalbenschwanz-artigen unten zurückbleibt u. s. w.
Bei P. Ändrogeos (J *), Cinyras^) ist erst oben durch das Auftreten von Schwarz
innen und au(3en ein Mittelfeld entstanden, unten nicht. Bei P. Lycortas, LaetiUa^)
und zahlreichen anderen ist die Zeichnung oben gegen unten um eine Stufe vorge-
schritten.
Ein anderer Fall von Zweistuligkeit ist der, daß
b) die Zeichnung der Unterseite beider Flügel gegenüber
derjenigen der Oberseite ganz eigenartig vorgeschritten, um-
gebildet ist (divergierende Entwickelung).
Das vorzüglichste Beispiel hierfür liefern viele Morphiden, deren
Oberseite zuweilen zu glänzender, meist blauer Einfarbigkeit oder sonst
in Einfachheit weit vorgeschritten ist, während die Unterseite nach ganz
anderer Richtung, nämlich in der Bildung prachtvoller Augenflecke,
hohen Fortschritt aufweist, andererseits aber zugleich noch Stufen tieferer
Entwicklung, wie Reste von Längsstreifen ein Mittelfeld und Schrägband,
unter ersteren insbesondere Randbinden, erhalten hat, also für sich wieder
heterepistatisch entwickelt sein kann.
Hervorragend ausgesprochene Heterepistase zwischen oben and unten
zeigt sich nicht minder schön bei Brassoliden, wo die Unterseite die
fortgeschrittene Rieselungszeichnung und einzelne prachtvolle Augenflecke
ausgebildet hat, während die Oberseite Mittelfeld- oder Schrägband- oder
Schrägband-Eckfleck- oder Schrägband- Mittelfeld- oder Vorderflügel-
Eckfleck-Typus darbietet oder einfarbig geworden ist. Hier sind vor
allem die merkwürdigen Ca//^o-Arten zu nennen.
Ferner gehören hierher die auf der Unterseite geperlten Lycaeniden.
Ausgezeichnete, hierhergehörige Formen sind endlich gewisse Blatt-
schmetterlinge.
c) Die Unterseite der Hinterflügel ist gegenüber jener
der Vorderflügel vorgeschritten.
Dies kann der Fall sein im Ganzen oder in einzelnen Eigenschaften.
Bunte Zeichnungen, wie die schwarz-weiß-rote Prachtbinde, wie sie
bei den meisten segelfalterähnlichen Papilioniden auf der Unterseite der
Hinterflügel noch vorhanden ist, sind vielleicht Reste einer Zeichnung
1) Staud. Taf. 10. ■'-] St. Taf. II. 3) St. Taf. 10.
318 Gesetzmäßige verschiedenstufige Zeichnung u. Farbe auf d. versch. Fiügelfl. u.s. w.
und Färbung, welche ursprünglich auch auf der Unterseite der Vorder-
llügel vorhanden war. Dieselbe ist unten augenscheinlich in Auflösung
und im Schwinden begriflen, überträgt sich aber auf die Oberseite,
indem hier insbesondere die schönen Afteraugen aus ihr entstehen.
Dasselbe gilt für schön gefärbte Randbinden vieler Papilioniden, auch
iür andere auf der Unterseite der Hinterflügel vorhandene Zierden.
Es gilt dies insbesondere auch für die Augenflecke von Satyriden, Mor-
phiden, auch mancher Papilioniden. Ebenso sind Brassoliden durch
prachtvolle solche Augenflecke auf der Unterseite der Hinterflügel aus-
gezeichnet. Sehr schöne rote Zierden hat die Unterseite der Hinterflügel
bei manchen Pieriden, besonders bei Ddias- Arien ^).
Ob dieselben als Reste früher weiter verbreiteter, bunter Färbung
aufgefaßt werden dürfen, läßt sich nicht überall ohne weiteres sagen.
Aber es gilt dies, wie wir sahen, jedenfalls für die rot-schwarzen
Querstreifen im vorderen Drittel der Unterseite der Hinterflügel von
Perrhyhris Lorena und Pyrrha cf ^j, wo sie deutlich Reste der helikonier-
artigen Zeichnung und Färbung der Q sind.
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Abi). 210. Opsiphanes BoisduvalüDovBL. Hevv. Brassolide. Abb. 211. Papilio Polijtcs L. '/^ der nat. Gr.
Auch Ageronien^) (.4. Amphinome) und Batesia Regina*] zeichnen sich
durch prachtvolles Rot auf der Unterseite der Hinterflügel aus.
Selten ist die Unterseite der Hinterflügel zu einfarbigem Schwarz
vorgeschritten, wie bei manchen Pieriden.
Ein besonderer Fortschritt der Unterseite der Hinterflügel ist die
Rieselzeichnung, welche schon bei manchen Nymphaliden auftritt,
aber sich zuweilen auch auf die Unterseite der Vorderflügel erstreckt.
Dasselbe gilt für Brassoliden und Satyriden, bei welch' letzteren sie
St .\UD. Taf. 19. -20.
2] St. Taf. 20.
3) St. Taf. 44.
4: St. Taf. 43.
21 Zweistufigkeit. 3 1 9
sogar auf die Oberseite der Hinterflügel übertragen werden kann, so
bei Elyninias Phcgea '). Es handelt sich also hier um ausgesprochene
postero-anteriore Umbildung.
Auch die gerieselte oder gegitterte oder quer gestreifte Zeichnung,
welche auf der Unterseite der Hinterflügel von Pieriden wie z. B. von
Pieris naj)i, Anthocharis cardamines u. s. \\. auftritt, gehört hierher.
d) Das vordere und das hintere Flügelpaar sind jedes für
sich gegenüber dem anderen, und zwar beiderseits überein-
stimmend, eigenartig gezeichnet und gefärbt in verschieden-
stufiger Entwicklung (1 . 3) (2 . 4): höhere Zweistufigkeit.
Wenn die Falter so dargestellt sind, wie in unseren und in Stau-
dinger's Abbildungen, daß Ober- und Unterseite nebeneinander sichtbar
sind, indem die linke Hälfte des Falters von oben, die rechte von unten
zu sehen ist, so erscheinen im vorliegenden Falle je die vorderen und
die hinteren Flügel gleich oder doch ähnlich gezeichnet und gefärbt.
Hierher gehören zahlreiche Papilioniden mit in Zeichnung und Farbe
sehr vorgeschrittenen Vorderllügeln, wie viele Ornithoptera, dann
Aristolochien- und die sie nachahmen sollenden Falter mit beiderseits
ähnlich grauen oder schwärzlichen, fächerartig gezeichneten oder ein-
farbigen Vorderflügeln (Abb. 211).
Die meisten Papilioniden der höheren Zeichnungsstufen gehören über-
haupt hierher, insbesondere auch einige der von mir entsprechend ab-
gebildeten höheren Glieder der Schwalbenschwanz-artigen, bei welchen
die Oberseite gegenüber der Unterseite oft nur wenig auffallende Fort-
schritte zeigt. Gewöhnlich ist aber die Unterseite etwas matter gefärbt
und gezeichnet, und vorzüglich bei den auf niedrigerer Entwicklungs-
stufe stehenden Faltern haben wir, wie bei den Segelfaltern, Ungleich-
heit der Hinterflüe;el oben und unten.
Unter den Pieriden verhalten sich nur wenisje so. insbesondere
die verhältnismäßig sehr vorgeschrittenen helikonier-ähnlichen Dismor-
phien. Ein auffallendes Beispiel dieser Art bietet Pieris Emma'^) , vorn
mit Leow/öa5-Typus , hinten hochgelb, und P. Agathon''^] beiderseits mit
Leo?i/f/as-Typus und nur oben mehr grünlich als weiß, ferner Daptonoura
Florinda Q *) mit jB'c/^^a-Randbinde und V/VI-Schrägstrich.
Bei Emma und Florinda handelt es sich übrigens weniger um Fort-
schritt der Vorderflügel gegenüber den hinteren als um divergierende
Entwickelung beider.
Ebenso sind bei anderen fortgeschrittenen Faltern, wie insbesondere
bei den Helikoniern und den Helikonier-ähnlichen der verschiedensten
anderen Familien, auch bei vielen Erycinideu und Hesperiden Vorder-
und Hinterflügel übereinstimmend heterepistatisch gezeichnet und
gefärbt.
Während manche Papilioniden vorn Fächerzeichnung haben, haben
1) Staud. Taf. 8Ö. 2j St. Taf. 18. 3) Ebenda. ^) St. Taf. 20.
320 (jesetzrnäßige verscliiodcnstiilige Zeichnung u. Fnrl)e auf d. \ersch. Flügcltl. u. s.w.
z. B. manche Helikonier dieselbe hinten oder sie sind hinten beider-
seits einfarbig, wie jene vorn.
Den vollsten Gegensatz zu dieser vorderen und hinteren Heter-
epistase bieten besonders die Nymphaliden und Lycaeniden dar, bei
welchen meist der wenig vorgeschrittene Zustand besteht, daß Ober-
und Unterseite verschieden sind.
e) Die Oberseite der Hinterflügel ist gegenüber jener der
Vorderflügel vorgeschritten.
Postero-anteriore Umbildung der Oberseite zeigen in ausgesprochenem
Maße die Segelfalter-ähnlichen Papilioniden, bei welchen die Längs-
streifen auf der Oberseite der Hinterflügel in der Richtung von hinten
nach vorn schwinden.
Ebenso ist bei sehr vielen weißen oder gelben Pieriden auf den
Hinterflügeln Einfarbigkeit aufgetreten , während die Yorderflügel noch
eine einfache schwarze Eck- oder eine f/?/a/e-Zeichnung haben.
Dasselbe gilt für zahlreiche Falter der verschiedensten Familien in
Beziehung auf dunkle, vor allem braune und schwarze Einfarbigkeit:
während die Vorderflügel noch irgend einen besonderen Zeichnungs-
Typus aufweisen (wie z. B. Nymphaliden: Eckfleck- oder Schrägband-
Typus), ist hinten dunkle Einfarbigkeit aufgetreten. Dasselbe gilt weiter
für Heliconiden, Satyriden, Lycaeniden, Hesperiden, weniger
für Eryciniden, bei welchen, wie auch bei Satyriden, die Einfarbig-
keit häufig schon auf die Vorderflügel vorgeschritten ist.
Diese Einfarbigkeit der Hinterflügel gegenüber den Vorderflügeln
auf der Oberseite ist bekanntlich für außerordentlich viele Tagfalter
kennzeichnend und bestimmend für ihr Aussehen.
Ebenso gehört hierher das Auftreten anderer, zuweilen auch auf-
fallend schöner Einfarbigkeit auf den Hinterflügeln, während die Vorder-
flügel noch gezeichnet sind. Bei vielen Helikoniern haben wir braune
oder sonst einfarbige Hinterflügel. Einige Catagramma^), Callithea'^]
haben hinten prachtvolles Blau, vorne z. T. mit leuchtend roter Zeich-
nung, welche bei anderen verwandten Arten dem Blau gewichen ist, so
daß jetzt beide Flügel einfarbig blau sind. Bei der Nymphalide Cymo-
thoe Sangaris^) hat das Q oben ein mattrotes Innenfeld auf beiden
Flügeln. Der q^ ist einfarbig rot. Die schönen großen Caligo sind
hinten zuweilen mehr oder weniger einfarbig, z. T. blau, während sie
vorn noch ein Mittelfeld oder ein Schrägband haben.
In vielen Fällen ist zu sehen, wie auch diese leuchtenden Farben
zuerst hinten durch düstere Einfarbigkeit verdrängt w^erden.
Auch Fächerzeichnung tritt in manchen Fällen zuerst auf den
Hinterflügeln auf, so bei Heliconiden.
Vielfach zeigt sich, daß zuerst auf der Unterseite ausgebildete
Augenflecke auf der Oberseite zunächst der Hinterflügel erscheinen und
1) Staub. Taf. 4 2. 2) St. Taf. 43. 3) Sr. Taf. 53.
3) Dreistufigkeit.
321
zwar sind es meist zuerst die hintersten, die dies thun. Beispiele
bieten Morphiden wie Tenaris ^) u. a. und Satyriden, auch Lycaeniden.
Daß dagegen in vielen Fällen die Oberseite der Hinterflügel in ein-
zelnen Eigenschaften, wie in Resten bunter Randbänder oder ebensolcher,
auch zuweilen vom Mittelfeld herrührender Flecke hinter jener der
Vorderflügel zurückbleibt, indem diese z. B. einfarbig geworden ist oder
auch Fächerzeichnung erlangt hat, wie bei vielen Papilioniden, geht
schon aus früher Mitgeteiltem hervor, auch daß solche Reste sich auf
der Oberseite höher entwickeln können, wie die Augenflecke der Segel-
falter und der Schwalbenschwänze.
Überall treffen wir eben Belege für Heterepistase, für Stehen-
bleiben auf verschiedenen Stufen der Entwickelung, so auch auf der
Oberseite der beiden Flügel.
Heterepistase ist es, welche überall die Gesetzmäßigkeit der fort-
schreitenden Umbildung unterbrechen und den Eindruck derselben stören
oder verwischen kann.
3) Dreistufigkeit.
Dieselbe kann in sehr verschiedener Weise zum Ausdruck kommen:
a) Die Unterseite der Hinterflügel zeigt den ursprüng-
lichsten Zustand, um eine Stufe höher steht die Unterseite
BTI
Abb. 212. Bypolimnas Bolina L. (5.
der Vorderflügel, noch höher steht die Oberseite beider
Flügel: 1. 2. (3. 4).
Als Beispiel diene hier Ihjpolimnas Bolina (^ (Abb. 212). Ferner
1) Staüd. Taf. 64.
Eimer, Orthogenesis.
21
322 Gesetzmäßige verschiedenstufige Zeichnung u. Farbe auf d. veisch. Flügclfl. etc.
andere Nymphaliden wie Temenis Laothoe^), Catonephele Acontius"^), Calli-
thea Sapphira'^), ferner die Satyride Lymanopoda caeruleota^).
Außerdem gehören hierher jene Pieriden mit z. T. schönen Farben
auf den Hinterflügeln, bei welchen unten vorn und oben in Folge von
Rückbildung einfachere Färbung entstanden ist, so z. B. D c lias- Arten ^).
b) Die Unterseite beider Flügel ist gleich, die Oberseite
der Ilinterflügel aber ist gegenüber der der Vorderflügel
vorangeschritten: (1. 2) 4. 3.
Hierfür mag als Beispiel Kailima hiachis (Abb. 213) dienen"). Auch
ur
Abb. 213. Kallima Inachis Boisd.
die Pieride Catopsüia Scylla') ist hier u. a. zu nennen, ferner die Nym-
phalide Amnosia decora^).
Hier hat also die Unterseite der Hinterflügel die Eigenschaften der
Unterseite der Vorderflügel erreicht, die Oberseite der Hinterflügel ist
am meisten vorgeschritten (postero-anteriore Umbildung). Es steht das
2) Ebenda.
3) St. Taf. 43.
4) St. Taf. 83.
1,1 Staud. Taf. 41.
5) St. Taf. -19. 20.
f') Bei Kallima rumia entsteht durch Rückbildung der Blattzeichnung auf der
Unterseite der Yordertlügel Vierstufigkeit.
') St. Taf. ■>] . S] St. Taf. 44.
3) Dreistufigkeit. 323
Letztere im Gegensatz zu dem vorigen Fall, wo die Unterseite der
Vorderflügel gegenüber jener der Hinterflügel vorangeschritten ist, aber
dort handelt es sich offenbar um einen Fortschritt, welcher auf der
entsprechenden Entvvickelungsstufe von der Oberseite der Vorderflügel
her übertragen worden ist. Dafür spricht der folgende Fall:
c) Die Zeichnung der Unterseite der Vorderflügel ist gegen
die der Hinterflügel vorgeschritten, und zwar entsprechend
der Oberseite der ersteren: I. (2. 4 3.
Dadurch sind die Vorderflügel oben und unten ähnlich, die Hinter-
flügel aber sind verschieden , indem ihre Unterseite viel tiefer steht als
die Oberseite.
Dieses Verhältnis ist besonders häufig und auffallend bei Nympha-
liden und die einfachsten Beispiele dafür sind manche unserer Vanessa-
Arien, wie z. B. Va7iessa Atalanta und cardui.
Die Unterseite des Vorderflügels bietet in mattem Ausdruck die
Farben und die Hauptzeichnung der Vorderflügel dar, daneben aber
gewöhnlich noch ausgesprochene Reste tiefer stehender Zeichnungstypen,
insbesondere auch Reste der Grundbinden vorzüglich im Bereiche der
Mittelzelle. Auf der Unterseite der Hinterflügel sind dann in düsterer,
zuweilen aber durch einzelne bunte Farbenzierden belebter Grundfarbe
gewöhnlich noch ausgesprochene Bindenreste vorhanden, welche meist
ganz über sie wegziehen. Durch die Verschiedenheit der Grundfarbe
aber hebt sich der bunte Vorderflügel gewöhnlich auffallend von dem
düsteren Hinterflügel ab.
Ein Blick auf die SxAUDiNGER'schen Tafeln wird die Häufigkeit dieses
Verhältnisses vor Augen führen.
Eckfleck- und Schrägband-Typus sind hier zumeist auf den Vorder-
flügelü maßgebend.
Zuweilen bezieht sich das Zurückbleiben der Hinterflügel nur auf
die Farben.
Man vergleiche hierzu Batesia Hypoxantha'^), welche oben und unten fast gleich
ist, vorn mit rotem Schrägband, hinten mit Breitmittel-Innenfeld, nur Oberseite der
Hinter- und des hinteren Teils der Vorderfliigel blau, Unterseite der Hinterllügel
lehmgelb.
Sehr hübsch zeigen die hierhergehörige Zeichnungsfolge u. a. auch CaUühea-
Arten-;, bei welchen die Unterseite der Hinterflügel noch schwarzen Fleck-Typus hat,
die der Vorderflügel zum Schrägband-Typus oder fast zu Einfarbigkeit vorgeschritten ist.
Indem die Unterseite der Vorderflügel in der Regel in Farbe oder
in Zeichnung oder in beiden der Oberseite etwas oder sogar (besonders
wenn Farbe in Frage kommt) auffallend nachsteht, bekommen wir in
ausgesprochener Weise vier Stufen der Umbildung an demselben Falter:
am tiefsten steht die Unterseite der Hinterflügel, dann kommt die Ober-
seite der Hinterflügel, darauf die Unterseite, darauf die Oberseite der
Vorderflügel.
1) Staud. Taf. 43. 2. st. Taf. 43. ^
21*
324 Gesetzmäßige verschiedenstufige Zeichnung u. Farbe ;iuf d. versch. Flügeln, ii.s. w.
d) Die niederste Stufe nimmt die Unterseite der Hinter-
fiügel ein, darauf folgt die Oberseite der llinterflügel, dann
beide Seiten der Vorderfiügel: 1. 3 (2. 4).
Auch hier handelt es sich um Übertragenwordensein der Eigen-
schaften der Oberseite der Vorderflügel auf die der Unterseite.
Hierher gehören manche Papilioniden . wie Papilio Deiphontes Q '),
P. Ändrogeos'^), P. Torquatus '^) , P. Orellana*], die Pieride Archonius
Critias^] u. a., dann die Nymphalide Didonis Biblis^) ^ Die nächsten
Verwandten dieser Formen sind zuweilen vierstufig, zuweilen auch schon
das andere Geschlecht, so Deiphontes (^f '').
e) Am tiefsten stehen beide Seiten der Vorderflügel, dann
folgt die Unterseite der Hinterflügel, am höchsten steht die
Oberseite der Hinterflügel: (2. 4) 1. 3.
' Abb. 214. Papilio Ayesiluus Boisd.
Dies gilt für die meisten Segelfalter (Abb. 214).
Ausnahmsweise kommen noch folgende Fälle vor:
t'J Die Unterseite der Hinterflügel ist in Beziehung auf Einfachheit
und düstere Färbung oder in eigenartiger Zeichnung und Farbe am
weitesten vorgeschritten, die Unterseite der Vorderflügel steht am
tiefsten, die Oberseite ])eider Flügel ist über letztere hinaus vorge-
schritten 2. (3. 4) \.
Zu jenen mit einfarbiger Unterseite der Hinterflügel gehören verschiedene Ageronien,
mit glänzender Unterseite manche Argynnis, dann ist ebenso dreistufig z. B. Catagramma
1) .Staud. Taf.
3) St. Taf. 1 5.
2; St. Taf. 1 0.
6) St. Taf. 44.
3) St. Taf. H.
"1 St. Taf. 3.
4; St. Taf. U.
3} Dreistufigkeit.
325
Cynosura^), Agrias Amydonius; die nächsten Verwandten der letzteren Formen sind
vierstufig. Auch die abgebildete Agrias Amydonius ist eigentlich schon vierstufig,
indem die Oberseite der VordertUigei gegenüber der Unterseite etwas vorgeschritten ist.
Hierher gehören auch Satyriden, deren Hinterflügel auf der Unterseite in eigenartiger
Bindenzeichnung, zuweilen mit besonderer Ausbildung von Augenflecken, dann wieder
in Rieselung , andere auch in Silberfleckbildung [Lymanopoda Labda-) vorange-
schritten sind 3.
Abb. 215. Agrias Aiiiydouius Stck.
g Die Unterseite der Hinter flügel ist am weitesten vorgeschritten
die Vorder flügel siad oben und unten gleich, die Oberseite der Hinter -
flügel steht zwischen beiden: (2. 4) 3. 1.
Beispiel: die Nymphalide £Ma:ani/ie Schatzi*) mit Fächerzeichnung der Unterseite
der Hinterflügel.
h Die niederste Stufe nimmt die Unterseite der Hinterflügel ein,
darauf folgt die Oberseite beider Flügel, dann die Unterseite der Vor-
derflügel, welche einfach schwarz ist: 1. ;3. 4) 2.
Beispiel: Papilio Sireus'^\
i Oben hinten und unten vorn zu einfarbigem Schwarz vorge-
schritten, unten hinten mit rotem, oben vorn mit grünem Älyattes-F\eck
ist Papilio Sesostris^): 1. 4 (2. 3).
Hier stehen also die nächsten Entwickelungsstufen über's Kreuz , ein sehr ver-
einzelter, merkwürdiger Fall.
Gehen wir zum Zweck der Erklärung der Dreistufigkeit von der ge-
wöhnlichen Zweistufigkeit aus, bei welcher die Unterseite auf tieferer
Stufe steht als die Oberseite, so ist zu sagen, daß bei der Dreislufigkeit
1) die Unterseite der Vorderflügel gegenüber jener der Hinterflügel
fortgeschritten ist, ohne jedoch die Stufe der Oberseite zu erreichen:
Fall a), oder daß die Oberseite der Vorderflügel ihre Eigenschaften
auf die Unterseite derselben übertragen hat: Fall c) und d).
1) Staud. Taf. 42. 2) St. Taf. 83.
3| Vgl. Sleroma superba Taf. 83, Daedalma Dinias und üorinda Tal. 84, Pedalio-
des Pallantis ebenda u. s. w.
4) St. Taf. 4 8. &) St. Taf. 7. 6) St. Taf. 8.
326 Gesetzmäßige verschiedenstufige Zeichnung u. Farbe auf d. versch. Flügelfl. u. s. \v.
2) Oder daß auf der Unterseite die Zeichnung stehen geblieben ist,
während die Oberseite der Hinterflügel derjenigen der Vorderflügel voran-
geschritten ist: Fall b).
Diese Fälle von Gesetzmäßigkeit, welche auf supero-inferiorer und
postero-anteriorer Umbildung beruhen, beherrschen, unbeschadet der
erwähnten und einiger anderer Ausnahmen, die Zeichnungs- und in der
Hauptsache auch die Farbenfolge bei der Dreistufigkeit.
4) Vierstuügkeit.
Wenn alle Verschiedenheiten vorkämen , welche hier möglich sind,
so gäbe es deren vierundzwanzig. Aber wie bei der Dreistufigkeit ist
die Zahl der wirklich vorkommenden Fälle eine beschränkte, und unter
diesen sind wieder nur einzelne wenige maßgebend. Das beruht eben
auf dem Herrschen bestimmter Entwickelungsrichtungen. Und zwar
handelt es sich selbstverständlich um diejenigen Richtungen, welche
auch bei der Dreistufigkeit die häufigsten sind : es braucht nur auch eine
vierte Flügelfläche in der Entwickelung der Zeichnung um etwas vorge-
schritten oder stehengeblieben oder rückgebildet zu sein, so haben wir
die Vierstufigkeit.
Der häufigste Fall von Vierstufigkeit ist der, welcher sich an den unter a)
behandelten Fall von Dreistufigkeit anschließt , indem dazu noch eine
Verschiedenstufigkeit der Oberseite beider Flügel dadurch kommt, daß
die Oberseite der Hinterflügel die höchste Stufe der Entwickelung er-
reicht hat. Es ist demnach dieser Fall folgendermaßen zu bezeichnen:
a) die Unterseite der Hinterflügel zeigt den ursprünglich-
sten Zustand, um eine Stufe höher steht die Unterseite der
Vorderflügel, dann folgt die Oberseite der Vorderflügel, am
höchsten aber steht die Oberseite der Hinterflügel: 1. 2. 4. 3.
Hierher gehören zahlreiche Nymphaliden, z. B. Arten der Gattung
Juno7iia^), Cyclogramma^), Cybdelis^), Callicore, Catagramma^)^ Callithea^).
Dabei ist oft die Oberseite der Hinterflügel dadurch am meisten vorge-
schritten, daß sie einfarbig, blau oder schwarz geworden ist. Adelplia
Epione^) zeigt einen ähnlichen Zustand. Man vergleiche ferner Charaxes
Monteiri Q ').
b) Statt daß die Unterseite der Hinterflügel wie im vorigen Fall
zurückgeblieben ist, kann sie unter übrigens denselben Verhältnissen
eigenartig vorgeschritten sein. Es schließt sich diese Stufenfolge
an die von mir unter fj beschriebene von Dreistufigkeit an.
Hierher gehören u. a. Agrias-krien mit der merkwürdigen Ring-
zeichnung auf der Unterseite der Hinterflügel. Es kann Agrias Amy-
1) Staud. Taf. 37. 2) St. Taf. 40. 3) Ebenda. «) St. Taf. 42.
5) St. Taf. 43. 6) St. Taf. 49. 7) St. Taf. 59.
4; Vierstufigkeit.
327
(lotiius (Abb. 215) als Beispiel genommen werden. Ein anderes bietet
Smyrnci Blomfildia^).
c) Wenn das Hinter- und das Vorderflügelpaar beiderseits in der
Hauptsache dieselbe Entvvickelungsstufe erreicht hat, so kann Vier-
stufiakeit entstehen, sobald die Unterseite der Hinter- und der Vorder-
fliigel um etwas, und sei es auch nur um ein Geringes, in Zeichnung
und Farbe zurückgeblieben ist: I. 3. 2. 4.
Dies gilt namentlich für Papilioniden, z. B. Ornithoptera Hippolytus'^),
Papilio Protenor ^], P. Deiphontes Q ''j, Teinopalpus impcrialis^).
Diese Art von Vierstufigkeit kann sehr ausgesprochen sein, wenn
die Unterseite eines oder des an-
deren Flügels um eine ganze
Zeichnungsstufe gegenüber der
Oberseite zurückblieb, wie dies
z. B. bei den Männchen der ver-
schiedenen Abarten von Ornitho-
ptera Prlanius der Fall ist (vergl.
Abb. 216).
d) In einigen Fällen ist die
Unterseite der Vorderflügel am
weitesten, nämlich zur schwarzen
Einfarbigkeit vorgeschritten. Am tiefsten steht die Unterseite der
Hinterflügel, dann folgt die Oberseite der Hinterflügel, dar-
auf die Oberseite, dann die Unterseite der Vorderflügel:
1.3.4.2.
Hierher gehören einzelne Papilioniden der Alyattes-GmpYie , wie
P. Ahjattes selbst, welcher auf der Unterseite der Vorderflügel nur noch
einen kleinen hellen Fleck in der Mitte hat 6), P. Arianus'), P. Anchises^),
P. MylWs% P. Chinsiades ^'>).
e) Bei vielen Pieriden, welche sich anschließen an die dreistufigen,
unter ai des betreffenden Abschnittes aufgeführten, entstand Vier-
stufigkeit teilweise als Folge von Rückbildung, wobei die Unter-
seite der Hinterflügel oft noch glänzende Farben und vorgeschrittene
Zeichnung trägt, dann folgt die Unterseite, dann die Oberseite der Vor-
derflügel, am höchsten steht die Oberseite der Hinterflügel: 1. 2. 4. 3:
Deltas nigrina^ D. Egialea, Prioneris Thestylis^^] u. a. In anderen Fällen
ist statt der Oberseite der Hinterflügel die der Vorderflügel am weitesten
vorgeschritten: 1.2.3.4 wie bei Delias Belladonna, oder in anderer
Richtung als die der Hinterflügel, so bei zahlreichen Callosune^-). In
Abb. 21<i. OrnitUoytera Piiamns L. •/■; der nat. Größe
manchen anderen Fällen hat die Unterseite der Hinterflügel einen düstern,
mattbraunen oder grauen Ton angenommen, zuweilen mit Rieselung,
oder sie ist fast oder ganz einfarbig geworden. Nimmt man dies als
1) Staüd. Taf. 57.
5) St. Taf. U. 6) St
10) St. Taf. 1 1 .
2) St. Taf. 2.
Taf. 8. 7)
lij St. Taf. 20.
3) St. Taf. 5.
Ebenda. ») St.
12) St. Taf. 23.
4) Ebenda.
Taf. 9. 9j
Ebenda
328 Gesetzmäßige verschiedenstufige Zeichnung u. Farbe auf d. versch. Flügelfl. u. s. w.
Fortschritt gegenüber einer früheren glänzenden Färbung und anderen
Zeichnung, so erhält man eine andere Folge, so bei Callosune Haever-
nicki^ C. lobina, dann bei Uebomoia celebensis ^) und zahlreichen anderen
Faltern, eine Folge, welche nicht immer genau bestimmbar ist, einmal
an sich nicht und dann auch, weil es sich dabei um verschiedene, aber
doch je in ihrer Art gleichhohe Stufen liandeln kann.
Vierstufigkeit in Folge von Rückbildung der Blattzeichnung auf der
Unterseite der Vorderflügel zeigt z. B. Kallima nimia, dann andere Arten
der Gattung Kallima u. s. w.
Bemerkuugeii üher die Ursaclien verschiedeuer Zeichuuugs-
uiid der Farl»enf<)lge.
Es muß in Beziehung auf die Möglichkeit der Feststellung einer
Stufenfolge der Zeichnung durch Zahlen hervorgehoben werden, daß
dieselbe beschränkt ist durch häufiges Vorkommen von Verschieden-
heiten der Zeichnungsstufen, von denen jede in ihrer Art gleich oder
ähnlich hohe Entwickelung darstellen kann : so ist ja die Unterseite' der
Hinterflügel bei der Gattung Agrias in ihrer Art hoch entwickelt durch
die Ausbildung der ßingzeichnung, ferner die Unterseite von Morphiden
durch Augenflecke, die Unterseite der Hinterflügel durch ebensolche bei
Brassoliden, Satyriden, bei anderen Arten durch Rieselung u. s. w.
Sodann sind es die verschiedenen Fälle von Rückbildung, welche
die Aufstellung einer zahlenmäßigen Folge selbstverständlich häufig
unmöglich machen, wie besonders die Pieriden zeigen.
Abgesehen von der Rückbildung muß die so oft vorkorumende
Übertragung der Zeichnung und der Farbe von einer Flügel-
seite auf die andere die Stufenfolge sehr verändern. Die gewöhn-
lichste dieser Übertragungen ist die von der Oberseite der Vorder-
flügel auf die Unterseite derselben. Eine andere nicht seltene Art
der Übertragung ist die von der Unterseite der Hinterflügel auf
deren Oberseite. Hierher gehört die Übertragung der prachtvollen
Augenflecke mancher Morphiden und Satyriden, unter ersteren vorzüglich
bei rena/7S- Arten'-).
Zuletzt werden solche Augenzeichnungen aber auch von der Unter-
seite der Vorderflügel auf die Oberseite übertragen, wie das bei Arten
derselben Familien erfolgt ist, z. B. bei der Morphide Hyantis Hod.eva'-%
bei Morpho Epistrophis (f ^) u. a. In solchen Fällen ist off'enbar zuweilen
die schon erreicht gewesene Einfarbigkeit der Oberseite durch
die von unten her übertragene Zierde wieder beseitigt worden und
stellt also die Einfachheit hier nicht die höchste, sondern eine über-
1: Staud. Taf. 22. 2, St. Taf. 64. 3) St. Taf. 63. 4) St. Tuf. 70,
Ursachen verschiedener Zeichnungs- und Farbenfolge. 329
wundene Stafe der Entwickelung dar, wie dies auch sonst öfter als
Einschränkung der allgemeinen Gesetzmäßigkeit nach Vereinfachung
hervorzuheben sein dürfte. Die schönsten Beispiele bieten allerdings
Morphiden und vor allem zahlreiche Satyriden, wo es sich in
dieser Übertragung besonders der Augenzierden geradezu um
eine maßgebende Entwickelungsrichtung handelt. Auch viele
Eryciniden gehören hierher, und zwar sind bei ihnen meist Augen-
zierden auf die Oberseite der Yorderflügel von der Unterseite her über-
tragen. Bei manchen Lvcaeniden ist auf der Oberseite der Vorder-
llügel ein solches Auge oder ein Rest davon io Gestalt eines Fleckes
vorhanden oder auch auf der Oberseite der Hinterflügel, während die
Unterseite nichts davon zeigt, indem die Zierde hier wahrscheinlich ge-
schwunden ist.
Von Übertragung von Zierden der Unterseite namentlich der Hinter-
flügel bei Papilioniden (Prachtbinde, Afterauge) auf die Oberseite habe
ich in meiner »Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen«
gehandelt.
Die häufigste Ursache der Verschiedenheiten der Stufenfolge liegt
aber in verschiedenstufiger Entwickelung, Heterepistase, auf Grund
von Stehenbleiben der einen oder der anderen Flügelfläche auf bestimmter
Stufe der Entwickelung, während andere vorschreiten.
Welches sind nun die gewöhnlichsten Fälle von Stufen-
folge und W'elche Ursachen können dafür maßgebend sein?
Gewöhnliche Regel ist das Vorschreiten der Oberseite gegenüber
der Unterseite in Farbe und Zeichnung: supero-inferiore Umbildung.
Meist schreitet wieder die Oberseite der Hinterflügel derjenigen der
Vorderflügel voran: postero-anteriore Umbildung, und dasselbe gilt
für die Unterseite, sofern es sich nicht um Übertragung von Farbe und
Zeichnung der Oberseite der Vorderflügel auf die Unterseite derselben
handelt.
Der Fortschritt der Oberseite der Hinterflügel gegenüber derjenigen
der Vorderflügel gilt besonders für die Farben. Die Zeichnung ist hinten
und vorn wesentlich mit durch die Flügelgestalt beeinflußt. Dies gilt
auch für die Unterseite.
Die Unterseite der Hinterflügel hat gegenüber jener der Vorderflügel
gewöhnlich schärfere Zeichnung und sattere Farbe, und dies hängt augen-
scheinlich damit zusammen, daß die Hinterflügel in der Ruhelage die
Vorderflügel decken und daß so die Unterseite der letzteren mehr dem
Lichte ausgesetzt ist. Da wo ein Teil der Hinterflügel von oben her
durch die Vorderflügel auch bei ausgebreiteten Flügeln bedeckt wird, ist
derselbe, wie wir sahen, gleichfalls farblos i).
V Man vgl. hierzu M. Standfvss: die Beziehungen zwischen Färbung und Lebens-
gewohnheit bei den paläarictischen Großschmetterlingen. Yierteljahrsschrift d. naturf.
Ges. in Zürich i894. Derselbe weist darauf hin, daß je die bei Übereinanderschieben
der Flügel sitzender Tagfalter frei liegende untere Flügelfläche, die der Hinterflügel,
330 Gesetzmäßige verschiedenstufige Zeichnung u. Farbe auf d. versch. Flügeltl. u. s. w.
Die Einwirkung des Sonnenlichtes und der Sonnenwäriue
ist offenbar auch die Ursache der glänzenderen Färbung der
Oberseite gegenüber der Unterseite.
Die ganze Farbenfolge weist auf solchen Einfluß der Sonne hin.
Dieselbe hat gewisse Beziehungen zur Folge des Auftretens der Farben
der Blumen während des Sommers: zuerst herrscht hier Weiß und Gelb,
dann erst treten in der Mehrzahl der Fälle Rot und Blau auf.
Es ist offenbar eine Erscheinung organischen Wachsens und
zwar eine unter dem langdauernden Einfluß des Sonnenlichtes und
der Sonnenwärme vor sich gegangene, daß eine so bestimmte
Folge von Farben auftritt. Dabei handelt es sich um Mitrsvirkung
dessen, was ich in meiner »Entstehung der Arten« als konstitu-
tionelle Imprägnation bezeichnet habe. Der äußere Einfluß,
in diesem Falle von Licht und Wärme, verändert, indem er
während langer Zeiträume einwirkt, die Konstitution des Orga-
nismus, erteilt demselben bestimmte Eigenschaften. Auf diesen
veränderten Organismus wirkt nun der gleiche Einfluß weiter
und verändert ihn abermals: in unserem Falle entsteht eine
höhere Farbenstufe, dann wieder eine höhere und so fort. Die
gegebene Farbenfolge erscheint als notwendiger Ausdruck ganz
bestimmter physikalisch-chemischer Veränderungen, als Aus-
druck organischen Wachsens.
Zuletzt entsteht in der Mehrzahl der Fälle schwarze Farbe, deren
Auftreten ja überall durch den Einfluß des Lichtes begünstigt wird.
Dabei handelt es sich um Voraussetzung von Farbstoffen. Bei den Schmetter-
lingen haben wir Farbstofffarben (Pigmentfarben) und Interferenzfarben.
Wie die letzteren durch Einwirkung des Lichtes verändert werden können,
ist nicht erfindlich. Und doch scheint sich die Farbenfolge auf alle
Farben bei den Schmetterlingen zu beziehen. Es stellt sich deshalb die
Frage, ob nicht auch bei den sogenannten Interferenzfarben Farbstoffe
mit im Spiel sind. Hier müssen erst genaue Untersuchungen angestellt
werden. Über einige vorläufige Ergebnisse solcher werde ich noch
berichten.
Diese Erklärung der Farbenfolge und der glänzenderen Färbung
der Oberseite der Tagschmetterlinge findet eine wichtige Stütze in den
Thatsachen, welche sich auf die Falter derselben Art und welche sich
vor allem auf die Falter nächstverwandter Arten in benachbarten Klimaten
beziehen.
Daß auch andere mit dem Klima zusammenhängende Einflüsse, wie
Trockenheit, Feuchtigkeit, Nahrung der Raupen bei der Verschiedenheit
der Farben der Falter in verschiedenen geographischen Gebieten maß-
gebend sind, ist selbstverständlich. Das tiefe Blau der Schmetterliuee
dunkler gefärbt ist als die bedeckte, z. B. bei Vanessa urticae, und daß dasselbe gilt für
die Flügelhaltung der Helerocera. Meist schneidet die Farbe mit der Bedeckungsgrenze
auch sonst haarscharf ab: vergl. vorn S. 202, 203 und .1. Schilde a. a. 0. S. 4 OS.
Ursachen verschiedener Zeichnungs- und Farbenfolge. 331
des tropischen Urwaldes, wie es Herr Martin dort als herrschend be-
schreibt, die besondere Färbung gewisser Schmetterlinge der Meeres-
küsten und von Inseln gehören hierher. VVallace hat eine große Anzahl
beziislicher Thatsachen aufgeführt, auf welche wir zurückkommen').
Es handelt sich an dieser Stelle für mich nicht um Erschöpfung
der Ursachen der Entstehung der Farben überhaupt, sondern nur um
die Farben folge.
Meine Erklärung derselben macht es verständlich, warum nicht allein
in den Tropen, sondern auch in gemäßigten Klimaten glänzende Farben
vorkommen, abgesehen von dem Einfluß, welchen die größere Intensität
des Lichtes in Höhenlagen entschieden ausübt"^); denn:
1) handelt es sich bei der Wirkung der Sonne nicht allein um die
unmittelbar thätige Kraft derselben, sondern um die kumulative, mit
der Zeitdauer wachsende Wirkung,
2] wird es in jedem einzelnen Falle darauf ankommen, auf welche
Konstitution das Licht einzuwirken hat. Diese ist nun eben wieder
davon abhängig, wie lange bestimmte äußere Einflüsse, also auch Sonne,
auf den betreffenden Körper eingewirkt haben. Zum anderen Teil aber
ist sie gerade von dem unmittelbaren Einfluß der Sonne mehr oder
weniger unabhängig geblieben, wie gewisse Thatsachen zeigen.
Nach dem unter 1 ) Gesagten werden auch in weniger sonnenreichen
Gebieten die Falter allmählich glänzende Farben erlangt haben können:
am ehesten die phyletisch ältesten Arten, w-elche am längsten dem Ein-
fluß der Sonne ausgesetzt gewesen sind.
Zu dem unter 2) Berührten ist nur darauf hinzuweisen, daß die
Flügeloberfläche der meisten Falter verschiedene Farben trägt, Farben
verschiedener Stufen, in der Regel sich nahestehender oder aufein-
anderfolgender, obschon die ganze Oberseite in gleichem Maße der
Sonneneinwirkung ausgesetzt ist.
Diese Thatsache scheint meiner ganzen Theorie zu widersprechen.
Und doch liegen darin Beweise für dieselbe.
Es wurde die merkwürdige Erscheinung hervorgehoben, daß gewisse
Zeichnungen der Oberseite, wie Vorderflügel- Eckflecke und Schrägbänder
nicht nur lange weiß bleiben, während die Grundfarbe im übrigen
schon eine viel höhere Stufe erreicht haben kann, was ja geradezu die
Regel ist, sondern daß nun auch jene Zeichnungen in der Folge höhere
Farben annehmen, welche jedoch stets hinter der übrigen Grundfarbe
um eine oder die andere Stufe zurückbleiben. Dadurch eben entstehen
die schönen Farbenzeichnungen besonders hochstehender Falter, wie der
Ägrias, Catagramma und anderer. Gerade dieses gesetzmäßige Nach-
hinken der Farbenfolge von Seiten gewisser Bezirke der Grundfarbe
scheint mir aber im Zusammenhang mit den übrigen Thatsachen auf den
Einfluß des Lichtes und überhaupt der Sonne hinzuweisen.
1) Man vergleiche auch die Angaben von Bates vorn S. 280, 284, 2S5.
2; Vergl. meine »Entstehung der Arten« I S. 103.
332 Gesetzmäßige verschiedenstufige Zeichnung u. Farbe auf d. versch. Flügelfl. u. s. \v.
Die Lösung der Frage, warum einzelne Bezirke der Grundfarbe auf
tieferer Stufe stehen bleiben, warum die Falter, auch abgesehen von der
Grundbinden-Zeichnung, verschiedenfarbig geworden sind und zwar in
gesetzmäßiger Folge, auch was die Einzelheiten angeht, muß damit
beginnen, warum jene Stellen von vornherein in der Färbung zurück-
geblieben sind, warum also eben z. B. Eckfleck- und Schrägband-Zeich-
nung zuerst weiß bleiben, während das Mittelfeld schon farbig geworden
ist. Darauf läßt sich wohl nur die Antwort geben: die Ursache liegt in
der stofflichen Beschaffenheit der betreffenden Bezirke, auf welche Licht
und Wärme anders einwirken als auf andere Teile der Flügeloberfläche,
und diese Verschiedenheit beruht wiederum wohl auf den korrelativen
bezw. kaleidoskopischen Verschiebungen der Stoffteilchen, welche mit
die Ursache der Verschiedenheit der Zeichnung, im besonderen Fall
die Ursache der postero-anterioren Umbildung sind.
Da die tieferstehenden Farben und insbesondere Weiß sich vorzüs-
lieh an den äußeren Rändern der Flügel und in den äußeren Ecken
der Vorderflügel erhalten, so liegt es übrigens vor allem nahe, an
geringere Ernährung dieser äußeren, vom Herzen am meisten entfernten
Bezirke als Ursache zu denken.
Beides, die kaleidoskopische Verschiebung der Teilchen bei der Her-
stellung der Zeichnung und damit zusammenhängende Veränderung der
stofflichen Zusammensetzung einzelner Bezirke der Flügelfläche, vielleicht
zugleich verschieden kräftige Ernährung derselben, dazu die Einwirkung
der Sonne auf diese verschiedenen Qualitäten, welche notwendig vei*-
schiedenen Ausdruck finden muß: diese Ursachen bedingen im wesent-
lichen die gesetzmäßige Verschiedenheit in Farbe und Zeichnung bei den
Schmetterlingen — Heterepistase und Homoeogenesis sind die maß-
gebenden Mittel für die Herstellung von Verschiedenheit und Ähnlichkeit
der Formen derselben überhaupt.
* Auf Grund dieser meiner Auffassung erklären sich auch leicht die
auf den ersten Blick wunderbaren Ähnlichkeiten zwischen Faltern ganz
verschiedener Familien, welche z. B. Fritz Müller eine »kaum glaubliche
Leistung« für eine »blind wirkende Ursache« genannt hat^j.
Es handelt sich ja auch in den von Wallace in Anspruch genommenen
»örtlichen Ursachen«, deren Bedeutung Fritz Müller entgegentritt, nicht
um »blind wirkende«, sondern um physikalisch-chemische, und ich bin
der Ansicht, diese werden auf der von mir vorausgesetzten Grundlage
mit sichererem Schritt zu dem Ergebnis kommen können, welches wir
thatsächlich vor uns sehen, als das »züchtende Auge« der Vögel oder
gar der Reptilien, eines Auges, welches, wie Fritz Müller sagt, »jeden
Strich, jeden Fleck, jede Farbenabstufung festhielt, wo immer sie auch
1) Vd. vorn S. 271.
Ursachen verschiedener Zeichnungs- und Farbenfolgc. 333
auftrat, sobald nur dadurch die Ähnlichkeit gesteigert, die Täuschung
der Feinde erleichtert wurde«.
Ich meine doch, es ist damit jenem züchtenden Vogelauge zu viel
zugemutet, von dem Eidechsenauge nicht zu reden, ich meine, wie schon
gesagt, daß eine solche ins Einzelste gehende Züchtung von Ähnlichkeit
zu ihrer Täuschung überhaupt nicht nötig war — ganz abgesehen da-
von, daß die Täuschung selbst nicht nötig war, weil weder Vögel noch
Eidechsen, noch auch andere Tiere so häufig Schmetterlinge im Fluge
verfolgen, um dadurch eine Züchtung zu erzielen.
Auf Grund meiner Theorie werden sich manche Einzelheiten der
Färbung, wie sie z. B. von Wallace »örtlichen LVsachen« zugeschrieben
worden sind, unschwer erklären lassen; Vielleicht ist es die üppigere
Sonne, welche in Guiana Arten von Ithomia , Mechanitis und Heliconius
mit gelber Flügelspitze erzeugt, die in Südbrasilien weiße Flecke auf
derselben haben; vielleicht kommt es ebendaher, daß Arten von Mecha-
nitis, Melinaea und Heliconius in Neu-Granada rots;elb uad schwarz,
die von Bolivia und Peru nur dunkelgelb und schwarz gezeichnet sind,
um nur die von Fritz Müller wiedergegebenen WALLACE'schen Beispiele
hier zu erwähnen.
Allein es bedarf dieser Hinweise nicht, denn ich habe längst gezeigt,
daß Arten mit ihrer geographischen Ausbreitung z. B. nach Süden durch
andere unmittelbar verwandte Arten ersetzt werden, welche unter ihren
wesentlichen Merkmalen eine der im Vorstehenden aufgestellten Farben-
folge ganz entsprechende Änderung der Farbe aufweisen, und ich erklärte
diese Umbildung ebenso wie entsprechende an Abarten unter denselben
Bedingungen vorkommende als Wirkung des Klima's. Den Beweis liefert
mir das Herrschen der gleichen Farbenfolge bei den Abänderungen des
Hora-Dimorphismus, und derselbe wird noch dazu experimentell geliefert
durch Thatsachen der künstlichen Zucht in Wärme und Kälte. Ich
komme hierauf zurück.
Hier möchte ich blos wiederholen, daß ich Sonnenlicht und Sonnen-
wärme nur als die Hauptursache der Farbenfolge ansehe. Sie werden
als solche wirken, weil sie auf der ganzen Erde beständig thätig waren.
Außerdem sind aber wichtige andere Ursachen der Umbildung der Farbe
hervorzuheben. Insbesondere beeünsti^t augenscheinlich Feuchtigkeit die
Ausbildung blaugrüner oder auch blauer und schwarzer Farbe — wie
dies nach meiner Darstellune auch für andere Tiere, so für die auf
dem Faraglione-Felsen im Meere lebenden Lacerta muralis caerulea, L.
}n. filfolensis vom Filfola-Felsen bei Malta u. a. gilt.
Möglich ist, daß auch sogenannte sympathische Färbung zunächst
für die Unterseite der Schmetterlingsflügel in Betracht kommt, indem die
meist düstere Färbung derselben nicht allein auf Mangel an Lichtein-
wirkung, sondern vielleicht zuweilen auch mit auf unmittelbarer Beein-
flussung durch die Farbe des Untergrundes beruht, welchem die Faller
ihre Unterseite zukehren. Doch spreche ich hier nur eben von einer
334 Gesetzmäßige vei-schiedenstunge Zeichnung u. Farbe auf d. versch. Flügelll. u. s. w.
Möglichkeil, für deren thalsächliche Ausführung zunächst Beweise nicht
vorliegen').
Die Wirkung solcher von der düsteren Färbung des Bodens,
dürrer Blätter u. s. \v. her auf die Unterseite der Schmetterlingsflügel
gewissermaßen photographierter düsterer Farbe würde dann einer »An-
passung« gleichkommen und Selektion als Ursache vortäuschen können.
Ich bin der Ansicht, daß jedenfalls die mangelhafte Beleuchtung der
Unterseite die düstere Färbung derselben im Gegensatz zur Oberseite
mit bedingt.
Die Abweichungen von der gewöhnlichen Farbenfolge sind wie bei
der Zeichnung teils sprungweise (kaleidoskopische), teils beruhen
sie auf Stillstand der Umbildung: Epistase. Der Stillstand, die Be-
harrung, kann sich auf die Gesamtheit der Flügel oder auf einzelne
derselben beziehen, wie bei der Zeichnung. Im letzteren Falle be-
kommen wir durch die Heterepislase Verschiedenstufigkeit.
Dieser Beweis gilt nun aber nicht nur für die Farbe, sondern auch
für die Zeichnung: künstliche Wärme erzeugt dieselben Zeichnungstypen,
welche in der freien Natur vorkommen, ebenso künstliche Kälte! Es
wird die Zeichnungs- wie die Farbenfolge, welche in der freien
Natur vorkommt, durch die Einwirkung von künstlicher Kälte und
Wärme wenigstens in bestimmten Fällen wiederholt. Darüber später
mehr. Hier will ich nur in Beziehung auf die Farbenfolge bemerken, daß
die Papilio-Arlen, welche unserem Segelfalter am nächsten stehen, nach
Süden die Farbenfolge Gelb, Grün, Blaugrün, auch Schwarz auf das
Schönste zeigen, während nach anderer Richtung aus Gelb Weiß wird,
wie bei den Pieriden. Die letztere Umbildung zeigen die südlichen
Abarten unseres Podalirius (z. B. Lotleri) und noch ausgesprochener die
südamerikanischen Arten.
Zur Erkenntnis des Herrschens einer bestimmten Farbenfolge I<ani ich zunächst
durch meine Untersuchungen über die Artbildung und Verwandtschaft bei den
Papilioniden , wo ich besonders den Übergang von Gelb in Grün und Blaugrün, dann
den anderen von Gelb in Weiß, dann den von Gelb in Oraniengelb und Rot, auch
von Rot in Violett, auch Rückbildung von Rotgelb und Rot in Braungelb hervorhob'-),
auf Grund von klimatischen Verhältnissen , im besonderen in Folge der Einwirkung
1) M. Standfuss bemerkt a. a. 0. S. 2S ff. und S. 3-2 IT. : Wenn wir das Kleid
in vollkommener Ruhestellung verharrender Schmetterlinge mit den Farbenverhält-
nissen der Plätze vergleichen, welche die Art zu längerem Absitzen oder für die Zeit
ihres Schlafes zu wählen pflegt, so lasse sich wohl für die größere Hälfte aller Falter
eine mehr oder weniger weitgehende Färbungsanalogie zwischen beiden nachweisen.
Viele andere aber entbehren solcher Ähnlichkeit vollkommen, auch ohne daß sie
andere Schutzmittel hätten.
2 Vgl. u. a. >Artl)ildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen« I. S. 35, 36,
C3, 187. 488, 238. II. S. 27. 30. 31, 46.
Ursachen verschiedener Zeichnungs- und Farbenfolge. 335
größerer Wärme, wie mir der Horadimorphismus und die künstlichen Wärmeversuche
mit PapiUo Ajax bestätigten. Einzelheiten bestimmten Farbenersatzes springen ja in
die Augen: so der von Weiß, Gelb und Rot bei vielen Pieriden, von Grün, Rot, Blau,
Schwarz bei vielen Lycaeniden. Weiteres Überblicken der Arten der einzelnen Familien
zeigte mir, daß eine bestimmte Farbenfolge allgemein gesetzmäßig herrschend ist.
Inzwischen hat auch Herr StandfussI) den Ersatz einzelner Farben durch andere
an verschiedenen Arten hervorgehoben. Er bemerkt, daß am häufigsten Rot und
Gelb wechselt, wobei, wie er meint, das Rot bei den Heteroceren durchweg als
Schreckfarbe wirke, und er sagt hierzu: es scheine dabei eine gewisse Stufenleiter in
der Farbenveränderung vorzuliegen, »deren verschiedene Grade von der Einwirkung
äußerer Faktoren abhängig zu denken sein dürften und auf der sich die Arten je
nach dem Wechsel dieser Faktoren bald in aufsteigender, bald in absteigender Be-
wegung befinden«. Am wahrscheinlichsten wirkten Unterschiede der Temperatur und
der Nahrung. Außerdem hellte sich das ursprüngliche Grau des Hinterilügeis der
Heteroceren zu Weiß auf, in anderen Fällen ging es wohl in Blau über. Dann berührt
Standfuss den Wechsel von Gelb und Weiß bei den Co/m5-Arten und meint, Weiß
sei die ursprüngliche Farbe gewesen'-:. »Es dürfte der größere Sonnenreichtum und die
höhere Temperatur sein, welche die Entwickelung der brennenderen Farben der
Coliaden begünstigt: Colias palaeno var. lapponica Stgr. , bis nahe an das Nordkap in
Finmarken reichend, ist unzweifelhaft ziemlich der fahlste Typus, und C. regia Gr.
Grsch. von Turkestan (Kara-Sagin), Pamir, Transalai, eine der südlichsten Arten der
Gattung, wohl der feurigste«. Daß die weißen Weibchen der mit den Coliaden nahe
verwandten Rhodocera rhamni durch hohe Temperaturen mehr oder weniger in die
gelbe Färbung der Männchen übergeführt werden können, sei dieser Annahme günstig.
Ferner wird die Beziehung von Gelb und Braun bei Bombyx- Arten, von Braun
und Braunrot mit Grau bei anderen Bombyciden. von Braun oder Braunschwarz mit
Blau bei Lycaenen hervorgehoben.
Schon mit den in diesem Abschnitte niedergelegten Thatsachen dürfte
auch die bereits vorn auf Seite 2 und 3 widersprochene Behauptung des
Herrn August Weismann (»Germinalselektion« S. 9): es herrschten keine
Bildungsgesetze bei der Zeichnung und Färbung der Schmetterlingsflügel;
zwischen oben und unten, hinten und vorn gehe keine Regel durch, es
kämen alle möglichen Kombinationen vor, im Sinne des dem Abschnitte
vorangestellten Begleitwortes gründlich erledigt sein.
1; M. Standfuss, Handbuch der paläarkt. Schmetterl. S. 207 IT.
-1 Nach Vorstehenden kann ich dies so allgemein nicht anerkennen.
IX.
Übergewicht des einen Geschlechtes (männliche und weib-
liche Präponderanz: Geschlechts-Dimorphismus). Geschlecht-
liche Zuchtwahl. Entstehung von Augenzierden.
»Denn eben dadurch wird die Harmonie des or-
ganischen Ganzen möglich, daß es aus identischen
Teilen hesteht, die sich in sehr zarten Abweichungen
modiflcieren. In ihrem Innersten verwandt, seheinen sie
sich in Gestalt, Bestimmung und Wirkung auf's wei-
teste zu entfernen, ja sich einander entgegenzusetzen,
und so wird es der Natur möglich, die verschiedensten
und doch nahe verwandten Systeme, durch Modifika-
tion ähnlicher Organe, zu erschaffen und ineinander
zu verschlingen.« Goethe.
A. Übergewicht des einen (jesclilechtes.
Wenn die Geschlechter der Falter verschieden sind, bezieht sich die
Verschiedenheit gewöhnlich darauf, daß der (^ in Zeichnung und Farbe
vorgeschritten ist: männliches Übergewicht oder männliche Präpon-
deranz. Aber auch das Umgekehrte kommt vor: weibliche Präpon-
deranz.
Der Fortschritt spricht sich in den meisten Fällen darin
aus, daß das eine Geschlecht, also gewöhnlich der rf, zu einer
höheren Zeichnungsstufe und zur Annahme einer höheren Farbe
der Entwickelungsreihe gediehen ist.
Und zwar sind diese höheren Eigenschaften häufig die-
selben, welche verwandte höher stehende Arten in beiden
Geschlechtern kennzeichnen.
Eine ähnliche Beziehung besteht im Fortschritt zwischen Unter-
und Oberseite. Das Weib hat häufig auf der Oberseite den Zeich-
nungstypus und die Farbe, welche der Mann auf der Unter-
seite hat. Auf der Oberseite aber ist der Mann um eine weitere
Stufe vorgeschritten.
Es ist diese Gesetzmäßigkeit des Geschlechts -Dimorphismus eine
der bemerkenswertesten Thatsachen, welche ich in dieser Arbeit all-
gemein aufstellen kann, nachdem ich einige hierhergehörige Fälle schon
A. Übergewicht des einen Geschleclites. 337
'&
in meiner »Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterh'ngen«
und zwar in Beziehung auf Papilio Bairdii und besonders auf P. Turnus
Glaucus in demselben Sinne verwertet habe.
Daß dabei dieEigenschaftendes vorgeschrittenen Geschlechts
so oft übereinstimmen mit denen einer nächstverwandten Art,
weist auf große Wichtigkeit der Geschlechtsunterschiede,
bezw. der Umbildbarkeit derselben für die Entstehung von
Arten hin. Und zwar sind die äußeren Ursachen der Umbildung nach
dem Beispiel von P. Turnus Glaucus und den bekannten Wirkungen von
Wärme und Kälte auf die Zeichnung und Farbe der Schmetterlinge wahr-
scheinlich wesentlich klimatische Einflüsse. Es handelt sich dabei offen-
bar um auf die geschlechtliche Natur der Falter durch solche Einflüsse
bewirkte kaleidoskopische Korrelation.
Sehr merkwürdig ist aber, daß die vorgeschrittene geschlechts-
dimorphe Form in einzelnen Fällen Eigenschaften aufweist, welche nicht
nahestehende, sondern sehr fern stehende Arten zeigen. Es kann dies
auf Homoeogenesis oder auf Heterhodogenesis beruhen. Es liegt darin
die Erklärung der Entstehung mancher jener Ähnlichkeiten, für deren
Deutung als Mimicry jeder Anhaltspunkt fehlt: Pseudo-Mimicry auf
Grund geschlechtsdimorpher sprungweiser Umbildung^).
Es dürfte der Geschlechts-Dimorphismus auf Grund sprungweiser
(kaleidoskopischer) Umbildung bei der Entstehung der Arten überhaupt
eine große Rolle spielen und gespielt haben und ich bin überzeugt, daß
diese Voraussetzung sehr der Beachtung weiterer Untersuchungen zu
empfehlen ist.
Den Umstand, daß der Mann dabei die herrschende Rolle spielt
und daß überhaupt die männliche Präponderanz auch sonst vorherrscht,
müssen wir wohl durch eine feinere, vorgeschrittenere, d. i. zusammen-
gesetztere chemisch-physikalische Beschaffenheit des männlichen Organis-
mus zu erklären suchen, denn die sprungweisen, kaleidoskopischen
Umbildungen, auf welchen die neuen Gestaltungen beruhen,
erscheinen eben als Ausdruck neuer chemischer Verbindungen
oder physikalischer Zusammenstellungen, welche die Teilchen
des Organismus eingehen und welche auf kleinste äußere An-
reize erfolgen können.
1) Man kann mir einwenden und man hat dies in Bezieliung auf Turnus Glaucus
von Seiten des Herrn Sedg-snick-Minot gethan, es sei nicht bewiesen, daß überhaupt
Hahuatogenesis in den von mir für solche in Anspruch genommenen Fällen vorliege:
es könnten ja Zwischenformen verloren gegangen sein. Aber abgesehen davon, daß
solche Zwischenformen nicht gefunden werden, ist die sprungweise Entstehung des
Turnus Glaucus bewiesen dadurch, daß er ohne Übergänge zuweilen im Gebiet des
gewöhnlichen gelben Turnus Q vorkommt. Dasselbe gilt auch u. a. für P. Polytes Q
(vgl. das Folgende), insofern als dieses ohne Übergänge zuweilen den fortgeschrittenen
Typus des (5 annimmt. Endlich wird die sprungweise Umbildung in Formen, welche
höher oder tiefer stehenden anderen Arten entsprechen, vor Augen geführt durch die
künstlichen Temperaturversuche.
Eimer, Ortliogeuesis. 22
338
Übergewicht des einen Geschlechtes. Geschlechtliche Zuchtwahl.
nuDgen
Eine der anziehendsten und wichtigsten hierhergehörenden Erschei-
ist der auseinander gehende oder divergierende Ge-
schlechts- Dimorphismus, der Fall, daß beide Geschlechter nicht auf
der Stufe tieferer und höherer Entwickelung stehen, sondern daß sie
oft weit auseinander liegenden Zeichnungstypen an-
daß das eine Geschlecht in der Umbilduns; einen
ganz verschiedenen,
gehören, dergestalt,
weiten Sprung gemacht hat. Immer erscheint aber auch hier ein ganz
bestimmter, bekannter Typus zum Beweis der feststehenden Gesetzmäßig-
keit in der Krystallisation der Teilchen.
Sehr bemerkenswert ist ferner als überall hervortretendes letztes
Endergebnis der Umbildung die Einfarbigkeit und zwar zumeist
düstere, schwarze Einfarbigkeit.
Alle Thatsachen widersprechen geschlechtlicher Zuchtwahl, alle aber
widersprechen auch irgendwelchem Zwange der Anpassung auf Zeich-
nung und Färbung, jedenfalls der Oberseile der Schmetterlingsflügel
und damit jedem Einfluß derselben auf die Entstehung der Artmerkmale.
Im Folgenden will ich zuerst die hervorragendsten Beispiele des
Geschlechts-Dimorphismus bei den Papilioniden aufführen, sodann
einige hervorragende Fälle aus anderen Familien besprechen; im Übrigen
werde ich mich darauf beschränken, eine Übersicht der wichtigsten im
SxAUDiNGER'schen Werke abgebildeten geschlechtsdimorphen Falter unter
Hervorhebung ihrer maßgebendsten Merkmale zusammenzustellen.
Papilioniden,
Bei Ornühoptera Priamus Richmondia i) hat das Weib beiderseits den
großen weißen Flecktypus, hin-
ten unten mit teilweise gelblichen
Flecken. Der Mann hat unten
denselben Typus, aber mit grünen
und teilweise (besonders hinten)
safrangelben Flecken. Oben ist
er fast zeichnungslos grün und
schwarz. Der (^ ist also gegen-
über dem Q in Zeichnung wie in
Ornühoptera Priamus Richmondia Gkat. ^.
1/2 der nat. Gr.
Farbe vorgeschritten. Auf der
Abb. 21
beigegebenen Abbildung 217 der
Ober- und Unterseite von 0. Priamus Richmondia giebt die Unterseite
zugleich ziemlich den Typus der weiblichen Zeichnung wieder.
Bei 0. Rhadamanilms'^) ist der Mann insofern um eine Stufe vor-
gerückt, als das gelbe, breite Mittelfeld der Hinterflügel, welches beim
Weib nur deren inneren Teil einnimmt, beim Mann sich fast über die
ganze Fläche derselben ausgebreitet hat.
Der Typus des Rhadamantkus § ist derjenige des (f von 0. Hali-
phron^), nur ist hier das gelbe Mittelfeld der Hinterflügel noch schmaler.
1] Staud. Taf. 1.
Ebenda.
3) St. Taf. 2.
A. Übergewicht des einen Geschlechtes.
339
Der Typus des Rhadamanthus (^ erscheint noch ein bischen weiter vor-
geschritten, als der des Mannes von 0. Potnpeus Cerberus^], er hat nahezu
Innenfeldl)ildung 2) .
Das Weib von P. Polytes und das von P. Nicanor^), beiderseits gleich,
haben auf den Hinterflügeln einen weißen Alyattesfleck, dahinter rote
Flecke und außerdem rote Bandflecke, wie z. B. die Hectorgruppe sie
so häufig führt. Die Vorderflügel der Q beider Arten haben grauen
Xuthus-Typns ^ mit Beginn von Fächerzeichnung, wie er dort gleichfalls
häufis ist.
Abb. 218.
Papilio Aegetis Dos. Q.
1/2 Bat. Gr.
Abb. 219.
Papilio Polytes L. Q.
'/z nat. Gr.
Abb. 220.
Papilio Äfgnts Dos. (J.
1/2 nat. Gr.
Nicanor (^f ^) ist vorgeschritten zu schwarzer Einfarbigkeit, mit Aus-
nahme von weißen Bandflecken und auf den Hinterflügeln einem weißen
äußeren Bandbinden-ähnlichen Mittelfeld. Er ist ebenfalls beiderseits nahe-
zu gleich gezeichnet und gefärbt: divergierende Umbildung.
Ganz ähnlich wie diese beiden Fälle verhält sich
P. Alphenor. Als Seltenheit kommt es aber bei
Polytes vor, daß das Weib den fortgeschrittenen
Typus des Mannes angenommen hat. Ein solches
Q ist nebenstehend (Abb. 221), vorher ein gewöhnliches
Q von der Oberseite abgebildet (Abb. 219).
Große Ähnlichkeit mit diesen vorgeschrittenen Männern
der genannten indischen Falter, bezw. mit dem vorge-
schrittenen Weib von Pohiles, hat der südamerikanische
n £/ ■ z. ^^ ^bb. 221.
P. Hipparchus ^]. p^,^,.,,., p,,^^,, j,. c
Das Q des neuholländischen P. Aegeus^) ist dem m;""is coiore 1/2 nat. Gr
von Nicanor in den Grundzügen der Zeichnung ähnlich, es ist aber der
Alyatte8-¥\eck des letzteren zu einem weißen Innenfeld vergrößert(Abb.2 1 8).
Noch ähnlicher ist ihm P. Deiphontes Q von den Molukken ' . Demselben
1) Staud. Taf. 2.
-; Bei 0. Amphrysus ist diese Entwickeliingsrichtung noch weiter vorgeschritten,
indem fast ganz einfarbige, gelbe Hintertlügel vorhanden sind.
3; St. Taf. 3.
7) St. Taf. 3.
4) Ebenda.
5] St. Taf. 1 3.
6) St. Taf. 4.
22*
340 Obergewicht des einen Geschlechtes. Geschlechtliche Zuchtwahl.
Typus (überall vorne mit Fächerzeichnung) gehören die meisten O von
P. Memnon (Sunda-Inseln), Äscalaphus (Celebes) und Deipliobus (Amboina
und Ceram) an.
Bei allen diesen Faltern mit Ausnahme von Aegeus ist der q^ oben
fast einfarbig schwarz geworden, abgesehen von einer grauen oder bläu-
lichen Randbinde auf den Hinterflügeln, und die Fächerzeichnung ist
auch auf die Hinterflügel übergegangen^). Der (^ ist also überall sehr
vorgeschritten und zwar erscheint dieser männliche Charakter als eine
Fortbildung desjenigen beider Geschlechter bei P. Polymneslor aus Ost-
indien und Ceylon, wie auch die Eigenschaften der Unterseite zeigen.
Der Q^ von Aegeus (Abb. 220) ist dagegen zum Schrägband-Typus (in der
Hauptsache Band C) vorgeschritten und der Fortschritt der Hinterflügel
äußert sich, abgesehen von gelb-grünlicher statt weißer Farbe und des
zum Mittelfeld verkleinerten Innenfeldes auch hier, wie vorne, in fast voll-
kommener Schwarzfärbung. Unten sind die Hinterflügel des (^ einfarbig
mit Ausnahme der farbigen (rot, blau, gelblich) Randbandflecke.
Dieser männliche .4(?^ei<5-Typus stellt oberseits die Eigenschaften
beider Geschlechter von Nephelus (Celebes) dar'-).
Es handelt sich auch bei diesem Falter um wenigstens teilweise
divergierende Umbildung (Vorderflügel des Q !).
P. Severus^) (malayisches Gebiet) ist oben weiter vorgeschritten als
Aegeus (^, indem er meist das Schrägband der Vorderflügel verloren hat:
nur beim Q kommt es zuweilen verloschen noch vor; unten finden sich
noch Reste der Randbandflecke. P. Helenus (ebendaher) endlich ist in
beiden Geschlechtern zu schwarzer Einfarbigkeit, nur mit gelbem breitem
Mittelfeld auf den Hinterflügeln vorgeschritten.
Wir kehren noch einmal zu dem in Nicanor und Polytes vertretenen
Alyattes-Typus zurück, indem vs'ir ausgehen von P. Hectorides*). Hier
hat der Mann ein T/joas-ähnliches Mittelfeld, das Weib dagegen ist fast
übereinstimmend mit P. Agavus Q gezeichnet. Agavus aber führt durch
die Gestaltung des Mittelfeldrestes der Hinterflügel zu Polytes, Nicanor,
Aegeus, d. i. also zum Alyattes (J'-Typus, wie er in Mylotes, Aeneides^)
vertreten, während bei Alyattes q^ die (rote) Zeichnung der Hinterflügel
mehr aus den Randbändern hervorgegangen ist, ebenso bei Sesostris
u. a., doch läßt sich beides nicht trennen, denn bei Alyattes Q ist off"en-
bar ein Teil des Mittelfeldes in dem roten Fleck inbegriffen.
Während also das Weib von Hectorides einerseits zu den Alyattes
führt, der Mann an dem Mittelfeld-Typus zugehörige Formen sich an-
schließt, findet das Weib andererseits, wie gesagt, den vollkommensten
Ausdruck seiner Zeichnungseigenschaften bei Agavus (^ und Q und
etwas mehr noch zu Hectorides (^ hinneigend bei Lysithous^).
Eine ganz andere sehr merkwürdige Umbildung bietet auf Grund
w^eiblicher Präponderanz P. Androgeos dar"). Bei diesem gleichfalls
1) P. Deiphontes Staud. Taf. 5. 2j sr. Taf. 4. 3j Ebenda.
4) S. Taf. 11. 5) St. Taf. 9. 6) Ebenda. ■?) St. Taf. 10.
A. Übergewicht des einen Geschlechtes. 341
südamerikanisclien Falter hat der Mann oben ein gelbes r^oa^-ähnliches
3Iittelfeld und gleicht überhaupt sehr diesem Falter (unten ist er ähn-
lich der Unterseite vom Machaon und Xicthus^ nur sind die Queradern
weniger schwarz gefärbti. Das Weib aber ist auf den Vorderflügeln,
und zwar oben und unten, zum Schrägband-Typus FG vorgeschritten,
ganz ähnlich Alyattes 2? wo das Band bald FG, bald EFG entspricht.
Dasselbe Band ist bei P. Laetitia und Lycortas i) auf der Unterseite in beiden
Geschlechtern vorhanden, bei P. Bitias-) ist es bei beiden etwas weiter hinten gelegen
(GH). Alle diese Falter schließen sich am engsten an Androgeos Q an.
Eine besondere Aufmerksamkeit verdient noch das Verhalten von Lycortas, Lae-
titia, auch Cleotas, auf der Oberseite der Vorderflügel. Durch Schmalerwerden des
Schrägbandes und Auflösung desselben in Flecke bezw. Schwinden von dessen innerem
Teile entsteht ungefähr die in unserer Abbildung HO gegebene Zeichnung; während bei
Laetitia gerade dieses innere Bandstück am ausgesprochensten bestehen bleibt. Die
gesamte Li/corto5-Zeichnung der Oberseite aber hat andererseits, otfenbar homoeogene-
tisch, wiederum große Ähnlichkeit mit Formen der Aster ias-Gvnppe^].
Einen merkwürdigen Fall von weiblicher Präponderanz bietet ferner
Eurycus Cressida^), dessen Weib durch Farbe und Zeichnung der Hinter-
flügel ähnlich Nicanor Q ist, während die Vorderflügel bis auf zwei,
Resten von Binde V/VI und VIII entsprechende, rimde Flecke durch Ver-
lorengehen der Fächerzeichnung rauchgrau, fast glasartig geworden sind.
Das Weib hat auf beiden Flügeln diese düstere Einfarbigkeit angenommen.
Der Mann aber (Abb. 222) hat in den zwei schwarzen runden Flecken auf
glasartigen Vorderflügeln ein vollkommenes Gegenbild bei Parnassius Mnemo-
sijne aberr. melaina (Abb. 223) (aus Bayern) $, und hier sind auch die Hinter-
Abb. 222. Abb. 22:^.
Eurycus Cressida F. (5. Parnassius Miiemosyiic L. aberr. melaina Honr. ^
flügel glasartig wie beim Weib von Cressida. Der Mann von melaina
ist auf den Vorderflügeln w^eniger in jener Entwickelungsrichlung vor-
geschritten; er ist ähnlich der gewöhnlichen Mnemosyne, welche übrigens
1) Staud. Taf. iO. 2) Ebenda.
3) z. B. mit P. Palamedes, vgl. meine »Artbildung« II. Taf. VIII. Fig. 3, 4.
4) St. Taf. U.
342 Übergewicht des einen Geschlechtes. Geschlechtliche Zuchtwahl.
dieselben zwei Flecke hat, nur nicht so rund, und bei beiden ist der
Außenrand der Vorderflügel glasartig, das Übrige weiß.
Bei Set^icinus Montela aus China ') hat das Weib noch Ähnlichkeit
mit eigentümlich vorgeschrittenen Segelfaltern, besonders mit Armandia
Thaitina, während der Mann vorgeschrittenen Parnassiern, nämlich solchen
mit viel Zeichnung ähnlich geworden ist. Es handelt sich also hier
wieder um divergierenden Fortschritt.
Die geschlechtlich dimorphen Umbildungen von Merope sind schon
beschrieben. In der Zeichnung sind dort die cf am meisten vorgeschritten,
nahe an Einfarbigkeit; sie sind schwefelgelb. Die Weiber zeigen ver-
schiedene Stufen des Vorschreitens der Zeichnung vom Gea-Typus aus-
gehend zur Bildung eines ausgebreiteten Innenfeldes der Hinterflügel;
ihre Farbe ist weiß, schwefelgelb oder rotgelb oder l)eides oder gar
dreifarbig; das Rotgelb des Innenfeldes bietet die vorgeschrittenste Farbe.
Endlich erwähne ich die bei Turnus Glaucus und Bairdii beschriebenen
Verhältnisse mit weiblichem Fortschritt zur Einfarbigkeit, wiederum eine
Entwickelungsrichtung zeigend, welche in der .-isie/ms-Gruppe in aus-
giebigem Maße zur Entstehung von Arten geführt hat.
Eine sehr auffallende Zeichnung zeigt die Papilionide Leptocircus
virescens'^) , welche sehr ähnlich ist der Erycinidengattung Zeonia^). Es
handelt sich dabei wieder um einen hervorragenden Fall von Homoeo-
genesis, von welchem übrigens vorher schon die Rede gewesen ist (vgl.
Abb. 199).
Die folgende Zusammenstellung zeigt, wie nicht nur bei den Papilio-
niden, sondern bei den verschiedensten anderen Familien der Tagfalter
in der Regel der Mann dem Weibe jedenfalls auf der Oberseite in Farbe
und Zeichnung vorangeschritten ist und zwar häufig um einen nächst-
höheren Tj^us, bezw. um eine höhere Farbenstufe, und wie dann häufig
der Mann unterseits noch die Eigenschaften des Weibes hat. Dazu
kommen zahlreiche ausgesprochene Fälle von auseinandergehender, diver-
gierender Entwickelung. Unter den Pieriden sind hier besonders einige
Delias zu nennen, wie D. Aruna, Candida, die grüne chrysomelaena.
Bei letzterer hat das Weib beiderseits Innenfeld, oben weißlich, unten
gelb (vorn gelb und weiß), von Schwarz umrahmt, mit weißen und
gelben Randflecken und Vorderflügel- Schrägbandflecken. Der Mann ist
unten ebenso, aber auf den Hinterflügeln mit gelbem, auf den Vorder-
flügeln mit weißem Innenfeld. Dagegen ist er oben fast einfarbig weiß.
Beide zeigen also Dreistufigkeit, besonders der Mann.
Im Übrigen hat das Weib bei den Pieriden z. B. häufig den Hyale-
Typus, der Mann den fc/u^a-Typus oder das Q. hat noch einen Vorderflügel-
Eckfleck oder eine Spur von schwarzem Rand, der Mann ist einfarbig u. s.w.
1) Staud. Taf. U. 2) St. Taf. 14. 3) St. Taf. 89.
A. Übergewicht des einen Geschlechtes. 343
Bei Pereute Charops aber besteht das merkwürdige Verhältnis, daß das Weib
unten und oben ein rotgelbes Schrägband i) hat, unten vorn aber vorgeschritten ist
gegen oben vorn, weil hier noch Eckflecke vorhanden sind, welche dort fehlen. Da-
gegen ist die einfarbige Oberseite der Hinterflügel umgekehrt in der dunkleren
(schwarzbraunen) Farbe der Unterseite vorangeschritten.
Die Unterseite der Vorderfliigel des Weibes ist auch der des Mannes vorange-
schritten in der Farbe des Schrägbandes, denn diese ist beim Manne citronengelb. Die
Unterseite der Hinterflügel ist dagegen beim Manne in der dunkleren Farbe dem Weibe
vorangeschritten.
Die Oberseite des Mannes ist in ähnlicher Weise wie die des Weibes gezeichnet,
aber grau. Ebenso sind die Hinterflügol oben einfarbig grau.
Ein solches Verhalten, welches in wesentlichen Dingen die gewöhn-
liche Regel vollkommen umkehrt, ist eine große Ausnahme. Allein die-
selbe erklärt sich offenbar wesentlich durch Rückbildung darin, daß die
rotbraune Farbe des Vorderflügelbandes des Weibes gegenüber der
citronengelben des Mannes hier ein Stehenbleiben auf einem früheren,
höheren Standpunkt der Farbe bedeutet. Daß die Unterseite der Vorder-
Qügel bei beiden Geschlechtern gegenüber der Oberseite nur ein Schräg-
band trägt, beruht allerdings auf Vereinfachung, welche aber vielleicht
Folge mangelhafter Übertragung von oben nach unten ist.
1) S. Abb. 180.
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B. Bedeutung der geschlechtlichen Zuchtwahl u. s. w. 351
B. Bedeutniig der ^escliloclitliclieu Zuclitwalil für die Uml)ilduii,2: der
Schmetterlinge und besonders für den Gesclilechts-Dimorpliismus.
Es ist hier der Ort, die Frage zu behandeln, welche Stelle etwa
der geschlechtlichen Zuchtwahl für die Umbilduug der Schmetter-
linge vorzüglich im Sinne des Geschlechts-Dimorphismus zukommen
könnte, und es muß diese Frage um so mehr erörtert werden, als Dar-
win der geschlechtlichen Auslese insbesondere in Beziehung auf die ver-
schiedene Färbung der beiden Geschlechter eine sehr große und maß-
gebende Rolle zugeschrieben hat.
Ich halte es für angezeigt, Darwix selbst sprechen zu lassen. Der-
selbe widmet, wie er hervorhebt, beinahe das ganze elfte Kapitel seiner
»Abstammung der Menschen« diesem Gegenstande allein in Beziehung
auf die Schmetterlinge. Er sagt^):
>Jedermann muß die außerordentliche Schönheit vieler Tag- und Nachtschmetter-
linge bewundert haben und wir werden zu der Frage veranlaßt: sind diese Färbungen
und verschiedenen Zeichnungen das Resultat der direkten Wirkung der physikalischen
Bedingungen, denen diese Insekten ausgesetzt gewesen sind, ohne irgendwelchen
daraus fließenden Vorteil? oder sind nacheinander auftretende Abänderungen ange-
häuft und entweder als Schutzmittel oder für irgend einen unbekannten Zweck fest-
gehalten worden, oder dazu, daß das eine Geschlecht dem anderen anziehend gemacht
wurde? Und ferner, was ist die Bedeutung davon, daß bei den Männchen und
Weibchen gewisser Species die Färbungen sehr verschieden und bei den beiden Ge-
schlechtern anderer Species gleich sind? «
Bei der Iris, dem Aurorafalter u. s. w. unter unseren Schmetterlingen sind die
Geschlechter verschieden, bei anderen sind sie gleich in Farbe.
Bates teilt mit, daß er von der südamerikanischen Gattung Epicalia zwölf
Arten kennt, von denen die beiden Geschlechter an denselben Orten schwärmen und
dies ist nicht immer bei den Schmetterlingen der Fall , welche daher nicht durch
die äußeren Bedingungen verschieden beeinflußt worden sein können. Von neun
dieser zwölf Arten gehören die Männchen zu den brillantesten von allen Schmetter-
lingen und weichen so bedeutend von den vergleichsweise einfachen Weibchen ab,
daß sie früher in besondere Gattungen gestellt wurden. Die Weibchen dieser neun
Arten sind einander in dem allgemeinen Typus ihrer Färbung ähnlich und sind gleich-
falls beiden Geschlechtern der Arten mehrerer verwandter Gattungen ähnlich, welche
sich in verschiedenen Teilen der Erde finden. W^ir können daher schließen, daß diese
neun Arten und wahrscheinlich alle übrigen Arten dieser Gattung von einer vorelter-
lichen Form abstammen, welche in nahezu derselben Weise gefärbt war.« Bei der
zehnten behält das Weibchen noch dieselbe allgemeine Färbung, aber das Männchen
ist ihm ähnlich. Bei der elften und zwölften Species sind die Weibchen fast ebenso
schön gefärbt wie die Männchen. »Es scheinen also bei diesen beiden Arten die
hellen Farben der Männchen auf die Weibchen übertragen worden zu sein, während
das Männchen der zehnten Species die einfache Färbung sowohl des Weibchens als
der elterlichen Form der Gattung entweder beibehalten oder wiedererlangt hat. Die
beiden Geschlechter in diesen drei Fällen sind daher, wenn auch in einer entgegen-
gesetzten Art und Weise, nahezu gleich gemacht worden.«
Bei der Gattung Papilio zeigt sich die (auch sonst häufige) Neigung, »in der
Grüße der Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern gradweise Abstufungen ein-
treten zu lassen«.
1, Darwin, Abstammung des Menschen I. Kap. ii. Stuttgart 1878. S. 403.
352 Übergewicht des einen Geschlechts. Geschlechtliche Zuchtwahl.
15ei unserer Lycaena ageslis sind beide Geschlechter gleich, braun; bei L. aegon
ist das Weibchen braun, das Männchen blau; bei L. arion sind beide schön blau,
beim Weibchen nur die Flügelränder etwas trüber und die schwarzen Flecke
deutlicher.
Also die Männchen sind bei den Schmetterlingen meist schöner; es kommt aber
auch der umgekehrte Fall vor.
»Aus den zahlreichen Fällen von Abstufung in dem Betrage an Verschiedenheit
zwischen den Geschlechtern und aus dem Vorherrschen desselben allgemeinen Typus
der Färbung durch die ganze Gruppe hindurch können wir schließen, daß es im
Allgemeinen dieselben Ursachen gewesen sind, welche die brillante Färbung allein der
Männchen bei manchen Species und beider Geschlechter in mehr oder weniger glei-
chem Grade bei anderen Species bestimmt haben.«
Bates 1) zeigte durch Vergleichung von Insekten aus tropischen und gemäßigten
Gebieten, daß die Verhältnisse der Tropen für den Glanz nicht maßgebend seien:
zuweilen bewohnen also glänzende Männchen und einfache Weibchen einer Art das-
selbe Gebiet, ernähren sich von demselben Futter und haben dieselben Lebens-
bedingungen.
»Selbst %Yenn die Geschlechter einander ähnlich sind, können wir kaum glauben,
daß ihre brillanten und schön angeordneten Farben das zwecklose Resultat einer
besonderen Beschaffenheit der Gewebe und eine Folge der Einwirkung der umgeben-
den Bedingungen sind.«
»Sobald die Farbe zu irgend einem specialen Zwecke modificiert
worden ist, ist dies, und zwar bei Tieren aller Arten, so weit wir es beurteilen
können, zum Zwecke des Schutzes oder zur Bildung eines Anziehungs-
mittels der Geschlechter aneinander geschehen.«
Dunkle Flügeloberseite wird aller Wahrscheinlichkeit nach befähigen, der Beobach-
tung und der Gefahr zu entgehen. Gefahr droht den Faltern aber haupt-
sächlich im Sitzen, daher ist die Unterseite der Tagfalter häufig an-
gepaßt, bei gewissen Vanessae u. a. z. B. an die Rinde der Bäume. Dann Kailima,
welche auch noch Kopf und Fühler zwischen den geschlossenen Flügeln birgt. Auch
wenn die untere Fläche der Flügel glänzend gefärbt ist, kann sie als Schutzmittel
dienen: bei Thecla rnbi gleichen sie, smaragdgrün, den jungen Blättern des Himbeer-
strauchs, auf welchen der Schmetterling im Frühjahr meistens sitzt.
»Es ist auch merkwürdig, daß bei sehr vielen Arten, bei denen die Geschlechter
in der Farbe der oberen Fläche bedeutend von einander abweichen, die untere Fläche
in beiden Geschlechtern sehr ähnlich oder identisch gefärbt ist und als Schutzmittel
dient 2). «
Zuweilen können aber die Farben nicht schützend sein: so beim
Citronenfalter und der Aurora, wo Männchen und Weibchen in die Augen fallen, die
(5 aber noch schöner sind als die Q. Prof. Weismann bemerkt 3), daß das Weibchen
einer der Lycaenen die braunen Flügel ausbreite, wenn es sich auf den Boden setzt*)
1) Bates: The naturalist on the Amazons. Vol. I. 4 863. S. i9.
-) G. Fräser: »Nature« Apr. 1871. 489.
3) Einfluß der Isolierung auf die Artbildung -1872. S. 58.
4) Diese Angabe ist nicht genau. Die Annahme Weismann's hätte aber allerdings
dann mehr Sinn, wenn sie genau wäre, nur dann könnte man von Anpassung reden:
Weismann spricht (a. a. 0. S. 57) davon , daß die Weibchen der Lycaenen nicht ge-
schützt werden, »aber sie haben die Gewohnheit, meist mit halb oder ganz geöffneten
Flügeln zu sitzen«. In dieser Stellung werden die Eier zwischen die Einzelkelche von
Kleeblumen oder anderen schmetterlingsblütigen Pflanzen abgelegt«; zehn Minuten
lang beobachtete er das Ablegen weniger Eier. »Dann folgte wieder eine lange Pause
und während dieser ganzen Zeit saß das Tier mit vollständig ausge-
breiteten Flügeln still da. Bei solchen Lebensgewohnheiten«, meint Weismann,
»muß die braune Farbe in der That ein Schutz sein und wesentlich dazu beitragen,
B. Bedeutung der geschlechtlichen Zuchtwahl u. s. \v. 353
und dann beinahe unsichtbar ist, während das (5, wenn es ruht, seine Flügel schließt,
als wenn es wüßte, welche Gefahr ihm das helle Blau der oberen Fläche derselben
brächte. Also kann das Blau nicht Schutzfarbe sein. Nichtsdestoweniger ist
es wahrscheinlich, daß die auffallenden Farben vieler Species in einer
indirekten Weise wohlthätig sind, indem sie zu erkennen geben, daß
die Thiere ungenießbar sind.
die eierlegenden Weibchen ihren lauernden Feinden, den Spinnen zu verbergen«. Ob die
Bläulinge auf braunem oder auf blauem Klee saßen und sitzen, sagt uns Herr Weismann
nicht, ob er je in seinem Leben eine Spinne gesehen hat, welche bei Tage einen Schmetter-
ling verfolgte, sagt er auch nicht. An einem anderen Orte beruft er sich ausdrücklich
auf Ausübung und Erfolg der Schmetterlingsjagd durch Spinnen bei Nacht, frei-
lich im Zwinger. Er berührt aljer die Frage, ob das ÖtTnen der Flügel bei der Eier-
ablage nicht eine Folge der damit verbundenen kombinierten Muskelbewegungen sei
oder eine im Vertrauen auf die schützende Färbung geübte schlechte Gewohnheit. In
beiden Fällen werde, meint er. die natürliche Zuchtwahl so lange jede lilaue Variation
der Weibchen nicht aufkommen lassen, als sie die Gewohnheit des Flügelausljreitens
nicht aufgeben.
Ich brauche nicht hervorzuheben, daß auch diese sämtlichen Vorstellungen des
Herrn Weismann nach den von mir mitgeteilten Thatsachen als »fictive« erscheinen,
mit Ausnahme vielleicht derjenigen von den Muskelbewegungen als Ursache der
Flügelausbreitung.
Nachschrift. Zum Zweck der Vergleichung der Anführung Darwin's hatte ich,
als ich Vorstehendes schrieb, nur Seite 57 58) in der Schrift von Weismann nachge-
sehen. Eine Stunde später setzte ich mich hin, um die ganze Schrift, welche ich seit
Jahren nicht in der Hand gehabt hatte, durchzulesen. Ich fand darin zahlreiche
Stellen von meiner Hand angestrichen und mit Bemerkungen versehen, welche der
Übereinstimmung meiner Ansichten mit damaligen des Herrn Weismann Ausdruck geben
und welche wiederum das seither so reich Ijetätigte Bedürfnis desselben nach voll-
kommener Metamorphose seiner »Erkenntnisse« aufs Neue bekunden und den schon in
meiner »Entstehung der Arten« ausgesprochenen Satz abermals bestätigen, daß ich
den früheren Weismann gegen den heutigen verteidige. Aber ich war abermals hoch-
gradig überrascht, auf Seite 56, also unuiittelbar vor der soeben behandelten Lehre
vom Geschütztsein der braunen Lycaenen-Weibchen auf Klee und anderen Schmetter-
lingsblüten »vor ihren lauernden Feinden, den Spinnen« folgendes zu lesen: »Ich habe
Tagschmetterlinge in einem mit Gaze überzogenen Zwinger gehalten und war oft
überrascht davon, wie viele, besonders von gewissen Arten bei Nacht von Spinnen
lind andern Raubtieren gefressen wurden, während ich nie bemerkte, daß dies
im hellen Sonnenschein geschehen wäre(!). Die Tagschmetterlinge sind aber
nicht nur am Tage auf der Hut, sondern sie sind auch am Tage weniger Angriffen
ausgesetzt.« Folgt der Satz, welchen ich nachträglich noch vorne gleich Anderem
verwerten konnte, daß Vögel sich in unseren Breiten gewiß nur ausnahmsweise mit
dem Fang der Schmetterlinge im Fluge abgeben und daß keine schützenden Färbungen
der nur beim Flug sichtbaren Oberseite der letzteren, noch viel weniger ganz ins
Specielle gehende Anpassungen in der Zeichnung derselben erwartet werden können.
— Es fehlt uns nun noch Auskunft über die oben gestellte Frage, ob Herr Weismann
überhaupt je gesehen hat, wie eine Spinne in der freien Natur iu unseren Breiten einen
Schmetterling verfolgte, oder auf ihn lauerte, und daß so auch nur die geringste Be-
rechtigung gegeben ist, zu sagen, es könne auf solche Verfolgung eine Schutzfärbung
begründet werden.
Herr Weismann giebt zudem viel auf seine bezüglichen Ansichten, denn er kommt
auf den Fall wiederholt in späteren Schriften zurück. Dabei versäumt er aber Kritik
daran in dem Sinne zu üben, daß die Biologie eines Zwingers doch unmöglich mit
derjenigen der freien Natur ohne weiteres zusammengestellt oder verglichen werden
darf, was schon Herr Schilde als »Naivetät« bezeichnet hat.
Eimer, Orthogenesis. 23
354 Übergewicht des einen Geschlechtes. Geschlechtliche Zuchtwahl.
Bei Anthocharis sara von Kalifornien hat auch das Q, wenngleich blasse, rote
Flügelspitzen, bei Iphias Glancippe vollkommen oranienrote. Die Unterseite gleicht in
letzterem Fall aber einem Blatte, bei der gewöhnlichen Aurora dem Blütenkopf
der wilden Petersilie, auf welcher man dieselbe häulig sich zur Nachtruhe nieder-
lassen sehen kanni). Aber wenn die Flügelspitzen und zwar nur beim Männchen
gelbrot sind, so kann dies kein Schutz sein.
Die gemeinen Gelbhandeulon {Triphaena fliegen oft am Tage und sind dann
wegen der Farbe der lliuterllügel sehr auffallend. »Man würde natürlich hier denken,
daß dies eine Quelle der Gefahr sei, aber Herr Jennku Weir glaubt, daß es ein Mittel
zur Sicherung ist. Eine Triphaena pronuba in einem Vogelhaus wurde von einem
Rotkelchen erst nach etwa 50 Versuchen gefangen, weil »sich die Aufmerksamkeit des
Vogels auf die gefärbten Flügel richtete«, indem Stückchen der Flügel abbrechen'-.
Es folgt die Ansicht von W.\llace, daß die großen Flügel Schutz seien, wie ich
das gleichfalls ausgesprochen habe 3).
Im Übrigen sind die Nachtschmetterlinge im Gegensatz zu den Tag-
schmetterlingen auf der Oberseite meist geschützt.
Dann heißt es wieder, daß helle Farben zur Nachtzeit nicht sichtbar
sind. Aber die Nachtschmetterlinge gewisser Familien (z. B. Zygaeniden, mehrere
Sphingiden, Uraniiden, einige Arctiiden und Saturniiden) lliegen am Tag oder Abend
und viele derselben sind außerordentlich schön und viel glänzender gefärbt als Nachts
fliegende. Einige wenige Fälle von glänzend gefärbten Nachttliegern sind aber bekannt
(z. B. Lithosia).
Ferner wird hervorgehoben, daß viele Tagfalter abwechselnd die Flügel heben
und senken, wenn sie sitzen, und daß die Unterseite oft viel glänzender gefärbt ist
als die Oberseite. Bei Argynnis aglaja hat nur die erstere Silberflecke.
Aber die Oberseite sei meist glänzender und verschiedenartiger gefärbt als die
untere, die Oberseite, »welche wahrscheinlich die vollständiger expo-
nierte ist«.
Fritz Müller teilt mit: in der Nähe seines Hauses fliegen drei Castnia-kviQiv.
zwei, deren Hinterflügel beim Ruhen bedeckt sind, haben dunkle Hinterflügel, eine;
wo sie ausgebreitet werden, hat glänzende.
Einige Nachtschmetterlinge sind unten glänzender gefärbt als oben: einige Geo-
metren und Noctuen (M. Trlmen. Einige dieser haben die Gewohnheit, »ihre Flügel
vollständig aufrecht über ihrem Rücken zu halten und in dieser Stellung eine be-
trächtliche Zeit zu bleiben«.
Bei keinem glänzend gefärbten britischen Nachtschmetterling und bei kaum
einem ausländischen sind die Geschlechter in Färbung bedeutend von einander ver-
schieden. Eine Ausnahme bildet die amerikanische Saturnia Jo, wo das (5 schönere
Vorderflügel hat.
»Nach den verschiedenen im Vor steh enden erwähnten Thatsachen«.
schließt Darwin, »ist es unmöglich anzunehmen, daß die brillanten
1) Wood: »The Student« Sept. 1868. 81.
2) Hingegen könnte man fragen, ob nicht die Triphaena ohne die gelben Flecke
vielleicht gar nicht von dem Vogel verfolgt worden wäre, weil sie ohne dieselben
seine Aufmerksamkeit nicht so sehr auf sich gezogen hätte. Ferner ob sie nicht nur
zum Zeitvertreib vom Vogel im Zwinger so lange verfolgt worden ist? Jedenfalls
berichtet D.^rwin an einer anderen Stelle (Abstammung des Menschen I. Stuttgart 1878.
S. 410,: Herr Weir, welcher diese Beobachtung gemacht, »versuchte dasselbe Experi-
ment in freier Luft mit einer Triphaena fimbria und einer Schwalbe, aber die be-
deutende Größe dieser Motte verhinderte wahrscheinlich ihr Gefangenw'erden« (West-
minster Review July 1867. S. 16).
3) Bereits in meiner »Entstehung der Arten« I; ich sagte dort i'S. 126^: »Wenn ich
nicht irre, hat ein anderer Naturforscher schon irgendwo diese Ansicht ausge-
sprochen«.
B. Bedeutung der geschlechtlichen Zuchtwahl u. s. \v. 355
Farben von Tagschraetterlingen und einigen wenigen Nachtfaltern inn
Allgemeinen zum Zwecke des Schutzes erlangt worden seien. Ich
werde daher zu der Vermutung geleitet, daß die Weibchen im Allge-
meinen die glänzender gefii ritten Männchen vorziehen ... denn nach jeder
anderen Annahme würden die (5, soweit wir sehen können, zu gar keinem Zwecke
geschmückt sein.«
Darwin meint, die Werbung sei eine sehr langwierige Angelegenheit. Butler
teile ihm mit, daß oft eine Viertelstunde lang das Männchen das Weibchen umfliege
und es doch sein Ziel nicht erreiche: »das Weibchen wies es hartnäckig zurück und
ließ sich zuletzt auf die Erde nieder, schloß seine Flügel und entging so seinen
Annäherungen«.
Die Weibchen werden bestimmte Männchen vorziehen. Wenn dies die schöneren
sind, so werden die Farben der letzteren gradweis glänzender geworden sein und
sich auf ein oder auf beide Geschlechter vererbt haben »je nach dem gerade vorherr-
schenden Gesetze der Vererbung«. Dies wird dadurch begünstigt werden, daß die
Männchen vieler Lepidopteren die Weibchen an Zahl bedeutend übertreffen.
Die dem entgegenstehende Thatsache, daß Weibchen häufig mit abgeflogenen,
abgeblaßten oder schmutzigen Männchen in Paarung getroffen werden , soll dadurch
Entkräftung finden, daß dies in vielen Fällen nicht ausbleiben könne, w-eil die Männ-
chen früher ausschlüpfen als die Weibchen.
Auch wird zugegeben, daß bei Bombyciden, wo die Paarung unmittelbar
nach dem Ausschlüpfen stattfindet. z.B. bei B. mori, keine Wahl stattfinde;
trotzdem haben sie elegante und bunte, uns schön erscheinende
Schattierungen.
Also die Weibchen sollen sonst die Männchen auswählen, weil diese letzteren
meist viel zahlreicher sein sollen als die ersteren.
Es kommt aber auch vor, daß die Weibchen glänzender sind als die Männ-
chen: »hier haben, wie ich glaube, die Männchen die schöneren Weibchen gewählt
und haben dadurch langsam die Schönheit erhöht«, meint Darwin; ferner sagt er:
»Wir wissen nicht, warum in verschiedenen Klassen des Tierreichs die Männchen
einiger weniger Species die schöneren Weibchen erwählt haben, statt mit Freuden
irgend ein Weibchen zu nehmen, was im Tierreich die allgemeine Regel zu sein
scheint; wenn aber, im Gegensatz zu dem, was allgemein bei den Lepidopteren der
Fall ist, die Weibchen zahlreicher wären als die Männchen, so würden wahrscheinlich
die letzteren die schöneren Weibchen aussuchen«.
Bei Callidryas sind die Weibchen so schön wie die Männchen oder schöner.
Nur die Weibchen zweier unserer T/iec/a-Arten haben einen hellpurpurnen oder gelb-
roten Fleck auf den Vorderflügeln; ebenso hat das Q vom Hipparchia Janira einen
auffallenden hellbraunen Fleck auf den Flügeln und einige Weibchen anderer Arten
sind heller gefärbt als die Männchen. Die Weibchen von Colias edusa und hyale haben
orange oder gelbe Flecke auf dem Randsaum, bei Pieris haben die Weibchen schwarze
Flecke auf den Vorderflügeln.
Dies ist nach meiner Darlegung ein Rest aus ursprünglicherer Zeichnung.)
Bei Pieris tragen die Weibchen beim Hochzeitsflug die Männchen statt umge-
kehrt wie sonst, »so daß wir annehmen dürfen, daß sie dies auch bei der Werbung
thun. In diesem Falle können wir sehen, woher es kommt, daß sie die schöneren
geworden sind«.
Wie wir sahen, handelt es sich in dieser Schönheit der Weibchen nur um Reste
niedrigerer Entwickelungsstufen.i
Herr Meldola, dem die vorstehenden Angaben entnommen sind, sage, obschon er
von der Wirksamkeit der geschlechtlichen Zuchtwahl beim Hervorbringen der Farben
von Insekten nicht überzeugt sei, könne doch nicht geleugnet werden, daß diese
Thatsachen Herrn D.\rwi>'s Ansicht auffallend bestätigen.
Da aber geschlechtliche Zuchtwahl in erster Linie von Varia-
bilität abhängt, so wird hervorgeholten, daß hier in Beziehung auf die
Farbe keineSchwierigkeit bestehe, wciläußerstvariableLepidopteren
23*
356 Übergewicht des einen Geschlechtes. Geschlechtliche Zuchtwahl.
in beliebiger Anzahl angeführt werden können. Zuweilen ist die Variabilität
mehr auf das Q, zuweilen mehr auf das (5 beschränkt.
Eine Schwierigkeit für die Erklärung durch geschlechtliche Zuchtwahl bieten
die Augenflecke, welche sehr variabel, aber niemals in dem einen Geschlecht vorhan-
den sind, im andern fehlen, niemals auch in ])eiden Geschlechtern sehr verschieden
sind. »Diese Thatsache ist für jetzt unerklärlich«.
W.VLLACE meine, die Verschiedenheiten seien dadurch erzielt, daß die Weibchen
zum Zwecke des Schutzes dunkle Farben erlangt haben, Dauwix meint umgekehrt,
daß die Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl abgeändert wurden. »Doch will
ich nicht leugnen , daß allein die Q einiger Arten speciell zum Zwecke des Schutzes
modiliciert worden sein können. In den meisten Fällen werden die Männ-
chen und Weibchen verschiedener Arten während ihrer längeren
Larvenzustände verschiedenen Bedingungen ausgesetzt gewesen und
können hierdurch indirekt beeinflußt worden sein. Doch wird bei den
5 jede unbedeutende Veränderung der Farbe, die hierdiirch hervor-
gerufen wurde, meistens durch die mittelst sexueller Zuchtwahl er-
langten brillanten Färbungen maskiert worden sein«.
Das Ergebnis wird davon abhängen, »ob eine größere Zahl von Weibchen es
erreicht, zahlreiche Nachkommen zu hinterlassen, weil sie durch dunkle Farben geschützt
waren oder eine größere Zahl von (5 , weil sie heller gefärbt waren und dadurch
Genossinnen fanden«.
W^\LLACE meint, um die häufige Überlieferung von Charakteren auf ein Geschlecht
allein zu erklären, müsse angenommen werden, daß die gewöhnlichere Form der
gleichmäßigen Vererbung auf beide Geschlechter durch natürliche Zuchtwahl in eine
Vererbung auf ein Geschlecht allein verändert werden kann. Darwin vermag aber
keine diese Ansicht begünstigenden Belege zu finden: wir wissen auf Grund der
Thatsachen der Domestication, daß neue Charaktere oft von vornherein auf ein Ge-
schlecht allein überliefert wurden.
Zum Schluß sagt D.^^rwin, die Vererbung werde durch so viele unbekannte
Gesetze oder Bedingungen bestimmt, daß sie uns in ihrer Wirkung
äußerst launisch erscheine und insoweit können wir wohl einsehen, woher es
kommt, daß bei nahe verwandten Species die Geschlechter entweder in einem er-
staunlichen Grade von einander abweichen oder in ihrer Färbung identisch sind.
Endlich folgt aber auch die Berührung der Thatsache, daß sich so häutig eine
Reihe feiner Abstufungen von außerordentlich großer Verschiedenheit
bis zu einem durchaus nicht verschiedenen Zustande zwischen den
Geschlechtern verwandter Arten zeigt: da die aufeinander folgenden Stufen
der Umbildung notwendig sämtlich durch die Q hierdurch überliefert werden, so
kann sich eine größere oder geringere Anzahl solcher Veränderungszustände bei diesen
leicht entwickeln.
»Diese Fälle von Abstufungen sind viel zu häufig, um die Vermutung zu be-
günstigen, daß wir hier Q vor uns sähen, welche faktisch den Proceß des Über-
gangs darböten und ihre glänzenden Farben zum Zwecke des Schutzes verlören.
Denn wir haben allen Grund zu schließen, daß in einer jeden gegebe-
nen Zeit die größere Zahl der Species sich in einem fixierten Zu-
stande befindet.«
Die vorstehende Darstellung Darwin's giebt so recht ein Beispiel ab
für die Art und den Grad des Unterschieds seiner Anschauungen gegen-
über den von mir vertretenen, nicht etwa nur in Beziehung auf die
Ursachen der Umbildungen der Schmetterlinge, sondern in Beziehung
auf die Umbildung der gesamten organischen Natur und insbesondere
auf die Entstehung der Arten.
B. Bedeutung der geschlechtlichen Zuchtwahl u. s. w. 357
Darwin verkennt nicht, daß »die geschlechtliche Zuchtwahl in erster
Linie von Variabilität abhängt«. Die geschlechtliche Zuchtwahl muß
auslesen können aus vorhandenen Zuständen verschiedener Art und
diese sind vorhanden, »da äußerst variable Lepidopteren in be-
liebiger Anzahl vorgeführt werden können«. Er kommt damit
auf den auch sonst von ihm vertretenen, vom Afterdarvvinismus mit
besonderem Nachdruck aufgenommenen Satz, daß stets Abänderungen
genug vorhanden seien, um der Auslese die Möglichkeit des Ein-
greifens an die Hand zu geben, ein Satz, welcher durch die That-
sachen der Orthogenesis vollkommen zurückgewiesen wird. Denn diese
zeigen ja, daß die Umbildung überall nur nach wenigen bestimmten
Richtungen geschieht.
Es sind diese Abänderungen nach Darwix vielmehr zufällige, nach
den verschiedensten Richtungen hin entstandene. Von einer gesetz-
mäßigen Umbildung weiß derselbe nichts. Im Gegenteil sagt er, die
Vererbung werde durch so viele unbekannte Gesetze oder Bedingungen
bestimmt, daß sie in ihrer Wirkung äußerst launisch erscheine, woraus
eben erklärt wird, daß bei nahe verwandten Species die Geschlechter
sich in Beziehung auf Ähnlichkeit so verschieden verhalten.
Wohl erkennt Darwin die Thatsache, daß sich häufig feine Ab-
stufungen zwischen den verschiedenen Formen finden, und sucht sie zu
erklären durch eine Wendung, welche der Sache nicht auf den Grund
geht und nicht mehr als eine leicht hingeworfene Annahme bedeutet.
Und er kommt zu einem Schluß, welcher v\"iederum den durch mich
festgestellten Thatsachen vollkommen widerspricht: die Abstufungen sollen
keine Übergänge zwischen Arten darstellen, »weil wir allen Grund haben
zu schließen, daß in einer gegebenen Zeil die größere Zahl der Species sich
in einem fixierten Zustand befindet« — ein Satz, auf den er auch wieder-
holt großes Gewicht legt, weil er Anpassung braucht. Das Letztere schließt
gewiß nicht aus, daß die Abstufungen da, wo sie vorkommen, doch Über-
gänge zu Varietäten und von diesen zu Arten darstellen, wie ich das
an den Papilioniden im Einzelsten nachgewiesen habe. Aber schon weil
es sich in den Umbildungen um »Abstufungen« handelt, können die-
selben nicht »zufällig« entstanden sein. Und weil viele von ihnen, ob-
schon sie kaum sichtbar sind und obschon sie trotzdem vielleicht sehr
lange Zeit fixiert bleiben, d. i. wenig oder gar nicht verändert werden,
können sie für die geschlechtliche Zuchtwahl unmöglich in Betracht
kommen.
Abgesehen davon: ist es nicht ein großer Widerspruch, auf der
einen Seite zu sagen, es seien stets Abänderungen in beliebiger Anzahl
vorhanden, um die Auslese zu ermöglichen, und auf der anderen Seite
anzunehmen, die Abstufungen, d. i. die Abänderungen entsprechen nicht
Übergängen zwischen Arten, weil diese fixiert sein sollen?
Wie gezwungen und unwahrscheinlich der ganze Versuch ist, die
Thatsachen durch geschlechtliche Zuchtwahl zu erklären, zeigt schon die
Zahl wichtiger Ausnahmen, zeigen Fälle, welche dieser Erklärung
358 Cbergewicht des einen Geschlechtes. Geschlechtliche Zuchtwahl.
sich gar nicht fügen: daß die Augenflecke niemals nur in einem Geschlecht
vorhanden sind, niemals in beiden sehr verschieden, daß bald die Männ-
chen, bald die Weibchen schöner sind, so daß bald von Seiten dieser,
bald von Seiten jener eine Auswahl angenommen werden muß, und
Anderes, ganz abgesehen von thatsächlich unrichtigen Voraussetzungen,
welche Darwin anwendet.
Die Orthogenesis, die gesetzmäßige bestimmt gerichtete Entwicke-
lung erklärt folgerichtig alle von Darwin berührten, aber wegen Mangels
des richtigen Schlüssels zum Verständnis zwangsweise gedeuteten Er-
scheinungen auf das Einfachste.
Es sind eben doch wohl, entgegen dem wichtigsten Vordersatz des
Darwinismus, die brillanten und schön angeordneten Farben der Falter
im Wesentlichen »das zwecklose Resultat einer besonderen Beschaffen-
heit der Gewebe und eine Folge der Einwirkung der umgebenden Be-
dingungen«, ganz ebenso wie das in der anorganischen Natur der Fall
ist mit den Farben und dem Glanz der Mineralien, der Metalle und der
Gesteine und mit der Gestalt der Krystalle und ihren Brechungser-
scheinungen.
So wenig dieses Ergebnis unser teleologisches Bedürfnis befriedigen
mag — es muß ebenso unweigerlich hingenommen werden wie die für
uns betrübende Gewißheit unseres Absterbens zu einer Zeit, da wir erst
recht mit Verständnis und Erfolg die im Leben gesammelten Erfahrungen
verwerten könnten. Damit soll die Bedeutung von nützlicher und auch
von geschlechtlicher Auslese nicht von der Hand gewiesen werden, aber
dieselbe ist nicht das maßgebende Mittel der Umbildung — ihre Aner-
kennung muß beschränkt bleiben auf die einzelnen, wenn auch viel-
leicht zahlreichen Fälle, in welchen ihr Eingreifen und ihre Wirkung
nachweisbar sind.
Bei der Entstehung der Abänderungen, Abarten und Arten der von
mir behandelten Schmetterlinge ist eine solche Wirkung weder von nütz-
licher noch von geschlechtlicher Auslese durch irgend eine und sei es
die eeringste Thatsache zu erkennen. Die vom heutigen Afterdarwinismus
nach Bedarf hervorgehobene Bedeutung des Geschütztseins der Schmetter-
linge durch Zeichnung und Farbe weist Darwin abgesehen von einzelnen
Fällen vollkommen zurück, so sehr er in diesen der Schutzfärbung e;erne
das Möglichste einräumt. Da er einsieht, daß es sich um Wirkung der
natürlichen Zuchtwahl zum Zweck des Schutzes in den Farben und
Zeichnungen insbesondere der Oberseite der meisten Schmetterlinge nicht
handeln kann und ebensowenig in den Farben und Zeichnungen der
meisten Vögel und anderer Tiere, so wendet er sich an die geschlecht-
liche Zuchtwahl. Die Wirkung, welche Darwin derselben zuschreibt be-
deutet eine große Einschränkung der Lehren der natürlichen Zuchtwahl'),
1) Es ist bemerkenswert, mit welchen Gründen Herr August Wüismann "seiner
Zeit der Bedeutung dieser Lehre für die Schmetterlinge entgegengetreten ist. Nach-
dem er mit Beziehung auf die beim Horadimorphismus durch direkte Wirkung
B. Bedeutung der geschlechtlichen Zuchtwahl u. s. w. 359
ja einen bedeutenden Rückzug aus der Vorstellung, daß der Nutzen die
Gestaltung der organischen Natur im Wesentlichen allein (abgesehen von
regellosem Abändern) bedingt habe, welchen er vollzieht, nachdem er
erkannt hat, daß zahlreiche Eigenschaften der Farbe und Zeichnung der
Tiere nicht nützlich sind, ja daß manche derselben sogar schädlich sein
müßten, wenn nicht die geschlechtliche Auslese den Schaden überböte.
Aber gewisse Thatsachen diese Zeichnung betreffend entziehen sich,
wie Darwix nicht verfehlt hervorzuheben, auch der Erklärung durch ge-
schlechtliche Zuchtwahl: die eine Zierde darstellende Streifung und Fleckung
gewisser junger Huftiere schwindet und macht der Einfarbigkeit Platz,
trotzdem dies geschlechtlicher Zuchtwahl widerspricht — und auch durch
äußerer Lebensbedingungen im Werte von Artunterschieden entstehenden
Eigenschaften gesagt hat: es könne somit kaum bezweifelt werden, daß neue Arten
sich auf diesem Wege bilden können und daß dies bei den Schmetterlingen
in ausgiebigem Maße und mehr als anderswo der Fall sei, weil die so auffallenden
Farben und Zeichnungen der Flügel und des Körpers hier in den meisten Fällen ohne
biologische Bedeutung, also ohne Nutzen für die Erhaltung des Individuum wie der
Art sind und daß sie deshalb auch nicht Gegenstand der Naturzüchtung sein können
(Studien zur Descendenztheorie I. 1875. S. 73), fährt er fort:
»Darwin hat dies sehr wohl eingesehen, als er die Zeichnungen der Schmetter-
linge nicht von gewöhnlicher Naturzüchtung, sondern von geschlechtlicher Züchtung
herzuleiten versuchte. Nach dieser Annahme tritt jede neue Färbung oder Zeichnung
zuerst bei dem einen Geschlecht zufällig auf und befestigt sich bei diesem dadurch,
daß sie von dem anderen Geschlecht der alten Färbung vorgezogen wird. Nachdem
nun der neue Schmuck z. B. bei den Männchen constant geworden ist, läßt Darwin
ihn durch Vererbung teilweise oder ganz, oder auch gar nicht auf die Weibchen
übertragen werden, so daß also die Art mehr oder weniger sexuell dimorph bleibt
oder aber durch vollständige Übertragung wieder sexuell monomorph wird.
Die Zulässigkeit einer so verschieden, gewissermaßen willkürlich sich äußernden
Vererbung wurde oben schon anerkannt. Hier handelt es sich um die andere Frage,
ob Darwin im Rechte ist, wenn er auf diese Weise die ganze Farbenpracht der
Schmetterlinge von sexueller Züchtung herleitet. Mir scheint die Entstehung des
Saisondimorphismus gegen diese Annahme zu sprechen, so verführerisch und groß-
artig sie sich auch anläßt. Wenn so bedeutende Verschiedenheiten, wie sie zwischen
den Sommer- und Winterformen mancher Schmetterlinge bestehen, lediglich durch
den direkten Einfluß veränderten Klimas hervorgerufen werden können,
so wäre es sehr gewagt, der sexuellen Züchtung gerade hier eine große Bedeutung
beizumessen.
Das Princip der sexuellen Züchtung scheint mir unantastbar, auch will ich nicht
in Abrede stellen, daß es auch bei den Schmetterlingen wirksam ist, aber ich glaube,
daß wir desselben als letzten Erklärungsgrundes der Farben entbehren können, inso-
fern wir sehen, daß bedeutende Farbenwechsel auch ohne jeden Einfluß sexueller
Züchtung eintreten können.«
Man vergleiche dazu desselben, Schriftstellers »Neue Versuche zum Saison-
Dimorphismus der Schmetterlinge« in Zoolog. Jahrb. Abt. f. Systematik 1895. S. 681:
Hier werden im vollkommenen Gegensatz zu der inzwischen erfolgten vollständigen
Umkehr seiner Ansichten, w'elche eine unmittelbare Wirkung äußerer Einflüsse auf
die Umbildung der Organismenwelt vollständig ausschloß, w iecjerum »wohl auch direkte
Wirkungen der verschiedenen Temperatur« als Ursachen zur Bildung des Hora-Dimor-
phismus angenommen, dabei aber auch die Möglichkeit der geschlechtlichen Zucht-
wahl als solche offen gelassen, neben derjenigen »doppelter Anpassung« — Wechsel
der Meinungen kreuz und quer nach allen möglichen Richtungen! (Vgl. hierzu meine
späteren Ausführungen.)
360 Übergewicht des einen Geschlechtes. Geschlechtliche Zuchtwahl.
Nutzen im Sinne der Zuchtwahl nicht /ai erklären ist. In anderen Fällen
will Darwin solche Vereinfachung, bezw-. Verdüsterung auf Nutzen zurück-
führen, als Schutzfarbe erklären. Aus den von mir festgestellten That-
sachen geht hervor, daß dies in ebensoviel tausend Fällen nicht angeht,
so gerade bei den Tagfaltern, welchen Darwin ja auf der Oberseite
Schutzfärbung überhauj)t abspricht.
Im Übrigen ist diese Vereinfachung, die Verdüsterung der
Farbe, das Schwinden der Zeichnung nach den von mir fest-
gestellten Thatsachen eine gesetzmäßige Erscheinung und als
solche zusamt der von mir festgestellten Farbenfolge die voll-
kommenste Widerlegung der Wirkung der geschlechtlichen
Zuchtwahl in dem von Darwin vertretenen weiten Umfang und
auf dem von ihm gemeinten allgemeinen Boden, wenn ich auch nicht
zögere, derselben im Einzelnen Bedeutung zuzuschreiben.
Wenn nun Darwin in seinen Beweisführungen der Farbe und
Zeichnung der Tiere hohes Gewicht beilegt, dergestalt, daß der größte
Teil der zwei Bände über die »Abstammung des Menschen« und ein
wesentlicher Teil des »Variiren im Zustande der Domestication« davon
handelt, und W'enn er zu der Erkenntnis kommt, daß dieselben durch
natürliche Zuchtwahl im Sinne des Schutzes bezw. Nutzens nicht zu
erklären seien, so ist dies eine wesentliche Stütze meiner Ansicht, w"elche
auf eingehendes Studium desselben Gegenstandes gegründet ist.
Wenn sieh aber durch die von mir festgestellten Thatsachen
ergiebt, daß weder die natürliche noch die geschlechtliche Zuchtwahl
bei den Schmetterlingen maßgebend für die Umbildung sein können, so
ist offenbar freie Bahn für meine Erklärung der Erscheinungen durch
Orthogenesis geschaffen.
Es ist nur merkwürdig, daß Darwin auf die der Orthogenesis zu
Grunde liegenden Thatsachen nicht selbst gekommen ist, zumal er einen
Anfang in der Erkenntnis dazu gemacht hat in der Beobachtung, daß
»Abstufungen« der Zeichnung bestehen, welche er besonders beim Argus-
fasan als Übergang von Streifen durch Streifenstücke zu Augenflecken
beschrieben hat. Auch die Entstehung von Augenflecken bei einigen
Schmetterlingen aus einfacherer Zeichnung berührt er in durchaus sach-
gemäßer Weise. Allein er verfolgt diese »Abstufungen« merkwürdiger-
weise nicht weiter, er hebt sie nur hervor und verfolgt sie nur so weit,
um zu zeigen, daß die geschlechtliche Zuchtwahl zu ihrem Ein-
greifen genügend Vorstufen vorfinde. Er ist bemüht, für den
Argusfasan zu bew^eisen, daß schon diese Vorstufen in einer gewissen
Ausbildung für schön erkannt werden, aber er unterläßt es zu zeigen,
welches die Ursachen der fsntwickelung derselben sind bis zu dem
Punkte, wo sie von der Zuchtwahl in die Hand genommen werden, ob-
schon sie schon vorher Stufen aufweisen. Dasselbe gilt für alle anderen
Fälle, in welchen geschlechtliche Zuchtwahl von ihm angenommen wird:
überall vergißt er zu zeigen, wie und wodurch die Umbildung bis zur
Entstehung von Schönheit, welche die Aufmerksamkeit geschlechtlicher
B. Bedeutung der geschlechtlichen Zuchtwahl u. s. w. 36!
Zuchtwahl erregen konnte, entstanden ist. Und doch war er den That-
sachen, wie sie in Hülle und Fülle die allgemeine Gesetzmäßigkeit der
Umbildung der Zeichnung zeigen, so nahe in dem Beispiel vom Pfau,
vom Argusfasan, von gefleckten und gestreiften Säugetieren!
Ein Schritt weiter und die Erkenntnis solcher allgemeinen Gesetz-
mäßigkeit und die Überlegung, daß die geringer ausgeführten Stufen
derselben doch weder nützlich sein, noch den Schönheitssinn erregen
können, hätte zu dem von mir gezogenen und verwerteten Schlüsse führen
müssen, daß jene Gesetzmäßigkeit und ihre Ursachen die Hauptsache
bei der Umbildung seien, daß irgendwelche Zuchtwahl nur Nebensache
sein könne.
Aber es ist sehr bemerkenswert zu sehen, wie solcher Erkenntnis
eben die vorgefaßte Meinung entgegenstand, die Zuchtwahl allein sei
das iMaßgebende für die Umbildung der Formen und für die Entstehung
der Arten.
Diese Meinung aber setzte wieder die andere voraus oder bedingte
sie, daß im Wesentlichen Alles angepaßt sei und daß somit die Arten
in einer gegebenen Zeit fixiert sein müßten. Deshalb wurde den
»Abstufungen« die Bedeutung von Artübergängen geradezu abgesprochen
und damit war aller weiteren Verwertung derselben im Sinne der Ent-
wickelunsslehre ein fester Riegel voroeschoben. Es ist diese Befansen-
heit um so merkwürdiger bei Darwix, als demselben nicht entgangen
ist, daß verwandte Arten ähnliche Zeichnung haben, ja daß Rückschläge
der Zeichnung auftreten, z. B. Streifung bei Pferden, aus welchen auf
Abstammung von gestreiften Stammformen geschlossen wird.
Noch mehr: diese Befangenheit in seiner Zuchtviahllehre hat Darwin
auch verhindert, die große Bedeutung des männlichen bezw. weiblichen
Übergewichts, also des Geschlechts-Dimorphismus, zu erkennen, für welchen
er so viele Beispiele giebt. Er kommt nicht weiter als zur Erkenntnis
der Übertragung von Eigenschaften der Männchen auf die Weibchen oder
umgekehrt. Daß es sich dabei aber um eine gesetzmäßige solche Über-
tragung von den Männchen durch die Weibchen (oder umgekehrt) auf
die Sippe, auf die ganze Kette der nachfolgenden blutsverwandten Arten
allüberall gehandelt haben muß oder handelt, in weitem Umfang ohne
jede Beziehung zur Zuchtwahl, das erkennt er nicht, das konnte er nicht
erkennen, weil er der Einsicht in solche Gesetzmäßigkeit sich überhaupt
verschloß, denn sie ist die unerbittliche Feindin seiner Zuchtwahllehre.
Jene gesetzmäßige Übertragung von gesetzmäßig, orthogenetisch ent-
standenen Eigenschaften der Männchen bezw. der Weibchen auf die
Nachkommen, dergestalt, daß dadurch die Artmerkmale derselben all-
mählich umgebildet werden, ist es, was ich als männliche bezw. weib-
liche Präponderanz bezeichne. Diese orthogenetische Präponderanz,
wie sie passend genannt werden kann, ist eines der wichtigsten Mittel
für die Artbildung. Sie führt uns zugleich im Geschlechts-Dimorphismus
die schönsten Beispiele einer anderen höchst maßgebenden Gesetzmäßig-
keit vor Au2;en:
362 iJbergeNvicht des einen Geschlechtes. Geschlechtliche Zuchtwahl.
der sprungweisen Entwickelung, Halmatogenesis. Auch ihrer
Bedeutung mußte sich die DARwm'sche Erkenntnis und die seiner unbe-
dingten Anhänger verschließen, aus dem einfachen Grunde, weil die
Zuchtwahllehre durchaus allmähliche, stufenweise Umbildung verlangt,
wenn sie wirklich das maßgebende Mittel für die Fortentwickelung sein
soll. Und doch böte gerade diese nach meinen Feststellungen so hoch-
wichtige Halmatogenesis, wie ich wiederholt hervorgehoben habe, der
Zuchtwahllehre die beste Handhabe zum Eingreifen in eine von der
Natur geschaffene Gestaltung dar.
Was sind nun die Ursachen, welche die in den Dienst der
geschlechtlichen Zuchtwahl tretenden Eigenschaften erzeugen?
Man darf wohl mit der Ansicht Darwin's übereinstimmen, daß es
im Allgemeinen dieselben Ursachen gewesen sind, »welche die schöne
Färbung allein der Männchen bei manchen Species und beider Ge-
schlechter bestimmt haben«.
Nun kommt Darwin freilich nur zu sehr unbestimmt ausgesprochener
Ansicht bezüglich dieser Ursachen:
Es ist ganz unzweifelhaft, sagt er, daß viele schöne Farben der Männ-
chen, besonders bei Vögeln und Reptilien, Kraftfarben« sind, welche in der
größeren Lebensthatigkeit bezw. in der lebhaften physiologischen Arbeit
des männlichen Organismus begründet sind. Dieselben treten zur Zeit
erhöhter Geschlechtsfreudigkeit der Männchen glänzender hervor und
vererben sich auf die Nachkommen. Das Gleiche gilt für zahlreiche
andere sog. secundäre Geschlechtscharaktere der Männchen.
Allein die Thatsachen der Beeinflussung der Eigenschaften der
Schmetterlinge durch unmittelbare äußere F^inwirkungen, insbesondere
Klima, wie sie aus dem Zusammenhang dieser Eigenschaften mit der
geographischen Verbreitung und übereinstimmend damit durch die Ver-
suche mit Einwirkung von künstlicher Wärme und Kälte während der
Entwickelung der Falter sich ergeben, lehren auf das bestimmteste, daß
jene Ursachen für die Umbildung von Farbe und Zeichnung hier, abge-
sehen von der Konstitution, in sehr einfachen äußeren Bedingungen und
zwar vorzugsweise in klimatischen liegen müssen, auch bei Erzeugung
der Eigenschaften des Geschlechts-Dimorphismus'). Wärme und Licht
1) Es ist sehr bemerkenswert, in welchem Maße von Übereinstimmung ich mich
auch hierin wieder mit Herrn August Weismann befinde, mit dem früheren nämlich.
Derselbe sagt»): »Zuerst muß constatiert werden, daß Unterschiede im Werte
von Artunterschieden b) lediglich durch directe Wirkung äußerer
Lebensbedingungen entstehen können« <=). Und weiter: »Nach dem, was
») Studien zur Descendenzlehre I : Über den Saisondimorphismus der Schmetter-
linge 1873. S. 73.
^\ beim Horadimorphismus. <■) Gesperrt gedruckt, wie wiedergegeben.
B. Bedeutung der geschlechtlichen Zuchtwahl u. s. %v. 363
sind offenbar in erster Linie auch hier nächst der Konstitution maß-
gebend. Die Farben insbesondere, welche die jeweils fortgeschrittenen
Stufen des Geschlechts-Dimorphismus aufweisen, sind auch diejenigen der
Farbenfolge, welche ja doch zweifellos auf jenen äußeren Einflüssen
beruhen wird.
Auch Darwix kann sich der Bedeutung dieser und anderer äußerer
Einwirkungen auf die Umbildung nicht entziehen und er hat dies in
den späteren Teilen und Auflagen seiner Werke ja immer mehr hervor-
gehoben — aber immer nur um zuletzt doch wieder auf der Ansicht
zu beharren, daß dieselben unwesentlich und daß Anpassungs- oder
geschlechtliche Zuchtwahl die allein maßgebende Ursache aller Entwicke-
lune und Artbildung doch seien.
Diesem Verhältnis giebt auch in unserer Frage vollkommenen und
unzweideutigen Ausdruck der Satz: »In den meisten Fällen werden die
Männchen und Weibchen verschiedener Arten während ihrer längeren
Larvenzustände verschiedenen Bedingungen ausgesetzt gewesen und
können hierdurch indirect beeinflußt worden sein — doch wird bei den
Männchen jede unbedeutende Veränderung der Farbe, die hierdurch
hervorgerufen wurde, meistens durch die mittelst sexueller Zuchtwahl
erlangten brillanten Färbungen maskiert worden sein«.
Es wird also auch hier die Bedeutung äußerer Einwirkungen aner-
kannt, wenn auch eingeschränkt durch das Wort »indirect;, aber die-
selbe wird durch den folgenden Satz als durchaus nebensächlich und
der activen Wirkung der geschlechtlichen Zuchtwahl untergeordnet dar-
gestellt. Die geschlechtliche Zuchtwahl soll von sich aus, fast scheint
es hier unmittelbar wirkend, die Farben der Schmetterlinge glänzender
und glänzender gestalten!
Betrachten wir nun etwas genauer die Beweisführung Darwix's da-
hin, daß geschlechtliche Auslese die Umbildung der Farben
der Schmetterlinge hervorgerufen haben müsse.
Zunächst ist die Annahme zurückzuweisen, daß äußere Einflüsse in
oben über den Unterschied zwischen den beiderlei Formen einer einzigen saison-
dimorphen Art gesagt wurde, kann über die Richtigkeit dieses Satzes kein Zweifei
sein. Den besten Beweis hierfür liefern die alten Systematiker, welchen die genetische
Zusammengehörigkeit von beiderlei Formen noch unbekannt war und welche in un-
befangener Taxierung ihrer Unterschiede in vielen Fällen beide mit besonderen Species-
Namen belegten«. (Wörtliche Wiedergabe ist trotz der allgemeinen Erwähnung auf
S. 359 wohl auch für das Folgende gerechtfertigt.)
Dann fährt die Stimme aus dem Grabe längst entschwundener Erkenntnis also
fort : »Es kann somit kaum bezweifelt werden, daß neue Arten sich auf diesem Wege
bilden können, und ich glaube, daß dies, bei den Schmetterlingen wenigstens, in aus-
giebigem Maße der Fall war und ist. Hier wohl mehr als anderswo und zwar aus
dem Grunde, weil die so auffallenden Farben und Zeichnungen der Flügel und des
Körpers in den meisten Fällen ohne biologische Bedeutung, also ohne Nutzen für die
Erhaltung des Individuums und somit auch der Art sind. Dieselben können somit
auch nicht Gegenstand der Naturzüchtune sein.«
364 Übergewicht des einen Gesclileclites. Geschlechtliche Zuchtwahl.
deu Fällen nicht niaßeebend für die Uml)ilduna; gewesen sein können,
in welchen männliche und weibliche Falter, trotzdem sie unter denselben
Bedingungen leben, verschiedene Farben erlangt haben. Die That-
sachen lehren vielmehr, daß solche Verschiedenheiten ausge-
sprochenster Art hervorgerufen worden sein müssen durch
verschiedengradige Empfänglichkeit sei es der Männchen oder
der Weibchen derselben Art gegenüber denselben äußeren
Einflüssen, und zwar schreibt Darwin an anderen Stellen dieser Ur-
sache selbst erhebliche Bedeutung für die Erklärung der Geschlechts-
verschiedenheit zu. Und ferner: bei solchen Umbildungen braucht
es sich nicht um Verschönerung im Sinne der geschlechtlichen
Zuchtwahl, sondern es kann sich im Gegenteil um Verein-
fachung handeln, um Verschwinden der schönen Farben.
Beides ist u. a. der Fall bei der Umbilduns. welche die Abart
K I
GlciKCus Q des Papilio Turnus und welche das Weibchen von Papilio
Bairdii erfahren hat: aus schöo gelber, schwarz gezeichneter, mit
farbigen Zierden versehener, glänzender Gewandung wird eine düstere,
schwarze, einfarbige Trauerkleidung — und dieselbe Entwickelung hat
eine ganze Sippe, die /ii/er/as -Gruppe genommen. Es kann hier
keine Rede von geschlechtlicher Zuchtvvahl als Ursache der Umbildung
sein und ebensowenig in den tausend anderen Fällen, in welchen die
Fortbildung zur Vereinfachung führt.
Ein wichtiger Vordersatz, welchen Darwin zu Gunsten seiner Auf-
fassung aufstellt, ist der, daß die geschlechtliche Werbung bei den
Schmetterlingen eine sehr langwierige sei. Es wird dieser Satz selbst-
verständlich aufgestellt, um der Brautschau, wie sie für die geschlecht-
liche Wahl nötig ist, hinreichend Zeit zu lassen. Auffallenderweise wird
aber nicht erwähnt, wie ungeheuer stürmisch in vielen Fällen serade bei
den Schmetterlingen der Begattungseifer zu Werke geht, so daß eine
Auslese schon deshalb vollkommen ausgeschlossen ist. Nur
wird hervorgehoben, daß im Tierreich sonst in der Regel eine geschlecht-
liche Auswahl nicht und daß bei den Bonibyciden, wie erwähnt, im
Besonderen bei Boinbyx mori keine Wahl stattfinde, »trotzdem haben sie
elegante und bunte, uns schön erscheinende Schattierungen;.
Und noch auffallender ist es, daß Darwin nicht erwähnt, wie er
sich die Brautschau möglich denkt bei dem Ungeheuern Heere der Nacht-
schmetterlinge, welche doch ebensolche uns schön erscheinende Schat-
tierungen der Flügel, ja zuweilen glänzende Farben haben: sagt er doch
selbst, die hellen Farben seien zur Nachtzeit nicht sichtbar.
W^ie wenig wählerisch gerade die Schmetterlinge bei der Begattung
thatsächlich sind, geht schon aus der großen Zahl der »geschlechtlichen
Verirrungen«, d. i. der Fälle hervor, in welchen bei ihnen Begattung
unter verschiedenen Arten stattfindet. Während ich dieses sehreibe,
kommt mir die Nummer der »Insektenbörse« vom 1. August 1895 zu
Gesicht, in welcher solche Fälle aufgeführt sind. Es heißt dort: der
New-Yorker Züchter Rix fand ein Sinermthus oceUatus Q mit Paonius
B. Bedeutung der geschlechtlichen Zuchtwahl u. s. w. 365
astylus in Paarung. Ferner wird erwähnt: die Paarung von Atiacus
cecropia (^ und Sphinx ligiistri Q, Taeniocampa stabilts (^f mit T.gothica Q,
Gerüstes vacci7iii (J^ und Miselia oxyacanlhae Q, Euchloi' cardamines q^ und
Bapta temerata Q, Xylophasia monoglypha rf und Hadena trifolii Q,
Satyrus Jcinirn q^ und Vanessa urticae Q.
Dabei handelt es sich wahrscheinlich meist nicht um das Vor-
ziehen des Glänzenderen, Schöneren im Freien, sondern um Begattung
im Zuchtkasten , welche weniger wählerisch machen kann. Der Ge-
schlechtstrieb ist bei Schmetterlingen aber auch in der Freiheit so groß,
daß häufig nicht nur ganz abgeflogene, sondern verkrüppelte Weibchen
begattet gefunden werden, ja daß zwei oder drei Männchen dasselbe
Weibchen zuweilen gleichzeitig begatten.
In derselben > Insektenbörse« wird als Beweis für diese Heftigkeit des
Geschlechtstriebs erwähnt, daß Argynnis aglaja rf beobachtet wurden,
wie sie, auf Zweigspitzen vorübereilender Weibchen harrend, jedwedes
vorüberfliegendes Insekt, selbst Libellen, sogar kleine Vögel verfolgten.
Bekannt ist, daß die Männchen mancher Falter die Weibchen, off'enbar
durch den Geruch angelockt, durch die Fensterscheiben der Häuser hin-
durch wittern und zu erreichen streben.
Jene »langwierige Werbung« von Tagfaltern, auf welche Darwin
sich beruft, darin bestehend, daß die Falter sich lange Zeit umfliegen,
ist jedenfalls nicht immer ein Vorspiel der Begattung, sondern häufig
nichts Anderes als ein Spielen: man kann oft genug beobachten, daß
die Falter, nachdem dasselbe längere oder kürzere Zeit gedauert hat,
ohne weiteres voneinander weg fliegen. Aber wenn es sich auch um ein
Vorspiel der Begattung dabei handelte: wie sollten die männlichen
Falter dabei durch erst im Entstehen begriffene, kleinste
Eigenschaften der Zeichnung oder Färbung derart entzückt
werden, daß sie schließlich nur solche Weibchen begatteten,
welche im Besitze derselben sind? Dies aber müßte der Fall
sein, wenn die unscheinbaren Anfänge und Abstufungen der
Umbildung, wie ich sie in meiner »Artbildung und Verwandt-
schaft bei den Schmetterlingen: als maßgebend für die Ent-
stehung der Arten dargelegt habe, durch geschlechtliche Zucht-
wahl begünstigt worden wären. Nur für plötzlich auffallend her-
vorgetretene neue Eigenschaften, wie sie sprungweise Entwicklung
iHalmatogenesis) erzeugt, könnte geschlechtliche Auslese in Betracht
kommen.
Man stelle sich doch einmal vor, wie es möglich wäre, daß durch
geschlechtliche Auslese irgend eine schöne Zierde, z. B. einer jener
herrlichen Augenflecke auf den Flügeln von Schmetterlingen gebildet
oder auch nur vervollkommnet worden sein könnte! Es wäre nur
möglich, daß die Auslese einen solchen Augenfleck, wenn er fix und
fertig etwa durch sprungweise Entwickelung entstanden wäre, in
seinem Bestehen begünstigte dadurch, daß diejenigen Falter, welche ihn
besitzen, bei der Begattung vorgezogen würden. Aber auch dabei wäre
3ß6 Übergewicht des einen Geschlechtes. Geschlechtliche Zuchtwahl.
ein bleibender Erfolg im Sinne der Erhaltung der Augenflecke nicht
möglich, wenn nicht zu gleicher Zeit die meisten Falter eines Gebietes
den Augenfleck angenommen hätten. Wäre dies nicht der Fall, so würde
die geschlechtliche Vermischung mit der ursprünglichen Form die Zierde
alsbald wieder verschwinden machen.
Nun findet Darwin selbst die Entstehung der Augenflecke durch
geschlechtliche Zuchtwahl bei Schmetterlingen unerklärlich aus den ange-
gebenen Gründen. Allein ganz dasselbe gilt für jede neue Eigenschaft,
welche zufälliges Abändern, so wie es Darwin annimmt, an einzelnen
Tieren hervorrufen würde — ja je begieriger die nicht mit solchen
Eigenschaften bezw. Zierden versehenen Weibchen nach den mit den-
selben geschmückten Männchen wären, um so rascher müßten sie oder
ihre etwa auf die Nachkommen vererbten Reste wieder verschwinden.
Aber sprungweise Entwicklung ist nicht die herrschende. Die Um-
bildungen geschehen nicht auf Grund zufälliger Veränderungen, sondern
gesetzmäßig in bestimmten Richtungen fortschreitend von kleinsten An-
fängen an. Allein diese in letzter Linie auf Grund von äußeren Ein-
flüssen entstandene, durch physiologische Arbeit des Orga-
nismus unentwegt fortschreitende bestimmt gerichtete Ent-
wickelung verhindert, zumal da sie stets zu gleicher Zeit an zahlreichen
Einzelwesen geschieht, jenes Verschwinden.
Auch wenn Halmatogenesis vorliegt, handelt es sich in ihr nur um
mit einem Male vorgeschrittenere Stufen auf dem Wege derselben
gesetzmäßigen bestimmt gerichteten Entwickelung, welche sonst stufen-
weise, allmählich stattfindet!
Da die kleinen unscheinbaren Fortschritte der Umbildung für
geschlechtliche Auslese nicht in Betracht kommen, so scheitert die ganze
ÜARWiN'sche Auffassung von der Bedeutung der letzteren für die in Frage
stehenden Umbildungen schon an deren Beschaffenheit, an deren Natur.
Ich habe gezeigt, daß auch die schönen Augenflecke auf den Hinter-
flügeln der Papilioniden (Afteraugenflecke) durch ganz allmähliche Um-
bildung aus einem Stück ursprünglicher Längsbinde entstehen. Es ist
im Wesentlichen ganz derselbe Vorgang, durch welchen die Augenzierden
des Argusfasans aus Streifen entstanden sind. Hier soll geschlechtliche
Zuchtwahl das Mittel gewesen sein, dort kann sie es nicht gewesen sein.
Wie aber soll der Schönheitssinn des Tieres in irgend einem solchen Falle,
und wäre es der mit dem Pfau oder mit dem Argusfasan, solches fertig
gebracht haben? Jahrtausende lane; waren unvollkommene Zwischenstufen
der Zeichnung »fixiert« zwischen der Längsbinde und dem Augenfleck,
Zwischenstufen, Vielehe durchaus nicht schöner als die erstere erscheinen.
Wollte man annehmen, daß das vollkommene Afterauge mit Hülfe der
geschlechtlichen Zuchtwahl von Seiten der Falter erzeugt worden wäre,
so müßte man schließen, daß diese eine Art Vorgeschmack für die nach
Jahrtausenden zu Stande zu bringende Schönheit hätten und bei ihrer
geschlechtlichen Thätigkeit walten ließen.
Es ist bestimmt gerichtete Fintwickelung, welche die Umbildung zur
B. Bedeutung der geschlechtlichen Zuchtwahl u. s. w. 367
Schönheit hervorruft; indem sie an zahlreichen Einzellieren arbeitet, um
die bezüalichen neuen Eigenschaften hervorzubringen, und indem sie
ganze Arten erfaßt, ist ein Unterdrücken dieser Eigenschaften durch die
noch unveränderten Glieder der Stammform unmöglich: die Umbildung
geschieht, wie gesagt unaufhaltsam mit innerer, mit physiolo-
gischer Notwendigkeit.
Was ich hier sage, gilt im Wesentlichen ebenso für die Nützlich-
keitsauslese.
Die Bedeutung der geschlechtlichen Zuchtwahl als Mittel für die
Umbildung wird aber, wie schon hervorgehoben, insbesondere durch die
Thatsache zurückgewiesen, daß viele Arten, ja ganze Sippen von Faltern
nicht zur Schönheit vorschreiten, sondern vielmehr zur Vereinfachung
von Farbe tmd Zeichnung bis zu vollkommener Düsterheit, zuweilen zu-
gleich unter Verlust einer anderen Zierde, nämlich der Schwänze der
HinterflQgel. welche z. B. bei den Seglern als ursprünglichen Formen
so schön ausgebildet sind, ja daß jene Vereinfachung sogar ein all-
gemeines Gesetz ist. Nutzen im Sinne des Schutzes ist dabei nach
Darwin selbst ausgeschlossen.
Wenn also Darwix zu dem Schlüsse kommt, >die Weibchen werden
bestimmte Männchen vorziehen; wenn dies die schöneren sind, so werden
die Farben der letzteren gradweise geändert worden sein und sich auf
ein oder auf beide Geschlechter vererbt haben, ie nach dem gerade
vorherrschenden Gesetze der Vererbung«, so muß ich demselben in allen
Teilen widersprechen, insbesondere nicht nur darin, daß ich auf Grund
der bekannten Brunst der Falter in eine solche Auswahl überhaupt
Zweifel setze, ja daß ich dieselbe auf Grund von der Natur der in
Frage kommenden Eigenschaften für unmöglich und in Beziehung auf
die gewöhnliche Art der Umbildung für unwirksam halte, sondern noch
in einem besonderen Punkte.
Es handelt sich in den weitaus häufigsten Fällen von Verschönerung
um Verschönerung der Männchen, um männliche Präponderanz.
Es wären also in der Regel die Weibchen, welche unter den Faltern
die Männchen auslesen würden. Das erscheint aber bei der allbe-
kannten angreifenden Natur, welche gerade die Faltermännchen in Be-
ziehung auf die Begattung zeigen, und bei der leidenden Rolle, welche
die meisten Weibchen dabei spielen, geradezu unmöglich.
Wenn nun Darwin zu Obigem noch hinzufügt: >dies wird dadurch
begünstigt werden, daß die Männchen vieler Lepidopteren die Weibchen
an Zahl bedeutend übertreffen«, ein Satz, auf welchen er auch sonst in
unserer Frage großes Gewicht legt und selbstverständlich legen muß,
so möchte ich genaue neue Untersuchungen hervorheben, welche beweisen,
daß allerdings die Zahl der Männchen unter den Schmetterlingen größer,
aber nur um weniges größer ist als die der Weibchen. Herr Standfuss
hat nämlich bei 40 Arten und 32176 Individuen Zählungen gemacht
und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß bei allen einzelnen Arten, welche
den verschiedensten Familien entnommen sind, ziemlich dasselbe Zahlen-
368 Übergewicht des einen Geschlechtes. Geschlechtliche Zuchtwahl.
Verhältnis besteht und 7Avar dies, daß auf je 100 Weibchen etwa 103
bis 107 Männchen kooamen'). Ob dieser Unterschied der ÖAnwiN'schen
Schlußfolgerung genügen könnte, will ich dahin gestellt sein lassen,
doch scheint mir derselbe für die Frage deshalb nicht maßgebend, weil
auch weibliche Präpon deranz bei den Schmetterlingen vorkommt,
ohne daß da, wo dieselbe vorkommt, das umgekehrte Verhältnis in der
Zahl der Geschlechter gegeben sein dürfte oder auch, wenn es gegeben
wäre, entscheidend sein könnte.
Hervorragende Schmetterlingskundige, wie gerade Standfüss, weisen
auch auf Grund unmittelbarer Beobachtung irgendwelchen Einfluß der
Schönheit auf geschlechtliche Auslese vollkommen zurück. Es ist viel-
mehr der Duft, welcher für die Falter hier wohl wesentlich maßgebend
ist, sei es daß derselbe vom Männchen oder vom Weibchen oder von
beiden ausströme. Oft wird aber auch dieses Reizmittel von der Be-
gattungsbegierde außer Acht gelassen und, wie schon berührt, Begattung
mit fremden Arten geübt.
Außer dem Duft dürfte es noch andere Reizmittel geben.
Standfüss sagt in Beziehung auf diese Dinge 2): »Man sieht oft zu seiner Ver-
wunderung ein kleines anscheinend dürftiges Q von einer Menge (5 S gleichzeitig
begehrt, während ein großes schön entwickeltes Stück von den (5 (5 lange oder ganz
vernachlässigt wird.«
Zur Erklärung wird angegeben: »Erstens wird das frischer entwickelte Q dem
älteren von dem (5 vorgezogen und zwar dergestalt, daß an diesem Zuchtwahlgesetz
der Lepidopteren die größere oder geringere Farbenpracht der weiblichen Individuen
in keiner Weise etwas zu ändern vermag.«
Bei nicht wenigen Arten nimmt das ^ mehrtägige Q nicht mehr an, andererseits
gehen (J von Bombyx mori zuweilen selbst noch mit völlig abgestorbenen Q
Paarung ein.
Zweitens ergab die Anatomie frisch ausgeschlüpfter und wohlentwickelter Weib-
chen, welche von den Männchen nicht angenommen wurden, stets eine hinter dem
Durchschnittsquantum der Art sehr zurückbleibende Eierzahl.
»Schließlich dürfte hier wie dort der letzte Grund . . . der Mangel des von den
Weibchen ausströmenden Duftes sein Im ersteren Falle ging derselbe bereits
verloren, im zweiten Falle gelangte er nicht zur Entwickelung.«
Da der Duft in vielen Fällen für uns nicht ohne weiteres oder auch gar nicht
wahrnehmbar ist, so möchte für den letzterwähnten Fall vielleicht eine andere Er-
klärung gelten können: es ist doch nach Maßgabe anderer Thatsachen sehr wahr-
scheinlich, daß die so leicht sieht- und fühlbare Dickleibigkeit der vollkommen be-
gattungsreifen, volle Eierzahl führenden AVeibchen die Männchen anreizte, wie z. B.
offenbar die männlichen Frösche wesentlich durch die Körperform der Weibchen ge-
reizt werden, eine Beziehung, welche ja nicht am unwirksamsten auch beim Menschen
gegeben sein dürfte.
Welchen Reiz übrigens Schmetterlingsweibchen offenbar durch ihren Duft auf
1) M. Standfiiss, Handbuch der paläarktischen Großschmetterlinge II. Aufl. S. -189 ff.
Derselbe hebt hervor, daß diese Zahl die gleiche sei wie bei der zwelhäusigen Pflanze
Mercurialis annua, für welche durch eine durch F. Heyer 1883 in Halle erschienene
Dissertation festgestellt sei, daß auf je 100 Q 105,86 S kommen. Im deutschen Reich
sollen ebenso auf 100 neugeborene Mädchen 1 06,068 Knaben kommen und zwar auf
Grund der Aufnahmen des statistischen Amtes in Berlin in den zehn Jahren von
4882—1891.
2; a. a. 0. S. 50.
Bedeutung der geschlechtlichen Zuchtwahl u. s. w. 369
die Männchen ausüben, zeigt ein Beispiel, wonach Herr Standfuss zwischen lOV^l-hi'
Vormittags und 5 Uhr Nachmittags 127 Männchen von Saturnia pavonia ein Weibchen
dieses Falters anfliegen sah, in der Nähe von Zürich, wo dieser Falter keineswegs
häufig sei, so daß die (5 die Q teilweise aus großer Entfernung gewittert haben
müssen i).
Es sind die reizenden Düfte, welche die Männchen von Tagfaltern bei dem
werbenden Umflattern der Weibchen zur Geltung bringen, meint Staxdfuss. Doch
verhalten sich die Weibchen auch darin zurückhaltend, daß sie den Düften der
Männchen augenscheinlich nicht nachgehen.
Wenn aber mehrere Männchen sich um ein Weibchen bewarben und eines das
Ziel erreichte, so beobachtete Standfuss wiederholt, daß eines von den leer aus-
gehenden sich mit dem Weibchen einer verwandten Art paarte. So paarten sich
Melitaea dictynna Esp. (J und athalia Rott. Q , Zygaena trifolii Esp. ^ und ßlipen-
dutae L. Q, Zyg. pilosellae Esp. (J und achilleae Esp. Q, Zyg. ßlipendulae L. (5 und
lonicerae Esp. Q.
Die Weibchen sträuben sich dabei offenbar in Folge des Alißbehagens, welches
das nicht passende männliche Glied zunächst verursacht. »Die Männchen ihrerseits
erweisen sich, wenn sie durch zahlreiches Vorhandensein co|Hilationssüchtiger Weib-
chen ihrer Art stimuliert sind, in so abnormer Verfassung, daß sie eine Paarung mit
den Weibchen sehr heterogener Arten einzugehen fähig sind.«
In der That ist von vornherein gar nicht abzusehen, wie bei dem Geschäft der
Bethätigung des »grausam zwingenden Geschlechtstriebs«, wie Standfuss einmal sagt,
vom einen oder vom anderen Teil eine Auslese neuer, feiner Schönheitsmerkmale,
und wären sie auch nicht so unscheinbar wie sie es thatsächlich sind, geübt
werden sollte.
Die DARWiN'sche ErklärLina; der Umbildims; von Farbe und Zeichnuns;
der Sclimetterlinse zur Schönheit erscheint somit nach allen Richtungen
hin als unbegründet.
Eine hochwichtige dieser Thatsachen ist aber noch hervorzuheben,
welche die Erklärung der Entstehung der Schönheit durch geschlecht-
liche Zuchtwahl zum Überfluß noch einmal zurückweist: ich meine die
sprungweise Entwicklung, Halmatogen esis, die gerade beim
Geschlechts-Dimorphismus so maßgebend hervortritt, und zwar in Ver-
bindung mit einseitiger Vererbung, Ämiktogenesis.
Geschlechtliche Zuchtwahl kann unmöglich eine Umbil-
dung einer Zeichnung und Farbe hervorbringen, welche in
ganz veränderten Mustern plötzlich, kaleidoskopisch entsteht,
wie dies nach der Wirkung künstlicher Wärme oder Kälte und nach
anderen Vorkommnissen auch für die freie Natur als thatsächlich be-
zeichnet werden darf. Es handelt sich hierin meist wieder um ein
Vorangehen der Männchen, welche, wie gesagt, nicht ausgelesen werden,
sondern die Angreifer sind. Und w^eiter führt auch die kaleidoskopische
Umbildimg vielfach zur Vereinfachung, nicht zur Verschönerung. Aus
allen diesen Gründen kann nicht einmal die Erhaltung des neu Ent-
standenen weder bei Halmatogenesis noch bei allmählicher Umbildung
geschlechtliche Zuchtwahl als Ursache haben.
Die so vollkommen und rein ausgesprochene männliche und w-eib-
liche orthogenetische Präponderanz aber, welche der Geschlechts-Dimor-
1) a. a. 0. S. 107.
Eimer, Ortliogeneais. 24
370 Übergewicht des einen Geschlechtes. Geschlechtliche Zuchtwahl.
phismus vor Augen führt, zeigt, wie schon hervorgehoben wurde, in
ganz hervorragendem Maße die Macht der Amiktogenesis, als Beweis
für die Bedeutung des Geschlechts bezw. überhaupt der Konstitution
für die Umbildung der Formen und für die Artbildung im Besonderen.
Obschon dabei die Eigenschaften der Männchen durch die Weibchen
hindurchgehen, halten sich diese lange rein und unvermischt von dem
Einflüsse jener '). Allmählich aber schreiten auch sie zu den Eigenschaften
der Männchen vor, ob durch allmähliche oder durch sprungweise Um-
bildung muß für jeden einzelnen Fall erwogen werden. Es zeigt die
^4s/er/as-Gruppe der Papilioniden in Beziehung auf Papilio Turnus und
Bairdii, daß umgekehrt die Männchen bezw. die Rasse, dem sprungweise
vorgeschrittenen Weibchen in der Umbildung folgen können, und zwar
geschieht dies in ausgesprochenen Fällen hier schrittweise.
In vielen Fällen werden wir außer Stande sein und bleiben, festzu-
stellen, ob die jetzt vorhandene große Verschiedenheit der Geschlechter
ursprünglich allmählich oder sprungweise entstanden ist, und dasselbe
gilt für daraus entstandene neue Arten. Allein der Fall von Turnus
Glaucus Q. zeigt Hand in Hand mit den Wärme- und Kälteversuchen,
daß sprungweise Umbildung unvermittelt auftreten und ganz veränderte
Bilder kaleidoskopisch erzeugen kann. Vanessa levana und prorsa end-
lich lehren, daß allmähliche wie sprungweise Umbildung an einer Art
zusammen vorkommen können, und dieser genau untersuchte Fall dürfte
überhaupt für Folgerungen in weitem Umfange maßgebend sein: danach
hängt es von dem Grad der äußeren Einwirkung und der Kon-
stitution ab, ob eine nur wenig veränderte neue Form oder ob
sprungweise eine sehr veränderte erzielt wird.
Es ist Darwin nicht möslich, alle in Frage kommenden Thatsachen
auf seine Weise zu erklären, und als unbefangener Naturforscher verhehlt
er sich auch in diesem Abschnitt wie überall sonst in seinen Werken
seiner Ansicht entgegenstehende Schwierigkeiten nicht, hebt dieselben
vielmehr besonders hervor. Diese Schwierigkeiten aber sind, wie w-ir
sahen, große und gipfeln sogar geradezu in Widersprüchen gegen Dar-
win's beweiskräftig sein sollende Voraussetzungen. Nachdem die Ortho-
genesis als maßgebender Faktor für die Umbildung eingesetzt ist, wird
man erkennen, wie viel Gezwungenes die DARwixschen Ausführungen
haben und wie sehr sie, wenn auch unabsichtlich, die wichtigsten Ein-
wände gegen die Theorie gegenüber der Absicht, dieselbe zu begründen,
zurücktreten lassen. Heute, nach Prüfung der von mir hervorgehobenen
Thatsachen, w^äre der eroße Naturforscher wohl der Erste, welcher den-
selben gerecht würde.
Sehr bemerkenswert ist der Widerspruch, welchen A. R. Wallace
in seiner »Tropenwelt« gegen die DARwix'sche geschlechtliche Zuchtwahl
erhebt. Schon in der Vorrede sagt er: »Bei der Untersuchung der Ge-
1) vgl. meine »Entstehung der Arten« I. S. 40 ilf.
Bedeutung der geschlechtlichen Zuchtwahl u. s. w. 371
setze und Erscheinungen der Färbung organischer Wesen und bei der
Erörterung der besonderen Entwickelung derselben in beiden Geschlech-
tern, ferner bei dem Studium der besonderen Anhtänge, Schmuckfedern
u. s. \v., der Männchen von manchen Insekten- und Yogelarlen habe ich
mir allmählich eine Theorie entwickelt, welche der DARwiN'schen Theorie
von der geschlechtlichen Zuchtwahl geradezu widerspricht.«
Und nun »iebt Wallace seine Theorie von den Kraftfarben, d. i.
die Ansicht, daß die glänzenden Farben der Männchen auf physiologische
Ursachen zurückzuführen seien, auf den Turgor der Säfte, auf ihren
Zufluß nach der Peripherie in Folge ihres höheren Kräftezustandes gegen-
über den Weibchen — eine Ansicht, welche zusamt erwähnter anderer
Erklärung desselben Gelehrten betreffend die Entstehung von Farben
durch unmittelbare äußere Einflüsse, gleichsam als ein Teilstück mfeiner
eigenen Anschauungen tiber die Umbildung der Eigenschaften der Tier-
welt erscheint und die als inselartige Ausnahme aus den sonst streng
ÜARwix'schen Vorstellungen eines Mannes hervorragt, der neuestens wieder
in schärfster Weise selbst gegen sehr naturgemäße Vertretung des La-
marckismus von Seiten Cope's aufgetreten ist, des heute eifrigsten Partei-
gängers des Afterdarwinismus. Andererseits will Wallace die von Darwin
zu Gunsten der geschlechtlichen Zuchtwahl gedeuteten Farben und
Zeichnunsren teils durch Schutz erklären, teils als Mittel zur Erkennung.
So ergiebt sich bei ihm wie bei Darwix ünfolgerich tig keit der
Auffassung als ganz natürlicher Ausfluß der zwangsweisen Anwendung
eines einseitigen Princips zur Erklärung allgemeiner Fragen. Und dies
erhellt noch mehr aus den einzelnen Ausführungen Wallace's zur Er-
klärung der Entstehung der Farben, wo überall ein Schwanken zwischen
der Anerkennung der Herrschaft der Zuchtwahl und der unmittelbaren
Wirkung äußerer Einflüsse hervortritt, ganz wie bei Darwix.
Übrigens hat auch Darwix, wie aus Vorstehendem zu ersehen ist,
den Einfluß des höheren Kräftezustandes der Männchen auf die Farben,
besonders zur Brunstzeit, verwertet.
Wallace führt aus: Glänzendere Farben treten bei Vögeln und
Säugetieren an den Männchen bei gesteigerter Lebenskraft insbesondere
zur Brunstzeit auf. »Matte Färbung des Pelzes der Säugetiere ist ein
Anzeichen von Krankheit oder Schwächezuständen, straffes, glänzendes
Haar mit leuchtendem Auge sind sichere Anzeichen von Gesundheit''.
Dasselbe gilt von Vögeln, aber auch von Insekten, »denn die schönen
Farben der Raupen werden matt, sobald dieselben trag werden und
sich zum Einspinnen anschicken 2. Sogar an Pflanzen ist etwas der Art
zu beobachten, denn an den gesundesten, kräftigsten Exemplaren ist
auch die Färbung der Blätter am saftigsten, die der Blüten und Früchte
am schönsten.«
1) A. R. Wallace, »Die Tropenwelt«. Braunschweig 1879. S. äOl.
2) Ausgiebig habe ich dieselbe Ansicht vertreten in meinen Studien über >->Lacerla
muralis coeriilea« , »Über das Variieren der Mauereidechse« und in »Entstehung der
Arten« I.
24*
372 Übergewicht des einen Geschlechtes. Geschlechtliche Zuchtwahl.
»Bei ungleicher Färbung ist immer das Männchen dunkler, schärfer
gefleckt« u. s. w.
Dazu kommen die äußeren Anhänge mancher Männchen, welche
mit geschlechtlicher Zuchtwahl nichts zu thun haben.
Die Farbe sei nun vorzugsweise auch ein Mittel des Wiederer-
kennens und sie sei daher »für fliegende Insekten, die fast immer in
Bewegung sind und sich nur so zu sagen zufällig begegnen, von beson-
derer Wichtigkeit. Dies erklärt dann auch die sonst rätselhafte Er-
scheinung, warum die Weibchen von Schmetterlingen oft sehr stark von
denen naheverwandter Arten abweichen, die Mätmchen nicht; diese sind
am rührigsten, fliegen am raschesten und höchsten und suchen die
Weibchen auf; für sie ist es also von Nutzen, daß sie die letzteren
in größerer Entfernung erkennen können. Diese Eigentümlichkeit kommt
bei mehreren Arten von Papilio, Dindema, Adolias und Colias vor, lauter
Geschlechtern, bei denen die Männchen gute Flieger sind und in hoher
Luft schwärmen.«
Darwin giebt Wallace das Zeugnis außerordentlicher Findigkeit in
der Erklärung von Schutzeinrichtungen; überall weiß dieser in der That
eine Antwort zu Gunsten der Nützlichkeit — nur eben mit Ausnahme
vieler Farben, während er in Beziehung auf andere Färbungen wieder
ganz ohne Verlegenheit für die Zuchtwahl ist: »Die Kaninchen fallen,
wenn sie in ihren Bau hineinlaufen, durch ihren aufwärts gekehrten
weißen Schwanz dem Jäger und zweifelsohne ebensogut den Baubtieren
sehr in's Auge. Dieser Umstand aber kann gerade den Jungen sehr
nützlich werden, indem er diesen als Wahrzeichen dient und sie in den
Stand setzt, den Alten rasch in den schützenden Bau zu folgen; ohne
Zweifel wird dies in Folge der nächtlichen Lebensweise der Tiere be-
sonders wichtig.«
Ist das nicht doch ein bischen zu scharfsinnig? Sicherlich! Denn
die weiße Unterseite des Schwanzes (der »Blume«) findet sich eben so
wie beim Kaninchen auch beim Hasen, welcher nicht in Höhlen wohnt ! Sie
beruht wohl auf Ursachen wie die des regelmäßigen Vorhandenseins einer
weißen Schwanzspitze bei Hunden mit weißen Pfoten: hier aber handelt es
sich um eine physiologische Beziehung, Korrelation, welche wiederum
auf geringerer Ernährung der vom Herzen entferntesten Körperteile schon
im Embryo zurückzuführen sein wird.
So oft ich auf dem Anstand ein Beh im Sommer aus dem grünen
Laub des Waldes hervortreten sehe , von welchem sich seine fuchsrote
Sommerfarbe hell abhebt, drängt sich mir die Frage an die Selektions-
Kleidungskünstler auf: warum ist der Bock denn jetzt nicht grün? —
der Arme: er kann nicht grün werden und muß sich eben einstweilen
so behelfen. Oder sollte seine leuchtende Farbe vielleicht auch dazu
da sein, um den Jungen ein Wahrzeichen zu bieten ?
Vielleicht ist diese leuchtende Farbe der Behe im Sommerhaar
gegenüber dem düsteren Winterhaar gerade wieder als Kraftfarbe auf-
zufassen, wie in meinen Augen die weiße Winterfarbe von Hermelin,
Bedeutung der geschlechtlichen Zuchtwahl u. s. w. 373
Alpenhase, Schneehuhn u. s. w. nicht in Folge von Auslese entstan-
den ist, sondern in Folge physiologischer Verhältnisse der Hautthätigkeit
im Winter: größeren Wärme- und Ernährungsverbrauchs, bezw. gerin-
gerer Ernährung , ganz entsprechend dem Grauwerden der Haare beim
Menschen.
Selbst Darwix sei nicht frei von vorgefaßten Meinungen bezüglich
der Schutzfarbe, meint Wallace, denn er sage, »das Zebra ist auffallend
gestreift und Streifen können in den weiten Ebenen Südafrikas keinen
Schutz verschaffen«. Ich finde im Gegenteil, daß Darwin hier wie so
oft sehr vorurteilsfrei ist. Den Vorwurf macht ihm Wallace zu Gunsten
seiner Wiedererkennungstheorie, denn er meint, das Zebra sei außer-
ordentlich flink und, wenn es in Heerden lebe, keineswegs wehrlos. »Die
Streifen können daher recht wohl den Zweck haben, versprengten Tieren
ihre Gefährten weithin kenntlich zu machen, sie können auch recht
wohl das ruhende Tier im Gesträuche unkenntlich machen. Bevor man
näher über die Lebensweise des Zebras unterrichtet ist, erscheint es
jedenfalls voreilig zu sagen, daß die Streifang keine Schutzfarbe sein
kann « .
Ja, die Streifen können wohl unter Umständen diesen und anderen
Zweck erfüllen, aber es ist nach Maßgabe der Thatsachen der Ortho-
genesis wohl kaum voreilig zu sagen, daß dieselben nicht durch Aus-
lese zum Zweck des Erkennens oder des Schutzes entstanden oder
gezüchtet worden sind. Es ist anzunehmen, daß solche Streifung
ebensowohl bei anderen in der Wüste lebenden Tieren, welche ver-
teidigangsfähig und schnellfüßig sind, denselben Nutzen haben könnten
oder würden, wie ihn Wallace beim Zebra voraussetzt. Und doch sind
sie verloren gegangen und haben Einfarbigkeit Platz gemacht, so beim
Löwen, bei welchem sie in der Jugend noch in Resten vorhanden sind.
Wäre das Zebra in der Wüste nicht auch besser geschützt, wenn es die
Farbe des erwachsenen Löwen hätte ? Und sollten sich die Zebras
nicht auch ohne die Streifen ebenso gut erkennen, wie sich die Löwen
ohne dieselben erkennen?
Nachdem die Gesetzmäßigkeit der Zeichnung der Tiere und deren
Umbildung erkannt ist, erscheinen Vermutungen wie die von Wallace und
ebenso viele von Darwin ausgesprochene in ihrer vollen Gegenstands-
losigkeit vor aller Augen, ja es machen jetzt solche zwangsweise in den
Dienst der Zuchtwahl gestellte Erklärungsversuche sogar einen ziemlich
gekünstelten Eindruck, wenn sie auch an die »fictiven« Vorstellungen
eines August Weismanx noch nicht heranreichen.
Es ist ganz rlchtis, was der von dem letzteren Herrn als Gegner
so wegwerfend behandelte Entomologe Johannes Schilde gesagt hat,
daß der Darwinismus Alles zu erklären im Stande sei, indem er je
nach Bedarf bald dies bald jenes jetzt so, dann wieder in umgekehrter
Weise für eine wegen ihres Nutzens notwendig gezüchtete Eigenschaft
erklärt. Darwin wird sich der Widersprüche, in welche er mit seinen
Schlüssen gegenüber den Thatsachen gerät, oft bewußt und gesteht
374 Übergewicht des einen Geschlechtes. Geschlechtliche Zuchtwahl.
dies dann in seiner wahrhaft großen Art einfach ein oder sagt, daß
dies oder das sich auf Grund seiner Voraussetzungen nicht erklären
lasse. Wallace steht nicht an, in Einzelnem geradezu gegen die Grund-
sätze der Zuchtwahllehre aufzutreten, während er im Übrigen deren
äußerster, um Nutzanwendung in ihrem Sinne nie verlegener Vertreter
ist. Aber durch jene Ausnahmen durchbricht auch er, ohne es an-
scheinend zu empfinden , vollkommen die Grundlage der Folgerichtig-
keit, welche eine Theorie besitzen muß, wenn dieselbe Anspruch auf
Vollgültigkeit erheben will.
Ich hebe dies nur hervor, um zu zeigen, wie die Unzulänglichkeit
einer Theorie dadurch offenbar wird, daß sie im Einzelfalle vollkommen
versagt, in Sackgassen führt, aus welchen an ihrer Hand nicht heraus-
zukommen ist. Damit trete ich der bedeutenden Auffassung und der
Überzeugungstreue der Begründer dieser Theorie selbstverständlich in
keiner Weise entgegen. Das Wesen des ächten Naturforschers , sein
Wert zugleich als Mensch, zeigt sich besonders bei Darwix eben in der
allseitigen vorurteilslosen, gerechten Berücksichtigung ihm entgegen-
stehender Meinungen, in der Achtung, welche er seinen Gegnern zu Teil
werden läßt, die ihm deshalb wiederum nur Hochachtung und Verehrung
werden entgegenbringen können, ohne daß sie sich deshalb den wissen-
schaftlichen Ausdruck ihrer Ansichten worden versagen müssen.
Der Afterdarwinismus allein hat ein unbedingtes, folgerichtig und
und rücksichtslos vertretenes Selektionsbedürfnis. Durch welche Mittel
er dasselbe zu befriedigen, ihm entgegenstehende Thatsachen und
Meinungen und seine Gegner zu beseitigen sucht, darüber keinerlei Zweifel
zu lassen, ist er sonder Bedenken selbst ausgiebig bemüht.
Wer heute, nach vorurteilsloser Prüfung der Erklärungen, welche
die Orthogenesis an die Hand giebt, die DARwiN'schen Werke und Wal-
LACE'sche Ausführungen wie die vorstehenden liest, dem wird offenbar
werden , daß nur an der Hand der ersteren jene Widersprüche sich
lösen und widerspruchslose Schlußfolgerungen über Transmutation und
Artbildung überhaupt sich ziehen lassen. Der Zuchtwahl wird auch auf
diesem Wege ihr Recht, denn vieles, was durch Orthogenesis entstanden
ist, wird selbstverständlich der Benutzung durch die Zuchtwahl und
zwar verschiedenartiger zugänglich sein und so wird nüchterne Be-
thätigung am Feststellen dieses Nutzens auch in Zukunft ihren Wert
l)ehalten.
Anmerkung. Man vergleiche zu Obigem z. B. Darwin, »Abstammung des Men-
schen« II. 3. Aufl. Stuttgart 1873. S. 282 IT., wo es heißt: »Hier entsteht nun eine
merkwürdige Schwierigkeit. Wenn wir zugeben, daß gefärbte Flecken und Streifen
als Zierraten erlangt worden sind, woher kommt es, daß so viele jetzt lebende Hirsche,
die Nachkommen eines ursprünglich gefleckten Tieres, und sämtliche Arten von
Schweinen und Tapiren, die Nachkommen eines ursprünglich gestreiften Tieres, in
ihrem erwachsenen Zustande ihre früheren Verzierungen verloren haben? Ich kann
diese Frage nicht befriedigend beantworten« . . . »Es mag für den Löwen und das
Puma ein großer Vorteil gewesen sein, wegen der offenen Beschaffenheit der Örtlich-
keiten , in welchen sie gewöhnlich jagen, ihre Streifen verloren zu haben und hier-
Bedeutung der geschlechtlichen Zuchtwahl u. s. w. 375
durch für ihre Beute weniger auffallend geworden zu sein« (und das Zebra?). Was
Hirsche, Schweine und Tapire angeht, so meinte Fuitz INIüller gegenüber von Dauwin,
»daß diese Tiere durch die Entfernung ihrer Flecken und Streifen mit Hülfe der
natürlichen Zuchtwahl f!) von ihren Feinden weniger leicht werden gesehen worden
sein, und sie werden besonders eines solchen Schutzes bedurft haben, als die Carni-
voren während der Tertiärzoit an Größe und Anzahl zuzunehmen begannen.« Aber
die Zebras '?;
»Dies kann wohl die richtige Erklärung sein«, fährt Darwin fort, »es ist aber
befremdend, daß die Jungen nicht gleich gut geschützt gewesen sein sollten, und noch
befremdender, daß bei einigen Arten die Erwachsenen ihre Flecke entweder teilweise
oder vollständig während eines Teils des Jahres beibehalten haben sollten.«
Man merke, gerade die Jungen, die doch am meisten Schutzbedürftigen, sind
durch ihre Streifung auffallend gezeichnet, und, füge ich hinzu, dies ist bei den
verschiedensten Arten, Familien, Klassen des Tierreichs der Fall : die Jungen sind noch
längsgestreift oder gefleckt, die Alten werden einfarbig. Die ihren Feinden so leicht
zur Beute fallenden, unerfahrenen, unbeholfenen Jungen sind also überall weniger
durch die Farbe geschützt als die Alten. Da, sagt Darwin weiter, guter Grund be-
steht zu glauben, daß das ursprüngliche Pferd an den Beinen, dem Rückgrat und
wahrscheinlich an den Schultern gestreift war, so kann »das Verschwinden der Flecke
und Streifen bei unseren erwachsenen jetzt lebenden Hirschen, Schweinen und Ta-
piren Folge einer Veränderung der allgemeinen Farbe ihres Haarkleides sein; ob aber
diese Veränderung durch geschlechtliche oder natürliche Zuchtwahl bewirkt wurde
oder Folge der direkten Wirkung der Lebensbedingungen oder irgend welcher anderen
unbekannten Ursache war, ist unmöglich zu entscheiden. Eine von Herrn Sclater
gemachte Beobachtung erläutert sehr gut unsere Unwissenheit von den Gesetzen,
welche das Auftreten und Verschwinden von Streifen regulieren: die Species von
Asinus, welche den asiatischen Continent bewohnen, entbehren der Streifen . . .,
während diejenigen, welche Afrika bewohnen, auffallend gestreift sind, mit der teil-
weisen Ausnahme von A. taeniopiis, welcher nur den queren Schulterstreif und meist
einige unbedeutende quere Streifen an den Beinen besitzt; und diese letztere Species
bewohnt die fast mitten inne liegenden Gegenden von Oberägypten und .\byssinien.«
Es ist jetzt für uns nichts Überraschendes mehr, daß Arten derselben Gattung
in dem einen Gebiet die ursprünglichere Zeichnung tragen als andere Arten in einem
anderen Gebiete, und wir wissen, daß z. B. die nordamerikanische Tierwelt jedenfalls
gewisser Abteilungen auch in der Zeichnung, wie in der Regel in anderen Eigen-
schaften, auf ursprünglicherer Stufe der Ausbildung steht, als die europäische, und wir
wissen jedenfalls so viel, daß es sich dabei überall um ein gesetzmäßiges Fortschrei-
ten bestimmt gerichteter Entwickelung oder um ein -Stehenbleiben auf bestimmten
Stufen derselben, dies auch in Beziehung auf einzelne Teile der Zeichnung handelt,
endlich, daß von Zuchtwahl, weder von geschlechtlicher noch von anderer dabei
keine Rede ist, außer vielleicht in für das Ganze durchaus unmaßgeblicher Weise.
Johannes Schilde hat aber offenbar nicht Unrecht, wenn er in seiner Schrift:
gegen pseudodoxische Transmutationslehren, ein entomolog. Nachweis irriger Studien
zur Descendenztheorie, Leipzig, 0. Wigand 1879 mit Bezug auf Herrn August W^eis-
M.vNN, dessen Beweisführung in den alten Studien zur Descendenzlehre dieser Nach-
weis gilt, auf S. 9 sagt : »die Natur bietet wirklich so außerordentlich verschieden
geartete, geordnete Specialfälle, daß es einem halbwegs bewanderten kühnen Anhänger
der Selektion leicht wird, der blöde zuhörenden glaubsüchtigen Menge gegenüber für
jeden drängenden »Beweis« -Fall, oft mit demselben Objekt, eine theoretische Volte
zu schlagen.« Als Beispiel erwähnt er u. a. : »der Darwinianer erklärt dies nämlich
auffällige Farben am Flügelrande der Schmetterlinge) wieder als selektiert aus dem
Nutzen, welchen auffällige Farben ferner dem Leibe, lockend und ablenkend für
die Erhaltung der von Feinden verfolgten Individuen gewähren«.
»Das Spiel mit zweierlei Karten ist aber deutlich erkennbar: hier sollen bunte
Farben die Gefahr vom Leibe abhalten dadurch, daß sie die Verfolgung irrend
376 Übergewicht des einen Geschlechtes. Geschlechtliche Zuchtwahl.
auf sich lenken, dort sollen sie den Körper schützen dadurch, daß sie durch
widrige Erinnerungen dieselben Ycrl'olger täuschend abschrecken«
»Weil ihr selektiert erworbener Instinkt die selbsterhaltend bethätigte Aufmerk-
samkeit nach dem auffällig Gefärbten leitete, haschten sie jetzt nach dem
Gleißenden und — trelTen auf ein geni\ßloses Fliigelstückchen! und dann — weil ihr
selektiert cumulierter Instinkt ihnen gleißende Bissen als widerlich taxieren lernte —
wenden sie sich ekelnd ab von dem reellen Schmause, weil er auffällig gefärbt ist.
Welche direkten Widersprüche! Speciell aber, welches Absurdum von echtem und
falschem Ererbungs-Raffinement umgaukelt hier die selektierten Instinkte, damit ihr
stetes Fiasco dem Gegner Nutzen selektiere!?? Es fällt der Feder schwer für
solchen Wirrwarr Sätze zu finden.« ....
»Auf die Instinkte des Verfolgers müssen doch Stadien der Erfahrung vererbt
werden, die das den Vorfahren einst durch Irrtum widrige Mahl längst als accep-
tabel lehrten und erkannten.« ....
»Wie sollte sich aber vollends durch nächtliche Praxis der Zuchtwahl die
oft brillante Metallbeschuppung z. B. auf der Rückseite einer Masse von Lycaeniden
ausgezüehtet haben, die im Düster der Nacht gar nicht sichtbar ist? Soll sie etwa
in und für die jährlich wenigen Mondscheinnächte herangezüchtet sein?«
Die geschlechtliche Zuchtwahl betreffend, so erklärt Wallace,
daß er »von Aiifang an diesen Teil der ÜARwix'schen Theorie für irr-
tümlich gehalten und dagegen angeführt habe , die erste Ursache der
sexuellen Farbenverschiedenheit sei das Bedürfnis des Schutzes, welches
beim Weibchen die hellen Farben beseitige, die sonst normaler Weise
beiden Geschlechtern zukommen würden.«
Gleich darauf entwickelt Wallace seine Theorie von den Kraftfarben,
nach welchen doch die schönen Farben der Männchen von höher ge-
steiserter Lebenskraft derselben herrühren soUea. An einer anderen
Stelle heißt es, nach Zurückweisung der Ansicht Darwins, daß die Farbe
der Männchen der Vögel die Weibchen zur Wahl derselben bestimme:
der Schmuck der ersteren »samt seinen schönen Farben und Farben-
zeichnungen rührt von allgemeinen Entwickelungsgesetzen und insbe-
sondere von erhöhter Lebensfähigkeit her« '). Aber weiter ist von solchen
Entwickelungsgesetzen bei ihm nicht die Rede.
Es fehle, sagt weiterhin Wallace, jeder Beweis dafür, daß die
Weibchen diese Schrauckentfaltung irgendwie bewundern oder auch nur
beachten. Ferner aber thun Dauwlx's Beweise selbst dar, dass jeder
Vogel unter allen Umständen ein Weibchen oder Männchen findet. Für
die Schmetterlinge aber liege »nicht der Schatten eines Beweises dafür
vor, daß die Farbe vom Weibchen beachtet wird, ja daß das letztere
überhaupt wählen kann. Dies ist so handgreiflich, daß Darwin sich
veranlaßt sieht, folgenden auffallend unrichtigen Satz statt des Beweises
einzuschalten: »Wenn die Weibeben nicht ein Männchen dem anderen
vorzögen, so wäre das Paaren nur Sache des Zulalls und das ist doch
nicht wahrscheinlich«. Eben hat er aber gesagt: die Männchen kämpfen
oft miteinander aus Eifersucht und oft sieht man viele derselben sich
um ein Weibchen drängen und es verfolgen«, und von den Seidenspinnern:
»die Weibchen haben augenscheinlich gar keine Gelegenheit zur Wahl
1) a. a. 0. S. 207.
Bedeutung der geschlechtlichen Zuchtwahl u. s. w. 377
eines Männchens«. Die einfachste Folgerung wäre doch die. daß die
Männchen einen Wettkampf um das fast ganz passive Weibchen anstellen,
daß das kräftigste, mutigste, am besten fliegende und ausdauerndste
Männchen den Sieg davon trägt. Wie kann man dies Zufall nennen?
Die natürliche Zuchtwahl sorgt hier, wie bei den Vögeln, dafür, daß die
stärksten Männchen sich fortpflanzen ; da aber diese in der Regel die
am lebhaftesten gefärbten ihres Stammes sind, so wird hier wie dort
das Resultat eine Verstärkung der Farbe und Buntheit sein«.
Darwix schließe immer in: »Abstammung des Menschen«), daß die
prunkvolle Färbung der Tagfalter und einiger Nachtfalter unmöglich als
Schutzfarbe erworben sein kann, weil ja die farbigen Teile derselben
stets mehr oder weniger sichtbar sind und in Beziehung zu einem anderen
Beobachter treten. »Ihre Farbenflecke und hübschen Zeichnungen«, fährt
Dar^nix wörtlich fort, »werden zur Schau getragen. Ich bin daher
überzeugt, daß die Weibchen die schönsten Männchen vorziehen oder
von ihnen zumeist gefesselt werden ; denn sonst hätte nach unserem
Ermessen die Farbenzier der Männchen keinen Zweck«. »Es ist mir
unbekannt«, wirft dagegen Wallace ein, »daß irgend Jemand behauptet
hätte, die prachtvollen Farben der Schmetterlinge seien .in der Regel
als Schutzfarbe erworben ' ^) . . . Alles was Darwin zum Beweise dafür
beibringt, daß Schmetterlinge und andere Insekten Farben unterscheiden
können und durch solche, die denen ihrer Art ähneln, angezogen werden,
steht im besten Einklang mit der Ansicht, daß die Farbe, die sich stets
dem Beobachter aufdrängt, den Zweck hat, das Wiedererkennen und
richtige Unterscheiden der Tiere zu erleichtern, sobald sie nicht des
Schutzes halber gedämpft oder unterdrückt wird«.
Es wird Darwin vorgehalten, daß er auf einmal annahm, gewisse
Männchen suchten schönere Weibchen aus, »obwohl doch eine Haupt-
stütze der Theorie der geschlechtlichen Zuchtwahl die ist, daß im ganzen
Tierreiche die Männchen der Regel nach so begierig sind, um mit jedem
Weibchen vorlieb zu nehmen, daß dagegen die Weibchen zurückhaltender
und wählerischer sind: gerade hierdurch soll das häufige Vorkommen
des schöneren Aussehens der Männchen veranlaßt sein«.
Schließlich berührt Wallace den Ausweg, welchen Darwix ergreift,
um zu erklären, warum bei Pieris { Per rJnj bris) Pyrrha, Malenka nnd Lorena
die Männchen einfach weiß sind und nicht die schwarz-rot-gelbe Heli-
konierfärbung der Weibchen haben: »Darwin giebt zu, daß diese Grell-
färbung zum Schutze diene; da aber kein ersichtlicher Grund vorliegt,
weshalb diese Trutzfarbe auf das weibliche Geschlecht beschränkt ist, so
glaubt er, sie sei beim 3Iännchen nicht zur Entwickelung gekommen,
weil sie den Weibchen nicht gefalle. Nun soll hier auf einmal der
weibliche Schmetterling eine Abneigung gegen jede Farbe gehabt haben,
obwohl anzunehmen ist, daß diese Farbe beständig vorkam« . . .
1) Seitdem hat dies bekanntlich Jemand behauptet; aber tS78 war nur Herr
August Weismann's frühere, entsesenüesetzte Meinung bekannt.
378 Übergewicht des oiiion Gcsclilcchtes. Geschlpclitliclic Ziiclitwalil.
W.vLLACE will dagegen statt dieser künstlichen Erklärung eine ein-
fachere geben: die Weibchen flattern in den Wäldern umher, wo auch
die Heliconiden schwärmen, die Männchen fliegen im Freien mit anderen
weiß und gelb gefärbten Schmetterlingen an FluRufern: »ist es da nicht
denkbar, daß das Auftreten der rotgelben Streifen oder Flecken dem
Männchen ebenso nachteilig sein würde als es dem Weibchen nützt, indem
das Männchen dadurch unter seines Gleichen ausgezeichnet würde und ein
auffälligeres Angriffsobjekt für insektenfressende Vögel abgäbe? Das ist
doch unbedingt wahrscheinlicher als jene ganz hypothetische Zuchtwahl
seitens der Weibchen, die dann bald für, bald gegen jede neue auf-
tretende grelle Farbe und Zeichnung ins Feld geführt wurde« ').
In der That — Johanxes Schilde hat sogar in A. R. Wallace einen
Parteigänger — »bald für, bald gegen«, das ist doch häufig genug auch
bei Darwin selbst, nicht nur bei seinem Epigonen, ein Weg zur Beweis-
führung. Hier, in dem Falle mit Perrhybris Pijn/ia u. s. w. wird sogar
ein dreifacher Widerspruch gegen die sonst gewöhnlichen Beweismittel
angewendet: die Auswahl von Seiten des Weibchens, das Unbedürfnis
des Männchens nach Schutzfarbe und endlich die geradezu widersinnige
Annahme, dem Weibchen gefallen die schönen Farben schwarz-rot-gelb
nicht und es wähle die weniger schönen aus! Wallace aber verzichtet
mit seiner »unbedingt wahrscheinlichen« Erklärung auf einmal auf den
sonst so gerühmten Vorteil der Heliconiden-Verkleidung!
Ich habe all diese Einzelheiten von Widersprüchen und Verschieden-
heit der Meinung zweier so maßgebender Forscher wie Darwin und
Wallace über denselben Gegenstand hier wiedergegeben, eben um zu
zeigen, auf wie schwachen Füßen die ganze Zuchlwahllehre nach Maß-
gabe ihrer eigenen Beweisführung steht, indem sie keine einheitlich durch-
greifenden Mittel zur Erklärung der Thatsachen hat, ja so wenig folge-
richtig urteilt, daß sie bald dieses bald jenes Mittel verlassen oder um-
kehren oder gegen sich selbst kehren muß.
Und was der gleichfalls auf dem Boden dieser Lehre stehende
Herr Wallace Darwin an Wiedererkenn ungs- und Schutztheorie entgegen-
hält, leidet an demselben Fehler, teils des gegen sich selbst Kehrens der
Erklärungsmiltel, teils der Unwahrscheinlichkeit, der ünbeweisbarkeit, ja
der Unmöglichkeit.
Aber gar nicht berücksichtigt ist bei alledem das bisher Unbekannte,
daß die meisten Zeichnungen und Farben aus kleinsten Anfängen allmählich
entstehen, nach bestimmten Richtungen sich entwickeln und daß un-
möglich irgendwelche Auslese, sei es natürliche oder geschlechtliche, diese
Entwickelung veranlassen kann, sondern nur — Orthogenesis.
1; Man vergleiche dagegen die vorn S. 206 ff. von mir auf Grund orthogenetischer
Rückbildung gegebene Erklärung der bunten Farben der Weibchen von Perrhybris
Pyrrha und Lorena.
C. Die Entstehuiiii der Augenzierden bei Schmetterlingen. 379
C. Die Entstellung der Augenzierden bei Sclunetterlingen.
Im Anschluß an den Abschnitt über eeschlechtliche Zuchtwahl möchte
ich einige Bemerkungen machen l:)ezüglich der Entstehung der schönsten
Zierden, welche bei ihr in Frage kommen und welche bei Yöeeln nach
der Meinung Darwix's dabei eine so große Rolle spielen, während er
selbst ihnen diese Rolle bei den Schmetterlingen absprechen muß, weil
sie hier nicht nur den Männchen, sondern auch den Weibchen derselben
Art zukommen können. Schon dieser Widerspruch muß selbstverständ-
lich auch bei den Vögeln die Bedeutung der Zuchtwahl für die Ent-
stehung und Ausbildung der Augenzierden von vornherein höchst zwei-
felhall machen, noch mehr die Thatsache, daß auch Raupen, bei welchen
von geschlechtlicher Beziehung keine Rede sein kann, prachtvolle solche
Augenzierden besitzen. Daß man versucht hat, dieselben in ihrer höchsten,
auffallendsten Ausbildung als Schreckmittel aufzufassen, wie die Eulen-
augen nachahmen sollenden Augenzierden des Falters Calir/o , berührt
die Zuchtwahlfrage schon deshalb nicht weiter, weil in zahlreichen an-
deren Fällen von solch schrecklich aussehender Ausbildung der Augen-
zierden der Raupen keine Rede ist, indem dieselben hier wie überall
alle Überoänse der Bilduns von einfachen Flecken zeigen.
Wie vorsichtig man aber auch mit der Auffassung fertiger und
überraschend auffallender solcher Augen als Schreckmittel sein muß —
welche sie, einmal fertig, ja sein könnten, ohne daß sie zu diesem
Zwecke entstanden sein werden — zeigt eben Caligo. Die zwei großen
Augen auf der Unterseite der Hinterflügel, die Rieselzeichnung, die Farbe
und die abgerundete Gestalt dieser Flügel ahmen zusammen in wunderbarer
Ähnlichkeit jenen Eulenkopf nach, w-elcher in der That einen fürchterlich
schreckhaften Eindruck machen kann. Aber es würde dem Faller schwer
werden, dieses Schreckmittel zur Wirkung zu bringen, denn dasselbe
findet sich nur auf der Unterseite seiner Flügel, nicht auch auf der
Oberseite, welche sogar in die freundliche, friedliche Farbe Blau gekleidet
ist, und es kann als Eulenge sieht, welches es eben darstellen soll, nur
dann zum Ausdruck kommen, wenn beide Flügel wagrecht gehalten
werden. Der Schmetterling Caligo müßte sich also schon mit ausge-
breiteten Flügeln — auf den Rücken legen, w^enn er sein Schreckmittel
zur Wirkung bringen wollte, es sei denn, daß seine Feinde ihn während
des Fliegens von unten her anstarrten, bis sie zur Überzeugung
kämen, daß sie in ihm ein Eulengespenst vor sich oder vielmehr über
sich haben!
Wenn wir nun aber vollends sehen, daß die Augenzierden beiden
Schmetterlingen und bei den Raupen gewöhnlich in ganz derselben Weise
durch gesetzmäßige Umbildung aus Stücken von Längsstreifen ent-
stehen, ebenso wie dies Daumix für den Argusfasan gezeigt hat, wenn
wir sehen, wie sie so oft noch auf einer tiefen, völlig unscheinbaren
Stufe der Ausbildung, ja auf der von ziemlich rohen Flecken stehen
380 Übergewicht des einen Geschlechtes. Geschlechtliche Zuchtwahl.
bleiben, deren Anblick keinerlei Schönheitssinn wird berühren können,
wenn also bei ganz verschiedenen, unter ganz verschiedenen Ver-
hältnissen lebenden Tieren dieselbe oder doch eine ganz ähnliche
Gestaltung zu symmetrischen und schöngefärbten Zeichnungen auch in
diesen besonderen Zierden jedem offenen Auge erkennbar wird, so
haben wir auch darin einlach den Ausdruck von bestimmten
Bildungsgesetzen zu suchen, wie sie die Zeichnung der Tiere
überhaupt beherrschen, nicht aber die Folge irgend welcher Zuchtwahl.
Die folgende Darlegung giebt nur die Umrisse der Entstehung der
Augenflecke bei Schmetterlingen. Der so sehr ansprechende Gegenstand
verdient eine viel mehr in's Einzelne gehende Untersuchung unter genauer
Vergleichung der Verhältnisse bei anderen Tieren. Die im zweiten Teil
dieses Buches folgende Arbeit über die Zeichnung von Vögeln wird mich
auf den Gegenstand zurückführen. Hier beginne ich mit den Äußerungen,
welche Darwix besonders über die Augenzierden bei Schmetterlingen
niedergelegt hat.
Darwin sagt'): Obschon wir die Schritte nicht kennen, auf welchen
diese wunderbar schönen und zusammengesetzten Verzierungen ent-
wickelt worden sind, so ist doch, mindestens bei Insekten , der Proceß
wahrscheinlich ein einfacher gewesen, denn, wie ihm Herr Trimex
schreibe, seien »bei den Lepidopteren keine anderen Charaktere bloßer
Zeichnung oder Färbung so unselbständig wie die Augenflecke, sowohl
der Zahl als der Größe nach«. Wallace zeigte ihm dies an Hipparchia
Janira^ welche zahlreiche Abstufungen von einem einfachen äußerst
kleinen schwarzen Fleck bis zu einem elegant gefärbten Augen fleck
darboten. Noch veränderlicher seien die Augenflecke bei der südafri-
kanischen, zu derselben Familie gehörigen Cyllo Leda'^). Von unregel-
mäßigen weißen Zeichnungen in Schwarz oder von äußerst kleinen weißen
Flecken finden sich hier alle Abstufungen zu vollkommen symmetrischen
großen Augenflecken.
Bei Vögeln und vielen anderen Tieren scheine es , als seien die
kreisförmi2;en Flecke dadurch entstanden, daß Streifen unterbrochen und
zusammengezogen wurden. Aber es gebe Erscheinungen, welche die
Annahme stark begünstigen, daß auf der einen Seite ein dunkler Fleck
oft dadurch gebildet wird, daß der färbende Stofl" nach einem Mittel-
punkte hin von einer umgebenden Zone ausgezogen wird , welche hier-
durch heller gemacht wird, und auf der anderen Seite, daß die Farbe
von einem central gelesenen Punkte entfernt wird , so daß sie sich in
1) Abstammung des Menschen III. Aufl. II. 1879. S. 123 ff.
2) Abb. bei Darwin a. a. 0. S. -124.
Die Entstehung der Augenzierden bei Schmetterlingen. 381
einer umgebenden Zone anhäuft. In beiden Fällen ist ein AugenEleck
das Ergebnis. Der färbende Stoff scheint in einer nahezu constanten
Menge vorhanden zu sein, wird aber verschiedentlich verteilt und zwar
entweder centripetal oder centrifugal .... »Aufweiche weitere Weisen
aber die complicierteren Augenüecke, welche von vielen aufeinander
folgenden farbigen Zonen umgeben sind, sich gebildet haben, will ich
nicht zu sagen wagen«.
»Die bebänderten Federn der Mischlin£;snachkommen von verschieden
gefärbten Hühnern und die außerordentliche Variabilität der Augenflecke
bei vielen Schmetterlingen, sagt zuletzt Darwix, führen uns aber zu dem
Schlüsse, daß die Bildung dieser schönen Ornamente kein complicierter
Proceß ist, sondern von irgend einer unbedeutenden und sich abstufen-
den Veränderung in der Natur der benachbarten Gewebe abhängt.«
»In Fällen wie den vorstehenden erfordert die Entwickelung eines
vollkommenen Ocellus keinen langen Verlauf von Abänderungen und
Zuchtwahl", meint er vorher mit Beziehung auf Hipparchia Janira und
Cijllo Leda.
Ich kann nur bestätigen, daß bei Schmetterlingen die einfachste
Anlage eines Schmuck- Auges offenbar meist durch Ansammeln des fär-
benden Stoffes in einem Mittelpunkte aus einer umgebenden, dadurch
heller werdenden Zone gebildet wird. Aber gewöhnlich ist ein heller Kern
vorhanden, um welchen herum sich Schwarz ablagert, so bei den meisten
Satyriden. Nach außen vom Kern folgen dann abwechselnd dunkle und
helle, bezw. helle und dunkle Ringe. Es kann keinem Zweifel unter-
liegen, daß es sich auch in der Entstehung dieser Ringe meist um den
Ausdruck kompensatorischer Verteilung von Farbstofl" handelt. Doch
giebt es, wie wir sehen werden, noch eine ganz andere Art der Entstehung.
Der wichtigste Satz zur Erklärung der Entstehung der Augenflecke bei
Schmetterlingen, welchen ich aufstellen kann, ist der, daß dieselben
immer aus Grundbinden hervorgehen, und zwar ist es in weitaus
den meisten Fällen Binde III, die ihnen den Ursprung giebt, so insbe-
sondere bei Nymphaliden und Satyriden, welche die meisten Augen-
zierden haben.
1) Entstehung der Augenflecke aus Binde III: meist handelt
es sich in derselben um einfachen Zerfall dieser Binde.
Häufig kommt es aber auch vor, daß die Augenflecke nicht aus
der ganzen Binde III, sondern nur aus dem äußeren Teil derselben
hervorgehen. Daher kommt es, daß dieselben ihre Lage so oft außer-
halb der eigentlichen Binde III haben. Die Entstehung scheint dabei
in der Regel die zu sein , daß sich von Binde III ein äußerer Streifen
abspaltet, welcher nun das Auge bilden hilft (vgl. z. B. Junonia Lavinia
Abb. 224, J. Erigone Abb. 225, Precis Iphita Abb. 226, Doleschallia pra-
tipa Abb. 227 und zahlreiche andere unserer Abbildungen, besonders
von Blattschmetterlingen . Dabei handelt es sich offenbar um eine Teil-
nahme jenes äußeren Bindenstreifens an der Augenbildung in der
Weise, daß ein äußerer dunkler Ring des Auges durch Herumlagerung
382
Übergewicht des einen Geschlechtes. Geschlechtliche Ziichlwohl.
eines Teils desselben hergestellt werden kann , denn man sieht solche
Umlagerang oft halb vollendet, als äußeren Halbring.
Zuweilen nimmt auch noch Binde IV oder ein Teil derselben an
dieser Rinsibilduns; auf Grund von Umlagerung Anteil.
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Aljb. '224. Junonia Larinia Cram.
Abb. 225. Jinioitia Evigonc Ckasi.
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Abb. 226. Prccis Iphila Ckam.
%
Abb. 227. Doleschallia pratipa Feld.
Dies führt zu einer zweiten Hauptart der Entstehung von Augen-
flecken, welche mit der Ringzeichnung der Hinterflügel in Zusammenhang
steht und auf welche ich alsbald zurückkomme.
Im übrigen läßt sich hier die schrittweise Entstehung der Augen-
zierden ebenso wie beim Argusfasan und beim Pfauhahn oft an einem
C. Die Entstehuns der Ausenzierden bei Schmetterlingen.
3S3
und demselben Schmetterling verfolgen. Zuweilen bleibt es überhaupt
beim Zerfall von Binden in Flecke ohne weitere Veränderungen: es ent-
steht aus der Binde III eine einfache Reihe von schwarzen oder sonst
dunklen Flecken. Daneben können andere Binden ebenso zerfallen.
Damit haben wir also noch keine Augenflecke, sondern nur Flecke —
ganz so wie z. B. die aus ursprünglichen Längsstreifen der Zeichnung
des Argusfasans entstandenen Flecke, \velche dort den Augenzierden den
Ursprung geben. So sind nur Flecke vorhanden bei Liinenüis Sibylla
auf der Unterseite (Abb. 228), Vanessa Dejeanii (Abb. 229), dagegen schon
Augen bei Vanessa cardui (Abb. 230) u. s. w. Man vergleiche hierzu
besonders auch die Unterseite der Hinterflügel von Ägr las- Avien^].
Auch bei Cyllo [Melanitis] Leda entsprechen die Augenflecke der
Binde III bezw. dem Außenteil derselben. Sie sind oben viel unfertiger
'<h^'
«^^
Abb. 22S.
Limenitis Sibylla L.
Abb. 229.
Tanessa Dejeanii Godt.
Abb. 230.
Tanessa cardui L.
als unten , ändern bei den einzelnen Faltern in der That ungemein ab
und erscheinen oben zuerst als hintereinander gelegene, meist mit mattem
schwarzem Hof umgebene weiße Flecke, zwei auf den Vorder- und zwei
oder drei auf den Hinterflügeln. In der höchsten Ausbildung kommt
auf den Vorderflügeln nach innen vom Schwarz noch Gelbbraun hinzu,
hier einen unvollkommenen Halbring oder nur einen Fleck herstellend:
es entspricht dieses Braun dem Zwischenraum zwischen Binde III und
IV fC). Die Augenflecke sind bei M. Leda auf der Oberseite also erst
im Werden begriffen ; zuweilen fehlen sie auf den Hinterflügeln sogar
noch ganz, zuweilen sind sie gerade hier am schärfsten und vollkommen-
sten, wenn auch wenig auffallend: ein kleiner weißer Kern, ein breiter
schwarzer und ein schmaler braungelber Ring darum herum.
Auf der Unterseite sind sie in viel größerer Zahl vorhanden, in
der bekannten Bindenreihe stehend, meist vollkommen und scharf, der
1) Staud. Taf. 57.
384 Übergewicht des einen Geschlechtes. Geschlechtliche Zuchtwahl.
braune Ring außen noch durch eine dunkle Linie scharf abgegrenzt. Zu-
weilen sind sie aber auch hier nur als weiße Pünktchen angedeutet.
Ganz dieselbe Augenbildung findet sich im Wesentlichen bei anderen
Satyriden, insbesondere bei unseren Hipparchien. Hier entsteht aber auf
der Oberseite häufig nur ein Auge, nämlich in der Ecke der Vorderflügel.
Auch ist zu erkennen, daß es sich da, wo zwei leine weiße Kernchen
im Schwarz liegen, um Zusammengeflossensein zweier ursprünglicher,
in zwei verschiedenen Flügelzellen gelegener Augenflecke handelt, welche
in anderen Fällen getrennt nebeneinander liegen. Das Gelbbraun um
den schwarzen Ring erscheint jetzt häufig gleichfalls als vollkommener
Ring, aus Band B und C hervorgegangen, so bei Satyi'us Eudora, Hip-
parc/üa Janira, H. Megaera. Bei letzterer und Verwandten liegt nach
außen und vorn vom großen Augenfleck der Vorderflügel auf der Ober-
seite noch ein kleines zierliches Ringchen.
Meist sind die Augenflecke auf der Unterseite zahlreicher, besonders
auf den Hinterflügeln, in anderen Fällen auch auf der Oberseite; unten
sind sie aber meist zierlicher, schärfer begrenzt, wenn auch matter, und
bestehen aus mehr Ringchen als oben. Schon weil sie unten fertiger
sind als oben, ist zu schließen, daß eine Übertragung derselben von
unten nach oben stattgefunden hat.
2) Entstehung von Augenflecken aus anderen Binden. Bei
den Satyriden ist also überall Binde III maßgebend, ebenso bei den
Nymphaliden. Dies ist aber sonst nicht immer der Fall. Es entstehen
Augenflecke auch aus anderen Binden. Bei Morphiden und Brasso-
liden haben wir häufig zweierlei, äußere und innere, von welchen
die ersteren aus Binde III, die letzteren vielleicht aus IV hervorge-
gangen sind.
Die zahlreichen, schwarzgekernten, weißumrahmten Augenfleckchen der
Unterseite der Lycaeniden sind aus verschiedenen Grundbiuden entstan-
den, wenn auch die aus III hervorgegangene Reihe derselben meist am
kräftigsten und schönsten ausgebildet ist. Bei manchen, wie bei L. Corydon
und Adonis, bilden sich nach innen halb gelbrot und schwarz umrahmte
Randaugen aus Binde I und II. Nach innen von III finden sich meist
außerdem Augenfleckchen, welche alle ganz genau auf Stücke bestimmter
Grundbinden zurückzuführen sind: bei Pobjommatiis Phlaeas und Ver-
wandten z. B, in der Mittelzelle der Vorderflügel V/VI, VIII und IX.
Auf der Oberseite erscheinen statt dieser und der übrigen Augen nur
einfache schwarze Flecke. Selten beginnt auch oben eine helle Umran-
dung der schwarzen Flecke, so bei Lycaena Daphnis bei einem je auf
Vorder- und Hinterflügeln in der Mitte und an den Randflecken. Das
Letztere auch im Beginn bei Corydon.
Unter den Papilioniden haben wir eine sehr verschiedenartige
Entstehung von Augenflecken.
Am schönsten sind sie bei Parnassiern, rot, schwarz umrandet,
in höchster Ausbildung (die großen Augen der Hinterflügel) mrt weißem
Kern. Außerdem kommen zuweilen noch blaue, schwarz umrahmte
C. Die Entstehung der Augenzierden bei Schmetterlingen. 385
Randaugen vor, welche aus Binde II entstanden sind, z. B. bei Parnassius
imperialis aus Tibet und P. Hardwickii^) aus China, dann vor allem bei
Doritis Apollinus, bei welchem das blau gekernte Auge nach innen noch
rot umgrenzt ist.
Das hintere der gewöhnlichen zwei roten Augen der Hinter flügel
ist wohl wiederum hervorgegangen aus Binde III. Am schönsten zeigt
dies Parnassius Eversmanni § (Abb. 231), wo nur der vordere Augen-
fleck der Hinterflügel vollständig ausgebildet ist, das Rot an Stelle der
hinteren aber in der vollkommen erhaltenen beiderseits schwarz um-
grenzten Binde III aufgeht, während beim rf aus dem vorderen Teil
dieser Binde das hintere Auge entstanden ist! Bei manchen Arten sind
auch aus dem hinteren Teil jener Binde ein oder zwei rote Augen her-
vorgegangen, während derselbe in wieder anderen Fällen schwarz (so
bei P. Apollo Abb. 232), in noch anderen geschwunden ist.
cm
^ I I
Abb. 231. Parnassins Eversmanni Men. Q. Abb. 232. Parnassius Apollo L.
Das vordere rote Auge der Hinterflügel liegt oft sehr weit einwärts
iind es gehört w^ahrscheiulich Binde IV oder gar V/VI an.
Die roten Augen der Vorderflügel, jedenfalls die zwei vorderen,
sind aber aus Binde IV hervorgegangen ; dies zeigen verschiedene Arten,
bei welchen statt dieser vorderen zwei Augen, deren vorderstes an den
Vorderflügelrand reicht, wiederum eine mehr oder weniger unterbrochene
rote, beiderseits schwarz umrahmte Binde vorhanden ist, so bei Par-
nassius Smintheus Q aus Colorado und bei unserer Thais Polyxena. In
anderen Fällen, wie bei unserem Apollo, liegen hier statt der Augen
zwei schwarze Flecke, bei noch anderen ist eine schwarze oder schwärz-
liche Binde vorhanden.
Bei den Segelfalter-ähnlichen Papilioniden entsteht das schöne
Afterauge, wie ich früher genauer beschrieben habe 2), aus einem Stück
1) Staud. Tat". I 4. -) in »Artbildung« I. Vgl. dort die Abbildungen.
Eimer, Orthogenesis. 25
386 Übergewicht des einen Geschlechtes. Geschlechtliche Zuchtwahl.
der Prachtbinde (IX) und einem Stück der oft aus blauen Halbnaonden
zusammengesetzten (äußeren) Randbinde (I/H), wobei das Blau, da wo
es vorkommt, nach außen 'hinten) liegt.
Bei den Schwalbenschwänzen') dagegen entsteht das Afterauge
aus einem der blauen Halbmonde und deren Umgrenzung, welche hier
dem hintersten Teil der Binde II/III mit deren Zwischenraum (blaues
Band) entsprechen, während sich das Gelbrot hinten anfügt und aus einem
der gelben Halbmonde zwischen Binde I und II entstanden ist.
Sehr merkwürdig, völlig abweichend von derjenigen bei Satyriden
u. a. ist hier die Entstehung eines schwarzen Augenkerns, indem der-
selbe, wie ich a. a. 0. des Näheren beschrieben habe, durch Herein-
wachsen des hintersten Teiles der Binde II in den gelbroten Augenfleck
entsteht. (Vgl. Papilio Machaon^ Hippocrates , Oregonia-) u. a.) Dabei
ergiebt sich w-ie auch bei den Segelfaltern, dass die Bildung auf der
Unterseite auf tieferer Stufe der Ausbildung steht, als auf der Oberseite.
Endlich möchte ich hier noch auf das früher bezüglich von Hetero-
ceren, besonders von Bombyciden Gesagte hinweisen, wonach die z. T.
prachtvollen Augenflecke der Vorderflügel aus dem V/VI-Fleck und die
der Hinterflügel aus der entsprechenden Fleckzeichung entstehen können.
Der innere Teil dieser Augenflecke ist hier oft glasartig auf Grund von
Schuppenlosigkeit, während die Umgebung sehr schuppenreich und da-
durch sogar filzig sein kann, ein Verhältnis, das wohl wieder auf Kom-
pensation beruht. Zuweilen sind die Glasfenster und ist die ganze sie
umgebende Zeichnung dreieckig, so bei Attacus Atlas ^ wo diese Gestalt
mit der eigentümlich ausgezogenen Flügelform zusammenzuhängen scheint,
was aber für einzelne andere Falter nicht zutrifft.
Die meisten Ringe hat an diesen aus V/VI und dem entsprechenden
hinteren Fleck hervorgegangenen Augen Saturnia carpini um den Kern
herum, nämlich fünf.
Bei manchen Bomhyciden finden sich auch Augen im Gebiete von
Binde II in der Vorderecke der Vorderflügel, nach außen oder nach
innen vom Hauptteil derselben gelegen, im übrigen aus ihr entstanden
und teilweise deutlich aus Bindenstreifen derselben hervorgegangen. So
bei Attacus ricini, A. insularis, Saturnia Cecropia, S. Columbia^ S. Cea-
nothi, Samia Promethea, Telea Polyphemus. Bei Attacus Atlas ist dieses
Auge erst im Werden begriff'en, nur zu einer Hälfte fertig, außen weiß
begrenzt durch einen Bandstreifen, welcher ein Theil eines schmalen
w^eißen Zickzackbandes (A) ist.
Einen höchst merkwürdigen Ansatz zur Entstehung von Augenfleckzierden zeigt
die Noctuide Erebtis Agrippina, der größte aller Schmetterlinge, auf der violettblauen
Unterseite und zwar auf den Vorderflügeln in der Mittelzelle. Hier liegt, augenschein-
lich aus Binde VIII hervorgegangen, ein großer kreisrunder Fleck, dunkler blau als
die übrige Farbe der Unterseite, umgeben von einem weißen Ring. Nach außen von
ihm, an Stelle von Binde V/VI aber liegt ein ebenso gefärbtes und dadurch sich her-
1) »Artbildung« II und die Abbildungen.
2) Ebenda Taf. VI. Fig. i und 2.
C. Die Entstehung der Augenzierden bei Schmetterlingen. 387
vorhebendes, außen und innen ebenfalls weiß begrenztes rechteckiges, mit dem längsten
Durchmesser von vorn nach hinten gerichtetes, also die Mittelzelle querendes Binden-
stück: eine viereckige, sonst nach Art der Augenflecke gebildete Zierrat.
3) Entstehung von Augenzierden aus Ringzeichnung. Auf
ganz besondere Art entstehen, wie schon erwähnt, Augenflecke und
zwar in der Mitte der Hinterflügel auf deren
Unterseite bei Faltern mit Ringzeichnung,
wie z.B. Catagrainma-Arten unter den Nymphaliden ^),
indem dort die inneren Binden Ringe bilden, deren
innerster einen farbigen, aus einem Bandstück her-
vorgegangenen oder einen oder zwei schwarze aus \\f-(/^ \\\
Binden stücken entstandene schwarze Kerne ein- s^C^j)^-
schließt (Abb. 233). \_ S^'
Hier hängt die Entstehung der Augenflecke
oflFenbar mit der runden Flügelgestalt zusammen: caiucore Astaia Qvee.
es handelt sich um Gestaltung ringförmiger, bezw.
ringförmig um einen Mittelpunkt zusammengefügter Binden.
Was ist aber nun die Ursache der Entstehung der gewöhnlichen
Augenflecke? Den Anfang derselben können wir leicht beurteilen: es
handelt sich darin um Zerfall von Binden in Flecke, wie er ja eine
allgemeine gesetzmäßige Erscheinung auch sonst ist. Dafür aber ist
die Einteilung des Flügels in Flügelzellen maßgebend, denn
jeder Fleck entspricht einer Flügelzelle, bildet sich im mittleren
Teil, d. i. gleichweit von ihrer äußeren und innern Grenze entfernt.
Nur selten entstehen Augenflecke auf Flügeladern: so die, welche aus
dem V/VI-Fleck hervorgehen. Selten nimmt ein Augenfleck auch mehrere
Flügelzellen ein, so bei manchen Bombyciden. Die Flügelzelle stellt also
eine morphologische Einheit her, welche sich äußerlich auch darin aus-
spricht, daß sie eine Zeichnungseinheit bildet. Die Ringbildung und die
verschiedene Färbung der Ringe, welche bei Vervollkommnung dieser
Fleckzeichnung zur Augenfleckbildung auftritt, beruht off'enbar in der
Hauptsache auf kompensatorischer Verteilung des Farbstoff"es.
Wir haben also, wie schon hervorgehoben, in der Augenfleckbildung
der Schmetterlinge überall denselben Vorgang, wie ihn Darwix für die
Augenzierden des Argusfasans beschrieben hat: sie entstehen aus Streifen,
wie ich zeige aus Stücken von Grundbinden. Das Gleiche gilt für
die Augenflecke von Raupen.
1) Staud. Taf. 42.
25^
X.
Äufsere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen
der Artbildung bei den Schmetterlingen. Versuche mit
künstlicher Einwirkung von Wärme und Kälte auf die
Entwickelung.
»Die Natur gehört sich selbst an, Wesen dem
Wesen; der Mensch gehört ihr, sie dem Menschen.
Wer mit gesunden, oifenen, freien Sinnen sich hinein-
fuhlt, übt sein Recht aus, ebenso das frische Kind
als der ernsteste Betrachter.« Goethe.
Unmittelbare äußere Einwirkungen auf die Lebewesen sind es, welche
in erster Linie die Umbildung der Organismenwelt bedingen: dieselben
Ursachen, welche das individuelle Wachsen in letzter Linie veranlassen,
vor allem Klima, Nahrung, sie veranlaßten auch das organische Wachsen
der Lebewelt, d. i. die Transmutation, welche nur eine Fortsetzung jenes
persönlichen Wachsens in den Nachkommen ist auf Grund der Verer-
bung von während des Lebens der Individuen erworbenen Eigenschaften.
Die Transmutation ist also einfach ein physiologischer Vorgang,
phyletisches Wachsen.
Was ein Einzelv\^esen während seines Lebens an Veränderung in
seiner stofflichen und physiologischen und in seiner morphologischen
Beschaffenheit erfahren hat, geht zum Teil auf die Nachkommen über
und so erworbene Veränderungen werden im Lauf der Generationen
immer mehr gesteigert, bis dieselben in äußerlich greifbarer neuer Ge-
staltung erscheinen.
Dabei werden wohl neue oder wechselnde äußere Einflüsse hervor-
ragend wirksam sein, aber auch die immer wiederholten gleichen
Einflüsse werden die Lebewesen auf Grund der durch sie bedingten
physiologischen Arbeit im Lauf der Zeit verändern, so daß eine Art nach
langer Zeit auch unter übrigens gleich gebliebenen äußeren Verhältnissen
anders geworden sein und auf neue Einflüsse anders reagieren vvird als
dies ihre Vorfahren gethan hätten — ihre > Konstitution« ist eine andere
geworden.
Dieses organische Wachsen der Lebewelt geschieht zunächst
unabhängig vom aktiven Gebrauch der Organe und bleibt in zahlreichen
Allgemeine Beweise für diese Ursachen. 389
Fällen unabhängig von diesem , dem LAMARCK'schen Umbildungsmittel ^).
Aber der Gebrauch kann auf die durch das ursprüngliche organische
Wachsen entstandene Gestaltung bedeutend einwirken , indem er das
Wachsen abändert, vorzüglich auf einzelne dem Gebrauch hervorragend
ausgesetzte Teile beschränkt, anderen sogar den Stoff dazu entzieht
(Kompensation).
Das L.uiARCK'sche Princip bietet also nur ein mögliches Hülfs mittel
der Umbildung, die Grundursache liegt im organischen Wachsen.
Bei allen beschriebenen so weitgehenden und so hochwichtigen Um-
bildungen der Schmetterlinge kommt der Lamarekismus selbstverständlich
nicht in Betracht, sondern nur das organische Wachsen. Und zw-ar ist
dieses hier vorzüglich durch klimatische Einflüsse bedingt. Den Nach-
weis hierfür habe ich zuerst in meiner »Entstehung der Arten« und
dann in der >Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen«
zu führen versucht, nachdem mich schon meine Eidechsenstudien, zu-
erst die Untersuchungen über Lacerta muralis coerulea vom Fara-
glione-Felsen [\ 874) zu der Überzeugung geführt hatten , daß zwar be-
stimmte innere physiologische Ursachen hier Farben erzeugen (Kraftfarben),
daß aber äußere Verhältnisse, insbesondere Feuchtigkeit, Trockenheit,
Wärme und Kälte für die endgültige Färbung wesentlich maßgebend seien.
Den Beweis bezüglich der Schmetterlinge lieferten mir die That-
sachen, welche die geographische Verbreitung derselben an die Hand
giebt, zusamt denen der Jahreszeiten-Abartung, und das Experiment mit
Einwirkung von künstlicher Wärme und Kälte auf die Entwickelung.
Zusammenfassend konnte ich folgende Hauptsätze aufstellen:
1) Von einem gegebenen Verbreitungsmittelpunkte aus je weiter nach
außen verändert sich eine und dieselbe Art mehr und mehr in ihren speci-
fischen Eigenschaften, in Zeichnung und oft auch in Farbe, Flügelgestalt
und Größe : sie bildet Varietäten, als deren Ursache vorzugsweise die
klimatischen Verhältnisse angesehen werden müssen.
2) An der Grenze des Verbreitungsgebietes, zuweilen auch schon
innerhalb desselben nahe der Grenze, werden die peripherisch wohnen-
den Varietäten durch neue Arten ersetzt, deren Eigenschaften im Wesent-
lichen nur eine Steigerung der ersteren darstellen, eine Fortsetzung der
von der ersten Art in ihren Abänderungen nach der Peripherie des Ver-
breitungsgebietes hin eingehaltenen Entwickelungsrichtungen.
3) Denn die ganze Umbildung geschieht, insbesondere in Beziehung
auf Zeichnung und Farbe, in ganz bestimmten Richtungen, in der Zeich-
nung zugleich unter Auftreten kleinster, zuerst unscheinbarster, fast
unsichtbarer, nur bei einzelnen Individuen erscheinender neuer Eigen-
schaften, welche sich wie unaufhaltsam verstärken und vergrößern, bei
den Nachbarn zu Merkmalen von Abarten, bei noch weiter entfernt
lebenden Nachbarn zu Merkmalen neuer Arten werden.
1) Vgl. vorn S. 70
390 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
Auch die Umänderungen der Farbe entsprechen einer ganz be-
stimmten Farbenfolge.
4) Im Großen findet dieses Verhältnis Ausdruck in der Thatsache,
daß die verschiedenen Faunengebiete, welche den großen Festländern
und Inselgruppen entsprechen, auch je eine eigengeartete Schmetter-
lingswelt besitzen, deren Glieder sich je wieder an die des benach-
barten Faunengebietes anschließen.
Europa und Asien bilden zusammen ein solches Faunengebiet,
dessen Formen sich einerseits nach Osten, andererseits nach Süden sehr
verändern und Nächstverwandte einerseits in P^ordamerika {Machaonj
Turnus, Ajax), andererseits in Nordafrika haben [Podalirius Lotteri).
Im Südosten steht das asiatische wiederum mit dem
Faunengebiet des indischen Archipels in Zusammenhang und an
dieses schließt sich im Süden das australische an , deshalb spricht man
auch von einem indo-australischen Faunengebiet.
Das amerikanische Faunengebiet trennt sich in ein nord- und in
ein südamerikanisches , von welchen das erstere mit dem europäisch-
asiatischen in nächster Beziehung steht, während es andererseits wiederum
in das südamerikanische übergeht.
Auf dem Festlande Afrika's endlich hat sich abermals eine ver-
änderte Welt von Faltern herausgebildet, welche der gleichfalls eigen-
artigen Madagaskar 's zum Ausgang gedient hat, was beides die Segel-
falter zeigen.
In beiden Gebieten treten besonders auch die Farben Grün und
Blaugrün statt Gelb an den Segelfaltern auf.
5) Die Thatsachen der Jahreszeiten-Abartung (Hora-Dimorphismus)
führen vor Aagen, daß jeweils die Sommerformen, also die in der wär-
meren Jahreszeit entwickelten Generationen einer Art in Farbe und
Zeichnung, manche auch in Größe und in Flügelgestalt, den im Süden,
in wärmeren Gebieten lebenden Abarten derselben gleich oder ähnlich,
bezw. im Süden lebenden verwandten Arten ähnlich sind.
Diese hochwichtige Beziehung schien mir allein schon zu beweisen,
daß die in wärmeren Gebieten lebenden Abarten und Arten ihre neuen
Eigenschaften wesentlich dem Einfluß der Wärme verdanken.
Dieser Beweis wird aber unwiderleglich experimentell erhärtet
dadurch, daß
6) die Versuche mit Einwirkung künstlicher Wärme und Kälte
Abarten erzeugen lassen, welche im Wesentlichen ganz dieselben
Eigenschaften besitzen wie die in der wärmeren oder kälteren
Jahreszeit entstandenen Jahreszeiten-Abartungen und wie die
in wärmeren oder kälteren Gebieten lebenden Abarten, bezw.
Arten.
Diese Versuche zeigen, daß
7) Wärme oder Kälte wohl den Anstoß zu sprungweiser Ent-
wickelung geben kann. Aus anderen Thatsachen geht aber hervor,
Allgemeine Beweise für diese Ursachen. 391
daß die Geschlechtsverhältnisse bei der Halmatogenesis eine große Rolle
spielen, insofern als das eine Geschlecht, sei es das männliche oder das
weibliche, gegenüber von irgendwelchen äußeren Einwirkungen, beson-
ders aber wohl wiederum gegenüber klimatischen Einflüssen sehr
empfindlich ist, so daß solche Einflüsse den Anstoß zu plötzlicher weit-
gehender Umbildung geben können, einer Umbildung, welche aber immer
erfolgt in einer Richtung , die von anderen, verwandten Arten auf dem
Wege allmählichen Fortschritts erreicht werden kann.
Die Sätze 1 bis 6 enthalten einen wesentlichen Teil meiner Beweis-
führung für die Lehre vom organischen Wachsen der Lebewelt, wie
ich sie vor nunmehr neun Jahren im ersten Teil meiner »Entstehung der
Arten« aasgesprochen habe.
In welchem Maße sich meine in diesem Buche auf Grund meiner
Auffassung von der Bedeutung der DoRFMEisTER'schen Versuche an Va-
nessa levana und prorsa gemachte Voraussage: wir werden in Zu-
kunft im Stande sein, mit dem Thermometer in der Hand Ab-
arten zu züchten^), vielleicht auch solche, welche in der freien
Natur nicht vorkommen, bestätigt hat, ist bekannt.
Die Versuche von Merrifield, Standflss, Fischer, Fickert und Maria
VON Linden liefern den experimentellen Beweis für meine Lehre von
den Ursachen der Umbildung der organischen Welt zunächst in Be-
ziehung auf den offenbar wichtigsten Faktor derselben, das Klima. Und
umgekehrt gewinnen die Versuche selbstverständlich erst durch diese
Nutzanw^endung ihren vollen Wert.
Die letzte Probe auf die Richtigkeit meiner Annahme genetischer
BeziehunseQ zwischen den Gliedern der Ketten von benachbarten Abarten
und Arten ist aber, so weit dieselbe angestellt worden ist, in vollem
Sinne bestätigend ausgefallen, ich meine die durch die Entwickelungs-
geschichte. Gräfin Maria ton Linden hat bei Papilioniden in meinem
Laboratorium Versuche angestellt, welche die Wiederholung der Stammes-
entwickelung durch die persönliche in ausgezeichneter Weise darthun.
Wenn es eines Beweises für die Vererbung erworbener Eigen-
schaften noch bedarf, so ist derselbe gegeben durch die von mir für
die Schmetterlinge nachgewiesenen Thatsachen und durch ihre Verwertung
durch Experiment und Entwickelungsgeschichte.
Mit diesem Beweis ist aber die ganze, durch so viele Winkelzüge
und zahllose Widersprüche immer wieder zu retten versuchte Weis-
MANN'sche Keimplasma-Hypothese in allem Wesentlichen gegenstandslos
gemacht: die Thatsache der Vererbung erworbener Eigenschaften nimmt
ihr den Boden vollkommen weg.
1 Meine »Entstehuns; der Arten« I. S. 144.
392 Äußere, besonders klimatische Eintlüsse als Ursachen der Artbildunj:.
»Ist es nicht verblüfl'end«, sagt Standfuss, »wenn es möglich ist,
mit Hülfe eines einfachen Experimentes Raupen von Papilio machaon,
welche bei Zürich gesammelt wurden, zu einer Falterform sich entwickeln
zu machen, wie sie von dieser Art im August in Syrien und Jerusalem
fliegt? Ist es nicht verblüffend, aus deutschen und schweizerischen
Puppen von Vanessa Antiopa L. durch Einwirkung klar und scharf aus-
zudrückender Faktoren einen Falter ausschlüpfen zu sehen, welcher der
mexikanischen Form von V. Antiopa L. teilweise sehr nahe kommt? —
oder die Nachkommenschaft eines und desselben von Vanessa cardui L.
nach Willkür zur Hälfte sich zu einer Form dieses Falters entwickeln
zu lassen, wie sie sich fast gleich in den deutsch-afrikanischen Besitzungen
findet, zur anderen Hälfte aber in ein Kleid zu zwingen, wie es V. cardui
an der nördlichsten Grenze seines Vorkommens, z. B. in Lappland, be-
sitzt? Und von allen diesen Einblicken in die Gründe der Veränderuns
der Art an und für sich, der Art als solcher abgesehen, öffnet sich auch
die Perspektive auf die verwandtschaftlichen Beziehungen derselben,
auf phylogenetische Verhältnisse, auf die Ablösung der Art von anderen
Arten . «
Dem fügte ich hinzu'):
»In der That, so ist es! Aber diese Versuche bestätigen nur, was
ich längst vertrete und was den wichtigsten Inhalt meiner Untersuchungen
über die Artbildung und Verwandtschaft der Schmetterlinge bildet: ich
zeige, und jede Tafel meiner Arbeit führt vor Augen, daß es wesentlich
klimatische (und allerdings damit wohl zusammenhängend Ernährungs-)
Verhältnisse sind, welche die Neubildung der Formen, die Entstehimg
der Arten bei den Schmetterlingen bedingt haben. Es sind, wie ich
sage, bestimmte, durch äußere Bedingungen veranlaßte Entwickelungs-
richtungen, welche Abartungen, Abarten und Arten bilden, auch Arten,
denn es ist unter den vielen willkürlichen Behauptungen des Weismann-
schen Afterdarwinismus am willkürlichsten und haltlosesten die, daß
zwar Varietäten durch äußere Bedingungen gebildet werden können,
nicht aber Arten.
Daß es möglich ist, durch Erhöhung oder Erniedrigung der Tem-
peratur während der Entwickelung Falter zu ziehen, welche die Eigen-
schaften der in südlichen, bezw. nördlichen Gebieten lebenden verwandten
Abarten und Arten besitzen, und zwar nicht nur die Eigenschaften der
Farbe und Zeichnung, sondern auch die der Gestalt, das ist, ich wieder-
hole es, der volle unumstößliche Beweis meiner Auffassungen.
Denn es sind ja die Entwickelungsrichtungen, welche die
Abänderungen der Falter nach künstlicher Temperatureinwir-
kung einhalten, ganz dieselben wie diejenigen, welche die
nämlichen Falter nach ihrer geographischen Verbreitung
zeigen.
Wir sind jetzt im Stande, durch Wärme- oder Kälteeinwirkung nicht
»Artbildung« II. S. 40.
Allgemeine Beweise für diese Ursachen. 393
nur freilebende Jahreszeiten-Abartungen , sondern auch dieselben Ab-
artungen, Abarten und selbst solche Formen zu bilden, welche in
entsprechenden klimatischen Gebieten der Erde frei und selbständig
lebenden Arten sehr nahe stehen. Ob es gelingen wird, durch Tem-
peratureinwirkungen Arten zu erzielen, welche heutzutage frei lebenden
Arten durchaus entsprechen, wird die Zukunft lehren. Es ist aber zu
berücksichtigen, was ich vorhin gesagt habe, daß bei den freilebenden
Formen nicht nur Wärme und Kälte, sondern Klima überhaupt und zwar
auch das Klima vergangener Zeiten und insbesondere die Nahrung für
die Ausbildung ihrer Eigenschaften mit in Betracht kommen, Einflüsse,
welche wir bei künstlichen Versuchen nicht nachmachen können. Auch
die lange Zeit, welche über die Bildung neuer Arten im freien Leben
hingegangen ist und welche langsam vor sich gegangene konstitutionelle
Veränderungen des Körpers hervorgerufen haben wird (innere Ursachen),
ist in Rechnung zu ziehen. Es mag also vorläufig billig genügen, daß
wir allein durch Wärme und Kälte jetzt Formen erzeugen können, welche
frei lebenden Arten wenigstens sehr nahe stehen. .Jedenfalls aber zeigen
uns die unter verschiedenen Klimaten im freien Leben vor sich gehen-
den Stufen der Umbildung, welche im Wesentlichen vollkommen den
durch künstliche Wärme und Kälte erzeugten entsprechen, die Ausfüllung
der Lücken, welche der Versuch frei läßt.
Alle Entwickelungsrichtungen aber, welche zur Entstehung
von Abartungen, Abarten und Arten führen, haben, ich wieder-
hole es, mit Entstehung durch natürliche Zuchtwahl, auch mit
geschlechtlicher Zuchtwahl nicht das Geringste zu thun: die
neuen Formen entstehen ohne jede Beziehung zum Nutzen,
jede neue Falterform zeigt für sich die vollkommene Ohnmacht
der Naturzüchtung und erhebt Verwahrung gegen die Herr-
schaft des Darwinismus: damit ist meine Lehre von der Entstehung
der Arten in einer ihrer wesentlichsten Stützen fest begründet, die
WEiSMANN'sche Anschauung aber auch in ihrem Leugnen der unmittel-
baren Einwirkung äußerer Einflüsse auf das Keimplasma durch das
Soma und deren Bedeutung für die Artbildung zurückgewiesen «
»Herr Standflss faßt zusammen: es entstehen durch die künstlichen
Versuche :
1 ) Jahreszeitenformen (auch bei P. Machaon) ;
2) Lokalformen (auch bei P. Machaon) ;
3) Aberrationen;
4) phylogenetische Formen, d. i. solche, welche sich in vergangenen
Zeiten auf der Erde einmal gefunden haben dürften oder vielleicht in
Zukunft einstellen werden;
5) auch zuweilen Formen — es ist dies ein kleiner Rest — welche
eine vollkommen »selbständige, nicht durch ererbte Entwickelungsrich-
tung bedingte Reaktion der Art den angewendeten Faktoren gegenüber
darstellt.« Denn die angewendeten Einwirkungen sind eben solche,
»welche in derselben Intensität in der Natur auf die untersuchten
394 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
Geschöpfe niemals oder doch nur sehr ausnahmsweise wirken« eine
Äußerung, welche teilweise dem entspricht, was ich vorhin über die
Beziehung der künstlich erzeugten Formen zu den natürlichen ge-
sagt habe.
Sehr bemerkenswert ist die Thatsache, daß Wärme bald Dunkel-,
bald Hellfärbung der Falter bewirkt. Und gerade in der Fawessö-Gruppe
haben wir den Fall, daß die meisten Arten durch Wärme heller werden,
Vanessa levana aber dunkel. Dies weist darauf hin, daß es sich in der
Wärmewirkung nicht um eine Förderung des Ablagerns, bezw. der Bil-
dung von dunklem Farbstoff handelt, wie ich das früher für V. prorsa
angenommen hatte, sondern vielmehr um Erzeugen von organischen
Verbindungen, welche bald die, bald jene Farbe haben. Mit anderen
Worten: Wärme und Kälte wirken auf den gegebenen Organismus gemäß
seiner Zusammensetzung verschieden: es handelt sich eben wieder um
die Wirkung innerer oder konstitutioneller Ursachen in Verbindung mit
dem äußeren Reiz der Wärme oder Kälte, bezw. um durch diesen aus
dem gegebenen Stoff gestaltete Neu- oder Umbildung.
Gerade die Arten der Schwalbenschwänze bieten ja übrigens höchst
auffallende Beispiele für wesentlich innere Ursachen des Melanismus.
Während Papilio Machaon durch Wärmeeinwirkung heller wird, sehen
wir in P. Turnus Glaucus und ebenso in P. Bairdii deutlich das Geschlecht
als maßgebend für die Schwarzfärbung wirksam, und es ist wahrschein-
lich, daß die Dunkelfärbung der ganzen .45to'ms-Gruppe mit derselben
Ursache zusammenhängt, wenn auch, wie ich annahm, irgend äußere
Reize den Anstoß dazu gegeben haben dürften; das Klima kann es hier
nicht wohl gewesen sein, denn die Falter der ^^ter/as-Gruppe sind teils
nördliche, teils südliche. Als auffallend müssen für dieselben Falter
gewisse offenbar mit der Schwarzfärbung zusammenhängende Eigen-
schaften bezeichnet werden, welche sich auch bei den dunkeln Kälte-
formen von Machaon finden, so die kurzen Schwänze.
Wir stehen gewiß erst am Anfang der Kenntnisse über Thatsachen
bei Schmetterlingen, welche, wie die vorstehenden, uns Aufschluß geben
über die Einzelursachen der Umbildung der Formen. So viel aber
ist durch die bisher bekannten Thalsachen und ist insbesondere durch
diese und meine frühere Arbeit über die Artbildung und Verwandtschaft
der Schmetterlinge bewiesen, daß hier eine gesetzmäßige, nach
wenigen Richtungen vor sich gehende Entwickelung besteht,
welche mit dem Nutzen, mit der Anpassung rein gar nichts zu
thun hat.
Daß es Schmetterlinge giebt, welche Anpassungseigenschaften zeigen,
bestreite ich keineswegs. Wie weit dieselben aber wirklich durch Natur-
züchtung hervorgerufen sein können, wird erst dann erkannt werden,
wenn die phylogenetischen Stufen , aus welchen diese Formen hervor-
gegangen sind, festgestellt sind. Es giebt gewiß zahlreiche solcher
»Anpassungen«, von welchen man wird nachweisen können, daß sie ohne
jeden Einfluß der Zuchtwahl entstanden sind, auf Grund ganz derselben
Papilio Podalirius. 395
gesetzmäßigen Umbildung, welche die Segelfalter und die Schwalben-
schwänze zeigen. Dabei können sie nützlich sein oder auch nicht
Die Naturzüchtung kann nun einmal keine neuen Eigenschaften
schaffen, sie kann nur vorhandene benützen. Schon deshalb ist die
»Allmacht der Naturzüchtung« eine Behauptung ohne jede Grundlage.
Überall wird sich als herrschend erweisen die Orthogenesis d. i.
gesetzmäßige Umbildung der Lebewesen nach wenigen bestimmten
Richtungen. «
Im Folgenden behandle ich nun die wichtigsten Thatsachen der
Jahreszeiten-Abartung (Hora-Dimorphismus) in Hinblick auf die geogra-
phische Verbreitung von Abarten und Arten und endlich die Erfolge der
künstlichen Temperaturein Wirkung , jene zum Teil als Auszug meiner
in »Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen« gegebenen
Darstellung.
Papilio Podalirius.
Papilio Podalirius zeigt
Hora-Dimorphismus, indem Hochsommerformen desselben eine Reihe
von besonderen Eigenschaften bieten. Diese Eigenschaften sind dieselben,
welche südlich, in wärmeren Gebieten wohnende Abarten bezw. Arten
kennzeichnen oder welche bei diesen noch weiter fortgeschritten sind.
Ich habe diese Eigenschaften anderwärts zusammengestellt ') und will
nur das Wesentlichste hier wiederholen :
1) die Oberseite des Körpers ist bei den Hochsommerformen heller,
2) die schwarze Seitenlinie desselben fehlt zuweilen,
3) die Schwänze sind länger und an der Spitze meist in längerer
Ausdehnung hell gefärbt,
4) die Zeichnung ist schärfer begrenzt,
5) die blauen Halbmonde der Hinterflügel sind auffallend groß und
glänzend hellblau gefärbt,
6) der Afteraugenfleck ist viel größer und mit schönerem blauem
Kern versehen.
7) Abgesehen von Veränderungen der von mir sog. Prachtbinden
ist hervorzuheben, daß ganz bestimmte Umänderungen der Grundbinden
stattfinden, besonders Verkürzung derselben in der Richtung von hinten
nach vorn.
8) Auffallend ist ferner Verbreiterung der Binde IV bei allen Faltern
der Hochsommerbrut und ebenso bei dem nordafrikanischen P. Podalirius
Lotteri und dem südeuropäischen Feisthameli.
Die Verkürzung der Binden bedingt eine Vereinfachung. Diese wird
weiter vermehrt dadurch, daß
1) »Artbildung« I. S. 91 ff.
396 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
9) Binde VII stets fehlt und daß
1 0) die Spaltung von V/VI fast überall geringer ist, als sonst.
1 I ) Die Grundfarbe der Flügel wird heller gelb , nähert sich mehr
Weiß.
12) Die Vorderflügel werden mehr spitz ausgezogen und ihr Vorder-
rand ist dementsprechend mehr gebogen.
13) Der äußere Schenkel und das mittlere Gelb der »Prachtbinde«
finden sich nicht auf der Oberseite der Hinterflügel, sondern nur auf
der Unterseite , während sie bei den Frühjahrsformen z. B. des V^allis
auch oben teilweise vorhanden sind.
Ähnliche Eigenschaften , nur einige besondere, weist auch die von
mir als P. Podalirius Smyrnensis beschriebene Abart i) auf.
Am Schluß meiner Betrachtungen konnte ich sagen 2): »In glänzen-
der Weise ergiebt sich aus dem Vorstehenden, daß den Abänderungen
von Podalirius Podalirius^ welche ich schon früher als Wärmeeigen-
schaften und als zur Bildung von südlichen Abarten hinführend bezeichnet
habe, in der That diese Bedeutung zukommt: die wesentlichsten
jener Eigenschaften kennzeichnen die Hochsommerbrut, und
wiederum die Eigenschaften der Hochsommerbrut sind es,
welche noch verstärkt zur Bildung von Smyrnensis einer-
und Lotteri andererseits führen.«
Die Eigenschaften, welche mehr im Norden als Kennzeichen der
Sommerformen auftreten, werden maßgebend für südliche Abarten
bezw. Arten. Solche Abarten sind außer den Genannten und Feistha-
meli auch der südeuropäische P. P. Zanclaeus und der syrische virgatus
(nach Butler eine besondere Art), ein Falter, dessen geringe Körpergröße
vielleicht auf die Bewohnung des Wüstengebietes (schlechte Ernährung
der Baupen) zurückzuführen ist.
Feisthameli ist zunächst der Sommerform von Podalirius Podalirius
in den Mittelmeergebieten und wird weiter im Süden zur Hauptform,
scheint sogar in Spanien (Barcelona) alleinherrschend zu sein, während
sich in Algier wahrscheinlich die neue Sommerform Lotteri aus ihr
herausbildet. Außer in Nordafrika kommt Feisthameli auch in Westasien
vor, wie dort als Winterform. Zanclaeus endlich steht zwischen Feisthameli
und Lotteri und ist in Sicilien (Messina) die Sommerform vom gewöhn-
lichen Podalirius.
Während bei den Wärmeformen Hand in Hand mit der helleren
Grundfarbe scharf begrenzte Zeichnung entsteht, wird letztere bei Faltern,
welche ich aus dem nördlichsten Wohngebiet (Bonn) erhielt, mehr oder
weniger unregelmäßig, unbestimmt, sogar teilweise klecksartig, die Grund-
farbe aber wird grünlich (vielleicht in Zusammenhang mit dem feuchteren
Klima). »Es ist als ob dem Falter im Norden die Lebensbedingungen
fehlten, um ihn noch in aller Kraft und ebenmäßiger Vollkommenheit
1) a. a. 0. I. S. 94. 2) a. a. o. I. S. 96.
Papilio Podaliriiis. 397
zu entwickeln. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß die Bonner
Falter am meisten von allen abändern: es sieht in der That aus, als
ob in ihrer Zeichaung überall der Versuch gemacht wäre, zu dem oder
jenem bestimmten Endziel zu gelangen, ohne daß dies auf Grund der
unzureichenden stofflichen Zusammensetzung und der äußeren Verhält-
nisse möglich wäre ').
Wesentliche der Entwickelungsrichtungen, welche bei den Wärme-
formen von Podaliriiis zum Ausdruck gekommen sind, werden nun auch
maßgebend für seine südamerikanischen Verwandten [Protesilaus , Age-
silaus, Epidaus u. a.) 2). Insbesondere gilt dies für weitere Verkürzung
von Grundbinden in der Richtung von hinten nach vorn und für teilweises
oder aänzliches Schwinden einzelner derselben.
Sehr bemerkenswert ist aber in dieser Gruppe das Glashellwerden
der Flügel, welches auf Schuppenlosigkeit bezw. auf Zurücktreten der
Schuppen beruht. Zeller 3 giebt an, daß diese Eigenschaft auch an
unserem Segelfalter auftritt , w^enn man seine Raupe mit Kultur- und
Gartenpflanzen nährt.
Versuche mit Einwirkung von Wärme und Kälte auf die Puppen
von Papilio Podalirius, von Dr. Gräfin Maria von Ll\de:v auf meine
Veranlassung angestellt, zeigen, daß diese Einwirkung Eigenschaften er-
zielt, welche denjenigen der einerseits in wärmerem, andererseits in
kälterem Klima lebenden Segelfalter entsprechen. Indessen können diese
Versuche deshalb nur als vorläufige bezeichnet werden, weil einmal die
angewendete Temperaturerhöhung eine nicht erhebliche war und weil
dieselben nicht, wie notwendig, bald nach der Verpuppung, sondern
beliebig später angestellt worden sind. Die bisher an überwinternden
Pappen mit einer Wärmeeinwirkung von -\-S0^ G. angestellten Versuche
ergaben gegenüber den mit einer Kälteeinwirkung von bis — 20" C. an-
gestellten dennoch Folgendes:
1) Die Mehrzahl der Wärmefalter hat hellere Grundfarbe als die
meisten Kältefalter; bei mehreren ist dieselbe fast weiß.
2) Die Binden V und VI sind bei den Wärmefaltern meist vollkommen
oder sie sind doch bis auf eine kaum sichtbare Spur vereinigt, bei den
Kältefaltern sind sie mit w-enigen Ausnahmen noch deutlich getrennt.
3) Dasselbe gilt für Binde II III.
4) Binde IV ist bei den Wärmefaltern meist deutlich breiter und
schärfer begrenzt als bei den Kältefaltern.
5) Die blauen Halbmonde am Rande der Hinterflügel sind bei den
Wärmefaltern meist größer und glänzender blau, ebenso das Blau des
Afterauges.
6) Besonders auffallend ist, daß bei den Kältefaltern der vordere
ij »Artbildung« I. S. 83. 2) ygi. »Artbildung« I Taf. 1.
3 Zeller, Isis 1847. S. 213.
398 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
Teil des Gelb der Prachtbinde meist kräftig auch auf der Oberseite er-
scheint, bei der Mehrzahl der Wärmeformen aber fehlt, bei anderen
wenigstens von hinten nach vorn verkürzt ist.
T) Der Außenrand der Vorderflügel ist bei der Mehrzahl der Wärme-
falter etwas concav, bei den Kältefaltern mit wenigen Ausnahmen voll-
kommen gerade. Dadurch erscheinen die Vorderflügel bei ersteren etwas
mehr spitz ausgezogen.
Es liegen mir 21 Wärme- und 15 Kältefalter vor, nach welchen
obige Merkmale zusammengestellt sind.
Somit zeigen schon die Verhältnisse bei Papüio Podalirius die hoch-
wichtige Thatsache, daß die natürlichen horadimorphen Wärme-
formen dieselben Eigenschaften haben, welche die in
wärmerem Klima, südlicher lebenden Abarten und Arten
kennzeichnen, und weiter, daß wir im Stande sind, durch Ein-
wirkung künstlicher Wärme auf die Entwickelung diese
Eigenschaften, durch Kälte aber entgegengesetzte hervor-
zurufen.
Diese durch Einwirkung größerer Wärme entstandenen Verschieden-
heiten beziehen sich nicht nur auf Farbe und Zeichnung, sondern auch
auf Flügelgestalt und Größe der Falter.
Papilio Machaon.
Hora-Dimorphismus. Die Sommerform dieses Falters zeichnet sich
nach mir vorliegenden, von Herrn Standfuss in Zürich gefangenen
Stücken und nach dessen eigener Beschreibung gegenüber der Winter-
form durch folgende Eigenschaften aus i) :
\) im Mittel durch bedeutendere Größe,
2) längeren Schwanz,
3) Vergrößerung der gelben, zwischen der äußeren und inneren
Randbinde gelegenen Flecke besonders auf den Hinterflügeln. Da-
durch ist
4) die innere Randbinde weiter nach innen gerückt.
5) Stärkere Zackung des Innenrandes der inneren Randbinde auf
den Hinterflügeln und Vorgreifen dieser Zacken gegen die schwarze C-
Zeichnung der Mittelzelle.
6) Starke Zackung des Außenrandes der Hinterflügel, so stark, wie
sie nur bei einem einzigen Stück der Winterform vorhanden ist.
7) Die Vorderflügel sind schon vom Grunde an geschweift, nicht erst
vor der Spitze, wie bei der Winterform.
Diese Eigenschaften finden sich nun in erhöhtem Grade
1) vgl. »Artbildung« II. S. 36 und M. Standfuss, Insektenbörse Nr. 22. 1894, derselbe
Handbuch für Sammler ISO-I.
Papilio Ajax und Philolaus. 399
nicht nur bei den im Süden, im warmen Klima lebenden
Formen, Arten und Abarten des Schwalbenschwanzes, son-
dern auch bei den in großer künstlicher Wärme bei uns ent-
wickelten Faltern, während umgekehrt die Eigenschaften
der Winterform zumeist bei nördlich lebenden Faltern vor-
kommen und verstärkt erscheinen bei den in künstlicher
Kälte entwickelten 1).
Papilio Ajax und Philolaus.
Hora-Dimorphismus. Papilio Ajax kommt in drei Formen vor:
P. Ajax Walshii^), A. Telamonides und A. Marcellus^). Die beiden
ersteren sind Winterformen : sie machen die Entwickelung im Winter
durch und schlüpfen im Frühjahr aus; Marcellus ist Sommerform. Letz-
tere ist nach ihren Eigenschaften die vorgeschrittenste, die neue Form.
Telamonides steht zwischen Ajax und Marcellus. Die Unterschiede zwi-
schen allen dreien habe ich in meiner »Artbildung« I. S. i98 ff. aus-
führlich zusammengestellt. Hier will ich die wichtigsten derjenigen
hervorheben, welche Marcellus gegenüber Walshii kennzeichnen.
1 ) Marcellus ist erheblich größer als Walshii.
2) Die Vorderflügel sind bei ihm länger ausgezogen, mehr spitz,
ihr Vorderrand mehr gebogen, ihr Außenrand mehr concav ausgeschnitten
als bei Walshii^ die Hinterflügel nach hinten länger ausgezogen.
3) Die Formveränderung der Flügel, der vorderen wie der hinteren,
beruht auf Verlängerung der Mittelzelle. Indem der Hinterrand der
Mittelzelle der Vorderflügel länger geworden ist, sind auch die Seiteu-
randzellen breiter geworden und damit in Zusammenhang ist der Außen-
rand der Vorderflügel verlängert. Dasselbe Wachstumsverhältnis gilt
für die Hinterflügel als Ursache ihrer Gestaltveränderung.
4) Die Schwänze sind viel breiter und länger.
5) Die Grundfarbe ist nicht gelb wie bei Walshii, sondern mehr
blaugrün (bei Walshii kann sie auch grünlich sein).
6) Die Zeichnung der Oberseite ist schwärzer, die Binden sind breiter
als bei Walshii.
7) Oben ist nur noch ein roter Afteraugenfleck vorhanden, nicht
zwei wie bei Walshii und Telamonides — selten noch ein verkleinerter
zweiter nach außen von demselben. Weiß vor dem Afteraugenfleck
fehlt. Ebenso fehlt das Blau hinter demselben in den meisten Fällen
ganz: es ist auch hierin gegenüber von Walshii und Telamonides Ver-
einfachung aufgetreten. Der Afteraugenfleck ist von tiefem Schwarz
1) Das Nähere vergleiche man bei M. Standfüss, Handbuch der paläarkt. Groß-
schmetterlinge, Jena 1896 und in meiner »Artbildung« II. S. 36 ff.
2) Abb.: »Artbildung« I. Taf. III. Fig. -12.
3) Abb.: »Artbilduns« I. Taf. IV. Fig. 3.
400 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
eingeschlossen, welches den ganzen hinteren Flügelwinkel einnimmt, und
sogar zuweilen auch die^ in diesem gelegenen hintersten blauen Rand-
flecke verdrängt hat, nach vorne aber die gelbe Bestäubung, welche bei
Walshii und Telamonides noch vorhanden ist. Auch auf der Unterseite
hat Schwarz in diesem Gebiete und auf den meisten Binden der Hinter-
flügel (nicht so der Vorderflügel) gegenüber von Walshii zugenommen.
'Dadurch sind auch größere Einschnürungen des hinteren Teils der
Prachtbinde und der Prachtquerbinde entstanden.)
8) Der Hinterleib von Marcellus ist nicht schwarz, wie der von
Walshii^ sondern weißgelb mit schwarzem Bauch- und ebensolchem
Seitenstreif: Brust und Stirn sind nicht langhaarig, sondern kurzhaarig.
Die erheblich breiteren schwarzen Binden der Oberseite, das tiefere
Schwarz derselben i), die sattere bläulich-grüne Grundfarbe geben dem
Falter in Zusammenhang mit seiner bedeutenderen Größe und seinen
breiten, langen Schwänzen den Ausdruck des Kräftigeren, Üppigeren
gegenüber von Walshii.
Die Binden nähern sich in Folge der Verbreiterung und lassen
schmalere Zwischenräume zwischen sich. Besonders gilt dies für Binde
VllI IX im Bereich der Mittelzelle, wo diese Binden bei Marcellus im
Gegensatz zu Walshii zuweilen fast vereinigt sind.
Dagegen äußert sich bei Marcellus eine besondere Entwickelungs-
richtung darin, daß Binde VII der Miltelzelle sich meist in der Richtung
von hinten nach vorn verkürzt und auch verschmälert, daß sie also
Zeichen der Rückbildung aufweist, was bei Walshii auch, aber nur in
vereinzelten Fällen vorkommt.
Die letztere Eigenschaft ist weiter vorgeschritten bei P. Rhesus^)
von Celebes, indem hier Binde VII höchstens als kleiner Rest vorhanden
ist. Überhaupt erscheinen wesentliche Eigenschaften der Oberseite des
Rhesus als ein weiterer Fortschritt auf der von Marcellus eingeschlagenen
Entwickelungsrichtung: die Binden sind bei ihm noch breiter und dem-
entsprechend ist Band C, von welchem bei Marcellus noch ein Rest übrig
ist, geschwunden. Ein roter Afteraugenfleck und Blau in den Randbinden
ist bei Rhesus nicht mehr vorhanden.
Ganz ähnlich ist die Entwickelung, welche der in Nord- und Mittel-
amerika, also südlich von den Ajax lebende P. Philolaus genommen hat 3).
Nur ist hier Binde VII gegenüber vom ersteren nicht zurückgebildet,
sondern sogar breiter geworden. Auch sind noch zwei rote Afteraugen-
flecke vorhanden.
Es sind also auch bei in wärmerem Klima lebenden dem
Ajax verwandten Arten ganz dieselben wesentlichen Eigen-
schaften auf Grund bestimmter Entwickelungsrichtung auf-
1, Es giebt allerdings Walshii mit derselben Schwarzfärbiing.
-] vgl. meine »Artbildung« I. Taf. IV. Fig. 6.
3) Vgl. meine »Artbildung« I. Taf. IV. Fig. 1 und 7.
Papilio Ajax und Philolaus. 401
getreten, welche die Sommerform Ajax Marcellus gegenüber
der Winterform Ajax Walshii erlangt hat.
Ajax Telamonides steht zwischen A. Walshii und A. Marcellus', der-
selbe entsteht wie Walshii aus überwinterten Puppen, Marcellus aus
Sommerpuppen, doch können aus den letzteren auch einzelne Walshii und
Telamonides hervorgehen *). Telamonides tritt einige Wochen nach Walshii
im Frühjahr auf. Marcellus entsteht aus Telamonides oder aus Walshii.
Die letzte Brut von Marcellus (er hat deren mehrere) erzeugt Walshii
und Telamonides im nächsten Frühjahr.
Auf Grund von entsprechender Umbildung bei anderen Arten schloß
ich, daß W^ärme und Feuchtigkeit eine kräftigere dunklere Zeichnung, das
Entstehen einer grünen Grundfarbe aus der gelben und Zunahme der
Größe veranlassen können. Ich hob hervor, daß bei der ganzen Um-
bildung offenbar die Wechselbezüglichkeit (Korrelation) eine große Rolle
spielt: »auf Grund der gegebenen Zusammensetzung des Körpers wirken
äußere Einflüsse gleichzeitig auf verschiedene Eigenschaften, so daß
mehrere derselben mit einem Male umgebildet werden können« : Be-
haarung, Flügelform, Länge der Schwänze werden zugleich mit der
Körpergröße, dann der Zeichnung und der Grundfarbe umgebildet 2).
Papilio Philolaus^) ist also ein Falter, der offenbar entstanden
ist durch weitere Ausbildung gewisser Eigenschaften, welche in der Ent-
wickelungsrichtung Ajax Walshii-MarceUus liegen, und damit stimmt über-
ein, daß Philolaus in wärmeren Gebieten von Amerika lebt als Ajax^).
Der gewöhnliche Philolaus hat grünliche Grundfarbe, der von mir
so benannte Philolaus Ajax gelbe. Durch weiteres Verdrängen der
Grundfarbe mehr nach Schwarz fortgeschritten ist Philolaus nigres-
cens. Derselbe erreicht offenbar in einem ganz schwarzen, nur noch
mit den roten Afteraugenflecken versehenen Philolaus niger, welcher
als Abartung unter den nigrescens in Honduras vorkommt, die höchste
Ausbildung.
Der Vorderrand der Vorderflügel ist bei den Philolaus noch stärker
geschwungen, als bei Ajax Marcellus und die Vorderflügel sind im Ver-
hältnis nach vorn noch mehr in die Länge gezogen, spitzer als bei
diesem, beides mehr bei den grünlichen Philolaus Philolaus als bei dem
gelben Ph. Ajax; ebenso sind bei jenen nach den mir vorliegenden
Stücken die Hinterflügel schmäler und spitzer — also wiederum Ähn-
lichkeit mit Ajax Marcellus.
Die Beziehungen zwischen Philolaus und Ajax sind solche,
daß man letzteren »als den höchstentwickelten Ajax, als die
südlichste Form desselben bezeichnen muß; während Ajaw bis
Mexiko vorkommt, lebt Philolaus von Mexiko an bis Centralamerika«.
»Und zwar ergiebt die Vergleichung, daß Ajax Walshii- Tela-
1) vgl. W. Edwards, The Butterflies of North-America I.
2) »Artbildung« I. S. 206. 3^ Vgl. »Artbildung« Taf. IV. Fig. !■ und 7.
*) Ebenda I. S. 212 ff.
Eimer, Orthogenesis. 26
402 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
monides-Marcellus eine Reihe bilden, deren Fortsetzung
Philolaus Ajax, Ph. Philolaus , Ph. nigresceiis und niger sind;
die ganze Entwickelung neigt zur Schwarzfärbung durch Ver-
breiterung der Binden und Schwinden der Zwischenräume zwi-
schen denselben, bezw. der Grundfarbe und durch Vorrücken
des Schwarz vom hinteren Winkel der Hinterflügel nach
vorn. «
Die Thatsache, daß Philolaus einzelne Eigenschaften erhalten hat,
welche bei Marcellus schon überwunden sind (z. B. den äußeren roten
Afteraugenfleck), erklärte ich als durch Rückschlag oder aber dadurch
verständlich, »daß Philolaus von einer A. Walshii nahestehenden, aber
etwas ursprünglicheren Form abstammt, so daß wir in den verschiedenen
Formen von Philolaus eine von Walshii-Telamonides- Marcellus unabhängige,
aber gleichgerichtete Entwickelung vor uns hätten«.
Dadurch würde sich auch das Verhalten der Binde VII bei Philo-
laus erklären.
Homoeogenesis und Heterepistase kommen also , neben Genepistase,
in Beziehung auf die verschiedenen Eigenschaften hier in Betracht.
Eine ähnliche Umbildung nach Schwarz, nur wieder in etwas anderer
Art im Einzelnen zeigt Papilio Colonna aus Ostafrika i).
Vanessa.
Versuche mit Einwirkung von Wärme und Kälte. Die wichtigsten
Versuche mit künstlicher Temperatureinwirkung sind in gewisser Be-
ziehung bei den Vanessen gemacht. Es ergiebt sich auch hier, daß die
Wirkung von Wärme und Kälte die in bestimmten Ent-
wickelungsrichtungen liegenden Eigenschaften hervorruft,
welche für die Artbildung in der freien Natur maßgebend
sind oder daß diese Eigenschaften, bezw. die erzeugten
Umbildungen doch überall auf Veränderungen der von mir
aufgestellten Grundbindenzeichnung zurückzuführen sind.
Vanessa urticae
bekommt durch Einwirkung von Wärme, wie Standfuss hervorhebt 2],
Ähnlichkeit mit südlichen Abarten, indem z. B. die zwei schwarzen
(der Binde III zugehörigen) Flecke in der Mitte der Vorderflügel zurück-
treten, wie bei V. urticae turcica aus Armenien, oder schwinden, wie bei
V. u. ichnusa aus Korsika und Sardinien. Ebenso wird der schwarze,
dem Binnenfeld (bezw. der Binde VIII) ursprünglich angehörige Fleck
am Hinterrand der Vorderflügel kleiner, gleicherweise verkleinert sich
1) vgl. »Artbildung« Taf. IV. Fig. 8.
2) Standfuss, Paläarktische Großschmetterlinge 1896. S. 242.
Vanessa urticae. 403
das Binnenfeld auf den Hinterflügeln in der Richtung von hinten nach
vorn und bleibt nur noch ein vorderer Rest desselben wie bei ichnusa
und turcica^). Die blauen Randflecke treten mehr zurück und die Unter-
seite verdüstert sich etwas wie bei diesen südlichen Formen.
Alle genannten Eigenschaften bilden aber zugleich eine
Annäherung an Vanessa Jo.
Die Einwirkung der Kälte führt zunächst zu Eigenschaften der
kalifornischen V. urticae Milherti und der lappländischen V. u.
polaris hin^), ja es entstehen zuweilen Formen, welche der letzteren
vollkommen gleich sind oder noch über sie hinausgehen, nämlich wenn
man Puppen der zweiten Generation in der Kälte sich entwickeln lässt. Bei
weiterer Kälteeinwirkung verbreitert sich das Schwarz des Binnenfeldes auf
den Hinterflügeln immer mehr nach außen, so daß es bei der V. u. ichnusoi-
des benannten Abart die Randbinde fast erreicht. Die Bindenreste III
bis V/VI auf den Vorderflügeln verschmelzen seitlich. Das Blau der
Randbinde samt dieser verbreitert sich und zeigt weniger scharfe
Grenzen. Das letztere gilt auch für den dem Band B entsprechenden
weißen Fleck in der Vorderflügelecke, welcher sich verbreitert und nach
hinten verlängert, aber meist unbestimmt wird.
Merkwürdigerweise verschwinden die zwei schwarzen zu Binde III
gehörigen Flecke der Vorderflügel, abgesehen von polaris und den ihr
ähnlichen Faltern, wo sie ausgeprägt vorhanden sind, jetzt ganz oder bis
auf Spuren, ebenso wie bei den Wärmeformen und wie hier wird auch
die Unterseite dunkler.
G. FicKERT hat vor kurzem durch große Kälte eine Form, nigrita,
erzielt, welche in der Schwarzfärbung weit über iclmusoides hinausgeht,
indem diese Färbung sich über die ganze Fläche der Hinterflügel erstreckt,
höchstens noch Spuren einer gelblichen, nicht blauen Randfleckenreihe
übrig lassend. Ebenso ist der Vorderrand der Vorderflügel zuweilen noch
schwärzer als bei iclmusoides, indem die Binden 111/ IV und V/VI nicht nur
stets unter sich, sondern auch mit VIII vereinigt sind. Auch unten
sind die Falter verändert, indem sich die Flecke des Vorderrandes der
Vorderflügel ebenso wie oben vereinigen und die Hinterflügel einfarbig
schwarz geworden sind.
Bei den in der kühleren .Jahreszeit sich entwickelnden V. urticae,
also bei der überwinternden Form, nehmen oben die schwarzen Zeich-
nungen zu, unten tritt etwas Aufhellung der mittleren Flügelfläche ein.
Der in der wärmeren Zeit sich entwickelnde Falter zeigt Zunahme der
1) vgl. Standfüss Taf. VI. Fig. 7.
2) G. Dorfmeister hat schon -tSVa Übergänge zu dieser lappländischen Abart
durch Kälte erzeugt. Man vgl. dessen Aufsatz: Über den Einfluß der Temperatur bei
der Erzeugung von Schmetterlings-Varietäten in: Mitteilungen des naturw. Vereins
für Steiermark 1879. Aber bereits in seiner ersten 1863 erschienenen Abhandlung
(vgl. hinten S. 415 sagt er, daß z. B. Vanessa Jo und urticae durch Wärme eine hellere,
lebhaftere, durch erniedrigte Temperatur eine dunklere Grundfarbe erhalten.
26*
404 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
roten Grundfarbe unter Verdrängung der schwarzen Zeichnung von
außen her, unten tritt Einfarbigkeit ein durch Verdüsterung der h'chteren
mittleren Flügelflächen. Stärker erscheinen diese Unterschiede , wenn
man nördliche und südliche Falter untersucht. In Lappland entspricht
der Falter (var. polaris) dem der kühleren .lahreszeit des mittleren Europa.
Der Falter von Tessin, Bergell, Jura zeigt die Eigenschaften der im
mittleren Europa in der wärmeren Jahreszeit entwickelten Form — am
meisten ichnusa.
Urticae hat im Norden zwei, in Mitteleuropa drei Generationen. Die
zweite ist ebenfalls die festere : dieser überwinternde Typus (v. polaris)
wird also der ursprünglichere sein.
Auch die Höhenlage scheint Einfluß auf den Falter zu haben: am
Säntis, sehr häufig beim Wildkirchli, fliegt ausschließlich eine auffallend
kleine Form. Ich traf sie im Spätsommer.
Vanessa Jo.
Während Vanessa urticae durch Wärme sich V. Jo nähert, wird
umgekehrt diese durch Kälte V. urticae ähnlich: bei dieser
Kälteform des Pfauenauges, welche Standfuss als aberratio Fischer i
bezeichnet hat, verwandelt sich das in der Vorderflügelecke ge-
legene prachtvolle Auge in ein Bindenstück entsprechend
Binde III! oder es schwindet ganz i). Zuweilen tritt auch der bei urticae
auf den Vorderflügeln in der vorletzten Seitenrandzelle gelegene, zu VIII
gehörige Fleck und zwar gesondert, nicht an das Schwarz des Binnen-
feldes der Hinterflügel sich anschließend, auf.
Durch Einwirkung größerer Kälte entsteht aus Jo die von E. Fischer 2)
gezogene und beschriebene aberratio Äntigoiie , welche mit der aus
urticae durch Kälte gezogenen nigrita (bezw. ichnusoides) das Gemein-
same hat, daß die Bindenstücke III bis VIII am Vorderrande der Vorder-
flügel mehr oder weniger verschmolzen sind. Ferner bildet sich hier
auch das Auge der Hinterflügel zurück und zwar entstehen daraus
zwei kleine Flecke, welche nach der Abbildung von Fischer auf
die gewöhnlichen, bei den Vanessen besonders auf der Unterseite
vorhandenen, zu Binde III in Beziehung stehenden Augenfleck-
chen hinweisen.
Es handelt sich also in der Veränderung der Augenzierden
von Vanessa Jo durch Kälte um Rückbildung auf einen ur-
sprünglicheren Zustand: das vordere Auge verwandelt sich in
das noch bei urticae vorhandene Grundbindenstück III, das
hintere in die ursprünglichen zu dieser Binde gehörigen
Augenfleckchen!
Im Übrigen wird durch Wärme bei V. Jo die Grundfarbe der Vorder-
1) vgl. Standfuss Taf. VI. Fig. 2 bis 8.
2; E. Fischer, Neue experimentelle Untersuchungen und Betrachtungen über das
Wesen und die Ursachen der Aberrationen in der Faltergruppe Vanessa. Berlin. Fried-
länder. ISge. Abb. Taf. II.
Vanessa Jo. Vanessa c-album. Vanessa polychloros. 405
flügel dunkler braunrot, ein Teil des Blau vor der Flügelspitze schwindet,
die schwarze Grundfarbe wird sichtbar. Auf den Hinterflügeln wird der
lichte Saum des Auges außen durch die Grundfarbe ersetzt. Die Unter-
seite wird dunkler, die Reste der Vanessa-Zeichnuns, gehen fast voll-
ständig verloren.
In einzelnen Jahren erscheint bei V. Jo eine zweite Brat 1893
Wallis, Italien) ohne Unterschiede, wie auch die Veränderungen in künst-
licher Wärme nicht erheblich sind i).
Vanessa c-album
wird durch Wärme heller, besonders unterseits, die Zeichnuns wird
weniger scharf, der Flügelsaum weniger tief gebuchtet. Die bei 37" C.
gezogenen Falter sind heller als die Züricher Sommerform und gleichen
den im Juni und Juli bei Neapel fliegenden.
Auch die zweite Generation (Herbstform) wird durch Wärme zu-
weilen heller. (Bei der Herbstform ist die Farbe dunkler, der Flügelsaum
weniger gebuchtet.)
Einwirkung von Kälte macht die erste Generation dunkler, schärfer
gezeichnet, mehr moosgrün auf der Unterseite, der Flügelsaum wird
schärfer gebuchtet. Der zuweilen stark verdunkelte Außenrand der
Oberseite und die Färbung der Unterseite machen solche Falter
ähnlich Van. faunus Edw. Abb. bei Scudder . Die erste Generation ist
wohl die eingeschaltete, weil weniger feste. Die zweite wird durch
Wärme ähnlich der ersten.
Vanessa polychloros.
Wärme hellt die Oberseite auf, führt im Übrigen zur Ähnlich-
keit mit südeuropäischen, z. B. süditalienischen Faltern. Ge-
staltet sich das Braunrot sehr feurig, so entsteht Annäherung an die
algierische var. erythromelas Allard. Diese Eigenschaft und unterseits
große Eintönigkeit durch Verdunkelung der mittleren Flügelteile tritt
nach Einwirkung noch höherer Temperatur (39"^ C. gegen 37") auf.
Kälte bewirkt dunklere Grundfarbe, zunehmende Zeichnungslosig-
keit, größere blaue Randflecke der Hinterflügel, breiten dunkeln Außen-
rand der Vorderflügel, in den mittleren Teilen des Außenrandes treten
drei verloschene blaue Flecke auf. Unten wird die Farbe der äußeren
Flügelteile im Gegensatz zur Wurzel heller.
Entsprechende Falter fliegen in den rauhen Thälern der
Alpen, auf dem Riesengebirge und dem Schwarzwald.
Länger andauernde Kälteeinwirkung (28 Tage gegen 14) steigert die
erwähnten Eigenschaften und macht die Falter ähnlich xanthomelas Esp.,
auch insofern als der Außenrand der Flügel stark gebuchtet ist.
1) Nach den Untersuchuniien von C. Fickert verbindet sich bei Vanessa Jo in
Folge von Einwirkung großer Kälte zuerst das Bindenstück VIII mit V/VI und dann
erst V/VI mit III/IV, im Gegensatz zu urticae, wo die letztere Verbindung vor der
ersteren eintritt.
406 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
V. polychloros ist heimisch in Europa, Nord- und Centrahisien, scheint
in Ostsibirien und .lapan zu fehlen , wo xanthonielas nicht selten ist,
welcher nach Westen hin mit polychloros lebt, weiter westlich (West-
schweiz, Frankreich, Spanien) aber fehlt.
Die algierische erythromclas ist kleiner, oben und unten eintöniger
als die mitteleuropäische polychloros. Eine Zwischenform beider aus Arme-
nien, Südsibirien, Kurdistan, Taurus ist var. fervida Stgr.
V. polychloros ist wohl phylogenetisch jünger als Xanthonielas^ dieser
wird c-album, der letzteren faunus, progne vorangegangen sein.
Urticae und polychloros verhalten sich gegen Kälte umgekehrt: bei 32
bis 42 Tagen Kälteeinwirkung nimmt bei ersterer das Schwarz zu. Auf
Wärme tritt das Schwarz bei urticae zurück, bei polychloros entsteht
Annäherung an eine südliche Lokalrasse der Art. Kälte und Wärme
machen urticae und polychloros auseinanderweichen, nicht sich nähern.
Vanessa Antiopa.
Durchwärme tritt oben das ßandblau vor dem zunehmenden Gelb
zurück, hinten wird ebenso das Gelb des Außenrandes breiter, das Blau
zurückgedrängt.
Der Dorsalrand der Vorderflügel wird meist stärker geschweift, die
Spitzen beider Flügel sind weniger stark ausgezogen.
Auch die Unterseite verdüstert sich.
Sie wird so ähnlich südamerikanischen Formen und darüber
hinaus.
Kälte nähert den Falter durch Aufhellung und Auftreten der Binde
V/VI am Vorderrande der Vorderflügel u. a. polychloros bezw. xantho-
melas.
Das Blau der inneren Randbinde nimmt oft sehr, auch an Glanz, zu
[ah. Roederi Stdf.).
Das durch Kälte entstehende Spitzerwerden der Ecken der
Vorder flu gel weist bei den Vanessen als »Eckflüglern« auf Einwir-
kung niedriger Temperaturen hin.
Vanessa Atalanta.
Wärme macht das Blau am Außenrande der Vorderflügel zurück-
treten. Die rote schrägbandartige Grundfarbe der Vorderflügel verbreitert
sich. Das Schwarz wird bräunlich. Die weißen Flecke im Vorderwinkel
der Vorderflügel neigen zur Rückbildung, der der roten Grundfarbe zu-
nächststehende verschwindet zuweilen — lauter Annäherungen an
Va7iessa callirrhoe F. und deren Lokalformen: var. vulcanica
GoDT. von den Ganaren u. s. w.
Kälte bringt Vergrößerung der vorderen weißen Flecke und Ver-
schmälerung der roten schrägbandartigen Grundfarbe der Vorderflügel
u. a. hervor [ab. Merrifieldi Stdf. Puppen 31 Tage in -1-4 o bis -f-60 C).
Vanessa Antiopa. V. Atalanta. V. cardui. 407
G. Dorfmeister hat schon 1871 und 1872 solche Kälteformen erzogen,
nachdem er eine solche gesehen hatte, welche einer überwinterten Puppe
entstammte, während die Atalanta -Puppen sonst nicht überwintern^).
Diese von Dorfmeister erzielte Kälteform (Einwirkung von +5^2 bis
+71 2 R- auf die Puppe während 10 Tagen; ist unten lehmgelb, viel
heller als die normale. Die SrANDFuss'sche ist dunkler.
V. Atalanta wird nach langer Kälteeinwirkung klein.
Herr Merrifield hat an Vanessa Atalanta Wärme- und Kälteversuche
mit demselben Erfolg wie Standfuss angestellt, außerdem merkwürdige
Ergebnisse mit starker und andauernder Einwirkung von Kälte erzielt:
Wenn die Puppen 46 Tage auf Eis gestellt und dann einer Temperatur von
+ 12"G. ausgesetzt wurden, erschien das rote Schrägband der Vorderflügel
gelb bewölkt. Ähnliches erfolgte bei anderen großer Kälte ausgesetzten
Puppen. Die Unterschiede solcher Kälteformen von der Normalform sind
so groß, daß sie leicht für eine andere Art gehalten werden können 2).
Vanessa eardui
wird durch Wärme lichter, ähnlich den in den Tropen (auch in
Deutsch Ost- und Westafrika) lebenden.
Kälte macht sie dunkler (ab. Wiskotti): die Grundfarbe wird berußt.
In Lappland ist sie viel düsterer.
Die erste Generation ist etwas lichter, die zweite, überwinternde,
etwas dunkler.
Cardui wird durch Kälte, wie Atalanta^ klein.
Wie bei A^ithpa bekommen die Kälteformen scheinbar gestreckteren
Außenrand der Vorderflügel in der Nähe der Flügelspitze, in Folge
davon, daß der hintere Flügelteil im Wachstum zurückbleibt.
Nach M. Standfuss ist Vanessa faunus für c-album , V. Milberti für urticae eine
nördliche Stammform, V. callirrhoe für Atalanta ein südliche; V. cardui hat ebenfalls
südliche Abkunft.
Bei c-album und urticae steht die zweite, bezw. dritte, die überwinternde Gene-
ration der Stammform am nächsten. Bei Atalanta und der Grundform von cardui
aber die erste, die Sommergeneration.
tiberall auch sonst bewirkt künstliche Temperaturerhöhung Vermehrung der
Verschiedenheit vom älteren Typus, Temperaturerniedrigung das Umgekehrte. »Bei
jeder der untersuchten Arten handelt es sich um die Glieder einer zusammenhängen-
den Kette, von denen ein jedes im allgemeinen einer bestimmten, in einer gewissen
reaktionsfähigen Entwicklungsphase eingreifenden Temperatureinwirkung entspricht.«
Das eine Ende dieser Kette, welches Annäherungen an phylogenetisch ältere
Typen zeigt, umfaßt also atavistische Formen. Sie entstehen bei Van. c-album, urticae,
Jo, polychloros. Antiopa durch Erniedrigung, bei Van. Atalanta und cardui aber durch
Erhöhung der Temperatur.
Das entgegengesetzte Ende der Kette enthält Formen , welche sich vom Grund-
typus der Art oder sogar auch vom Typus aller verwandten Arten mehr oder weniger
entfernen, progressiv ihnen gegenüber sind. Bei c-album, urticae, Jo, polychloros, Antiopa
sind dies die Wärmeformen, bei Atalanta und cardui die Kälteformen.
1) G. Dorfmeister: Über Einfluß der Temperatur u. s. w.
2) Vgl. hierzu auch Standfuss S. 304.
408 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
Die phylogenetisch älteren Formen: c-album, urticae, polychloros lassen sich nur
wenig verändern, aus den jüngeren: Antiopa, Atalanta, cardui lassen sich dagegen
ganz neue Formen bilden!
Auf Anwendung starker Kälte entstehen nach den Abbildungen
Fischer's überall Formen, welche wie ichnusoides und nigrita seitliche
Verschmelzung der Vorderrandbinden zeigen und bei welchen ebenso
wie dort auf dem hinteren Teil bezw. in der Mitte der Vorderflü2;el der
Stammart vorhandene schwarze Flecke oder sonstige Bindenreste zurück-
treten. Bei ihnen vergrößert sich das schwarze Binnenfeld der Hinter-
flügel nach außen, endlich wird die dunkle Randbinde schmäler oder
blasser oder schwindet. So bei ab. testudo von polychloros^ Anligone von
Jo, elymi von cardui^ Klymene von Atalanta^ Ilygiaea von Antiopa.
Nur bei testudo wäre nach Fischer's Abbildung das Schwarz der
Hinterflügel gegenüber von polychloros verkleinert, allein die farbige
Abbildung der testudo entsprechenden, selten im Freien vorkommenden
pyrrhomelaena ^) zeigt das Gegenteil , weist Verhältnisse auf, ähnlich
urticae-nigrita. Auch unten ist die Kälteform schwärzer. Auch bei
polychloros gelang es C. Fickert , eine der ab. nigrita entsprechende
Aberration zu ziehen, bei der die Bindenreste III bis VIII mit einander
seitlich verschmolzen sind.
Im Ganzen sind die Kälteformen überhaupt schwärzer. Dabei läßt
sich zuweilen deutlich Kompensation erkennen: andere Verteilung der
schwarzen Farbe. So sind bei Klymene gegenüber von Atalanta die weißen
Randflecke der Vorderflügel vergrößert, während der Schrägfleck ge-
schwunden ist, ähnlich bei elymi gegenüber von cardui. Bei Hygiaea ist
gegenüber von Antiopa die helle Randbinde sehr verbreitert, während
auch hier die blauen Vorderrand-Bandreste geschwunden sind.
Zugleich handelt es sich überall hier um Vereinfachung der
Zeichnung, um Hinneigung zur Einfarbigkeit, was nach allen sonst be-
kannten Thatsachen einen Fortschritt bedeutet.
Diese Dunkelfärbung kann, wie Standfuss und Fischer zeigten, in
einzelnen Fällen auch durch hohe Wärme hervorgerufen werden. In
anderen Fällen , bei anderen Arten , veranlaßt nur Wärme schwarze
Färbung : so bei Vanessa levana-prorsa, Polyommatus phlaeas. Daß die
dunkeln Formen der Aster ias-Grnppe unter den Papilioniden bald in
kälteren, bald in wärmeren Gebieten leben, wurde schon hervorgehoben.
Die Kälteform Pieris napi-bryoniae ist dunkler. Bei Arctia caja.hdii C. Fickert
durch große Kälte eine mit Ausnahme eines oder einiger fleckenartiger
heller Reste der Grundfarbe fast vollkommen schwarze Abartung erzielt,
welche er futura nennt. Bei Vanessa Antiopa erzielte Standfuss durch
Wärme eine dunklere Form: Daubii. Andere Stücke erinnern an die
mexikanische Antiopa.
Sehr bemerkenswert ist nun, daß geringe Kälte ganz anders
wirkt als große.
1) Hübner, Sammlung europ. Schmetterlinge I. Tat. 171. Fig. 846: pyrrhomelaena.
Ergebnisse von M. Standfuß. 409
Durch geringe Kälte entstehen bei Antiopa Merkmale von xaniho-
melas und polychloros.
V. Jo wird durch dieselbe Einwirkung ähnlich urticae, diese aber
wird gleich der nordischen polaris.
F. Atalanta bildet bei mäßiger Kälte eine Form, welche viel heller
ist, als die Stammform, indem sie auf den Vorderflügeln mehr Weiß hat,
auf den Hinterflügeln blauen Schimmer statt Schwarz und deren Zeich-
nung sich der tieferstehenden von cardui nähert^).
In allen diesen Fällen handelt es sich um ein Stehenbleiben auf
niedrigen der von mir aufgestellten Zeichnungsstufen, um Beharrung,
Epistase, im freien Leben in Beziehung auf die Artbildung, Genepi-
stase, um Rückschlag und zwar um phyletischen oder Stammesrück-
schlag nach meiner Begriffsbestimmung. E. Fiscber spricht von Hemmung.
Mäßige Wärme erzeugt dagegen in ausgesprochenen Fällen einen
Fortschritt zu höherer Zeichnungsstufe, auch zu lichterer Färbung: V.
cardui wird lichter, ähnlich der in Ostafrika lebenden (schon durch mäßige
Kälte aber schwarz angeraucht, vgl. aberr. WiskoUi^]).
V. Atalanta erzeugt in der Wärme eine an V. callirrho& und deren
Ortsabarten wie V. vulcanica ^Ganaren u. s. w.) sich anschließende Form.
Vanessa levana-prorsa wird später besonders behandelt, ebenso noch
einige andere Falter, an welchen ausgiebigere Versuche gemacht worden
sind. Hier gebe ich zunächst noch einige Erfahrungen bezüglich ver-
schiedener Arten nach Standfuss und dessen daraus gezogene Schlüsse
wieder.
Argynnis Aglaja bekommt durch Wärme oben leuchtendes Braunrot, unten
dunkleres Graugrün.
Kälte bewirkt dunklere Grundfarbe und Zeichnung. Die letztere vergrößert
sich auf den Vorderflügeln.
Dasychira abietis wird durch Kälte dunkler; das Q etwas anders, als das <5.
Lasiocampa quercifolia und popuUfolia werden in Wärme durch Zunahme der
dunklen Zeichnung düsterer, Dasych. abiet. aber heller, Arctia fasciata dagegen läuft im
(5 und im Q Geschlecht diesbezüglich nach verschiedenen Richtungen auseinander.
Lasiocampa pruni wird durch Wärme gelbrot.
Bei Polyommatus phlaeas geht die Schwärzung des Goldrot der Oberseite schon
auf die erste Generation des Jahres, also auf die, deren Raupe überwintert, doch wohl
durch Vererbung über. Stücke von Korsika, Palermo, Algier im Februar und März
gefangen, sind geschwärzt, also zu Zeiten, wo diese Schwärzung schwerlich durch
direkte Einwirkung hoher Temperatur entstehen kann. Ebenso scheint es in Japan
zu liegen.
Rhodocera rhamni wird durch Wärmeeinwirkung in Gestalt der Flügel ähnlich
der kleinasiatischen var. farinosa: die Costalecke der Vorder- und die Dorsalecke der
Hinterflügel sind länger und stärker ausgezogen. — Die Unterseite, besonders der
Hinterflügel, wird dunkler. Die Q bekommen oberseits anstatt der gewöhnlichen
») Abb. vgl. SxANDFrss Taf. VII. Fig. 8.
2) Standfuss Taf. VII. Fig. 6.
410 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
weißlichen Beschuppung, besonders an der Flügelwurzcl, aber auch sonst auf den
Flügeln, namentlich längs den stärkeren Rippen gelbe, derjenigen des (5 ähnliche
Färbung. Nur einmal ist die Flügelform bei einem Q verändert, wie oben geschil-
dert. Bei diesem Q ist auch die Unterseite stark gelblich.
Nach Tetens findet zugleich eine Verschiebung der Form der Schuppen statt i).
Herr Standfuss hebt weiter Folgendes hervor: die dunkle Zeichnung nimmt er-
heblich zu im Süden bei Thais polyxena cassandra (der dalmatinischen, ital., französ.
Varietät der Stammform), Polyommatus phlaeas eleus F. (Spanien, Südfrankreich, Italien),
Melanargia galathea procida Hbst. und lurcica B.
»Die nördlichere Arc.Üa aulica L. mit gelben Hinterflügeln entspricht der südliclieren
macularia Lang mit roten Hinterflügeln. Arctia fasciata Esp. gestaltet sich in Algier
zur var. Oberthüri Stgr. mit wesentlich roteren Hinterflügeln um«, ebenso bei der
Zucht in erhöhter Temperatur.
Nemeophila plantaginis L. erhält in der zweiten Generation an wärmer gelegenen
Flugorten (Wiesbaden, Straßburg) öfter auch im männlichen Geschlechte gerötete
Hinterflügel, die bei der Zucht in erhöhter Temperatur noch häufiger auf-
treten. Dieser Falter dürfte sich jedoch in absteigender Farbenfolge bewegen,
da die <^ desselben überwiegend gelbe oder weiße Hinterflügel haben. Nur in dem
südlichsten Vorkommen, in Armenien, als var. caucasica Men. zeigt das (5 noch rote
Hinterflügel wie das Q .
Oft sind südliche Formen heller als ihre nördlichen Stammformen, so Podalirius
Lottert AusT. im nördlichen Afrika, Pieris dapUdice var. raphani Esp. in Afrika und
in Syrien. Desgleichen viele der südlichen Rassen unserer Nymphaliden und Saty-
riden. Besonders auffallend sind gewisse Lokalformen von Korsika und Sardinien :
Vanessa urticae ichnusa Bon., Pararge megaera tigelius Bon. Van. milberti God. in Nord-
amerika ist dagegen als nördliche Form der Stammart urticae dunkler als diese:
von der Flügelwurzel ab bis nach dem zweiten Flügeldrittel geschwärzt.
So ist es auch mit anderen Faltern von Korsika und Sardinien: Lycaena icarus
fulminans Stgr., Salyrus semele aristaeus Bon., Epinephele mirag Ghil. verglichen mit
den entsprechenden Formen des Festlandes.
Aber es giebt ganz verwandte Formen, welche sich gegenüber der Einwirkung
von Wärme und Kälte in Beziehung auf die Färbung gerade umgekehrt verhalten:
Melitaea didyma 0. wird an der unteren Wolga (Sarepta wesentlich heller: var. neera
F. d. W., indem die Zeichnung heller ist als bei der mitteleuropäischen, dagegen wird
die so nahe verwandte Melitaea trivia Schiff, als var. fascelis Esp. in Sarepta dunkler,
als in Mitteldeutschland durch dieselbe Veränderung. Ebenso werden die nordischen
Formen der mitteleuropäischen ^r^(/«nj5-Arten, z. B. var. fingal Hbst. von euphrosyne
L., var. heia Stgr. von selene Schiff, in Lappland dunkler, var. horealis Stgr. von thore
Hb. ebenda aber wesentlich heller. Auch Polyommatus virgaureae oranula Frr. wird
im Norden heller.
Schon nach diesen Thatsachen kann es sich also in der Einwirkung von Wärme
und Kälte auf Dunkel- und Hellfärbung nur um eine »Verschiebung in der Ent-
wickelungsrichtung« der Falter handeln.
Wenn die Zeichnung nicht schwarz wird, sondern heller bleibt, so haben wir
es mit einem Stillstand in der Ent Wickelung, bezw. mit einer Hemmung
derselben zu thun (Beharrung, Epistase), und eben diese Hemmung kann also durch
wärmeres und durch kälteres Klima erzielt werden.
Die südlichen Abarten, sagt Standfuss weiter, sind meist heller und zugleich
größer, die nördlichen kleiner und mit dunklerer Zeichnung.
Die Brüten der wärmeren Jahreszeit sind größer und meist heller, die der kälteren
kleiner und dunkler.
Die zweite Generation kann außer in Färbung (und Zeichnung) gegenüber der
ersten auch in Gestalt und Größe verschieden sein: die zweite Generation von P.
1) Berl. Ent. Zeit. 1885. Taf. VH. S. 161 — 167.
Ergebnisse von M. Standfuß. 411
podalirius: Zanclaeus Z. hat z. B. längere Schwänze. Die zweite Gen. von Polyommatus
thersamon: P. omphaie Klug hat Schwänze, während die erste keine hat u. a.
Entweder sind beide Generationen gleich groß oder es ist die erste kleiner oder
größer. Dies hängt von den Verhältnissen ab, welche überhaupt die verschiedene
Größe bedingen: besonders von der Dauer des Raupenzustandes, von der Temperatur
und wohl auch von der Art der Nahrung.
Die Färbungsunterschiede sind bald oben, bald unten mehr ausgeprägt.
Die Eigenschaften der dritten Generation z. B. von Pieris napi und dapUdice be-
zeichnen nur einen weiteren Schritt in derselben Entwickelungsrichtung, welche die
zweite Generation gegenüber der ersten kennzeichnet. Durch die Zucht wurden die
gleichen Thatsachen für die dritte Brut der Lasioc. populifolia, d. i. var. autumnalis
Jaen. festgestellt!).
Auch bei diesen Verschiebungen verändern sich die (5 mehr als die 5-
Manche heute lebende Formen sind den äußeren Bedingungen viel
weniger angepaßt als solche, welche früher ohne Zweifel gelebt haben,
und als solche, welche wir künstlich herstellen können. Solche Formen
sind eben augenblicklich in der freien Natur auf Grund der herrschen-
den Temperaturverhältnisse nicht möglich und die Naturzüchtung kann daran
nichts ändern. Die Auslese ist nicht das einzige Vehikel der Umbildung, wie Weis-
mann dies meint.
Die Versuche wurden nur mit Puppen gemacht, deren Raupen in der freien
Natur herangewachsen sind. Dieselben zeigen, daß die Beeinflussung der Puppen ganz
unabhängig ist vom Zustand der Raupe, daß also eine große Selbständigkeit der ver-
schiedenen Entwickelungszustände des Insekts besteht. So besitzen auch häufig genug
sehr ähnliche Falterarten sehr verschiedene Raupen und umgekehrt. Um so mehr
darf geschlossen werden, daß es auch in der freien Natur Temperatureinwirkungen
auf die Puppen gewesen sind, welche die entsprechenden Veränderungen hervor-
gerufen haben.
Die Zeichnungsverschiebungen sind nicht die wichtigsten bei der Artbildung maß-
gebenden Veränderungen des Körpers, aber sie sind die augenfälligsten und lassen auf
die übrigen schließen.
Je größer die Zahl der Generationen ist , welche schon ein gewisses Kleid ge-
tragen haben, desto mehr ist dieses Kleid gegenüber äußeren (Temperatur-, und
inneren (Hybridations- Einflüssen geschützt und befestigt.
Da nicht nur die Temperatur die Umbildung der Arten erzielt hat,
so werden auch die Experimente mit Wärme und Kälte nicht wieder
ganz die ursprünglichen Formen herstellen können.
Wir erhalten durch weit getriebene Kälte- oder Wärmeeinwirkung
sprungweise dieselben Umbildungen, welche langjährige, fortgesetzte
kleine Veränderungen allmählich erzielt haben-).
Wefl aber eben langjährige, immer wiederholte Einwirkung große Umbildungen
hervorgerufen haben wird, müssen wir, um dieselbe Wirkung zu erzielen, bei ein-
maliger Einwirkung erhöhter Temperatur viel höher greifen, als die Natur dies ge-
than hatte. Ein Beispiel bietet Papilio Machaon: die Sommergeneration von Zürich
entsteht bei einer Durchschnittstemperatur von etwa 18.40 C. Um die Umbildungen
zu erreichen, welche die im Juli bei Jerusalem in einer Durchschnittstemperatur von
24,50 C. entwickelten Falter zeigen, muß eine Einwirkung von 37 — 38" auf die Puppen
stattfinden, 24,50 erreichen nichts — um dasselbe Ergebnis zu erreichen, müßte diese
Temperatur in einer sehr großen Zahl von Generationen immer und immer wieder-
holt werden.
Es geht hier nicht an, mit Weismann lediglich die natürliche Zucht-
1) Jaenichen, Insektenbörse Leipz. 1894.
-] Diese zwei letzten Sätze besagen also, gleich anderen, ganz dasselbe, was
ich schon in meiner »Artbildung« ausgesprochen habe.
412 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
wähl auf der IJasis der, insofern sie nicht eben aus äußeren Faktoren
entspringend gedacht wird, unverständlichen individuellen Variabili-
tät als einziges Princip der Veränderung der Formen anzunehmen.
Bei den untersuchten Vanessen könne man in der Ausbildung der Oberseite nur
in einem Falle vielleicht eine erhebliche Wirkung der Zuchtwahl voraussetzen, näm-
lich bei Van. Jo verglichen mit urlicae, wenn die Augen als Schreckorgane (!) aufge-
faßt werden.
F. Antiopa ist an der Oberseite weniger gut geschützt als die des älteren
Polychloros-Xanthomelas-TY]ins , aus welchem Antiopa wahrscheinlich abzuleiten ist.
Auch unten haben die Vorfahren von Antiopa und Jo bessere Schutzfarben.
Auf Seite 293 seines Buches meint Standfuss, es müsse als notwen-
dige Folgerung aus meiner Arbeit über Artbildung und Verwandtschaft
bei den Schmetterlingen geschlossen werden, daß die Ähnlichkeit der
Zeichnung immer den Grad der Verwandtschaft zweier Arten ausdrücke.
Dies sei nicht der Fall, wie denn z. B. V. Antiopa und polychloj^os, ebenso
Jo und polychloros, näher verwandt seien, als polychloros und urticae.
Allein jene Schlußfolgerung ist aus meinen Arbeiten nicht zu ziehen,
wie ja schon die von mir im ersten Teil meiner Schmelterlingsarbeit
behandelten und abgebildeten Jahreszeitenabarten von Papilio Ajax zeigen.
Noch mehr zeigen dies unter den im zweiten Teil behandelten und ab-
gebildeten Faltern z. B. P. Turnus Glaucus Q und Bairdli Q, zusammen-
gehalten mit ihren nächsten Verwandten und den ihnen so sehr ähnlichen,
nicht unmittelbar mit ihnen verwandten Gliedern der Aster ias-Gruppe:
sprungweise Entwickelung (Halmatogenesis) und verschieden-
stufige EntWickelung (Heterepistase) , andererseits unab-
hängige Entwickelungsgleichheit (Homoeogenesis) können be-
dingen, daß sehr nahe verwandte Formen unähnlich werden und um-
gekehrt.
In der neuen Welt, sagt Stakdfuss weiter, bestand in Nordamerika eine längere
Eiszeit als bei uns, wegen der andauernden Gleichartigkeit der äußeren Bedingungen
konnten viele Typen eine ursprünglichere Form bewahren, wie viele Beispiele aus der
Pflanzen- und Tierwelt zeigen.
So ist auch Vanessa faunus die ursprünglichere Form gegenüber V. c-album.
Die ostsibirische V. progne^j ist wohl entsprechend dem älteren Typus der
paläarktischen V. egea Cr. (Zwischenform ist wohl F. interposita Stgr. von Tura).
Dieser Faunus-progne-TYpus hat sich in Amerika zu einer ganzen Anzahl von
Arten entwickelt 2).
Die Eiszeit zersplitterte die präglaciale Flora und Fauna der großen nördlichen
Continente in eine Anzahl sozusagen insularer Gebiete eben so wie die Trennung
zwischen Nordamerika und Europa im Norden — Ost-Asien — Westnordamerika).
Diese Scheidung mußte die Entstehung zahlreicher neuer Formen begünstigen.
Weiter verwendet Standfuss für die verwandtschaftliche Ableitung der Vanessen
wie ich für die Segelfalter und die Schwalbenschwänze die geographischen Beziehun-
gen im Einzelnen.
Aufs. 303 spricht er den meinen Untersuchungen zu Grunde liegenden Satz aus,
daß die Aberrationen nicht etwas Zufälliges, sondern daß sie durchaus
gesetzmäßige Bildungen darstellen.
1) Vgl. ScuDDER, the butterflies of the Eastern United States and Canad«. Cam-
bridge Mass. -1889 Taf. III. 2) ygi. Scudder.
Ergebnissse von M. Standfuß. 413
Ferner meinen weiteren Satz, daß die Aberrationen »oft genug« eine
sprungweise Verschiebung erfahren, welche gleichzeitig mehrere Eigen-
schaften ergreifen kann meine kaleidoskopische Umbildung) oder auch
ganz neue auftreten läßt.
Auf Seite 310 spricht er aus. daß kleine, in gleicher Entwickelungsrich-
tung liegende Verschiebungen durch fortdauernd überwiegende Er-
haltung der am stärksten in dieser Entwickel ung srich tu ng veränder-
ten Individuen von Brut zu Brut addiert und so schnell gesteigert
werden.
Als das Glied einer solchen Kette, wie sie sich in Norddeutschland an vielen
Punkten findet 'Breslau, Berlin, Hannover), werden wir uns für Psiiura monacha das
bei der zweiten Zucht in Frage kommende nicht ganz vollkommen geschwärzte (5
zu denken haben.
Dieser Falter gestaltet sich gegenwärtig von Norden nach Süden mehr und mehr
zu einer geschwärzten Form um. Die Umbildung wird dadurch beschleunigt, daß die
geschwärzte Form geschützter ist (?).
Dabei kann auch unabhängig auftretender Melanismus mitwirken.
Ebenso werde die Entstehung der geschwärzten ab. Amphidasis doubledayaria
durch den Nutzen begünstigt — vor kaum 30 Jahren war dieselbe nur von Groß-
britannien bekannt, jetzt ist sie bis nach Schlesien vorgerückt.
»Sprungweise unter der Grundform auftretende Aberration erhält
sich in gewissen Fällen bei der Fortpflanzung in der sich ergebenden
Brut in diesem sprungweise aufgetretenen Abstände von der Grund-
form, es entstehen keine Übergänge zu letzterer.«
Dabei kommt zuerst sprungweise Umbildung der (5 in Betracht (z.B.
Ocneria dispar L.), dann sprungweises Nachrücken der Q .
Häufig scheint sich auch das Q gleichzeitig oder fast gleichzeitig mit dem ^
verändert zu haben. Zuweilen verschieben sich die Q in mehreren scharf von ein-
ander abgesetzten Sprüngen.
Zum Beweis, daß sich durch Temperaturänderung in der freien Natur ähnliche
Verschiebungen der Eigenschaften, zuletzt Artbildungen ergeben, wie durch die Ex-
perimente, zeigt in dem milden Jahi'elSQS abgesehen von dem zahlreichen Auftreten
ausgesprochen südlicher Arten in nördlichen Gegenden: Acherontia atropos, Deilephila
nerii u. a. in Folge Wanderns) das Erscheinen einer ganzen Anzahl in Mitteleuropa
lebender Arten zu abnormer Zeit durch beschleunigte Entwickelung mit entsprechen-
den Veränderungen. Verschiedene Falter traten ausnahmsweise mit zwei Generationen
auf, deren zweite auffallend klein war. So Dasychira abietis, welche dann auch 1894
und 1893 in zwei Generationen auftrat, trotzdem daß die Temperatur jetzt wieder
gewöhnlich niedrig war und die Ernährungszeit der Raupen nicht beeinflußte: doch
wohl Vererbung erworbener Eigenschaft.
Die Nachkommen dieser in ihren biologischen Verhältnissen verschobenen In-
dividuen unterliegen sehr veränderten äußeren Bedingungen in ihren verschiedenen
Entwickelungsphasen, da diese Phasen den Jahreszeiten nach eine durchaus andere
Lage erhalten, als die der nicht verschobenen. Dadurch werden neue Entwickelungs-
richtungen bedingt.
Wechselte die Temperatur in längeren Zeitepochen wiederholt, verbunden mit
Trennung der Wohngebiete, wie z. B. gegen das Ende der Tertiärzeit Eiszeit), so waren
bedeutende Ursachen der Umbildung der Tier- und Pflanzenformen gegeben. Dabei
wirkte kurze Einwirkung plötzlicher sehr hoher oder niedriger Temperatur ebenso wie
lange Einwirkung mäßiger Veränderungen. Auch Hora-Dimorphismus und -Trimor-
phismus machen es sehr wahrscheinlich, daß die Veränderungen vererbt werden.
Auf diese Weise — durch weit getriebene Umbildungen — mußten auch zum
Leben untaugliche Formen erzielt werden.
Dasselbe gilt für andere klimatische Einwirkungen und für die der Nahrung.
Die bleibende Abtrennung, das Selbständigwerden der so gebil-
414 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
deten Individuengruppen gegenüber den Sta iiinifor men beruht darauf,
daß die neuen äußeren Eigenschaften zugleich neuen inneren ent-
sprechen werden.
Daß der Duft der Q ein anderer wird, zeigt dies schon. Zugleich scheinen auch
Veränderungen an den Geschlechtswerkzeugen der (5 aufzutreten. Deshalb ist auch
die Kreuzung zwischen gewissen veränderten Formen weniger erfolgreich, als zwischen
anderen: dabei können entweder nur die äußeren Geschlechtswerkzeuge in Betracht
kommen oder gleichzeitig die Geschlechtsprodukte.
Gewiß ist anzunehmen, daß die Geschlechtswerkzeuge von (J und Q
korrelativ verändert werden fbei den Phryganiden und Coleopteren sind Fälle
bekannt, wo die Veränderung der Geschlechtsorgane Zweifel läßt, ob man es mit
Arten oder Abarten zu thun hat).
Zur Trennung der Organismenketten in Arten kann die Veränderung äußerer
Verhältnisse in der Weise beitragen, daß dieselbe die Fruchtbarkeit der alten Formen
stört oder aufhebt oder die der neuen begünstigt.
Wenn man den fast grausam zu nennenden Paarungstrieb der Tierwelt bedenkt,
so ergiebt sich der Schluß, daß eine nahezu vollständige andauernde örtliche oder
zeitliche (jahreszeitliche) Scheidung oder beides notwendig ist zum Selbständigwerden
einerneuen Individuengruppe... »,Tede Theorie, die diese Thatsache nicht
nach ihrem vollen Gewicht anerkennt und in Rechnung zieht, übersieht
einen Faktor von schwerwiegendster Bedeutung^).
Zwischen den Individuen, welche nicht zu einer Art gehören, fehlt die physio-
logische Affinität: das Gefühl der Zusammengehörigkeit und die gegenseitige Zuneigung
der beiden Geschlechter.
Die Isolierung der divergent gewordenen Individuengruppe erfolgt
schließlich dadurch, daß diese Gruppe durch die Einwirkung der äuße-
ren Faktoren nicht nur gewisse morphologische Umgestaltungen der
Färbung, Größe, Gestalt u. s. w erfährt, sondern auch gleichzeitig
physiologisch so verändert wird, daß sie nur noch mit Ihresgleichen
unbeschränkt fortpflanzungsfähige Nachkommen zu erzeugen vermag.«
Das Vorstehende zeigt, in welchem Maße die von Herrn M. Standfuss
festgestellten Thatsachen mit meinen Befunden übereinstimmen und wie
groß die Übereinstimmung auch der beiderseitigen daraus gezogenen
Schlüsse ist. Diesem Verhältnis giebt Standfuss am Schlüsse des Haupt-
teiles seines Buches (S. 353) Ausdruck, indem er mit mir die Arten als
Individuengruppen bezeichnet, »welche durch den direkten Einfluß
gewisser Faktoren der Außenwelt so weit von den nächstver-
wandten Typen divergent geworden sind«, daß Kreuzung mit dem Er-
folg unbeschränkter Fortpflanzung nicht mehr möglich ist.
Die Abänderung (bezw. die Übertragung derselben) erfolgt aber,
schließt er. durch Vererbung erworbener Eigenschaften.
Vanessa levaiia-prorsa.
Dieser Falter verdient eine besondere Behandlung. Er ist sowohl
wegen seiner Jahreszeiten-Abartung an sich als wegen der an ihm vor-
') Vgl. vorn S. 24, 25: Kyesamechanie.
Vanessa levana-prorsa. 415
genommenen Versuche mit künstlicher Wärme und Kälte der für die
vorh'egenden Fragen wichtigste Schmetterling.
Man hat die zwei Formen bekanntlich früher für zwei verschiedene
Arten gehalten.
G. Koch berichtet in seinen Schmetterlingen des südwestlichen
Deutschlands ') schon, daß die Zwischenform porima im Spätherbst fliegt
oder »durch Zucht im Keller« zu erzielen ist.
»Levana fliegt zuweilen schon im März (1848) auf öden breiten Chausseen und
lichten Waldstellen; die darauf folgenden Raupen werden Ende Juni, Anfangs Juli
(noch häufiger als die Falter) auf Nesseln gefunden. Die Puppenruhe ist nur eine
sehr kurze; denn schon Mitte Juli, zuweilen auch erst Ende desselben Monats fliegen
die ersten Falter, alle durchgehends prorsa gebend. Die Raupen hiervon sind im
September ausgewachsen, noch zahlreicher als die levana und unterscheiden sich durch
nichts von denselben. Die Puppen dieser zweiten Generation überwintern und nur
selten kriechen bei ganz warmem Spätherbst einzelne Falter aus,
welche alsdann in der Färbung den Übergang von levana zu prorsa bil-
den .... und von Mazzola (Wien. Verz.) porima genannt wurden. Alle anderen
Puppen geben das nächste Frühjahr wieder levana. Diese von mir und anderen
Sammlern vielfach versuchte und von Hess in Darmstadt zuerst beobachtete, jetzt
allgemein anerkannte Thatsache bringt die OcHSENHEiMER'sche spätere Aufstellung
(Bd. X. p. 23 und 220) mit der Abänderung in Geltung, daß levana die Stammart,
weil solche zuerst erscheint, prorsa die Varietät und porima die Subvarietät oder
aberratio ist.«
»Ich vermute, daß die Kälte auf diese Falter Eindruck macht, daß
diejenigen Schmetterlinge, w eiche nach 12 bis 14 Tagen sich entwickeln,
ihre natürlich braune Farbe besitzen, hingegen diejenigen, die (vor ihrer
Entwickelung) der Kälte und dem, Frost ausgesetzt sind, ihr dunkles
Braun in ein helles Ockergelb verwandeln.«
»Diesen Satz schrieb«, so bemerkt Herr J. Schilde im Jahre 1879,
»der verdiente noch lebende Entomologe Fkeyer in Augsburg bereits vor
50 Jahren über Vanessa provsa-levana nieder.«
Der Satz wurde 1863 (bezw. 1862) durch die Versuche Georg Dorf-
meister's mit Einwirkung künstlicher Wärme und Kälte auf die Puppe
dieses Schmetterlings bestätigt"^).
Dorfmeister berichtet, daß er schon früher ähnliche Versuche machte,
die ersten wohl im Jahre 1845, wo er die Raupen der Vanessa Antiopa
und später die Puppen der Vanessa levana in Eiskübel setzte, ohne eine
Veränderung an den Schmetterlingen zu erzielen.
Die neuen Versuche wurden 1859 und 1860 angestellt und bestan-
den darin, daß die Tiere während ihrer Entwickelung, »d. i. im Raupen-
oder Puppenzustande einer anderen als der gewöhnlichen Temperatur
ausgesetzt wurden«.
Die Versuche »hatten sämtlich den Zweck, den Einfluß der Tem-
1, G. Koch, Die Schmetterlinge des südwestlichen Deutschlands, Kassel 1856.
2) G. Dorfmeister: Über die Einwirkung verschiedener, während der Entwickelungs-
perioden angewendeter Wärmegrade auf die Färbung und Zeichnung der Schmetter-
linge, in: Mitteilungen des naturwissenschaftlichen Vereins für Steiermark, Graz 1863,
S. 99 IL
416 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
peratur auf die Erzeugung von Varietäten zu erforschen, indem ich vor-
her durch langjährige Erfahrung in der Raupenzucht die Überzeugung
gewonnen hatte, daß bei der Hervorbringung von Varietäten weit mehr
die klimatischen Verhältnisse, bei denen die Temperatur ein Hauptfaktor
ist, thätig sein müssen als etwa die Nahrung oder die Bastardierung.«
Auf Vanessa levana war Dorfmeister, wie er sagt, ganz zufällig ge-
raten und er hatte nicht die Absicht, das Zusammengehören von levana
mit prorsa zu erproben, welches sich aber aus seinen Versuchen ergab.
Dieselben zeigten zunächst, daß die Temperatur auf Färbung und
Zeichnung der Schmetterlinge »und zwar den meisten während
der Verpuppung, zunächst aber kurz nach derselben hat^).«
Er hebt hervor, daß bei vielen durch eine erhöhte Temperatur eine hellere,
lebhaftere , durch eine erniedrigte eine dunklere oder weniger lebhafte Grundfarbe
bewirkt werde, so bei Vanessa Jo, urticae. Bei Euprepia Caja werde die rotgelbe
Grundfarbe der Hinlerllügel durch erhöhte Temperatur in Mennigrot, durch erniedrigte
in Ockergelb verwandelt '-).
»Weniger auffällige Resultate haben Versuche geliefert, bei denen ich die Tiere
ortwährend einer höheren oder niedrigeren Temperatur unterwarf. Die von Jugend
an bis zur Verpuppung in einer höheren Temperatur erzogenen Raupen der Xanthia
Cerago W. V. lieferten die var. ßavescens Esp. , während die in erhöhter Temperatur
aus Eiern erzogenen Hipparchia Egeria L. und Colias rhamni L. nur kleinere, aber
sonst gewöhnliche Schmetterlinge ergaben. Dadurch verliert die Ansicht, als ob
Hipparchia Meone Hu. und Colias Cleopatra L. klimatische Varietäten der erstgenannten
seien, immerhin ein wenig an Wahrscheinlichkeit« ....
Die Versuche mit Vanessa levana wurden sämtlich in den .Sommermonaten ge-
macht und die behandelten Raupen hätten daher im Freien unter den gewöhnlichen
Verhältnissen nur prorsa geliefert. Die Zimmertemperatur ist auf 17 — 200 R. an-
zunehmen. *
Dorfmeister bezeichnet die vollkommensten, dunkelsten prorsa mit «, die helleren
bis zu /, die porima mit (F, e, die levana mit C — >^ und sind diese Stufen, alle Über-
gänge zwischen prorsa und levana darstellend, also neun an der Zahl, auf der beige-
gebenen Tafel sehr hübsch abgebildet.
Versuch A: bei gewöhnlicher Temperatur entstanden 8 prorsa cc—y, k porima S.
Versuch B: die Raupen bei 260 r. (32,50 C; verpuppt, lieferten nach 7 Tagen
dunkelste prorsa (2 Stück).
Versuch C: Puppen einer Temperatur von lOO R. (12,50 C.) ausgesetzt (wie lange?),
lieferten 5 prorsa y, 8 porima cF, 5 porima e, 1 0 überwinterten und lieferten levana C — *•
Versuch D: Puppen 22 Tage lOOR. (-12,50 c.) ausgesetzt, lieferten nach zwei Tagen
im Zimmer lauter (8 Stück) porima cF.
Versuch E: 7 Puppen 3 Tage nach der Verpuppung verschieden lange (2 bis
iö Tage; HOR. (13,750 0.) ausgesetzt, lieferten sämtlich prorsa /i, ebenso bei demselben
Versuch F.
Versuch G: Puppen gleich nach Verpuppung -1 bis 7 Tage -IIOr. (1 3, 7ö0 C.) aus-
gesetzt, lieferten 5 prorsa ß, y, 4 porima d'.
Versuch H: Raupen nach dem Aufhängen 51/2 bis 7 Tage (Zeit der Verpuppung
nicht angegeben) -12,20 R. (15,250 0.) ausgesetzt, lieferten 22 prorsa /?, y, 1 porima ö\
1) In seiner späteren Abhandlung hat Dorfmeister diesen Satz auf Grund seiner
Versuche an V. Atalanta und der WEisMANN'schen an T'. levana-prorsa dahin geändert,
daß »die Farbengebung erst nach der Verpuppung eintrete.
-, Auch erwähnt er, daß durch Anwendung von erhöhter Temperatur während
der Verpuppung diese selbst beschleunigt, durch erniedrigte verzögert wird.
Vanessa levana-prorsa. 417
Versuch .1: Raupen nach Aufhängen nach 2 Tagen; verpuppt, dann 4 bis 6'/2
Tage f2,20R. , .13,250 c.) ausgesetzt, Heferten sämtlich prorsa ^i. y.
Versuch K: Raupen nach Aufhängen (nach \ bis 2 Tagen) verpuppt, dann noch
1 bis 7 Tage l|OR. 13, 730c.) ausgesetzt, lieferten 10 prorsa 3, y, 4 porima cT. gl;.
Aus diesen Versuchen eraiebt sich Folgendes:
I Die höchste Temperatur (Vers. B, 260 R.; ergab nach 7 tägiger
Puppendauer die dunkelsten prorsa.
2) Ein Versuch (C) mit der niedrigsten angewendeten Temperatur
(10" R.) h'eferte außer 5 hellen prorsa und 8 porima aus überwinterten
Puppen 10 levana. Hier ist die Dauer der Temperatureinvvirkung nicht
angegeben. Ein anderer Versuch (Dj mit derselben Temperatur bei
22 tägiger Einwirkung lieferte lauter porima.
Einwirkung von dazwischen liegenden Temperaturen lieferten:
M " R. teils nur prorsa (E), teils prorsa und porima (G, K).
12,2" R. fast lauter (H) oder lauter (J) prorsa ß, y.
Ein bestimmtes Ergebnis der Dauer der Temperatureinwirkung läßt
sich nicht erschließen. Dagegen springt in die Augen, daß um so mehr
und um so dunklere prorsa erzeugt wurden, je höher die an-
gewendete Temperatur war, und daß schon mäßig niedrige Tem-
peratur (-{-100 R.) statt der prorsa oder porima, welche hätte entstehen
sollen, zum Teil levana erzeugte.
Endlich zeigen schon die DoRFMEiSTER'schen Versuche, daß verschie-
dene Individuen derselben Brüten sehr ungleich durch die Temperatur
beeinflußt werden, so daß also die stoffliche Zusammensetzung des Kör-
pers, die Konstitution, als sehr maßgebend für den Grad der Umbil-
dung der Einzeltiere erscheint.
Wenn Dorfmeister nicht beabsichtigte, die eine Form von levana-
prorsa in die andere überzuführen , so wird es zielbewußt vielleicht
seit sehr langer Zeit von Knaben geübt. In »Entstehung der Arten« I
habe ich dies schon hervorgehoben: mein Colleee von der forstlichen
Abteilung der hiesigen staatsw'issenschaftlichen Fakultät, Tuisko Lorey
erzählte mir, daß er die Versuche schon als Knabe mit seinen Genossen
in Darmstadt gemacht habe, und seine Söhne übten und üben sie hier
in Tübingen gleichfalls mit dem schönsten Erfolg. So liegt es nahe
anzunehmen, daß sie schon weit in der Zeit zurückreichen.
Auch Herr M. Standfuss teilt mit , sein Vater habe schon im Jahr
1852 Vanessa porima im Keller gezogen.
Im Jahre 1875 2) berichtet August Weismanx über ähnliche Versuche.
1) Diesen Auszug aus den DoRFMEisxER'schen Tabellen verdanke ich Herrn Dr.
C. FiCKERT.
-; Studien zurDescendenztheorie I. Über den Saison-Dimorphismus der Schmetter-
linge.
Eimer, Orthogenesis. 27
418 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
Er erwähnt'), daß solche schon früher von einem steierischen Entomo-
logen Georg Do rf.mi: ister angestellt worden seien, und fügt hinzu: Leider
entdeckte ich die kurze Mitteilung darüber erst zu einer Zeit, als meine
eigenen Untersuchungen schon fast beendet waren«.
Die Beurteilung der Ergebnisse der WEisMANN'schen Versuche wird
erschwert durch einen Irrtum, in welchem sich derselbe bezüglich der
Zahl der im Freien regelmäßig vorkommenden Generationen unseres
Falters befand. Auf Seite 12 sagt er nämlich: »F. levana macht nicht
blos zwei Generationen im Jahre, sondern deren drei, sie ist Poly-
goneuonte, wie ich mich ausdrücken möchte: eine Wintergeneration
wechselt ab mit zwei Sommergenerationen, deren erste im Juli, die
zweite im August fliegt. Diese letztere liefert als vierte Generation des
Jahres überwinternde Puppen , welche im nächsten Frühjahr (April) als
erste Schmetterlingsgeneration und zwar in der levcmu-Form ausschlüpft 2).«
Wie die Sache sich thatsächlich verhält, finden wir schon bei Koch,
welcher berichtet, daß nur selten bei ganz warmem Spätherbst aus der
pro7'sa-Brüt in demselben Jahre noch einzelne Falter auskriechen und
zwar, wie er sagt, porima.
Auf welche Art und Weise Herr Weismann sich in seinen neuen
Versuchen zum Saison-Dimorphismus gegenüber dem Nachweis dieses
Irrtums herauszureden sucht, werden wir später sehen. Trotzdem
er denselben anerkennen muß , spricht er auch in den »neuen Ver-
suchen« immer wieder von der dritten Generation. Der Unterschied
ist aber sehr wichtig, denn derselbe hängt mit der Frage zusammen,
ob durch künstliche Wärmeeinwirkung aus der von der gewöhnlichen
prorsa erzeugten Brut zwangsweise abermals prorsa erzielt werden
kann, ob die so entstandene Generation also an Stelle der gewöhnlichen
levana auftritt oder ob sie eine normale Erscheinung ist, entsprechend
einer auch im Freien gewöhnlichen zweiten prorsa- d. i. einer »dritten«
Generation des Falters.
Damit stehen im Zusammenhang gänzlich falsche Schlüsse, welche
Weismann aus seinen ersten Versuchen gezogen hat. Er behauptete
nämlich, es sei zwar leicht, durch Anwendung von Kälte aus levana
wiederum levana zu erziehen, nicht aber möglich, aus prorsa durch An-
wendung von Wärme wiederum prorsa an Stelle von levana zu erhalten.
Er sagt merkwürdiger Weise in den alten Versuchen, es sei ihm dies
nicht gelungen, trotzdem er vorher selbst berichtet hat, daß ihm bei
einem solchen Versuch (1 0 A) 3 prorsa und 1 po)'ini.a ausgeschlüpft sind.
In diesem Versuch handelt es sich nicht um mögliche Verwechslung mit
einer zweiten normalen prors a-Generation: es ist hier zweifellos anstatt
levana wieder prorsa erzeugt worden. Aber es gehört noch ein weiterer
der alten WEisMANN'schen Versuche, i6), hierher, in welchem aus prorsa
wiederum zahlreiche prorsa durch Wärme erzielt worden sind.
Herr Weismann hat als Endergebnis seiner »alten« Versuche den
1) S. 7.
Vanessa levana-pi'orsa. 419
Satz aufstellen zu müssen geglaubt, die Erzeugung von levana aus levana
durch Kälte beruhe auf Rückschlag. Darum konnte aus prorsa nicht
wieder prorsa erzielt worden sein (obwohl sie thatsächlich von ihm selbst
gezogen worden ist), denn sonst wäre jene Erklärung nicht mehr stich-
haltig gewesen.
In den »neuen Versuchen« hat nun Weisjlvnx reichlich aus profusa
durch AVärme wiederum prorsa statt levana erzeugt. Damit ist das Haupt-
ergebnis der ganzen ersten Arbeit hinfällig und er bestätigt dies selbst
mit einer Bestimmtheit, vA'elche nichts zu wünschen übrig läßt: er weist
jetzt den Rückschlag vollkommen zurück, ebenso stellt er die wesent-
lichsten übrigen Schlüsse, welche er aus den alten Versuchen gezogen
hatte, in den »neuen« geradezu auf den Kopf. Damals hatte er ange-
nommen, daß Wärme und Kälte die Erzeugung von levana und prorsa
verursachten und daß »kein Gedanke daran« sei, es könnten Farbe
und Zeichnung dieser verschiedenen Formen auf Anpassung beruhen;
jetzt erfindet er einen »adaptiven Saison - Dimorphismus < , sucht ohne
jeden ernsthaften Beweis gerade Vanessa levana-prorsa als Beispiel dafür
zurecht zu legen und glaubt so zu zeigen, daß die Ursachen, durch
welche die Verschiedenheit der beiden Formen hervorgerufen worden
ist, auf einem Züchtungsprocess, auf Auslese, bezw. Anpassung
beruhen sollen, Wärme und Kälte aber nur der dieselbe »auslösende
Reiz« seien.
Wir w^erden uns mit der eigenartigen Beweisführung alsbald zu
beschäftigen haben, denn sie und sehr reiches anderes Material fordert
dazu heraus, den Beziehungen zwischen August WeismaiNx und Vanessa
levana-prorsa einen besonderen Abschnitt zu widmen.
Der ganze Hintergrund dieser Beweisführung liegt darin, die Stütze,
welche die Vererbung erworbener Eigenschaften in den auf Vanessa
levana-prorsa bezüglichen Thatsachen findet und die Anerkennung dieser
Vererbung überhaupt, welche eine Grundlage »der alten« Studien bil-
dete und dort die äußerste Vertretung fand, nach Maßgabe neuester und
»klarerer Erkenntnis« abzuwehren.
Die WfiisMANN'schen Versuche sind eine Weiterführnng. Ergänzung
und Bestätigung derjenigen von Dorfmeister. Der letztere hat mit ge-
ringen Temperaturunterschieden , insbesondere nicht mit irgend maß-
gebender Kälte gearbeitet. Es ist aber, wie aus dem darüber Mitgeteilten
hervorgeht, nicht richtig, wenn Weismanx^) sagt, daß derselbe nur in
wenigen Fällen Übergangsformen erzielt und daß es ihm niemals gelun-
gen sei, eine völlige Umwandlung der Sommer- in die Winterform her-
vorzurufen. Das letztere ist ihm einmal (Versuch G) gelungen.
Schon die Versuche Dorfmeister's ergeben also klar und deutlich die
Thalsache, daß das Maß der Ausbildung einer porima- oder pror^a-Form
von dem Grade der Temperatureinwirkung in der Hauptsache abhängig.
1) Studien S. 8.
27'
420 Äußere, besonders klimatisclie Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
daß es iui Wesentlichen die Ursache der Uail)ildung ist. Sie zeigten
ferner, daß die so erzielten Übergänge solchen gleich sind, welche in
der freien Natur unter ganz entsprechenden klimatischen Verhältnissen
vorkommen. Für jeden vorurteilslosen Beurteiler sind die Schlüsse,
welche sich hieraus ergeben, selbstverständlich.
DoRFMEiSTEu hatte nur mit der Brut von levana, welche auch im
Freien porima und prorsa gegeben hätte, gearbeitet. Die WtiSMANx'schen
Versuche haben aus prorsa an Stelle von levana durch Wärme wiederum
prorsa ergeben, abermals etwas, was hohe Spätsommersonne zuweilen im
Freien erzielt.
Anmerkung. Herrn Dorfjieister ist der Freiburger Zoologe nicht gerecht ge-
worden. Dies wird gezeigt durch das, was der Letztere nach Vorstehendem über
seinen Vorgänger in der Arbeit gesagt hat. Später aber spricht er überhaupt nur von
seinen eigenen Versuchen und zwar so, als ob sie nachgewiesen hätten, daß
die »beiden in Färbung und Zeichnung sehr verschiedenen Formen einer Schmetter-
lingsart von der Einwirkung verschiedener Wärmemengen während der Puppenruhe
abhängen; man kann durch niedere Temperatur die Sommergeneration in die Früh-
jahrsforra verwandeln « i).
Wenn Herr Dorfmeister so bescheiden war, in einer zweiten Schrift 2; nur zu
erwähnen, daß sein Nachfolger in der Arbeit von der seinigen »Notiz genommen«
hat, so glaubten wir um so mehr seine Verdienste hier ins rechte Licht setzen zu
müssen, indem wir zugleich der Meinung Ausdruck geben, die »kurze Mitteilung« von
Georg DoRFiMEisiER sei, zumal da sie die ältere ist, genau ebenso wichtig wie die
lange von August Weisjiann.
Die Ergebnisse der Versuche mit levana-prorsa sind deshalb wichtig,
weil sie
1) jedem Unbefangenen beweisen, daß es die unmittelbare Einwir-
kung von Wärme und Kälte ist, welche in der freien Natur die Eigen-
schaften der Sommer-, bezw. der Winterform erzeugt, indem wir durch
Einwirkung von künstlicher Kälte auf die Puppe der levana abermals
levana und umgekehrt durch Einwirkung von Wärme auf die im Sommer
entwickelte prorsa, w^enn auch nicht ebenso häufig, wiederum prorsa
erziehen können;
2) w"eil dieser Beweis auf das Schönste auch dadurch erbracht wird,
daß es wesentlich von dem Grade der angewendeten Temperatur ab-
hängt, Zwischenformen zu erzeugen, welche mehr die Eigenschaften der
levana oder mehr die der prorsa haben: pornna.
3) Daß es nicht so leicht möglich ist, durch erhöhte Wärme aus der
levana die prorsa zu erzielen wie umgekehrt levana durch Kälte aus prorsa,
spricht von vornherein für die Annahme, levana sei die ursprünglichere,
1) »Äußere Einflüsse als Entwickelungsreize« 4 894. S. -17.
-, Georg Dorfmeister, Über den Einfluss der Temperatur bei der Erzeugung der
Schmetterlingsvarietäten. Sonderabzug aus den Mitt. des naturw. Vereins für Steier-
mark 1879.
Die Zeichnung von Vanessa levana und prorsa. 421
prorsa die vorgeschrittenere Form. Es wird dies aber zweifellos durch
die Zeichnung, welche bei levana auf tieferer, bei prorsa auf höherer Stufe
steht. Es ergiebt sich also die Thatsache, daß die Eigenschaften der prorsa
zwar schon durch Vererbung gefestigt sind, aber nicht so sehr, wie die
der levana, offenbar weil sie etwas Neues sind. Da wir außerdem finden,
daß in gewissen kalten Gebieten, wie im Amurgebiet, nur levana vorkommt,
in anderen, und zwar wärmeren der prorsa ganz ähnliche Arten die einzige
Form bilden, wie Vanessa fallax in Japan, so ist der Beweis für Ver-
erbung erworbener Eigenschaften allein durch diesen Falter und
seine Verwandten auf verschiedenem Wege voll und ganz gegeben.
Gemäß den Thatsachen der gesetzmäßigen bestimmt gerichteten Ent-
wickelung der Zeichnung ist ja zu schließen, daß jene jororsa-ähnlichen
Arten gleichfalls /eyana-ähnliche Vorfahren gehabt haben werden, daß aber
bei ihnen die p/'or^a-Eigenschaften, welche spätere Vorfahren erworben und
vererbt haben, beständig geworden sind, auf Grund jener Vererbung
und der Gunst der äußeren Verhältnisse, d. i. der Wärme.
Möglich, daß solche Formen bei in ihrem Wohngebiete allmählich
abfallender Temperatur in eine /eiawa-ähnliche zurückkehren würden:
dies, wenn ihre Eigenschaften noch nicht allzusehr gefestigt wären.
Unzweifelhaft aber ist nach Maßgabe des Thatsächlichen, was ich
schon anderwärts hervorgehoben habe, daß es dann, wenn bei uns im
Winter eine Temperatur herrschte wie im Sommer, nur Vanessa prorsa
bei uns gäbe; wenn umgekehrt auch der Sommer bei uns so kalt wäre
wie der Winter, nur levana.
Damit haben wir zugleich ein Beispiel für meine Auffassung vom
organischen Wachsen der Lebewelt dahin, daß es die äußeren Einwir-
kungen auf die Lebewelt, Klima, Nahrung u. a. sind, welche dieselbe
umbilden, und daß sie somit in ihrer gegebenen Gestaltung nur etwas
durch diese Einflüsse Gewordenes darstellt, welches mit ihnen steht
und fällt.
4) Mit das Wichtigste, was uns Vanessa levana-prorsa bietet, ist aber
die durch den Einfluß der Wärme erfolgende gesetzmäßige Umbildung
der Zeichnung von levana zu prorsa durch die Zwischenform porima.
Um diese Umbildung zu verstehen, müssen wir zunächst die levana- und
/)ro7'5a-Zeichnung nach Maßgabe unseres Grundzeichnungsschemas genau
beschreiben.
Die Zeiclinuug von Vanessa levaua imd prorsa und die Entstehung
der letzteren aus der ersteren.
Vanessa levana Abb, 234) hat im Gegensatz zu prorsa ausgesprochene
Vanessen-Zeichnung.
Auf der Oberseite nahe dem Außenrand bildet Binde II eine
Fleckreihe, statt welcher am Vorderrand der Vorderfügel wohl auch
422
Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
ein kurzes Bindenstück, erscheint. Nach innen davon folgt am Vorder-
rande ein hellgelber Fleck (ßandfleck B). Nach innen von ihm ein un-
gefähr viereckiger schwarzer Fleck, welcher Binde III entspricht. Dann,
nach einem größeren Zwischenraum (C) Binde IV/V/VI, darauf VII, VIII.
IX, X ; letztere bildet in der Mittelzelle meist einen kleinen runden hell
umrahmten (0-förmigen) Fleck. Das nach einwärts von demselben an
der Flügelwurzel gelegene Schwarz entspricht XI.
Hinter dem hellgelben, zwischen II und III am Vorderrande gelege-
nen Fleck (B) befindet sich ein großer schwarzer Fleck mit einem auf-
fallenden weißen Punkt, vor welchem häufig ein kleines Pünktchen liegt.
Der schwarze Fleck ist durch den dritten Medianaderast oft in einen
vorderen größeren und einen hinteren kleineren abgeteilt, in welch letz-
terem wieder ein weißes Pünktchen liegen kann: hinter ihm, in der
nächsten Flügelzelle, folgt ein weißes Pünktchen meist ohne Schwarz
oder mit etwas Schwarz hinter sich, dahinter in der zweithintersten
Flügelzelle wieder ein schwarzer Fleck.
Diese schwarze Fleckreihe entspricht der Binde III : die weißen Punkte
l^ßM
B M
Abb. 234. Vanessa Icvuna L.
Abb. 235. Vanessa prorsa L.
sind die Zeugen dafür, denn sie entsprechen, wie auf der Unterseite
deutlich zu erkennen ist, Resten von Augen, bezw. dem weißen Kern
von Augen der stets in bestimmter Lagebeziehung zu III stehenden
Augen fleckreihe.
IV/V/VI ist nach hinten stets in IV und V/VI gespalten. Daß der
innere Teil dieses vereinigten Fleckes aus V/VI besteht, geht aus seiner
Lage auf der äußeren Grenze der Mittelzelle hervor; daß sein innerer
Teil IV entspricht, ergiebt sich aus der Vergleichung mit verwandten
Faltern (z. B. Vanessa Davidis aus Tibet, V. Milber ti aus Californien, V.
cuUfornica ebendaher).
Nach hinten und meist etwas nach außen gerückt von dieser IV zu-
gehörigen Zeichnung folgen zwei Flecke in zwei Flügelzellen , hinterein-
ander gelagert, welche ebenfalls zu IV gehören (dieselben entsprechen den
zw^ei runden Flecken in der Mitte der Vorderflügel z. B. von Vanessa
polijchlo7-os, hinter welchen hier ein dritter kleinerer liegt).
Nach innen von VI folgt im Gebiete der Mitlelzelle das erwähnte VII
angehörende Bindenstück, ein langgestrecktes Dreieck mit vorderer Spitze
Die Zeichnung von Vanessa levana und prorsa. 423
darstellend. Zuweilen fehlt es, so daß an seiner Stelle ein brauner heller
umrandeter Zwischenraum zwischen VI und VIII vorhanden ist. Hinter
ihm folgt ein bis an die Grenze der hintersten Flügelzelle reichendes
Bindenstück, entsprechend der Binde VII. Die Binde VIII bildet im Bereich
der Mittelzelle einen U-förmig begrenzten Fleck; hinter dem inneren
Teile dieses U, mehr aber hinter IX, liegt hinter der Mittelzelle abermals
ein schwarzes Bindenstück, nach innen begrenzt durch ein zuweilen auf-
fallendes gelbes Fleckchen oder durch eine feine Linie, vor- und ein-
wärts von welcher die kleine, einem Teil von X entsprechende 0 in der
.Alittelzelle liegt.
Auf der Oberseite der Hinterflügel bildet II eine äußere Fleck-
reihe, III eine nach innen davon gelegene mittlere, IV eine innere. Statt
letzterer ist häufig eine Binde vorhanden, ebenso statt der mittleren
Fleckreihe: daß die letztere III entspricht, ergiebt sich wiederum aus
Augenfleckresten, welche auf der Unterseite sichtbar sind.
Nach innen von IV folgt ein mehr oder weniger breites und mehr
oder weniger weit nach hinten reichendes Band in der braunen Grund-
farbe, das Mittelfeld (m). Nach innen von diesem ist die schwarze
Farbe durch einige feine helle Linien abgeteilt, entsprechend den Trennungs-
linien der Binden, aus welchen sie entstanden ist — doch dies nur teil-
weise: diese Linien bilden innen ein annäherndes Viereck, außen ein
nach hinten offenes Dreieck — der äußere Schenkel des letzteren ist
eine sehr verschobene Bindengrenze. Vor der Spitze dieses Dreiecks
liegt bei levana ein helles, zuweilen mit schwarzem Kern versehenes,
daher wieder 0-ähnliches Fleckchen, in dem gewöhnlich von den Vorder-
flügeln bedeckten Vorderrande. Auch der vorderste Teil des Mittelfeldes
stellt oft ein solches Fleckchen dar in Folge des Mangels von Lichtein-
wirkung.
Vanessa prorsa (Abb. 235). Für die Zeichnung der Oberseite von
Vanessa prorsa sind maßgebend das hellgelbe Mittelfeld und die hell-
gelbe, bezw. weiße Vorderflügel-Eckzeichnung in schwarzem Grunde.
Ein größerer und dahinter ein (unbeständiger) kleinerer gelblicher
Fleck am Vorderrande der Vor der flu gel ecke (B) ist ein Best des
großen ebendort zwischen II und III gelegenen gelben Fleckes von V.
levana. Hinter demselben, in einer Beihe mit ihm, liegen bei prorsa
drei weiße Fleckchen oder nur zwei, diese durch einen e-rößeren Zwischen-
räum getrennt. Dieselben entsprechen Resten der Augenflecke bei levana
— wie dort ist das vorderste derselben das größte. Nach außen vor
diesem letzteren liegen zWei gelbe Randfleckchen, welche bei levana
fehlen, aber einer wie bei prorsa auf der Unterseite vorhandenen gelben
Randzeichnung entsprechen: Zwischenraum A zwischen I und IL
Der große hellgelbe, bei prorsa vorhandene Vorderrand-Schrägfleck
entspricht dem Zwischenraum zwischen III und IV/V/VI bei levana.
Hinter demselben, von ihm durch eine schwarze Brücke getrennt, be-
ginnt das sich auch über die Hinterflügel fortsetzende hellgelbe Mittel-
feld. Hinten in der Brücke zwischen beiden liegt meist ein unschein-
424 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
bares bellgelbes Fleckchen, statt dessen bei der prorsa- ähnlichen
japanischen Vanessa fallax ein größerer hellgelber Fleck vorhanden ist,
so daß das Mittelfeld sich hier fast unmittelbar in den großen Vorder-
randfleck fortsetzt. Nach einwärts von letzterem und vom Mittelfelde
sieht man bei prorsa im Schwarz beider Flügel eine Anzahl heller
Strichelchen, welche den Resten der Zwischenräume der bei levana be-
schriebenen Binden entsprechen.
Nach außen vom Mittelfelde, nahe der hinteren Vorderflügelecke
liegt ein von vorn nach hinten gehendes rostrotes Strichelchen (B), ent-
sprechend der äußeren von zwei sehr schmalen, ebenso gefärbten, unter-
brochenen Linien, welche auf den Hinterflügeln vorhanden sind (B, C),
deren innere aber zuweilen fehlt. Die äußere dieser rostroten Linien
entspricht einem Reste des Zwischenraumes zwischen der äußeren und
mittleren Fleckreihe (11, HI) bei levana, die innere dem Reste des
Zwischenraums zwischen der mittleren und inneren Fleckreihe (III IV)
desselben Falters.
Das Mittelfeld der pror^sa ist nichts als eine Verbreiterung des bei
levana als Mittelfeld beschriebenen, nach einwärts von IV gelegenen
schmalen Bandes der Grundfarbe. Die Verbreiterung geschah nach
einwärts, denn bei prorsa erreicht die innere Grenze des Mittelfeldes,
wie auf der Unterseite zu erkennen ist, die äußere hintere des beschrie-
benen, aus Bindengrenzen entstandenen Dreiecks, bei levana bleibt sie,
wie die Oberseite zeigt, weit davon entfernt.
Das Mittelfeld liegt also bei Vanessa levana-prorsa zwischen Binde
IV und V/VI, worauf wir noch zurückkommen.
Eine Verbreiterung des Mittelfeldes bei prorsa gegenüber dem von
levana ist aber nur auf den Hinterflügeln und zwar nur am hinteren
Teile erfolgt. Auf den Vorderflügeln entspricht dieselbe einfach dem
dort zwischen IV und V/VI gelegenen Zwischenraum. Die Verbreiterung
im hinteren Abschnitt ihres Verlaufs auf den Hinterflügeln hat nun eine
sehr bemerkenswerte Geschichte. Um dieselbe zu verfolgen, müssen wir
auf levana zurückgehen.
Die innere Grenze des schmalen Mittelfeldes (m) von levana wird durch
eine Binde gebildet, deren äußere Grenzlinie der äußeren Grenzlinie von
VII entspricht. Die innere Grenze dieser Binde ist gezogen durch die
äußeren Schenkel des geschilderten Dreiecks und durch eine Verlänge-
rung desselben, welche nach hinten und innen gerichtet ist.
Auf dem Schwund des zwischen dieser Verlängerung und
etwas vor derselben gelegenen Teiles der beschriebenen, das
Mittelfeld nach außen begrenzenden Binde beruht nun die
Verbreiterung des Mittelfeldes bei prorsa.
Es ist nämlich die beschriebene Binde nicht bei allen Stücken von
levana von hinten bis vorne durchgehend, sondern sie ist häufig in der
Mitte, an ihrem schmälsten Teil, unterbrochen. Ihr hinterer Teil endigt
hier quer abgeschnitten oder mit einer Spitze. Im letzteren Falle ist
dieser hintere Teil der Binde ein Dreieck, welches, als Keil in den
Die Zeichnung von Vanessa levana und prorsa. 425
hinteren Teil des Mittelfeldes der prorsa gelegt, zu dem Verhalten der
levana führt.
Diejenigen levana , hei welchen die schwarze Binde in der
Mitte unterbrochen ist, sind offenbar die in größerer Wärme
entwickelten Stücke. Und zwar erscheint das hintere Bindenstück
zuerst als Keil abgetrennt, dann — bei größerer Wärme — schwindet
die Spitze des Keils, wodurch ein dreieckiges, nach vorn zugespitztes
Mittelfeld entsteht, das bei hvana noch in der gewöhnlichen braunen
Grundfarbe, bei porima aber schon hellgelb erscheint. Im weiteren
Fortschritt, wie er durch erhöhte Einwirkung von Wärme auf die Ent-
wickelung bedingt ist, verblaßt nun und schwindet auch der hintere
Teil des Keils immer mehr, aber bei vielen sonst ausgesprochenen prorsa
ist als Rest desselben im hinteren Teile des Mittelfeldes noch mehr oder
weniger schwarze Berußung zu erkennen, noch mehr ist dies bei den am
meisten vorgeschrittenen porima der Fall.
Zugleich hat sich bei den ausgesprochenen prorsa auch der vordere
Abschnitt des Mittelfeldes verbreitert, so daß dieses nicht mehr wie bei
porima vorn zugespitzt erscheint.
Mit dieser Entstehung des auf den Hinterflügeln gelegenen Mittelfeldes
der prorsa haben wir schon einen wesentlichen Teil der prorsa-Eigen-
schaften als durchaus gesetzmäßig, nach bestimmter Entwicke-
lungsrichtung entstanden erkannt und haben gesehen, daß
die porima vollkommene Zwischenstufen auf diesem Ent-
wicke lungsweg darstellen und zwar auf verschiedener Höhe der
Ausbildung.
Die weitere Umbildung zur prorsa geschieht nun ebenso gesetzmäßig
\) durch Aufhellung des Zwischenraums zwischen IV und VII auf
dem hinteren Teil der Vorderflügel zum vorderen Stück des Mittelfeldes;
2) durch Aufhellung des häufig schon bei levana wenigstens im
vorderen Teile hellgelblichen Zwischenraums zwischen III und IV
am vorderen Rande der Vorderflügel gleichfalls zu einem hellgelben
Bandstück ;
3 durch Zunahme der schwarzen Farbe auf Grund von Verdunke-
lung und zwar in der Richtung von innen nach außen und in der Aus-
breitung desselben unter Verdrängtwerden der hellen Zwischenräume,
insbesondere im Binnenfeld der Flügel: auf den Vorderflügeln zuerst
hinter dem Mittelfeld, während die Grenzen innerhalb des letzteren selbst
bei prorsa meist zum Teil noch angedeutet bleiben.
Dementsprechend ist es eine Haupteigenschaft der porima. daß im
äußern Teil ihrer Flügel noch mehr braune Grundfarbe vorhanden, der
innere aber schwarz ist.
4) Zuletzt wird tiefschwarze Farbe durch Zusammenfließen aller
Binden herrschend, bis auf die beschriebenen hellgelben und weißen
Flecke und das helle Mittelfeld, endlich bis auf die beschriebenen rost-
roten Randlinien bezw. -Flecke, was Alles die bestimmten Kennzeichen
von prorsa bildet.
426 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
Die Eigenschaften der porima ergeben sich aus dem Mitgeteilten
von selbst: sie stehen, wie gesagt, alle zwischen levana und prorsa
und zwar in verschiedenem Grade mehr nach ersterer oder nach letz-
terer je nach der Einwirkung der Wärme auf die Entwickelung.
4) Die Grundfarbe ist dunkler braun als bei levana.
2) Während das Binnengebiet dunkler bis einfarbig schwarz zu
werden beginnt — bis auf Grenzlinien der Grundbinden, besonders im
Mittelfeld — fließen die Fleckreihen auf dem äußeren Teil der Flügel
von vorn nach hinten bindenartig zusammen und nähern sich seitlich.
3) Statt der rostroten Linien und Flecke besonders auf den Hinter-
flügeln der prorsa ist eine vollkommene Zwischenstufe zu levana vor-
handen in zwei rotbraunen Binden.
4) Auf den Hinterflügeln entsteht ein dreieckiges Stück hellbraunen
bis hellgelben Mittelfeldes.
Ein weiteres Stück entsteht auf dem hinteren Teil der Vorderflügel,
ebenso gefärbt.
5) Es hellt sich in gleicher Weise der Zwischenraum zwischen 111 und
IV/V/VI auf den Vorderflügeln auf.
Es handelt sich nach dem Mitgetheilten in der Entstehung der
prorsa- aus der leva7ia-Forin um die Entstehung eines hellen Mittelfeldes
und heller Flecke auf Kosten teils der dunkleren braunen Grundfarbe
der levana, teils des Schwarz einer Binde derselben. Verstärkt und
in der Abgrenzung verschärft erscheinen bei prorsa die kleinen. Augen-
kernen entsprechenden Fleckchen auf den Vorderflügeln.
Verkleinert, aber schärfer begrenzt ist das Weiß auf der Ecke
der Vorderflügel an deren Vorderrande, entsprechend dem Zwischen-
raum zwischen II und III, und zwar treten hier zwei Fleckchen statt eines
auf, indem der ursprünglich wenigstens meistens einfache helle Fleck der
levana in zwei hintereinander gelegene gespalten wird. Der hintere der-
selben ist bei prorsa sehr klein, oft fast verschwunden, bei porima aber
ist er noch größer, und je mehr die Stücke sich levana nähern, um so
mehr übertriflft der hintere Fleck den vorderen an Größe.
Die ganz gesetzmäßige Umbildung der levana zu prorsa durch porima
läßt sich also bis in die kleinsten Einzelheiten hinein verfolgen.
Es erscheint deutlich die Ausgleichung, Kompensation, teil-
weise als Ursache der Veränderungen: es entsteht eine andere Ver-
teilung von dunkelm Farbstoff: es entsteht das helle Mittelfeld und
entstehen andere helle Flecke auf Kosten dunklerer oder schwarzer Farbe,
es schwindet aber andererseits etwas von hellerer Farbe, durch Schwarz
verdrängt (in der Ecke zwischen II und HI).
Aber es ist augenfällig, daß diese Verteilung von Farbstoff, daß
diese Ausgleichung nicht ausreicht, um das Schwarzwerden zur prorsa
Verwandte von Vanessa prorsa-levana. 427
ganz zu erklären: es ist noch neues Schwarz Gebildet worden durch
Einwirkung der Wärme.
Abgesehen davon geschieht also die Umbildung auf Grund einer
Verschiebung von Teileigenschaften und zwar sind es nur gewisse
Eigenschaften, welche sich wesentlich verändern, andere verstärken sich
nur. Im ersteren Verhalten haben wir ausgesprochen den Vorgang,
welchen ich als kaleidoskopische Umbildung, kaleidoskopische Kor-
relation bezeichne.
Sehr bemerkenswert ist als Beleg für Vorstehendes auch die merk-
würdige Thatsache, daß die Unterseite der prorsa verhältnismäßig viel
weniger von derjenigen von levana verschieden ist als die Oberseite.
Die Unterseite ist bei der vorgeschrittenen prorsa im Wesentlichsten auf
der levanaStufe stehen geblieben. Einen bedeutenden Unterschied macht
nur auch hier die Bildung eines Mittelfeldes und zwar setzt sich dieses
hier fast ununterbrochen in den zwischen II und III gelegenen hellen
Vorderrand-Schrägfleck fort, ähnlich wie bei Y'anessa fallax auf der
Oberseite.
Verwandte von Vauessa prorsa-levaua.
Vanessa fallax aus Japan ist auf der Oberseite in der Häuptsache ganz ge-
zeichnet und gefärbt wie prorsa. Einen Unterschied macht das Verhalten des Mittel-
feldes in dem soeben und schon früher berührten Punkte. — Es sind drei weiße
Augenfleckchen vorhanden, deren vorderstes vor den vordersten der im Folgenden zu
beschreibenden prorsoides liegt.
Ferner ist bei fallax nicht nur in der hinteren Ecke der Vorderttügel ein rost-
roter Bandfleck vorhanden, sondern es finden sich solche auch weiter nach vorn, so
daß wie auf den Hinterflügeln ein unterbrochenes äußeres Band hergestellt wird. —
Auf der Unterseite ist das Mittelfeld erheblich breiter als oben und zeigt einen
weiteren Fortschritt der Ausbildung auch darin, daß es nun fast in gleicher Breite
sich bis an den Vorderrand erstreckt.
Im Übrigen ist der bedeutendste Unterschied der Vanessa fallax gegenüber prorsa
die ziemlich erheblichere Grüße — deshalb würde sie besser zu Limenitis Sibylla als
Mimicry-Form passen als diese, aber bedauerlich genug für den Wert der »fictiven«
Vorstellungen des Herrn August Weismann, lebt sie fern von ihrem Vorbilde. Sie hat,
soviel wir wissen, keine levana-Yovm.
Ähnlich wie vorliegende Arten sind Vanessa prorsoides von Assam und
Vanessa prorsa magna von Sutschan, letztere wohl nur eine große prorsa.
Vanessa prorsoides ist noch größer als fallax, die bei pro?"sa weißgelben
Flecke und das Mittelfeld der Oberseite sind dunkler gelb. Das letztere ist vorn
nicht in den Randfleck fortgesetzt, sondern durch eine breite Brücke davon getrennt.
Die zwei vorderen aus Augenkernen entstandenen Fleckchen auf den Vorderflügeln
sind sehr groß, das vorderste größer als das zweite; andere fehlen. Das äußere
rostrote Band ist auf den Hinterflügeln breit, zusammenhängend, vorn unterbrochen.
Auch die Eckfleckchen der Vorderflügel II— III verhalten sich gerade umgekehrt wie
bei prorsa: es sind ihrer drei in drei Flügelzellen und das hinterste ist das größte.
Auf der Unterseite tritt bei prorsoides auf Vorder- und Hinterflügeln in der
Augenfleckreihe je ein Fleck hellbläulicher Bestäubung auf.
Etwas größer als prorsoides ist
Vanessa prorsa magna, bei ihr ist alle helle Zeichnung, im Gegensatz zu der
vorigen, rein weiß. Mittelfeld vorn vom Vorderrandfleck getrennt; vor seinem vor-
428 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
deren Ende oben ein weißes Pünktchen, welches, schwächer, auch bei prorsa vor-
kommt. Vorderflügel-Eckzeichnung fünf weiße hintereinandergelegene Fleckchen, das
hinterste dem größten Augenkernfleck der prorsa entsprechend, ebenso die zwei davor
gelegenen. In der dritthintersten Flüeelzelle des VordcrHüizcls noch ein solcher weißer
Augenkern. Äußeres rostrotes Zwischenband auf den Hinterflügeln ziemlich voll-
ständig, auf den Vorderflügeln nur hinten ein Stück davon. Das innere hintere kaum
angedeutet.
Auf der Unterseite hängt das Mittelband nahezu mit dem Vorderrandfleck zu-
sammen.
Alle vier Formen: prorsa^ fallax, prorsoides, prorsa magna geben
wiederum ein Beispiel für Artentstehnng durch Heterepistase, bezw.
Genepistase: es sind immer Stufen der gesetzmäßigen Umbildung,
bezw. bestimmter Entwickelungsrichtungen, welche für die Gestaltung
der einzelnen Art maßgebend werden (Genepistase) und zwar ist das
Stehenbleiben verschiedenstufig: eine Eigenschaft schreitet vor, andere
bleiben zurück und umgekehrt (Heterepistase).
Vanessa Davidis aus Tibet und V. burejana vom Amur stehen auf der
levanaSiViie. Die letztere Art ist für uns wichtig durch die verhältnismäßige Breite des
innerhalb von Binde IV gelegenen Mittelfeldes auf den Hinterflügeln. Dasselbe stellt
ein Band dar, das etwas heller ist als die übrige Grundfarbe, hinten abgeschlossen
durch ein kurz hereinragendes dreieckiges Bindenstück, welchem vorne, das Mittel-
feld nach außen begrenzend, ein größeres umgekehrtes solches Dreieck gegenübersteht:
der vordere Teil der ursprünglich zusammenhängenden Binde, deren hinterer Teil
das soeben beschriebene hintere Dreieck darstellt — ganz der Fall mancher zu porima
hinneigender levana und der ersten Stufen der prorsa.
Auf der Unterseite ist bei hurejana ein vollständiges, bis an der Vorderrand
der Vorderflügel reichendes Mittelfeld hergestellt: wiederum verschiedenstutige Ent-
wickelung auf Unter- und Oberseite und zwar Vorschi'eiten der ersteren gegenüber
der letzteren, ein Gegensatz aber auch zu V. Davidis, welche unten kein Mittelfeld
ausgebildet hat, bei der dasselbe aber auch auf der Oberseite nur im vorderen Drittel
der Hinterflügel durch einen auffallenden hellgelben Strich angedeutet ist.
T'. Davidis ist übrigens in mancher Beziehung noch ursprünglicher gezeichnet
als levana; so in den Vorderrandbinden des Vorderflügels.
Auch St.\ndfuss sagt, Vanessa levana sei offenbar gegenüber von prorsa die ur-
sprüngliche und zwar nördliche Form: sie Ist nach Graser ij in Ostsibirien die ein-
zige; ebenso gehört die der V. levana verwandte paläarktische V. hurejana Bkem. Ost-
sibirien an und die wenigen verwandten Arten p^-orsoides, fallax, strigosa leben im
Norden, in Tibet, Sibirien und .lapan.
Gesetziuäfsigkeit bei der Umbildung von Vauessa levaua durch
porima iu prorsa.
Am wichtigsten ist für uns das Ergebnis der Umbildung von V.
levana in prorsa darin, daß diese Umbildung auf ganz gesetzmäßigem
Wege geschieht, deshalb wichtig, weil gerade bei dieser Form die Um-
bildung eine sehr bedeutende, ihre Einzelheiten sehr zahlreiche sind.
Es handelt sich dabei um die Verwandlung des Schrägband-
Eckfleck-Typus der Vanessen in einen Mittelfeld-Schrägfleck-
1) Gräser, Berl. entom. Ztschr. 188S.
Gesetzmäßigkeit bei der Umbildung von Vanessa levana durch porima in prorsa. 429
Typus mit im Übrigen fast vollkommener düsterer Einfarbiekeit . unter
vollkommenem Schwinden der bei lecana noch so deutlich vorhandenen
Gruudbindenreste.
Ferner ist die Tbatsache der allmählichen Umbildung von levana in
prorsa durch porima im Gegensatz zu der plötzlichen in prorsa vsichtig
zur Erklärung der kaleidoskopischen Umbildung: offenbar werden hier
die tieferen Stufen der Umbildung während der Entwickelung durchge-
macht, der stärkere Reiz führt weiter als zu den auf Einwirkung geringerer
Wärmegrade auftretenden por«wo-ähnlichen Zwischenformen. So entsteht
kaleidoskopisch ein Falter, welcher der ursprünglichen Form nicht ent-
fernt mehr ähnlich ist.
Herr Weismaxx wollte durch Verfolgen der Entstehung der levana
aus prorsa durch Rückschlag 1875 gezeigt haben, daß sich die Zeich-
nungsunterschiede beider keineswegs deckten, daß vielmehr bei prorsa
eine ganz neue Zeichnung entstanden sei. 1895 wiederholt er diese
Rehauptung mit der Regründung, daß in der weißen Rinde der prorsa,
wenn sie in levana übergehe, und zwar im hinteren Teile derselben auf
den Hinterflügeln, ein schwarzer Fleck entstehe, »der größer wird, um
schließlich bei der vollständigen levana-lcorm mit einem anderen, von
vorn in die Rinde hereinwachsenden schwarzen Dreieck zu einem schwarzen
Rand zu verschmelzen«.
Er fährt fort: »Dies ist vollkommen genau, obwohl später ein fana-
tischer Gegner der Evolutionslehre es einfach als »falsch« und als einen
»Reobachtungsfehler« bezeichnete^. Man kann an den verschiedenen
j9o?'/ma-Formen gewissermaßen die verschiedenen Etappen auf dem Um-
wandluugsweg der levana- in die y^ror^a-Zeichnung verfolgen, und es ist
gewiß sehr lehrreich, zu sehen, daß dies nicht etwa nach bestimmten
Prinzipien erfolgt, sondern im gewissen Sinne regellos. An dieser Stelle
breitet sich das Schwarz aus, dort wandelt es sich in Weiß um, die
weiße Rinde der Hinterflügel entsteht in ihrem hinteren Teil aus Schwarz,
in ihrem vorderen aus Rraungelb, die unterbrochene weiße Fleckenbinde
der Vorderflügel dagegen entsteht allein ans der braungelben Grundfarbe.«
Als jener Fanatiker wird bezeichnet Herr Johannes Schilde. Dieser
hatte gesagt :
>Eine kurze Prüfung beliebiger Individuen beider Formen, wie auch
teilweise der WEisMAXx'schen Rilder selbst, wird aber Jedermann über-
zeugen, daß diese Angabe wieder falsch ist.«
Meine vorstehende Schilderung beweist nun allerdings, daß es falsch
ist, zu sagen, die /ei-awa-Zeichnung sei gegenüber jener der prorsa eine
neue, wenn man, wie Herr Weismann, damit sagen will, die beiderseitigen
Teile der Zeichnung seien nicht vollkommen auseinander hervorgegangen.
Meine Schilderung zeigt, daß der schwarze Fleck in der weißen Rinde
von prorsa, auf welchen Weismann sich beruft und der bei nicht voUen-
i) »Neue Versuche«, S. 668.
430 Äußere, besonders klimatische Einllüsse als Ursachen der Artbildung.
deten prorsa und noch bei porima als solcher auftritt, einfach einem
Bindenstück bei levaiia entspricht.
Ferner haben wir gezeigt, wie lehrreich es ist zu sehen, dass die
Umbildung durchaus nach bestimmten Prinzipien erfolgt und zwar daß
sie mit vollkommener Gesetzmäßigkeit in allen einzelnen Teilen aus
der /era;ia- Zeichnung entsteht, daß die gegenteilige Behauptung Weis-
MA.N.\'s wiederum vollkommen falsch ist, ebenso wie die angegebenen
Einzelheiten, auf weJche sie sich gründet.
Nachdem ich Vorstehendes schon niederseschrieben habe, entdecke
ich, daß mein heutiger Gegner — obiger Widerspruch gegen gesetz-
mäßige Umbildung der Zeichnung geht selbstverständlich gegen meine
bestimmt gerichtete Entwickelung — früher auch hierin Ansichten aus-
gesprochen hat, welche mit den meinigen ganz übereinstimmen. In den
alten Studien über den Saison-Dimorphismus sagt er') nämlich: »Die
Unterschiede, welche sich zwischen den verschiedenen Individuen einer
sekundären Form zeigen, seien immer nur Unterschiede des Grades,
nicht der Art (Qualität). So ^ielleicht am deutlichsten bei der so
sehr variablen Vanessa prorsa (Sommerform), wo alle vorkommenden
Variationen sich nur durch geringere oder größere Entfernung von der
/cyana-Zeichnung unterscheiden, wie zugleich durch größere oder ge-
ringere Annäherung an die reine joj'orsa-Zeichnung, niemals aber Ab-
änderungen vorkommen, die nach einer ganz anderen Richtung hinaus-
zielten. Es geht dies aber weiter auch daraus hervor, daß . . . verwandte
Arten und Gattungen, ja selbst ganze Familien (die Pieriden) auf den
gleichen äußeren Reiz in derselben Art und Weise, oder besser in
derselben Richtung abändern«. Dann fährt er fort:
»Es darf demnach der Satz aufgestellt werden, »daß — bei den
Schmetterlingen wenigstens — alle Individuen einer Art denselben
äußeren Reiz mit der gleichen Abänderung beantworten,
daß somit die durch klimatische Einflüsse bedingten Abände-
rungen in ganz bestimmter Richtung erfolgen, welche bedingt
ist durch die physische Konstitution dieser Art«.
Daß mir diese Entdeckung die hochgradigste aller Überraschungen
bereiten mußte, liegt auf der Hand. Denn der hier vertretene Satz
spricht W'örtlich das aus, was ich gegen meinen heutigen Widersacher
vertrete und zwar in einer Weise, daß damit geradezu die Grundlage
und der Mittelpunkt meiner Auffassungen wiedergegeben ist.
Nicht nur bestimmt berichtete Entwickeluns; hat der Erfinder der
Keimplasmahypothesen vor zwanzig Jahren anerkannt 2), sondern sogar
1] S. 78.
2) und zwar an einer anderen Stelle ausdrücklich unter Berufung auf meine
vorhergegangenen Arbeiten. Vgl. vorn S. 8 und Weismann »Studien« II. 1876 S. 119.
Professor August Weismann und Vanessa Ifvana-prorsa. 431
ausgesprochen, daß die klimatischen Einüüsse ein Abändern in diesen
ganz bestimmten Richtungen hervorrufen. Inzwischen hat er über
ein Jahrzehnt lang die ganz entgegengesetzte Ansicht vertreten, indem
er vollkommen zufälliges Abändern des Keimplasma's als das Wesen
der Variation in Anspruch nahm, bis er in der »Germinalselektion« die
bestimmt gerichtete Entvvickelung wieder anerkannte, aber nicht als Folge
der Konstitution und äußerer Einllüsse, sondern als Ergebnis von Natur-
züchtung.
Wir werden dadurch übergeleitet zu dem folgenden Abschnitt, in
welchem uns solche Wandlungen an einem besonders wichtigen Beispiel
in gewiß unübertreffbarer Weise entgegentreten.
Professor August Weismaun uud Vanessa leVana-prorsa.
Um mir ein genaues Urteil über die Thatsachen zu verschaffen,
welche an dem am meisten zu Experimenten verwendeten Falter ge-
wonnen, und über die Schlüsse, welche daraus gezogen worden sind,
mußte ich ausführliche Auszüge aus den vorliegenden Arbeiten zusammen-
stellen. Diese Zusammenstellung ergiebt eine so lautredende historische
Darlegung der gegnerischen Behandlung der Naturgeschichte an einem
einzelnen Gegenstande, daß ich glaubte, sie nicht für mich behalten,
sondern zum Schutz der Wissenschaft vor Nachahmung der ihr zu Grunde
liegenden Methode öffentlich mitteilen zu sollen, dies um so mehr, als
sie überall Gelegenheit giebt, Widerlegung und eigene Ansicht einzu-
flechten und so den Gegenstand zu einem abgerundeten Ganzen mit
positivem Endziel zu gestalten.
Was vorn auf Seite 358 und 359 und auf Seite 362 und 363 in den
Anmerkungen als frühere Ansicht von Algust Weismann über die Ent-
stehung von Artunterschieden bei Schmetterlingen mitgeteilt worden ist,
bezieht sich bei ihm ausdrücklich auf die Entstehung von Vanessa yrorsa
aus levana. Gerade dieser Falter zeigt, wie er damals sagte, daß Arten
lediglich durch direkte Wirkung äußerer Lebensbedingungen entstehen
können: den besten Beweis liefern die alten Systematiker, welche die
zwei Formen desselben für besondere Arten gehalten haben und die
Thatsache, daß die Farben und Zeichnungen der Schmetterlinge in den
meisten Fällen ohne Nutzen für dieselben sind.
Auch August Weismann hat in seinen alten Studien über Saison-
dimorphismus, 1875, levana für die ursprüngliche Form erklärt und ge-
schlossen, daß erst durch Einfluß günstigerer Temperaturverhältnisse
prorsa sich als zweite Generation eingeschaltet habe , und zwar wurde
von ihm die Entstehung der prorsa als eine allmähliche bezeichnet, ent-
standen durch allmähliche Erhöhung der Wärme, des Klima's,
bezw. des Sommers^). Die hauptsächlichste Beweisführung zielte also
1) »Während nun also beim Übergang der Eiszeit zu dem jetzigen Klima V. levana
432 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
bei ihm dahin, die Zurückführung der levana wiederum in levana durch
Kälte als Rückschlag zu erklären; weil levana die Stammform der
prorsa sei, könne sie nicht in dieselbe zurückschlagen, desw^egen könne
diese künstlich nicht erzeugt werden, denn man sei nicht im Stande, durch
Einwirkung von Wärme auf prorsa wiederum prorsa zu erzeugen. Diese
Beweisführung wurde erfordert durch den anderen zum Beweis ge-
stellten Satz: es handle sich bei der verschiedenen Wirkung von Kälte
auf levana und von Wärme auf prorsa um verschiedene Reaktion
auf gleichen Reiz und diese Verschiedenheit könne nur in der phy-
sischen Natur der betreffenden Generalion liegen, nicht außerhalb der-
selben. Es seien demnach Kälte und Wärme nicht die unmittelbare
Ursache für die Entstehung der levana- und der prorsa-Form, sondern
nur die mittelbare.
Diese Beweisführung fällt aber nicht nur mit der Thatsache, daß es
möglich ist, prorsa durch Einwirkung von Wärme während der Ent-
wickelung wiederum in prorsa zu verwandeln, sie ist abermals auch im
Einzelnen sehr lehrreich für die Beurteilung der Beweisführung des Frei-
burger Zoologen schon in dessen alten -Studien;.
Zunächst leuchtet ein, daß es an sich vollkommen unzulässig ist,
die Wirkung eines beliebigen Grades von künstlicher Kälte einerseits
und von künstlicher Wärme andererseits als gleichwertige Größen zu be-
handeln und aus der Verschiedenheit des Erfolges ihrer Anwendung den
so wichtigen Schluß zu ziehen, nur die physische Natur der betreffenden
Generation sei die Ursache der verschiedenen Reaktion auf > gleichen
Reiz«. Was ist denn dieser gleiche Reiz? Auf der einen Seite An-
wendung von Kälte bis zu — 1 ** R. im Eiskeller, auf der anderen Seite
Anwendung von Wärme bis zu 4-24*>R. im Treibhaus! Nicht einmal
der elementare Gedanke ist dem Experimentator gekommen, es könnte
der Umstand, daß es nicht so leicht gelang, durch die angewendete
Wärme wieder prorsa zu erzielen, wie durch die angewendete Kälte aus
der levana wiederum levana, mit darin liegen, daß die Wärme eben nicht
hoch genug, daß sie also kein der angewendeten Kälte »gleich<;zu stellender
Reiz war. Und dieser Gedanke lag doch auf der Hand, zumal wenn
man den geringen Grad von Wärme berücksichtigt, welche angewendet
worden ist.
Im Einzelnen wird dabei in folgender merkwürdiger Weise geschlossen: gesetzt
aus einem Monogoneuonten allmählich zu einem Digoneuonten wurde, prägte sich zu-
gleich allmählich immer schärfer ein Dimorphismus bei ihr aus, der nur durch Ab-
ändern der Sommergeneration entstand, während die Wintergeneration unverändert
die primäre Zeichnung und Färbung der Art festhielt.
Als die Sommer später noch länger wurden, konnte sich noch eine dritte Gene-
ration einschieben und die Art wurde Polygoneuonte, und zwar in der Weise, daß
zwei Sommer- mit einer Wintergeneration abwechselten« heißt es auf Seite 4 6 von
Weismann's Studien I, und auf der folgenden Seite: »aber erst wenn sich unser Sommer
noch um einen oder zwei Monate verlängern würde, könnten diese den Grund zu
einer dritten Sommergeneration legen«.
Professor August Weisniann und Vanessa levana-prorsa. 433
auch, es sei die aus der levana entstandene Puppenbrut volle 6 Monate lang der
Kälte von 0 bis — 10 R. ausgesetzt worden und dieselbe wäre dann als vollständige
levana ausgeschlüpft, so würde dies, wie der entsprechende Versuch bei Pieris napi,
zu der Vermutung berechtigen, daß lediglich die direkte einmalige Einwirkung
eines gewissen Maßes von Kälte oder von Entwickelungsverzogerung im Stande wäre
alle Puppen der Art, von welcher Generation sie auch stammen möchten(?), zur
Hervorbringung der Winterform [levana) zu zwingen. Daraus würde aber weiter
folgen f?), daß im Gegensatz dazu ein gewisses Maß von Wärme mit Notwendigkeit
die Bildung der Sommerform iprorsa) nach sich ziehe, ebenfalls einerlei, von welcher
Generation die betreffenden der Wärme ausgesetzten Puppen stammen. Dieser letzte
Satz ist nun aber nicht richtig, und da er es nicht ist, so fällt mit ihm auch der erste,
einerlei ob der unterlassene Versuch mit prorsa gelungen wäre oder nicht'! .
Dabei ist also, wie bei den weiteren Folgerungen überhaupt, nicht
nur nicht darnach gefragt, ob vielleicht niedrigere oder höhere Tempe-
raturen andere Ergebnisse erzielt haben würden, es ist von vornherein
als selbstverständlich angenommen, daß das Maß des für die Erzielung
der levana angewendeten Kältegrades das vollkommene Äquivalent sei
für das Maß der zur Erzielung der prorsa angewendeten Wärme.
Auch daran, daß noch andere Ursachen außer Temperatur und Ent-
wickelungsdauer bei der Nachahmung der ersteren für die Entwickelung
der einen oder der anderen Form in Frage kommen könnten, ist hier
nicht gedacht — es werden sich überhaupt die Ursachen für die Ent-
stehung der Sommer- und der Winterform als vollkommen gleichwertig
gegenübergestellt, w'ährend doch gleich darauf ein sehr wesentlicher
Unterschied in der Konstitution beider gesucht und zu weiterer Be-
weisführung verwertet wird.
So wird denn rundsves; geschlossen: die Wintergeneration kann
nicht in die Sommergeneration verwandelt werden, weil diese weit jünger
ist als sie selbst; somit beruht die künstliche Erzielung von levana aus
levana durch Kälte auf Rückschlag.
Es liegt hier der gewiß seltene und seltsame Fall vor, daß der
Experimentator theoretisch beweisen will, es sei unmöglich, was er
selbst thatsächlich durch seine Versuche ereielt, und daß er auf der
einen Seite sagt, er habe es erzielt, auf der anderen aber, es sei ihm
unmöglich gewesen es zu erzielen, während er gleichzeitig die volle
Übereinstimmung aller Thatsachen mit seiner Theorie nachdrücklich ver-
sichert '), ferner daß er etwas, was im Gegensatz zu seinen theoretischen
Schlüssen steht, erzielt hat, ohne es zu wissen, endlich, daß er von einer
Seiner wissenschaftlich nicht würdigen Gegnerschaft über die eigenen
Leistungen belehrt, nach zwanzig Jahren Bedenkzeit seine ganze »Er-
kenntnis« zurücknimmt.
i; Vgl. »Studien« I. S. 17. Dort heißt es: »Es soll nun untersucht werden, ob die
Thatsachen vollkommen mit dieser Theorie übereinstimmen, ob dieselben nirgends in
Widerspruch mit ihr stehen, und ob sich alle aus ihr erklären lassen. Ich will es
gleich im Voraus aussprechen, daß dies im vollsten Maße der Fall ist«. ^
Eimer, Orthogenesis. 2g
434 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
Schon in »Entstehung der Arten« I habe ich nämlich vorstehende
Einwände z. T. gemacht i). Erst später wurde ich durch den dem Herrn
Johannes Schilde nach seinem Tode von August Weismann als fanatischem
Gegner der Evolutionslehre gewidmeten Nachruf auf dessen Buch auf-
merksam und hoffte nach eigenster Erfahrung in derselben Sache gerade
wegen dieser Abfertigung darin wertvollen Stoff zu finden, was sich
denn auch durchaus erfüllte.
Zwar spricht Schilhe teilweise eine sehr schwülstige und bombastische
Sprache und ich kann seine Ausführungen gegen Weismann nicht überall
anerkennen. So z. B. nicht den Widerspruch gegen dessen Ansicht, daß
Vanessa levana die ursprüngliche Falterform gegenüber l'. prorsa sei.
Auch seine Beurteilung der ÜARwm'schen Voraussetzungen ist nicht überall
richtig. Allein im Wesentlichen hat er gegenüber den »Studien zur De-
scendenztheorie«, wie jeder unbefangene Beurteiler zugeben muß, recht.
Es gebührt ihm das Verdienst, daß er als der Erste unter Verurteilung
der gläubigen Menge, welche davon nichts merkte und merkt, hervor-
hebt, wie »rücksichtslos« die »wertgewandte Deduktion« des Freiburger
Zoologen Schlüsse zu ziehen weiß, daß er als der Erste die »bunte Un-
gezwungenheit« kennzeichnet, »die Weismann eigentümlich ist, wenn er
irgendwelche Größen und Worte für seine Effekt-Thesen behandelt«. Er
weist schon für die »Studien« auf dessen Methode hin, es sich's »bequem
zu machen« und »die Handhaben, welche die Mannigfaltigkeit der Natur-
formen bietet, nur da zu benutzen, wo solche für ihre Theorien passen,
sie ignorieren sie unbedenklich, wo sie inkomuiodieren«. Je bedauer-
licher es ist, daß die wissenschaftliche Welt über die Meere hinüber die
Ungenauigkeiten, die Widersprüche, die offen da liegenden Trug- und
Zwangsschlüsse, auf welchen die »gewandten Deduktionen« aufgebaut
sind, nicht bemerkend, dieselben »fast unisono applaudieren, prämiieren
und ex kathedra verwerten« mag, um so mehr ist anzuerkennen, daß der
einfache Entomologe, den künstlichen Bau zergliedernd, zuerst seine
falsche Fügung rücksichtslos nachweist. Was für Arbeit würde ihm erst
heute zur »Glossierung« zu Gebote stehen in den seitdem erstandenen
Schriften desselben Dialektikers! Denn die alten »Studien zur Descendenz-
theorie« zeigen nur erst bescheidene Anläufe zu den Mitteln, mit welchen
diese hantieren.
»Nur durch eine zusammenhängende Reihe eigentümlichster Beobachtungsfehler
und Mängel, Irrtümer und »Anpassungen«, sagt Schilde, »inhärieren sich diese Studien
den Glauben, »die eigentlichen Ursachen« der Evolution von Arten erkannt und dar-
gelegt, »aus unscheinbaren Einzelheiten zur Erkenntnis allgemeiner Gesetze geführt«
zu haben
Schilde behandelt zuerst rückhaltslos die »eigentlichen Ursachen der
Transmutation« unter Anwendung der eigenen Worte des Dialektikers
»nach dem Maße von Einsicht, von neuer Erkenntnis, welches sie ge-
währen« , mit zersetzender Nüchternheit und angebrachtem Spott. Er
\ Vgl. S. -131 fl".
Professor August Weisraann und Vanessa levana-prorsa. 435
widerlegt das Irrige WEiSMAxx'scher Beweisführung durch dessen eigene
Versuche in Beziehung auf die Behauptung, es sei nicht möglich, prorsa
wieder aus prorsa zu erzielen, ganz so wie wir gethan haben.
Komisch wirkt es zu sehen, wie die Ausführungen des Kritikers der
alten »Studien« zuweilen zu Aufstellungen gegen dieselben kommen,
welche dem Widerspruch der neuen Studien gegen jene entsprechen,
während umgekehrt Sätze der alten anerkannt werden, welchen die neuen
entgegentreten.
Auch Johannes Schilde sagt: >Die Dezimierung der Tagfalter durch
Vögel und andere Verfolger geschieht zumeist bereits im Ei-, Larven-
und Puppen-Stadium, die Imagines, wenigstens die großflügeligen bei
schwachem Körper, sind nur ausnahmsweise das Jagdobjekt von Vögeln« ^).
Er tritt Weismanx entgegen, wenn dieser damals »den indirekten Einfluß äußerer
Lebensbedingungen als Ursache für saisondimorphe Verschiedenheiten der Schmetter-
linge« bezeichnet und dabei »die Anpassung durch Naturziichtung« bestreitet, mit
der Begründung, »daß es für Tagschmetterlinge währenddes Fluges überhaupt keine
schützenden Färbungen gäbe«, und erwidert, diese .Äußerung irrtümlich deutend, daß
gerade die tlatternde Bewegung den bunten Schmetterling während des Fluges schützt,
indem er die grellen Fai-ben mischt, wie dies an einem Kreisel während dessen
Drehung geschieht.
»Die Naivität des ,Belegs' für die Ansicht, daß die Schmetterlinge nicht oben
sondern unten geschützt seien, weil ihnen nur im Sitzen während des Schlafes Gefahr
durch Feinde drohe, mit den Erfahrungen im Zuchtkasten wird als für die , Studien'
charakteristisch bezeichnet«, dagegen hingewiesen auf die glänzenderen Farben der
Unterseite gegenüber der Oberseite, auch bei levana-prorsa, bei Neptis , Apatura,
Lycaena u. a. »Weil das nächtliche Dunkel die Farben löscht, schaffte sie wohl
Metallschuppen unterseits an, damit deren Blinken auch beim Mondlicht den suchen-
den Verfolger leite?«
Die Versuche Weism.4.nx's selbst behandelnd, weist Schilde darauf
hin, daß 30 Puppen von levcma, in den Eisschrank gesetzt, nach etwa
vierwöchentlicher Einwirkung einer Temperatur von -f- 8 bis 10'^ R. statt
prorsa »die meisten Schmetterlinge«, sagt Weismanx S. 7, »alle ohne Aus-
nahme« steigert er sich S. 86, die Zsvischenform porima ergaben. Dorf-
meister erzielte bei Einwirkung von 10 bis 1 1 ^ R. während nur 6 bis
8 Tage und noch weniger nur einzelne porima. Weismaxn's Versuch
9 ergiebt weiter, daß eine vierwöchentliche Einwirkung von 0 bis I o R.
aus 20 Puppen 15 porima und levana erzeugt und nur o prorsa übrig
läßt, während in Versuch I I dieselbe Temperatur, aber 9 Wochen an-
dauernd, von 57 Faltern sogar oi in levana und porima umwandelt.
Daraus geht also hervor: »Die Grade und die Dauer der er-
niedrigten Temperatur-Einwirkung bedingen überwiegend die
Grade der Umänderung von prorsa zu levana. <i
Wer nicht erkennen kann, daß die Grade der Umbildung den Tem-
peraturgraden und der Dauer der Einwirkung entsprechen, »der muß
es nicht erkennen wollen«.
1; S. 115.
28*
41^6 Äußere, besonders klimatische Einllüssc als Ursachen der Artbildung.
»Weil .... ein gewisses Wärmequantum die Bildung der Sommerform prorsa
aus Puppen der letzten Generation nur in wenigen Fällen ergab (»nicht« ergab, sagt
Wei.sjiann , so erklart er damit auch den alleinigen Abiinderungswert der Kälte an
sich widerlegt und diese nur als mittelbare Ursache der Umwandlung«!); die ange-
wendete Wärme aber sei eine mäßige. »Die Erziehung von 3 prorsa und 1 porima
aus 'lOi'?) Pupi)en auf so mäßige Wärmegrade zwischen 12 bis 25'^ erscheint mir,
namentlich in Anbetracht der normalen, individuell oft wesentlich verschiedenen Reak-
tionen keineswegs gering; es war in diesem Experiment die natürliche Angewöhnung
an eine 8- bis 9 monatliche Puppenruhe zu bekämpfen . . . .«-;. Dazu werden beach-
tenswerte Bemerkungen über die Wärmebeeinflussung der Raupen gemacht, in der
Zeit, da sie noch im Freien lebten; weniger WMrme und weniger Tageslicht wird die
noch spät im Jahr zur Verpuppung eingethanen Raupen beeinflußt und wird die levana-
Bildung gefördert haben, unbeschadet der Wärme, welche nur auf die Puppen ein-
wirken gelassen wurde. Deshalb »weil die Stadien des Versuchs 10 A sich fast einen
vollen Sommermonat früher vollzogen, als die des Versuchs 12 A. weil also die ersteren
bereits sommerlicher beeinflußt waren, als die letzteren, deshalb reagierten mehrmals
die Sommerformen auf dieselben künstlichen Wärmeeinfliisse, welche die herbst-
lich präparierten Puppen ignorierten 3).«
Aber weiter. Die Schlüsse des Freiburger Zoologen gründen sich
wesentlich auch darauf, daß Vanessa levana-prorsa dreibrutig sei, zwei
Sommerbruten prorsa habe. So erzielte er seiner Meinung nach (Ver-
such 6) aus bei »hoher Sommerwärrae in Zucht gehaltenen Eiern, Raupen
und Puppen zur levana anstatt dieser Form nochmals die Sommerform
prorsa -mit mehr oder weniger Gelb«.
Da es aber gar keine zweite freilebende p7^o?'sa-Generation
giebt, so hat der Experimentator »durch Wärme aus Larven zur
Winterform a tempo die Sommerform prorsa erzeugt und im Gegensatz
dazu aus Larven zur Sommerform durch Kälteeinwirkung a tempo die
Winterform levana « .
»Wir stehen vor einem ».Studien«-Rätsel! Nachdem Weism.\nn aus Eiern, die
ein in seinem Zuchtkäfig gezeitigter Sommerfalter bereits am 4. Juli iseo für die nächst-
jährige /eröM«- Generation absetzte, »bei der damals herrschenden Sommerwärme
schon nach 30 — 31 Tagen die Schmetterlinge erzog und alle Individuen prorxa waren
— noch dazu »mit mehr oder weniger Gelb!! doch keines unter 18 vollständige
porima \« , da erkannte er nicht, daß er soeben »die Wintergeneration zur Annahme
der Sommerform gezwungen« hatte, sondern er proklamiert das Gegenteil: »eine un-
vertilgbare Tendenz der prorsa-Generation zur /euona-Form« und die Ente: levana
mache nicht blos zwei Generationen im Jahr, sondern drei, eine Wintergeneration
wechsle ab mit zwei Sommergenerationen . .«; »Polygoneuonte« tauft er sie schnell,
weil es ihm »sehr notwendig« erscheint, seinem falschen Begriff ein volltönendes
Wort zu geben.«
Daß Vanessa levana-prorsa überall nur zweibrutig ist, haben Herrn Schilde
auf Anfrage 23 Beobachter und Züchter »von Gumbiunen bis Straßburg und Bern,
von Hamburg und Elberfeld bis Preßburg« bestätigt.
Der Einwurf Schilde's kommt nun auch später, in den neuen Ver-
suchen über Saison-Dimorphismus bei Weismaisx zu seinem Rechte, aber
ohne die Übung der Objektivität, daß demselben die Ehre der Nennung
seines Namens in Gutem gegönnt wurde. Die Art aber, wie der letztere
1) Schilde S. 25. 2) s. 44.
3 Weiteres hierzu vergleiche man bei J. Schilde S. 45 ff.
Professor August Weismann und Vanessa levana-prorsa. 437
seinen Irrtum eingesteht und wieder durch Winkelzüge zu verdecken
sucht, ist überaus kennzeichnend.
Wir haben gesehen, daß in den alten Studien rund und klar ge-
sagt ist, Vanessa levana-prorsa habe drei freifliegende Generationen.
Außerdem ist dort noch schön auseinandergesetzt, wie eine zweite und
dritte Generation durch wärmeres Klima entstanden und eingeschoben
worden ist.
In den neuen Versuchen ist also überall unentwegt wieder von
der »dritten Generation die Rede, als ob gar nichts dagegen eingewendet
worden wäre. Dann heißt es auf einmaU): nille die hier neu mitgeteilten
Versuche bez-iehen sich auf die ^dritte Schmetterlings-Generation' . . .
Die Art ist ziveibrutig bei uns und die Raupengeneration des Spätsommers
bildet gewöhnlich die erste Schmetterlingsgeneration des folgenden Jahres.
Daß ausnahmsweise in sehr heißen Sommern diese spätsommerliche Raupen-
brut noch zur Verpuppung, zum Ausschlüpfen und im Süden Deutschlands
wenigstens auch zur Absetzung der Eier{\) gelangt, haben meine Versuche
von 1869 gelehrti}.), wenn auch durch sie gewiß nicht bewiesen ivird, daß
diese Eier noch bis zur Verpuppung sich entwickeln können l^.), daß also
eine volle dritte Generation sich in den Cyklus der Art einschiebt« (!).
Man bemerke wohl die Füsung des Satzes von: »daß ausnahmsweise«
bis zum Schluß!: die Versuche haben »gelehrt«, daß die sommerliche
Brut noch zum Ausschlüpfen und zur Absetzung der Eier gelangt; daß
aber eine »volle < dritte Generation entsteht, wird dadurch — nicht
bewiesen: dennoch: alle »neuen Versuche: beziehen sich auf die dritte
Generation !
Dann heißt es weiter:
»Ich hätte übrigens schon aus meinen alten Versuchen mit levana den
Schluß ziehen können und sollen, daß der Wechsel der Formen ein re-
lativ freier [Y) sei, denn in einem derselben (Versuch 6) ivar es gelungen,
ein Weibchen der Sommerform prorsa zur Fortpflanzung zu bringen und
zwar m dem heißen Sommer 1869 schon sehr früh, am 4. Juli. Aus den
Eiern entwickelten sich schon nach 50 — 31 Tagen die Schmetterlinge (18
Stück) und diese ivaren alle die prorsa-Form. Einer meiner Kritiker hat
mir dies damals auch mit Recht entgegengehalten. <'~
Dazu ist zu bemerken, daß der Versuch 6, von dem im Vorstehenden
gesprochen wird, derjenige Fall ist, in welchem Weisman.n, wie Schilde
ihm vorwarf, es nicht gemerkt hat, daß er aus prorsa wiederum prorsa
erzog durch Wärmeeinwirkung.
Von dem anderen Falle (Versuch lOA), in welchem Weismann gleich-
falls durch Wärme aus prorsa wiederum einige prorsa statt der levana
erzog, spricht derselbe hier nicht.
Dazu ist ferner zu bemerken, daß es sich in dem Versuch 6 mit
den 18 Stück prorsa um denjenigen handelt, welcher jetzt gelehrt haben
soll, daß es eine dritte Generation in heißen Sommern wenigstens in
' S. 639.
438 Äußere, besonders klimatische Einflüsse ois Ursachen der Artbildung
»•
Süddeutschland gebe, dies um die früher rundweg gemachte Angabe zu
bemänteln, levana-pi-orsa habe überall drei freifliegende Generationen.
In dem Versuche handelt es sich aber ja doch nur um das Ergebnis
künstlich gezogener Tiere und es ist klar, daß das, was der Experimen-
tator auch bei seinen »neuen Versuchen< unbeirrt als dritte Generation
bezeichnet, jetzt einer offenen, ehrlichen Erklärung dahin bedurfte, daß
es sich darin nicht um die Form handelt, welche derselbe früher als
freifliegende dritte Generation fälschlich angenommen hat, die es aber
nicht giebt, sondern um eine prorsa, welche auf Grund von bedeutender
Wärmeeinwirkung auf die Brut der gewöhnlichen prorsu kürzere Ent-
wickelungsdauer gehabt hat und welche einfach an Stelle der levana
noch im ersten Jahre entwickelt worden ist, während sie unter Einfluß
der gewöhnlichen Wintertemperatur erst im nächsten Frühjahr aus-
geschlüpft sein würde.
Schließlich aber kommt der Experimentator in den neuen Versuchen
zu dem Ergebnis:
»Aus den diesmal vorgelegten Versuchen geht nun zunächst hervor^
daß in der Thal die »dritte Generation <i zur Annahme der prorsa-Form
bewogen werden kann, ivenigstens teilweise, ja daß nicht einmal immer
eine besonders hohe Temperatur dazu gehört, damit einzelne prorso-Formen
entstehen. v-
So ist Herrn Weismanx nach unendlich mühsamen, durch zwei Jahr-
zehnte fortgesetzten Wehen und schwierigem Kreisen endlich die An-
erkennung der einfachen, durch ihn selbst längst schon erwiesenen That-
sache entwunden , daß aus prorsa wiederum prorsa durch Wärme er-
zeugt werden kann, und man atmet erleichtert auf.
Alles scheint nun einfach und klar zu liegen: es ist offenbar der
Einfluß von Kälte auf die Puppen Ursache der Entstehung der levana-
Form, Einwirkung der Wärme Ursache der Entstehung der prorsa-
Form. Und da, wie aus allen Versuchen hervorgeht, die Eigenschaften
der prorsa weniger gefestigt sind, als die der levana, da sie aber doch
bis zu einem gewissen Grade gefestigt sind, so muß es sich darin ohne
jeden Zweifel um Vererbung erworbener Eigenschaften handeln. Mit
dieser Anerkennung aber wäre das Ende der WEisMAXx'schen Keimplasma-
Hypothesen vollends besiegelt. Wir dürfen daher begierig sein, durch
welch' neue »Erkenntnis« diese Gefahr von unserem Dialektiker abge-
wendet wird. Dies wird nun in den »neuen Versuchen« unternommen,
in einer Leistung, welche, diejenigen gewöhnlicher Kräfte weit übertrifft,
überraschend, verblüffend wie das beste Stück eines Tausendkünstlers.
Die Versuche mit Einwirkung von Wärme auf die aus prorsa er-
zeugten Puppen gaben jetzt in ausgiebigster Weise wieder prorsa.
In seinem Versuch III erhielt der Experimentator auf Anwendung von 30 — 320C.
lauter — -15 Stück — reine prorsa und zwar, nachdem die Verpuppung teilweise am
8. August stattgefunden hatte, schon zwischen dem 4 5. und 26. August.
In Versuch IV erhielt er bei 21 — 22" C. zwischen 5. bis 2'<. August lauter
(5 Stück) prorsa. Zwischen i 3 und 1 40 C. gehaltene dagegen ergaben zwischen
16. Febr. und 4. April lauter levana.
Professor August Weismann und Vanessa levana-prorsa. 439
In Versuch V, wobei die Räiipcheii schon bei 30 — 3l0 C. aufgezogen worden
waren (zuletzt bei 27 — 280 C.;, die Pappen aber im Brutofen fbei ersterer Temperatur?
sich entwiciielten, entstanden vom i — 7. Sept. 56 prorso, einige mit ziemlich viel Gelb,
aber keine reine, wirkliche porima. Ähnliches ergaben zwei weitere Versuche (VI. VII,;
bei Anwendung hoher Temperatur lieferten sie wieder prorsa.
Der Verfasser nimmt also jetzt seine frühere Rückschlagstiieorie zurück,
indem er damals, wie er sagt, »mit noch wenig klaren Begriffen
über Vererbung operierte«.. »Es fehlte damals noch an einer Theorie
der Vererbung^ an welche man solche Thutsachen halten und sie unter
allgemeinere Vorstellungen subsumieren konnte. Heute ^ wo ich im Keim
des Individuums verschiedene Anlagen zu jeder der beiden Schmetterlings-
formen annehme^ würde ich in diese Unklarheit nicht mehr gefallen sein.
Damals stellte ich mir einen Cyklus so vor, daß ein und dieselbe Keim-
substanz so eingerichtet sei, daß sie einmal levana und das andere Mal
prorsa liefern müsse, dann wieder levana und wieder prorsa; heute denke
ich mir zweierlei Anlagen im Keim nebeneinander , von welchen die eine
durch Wärme zur Entwickelung ausgelöst loird, die andere durch Kälte.
Nun hindert nichts mehr, daß — falls die Umstände danach sind — auf
eine prorsa-Generation noch eine prorsa-Generation folgt, wie ich damals
schon zeigte, daß bei Kälteeinwirkung auf die Puppe eine levana-Generation
von einer zweiten levana-Generation gefolgt sein kann. Der Begriff des
,Rückschlags^ spielt für mich jetzt bei diesen Erscheinungen
überhaupt nicht mehr mit, sondern nur der des Aktivwerdens der
einen oder der arideren Anlage. Mit dieser Anschauung von cyklischer
Vererbung harmonieren die Thatsachen sehr gut, wenn es sich auch zeigt,
daß die Erscheinungen nicht ganz so einfach sind, wie man danach er-
ivarten könnte. Dies beruht darauf, daß die Temperatur nicht der ein-
zige auslösende Reiz ist, daß vielmehr noch etwas anderes dabei mitspielt:
die Neigung zum Alter nieren.<^
Da haben wirs also!: Der Begriff des »Rückschlages« spielt
überhaupt nicht mehr mit! Sehr schnell, in diesem meinem vor-
liegenden Buche selbst hat eine neue Bestätigung gefunden, was ich
vorne auf S. 96 gesagt habe: »es sei unnötig, sich mit der Widerlegung
der jeweiligen Einsicht eines Gegners zu befassen, welcher demnächst
von selbst wieder zu noch neuerer Erkenntnis kommen wird«, und daß
das, was ich gegen jene Einsichten schrieb, schon wiederholt vor der
Veröffentlichung gegenstandslos geworden sei. Was ich in meiner Leydener
Rede gegen die Rückschlags-Erkenntnis des Herrn Weismann gesagt und
vorn auf S. 27 wiedergegeben habe, war damals, als es gesprochen
wurde, schon überflüssig, denn die »neuen Versuche« befanden sich
damals schon im Druck und sie sind mir leider erst zu Gesicht ge-
kommen, nachdem die ersten Bogen dieses meines Buches schon abgezogen
waren.
Diese neuen levana-prorsa-Nev&nche werden also eingeleitet ^j:
»Es kam mir vor allem darauf an, meine früher erhaltenen Resultate
1) S. 635.
440 Au{3ere, besonders klimatische Einilüsse als Ursachen der Artbildung.
durch umfassendere und ivomöglich auch reinere Versuche zu prüfen. Erst
nach Abschluß derselben kam ich darauf, den Saison-Dimorphismus der
Schmetterlinge und so auch hypothetisch wenigstens (!) den von prorsa-levana
nicht ivie bisher als direkte Wirkung der Temperaturunterschiede zu be-
trachten, sondern als Anpassungs-Dimorphismus, dessen beide Enlwickelungs-
anlagen nur an verschiedene Temperaluren als Auslösungsreize geknüpft
sind. «
Der allgemeine und zusammenfassende Teil beginnt alsoi):
y> Obgleich ich iveit entfernt bin. die wenigen Versuche, welche ich hier
vorlegen konnte, für genügend zu halten, um zu einem festen Abschluß
unserer (\) Ansichten über den Saison-Dimorphismus zu gelangen, so möchte
ich doch nicht unterlassen, dieselben vorläufig in unsere (\) allgemeine Vor-
stellung darüber einzuordnen.«
Wer jeden Augenblick in derselben Frage und in allem Anderen
seine Meinung wechselt, wie er das Hemd wechselt, und keine Spur von
Empfindung dafür hat, wie erheiternd es ist, wenn ein solcher Mann seine
neueste Erkenntnis wiederum als solche der allgemeinen Wissenschaft,
als »unsere« Errungenschaft hinstellt, wer soeben das Endergebnis einer
ganzen früheren Schrift über denselben Gegenstand, die »Erkenntnis«,
zu welcher er nach so viel Denkarbeit gekommen ist, in so unbedingter
Weise als auf unklaren Vorstellungen und Deutungsfehlern beruhend
selbst zurückweisen mußte, der muß ein seltenes Zutrauen nicht nur zu
sich selbst, sondern zum Aufnahmebedürfnis des gläubigen Marktes haben,
wenn er es wagt, seine neue »Erkenntnis« mit den wiedergegebenen
Worten auf demselben einzuführen.
Gewiß, einen gewöhnlichen Sterblichen müßte im Augenblick eines
so großen Häutungsprozesses jedenfalls eine leise Ahnung davon be-
schleichen, daß es der Wissenschaft nun ebenso vollkommen gleich-
gültig sein muß, zu erfahren, was Herr August Weismann heute neuestens
über eine Sache denkt und sich vorstellt, wie es für sie gegenstandslos
geworden ist, was er gestern und so und so oft vorher anders darüber
gedacht und sich vorgestellt hat.
Zunächst müssen wir aber ein neues ungemein bezeichnendes, mehr
als dialektisches Kunststück der »neuen Versuche« an's Licht ziehen.
Weiterhin heißt es: ^Als ich im Jahre 1875 zum ersten Male mich
bemühte, dem Wesen dieser auffälligen und doch so lange unbeachtet ge-
bliebenen Erscheinung nachzuspüren, nalim ich es gewissermaßen als selbst-
verständlich an, daß diese Art des Dimorphismus überall eine direkte Folge
der verschiedenen direkten Einflüsse des Klinui's, hauptsächlich der Wärme
sei, lüie sie in regelmäßigem Wechsel die Frühjahrs- und die Sommer-
1; S. 636.
Professor August Weismann und Vanessa lovana-prorsa. 441
generation mehrhrüliger Arten treffen. Wohl hatte ich die andere Möglich-
keit^ daß der mit der Jahreszeil verhnüpfte Dimorphismus auch auf dem
indirekten Einfluß der icechselndcn Umgebung beruhen könne, d. h. cdso,
daß er auf Anpassung an. die je nach der Jahreszeit verschiedene Um-
gebung des Schmetterlings beruhen könnte, auch schon m's Auge gefaßt.
Ich sagte damals: ,An und für sich wäre es nicht undenkbar, daß
bei Schmetterlingen analoge Erscheinungen vorkamen^, wie das Winler-
und Sommerkleid bei alpinen und arktischen Säugetieren und Vögeln, ,nur
mit dem Unterschied, daß der Wechsel in der Färbung nicht an ein und.
derselben Generation aufträte, sondern alternierend an verschiedenen''. Es
schien mir aber damals schon der Umstand gegen diese Auffassung des
Saison-Dimorphismus zu sprechen, daß die gewöhnlich nicht adaptive{\)
Oberseite der Tagfalter gerade im Sommer und Frühjahr stark ver-
schieden sein kann, zuweilen stärker, als die adaptive Unterseite. Dazu
kam noch, daß es gelang, durch Einwirkung von höherer Temperatur künst-
lich die eine oder die andere Saisonform hervorzurufen , d. h. der Gene-
ration des Sommers den Stempel der Winterform aufzuprägen und um-
gekehrt. Ich schloß also, daß die ivährend. der Puppenzeit einwirkende
Wärmemenge es sei, welche die Art in der einen oder der anderen Weise
direkt gestalte, und ich durfte dies mit um so größerem Recht thun, als die
Klimavarietäten eine Parallele zu den Saisonformen bildeten und als diese
ohne ZweifeUauf die direkte Wirkung des Klima''s, vor allem der Wärme,
bezogen loerden mußten.«
^> Obgleich ich auch, heute noch diese Ansicht für richtig und eine
direkt abändernde Wirkung der Wärme für erwiesen ansehe, so bin
ich doch allmählich zu der Überzeugung gekommen, daß dies nicht die ein-
zige Art der Entstellung saisondimorpher Verschiedenheiten ist, sondern daß
es auch einen adaptiven Saison-Dimorphismus giebt. . . .«
»/n einem Anfang 1894 zu Oxford gehaltenen Vortragt) habe ich
diese Ansicht schon ausgesprochen und zu zeigen versucht, daß adaptiver
Saisoti-Dimorphismus , den ich früher nur als möglich hingestellt hatte,
ivii'h'lich vorkomme. Das dort für Sciimetterlinge gegebene Beispiel
war freilich nur ein hypothetisches , der Fall nämlich von Vanessa prorsa-
levana[\) aber für Raupen . . . .«
Alsbald mehr davon, wie Herr Weismann in Oxford den adaptiven
Saison-Dimorphismus der Schmetterlinge (denn um diesen handelt es
sich ja doch für uns, nicht um Raupen) wirklich gezeigt hat.
Man beachte wohl den Ersatz von sich steigernden Wörtern, der
hier vorliegt. 1875 will Herr Weism.4,nn gesagt haben, es wäre Saison-
Dimorphismus bei Schmetterlingen »nicht undenkbar« , auf der nächsten
Seite wandelt er dies dahin, als habe er ihn damals als möglich hin-
gestellt — zuletzt hat er ihn als wirklich erwiesen — freilich nur an
einem hypothetischen Beispiel! Aber noch mehr.
1; Äußere Einflüsse als Entwickelungsreize, Jena 1894.
442 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildun
o-
Schlagen wir nach, was Herr Weismann 1875 in dieser Sache wirk-
lich gesagt und wie er den Saison-Dimorphismus der Schmetterlinge
damals »nicht für undenkbar« oder gar für möglich« erklärt hat, so
lesen wir auf S. 5 der ^Studien zur Descendenztheorie« wörtlich: »An
und für sich wäre es nicht undenkbar, daß bei Schmetterlingen
analoge Erscheinungen vorkämen. . . . Indessen schließt die Quali-
tät der Färbungsunterschiede, welche beim Saison-Dimorphismus
vorkommen, diese Deutung auf das e^itschiedenste aus, und
ferner bleibt die äußere Umgebung der Schmetterlinge, mögen
sie nun im Frühjahr oder Sommer ausschlüpfen, so sehr die
nämliche, dafs jeder Gedanke ^ man habe es hier mit ver-
sehiedenartif/en synipathischeu Färbungen i^u thun, gänz-
lich aufgegeben n^erden tnuj's.
Man sieht, Herr August Weismann hat seine früheren Äußerungen
durch jesuitische Umstellungen und durch Weglassen der positiven früheren
Meinung, er hat seine eigene frühere Arbeit einfach gefälscht, um in
den Augen unvorsichtiger Leser eine Brücke zur Erkenntnis der neuen
zu schlagen.
Damit könnten wir eigentlich mit den Leistungen unseres Natur-
forschers abschließen. Allein es ist um der guten Sache der Wissen-
schaft willen notwendig, dieselben bis zum Schluß zu verfolgen.
Wir stehen noch vor der Pforte der neuen Erkenntnis, durch welche
die Beweisführung des Herrn August W^eismann uns einladet einzutreten.
Verfolgen wir diese Beweisführung zu Gunsten des »adaptiven Saison-
Dimorphismus« an dem erfaßten Faden weiter: ~^Das dort für Schmetter-
linge gegebene Beispiel war freilich nur ein hypothetisches, der Fall nämlich
von Vanessa prorsa-levana, aber für Raup en[\) ivenigstens konnte ich ein
Beispiel aus Edwards vortrefflichem Werk über die nordamerikanischen
Tagfalter mit ziemlicher Sicherheit herauslesen[\), das später noch
genauer zu besprechende von Lycaena pseudargiolus.<i-
Statt Schmetterlingen werden uns also zunächst — Raupen — »mit
ziemlicher Sicherheit« in Aussicht gestellt. Weiter:
»Ich 'wußte damals noch nicht, was mir kurz darauf durch eine inter-
essante kleine Schrift von Dr. G. Brandes bekannt wurde, daß schon seit
längerer Zeit Fälle von Saiso7i-Dimorphismus bei tropischen Tagfaltern er-
kannt tüorden waren und daß bei diesen weyügslens doch die eine[\) der
Saisonformen auf der Annahme einer besonderen Schutzfärbung beruht.<^'^)
Vernehmen wir nun aber die Thatsachen, welche diese fern aus den
Tropen hergeholte Begründung liefert : »Jedenfalls haben Doherty und
später Niceville für indische Tagfalter eine Reihe von saisondimorphen
1, Für diese »interessante«, will heißen, zu Gunsten Herrn Weismann's redende
Schrift ist, nebenbei bemerkt, mein Freund Bbandes in der Einleitung zu den »neuen
Versuchen«, ihm selbst, der nie ein Experiment gemacht hatte, gewiß vollkommen un-
verhofl't, zum »vortrefflichen Experimentator« ernannt worden.
Professor August Weismann und Vanessa levana-prorsa. 443
Arten nachgewiesen . . . und in allen diesen Fällen besteht der Unterschied
der beiden Formen icesentlich darin, daß die eine Form auf der Unter-
seite einem dürren Blatte ähnlich sieht, die aridere aber eine andere Zeich-
nung und zugleich eine Anzahl Augenflecke besitzt.«
Wer hoffte, endlich horadimorphe Anpassung der Oberseite kennen
zu lernen, ist höchlichst enttäusclit: in andauernder Ermangelung derselben
wird die Unterseite zu Hülfe genommen. Aber nicht genug: nichts
Nveiter kommt bei der ganzen in\s Feld geführten Entdeckung zu Tage,
als die mit oder ohne Hora-Dimorphismus gewöhnliche Thalsache, daß die
eine Form unten blattähnlich ist!
Doch damit ist freilich die Beweisführung nicht erschöpft: die andere
Form besitzt ja auf der Unterseite eine andere Zeichnung und zu-
gleich eine Anzahl Augenflecke! Das genügt »uns« vollkommen
zur Anpassung und damit zur Vervollkommnung unserer Erkenntnis. Der
Verfasser fährt nämlich fort: '>Oline mich in die Streitfrage über den bio-
logischen Wert dieser Augenflecke hier einzulassen [X), so zweifle ich doch
keinen Augenblick daran, daß auch die Färbung mit den Augenßecken eine
adaptive ist, mag sie nun Schutz- oder Schreckfärbung sein{\\]. Hätte die
eine von beiden Formen keine biologische, adaptive Bedeutung, so könnte
sie überhaupt nicht mehr da sein, die einzige adaptive würde sie verdrängt
haben.«
»Die WAGNER'sche Logik ist diese: weil Wagner überzeugt ist, daß
neue Arten nur durch Isolierung gebildet werden, darum ist auch in
diesem Falle das Wohngebiet ein isoliertes, und weil es isoliert ist, darum
haben sich auch hier neue Arten gebildet! Die Isoliertheit wird voraus-
gesetzt, um damit die andere Voraussetzung, daß Arten nur durch Iso-
lieruns; entstehen, zu beweisen. Ein echter Circulus vitiosus«, sagt August
Weisma>>- in seiner Schrift »über den Einfluß der Isolierung auf die
Artbildung« 1872 (S. 28) und er hat daran gelernt. (Vgl. vorn bes. S. 87.)
Sofort nach Schluß dieser überzeugenden Beweisführung des Vor-
kommens von Hora-Dimorphismus bei tropischen Tagfaltern wird einfach
solcher bei einheimischen Schmetterlingen als bestehend herein eskamo-
tierti), indem gesagt wird: »bei den Fällen von adaptivem Saison-
Dimorphismus einheimischer Falter kennen ivir die Temperatur cds Aus-
lösungsreiz« und weiter — auf Grund der vorgeführten klassischen
Beweise — geschlossen: ^>Es giebt also (!) zwei ganz verschiedene Wurzeln
der Erscheinung des Saison-Dimorphismus, indem einmal direkte Wir-
kung wechselnder äußerer Einflüsse, nämlich der Temperatur, diesen
Wechsel in der äußeren Erscheinung bedingen kann, andererseits aber
Selektionsprocesse :!) .... Xicht immer freilich icird es leicht sein, zu
entscheiden, wohin man einen bestimmten Fall zu rechnen habe, da es be-
kanntlich heule nicht immer schon zu sagen ist, ob eine Färbung oder
Zeichnung einen bestimmten biologischen Wert hat oder nicht.*
Gewiß : bekanntlich
1) S. 658.
444 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
In den alten Stadien über Saison-Dimorphismus hatte mein heu-
tiger Gegner zur Abweisung von Anpassung noch weiter gesagt i):
>\un zeigen sich also die Unterschiede gerade in den ausgebildetsten
Fallen des Saison-Dimorphismus, z. B. bei Vayiessa levana, viel weniger
auf der Unter- als auf der Oberseite der Flügel. Die Erklärung durch
Anpassung ist also unhaltbar und ich will mich hier mit einer umständ-
lichen Widerlegung derselben um so weniger aufhalten als ich glaube, die
wirkliche Ursache der Erscheinung nachweisen zu kön7ien.«
Als diese Ursache wird im Folgenden die direkte Einw'irkung
der wechselnden äußeren Lebensbedingungen bezeichnet, die
ja ohne Zweifel bei der Wintergeneration andere seien als bei der
Sommergeneration, insbesondere Temperatur und Entwickelungs-
dauer!
Seitdem ist Herr Weismaxn, so gut begründet gewiß seine frühere
Ansicht war, zur Vertretung der entgegengesetzten, damals als unhalt-
bar bezeichneten 3Ieinung fortgeschritten. Er sagt 1894 2) in Beziehung
auf jene Ansicht: »Es ist mir indessen damals schon zweifelhaft erschienen,
ob eine so totale Umgestaltung der Farbe und Zeichnung, wie sie bei der
Sommerform prorsa eingetreten ist, wirklich nur auf der zufälligen Wirkung
höherer Temperatur beruhen kann , und ich habe damals schon den Ge-
danken an Mimikry im Stillen gehegt [W) , wenn auch als unwahrschein-
lich einstweilen ivieder verworfen. <
So dachte damals im Stillen der Mann, welcher gleichzeitig
schrieb: »es schließt die Qualität der Färbungsunterschiede, welche beim
Saison-Dimorphismus vorkommen, die Deutung, daß dieselben auf Anpassung
durch Naturzüchtung beruhen -»auf das Entschiedenste aus«, und welcher
eben damals weiter sagte: »es sei kein Gedanke daran« u. s. iv.
Dann lesen wir weiter:
»Nachdem wir aber jetzt durch die vereinten Bemühungen vieler vor-
trefflicher Beobachter — zuletzt noch Erich Haasens — die Erscheinung
der Mimikry als eine viel allgemeinere und verbreitetere kennen gelernt
haben, als man damals ahnen konnte, möchte ich bestimmt er [W] die Mög-
lichkeit ins Auge fassen, daß die Sommerform prorsa auf Nachahmung
der Limenitis Sibylla beruhen könnte, welche mit prorsa dieselben Flug-
plätze an lichten Waldstellen gemein hat \md welcher diese in der That
sehr ähnlich sieht. Einen förmlichen Beweis kann ich freilich dafür
zur Stunde nicht führen, da ich nicht einmal sagen kann, ob etwa diese
Limenitis Sibylla zu den immunen Arten zu rechnen istil). Ich verzichte
auch hier auf Darlegung der Gründe, welche mich zu dieser Vermutung
drängen, und erwähne den ganzen Gedanken {\) nur, um an einem Beispiel,
sei es nun echt oder Mos fiktiv{\\), darzuthun, ivie der Schein einer Um-
wandlung durch äußeren Einfluß entstehen könnte, während dieser Einfluß
1; S. 6.
'-j »Äußere Einflüsse als Entwickelungsreize« S. 17 IT.
Professor August Weismann und Vanessa levana-prorsa. 445
— hier also die Wanne — in Wahrheit doch nur die Rolle des auslösen-
den Reizes spielt, und die eigentliche Ursache in einer Abänderung der
Keimesanlagen beruht, hervorgerufen durch Selektionsprozesse, hier durch
Anpassung der Sommergeneration an eine mit ihr zugleich fliegende ge-
schützte Art.«^
Ein Jahr darauf 1895 in den »neuen Versuchen , beruft Herr
Wejsmaxx sich nun auf jenes »fiktive« Beispiel und baut weiter auf
dasselbe auf:
»Als hypothetisches Beispiel eines adaptiven Saison-Dimorphismus habe
ich Vanessa prorsa-levana angeführt und mich dabei auf die merkwürdige
Ähnlichkeit gestützt, ivelche die Oberseite der schwarzen, mit iveißer Binde
versehenen prorsa-Form mit Limenitis Sibylla und Camilla hat. Ich ver-
kenne aber nicht die Schwierigkeiten, welche einem Beweis, daß hier Mimicry
vorliegt, entgegenstehen. Wir wissen nicht einmcd, ob diese Limenitis- Arten
immun sind oder ob sie von Vögeln verfolgt iverden , resp. in früheren
Zeiten verfolgt wurden. Ließe sich aber auch nachweisen, daß sie immun
sind und daß prorsa Schutz durch die Ähnlichkeit mit ihnen geivänne, so
bliebe doch immer noch zu enträtseln , ivieso die levana-Form adaptiven
Wert hat und zwar in ihrer Oberseite, welche ja ineist keinen adaptiven
Wert besitzt bei Tagfaltern. Allerdings habe ich vor Jahren zeigen{\) können^),
daß die dunkle Oberseite weiblicher Bläulinge in der That Schutz verleiht,
da sie ihre Eier mit ausgebreiteten Flügeln ablegen und dabei erheblich
iveniger auffallen, als die blauen Männchen es ihun, wenn sie mit ausge-
breiteten Flügeln dasitzen. Wir kennen aber die Lebensgewohnheiten der
levana-Form nicht so genau, und ivenn wir sie kennten, würde es immer
noch unsicher genug bleiben, ob wir ihr dem dürren Laub des Frühjahrs-
waldes allerdings ähnliches Obergeivand als protektiv betrachten dürfen.«.
»Es ist aber, ivie mir scheint, nicht wohl denkbar, daß adaptiver
Saison-Dimorphismus entstehen könne, wenn nicht beiderlei Sommerformen
adaptiven Wert haben. Denn gesetzt, die eine allein sei adaptiert, hier z. B.
die mimetische prorsa-Form, so würde diese also durch Selektion entstan-
den zu denken sein, d. h. es würden die Anlagen [Determinanten] ihrer
Flügelfärbung nach aus levana- Anlagen zu prorsa- Anlagen geworden sein«,
denn es wäre dann nicht einzusehen »wodurch es verhindert iverden sollte,
daß im Laufe der Generationen nach und nach sämtliche Ide nur noch
prorsa-Ide enthalten sollten und die levana-Ide verdrängt tvürden. Denn
wenn überhaupt auch nur im Sommer die prorsa-Form im Vorteil ist ge-
genüber der levana-Form, dann hätten alle Lidividuen, welche keine reine
prorsa sind, nach und nach ausgemerzt iverden müssen. <i . . .
»Nur wenn die levana- Färbung im Frühjahr vorteilhafter war als
die prorsa-Färbung, konnte und mußte sie erhalten bleiben, und zwar
dadurch, daß nur ein Teil der im Keimplasma enthaltenen Ide sich zu pror Sa-
lden umwandelte, ein anderer aber unverändert blieb. <^
1) Vt-l. vorn S. 352. 353.
446 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen her Artdildung.
Man sieht, nun isl die Notwendigkeit %on Anpassung auch für levana
unzweifelhaft. Sie ist genügend vorbereitet und wir dürfen begierig
sein, wie sie zu beweisen versucht wird.
Zunächst scheint dieser Beweis auch Herrn Weismann unmöglich. Es
heißt nämlich bei ihm weiter:
»We7in es nun ^iber zur Zeit nicht möglich ist, einen Beweis für die
Vermutung zu liefern, daß die Oberseite von prorsa und levana als Schutz-
färhung anzusehen ist, so spricht die feinere Zusammensetzung, überhaupt
die Art der Verschiedenheit von beiderlei Farbenmustern entschieden gegen
ihre Deutung als direkte Klima form.«
Wie falsch und gegenstandslos auch diese Begründung wiederum
ist, das lehren zur Genüge die in diesem Buche mitgeteilten That-
sachen über sprungweise Entwickelung, das beweist die gesetzmäßige
Umbildung von Farbe und Zeichnung der Vanessa levana zu prorsa.
Einige Seiten später ') hat unser Naturforscher nun schon eine
zuversichtliche Einbildung von der Schutzfärbung sowohl von V. levana
wie von prorsa gewonnen. Er wagt es jetzt für prorsa, wenn auch
zögernd, sogar eine Doppelanpassung durch Verkleidungs- und durch
gewöhnliche Schutzfärbung aufzustellen, um die hypothetische Verklei-
dung als einen Fall von »wirklichem«, adaptivem Saison-Dimorphismus
zu sichern.
Denn: ^ bei ausgesprochener Doppelanpassung protektiver Natur«, sagt
er, »kann man mit Sicherheit auf einen solchen [gezüchteten) Ursprung
des Saiso72-Dimorphismus schließen«. Nun wird von den braunen Tönen
auf der Unterseite der levana gesprochen, dann heißt es weiter: V. le-
vana ist also im Sitzen jedenfalls dem vielen dürren Laub des Frühjahrs-
waldes angepaßt, doch iveiß ich nicht, ob sie am Boden ausruht^?]. Vanessa
prorsa übernachtet '■y) wohl{\] auf Pflanzen, Brombeersträuchern, Hollunder
[Sambucus ehulus) und der gleichen {}.) und wird gerade durch ihre weiße
auch im Sitzen sichtbare Binde in der Nähe von Blumen{\) gut geschützt
sein -).
»Obgleich die Oberseite der meisten Tagfalter keine sympathischen Fär-
bungen hat«, — heißt es hier — »so will ich doch keineswegs bezweifeln {^j,
daß solche in einem ganz allgemeinen Sinne vorkommen mögen, und gerade
die levana-Form mag im Flug durch ihre Farbenübereinstimmung mit dem
gelb-braunen dürren Laub des Frühjahrswaldes einigermaßen geschützt
sein. Im Allgemeinen aber wird protektive Färbung der Oberseite als
Mimicry auftreten.«
Nachdem auf diese drollige Art der Beweis geliefert ist, daß bei Vanessa
prorsa Verkleidung mit Saison-Dimorphismus verknüpft und levana durch
1) S. 681.
-) Vergrößern wir diese »Anpassung« etwas, um sie deutlicher und verständlicher
zu machen: ein Gelehrter, angethan mit einem schwarzen Schlapphut und einerhellen
Halsbinde auf einem Schneefelde, wird durch die auch im Sitzen sichtbare Halsbinde
prächtig angepaßt sein — besonders in der Nähe von Blumen!
Professor August Weismann und Vanessa levana-prorsa. 447
Schutzfärbung angepaßt sei, wird im Folgenden zunächst auf Grund des
ersteren Beweises mit großem Ernst die Frage erörtert, ob solche Fälle
von doppelter Anpassung bei Schmetterlingen häufig vorkommen. Noch
schwieriger, als dies findet unser Naturforscher es schließlich zu ent-
scheiden, ob man es im einzelnen Fall mit reinem direktem Saison-
Dimorphismus zu thun habe oder mit adaptivem!
Nach solcher Leistung lohnt es sich nicht auf die weiteren »Ver-
mutungen« einzugehen, welche den Verfasser dazu führen, »mit großer
Sicherheit schon im voraus ^ohne daß einstweilen genauere Unter-
suchungen \orliegen) den Saison-Dimorphismus auf Selektionsprozesse«
zu beziehen und doppelte schützende Anpassung anzunehmen i).
Doch hören müssen wir immerhin , wie nun die also bewiesene
levana- und pj^orsa-Anpassung zu hochwichtigen Schlüssen verwertet
wird ^) :
^Aber ivährend ich damals nicht glaubte[]), diese Neubildung doch
immerhin noch als eine Reaction des speci fischen levana-Organismus auf
höhere Wärme betrachten zu müssen, erkenne (!) ich jet::^t , daß Wärme
hierbei überhaupt nicht als eigentliche Ursache mitspielt, sondern daß es
sich um einen Züchtungsproceß[\) handelt, der unabhängig von der
Temperatur {\) vor sich ging und den einen Teil der Ide zu prorsa-lden
allmählich umstempelte (!). Diese prorsa-lde wurden aber zugleich so ein-
gerichtet, daß sie bei Einwirkung höherer Temperatur, wenn dieselbe im
Beginn der Puppenperiode einwirkte, aktiv wurden, während bei niederer
Temperatur die levana-Ide aktiv wurden. Wanne ist also nur der Aus-
lösungsreiz für die prorsa- Anlage, Kälte der für die levana- Anlage.".
»Damit ist aber die Sache noch nicht erschöpft«, heißt es dann, -»ich
habe früher geglaubt<-i (!) u. s. w.
y>Es scheint mir, als hätten wir[\) mit dieser Anschauung vom Saison-
Dimorphismus der Vanessa levana-prorsa eine befriedigendere Einsicht in
dieses merkwürdige Phänomen gewonnen, als wir{}}j sie bisher besaßen.«
Und weiter:
yTreten wir nun, ausgerüstet mit dieser besseren Erkennt-
nis i^), an die Betrachtung noch einiger anderer Fälle heran, die wir als
adaptiven Saison-Dimorphismus auffassen müssen, ivie ich glaube[\].«-
Wir haben im Vorstehenden die gewiß erheiternden Erzeugnisse der
Phantasie eines märchenerzählenden Naturforschers vollständig wieder-
gegeben, zum Beweis, wie Unrecht Rabbi ben Akiba doch gehabt hat.
Die Einladung, der Forsetzung dieser wieder und zum so und so
vielten Male von ihrem Erfinder selbst als »bessere Erkenntnis- gepriesenen
und an Stelle früherer Erkenntnis gesetzten Phantasien zu folgen, müssen
»wir« aber dankend ablehnen.
Bemerken wollen wir indessen, daß jene Einladung unmittelbar ein-
führt in die Verwertung des »adaptiven Saison-Dimorphismus des kleinen
1) S. 679. 2) s. 668.
448 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
Weißlings, Pien's napi«, dessen Erfindung wenn müglich noch um vieles
bodenloser erscheint, als die bei Vanessa prorsa. i)
Es ist überaus lehrreich zu verfolgen, wie das Gefüge dieser ganzen
neuen Schrift über den Saison-Dimorphismus wiederum aufgebaut ist, zu
sehen, wie die zügellose Phantasie des Erzählers so weit kommt, daß
derselbe die eigenen, von ihm zuerst als solche unumwunden anerkannten
Erfindungen von Seite zu Seite mehr zu Thatsachen zu stempeln sucht,
an die er anscheinend zuletzt selbst glaubt, für die er von uns die An-
erkennung neuer erlösender Erkenntnis verlangt. Es ist überaus lehr-
reich, zu sehen, wie er dann die selbst erfundene Anpassung benülzt
zu einer weiteren Erfindung, der des »adaptiven Saison-Dimorphismus»,
wie er darauf durch sich selbst weiter und weiter getrieben zur Erfindung
des doppelten (!) adaptiven Saison-Dimorphismus und endlich zur Prokla-
mierung der Wahnvorstellung gelangt, die Entstehung von Winter- und
Sommerform beruhe nicht, wie er früher selbst angenommen hatte, auf
klimatischen Einflüssen, sondern sie sei das Ergebnis eines — Züchtungs-
prozesses.
Wohl niemals dagewesen ist es aber auch, wie ein öffentlicher
Mann der Naturwissenschaft seine eigenen durch Thatsachen wohlbe-
gründeten früheren Auffassungen dergestalt durch einfache Erfindungen
der Phantasie' Schritt für Schritt in's Gegenteil verkehren und dieses als
neue erlösende. Erkenntnis ausbieten mag — zuletzt nur um den
einen unhaltbaren, von ihm in späteren Tagen aufgestellten Lehrsatz zu
retten: erworbene Eigenschaften sind nicht vererbt — und auch dies
um den Preis des Verlassens der wichtigsten Grundlage dieses Lehrsatzes
und seiner ganzen mühevoll aufgebauten Hypothesen, der Voraussetzung
der Nichtbeeiuflussung des Keimplasma's durch äußere Einwirkungen (vgl.
das Folgende).
Kaum dagewesen ist es wohl endlich, daß ein solcher öffentlicher
Mann zu gleicher Zeit zwei Schriften schreibt, in welchen er in grund-
legenden Fragen das gerade Gegenteil als Regel aufstellt:
Soeben wurde zu Gunsten der »Germinalselektion« die unbedingte
Anpassung aller Zeichnung und Farbe der Oberseite der Schmetterlings-
flügel im vollsten Gegensatz zu eigener früherer Ansicht und ohne jeden
Beweis behauptet, nur mit der Einschränkung, daß dieselbe da und dort
dem Bedürfnis der Vorzeit angehören möge und ihr Nutzen heute nicht
mehr zu entziffern sei — in der gleichzeitig gedruckten zweiten Schrift
wird trotz zw'angsweiser hypothetisch-fiktiver Anpassungsannahme im
einzelnen Fall zu Gunsten erstrebten Beweises wiederum im vollen Gegen-
satz zur Grundlage eben der »Germinalselektion«, anerkannt, daß in der
Regel Farbe und Zeichnung der Oberseite der Schmetterlingsflügel nicht
angepaßt seien.
Zur Zeit als ich meinen Vortrag in Leyden hielt, waren die »neuen
Versuche«, wie schon gesagt, noch nicht erschienen und als ich den
1) Vgl. S. 670.
Professor August Weismann und Vanessa levana-prorsa. 449
ersten Teil dieses Buches schrieb, hatte ich sie noch nicht gelesen, sonst
würde ich schon Eingangs darauf hingewiesen haben, wie vollkommen un-
nötig es allein aus diesem Grunde sei, die »neue Erkenntnis < der
»Germinalselektion< zuwiderlesen. Freilich: »wir sind ja nur in seltenen
Fällen im Stande, zu erkennen, ob eine Eigenschaft von Nutzen ist, und
besonders die Oberseite der Schmetterlingsflügel ist eine Tafel mit aus
alten Zeiten stammender Schrift, schwer zu entziffern für uns«, hieß es
dort. Daß dieselbe heute in der Regel nicht mehr angepaßt ist, er-
fahren wir aus jener anderen Schrift desselben Naturforschers. Zugleich
aber will er uns glauben machen, daß eine durch ihre Farbe, wie alle
Weißlinge, überall sich aufdrängende Art dieser Sippe wegen kaum
nennenswerter Farbenunterschiede ein überzeugender Beweis sei für
seinen »adaptiven« Saison-Dimorphismus^).
Das Schlußergebnis der Betrachtungen des Freiburger Gelehrten über
Vanessa levana und prorsa ist also dieses, daß es sich nach seiner
jetzigen Ansicht bei der Umbildung der Zeichnung von ersterer in
letztere nicht um Wärme als eigentliche Ursache handelt, sondern um
einen Züchtungsprozeß, der unabhängig von der Temperatur
vor sich ging und der einen Teil der Ide zu prorsa-lden allmählich
»umstempelte«!
Wenn ich eine Spekulation, welche sich auf den von Herrn Aüglst
Weismann produzierten Beweis des adaptiven Saison-Dimorphismus von
Vanessa levana-prorsa und anderer Falter stützt, als eine vollkommen
bodenlose wiederholt bezeichne , so halte ich mich dabei an den vollen
Sinn des Wortes.
Aber wir müssen endlich noch auf eine Schlußfolgerung eingehen,
welche Herr Weismann aus seinen »neuen Versuchen« zieht und welche
wiederum deshalb ausgedacht ist, um der immer zwingender sich auf-
drängenden Thatsache der Vererbung erworbener Eigenschaften und der
Beeinflussung des Keimplasma's in diesem Sinne zu entgehen.
Da doch nicht alle Jahreszeiten-Abartung als Anpassung bezeichnet
werden kann, so unterscheidet Herr Weismann, wie gesagt, eine adaptive
und eine direkte.
Diese neue Spekulation wurde erfordert durch die Thatsachen, welche
Versuche insbesondere an Polyommalus [Chrijsophanus] phlaeas gegenüber
den Vorstellungen von angepaßter Jahreszeiten-Abartung bei Vanessa
levana-prorsa gegeben haben, und sie fallen deshalb noch mit in den Be-
reich der Behandlung der letzteren.
1) Vgl. auch Schilde a. a. 0. S. 20. 21.
Eimer, Orthogenesis. 29
450 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
Die Jahreszeitenanterschiede beziehen sich bei phlaeas nur auf die
Oberseite und für die schwarze Bestäubung ist ein biologischer Wert
schwer zu finden.
P. phlaeas hat in Südeuropa (Neapel) drei Brüten. Die zwei Sommer-
bruten (Var. eleus] sind dunkler, als die Winterbrut. Da die Schwärzung
des Gelbrot der Oberseite dort schon an der letzteren, deren Baupe über-
wintert, erscheint, so handelt es sich doch wohl um Vererbung erworbener
Eigenschaften, sagt Standfuss (a. a. 0. S. 294):
»Weismann nimmt in »Äußere Einflüsse als Entwickelungsreize« an, daß der
schwarze Anflug der Oberseite der Flügel von Polyommalus phlaeas in der zweiten
Generation durch unmittelbare Einwirkung höherer Wärmegrade entsteht. Gewiß
mit Recht. Es wird diese Schwärzung teilweise bereits auf die erste Generation des
Jahres, als auf die aus überwinternder Raupe, durch Vererbung übertragen.«
»Unmittelbar darauf bezweifelt Weismaxn diese direkte Einwirkung als Ursache
für das Kleid der var. prorsa, der Sommerform von levana, und glaubt, daß die Wärme
in diesem Falle nur die Rolle des auslösenden Reizes spiele, indem er, nach seinem
eigenen Ausdruck, bestimmter die Möglichkeit ins Auge fassen möchte, daß es sich
in Wahrheit hier um eine Erscheinung der Mimicry handle. «
»Diese Möglichkeit ist aber aus mehr als einem Grunde unmöghch . . . .«
Herr Merrifield, welcher Versuche mit Wärme und Kälte an Pol. phlaeas ge-
macht hat, kommt zu dem Schluß: Es scheint, daß bei dieser Art die Farbenbildung
nicht dadurch besonders beeinflußt wird, daß die Puppen lange Zeit einer sehr großen
Kälte ausgesetzt werden, sondern dadurch, daß man sie der künstlichen Temperatur
dann aussetzt, wenn die aktive Periode des Puppenstadiums beginnt. Große Hitze
ruft dann Verdunklung hervor, während mäßige Kälte die Lebhaftigkeit der Farben
— besonders des Kupferrot und Schwarz — begünstigt. Durch Kälte wird außerdem
eine Verkleinerung der Flecke bedingt und eine starke Vergrößerung des kupfer-
farbigen Bandes der Hinterflügel.
Es ist anzunehmen, daß auch die südlichen Formen dieser Art durch Einwir-
kung größerer W^ärme entstanden sind.
Eine Parallele zu den Versuchsformen bildet die amerikanische Hypophlaeas.
Herr Scudder beobachtet, daß die Frühjahrsform feuriger rot ist und ein breiteres
orangefarbiges Band an der Unterseite der Hinterflügel hat, als die Sommerform, bei
der auch die Zeichnung weniger lebhaft und deutlich ist.
Die Versuche des Herrn Weismann mit Polyommalus phlaeas er-
gaben das Folgende :
1. Mit der Brut von südeuropäischen Eltern.
1. Die in Neapel aufgezogenen Schmetterlinge ergaben drei Varie-
täten, die sämtlich zu Var. eleus zu stellen sind, obwohl sie in Betreff
der Stärke ihrer schwarzen Bestäubung sehr differieren.
2. Von den in Freiburg aufgezogenen Eiern derselben Brut ent-
wickelten sich von 35 Schmetterlingen 8 entschieden zur Var. eleus,
während die übrigen keine schwarze Bestäubung des Botgold zeigen, jedoch
breitere und tiefere schwarze Bänder und größere schwarze Flecke
haben als die deutschen phlaeas und auch als die Frühjahrsgene-
Professor August Weismann und Vanessa levana-prorsa. 451
ratio n der sardinischen phlaeas. Die Puppen waren in gewöhnlicher
Zimmertemperatur geblieben.
3. Eine zweite Abteilung kam im Eisschrank zur Entwickelung
bei einer Temperatur von 7 — 10<'C. Von 51 ausgeschlüpften Schmetter-
lingen waren nur 2 etwas schwärzlich bestäubt, die andern zeichneten
sich durch kleine schwarze Flecke und meistens durch einen breiten und
tief schwarzen Rand und durch eine Verbreiterung des Schwarz an der
Flügelspitze bis zu den obersten Flecken der Fleckbinde aus. Sie
scheinen einen Mischmasch von Merkmalen der südlichen und der
nördlichen Form vorzustellen.
2. Mit der Brut von deutschen Eltern.
4. Dieselben wurden schon vom Ei an in erhöhter Temperatur
aufgezogen. Während des Puppenstadiums wurde die Temperatur lang-
sam von 24" C. auf 30" G. gesteigert. Es kamen 23 Schmetterlinge
zur Entwickelung. An 8 war keine Wirkung der höhereu Wärme-
grade zu beobachten, 2 entsprachen dem dunkelsten in Neapel aufge-
zogenen Vertreter der Varietät eleus. 13 sind etwas dunkler als die
gewöhnliche deutsche Form , haben den schwarzen Rand ein wenig
breiter, die schwarzen Flecke etwas größer. Die schwarze Bestäubung
des eleus ist vorhanden, aber meist in geringerem Grade und beschränkt
sich hauptsächlich auf die hintere Hälfte des Vorderflügels.
Wenn etwas, so beweisen diese Versuche auf das Zweifelloseste die
Richtigkeit der Ansichten des früheren Herrn Weismann über die Ursache
der Entstehung von Jahreszeiten-Abartungen '). Es muß aber zum Ver-
ständnis hervorgehoben werden, daß die schwarze Sommerform eleus nur
im Süden, nicht auch bei uns vorkommt. Dennoch trat sie auch bei
der Entwickelung in Freiburg noch auf, aber, im Gegensatz zu Neapel,
nicht mehr aus allen Puppen, wogegen die Erziehung der Neapler Brut
im Eisschrank statt der des eleus mehr nördliche Eigenschaften ergab,
die der deutschen in der Wärme aber eleus\
Insbesondere der Versuch 2 zeigt auf's klarste, daß die in Neapel
offenbar durch Einwirkung von Wärme entstandenen e/ei<s-Eigenschaften
vererbt sind, indem sie auch in Freiburg noch auftraten.
Genug wohl! Aber Herr Weismann muß die Nichtvererbung erwor-
bener Eigenschaften um jeden Preis abermals zu retten suchen. Was
er zu diesem Zweck als Erklärung seiner Experimente der wissenschaft-
lichen Welt als »neue Erkenntnis« vorträgt, nimmt sich aus — so sagte
mir ein fachmännischer Beurteiler — als ob er den Versuch machen
wollte, zu zeigen, was Alles er derselben bieten dürfe, nicht zum min-
desten auch wieder in der Umkehr aller seiner früheren Erkenntnisse.
Um die Übertragung von durch äußere Einflüsse (Wärme) am Körper
entstandener Eigenschaften auf das Keimplasma und so die Anerkennung
der Vererbung erworbener Eigenschaften zu umgehen, wird angenommen,
1) Vgl. vorn S. 362 und 363 Anmerkung.
29=*
452 ÄuGere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
(laß die Schuppendeterminanten von phlaeas auf zweifache Weise
verändert werden. Einmal beeinflußt sie die klimatische Wärme,
so lange sie noch im Keimplasma der Fortpflanzungszelle ein-
geschlossen sind(!!). Diese Abänderungen können sich vererben(!)
und in lauger Generationenfolge steigern. Zweitens wirkt die Wärme
abändernd auf die Schuppendeterminanlen, wenn sie schon in die
Flügelanlage der Puppe eingerückt sind. Diese Veränderung ist
nicht vererbbar. Sie würde für nicht angepaßte sogenannte Klima-
varietäten gellen, und indem man diesen Begrifi" nach Belieben anwen-
den und bald diese bald jene der beiden angenommenen Arten der
Wärmeeinwirkung verwenden kann, steht Thür und Thor jedem Be-
weis offen.
In der ein .Jahr früher (1894) erschienenen Schrift desselben Zoologen
über y> Äußere Entwickelungsreizev^)^ heißt es: ^ivenn der rotgelbe Schmetter-
ling Polyommatus phlaeas, nachdem er sich in wärmeren Gegenden, z. B.
in Süditalien festgesetzt hat, einen schwarzen Anflug erhält, so könne dies
nicht als eine Anpassung betrachtet werden , sondern als Wirkung der
Wärme. Und daß es sich dabei wirklich um direkte Wirkung der Wärme
handelt und nicht um irgend eine Anpassung'!-, sagt derselbe in der An-
merkung auf S. 57 in derselben Schrift, -»geht auch aus den Beobachtungeu
Fritze' s hervor, der im heißesten Teil des südjapanischen Sommers diese
Art fast ganz schwarz fand«-.
Um zu beweisen, was ihm zur Abwehr der aus den bezüglichen
Thatsachen sich ergebenden Vererbung erworbener Eigenschaften einge-
fallen ist, daß es sich in der Schwarzfärbung der Sommerformen nur
um nicht vererbbare Abänderung der Schuppendeterminanten handle,
behauptet er jetzt, daß auch bei allen südlichen Kolonien von phlaeas
die Frühlingsform noch rotgoldig sei — obschon dies für die südlichsten
nicht richtig ist. Da sich vielmehr thatsächlich die schwarze Fär-
bung bei südlichen Formen auch auf die Frühjahrsgeneration
vererbt, so fällt mit dem unrichtigen Vordersatz die ganze Schluß-
folgerung, es handle sich in der Sommerfärbung nicht um Ausdruck der
Vererbung von durch das Soma erworbenen und auf das Keimplasma
übertragenen Eigenschaften.
Damit ist aber auch der Versuch, den Zwang der Thatsachen in
diesem Sinne abzuweisen dadurch, daß der neapolitanischen Brut eine
»größere erbliche Anlage zur Schwarzfärbung gegenüber der nordeuro-
päischen« zugeschrieben wird, als eine Ausrede erledigt.
Aber geradezu entzückend ist die andere Hälfte des Versuchs, durch
Ausreden aus der Not herauszukommen, indem jetzt eine unmittel-
bare Beeinflussung des Keimplasma's durch den Körper hin-
durch und zwar eine vererbbare, erdacht wird.
Die Geschichte der Beeinflußbarkeit des Keimplasmas durch äußere
1) S. -1 6.
Professor August Weismann und Vanessa levana-prorsa. 453
Einwirkungen bei dem Erfinder der Keimplasma-Hypothesen ist sehr
kennzeichnend.
Zuerst wurde jegliche solche Beeinflussung vollkommen geleugnet.
Ich habe eine derartige Isolierung gerade der Keimzellen darauf für ein
physiologisches Wunder erklärt ').
Später wurde unter dem Zwang der Thatsachen eine geringe Be-
einflussung durch die Außenwelt zugestanden. In der »Germinalselektion «
wird das Keimplasma als von der Ernährung abhängig anerkannt, voll-
kommen gemäß meiner damaligen Forderung, aber nur zu einem beson-
deren Zweck. Damit ist, wie früher hervorgehoben, die Vererbung er-
worbener Eigenschaften von dem Gegner derselben selbst anerkannt,
ohne daß er dies zu merken scheint.
Heute endlich oder vielmehr gleichzeitig mit dieser letzteren Ein-
räumung wird ein neuer Weg für die Vererbung gefunden, indem das
Keimplasma durch den Körper hindurch vererbbare Veränderungen er-
fahren soll, ohne daß dieser davon berührt wird.
Früher war es ausschließlich das vollkommen zufällige, durch ge-
schlechtliche Mischung bedingte Abändern eines ewig unveränderlichen
Keimplasma's, welches der Auslese den Stoß" liefern sollte zu allen neuen
Gestaltungen. Dabei hatte der Vater der Hypothese freilich nicht einmal
daran gedacht, daß es eine ungeschlechtliche Vermehrung giebt.
Dann wurde der Zufall durch bestimmt gerichtete, aber gezüchtete
Entwickelung ersetzt.
Heute werden eine Art — Röntgenstrahlen für die Vererbung ver-
wertet und so die Umbildung des Keimplasma durch äußere Einwirkun-
gen als ein maßgebender Faktor in der Transmutationslehre wieder
anerkannt, wenn auch nicht durch Vermittelung des Soma, welche doch
bei den Ausführungen in der »Germinalselektion« unabweisbar ist, wenn
auch darüber dort geschwiegen wird.
Wir stehen jetzt vor einem noch viel größeren physiologischen
Wunder als ehemals, gegenüber dem gewiß verblüffenden Gedanken, daß
die klimatische Wärme durch den Körper des Tieres hindurch
»Schuppendeterminanten beeinflusse, so lange sie noch im Keimplasma
der Fortpflanzungszellen eingeschlossen sind« — damit ist offenbar ein
ganz neues und weites Gebiet der Physiologie eröffnet, ohne daß der
Entdecker in seiner Bescheidenheit die Tragweite seiner »Erkenntnis« auch
nur berührt: die klimatische Wärme wirkt, ohne den übrigen Körper, das
Soma, zu beeinflussen, unmittelbar auf das Keimplasma und färbt dort
die Schuppendeterminanten der Flügel schwarz ! — so bei den Schmetter-
lingen. Das ganze Kapitel von der Eigenwärme des Körpers bedarf
jetzt neuer Behandlung. Aber schon jetzt geht uns ein Licht auf über
die Ursache der Schwarzfärbung der Neger in Afrika!
1 Vgl. »Entstehung der Arten« I. S. 13 und M. Wilckens: Vererbung erworbener
Eisenschaften u. s. w. Biolos. Centralbl. 1893. .S. 427.
454 Äußere, besonders klimatische Einflüsse als Ursachen der Artbildung.
Doch genug — jetzt ist es wohl Zeit, daß wir die wunderlichen
Erzeugnisse unseres »wissenschaftlichen Gegners« sich selbst und diesen
seinem Ruhm durch kritiklose Bewunderer überlassen.
Einlieitliclie Gesetzmäfsigkeit iu der natürliclien und künstliclieu
Wärme-Umbildung der Sclimetterlinge.
Es ist von vornherein zu erwarten, daß alle Versuche, die Gestaltung
der organischen Welt und ihre Entstehung zu erklären, verfehlt sein
müssen, sobald sie nicht auf vollkommen einheitlicher Grundlage beruhen,
nicht eine allgemeine einheitliche Gesetzmäßigkeit zur Voraussetzung haben.
Wir verlangen solche einheitliche Gesetzmäßigkeit nicht nur für die
organische, sondern zugleich für die unorganische Natur.
Nicht nur deshalb kann der Nutzen unmöglich das Maßgebende
bei der Gestaltung der Lebewelt gewesen sein, weil er ein ewig Wech-
selndes, sie aber ein in gesetzmäßiger Folge Aufgebautes ist, sondern
auch deshalb, weil die Herrschaft des Nutzens der gesetzmäßigen Ein-
heitlichkeit der anorganischen und der organischen Welt widersprechen
würde.
Wenn ich nicht irre, so wird die Zukunft den größten Wert der
von mir nachgewiesenen Gesetzmäßigkeit der Umbildung der Farbe und
Zeichnung der Tiere, insbesondere der Schmetterlinge, finden in der Ein-
heitlichkeit der Erscheinungen, welche jetzt mit Vorgängen in der an-
organischen Natur vergleichbar wird.
Es handelt sich hier wie dort in der Entstehung gesetzmäßig ge-
bildeter Gestaltung um neue Zusammenfügung gegebener Stoffteilchen in-
folge von bestimmten äußeren Einflüssen. Nur ist diese Krystallisation
in der organischen Natur eine viel feinere, viel zusammengesetztere, viel
mannigfaltigere infolge der feineren Zusammensetzung des organischen
Stoffes.
Den schönsten Ausdruck findet diese organische Krystallisation in
der sprungweisen Entwickelung bei den Schmetterlingen. Nach
Maßgabe derselben in der freien Natur wäre nicht zu entscheiden, ob
es sich dabei in dem und jenem Fall um plötzliche neue Zusammen-
fügungen der Teilchen handelt. Denn es ist immer möglich, daß da-
bei überall die Endstufen von schon in der Puppe vor sich gegangener
Umbildung maßgebend wären, mit anderen Worten, daß eine ganze Folge
von iu der stofflichen Zusammensetzung des Tieres und dessen Biogenese
begründeten Stufen bestimmter Entwickelungsrichtung schon im Puppen-
körper durchgemacht würde, so daß der Falter wie sprungweise in ganz
neuem Kleide erscheint, ohne daß dieses im Grunde etwas ganz Neues
ist. Einen solchen Fall zeigt uns, wie besprochen, offenbar Vanessa
Einheitliche Gesetzmäßigkeit in d. natürl. u. i<ünstl. Wärme-Umbildung u. s. w. 455
prorsa: Je nach der individuellen Konstitution und je nach dem Grad
der einwirkenden Wärme entstehen aus prorsa plötzlich levana oder
Übergangsformen zu poriina oder solche zwischen porima und prorsa. Und
bei Kälteeinwirkung auf die von levana erzeugte Brut bekommen wir das
entsprechende Ergebnis im umgekehrten Sinne.
Aber das Merkwürdige ist, daß wir nun durch künstliche Wärme
oder Kälte, wo immer Versuche gemacht worden sind, nur solche Um-
bildungen erzielen, welche den auch in der freien Natur herrschenden
Entwickelungsrichtungen entsprechen, allein auch solche, welche über das
in der freien Natur Vorkommende weit hinausgehen und zwar in plötz-
licher, sprungweiser Umbildung. Hier handelt es sich um Neues,
sprungweise Gebildetes, wie mir besonders zahlreiche soeben von
Dr. C. FiCKERT an Vanessa polychloros gezüchtete Kälteformen zeigen. Hier
kann es sich also nicht um Wiederholung von Eigenschaften einer Vor-
fahrenreihe durch Vererbung handeln, auch nicht um das Wirksamwerden
irgend welcher auf Anpassung beruhender, gezüchteter Anlagen, ja
überhaupt nicht um vorgebildete »Anlagen«, mit welchen die Keimplasma-
Hypothesen so eifrig arbeiten: alle die von den verschiedenen Experimen-
tatoren durch Wärme und Kälte hervorgebrachten, in der freien Natur
nicht vorkommenden und wohl niemals vorhanden gewesenen extremen
Formen^), wie sollten sie zurückzuführen sein auf irgendwie »abge-
stempelte« Ide oder auf Ide, welche nur darauf gewartet haben, bis ein
Dr. FicKERT kam, um sie durch Anwendung einer Kälte von — 14^ C. zur
Sammlung zu bringen!
Offenbar ohne jede Vorfahrengeschichte und ohne jede morphologische
Voranlage entstehen hier allmählich oder auch sprungweise ganz neue
Formen, alle aber — und dies ist das Bemerkenswerteste — auf das
Peinlichste nur in denselben Entwickelungsrichtungen gelegen,
auf welchen auch sonst alle Umbildungen der Verwandten be-
ruhen, ja welche überhaupt das letzte Ziel der Umbildung sind. So
entsteht bei Vanessa iirticae durch große Kälte nach Durchlaufen der
verschiedensten Stufen von Verschmelzen und sich Ausbreiten der Grund-
bindenreste und Ausbreitung des Innenfeldes {Hinterflügel oben und unten,
Vorderflügel unten) zuletzt fast schwarze Einfarbigkeit! Ja diese ganz
künstlichen Formen zeigen ganz dieselbe Stufenfolge der Um-
bildung auf den Flügelflächen wie die natürlichen!
Überall, in der freien Natur w^ie bei künstlichen Ver-
suchen herrscht ganz dieselbe orthogenetische Gesetzmäßig-
keit.
Diese Thatsache weist, wie gesagt, alle jene ausgeklügelten auf der
Annahme etwa gar gezüchteter Keimanlagen beruhenden Iden- und Deter-
minanten-Hypothesen allein vollkommen zurück und setzt an ihre Stelle
den Satz, daß es sich in den durch die klimatischen Einflüsse ebenso
1) Vgl. auch Standfuss vorn S. 4H und hinten die »Besonderen Anmerkungen«.
456 Äußere, besonders klimatische Eintlüsse als Ursachen der Artbilduntj;.
wie durch Einwirkung künstlicher Wärme und Kälte auf die Entwickelung
hervorgerufenen Umbildungen handeln muß um den Ausdruck physikalisch-
chemischer Veränderungen im Plasma, welche ganz so wie irgend ein
physikalisch-chemischer Prozeß durch Wärme oder Kälte oder auch durch
irgend einen anderen Anstoß in ganz derselben Weise hervorgerufen
werden, wie Krystallisationen oder neue chemische Verbindungen in der
anorganischen Natur.
Denn der Ausdruck »organische Krystallisation « oder »kaleido-
skopische Umbildung« , welcher nur eine neue Anordnung vorhandener
Teilchen im physikalischen Sinne voraussetzt, deckt offenbar nicht alle
Vorgänge. Es muß sich teilweise auch um Entstehung neuer chemischer
Verbindungen als Ursache der neuen Gestaltung handeln: Wärme und
Kälte sind nicht nur Anreize, welche etwas auslösen, sondern sie
erzeugen offenbar teilweise auch neue Gestaltung.
So beruhen die neuen Farben, z. B. die oft sehr erhebliche Zunahme
von Schwarz augenscheinlich auf Neubildung.
Andererseits wird die Bedeutung äußerer Einwirkungen als Aus-
lösungsreize der Umbildung durch eine höchst wichtige Thatsache be-
leuchtet, für die bis jetzt nur sehr wenige Anhaltspunkte vorliegen,
welche aber weiter zu verfolgen mein nächstes Ziel sein wird: es
scheint, daß ganz verschiedene Einwirkungen auf die verschiedensten
Entwickelungszustände im Leben unserer Schmetterlinge ganz dieselben
Umbildungen in Farbe und Zeichnung hervorrufen, wie sie durch Ein-
wirkung von Wärme und Kälte auf die Puppen erzielt werden. So be-
stehen, soweit ich nach den mir vorliegenden Thatsachen bis jetzt schließen
kann, die Veränderungen, welche u. a. Fütterung der Baupen von Eiiprepia
Caja mit verschiedenem ungewöhnlichem Futter an Farbe und Zeichnung
hervorbringt, in ganz denselben orthogenetisch gesetzmäßigen Verwachsun-
gen und anderen Veränderungen der Grundbinden, die mir als Fol^e
jener Einwirkungen bekannt sind. Auf ein ähnliches Verhältnis weisen
die Ergebnisse der Versuche mit Einwirkung von farbigem Licht auf die
Puppen hin , und die, welche E. Fischer mit minutenlangem Schvsingen
der Puppen von Vanessen gemacht hat').
1) Vgl. »Besondere Anmerkungen«.
Zusammenfassung einiger wichtiger Ergebnisse.
Im Folgenden will ich einige wichtige Ergebnisse der vorliegenden
Arbeit nach dem Inhalt der einzelnen Abschnitte zusammenstellen, um
deren Übersicht zu erleichtern, nicht um den Inhalt zu erschöpfen. Das
Wichtigste, die Einzelheiten, auf welche ich mich stütze, die Beweise
für die Gesetzmäßigkeit der Umbilduns. die Thatsachen dieser selbst,
sie müssen im Vorstehenden verfolgt werden. Die zwei ersten Abschnitte
bedürfen einer besonderen Zusammenfassung nicht. Der erste enthält in
der Leydener Rede die Zusammenfassung der wichtigsten Sätze meiner
Lehre, der zweite bildet für sich ein Ganzes. Ich beginne also mit
dem dritten Abschnitte und verweise im Übrigen auf die »Besonderen
Anmerkungen«.
Zum dritten Abschnitt.
Die von mir bei den Papilioniden beschriebene elffache Längsstrei-
fung ist die Grundzeichnung aller Schmetterlinge, sowohl der Rhopalo-
ceren wie der Heteroceren und Mikrolepidopteren. Alle und jede Zeich-
nung der Schmetterlingsflügel, mag sie von ihr noch so verschieden sein,
ist auf sie zurückzuführen. Die Grundzeichnung ist vielfach erhalten bei
Nymphaliden, Lycaeniden, Satyriden, Eryciniden, Morphiden wenigstens
auf der Unterseite, während die Oberseite meist zu höherer Zeichnung,
bezw. zur Einfachheit vorgeschritten ist.
Alle Umbildung geht vor sich oder ist augenscheinlich vor sich ge-
gangen auf Grund bestimmter Entwickelungsrichtungen, welche zur Ent-
stehung bestimmter Zeichnungstypen geführt haben.
Alle diese Umbildung geschieht oder geschah vollkommen unab-
hängig vom Nutzen ; nirgends ist wenigstens bei Tagschmetterlingen dabei
irgend etwas Maßgebendes als Wirkung von Zuchtwahl zu erkennen und
ist überhaupt in der ungeheueren Mehrzahl der Fälle kein Gedanke daran,
daß irgend eine Anpassung bestehe.
Auch die Zeichnung der sogenannten Blattschmetterlinge, die Blatt-
rippung derselben, entsteht überall auf Grund bestimmt gerichteter Ent-
wickelung aus jenen Grundbinden.
458 Zusammenfassung einiger wichtiger Ergebnisse.
Die Blattgestalt der Flügel und damit im Zusammenhang die Um-
lagerung von Grundbinden zu »Blattrippen« entsteht durch verschieden-
starkes in die Breite Wachsen der einzelnen Teile der äußeren Flügel-
fläche, bezw. des Flügelrandes im Räume zwischen einzelnen Grundbinden
unter sich und gegenüber den inneren Teilen des Flügels. Dadurch ent-
fernen sich die betreifenden Grundbinden außen und nähern sich innen.
Auf diese Weise vereinigt sich z. B. auf den Vorderflügeln Binde HI
mit dem hinteren Teil der Binde IV zu der in die Blattspitze gehenden
Mittelrippe, während der vordere Teil der Binde IV als erste vordere
Seitenrippe nach innen abbiegt.
So ist ungleiches Wachsen der Flügelteile auch sonst überall
Ursache der Verlagerung und Veränderung der Zeichnung.
Die Sommer- und die südlichen Formen von Tagfaltern gegenüber
von ihren nördlich auf unserer Erdhälfte lebenden Verwandten, ferner die
Versuche mit künstlicher Einwirkung von Wärme und Kälte auf die
Entwickelung zeigen, dass solche Wachstumsveränderungen, welche sich
besonders am vorderen Fiügelrande, aber auch im Übrigen geltend machen,
Folge klimatischer Einflüsse sein müssen.
Die Entstehung der Blattähnlichkeit erfolgt also auf Grund bestimmter
Wachstumsgesetze und hat mit dem Nutzen gar nichts zu thun.
Es ist aber in höchstem Grade fraglich, ob die Blattähnlichkeit, auch
wenn sie ausgebildet ist, in irgend wesentlicher Weise dem Schutze
dient. Dies aus folgenden Gründen:
1) Die Blattähnlichkeit ist gerade bei den hervorragendsten Blatt-
schmetterlingen wie bei Kallima paralecta und bei Anaeen an einer großen
Anzahl von Faltern oder bei allen in Rückbildung begriffen.
2) Bei anderen und zwar bei zahlreichen Arten ist sie nur auf den
Vorderflügeln in Rückbildung begriffen oder zurückgebildet, so daß nur
die Unterseite der Hinterflügel ein halbes Blatt darstellt wie bei Kallima
rumia u. a. Bei vielen hat die Unterseite der Vorderflügel sogar glän-
zende Farben und andere Zeichnung erlangt, welche von der Oberseite
her übertragen worden sind. So bei Corades Enyo.
3) Gerade die ausgezeichnetsten Blattschmetterlinge wie Kallima
paralecta^ DoleschaUia polibete, ändern ganz außerordentlich ab, so zwar,
daß nur eine verhältnismäßig geringe Zahl derselben vollkommene Blatt-
ähnlichkeit hat, andere aber derseft>en in der Zeichnung vollkommen
entbehren, indem diese verwischt oder sogar entgegen der Blattähnlich-
keit auffallend geworden ist.
4) Es giebt »Blattschmetterlinge«, deren Seitenrippen auf einer Flügel-
hälfte umgekehrt gerichtet sind, als auf der anderen, also mit verkehrten
Blattrippen, dann solche, bei welchen die ihnen entsprechenden Zeich-
nungen ganz verschoben, verrückt sind [Caerois chorineus) , so daß von
Blattähnlichkeit nicht die Rede ist. Alles dies entsteht durch eigenartiges
Wachsen einzelner Teile der Flügelfläche. Bei Coenophlebia Archidona
endlich hat der Blattstiel, indem er nach vor- und aufwärts gerichtet ist,
Zusammenfassung einiger wichtiger Ergebnisse. 459
eine Stellung, welche das Blatt kaum je zu schützender Verwertung
wird bringen können.
5) V^iele Falter haben blattähnliche Gestalt und blattrippenartige Zeich-
nung, während durch ihre leuchtende Farbe alle Vortäuschung eines
Blattes aufgehoben ist.
6) Wie es zahllose Rückbildungen der Blattähnlichkeit auf einer
oder auf beiden Flügelhälften giebt, so giebt es zahllose Falter, welche alle
möglichen Übergänge zur Blattähnlichkeit zeigen, indem sie wieder auf einer
der beiden Flügelhälften zu einer gewissen, aber nur zu unvollkommener
Blattähnlichkeit gediehen sind, einer Blattähnlichkeit, welche abermals
durch irgend welche Eigenschaften gestört sein kann. So sind z. B. unter
den Nymphaliden alle möglichen Übergänge zur Blattähnlichkeit zu er-
kennen. Blattunähnlichkeit wird oft z. B. dadurch bedingt, daß statt
einer Blattmittelrippe noch zwei oder drei ihr parallellaufende Grund-
binden vorhanden sind.
7) Die Häufigkeit solcher Annäherung an Blattähnlichkeit beruht be-
sonders darauf, daß diejenigen Grundbinden, welche Blattrippen her-
stellen, insbesondere Binde lll und IV, welche die xMittelrippe bilden,
oder IV, welche sie allein bilden kann, bei den verschiedensten Faltern
eine ganz besondere Rolle spielen, eine Rolle die sich bis auf Klein-
schmetterlinge erstreckt, wo von Blattähnlichkeit keine Rede mehr ist.
8) Das Schutzbedürfnis ausgesprochener Blattschmetterlinge muß an-
gezweifelt werden, wenn, wie berichtet wird, z. B. Kallima Inachis sich
an Gegenstände setzt, an welchen sie von weitem her sichtbar ist, und
wenn, wie gezeigt wurde, die zur Auslese vorausgesetzte Verfolgung der
Schmetterlinge durch Vögel für dieselbe gar keine irgend maßgebende
Bedeutung hat.
Zum vierten bis siebenten Abschnitt.
Wie die Blattähnlichkeit nicht durch Auslese entsteht, sondern auf
Grund bestimmter Wachstumsvorgänge am Flügel, so entstehen bei zahl-
losen gar nicht verwandten Faltern auf Grund gesetzmäßiger Umbildung
von Farbe, Zeichnung und Flügelgestalt oft wunderbare Ähnlichkeiten,
welche man bisher ohne weiteres auf durch Auslese entstandene Ver-
kleidung (Mimicry) bezogen hat.
Es handelt sich dabei aber nicht um Anpassung, nicht um Verklei-
dung, sondern um den Ausdruck unabhängiger Entwickelungsgleichheit,
Homoeogenesis oder aber darum, daß durch verschiedene Mittel, auf
verschiedenen Wegen äußere Ähnlichkeit entstanden ist: Heterhodo-
genesis.
Die Häufigkeit dieser Ähnlichkeitsbeziehungen rührt daher, daß es
nur verhältnismäßig wenige Entwickelungsrichtungen giebt, nach
welchen Umbildungen von Farbe und Zeichnung der Schmetterlinge er-
folgen, auf welche alle Gestaltungen derselben zurückzuführen sind. Die
Ursache dieser Beschränkung liegt aber wiederum wohl darin, daß es
460 Zusammenfassung einiger wichtiger Ergebnisse.
überall die elementaren äußeren Einwirkungen von Klima und Nahrung
auf die Konstitution sind, welche die Umbildungen hervorrufen.
Für die Gestaltung der Umbildung zu solcher Ähnlichkeit sind, wie
sonst, außer der allmählichen überall wesentlich maßgebend kaleido-
skopische und sprungweise Entwickelung.
Es handelt sich auch hier stets um den Ausdruck der gewöhnlichen
Entwickelungsrichtungen, für welchen vielfach wieder die Flügelgestalt
maßgebend ist (Querstreifung bei Libellen-Flügelform, hinten spitzwinkliges
Zusammentreten der Grundbinden u. a.), und zuletzt um gesetzmäßiges
Fortschreiten zur Vereinfachung (schwarzer oder heller Einfarbigkeit).
Dass den in Rede stehenden Ähnlichkeiten nicht durch Anpassung
entstandene Verkleidung zu Grunde liegt, eine Ansicht, welche in be-
sonders hervorragender Weise auch Fritz Mlller vertrat, sondern um
auf gesetzmäßiger Umbildung beruhende unabhängige Entwickelungs-
gleichheit oder Entwickelungsähnlichkeit, wird bewiesen durch Folgendes :
1) eben durch die Thatsache, daß beide ähnliche Formen stets den
Ausdruck weit verbreiteter Entwickelungsrichtungen darstellen;
2) daß weitaus die meisten derselben ohne jede biologische Be-
ziehung sind und oft in ganz entfernten Gebieten leben;
3) daß vielfach nur das eine Geschlecht sogenannten geschützten
Faltern ähnlich ist und zwar das weibliche, und daß dies sich einfach
erklärt durch Stehengebliebensein der Weibchen auf tieferer Stufe der
Entwickelung (es blieben also dann auch die »Geschützten« auf tieferer
Stufe stehen, die Männchen aber hätten den Schutz aufgegeben!);
4) daß bei einer und derselben Art verschiedene Varietäten vor-
kommen können, welche Stufen fortschreitender Entwickelung darstellen,
deren vorgeschrittenste in den betreffenden Gebieten oder überhaupt gar
keine »Vorbilder« haben [Merope]]
5) daß die Nachahmer in den scheinbar nachgeahmten Eigenschaften
zuweilen über die Vorbilder hinausgehen;
6) daß in ganz verschiedenen Gebieten lebende ungeschützte Arten
einander fernstehender Familien sich oft viel ähnlicher sind , als »ge-
schützte« in denselben Gebieten lebende;
7) daß manche Falter auf ihrer Unterseite der Oberseite der
»geschützten« ähnlich sind, bezw. hier dieselbe Entwickelungsstufe er-
reicht haben, nicht auf der Oberseite;
8) daß manche nur auf einem Flügelpaar dieselben Eigenschaften
haben, welche die »geschützten« auf beiden tragen, auf dem anderen
aber zuweilen sogar auffallend, z. B. einfarbig gefärbt sind;
9) daß gerade die »geschützte« Familie der Danaiden die allerver-
schiedensten Entwickelungstypea zeigt;
10) daß sogar Kleinschmetterlinge bis in das Einzelnste hinein um
ein Vielfaches größeren Großschmetterlingen auf das Vollkommenste ähn-
lich sind, denen gegenüber jede »Nachahmung«, ja jedwede biologische
Beziehung ausgeschlossen ist;
Zusammenfassung einiger wichtiger Ergebnisse. 461
H) daß noch unendlich viel mehr Ähnlichkeiten von Faltern ohne
Möglichkeit biologischer Beziehungen aufzustellen sein würden, wenn
nicht Verschiedenheit der Farben für den äußeren Eindruck maßgebend
wäre ;
12) daß »Geschützte« wie »Nachahmende« überall unweigerlich nach
den srewöhnlichen Entwickelunssrichtunsen sich gebildet haben müssen
und weiter verändern, deren Endziel Einfarbigkeit ist, selten in
heller Pieriden , meist in schwarzer Farbe;
13) daß sich die »Verkleidung« in vielen Fällen nachweisbar zurück-
gebildet hat, mit Hinterlassung von Resten {Perrhybris , Dismorphien)
oder ganz geschwunden ist, zuweilen mehr im männlichen Geschlecht
[Perrhybris);
14) daß vielfach die scheinbar Nachahmenden ebenso geschützt sind
wie die »Nachgeahmten« , in gleicher Weise wie unter sich ähnliche
Falter ungeschützt sein können;
15) daß die so oft ins kleinste Einzelne gehenden Ähnlichkeiten
zwischen »geschützten« und ungeschützten Formen zur Täuschung über-
haupt nicht nötig wären, ja daß sie in ihren ersten Anfängen und in den
ersten Stufen ihrer weiteren Ausbildung insbesondere im Fluge von etwa
verfolgenden Vögeln unmöglich gesehen werden können;
16) daß sonach Auslese schon wegen der Art der Entstehung und
der ersten Stufen der Umbildung neuer Eigenschaften wie überall so
auch hier vollkommen ausgeschlossen ist;
1 7) daß die ganze Mimicry-Lehre von Bates für Schmetterlinge über-
haupt ohne jeden ernsten thatsächlichen Beweis aufgestellt worden ist
und daß solche Beweise auch seitdem nicht beigebracht wurden;
18) daß — und damit fällt die ganze eigentliche Grundlage der
Theorie — noch Niemand, sei es in den Tropen, sei es bei uns,
eine mehr als ausnahmsvA^eise Verfolgung von Tagschmetterlingen durch
Vögel beobachtet hat, so dass von einem umgestaltenden, auslesenden
Kampf ums Dasein der ersteren gegenüber den letzteren überhaupt keine
Rede sein kann — ebensowenig kann davon bei ihnen gegenüber von
anderen Tieren jedenfalls während des Fluges die Rede sein;
19) daß in den Tropen, wo solche Verfolgung beobachtet worden
ist, die Vögel ebenso »geschützte« wie ungeschützte Falter geraubt haben.
Ein Beispiel von hochgradiger Ähnlichkeit, ohne daß Ungenießbarkeit
der einen Form nachgewiesen wäre, liefern die Uraniide Xyctalemon
Agathyrsus und Papilio Alcidinus.
Wenn solche ähnliche Falter zusammenfliegen, so braucht sich dies
keineswegs auf ein Schutzverhältnis zu beziehen, sondern es kann das
Zusammenfliegen geschehen nach dem Erfahrungssatze »Gleich und Gleich
gesellt sich gern«. Die Ähnlichkeit selbst aber kann mit auf gleich-
artigen äußeren Verhältnissen beruhen. Sie ist nach meiner Auffassung
462 Zusammenfassung einiger wichtiger Ergebnisse.
auch hier: Pseudo-Miinicry und als solche einfach der Ausdruck von
unabhängiger Entwickelungsgleichheit , Homoeogenesis. Aga-
thyrsus und Alcidmus bieten eines der wunderbarsten Beispiele derselben.
Es giebt aber, wie schon erwähnt, nicht weniger wunderbare zwischen
Groß- und Kleinschmetterlingen, wo die verschiedene Größe und der
Mangel jeder biologischen Beziehung jeden Gedanken an Verkleidung
ausschließt. Ein Beispiel bieten Tinea pronubella und Agrotis pronuba.
Im Übrigen weise ich noch besonders hin auf die Abbildungen pseudo-
mimetischer Falter auf S. 133, 141, 143, 147 u. a.
Wenn Falter sich auf einen Untergrund setzen, welchem sie ähnlich
sind, so bietet dies nicht den geringsten Anhalt für die Annahme, daß
die Ähnlichkeit durch Auslese im Kampf ums Dasein entstanden sei. Es
fragt sich vielmehr, ob solche Ähnlichkeiten bis zu einem gewissen
Grade nicht auf unmittelbarer Einwirkung der Beleuchtung des Unter-
grundes beruhen, und zum Anderen, ob die Falter sich nicht auf den
ihnen ähnlichen Untergrund begeben, weil sie dort geschützt oder doch
weniger gestört sind. Dabei mögen sie sogar entsprechende Gewohn-
heiten annehmen, wie die Ageronien mit ihrer Flügelhaltung.
Auch Wall.vce und in beschränktem Sinne Bates nahmen örtliche
Ursachen für Ähnlichkeit an.
Es handelt sich dabei um durch äußere Einwirkungen angeregte
Entwickelungsrichtungen.
Dieser gesetzmäßigen Entwickelungsrichtungen sind thatsächlich
überall nur wenige, wogegen Darwin zufälliges Abändern nach allen
Richtungen annimmt. Der Darwinismus braucht das letztere unbedingt,
weil er zu jeder Zeil die verschiedensten Variationen für die Auslese
bereit haben muß. Mit der Zurückweisung des zufälligen Abänderns
nach den verschiedensten Richtungen ist dem Darwinismus allein schon
die wesentlichste Grundlage entzogen.
Darwin's stufenweise Abänderungen.
Darwin erklärt nirgends die Entstehung nützlicher Eigenschaften.
Darwin's Berührung sprungvveiser Entvvickelung.
Brunner von Wattenwyl's Hypertelie.
Zum achten Abschnitt.
Es besteht eine bestimmte Zeichnungs- und Farbenfolge zwischen
unten und oben, hinten und vorn auf den Schmetterlingsflügeln. Zeich-
nung und Farbe gehen dabei Hand in Hand.
Gleichstufigkeit, d. i. annähernde Gleichheit unten und oben kommt
vor a) auf ganz niederer, b) auf sehr hoher Stufe der Ausbildung.
Verschiedenstufigkeit
Übertragung von oben nach unten (vorn) und umgekehrt.
Zusammenfassung einiger wichtiger Ergebnisse. 463
Postero-anteriore, infero-superiore Umbildung.
Divergierende Entwickelung.
Zusammenhang der Zeichnung mit der Flügelgestalt.
Die ganze Umbildung führt zur Gleichstufigkeit und zuletzt zu bei-
derseitiger Einfarbigkeit und zwar schwarz oder weiß.
Diese Umbildung zur Einfachheit ist ein allgemeines Ge-
setz. Sie allein weist alle Auslese, sei sie natürliche oder geschlechtliche,
zurück.
Farbenfolge. Die Unterseite trägt meist eine tieferstehende Farbe und
auch sonst gelten für die Farbe dieselben Gesetze wie für die Zeichnung.
An einem Falter sind vorherrschend nur gewisse Farben vereinigt.
Ebenso zeigen verwandte Arten und Familien verwandte Farben der
Farbenfolge.
Verschiedenstufige Entwickelung stört bei Farbe wie bei Zeichnung
häufig die Gesetzmäßigkeit.
Gewisse Zeichnungen, wie Vorderflügel-Eck- und Schrägbänder-Zeich-
nung bleiben auf tieferer Farbenstufe stehen, hinken nach in der Aus-
bildung der Farben.
Ursache der Gleichstufigkeit hochstehender Falter, so der
Heliconiden: die Unterseite, welche sonst auf tieferer Stufe der Ausbil-
dung steht, hat die Stufe der Oberseite erreicht, während diese stehen
geblieben ist. Solche hohe Gleichstufigkeit kommt nicht nur bei >ge-
schützten« Faltern vor.
Dieselbe kann auch durch Rückbildung von Zeichnung und Farbe
nahezu oder ganz erreicht werden (Pieriden .
Die Einfachheit vieler Pieriden in Farbe und Zeichnung beruht auf
Rückbildung. Rei einzelnen Arten finden sich noch Reste höherer Zeich-
nung und Farbe auf der Unterseite, so beim (^ von Perrhybris Lorena
und Pijrrha.
Die Ausbildung der Gleichstufigkeit der höchststehenden Falter be-
seitigt auch den Geschlechts-Dimorphismus, indem bei sehr vorgeschritte-
nen Faltern wie Danaiden, Heliconiden, Hesperiden überhaupt fast kein
Geschlechts -Dimorphismus mehr vorkommt, aus dem Grunde, weil in
beiden Geschlechtern, auch in dem sonst meist tieferstehenden weib-
lichen, die zur Zeit möglichen höchsten Eigenschaften erreicht wor-
den sind.
Ursachen verschiedener Zeichnungs- und Farbenfolge.
Sonnenlicht und Sonnenwärme. Die Farbenfolge ist der notwendige
Ausdruck ganz bestimmter physikalisch-chemischer, unter dem Einfluß
von Licht und Wärme entstehender Veränderungen auf Grund organi-
schen Wachsens.
Kumulative Wirkung der Sonne.
Die geographische Verbreitung und die künstlichen Temperaturver-
suche wiederholen die Farbenfolge, letztere wenigstens in bestimmten
Fällen, und geben so den Reweis für die Richtigkeit obiger Auffassung.
Andere Ursachen der Farben. Sympathische Färbung (Farbenpho-
tographie).
464 Zusammenfassung einiger wichtiger Ergebnisse.
Zum neunten Abschnitt.
Der Geschlechts-Dimorphismus beruht auf dem Übergewicht des einen
Geschlechts, meist des männlichen, insofern als dieses um eine oder
sprungweise um mehrere Stufen in der gegebenen Entwickelungsrich-
tung in Farbe und Zeichnung vorgeschritten ist, und zwar häufig der-
selben, welche verwandte hüher stehende Arten kennzeichnen (männ-
liche orthogenetische Präponderanz).
Das Weib hat oft auf der Oberseite Zeichnung und Farbe, welche
der Mann auf der Unterseite hat.
Der sprungweise Geschlechts-Dimorphismus beruht auf kaleidosko-
pischer Korrelation: er ist Ausdruck neuer chemischer Verbindungen oder
physikalischer Zusammenstellungen der Teilchen des Organismus, welche
auf kleinste Anreize erfolgen können, aber stets nur in den bekannten
Entwickelungsrichtungen in Farbe und Zeichnung. (Jene Anreize sind
offenbar die gewöhnlichen, aber es muß, wie früher in Beziehung auf
Turnus Glaucus hervorgehoben wurde , das eine Geschlecht empfind-
licher gegen dieselben sein, wenn sie Geschlechts-Dimorphismus her-
vorrufen.)
Der Geschlechts -Dimorphismus giebt wiederum Veranlassung zu
Pseudo-Mimicry, indem die in ihm vertretenen Eigenschaften oft auch
diejenigen fernstehender Arten sind.
Divergierender Geschlechts-Dimorphismus.
Das Endergebnis der Umbildung ist auch hier überall Einfarbigkeit
und zwar meist düstere, schwarze.
Fälle von weiblicher Präponderanz. Beispiele für Farben- und Zeich-
nungsfolge.
Bedeutung der geschlechtlichen Zuchtwahl für die Umbil-
dung der Schmetterlinge und besonders für den Geschlechts-
Dimorphismus.
Darwin über geschlechtliche Zuchtwahl bei Schmetterlingen : da es
nach ihm unmöglich ist anzunehmen, dass die glänzenden Farben von
Tagschmetterlingen und einigen wenigen Nachtfaltern zum Zweck des
Schutzes erlangt worden seien, kommt er auf die Vermutung, daß die
Weibchen im Allgemeinen die glänzender gefärbten Männchen vorziehen.
Eingestandene Schwierigkeiten dieser Erklärung. Widerlegung der letzteren:
1) Die Männchen gehen in der Regel in Schönheit voran; sie aber
sind die Angreifenden bei der Begattung, nicht die Weibchen die Aus-
wählenden.
21) Die Umbildung von Farbe und Zeichnung führt, wie gesagt, zur
Einfachheit, zur Einfarbigkeit in düsterer Farbe, besonders Schwarz oder
Weiß. Schon deshalb kann irgend welche Auslese im Sinne der Schön-
heit unmöglich maßgebend sein.
3) Die erst im Beginn der Ausbildung befindlichen kleinsten neuen
Eigenschaften und deren anfängliche Weiterentwickelung können nicht
Zusammenfassung einiger wichtiger Ergebnisse. 465
Gegenstand der Auslese bei der Begattung sein. Sie werden bei der
Verfolgung überhaupt gar nicht gesehen.
4) Die Veränderungen der so häufig erfolgenden sprungweisen Um-
bildung können unmöglich durch geschlechtliche Zuchtwahl hervorgerufen
worden sein.
5) Die Häufigkeit des Geschlechts-Dimorphismus zeigt die große Be-
deutung der Amiktogenesis: die selbständige Fortentwickelung beider
Geschlechter ist wiederum mit geschlechtlicher Zuchtwahl nicht ver-
einbar.
Darwin und Übergewicht des einen Geschlechts.
Darwin und sprungweise Entwickelung.
Wallace gegen Darwin's geschlechtliche Zuchtwahl. Seine Kraftfarben-
und Wiedererkennungs-Theorie. Einwände gegen letztere.
Die Entstehung der Augenzierden bei Schmetterlingen. Sie
erfolgt überall gesetzmäßig aus bestimmten Grundbinden, meist aus
Binde IIl, in den Anfängen durch Zerfall derselben, dann durch kompen-
satorische Farbenverteilung. Eine andere Art der Entstehung ist die durch
Ringbildung.
Zum zehnten Abschnitt.
Organisches Wachsen auf Grund äußerer Einwirkungen. Dasselbe
geschieht zunächst unabhänsig vom aktiven Gebrauch der Organe, dem
LAMARCK'schen Umbildungsmittel. Aber dieses kann auf das organische
Wachsen bedeutend einwirken, indem es dasselbe abändert.
Das LAMARCK'sche Prinzip bildet nur ein mögliches Hilfsmittel der
Umbildung. Die Grundursache liegt im organischen Wachsen.
Das organische Wachsen aber ist bei den Schmetterlingen vorzüg-
lich durch klimatische Einflüsse bedingt.
Den Beweis hierfür liefern:
1) die Abänderung der Formen, Entstehung von Abarten und Arten
entsprechend der geographischen Verbreitung;
2) die Thatsachen der Jahreszeiten-Abartung ;
3) die Versuche mit Einwirkung künstlicher Wärme und Kälte auf
die Puppen.
Überall handelt es sich dabei um die Herrschaft der gleichen Ent-
wickelungsrichtungen.
Überall ergiebt sich Ohnmacht der Naturzüchtung.
Thatsachen : darunter ist mit am wichtigsten die, daß durch Einwirkung
künstlicher Kälte und Wärme Arten in einander übergeführt werden
können, so z. B. durch Kälte Vanessa Jo im Wesentlichen in V. urticae,
indem sich das vordere Auge der ersteren in das bei urticae noch vor-
handene Grundbindenstück III verwandelt, das hintere in die ursprüng-
lichen zu dieser Binde gehörigen Augenfleckchen.
Eimer, Orthogenesis. 30
466 Zusammenfassung einiger wichtiger Ergebnisse.
Die durch Kälte erzielten Falter haben Eigenschaften von in kälteren
Gebieten lebenden Abarten und Arten, bezw. von Winterformen und
umgekehrt.
Vanessa levana-prorsa.
Dorfmeister's und Weismann's Versuche.
Was dieselben beweisen: insbesondere auch die Vererbung erworbe-
ner Eigenschaften.
Die Zeichnung von Vanessa levana und prorsa und die Ent-
stehung der letzteren aus der ersteren.
Es handelt sich in dieser Entstehung um die Verwandlung des
Schrägfleck-Eckfleck-Typus derVanessen in einen Mittelfeld-
Schrägfleck-Typus mit im Übrigen fast vollkommener düsterer Ein-
farbigkeit.
Es handelt sich dabei zugleich um eine wirkliche Vermehrung des
Schwarz.
Die Umbildung ist aber eine vollkommen gesetzmäßige: die
Zwischenformen [porima] lehren, daß genau eine Zeichnung aus der an-
deren hervorgeht.
Die plötzliche Umbildung ist also eine kaleidoskopische. Die
Übergänge zeigen, daß die Zwischenstufen dabei während der Ent-
wickelung durchgemacht werden müssen, wie dies die embryologischen
Untersuchungen von M. v. Lindex thatsächlich zeigen.
Der Grad der Umbildung steht in direktem Verhältnis zu dem Grad
der angewendeten Wärme, abgesehen von auf individueller Konstitution
beruhenden Abweichungen.
Die Vererbung erworbener Eigenschaften wird dadurch un-
widerleglich bewiesen, daß
a. die Eigenschaften der jüngeren Form prorsa, wie die Versuche
lehren, künstlich durch Wärme statt derjenigen von levana erzeugt wer-
den können, aber nicht so leicht wie die der levana wieder aus levana
durch Kälte, daß somit die /jrorsa- Eigenschaften schon gefestigt sind,
wenn auch nicht so sehr wie die der levana ;
b. daß es Arten giebt, welche ausschließlich prorsa-Eigenschaften
haben, ohne levana -Yorm, während sie doch aus einer solchen durch
Wärme hervorgegangen sein müssen.
Die Vererbung erworbener Eigenschaften wird aber ferner auf das
Vollkommenste allein bewiesen durch die mit Polyommatus phlaeas ange-
stellten Versuche von August Weismann, welche in dem Absatz: Professor
August Weismann und Vanessa levana-prorsa besprochen sind.
Schlussbemerkungen.
»If Professor Eimeu's claims are eorrect, liis re-
searches mark one of the great epochs of biological
discovery.« C. S. M.
Die bestimmt serichtete Entwickelung, Orthosenesis, beherrscht also
in der Hauptsache die ganze Umbildung der Schmetterlinge, deren nach-
gewiesene gesetzmäßige Zeichnungs- und Farbenfolge.
Im Verein mit Beharrung, Epistase. bezw. Genepistase, unabhängiger
Entwickelungsgleichheit, Homoeogenesis, verschiedenstufiger Entwicke-
lung, Heterepistase, sprungweiser Entwickelung, Halmatogenesis erklärt
sie nicht nur die Entstehung von Aberrationen, Varietäten und Arten und
ihre mehr oder weniger stufenweisen Beziehungen unter sich und zu
anderen Arten, die Verwandtschaft ferner von Gattungen und Familien,
sondern auch die im Vorstehenden bewiesene Verschiedenstufigkeit in
den Eigenschaften des Einzeltieres selbst. Sie erklärt endlich auf Grund
dieser Verschiedenstufigkeit die Erscheinungen des Übergewichts des
einen Geschlechts, der orthogenetischen Präponderanz und des Geschlechts-
Dimorphismus, sowie endlich der Jahreszeiten-Abartung oder des Hora-
Dimorphismus.
Sie deckt eine bis ins Einzelnste gehende Zusammengehörigkeit und
Abhängigkeit aller äußeren Eigenschaften der Einzeltiere, der Arten, der
Familien, des männlichen und weiblichen Geschlechts und der Jahres-
zeitenforraen auf, sie enthüllt eine sroßartige Einheit in der Manchfaltis-
keit der äußeren Eigenschaften einer großen Tiergruppe und sie fördert
damit eines der Grundziele der Naturwissenschaft.
Bemerkenswert ist, wie die Ursprünglichkeit der Zeichnung in weit-
aus den meisten Fällen vollkommen geschwunden ist. Bei manchen
Formen, wie bei den von mir genauer in meiner »Artbildung« beschriebe-
nen Segelfaltern und Schwalbenschwänzen, kann man, als in der Zeich-
nung verhältnismäßig ursprünglichen Schmetterlingen, mit am deutlichsten
den Übergang von der Längsstreifung zur Querstreifung und Einfarbig-
keit verfolgen. Infero-superiore und postero- anteriore Umbildung ist
30*
468 Schlußbemerkungen.
überall mehr oder weniger ausgesprochen, erstere mit Veränderunsen
durch die beschriebene Übertragung von oben nach unten. Letztere
hat Erich Haase bei Papilio PodaUrius auch durch embryonale Unter-
suchungen bestätigt, ebenso, wie wir sehen werden, Gräfin Lixde.x hier
und bei anderen Papilioniden.
In »Artbildung« II S. 71 ü\ habe ich eine ausführliche Besprechung
den Ansichten von Dr. P. Hahnel gewidmet, welcher über die Umbildung
der Schmetterlingszeichnung zu Ergebnissen gekommen ist, die den mei-
nigen sehr entsprechend sind, in Beziehung sowohl auf gesetzmäßige
Umbildung der Zeichnung wie auf den Widerspruch gegen die Ver-
kleidune;slehre. Nur meint Hahnel in ersterer Beziehung, es sei auszugehen
von einer »einfachen Längsstreifung, wie sie die Aderung vorschrieb
(also Querstreifung in meinem Sinne), welche dann, weiterschreitend, den
allmählich erworbenen Farbenüberschuß zu Randflecken und Randbinden
verdichtete, um schließlich die ganze Fläche der Flügel mit Flecken und
Punkten zu überdecken ^j.
Ist es nun so zweifellos , daß vielmehr ich recht habe , wenn ich
sage, es sei alle Zeichnung der Schmetterlinge von Längsstreifung in
meinem Sinne) ausgegangen? Ich glaube, nach Kenntnisnahme der in
diesem Buche enthaltenen Thatsachen wird Niemand mehr daran zwei-
feln, daß es so ist. Aber gegenüber meinen aus der Artbildung bei
den Segelfaltern und Schwalbenschwänzen gezogenen bezüglichen
Schlüssen sind freilich sehr starke Zweifel ausgesprochen worden-).
Man hat nämlich behauptet, es sei gar nicht bewiesen, ob die längs-
gestreiften Papilioniden wirklich die ursprünglichen oder ob es nicht
vielmehr diejenigen seien, welche ich als die vorgeschrittensten bezeichne.
Herr G. S. Minot insbesondere hat dies in einer Kritik meiner »Artbil-
dung« gethan-^). Nachdem derselbe den diesen Schlußbemerkungen als
Begleitvi^ort vorangesetzten Satz ausgesprochen hat, behauptet er, daß nichts
von meinen Ansprüchen begründet, nichts von meinen Aufstellungen be-
wiesen, daß dieselben nichts als kühne Hypothesen, eine Sammlung von
willkürlichen Behauptungen seien ^).
1) Über die Beziehungen der HAHSEL'schen Arbeit zu den meinigen, sowie über
deren Übereinstimmung mit dem Inhalt der letzteren im Einzelnen vgl. man »Art-
bildung« II. Der HAHNEL'sche Aufsatz ist nach meiner »Artbildung« I erschienen
und ohne Kenntnis derselben, aber augenscheinlich mit Kenntnis meiner früheren
Arbeiten geschrieben.
2) ^»Sollte sich diese Annahme Hahnel's bestätigen, dann bleibt von den Eimer-
schen Gesetzen eben nur die ,Annahme einer gesetzmäßigen Umbildung' bestehen,
die ohnehin kaum Jemand bestreiten dürfte (?), und die Entwickelung wäre geradezu
auf den Kopf gestellt, oflenbar weil Hahnel eben das Buch von — hinten las!« froh-
lockt ein neuester witziger Kritiker aus Wien.
3) In »Science«, 6. Jan. -1896.
4; Die Liebenswürdigkeit auch dieser Kritik ist damit hinreichend gekennzeichnet,
aber, wie ich denke, zugleich ihre dithyrambische Leichtfüßigkeit, mit welcher die
Wucht des Absprechens ja gewöhnlich in direktem Verhältnis steht.
Schlußbemerkungen. 469
Wer meine früheren Arbeiten gelesen und die darin enthaltenen
Beweise zu Gunsten der von mir vertretenen Art der Umbildung wirk-
lich ins Auge gefaßt hat, der konnte schon damals nicht so absprechend
urteilen. Daß von mir die als Verwandte in Reihen gestellten Formen wirk-
lich einen Vorgang vor Augen führen, den Gang der Entwickelung,
welchen sie auseinander genommen haben, dies zu bezweifeln würde
ebenso die Verwertung aller Thatsachen , auf welche die Paläontologie
sich im Sinne von Entwickelung stützt, zurückweisen.
Ich habe gezeigt, wie kleinste, kaum sichtbare neue Eigenschaften
bei Einzeltieren zuerst auftreten, wie sie bei anderen vergrößert und
gefestigt sind, wie sie zu Varietäten- und Artmerkmalen werden, wie sie
benachbarte Arten, wie sie Ketten von Arten verbinden, indem sie sich
immer weiter umbilden. Wenn ich solche Umbildungen darstellte von
der Längsstreifung bis zur Einfarbigkeit, so wäre man ohne weitere
Beweise meiner Auffassung immer berechtigt zu sagen, es handle sich
dabei nicht um eine fortschreitende Entwickelung. sondern um eine rück-
schreitende, wesentlich auf Rückbildung von Eigenschaften beruhende.
Daß dies nicht sein kann, beweist aber schon die gabelige Ver-
zweigung des von mir aufsestellten Stammbaumes: wären die Arten,
welche ich als die jüngsten auffasse, die ursprünglichsten, so würde
der Baum umgekehrt, mit den Zweigen nach dem Boden gerichtet stehen
oder, wenn man die Wurzelenden als Ausgangspunkt nähme, so bekämen
wir einen Baum ohne Krone — es würden zahlreiche oder besser fast
zahllose Formen sich alle nach einer einzigen, der längsgestreiften umge-
bildet haben, was allen })ekannten Thatsachen der Entwickelung wider-
spricht — einen polyphyletischen Stammbaum in des W^ortes verwegenster
Bedeutung hätten wir dann bei unseren Schmetterlingen aufzustellen, auf
Grund nicht der gewöhnlichen divergierenden, sondern einer konvergie-
renden Entwickelung. Dazu kommt der Beweis durch das Experiment
mit künstlicher Kälte und Wärme.
Ebenso unwiderleglichen Beweis für die Richtigkeit meiner Auffassung
aber liefert, wie ich damals schon hervorgehoben habe, die Ontogenie,
indem sie bei den von mir als höhere, phyletisch jüngere aufgefaßten
Formen die Eigenschaften der älteren, ursprünglicheren wiederholt, indem
also z. B. mehr einfarbige Falter Längsstreifung oder doch Andeutungen
derselben wiederholen. Untersuchungen von M. v. Linden, auf meine
Veranlassung über die Ontogenie der Flügelzeichnung von Papi-
lioniden und Vanessen angestellt, haben zu allgemeinen Ergebnissen
geführt, welche ich in den Schluß -Anmerkungen wörtlich nach ihrer
eigenen Darstellung wiedergebe, während die Untersuchungen selbst,
durch Abbildungen erläutert, demnächst veröffentlicht werden sollen.
Eine so eben erschienene Erwiderung an Herrn S. Mixot^) macht
diese und andere Thatsachen gegen denselben geltend und weist, wie
1 »Science«, 27. .\ugust ■1897.
470 Schlußbemerkungen.
ich glaube, und wie aus ihr selbst ersehen werden mag, auch seine sämt-
lichen übrigen Ausstellungen zurück').
Zu Vorstehendem sei nun noch bemerkt, daß selbstverständlich die
verschiedenen Formen von quergerichteter Zeichnung, welche sich bei
den Schmetterlingen finden, nämlich Schwarzfärbung der Queradern
(Y?///?MS-Typus) und Querbänderung, wie sie mit der libellenähnlichen
Flügelform besonders der Heliconiden zusammenhängt, gar nichts mit-
einander zu thun haben. Im ersten Fall handelt es sich wohl mit um
den Einfluß der Tracheen auf die Färbung, im letzteren ist eben nur
die Flügelgestalt maßgebend. Dieser Einfluß der Flügelgestalt auf die
Zeichnung ist hier wie in anderen Fällen (Blaltschmetterlinge) ein hoch-
gradiger. Dagegen ist, wie wir gesehen haben, die Bedeutung der Aderung
für sie sonst viel geringer als man erwarten sollte. Am wichtigsten ist
dafür, und zwar für Binde V/VI, wie wir sahen, die äußere Begrenzungs-
ader der Mittelzelle auf den Vorderflügeln.
Noch merkwürdiger ist es, daß bei Schmetterlingen mit sehr verän-
derter Gestalt, so bei Blattschmetterlingen, das Wachsen, welches diese
Veränderung hervorgerufen hat und die Zeichnung durch die Adern
nicht eigentlich beeinflusst werden, sondern daß vielmehr die Adern,
indem sie in der Hauptsache mit der Wachstumsrichtung parallel verlaufen,
vom Wachstum einzelner Flüeelteile beeinflußt werden, dadurch daß ein-
zelne von ihnen sich verlängern, andere kürzer bleiben. Eine Ver-
gleichung der Aderung und Zeichnung der Unterseite von Megalura Berankt,
(Abb. 21 S. 98) und Kallima Phüarchus (Abb. 26 S. lOlj zeigt dies am besten.
In dem Nachweis der Veränderuns; der Flüeelform der Schmetter-
linge bis zur Hervorbringung der Blattähnlichkeit durch ungleiches
1) Die in diesem Buche mitgeteilten Thatsachen dürften vielleicht zu bedingungs-
loser Anerkennung bringen, was mein amerikanischer Kollege, wie im Begleitwort
wiedergegeben, in, wie ich hoffe, treffender Weise ausgesprochen hat.
Ich fürchte aber, es wird nicht so schnell mit dieser Anerkennung gehen, wenig-
stens l)ei Herrn Minot. Trotzdem demselben in der Erwiderung auf seine Kritik
auch der ontogenetische Beweis entgegengehalten worden ist, entgegnet er in einem
Zusatz zu derselben abermals, meine Ansicht, daß gewisse Formen von Faltern die
älteren seien, sei nur eine Behauptung (assertion; und fährt fort: »If one denies that
assertion Ei.meh cannot prove that it is correct, but unless he proves it his de-
ductions remain hypotheses.« Es will mir scheinen, daß der amerikanische Gelehrte
diese wesenlose Redensart zu seinen eigenen Gunsten besser unterlassen hätte, gleich-
viel ob sie den Rückzug decken oder besagen soll, daß der Kritiker nun einmal
keinen Beweis anerkennen will. Was gehört denn nach der Meinung Professor Mixoi's
außer dem von mir Beigebrachten noch zu einem vollgültigen biologischen Beweis
in unserer Frage? — Wohl ein so langes Leben, daß man im Stande wäre, das
phyletische W^achsen abzulesen und in das Tagebuch einzutragen!
Schlußbemerkungen.. 471
Wachsen verschiedener Teile der Flügelfläche und in dem Nachweis,
daß dieses Wachsen unmittelbar durch äußere Einflüsse, wie durch
Wärme und Kälte bedingt wird '), haben wir nicht nur ein elementares
Beispiel vom organischen Wachsen, ein Stückchen einfacher »Entwicke-
lungsmechanik«, sondern wohl einen Vorgang, welcher ganz ebenso, nur
in ausgiebigerem Maße auch für die Blätter der Pflanzen gilt. Auf dem
Kongreß zu Leyden hat Herr Arthur Thomsox (Dundee) mir in treffen-
der Weise die Idee entwickelt, daß die Gestaltung der Pflanzenblätter
hervorgebracht werde durch ungleiches Wachsen der Teile gegenüber
festen, im Wachsen zurückbleibenden Stellen. Er erklärte auf die Auf-
forderung, seine Ansichten zu veröffentlichen , daß die Botaniker nichts
davon wissen wollten. Das Gelehrtentum ist überall weniger fortschritt-
lich in der Wissenschaft gesinnt, als man annehmen sollte. Dabei spielt
wohl die Voreingenommenheit, welche dem anderen um so weniger, zu-
gestehen mag, je einfacher seine Erklärungen sind, die größte Rolle.
1 Nach DoHERTY und de Niceville haben Feuchtigkeit und Trockenheit trockene
Hitze!) großen Einfluß auf die Flügelgestait, und zwar erzeugt erstere mehr blattähn-
liche Flügel. E. HARTERia) sagt nämlich, nach den Beobachtungen seines Reisegefährten
DoHERTY fliegen in den tropischen und subtropischen Ländern Indiens vier Gene-
rationen von Schmetterlingen und zwar 2 in der Regenzeit, 2 in der Trockenzeit. Die
der von Mai bis September dauernden Regenzeit fallen in den Mai oder Juni und in
den August und September-Anfang. Die der Trockenzeit in das Ende des September
und in die ersten heißen Märzwochen. Nach den Beobachtungen Doherty's und de
Niceville's sind die Brüten der Regenzeit und der Trockenzeit in vielen Gattungen
erheblich verschieden, während die der ersteren einerseits und der letzteren anderer-
seits unter sich völlig gleich sind.
Die Form der Trockenzeit ist größer, die Flügel erhalten eine mehr blattartige
Gestalt durch spitzenartig ausgezogene Hinterflügel, die Unterseite ist meist weniger
lebhaft gefärbt und die bei der Form der Regenzeit vorhandenen lebhaften Augen sind
bei der Form der Trockenzeit nur angedeutet oder ganz verschwunden.
So sind manche Formen, welche man bisher für Arten hielt, nichts als ver-
schiedene Generationen desselben Tieres. Z. B. Junonia asterie — almana, Melanitis
leda — ismene, Mycalesis mineus — visala, Orsostriaena medus — riineka, Orsostriaena
mandaia — mandosa.
»Vorzugsweise sind es die Arten von Junonia, Yphthima, Melanitis, Mycalesis,
welche in diesen 2 Formen auftreten; in Ober-Assam trat als Vertreter der Regenzeit-
form eine zwar sehr ähnliche, aber in oben angegebener Weise sich unterscheidende
Trockenform von Precis ipliita u. a. m. auf.«
In dem feuchten Klima von Malabar ist die Regenform 07-sostriaena mandata
nach Doherty gemein, während die mandosa selten und unvollkommen entwickelt ist.
In dem feuchten Klima von Ost-Sumatra, Singapore, Perak und Ceylon kommt nur
Junonia asterie vor, während die Wüstengegenden von Sindh und Rajputana anschei-
nend nur Junonia almana aufweisen, in Kumaon, Sikkim und Assam beide Formen im
schönsten Wechsel auftreten b;.
^) Ernst Hartert , Biologisches aus dem indischen Faunengebiete. Berliner Ento-
molog. Zeitschr. 33. Bd. 1889. S. 289 IT.
'o
'') Eingehenderes sielie: List of butterflies from Kumaon bv W.n. Doherty, Journ.
's
of the Asiatic Soc. of Bengal. 1886.
472 Schlußbemerkungen.
Ich aber i'reue mich, Herrn AiiiHun Thomson eine Bestätigung seiner
Befunde auf anderem Gebiete zu bringen und ihn so vielleicht zu
recht baldiger Veröffentlichung derselben doch zu veranlassen.
Übrigens sei bemerkt, daß ich auf die Bedeutung der Gestalt, bezw.
verschiedenen Wachsens der Schmetterlingsflügel für die Zeichnung zu-
erst durch die Verhältnisse bei Athyma, Neptis und den Helikonier-
ähnlichen Faltern gekommen bin. Erst später reihte sich, wie Dr. C.
FicKERT bekannt ist, hieran der Befund bei den Blattschmetterlingen, und
zwar so, daß Dr. Fickert gleichzeitig mit mir die ersten Beziehungen
zwischen deren Zeichnung und jener des Grundschema's erkannte. Daran
schloß sich zuletzt der Befund der Ursachen der Verschiebung der
ersteren.
Besondere Anmerkungen.
Zu Seite 3. öS. 'Behauptetes rnvermögen über Nützlichkeit zu urteilen.;
»Es ist oft mit Nachdruck behauptet worden, daß der Ursprung des Menschen
nie zu enträtseln sei. Aber Unwissenheit erzeugt viel häufiger .Sicherheit als es das
Wissen thut. Es sind immer diejenigen, welche wenig wissen, und nicht die, welche
viel wissen, welche positiv behaupten, daß dieses oder jenes Problem nie von der
Wissenschaft werde gelöst werden«.
Darwin. Abstammung des Menschen I. Stuttgart 1878, S. 3.
Zu Seite 3 und 4 allgemeines Zeichnungsgesetz).
Herr G. Tornier hat kürzlich i) über die Entwickelung der Zeichnung der Schlange
Homalosoma lutrix , des Geckonen Lygodactylus picturatus und des Batrachiers Rappia,
sämtlich sehr abändernde ostafrikanische Formen, Angaben gemacht, welchen zufolge
die Längsstreifung und vorher zuweilen eine Fleckung aus vollkommen schwarzer
Grundfarbe hervorsehen soll. Es würde sich hier handeln um Entstehung von weißen
Flecken und Streifen in dieser Grundfarbe, welch' letztere endlich schwarze Längs-
streifen als Ueberreste der schwarzen Grundfarbe hervorrufen. Nach den Abbildungen
zerfallen dann die schwarzen Längsbinden zuweilen wieder nach Ai't des gewohnlichen
gesetzmäßigen Vorgangs. Auch Andeutungen von Querverbindungen treten auf, zuletzt
Einfarbigkeit.
Kehrt man diese Zeichnungsfolge um, so erhält man die meinige. .letzt entstehen
die weißen Flecke als Reste der weißen Grundfarbe in Folge von unvollkommener
Verschmelzung der schwarzen Längsbinden. Zuletzt entstände Einfarbigkeit, ganz
nach der sonst allgemeinen Gesetzmäßigkeit, welche schwarze Längsstreifen in hellem
Grunde zum Ausgangspunkt hat.
Nach der TouNiER'schen Auffassung wären also die schwarzen Längsstreifen Reste
der ursprünglich schwarzen Grundfarbe und die hellen Längsstreifen wären eigent-
lich die Hauptsache der Längszeichnung. Es giebt nun zwar — bei gewissen Säugern —
in der That ja weiße Zeichnungen. Wie diese gegenüber der dunkeln übrigen Farbe
entstanden sind, wird nur die embryonale Untersuchung zeigen können. Möglich, daß
es auch hier auf ursprünglich dunkle Längsstreifung herauskommt, möglich auch,
daß es sich um zwei ganz verschiedene Entstehungsarten handelt. Aber jedenfalls
wäre das letztere ebenso merkwürdig, wie wenn bei den von Tornier untersuchten
Lurchen und Reptilien die Zeichnungsentwickelung eine umgekehrte sein sollte wie
bei vielen ihrer Verwandten.
Nun bildet Tornier alle von ihm dargestellten Tiere ziemlich gleich groß ab.
1) Die Reptilien und Amphibien Ostafrika's in Lief. III und IV von K. Möiuus, die
Tierwelt Ostafrika's 111. Band. Berlin. Dietrich Reimer 1896.
474 Besondere Aniuorkiiniri'ii.
Er sagt uns nichts von Jungen, die er untersucht hätte, ja von Lygodactylus sagt er
geradezu, da(3 ihm »keine sehr jungen Vertreter der Art, sondern nur halberwachsene
zur Verfügung standen«. Er scheint nur nach zicmlicli gleichalterigen Varietäten ge-
schlossen zu haben. Es dürfte also die ToKNn:u'sche Zeichnungsfolge neuer Unter-
suchung an jungen und auch an weiblichen gegenüber von männlichen Tieren zur
Entscheidung erfordern').
In ihrer Art so vorgeschrittene Formen wie gerade schwanzlose Lurche und
Geckonen bedürfen zu solcher Entscheidung noch viel mehr als andere der Unter-
suchung in diesem Sinne, wenn sie eben wegen ihrer Stellung nicht überhaupt ebenso
ungeeignet zu grundlegender Rolle in der Frage sind wie die Schlangen, welche auch
einem anderen Untersucher, Herrn Fr.\nz Wernek in Wien, den Stolf zu einer Umkehr
meines allgemeinen Zeichnungsgesetzes und zu weitgehenden, von mir abweichenden
Folgerungen geliefert haben-. Ist an den vorgeschrittenen von Toknier untersuchten
Tieren die tiefschwarze Farbe wirklich, wie derselbe meint, etwas Ursprüngliches,
so ist sie doch wohl sicher etwas zum Unterschied von anderen Tieren Eingeschobenes
und dann läßt sich die erste Entstehung der Zeichnung mit der dieser anderen nicht
unmittelbar vergleichen. Genug, daß aus der Längsstreifung, wie dort, zuweilen dunkle
Fleckung und Anlauf zur Querstreifung oder, unter Ausfall beider. Einfarbigkeit entsteht.
In ihrer Art so hochentwickelte Tiere wie insbesondere die Schlangen zum Aus-
gangspunkt der Feststellung von Zeichnungsgesetzen zu nehmen, ist nicht anders,
als wenn jemand irgendwelche unter den hochentwickelten Schmetterlingstypen,
welche nichts mehr von Längsstreifung zeigen, herausgreifen \md eine neue »Zeich-
nungstheorie« aufstellen wollte, die meine ganze Sache als falsch erweist oder
umkehrt, wie das Herrn Werner auf Grund seiner Schlangenstudien gelungen
sein will 3).
Ein umfassendes Urteil wird doch wohl folgendermaßen schließen: Bei solch
vorgeschrittenen Tierformen braucht Ursprüngliches gar nicht mehr aufzutreten, es
kann dafür Neues erscheinen, was sich im Lauf der Generationen ausgebildet und
gefestigt hat. Wenn dann bei solchen Formen auch postero-anteriore Umbildung und
andere sonst allgemeine Gesetzmäßigkeit nicht mehr rein auftritt, so beseitigt dies die
ursprünglich vorhandene Gesetzmäßigkeit selbst nicht. Zuletzt erfolgt die Verdrängung
ursprünglicher Eigenschaften auch in der Ontogenie, und sie ist bei vielen Schwimm-
vögeln z. B. schon im Dunenkleid erfolgt, während sie bei anderen gerade hier
prachtvoll erhalten ist. Neue Eigenschaften werden zuletzt auch in der Ontogenie
auftreten.
So ist es gewiß nichts Wunderbares, wenn bei Schlangen die ursprünghche
Längsstreifung verloren gegangen und als erste Zeichnung Fleckung aufgetreten ist
oder wenn sich etwa bei manchen vor die Längsstreifung eine Fleckung eingeschoben
hat. In der That hat J. Zenxeck gefunden, daß das Erstere bei der Ringelnatter der
Fall ist. (Nach Werner's neuesten Angaben selbst ist bei anderen Schlangen, sogar
bei unmittelbaren Verwandten unserer Ringelnatter, zuerst Längsstreifung vorhanden.)
Das ist die erste entwickelungsgeschichtliche Arbeit, welche über die Zeichnung
1) Franz Werner wirft Tornier rundweg vor, daß er eine Endstufe der Zeichnung
zum Ausgangspunkt genommen habe, was aber doch wohl am Material der be-
treffenden Arten selbst bewiesen werden müsste. Man vergleiche übrigens zu Obigem
die weiteren Ausführungen des Ersteren: Biolog. Centralblatt, 15. Mai -1897.
2) Vgl. F. Werner, Unters, über die Zeichnung der Schlangen, Wien, Krawaui 1890.
3) Daß dies so ist, wird zum Überfluß in einer soeben zu Gunsten des Herrn
Werner erschienenen Kritik meiner Arbeiten von Seiten eines Dr. Steuer in Wien auf
das Klarste bewiesen, nicht ohne Hülfe des hierzu nötigen Schlußeffekts der völligen
Vernichtung meiner Fähigkeiten als Gelehrter und meiner ehrlichen Eigenschaften als
Mensch. Ich würde zu Gunsten meines »bedeutendsten Gegners«, als welcher Herr
Werner bezeichnet wird, gerne annehmen, daß diese in elementarsten Fragen wegen Un-
verständnisses gegen Windmühlen kämpfende Schrift, mit dem Zeichen unverhülltester
persönlicher Parteiabsicht an der Stirne, ohne seine Kenntniß ausgegeben worden ist.
Besondere Anmerkungen. 475
von Wirbeltieren gemacht worden ist. Meine Untersuchungen beziehen sich nur auf aus-
gebildete Tiere und einige Larven; was die Entwickelungsgeschichte ihnen hinzufügen
wird, kann dieselben nur in erwünschter Weise ergänzen. Ich würde es z. B. für sehr
natürlich halten, wenn sich durch sie herausstellte, daß die spätere Längsstreifung ur-
sprünglich bei Wirbeltieren, entsprechend der Metamerie des Körpers und der Anordnung
der Blutgefäße, in Flecken aufträte. Ebenso ist es sehr verständlich, wenn verloren-
gehende Längsstreifung in der Entwickelung zuletzt nur noch als Fleckung auftritt.
Wenn es also Herr Werner als einen »schwerwiegenden ontogenetischen Beweis«
gegen mich bezeichnet, daß an der Larve von Triton cristatits die Zeichnung zuerst
in Fleckreihen entsteht, welche sich später zu Längsstreifen vereinigen, so ist dies,
wie mir scheint, gerade so gegenstandslos wie der Gegensatz, in welchen sich derselbe
zu meinen Anschauungen überhaupt stellt, indem er diese durch seine eigene
»Theorie« als falsch erweisen will.
Es mag sich ja wohl herausstellen, daß die Untersuchungen des Herrn Werner
ihre Verdienste haben, vielleicht sehr wesentliche, wenn man obige Gesichtspunkte
in Betracht zieht, und ich würde gewiß der Letzte sein, der sie nicht anerkennt. Allein
um solche Anerkennung zu gewinnen, ist es doch sicher nicht notwendig, statt sich
damit zu begnügen, die Arbeit des Vorgängers, auf welcher man fußt, zu ergänzen,
dieselbe auf den Kopf stellen oder gar erst vernichten zu wollen, um aus ihren Trüm-
mern aufzubauen, dergestalt, daß man nicht einmal die von jenem eingeführten Bezeich-
nungen glaubt beibehalten zu dürfen. Es ist dies die Methode, welcher ich leider
immer von neuem wieder begegne.
Werner will bei allen von ihm untersuchten Wirbeltieren die erste Anlage der
Zeichnung als eine unregelmäßige über die ganze Oberfläche verbreitete Fleckzeich-
nung gefunden haben: möglich, wie gesagt, daß dies im embryonalen Zustand öfters
der Fall ist, möglich auch, daß es sich zuweilen später noch eine Zeit lang erhält.
Etwas Anderes ist es, wenn derselbe, von den Schlangen ausgehend, als allge-
meine Zeichnungsfolge Fleckung und Längsstreifung unter Ausfall der auf die Längs-
streifung folgenden Fleckung aufstellen, also meine Zeichnungsfolge zur Hälfte um-
kehren will, ein Versuch, welcher Angesichts aller otTen daliegenden Thatsachen gerade-
zu unbegreiflich ist.
Da aber Herr Werner in der für seine Ansichten grundlegenden Schlangenarbeit
nach 107 Seiten Text nicht weniger als 7 Seiten »Veränderungen und Zusätze« und
»Corrigenda« bringt, und da er in späteren Arbeiten diese Veränderungen fortsetzt
'der beste Beweis dafür, daß er den leitenden Faden der Erklärung nicht in der Hand
hat), so habe ich, als ich das letztere sah, einstweilen Weiteres abwarten zu müssen
geglaubt, abgesehen davon, daß ich, wie dieses Buch zeigt, mit ganz Anderem be-
schäftigt war. Inzwischen habe ich aber meinen Schüler J. Zenneck zu der Untersuchung
der Ringelnatterembryonen veranlaßt und dann zur Bearbeitung der Zeichnung der
Riesenschlangen, welch letztere in Kurzem erscheinen wird. Dazu habe ich angenom-
men, daß die allgemeinen von mir im Vorstehenden gegen die WERNER'sche Behand-
lung der Dinge aufgestellten Gesichtspunkte von selbst sich geltend machen werden.
Ich glaube also kaum »durch schlaue Vermeidung aller der Hypothese ungünstigen
Ergebnisse, dadurch, daß ich die Arbeiten anderer Autoren verschweige oder mit
meinen Ansichten in scheinbare Übereinstimmung zu bringen suche«, gegen Herrn
Werner oder sonstwie gesündigt zu haben.
Ich freue mich über begründete Aufstellung von Ausnahmen der von mir be-
kannt gegebenen Gesetzmäßigkeit, in der Überzeugung, daß sie die Regel nur bestätigen
werden. Je mehr ihrer bekannt werden, um so näher rücken wir den Ursachen der
Umbildung. Ich bin weit davon entfernt, insbesondere mein allgemeines Zeichnungs-
gesetz als eine Schablone hinzustellen, welche keine solchen »Ausnahmen« ertragen
kann. Veränderte Verhältnisse und das organische Wachsen selbst müssen zuletzt
Veränderungen des Ursprünglichen hervorrufen.
Eine merkwürdige Ausnahme sind die von mir selbst aufgestellten Fälle von
sekundärer Längsstreifung, wie sie sich so merkwürdig bei Eulen findet. Es handelt sich
476 Besondere Annierknnaen.
liier gewissermaßen um eine Wiederholunt; der Zeichnungsfolge, bezw. um einen
Anfang dazu.
Viel wunderbarer als alle solchen Veränderungen aber ist die gleiche Anlage und
die gleiche Umbildung der Zeichnung bei ganz verschiedenen Tiergruppen, bei welchen
doch jede blutsverwandte Beziehung ausgeschlossen ist und wo dieselbe also ganz
unabhängig entstanden sein muß, so die Grundhindenzeichnung bei Schmetterlingen
und bei Eidechsen, die gleiche Umbildung überall bei Mollusken, Insekten, Wir-
beltieren.
Noch sieben wir kaum im Anfang der Kenntnisse über die Ursachen dieses Ver-
haltens.
Wenn ich seiner Zeit die Frage aufwarf, ob nicht die verschiedenen Zeichnungs-
stufen Anpassung an frühere und jetzige Pllanzenwelt darstellten, ohne später darauf
Gewicht gelegt zu haben, während ich in der gleichen Arbeit >über das Variieren der
Mauereidechse« die ganze Grundlage meiner orthogenetischen Auffassungen niederlegte,
so ist es zwar sehr richtig, wenn Herr Wkrneh heute als weiteren Grund gegen jene
Auffassung die Zeichnung der Fische anführt, aber gewiß weniger sachgemäß, wenn heute
der Versuch gemacht wird, die Sache so darzustellen, als hätte ich jene Auffassung
bestimmt vertreten und hätte meine Ansichten geändert. Die »köstliche« Schilderung
eines vorweltlichen Waldes mit »Telegraphenstangenschlagschatten und einer Wiese von
Besenstielen und Zündhölzern« ist also, so geistreich sie sein mag, in Beziehung auf
mich wiederum vollkommen gegenstandslos. Besser würde sich Herr Werner damit
an Darwin wenden, der ja solche Anpassungen zuerst vertreten hat. Wenn sie vor-
kommen — und ich bestreite so wenig wie je, daß sie vorkommen können — ■ so sind
sie erst in Gebrauch gesetzt, nachdem sie orthogenetisch entstanden sind, und weil die
bestimmt gerichtete Entwickelung unablässig arbeitet. So bin ich auch heute der An-
sicht, daß die etwa durch unmittelbare Einwirkung der Umgebung, auch etwa mit
Hülfe der Auslese z. B. bei Eidechsen verdrängte oder zurückgehaltene Zeichnung unter
ihr günstigen äußeren Verhältnissen wieder zur Herrschaft kommen kann, wie ich
das in der »Mauereidechse« ausgesprochen habe und was man mir heute gleichfalls
als frühere Ansicht vorhalten will. Wenn ich aber heute nach Maßgabe der von mir
selbst inzwischen aufgestellten Thatsachen der Zuchtwahl in Beziehung auf eine be-
stehende Anpassung auch bei Eidochsen nur eine wesentlich geringere Bedeutung zuge-
stehen kann, als früher, so wird mir dies wohl kein Vernünftiger zum Vorwurf machen.
Im Übrigen sind Tagschmetterlinge keine Eidechsen und Vieles kann hier im
Sinne der Nützlichkeit angepaßt sein, was es dort nicht ist. Vieles aber, was man
auch hier früher ohne W^eiteres auf Nützlichkeitsanpassung zurückgeführt hat, dürfte
sich wohl heute durch Mitfärbung oder Reizungsfärbung (»Entst. d. Arten I
S. 154) d. i. durch sympathische Färbung, Farbenpbotographie, erklären, wie auch u. a.
bei Raupen und Schmetterlingen — diese Mitfärbung schließt dann von selbst An-
passung ein: mechanische Farbenanpassung (Wiener).
Zu Seite 4 (Ursachen der gesetzmäßigen Zeichnung).
Zu dem Wenigen, was bis dahin über die Ursachen der gesetzmäßigen Zeichnung
bekannt geworden ist, führe ich auch die Mitteilung von Arnold Graf an Zoolog.
Anzeiger, Bd. XVIII, 4 895, S. 6öj, wonach die schwarze Längszeichnung und Fleckung der
Hirudineen dadurch veranlaßt wird, daß mit gefärbten Excretionsprodukten beladene,
aus dem Endothel der Leibeshöhle stammende Mesodermzellen Excietophoren durch
die gegebenen Zwischenräume der Muskulatur nach der Haut wandern, wo sie ihren
Farbstoff abgeben, indem sie zerfallen.
C. B. Klunzinger sagt in seinem Bericht über meine »Artbildung« (Naturwissen-
schaftliche Wochenschrift von PoTONiE -1896, '19. April' im Anschluß hieran: so dürften
auch bei den Schmetterlingen die Matrixzellen auf ihren Inhalt an Farbstoffen und ihr
Vorhalten gegen äußere Agentien näher zu prüfen sein, denn wenn das Flügelgeäder
für die Zeichnung nicht maßgebend ist, so müssen doch irgend welche anatomische
Grundlagen für dieselbe gefunden werden.
Dieses Bedürfnis nach einer Erklärung der Zeichnung spricht sich auch in
Besondere Anmerkungen. 477
anderen Berichten über meine Befunde aus und es ist selbstverständlich ein dringen-
des, mir nicht am wenigsten fühlbares. Untersuchungen über die Ursachen der
Farben bei Schmetterlingen überhaupt, welche ich zunächst veranlaßte, müssen erst
Boden für die Lösung der besonderen Frage der Zeichnungsursachen abgeben.
Ganz unabhängig von der Aderung ist übrigens die Zeichnung nicht. Größte
Abhängigkeit besteht sogar beim A'«</i«s-Typus. Auch sonst sind, wie wir sahen,
gewisse Adern für die Zeichnung durchaus maßgebend, und die Entwickelungsge-
schichte zeigt, daß bei bisher untersuchten .Vrten gewisse Zeichnungen sich immer
zuerst auf oder dicht an bestimmten Adern, bezw. Tracheen, oder auf Gabelungsstellen
solcher anlegen (M. v. L index . Man wird also hier wohl auf den Einfluß der Oxydation
hingewiesen.
Der Nachweis von Verschiedenheit der Ursachen würde den Gegenstand in
Einzelnem noch merkwürdiger machen, als er es so schon ist. Ein weites Gebiet für
Arbeit liegt hier vor. Das Nächstliegende, Erste aber ist die vollendete Feststellung
der morphologischen Thatsachen. Das Weitere muß folgen.
Zu Seite 6. (R. Diez. Untersuchungen über die Skulptur der Flügeldecken bei
der Gattung Carabus auf Gru nd der Gesetze organischen Wachsens.) Die wesent-
lichsten Ergebnisse dieser Arbeit sind die folgenden:
Es handelt sich bei der Umbildung der Skulptur in der Hauptsache
1. um eine Verminderung der Rippenzahl;
2. um eine A^erstärkung einzelner Rippen auf Kosten der benachbarten;
3. um eine Zerlegung von Rippen;
4. um Ausbildung von Querverbindungen zwischen den benachbarten Rippen;
5. um eine Abtlachung der Rippen, wobei zunächst die die Rippen einfassenden
Reihen eingestochener Punkte noch bestehen bleiben, bis endlich
G. auch diese schwinden oder unregelmäßig werden und eine glatte oder mit
eingestochenen Punkten regellos bedeckte Oberfläche entsteht, die endlich
7. durch Erhebung der Zwischenräume zwischen diesen vertieften Punkten
gleichmäßig gekörnt erscheint;
8. handelt es sich noch um eine stärkere oder schwächere Ausbildung der sog.
Punktgrübchen.
Die Verminderung der Rippenzahl kommt zu Stande
a. durch Verbreiterung und Erhöhung der primären, sekundären und tertiären
Rippen auf Kosten der quaternären, desgl. der primären und sekundären auf Kosten
der tertiären, in welch' letzterem Fall aber jene nicht mehr den ganzen von den
letzteren ausgefüllten Raum einnehmen.
b. durch Auflösung in Höcker- oder Körnerreihen, die schließlich verschwinden;
c. ohne solche vorherige Auflösung durch allmähliches Schwächerwerden;
d. selten durch formliche Verschmelzung benachbarter Rippen.
Die Zerlegung der Rippen erfolgt
a. durch Punktgrübchen, kenntlich durch ein erhabenes Korn vorn im Grunde.
Diese Art der Zerlegung findet sich vorzugsweise bei den primären, weniger häufig
bei den sekundären, noch seltener bei den tertiären Rippen.
b. durch Ausbildung einfacher Quereinschnitte, wodurch die Rippen in Höcker-
oder Körnerreihen zerfallen.
Die Bildung von Querverbindungen zwischen den einzelnen Rippen erfolgt:
a. wenn die Rippen noch zusammenhängen oder
b. wenn sie schon in Kettenelemente oder Höcker zerlegt sind.
Durch diese einfachen Mittel, das stärkere Hervortreten der einen, das Zurück-
treten der anderen Entwickelungsrichtung u. s. w. kommt die ganze scheinbar unend-
liche Mannigfaltigkeit von Skulpturen auf den Flügeldecken der Carabus zu Stande.
Einen bemerkenswerten Unterschied in der Skulptur zwischen Männchen und
Weibchen konnte Diez nicht feststellen. Das Gesetz der männlichen Präponderanz
findet also bei dieser Gattung wie auch vielfach bei den Schmetterlingen keine An-
478 Besondere Anmcikungeii.
Wendung. Sekundäre Geschlechtsunterschiede finden sich hauptsächlicli in der Große
(Männchen meist kleiner), in der Bildung der Glieder der Vordertarsen die des (J
erweiterti, in der Form einzelner Fühler- und Tastergiieder, endlich in der Form des
Ausschnittes am Seitenrand der Flügeldecken gegen die Spitze (wo ein solcher über-
haupt vorhanden ist, ist er in der Regel beim Q stärker).
Ebensowenig wie das Gesetz von der männlichen Präponderanz ist das biogene-
tische Grundgesetz, das Undulationsgesetz und das Gesetz von der Alterspräponderanz
bei den Käfern anwendbar, da der Käfer vollständig fertig aus der Puppe hervorgeht
und eine Veränderung während seines Lebens ausgeschlossen ist.
»Wohl kaum irgendwo wird aber das EuiER'sche Gesetz von der postero-anterioren
und infero-superioren Entwickelung klarer und deutlicher zum Ausdruck kommen,
als bei den Punktgrübchen auf den Flügeldecken der Carabus-Avlen. Stets ist es zuerst
die dritte Dorsalrippe, auf der sie sich zuerst zeigen. Dann greift die neue Eigenschaft
auf die zweite und zuletzt auf die erste Dorsalrippe über. Fast immer aber reichen
die Grübchen auf der dritten primären Rippe weiter nach vorn, als auf der zweiten,
auf dieser weiter als auf der ersten. Sehr häufig ist die dritte schon der ganzen
Länge nach in größeren oder kleineren Abständen mit Grübchen besetzt, während bei
der zweiten erst auf der hinteren Hälfte, bei der ersten entweder gar keine oder nur
ganz hinten 1 oder 2 Grübchen vorhanden sind«.
Zu Seite 18. (Postero-anteriore Umbildung.)
Klunzinger bemerkt in seinem Bericht über meine »Artbildung« in der Naturw.
Wochenschrift 1896: »Das Gesetz des postero-anterioren Fortschreitens ist, was ich
nirgends erwähnt finde, wenigstens bei Wirbeltieren zurückzuführen auf die ontogene-
tische Neubildungsquelle des Urmundes.«
Es kommt dabei in Betracht, daß die Entwickelung des Wirbeltierleibes, be-
sonders deutlich beim Amphioxus Hatschek, Hertwig) vom Frmund der Gastrula,
dem späteren Hinterende, ausgeht: von hier aus entsteht das Mesoderm, entstehen
die Coelomtaschen, sich allmählich vorn zuerst entwickelnd, abschnürend, auch die
Urwirbel sind hinten zuerst deutlich. So entstehen immer neue Segmente von
hinten, vom Urmund, der Wachsturaszone oder Keimungs(iuelle ßlastocrene) aus und
rücken nach vorne.
»Die postero-anteriore Umbildung der Zeichnung würde also einer Neigung für
Fortsetzung der Entwickelung in der früheren embryonalen Richtung entsprechen.«
Zu Seite 19. (Homoeogenesis.)
»Unter dem Ausdruck »analoger Variation«, sagt Darwin, .... »verstehe ich
eine in der einen .\rt oder Varietät vorkommende Abänderung, welche einem normalen
Charakter in einer anderen und distinkten Art oder Varietät ähnlich ist. Wie in
einem späteren Kapitel erklärt werden wird, können analoge Variationen aus ver-
schiedenen Gründen entstehen: es können zwei oder mehrere Formen von ähnlicher
Konstitution ähnlichen Bedingungen ausgesetzt gewesen sein oder es könne sich bei
der einen Form um Rückschlag auf den gemeinsamen Urerzeuger handeln oder es
können beide Formen ihre Ähnlichkeit durch Rückschlag erlangt haben.« So seien
Pferde und Esel zuweilen gefleckt, Pferde gestreift. Da wir wissen, daß Streifen
mehrerer Arten von Felis »leicht in Flecke und wolkige Zeichnungen übergehen, wie
ja selbst die Jungen des gleichförmig gefärbten Löwen auf hellerem Grunde dunkel-
gefleckt sind, so können wir vermuten, daß das Geflecktsein des Pferdes, welches
manche Schriftsteller in Verwunderung gesetzt hat, eine Modifikation oder eine Spur
jener Neigung ist, streifig zu werden« i).
An einer anderen Stelle^) sind verschiedene weitere Beispiele von Pflanzen und
von domestizierten Tieren (Tauben, Hühnern u. a.) mitgeteilt: »Drei Spezies von Cucur-
bita haben eine Menge Rassen ergeben, welche einander im Charakter so nahe ent-
sprechen, daß sie, wie N.\udin behauptet, in einer fast streng parallelen Reihe ange-
1) D.^RwiN, Domestikation I, 3. Aufl., Stuttgart 1880, S. 62.
2) Ebenda II, S. 376 ff.
Besondere Anmerkungen. 479
ordnet werden können. Mehrere Varietäten der Melone sind deshalb interessant, daß
sie in wichtigen Charakteren anderen Spezies ähnlich sind und zwar desselben Genus
oder verwandter Gattungen«. Es könne sich in diesem oder in weiteren aufgeführten
Fällen nicht um Rückschlag handeln, sondern um Vererbung von einem früheren Ur-
erzeuger auf Grund derselben Konstitution.
Bei Tieren gebe es weniger Fälle von analoger Variation unabhängig vom Rück-
schlag. Die spärlichen Beispiele beziehen sich aber nur auf Rassen: man sehe etwas
derart in der Ähnlichkeit zwischen den kurzschnäuzigen Rassen des Hundes, wie des
Mopses und der Buldogge, bei federfüßigen Rassen des Huhns, der Taube und des
Canarienvogels, bei Pferden der verschiedensten Rassen, welche dieselbe allgemeine
Färbung darbieten, bei allen schwarz und gelbbraun gefärbten Hunden, welche gelb-
braune Augenflecke und Füße haben: hier könne es sich aber möglicherweise um
Rückschlag handeln.
Dann folgen Beispiele für solchen Rückschlag. Einmal spricht D.^rwin hier davon,
es sei eine wahrscheinliche Ansicht, daß alle Glieder der Hühnerfamilie die Eigenschaft
gefütterten oder gestrichelten Gefieders in Folge einer Neigung, in gleicher Manier zu
variieren, geerbt haben. So könnte es auch erklärt werden, daß die weiblichen
Schafe bei gewissen Rassen hornlos sind , wie die Weibchen einiger anderen Hohl-
hörner, daß gewisse domestizierte Katzen leicht Haarbüschel an den Ohren haben, wie
der Luchs, und warum die Schädel der domesticierten Kaninchen oft von einander in
demselben Charakter abweichen, wie die der verschiedenen Spezies der Gattung Lepus.
Weiterhin sagt Darwin, er habe diese analoge Variation ausführlich erörtert,
weil es bekannt ist, daß die Varietäten einer Art häufig verschiedenen Species ähnlich
sind, weil dadurch gezeigt werde, daß jede unbedeutende Abänderung von Gesetzen
beherrscht und in einem viel höheren Grade durch die Natur der Organisation als
durch äußere Lebensbedingungen bestimmt wird. Endlich, weil die bezüglichen That-
sachen »in einer gewissen Ausdehnung mit einem noch allgemeineren Gesetze in Be-
ziehung stehen, nämlich mit dem, was Herr B. D. Walch das Gesetz der gleich-
artigen Variabilität genannt hat: d. i. »wenn irgend ein gegebener Charakter in
einer Art einer Gruppe sehr variabel ist, so wird er in verwandten Spezies variabel
zu sein streben, und wenn irgend ein gegebener Charakter in einer Art einer Gruppe
vollständig konstant ist, so wird er in verwandten Spezies gleichfalls konstant zu
sein neigen.«
Dieses letztere Gesetz hat dem Namen nach mehr Beziehung zu meinem Gesetz
der unabhängigen Entwickelungsgleichheit, Homoeogenesis, wie dem Inhalt nach. Die
»analoge Variation« aber ist durch dieses Gesetz, bezw. (was Darwin nur ausnahms-
w-eise als Möglichkeit erwähnt durch das Herrschen bestimmter Entwickelungsrich-
tungen, d. i. der Orthogenesis, zu erklären, nicht in der Mehrzahl der Fälle, wie er
meint, durch Rückschlag. Außerdem handelt es sich in den Belegen der von mir
vertretenen Homoeogenesis weniger um ähnliche Ausbildung nahe verwandter
domestizierter Rassen, sondern vielfach untereinander sehr entfernt stehender,
freilebender Arten, wobei allerdings trotzdem die ursprüngliche Konstitution maß-
gebend für die Ähnlichkeit sein wird.
Fortgesetzte Untersuchungen werden wohl zeigen, welch große Bedeutung der
Homoeogenesis in weiten Gebieten zukommt, damit der Konstitution, und da diese
in jedem einzelnen Falle ein Erworbenes und Vererbtes sein muß, der Vererbung
erworbener Eigenschaften.
M. V. Linden- hat begonnen, die Gehäuse von Meeresschnecken auf solche Be-
ziehungen zu untersuchen, und sie konnte in kurzer Zeit die merkwürdigsten Ähn-
lichkeiten der Gestalt und der Struktur in weit auseinanderstehenden Gattungen auf-
stellen, unter sonst sehr großer in denselben herrschender Verschiedenheit.
So bei: ^
Mitra pontißcalis und Melania Cybele, Melania pantherina und Terebra corru-
gata, Melania spinata und Potamites ebenicus, Üoryssa aspersa und Ceri-
thium sulcatum.
480 Besondere Anmerkungen.
Zu Seite 2-1, 2"), 2 61 Dakwin, v. Hartmann, Entstehung der Arten.)
Man weist niicli darauf hin, daß Eduakd v. Hartmann schon vor mir den Titel
des DAHWiN'sclien Buclies »Die Entstehung der Arten« für hinfällig erklärt hat. ^^ Ich
freue mich über diese Übereinstimmung um so mehr, als der verbreitete Mangel
der dieser Erklärung zu Grunde liegenden so einfachen Erkenntnis ein Haupthindernis
für das Durchdringen meiner Einwände gegen die Herrschaft der Zuchtwahl bis dahin
gebildet hat. Dazu kommt noch mehr Übereinstimmung: E. v. Haktmann' hebt her-
vor, daß er schon in der 1868 erschienenen ersten Auflage seiner »Philosophie des Un-
bewußten« die »Theorien der natürlichen und geschlechtlichen Zuchtwahl als über-
schätzte Erklärungsprinzipien von eingeschränkter Geltung« nachgewiesen habe 1. Autl.
S. 493—94, 497— Ö03, 223—225; 6. Aull. S. 596, 602—610, 24ü— 2öO,i. »Der wichtigste,
dem Botaniker Nageli entlehnte Einwand war der, daß die natürliche Zuchtwahl nicht
auf morphologische Strukturverhältnisse, sondern nur auf die Anpassung morphologisch
gegebener Organe zu bestimmten physiologischen Verrichtungen hinwirken könne,
während doch die Unterschiede der Spezies, deren Entstehung Daiuvin durch seine
Selektionstheorie zu erklären beanspruche, wesentlich morphologischer Natur seien, und
namentlich aller Fortschritt zu höheren Organisationsstufen auf einer Abänderung der
morphologischen Strukturverhältnisse beruhe. Seitdem hat nun Darwin selbst sich
bewogen gefunden, die Stichhaltigkeit dieses Einwandes anzuerkennen und einzuräumen,
daß er der Wirkung der Zuchtwahl zu viel zugeschrieben habe, weil dieselbe sich
nur auf physiologisch nützliche, adaptive Charaktere, aber nicht auf die zahlreichen
physiologisch indiflerenten morphologischen Strukturverhältnisse erstrecken könne
(»die Abstammung des Menschen« deutsch von Garus, 2. Aufl. Bd. I. S. 132); er hat
der Erkenntnis dieses »größten Versehens« auch in der Revision der 5. englischen
Ausgabe seines Hauptwerks Ausdruck gegeben (vgl. die 5. deutsche Ausgabe S. 237 — 239),
hat jedoch unterlassen, die Konsequenz daraus zu ziehen, daß hiermit schon der Titel
des letzteren: »Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl« hinfällig wird,
weil eben die physiologisch indilierenten morphologischen Charaktere die wichtigsten
und entscheidenden für den Typus der Spezies sind, also von einer Erklärung der
Entstehung der Arten durch ein Prinzip, welches die Hauptsache unerklärt läßt,
nicht füglich mehr die Rede sein kann. Diese einleuchtende Konsequenz hat sich
Darwin durch verstärkte Betonung auxiliärer Erklärungsprinzipien verschleiert, welche
indessen, wie wir sehen werden, zu einer Grundanschauung führen, die derjenigen, aus
welcher das Selektionsprinzip entsprang, entgegengesetzt ist.«-)
Hierzu möchte ich nur bemerken, daß ich meinen Satz von der Hinfälligkeit des
Anspruchs Darwin's, die Entstehung der Arten zu erklären, aus einem anderen,
weiteren Gesichtspunkt abgeleitet habe: aus der Herrschaft der Orthogenesis.
Darwin hat selbst später auf das Bestimmteste erklärt, daß seine natürliche Zucht-
wahl es nur mit der Erhaltung nützlicher Eigenschaften zu thun habe, indem er sogar
sagt: »Mehrere Schriftsteller haben den Ausdruck natürliche Zuchtwahl mißverstanden
oder unpassend gefunden. Die einen haben selbst gemeint, die natürliche Zuchtw-ahl
führe zur Veränderlichkeit, während sie doch nur die Erhaltung solcher Abänderungen
einschließt, welche dem Organismus in seinen eigentümlichen Lebensbeziehungen
von Nutzen sind.«-)
Allein trotzdem kommt er, wie im Vorwort schon gesagt ist, immer wieder
darauf zurück, ebenso bestimmt seiner eigentlichen Meinung Ausdruck zu ver-
schaffen, es sei die Zuchtwahl das wesentlichste Mittel der Umbildung überhaupt,
obgleich sie Variabilität voraussetze. Ich behalte mir vor, auch noch von anderen
Beziehungen der Ansichten Darwin's zu den meinigen in der Fortsetzung der »Ortho-
genesis« eingehender zu reden.
1) Eduard v. Hartmann: Wahrheit und Irrtum im Darwinismus. Berlin 1873.
S. 3. 4.
'-) Darwin, Entstehung der Arten. 7. deutsche Auflage. Stuttgart '1884, S. 100.
Man vergl. hierzu auch: Abstammung des Menschen I. Stuttg. 1878. S. 78.
Besondere Anmerkungen. 481
Zu Seite Go. (Farbenphotographie.)
0. Wiener vermuthet in seiner wichtigen Arbeit, daß die von Poultoii ange-
stellten Farbenanpassungsversuche mit Raupen auf das Vorhandensein eines farben-
empfänglichen Stoffes zurückzuführen seien. Wienek setzt auch bei den Schmetter-
lingen einen solchen Stoff voraus. Die Farbenwiedergabe der Umgebung in der
Zeichnung würde dann auf einer mechanischen Farbenanpassung beruhen,
welche nach ihm darin besteht, daß unter den entsteliungsfähigen Farbstoffen
durch das Licht selbst derjenige ausgesucht wird, welcher der zerstörenden Wirkung
der Beleuchtungsfarbe am besten widerstehen kann, und das ist jeweils der gleich-
farbige.
Damit wäre die Beteiligung jeder Nützlichkeitsauslese an Farbenanpassungen als
entbehrlich erwiesen.
(Vgl. hierzu auch »Entstehung der Arten« I. S. 153.)
Zu Seite 64 bis 6 3. (Nichtanpassung der Oberseite der Schmetterlingsflügel.)
Schon in seiner »Isolierung und Artbildung« spricht sich Herr Weismann auf das
Entschiedenste gegen diese Anpassung bei Tagfaltern aus: abgesehen von »den Fällen
von Mimicry und schützender Totalfärbung« , d. i. einer »dunkleren Gesamtfärbung
bei gewissen Weibchen«, gebe es keine solche. (S. 39 und 62.)
Zu Seite 6fi. Bildungsgesetze.;
Sehr lebhaft hat auch Bildungsgesetze und innere Ursachen der Umbildung, welche
er heute ebenso lebhaft zurückweist, früher Herr Aigist Weismann vertreten, haupt-
sächlich im zweiten Teil seiner »Studien zur Descendenztheorie« über »die Entstehung
der Zeichnung bei den Schmetterlingsraupen«, wenigstens in der ersten Hälfte dieser
Schrift. Man vergleiche dort u. a. Seite 40, 66 ff., S. 72. Er sagt dort insbesondere
auch, das phyletische Zurückrücken von Eigenschaften (d. i. Kymatogenesis), wie es
Würtenrkrger bei Ammoniten gezeigt und auf den Nutzen geschoben habe, müsse bei
den Raupen, wie die in jugendliche Stadien zurückgerückten Eigenschaften »höchstens
indifferent, gewiß aber nicht nützlich sein können«, bis zu einem gewissen Grad un-
abhängig vom Nützlichkeitsprinzip sein und es müsse auf andere Ursachen zurückgeführt
werden: »auf die Bildungsgesetze, welche innerhalb eines jeden Organismus walten«.
Es geschehe gänzlich unabhängig vom Nutzen . . . ., heißt es weiterhin, »lediglich durch
innere Bildungsgesetze«. Es wird besonders auch betont, daß die Zeichnung sich
bei allen verwandten Raupen mit auffallender Gesetzmäßigkeit ähnlich entwickele,
mögen ihre äußeren Lebensverhältnisse noch so verschieden sein, und so
lange die Raup eben noch so klein sind, daß sie nur mit der Lupe sicht-
bar sind und von einer Nachahmung, etwa der Stiele oder der Rippen
der Blätter, eben wegen des Grüßenunterschieds nicht die Rede sein kann.
Die Erkenntnis, daß der Nutzen in der Gestaltung der Lebewelt und in der Neu-
bildung derselben nicht die große Rolle spielt, welche ihm Darwin zugeschrieben hat.
diese Gegnerschaft gegen die Selektionslehre dauert in dieser Schrift allerdings nur
eine kurze Zeit und erfährt in sehr überraschender Weise mitten in derselben eine
plötzliche Umkehr: mit Seite 74 beginnend und in den folgenden Abschnitten werden
Zeichnung und Farbe auf Nutzen zurückgeführt — ein vollkommener Saison -
Dimorphismus der Erkenntnis. So kommt der Verfasser zu dem Schluß-
ergebnis:
»Es ist gelungen, für jedes der drei Hauptelemente der Sphingiden-Zeichnung eine
biologische Bedeutung nachzuweisen und dadurch ihre Entstehung durch Natur-
züchtung wahrscheinlich zu machen. Es ist ferner gelungen zu zeigen, daß schon
die ersten Anfänge dieser Zeichnungen von Nutzen sein müßten und damit scheint
mir ihre Entstehung durch Naturzüchtung geradezu erwiesen zu sein«.
»Es ist weiter nicht schwierig gewesen, auch das Verschwinden der pri-
mären Zeichnungselemente durch später hinzukommende sekundäre wesentlich
als eine Wirkung der Naturzüchtung zu verstehen«. Kymatogenesis!;
Endlich: Die Entstehung und Ausbildung der Sphingidenzeichnung beruhe lediglich
Eimer, Orttogenesis. 3^
482 Besondere Anmerkungen.
auf den bekannten Faktoren der Naturzüchtung und der Korrelation — also in der
That das volle Gegenteil von dem, was in der ersten Hälfte der Arbeit vertreten wurde.
[»Innere Ursachen« betr. vgl. u.a. auch Wkisman>-, Einfluß der Isolierung auf die
Artbildung 1872. S. 70.)
Zu Seite 7 6. (Künstliche Züchtung in Beziehung zur natürlichen.)
, Es ist auch von Anderen hervorgehoben worden, wie wenig gerechtfertigt es
ist, künstliche und natürliche Zuchtwahl in der Weise zusammenzustellen, wie Dakwin
das thut, indem er die Ergebnisse der ersteren zu unbedingt auf die letztere an-
wendet. Ein besonders wichtiger bezüglicher Gesichtspunkt, welchen ich hervorheben
möchte, ergibt sich aus der Orthogenesis. Bei der künstlichen Zuchtwahl hat der
Züchter stets ein Ziel im Auge, welches er durch die Auslese erreichen will und nach
welchem er die Auslese richtet. Es können so irgend nebensächliche oder am seltensten
auftretende Entwickelungsrichtungen begünstigt, zur Hauptsache gemacht werden durch
fortgesetzte Auslese, sobald sie auch nur mit kleinsten Anfängen auftreten.
Es werden also schon diese Anfänge in den Dienst des erstrebten Nutzens gezogen.
Bei der natürlichen Zuchtwahl ist dies nicht möglich.
»Aber in der großen Mehrzahl der Fälle ist ein neuer Charakter oder irgend-
welche Superiorität in einem alten Merkmal Anfangs nur schwach ausgesprochen und
wird auch nicht streng vererbt, und nun tritt die ganze Schwierigkeit uns entgegen.
Unermüdliche Geduld, das Vermögen der feinsten Unterscheidung und gesundes Urteil
muß viele Jahre hindurch ausgeübt werden; ein deutlich vorgezeichnetes Ziel
muß beständig im Auge behalten werden. Wenig Menschen sind mit allen
diesen Eigenschaften begabt, besonders mit der. sehr unbedeutende Differenzen unter-
scheiden zu können. Ein Urteil läßt sich nur durch lange Erfahrung erlangen; fehlt
aber irgend eine dieser Eigenschaften, so ist die Arbeit eines Lebens möglicherweise
vergebens. Ich bin erstaunt gewesen, wenn berühmte Züchter, deren Geschick und
Urteil durch ihren Erfolg bei .Ausstellungen sich erwies, mir ihre Tiere zeigten, die
alle gleich erschienen, und mir ihre Gründe mitteilten, warum sie dieses und jenes
Individuum paarten. Die Bedeutung des großen Princips der Zuchtwahl liegt haupt-
sächlich in diesem Vermögen, kaum merkbare Verschiedenheiten auszuwählen, welche
nichtsdestoweniger sich als der Ueberlieferung fähig herausstellen und welche sich
häufen lassen, bis das Resultat für das Auge eines jeden Beschauers offenbar wird«,
sagt Darwin, i;
Zu Seite 7 6. (Inhärente Neigung zum Variieren.)
»Wenn organische Wesen nicht eine inhärente Neigung zu variieren hätten, so
würde der Mensch nichts haben ausrichten können. Er setzt unabsichtlich seine Tiere
und Pflanzen verschiedenen Lebensbedingungen aus, und die Variabilität erscheint, die
er nicht einmal verhindern oder aufhalten kann«: Darwin, »Dornest.«. I. S. 2.
Zu Seite 29 1. (Halmatogenesis.)
»Abänderungen, welche plötzlich erscheinen, werden, wie ich an einem anderen
Orte gezeigt habe, entweder unverändert oder gar nicht überliefert«, sagt Darwin in
Dornest. 2. Aufl. Bd. II, S. 106 mit Bezug auf NichtÜbertragung von sprungweise er-
worbenen Eigenschaften.
Zu Seite 33 0. (Ursachen der Farben.)
Nach neuesten in meinem Laboratorium angestellten, demnächst zu veröffent-
lichenden Untersuchungen über die Farben der. Schmetterlingsflügel ist in der That
fast überall mit den Interferenzfarben auch Farbstoff verbunden.
Nach Walter: die Überflächen- oder Schillerfarben, Braunschweig 1893 sind die
glänzenden Farben auf sogenannte Schillerstoffe, d. i. auf Farbstoffe zurückzuführen,
welche gewisse Teile des Spectrum außerordentlich stark absorbieren.
Man vergleiche die wichtigen Arbeiten von Frikdrich Urech: Zoolog. Anz. -1891.
Nr. 380, 1892 Nr. 397 und 398, 1896 Nr. 300 bis 502, Zeitschr. f. w. Zool. 57. Bd. 1893
1; Darwin, Domestikation II, S. 194.
Besondere Anmerkungen. 483
über die Ursachen der Schmetterlingsfarben und ihrer Veränderungen. In letzterer
Beziehung nimmt Urech. gleich mir, hervorragend Kompensation, bezw. kaleidoskopische
Umbildung in Anspruch Zool. Anz. 189«. Auch die Aberrationen, weiche E. Fischer
durch Centrifugieren erhielt, beruhen als topische Verschiebungen von Flecken nur
auf einfachsten Kompensationsvorgängen. Eine in der Ontogenie von Vanessen auf-
tretende Folge der Farben von Weißlich zu Gelb, Rötlich, Rotbraun und Schwärzlich
hält Urech für "Wiederholung der phyletischen Folge. (Dagegen E. Fischer.)
Van Bemmelen hat eine solche ontogenetische Farbenfolge zuerst bei Vanessa
cardui beobachtet: a. a. 0.
Man vergleiche bezüglich der einschlagenden Fragen die Zusammenstellung, welche
M. v. Linden unter der Überschrift: »Unsere Erkenntnis über die Einwirkung äußerer
Einflüsse auf die Färbung und Zeichnung der Schmetterlinge« gegeben hat in »Die
Natur«, herausgegeben von 0. Taschenberg, Halle ISQ? •! . und 28. März.
Zu Seite 361. Orthogenetische Präponderanz.)
Man hat mir wiederholt vorhalten zu müssen geglaubt, daß mein Gesetz der
männlichen Präponderanz nichts Neues sei. Es beruht dieser Vorhalt aber auf Irrtum.
Es ist allerdings eine altbekannte elementare Thatsache, daß der Mann dem Weib
in der Ausbildung verschiedener Eigenschaften vorangehen kann oder vorangeht. Ich
habe aber zuerst darauf hingewiesen, daß es sich dabei in Beziehung vorzüglich auf
die Zeichnung (aber nicht auf diese allein: vergl. »Mauereidechse«: um ein allgemein
gesetzmäßiges, auf bestimmt gerichteter Ent Wickelung beruhendes
Verhältnis und zw ar nicht nur zwischen Mann und Weib handelt, wobei der Mann seine
Eigenschaften auf das Weib übertragen kann, sondern um eine höchst wichtige Ursache
gesetzmäßiger Umbildung der Art: die neuen beim Mann zuerst auftretenden
Eigenschaften werden die der nächstverwandten Art durch Übertragung auf diese und
so fort. Dazu zeigte ich. daß es immer die alten Männchen sind (»Mauereidechse«;,
welche zuerst die neuen Eigenschaften annehmen (Alterspräponderanz), und es
gilt dies, so viel ich nach mir zu Gebote stehenden Thatsachen urteilen kann, auch
für andere Tiere.
Wenn ich nun bei den Schmetterlingen für seltenere Fälle eine weibliche orthogene-
tische Präponderanz aufstellen konnte, so wird dies die Bedeutung der gew'öhnlichen
männlichen nicht stören, noch wird es der Gesetzmäßigkeit überhaupt Abbruch thun:
die Kenntnis der Ursachen, welche die Erscheinung in beiden Fällen bedingen, wird
dieselben wohl auf eine gemeinsame Grundlage zurückführen lassen.
Zunächst können wir nur soviel sagen, daß der männliche Organismus in der
Regel ein in bestimmten Eigenschaften vorgeschrittenerer, feiner ausgearbeiteter, in
diesen Eigenschaften zäher gefestigter ist, weshalb er dieselben leichter wird über-
tragen können. Es spricht dies, nebenbei gesagt, in hohem Grade gegen maß-
gebende Anlagen im weiblichen Keimplasma.
Zuweilen hat nun offenbar der weibliche Organismus ein ähnliches Gefüge, eine
ähnliche Empfindlichkeit und ähnliche Zähigkeit in Beziehung auf Vererbung bezw.
Übertragung wie sonst der männliche.
Warum? ist für jetzt wohl kaum zu entscheiden.
Zu Seite 373. (NichtSchutz durch Farben.)
»Obgleich wir zugeben müssen, daß viele Säugetiere ihre jetzigen Farben ent-
W'Cder als Schutzmittel oder als Hülfsmittel zur Erlangung der Beute empfangen
haben, so sind doch bei einer Menge von Spezies die Farben viel zu auffallend und
zu eigentümlich angeordnet, um uns die Vermutung zu gestatten, daß sie diesen
Zwecken dienen«, sagt Darwin außerdem in Abstammung des Menschen II. Stuttgart
1875, S. 278.
3 1*
484 Besondere Anmerkungen.
Zu Seite 420, 421 und 427 {Vanessa levana-prorsa und Verwandte'.
E. BlanciiardI) sagt von Vanessa prorsoides, sie habe eine Varietät levanoides,
welche durch die Färbung der Flügel im Ganzen levana gleiche.
Ihre Flügel seien viel stärker gezähnt als bei prorsn.
L. Gräseu'-) sagt: »Vanessa levana L. überall mehr oder weniger häufig (im Amur-
gebiet), dagegen die zweite Generation Vanessa prorsa L. nur bei Wladiwostok (dem
südlichsten Punkte des Gebietes!' so häufig als die Stammart, an allen übrigen Plätzen
aber sehr selten. Bei Nikolajewsk sammelte ich im Sommer 1881 eine große Anzahl
von Haupen. Von diesen entwickelte sich im August nur eine einzige Varietät
prorsa, alle übrigen Puppen überwinterten und lieferten im nächsten Frühjahr die
Stammart.
Vanessa hurejana Brem. nur bei Nikolajewsk im Juli zwei Stück«.
C. V. Heyden^) beschreibt eine Vanessa vetiüa und bildet dieselbe auf Taf. I,
Fig. 10 ab, gefunden in Rott, welche ihm in die Nähe unserer Vanessa levana zu ge-
hören scheint. Sie ist kleiner als diese, die Flügel zeigen auf der Grundfarbe größere
undeutliche schwarze und viele weiße Flecke von verschiedener Größe.
Zu Seite 45 5. 'Schleuderversuche.)
Nur wenn das Hinterleibsende der Puppen nach außen, nach der Peripherie,
gelegen, also der natürlichen Lage entgegengesetzt war, erhielt Fischer bei Vanessen
wiederholt Abänderungen, welche für gewöhnliche Abarten maßgebend sind, und zwar
Kälteformen. So bei Vanessa urlicae Annäherung an var. polaris, bei V. polychloros eine
fast vollkommene ab. testudo, bei V. Antiopa zuweilen Annäherung an Hygiaea.
Wenn aber das Kopfende der Puppen nach der Peripherie gerichtet war, ent-
stand bei einer Anzahl V. polychloros kein Anschluß an vorhandene Flecke, sondern
es entstanden durch Vermehrung des schwarzen Farbstoffes schwarze Flecke an neuen
Stellen, aber an bestimmten.
Zu Seite 4 5 5. (Einfluß von verschiedenem farbigen Licht während der Ent-
wickelung.)
Ueber gesetzmäßige Veränderung auch der Entwickelung der Raupenzeichnung und
zwar unter dem Einfluß verschiedenen farbigen Lichtes, sowie über den Grad des
Abänderns sich von verschiedenen Pflanzenteilen ernährender Raupen geben sehr be-
merkenswerte Nachricht Untersuchungen von Gnu. Schroedek über die »Entwickelung der
Raupenzeichnung und Abhängigkeit der letzteren von der Farbe der Umgebung« Berlin,
Friedländer 1894. (Selbstbericht im Zool. Centralblatt Nr. 10/11. 1894 16. Juli).
Zuerst wird die Entwickelung der Zeichnung selbst (Geometriden), die Entstehungs-
folge der verschiedenen Längsstreifen u. s. w. beschrieben, sodann die Einwirkung ver-
schiedenen Lichtes auf die Entwickelung. In farbigem Lichte wird »fast regel-
mäßig eine der p h y 1 e t i s c h älteren Z e i c h n u n g s f o r m e n gebildet, welche
sich noch in der Ontogenie der betr. Art erhalten finden. Nur bei außer-
ordentlich intensiver Einwirkung der Farbe vermag eine phyletisch noch ältere Zeich-
nung als die des jüngsten Stadiums erzielt zu werden Es gelingt jedoch, selbst
einen Fortschritt in der Entwickelung der Zeichnung durch Einwirken von Schwarz
hervorzurufen; bei Eupilhecia ohlongala tritt ein durchaus neues Zeichnungselement
als Verbindungsschatten der Mitte von Dorsale und Suprastigmale auf.«
Im Einzelnen erzeugt 1) Schwarz: die phyletisch jüngsten Zeichnungsformen
mit stärkst erhaltenen dunkeln Zeichnungselementen. 2; Braun: ähnlich, aber weniger
ausgesprochen. 3) Hochrot: meist normale, selten schwach hellere und schmalere
') E. Blanchard: Remarques sur la faune de la principaute tibetaire du Mou-pin.
Compt. rend. 1871, S. 810. Anm. 5.
2) L. Gr\ser: Beiträge zur Kenntnis der Lepidopteren-Fauna des Amurlandes. Ber-
liner Entomol. Zeitschr. 1888, S. 95.
3) C. v. Heyden: Fossile Insekten aus der Rheinischen Braunkohle in Hermann
v. Meyer's Palaeontographica. Kassel, Theodor Fischer 1859 — 61. S. 12.
Besondere Anmerkungen. 485
Zeichnung. 4) Gelb: die pliyletisch älteren Zeichnungsformen, oft stark erhellt und
verschmälert. '6] Grün: ähnlich wie Gelb, aber weniger ausgeprägt. 6) Hellblau:
normal. 7) Violett: ebenso, vielleicht mit schwacher Neigung zur Wirkung des
Schwarz. 8) Weiß: ähnlich Grün. 9) Gold: wie Gelb, aber vollkommener, i 0 Silber,
ähnlich der Wirkung von Weiß.
Über die Abhängigkeit der Variabilität von äußeren Lebensbedingungen wird
berichtet, daß von Laubblättern lebende Raupen mit längsstreifiger, nur aus wenigen
Linien bestehender Zeichnung (Geometridenl fast nicht variabel sind, von Blättern und
Blüten lebende mit einfacher oder hochentwickelter Zeichnung außerordentlich
variabel, von den Blättern und Blüten niedriger Pflanzen lebende Raupen mit hoch-
entwickelter Zeichnung nicht variabel u. s. w'.
Ich kann zu Obigem hinzufügen, daß Versuche, welche M. v. Linden mit der
Einwirkung von verschiedenfarbigem Licht auf Raupen und Puppen von Vanessa
urticae angestellt hat, bis dahin gleichfalls nur Veränderungen der Zeichnung der
Falter im Sinne der bekannten Entwickelungsrichtungen, im besonderen im Sinne
derjenigen ergaben, welche durch künstliche Kälte und Wärme erzeugt werden.
Das Gleiche ergab Fütterung der Raupen mit verschiedenen Stoffen.
Zu Seite 4 6 6. 'Allgemeine Ergebnisse der Untersuchungen von Dr. Gräfin
Linden über die Ontogenie der Flügelzeichnung bei Schmetterlingen.;
»Die Untersuchungen zeigen, daß die Zeichnung der Schmetterlinge nicht plötzlich
vor dem Ausschlüpfen des Falters als fertiges Ganzes auftritt, wie Urech angenommen
hat, sondern, daß die Flügelzeichnung allmählich entsteht und nur in den allerletzten
Stunden des Puppenstadiums keine weiteren Veränderungen mehr erleidet. >
Diese Metamorphose der Flügelzeichnung ist da am auffallendsten, wo wir phy-
logenetisch ursprüngliche Formen antreffen. Die weiter fortgeschrittenen Formen
unterscheiden sich sehr früh durch eine Musterung des Flügels, welche der Imaginal-
zeichnung oft sehr ähnlich ist, was den Irrtum Urech's erklärt und durch die physi-
kalische Beschaffenheit der Schuppen bedingt wird.
Dieses primitive ^NFuster des Flügels giebt uns ein Bild von der Zeichnung,
welche der Gattung eigen ist, zu der der Schmetterling gehört, es genügt aber nicht,
um die Zeichnung der Art zu bestimmen.
Die ontogenetische Entwickelung der Zeichnung vollzieht sich nach den Gesetzen,
welche Eimer für die Entwickelung der Zeichnung in der Phylogenie aufgestellt hat.
Dieselben lassen sich kurz in folgender Weise darstellen:
1. Es besteht ein thatsiichlicher Unterschied zw ischen Grundfarbe und Zeichnung.
Die erstere ist ontogenetisch jünger als die letztere.
2. Die primitivste Zeichnung , wie sie in Pap. Podalirius erhalten ist, besteht
aus Längsstreifen und verwandelt sich bei höher entwickelten Formen [Machaon, urticae,
in Flecke und bildet schließlich [Thais] eine aus Längs- und Querflecken bestehende
Netzzeichnung. Bisweilen wird die Grundfarbe von der Zeichnung vollkommen unter-
drückt, es entsteht Einfarbigkeit.
3. Die Zeichnung von Pap. Podalirius entsteht aus einer Zeichnung, welche der
von Alebion-Glycerion sehr ähnlich ist. Die Podalirius-Zeichnnns, bildet sich
durch Vermehrung der schwarzen Beschuppung aus der des Alebion-Glycerion
heraus. Ebenso macht der P. Machaon Tiirnus-ühnliche Stufen der Entw'icke-
lung durch, ehe er seine endgiltige Zeichnung erlangt.
4. Die meisten Veränderungen in der Zeichnung, besonders aber die Verkürzung
der Binden, schreiten vom Innenrand zum Außenrand.
5. Die Hinterflügelzeichnung ist stets weiter fortgeschritten, als die des Vorder-
flügels, die Zeichnung der Flügeloberseite weiter, als die der Flügelunterseite.
6. Die verschiedenen Binden liegen stets an ganz bestimmten Stellen des Flügels,
sie scheinen häufig mit dem Verlauf der Adern in Beziehung zu stehen und ändern
ihre gegenseitige Lage mit der Flügelform und der Aderung.
7. Was das successive Auftreten der Binden anlangt, so sehen wir, daß die bei
Podalirius in der Discoidalzelle gelegenen allen anderen voraneilen. Bei Machaon
486 Besondere Anmerkungen.
ersclieinen die Randbinden zuerst, bei Thais und den Vanessen verbreiten sich die
duniceln Schuppen von der Flügelwurzel nach dem Flügelrand.
In einem Punkt stimmen alle untersuchten Formen überein: darin nämlich, daß
sich der Vorderrand des Flügels und die Adern zuletzt ausfärben. Diese späte Differen-
zierung der Schuppen des Flügelvorderrandes sowie der Adern und bei einigen Formen
des Flügelseitenrandes, wird der Grund sein, daß sich an den genannten Stellen die
Einflüsse anormaler Verhältnisse stets zuerst geltend machen und zwar alle in der
Weise, daß die zuletzt ausgefärbten Stellen zuerst beeinflußt werden: Adern, Vorder-
rand (besonders Flügelspitze), Seitenrand.
8. Was die Farbenfolge in der Ontogenie betrifft, so vollzieht sich dieselbe in der
von Urech und Anderen beobachteten Weise: Blassgelb, Orange, Carmin, Rot, Rotbraun,
Schwarz, Blau (als optische Farbe ist es von dem Schwarz der Unterlage abhängig).«
Hinzufügen will ich dem noch, daß auch die Puppenstadien von Vanessa urticae
und cardui, welche .1. F. van Bemmelen abbildet i), eine in meinem Sinne ursprüng-
lichere, ausgedehntere, auf meine Grundbinden und Bänder zurückführbare Zeichnung
haben, als die ausgebildeten Falter.
Weiteren bestätigenden Untersuchungen der Entwickelungsgeschichte dürfen wir
demnach mit Sicherheit entgegensehen.
Zu Seite 439 (Vorstellung von einer abwechselnd ausgelöst werdenden Keim-
anlage einer levana- und einer prorsa-¥ovm].
Diese Vorstellung wird selbstverständlich dadurch vollkommen zurückgewiesen,
daß die verschiedensten Übergänge zwischen beiden je nach Maßgabe der ange-
te.vendeten Temperaturgrade auftreten. (Vergl. dazu auch S. 435 und 483).
Zu Seite 275. (zu »Germinalselektion« S. 65.)
Gegenüber der Schilderung, welche Herr August Weismann auf S. 65 seiner »Ger-
minalselektion« in »schließlichem Gedenken« an mich von meinen persönlichen Eigen-
schaften entwirft, erscheine ich bei meinem neuesten Kritiker aus Wien noch als eine
sehr unschuldige Kreatur.
Hören wir dazu noch einmal den früheren August Weismann, indem wir seine
Ansicht über persönliche Angriffe in wissenschaftlichen Ai'beiten wiedergeben:
»Wagner hat meine früheren rein sachlich gehaltenen Einwürfe gegen seine
Ansichten in gereizter, ja stellenweise geradezu beleidigender Weise beantwortet.
Ich begreife vollkommen, daß es unangenehm ist, in der Entdeckungsfreude
eines neuen Naturgesetzes, wenn auch auf zarte Weise, gestört zu werden. Herr
Wagner eifert ja selbst gegen die , schädliche' Herrschaft der Autorität und sollte
deshalb billigerweise auch eine Kritik seiner , Isolierungstheorie' gestatten ....
Ich verzichte gern auf die weitere Anführung von Stellen, in denen Wagner
meine Person anstatt meine Ansichten zu treffen sucht. Es ist bis jetzt nicht Sitte
gewesen, wissenschaftliche Einwürfe als personliche Beleidigungen aufzufassen und
demgemäß zu beantworten; auch Wagner scheint bis vor kurzem diese Ansicht ge-
teilt zu haben, denn er spricht .... folgende goldene Worte: .... , Vielleicht wird
es auch an manchen Bedenken und Einwürfen' (gegen die Migrationslehre) , nicht fehlen.
Der Wissenschaft schaden dieselben nie, denn sie regen stets zu neuer Prüfung .... an.
Auch dem Forscher, den nicht die Befriedigung der Eigenliebe, sondern das ehrliche
Streben nach einer möglichst richtigen Erkenntnis von den Ursachen der Dinge leitet,
dürfen gegründete Bedenken gegen seine Ansicht niemals unwillkommen sein.'
So finden wir Wagner überall in Widersprüche verwickelt, auf wissenschaft-
lichem Gebiete, wie auf diesem mehr ästhetischen.«
1) J. F. van Bemmelen. De Entwickeling der Vlinderffeugels in de Pop. Kgl. Natur-
kund. Vereeniging in Nederlandsch Indie No. 6, -1890. Vgl. auch Desselben Schrift:
Über die Entwickelung der Farben und Adern auf den Schmelterlingsflügeln in Tijd-
skrift der Nederlandsche Vereeniging. Leiden, Brill 1889.
Besondere Anmerkungen. 487
So spricht August Weismann in seiner Schrift »Über Isolierung und Artbildung«
1872, S. 37 und den Worten: ,Auch dem Forscher' u. s. w. fügt er in Anmerkung
hinzu: »Soll wohl heißen: »Gerade einem solchen Forscher«, dem übrigens wohl
allein der Name des Forschers zukommt!«
Man setze im Vorstehenden statt Wagnek' Weismann, so hat man ein entspre-
chendes und gerechtes Urteil des Forschers über den heutigen August Weismann,
eine treffende Kennzeichnung von Beziehungen des Freiburger Zoologen zu mir und
von dessen Wandlung auch auf dem »ästhetischen Gebiete«.
Der persönliche Angriil in »Germinalselektion« ist ein unübertreffbares Meister-
stück ausgesuchter Beleidigung, ein vollendetes Muster WEisMANN'scher »Dialektik«.
Wer hätte je, um mit seinen eigenen Worten zu reden, ein solches Stück von
»widrigem Gezänk« in einer wissenschaftlich sein sollenden Schrift geliefert, wer hat
mehr »unbewiesene Behauptungen« aufgestellt, wer preist mehr seine »Großthaten« in
Serien von übereilten Flugschriften und Reden als eben der »Freiburger Professor« ?
Der kaum je von einem Sterblichen erstiegene Gaurisanka-Gipfel der Selbstüber-
hebung aber, welcher dem Gegner die wissenschaftliche Ebenbürtigkeit abspricht und
sich dazu noch auf »Andere« beruft, wird bei diesen Anderen der psychologi-
schen Teilnahme sicher sein, zumal angesichts seiner in diesem Buche beleuchteten
Leistungen.
In der Anklage endlich, welche der Dialektiker wegen meiner Abwehr der Angriffe
E. Haase's gegen mich erhebt, steigt derselbe leider tiefer als zu persönlicher Be=
leidigung, er steigt zu ausgesuchter Verleumdung meines Charakters herab, indem er
zuerst in beweglichen Worten das unglückliche Ende H.\ase's schildert und dann be-
hauptet, ich hätte denselben in persönlicher und hämischster Weise nach seinem Tode
abgekanzelt. Dabei lässt er nach bekanntem Muster die Hauptsache, meine Erklärung
von der Ursache meiner Abwehr weg!
Die ganze Anklage wird sich bei Vergleichung von S. 47 ff. meiner »Artbildung« II
als eine Erfindung so vollkommen wie die des adaptiven Saison-Dimorphismus einem
Jeden erweisen: kein einziges Wort von einem persönlich e*n Angriff wird
man darin finden; daß ich Haase als »vortretflichen Beobachter« bezeichnete, geht,
worüber dort kein Zweifel gelassen ist, gegen Herrn Weismann selbst.
Wenn ich mich gegen die leider nur zu häufige Verunglimpfung meiner Arbeiten
und meiner Person wehren muß, so ist mir das kein Vergnügen, aber wenn ich es
thue, so soll man mir das nicht verübeln, so lange man nicht zeigen kann, daß ich
den Angriff veranlaßt habe. Ich glaube, dies wird in keinem einzigen Falle möglich
sein. Am wenigsten in Beziehung auf Herrn Weismann :
»Besonderer Zufall will es, daß meine Ansichten in vorliegender Frage
denjenigen werter Freunde und verehrter Lehrer von mir nicht ent-
sprechen und daß ich, will ich meine Überzeugung vertreten, werde
versuchen müssen, dieselben zu widerlegen. So wenig dieser Zufall
mir selbst an sich angenehm ist, so sehr bin ich überzeugt, daß meine
freimütige Vertretung wissenschaftlicher Meinung von denen, w^elche
jenes persönliche Verhältnis kennen, sowenig wie von den unmittelbar
Beteiligten selbst als unfreundschaftlich und undankbar wird gedeutet
werden«, sagte ich in der Einleitung zur »Entstehung der Arten« I, S. S, als ich,
wenn ich nicht irre, als der Erste, der Vertretung der Nichterwerbung erworbener
Eigenschaften von Seiten meines ehemaligen Lehrers und seiner Keimplasma-Hypothese
gewiß in objektivster und rücksichtsvollster Weise, wie dies eben obige Worte zeigen,
entgegentrat. Das Echo, welches meine Sprache fand, war dies, daß der also Angespro-
chen mich in verschiedenen seiner Reden mit häßlich hämischen Seitenhieben per-
sönlich angriff, statt mich zu widerlegen. ;Man vergl. die unmittelbar nach meiner
»Entstehung der Arten« I auf der Kölner Naturforscherversammlung von Weismann
gehaltene Rede S. 4S! und das XIII. Kapitel von dessen Keimplasma ^S. 321), ferner:
Aufsätze über Vererbung S. 314, 313%
Ich habe zu diesen Angriffen und zur Nichtberücksichtigung der durch mich
bekannt gegebenen Thatsachen Jahre lang geschwiegen. Zuletzt »beklagte« ich mich
438 Besondere Anmerkungen.
nicht, wie man wohl gesagt hat, über die letztere, sondern ich forderte sie im Namen
der Wissenschaft als deren Recht (Artbildung II). Darauf erfolgte der Angriff in der
»Germinalseloktion«, in welchem mich mein advokatischer Gegner als das Lamm be-
handelt, welches das Wasser trübt. Ich denke, daß meine Antwort, wie sie dieses
Buch enthält, nur gerecht ist, so leid es mir auch thun mag, daß ich dazu genötigt
worden bin damit so gründlich zu sein.
Man vergleiche zu dieser meiner Antwort außer dem schon im Text Mitgeteilten
auch W. Haacke, »Gestaltung und Vererbung«, wo es im Vorwort heißt: »Ein großer
Teil meiner Ausführungen mußte sich gegen die Lehren eines .Schriftstellers richten,
der, wie ein englischer Forscher, Marcus Hartog, sagt, während eines zehnjährigen
Feldzugs glänzende Erfolge, die ihn mit seltenem Ansehen umwoben haben, errungen
hat. Ich habe den Mut gefunden, die abenteuerlichen Theorien und heillosen Wider-
sprüche dieses erfolgreichen Schriftstellers rücksichtslos bloszustellen, und bin über-
zeugt, daß die Wissenschaft es mir danken wird. Daß ich dabei zu unbarmherzig
verfahren wäre, wird niemand zu behaupten wagen, welcher die den ehrlichen
Gegner kränkende Geringschätzung, mit der sich Herr Weismakn über die schwer-
wiegendsten Einwände hinwegsetzt, an sich selbst oder an anderen erfahren hat.«
Warum aber all diese »Geringschätzung«, die so häßlichen persönlichen An-
griffe gegen mich? Ich meine, mein heutiger Gegner richtet sie in erster Linie gegen
sich selbst, gegen den früheren August Weismann.
»Niemand wird glauben, daß mit der DARwiN-WALLACE'schen Lehre von der
natürlichen Züchtung die Forschung in dieser Richtung abgeschlossen sei, ich meine
im Gegenteil, daß sie damit erst begonnen hat. So unzweifelhaft richtig mir auch
das Prinzip scheint, welches durch diese Lehre zur Geltung gebracht wird, so sind
wir doch noch sehr weit davon entfernt, die Grenze auch nur einigermaßen bestimmt
ziehen zu können, bis zu welcher es wirkt. Daß- aber eine solche Grenze besteht,
daß nicht alle Charaktere organischer Wesen ihre Erklärung in diesem Prinzip finden,
daß somit natüryche Züchtung nicht der einzige Faktor der Artbildung, das scheint
mir ebenso unzweifelhaft als daß natürliche Züchtung einer und zwar einer der wichtigsten
dieser Faktoren ist, und dies ist auch von Darwin selbst anerkannt worden. Ganz
abgesehen von den Momenten, welche in der physischen Konstitution der Organismen
selijst liegen und welche die dunkelsten von allen sind, können die äußern Lebens-
bedingungen noch in mancherlei anderer Richtung und Weise auf den Proceß der
Artentwickelung einwirken, als durch jenes Überleben des Passendsten, welches Darwin
mit dem Namen der natürlichen Züchtung belegt hat.«
Also schrieb August Weismann in der Vorrede zu seiner Schrift über den Ein-
fluß der Isolierung auf die Artbildung im Jahre 1872.
Später hat er seine Keimplasma-Hypothese eingeführt als eine solche, welche
die Zukunft auch als falsch erweisen könnte und welche nur eben als »notwendiger
Durchgangspunkt unserer Erkenntnis« aufgestellt werden mußte (vgl. Aufsätze über
Vererbung, Jena 1892, S. 206, 207).
Darwin aber sagt: »Das Prinzip der natürlichen Zuchtwahl kann man als eine
bloße Hypothese betrachten, doch wird sie einigermaßen wahrscheinlich gemacht
durch das, was wir von der Variabilität organischer Wesen im Naturzustande, von
dem Kampfe ums Dasein und der davon abhängigen beinahe unvermeidlichen Er-
haltung vorteilhafter Variationen positiv wissen, und durch die analoge Bildung
domestizierter Rassen. Diese Hypothese kann nun geprüft werden und dies scheint
mir die einzig passende und gerechte Art, die ganze Frage zu betrachten.« (Dornest. I. S. 9.)
Möchten die vermeintlichen Nachfolger und Verteidiger des großen Mannes doch
etwas von dessen Geist, von dessen großer sachlicher Auffassung, von dessen echt
wissenschaftlicher Methode sich zu eigen machen, indem sie an der Prüfung einer
großen Frage als wahre Forscher (im Sinne der trefflichen Charakterisierung eines
solchen durch weiland August Weismann; sich beteiligen, ebenso Andere ohne Ver-
unglimpfung sich beteiligen lassen und die von diesen nachgewiesenen Thatsachen,
ob dieselben für oder gegen ihre eigenen Ansichten sprechen, würdigen im Dienste
der Erkenntnis der Wahrheit, welche doch das einzige Ziel der Naturwissen-
schaft und des Forschers ist und bleibt.
Verzeichuis der Abbildungen.
Abb. 1,
))
2
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3
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4
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7
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31
»
32
»
33
»
34
»
33
»
36.
»
37
»
38.
»
39.
»
40.
»
41.
»
4-2.
Seite
Papilio Alebion 28
» Eurymedon .... 28
» Alexanor Q . . . . 29
» Machaon bimacula-
tus 29
Papilio Xuthus 30
» Asterias Q . . . . 30
» Hospiton 31
» Daunus ^ . . . . 31
» Asterias var. Calver-
leyi 31
Papilio Turnus Q 32
» Xuthus 32
» Machaon asialica . 34
» Palamedes (5 . . . 34
» Turnus Q. 36
» Bairdii (5 .... 36
» asterioides Q . . . 36
» Asterias Q .... 37
» Bairdii Q 37
» Turnus Glaucus 5 37
Sithon hiemalis 98
Megalura Berania .... 98
Thecla Aetolus 99
Charis saphirina 99
Amathusia Phidippus . . .100
Kallima runiia 100
» Philarchus . . . .101
» Inachis . ... 102
Aganisthos Odius 103
Junonia Lavinia 104
» Ericjone 104
Precis Iphita 104
» terea 104
Megalura Peleus lOö
Doleschallia Pratipa . . . 106
Corades Enyo 106
Anaea panarisle 106
Papilio Turnus Q 110
» Daunus (5 . . . .110
» Agesilaus 110
» Alebion 111
Salamis Ethyra 112
Precis Andremiaja . . . .114
Seite
bb
. 43.
Rhinopalpa Sabina . . . .114
;>
44.
Cethosia nicobarica . .
117
»
45.
Coenophlebia Archidona
118
»
46.
Anaea Pasibule . . .
. 120
»
47.
» opalina ....
120
»
48.
Zareies Isidora . . .
. 120
»
49.
Siderone Mars ....
.121
»
30.
Caerois Chorineus . .
. 123
»
51.
Cithaerias polila . . .
. 124
»
52.
Doleschallia polibete ^
. 126
»
33.
X. » (5
127
»
54.
» » Q
127
»
35.
Limenilis Sibylla . . .
129
»
56.
Vanessa prorsa. .
130
»
57.
Papilio Bairdii (J
131
»
58.
Tachyris Zarinda Q
133
»
59.
Limenitis Daraxa
133
»
60.
Junonia Lavinia .
135
»
61.
Papilio Agavus . .
137
y>
62.
» Thoas . .
138
»
63.
» » . .
138
»
64.
Limenitis Daraxa
141
»
63.
Charaxes Brutus .
141
»
66.
Limenitis Zayla .
141
»
67.
Adelpha Erotia . .
141
»
68.
Zethera pimplea .
143
»
69.
Papilio Zenobia .
143
»
70.
Vanessa cardui. .
144
»
71.
» Dejeanii .
144
»
72.
Limenitis populi .
147
»
73.
Argynnis Sagana .
147
»
74.
Tachyris Zarinda
147
»
75.
Limenitis Sibylla .
147
»
76.
Archonias sebennica
6
148
»
77.
» Pitana .
148
»
78.
Papilio Hesperus .
130
»
79.
» Epiphorbas
131
»
80.
> Delalandii .
151
»
81.
Vanessa Canace .
151
;>
82.
» Haronia . .
151
^>
83.
» Glauconia .
151
»
84.
» Itea. . .
152
:»
85.
Eunica Flora . .
152
»
86.
Kallima Inachis . .
152
490
Verzeichnis der Abbildungen.
Seite
Abb. 87.
Gynaecia Dirce 153
Abb.149.
Ithomia pardalis
. 88.
Vanessa Myrinna .
154
» 150.
» galata ....
» 89.
» cardui .
154
» 151.
Dismorphia Praxinoe ^
» 90.
» Dejeanii .
154
>> 152.
» Cornelia . .
» 91.
» vulcanica
154
» 153.
» Foedora Q
» 92.
> Atalanta
154
» 154.
» Critomedia q
J ".
» 93.
Hypanartia Lethe.
154
» 155.
» Meiite Q .
» 94.
Catagramma Cynosuri
i .
156
» 156.
» Jethys Q
» 95.
» Pilheas
156
» 157.
» Psamathe
6
» 96.
Catonephele Capenas
156
» 158.
Archonias Corcyra .
» 97.
Agrias Amydonius .
157
» 159.
Adelpha Syme Q . .
» 98.
Parnassius Mnemosynt
158
» 160.
Vanessa Glauconia .
» 99.
Ismene Helios . . .
158
»161.
Limenilis Sibylla . .
» 100.
Colias hyale ....
158
» 162.
Papilio Delalandii .
» 101.
» edusa ....
158
» 163.
IT
Vanessa Myrinna. .
» 10:2.
Pieris brassicae ^ .
158
» 164.
» Atalanta . .
» 103.
Hebomoia Glaiicippe .
158
» 165.
Hiipanartia Lethe. .
» 104.
Danais Chrysippus .
160
» 166.
Pseudacraea Lucretia
» 105.
Acraea Gea ....
163
164
» 167.
» 168.
Ithomia galata . . .
Papilio Hesperus . .
» 106.
Pseudacraea Lucretia
» 107.
Amauris niavius . .
164
» 169.
» Lycortas . .
» 108.
Papilio Merope Q . .
164
» 170.
» Antenor. . .
» 109.
» » var.niavioides 164
» 171.
» AlyattesQ. .
» 110.
» » » Antinorii g 1 64
> 172.
Armandia Lidderdalii
» 111.
» » (5 165
» 173.
Parnassius Eversmann
i
q'.
»112.
Hypolimnas BoHna ^
167
^> 174.
» Apollo .
> 113.
Papilio Alyatles ^ .
167
» 175.
Limenitis Daraxa. .
»114.
» Xuthus . . .
169
» 176.
Caliicore Astala . .
» 115.
» » ...
169
» 177.
Ageronia fornax . .
»116.
Pieris Agathon . . .
169
» 178.
» Arinome. .
» 117.
Hestia Idea
171
173
» 179.
» 180.
Archonias sebennica (5
Pereute Charops . .
» 118.
Methonella Caecilia .
» 119.
Papilio Laodocus Q . .
174
» 181.
Tachyris Zarinda .
» 120.
Ideopsis Daos Q . .
174
» 182.
Ismene Helios . . .
» 121.
Papilio Xenocles . .
174
» 183.
Colias Hyale ....
» 122.
Danais melaneus . .
174
» 184.
» edusa ....
» 123.
» » . .
174
» 485.
Pieris brassicae Q .
» 124.
Papilio Leonidas . .
176
» 186.
Hebomoia Glaucippe
» 125.
Euploea Midamus .
177
» 187.
Pieris Agathon . . .
» 126.
Catonephele Acontius q
J '.
180
» 188.
Dercas VerhuelUi . .
» 127.
Hestia Idea ....
181
185
» 189.
» 190.
Amathusia dilucida .
Opsiphanes Boisduvalii
> 128.
Opsiphanes Boisduvalii
» 129.
Caerois Chorineus .
186
»191.
Corades Enyo ....
» 130,
Agrias Amydonius .
187
» 192.
Sithon nivea ....
» 131.
Caliicore Astala . .
1S8
» 193.
Euselasia chrysippe. .
» 132.
Perisama Vaninka .
188
» 194.
Lymnas melanochloros
» 133.
Thecla Aetolus . . .
189
» 195.
Cartea tapajona . .
» 134.
Amathusia Phidippus
189
» 196.
Panara Thisbe . . .
» 135.
» dilucida .
189
» 197.
Diorhina Periander .
» 136.
Athyma Leucothoe .
192
» 198.
Zeonia sylphina . .
» 137.
» Nefte Q . .
192
» 199.
Leptocircus virescens
» 138.
» <5 . .
192
» 200.
Amarynthis Meneria
» 139.
Phyciodes Callonia .
193
» 201.
Methonella Caecilia .
» 140.
» Clara . .
195
» 20 2.
Kallima paralecta Q.
» 141.
» Alma . .
196
» 203.
» »
» 142.
Eueides Isabella . .
198
» 204.
» Philarchus .
» 143.
Heliconius Charitonia
199
» 205.
» Inachis. . .
» 144.
» Pachinus .
. 199
» 206.
Aganisthos Odius . .
» 145.
» Apseudes.
201
» 207.
Junonia Lavinia . .
» 146.
Dismorphia Arsinoe .
. 201
» 208.
Kallima paralecta (5
»• 1 47.
Pereute Charops . .
. 201
» 209.
Adelpha Syme . . .
» 148.
Dismorphia fortunata i
2 '.
. 202
» 210.
Opsiphanes Boisduvalii
Verzeichnis der Abbildungen.
491
Seite
Alib.an. Papilio Polytes 318
» "212. Hypolimnas Bolina .... 321
» 213. Kaliima Inachis 322
» 214. Papilio Agesilaus 324
» 215. Agrias Amydonius .... 325
» 216. Ornithoptera Priamus . . . 327
»217. > Priamus Rich-
mondia 338
» 218. Papilio Aegeus Q 339
»219. » Polytes ? 339
» 220. » Aegeus (5 339
»221. » Polytes Q maris
colore 339
» 222. Eurycus Cressida . . . .341
Seite
Abb. 2-23. Parnassius Mnemosyne ab.
melaina Q 341
» 224. Junonia Lavinia 382
> 225. » Erigonc 382
» 226. Precis Iphita 382
» 227. Doleschallia pratipa . . . 382
» 228. Limenitis Sibylla 383
» 229. Vanessa Dejeanii 383
» 230. Vanessa cardui 383
» 231. Parnassius Eversmanni Q . 385
» 232. > Apollo . . . .385
» 233. Calicore Astala 387
» 234. Vanessa levana 422
» 235. » prorsa 422
Autorenregister.
A.
Agassiz 23.
Askenasy VII. 13. 14. 55. 71. 86. 96.
B.
Bates 266. 278—289. 331.331. 352.461.462.
Belt 282.
van Bemmeien 234. 483. 486.
Blanchard 484.
Boisduval 266.
Brandes 61. 4 42.
Brunner von Wattenwyl 291. 292. 462.
Butler 272. 276. 396.
C.
Cope XIII. 13. 19. 59. 371.
Gramer 1 61.
Cunningham XIII. XV.
D.
Darwin II— VIII. X. XI. XIII. XV. 3.
13. 21. 25. 50. 59. 62. 67. 71. 73.
76. 78. 84. 88. 90. 96. 97. 208. 260.
278-280. 287—291. 331. 353—362. 365.
366. 368—381. 387. 434. 462. 465. 473,
476. 478-483. 488.
Delage, Yves XIII. XIV.
Diez 6. 477.
Dixey 63. 208. 233.
Doederlein 39.
Doherty ^76. 442. 471.
Dorfmeister 391. 403. 407. 416—420. 433.
466.
Doubleday 196.
E.
Edwards 38. 401. 442.
Escherich 7 — 9.
F.
Fickert 63. 209. 260. 273. 284. 306. 391.
403. 405. 408. 417. 445. 472.
Fischer 27. 391. 404. 408. 456. 483. 484.
Flower 39.
Fräser 352.
Freyer 415.
Fruhstorfer 244.
245.
G.
41.
Galton 17. 73.
Geoffroy St. Hilaire
Goethe 41.
Gräser 4 84.
Graf 476.
Greene 280.
H.
Haacke XIII. 12. 95. 488.
Haase 39. 45. 137. 140. 145. 161. 163. 165.
179. 180. 186. 187. 278. 279. 444. 468.487.
Ilaeckel 23.
Hahnel 39. 103. 139. 194. 197. 228. 277.
279. 465.
Martert 116. 275. 471.
Hartmann, E. v. 480.
Hatschek 47 8.
Herrich-Schäffer 271 .
Hertwig 478.
Hewitson 1 17. 121. 1 65. 1 7 I. 1 96. 206. 302.
Heyden. C. v. 484.
Heyer 368.
Hiigendorf 20.
Hyatt 3. 13. 19. 20. 23.
Jaenichen 411.
Jordan 27 6.
J.
E.
Kielmeyer 23.
Kirby 161.
Klunzinger 476. 478.
Koch, G. 415.
Koelliker 72.
Kohlwey 23. 273. 278. 288.
L.
Lamarck XII. XIH. 13. 15. 35. 89. 389. 465.
Leuthner 1 0.
Levdig 83.
Linden 4. 3. 391. 397. 466. 468. 469. 477.
479. 483. 485.
Autorenregister.
493
M.
Martin 177. 178. 183. 229. 331.
Mazzola 415.
Meckel 23.
Meldola 272. 355.
Merriiield 27. 391. 407. 450.
Minot, Sedgwick 337. 468—470.
Mivart VI."278. 289. 290.
Monike 177.
Müller, Fritz 266—272. 311. 332. 333. 354.
375. 460.
JT.
Naegeli IL IX. XIII. XV. 8. 10. 13—15.
17. 29. 54. 55. 62. 84. 86. 87. 96. 291.
Naudin 478.
Neubert 288.
Neumayr X.
Newton 56.
Niceville 442. 471.
0.
Ochsenheimer 415.
P.
Pagenstecher
306.
Piepers 39. 184. 2
76. 277
Poulton 61. 4
81.
Pryer 276.
Quatrefages 15.
R.
Ramann 252.
256.
Retzius 74.
Ribbe 256.
Rix 364.
Rössler 280.
Romanes 25.
62.
72. 96.
Rothschild kk
. 45.
Roux 74. 88.
89.
282. 283.
97.
S.
Sageret 97.
Schatz 204. 257.
Schilde XIV. 277. 330. 353. 373.375. 378.
415. 429. 434—437.
Schmankewitsch 24.
Schopenhauer 23.
Schroeder 484.
Sclater 3 75.
Scudder 276. 405. 412.
Semper 71. 124. 125. 176. 223. 245. 251.
Seubert 173. 277.
Simroth 4. 5.
Skertchley 276.
Smith 71."
Sobotta 3.
Sokolowsky 4.
Spalding 273.
Spencer, Herbert XII. 5R. 74. 273.
Standfuß 15. 26. 27. 59. 60. 61. 83. 134.
274. 329. 334. 335. 367—369. 391—393.
398. 399. 402 — 404. 407—410. 412. 414.
417. 450. 455.
Staudinger 124. 135. 139. 160. 165. 171.
194. 207. 226. 250. ^279. 323.
T.
Tetens 410.
Thomson 471. 472.
Tornier 73. 473. 474.
Trimen 176. 272. 282.
U.
283. 354. 380.
ürech 79. 482. 485. 486.
Vosseier 244.
T.
W.
Wagner 443. 486. 487.
Waich 479.
Wallace 84. 88. 97. 116. 184. 208.
—270. 277. 278. 282. 286. 289. 3
333. 354. 356. 370—374. 376-
380. 462. 465. 488.
Walter 482.
Weir 354.
Weismann IX. XII— XIV. XVI. 2—5.
11—13. 15. 17. 18. 20. 27. 34. 39
63. 65. 68. 69. 73
92. 93. 95—97. 126.
185. 190. 203. 208.
277. 279. 283. 310.
358. 362. 373. 375.
50. 55 — 60. 62
78. 80. 87. 89.
135. 145. 184.
232. 273. 274.
335. 352. 353.
391—393.411.416-
446. 449-431. 466.
Weldon 75.
Werner 474—476.
Westwood 280.
Wiener 60. 83. 476.
Wilckens 453.
Wolff 78. 79. 95.
Wood 354.
Würtenberger 13. 19
-420
4SI
481,
429—432. 4
, 482. 486-
267
31 —
-378.
8. 9,
41.
. 75.
134.
228.
311.
377.
34—
-488.
481,
Z.
Zeller 397.
Zenneck 4.
474. 475.
Sachregister.
A.
Aale 3.
Abändern, bestimmt gerichtetes
U.
Abändern, gesetzmäßiges ö3. 290.
y> zufälliges .'ii. .'iS. 71. 82. 290.
Abänderung 12. 357. 358. 389. 392. 482.
484.
Abänderung, stufenweise 462.
Abänderungen nach allen Richtungen 290.
Abarten 26^; 33. 358. 389. 390. 392. 393.
393. 398. 414. 463.
Abartung 12. 26. 33. 392. 393.
Aberratio 12. 26. 33. 412. 467. 483.
Aberration, sprungweise 413.
Ahraxas grossuLariala 233.
Abstammung des Menschen 331. 360.
Abstufungen 356.
Acerina Schraitzer 3.
Acherontia Atropos 261. 413.
Acidalia rufaria 234.
» tesselaria 253.
Acraea 163. 268. 269. 272.
» Anteas 198.
» Egina 181. 184. 309.
» Gea 142. 162. 163.
» nox 199. 307.
» Thalia 270. 272.
Acraeiden 68. 181. 244. 307. 309. 314.
Adelpha 148.
» Epione 326.
» Erotia 140. 148. 172. 184. 225.
» Mephistophiles 148.
» Stjme 210. 223. 316.
Adolias 372.
Ähnlichkeit, mimetische 263.
Aemona Amathusia 121. 236.
» Leva 236.
aerealis 263.
Afterauge 329. 383.
.\fteraugenflecke 366.
Afterdarwinismus 11 — 13. 54. 67. 71.
8S. 97. 357. 371. 374. 392.
Aganisthos 107.
Aganislhos Odius 103. 108. 247. 248.
Ageronia 68. 85. 178. 226. 302. 310. 324.
» albicornis 226. 227.
» Alicia 227. 229.
» Amphinome 301. 302. 318.
» Arete 178. 227. 228. 302.
» Arinome 1 78. 227. 229.
» Belladonna 227. 228.
» Epinome 227.
» Ferentina 227.
» Feronia 227.
» fornax 227.
» velutina 178. 227. 228. 302.
ylp'/m /au 216. 238.
Agrias 142. 135—157. 187. 188. 226. 297.
298. 301 — 303. 307. 315. 326. 328.
331. 383.
» Amydon 304.
» Amydonius 188. 325 — 327.
» Beata 188.
» Claudianns 188.
» Narcissus 188. 302.
» Sardanapalus 188. 302.
» Zenodorus 304.
Agrotis pronuba 265. 462.
Ajax- Walshii- Telamonides-Marcellus 401.
402.
albulalis 263.
Alebion-Podalirius-'Yy\)m 210. 220.
^/efc Helcita 139. 161.
Allmacht der Natur Züchtung 2. 3.
3. 11. 12 — 14. 16. 18. 20. 52. 58. 66.
73. 83. 88. 91. 279.
Alpenhase 373.
Alter der Gewebe 1 3.
» des Organismus 15.
Alterspräponderanz 19. 478. 483.
Alyattes-khnWchQ 313.
» -Gruppe 214. 327.
» -Typus 166. 340.
Amarynthis Meneria 242. 243.
Amathusia dilucida 117. 189. 234. 235. 237.
» Phidippus 99. 178. 189. 234.
316.
Sachregister.
495
Amauris echeria 165.
» niaiius iQ^. 163.
Ambli/podia 177.
Amblystoma 15. 24.
Araiktogenesis 20. 369. 370. 465.
Ammoniten 5. 13. 19. 24. 481.
Amnosia decora 322.
Amphibien 83.
Amphidasis doubledayaria 413.
Amphimixis 20.
Ainphioxus 478.
Anaea 107. 185. 249. 251. 458.
» cyanea 18j.
» £<ecira M5. 121. 122.
» eurythema 231.
» falcala 115.
» Nessus 117.
» opalina 120.
» panariste 106. 115. 121.
» Pasibule 119. 120. 251.
» P/(/d<7e 117.
Anartia Amalthea 132.
^nas crecca 185.
Anatole egaensis 350.
Ancy Iuris 241. 242.
j. /«ca 300.
.■IndrogfeGs-Gruppe 312.
Angerona primaria 255.
anguinalis 263.
Anlagen 455.
.\npassung 3 — 5. 53. 60. 61. 6ö. 69.
88. 160. 183. 233. 280. 310.
334. 394. 419. 435. 441. 446.
452. 455. 457. 459. 476.
» doppelte 359.
» horadimorphe 443.
Anpassungen, funktionelle 73. 7 4.
» notwendige 51.
Anpassungszuchtwahl 363.
Anthocharis 232.
» belemia 230.
» beiia 230.
» cardamines 185. 204. 231. 232.
307. 319.
» sara 354.
anthracinalis 263. 264.
anthracinella 263. 264.
Anticrates-Aristeus 44.
Antigonis Felderi 185.
Antilopen 59.
Antirrhaea Murena 124.
Apatura 112. 435.
» //m 130. 148. 274.
» /m 130. 148. 271. 274. 351.
» Laurentia 136. 225. 348.
» Lukasii 14 0. 225.
» Namouna 148.
» Parisatis 136.
» pavonii 142.
Apaturina Erminia 1 1 5.
Archonias Corcyra 208. 231.
» Critias 3-24.
» p/«a>m 142. 148. 208. 214. 229.
ilrc/ionjas sebennica 148. 208. 229.
» Tereas 272.
/Irctja 259.
» aulica 410.
» caja 259. 260. 408.
» caja futura 260. 408.
» dominula 259.
» fasciala 2:i9. 409. 410.
» fasciata Oberthüri 410.
» ßavia 259.
» //e6e 260.
» Hera 260.
» hospita 261.
» jacobaeae 251.
» macularia 410.
» maculosa 259.
» matronula 259.
» plantaginis 259. 2fi1.
» pudica 259.
» pulchra 260.
» purpurea 239.
» villica 259.
Arctiiden 334.
Argusfasan 289. 292. 360. 361. 366. 382.
Argynnis 102. 133. 181. 226. 295. 324.
» a^iaja 354. 365. 409.
» euphrosyne fingal 410.
» Mp/ie 347.
» Paphia 274.
» Sagana 133. 135. 271.
» selene heia 410.
> </jore borealis 410.
Tlrgfi/nnis-Typus 135.
Arhopala 243.
Jrico/'js Cepha 350.
» ßammula 240.
» Jansoni 1 67.
Arietidae 3.
Arion empiricorum 3.
Aristolochienfalter 139.
Armandia Lidderdalii 224. 243. 255.
Thailina 3 42.
Artbildung 21. 42.
» genepistatische 24.
Arlemia salina 13. 24.
Arten 26. 33. 358. 389. 390. 392. 393. 393.
398. 414. 465. 467.
» amerikanische 48. 49.
» europäische 49.
» nordamerikanische 49.
» vikariierende 4 9.
Artentstehung 34.
Asilidae 281.
Asinus 375.
» taeniopus 37 3.
^spro 3.
Aster las -Gruppe 25. 29. 30. 33. 36. 38. 42.
131. 303. 312. 342.3 64.370.394.408. 412.
Astur nisus 287.
Atavismus 23.
Aterica Tadema 153.
Athyma 192. 193. 226. 472.
» Leucothoe 192. 193.
496
Sachregister.
Athyma Nefte 142. -19-2—194. 208. 348.
Altacus Atlas 3SfJ.
» cecropia 365.
» insularis 386.
» ricini 386.
Augenflecke 321. 356. 360. 365. 443.
Augenzierden 3^9. 336. 465.
Aurorafaltcr 307. 351. 35-2.
Ausgleichung 426.
Ausleseie. 18.52— 54.58. 60.61.70.71.73.
79. 83. 85. 88. 89. 91. 128. 285.
357. 364. 419. /i59.4(;4. 465. 482.
» geschlechtliche 76. 363. 365.
366. 463.
» natürliche 463.
Auslösungsreiz 447.
Außenfeld 129—131.
Außenrandflecke 1 45.
Auswachsen 149.
B.
Babirusa 59.
Bandbinden 253. 255. 260. 261.
Bapta temerata 365.
barbalis 263.
ßatesia 1 55.
» hypoxantha 3-23.
» regina 301. 302. 318.
Befruchtungsverhinderung 24.
Beharrung 21—23. 'i09. 467.
Beharrungsgesetz 20.
Beispiele für Farben- und Zeichnungsfolge
344. 464.
» f. Geschlechts-Dimorphismus 34 4.
Beleuchtungsfarbe 481.
Bicyclus Italus 316. 349.
Biene 97.
Bildungen, gesetzmäßige, 412.
Bildungsgesetze 9. 66-69. 310. 311. 335..
3S0.'4S1.
Bildungsgesetze, innere 54. 73. 481.
Binnenfeld 113. 114. 117. 129—131. 142.
170. 240. 246. 253. 255.
Binnenrandflecke 145.
Blatt 29-2. 4 81.
Blattähnlichkeit 69. 71. 98. 100. 103. 105.
112. -219. 245. 4n8. 459. 470.
Blattähnlichkeit bei Vanessen 113.
Blattbildung 233.
Blätterfolge bei Pflanzen 24.
Blattgestalt der Flügel 458.
Blattschmetterlinge 66. 67. 69. 70.
-SS. 89. 100. 103. 118. 235. 277. 295. 457.
458. 470. 472.
Blattzeichnung 234.
Bläulinge 275. 284. 445
Blutläuse 284.
J3o/Jna-Gruppe 214.
» -Typus 162. 168.
» -Alyaltes-T\i-)US 166. 214. 22-2.
» 226. 340.
» -Innenfeld-Typus 240.
bombycalis 263.
Bombycidae 258. 364. 386.
ßombyciden 355.
Bombyx 335.
> mori 364. 368.
Branchipus 24.
Brassicae-Typus 1.^9. 206. 230. 240.
Bra!isicae-Glaucippe-TYii\is 231.
ßrassoliden 155. 185. 210. 237. 300. 307.
31i. 317. 318. 328. 384.
Bulldogge 472.
Buoliana 264.
Buprestiden 10.
C.
Caerois Chorineus 122 — 124. 156. 186. 190.
239. 241. 458.
Caligo 185. 236. 317. 320. 379.
» Livhis 185.
» Rhoetus 185. 237.
» -Typus 21 5.
Callicore 155. 226. 297. 302. 307. 326.
» Astala 188. 226. 3fs7.
» Candrena \'iH. 183.
» Clymena 188.
Callidryas 355.
Calliona Irene 350.
CallÜhea 156. 181. 188. 302. 320. 323. 326.
» Buckleyi 302.
» Leprieurii 243. 801. 302.
» Markii 302.
» Sapphira 302. 322. 347.
Caliithomia Hezia 179. 201. 204.
Callosune 206. 307. 327.
» Amina 307.
» cinerascens 207.
» Haevernicki 328.
» HüdebrandU 207.
» Jalone 207. 346.
» Jobina 328. 34 6.
Canarienvogel 479.
Carabiden 10. 281. 477.
Cardui-Atalanta-Inachis-Dirce-
Typus 146. 150. 161. 212. 225. 230.232.
Cartea Tapajona 241.
Carystus Irava 178.
Castnia 354.
Casyapa Thrax 178.
Catagramma 15.-3— 157. 187. 226. 298. 301.
302. 303. 307. 320. 326. 331. 387.
Catagramma Cynosura 136. 324. 323.
» excelsissima 188. 302.
» Hesperis 188.
» Kolyma 188. 298.
» Maimuna 303.
» Pitheas 136.
» Zelphanta 303.
Catocala 257.
» fraxini 257.
Catonephcie 155.
Acontius 180. 322. 347.
Capenas 1 17. 136.
Sachregister.
497
Catonephele Hewitsoni Wl. 304.
» i\umilia 153. 1 öö. 166. 4 67.
480. 347.
» I's'yctiTnus ISO.
» Obrinus 304.
Catopsilia 178.
» Ar gante 346.
» Euüule 34 6.
» Florella 346.
» .Sci///a 322.
centonalis 263.
Centrit'agieren 483.
Cephalopoden 59. '
Cephalopodenschalen 20.
Cerambyciden 9.
Gerüstes vaccinii 365.
Ceratinia 268. 269.
» Antonina i 96.
» Daeia 196.
;> Eupompe 270.
Cerilhium sulcatum 479.
Cethosia 226.
» Chrysippe 1 61 .
» Cyane 159.
» LeschenaulÜi 218.
» luzonica 159. 161.
» » t'ßr. bohoiica 1 62.
» nicobarica 117.
Cetonia semipunctata 10.
Chaerocampa elpenor 262.
» porcelhts 262.
Charaxes Athamas 1 32.
> B/-M«i/s 140. 225.
» Monte iri 155. 326. 348.
Charts holosticta 242.
» saphirina 99.
Chittira luzonensis 1 76.
Chlamys pilula 280.
C/n-(y5«ppus-/?usp/:«a-Typus 146, 159, 213.
Chrysomela 9.
» cerealis 9.
Chrysomeliden 9.
Chrysophanns phlaeas 449.
Cidaria 254. 255.
» albicillata 255. 256.
» lugubrata 254.
» nigrof'asciaria 234.
Cirruchroa Malaya 3 1 6,
Cithaerias 314.
» poi« to 124.
Citronenfalter 352.
Clavicornier 10.
Clythva 9.
Cobitis barbatula 3.
» fossilis 3.
» taenia 3.
Coccinella 9.
» bipunctata 9.
> globosa 9.
» variabilis 9.
Coelites epiminthia 1 78.
Coenophlebia Archidona 118. 119. 121. 458.
Colaenis euchroia 196.
Eimer, Orthogenesis.
Colaenis Julia 270, 272.
Coleopteren 414.
Co/ms 230. 335.
» Cleopatra 416.
» e(ü<sa 159. 230. 231. 255. 307.355.
> /i(ya/e 157. 230. 355.
» palaeno 230.
» » rar. lapponica 335.
» phicomene 230.
» regfta 335.
» rhamni 230. 231. 416.
» Vautieri 299. 346.
romparana 264.
Constitution s. Konstitution.
Corades Enyo 106. 107. 239. 246. 458.
Correlation s. Korrelation.
Cossus cossus 258.
» terebra 258.
Cucurbita 478.
Curculioniden 10.
Curelis Thelys 350.
Cybdelis 326.
» Mnasylus 1 67.
Cyclogramma 326.
» bimaculata 167.
Cj/i/o leda 380. 381. 383.
Cymothoe Caenis 115. 136.
» Sangaris 320. 348.
» Theodota 348.
Cynthia Moluccaruin \ \ '^ . 132. 316. 34 7.
Cystineura Teleboas 167.
D.
Daedalma Dinias 325.
» Dorinda 325.
Danaid-Heliconiden 280. 281.
Danaiden 68. 99. 170. 182. 200. 202. 209.
215. 224. 232. 244. 30O. 308. 309. 312.
313. 463.
Danaiden, helikonierähnliche 183.
Danaiden als Nachahmer 182.
Danais 163. 271. 309.
» Alcippus 172.
» Chrysippus 1 59. 161. 1 62. 1 65. 1 72.
178. 179. 183.
» C/eo;ia 176.
> Dorippus 1 61 .
» Erippus 160. 161. 172. 179.
» Hegesippus 172. 183.
» Limniace 176.
» luzonensis 176.
» melaneus 172. 173. 182.
» petilia 161.
» Plexaure 179.
» Plexippus 172.
» r/ij/a 172. 183.
üaptonoura Florinda 319.
Waraica-Typus 22.t.
Darwinismus 54. 8t. 82. 88. 97. 282.
358. 393, s. auch Lehre, Darwin' sehe und
Theorie, Darwin sehe.
Dasychira abielis 409. 413.
32
498
Sachregister.
Dasyophthalma Creusa 237.
» rusitia 140. 237.
Dauer der Temperatureinwirkung 435.
üeilephila 262.
» nerii 262. 413.
» vespertilio 185. 262.
Deltas 301. 318. 322.
» Jn<na 207. 342. 34S.
» Belladonna 327.
» Candida 207. 34->. 343.
» chrysomelaena üOT. 342. 345.
» Egialea 207. 231. 327. 343.
» Eu Charts 170. 233.
» nigrina 207. 299. 327. 345.
» Pyramvs 170.
Dercas Verhuelln 233.
Descendenztheorie 481.
Diadcma 372.
Dichorragia Nesimachus 227.
Dicriirus musicus 282.
Didonis Biblis 324.
Digoneuonte 432.
Dimorphismus 44 0. 441.
Djone /m«o 270. -272.
Diorhina 241 — 243.
» £M«es 241.
» Periander 241 . 330.
» -iepiodrcMS-Typus 242.
Dircenna 269. 270.
Discophora 178.
» Ce/mde 178. 235.
» '/M»ia 180. 235. 286.
Dismorphia 201 . 202. 205. 283. 267. 31 0. 461.
» Albania 20 4.
» Arsinoe 201 .
» Astynome 201. 207. 310.
» .4uo«m 202.
» Cornelia 203. 203.
» Critomedia 5 05.
» Foedora 205.
» fortunata 202.
» 7e</i!/s 204. 205.
» Lewyi 203.
» Marion 203.
» iWe/ia 267.
» iUdJZe 204. 203. 267.
» Nehemia 203.
» Praxinoe 203. 204.
» Psamathe 205.
» Sororna 310.
» Tfieugenis 204.
» Ftrflro 20 4.
Divergenz der Charaktere 97.
dodecadactyla 265.
Dodona Ouida 153. 243.
DoleschaUia Amboinensis 113.
» polibete 71. 84. 106. 124. 125.
127. 243. 246. 251. 458.
» pratipa 103. 126. 381.
Üoppelanpas.sung 446.
Dorcadion molitor var. lineola 10.
Doritis apollinus 186. 187. 215. 385.
» apollinus var. apollinaris 186.
Doritis apollinus var. bellarchus 186.
;> apollinus ab. r«6)-a 186
Doryphora decemlineata 9.
üoryssa adspersa 479.
Dreistufigkeit 29r,. 298. 300. 316. 321.
» infero-superiore 324.
» postero-anteriore 322.
» postero-anteriore und
infero-superiore 321. 324.
Drepana fulcalaria 261.
Duft 368. 414.
ÖMpo Jussieuae 262.
Dynamine 117. 226.
» Persis 188.
Dytisciden 10.
E.
Echsen 24.
Eckfleck-Schrägband-Typus 146.130. 205.
2ia. 2i5. 227.''-237. 313.323. 428.
466.
» -Typus 320.
Eckflügelbänder 143.
» Zeichnung 2 4 4.
» zeichnungs-Typus 14 6.
Eckzeichnung, schwarze 320.
Ecpantheria Scribonia 2 60.
Edolius 276.
£dM5a-Randbinde 319.
» -Typus 159. 20 4. 231. 240. 253. 313.
342."
Eidechsen 23.30.63.271. 277. 280. 281.476.
Eigenschaften, neu auftretende 32.
» neue 83. 34. 52. 67. 73. 84,
91. 251. 389. 474. 483.
» sprungweiseerworbene 482.
» schädliche 59.
Einfachheit 199. 216. 252.294. 464. s. auch
Vereinfachung.
Einfarbigkeit 29. 199. 216. 239. 253. 2G1.
294. 338. 460. 464. 467. 469.
473. 474.
» helle 217.
» schwarze 217.
Einfluss, direkter der Außenwelt 414.
» des farbigen Lichtes 484.
» indirekter der Umgebung 441.
Einflüsse, äußere 8. 15. 21. 24. 62. 76.
94.269.283.366.388.451.471.
» klimatische 388. 391. 4 30.
Einwirkung der äußeren Verhältnisse 69.
» des Lichtes 203. 329. a80.
» unmittelbare 61 .
» unmittelbare, physikalischer
Bedingungen 283.
Einwirkungen, äußere 16. 17. 42. 43. 54.
70. 72. 370. 391. 460.
Einzelheiten über Zeichnungs- und Farben-
folge 311.
Einzelrückschlag 23.
Eisvögel 274.
Ellopia 255.
Sachregister.
499
Elymnias 178.
» Agondas 314. 349.
:> beza 177.
» Malelas 177.
» phegea 142. 162. 163. 186. 319.
» undularis 160. 349.
emortualis 263.
Empfänglichkeit, verschiedengradige 364.
Emydia cribrum 259.
» grammica 261.
» striata 261.
Enispe Euthymius 285. 316.
Enten 185.
Entstehung neuer Arten im Ver-
breitungsgebiete der
Stammformen 21.
» der Augentlecke 380. .
» von Augenzierden 336. 379.
» nützIicherEigenschaften4 62.
■■> allgemeiner Fleckzeichnuns
175.
» heller Fleckzeichnung 175.
» schwarzer Fleckzeichnung
180. 239.
» der prorsa- aus der levana-
Zeichnung 421^427.
:> sprungweise 278.
Entwickelung s. auch Umbildung.
» bestimmt gerichtete 2.
3. 8. 12. 13. 14. 20. 40. 48.
51. 52. 33. 73. 82. 84. 85.
86. 88. 96. 100. 289. 291.
358. 366. 467. 476. 483.
» divergierende 295. 317. 319.
342.
■> zu Einfarbigkeit 191.
» gesetzmäßige 18. 394.
» ho moeogenetische 235.
» infero-superiorelS. 4 63.47s.
» kaleidoskopische 460.
» ontogenetische 483.
» phylogenetische 485.
» postero-anteriore 18. 28. 29.
30. 463. 478.
!> nach allen Richtungen 278.
> supero-inferiore 18.
>> sprungweise 24. 36. 72.
279. 291. 384. 362. 365. 369.
390. 412. 434. 460. 465. 467.
» ver schiedens tufige 47.
112.
467.
114. 115. 301. 412. 463.
Entwickelungsgeschichte 391. 4 75.
Entwickelungsgesetze 18. 376. 42fi.
» innere 62.
Entwickelungsgleichheit. unab-
hängige 38. 48. 83. 114. 128. 134. 145.
168.169. 182.191.216. 243. 412. 462.467.
Entwickelungskräfte, innere 64. 70.
Entwickelungsmechanik 471.
Entwickelungsrichtung, fortschreitende 165.
Entwickelungsrich tungen 8. 14. 18.
m^ 26. 35. 43. 57. 60. 61. 71.
73. 76. 83. 100. 117. 122. 128.
197. 201. 219. 224. 285. 287.
310. 311. 329. 392. 393. 400.
413. 439. 460. 464. 463. 477.
485.
Entwickelungsrichtungen, be-
> stimmte 68. 230. 423. 457.
» der Heterocera und
Microlepidop tera 252.
» neue 47. 253.
» die wichtigsten der Tagfalter
129.
Ent Wickelungsstillstand 20.21. 334.
Entwickelungsstufen 355.
Entwickeiungstypen 209. 460.
Epicalia 351.
Epilachna globosa 9.
Epinephele nurag 410.
Epiphile Adrasta 136.
» Electra 136.
Epistase 20 — 23. 334. 409. 467.
Epistrephogenesis 20.
Erebus Agrippina 386.
Eresia 191. 193 — 197.
» Acraeina 196.
» Alma 195. 196.
» Callonia 196.
Castilla 196.
» Clara 193.
» CUo 195. 196. 310.
» Cornelia 196.
» Emerantia 162. 194.
>> Eranites 196.
» Eunice 196.
» Levina 196.
» Ofella 193.
» Philyra 19 6.
» Polina 310.
Erhaltung des Passendsten 89. 291.
Erionota Thrax 1 78.
Erippus-Chrysippus-Typus 1 61 .
Ernährung der Raupen 42.
Ernährungsverhältnisse 21 .
Eronia Argolis 172.
» Valeria 170. 176. 207. 346,
Erycides Oreades 24 4.
Eryciniden 99. 153. 181. 186.215.239.
300. 307. 310. 314. 319. 320. 329. 457.
Esel 478.
Esox liicius 3.
Eucheira socialis 148.
Euchloe cardamines 365.
Eucosmia undulata 255.
Eueides 268.
» aliphera 269. 270. 272.
Isabella 196 — 198. 200. 269. 270.
272.
lybioides 196.
•» pavana 269. 270. 272.
> Thaies 309.
Eugonia 255.
Eulen 253. 257. 238. 263. 475.
Eulenausen 879.
32*
500
Sachregister.
Eulengesicht 379.
Eunica Amelia 189.
» Flora 152. 153. 189. 347,
» Sophonisbe 189.
» Violelta 1 89.
Euphaedra Eleus 159.
» Ruspina 1.)9. 161. 194. 226.
» Zevxis 213.
Eupithecia oblongala 484.
Euploea 178. 210.
» Browni 182.
» Euripon 183.
» laetißca 162. 182.
» Midamus 177. 178. 183. 215. 347.
» Plateni 180.
» Rafflesii 276.
» lihadamanthits 178. 182.
» Usipeles 182.
Euploeideii 68. 309. 313.
Euprepia caja 71. 239. 416. 456.
Euptychia 100. 316.
» .i4cme«is 314.
» Cephus 349.
Eurema 231.
» Candida 313. 345.
Euripus 178.
Euryades Duponchelii 136.
Eurybia Donna 243.
Eurycus Cressida 216. 341. 344.
Euryphene 115.
» Cocalia 348.
» Plistonax 160. 226.
» Sophus 113.
Eurytela Bekkeri 243.
» fulgurata 133.
» Hiarhas 133.
Euselasia Arbas 136. 349.
» Chrysippe 240.
» euritens 349.
» Eutychus 3 4 9.
» Hahneli 99. 250. 350.
» iWi/5 240.
Eusemia Falkensteinii 139. 161.
Euthalia 178.
» Monina 136. 348.
» Phemius 348.
. » Plateni 167.
Euxanthe Schatzi 325.
Evolutionslehre 429.
evonymella 264.
F.
Fächerflügler 244.
Fächer-Zeichnung 172. 199. 214.
223.
, 243. 315. 319—321.
Falter, blattähnliche 90.
Farbe der Grundbänder 303.
Farbenanpassung, mechanische 476. 481.
Farbenfolge 196. 293. 296. 330. 331.
334. 335. 463. 483. 486.
» postero-anteriore 3 OS.
Farbenphotographie 463. 476. 481.
Farblosigkeit. teilweise 202.
Farbstof'r 481. 482.
Farbstofffarben 330.
Färbung, sympathische 333. 463. 476.
Färbungen 83.
fascialis 263.
Faultiere 59.
FoMWMS-pro5'«e-Typus 412.
Felis 478.
Feuchtigkeit 61. 330. 471.
Fidonia limbaria 233.
Fische 3. 4. 476.
ßavalis 263.
Fleckzeichnung 264.
» schwarze 259.
Fleck- und Schrägbandzeichnung
144.
Flecktypus, heller 261.
» schwarzer 227.
Fleckung, schwarze 239. 474.
Flügeladern 387.
Flügelanlage 452.
Flügelform 179. 187.
Flügelgestalt 329. 470.
Flügelgestalt und Zeichnung 179.
187. 193—193.209. 239. 241. 243. 253.
261—264.
Flügelzellen 387.
Folge, phyletische 4 83.
Foraminiferen 4. 20. 22.
forficalis 263.
Formen, pseudomimetische 140.
Formwachstum der Flügel 1 91 .
Fortschritt, divergierender 342.
» der Zeichnung 4U8.
Frösche 39.
Funktion 41. 70. 92.
Y/VI-Fleck-Typus 213.
V/VI-Fleck -Zeichnung 213. 233. 237.
262. 263.
V/VI-Schrägstrich 31 9.
G.
Gallus bankiva 76.
Gastropacha crataegi 260.
» neustria 260.
» pini 216.
» populi 260.
» quercus 21 6.
Gea-Niavius-Merope-lYV^^ '"'^•
213. 214.
Gea-Typus 142. 162. 193. 342.
Gebiete, geographische 330.
Gebrauch 13, 17. 23. 41. 70. 73. 89. 388.
Geckos 277. 473.
Gehäuseschnecken 4.
Geistchen 263.
Genepistase 21. 24. 33. 37. 49. 89.234.
309. 402. 409. 428. 467.
Geometridae 234. 484. 485.
Germinalselektion 18. 40. 30. 36 — 58.
62. 64. 67, 74. 76. 78—80. 82. 84. 85.
Sachregister.
501
91. 92. 95. 190. 208. -2-28. 277. 310. 335.
448. 453. 486.
GeschIechts-Dimorphismus3'12.336.
351. 361. 363. 369. 370. 463 — 460.
467.
Geschlechts-Dimorphismus, divergierender,
338.
Geschlechts-Dimorphismus, sprungweiser
464.
Geschlechtstrieb 369.
Geschlechtsverhältnisse 391.
Geschlechtswerkzeuge 414.
Geschützte 461.
Gesetz der Ausgleichung 41.
» biogenetisches 23. 478.
» der einseitigen Ent Wicke-
lung 20.
Gesetz der verschiedenstufigen
Entwickelung 19. 22.
Gesetz der wellenförmigen Ent-
wicke lung 19.
Gesetz der unabhängigen Ent-
w^ickelungsgleichheit 19. 36. 38. 48.
Gesetz der Entwickelu ngsumkehr
20.
Gesetz der Kompensation 41.
> des
Wichts 19. 477. 483
Gesetze, innere, 2.
» der Vererbung 355. 356. 367.
Gesetzmäßigkeit 3. 473. 474. 481. 483.
» or thogenetische,
455.
Gesetzmäßigkeit der Umbildungen
2. 279. 321.^329. 428. 430.
Gesetzmäßigkeit der natürlichen
und künstlichen Wärmeumbil-
dung 454.
Gesetzmäßigkeit der Zeichnung 7.
Gewachsensein der Flügel 1 39.
Gitterzeichnung 21 5.
Glasfensterchen 249.
Glaucippe-Typus 159. 195. 231. 313.
Gleichstufigkeit 293. 311. 462. 463.
j> helikonier- ähnlicher
männlichen Überge-
Falter 309.
Gleichstufigkeit von Ober- und Unter-
seite 311.
Gonioctena 9.
» 6-punctala 9.
grisealis 263.
Großfleck-Typus, heller, 169.173. 207.
214. 220. 313".
Groß-Weißfleck-Typus 313.
Großschmetterlinge 460.
Grundbänder 486.
Grundbinden 252—254. 239. 387. 437. 465.
486.
Grundbindenzeichnung 263.
Grundzeichnung 98. 100.
Gruppe, afrikanische, der Segelfalter 43.
» amerikanische, der Segelfalter 43.
Gruppe, asiatisch-europäische, der Segel-
falter 43.
» australische, der Segelfalter 43.45.
» australisch - indomalayisch - asia-
tische, der Segelfalter 4 3.
Gynaecia Dirce 133.
H.
Hadena trifolii 363.
Haematopus ostrealegus 287.
Haelera 31 4.
Halmatogenesis 24. 34—36.38.72.136.
206. 291. 337. 362. 363. 366. 369. 391.
412. 467. 482.
Haltica 6.
» atrovirens 6.
» consobrina 6.
» eriicae 6.
» euphorbiae 6.
» oleracea 6.
Hamadryas Moorei 202.
2. Zoilus 202.
Hand in Hand gehen von Farbe und Zeich-
nung 296.
Harleklnfarbe 308.
Hasen 372.
Haushahn 73.
Hebomoia celebensis 185. 328.
» Glaucippe 159. 231.
Heclorides-Alyaltes-Agavus 305. 312.
Heliconiden 68. 99. 182. 197.200.202.
209. 213. 226. 232. 244. 281. 3U0. 303.
308 — 312. 314. 319. 320. 463. 470.
Hei ico niden- Typus 1ü5.
Helikonier-ähnliche 319. 472.
Helikonierzeichnung 315. 318.
Heliconius 210. 268^ 333.
» Amaryllis 308.
» Antiochus 308.
» Apseudes 199.
» Aranea 308.
» Aurora 198.
» Bescliei 197. 269.
» Charitonia 199.
» Chestertonn 199.
» Chioneus 308.
» chjsonymus 308.
» Cydno 308.
» Doris 190. 309.
» Eleusinus 308.
Eucrate 19H. 269. 272. 308.
;> Faunus 198.
» formosus 199. 200. 202. 204.
308.
» Hahneli 308.
» Mars 199. 309.
» Melpomene 196. 202. 231.
» • Pachinus 199.
» PhijUis 30 8.
» Thelxiope 309.
Helix adspersa 183.
» arbustorum 183.
502
Sachregister.
Helix hortensis 5.
» nemoralis 5.
> pisana 5. 71.
Ilellfleckung 199.
Hepiaius Velleda 258.
Hermelin 372.
Hesperia comtna 275.
Ilesperidcn 186. 243. 307. 312. 314. 319.
320. 463.
Hesperus-Gru\)\)e 146. 149.
Hestia 183. 309.
» Idea 171.
Hestia-Ty\)us 180. 182.
Hestia- Paphia-TyYius 215.
Hesiina assimilis 176.
Heterepistase 19. 22. 34. 35.112.114.
171. 178. 303. 308. 319. 321. 329. 332.
402. 412. 428. 467.
Heterhodogenesis 135. 160. 271.
Heterocera 330.
Heteroceren 216. 234. 335. 386. 457.
hexadactyla 265.
Hidari Irava 178.
Hipparchia Egeria 39. 416.
» Janira 355. 380. 381. 384.
» Megaera 39. 384.
» Meone 4 1 6.
» Sarasivati 142.
Hipparchien 133.
Hirsche 374. 375.
Hirschschröter 291.
Hirudineen 476.
Hitze, trockene 471.
Bomalosoma lutrix 473.
Homoeogenesis 19. 34. 36. 38. 85. 114.
128. 134. 136. 145. 168. 178. 182. 191.
195. 202. 216. 233. 256. 257. 263. 271.
332. 342. 402. 412. 461. 467. 478. 479.
Homoeogenesis, kaleidoskopische 191.
II ora- Dimorphismus 'ik. 42. 358. 359.
362. 390. 395. 398. 413. 443. 467.
Hora- Trimorphismus 413.
Hühner 478. 479.
Hunde 372. 479.
Ht/a^e-Typus 148.157. 195.204. 230. 342.
Hya le-edusa-brassicae- G laucippe-
Typus 157. 214. 230.
//j/a/e-Zeichnung 320.
Hyantis 236.
> Hodeva 328.
Hypanartia Lethe 152. 153. 213.
Hypertelie 291. 292. 462.
Hyphantria aenea 71. 259.
Hyphilaria Parthenis 99.
Hypna Clytemnestra 153. 155.
Hypochrysops Apelles 240.
Hypolimnas 163. 226.
» alimena 148. 177 — 179.
» anomala 177.
» Bolina 162. 166. 167. 321. 347.
» dubius 1 65.
» imperialis 165. 166.
Hypolimnas Inaria 160. 161.
» mima 165.
» Misippus 160 — 162. 166. 167.
178. 347.
» Pandarus 347.
» Salmacis 165.
I.
lihlhyosauriis 59.
Ideopsis 171. 178. 30 9.
» Anapis 171.
» chloris 139. 182. 214.
» Daos 171. 180.
» Glaphyra 171.
Idmais Eris 206.
Iguanodon 59. 92.
Imprägnation, konstitutionelle 330.
/«.ac/iJs-Typus 23 7.
Innenfeld 148. ai3. 237. 260. 263.
Innenfeldbildung 156.
Innenfeld-Typus 239. 255. 315.
Innenfeld-Schrägband-Typus 194.
223.
Insekten 4. 7. 279. 281. 283. 371. 476.
Instinkt 72. 73. 376.
Interferenzfarben 330. 482.
Iphias Glaucippe 354.
Istnene Helios 157. 225. 230.
Isolierung 414.
Ilhomia 179. 215. 267—269. 308. 333.
» galata 202. 215.
» pardalis 201. 225.
Iluna 270—272. 281.
Ixias pirenassa 159. 185. 231. 346.
.lahreszeitenabartung 24. 26. 65. 390.
393. 395. 451. 465. 467.
Jnnthinella 264.
Junonia 247. 326. 471.
» Almana 471.
» Asterie 39. 471.
» Clelia 303.
» Erigone 39. 104. 381.
» Laomedia 103.
Lavinia 104. 135. 248. 298. 381.
» Oenone 298. 303.
» Orithya 135. 303.
» Tye5^erma)m/ 166. 303.
E.
Käfer 6. 7. 19. 280.
KallimaS9. 61. 66. 71. 90. 103. 104. 107.
116. 292. 295.
» albofasciata 115.
» InacbisGQ. 101—103. 112. 113. 116.
122. 124. 126. 128. 152. 155. 235.
247— 2:;0. 322. 459.
» paralecta 69. 116. 126. 128. 244.
246—250. 458.
Philarchus 101. 112. 247. 249. 470.
rumia 100. 102. 106. 107. 115. 127.
251. 322. 458.
Sachregister.
503
Kälte 15. äi. 63. 393. 39'i. 397. 403. 409.
HS. 430. 132. 433. 139. i'.O. 171.
» küiistlic-he i3. 385. 369. 388. 390.
398. 399. vi;;. 433. '.36. i.iS. 456.
46.5. i69. 4 So.
Kälteeiinviikung 56.
Kältofonnen 15. 'iS4.
KiiltovLM-suche 370.
Kampf ums Dasein 35. 488.
Kaniiuhen 373. 479.
Katze i79.
Keim 91.
Keimanhme 486.
Keimpiasina 92 — 94. 445. 451. '.53. 483.
Ivei mp lasma-Il y])o t hcsen H . 65. 73.
74. 77. 79. 91. 391. 130. 438. 453.455.
Klee, roter 97.
Kleinfleck'-Ty pus, heller 176. 215.
326. 237. 2 '.2.
» » schwarzer 242.
244. 315. 317.
» > weißer 315.
Kleinschmetterlinge 262. 460.
Klima 15. 51. 111. 183. 330. 339. 388.
393. 398. 399. 431. 460.
Klimaform 4 4 6.
Kompensation 17. 79. 92. 246. 483.
Konstitution 4. 8. 13. 54. 60. 76. 87.
2S5. 387. 330. 331. 370. 430. 433. 479.
488.
Korrelation 31. 73. 79. 92. 483.
> Cuvier'sehe 24.
» funktionelle 34. 73.
» kaleiiloskopisolie 34. 337.
427. 464.
Kraftfarhen 363. 376. 389. 465.
Kreuzung 25.
Krystall i sa t ion 454.
i> organische 456.
Krystallisiren 8.
Kukuk 387.
K y esainechan ie 21. 414.
Ky matogenesis 13. 19. 4SI.
L.
Lacerta muralis cocrulea A. S. 42. 333.371.
389.
» » filfolcnsis 333.
Lamarekismus 70. 92. 371. 389.
Lamellicornier 10.
Lampides clpis 177.
» pseudelpis 177.
I.ängshiinder 24 4.
Langshindcn 339.
Längsslreifung 238. 24 4. 467 — 169. 473 —
4 75.
Lasaia Arsis 243.
Lasiocampa populifoUa 409. 411.
» » auliiiinialis 411.
» pruni 409.
» qiicrcifolia 354. 409.
Laubheuschrecken 393.
Lebensbedingungen 310. 363.
» äußere 63. 87. 481.
Lehre, Oarwin'.sche 14. 266. s. auch Dar-
winismus und Theorie.narwin' sehe.
» Parwin-Wallaeesche 488.
Lema 9.
» asparaj^i 9.
» M-puiictata 9.
Lemonias Emylius 240. 350.
Lro»i/(f(i.^-Gruppe 317.
Lcoiiidas-T\ pus 169. 175.314.332.233.
314. 319.
I.eosthe)ies-Anticratcs-.\jax-Gni[\\>c 46.
I.cptalis 301. 267. 268. 282.
» Axti/nome 267. 269.
Meiia 367.
Melite 367.
Leptocircus 241. 242.
» virescens 342.
I.epus 479.
Lethe Europa 155. 178. 314.
> Mekara 178.
» rohria 153. 155.
Leiicophasia Duponeheli 304.
> siiiapis 204. 331.
Libellen 281. 383. 365.
> -FlUgelform 460. 470.
Libythea l/o/i/" <33.
Licht 83. 86. 303. 4SI. 483.
Lichtwirkungen, äußere 83.
Limenitis 133. 135. 1 .y. 193. 443.
Camilla 130. 132. 133. 145. 148.
374. 445.
Dara.va 13 1. 134. 140. 189. 225.
» Dudu 140. 235.
» Libnites 143.
;)()/)(/// 1 15. 130. 133. 133. 14 0.
143. 148. 371. 274.
» Procris 1 35.
Sibi/lla 61. 115. 129. 131—135.
140. 143. 148. 150. 233. 271. 274.
383. 427. 444. 143.
Zaiila 134. 140. 173. 184. 223.
Lina 9.
> lapponica 9.
» iO-pu)ntata 9.
Liparis dispar 360.
» moiHicIia 360.
» Salicis 361.
Liphyra lirassolis 340.
Liplcna sa>t(jiii>iea 159. 161.
Litlwsia 354.
locupletana 364.
I.ota rulgai'is 3.
Lowe 373. 37 4. 478.
Lucaniden 10.
lucernalis 363.
Luchs 479.
Lucioperca sandra 3.
Lnehdorfia Puziloi 208. 224.
Lurche 3. 4 73.
Lurchstamm 15.
Lycaena 353. 435.
504
Sachreeister.
Lycaena aegon 352.
» agestis 352.
» arion 352.
» Corydon 384.
» Daphnis 384.
» e/pjs 177.
» Icarus fulminans 410.
» pseudelpis 177.
Lycacniden 98. 153. 181. 186.215.239.
296. 298. 299. 307. 309. 315. 316. 320.
321. 329. 335. 376. 384. 457.
Lycorea 200. 209. 268—271. 281.
Lygodactylus picturatus 473. 474.
Lymanopoda caeruleata 322.
» Labda 325.
» vivea 159.
Lymnas melanochloios -241.
Z,i/r«-Typus 172. 214.
Lyrapteryx Apollonia 173.
» Zj/ra 173.
M.
Machaerodus neogaeus 59.
iWoc/mon-Gruppe 25. 35. 38. 4-2. 131.
J/ac/iao«-^5<er«as-Gi-uppe210.217.220.
Macroglossa 261.
» Stellatarum 261.
malin ella 264.
Mammut 39.
3/a«ii5 283.
Mauereidechse
Maus 278.
Mayrana 264.
Mechanitis 200.
43. 67. 72. 184. 476. 483.
108. 109.
293.
2fi8. 269. 333.
» Lysimnia 269. 270. 272. 285.
» Macrinus 284. 347.
» Menapis 284.
» Menophilus 284.
» Mothone 284.
» Nesaea 285.
» Polymnia 284. 285.
Meeresmollusken 4.
Megatura Bcrania 98. 99. 105. '
189. 210. 470.
» Coresia 105. 115. 130.
» Corinna 14 8. 316. 3 4 7.
» Crethon 148. 316.
» Pe/etes 105. 109. 113.
Megatherium 59.
Melanargia 229.
» galathea procida 41 0.
» » turcica 410.
Melania Cybele 479.
» panlherina 4 79.
» spinata 479.
Melanitis 178. 471.
» Jsmene 178. 471.
;> Leda 178. 381. 471.
» Malelas 177.
« Suradeva 239.
Melinaea 200. 268. 269. 333.
» Paraiya 200.
Melitaea 181. 226. 274.
» Athalia 369.
» Dictynna 3G9.
» didyma neera 410.
» tru'ta fascelis 410.
Melone 479.
Menobranchus lateralis 3.
Mercurialis annua 368.
Mesosemia 315.
» Cippus 99.
» Croesus 350.
» Lepida 99.
» Loruhama 136. 3.i0.
» Philemon 99.
» Sibyllina 243.
Messaras Lampe tia 132.
Methonella Caeciliu 173. 242.
Microlepidoptera 262.
Microlepidopteren 216. 234. 457.
il/('damt/s-^noj?iaZa-Gruppe 21 7.
.1/«damMS-j4 w omakt-Typus 176. 215.
226.
Midea scolymus 185. 204.
Mimeta bouroensis 286.
» Forstini 286.
Mimicry 39. 61. 84. 85. 134. 136. 140.
143. 133. 168—171. 178. 179. 194. 222.
233. 253. 266. 271. 276. 278—280. 310.
481.
Mischung, geschlechtliche 77. 83. 90.
Miselia oxyacanthae 363.
Mitfärbung 476.
j1/«7ra pontificalis 479.
Mittelband 244.
Mittelfeld 117. 129—131.
Mittel-Innenfeld 213.
Mittelfeld-Typus 137.
210. 257. 263.
210.
229. 237. 240. «253
220.
315.
» -Schrägfleck-i'band- Ty
Uß. 194. 212. 223. 229. 241. 428.
Mittelzellen-Randfleck-Typus
Mollusken 2—3. 19. 30. 183. 476.
Moma Orion 258.
Monethe Paulus 167.
Monogoneuonte 432.
Mops 479.
223.
317.
pus
466.
213.
Morp
hiden 99. 155. 185. 210.
234. 300.
307.
437.
Morph
314. 316—318. 321. 328.
329. 384
0 Adonis 9i). 136. 212. 234 —
-236. 281.
348.
»
Aega 234—236. 3t ß. 348.
;>
:>
EpistroiJhis 215. 237. 314
Hercules 236. 237.
Laertes 237.
melacheilus 1 '.2. 236. 348
328.
»
Phanodemus 237.
>
Rhetenor 237. 314.
Morp
hophysis 12. 16. 20. 54.
Motten 252—234. 264. 2f55.
Mozart
96.
Mycalesis 471.
;>
Mineus 471.
Sachregister.
505
Mycalesis orseis 177.
» visala 471.
Mynnecophana fallax 292.
Myscelia 180.
» Cecida 298.
» Cyaniris i 85.
!> Orsis 347.
Nachahmende 461.
Nachahmung
Nachgeahmte
265.
461.
N.
460.
Nachhinken, gesetzmäßiges 331.
Nachtfalter 280. 35.5. 377. 464.
Nachtschmetterlinge 73. 354. 364.
Nacktschnecken 5.
Nahrung 15. 54. 61. 330. 388. 393. 460.
yajas hilaris obrina 3 04.
Napeocles jucunda 112. 132.
Napeogenes excelsa 201.
Xarathura Ml.
Narope Cyllastros 238.
» Saraslro 238.
Naturzüchtung 435. 481. 482.
Nemeophila plantaginis 410.
» » caucasica 410.
Neptis 192. 193. 226. 435. 472.
» aceris 1 92.
» Kikideli 194.
» -(A^e/'<e-)Querstreifung 3)5.
Neurosigma Siva 181.
Nichtanpassung der Oberseite 4 81.
Nichtgebrauch 17. 23. 77.
NichtSchutz 483.
Nichtvererbung erworbener Eigenschaften
94. 451.
A'iai; JM5-Typus 161.
Noctuidae 2.")7.
yotodonta 261.
Sumeria 255.
Nutzen 11. 14. 16. 20. 35. 51-
68. 81. 86. 87. 190. 289. 37
457. 480. 481.
Nützlichkeit .j8. 372. 473. 476.
Nützlichkeitsauslese 4SI.
Xyctalemon Agathyrsus 2.j6. 257. 264. 461.
462.
» Patroclus
Nymphaliden 98 —
112. 1.j5. 170. 181.
225. 252. 253. 296.
318. 320. 322—324.
IS'ymphklium lycorias 168.
0.
Oberflächenfarben 482.
Ocneria dispar 413.
Ogyris Genoveva 301. 350.
Ohnmacht der Naturzüchtun g 26.
34. 40. 393. 465.
Ohnmacht der Darwinschen Zuchtwahl 20.
54. y^l. 67.
393. 394.
2.j5.
2;J6.
-100.
102.
103.
lO.Ö.
185.
187.
192.
210.
299.
307.
315.
316.
384
387
457.
Oleanderschwärmer 291.
Ontogenese 23. 63. 469. 474. 4 83—486,
Opsiphanes Boisdnvalü 186. 23 8. 318.
» Cassiae 155.
Ordensbänder, gelbe 263.
Organophysis 12. 16. 54. 89. 94.
Orinoma Damaris 170. 176. 239. 314.
Ornithoptera 222. 223. 305. 312. 319.
» Amphrysus 306. 339.
» Brookiana 30 6.
» Croesus 301. 305. 306.
» Haliphron 338.
» Hippolytus 327.
» Lydiiis 305. 306.
» Pompeus 306.
» Pompeus Cerberus 339.
» Pompeus rutilans 306.
» Priamus 2-22. 305. 306. 327.
338.
» Rhadamanlhus 338. 339.
» Richmondia 209.301.338.344.
» Schoenbergi 30 6.
» Tilhonus 3 06.
» l'rvilliana 306.
» Victoriae 209.
Ornithopteren 63.
Orsostriaena mandata 471.
» mandosa 4 71.
» medus 471.
» runeka 471.
Orlhoceratiden 59.
Orthogenesis 11—14. 16. IS. 20. 21.
24. 29. 39—41. 48. 57. 59. 62. 65. 67 —
74. 76. 78. 81. 83. 85. 87. 89. 128. 254.
271. 287. 357. 358. 360 373. 374. 378.
395. 467. 479. 480. 4s2.
Oscillieren 76. 77. 93.
Oscillieren
17. 18. 20
der Entwickelungsrichtungen
P.
Palla Decius 140. 184. 185. 225.
palliolalis 263.
Panara Thisbe 241.
Pandemos Pasiphae 159.
Panmixie 58. 77. 78. 95.
Panopaea Circe 16-2.
» Hirce 142.
» Poggei 161.
Pantherung 315.
Paonias astylus 364. 365.
Paphiu Electra 122.
Pöjj/iJa-Typus ISO. 182. 226.
Papilio 178. 209. 334. 351. 372.
» Aegeus 312. 339. 340. 344.
» Aeneides 340.
> Agamemnon 17.j. 215. 222.
» Agavus 137. 222. 3^0.
» Agesilaus 44. 47. 111.139. 217. 497.
» » septemlinealus 4 7. 48.
» Agestor 172.
» Agetes 45.
506
Sachregister.
327. 341. 344.
2.
324. 340.
Papilio Ajax iti—i>r,. 48.335.390.399—401.
412.
» » Marcellus 399—401.
» » Telamonides 45. 399 — 401.
» » Walshii 45. 399 — 402.
» Alcidimis 25(5. 257. 264. 461. 402.
» Alebion 27. 2s. 43—45. 48. 66. 98.
108.111.190.210. 223.293. 311.485.
» Alexanor 2.'i. 29. 33. 42. 43. 190.
» Alphenor 339.
» Alyattes 166. 222.
» Americus 31. 37.
» Ancinses 827.
» AndraemoH 1 37.
» Androcles 44.
Androgeos 223. 312. 317.
344.
» Antenor 179. 215. 220, 222.
» Anthedon 131. 13 4. 139.
Antheus 44. 131. 139. 305.
» Antimachus 272.
» Anticrates 44 — 46.
» » nigricans 45.
» » parmalus 45.
» Antiphates 44 — 46. 217.
» Arcesilaus 44.
» ^naMW5 327.
» Aristeoides 45. 46.
» Aristeus 45. 46.
» » nigricans 45.
» Ascalaphus 340.
» AscoUus 209.
> ^5«W5 137.
» .Jsfenas 3-1—34. 37. 38.
» » Calverleyi 31. 38.
» Asterioides 32. 34. 37. 42.
» /Ja«Vrf(7 31—34. 36. 38. 337. 342.
364. 370. 394. 412.
» Bitias 220. 223. 341.
» brevicauda 31. 37.
» Bromius 139.
» Bunichus 137.
» Cawco 223. 312.
» Caunus 177.
» Celadon 44. 131. 305.
» Chinsiades 327.
» Cinyras 137. 317.
» Cleotas 220. 341.
» Colonna 4 4. 217. 4 02.
» Constantimts 149.
» Cynorta 136. 142. 162.
» Daunus 31. 33. 34. 110. 111.
» Deiphobus 340.
» Deiphontes 173. 299. 305. 324. 327.
339.
» Delalandii 150. 212.
» Delesserlii 171. 180.
» Demoleus 139. 175.
> dissimilis 172.
» Dorcus 44.
» Dolicaon 1 63.
» echerioides 1 65.
» Encelades 312.
220.
98. 210.
340.
Papilio Epidnus 47. 109. 311. 397.
» Epiphorhas 149. 150. 212.
> Erebus 178.
» Eurymedon 26. 29. 190.
» Evemon 134.
» Evombar 44. 139. 305.
» Ganesa 305.
» GtöTon 1 73.
» Glycerion 27. 4 3. 4 4. 48.
217. 223. 293. 485.
» Hahneli 222.
» Hector 222. 299.
» Hectorides 137. 222.223. 312.
» Helenus 340.
» Hellanichus 31. 33. 42. 312.
» Hermoerates 45. 46.
» Hesperus 149. 212. 220.
» Hipparclius 339.
» Hippocrates 32. 42.
» Hospiton 29. .'lO — 33.
» Idaeoides 171.
» /radra 37. 312.
» y«S0H 134.
» Laetitia 220. 317. 341.
» Laglaizei 257.
» Laodocus 171. 180.
» Lalreiüianus 139. 182. '21 4.
» Leonidas 175. 176. 222.
» Leoslhenes 44. 45.
» Leucadion 172. 175. 176.
» Lycortas 220. 317. 341.
» Lysithous 137. 340.
» Macareus 172.
» Machaon 26. 29 — 33. 36.
168. 312. 341.
392—394. 398.
» » aestivus 32.
» » asiatica 32. 3 4.
» » bimaculalus 33.
» » Hippocrates 32.
» » oregonia 34. 42.
» Memnon 34 0.
» Menestheus 139.
» Merope 142. 161. 163. 165. 214.
223. 342. 460.
» » Antinorii 1 63.
» » Hippocoon 163. 165.
» » niavioides 1 63.
» » Ruspinae 163.
» » Tibullus Cenea i 65.
» » Trophonius 163.
» Mylotes 214. 327. 340. 344.
» Nephalion 272.
» Nephelus 340.
» Nica7ior 243. 299. 312. 339. 340.
341. 344.
» MreMS 139. 325.
» iVe7?-a 37. 312.
» Nomius 45. 46.
"» Orellana 313. 324.
» Palamedes 30. 34. 38. 341.
» Paphus 27. 223.
» paradoxa 177.
ggg
43.
385.
411.
109.
390.
485.
42. 385.
383.
Sachregister.
507
Papilio parmatus 46.
» Perrhebits 312.
» Philolaus 43.44.131.399.400—402.
» » Ajax 401. 402.
» » niger 401. 402.
» » nigrescens 401. 402.
» Philoxenus 312.
» Phorcas 139. 149.
» Pilumnus 33. 42.
» Pizarro 313.
» Podalirius kh — 46. 109. 111.210.
223. 311. 33'.. 395—398.
411. 468. 483.
» » Feisthameli 395. 396.
* » Lotteri 48. 110. 111. 33 'i.
390. 39.J. 396. 410.
» » Smyrnensis 111. 396.
» » undecimlineatus 48.
» » virgatus 396.
» » Zanclaeus 396. 411.
» Policenes 44. 46. 139. 305.
» Pohjtes 318. 337. 339. 340.
» Protenor 327.
» Protesitaus 33. 44. 47. 48. 217. 397.
» » rubrocinclus 48.
» » Telesilaus 21. 47. 4 8.
» Rhesus 44 — 46. 131. 400.
» Rhodifer 299.
» Ridleyanus 181. 184. 299. 309.
» Sarpedon 131. 134. 139.
» Semperi 2-23.
» Sesostris 325.
» Severus 340.
» Stnon 44. 131. 139. 30.j.
» Straliotes 45.
» Tamerlanus 45.
» Telearchus 177.
» Telegonus 30'ö.
» Telesilaus 21. 47. 48.
» r/ioas 137. 149. 213. 341.
» Thrason 137.
» Thymbraeus 312.
^» torqualus 2*3. 324.
» Triopas 222.
» Troilus 30. 32. 38.
» Turnus 29—33. 36. 43. 110. 111.
337. 364. 370. 390. 485.
» Glaucus 32. 34. 36. 3S.
43. 223. 285. 337. 342. 364. 370.
394. 412. 464.
» Xenocles 169. 171—173. 2-22. 312.
» Xuthulus 29.32.33. 35.42. 168. 169.
» Xuthus 29. 32 — 35. 42. 168. 169.
171. 173. 341.
» Zagreus 209.
» Zalmoxis 272.
» Zenobia 142. 170. 213.
» Zolicaon 3 4. 42.
» -Arten, die segelfalterähnlichen 41.
43. 233. 385.
Papilioniden 139. 209. 215. 220. 224.
234. 299. 304. 309. 311.
317—321. 324. 327. 329.
357. 366. 370.
457. 468. 469.
41
segelfalterähnliche
43.
338. 357. 366. 370. 384,
408.
Papilioniden ,
233. 385.
Pararge megaera tigelius 410.
PardaZis-Typus 179. 192. 215. 226.
Paris-Gruppe 305.
Parnassier 21 ö. 224. 384.
Parnassius 187.
Apollo 225. 385.
» Eversmanni 224. 385.
» gkicialis 1 57.
» Hardwickü 385.
» imperialis 385.
» Mnemosyne 157. 216. 225. 341
» » melaina 3 41.
» Smintheus 3 85.
Pedaliodes Pallantis 314. 323.
Penthema Lisarda 170. 226.
Perca fluviatilis 3.
Pereute 230. 231.
» Charops 196. 202. 230. 343. 343.
» chiriquensis 148. 229. 230.
Perisama Vaninka 188.
Perrhybris 201. 206—208. 234. 303.461.
» Lorena 2U6. 207. 30 1. 308. 318
346. 377. 378. 463.
» Malenka 206. 207. 377.
» Pisonis 206.
» Pyrrha 206. 207. 301. 308. 318
346. 377. 378. 463.
Pfau 361. 366. 382.
Pferde 478. 479.
Pflanzen 10. 11. 14. 17. 280. 292. 371
471. 482.
Pflanzenreich 52. 77.
Pflanzen\selt 4. 95.
Pflanzenwuchs 42.
Phryganiden 414.
Phyciodes 191. 192. 194—197. 226.
» Abas 194.
» Acraeina 196.
» Alma 193.
Callonia 192. 196—198.
» Castilla 196.
Clara 193. 202.
» Claudina 195.
» Clio 195. 196. 202. 310.
» Cornelia 196.
» crithona 195. 196.
» elaphiaea 195.
» Emerantia 194.
» Eranites 196.
» Eunice 196.
» Ezra 167.
» Flavia 1 95.
» Janthe 195.
» Lansdorß 197.
» Lelex 196.
» leucodesma 194. 193.
» Levina 196.
Ofella 195.
» Polina 310.
508
Sachregister.
Phyciodes 'JcJaachos 195.
» Tele tu sa 195. 196.
■» Theona <94. 196.
» Yorila 194. 196.
Pico caudata 286.
Pierella 314.
» Dracontis 124.
» Hortona 124. 167.
Pieriden 99. 157. 169. 181. 185. 201.
213. 229. 299. 306. 3U9. 313. 318—320.
322. 324. 327. 334. 33:;. 342.
Pieriden, Helikonier-äiinliche 313.
Pieris 185. 333.
:> Agathina 231. 345.
» Agathon 169. 170. 176. 232. 313.
319.
» Ausonia 232.
» belemia 232.
)> bellidice 230.
» brassicae 139. 231. 276. 313.
» caliidice 23U— 232.
» cardamines 232.
» daplidice 230. 411.
» » raphani 410.
» Emma 170. 176. 313. 319.
» Eperia 170. 313.
» glauce 232.
» Java 207.
» Leucodice 232. 233.
» Lorena 377.
» Malenka 377.
» napi 232.276.319. 408. 411.433. 447.
» > bryoniae 4 08.
» Pyrrha 3 77.
» rapae 231.
» Severina 170. 207.
> iaö'js 232.
» tenuicornis 207.
Pigmentfarben 330.
Planorbis multif'ormis 20.
Plusia devergens 263.
Polychloros-Xanthomelas-T\-\)u.s 412.
polydactyla 265.
polygonalis 263.
Polygoneuonten 418. 436.
Polyommatus Ballus 2(0.
» phlaeas 27. 61. 297. 384. 408.
409. 449—432. 466.
» » e/ei<5 410. 430. 431.
» thersamon omphale 411.
» virgaureae oranula 410.
Pontia belia 183.
» narcaea 231.
Potamites ebenicus 479.
Prachtbinde 311. 312. 329.
Präponderanz, männliche 19. 23.
336. 337. 342. 367. 477.
478. 483.
> ortbogenetische 361.
369. 464. 467. 483.
» geschlechtliche 336.
» weibliche 19. 36. 336.
368. 464. 483.
Precis 247.
» Andremiaja 114. 132. 136. -148. 212.
347.
» /p/ijto 104. 105. 381. 471.
» terea 104.
Prepona 142. 183. 225.
» Amphilhoe 140.
» Chromns 1 1 3.
» Laertes 140.
» Miranda 14 0. 142.
Princip, Lamarck'sches 70. 389. 463.
Prioneris Thestylis 176. 313. 327.
Pronophila venerata 239.
pronubella 263.
Protogonius 26'J. 311.
» Hippona 269.
Pseudacraea 163.
» Boisduvalii 1SI. 184. 309.
» Cz/'ce 162.
» //«rce 142.
» Lucretia 162. 163. 213. 214.
» Poggei 1 61.
Pseudo-Mimicry 1-29. 140. 216. 242.
271. 337. 462. 465.
Psilura monacha 413.
Pterochroza 292.
Plerogon oenotherae 261.
» Proserpina 261.
Pterophoridae 263.
Ptychandra Lorqiiinii 34 9.
Puma 374.
Puppen 484. 485.
purpuralis 263.
punicealis 263.
Pyralides 262.
Pyrameis gonerilla 107.
Pyrrhogyra Amphira 136. 168.
» neaerea 1 68.
Querbänderung 47 0.
Querrieselung 239.
Querstreifen-Typus 226.
Querstreifung 239.^261. 46.0. 467. 468. 474.
473.
Querstreifung der Heliconiden 199.
Querstreifung durch Schwarzfärbung der
Adern 168^
Querzeichnung 179. 262. 264.
R.
radiana 264.
Randband-Typus 218. 243.
» -Schrägband-Typus 243.
Randfleck-Typus 218.
Rappia 473.
Raubfliegen 281. 283.
Raubtiere 63.
Raubvögel 24.
Raupen 4. 42. 135. 283. 291. 371. 379.
476. 481. 484. 483.
Sachregister.
509
Reh 372.
Reiz, auslösender 419. 4 45. 447.
Reiz, äußerer 4 30.
Reizungsfärbung 476.
Reptilien 2. 4. 332. 473.
Rhinopalpa Sahina 114. 132. 140. 184. 212.
225.
Rhodocera rhamni 335. 409.
» rhamni farinosa 409.
Rhopaloceren 457.
Bhyparia melanaria 255.
Richtung, bestimmte 281.
Rieselmuster 262.
Rieseluna, eine besondere Entwickelungs-
richtung 184. 215. 226.
Rieselzeichnung 255. 2.j8.
Riesenhirsch 39.
Ringelnatter 474. 475.
Riodina Lysippus 241.
Rotschwänzchen 273.
Rückbildung 16. 77.92. 204—206.303.
327. 328. 469.
Rückbildung der Blattähnlichkeit 236. 459.
Rückbildung der Blattzeichnung 124. -127.
245.
Rückschlag 17. 2?. 76. 409. 429. 432.
4 33. 4 39. 479.
» metamorp bischer 22.
» ontogenetischer 23.
» persönlicher 23.
» phylogenetischer 23. 409.
» ständiger 2i.
Ruspina-Txiius 161. 162. 223. 315.
S.
Saison-Dimorphismus 440 — 444. 4 46
—4 48. 4 81.
» » adaptiver 419.
441. 445—449.
» » direkter 447.
» » - doppelter adap-
tiver 448.
Salamis 112.
» Anacardii 112. 114.
» Anteva 112.
» Ethyra 112 — 114.
Samia Promethea 386.
Sandwespen 281.
Sorpedon-Da raca-Typus 236.
» -Hectorides-Daraxa-
Typus 131. 137. 142.210. 220.
Saturnia carpini 216. 258. 386.
» Ceanothi 386.
» Cecropia 386.
» Columbia 386.
» Jo 354.
» pavonia 369.
» pyri 216. 258.
» spini 216. 258.
Saturniiden 334.
Satyriden 100. 138. 155. 170. 186. 210.
238. 300. 307. 310. 314. ;S16. 318. 320.
321. 325. 328. 329. 384. 437.
Satyrus Circe 1 42.
» Eudora 384.
» Janira 365.
» Semele aristaeus 410.
Säuger 2. 4. 15. 30.
Säugetiere 4. 361. 371. 441. 483.
SchädUches 37.
Schaf 4 79.
Schizoneura lanigera 284.
Schildwanzen 1 0.
Schillerfalter 274.
Schillerfarben 4 8-i.
Schlangen 3. 473. 474.
Schleuder versuche 4 84.
Schnecken 24.
Schneckengehäuse 4.
Schneehuhn 373.
Schrägband 145. 232. 237. 239. 240. 244.
303. 307.
Schrägband-Typus 195. 196. 202. 206.
212. 223. 238. 256. 315.
Schrägband-Mittelfeld- Typ US 226.
Schrägfleck-Ecktleck-Typus 4 66.
Schreckmittel 3 79.
Schuppendeterminanten 4 32. 453.
Schutzfarbe 353. 377.
Schutzfärbung 58. 60. 68. 81. 446.
Schutzfärbungen, scheinbare 69.
Schutzmittel 351. 4h3.
Schwalbenschwanz 399.
Schwalbenschwanzartige 312. 319.
Schwalbenschwänze 25. 304. 312. 317. 321.
386. 393. 467. 468.
Schwärmer 253. 234.
Schwarzfleck-Typus 255. 238.
Schwarzwerden 20U.
Schweine 37 4. 375.
Schwimmvögel 184. 474.
Schwinden der Zeichnung 244.
Schwund, kompensatorischer der Farbe
313.
Sechsfleck-Gruppe 214.
Sechs- und Vierfleck-Typus 166.
214. 222.
Segelfalter 304. 317. 319. 321. 324. 395.
467. 468.
-ähnliche 232. 311. 320. 385.
» Gruppe 305.
Segelfalter-Typus 210.
Segler 253.
Seidenspinner 376.
Selektion 310. 334.
Selektionsbedürfnis 374.
Selektionslehre 481.
Selektionsprocesse 443. 445. 447.
Sericinus Montela 34-2.
Sesien 261. 280.
Setina 259.
510
Sachregister.
Sibylla-prorsa-T Yitus 13-2, 194, 19').
» -prorsa- Zar inda-Typus 146.
212. 220. 225. 229.
Siderone 115.
» {7Mretes] Isidora 12 0.
» Mars 121.
Siredon pisciformis 15.
Sithon hiemalis 98.
» Ravindra 298.
Skulptur d. Flügeldecken d. Carabiden 6.477.
:> und Zeichnung der Gehäuse-
schnecken des Meeres .'>.
Smerinthus ocellata 262. 364.
» populi 254. 261.
» quercus 262.
» tiliae 261.
S*nilodon neogaeus 59.
Smyrna Blompeldia 327.
Sommer 431.
Sommerformen 2(5. 27. 38. 42. 111. 359.
420.
Sommergeneration 433. 436. 445.
Sommerwärme 436.
Sonnenlicht 330. 468.
Sonnenwärme 330. 463.
Spanner 253 — 255. 2;)8. 263.
Spathilepius Clonius 244.
Species 26. 33.
Sphingiden 35'.. 4SI.
Sphin gides 261.
Sphinx convolvuli 262.
» ligustri 261. 365.
Spilosoma lubricipeda 259.
» mendica 259.
» menlhastri 259.
» urticae 259.
Spinnen 353.
Spinner 253. 254. 258.
Spulwurmeier 7 3.
Stalachtis Phlegia il9.
Stammesrückschlag 22. 409.
» ständiger männ-
licher ^22.
Staphyliniden 281.
Stehenbleiben 17. 43. 409.
» auf höherer Farbe 343.
» auf tieferer Entwicke-
lungsstufe 313.
» auf verschiedenen Stufen
der Entwickelung 321.
329.
Stehengebliebensein auf tieferer Stufe der
Entwickelung 460.
Steinböcke 59.
Steinschmaetzer 284.
Steroina superba 325.
Siibochiona nicea 177. 179. 227.
Storch, schwarzer 287.
Strauß 97.
Streifung bei Pferden 361.
» und Fleckung der Huftiere 359.
Sylvia nisoria 287.
Symphaedra 178.
Symphaedra canescens 180. 348.
» pardalis 180.
T.
Tachyris albina 345.
» celestina 3 45.
» Ilaire 3 45.
» Nephele 313.
» Saba 345.
» Zarinda 133. 148. 229.271. 345.
Taeniocampa gothica 365.
» stabilis 3 65.
Tagfalter 377. 445.
Tagschmetterlinge 354. 355. 457. 464. 476.
Tanaecia 178.
Tapire 374. 375.
Tauben 478. 479.
Tehitraea c.ristata [viridis] 282.
Teinopalpns imperialis 223. 301. 305. 327.
Telea Polyphemus 386.
Temenis Laothoe 152. 195. 298. 322.
Temperatur 447. 486.
Temperatureinwirkungen, künstliche 26.
392.
Temperaturversuche, künstliche 463.
Tenaris 236. 321. 328.
» bioculatus 314.
tentaculaiis 263.
Terebra corrugata 479.
Ter ins 178.
Terinos 178.
Thais 485. 486.
» Polyxena 385.
» Polyxena Cassandra 410.
Thätigkeit 25. 41. 72.
Thaumantis 178. 237.
» Aliris i^ii.
» Camadeva 236.
» Howqua 236. 316.
» Odana 155.
Thecla 355.
» Aetolus 189.
» Desdemona 243.
» rubi 332.
Theope basilea 24 0.
» pieridoides 159.
Theorie, Darwin'sche 371. 376. s. auch
Darwinismus und Lehre, Darwin'sche.
Thisbe irenaea 168. 194.
Thyridia 269— 272.
» singularis 222.
Tiere 482.
Tierreich 52. 77.
Tierwelt 95.
Tinea pronubella 4 62.
Tineidae 264.
Tisiphone maculala 239.
Tithorea 179. 268.
;> Bonplandii 201. 308.
» l'uria 196.
» Humboldlü 310.
» Susanna 201.
Sachregister.
511
TUhorea Tanacina 20\.
Top 0-Orthogenesis 19.
Tortrices 264.
Trennung der Organismenkette in
Arten 21. 27. 414.
Trennung, räumliciie 21. 24.
Triebkräfte, innere 70.
trinalis 263.
Triphaena 334.
» ßmbria 354.
» pronuba 354.
Triton cristatus 47 3.
Tritonlarven 3.
Trockenlieit 330. 471.
Tropidorhynchus n. sp. 286.
» subcarinatus 28 6.
Trutzfärbung 310.
Turdus mindanaensis 286.
rM?-Ht<5-Gruppe 23. 26. 33. 42.
Turnus- Machaon-Gvw'p'pQ 48.
u.
Übergewicht des einen Geschlechts 336.
463. 467.
» männliches 336.
Übertragen von Farbe und Zeichnung von
oben 'nach unten 290. 323. 328. 462.
468.
L72/5ses-Gruppe 305.
Umänderungsgrade 4 33.
Umbildung s. auch Entwickelung.
» bestimmt gerichtete 19. 48.
» gesetzmäßige 3. 126. 337.361.
379. 393. 4"26. 459. 466. 483.
» homoeogenetische 100.
» infero-superiore 186. 306. 329.
467.
> kaleidoskopische 24. 79. 113.
136. 334. 337. 369. 370. 413.
427. 429. 436. 466. 483.
:> postero-anteriore 99. 186. 233.
293. 319. 320. 329. 332. 467.
> nach bestimmten Richtungen
337.
» sprungweise 837. 453.
Umbildungsgesetz, allgemeines 18.
L'ndulationsgesetz 19. 23. 478.
Ungenießbare 311.
Urania Croesus 233.
> Leitus 253.
Uraniiden 235. 334. 461.
Ursachen, äußere 177.
> der bestimmt gerichteten Ent-
wicklung 15.
» der Farben 482.
» innere 8. 9. 13. 34. 53. 62. 481.
482.
» klimatische 13. 1 77.
-> konstitutionelle 8.
örtliche 268. 332. 333.
» physiologische 8. 34.
» der Transmutation 13. 434.
Ursachen der Trennung der Organismen-
kette in Arten 13.
» der Umbildung 4.
» der Zeichnungs- und Farbenfolge
328. 463.
V.
Fanessa-Arten 59. 11-2. 113. 210. 295. 323.
332. 394. 402.
» Antiopa 218. 392. 406 — 409. 412.
415. 484.
» » Daiibii 4 08.
Hijgiaea 218. 408. 484.
» » Boeder i 4 06.
Alalanta 107. 113. 14 4. 149. 150.
152—154. 212. 297. 307.
323. 406— 4U9. 416.
;> » Klymene 408.
» » Merrißeldi 406.
» burejana 428. 4 84.
» c-album 113. 113. 116. 152. 218.
405— 40S. 412.
» caUfornica 113. 422.
Catlirhoe 406. 407. 409.
» » vulcanic'i 406. 4 09.
» Canace 113. 130. 149. 212. 243.
» cardui 102. 107. 113. 135. 144.
149. 152 — 13'.. 284. 323.
383. 392. 407—409. 483.
» » ely7ni 4 08.
» » Wiskotti 407. 4 09.
» Davidis 422. 4 28.
» Dejeanii 144. 152. 383.
» egea 412.
fallax 134. 148. 421. 424. 427. 428.
» Faunus 4 03—407. 412.
» glauconia 113. 13 0. 148.
» liaronia\\3. 130.148.149.212.243.
» indica 1 52.
» » vulcanica 132. 4 06.
» interposita 412.
» IteaWt. 132. 153. 155.
» Jo 113. 114. 228. 273. 403—405.
407—409. 412. 416. 463.
» » Fischer i 404.
» y> Antigone 404. 408.
» levana 27. 43. 66. 79. 135. 370.
391. 394. 408. 409. 414—
4;i3. 466. 484. 486.
» » jjor/ma 415 — 420. 425. 426.
428—4 30.4 33.436.439.433.466.
» levanoides 484.
» Milberti 113. 4 03. 40 7. 410. 422.
» Myrinna 149. 130. 154. 212.
» polychloros 107. 113 — 113. 132.
275. 405—409.412. 422.
435. 484.
» » ■erythromelas 405. 406.
» ;> fervida 406.
> > pyrrhomelaena 408.
» :> testudo 408. 484.
> progne 4 06. 412.
512
Sachregister.
Variation, analoge 478
Vanessa prorsa 43. Gl. ßii. 79. 130. 432.
134. VA:>. 14 5. 14 8. 225. 271.
274. 370. 391. 394. 408. 409.
414— 45r,. 466. 484. 486.
» » magna 427. 428.
» prorsoides 134. 148. 4-27. 428.484.
» slrigosa 4 2S.
» urllcae 152. 218. 228. 275. 330.
365. 402 — 404. 406—410.
412. 4)6. 455. 465. 484.
485.
» » ichmisa 402— '»04. 410.
» » ichnusoides 403. 404. 408.
» » müberli 403.
» » nigrita 403. 404. 408.
» » polaris 403. 404. 409. 484.
» » turcica 402. 403.
» velula 484.
» xanthomelas 405. 406. 4 09.
» -Zeichnung 405. 421. 439.
Vanessen 63. 149. "^469.
Variabilität 355. 482. 488.
» gleichartige 479.
Variatio 12.
479.
bestimmt gerichtete 75.
Variationsperioden 71.
Variationsrichtungen 8. 74.
Varietates 26. 467.
Variieren 482.
» der Mauereidechse 76. 371. 476.
» nach vielen Richtungen 290.
» im Zustande der Domestication
360.
Varrnnlana 26 4.
Venilia macularia 255.
Veränderungen , physikalisch - chemische
3 30.
Verbreitung, geographische 26. 42. 49. 63.
463. 465.'
Vereinfachung 16. 29. 200, 207. 4 08. 460.
Vererbung 97. 421. 479.
» einseitige 369.
Vererbung erworbener Eigenschaf-
ten 13. 16. 27. 41. 56. 72—74. 77. 92
—95. 111. 203. 273. 391. 413. 414—421.
451. 4G6. 479.
Verfolgung durch Vögel 128. 267.
274. 435. 461.
Verhältnisse, äußere 43.
» klimatische 21. 42.
Verkleidung 1 68. 197. 266. 278. 281. 286.
4.i9. 460.
Verkleidungsfärbung 446.
V'erkleidungstheorie 183.
Verlorengehen der wichtigsten blattähn-
lichen Eigenschaften 250.
Verschiebung 427.
» kaleidoskopische 332.
» sprungweise 413.
Verschiedenstufigkeit 293. 462. 467.
Vervollkommnungsprinzip 9.13 — 15. 54.
Verwandlungsriickschlag 22.
Viclorina Epaphus 132.
» Steneles 132.
» Sulpilia \ 32.
Vila mariana 168.
Vierfleck-Gruppe 214.
Vierstufigkeit 296. ?98.
300. 322. 326.
als Folge von Rückbil-
dung 327.
» postero -anteriore und
infero-superiore 326.
Vögel 2. 4. 22. 30. 184. 267. 271. 272.
274—277. 281—284. 332. 365. 371. 380.
441. 445.
Voranschreiten einer Flügelseite 295.
» der Oberseite 294.
» der Unterseite 294.
Vorbilder 460.
Vorder-Eckfleck-Typus 313.
Vorderflügel-Eckzeichnung 236. 244.
» » schwarze 240.
Vorderflüge 1-E ckzeichnung s-T y p u s
der Pieriden"l57.' 214.
230.
» Eck- und Schrägbänder-
Zeichnung 463.
Vorgänge, physiologische 35.
W.
Wachsen 16. 77. 108. 113. 121. 124. 190.
194. 458. 470.
Wachsen, organisches 8. 12. 16. 17. 40.
34. 68. 70. 73. 89. 111. 286 .289.
330. 388. 389. 391. 465. 475. 477.
» ungleiches der Flügel 10 7. 458.
Wachstumsgesetze, bestimmte 458.
Wachstumsrichtung 470.
Wachstumsursachen 54.
Walbomiana 264.
Wärme 15. 24. 61. 63. 109. 111. 136.
394. 397. 409. 418. 420. 431.
439. 440. 451. 452. 471.
künstliche 26. 42. 1 09. 1 1 1 . 283.
388. 390. 398. 399. 415. 432.
455. 456. 465. 469. 485.
Wärmeeinwirkung 36.
Wärmeformen 15. 111. 398. 402.
» hora-dimorphe 398.
Wärmeversuche 370.
Wechselbezüglichkeit 92.
Weinschwärmer 291.
Weißfleck-Typus 235.
Weißling 275. 282—284. 448.
Wickle'r 252—254. 264. 265.
Wiedererkennen 372. 465.
Wildschafe 59.
Winterformen 42. 359. 399.
Wintergeneration 433. 436.
393.
432.
369.
43(i.
120. 466.
Wirkung,
direkte, äußerer
gungen 358. 359.
kumulative 331.
Lebensbedin-
Sachre2;ister.
513
X.
Xanthia cerago flavescens 416.
.YMi/!!<5-Streifun!J; 264.
A"«</u<s-Typus 169. 170. 207.
226. 232. 253. 261.
470. 477.
» -Zeichnung 253. "208.
Xylophasia monoglypha 365.
xylosteana 264.
214.
313-
222.
-315.
Ypthima 471,
Y.
Z.
Zeichnung
Zaretes Isidora 120 — 122.
Zebra 373. 375.
16. 332. 484.
der Helikonier 190. 215.
neue 91. 264.
ringförmige 187. 226.
von Vanessa levana und prorsa
421—427.
und Farbe, gesetzmäßige ver-
schiedenstufige der Tagschmet-
terlinge 293.
der Raupen 291 .
334. 474. 476.
und Farbenfolge 462.
467.
Zeichnungsgesetz 2 — 4.
>> allgemeines 3. 4.
18. 473—475.
Zeichnungsmuster 3.
Zeichnungs-Typen 129. 136. 457.
Zeonia 241. 24-i. 342.
Zethera pimplea 136. 142. 170. 239. 249.
314.
» heslioides 171. 181,
» und Färbung
Zeichnungsfolge 293
Zeichnungs-
Zeuxidia 178.
> Amethystus 155. 235. 237.
» Aurelius 117.
Zeuzera aescuH 2G0.
Zickzackbildung 2.j3. 258. 260. 262.
Zonabris 7.
Zophoessa Baladeva 238.
Züchtung 75. 90 s. auch Zuchtwahl.
» " künstliche 75. 482.
» sexuelle 359.
Züchtunssprozeß 419. 'i47.
Zuchtwahl 14. 20. 21. 25. 39. 62. 67.
99. 128. 184. 197. 271. 280.
289-291. 358. 374. 378.
381. 394. 457. 476. 482.
» geschlechtliche289. 336.
351. 355—360. 362—364.
366. 367. 369. 371. 376. 379.
393. 464. 465.
» künstliche 76. 77. 482.
> natürliche 76. 289. 393.
411. 480. 482. 488.
» sexuelle 363.
Zuchtwahllehre 361. 374.
Zufall 81. 90. 93.
Zünsler -262. 265.
Zweistufigkeit 296. 298. 315.
» " höhere 300. 319.
» infero-superiore 315.
316.
> niedere 299. 315.
» postero-anteriore 317.
Zygaena achilleae 369.
;> carniolica 261.
» ßlipendulae 369.
» lonicerae 369.
» phegea 261.
» pilosellae 369.
» trifoUi 3 69.
Zygaenen 254. 261.
Zygaeniden 354.
Eimer, Orthogenesis.
33
DrueV von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Eimer, Orlhogenesis.
Taf. I.
(I.
14.
10.
II.
1. Pliyciodes Yorita Ei;ak. f^-
2. Ph. Ahas Hew. (5
:?. Fli. leircodfsina Feld. '^.
4. Ph. elaphiaea HF,^v.
5. Ph. Teletusa Godt.
ii. Pli. Flaiia Godt. (5-
7. Ph. fragilis Bat. 5.
s. Ph. Ofella Hew. Q
9. P/i. Cho L. Q
10. Pä. Eranites Hew. (J.
11. PA. Eranites Hew. ^.
12. PÄ. Emeruntia Hew.
l:i. P/i. i^MMtce Heus. (^
14. Ph. Caslilla Feld. (5
Die Entwickjlungsrichtungen der Phyciodes.
Verlag von Wiliiiclm Engel.mann in Leipzii
Eimer, Orthogenesis.
Taf. II.
1.
rD^braun
rofbraun
15* , ,To!braun
4.
jAra-jn
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iS^\^ braiinvot
1. Dismorphia Astynomc Daf-ji. 2. MecJtanitis. 3. Lycorea. 4. Melinaea.
T). Elteides Isahella Ckam.
Verioi^ von Wilhelm Engelmanx in Leipzig.
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