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Full text of "Die Entstehung der Arten auf Grund von Vererben erwobener Eigenschaften nach den Gesetzen organischen Wachsens : Ein Beitrag zur einheitlichen Auffassung der Lebewelt"

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DIE 

ENTSTEHUNG  DER  ARTEN 

AUF  GRUND  VON  VERERBEN 

ERWORBENER  EIGENSCHAFTEN  NACH  DEN  GESETZEN 

ORGANISCHEN  WACHSENS 


ZWEITER  THEIL: 

ORTHOGENESIS  DER  SCHMETTERLINGE 


VON 


De.  6.  H.  THEODOR  EIMER 

PROFESSOR  DER  ZOOLOGIE  UND  VERGLEICHENDEN  ANATOMIE 

ZU  TÜBINGEN 


LEIPZIG 

VERLAG  VON  WILHELM  ENGELMANN 

1897. 


ORTHOGENESIS 

DER 

'  SCHMETTERLINGE 

Em  BEWEIS  BESTIMMT  GERICHTETER  ENTWICKELUNG  MD  OHNMACHT 
DER  NATÜRLICHEN  ZUCHTWAHL  BEI  DER  ARTBÜ^DUNG 


ZUGLEICH 

EINE  EEWIDERUNG  AN  AUGUST  WEISMANN 

VON 

Dr.  6.  H.  THEODOR  EIMER 

PROFESSOR  DER  ZOOLOGIE  UND  VERGLEICHENDEN  ANATOMIE 

Zu  TÜBINGEN 

UNTER  MITWIRKUNG  VON 

Dr.  C.  FICKERT 

i.  assistent  an  der  zoologischen  anstalt  daselbst 


MIT  2  TAFELN  UND  '235  ABBILDUNGEN  IM  TEXT 


LEIPZIG 

VERLAG  VON  WILHELM  ENGELMANN 
1897. 


Alle  Rechte,  besonders  das  der  Übersetzung,  sind  vorbehalten. 


Vorwort. 


Die  folgenden  Untersuchungen  über  bestimmt  gerichtete  Ent- 
wickelung  oder  Orthogenesis  bilden  einen  zweiten  Teil  meiner 
im  Jahr  1888  erschienenen  »Entstehung  der  Arten  auf  Grund  von 
Vererben  erworbener  Eigenschaften  nach  den  Gesetzen  organischen 
Wachsens«  und  zwar  eine  besondere  Darlegung  und  Beweisführung 
des  organischen  Wachsens,  der  Organophysis  oder  Morphophysis 
und  ihrer  Bedeutung  für  Transmutation  und  Artbildung.  Sie  sind 
eine  Fortsetzung  meiner  nun  seit  vierundzwanzig  Jahren  ausge- 
führten Arbeiten  (zuerst  in:  Zoologische  Studien  auf  Capri  I, 
Lacerta  muralis  coerulea  1874)  über  diesen  Gegenstand,  welche 
in  der  Abhandlung  über  das  »Variieren  der  Mauereidechse«  1881 
zu  einem  ersten  grundlegenden  allgemeinen  Ergebnis  geführt  haben. 
Die  vorliegenden  Untersuchungen  aber  schließen  sich  an  meine 
unter  dem  Titel  »Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den  Schmetter- 
lingen« 1889  und  1895  herausgegebenen  Abhandlungen  über  Papilio- 
niden ,  nämlich  über  die  Segelfalter  und  Schwalbenschwänze  an 
und  liefern  insbesondere  den  Nachweis  für  die  Vollgültigkeit  der  dort 
gezeigten  Entwickelung  bei  den  Schmetterlingen  überhaupt,  weisen  aber 
endhch  jeden  Naturforscher,  der  in  der  Erkenntnis  einer  und  der- 
selben herrschenden  Gesetzmäßigkeit  das  höchste  Ziel  der  Forschung 
sieht,  mit  besonderem  Nachdruck  hin  auf  die  Bedeutung  der  Ortho- 
genesis für  die  Entwickelung  der  gesamten  Lebewelt. 

Zur  Erleichterung  des  Verständnisses  wäre  die  Beifügung  zahl- 
reicher farbiger  Tafeln  nötig  gewesen.  Ich  beziehe  mich  zur  Erzielung 
desselben  Zweckes  im  Text  auf  die  Tafeln  von  Staudinger's  »Exo- 
tischen Schmetterlingen«,  auf  die  meiner  »Artbildung  und  Verwandt- 
schaft bei  den  Schmetterlingen«  I  und  II  und  auf  andere  mit  farbigen 
Tafeln  versehene  Schmetterlingswerke. 

Genauer  sind  von  mir  nur  die  Typen  der  Tagschmetterlinge  be- 
handelt, die  übrigen  habe  ich  nur  einem  kurzen  Überblick  unterziehen 


VI  Vorwort. 

können.  Aber  es  ist  mir  selbst  ein  überzeugender  Beweis  von  der 
Richtigkeit  der  Grundlage  meiner  Darstellung  gewesen,  daß  ich  im 
Stande  war,  mit  geringem  Zeitaufwand  die  Übereinstimmung  der  Ge- 
setzmäßigkeit in  der  Umbildung  der  Zeichnung  mit  jener  der  Tagfalter 
auch  hier  zu  erkennen. 

Die  Arbeit  ist  in  äußerlich  gleichwertige  Abschnitte  eingeteilt. 
Es  sind  aber  eigentlich  die  zwei  ersten  den  übrigen  gegenüber  zu 
stellen :  der  erste  enthält  meinen  Leydener  Vortrag,  welcher  zugleich 
einen  Überblick  meiner  Ansichten  gibt  und  als  Anhang  einen  Auszug 
aus  den  in  »Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den  Schmetterlingen«  I 
veröffentlichten  Untersuchungen  über  die  Artbildung  bei  den  Segel- 
faltern. Der  zweite  Abschnitt  behandelt  die  WEisMANN'sche  sogenannte 
Germinalselektion  in  weiterer  Ausführung  des  Inhalts  jenes  Vor- 
trags. Mit  dem  dritten  beginnen  meine  eigenen,  zum  großen  Teile 
erst  in  den  letzten  zwei  Jahren  ausgeführten  Untersuchungen  über  die 
gesetzmäßige  Umbildung  und  über  die  Artbildung  bei  den  Schmet- 
terlingen. 

Lebhaften  Dank  habe  ich  auch  bei  dieser  Arbeit  meinem  ersten 
Assistenten,  Herrn  Dr.  C.  Fickert  auszusprechen  für  den  Anteil, 
welcher  ihm  an  derselben  zukommt.  Er  hat  sie  ebenso  durch  seine 
Temperaturversuche,  wie  durch  andere  eigene  Beobachtungen  und 
durch  Nachprüfung  und  oft  treffende  und  maßgebende  Beurteilung  der 
meinigen  wesentlich  gefördert.  Er  hat  ihr  Erscheinen  in  der  vor- 
liegenden Gestalt  erst  ermöglicht  durch  unermüdliche  Bethätigung  an 
Litteraturauszügen  und  endlich  kommt  ihm  die  wesentlichste  Arbeit 
bei  den  Correcturen,  die  ausschließliche  an  der  Herstellung  des  Re- 
gisters zu.  Vor  Allem  aber  bin  ich  Herrn  Dr.  Fickert  Dank  schuldig 
für  die  meisterhafte  Ausführung  der  Mehrzahl  der  Abbildungen. 
Einen  kleineren  Theil  derselben  verdanke  ich  Dr.  Gräfin  Linden  und 
meinem  zweiten  Assistenten  Dr.  Bär.  Dem  Herrn  Verleger  bin  ich 
nicht  nur  für  die  Ausstattung  des  Buches  zu  Dank  verpflichtet,  son- 
dern namentlich  auch  für  die  Nachsicht,  welche  mir  derselbe  bei 
Gelegenheit  von  Änderungen  gezeigt  hat,  die  sich  durch  zum  besseren 
Verständnis  nachträgUch  als  notwendig  erschienene  Einschiebung 
neuer  Abbildungen  ergeben  haben. 


Hörbranz  bei  Bregenz  im  Weinmonat  1897. 


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Eimer. 


Inlialtsverzeiclmis. 


Seite 

Allgemeine  Einleitung I— XVI 

I.  Über  bestimmt  gerichtete  Entwickelnng    Ortliogeuesis)  und  über 
Ohnmacht  der  Darwin'schen  Zuchtwahl  bei  der  Artbildung    ...      i— 49 

Einleitung 1 — 'II 

Vortrag ■«  2—41 

Die  bestimmt  gericlitete  Entwici^elung,  Orthogenesis 13 — 21 

Artbildung  oder  Trennung  der  Organismenkette  in  Arten.    .    .  21 — 25 

Beweisführung 23 — 41 

Zusatz:   Die  segelfalterähnlichen  Papilio-Arten 41 — 49 

II.  Die  sogenannte  Germinalselektion.    Kritik  und  Erwiderung  .   .   .  50—97 

Vorwort  gegen  Vorwort 50 — 57 

Antworten  auf  die  Lehrsätze  der  »Germinalselektion« 57 — 89 

Zusammenfassung 89 — 97 

III.  Entstehung  der  Blattähnlichkeit  bei  den  Schmetterlingen  ....     98—128 

Ursprüngliche  Grundzeichnung  bei  den  Familien  der  Tagfalter  .  .  98 — lou 
Die    Umbildung  der   Grundzeichnung   zu  Blattähnlichkeit   bei   den 

Nymphaliden 100—103 

Nach   Art  der  Blattschmetterlinge  gezeichnete  Nymphaliden  ohne 

oder  mit  nur  unvollkommener  Blattähnlichkeit 103 — 107 

Ungleiches  Wachsen  verschiedener  Flügelteile  als  Ursache  der  Ver- 
lagerung der  Zeichnung 107 — 111 

Beginn  der  die  Blattähnlichkeit  bedingenden  Eigenschaften  bei  nicht 

blattähnlichen  Nymphaliden 112  —  418 

Coenophlebia  Archidona,  ein  umgekehrter  Blattschmetterling.  .  .  118 — 120 
Blattähnliche  Schmetterlinge  mit  teilweise  verkehrten  Blattrippen  120—122 
Caerois  Chorineus,  ein  Falter  mit  ganz  verrückten  Blattrippen.  .  122—124 
Doleschallia   polibete,   ein   bis   zur  Blattunähnlichkeit  abändernder 

Blattschmetterling 124  —  128 

IV.  Die  wichtigsten  Entwickelungsrichtnngen  der  Tagfalter.    Zeich- 
nungstjpen  und  Pseudo-Mimicry 129—218 

A.  Außenfeld,  Mittelfeld  und  Binnenfeld  als  besondere Entwickelungs- 

richtungen  bei  den  Tagfaltern 129 — 143 

1.  Sarpedon-Hectorides-Daraxa-  oder  Mittelfeld-Typus   .    .    .   137—143 


VIII  Inlialtsverzeichnis. 

Seite 

B.  Entstehung  von  Fleck-  und  Schrägbandzeichnung  auf  den  Vor- 

dei'flügeln 1U — 168 

2.  Sibylla-prorsa-Zarinda-  oder  Mittelfeld-Schrägfleck-Typus  U6 — 1/.9 
Unterabteilung  Hesperus-Gruppe -149 — -150 

3.  Cardui-Atalanta-Inachis-Dirce-  oder  Eckfleck-Schrägband- 

Typus 150—157 

fi.  Hyaie-edusa-brassicae-Glaucippe-   oder  Vorderflügel-Eck- 
zeichnungs-Typus  der  Pieriden 157—159 

5.  Chrysippus-Ruspina-Typus 159 — 162 

6.  Gea-niavius-Merope-Typus 162—166 

7.  Der  Bolina-Alyattes-  oder  Sechs-  und  Vierfleck-Typus.    .    166 — 168 

C.  Querstreifung   durch  Schwarzfärbung  der  Adern,  als  Entwicke- 

lungsrichtung 168 — 172 

8.  Xuthus-Typus 169 — 172 

D.  Fächerzeichnung 172 — 175 

9.  Lyra-Typus 172 — 175 

E.  Die  Entstehung  allgemeiner  Fleckzeichnung 175 — 218 

A.  Entstehung  heller  Fleckzeichnung 175 — 180 

10.  Leonidas-  oder  heller  Großfleck-Typus 175 — 176 

11.  Midamus-Anomala-  oder  heller  Kleinfleck-Typus  ....  176 — 179 

12.  Pardalis-Typus 179 — ISO 

B.  Entstehung  schwarzer  Fleckzeichnung 180 — 182 

13.  Hestia-  und  Paphia-Typus 180 — 182 

Danaiden  als  Nachahmer  oder  als  Beispiel  für  Homoeo- 

genesis? 182—184 

F.  Die     Rieselung,     eine     besondere     Entwickelungsrichtung     der 

Zeichnung 184 — 186 

14.  Caligo-Typus 184—186 

G.  Ringförmige    Zeichnung    auf    der    Unterseite    der    Hinterflügel 

und    spitzwinkliges    Zusammentreten    der    Längsbinden    auf 
letzteren  als  Folge  der  Flügelform 187 — 190 

H.  Zeichnung  der  Helikonier  und  der  helikönier-ähnlichen  Falter  190 — 209 
Teilweise    Farblosigkeit    der    Flügel    bei    Dismorphia- 

Männchen    202 — 204 

Rückbildung    von     »verkleideten«     Dismorphien     und 

anderen  Pieriden 204 — 208 

Übersicht    über  die  hauptsächlichsten  Entwickelungs- 

typen 209—218 

V.  Entwickelungsriclitniigen  tei  einzelnen  Familien  der  Tagfalter  und 

Weiteres  üter  Mimicry 219—251 

Papilioniden 220 — 224 

Übergang   von   den  Papilioniden  durch  die  Parnassier  zu  den  Pie- 
riden und  von  diesen  zu  gewissen  Denaiden 224 — 225 

Nymphaliden 225-^226 

Anhang:  Die  Zeichnung  der  Ageronien 226 — 229 

Pieriden 229 — 23  4 

Morphiden 234 — 237 

Brassoliden 237 — 238 


Inhaltsverzeichnis.  IX 

Seite 

Satyriden 238—239 

Eryciniden  und  Lycaeniden 239 — 2i3 

Hesperiden 213 — 244 

Acraeiden 244 

Kailima  paralecta.     Ein  Nachtrag : 244 — 251 

.    VI.  Die  Entwickelungsrichtnngen  der  Heterocera  und  ^licrolepidoptera  232 — 265 

Die  Spanner,  Geometridae 234 — 237 

Ein  wunderbares  Beispiel  für  Homoeogenesis 236—257 

Die  Eulen,  Noctuidae 257  —  238 

Die  Spinner,  Bombycidae 238 — 26-1 

Die  Schwärmer,  Sphingides 261 — 282 

Die  Kleinschmetterlinge,  Microlepidoptera 262 — -263 

Die  Zünsler,  Pyralides 262  —  264 

Die  Wickler,  Tortrices 264 

Die  Motten,  Tineidae 264—265 

Die  Geistchen,  Pterophoridae 265 

VII.  Allgemeines  über  Verkleidung  (Miniicry)  bei  Sclimetterlingen    .   .  266—292 

VIII.  Gesetzmässig    verschiedenstnfige    Zeichnung    und  Farbe   auf  den 

verschiedenen  Flügelflächen  der  Tagschmetterlinge 293—333 

Farbenfolge 296—310 

Einzelheiten  über  Zeichnungs-  und  Farbenfolge 311 — 328 

1.  Gleichstufigkeit 311-313 

Unterseite  und  Oberseite  der  Flügel  sind  gleich  oder  nahezu 

gleich  gezeichnet  und  gefärbt 311  —  313 

2.  Zweistufigkeit 315—321 

Ober-  und  Unterseite  der  Flügel  sind  verschieden  gezeichnet 
und  meist  zugleich  verschieden  gefärbt 313 — 321 

3.  Dreistufigkeit 321—326 

4.  Vierstufigkeit 326—323 

Bemerkungen  über   die    Ursachen   verschiedener  Zeichnungs-   und 

der  Farbenfolge 328-333 

IX.  Übergewicht  des  einen  Geschlechtes  (niäunliche  und  weibliche 
Präponderanz:  Geschlechts-Dimorphismns).  Geschlechtliche  Zucht- 
wahl. Entstehung  von  Augenzierden 336 — 387 

A.  Übergewicht  des  einen  Geschlechtes 336 — 330 

Beispiele   für  Farben-  und   Zeichnungsfolge,  insbesondere  auch 

in    Beziehung    auf   männliche    und    weibliche    Präponderanz 
(Geschlechts-Dimorphismus)  bei  Tagschmetterlingen    ....   344 — 330 

B.  Bedeutung  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  für  die  Umbildung 
der  Schmetterlinge  und  besonders  für  den  Geschlechts-Dimor- 
phismus   331 — 378 

C.  Die  Entstehung  der  Augenzierden  bei  Schmetterlingen    ....    379 — 387 

X.  Äussere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Art- 
bildung bei  Schmetterlingen.  Versuche  mit  künstlicher  Einwir- 
kung von  Wärme  und  Kälte  auf  die  Entwickelung 3S8— 436 

Papilio  Podalirius 393—398 

Papilio  Machaon 398—399 

Papilio  Ajax  und  Philolaus 399—402 


X  Inhaltsverzeichnis. 

Seite 

Vanessa 4ö2 — 414 

Vanessa  levana-prorsa   414 — 421 

Die  Zeichnung  von  Vanessa  levana  und  prorsa  und  die  Entstehung 

der  letzteren  aus  der  ersteren 421 — 427 

Verwandte  von  Vanessa  prorsa-levana 427 — 428 

Gesetzmäßigkeit    bei    der    Umbildung    von   Vanessa    levana  durch 

porima  in  prorsa 428 — 431 

Professor  August  Weismann  und  Vanessa  levana-prorsa 431 — 434 

Einheitliche    Gesetzmäßigkeit   in    der   natürlichen   und  künstlichen 

Wärme-Umbildung  der  Schmetterlinge 434 — 456 

Zusammenfassung  einiger  wichtiger  Ergebnisse 437—466 

Schlassbenierkungen 467—472 

Besondere  Anmerkungen 473—488 

Verzeiclinis  der  Abbildungen 490—491 

Autorenregister 489 — 493 

Sachregister 494—313 


Allgemeine  Einleitung. 

(Orthogenesis  im  Gegensatz  zur  Darwin'schen  Zuchtwahllehre.) 


»Eine  falsche  H3-pothese  ist  besser  als  gar  keine 
denn    daß    sie   falsch   ist,   ist    gar  kein   Schade :  aber 
wenn    sie    sich    befestigt,    wenn   sie   allgemein   ange- 
~  nommen,    zu   einer    Art   von  Glaubensbekenntnis  wird. 

welches  Niemand  untersuchen  darf,  dies  ist  eigentlich 
das  Unheil,  woran  Jahrhunderte  leiden«. 

Goethe. 

Nach  meinen  Untersuchungen  ist  das  von  beständigen  äußeren  Ein- 
flüssen, Klima  und  Nahrung,  auf  das  Plasma  bedingte  organische 
Wachsen  Organophysis) '),  dessen  Ausdruck  wiederum  die  be- 
stimmt gerichtete  Entwickelung  (Orthogenesis)  ist,  die  haupt- 
sächlichste Ursache  der  Transmutation  und  ihre  stellenweise  Unter- 
brechung, ihr  zeitweiser  Stillstand  (Genepistase  ,  die  hauptsächlichste 
Ursache  der  Trennung  der  Organismenkette  in  Arten. 

Bedeutende  Abänderungen  der  aus  dieser  bestimmt  gerichteten  Ent- 
wickelung hervorgehenden  Gestaltung  können  Gebrauch  und  Nichtgebrauch 
der  Teile  erzeugen  'Lamarekismus  .  andere  die  natürliche  Auslese  oder 
Zuchtwahl  (Darwinismus,. 

Die  letztere  aber  erscheint  aus  zu  erörternden  Gründen  für  die  Ge- 
staltung der  Lebewelt  von  der  geringsten  Bedeutung. 

Die  folgenden  Ausführungen  beschäftigen  sich  mit  dem  ersten  und 
wichtigsten  der  drei  Umbildungsmittel,  mit  der  Orthogenesis. 

Alle  von  mir  und  meinen  Schülern  sowohl  über  die  Zeichnung  wie 
über  andere  morphologische  Eigenschaften  der  Tiere  gemachten  Unter- 
suchungen haben  zu  demselben  Ergebnis  der  Feststellung  von  gesetz- 
mäßig nach  wenigen  bestimmten  Richtungen  vor  sich  gehender  Ent- 
wickelung geführt.  Dasselbe  gilt,  wie  ich  in  der  Fortsetzung  dieser 
Arbeiten  zeigen  werde,  für  die  niedrigsten  Lebewesen,  wie  die  Fora- 
miniferen,  ebenso  auch  für  die  Zeichnung  der  Blüten  und  Blätter  wie 
für  die  Gestaltung  der  Teile  der  Pflanzen. 


1)  Vergl.  die  Begriffsbestimmung  in  »Entstehung  der  Arten«.  I.  S.  407.  408. 
Eimer,  Orthogenesis.  a 


jl  Allgemeine  Einleituni:. 

In  welchen  Beziehungen  meine  Auffassungen  zu  dem  »VervoUkomm- 
nungsprincip«  Nägeli's  stehen,  der  für  die  Pflanzen  theoretisch  schon 
eine  bestimmt  gerichtete  Entvvickelung  vorausgesetzt  hat,  ist  in  »Ent- 
stehung der  Arten«  1  S.  1 6  ff.,  dann  S.  2i  und  im  Nachstehenden  von 
mir  auseinandergesetzt. 

Abgesehen  davon,  dass  die  NÄGELi'sche  Annahme  bestimmt  gerichteter 
Entvvickelung  eine  hypothetische,  nicht  durch  Thatsachen  bewiesene  war, 
würde  der  Zoologe,  welcher  so  viel  mit  Rückbildungen  zu  thun  hat, 
kaum  auf  den  Gedanken  einer  den  Organismen  innewohnenden,  sie  nach 
bestimmten  .Richtungen  umbildenden  Neigung  zur  Vervollkommnung 
kommen  können. 

Dieser  Trieb  zur  Vervollkommnung  auf  Grund  der  Voraussetzung 
besonderer  »innerer  Bildungsgesetze«,  widerspricht  aber  auch  der  An- 
nahme äußerer  Einflüsse  als  umgestaltender  Ursachen,  welche 
Nagelt  (für  die  höheren  Lebewesen  wenigstens)  ^)  ebenso  fälschlich  zu- 
geschrieben worden  ist,  wie  sie  Lamarck  in  Beziehung  auf  die  Tiere  immer 
wieder  zugeschrieben  wird.  Dagegen  sind  nach  meiner  Auffassung  eben 
diese  äußeren  Einflüsse  und  von  ihnen  abhängige  physiologische  Vorgänge 
die  maßgebenden  Faktoren  in  gleicher  Weise  für  das  phyletische  Wachsen 
wie  für  das  individuelle. 

Ebenso  unrichtig  ist  es  aber  zu  sagen,  wie  neuerdings  gleichfalls 
geschehen  ist,  es  handle  sich  bei  Nägeli  um  eine  Ergänzung  der  Darwix- 
schen  Selektionstheorie.  Was  Nägeli  und  mir  gemeinsam  ist,  das  ist  die 
Lehre  von  der  Entwickelung  nach  wenigen  bestimmten  Richtungen  und 
der  Hinweis  darauf,  dass  diese  Entwickelung  die  Bedeutung 
der  Zuchtwahl  für  die  Transmutation  als  eine  vollkommen 
nebensächliche,  untergeordnete  erscheinen  läßt.  Schon  Nägeli 
hat  der  DARwm'schen  Zuchtwahl  auf  Grund  der  Annahme  einer  nach 
wenigen  Richtungen  geschehenden  bestimmt  gerichteten  Entwickelung  nur 
noch  die  Rolle  des  Gärtners  zugeschrieben,  welcher  die  aus  »inneren 
Ursachen«  entstandenen  Zweige  eines  Baumes  beschneidet,  der  Krone  die 
Form  giebt^).  Und  ich  selbst  habe  an  der  Hand  der  Thatsachen  immer 
wieder  hervorgehoben,  daß  die  nach  wenigen  Richtungen  vor  sich  gehende 
Entwickelung  der  DARwm'schen  Zuchtwahllehre  die  wesentlichste  Grund- 
lage entzieht.  Denn  diese  steht  und  fällt  mit  dem  regellosen 
Abändern  nach  zahlreichen  verschiedenen  Richtungen.  Sie 
setzt  ein  solches  regelloses,  vielfältiges  Abändern  unbedingt  voraus,  denn 
die  Zuchtwahl  muss  stets  die  nothwendigen  nützlichen  Eigen- 
schaften bereit  vorfinden,  wenn  sie  soll  wirksam  sein  können. 
Und  diese  Voraussetzung  ist  bei  Darwin  wie  bei  den  Verfechtern  der 
Allmacht  der  Naturzüchtung,  welche  als  seine  Nachfolger  auftreten,  eine 
stets  von  Neuem  angerufene,  selbstverständliche.  Sie  ist  aber,  wie  die 
von  mir   aus   den    verschiedensten  Gebieten   des   Tierreichs  festgestellten 


1)  Vergl.  »Entstehung  der  Arten«  IS.  .18.  19.  '-':  Ebenda  S.  -20. 


Allgemeine  Einleitung.  lll 

Thatsachen  zeigen,  durchaas  falsch:  weil  überall  nur  wenige,  ganz  be- 
stimmte Richtungen  der  Umbildungen  herrschen,  ist  der  Zuchtwahl  jene 
zu  ihrer  Wirksamkeit  notwendige  Auswahl  nicht  geboten.  Deshalb 
kann  die  Auslese,  kann  die  Zuchtwahl  nicht  maßgebend  sein  für  die 
Umbildung,  für  die  Gestaltung  der  Lebewesen  —  maßgebend  hierfür  ist 
vielmehr  die  bestimmt  gerichtete  Entwickelung,  die  Orthogenesis,  in 
letzter  Linie  das  ihr  zu  Grunde  liegende  organische  Wachsen:  Organo- 

physis. 

Die  Wirksamkeit  der  Zuchtwahl  wird  aber  noch  mehr  eingeschränkt 
dadurch,  daß  das  organische  Wachsen  ohne  jede  Rücksicht  auf 
den  Nutzen  geschieht,  daß  die  auf  dem  Wege  der  bestimmt  gerich- 
teten Entwickelung  entstehenden  Eigenschaften  zum  weitaus  größten 
Teile  nicht  nützliche  sein  werden,  so  daß  der  StofF,  welcher  der  Nütz- 
lichkeitsauslese zur  Verfügung  gestellt  wird,  ein  sehr  spärlicher  sein 
muß.  Ja  es  giebt  weite  Gebiete,  auf  welchen  die  für  die  Artbildung, 
bezw.  für  die  Artunterscheidung  maßgebenden  Eigenschaften  überhaupt 
mit  dem  Nutzen  gar  nichts  zu  thun  haben,  wie  denn  schon  Nägeli  für 
die  Pflanzen  hervorgehoben  hat,  daß  gerade  die  Artmerkmale  zumeist 
für  den  Nutzen  gleichgültig  sind.  Ein  solches  Gebiet  wird  im  Folgenden 
behandelt.  In  der  ganzen  Artbildung,  wenigstens  der  Tagschmetterlinge, 
ist  nichts  zu  finden,  was  auf  die  Notwendigkeit  einer  Naturzüchtung 
hinwiese,  vielmehr  zeigt  sich  in  allen  wesentlichen  Umbildungen  Ohn- 
macht der  DARwm'schen  Naturzüchtung  gegenüber  der  Herrschaft 
der  Orthogenesis. 

Vor  Allem  wurde  ich  durch  die  sich  mir  darbietenden-  Thatsachen 
immer  von  Neuem  wieder  auf  die  endlose  Fülle  von  erst  in  der 
Bildung  begriffenen,  kleinsten,  oft  kaum  noch  sichtbaren 
Eigenschaften  hingewiesen,  welche  der  Nutzen  in  keiner  Weise 
in  Anspruch  nehmen  kann,  und  damit  auf  die  Bedeutung  des  Satzes, 
daß  die  Zuchtwahl  nichts  Neues  schaffen,  sondern  daß  sie  nur 
mit  den  Eigenschaften  arbeiten  kann,  welche  schon  an  und  für  sich 
nützlich  sind. 

Damit  ist  eine  andere  Voraussetzung  des  Darwinismus  zurückgewiesen 
und  zwar  die  wichtigste:  die  der  Herrschaft  nützlicher  Eigen- 
schaften in  der  Gestaltung  der  Lebewesen. 

Wenn  auch  nichts  bestehen  kann,  was  unbedingt  schädlich  ist,  so 
besteht  doch  unendlich  Vieles,  was  mit  unmittelbarem  Nutzen  gar  nichts  zu 
thun   hat   und  was  also  niemals  von  der  Zuchtwahl  berührt  wurde. 

Andererseits  wird  vieles  Nützliche  bestehen,  was  gänzlich  unab- 
hängig von  der  Zuchtwahl  (Selektion)  zu  seiner  vollen  Gestaltung  gediehen 
ist,  denn  es  wird  selbstverständlich  orthogenetisch  ebenso- 
wohl Nützliches  entstehen  können    wie  nicht  Nützliches. 

Es  ist  notwendig,  dies  auch  hier  hervorzuheben,  weil,  wie  im  Fol- 
genden gezeigt  wird,  von  Epigonen  Darwin's  in  elementarster  Weise  be- 
ständig Nützlichkeit  mit  Selektion  verwechselt  wird.  Es  gibt  ohne 
Zweifel    zahllose    »Anpassungen«,   welche   ihr   Bestehen   ebenso  wie  ihre 


IV  Allgemeine  Einleitung. 

Entstehung  einfach  der  physiologischen  Notwendigkeit  des  organischen 
Wachsens  verdanken.  Überall  hat  man  unter  der  Herrschaft  der  Zucht- 
wahllehre solche  Anpassungen  bis  jetzt  als  Zeugen  der  Wirkung  derselben 
angerufen  und  besonders  Botaniker  scheinen  allzugerne  bereit  zu  sein 
die  zahlreichen  und  oft  wunderbaren  an  den  Pflanzen  vorkommenden 
zweckmäßigen  Bildungen  nur  in  diesem  Sinne  zu  deuten. 

Daran  schließt  sich  eine  andere  Frage  an:  ich  spreche  im  Folgenden 
von  dem  Ansprüche  des  Darwinismus,  die  Entstehung  der  Arten  zu 
erklären,  und  ich  weise  diesen  Anspruch  als  unberechtigt  zurück,  eben 
mit  dem  Satze,  daß  die  Zuchtwahl  nichts  Neues  schaffen,  sondern  nur 
mit  schon  Vorhandenem  und  zwar  mit  schon  Nützlichem  arbeiten 
kann.  Diesen  »Fundamental-Einwurf«  gegen  die  Bedeutung  der  Zucht- 
wahllehre habe  ich  gegen  den  heute  im  Vordergrunde  stehenden  Ver- 
treter der  »Allmacht  der  Naturzüchtung«  so  lange  wiederholt,  bis  der- 
selbe endlich  von  ihm  berücksichtigt  werden  mußte.  Aber  daß  er  ein 
begründeter  ist,  wird  dadurch  bewiesen,  daß  schon  Darwin  veranlaßt 
war  sich  gegen  ihn  zu  wenden,  obschon  er  andererseits  wieder  sagt, 
und  schon  in  der  ersten  Auflage  seiner  »Entstehung  der  Arten«  ge- 
sagt hat,  er  wolle  nicht  die  Entstehung  der  Varietäten,  sondern  nur 
die  Erhaltung  der  nützlichen  Eigenschaften  erklären.  Allein  die  That- 
sache,  daß  er  diesem  Buch  den  Titel  »Entstehung  der  Arten«  gegeben 
hat,  zeigt,  was  dasselbe  doch  in  Wirklichkeit  erklären  sollte.  Und  was  soll 
denn  überhaupt  die  Zuchtwahllehre,  was  soll  der  Darwinismus,  wenn  er 
nicht  die  Entstehung  der  Arten  oder  doch  zum  mindesten  die  Umbildung 
der  Lebe  weit,  die  Transmutation  erklärt?  Daß  er  dies  thun  will,  ist 
jedenfalls  die  allgemeine  Annahme  und  die  Nachfolger,  die  Jünger  und 
Schüler  Darwin's  arbeiten  und  urteilen  nur  in  diesem  Sinne. 

Meint  ja  der  am  lautesten  thätige  dieser  Jünger  sogar,  der  Zu- 
sammenbruch des  Selektionsprincips  sei  »gleichbedeutend  mit  dem  Auf- 
geben jeder  Forschung  über  den  causalen  Zusammenhang  der  Erschei- 
nungen auf  dem  Gebiete  des  Lebens«. 

Mir  scheint  umgekehrt,  daß  die  übertriebene,  blinde  Vertretung  des 
Selektionsprincips  bis  zur  Proklamierung  der  Allmacht  desselben  —  un- 
beschadet seiner  Bedeutung  im  Einzelnen  —  eben  die  Forschung  über 
den  causalen  Zusammenhang  der  biologischen  Erscheinungen  ungemein 
geschädigt  hat:  man  beruhigte  sich  entweder  einfach  damit,  daß  dies 
und  jenes  »angepaßt«  sei,  und  damit  hatte  die  Forschung  ein  Ende,  oder 
man  begann  einen  Reigen  bodenloser  Speculationen,  welche  mit  exacter 
Naturforschung  sicherlich  nichts  zu  thun  haben. 

Aber  es  ist  auch  ofiFenbar  an  und  für  sich  das  Selektion sprincip  am 
wenigsten  ein  maßgebendes  Mittel  im  Dienste  der  Forschung  über  den 
causalen  Zusammenhang  der  Lebenserscheinungen:  es  ist  im  Grunde  nichts 
als  ein  Mittel  zur  Erklärung  gewisser  Einzelerscheinungen  in  der  Natur. 
Es  ist  gerade  der  schwerwiegendste  Einwurf,  der  schon  theoretisch  gegen 
die  Bedeutung  der  Zuchtwahl  für  die  Gestaltung  der  organischen  Natur 
gemacht  werden    kann,    daß    dieselbe,    wie   ich  im  Folgenden    weiter 


Allgemeine  Einleitung.  Y 

ausführe,  den  thatsächlichen  einheitlichen,  gesetzmäßigen  Zu- 
sammenhang der  Formen  und  deren  Entwickelung  auseinander 
unmöglich  zu  erklären  vermag,  am  wenigsten  aber  ihre  Ur- 
sachen. Das  was  heute  oder  morgen  nützlich  ist  und  zu  irgend  welchen 
Zeiten  nützlich  war,  bildet  eine  Summe  von  außer  jedem  ursächlichen 
Zusammenhang  stehenden  Einzelheiten,  welche,  wenn  sie  im  Sinne  des 
Darwinismus  wirksam  auf  die  Gestaltung  der  Lebewelt  wären,  nur  eben 
wieder  eine  zusammenhangslose  Summe  von  Einzelgestaltungen  hätten 
erzeugen  können,  nicht  eine  Kette  von  augenscheinlich  in  ursächlichem 
Zusammenhang  stehenden  Formen,  nicht  eine  Entwickelung,  welche,  wie 
die  von  mir  aufgestellten  Thatsachen  zeigen,  »wie  nach  einem  Plane« 
erfolgt  ist.  Die  Ursachen  solch  stetiger  gleichartiger  Umbildung  müssen 
ebenso  gleichartige,  seit  ungemessenen  Zeiträumen  stetig  fortwirkende  ge- 
wesen sein  und  es  ist  nach  meinen  Darlegungen  experimentell  zu  beweisen, 
daß  sie  in  den  elementaren  äußeren  Einwirkungen  des  Klima  und  der 
Nahrung  auf  das  Plasma  zu  suchen  sind:  diese  Einwirkungen  sind  es, 
wie  gesagt,  welche  nicht  nur  das  individuelle,  sondern  ebenso  das  phy- 
letische  Wachsen  bedingen.  Jener  Beweis  ist  in  vollkommenster  Weise 
gewiß  erbracht  durch  die  glänzende  Erfüllung  meiner  im  ersten  Teil  der 
»Entstehung  der  Arten«  gemachten  Vorhersage,  daß  wir  im  Stande  sein 
werden,  »mit  dem  Thermometer  in  der  Hand  bestimmte  Abarten  zu  erzeugen, 
vielleicht  sogar   neue,  welche  in  der  freien  Natur  nicht  vorkommen«. 

Der  lautredende  Ausdruck  jener  gesetzmäßigen  Umbildung  aber  ist 
die  Orthogenesis.  Sie  weist  jede  Möglichkeit  zurück,  dass  eine  Vielheit 
zufällig  da  oder  dort  wirksamer  Bedürfnisse  die  Gestaltung  der  Lebewelt 
bedingt  habe,  gleichviel  ob  man  dabei  das  Werden  oder  die  Erhaltung 
des  Gewordenen  in  den  Vordergrund  stellen  will. 

Darwin  hat  nun,  wie  gesagt,  allerdings  von  vornherein  unter  seiner 
Zuchtwahl  nicht  eigentlich  das  Werden  der  Gestaltung,  sondern  nur  die 
Erhaltung  des  Gewordenen  verstanden  wissen  wollen,  während  seine 
Jünger  den  Darwinismus  als  »Allmacht  der  Naturzüchtung«  auslegen. 
»Diese  Erhaltung  vorteilhafter  und  Zurücksetzung  nachteiliger  Abände- 
rungen ist  es,  was  ich  ,, natürliche  Auswahl  oder  Züchtung"  nenne«, 
sagt  Darwin  in  der  ersten  Ausgabe  seiner  »Entstehung  der  Arten«  2)  und 
weiterhin:  »da  natürliche  Züchtung  nur  durch  Erhaltung  nützlicher  Ab- 
änderungen wirkt,  so  wird  jede  neue  Form  in  einer  schon  vollständig 
bevölkerten  Gegend  streben,  ihre  eigenen,  minder  vervollkommneten 
Eltern  sowie  alle  anderen  minder  vervollkommneten  Formen,  mit  welchen 
sie  in  Bewerbung  kommt,  zu  ersetzen  und  endlich  zu  vertilgen«^). 

Daß  eine  solche  Vertilgung  ohne  weitere  Hülfsmittel  nach  Maßgabe 
des  Thatsächlichen  nicht  überall  stattfinden  und  die  Trennung  der  Orga- 
nismenkette in  Arten  nicht  bedingen  konnte,  wird,  nebenbei  gesagt, 
im  Folgenden  besprochen  werden  und  ist  schon  vielfach  ohnedies  her- 
vorgehoben worden.     Aber  dieser  Vorgang  der  Trennung  der  Organismen- 


1    S.  144.         2)  Deutsche  Ausgabe  S.  86.         3    Ebenda  S.   182. 


VI  Allgemeine  Einleitung. 

kette  ist  es  nicht  etwa,  was  Darwin  als  »Entstehung  der  Arten«,  wie  es 
wörtlich  gerechtfertigt  wäre,  in  den  Vordergrund  stellt  oder  stellen  kann, 
weil  er  eine  solche  Organismenkette,  wie  sie  die  Thatsachen  der  Ortho- 
genesis  heute  vor  Augen  führen,  seinen  Auffassungen  gar  nicht  zu  Grunde 
legen  konnte.  Denn  er  nahm  ja  zwar  eine  Umbildung  der  einzelnen 
Glieder  der  Lebewelt  auseinander  heraus  an,  aber  da  er  kein  gesetz- 
mäßiges zusammenhängendes  Abändern  kannte,  sondern  nur  ein  regelloses, 
»zufalliges«,  so  konnte  bei  ihm  jene  zusammenhängende  Kette  viel  weniger 
in  den  Vordergrund  treten,  als  sie  es  heute  thun  muß,  und  so  hat  er 
auch  die  Arltrennung  nur  eigentlich  nebenher  behandelt.  Seine  ganze 
Vorstellung  wurde  eben  beherrscht  von  der  Idee  der  natürlichen  Zucht- 
wahl. Dies  deshalb,  weil  er  bei  der  Erklärung  der  Transmutation  von 
der  künstlichen  Zuchtwahl  ausging  und  deren  Wirkung  voll  und  ganz  auf 
die  Umbildung  im  freien  Leben  übertrug.  Darin  aber  liegt  ein  Grund- 
fehler seiner  ganzen  Lehre.  Denn  die  Auslese  in  der  freien  Natur  kann 
nicht  dieselben  Mittel  anwenden  wie  die  bei  der  künstlichen  Züchtung: 
insbesondere  kann  sie  nur  bei  letzterer,  nicht  auch  in  der 
freien  Natur  Eigenschaften  erhalten  und  zu  weiterer  Ent- 
wickelung  bringen,  welche  noch  in  den  Anfängen  der  Aus- 
bildung stehen '). 

So  viele  Einschränkungen  der  Wirkung  der  Zuchtwahl  Darwin  auch 
im  Laufe  der  Zeit  anerkannt  hat:  zuletzt  erscheint  sie  doch  bei  ihm  immer 
wieder  als  die  Beherrscherin  aller  Umbildung.  Ja  fast  in  derselben  All- 
macht, welche  ihr  später  von  seinen  Jüngern  zugeschrieben  wird,  tritt 
sie  bei  ihm  noch  in  spätester  Zeit  auf.  Wohl  soll  sie  nur  die  Erhaltung 
des  Passenden  erklären,  indem  sie  die  anderweitig  —  zufallig  —  ent- 
standenen Varietäten  als  gegeben  voraussetzt;  allein  diese  Varietäten 
spielen  ohne  Zuchtwahl  bei  ihm  gar  keine  Rolle:  bevor  sie  von  der 
Zuchtwahl  in  die  Hand  genommen  werden  können,  ist  von  ihnen 
gar  keine  Rede,  ja  daß  sie,  so  lange  sie  noch  unbedeutend  sind, 
nicht  nützlich  sein  können,  wird  nur  auf  den  Zwang  des  Einwurfes  von 
Seiten  Mivart's  berührt. 

Nach  den  Thatsachen,  welche  die  Orthogenesis  an  die  Hand  giebt, 
tritt  dagegen  das  allmähliche  W^erden,  das  Wachsen  von  Eigen- 
schaften ohne  jede  Beziehung  zu  irgendwelchem  Nutzen,  zur 
Zuchtwahl,  in  den  Vordergrund.  Die  Orthogenesis  bezw.  die  die- 
selbe bedingende  Organophysis  ist  das  herrschende  Mittel  der  Um- 
bildung, nicht  die  Zuchtwahl. 

Wie  Darwin  die  Dinge  auffaßt,  in  welchem  Maße  er  thatsächlich, 
trotz  aller  Einschränkungen,  auch  in  seiner  späteren  Zeit  im  Grunde  doch 
die  Transmutation  und  die  Entstehung  der  Arten  durch  die  Herrschaft  der 
Zuchtwahl  allein  erklären  will  unter  völligem  Zurückdrängen  aller 
Bedeutung  der  Variation  selbst,  das  zeigt  u.  a.  der  folgende  Satz, 
welcher  in  der  ersten  englischen  Auflage  vom  »Variieren  im  Zustande  der 


1)  Man  vergl.  im  Folgenden  S.  7G  und  482. 


Allgemeine  Einleitung.  vii 

Domestication«  (1868)  enthalten  war  und  in  der  zweiten,  nach  der  die 
dritte  deutsche,  1 878  erschienene,  berichtigt  ist,  unverändert  wiederkehrt. 
Schon  AsKENASY  hat  1872  diesen  Satz  mit  gesperrter  Schrift  angeführt, 
zum  Beweis  dafür,  daß  eine  unumschränkte,  nach  sehr  vielen  und  von 
einander  divergierenden  Richtungen  erfolgende  Variation  die  Grundlage 
der  D.vRWiN'schen  Lehre  ist  und  daß  Darwin  selbst  diese  Ansicht  theile 
—  was  übrigens  nicht  besonders  bewiesen  zu  werden  brauchte,  da  es 
auch  sonst  bei  Darwix  überall  klar  in  den  Vordergrund  tritt. 

Der  Satz  lautet'):  »Durch  dieses  ganze  Kapitel  und  an  anderen 
Stellen  habe  ich  von  der  Zuchtwahl  als  Hauptkraft  gesprochen,  und  doch 
hängt  ihre  Wirkun»  absolut  davon  ab.  w'as  wir  in  unserer  Unwissenheit 
spontane  oder  zufällige  Variabilität  nennen.  Man  lasse  einen  Architekten 
dazu  gezwungen  sein,  ein  Gebäude  von  unbehauenen  Steinen  aufzu- 
richten, die  von  einem  Abhang  herunter  gestürzt  sind.  Die  Form  jedes 
Fragments  kann  zufällig  genannt  werden  und  doch  ist  die  Form  eines  jeden 
durch  die  Kraft  der  Schwere,  die  Natur  des  Gesteins  und  die  Neigung 
des  Abhangs  bestimmt  worden  —  Ereignisse  und  Umstände,  welche  alle 
von  natürlichen  Gesetzen  abhängen;  aber  zwischen  diesen  Gesetzen  und 
dem  Zweck,  zu  welchem  jedes  Fragment  vom  Erbauer  benutzt  wird, 
besteht  keine  Beziehung.  In  derselben  Weise  sind  die  Variationen  eines 
jeden  Geschöpfes  durch  fixierte  und  unveränderliche  Gesetze  bestimmt. 
Aber  diese  stehen  in  keiner  Beziehung  zu  dem  lebenden  Bau, 
welcher  durch  das  Vermögen  der  Zuchtwahl,  mag  diese  nun 
künstliche  oder  natürliche' sein,  langsam  aufgebaut  worden  ist. 

Gelingt  es  unserem  Architekten,  ein  nobles  Gebäude  unter  Benutzung 
der  ungefähr  keilförmigen  Fragmente  zu^  den  Bogen,  der  längeren  Steine 
zu  den  Säulen  u.  s.  w.  aufzuführen,  so  würden  wir  sein  Geschick  selbst 
in  einem  noch  höheren  Grade  bewundern,  als  wenn  er  für  diesen  Zweck 
geformte  Steine  benutzt  hätte.  Dasselbe  gilt  für  die  Zuchtwahl,  mag  sie 
der  Mensch,  oder  die  Natur  angewendet  haben.  Denn  ist  auch  die 
Variabilität  unentbehrlich  notwendig,  so  sinkt,  wenn  wir  einige  solche 
complicierte  und  ausgezeichnet  angepasste  Organismen  betrachten,  die 
Variabilität  in  eine  völlig  untergeordnete  Stellung  hinsicht- 
lich ihrer  Bedeutung  im  Vergleich  zur  Zuchtwahl,  in  derselben 
Weise  wie  die  Form  eines  jeden  Fragmentes,  welches  unser  hier  ange- 
nommener Architekt  benutzt  hat,  im  Vergleich  zu  seiner  Geschicklichkeit 
bedeutungslos  ist.« 

Damit  ist  der  volle  Gegensatz  des  Darwinismus  zur  orthogenetischen 
Lehre  in  der  wesentlichsten  Grundlage  ausgesprochen:  nach  der  letzteren 
ist  das  Variieren  nicht  etwas  Untergeordnetes  bei  der  Transmutation  und 
bei  der  Artbildung,  sondern  es  ist  die  Hauptsache:  das  gesetzmäßige 
während  langer  Zeiträume  unentwegt,  ohne  Beziehung  zum  Nutzen  nach 
wenigen  Richtungen  fortschreitende,  durch  Einwirkung  äußerer  Einflüsse^ 


1)  S.  260. 


Vill  Allgemeine  Einleitung. 

des  Klima  und  der  Nahrung  vor  sich  gehende  Abändern,  das  organische 
Wachsen,  ist  die  wesentlichste  Ursache  der  Transmutation. 

Die  wichtigste  Ursache  der  Trennung  der  Organismenkette  in  Arten 
ist  nach  meiner  Auffassung  Stehenbleiben  auf  bestimmten  Stufen 
der  Umbildung:  Epistase,  Genepistase.  Die  Entstehung  der  Arten 
ist  also  wiederum  ein  Ausdruck  bestimmter  Verhältnisse  der  Orthogenesis: 
Folge  einer  Unterbrechung  derselben.  Höchst  wichtig  für  die  Entstehung 
von  Arten  ist  aber  auch  die  verschiedenstufige  Entwickelung,  Heter- 
epistase,  welche  bedingt,  daß  an  einer  Form  gewisse  Eigenschaften 
stehen  geblieben,  andere  fortgeschritten  sind,  während  noch  andere  sogar 
sich  rückbildeten.  Dabei  ist  in  der  Regel  Gebrauch  und  Nichtgebrauch  sehr 
wirksam    und   im   Zusammenhang    damit   Kompensation    und   Korrelation. 

Aber  wie  die  Schmetterlinge  zeigen,  kann  in  weiten  Gebieten  allein 
Orthogenesis  mit  Epistase  —  jene  zugleich  mit  sprungweiser  Ent- 
wickelung (Halmatogenesis)  und  Korrelation  —  für  Transmutation  und 
Entstehung  von  Arten  maßgebend  sein.  Daß  auch  sonst  die  Zucht- 
wahl für  die  Gestaltung  der  Lebewell  eine  verhältnismäßig  geringe  Be- 
deutung haben  muß,  zeigt,  wie  schon  ausgesprochen,  der  Faden  des 
dichotomisch  verzweigten  Zusammenhanges  der  Glieder  derselben  anstatt 
des  Vorhandenseins  einer  zusammenhangslosen  Summe  von  Einzelgestal- 
tungen, wie  sie  unter  der  Herrschaft  der  Auslese  im  Sinne  des  Nutzens 
nachgerade  entstanden  sein  müßten. 

Ich  darf  nicht  unterlassen,  hervorzuheben,  daß  die  von  mir  in  An- 
spruch genommene  Bedeutung  der  Orthogenesis,  der  Epistase,  der  Hetere- 
pistase,  der  Halmatogenesis  und  der  Rückbildung  offenbar  für  alle  Gruppen 
des  Tierreichs  und  wohl  ebenso  des  Pflanzenreichs  gilt  wie  z.  B.  für  die 
Schmetterlinge:  der  Amphioxus  verdankt  seine  Entstehung  im  Wesent- 
lichen einem  Stehenbleiben  auf  niederer  Stufe  der  phylogenetischen  Ent- 
wickelung, teilweise  auch  wohl  einer  Rückbildung.  Die  Haie  sind  in 
Beziehung  auf  Nervensystem  und  Sinnesorgane  sehr  vorgeschritten,  in 
Beziehung  auf  das  Skelet  u.  a.  auf  tiefer  Stufe  stehen  geblieben.  Die 
ganze  australische  Fauna  und  Flora  ist  in  wesentlichen  Eigenschaften 
auf  tiefer  Stufe  der  Entwickelung  stehen  geblieben.  Die  nordamerikanische 
Tierwelt  ist  in  ihren  Gliedern  vielfach  auf  einer  etwas  tieferen  Stufe 
stehen  geblieben,  als  die  europäische. 

Das  Hirn  des  Menschen  ist  in  einer  durch  den  ganzen  Wirbeltier- 
typus maßgebenden  Entwickelungsrichtung  zum  Höchsten  vorgeschritten; 
in  Beziehung  auf  die  Fähigkeit  der  Organe  der  Ortsveränderung  steht 
der  Mensch  hinter  fast  allen  Wirbeltieren  zurück,  ebenso  hinter  vielen 
in  Beziehung  auf  Ausbildung  der  Sinneswerkzeuge.  Überall  kommt  aller- 
dings hier  Gebrauch  und  Nichtgebrauch  wesentlich  mit  in  Betracht  — 
nicht  aber,  wie  wir  zeigen  werden,  eben  bei  den  einzelnen  Gruppen  der 
Schmetterlinge,  wo  wesentlich  nur  Organophysis  und  Orthogenesis  maß- 
gebend sind. 

Der  Kernpunkt  des  Unterschiedes  meiner  Entwickelungstheorie  gegen- 
über der  DARwm'schen  Zuchtwahllehre  liegt  also  in  der   Wichtigkeit, 


Allgemeine  Einleitung.  ix 

welche  der  Variation,  abgesehen  von  der  Zuchtwahl  und  bevor  sie  unter 
die  Herrschaft  derselben  gelangen  kann,  zukommt.  Dass  der  neuerdings 
gemachte  Versuch  diese  Herrschaft  auch  auf  die  Anfänge  des  Variierens 
auszudehnen  und  so  die  Allmacht  der  Naturzüchtung  gegenüber  der  Ortho- 
genesis  zu  retten,  vollkommen  verfehlt  ist,  zeigen  nicht  nur  die  elemen- 
tarsten Thatsachen,  sondern  auch  die,  wie  wir  sehen  werden,  falschen  Vor- 
aussetzungen und  die  Widersprüche,  in  welchen  sich  die  »Germinalselektion« 
des  Herrn  Weismanx  bewegt:  es  gibt  naturgemäß  keine  größere  Unmöglich- 
keit als  die  Vereinigung  der  thatsächlich  bestehenden,  nach  wenigen 
Richtungen  gesetzmäßig  fortschreitenden,  bestimmt  gerichteten  Entwicke- 
lung  und  der  Voraussetzung  zahlloser,  für  jede  Anforderung  der  Auslese 
bereitstehender  Variationen,  zusamt  der  Annahme  der  Züchtung  dieser 
letzteren  durch  die  Auslese  auf  dem  Wege  bestimmt  gerichteter  Enl- 
wickelung! 

Sind  die  Thatsachen,  welche  ich  bezüglich  der  Variation  aufstelle,  richtig, 
besteht  eine  Orthogenesis  in  dem  Umfange,  in  welchem  ich  sie  nachweise, 
wirklich,  so  ist  die  Bedeutung  der  Zuchtwahllehre,  des  Darwinismus,  für  die 
Transmutation  und  für  die  Entstehung  der  Arten  auf  ein  ganz  Nebensäch- 
liches zurückgedrängt,  ja  im  Einzelnen  erst  zu  erweisen.  Sind  meine 
folgenden  Untersuchungen  über  die  Orthogenesis  bei  Schmetterlingen  richtig, 
so  ist  die  vollkommene  Ohnmacht  des  Darwinismus  auf  einem  weiten 
Gebiete  nacheewiesen.  Je  läneer  ich  mich  mit  bezüglichen  Thatsachen  be- 
schäftigt  und  deren  neue  festgestellt  habe,  um  so  mehr  ist  mir  solche 
Ohnmacht  auch  auf  anderen  Gebieten  entgegengetreten:  die  Natur  ist  ein 
Ganzes  und  die  allgemeinen  Gesetze,  welche  für  eine  Gruppe  von  Lebe- 
wesen gelten,  müssen  auch  für  alle  anderen  gelten.  Es  ist  daher  schwer 
begreiflich,  wie  wenig  Beachtung  diese  Thatsachen  und  die  darauf  aufge- 
baute Lehre  in  weiten  Kreisen  bis  jetzt  gefunden  haben,  und  daß  die 
maßgebenden  Fachmänner  gar  nicht  zu  bemerken  scheinen,  welche  Fülle 
von  Arbeitsmaterial  durch  sie  auf  den  verschiedensten  Gebieten  er- 
schlossen wird.  Paläontologen,  Zoologen  und  Botaniker  haben  sich  wohl 
gelegentlich  herablassend  dahin  ausgesprochen:  diese  Untersuchungen 
seien  ganz  hübsch  und  wohl  richtig  für  den  bestimmten  einzelnen  Fall: 
die  Skulpturen  der  Schneckengehäuse  z.  B.  mögen  nach  der  aufgestellten 
Gesetzmäßigkeit  entstanden  sein,  schrieb  ein  Paläontologe  —  aber  das 
sei  ein  besonderer  Fall.  Auch  wir  kennen  bestimmte  Zeichnungen  bei 
Blüten ,  welche  nach  gewissen  Regeln  gestaltet  sind,  belehrt  ein  Botaniker 
—  Nägeli  hat  nicht  einmal  bei  seinen  Fachgenossen  ernstere  Beachtung 
gefunden.  Nur  Wenige  erfaßten  bis  dahin  die  Bedeutung  der  ganzen 
Frage.  Wenige  erkennen,  was  doch  so  klar  vor  Augen  liegt,  welche 
Fundgrube  für  Entdeckung  neuer  und  Erklärung  altbekannter  Thatsachen 
in  dieser  Orthogenesis  liegt:  und  doch  wird  die  Zeit  kommen,  da  die 
Nachfolger  der  heutigen  Paläontologen  ganze  Systeme  auf  Grund  der- 
selben aufstellen  und  da  die  Botaniker  ihre  ganze  Morphologie  von  ihr 
beherrscht  sehen  werden.  Leider  kann  ich  nicht  Alles  allein  bewältigen. 
Was  ich  vorlege  und  vorgelegt  habe,  ist  das  Ergebnis  mühevoller  Arbeit, 


X  Allgemeine  Einleitung. 

deren  Richtigkeit  sorgfältige  Untersuchung  sicherlich  überall  wird  be- 
stätigen können.  Viel  mag  an  der  Vernachlässigung  der  Anerkennung 
des  Thatsächlichen  die  Abneigung  der  herrschenden  Biologie  gegen  die 
Systematik  haben  und  gegen  Alles,  was  darnach  aussieht.  Und  dennoch 
ist  es  nicht  möglich,  die  obschwebenden  Fragen  anders  zu  lösen,  als  an 
den  Erscheinungen  der  Artbildung,  welche  die  genaueste  Behandlung 
der  Arteigenschaften  voraussetzen  und  deren  Studium  allein  mich 
auf  den  Nachweis  der  Orthogenesis  geführt  hat. 

Aber  noch  ein  ganz  anderer  Feind  tritt  dem  Siege  der  Thatsachen 
entgegen.  Der  verstorbene  Geologe  Neumayr  sagt  einmal,  es  müsse  eine 
Generation  ausgestorben  sein,  bevor  eine  herrschende  Erklärung  von 
Thatsachen  durch  eine  andere  ersetzt  werden  könne.  Ich  möchte  noch 
weiter  gehen  und  sagen:  es  muß  eine  Generation  als  Trägerin  einer 
herrschenden  Theorie  aussterben,  bis  selbst  neue  Thatsachen  diese 
Theorie  umzustoßen  vermögen. 

Die  Trägheit  des  Stoffes  ist  es,  welche  sich  überall  dem  Neuen  ent- 
gegenstemmt, und  am  wenigsten  wird  Gelehrsamkeit  einen  Boden  ver- 
lassen wollen,  welchen  sie  einmal  eine  Zeit  lang  vertreten  hat.  Ganz 
dasselbe  erlebten  wir  gegenüber  dem  Darwinismus.  Nun  aber  unterfange 
ich  mich  gar,  einem  Mann  wie  Darwin  entgegenzutreten  und  beweisen 
zu  wollen,  daß  seine  ganze  berühmte  Theorie  auf  falscher  Grundlage 
aufgebaut  ist,  daß  sie  die  Umbildung  der  Lebewelt  und  die  Entstehung 
der  Arten  nicht  erklären  kann,  und  ich  unterfange  mich,  wenn  auch  an 
der  Hand  von  Thatsachen,  dieser  Theorie  gegenüber  eine  ganz  andere 
zu  vertreten. 

Bei  der  ungeheuren  Macht,  mit  welcher  die  DARwm'sche  Lehre  heute 
die  Geister  gefangen  hält,  ist  es  nicht  anders  möglich,  als  daß  mein 
Unternehmen  von  vornherein  als  ein  unbescheidenes,  ja  ungereimtes  auf- 
gefaßt wird.  Es  ist  kein  Zweifel:  weil  Darwin  groß  war,  muß  der,  welcher 
ihm  entgegentritt,  klein  sein.  Die  Einen  wollen  mir  beweisen,  daß  ich 
Darwin  entgegentrete,  während  ich  ihn  gar  nicht  gelesen  habe,  die 
Anderen  glauben  mich  in  der  öffentlichen  Meinung  schon  zu  ver- 
nichten, indem  sie  mich  als  einen  »erbitterten  Gegner  der  Selektions- 
lehre« bezeichnen.  Daß  ich  dies  nicht  bin,  daß  ich  auch  der  Selektion  ihr 
Recht  lasse,  und  wie  sehr  ich  Darwin  als  großen,  objektiven  Natur- 
forscher, der  er  im  vollen  Gegensatz  zu  seinen  vermeintlichen  Nach- 
folgern ist,  verehre,  geht  aus  meinen  Arbeiten  überall  zur  Genüge  hervor. 
Dagegen  muss  ich  immer  wieder  finden,  daß  Diejenigen,  welche  solche 
Nachfolger  und  Verteidiger  sein  wollen,  die  eigentlichen  DARWiN'schen 
Ansichten  so  und  so  oft  gänzlich  unrichtig  aufgefaßt  haben  und  daß  sie 
deshalb  nicht  entfernt  im  Stande  sind,  das,  was  ich  denselben  entgegen- 
stelle, richtig  zu  beurteilen  —  von  den  gänzlich  undarwin'schen  Über- 
bietungen und  Übertreibungen  der  Zuchtwahllehre,  vom  Afterdarwinis- 
mus gar  nicht  zu  reden! 

Ein  laut  redender  Fall  dieser  Art  ist  der  folgende.  Vermeintliche 
Kenner  des  Darwinismus  und  unbedingte  Anhänger  desselben  können  in 


Allgemeine  Einleitung.  XI 

förmliche  Aufregung  geraten,  wenn  gesagt  wird,  er  fuße  auf  dem 
Zufall,  und  sie  werfen  dem,  der  dies  behauptet,  gar  etwa  ein,  er  wisse 
offenbar  nicht,  daß  dies  ein  längst  widerlegter,  von  Darwin  selbst  zu- 
rücksewiesener  Satz  sei.  Man  hat  auch  mich  in  dieser  Weise  belehren 
wollen.  Ich  denke,  ein  Jeder,  der  gewissenhaft  über  die  Zuchtwahllehre 
schreibt,  muß  wissen,  was  Darwin  in  dieser  wichtigen  Sache  sagt  und  meint. 
Was  er  meint,  ist  in  dem  vorhin  wiedergegebenen  Beispiel  vom  Aufbau 
eines  Gebäudes  aus  unbehauenen  Steinen  deutlich  genug  enthalten:  Dar- 
win verwahrt  sich  gegen  den  Vorwurf  der  Annahme  schrankenlosen  Zufalls 
im  Variieren  durch  den  Hinweis,  daß  dasselbe  notwendig  physikalischen 
Gesetzen  unterworfen  sein  muß,  so  daß  also  nicht  jede  denkbare  Abände- 
rung entstehen  kann,  sondern  nur  solche,  welche  jene  Gesetze  bedingen. 
Später  erkennt  er  als  Hemmschuh  unbegrenzt  allseitigen  Abänderns 
ausdrücklich  auch  die  Konstitution  an.  Ich  glaube  nun  kaum,  daß 
irgend  jemand,  der  dem  Darwinismus  jenen  Einwurf  macht,  den  Zufall 
des  Abänderns  anders  aufgefaßt  hat,  als  Darwin  selbst  ihn  aufzufassen 
erklärt. 

Alles  in  der  Natur  muß  selbstverständlich  Gesetzen  folgen  —  kein  Ver- 
nünftiger wird  das  bestreiten.  Aber  das  von  Darwin  angenommene  Abändern 
nach  den  verschiedensten  Richtungen  ist  ein  regelloses,  zufälliges  im 
Vergleich  zu  dem  gesetzmäßig  nach  wenigen  bestimmten  Richtungen  vor 
sich  gehenden,  wie  ich  es  thatsächlich  nachweise.  Und  es  ist  auch  nach  ■ 
dem  gew'öhnlichen  Sprachgebrauch  ein  zufälliges  an  sich.  Was  Darwin  von 
bestimmt  gerichteter  Entwickelung  wußte  und  was  er  von  den  Nägeli- 
schen  Aufstellungen  gehalten,  wie  er  sie  zurückzuweisen  versucht  hat, 
wird  im  Folgenden  besprochen  w^erden;  er  hat  im  Wesentlichen  nichts 
darauf  gegeben  und  hat  nichts  darauf  geben  können,  weil  er  sonst  sein 
ganzes  Lehrgebäude  selbst  untergraben  hätte. 

Ich  glaubte  auch  diesen  Gegenstand  hier  besprechen  und  klar  legen 
zu  müssen,  weil  mir  scheinen  will,  daß  derselbe  kaum  besser  von  Vielen, 
die  darüber  urteilen ,  erfaßt  w  orden  ist,  als  die  Bedeutung  des  bestimmt 
nach  wenigen  Richtungen  gesetzmäßig  stattfindenden  Abänderns,  also  die 
Orthogenesis  an  sich. 

So  ist  es  in  der  That  kein  Wunder,  w^enn  die  ganze  so  hochw^ichtige 
Frage  trotz  aller  immer  von  Neuem  beigebrachten  orthogenetischen  That- 
sachen,  trotz  des  durch  sie  gelieferten  und  trotz  des  experimentell  ge- 
lieferten Beweises  von  der  Tragweite  derselben  bis  jetzt  keine  irgend 
ausgebreitete  Beachtung  gefunden  hat. 

Ich  hoffe,  die  heute  vorgelegten  Beweise  für  die  Herrschaft  der 
Orthogenesis  bei  Schmetterlingen  werden  den  Bann  brechen.  Die  That- 
sachen  einer  großartigen,  ohne  jede  Beziehung  zum  Nutzen  stehenden 
Gesetzmäßigkeit  der  Transmutation  und  der  Artbildung,  welche  hier 
entgegentreten,  haben  mich  selbst  hochgradig  überrascht;  sie  haben 
Alles  übertroffen,  was  ich  von  der  weiteren  Verfolgung  meiner  Auf- 
fassungen je   erwarten   konnte;   sie    zeigen    die  Möglichkeit  der  Zurück- 


XII  Allgemeine  Einleitung. 

führung  der  sämtlichen  Zeichnungen  und  damit  der  Artmerkmale  aller 
Schmetterlinge  auf  einige  wenige  Typen  und  zuletzt  auf  die  bei  Segel- 
faltern noch  vorhandene  Längsstreifung  —  überall  Entstehung  der  Arten 
ohne  Selektion. 


Zu  meinem  lebhaften  Bedauern  bin  ich  genötigt,  im  Folgenden  alle 
Rücksicht  gegenüber  einem  Gegner  fallen  zu  lassen,  mit  welchem  ich 
früher  in  der  Beziehung  des  dankbaren  Schülers  zu  seinem  Lehrer  ge- 
standen bin,  der  mich  einst  gelehrt  hatte,  keinem  Tierchen  etwas  zu 
Leide  zu  thun,  während  er  heute  denjenigen  mit  persönlicher  Kränkung 
treffen  will,  welcher  es  wagt,  anderer  wissenschaftlicher  Ansicht  zu  sein, 
als  er,  ja  den  der  in  Wesentlichem  die  Ansichten  vertritt,  die  er  selbst 
vor  Jahren  gehabt  hat.  Daß  mir  an  der  Anwendung  dieser  Kampfes- 
weise keine  Schuld  beigemessen  werden  kann,  zeigt  der  ganze  Inhalt 
des  ersten  Teils  meiner  »Entstehung  der  Arten«,  zeigen  insbesondere 
die  im  Folgenden  auf  Seite  487  wiederholten  Schlußworte  der  Einleitung 
desselben.  Ich  habe  verschuldet  zuerst  den  WEiSMANN'schen  Keimplasma- 
Hypothesen  gründlich  entgegen  getreten  zu  sein,  besonders  auch  als 
Verteidiger  der  Vererbung  erworbener  Eigenschaften.  Ich  will  hier 
nicht  davon  reden,  daß  ich  die  LAMARCK'sche  Auffassung  von  der  Wirkung 
des  Gebrauchs  und  Nichtgebrauchs,  welche  seitdem  wenigstens  in  Amerika 
als  »Neu-Lamarckismus«  wieder  mehr  und  mehr  Verbreitung  findet,  schon 
damals  auf  das  Lebhafteste  verteidigt  habe.  Als  ein  triftiger  Beleg  für 
das  Gewicht  meiner  Gründe  darf  wohl  die  Thatsache  angeführt  werden,  daß 
mein  Gegner,  der  Vertreter  der  Allmacht  der  Naturzüchtung,  diese  Gründe 
und  mein  ganzes  Buch  vollständig  totgeschwiegen  hat,  abgesehen  von 
gelegentlich  darauf  bezüglichen  persönlichen  Angriffen.  Denn  es  ist  nach- 
weisbar stehende  Übung  desselben*),  daß  er  Einwänden  gegenüber  immer 
dann  schweigt,  wenn  er  sie  nicht  widerlegen  kann,  bezw.  so  lange  schweigt, 
bis  er  glaubt  ein  Mittel  zu  ihrer  zeitweiligen  Beseitigung  ausgedacht  zu 
haben.  Meine  Begründung  stützte  sich  aber  schon  damals  und  später 
auf  das  Experiment,  weshalb  sie  kaum  minderwertiger  sein  konnte,  als 
die  von  H.  SpeiNCer  in's  Feld  geführte,  gegen  welche  der  Freiburger  Zoologe 
so  lebhaft,  aber  mit  sehr  zweifelhaftem  Erfolg  angekämpft  hat.  Auch 
meine  hauptsächlichste  Beweisführung,  welche  sich  auf  die  psychischen 
Eigenschaften,  auf  ihre  Entstehung  und  Vererbung  und  auf  die  unab- 
weisbare Vererbung  von  Geisteskrankheiten  stützte,  ersteres  an  der  Hand 
eingehender  Versuche  mit  neugeborenen  Hühnchen  2),  ist  von  diesem 
Gegner  niemals  ernstlich  berührt  worden.  Dasselbe  gilt  für  meine  Expe- 
rimente   an  Muskeln  3),    welche    unwiderleglich  beweisen,    daß    die   Ent- 


1)  Vergl.  u.  a.  hinten  S.  4  0.  78. 

2]  Vergl.  »Entstehung  der  Arten«  I.  S.  263  ff.  und  hinten  S.  273. 

3)  Die  »Entstehung  und  Ausbildung  des  Muskelgewebes,  insbesondere  der  Quer- 
streifung desselben  als  Wirkung  der  Thätigkeit  betrachtet«.  Zeitschr.  f.  w.  Zool. 
Bd.  LIII.  Suppl.  1892. 


Allgemeine  Einleitung.  xili 


'D 


Stehung  der  Querstreifung  auf  Thätigkeit  beruht  und  damit  auf  Ver- 
erbung erworbener  Eigenschaften. 

Schon  damals  habe  ich  u.  a.  auch  auf  die  augenscheinlich  durch 
Thätigkeit  erfolgte  Umbildung  von  Teilen  des  Skeletes  der  Wirbeltiere 
hingewiesen,  welche  ziemlich  zu  gleicher  Zeit  in  so  schöner  Weise  durch 
die"  Darstellung  Cope's  bezüglich  der  Gliedmaßen  von  Säugern  gezeigt 
worden  ist.  Später  habe  ich  Andeutungen  über  eingehendere  Arbeiten 
bezüglich  jener  Umbildung,  besonders  in  Beziehung  auf  die  Bedeutung 
der  Ausgleichung  (Kompensation)  in  einem  im  Jahre  1894  gehaltenen 
Vortrage  gegeben  ^j. 

Genug,  daß  die  Anerkennung  des  Lamarekismus,  welcher  die  Ver- 
erbung erworbener  Eigenschaften  voraussetzt,  besonders  in  Amerika 
seitdem  weite  Kreise  ergriffen  hat  und  daß  die  Zahl  der  »Neu-Lamarckia- 
ner«   augenscheinlich  immer  mehr  zunimmt^). 

Es  leuchtet  ein,  daß  die  Orthogenesis  der  Todfeind  nicht  nur  der 
»Allmacht   der   Naturzüchtung«,    sondern   auch   der  auf  sie   gegründeten 


1)  Über  das  Gesetz  der  Ausgleichung  (Kompensation]  und  Goethe  als  vergleichen- 
den Anatomen.  A'ortrag  gehalten  in  der  Versammlung  des  Schwarz  Wälder  Vereins  zu 
Tübingen  am  2.  Febr.  -1894.  Jahreshefte  des  Vereins  für  Vaterländische  Naturkunde 
in  Württemberg  1895.  Die  weitere  Ausführung  dieser  Arbeit  ist  zum  Abschluß  ge- 
diehen; dieselbe  wird  in  Bälde  erscheinen. 

2)  Übrigens  darf  ich  hier  wohl  die  Beurteilung  meiner  Beweisführung  von 
Seiten  eines  Ausländers  anführen.  Herr  J.  T.  Cunnixgham,  welcher  meine  »Entstehung 
der  Arten«  I  unter  dem  Titel  »Organic  Evolution«  übersetzt  hat,  sagt  in  der  Vorrede 
zu  seiner  Übersetzung:  »When  I  saw  that  many  of  the  ablest  British  biologists  ac- 
cepted  Weisma>n's  dogma  that  acquired  characters  are  not  inherited,  it  seemed  to 
me  that  they  were  abandoning  the  riebest  vein  of  knowledge  under  a  mistaken  guide, 
and  I  cherished  the  hope  of  finding  tinre  and  opportunity  to  add  by  my  own  re- 
searches  to  the  evidence  that  the  etTects  of  the  conditions  of  life  extend  beyond  a 
Single  generation.  I  was  therefore  delighted  to  find  that  Weismann  had  to  contend 
with  a  formidable  Opponent  in  bis  own  country,  and  concluded  that  I  could  not  for 
the  present  oppose  the  progress  of  bis  views  in  England  more  effectively  than  by 
Publishing  a  translation  of  Professor  Eimers  arguments.« 

Die  damals  und  lange  nachher  noch  herrschende  Strömung  in  England,  welche 
jetzt  aber  in  augenscheinlichem  Zurückweichen  begriffen  ist,  hat  allerdings  die  Wirk- 
samkeit dieser  Beweisführung  wesentlich  unterdrücken  helfen. 

Aus  Rücksicht  auf  die  DARwis'sche  Autorität  und  deren  Verehrung  ist  es  wohl 
auch  geschehen,  daß  mein  Übersetzer  den  Titel  des  Buches  in  »Organic  Evolution« 
verändert  hat.  Mein  landsmännischer  Widersacher  aber  ließ  es  sich  nicht  nehmen, 
denselben  höhnisch  hervorzuheben.  Ich  habe  den  Titel  »Entstehung  der  Arten«  ab- 
sichtlich gewählt,  weil  ich  glaube  den  Anspruch  erheben  zu  dürfen,  daß  die  von  mir 
festgestellten  Thatsachen  und  deren  Deutung  erst  die  wirklich  maßgebende  Erklärung 
der  Transmutation  und  der  Trennung  der  Organismenkette  in  Arten,  also  der  »Ent- 
stehung der  Arten«  zu  geben  im  Stande  sind  und  die  letztere  erstmals  thatsäch- 
lich  beweisen.     Die  Zukunft  wird  entsclieiden,  ob  dieser  Anspruch  berechtigt  ist. 

Auffallend  erscheint  es  mir,  wie  wenig  Beachtung  meine  Arbeit  zu  Gunsten  der 
Ideen  des  so  lange  verkannten  Lamarck  in  Frankreich  gefunden   hat. 

Einen  eigentümlichen,  erheiternden  Ausdruck  nationaler  Anerkennung  empfing  ich 
von  Herrn  Yves  Delage,  welcher  meine  Gesinnungsgenossen  und  mich  mit  dem  Aus- 
spruch abthut,  daß  in  den  Büchern  von  Nvgeli,  Haacke  und  Eimer  im  Verhältnis  zu 


XiY  Allgemeine  Einleitung. 

Keimplasma-Hypothesen  ist.  Mit  der  Anerkennung  der  ersteren  fallen  die 
letzteren  sämtlich  in  sich  zusammen.  Die  Orthogenesis  als  Wirkung 
äußerer  Einflüsse  auf  das  Plasma  schließt  zugleich  die  Vererbung  er- 
worbener Eigenschaften  ein.  Auf  der  Nichtanerkennung  der  letzteren 
ruht  wiederum  das  ganze  Gebäude  der  Keimplasma-Hypothesen.  Um  jeden 
Preis  muß  ihre  Anerkennung  abgewiesen  werden:  hat  doch  ihr  Erfinder 
der  späten  »Erkenntnis«,  daß  solche  Vererbung  nicht  stattfinde,  das  Opfer 
gebracht,  eine  ganze  lange  wissenschaftliche  Vergangenheit  zu  verleugnen 
und  hat  er  doch  auf  Grund  der  Vertretung  desselben  Satzes  in  späteren 
Tagen  einen  Siegesflug  ohne  Gleichen  vollzogen. 

Gewiß  ist  es  ein  Verdienst,  einmal  darauf  hingewiesen  zu  haben, 
daß  die  Voraussetzung  der  Vererbung  erworbener  Eigenschaften  an  der 
Hand  der  Thatsachen  geprüft  werden  müsse,  ebenso  wie  die  Vererbung 
von  Verletzungen.  Aber  es  handelte  sich  doch  im  Verneinen  derselben 
nur  um  eine  durchaus  hypothetische  Aufstellung,  um  einen  Einfall 
noch  dazu  von  Seiten  eines  Mannes,  der  sein  halbes  Leben  lang  die 
vollkommen  entgegengesetzte  Ansicht  vertreten  und  darauf  die  wichtig- 
sten Schlüsse  aufgebaut  hatte.  Es  handelte  sich  darin  endlich  um  einen 
Einfall,  welcher  allen  physiologischen  Vorstellungen  und  zahllosen  That- 
sachen der  vergleichenden  Anatomie  von  vornherein  widerspricht.  Für- 
wahr, es  ist  kein  günstiges  Zeichen  für  die  Tiefe  heutiger  biologischer 
Wissenschaft,  daß  dieselbe  weithin  die  neu  vorgetragene  Lehre  als 
Wahrheit  annahm  und,  wie  Johannes  Schilde  sagt,  ex  cathedra  prokla- 
mierte. Noch  mehr,  sie  stützte  mit  staunender  Anerkennung  zur  Ver- 
neinung aller  Ziele  der  Naturwissenschaft  führende  Auffassungen,  indem 
sie,  statt  Erkenntnis  von  Gesetzmäßigkeit  anzustreben ,  die  Voraus- 
setzung unbedingtesten  Zufalles  zur  Grundlage  hatten:  zufälliges  Ab- 
ändern des  Keimplasma  und  Nützlichkeitsauslese  aus  diesen  Abände- 
rungen sollten  die  Mittel  sein,  welche  den  ganzen  Aufbau  der 
Gestaltung  der  Lebewelt  bedingt  haben  —  ein  Blick  auf  die  Ge- 
setzmäßigkeit, auf  den  inneren,  augenscheinlich  ursächlichen  Zusammen- 
hang dieses  Aufbaues  mußte  solche  Lehre  unbedingt  abweisen.  Die 
physiologischen  Unmöglichkeiten,  mit  welchen  diese  arbeitete,  ihre  inneren 
Widersprüche  erregten  nur  bei  Wenigen  Anstoß,  ihre  falschen  Vor- 
aussetzungen und  Trugschlüsse  wurden  nicht  bemerkt,  vielmehr  machte 
ihre  Dialektik  auf  den  oberflächlichen  Leser  den  Eindruck  geistreichen 
Beweises  einer  neuen  Erkenntnis  und  so  zog  diese  Lehre,  gestützt  von 
einem  Ring,  insbesondere  englischer  Bewunderer,  welche  darin  fälschlich 


ihrem  Umfang  sehr  wenig  stehe,  und  hinzufügt:  »c'est  alTaire  de  race«  —  dies  in  einem 
Buche  von  878  Seiten,  in  welchem  selbstverständlich  sehr  viel  steht!  Ohne  mich  auf 
schriftstellerische  und  andere  Rasseneigentümlichkeiten  hier  weiter  einzulassen,  möchte 
ich  nur  den  Empfang  einer  freundlichen  und  unsere  Übereinstimmung  in  Beziehung 
auf  Herrn  Weismann  betonenden  Zuschrift  des  Herrn  Delage  bezüglich  meiner  Leydener 
Rede  mit  dem  Hinw'eis  bestätigen,  daß  die  Grundgedanken  dieser  Rede  gegen  Herrn 
Weismann  im  Wesentlichen  schon  den  Inhalt  jenes  meines  Buches  ausmachen',  was 
Herrn  Delage  beim  »Studium«  desselben  demnach  offenbar  entgangen  ist. 


Allsemeine  Einleitung.  xv 


'» 


eine  Apotheose  Darwin's  erblickten'),  im  Triumphwagen  durch  die  Welt 
unter  Ehrenbezeugungen  Einzelner  wie  gelehrter  Körperschaften. 

Die  Vererbung  erworbener  Eigenschuften  ist  experimen- 
tell bewiesen:  die  folgenden  Thatsachen  bringen  von  Neuem  unwider- 
leglichen solchen  Beweis.  Sogar  für  die  Vererbung  von  Verletzungen 
liegen  vollgültige  experimentelle  Beweise  vor.  Damit  ist  ein  Stück  falscher 
naturwissenschaftlicher  Speculation  erledigt. 

Kein  Wunder,  daß  der  Triumphator  seine  so  wenig  sichere  Errungen- 
schaft ängstlich  zu  schützen  suchte.  Er  verschwieg  Jahre  lang  auch  die 
ihm  immer  wieder  entgegengehaltenen  Thatsachen  der  Orthogenesis. 
Endlich  hatte  er  sich  eine  Abwehr  ausgedacht.  Überraschend  trat  er 
damit  hervor  in  öffentlicher  Rede  auf  dem  Zoologen-Kongress  zu  Leyden. 
Die  Einzelheiten  gehen  aus  Späterem  hervor.  Ich  muß  das  Mitzuteilende 
hier  aber  kurz  zusammenfassen  und  ergänzen. 

Der  Redner  hat  die  durch  mich  thatsächlich  begründete  Orthogenesis 
unter  Voranstellung  meines  eigensten  neuen  Beweismaterials,  der  Schmetter- 
linge, unter  vollkommenem  Verschweigen  meines  Namens  und  meiner 
physiologischen  Begründung  behandelt,  indem  er  sprach,  als  ob  nur  die 
»Bildungsgesetze«  Nägeli's  als  solche  aufgestellt  seien 2],  endlich  dieselbe  mit 
vollkommen  willkürlicher,  widerspruchsvoller  Behandlung  der  Thatsachen 
unter  die  Botmäßigkeit   seiner  Speculationen  zu  bringen  versucht. 

Aber  nicht  genug:  nachdem  ich  in  meinem  drei  Tage  später  gehaltenen 
Vortrag,  welchem  mein  Gegner  anwohnte,  mein  Recht  und  mein  Eigentum 
verteidigte,  indem  ich  Widerspruch  gegen  obige  Behandlung  der  Dinge 
erhob  und  insbesondere  darauf  hinwies,  daß  ich  selbst  stets  gegen  die 
NÄGELi'schen  »Bildungsgesetze«  aufgetreten  sei  und  daß  und  welche  Er- 
klärung ich  bekanntlich  für  die  Orthogenesis  gegeben  und  auf  welche 
experimentellen  Beweise  ich  mich  dabei  berufe,  ist  mein  Gegner 
bei  der  Umarbeitung  seiner  Rede  mir  folgendermaßen  gerecht  geworden. 
Er  hat  jetzt  da  und  dort  meinen  Namen  genannt,  aber  ohne  anzudeuten, 
daß  es  sich  dabei  um  Einfügung  handle  —  gegen  allen  Gebrauch  und 
trotz  seiner  Versicherung,  er  habe  in  der  gedruckten  Rede  gegenüber  der 
mündlichen  nichts  geändert  —  und  indem  er  mich  jetzt  ausdrücklich,  »wenn 
er  mich  recht  verstehe«,  als  Vertreter  eben  jener  »Bildungsgesetze«  be- 
zeichnete, meine  ihm  so  unbequeme,  wirkliche,  ihm  gegenüber  soeben 
nachdrücklichst  betonte  Auffassung  jetzt  erst  recht  in  das  Gegenteil 
verkehrend  •^1 . 


1)  Gewisse  englische  Blätter,  wie  z.  B.  »Nature«  behandelten  nicht  nur  alle  gegen 
die  Keimplasma-Hypothesen  gerichteten  Arbeiten  mit  Geringschätzung,  wenn  sie  über- 
haupt davon  Notiz  nahmen,  sondern  sie  nahmen  überhaupt  nichts  mehr  gegen  dieselben 
auf.  Man  vergleiche  Cünnixgham  im  Vorwort  der  englischen  Ausgabe  meiner  >Ent- 
stehung  der  Arten«  I  (»Organic  Evolution«  ,, wozu  ich  sehr  bezeichnende  eigene  Er- 
fahrungen mitteilen  könnte. 

-I  Zugleich  ein  ausgezeichnetes  Beispiel,  in  welchem  Maße  und  in  welcher  Art 
mein  Gegner  seine  eigenen  frülieren  mit  den  meinigen  übereinstimmenden  Ansichten 
zu  verleugnen  pflegt.  Man  vergleiche  hierzu  außer  den  folgenden  Hinweisen  für  den 
besonderen  Fall  auch  dessen  Studien  zur  Descendenz-Theorie  I.  S.  81 .  82. 

3,  Man  vergl.  u.  a.  das  hinten  auf  Seite  44  1.  442  mitgetheilte  Seitenstück  zu  diesem 
Verfahren. 


XVI  Allgemeine  Einleitung. 

Weiterhin  hat  er  im  >Historischen«  seiner  Schrift  auch  meine  Arbeiten 
vollkommen  verschwiegen,  ganz  Nebensächliches  hervorgezogen  und  zu- 
letzt meiner  in  einer  ganz  besonderen  Weise  persönlich   »gedacht«^). 

Ich  empfehle  diesen  seltenen  persönlichen  Angriff  auf  einen  wissen- 
schaftlichen Gegner  der  allgemeinen  Beachtung:  er  enthüllt  allein  die 
innerste  Natur  meines  Widersachers  vollkommen. 

Wer  aber  das  Folgende  gelesen  hat,  der  wird  sich  auch  über  diese 
Handlungsweise  des  Freiburger  Professors  nicht  mehr  wundern:  es  ist 
nur  eine  Methode,  welche  dessen  ganzer,  so  erfolgreicher  —  Dialektik, 
wie  wir  einmal  sagen  wollen,  zu  Grunde  liegt'-). 

Auf  solche  Art  und  Weise  ist  also  endlich  meine  durch  immer  neue 
Wiederholung  meiner  »Großthaten«  bezweckte  Absicht  erfüllt  worden, 
Berücksichtigung  der  Orthogenesis  von  Seiten  des  Vertreters  der  »All- 
macht der  Naturzüchtung«  zu  erlangen. 

Daß  der  Eindruck,  welchen  diese  immerhin  überraschende  Behand- 
lung meines  geistigen  Eigentums  und  der  Wissenschaft  überhaupt  auf 
mich,  den  Zuhörer  in  der  Rede  meines  Gegners  gemacht  hat,  im  Fol- 
genden, insbesondere  in  meinem  Leydener  Vortrag  nachzittert  und  Aus- 
druck findet,  wird  Niemanden  wundern,  der  eine  Empfindung  hat  für 
das  Recht  ehrlicher  wissenschaftlicher  Arbeit. 

Wer  aber  die  Ergebnisse  meiner  Untersuchungen  in  sich  aufgenommen 
und  sorgfältig  nachgeprüft  hat,  der  wird  finden,  daß  ebenso  selten  wie 
die  Methode  meines  Gegners  die  Niederlage  ist,  welche  durch  solche  Mittel 
gestützte  und  zu  zeitweiliger  Anerkennung  gebrachte  Speculationen  durch 
die  unerbittlichen  Thatsachen  erfahren. 


1)  Vergl.  Weisjiann  »Germinalselektion«  S.  65. 
-j  Vergl.  im  Folgenden  insbesondere  auch  S.  442. 


I. 

über  bestimmt  gerichtete  Entwickelimg  (Orthogenesis) 
und  über  Ohnmacht  der  Darwin'schen  Zuchtwahl 

bei  der  Artbildung. 

Vortrag, 

gehalten  auf  dem  dritten  internationalen  zoologischen  Kongreß  zu  Leyden 

am  19.  September   1893. 


D 


Einleitung. 

»"Wir  liaben  .  . .  gesellen,  daß  diejenigen  am 
ersten  dem  Irrtume  unterworfen  waren,  welche 
ein  isoliertes  Faktum  mit  ihrer  Denk-  und  Urteils- 
kraft unmittelbar  zu  verbinden  suchten.« 

Groethe. 

er  folgende  Vortrag  enthält  die  Umrisse  meiner  Anschauungen  über 
den  Vorsaug  der  Transnuitation,  soweit  sie  sich  auf  die  von  mir  aufge- 
stellten  Thatsachen  und  Gesetze  der  bestimmt  gerichteten  Entwickelung 
beziehen,  und  stützt  sich  zum  Beweis  auf  neue  solche  Thatsachen,  welche 
ich  kurz  vorher  als  zweiten  Teil  meiner  »Artbildung  und  Verwandtschaft 
bei  den  Schmetterlingen«  veröffentlicht  hatte.  Der  Vortrag  ist  so  wie  er 
gehalten  worden  schon  in  dem  »Compte-Rendu  des  seances  du  troisieme 
congres  international  de  zoolosrie« '  i  gedruckt.  Er  ist  auch  im  Folgenden 
im  wesentlichen  ganz  so  wiedergegeben,  wie  er  gehalten  worden  ist: 
meine  Arbeit  stützt  sich  auf  objektive  Wahrheit;  ich  hatte  darum  keine 
Veranlassuns; ,  nachträglich  Änderunsen  am  Inhalt  vorzunehmen.  Nur 
habe  ich  im  ersten  Teil  an  der  Form  geändert,  indem  ich  die  Hauptsachen 
übersichtlich  in  einzelne  Absätze  zusammenzog.  Auch  sind  der  Deutlich- 
keit wegen  einzelne  Abänderungen  und  Zusätze  gemacht  worden.  Die 
dem  Vortrag  in  dem  Compte-Rendu;  beigegebenen  Anmerkungen  habe  ich 
zumeist  belassen,  als  den  unmittelbaren  Ausdruck  der  Abwehr  gegen 
einen  Gegner.     Neue  sind  hinzugefügt. 

Es   wird   jene  Abwehr    sachlich    und   persönlich    im  Folgenden    eine 
ausgiebige    Besründuno    finden.      Einen   Beweis    für    die    Notwendigkeit 


i;  Leyden,  E.  J.  Brill  1896. 
Eimer,  Orthogenesis. 


2  Einleitung. 

dei'selben  aber  muß  ich  hier,  abgesehen  von  dem  im  Vorwort  Gesagten, 
schon  noch  vorausschicken:  naclidem  ich  seit  mehr  als  20  Jahren  die 
bestimmt  gerichtete  Entwiciielung  als  ein  allgemeines  Gesetz  durch  zahl- 
reiche Thatsachen  bewiesen,  und  gezeigt  habe,  daß  sie  und  daß  im  be- 
sonderen auch  das  von  mir  aufgestellte  Zeichnungsgesetz,  die  Umbildung 
von  Längsstreifung  in  Fleckimg,  Querstreifung,  Einfarbigkeit  für  die  ver- 
schiedensten Klassen  und  Ordnungen  der  Tiere,  für  Mollusken,  Reptilien, 
Vögel,  Säuger,  auch  in  gewissem  Sinne  für  Schmetterlinge  gilt,  nachdem 
ich  wiederholt  darauf  hingewiesen,  daß  die  von  mir  bei  den  Papilioniden 
beschriebene  gesetzmäßige  Umbildung  der  Zeichnung  für  alle  Tagfalter 
gelte,  sagt  Herr  August  Weismann  in  einer  öffentlichen,  auf  einem  inter- 
nationalen Zoologenkongreß  gehaltenen  Rede,  nachdem  er  einige  bezüg- 
liche Thatsachen  für  die  Schmetterlinge  anerkannt  hat.  Folgendes ^):  »aber 
ich  glaube,  man  sollte  sehr  vorsichtig  sein,  daraus  ohne  weiteres  Gesetze 
zu  machen,  denn  alle  diese  Regeln  der  Zeichnung  gelten  nur  für  kleine 
Formengruppen  und  sind  niemals  durchgreifend,  nur  für  die  ganze  Ord- 
nung oder  auch  nur  für  die  eine  Unterordnung  der  Tagfalter,  ja  öfters 
nicht  einmal  für  eine  ganze  Gattung' maßgebend.  Das  deutet  auf  spezielle, 
nur  in  dieser  Gruppe  wirkende  Ursachen«. 

Das  Letztere  braucht  der  Vertreter  der  Allmacht  der  Naturzüchtung 
für  seine  Lehre,  ja  es  ist  klar,  daß  er  dafür  gar  keine  Gesetzmäßigkeit 
brauchen  kann,  sondern,  was  er  auch  sonst  vertreten  hat  und  noch  ver- 
tritt, nur  den  Zufall,  »der  stets  alle  möglichen  Variationen  bereit  hält«, 
um  für  die  tausend  und  abertausend  verschiedenen  äußeren  Anpassungs- 
bedürfnisse die  nötige  Auslese  zu  treffen. 

Das  Folgende  wird  zeigen,  daß  jedes  Wort  des  vorstehenden  Satzes 
des  Herrn  Weismann  auch  für  die  Schmetterlinge  unrichtig  ist,  und  da 
ich,  wie  gesagt,  das  volle  Gegenteil  durch  zahllose,  Herrn  Weismann  wohl 
bekannte  Thatsachen  längst  bewiesen  habe,  so  kennzeichne  ich  diesen 
Satz  als  dazu  bestimmt,  den  Spekulationen  meines  Gegners,  den  That- 
sachen zum  Trotz  eine  Zeit  lang  weiter  freie  Bahn  zu  schaffen. 

Ebenso  wird  sich  aus  dem  Folgenden  unter  vielem  Anderen  als 
Thatsache  das  vollkommene  Gegenteil  von  dem  als  wahr  ergeben,  was 
der  Redner  weiterhin  behauptet,  indem  er  sagt:  »W^enn  innere  Gesetze 
die  Zeichnung  der  Schmetterlingsflügel  bestimmten,  so  müßten  wir  er- 
warten, daß  sich  irgend  welche  allgemeine  Normen  aufstellen  ließen,  sei 
es  nun,  daß  Ober-  und  Unterseite  der  Flügel  gleich,  sei  es,  daß  sie  ver- 
schieden sein  müßten,  oder  daß  die  Vorderflügel  gleich  oder  anders  gefärbt 
wären  wie  die  Hinterflügel  u.  s.w.  In  Wirklichkeit  aber  kommen  alle  mög- 
lichen Kombinationen  neben  einander  vor  und  keine  Regel  geht  durch«. 

Man  wird  sich  aus  den  späteren  Abschnitten  dieser  Arbeit  überzeugen, 
daß  zwischen  hinten  und  vorn,  unten  und  oben  bei  den  Faltern  stehende 
Gesetzmäßigkeit  die  Umbildungen  beherrscht  und  daß  es  wiederum  voll- 
kommen   gegenstandslos   ist,    wenn   der  Redner,   abermals  um  beliebiger 


1)  »Germinalselektion«  S.  9. 


Einleitung.  3 

Anpassung  freie  Bahn  zu  machen,  die  Behauptung  aufstellt,  es  kämen 
»alle  möglichen  Kombinationen  nebeneinander  vor«.  Daß  das  Gegenteil 
wahr  ist,  beweist  übrigens  schon  die  Gesetzmäßigkeit,  welche  ich  in 
dieser  Beziehung  für  die  Papilioniden  nachgewiesen  habe,  und  es  wider- 
spricht den  Forderungen  wissenschaftlicher  Forschung,  solch  allgemeine 
Behauptung  aufzustellen,  ohne  die  schon  bekannten  Thatsachen  zu  berück- 
sichtigen und  ohne  einen  prüfenden  Blick  auf  die  so  laut  redenden  maß- 
gebenden Naturgegenstände  selbst  geworfen  zu  haben. 

Aber  weiter  muß  ich  mich  schon  hier  aussprechen  gegen  den,  wie 
Herr  Weismann  sagt:  »niederdrückenden  Umstand,  daß  wir  kaum  in  irgend 
einem  in  der  freien  Natur  vorkommenden  Falle  überhaupt  nur  sagen 
können,  ob  eine  beobachtete  Variation  nützlich  ist  oder  nicht<-.i) 

Der  geübte  Dialektiker  will  mit  dieser  einen  berechtigten  Einwurf 
Darwins  übertreibenden  Behauptung  all  die  unzähligen  Thatsachen  ab- 
weisen, welche  zeigen,  daß  die  von  ihm  aufgestellte  »Allmacht  der  Natur- 
züchtung« ein  Trugbild  ist.  Der  »niederdrückende  Umstand«  unserer 
Unfähigkeit,  welchen  der  Freiburger  Zoologe  ins  Feld  führt,  ist  vielmehr 
für  ihn  eine  erlösende  Erfindung,  ein  Ausweg  aus  der  Enge,  in  welche 
ihn  vor  allem  die  von  mir  und  Anderen  festgestellten  Thatsachen  über 
bestimmt  gerichtete  Entwickelung  bringen  mußten.  Denn  diese  That- 
sachen führen  eine  Unzahl  von  Eigenschaften  und  Umbildungen  von  Eigen- 
schaften vor,  welche  in  den  Augen  eines  jeden  Unbefangenen  ebenso- 
viele  unwiderlegliche  Beweise  gegen  irgendwelche  Anpassung  liefern. 

Es  ist  nicht  Alles  angepaßt. 

Dies  geht  schon  daraus  hervor,  daß  die  oft  ganz  verschieden  ge- 
zeichneten,  bezw.  auch  gefärbten.  .Jungen,  Weibchen  und  Alten  von 
Tieren,  daß  die  unter  ähnlichen  und  wieder  unter  den  verschieden- 
sten äußeren  Verhältnissen  lebenden  verschiedenen  Arten  dieser  Tiere 
und  insbesondere  auch  der  Schmetterlinge  verschiedene  und  ähnliche 
ganz  bestimmte  Zeichnungsmuster  tragen,  welche  eben  nur  auf  gesetz- 
mäßige bestimmt  gerichtete  Umbildung  zurückzuführen  sind,  als  Ausdruck 
derselben  erscheinen.  -)  —  Fische  ^)   im    Wasser,  Lurche   und   Mollusken 

'}  Ebenda  und  »AHmacht  der  Naturzüchtung«  S.  27. 

-)  Man  vergleiche  übrigens  die  im  Vortrag  selbst  zusammengestellten  Beweis- 
gründe, insbesondere  S.  35. 

3;  Gerade  Fische  zeigen  die  typischen  Arten  der  Zeichnung  in  ausgesprochenster 
Weise  und  ebenso  die  Umbildung  derselben  während  ihres  Wachsens.  Die  Aale  z.  B. 
sind  in  der  Jugend  längsgestreift.  Acerina  Schraitzer,  Cobitis  fossilis  tragen  diese 
Zeichnung  zeitlebens,  Cobitis  barbatula  und  taenia,  Salmoniden,  Lota  vulgaris  u. s.w. 
sind  erwachsen  gefleckt,  Perca  fluviatilis,  Lucioperca  sanclra,  wie  auch  die  Aspro-Arlen 
quergestreift.     Die  Hechte  {Esox  lucius    sind  zuerst  längsgestreift,  dann  gefleckt. 

Zahllose  Beispiele  bieten  die  Meerfische,  insbesondere  auch  für  L'mbildung  der 
Zeichnung  während  des  Lebens. 

Junge  Lurche,  wie  Tritonlarven,  sind  in  der  Jugend  auf  das  Schönste  längs- 
gestreift, manche  bleiben  gestreift  oder  gefleckt.  Nach  einer  Photographie,  welche  ich 
Herrn  Dr.  Sobotta  in  Würzburg  verdanke,  geht  auch  beim  jungen  Menobranchus  lateralis 
Längsstreifung  in  Fleckung  über.  Bezüglich  anderer  Amphibien  habe  ich  mich  schon 
in  »Variiren  der  Mauereidechse«  geäußert.    Bei  Schlangen  ist  nach  den  Untersuchungen 

1* 


Einleitung 


e- 


im  Wasser  und  auf  dem  Lande,  Reptilien  und  Säuger,  Raupen,  Insekten 
und  Vögel,  auf  dem  Land  und  in  der  Luft:  alle  zeigen  dieselbe  Ge- 
setzmäßigkeit der  Zeichnung.  Insbesondere  im  »Variiren  der  Mauer- 
eidechse« (S.  234  ff.)  habe  ich  und  ebenso  in  der  »Entstehung  der  Arten« 
(S.  72)  darauf  hingewiesen,  daß  auch  zahllose  andere  Eigenschaften  an 
Tieren  unmöglich  nützlich  sein  können.  Mit  Bezug  auf  die  Schnecken- 
gehäuse stellte  ich  damals  die  Frage:  »warum  die  zierlichen  Skulpturen, 
Zeichnungen  und  Farben  der  Schneckengehäuse,  welch  letztere  noch  da- 
zu meist  zeitlebens  vom  Schlamm  oder  Schmutz  bedeckt  sind  und  deren 
Zeichnungs-  und  Farbenzierden  sogar  oft  erst  nach  dem  Polieren  her- 
vortreten?« In  der  »Entstehung  der  Arten«  sagte  ich  (S.  38)  u.  A.: 
»Wäre  der  unter  dem  Mantel  vollkommen  verborgene  Perlmutterglanz 
der  inneren  Fläche  der  Muschelschalen  an  der  äußeren  Fläche  glänzend 
sichtbar,  so  würde  man  ihn  wohl  als  nützlich  deuten.  Dahin  gehört 
auch  das  schwarze  und  das  silberglänzende  Bauchfell  von  Fischen  u.  a. ... 
nichts  Prachtvolleres  an  Farbe  kann  es  ja  geben,  als  das  Farbenspiel  des 
Labradorsteins  —  ist  dieses  dem  Stein  und  sind  Farbe  und  Glanz  dem 
Golde  und  zahllosen  Mineralien  nützlich,  sind  sie  nützlich  der  Seifen- 
blase?« —  Zuerst  habe  ich  auf  der  Naturforscherversammlung  zu  Straß- 
burg (1885)  und  zwar  an  der  Hand  von  Abbildungen  auf  die  bestimmt 
gerichtete,  gesetzmäßige  Umbildung  der  Zeichnung  bei  GehäuseschneckeD 
des  Meeres  hingewiesen  (vergl.  Tageblatt  S.   408) i). 


von  Jonathan  Zenneck  (Ztschr.  f.  w.  Zool.  LVIII.  Bd.  Tüb.  zool.  Arbeilen  I.  2,  1894  die 
früheste  Zeichnungsstufe,  die  Längsstreifung,  schon  überwunden  und  tritt  von  vorn- 
herein in  Längsstreifen  gelagerte  Fleckung  auf.  Nach  Zf.nneck  liegt  die  Ursache  der  Längs- 
zeichnung in  der  ursprünglichen  Anordnung  der  Blutgefäße.  H.  Simroth 
und  Gräfin  Linden  nehmen  solche  Beziehungen  auch  für  Mollusken  an. 

Früher  (»Variiren  d.  Mauereidechse«  S.  203  ff.)  habe  ich  die  Frage  aufgeworfen,  ob 
nicht  die  verschiedenen  Zeichnungsstufen  als  Anpassungen  an  die  im  Laufe  der  geologi- 
schen Epochen  veränderte  —  einst  mehr  monokotyledonische  —  Pflanzenwelt  aufzufassen 
seien,  habe  aber  damals  selbst  schon  Einwände  gemacht.  Eine  übrigens  sehr  hübsche, 
an  Thatsachen  und  entsprechenden  Schlußfolgerungen  reiche  Schrift  von  A.  Sokolowsky: 
Über  die  Beziehungen  zwischen  Lebensweise  und  Zeichnung  der  Säugetiere,  Züricli 
1 89ö,  sucht  diesen  Gedanken  auf  die  Erklärung  der  Säugetierzeichnung  anzuwenden, 
indem  er  die  kryptogamische  Pflanzenwelt  als  ursprüngliches  Vorbild  nimmt. 

Nach  den  zahlreichen  inzwischen  bekannt  gewordenen  bezüglichen  Thatsachen 
erscheint  die  Annahme  einer  Anpassung  der  verschiedenen  Zeichnungsarten  in  einzelnen 
Fällen  wohl  als  möglich  und  wahrscheinlich,  in  der  Mehrzahl  derselben  aber  als  aus- 
geschlossen. Gerade  auch  die  Zeichnung  der  Fische  spricht  gegen  eine  solche  Ver- 
allgemeinerung. 

1)  Der  anwesende  Herr  August  Weismann  wendete  sich  auch  damals  gegen  innere 
treibende  Ursachen  der  Umbildung,  indem  er  sagte:  auch  die  intei'essanten  EiMEa'schen 
Beobachtungen  gäben  dazu  keinen  Anlaß,  Ursachen,  welche  ich  —  im  Sinne  Nägeli's 
—  ja  niemals  angenommen  und  auch  in  Straßburg  nicht  vertreten  hatte.  Ich  hatte 
vielmehr  die  Konstitution  als  maßgebend  für  die  Thatsache  der  Entwickelung  nach 
wenigen  bestimmten  Richtungen  erklärt  —  als  Anstoß  für  die  Umbildung  aber  schon 
lange  vorher  [»Lacerta  muralis  caerulea«,  »Variiren  der  Mauereidechse«)  äußere  Ein- 
flüsse und  zwar  Klima,  Nahrung  angenommen,  während  bei  den  Meeresmollusken.  Fora- 
miniferen  etc.  der  Einfluß  des  Salzwassers  und  bestimmte  im  Laufe  der  Zeit  vor  sich 
gehende  Veränderungen  desselben  mitbestimmend  auf  Skulptur  und  Gestalt  sein  dürften. 


Einleitung.  5 

Herr  Weismanx  sagte  nach  dem  »Tageblatt«:  »bis  jetzt  wird  nichts 
der  Vermutung  entgegenstehen,  daß  auch  diese  Zeichnungen  mindestens 
zu  einem  Teil  auf  Anpassungen  an  die  Lebensbedingungen  beruhen.« 
Worin  diese  »Anpassungen«  von  Zeichnungen  liegen  könnten,  welche, 
unter  der  Epidermis  gelegen,  gar  nicht  von  aaßen  sichtbar  sind,  erklärte 
derselbe  auch  damals  nicht  und  trotz  wiederholtem  Hinweis  auf  die 
Thatsache  ist  er  diese  Erklärung  bis  auf  den  heutigen  Tag  schuldig 
geblieben. 

Inzwischen  hat  meine  Schülerin  Gräfin  Maria  von  Linden,  durch  ihre 
Untersuchungen  über  die  Skulptur  und  Zeichnung  der  Gehäuseschnecken 
des  Meeres ')  die  Unmöglichkeit  von  Anpassung  der  bezüglichen  Eigen- 
schaften dieser  Tiere  ins  Einzelne  gezeigt,  nachdem  H.  Simroth  das 
allgemeine  Zeichnungsgesetz  auch  für  die  Nacktschnecken  2)  mit  Be- 
weis belegt  —  wo  mir  Thatsachen  übrigens  längst  aufgefallen  waren ^), 
wie  ich  denn  dieses  Gesetz  schon  vor  fünfzehn  Jahren  für  ein  allgemeines 
erklärte. 

Heute  möchte  ich  noch  eine  andere  auf  Mollusken  bezügliche  That- 
sache der  Erklärung  durch  »Allmacht  der  Naturzüchtung«  empfehlen. 
Am  Straßenrand  im  Grase  bei  Bordighera  las  ich  im  Umkreis  von  weni- 
gen Schritten  einige  hundert  Helix  pisana  auf,  unter  welchen  Gräfin 
Linden  nicht  weniger  als  dreiundfünfzig  unter  einander  zusammenhängende 
Zeichnungsvarietäten  feststellte ,  indem  die  Binden  sich  in  verschiedener 
Weise  vereinigen  oder  ausfallen,  wie  dies  in  einfacherer  Art  auch  bei 
Helix  hortensis  und  nemoralis  gegeben  ist.  Wo  liegt  wohl  der  Selektions- 
wert für  alle  dreiundfünfzig?  Ich  erinnere  mich  irgendwo  gelesen  zu 
haben,  daß  ein  englischer  » Selektionsfanatiker <;  denselben  darin  gesucht 
hat,  daß  die  —  gestreiften  Schnecken  am  Grase,  indem  sie  diesem  gleichen, 
einen  Vorteil  vor  den  weidenden  Schafen  hätten  —  vielleicht  weil  diese 
Kräuter  dem  Grase  vorziehen?  —  Wahrscheinlich  wird  dies  dem  Frei- 
burger Vertreter  der  Zoologie  voll  genügen,  nachdem  derselbe  zu 
Gunsten  seines  Selektionsbedürfnisses  neuestens  sogar  auf  »fiktive«  Be- 
weise verfallen  ist. 

Inzwischen  sind  auch  die  schönen  Untersuchungen  über  Ammoniten 
{Arietidae)  von  Hyatt  erschienen,  welche  so  schlagende  Beispiele  für 
Orthogenesis  und  für  eine  Fülle  nicht  nützlicher  Eigenschaften,  die  Skulp- 
tur betreffend,  geben ^j.     Weitere  solche  Beispiele  mögen  hier  folgen: 


1;  Vgl.  Gräfin  Maria  von  Linden:  Die  Entwickelung  der  Siiulptur  und  der  Zeich- 
nung bei  den  Gehäusesctinecken  des  Meeres,  Zeitschr.  f.  wissenscb.  Zoologie  LXI.  Bd. 
(Tübinger  Zoolog.  Arbeiten  Bd.  II  TSV.  \ ).     Inaug.  Diss. 

"-)  H.  Simroth:  Versuch  einer  Naturgeschichte  der  deutschen  Nacktschnecken 
und  ihrer  europäischen  Verwandten.     Zeitschr.  f.  wissensch.  Zoologie  XLII.  Bd. 

3  Schon  im  »Variiren  der  Mauereidechse«  (S.  204)  und  in  der  »Entstehung  der 
Arten«  I  (S.  63)  wies  ich  auf  die  Längsstreifung  des  jungen  Arion  empiricorum  und  an- 
derer junger  Nacktschnecken  hin. 

^;  A.  Hyatt,  Genesis  of  the  Arietidae.  Washington  1889.  Derselbe.  Proceed.  Araer. 
Phil.  Soc.  Vol.  XXXII  no.  143,  1895:  Phylogeny  of  acquired  characteristic. 


()  Einleitung. 

In  diesem  Jahre  hat  Herr  Gymnasialprofessor  Diez  in  Reutlingen  in 
meinem  Laboratorium  die  Skulptur  dei*  Flügeldecken  der  Carabiden 
untersucht  und  hat  auch  hier  eine  ganz  gesetzmäßige  orthogenetische 
Umbildung  und  zwar  mit  postero-anteriorem  und  infero-superiorem  Fort- 
schreiten festgestellt. ') 

Man  untersuche  die  Flügeldecken  anderer  Käferfamilien  und  man 
wird  wohl  überall  dasselbe  finden.  So  habe  ich  mich  mit  der  Gattung 
Ualtica  in  Beziehung  auf  diese  Verhältnisse  beschäftigt,  Käfer,  deren 
Arten  gerade  darauf  begründet,  welche  aber  deshalb  sehr  schw-er  zu 
bestimmen  sind,  weil  die  bezüglichen  Eigenschaften  so  fein  sind,  dass 
man  sie  nur  mit  der  Lupe  erkennt  und  dass  sie  zum  Teil  gar  nicht 
zur  Ausbildung  kommen.  Auch  die  verschiedene  Farbe  dieser  kleinen 
Käfer  ist  zuweilen  nur  mit  Hülfe  der  Lupe  zu  erkennen.  So  ist  es  z.  B. 
bei  //.  euphorhiae  und  H.  atrovirens  ^  von  welch  ersterer  die  Farbe  als 
schwarzblau  angegeben,  während  die  letztere  als  metallisch  oder  schwarz- 
grün bezeichnet  wird.  Diese  Käfer  sind  nur  etwa  2  mm  lang.  Auch 
die  Skulptur  ihrer  Flügeldecken  ist  schwer  festzustellen  wegen  ihrer 
Feinheit:  atrovirens  isi  ei\ydiS  runzelig,  eu/;Aor6/ae  nicht  runzelig  punktiert. 
Andere  solche  Merkmale,  nach  welchen  die  Arten  bestimmt  werden,  sind: 
H.  erucae,  Seitenrand  mit  einer  erhabenen  Längsfalte  und  innerhalb  der- 
selben mit  einer  Furche;  fein  zerstreut  punktiert.  Flügeldecken  an  der 
Wurzel  viel  breiter  als  der  Halsschild.  //.  consobrina:  äußerst  fein  zer- 
streut punktiert,  Flügeldecken  an  der  Wurzel  bedeutend  breiter  als  der 
Hinterrand  des  Halsschildes,  mit  rechtwinklig  vorragenden  Schultern  und 
deutlich  abgesetzter  Schulterbeule.  H.  oleracea:  Fein,  aber  deutlich 
punktiert.  Querfurche  des  Halsschildes  tief  und  fast  gerade.  Flügel- 
decken an  der  Wurzel  nur  wenig  breiter  als  der  Hinterrand  des  Hals- 
schildchens. 

Wir  sind  nun  in  der  That  nicht  im  Stande,  den  Selektionswert 
aller  dieser  feinsten,  zum  Teil  kaum  mit  der  Lupe  sichtbaren  Artmerk- 
male zu  erkennen,  ebenso  wie  vom  Standpunkt  der  Auslese  nicht  zu 
erklären  ist,  warum  diese  und  zahlreiche  andere  Käferarten,  z.  B.  unter 
den  Chrysomeliden,  auf  demselben  Untergrund  in  bald  erzgrünen  oder 
goldgrünen,  bald  blauen  oder  schwarzen,  bald  violetten  Stücken  vor- 
kommen. 

Haltica  erucae,  welche  gewöhnlich  blau  ist,  kommt  auch  erzgrün 
vor,  wie  gewöhnlich  oleracea  ist,  und  diese  wiederum  ist  zuweilen  blau. 
IL  consobrina  steht  in  der  Farbe  meist  zwischen  blau  und  erzgrün, 
kommt  aber  blau  und  erzgrün  vor.  //.  erucae  ist  meist  größer,  als  die 
übrigen  Arten,  kommt  aber  auch  so  klein  wie  sie  vor  und  unterscheidet 
sich  dann  fast  gar  nicht  von  oleracea  u.  s.   w. 


ij  Vgl.  R.  Diez  in:  Programm  des  K.  Gymnasium  in  Reutlingen  zum  Schlüsse 
des  Schuljahres  1894/93.  Reutl.  Buchdruckerei  von  Ebner  und  Leib  Nachfolger  '1896 
(mit  1  Tafel  Abbildungen).  Der  Aufsatz  wird  in  verkürzter  Form  demnächst  in  den 
»Tübinger  zoologischen  Arbeiten«  erscheinen. 


Einleitung.  7 

Auch  in  den  hier  und  bei  anderen  Käfern  auftretenden  Farben- 
al)arten  handelt  es  sich,  wie  in  den  Skulpturen,  überall  um  gesetzmäßige, 
bestimmt  gerichtete  Umbildungen:  es  können  von  einer  und  derselben 
Art,  in  einer  und  derselben  Gattung  immer  nur  gewisse  wenige  Farben- 
abänderungen auftreten,  nicht  alle  möglichen.  Dasselbe  gilt,  wie  wir  sehen 
werden,  auch  für  die  Schmetterlinge,  wo  eine  bestimmte  Farbenfolge  in 
überraschender  Weise  stattfindet. 

Über  die  Zeichnung  der  Käfergattuug  Zonahris  Harold  hat  Herr 
K.  Escherich  in  Regensburg  Untersuchungen  gemacht,  deren  Ergebnisse  von 
ihm  in  folgenden  Sätzen  zusammengestellt  werden'): 

»1.  In  der  Gattung  »Zonabris  Harold«  sind  4  Hauptzeichnungsfor- 
men zu  beobachten: 

a)  Längsstreifung,  b)  Fleckenzeichnung,  c)  Querstreifung,  d)  Ein- 
farbigkeit; und  zwar  treten  diese  in  der  Reihenfolge  auf,  daß  die  Längs- 
streifung die  ursprüngliche  Zeichnung  ist,  und  aus  dieser  sich  die 
Fleckenzeichnung,  dann  die  Querstreifung,  und  endlich  Einfarbigkeit 
entwickelt. 

2.  Diejenigen  Arten,  die  die  Übergänge  zwischen  zwei 
der  oben  genannten  Hauptzeichnungsformen  bilden,  sind  in 
Bezus:  auf  die  Zeichnung  sehr  unbeständig,  während  im  Ge- 
gensatz  diejenigen  Arten,  die  eines  der  4  Stadien  in  reiner 
Form  darstellen,  in  Bezug  auf  die  Zeichnung  sehr  konstaut 
sind 

3.  Die  ursprüngliche  Zeichnung,  die  Längsstreifung,  er- 
hält sich  am  längsten;  die  Veränderungen  treten  zuerst  an 
der  Flügeldecken  -  Spitze  auf.  von  wo  sie  allmählich  nach 
vorne  rücken  

4.  Die  Stellung  der  Makeln  steht  in  deutlicher  Beziehung 
zur  Lage  der  Haupttracheenstämme. 

Diese  vier  Schlüsse,  welche  sich  aus  unseren  Betrachtungen  über 
die  Gattung  Zonahris  ergaben,  stimmen  genau  mit  dem  überein, 
was  Eimer  bei  seinen  Studien  über  die  Variationen  der  La- 
certa  muralis  und  der  Papi Honen  fand.« 

Herr  Escherich  hebt  hervor,  daß  nur  Satz  2  (Über  die  Unbeständig- 
keit der  Zwischenformen)  von  mir  nicht  in  dieser  bestimmten  Fassung 
ausgesprochen  sei.  Dies  ist  vollkommen  richtig:  die  Thatsache  ist  sehr 
merkwürdig  und  verdient  und  verlangt  eine  Erklärung;  sie  findet  sich 
aber  eben  nicht  bei  allen  Tieren  so  ausgesprochen  wie  gerade  bei  gewissen 
Käfern  und  anderen  Insekten,  besonders  eben  bei  Insekten  mit  vollkom- 
mener Verwandlung,  bei  welchen  auch  die  jugendlichen  Stufen  der  Zeich- 
nung wegfallen.  Die  Erklärung  muß  in  den  Ursachen  der  Entstehung 
der  Zeichnungsarten  gesucht  w^erden  und  sie  liegt  in  dem  Falle  mit  den 
Käfern    vielleicht   nahe ,   wenn   hier   die  Zeichnung   in  Beziehung    zu  den 


1;  K.  Escherich:    Über  die  Gesetzmäßigkeit   im  Abändern  der  Zeichnung  bei  In- 
sekten.    Deutsche  ent.  Zeitschrift   189-2  8.  128  f. 


8  Einleitung 


Haiipttracheenstämmen  steht  —  ebenso  dann,  wenn  sie  in  Beziehung  zu 
Blutgefäßen  steht  'j. 


1;  Herr  Escherich  hat  die  ganze  Zeichnungsfrage  und  deren  Bedeutung  in  seiner 
kleinen  Schrift  mit  großer  Sachkenntnis  boiiandelt,  indem  er  auf  die  Frage  von  den 
konstitutionellen  Ursachen  der  Lnibildung  bozw.  der  bestimmt  gerichteten  Entwicke- 
lung  überhaupt  eingeht  und  dieselbe  auch  auf  pathologische  Veränderungen  anwendet, 
welche  er  ebenso  als  Wechselwirkung  zwischen  äußeren  Einflüssen  und  der  stoff- 
lichen Zusammensetzung  des  Körpers  bezeichnet.  Wenn  die  Entomologen  so  gut 
verstanden  haben,  welche  Ursachen  der  Umbildung  ich  annehme,  und  wenn  sie  die 
Bedeutung  der  ganzen  Frage  so  gut  verstehen  (denn  dies  gilt  auch  für  andere  als 
Herrn  Escherich  so  darf  wohl  dasselbe  auch  von  Herrn  Augist  Weisma>n  voraus- 
gesetzt werden,  umsomehr  als  die  Ansichten  des  früheren  Herrn  August  Weismank 
mit  den  meinigen  dergestalt  übereinstimmen,  daß  Herr  Escherich  uns  einfach  als 
Parteigänger  friedlich  zusammenstellt.  Die  späteren  Wandlungen  meines  heutigen 
Gegners  sind  demselben  ollenbar  nicht  bekannt  und  so  hat  jene  Zusammenstellung, 
bei  welcher  auch  noch  N.\geli  inbegriffen  ist,  eine  etwas  komische  Wirkung.  Escherich 
beruft  sich  dabei  auf  die  Ansichten,  welche  Weisjiann  1868  und  1875  aussprach  in  seiner 
Schrift  »über  die  Berechtigung  der  ÜARwiN'schen  Theorie«  und  in  seinen  »Studien 
zur  Descendenzlehre«,  hebt  demgemäß  hervor,  daß  wir  alle  drei  bestimmt  gerichtete 
Entwickelung  auf  Grund  von  konstitutionellen  Ursachen  annehmen,  und  führt  weiter 
die  Worte  Weisjiann's  (Descendenztheorie  U  S.  IIQ)  an:  »Man  darf  nicht  vergessen, 
wie  die  Produkte  der  Naturzüchtung  in  erster  Instanz  von  den  Variationen  abhängen, 
welche  der  betreffende  Organismus  der  Naturzüchtung  bietet,  daß  die  Zahl  der  mög- 
lichen Variationen  für  jede  Art  zwar  sehr  groß  sein  mag,  keineswegs  aber  unbegrenzt 
ist.  Es  muß  für  jede  Art  auch  unmögliche  Variationen  geben.  Ich  meine  deshalb, 
daß  die  physische  Natur  einer  jeden  Art  eine  nicht  minder  wichtige  Rolle  bei  der 
Hervorbringung  neuer  Charaktere  spiele,  als  Naturzüchtung,  welche  doch  immer  erst 
mit  den  Ausflüssen  jener  physischen  Natur,  nämlich  mit  den  Variationen  operieren 
und  Neues  schaffen  kann.« 

Es  geht  allein  aus  diesen  Worten  meines  heutigen  Widersachers  klar  hervor, 
daß  derselbe  vor  zwanzig  Jahren  ganz  derselbe  »erbitterte  Gegner  Darwin's«  gewesen 
ist,  als  welchen  er  mich  heute  bezeichnet,  und  sicherlich  hat  mir  der  frühere  Herr 
August  Weismann  von  rechtswegen  dafür  Dank  zu  sagen,  daß  ich  ihn  gegen  den  beu- 
tigen verteidige  —  dieser  mein  Anspruch  wird  noch  hinreichend  weitere  Begründung 
finden.  Dazu  kommt  aber,  daß  sich  Herr  August  Weismann  in  seiner  Anerkennung 
bestimmt  gerichteter  Entwickelung  im  Jahre  1875  auf  meine  ein  Jahr  vorher  erschie- 
nenen »interessanten«  Untersuchungen  über  Lacerta  nmralis  caerulea  berufen  und 
darauf  gestützt  hat. 

Weismann  spricht  auch  damals  übrigens,  wie  Escherich  hervorhebt,  im  Gegen- 
satz  zu  Nageli   und  mir  von  einer  großen  Anzahl   bestimmter  Variationsrichtungen. 

Ich  ergreife  hier  die  Gelegenheit,  auch  etwas  weiteres  über  die  Beziehungen  der 
N.vGELi'schen  Auffassung  zu  der  meinigen  beizufügen.  Nägeli  gründet  wohl  die  be- 
stimmt gerichtete  Entwickelung  auf  die  Konstitution,  welche  nur  Umbildungen  nach 
W"enigen  Richtungen  gestatte,  und  er  vergleicht  wie  ich  dieselben  mit  der  Entstehung 
bestimmter  Krystallformen  aus  der  Mutterlauge.  «■)  Er  nimmt  aber  für  die  höheren 
Lebewesen  keine  äußeren  Einwirkungen  als  Ursachen  der  Umbildung  an.  Nach  meiner 
Ansicht  wirken  äußere  Einllüsse  auf  die  Konstitution  der  Organismen  wegen  deren 
Verschiedenheit  verschieden  und  erzeugen  so  bestimmte  Entwickelungsrichtungen. 
Was  ich  »innere  Ursachen«  nenne,  sind  physikalisch-chemische,  bezw.  physiologische 
Ursachen.  Die  ganze  Umbildung  ist  nach  meiner  Auffassung  ein  physiologischer  Prozeß, 
»organisches  Wachsen«.  Nägeli  dagegen  nimmt  an,  daß  sich  che  Organismen  infolge 
ihrer  verschiedenen   stofflichen   Zusammensetzung   aus   sich   heraus    auf  Grund   eines 


a)  Vgl.  m.  Entstehung  der  Arten  1  S.  23. 


Einleitung.  9 

Die  Tbatsachen,  welche  Esciierich  für  die  Zonabris  feststellt,  lassen 
sich  auch  an  zahlreichen  anderen  Käfergattungen  bestätigen.  Zuweilen 
stehen  die  Arten  derselben  zumeist  oder  durchaus  noch  auf  der  Stufe 
der  Längsstreifung  oder  auf  der  der  Fleckung  oder  sie  sind  zur  Quer- 
streifung vorgeschritten.  Die  meisten  Arten  sind  sehr  l)eständig  in  der 
erlangten  Zeichnungsfonn,  andere  sind  im  Übergang  begriffen.  Ich  will 
nur  einige  Thalsachen  hervorheben: 

Coccinella  ist  hell  mit  schwarzen  Punkten  oder  dunkel  mit  hellen 
Punkten.  Manchmal  vereinigen  sich  die  schwarzen  Punkte,  so  daß  nur 
helle  Flecke  in  einem  dunklen  Netze  übrig  bleiben,  eine  Art  verbundener 
Quer-  und  Längsstreifung.  Bei  C.  variabilis  finden  sich  alle  Übergänge 
von  ungezeichneten  Tieren  durch  schwarzgefleckte  bis  zu  schwarzgenetzten 
mit  3  Querstreifen.  Auch  C.  bipunctata  ändert  von  roten  schwarz  ge- 
punkteten bis  zu  schwarzen  rot  gepunkteten  ab. 

C.  (Epilachna)  globosa  ist  rotgelb  mit  vielen  schwarzen  Punkten  oder 
das  Schwarz  ist  zusammengeflossen,  so  daß  rote  Punkte  übrig  bleiben, 
oder  sie  ist  einfarbig  rotgelb. 

Chrysomeliden:  man  triff't  zuweilen  noch  eine  Fleckenzeichnung, 
w'elche  ganz  der  der  Coccinelliden  entspricht,  und  diese  Fleckenzeichnuug 
kann  in  Querstreifung  übergehen,  so  daß  3  Querbinden  auf  den  Flügel- 
decken entstehen.  Das  Grundschema  der  Zeichnung  bilden  schwarze 
Längslinien,  welche  hauptsächlich  amerikanische  Formen,  z.  B.  Doryphora 
10-lineata  zeigen.  Meist  sind  die  Chrysomeliden  aber  einfarbig.  Die 
Clythra-Ar\en  haben  gelb-  oder  rotbraune  Flügeldecken  mit  schwarzen 
Punkten  oder  Flecken. 

Chrysomela  ist  meist  noch  längsgestreift,  so  entsprechen  die  blauen, 
grünlich  eingefaßten  Streifen  von  Chr.  cerealis  den  schwarzen  von  Dory- 
phora  10-lineata. 

Gonioctena  mit  rotbrauner,  rotgelber  oder  roter  Grundfarbe  zeigt 
zuweilen  noch  die  der  der  Coccinellen  entsprechende  F'leckenzeichnung, 
so  z.  B.  G.  6-punctata.  Auch  bei  Lma-Arten  z.  B.  L.  20-punctata  kommt 
solche  Fleckenzeichnung  vor. 

L.  lapponica  hat  Flügeldecken  mit  einer  mittleren  schwarzen  Quer- 
binde und  vorn  und  hinten  je  einen  groben  schwarzen  Fleck,  der 
hintere  ist  nach  innen  geöffoet  c-förmig. 

Auch  Lema-Arten  sind  zuweilen  Coccinellen  ähnlich  gezeichnet,  z.  B. 
L.  r2-punctata;  L.  asparagi  dagegen  zeigt  nur  6  Flecke  in  der  Grund- 
farbe, weil  bei  ihr  3  dunkle  Querbinden  entstanden  sind,  welche  der 
schwarze  Nahtstreifen  durchkreuzt. 

Bei  Cerambyciden  finden  sich  häufig  dunkle  Querbinden  oder 
Flecken  auf  den  Flügeldecken,   bisweilen  zeigen  sich   helle  mondartige 


»Vervolllvominnungsprincips«  umljilden,  und  zwar  nur  nach  vorwärts,  zu  höherer 
Yolllvommenheit.  größerer  Zusammensetzung,  aus  »inneren  Ursachen«,  welche  in  seinem 
Sinne  der  Annahme  einer  Lebenskraft  gleichkommen  —  die  »inneren  Bildungsgesetze«, 
welche  Herr  ^Veismann  mir  immer  zuschreiben  will  (vgl.  dagegen  auch  m.  Entstehung 
der  Arten  I  S.  1  6  ff.). 


10  Einleitung. 

Zeichnungen  auf  dunklem  Grunde,  selten  ist  Längsstreifung  z.  B.  bei 
Dorcadion  molitor  var.  lineola. 

Bei  den  Curculioniden  finden  sich  Längsstreifung,  Bildung  heller 
Flecken,  namentlich  durch  stellenweise  helle  Behaarung.  Eigentliche 
Querstreifung  ist  selten,  dagegen  Einfarbigkeit  häufig. 

Unter  den  Lamellicorniern  finden  wir  bei  den  Cetonien  noch 
Längsstreifung,  welche  aber  nach  hinten  in  Fleckung  und  teilweise  Quer- 
streifuDg  übergehen  kann:  postero-anteriore  Umbildung  (Cef.  semipunctata 
vom  Cap).     Außerdem  zeigt  sich  Fleckung  und  Querstreifung. 

Bei  den  Clavicorniern  finden  wir  hauptsächlich,  wenn  Zeichnung 
vorhanden  ist,  Querbinden,  seltener  Flecken. 

Bei  den  Buprestiden  kommt  bei  sonst  häufiger,  gewöhnlich  mit 
Metallglanz  verbundener  Einfarbigkeit,  Längsstreifung,  Fleckung  und 
Querstreifung  vor. 

Auch  die  Dytisciden  zeigen  alle  drei  Zeichnungsformen  mit  vielen 
Übergängen. 

Die  Carabiden  bieten  nur  selten  Zeichnung  dar,  dagegen  zeigen 
die  Cicindelen  sehr  häufig  namentlich  Fleckung  und  Querzeichnung. 

Ganz  dieselben  Verhältnisse  der  Zeichnung  bezw.  gesetzmäßige  Um- 
bildung derselben  sind  in  letzter  Zeit  durch  Herrn  H.  Salier  aus  Augs- 
burg in  meinem  Laboratorium  für  die  Schildwanzen  fest£;estellt  worden. 

Die  Zeichnung  und  die  Skulptur  der  Flügel  und  Gehäuse  von  Tieren, 
die  Zeichnung  der  Haut  überhaupt,  der  Haare  und  Federn  aber  deutet 
auf  entsprechend  gesetzmäßige  innere  Umbildungsarbeit  des  Organismus 
—  sie  verhält  sich,  wie  ich  wiederholt  hervorgehoben  habe,  zu  diesem 
Innern  wie  der  Titel  eines  Buches   zum  Inhalt. 

Für  meine  Auffassung  höchst  wichtige  Thatsachen  hat  ferner  Herr 
Franz  Leuthner  ^)  für  die  Käferfamilie  der  Liicaniden  bekannt  gegeben. 
.  Es  geht  aus  seiner  Arbeit  hervor,  daß  die  Arten  durch  Herrschend- 
werden bestimmter  gesetzmäßig  aufgetretener  Abänderungen  entstanden 
sein  müssen,  wie  ich  das  für  die  Papilioniden  unter  den  Schmetterlingen 
gezeigt  habe. 

Auch  hier  handelt  es  sich  bei  der  Artbildung  wesentlich  um  Eigen- 
schaften, welche  keine  besondere  biologische  Bedeutung  haben  und 
welche  für  die  Tiere  ohne  irgend  welchen  Nutzen  sein  müssen,  und  zwar 
handelt  es  sich  um  bestimmt  gerichtete  Entwickelung  der  verschieden- 
sten äußeren  morphologischen  Eigenschaften. 

Für  die  Pflanzen  ist  es  zuerst  von  Nägeli  nachdrücklich  hervorgehoben, 
daß  gerade  die  artbildenden  Eigenschaften  wesentlich  nur  morphologische 
und  zwar  solche  sind,  welche  mit  dem  Nutzen  nichts  zu  thun  haben 
können. 


1)  Franz  Leuthner:  A  monograph  of  the  Odontolabini,  a  subdivision  of  the  Cole- 
opterous  family  Lucanidae,  Transact.  zool.  Soc.  London  vol.  XI  -1885  S.  38ü  IT. 


Einleitung.  1 1 

Der  Darwinismus  aber  wollte  die  En  ts  tehung  der  Arten  erklären, 
nicht  allein  das  Überleben  des  Nützlichen,  wie  man  jetzt  zuweilen  sagen 
hört,  und  das  Nützliche  soll  nach  ihm  eben  diese  Entstehuns  mit  Hilfe 
der  Auslese  bedingt  haben.  Der  Afterdarwinismus  des  Herrn  Augcst 
Weismanx  lehrt  die  Allmacht  der  Naturzüchtung.  Sein  Vertreter  weiß 
mit  all  den  hier  mitgeteilten  Thatsachen  —  für  seine  Ansichten 
nichts  anzufangen.  Darum  hilft  er  sich  mit  dem  Satze,  wir  seien  außer 
Stande,  den  Selektionswert  bestimmter  Eigenschaften  zu  erkennen. 

.Je  mehr  man  die  systematischen  Merkmale  der  Arten  von  Pflanzen 
und  Tieren  auf  Nutzen  und  auf  Orthogenesis  untersuchen  wird,  um  so 
mehr  wird  man  auf  Grund  dieser  Aufstellung  des  Herrn  Weismann  vor  einer 
Naturgeschichte  stehen,  über  deren  Wert  wir  niemals  zu  einer  Erklärung 
kommen  können,  auf  Grund  meiner  Ansichten  aber  werden  wir  zum  Ver- 
ständnis von  Thatsächlichem  gelangen  und  damit  zu  wirklicher  Erkenntnis. 


Im  Folgenden  führe  ich  meine  bisherigen  auf  Orthogenesis  bezüs- 
liehen  Arbeiten  auf  —  zur  Ergänzung  des  Historischen«  über  den 
Gegenstand  bei  Herrn  Weismann!  ') 

Zoologische  Studien  auf  Capri  II.  Lacerla  muralis  coerulea ,  ein 
Beitrag  zur  Darwin'schen  Lehre.  Leipzig,  Engelmann  1874.  Über  das 
Variiren  der  Mauereidechse,  ein  Beitrag  zur  Theorie  von  der  Entwick- 
lung aus  konstitutionellen  Ursachen,  sowie  zum  Darwinismus.  Archiv 
für  Naturgeschichte  und  selbständig  Berlin,  Nicolai  1881.  Über  die 
Zeichnung  der  Tiere.  I.  Säugetiere.  A.  Raubtiere.  Zoologischer  Anzeiger 
I8S2  und  1883/84.  Über  die  Zeichnung  der  Vögel  und  Säugetiere. 
Jahreshefte  des  Vereins  für  vaterländische  Naturkunde  in  Württemberg 
1883.  Bruchstücke  aus  Eidechsenstudien,  Humboldt  1883.  Über  die 
Zeichnung  der  Tiere  I — VI,  Humboldt  1885 — 88.  Über  die  Zeichnung 
der  Vogelfedern.  Humboldt  1887.  Entstehung  der  Arten  I,  Jena  1888. 
Die  Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den  Schmetterlingen.  I.  Eine 
systematische  Darstellung  der  Abänderungen,  Abarten  und  Arten  der 
segelfalterähnlichen  Formen  der  Gattung  Papilio.  Jena,  G.  Fischer  1889. 
Die  Verw'andtschaftsbeziehungen  der  Raubsäugetiere',  Humboldt  1890. 
Bemerkungen  zu  dem  Aufsatz  von  A.  Spuler,  Zur  Stammesgeschichte  der 
Papilioniden,  nebst  einem  Zusatz:  Über  Thatsachen  in  Fragen  der  Ent- 
wickelungslehre.  Zoolog.  Jahrbücher.  Abt.  für  Systematik.  Bd.  VII.  1893. 
Über  die  Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den  Schmetterlingen. 
II.  Eine  systematische  Darstellung  der  Abänderungen,  Abarten  und  Arten 
der  schw-albenschwanzähnlichen  Formen  der  Gattung  Papilio.  Unter  Mit- 
wirkung von  Dr.  K.  Fickert.  Jena,  G.  Fischer,  1895.  Über  die  Artbildung 
und  Verwandtschaft  bei  den  schwalbenschwanzartigen  Schmetterlingen. 
Vortrag.  Verh.  der  deutschen  zoolog.  Gesellschaft  zu  Straßburg  i.  E.  1895. 
Über  den  Begriff  des  tierischen  Individuum,  Rede,  gehalten  a.  d.  Vers.  d. 
Naturforscher  zu  Freiburg  i.  B.   1883,  abgedruckt  in  Entstehung  der  Arten. 

1)  Vgl.  »Germinalselektion«  S.  71. 


12  Vortrag. 


Vortrag. 

1.  Zur  Entscheidung  der  Fragen  der  Entwickelungslehre,  bezw.  der 
Entstehung  der  Arten  ist  vor  allem  die  genaue  Kenntnis  der 
Eigenschaften  von  Arten,  die  genaue  Kenntnis  ihres  Ab- 
änderns:  der  Abartung  (Aberratio)  und  der  Abänderung 
(Varialio)  notwendig. 

Davon  bin  ich  bei  meinen  Arbeiten  seit  Jahren  ausgegangen,  im  Ge- 
gensatz zu  der  heute  in  den  Vordergrund  getretenen  Strömung,  welche 
dem  ganzen  Tiere,  der  ganzen  Pflanze  fremd  gegenübersteht  und  welche 
bei  Nichtberücksichtigung  von  Thatsachen  überhaupt  zu  den  äußer- 
sten Grenzen  spekulativer  Aufstellungen  geführt  hat. 

Auf  dem  Wege  der  Feststellung  von  Thatsachen  kam  ich  zu  meiner 
Entwickelungstheorie  vom  organischen  Wachsen  der  Lebewelt 
(Organophysis  s.  Morphophysis ),  wie  ich  sie  in  der  »Entstehung 
der  Arten  auf  Grund  von  Vererben  erworbener  Eigenschaften  nach  den 
Gesetzen  organischen  Wachsens«   niedergelegt  habe. 

Was  in  diesem  Buche  über  die  Ursachen  der  Umbildung  der  Lebe- 
welt (Transmutation)  und  über  die  Ursachen  der  Trennung  der  Organis- 
menkette in  Arten  gesagt  ist,  hat  sich  durch  meine  seither  fortgesetzten 
Untersuchungen  voll  bestätigt  und  ich  habe  nichts  zurückzunehmen.  Den 
zweiten  Teil  des  Buches  ließ  ich  noch  nicht  erscheinen,  eben,  weil  ich 
weitere  Thatsachen  zur  Stütze  meiner  Ansichten  feststellen  wollte  ij. 
Diese  seit  sechs  Jahren  fortgeführten  Arbeiten  sind  nun  in  der  Ver- 
öffentlichung  begriffen,  eine  derselben  ist  der  soeben  erscheinende  zweite 
Teil  meiner  »Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den  Schmetterlingen«, 
welchen  ich  diesem  Vortrag  zu  Grunde  legen  will. 

2.  Das  organische  Wachsen,  Organophysis  s.  Morphophysis, 
findet  seinen  Ausdruck  in  der  bestimmt  gerichteten  Entwickelung,  Ortho- 
genesis2),    in   der   Art    und  Weise,    in   welcher    die  Transmutation,  die 


1)  Zudem  beherrschte  eine  Zeit  lang  jene  Übertreibung  des  Darwinismus,  welche 
die  Allmacht  der  Naturzüchtung  vertritt  und  welche  wegen  ihrer  Auswüchse 
passend  als  After  dar  winismus  bezeichnet  wird,  die  öffentliche  Meinung.  Ihr  Ver- 
treter, Herr  August  Weismann,  hielt  es  für  angezeigt,  meine  Arbeiten  und  die  darin 
gegen  ihn  enthaltenen  thatsächlichen  Beweisgründe  vollkommen  totzuschweigen,  so 
auch  die  Ergebnisse  des  schon  i  889  veröffentlichten  Teils  meiner  Schraelterlingsstudien. 
Zugleich  aber  zeigte  es  sich,  daß  er  denselben  hochgradig  Rechnung  trug,  indem  er 
in  jeder  neuen  Schrift  seine  Ansichten  zu  Gunsten  der  meinigen  änderte  und  zwar  in 
geradezu  grundlegenden  Fragen.  Es  lag  für  mich  also  nahe,  mit  Weiterem  zu  warten, 
bis  dieser  Prozeß  der  Verwandlung  sich  in  der  mir  genügenden  W^eise  vollzogen  hätte, 
was  nun  nach  der  immerhin  unverhofften  Anerkennung  nutzloser  Eigenschaften  und 
der  Orthogenesis  eingetreten  ist. 

2)  Die  Übersetzung  von  »bestimmt  gerichtete  Entwickelung«  in  das  Wort  Ortho- 
genesis hat  zuerst  ^Vilhelm  Haacke  in  seinem  Buche  über  »Gestaltung  und  Vererbung« 
1893  gebraucht,  und  ich  habe  dieselbe,  da  sie  sehr  bezeichnend  ist,  angenommen. 
Ich  bedaure.  daß  ich,  trotz  meiner  sonstigen  Bestrebung  mich  unvermischter  deutscher 
Sprache    zu   bedienen,    noch   zahlreiche    andere   griechische   Übersetzungen    deutscher 


über  bestimmt  gerichtete  Entwickelung  |Orthogenesis)  bei  der  Artbildung.        13 

allgemeine  Umbildung  der  Formen,  in  die  Erscheinung  tritt.  3Iit  der 
bestimmt  gerichteten  Entwickelung  als  Ursache  der  Transmutation  habe 
ich  es  in  diesem  Vortrag  zu  thun,  nicht  mit  der  Wirkung  des  Gebrauchs, 
der  Thätigkeit  der  Organe,  welche  ich  mit  Lamarck  nach  Maßgabe  des 
Titels  meines  genannten  Buches  für  die  zweite  wichtige  solche  Ursache 
erklärte.  In  beiden  Fällen  beruht  die  Umbildung  auf  Vererbung  erwor- 
bener Eigenschaften. 

Neben  die  Fraaje  über 

a)  die  Ursachen  der  Transmutation 
stellt  sich  also  die  andere  über 

b    die  Ursachen  der  Trennung  der  Organismenkette  in  Arten. 
Danach  zerfällt  mein  Vortrag  in  zwei  Teile. 

Die  bestimmt  gerichtete  Entwickelung,   Orthogeuesis. 

3.  Der  Beweis  der  Orthogenesis,  der  Thatsache,  daß  die  Umbildimg 
der  Lebewelt  nicht  wie  der  Darwinismus  und  die  Vertretung  der  »All- 
macht der  Naturzüchtung«  WEisjiANx'scher  Afterdarwinismus  voraus- 
setzten,  nach  zahlreichen,  ja  nach  den  verschiedensten  Richtungen  zu- 
fällig, sondern  daß  dieselbe  nur  nach  wenigen  Richtungen  ganz 
gesetzmäßig  geschieht,  ist  von  mir  durch  meine  Arbeiten  über  das 
Abändern  der  Tiere  seit  Jahren  geführt  worden.  Er  ist  mein  Eigen- 
tum, das  mir  Niemand  streitig  machen  soll,  wie  ich  gegen  den  Redner 
vom  letzten  Montag  entschieden  hervorheben  muß,  der  die  Namen  von 
Nägeli  und  AsKENASY  bei  Besprechung  der  Lehre  von  der  bestimmt  ge- 
richteten Entwickelung  genannt,  den  meinigen  aber  verschwiegen  hat. 
Nägeli  hat  rein  theoretisch  bestimmt  gerichtete  Entwickelung  angenom- 
men und  zwar  auf  Grund  der  ebenso  theoretischen  und  unbegründeten 
Annahme  eines  Vervollkommnungsprincips.  Mit  diesem  VervoU- 
kommnungsprincip  fällt  die  ganze  NÄGELi'sche  Lehre  und  es  hat  meine 
Auffassung  mit  derselben  ursprünglich  gar  nichts  zu  thun.  Denn  meine 
Arbeiten  zeigen,  daß  ich  ganz  selbständig  auf  die  Orthogenesis  und  deren 
Nachweis  als  allgemeines  Gesetz  gekommen  bin,  eben  durch  das  Studium 
des  Abänderns  bis  auf  seine  kleinsten  Anfänge  zurück,  zunächst  in  Be- 
Ziehung  auf  die  Zeichnung  der  Tiere.  Auf  zoologischem  Gebiete  hat  vor 
mir  ül)erhaupt  Niemand  die  Orthogenesis  als  Gesetz  vertreten')  oder  zu 
begründen  versucht  oder  auch  nur  als  wesentlichen  Entwickelungsfaktor 
erkannt  oder  angenommen«  2). 


Begriffswörter  annehmen,  bezw.  bilden  mußte,  auch  solche,  welche  nicht  gerade  wohl- 
lautend sind.  Allein  es  zeigt  die  Erfahrung,  daß  solche  termini  technici  zur  Festlegung 
sowohl  wie  zur  Verbreitung  und  Anerkennung  von  Begriffen  unerläßlich  sind. 

1)  Allerdings  ein  unter  die  Orthogenesis  fallendes  hochwichtiges  Gesetz  ist 
ruber  ausgesprochen  worden:  das  meinem  Undulationsgesetz  entsprechende  Gesetz 
der  rücklaufigen  Übertragung  von  Eigenschaften:  Cope,  Würtexbergek,  Hyatt  (Ammo- 
niten).     Vgl.  später:  Kymatogenesis. 

-)  Auch  AsKENASY  (Beiträge  zur  Ivritik  der  DARwix'schen  Lehre)  hat  in  seiner 
übrigens   sonst   viel   zu   wenig  berücksichtiiiten   wichtisen   Schrift   den  Nachweis    des 


J4  ^Orli'iig. 

4.  Die  Ortliogenesis  ist  ein  allgemeines  Gesetz.  Es  gilt 
dasselbe,  wie  ich  längst  hervorgehoben  habe,  für  die  Zeichnung  sowohl 
wie  für  die  übrigen  morphologischen  Eigenschaften  der  Tiere  wie  für 
die  der  Pflanzen.  Auch  bei  letzleren  geht,  wie  mir  eigene  Beobachtun- 
gen zeigen,  die  Zeichnung  der  Blüten  und  die  Gestaltung  der  Blätter 
vollkommen  gesetzmäßig  nach  wenigen  bestimmten  Richtungen. 

5.  Das  Gesetz  der  bestimmt  gerichteten  Entvvickelung  oder  Ortho- 
genesis  ist  es,  welches  die  ganze  Umbildung  der  Lebewelt  (abgesehen  von 
der  Wirkung  des  Gebrauchs  und  Nichtgebrauchs)  beherrscht,  nicht  die 
Zuchtwahl.  Die  Thatsache,  daß  das  Abändern  der  Lebewesen  ganz  ge- 
setzmäßig nach  w'enigen  l^estimmten  Richtungen  geschieht,  nicht  zufällig 
nach  den  verschiedensten  oder  gar  allen  möglichen  Richtungen,  er- 
schüttert allein  vollständig  die  Grundlage  der  DARwn'schen 
Lehre.  Denn  die  letztere  muß  stets  die  verschiedensten  Ab- 
änderungen bereit  haben,  wenn  die  Zuchtwahl  bei  der  Ge- 
staltung der  Formen  soll  maßgebend  sein,  und  in  der  That  wird 
der  Satz  von  dem  ständigen  Bereitsein  aller  möglichen  Eigenschaften  von 
der  heutigen  Vertretung  der  Allmacht  der  Naturzüchtung  als  notwendige 
Voraussetzung  dieser  Lehre  überall  als  Thatsache  hingestellt. 

Herrschen  dagegen  nur  wenige  bestimmte  Entwickelungsrichtungen, 
so  gestalten  sie  die  organische  Welt  und  der  Auslese  bleibt  nur  eine 
ganz  beschränkte  Aufgabe.  Dies  haben  schon  Nägeli  und  Askenasy 
ausgesprochen. 

6.  Ich  muß  überhaupt  immer  und  immer  wiederholen,  daß  die 
Zuchtwahl  unbedingt  nichts  Neues  schaffen  kann.  Sie  kann 
nur  mit  Vorhandenem  arbeiten  und  zwar  kann  sie  es  erst  benutzen, 
w'enn  es  schon  eine  gevs'isse  Ausbildung  erreicht  hat,  wenn  es  schon 
nützlich  ist.  Die  Zuchtwahl  kann  nur  beseitigen,  was  unbedingt  schäd- 
lich, und  erhalten,  was  nützlich  ist.  Sie  wird  dadurch,  daß  sie  immer 
das  Nützliche  ausliest,  die  Entwickelung  desselben  stärken.  Aber  die 
Thatsachen  beweisen ,  daß  dies  jedenfalls  nur  in  beschränktem  Maße 
geschehen  sein  kann '). 

Die  Zuchtwahl  ist  also  zunächst  darin  ohnmächtig,  daß  sie  kein 
aktives  Hauptmittel    der  Umbildung  der  Formen  darstellt,  daß  sie  hoch- 


bestimmt  gerichteten  Abänderns  bei  Pflanzen  an  der  Hand  von  Thatsachen  nicht  aus- 
giebig geführt.  Auf  S.  7  sagt  er  nur,  daß  die  Blüten  nicht  in  den  verschiedensten, 
sondern  nur  in  bestimmten  Farben  erscheinen,  wie  denn  eine  blaue  Rose  oder  eine 
blaue  Maiblume  bisher  nicht  gefanden  worden  sei.  Ebenso  sei  es  mit  dem  Variieren 
der  Gestalt  von  Blättern  und  Blüten.  Während  manche  Pflanzen  mit  ganzrandigen 
Blättern  öfter  Varietäten  mit  mehr  oder  weniger  geteilten  hervorbringen,  seien  bei 
andern  geteilte  Blätter  ganz  unei"hört.  Niemand  werde  erwarten,  daß  ein  Gras  eine 
Varietät  mit  geteilten  Blättei'n  erzeuge.  Im  übrigen  steht  Askenasy  auf  dem  Boden 
des  N\GKLi'schen  Vervollkommnungsprincips  und  seine  Abhandlung  ist  eine  Ausführung 
zu  der  Hypothese  dieses  Forschers. 

1)  Immerhin  wird    sie  überall  dann  hervori'agend  wirksam  werden  können,  wenn 
der  Nutzen  mit  einer  gegebenen  Entwickelungsrichtung  zusammenfällt. 


über  bestimmt  gerichtete  Entwickelung  (Orthogenesis)  bei  der  Artbildung.        15 

stens    als   Nebenmittel   derselben    erscheint,    indem    sie   vollkommen    der 
Orthoeenesis  untergeordnet  ist. 

7.  Die  Ursachen  der  bestimmt  gerichteten  Entwickelung 
liegen  nach  meiner  Auffassung  in  der  Wirkung  äußerer  Ein- 
flüsse  —  Klima,  Nahrang  —  auf  die  gegebene  Konstitution 
des  Organismus.  Das  ist  kein  Lamarekismus,  denn  L.4.marck  hat  den 
äußeren  Einllüssen  auf  den  tierischen  Körper  gar  keine  Wirkung  zuge- 
schrieben, auf  den  pflanzlichen  nur  ganz  geringe,  was  immer  wieder 
verkannt  und  unrichtig  wiedergegeben  wird  —  so  eben  noch  von  Herrn 
Weisjianx  in  seiner  vorhergegangenen  Rede^). 

8.  Nach  meiner  Auffassung  kann  die  Entwickelung  überall  nur  nach 
w-enigen  Richtungen  stattfinden,  weil  die  Konstitution,  die  stoffliche 
Zusammensetzung  des  Körpers,  solche  Richtungen  notwendig  bedingt, 
ein  allseitiges  Abändern  verhindert. 

Durch  die  Einwirkung  der  äußeren  Einflüsse  muß  a])er  die  Konstitu- 
tion allmählich  verändert  werden.  Die  Organismen  werden  so  mehr  und 
mehr  physiologische  Eigenart  erlangen  und  auf  äußere  Einflüsse  mehr 
und  mehr  eigenartig  antworten  —  so  entstehen  neue  Entwickelungs- 
richtungen. 

In  jener  auf  der  Konstitution  beruhenden  Beeinflussung  der  Ent- 
wickelungsrichtungen,  in  der  physiologischen  Eigenart  der  Organismen  aber 
haben  wir  die  sogenannten  inneren  Ursachen  der  Umbildung,  welche 
sonach  mit  den  v^on  Nägeli  angenommenen,  mit  dessen  »Vervollkomm- 
uungsprincip«   nichts  zu  thun  haben 2. 

9.  Die  Macht  der  unmittelbaren  Einwirkung  äußerer  Verhältnisse  kann 
nicht  mehr  geleugnet  werden,  nachdem  Staxdflss  u.  A.  durch  Einwirkung 
von  Wärme  und  Kälte  auf  Schmetterlingspuppen  fast  ganz  dieselben 
Schmetterlingsabarten  erzielt  haben,  welche  als  Wärme-  bezw. 
Kälteformen  in  der  freien  Natur  erscheinen,  und  nachdem 
Staxdfuss  Abarten  erzeugt  hat,  welche  fast  vollkommen  den 
Arten  entsprechen,  deren  Entstehung  nach  meinen  Arbeiten 
ihrem  geographischen  Vorkommen  zufolge  unzweifelhaft 
eben  auf  klimatische  Ursachen  zurückzuführen  ist.  Die  Macht 
der  äußeren  Einflüsse  beweisen  ferner  u.  a.  die  Versuche  von  Schmanke- 
wiTSCH  an  Artemia  salina,  sodann  die  künstliche  Erziehung  von  Ambly- 
stoma  aus  Siredon  pisciformis  und  die  Zurückhaltung  der  Entwickelung 
von  Tritonen  durch  Wasser-  bezw.  Luftentziehung  und  zusammengehalten 
damit  die  ganze  Reihe  der  Glieder  des  Lurchstammes. 


1)  In  demselben  Irrtum  war  schon  Darwin  befangen  und  der  Irrtum  erbt  sich 
fort,  trotzdem  daß  Quatrefages  ihm  in  seiner  Schrift:  Darwin  et  ses  precurseurs  fran^ais 
(1892)   gründlich  entgegengetreten  ist  (S.  46). 

2)  Die  physiologische  Eigenart  wird  allein  schon  eine  andere  durch  das  Alter 
des  Organismus,  bezw.  seiner  Gewebe.  Das  Alter  der  Gewebe  allein  bringt  neue  Ge- 
staltungen hervor,  wie  die  sogar  ohne  hervorragende  Thätigkeit  erfolgende  Entstehung 
von  neuen  Knochen    z.  B.  in  den  Ohrmuscheln  der  Säuser    beweist. 


1 6  Vortrag. 

Damit  sind  aber  zugleich  unwiderlegliche  Beweise  der 
Vererbung  erworbener  Eigenschaften  gegeben, 

10.  Jene  äußeren  und  diese  inneren  Ursachen,  welche  nach  meiner 
Auffassung  die  Umbildung  des  Organischen  nach  wenigen  bestimmten 
Richtungen  bedingen,  sind  v\irksam,  indem  sie  einfach  die  Ursachen  des 
Wachsens  sind.  Es  sind  dieselben  Ursachen,  welche  das  individuelle 
Wachsen  und  die  Transmutation,  die  Umgestaltung  der  organischen  Welt 
bedingt  haben  und  bedingen.  Daher  erkläre  ich  die  letztere  als  orga- 
nisches Wachsen    (Organophysis  oder  Morphophysis). 

Die  Gestaltung  der  organischen  Welt  ist  demnach  eine  durch  die 
äußeren  Einwirkungen  emporgetriebene  und  sie  besteht  nur  durch  das 
Fortwirken  dieser  äußeren  Einflüsse.  Fallen  dieselben  weg,  so  haben 
wir  Tod. 

M.  Das  organische  Wachsen  beruht  aber,  im  vollen  Gegensatz 
zu  der  Nägem"  sehen  Vorstellung,  nicht  immer  auf  Vervollkommnung, 
sondern  oft  auch  auf  Vereinfachung  oder  Rückbildung.  Auch 
diese  Vereinfachung  beruht  nach  von  mir  gegebener  Begriffsbestimmung 
auf  Wachsen. 

12.  Die  Entwickelungsrichtungen  haben  mit  dem  Nutzen 
gar  nichts  zu  thun,  sie  erzeugen  Gestaltungen  ohne  jede  Beziehung 
zu  demselben,  indem  sie  mit  kleinsten,  kaum  sichtbaren  Anfängen  be- 
ginnen, um  sich  mit  dem  persönlichen  wie  mit  dem  phyletischen  Alter 
mehr  und  mehr  auszugestalten,  und  die  von  mir  undAnderen  festgestellten 
Thatsachen  beweisen  unbedingt,  daß  weitaus  die  meisten  der  so 
entstandenen  Eigenschaften  überhaupt  niemals  in  den  Be- 
reich des  Nutzens  fallen.  Sie  beweisen,  daß  zahllose  Eigenschaften 
an  den  Lebewesen  bestehen,  welche  nicht  nützlich  sind,  daß  somit  von 
einer  »Allmacht  der  Naturzüchtung«    keine  Rede  sein  kann. 

13.  Weil  die  Entwickelungsrichtungen  mit  dem  Nutzen  nichts  zu 
thun  haben  und  weil  ihrer  nur  wenige  sind,  ist  die  immer  wieder- 
holte Behauptung,  dieAuslese  finde  jederzeit  alle  möglichen 
Eigenschaften  vor,  um  das  Nützliche  auszulesen,  zu  erhalten 
und  zu  züchten,  vollkommen   gegenstandslos. 

14.  Darum  ist  auch  der  Satz  vollkommen  gegenstandslos,  durch 
welchen  der  Vertreter  der  »Allmacht  der  Naturzüchtung«  die  ihm  so 
unbequeme  und  darum  von  ihm  so  lange  vernachlässigte  Orthogenesis 
unschädlich  machen  will :  die  Entwickelungsrichtungen  seien  durch 
Auslese  gezüchtet. 

Die  Entwickelungsrichtungen  können  eben  deshalb  un- 
möglich gezüchtet  sein,  weil  sie  mit  dem  Nutzen  von  vorn- 
herein gar  nichts  zu  thun  haben. 

Daß  nicht  entfernt  Alles  nützlich  ist,  was  besteht,  daß  noch  weniger 
Alles  nützlich  gerichtet  ist,  das  beweisen  die  durch  meine  Untersuchungen, 
besonders  über  die  Zeichnung  der  Tiere  so  sehr  ins  Licht  gerückten 
kleinsten,    zuerst  fast   unsichtbaren  Anfänge   von    Eigenschaften,   welche 


über  bestimmt  gerichtete  Entwickelung    Orthogenesis    bei  dci'  Artbildung.       |7 

auch   in  ihrer  weiteren  Ausbildung    als  Varietäten-   und  Ärtkennzeichen 
durchaus  nutzlos  für  den  Kampf  ums  Dasein  erscheinen. 

15.  Allen  von  mir  und  Anderen  aufgestellten  Thatsachen  der  bestimmt 
gerichteten  Entwickelung  widersprechend  und  darum  gegenstandslos  ist 
auch  die  von  meinem  Gegner  in  seiner  Rede  unter  Berufung  auf  Galton 
u.  A.  aufgestellte  Behauptung,  es  sei  bewiesen,  daß  das  Abändern 
von  einem  Nullpunkt  aus  nach  den  verschiedensten  Richtungen 
»hin  und  her  oscilliere«.  Es  giebt  kein  Oscillieren  der  Ent- 
wickelun2srichtuns;en,  sondern  nur  ein  Fortschreiten  in  gerader  Linie 
unter  zeitweisen  Abzweigungen,  wodurch  die  Gabelungen  des  Stamm- 
baumes entstehen'). 

Im  gedruckten  Vortrag  hat  Herr  Weismaniv  statt  des  im  mündlichen 
gebrauchten  Wortes  »Oscillieren«  von  einem  »Schwanken  der  Variationen 
um  eine  Mittlere«   oder  um  einen   »Nullpunkt«   herum  gesprochen. - 

Wenn  ich  oben  sagte,  daß  es  ein  solches  Schwanken  nicht  giebt,  son- 
dern nur  ein  Fortschreiten,  so  wird  man  mir  einwenden,  daß  ich  den  Rück- 
schlag vergessen  habe.  Diesen  fasse  ich  aber  als  ein  Stehenbleiben 
auf  früheren  Stufen  der  Entwickelung  auf.  Dagegen  giebt  es  ja  allerdings 
auch  ein  Rückschreiten,  ein  sich  Zurückbilden  von  Eigenschaften,  in  Verbin- 
dung mit  Nichtgebrauch  Kompensation  .  Ich  habe  aber  dieses  Rückschreiten 
ebenfalls  unter  den  Begriff  des  organischen  Wachsens  gebracht:  es 
handelt  sich  darin  gewissermaßen  wieder  um  ein  Fortschreiten  zu  bestimm- 
ter, wenn  auch  zu  einfacherer  Gestaltung,  aber  nicht  um  Entwickelungs- 
richtungen,  denn  diese  haben  mit  Gebrauch  und  Nichtgebrauch  zu- 
nächst nichts  zu  thun.   nur   mit   deren  Verstärkung  oder  Abschwächung. 

Es  sei  schon  hier  bemerkt,  daß  es  die  drei  von  mir  unter  13,  14 
und   15  behandelten  Sätze  sind: 


1  In  meiner  »Entstehung  der  Arten«  I  S.  36  habe  ich  diese  Gabelungen  u.  a. 
darauf  zurückgeführt,  daß  unmittelbare  äußere  Ein^virkungen,  verschieden  an  jeder 
Örtlichkeit,  auf  jede  Entwickelungsstufe  einwirken  und  die  weitere  Entwickelung  von 
der  ursprünglichen  Linie  ablenken  können  und  daß  durch  andauerndes  Beharren  unter 
denselben  Verhältnissen,  unter  ununterbrochener  Fortdauer  derselben  Einwirkungen, 
ein  Organismus  nach  Generationen  infolge  von  konstitutioneller  Imprägnation  kon- 
servativer Anpassung  seiner  Zusammensetzung  nach  anders  beschaffen  sein  und  gegen- 
über der  Außenwelt  sich  anders  verhalten  wird  als  zuvor.  Es  ist  klar,  daß  schon 
<ias  Bestehen  des  verhältnismäßig  einfachen  gabeligen  Stammbaums  der  Tiere  und 
Pflanzen  die  Macht  der  bestimmt  gerichteten  nicht  »oscülierenden«)  Entwickelung  bei 
der  Gestaltung  der  Lebewelt  beweist:  wären  die  zahllosen,  wegen  ihrer  Mannigfaltig- 
keit in  kein  System  zu  ordnenden  Forderungen  der  Anpassung  dabei  maßgebend,  so 
gäbe  es  kein  so  einfaches,  auf  gabeliger  Verzweigung  beruhendes,  einheitliches  natür- 
liches System,  sondern  ein  regelloses  Durcheinander  von  unter  beliebigen  Anpassungs- 
forderungen entstandenen  Arten. 

So  sagt  schon  N\geli  in  »Entstehung  und  Begriff  der  naturhistorischen  Art« 
München  tcS65  S.  26:  »Wenn  das  Abändern  nach  allen  Richtungen  gleichmäßig  erfolgte, 
müßte  es  auch  absteigende,  horizontale  und  von  zwei  verschiedenen  Ausgangspunkten 
konvergierende  Reihen  geben  —  die  Verwandtschaft  ließe  sich  nicht  als  baumförmigc 
Verzweigung  darstellen«. 

-;  Vgl.  »Germinalselektion«   S.  29. 
Eimer,  Orthogenesis.  2 


18  "Vortrag. 

i)  Die  Auslese  finde  jederzeit  alle  möglichen  Abänderungen  vor,  um 
das  Nützliche  auszulösen; 

2)  die  Entwickelungsrichtungen   seien   durch  Auslese  gezüchtet; 

3)  es  sei  bewiesen,    daß  dies  Alnindern  von   einem  Nullpunkt    aus 
hin  und  her  oscilliere, 

welche  Herr  August  Weismanx  unter  vollkommenem  Verschweigen  meiner 
Arbeiten,  welche  unbedingt  das  Gegenteil  beweisen,  im  Mitteli)unkt 
seiner  drei  Tage  vorher  gehaltenen  öffentlichen  Rede  aufgestellt  und  auf 
diese  Voraussetzungen  Schlüsse  gegründet  hat.  welche,  in  der  von  ihm 
sogenannten  »Germinalselektion«  gipfelnd,  die  bestimmt  gerichtete  Ent- 
wickelung  unter  seine  Hypothesen  beugen  oder  doch  mit  denselben  in 
Übereinstimmung  bringen  sollen,  was  das  Ziel  seiner  ganzen  Rede  war. 
Da  aber  die  Voraussetzungen  falsch  sind,  so  fällt  selbstverständlich  alles 
Folgende.  Das  Oscillieren  würde  überdies  die  gesetzmäßig  bestimmt 
gerichtete  Entwickelung  aufheben.  Aber  dasselbe  ist  für  die  Vertretung 
der  »Allmacht  der  Naturzüchtung  <  unbedingt  notwendig,  indem  der  Satz 
gerettet  werden  w  ill,  daß  der  Auslese  fortwährend  die  Fülle  von  Varia- 
tionen zur  Verfügung  stehe  —  ein  Satz,  welcher,  wie  gesagt,  wiederum 
durch  die  von  mir  festgestellten  Thatsachen  der  wirklich  bestehenden 
Orthogenesis  als  vollkommen  gegenstandslos  erwiesen  wird. 

16.  Die  Thatsachen  der  Orthogenesis  fiudenAusdruck  in  denEntwicke- 
lungsgesetzen,  welche  von  mir  zunächst  auf  die  Zeichnung  bezogen 
und  an  der  Hand  derselben  gefunden  worden  sind,  sich  aber  vollkom- 
men auch  auf  die  morphologischen  Eigenschaften  beziehen.  Es  handelt 
sich  dabei  um  wirkliche  Entwickelungsgesetze,  indem  alle  auffindbaren, 
auf  dieselben  bezüglichen  Thatsachen.  wie  sich  von  Tag  zu  Tag  mehr 
zeigt,  ausnahmslos  derselben  Regel  folgen'  . 

Die  von  mir  schon  früher  aufgestellten  Gesetze  sind: 

1.  Das  allgemeine  Zeichnungsgesetz  (Allgemeines  Umbildungs- 
gesetz). (Umbildung  von  Längsstreifung  in  Fleckung,  Querstreifung  und 
Einfarbigkeit). 

2.  Die  von  mir  nach  Maßgabe  der  Art  der  örtlichen  Umbildung  der 
Zeichnung  sogenannte  postero-anteriore  und  die  supero-inferiore, 
bezw.  infero-superiore  Entwickelung  äußert  sich  darin,  daß  die 
neuen  Zeichnungen  in  der  Richtung  von  hinten  nach  vorn  und  von  oben 
nach  unten  oder  umgekehrt  am  Tierkörper  auftreten,  während  die  alten 


1  Herr  Weismann  hat  in  seiner  vorhergegangenen  Rede,  ohne  meinen  Namen  zu 
nennen,  aber  mir  wohl  verständlich,  von  »sogenannten  Entwickelungsgesetzen«  ge- 
sprochen —  nicht  ohne  Grund,  denn  diese  von  mir  festgestellte  Gesetzmäßigkeit  be- 
deutet nichts  weniger  als  den  vollkommen  thatsächlichen  Gegenbeweis  gegen  seine 
Hypothesen.  Im  übrigen  wollen  die  Physiker  und  Physiologen  den  Biologen  das  Recht 
bestreiten  von  »Gesetzen«  reden  zu  dürfen.  Ich  glaube  aber,  daß  auch  wir  bei  jeder 
Summe  von  Thatsachen,  welche  ausnahmslos  sich  ereignet,  ausnahmslose  Regel  ist, 
von  Gesetzen  reden  dürfen,  auch  wenn  wir  die  Ursachen  der  Erscheinung  nicht 
sehen  oder  berechnen  können.  —  Da  Herr  Weismann  früher  selbst  von  gesetzmäßiger 
Entwickelung  gesprochen  hat,  so  kann  sich  übrigens  seine  Ausstellung  nicht  auf 
diesen  Widerspruch  gründen. 


über  bestimmt  gerichtete  Entwickelung  (Orthogenesis)  bei  der  Artbildung.       19 

in  derselben  Reihenfolge  schwinden.  Es  gilt  diese  bestimmt  gerichtete 
örtliche  Umbildung,  wie  die  meisten  übrigen  Gesetze,  auch  für  die 
anderen  morphologischen  Eigenschaften  der  Körperbedeckung,  z.  B.  für 
die  Schalenskulptur  der  Mollusken  und  für  die  Flügeldecken  der  Käfer. 
Man  wird  vielleicht  diese  Thatsachen  passend  unter  einen  allgemei- 
nen gemeinsamen  Ausdruck  bringen,  indem  man  von  einem  Gesetz  der 
bestimmt  gerichteten  örtlichen  Umbildung:  Topo-Orthogenesis  spricht, 
auf  welchem  wiederum  das  Gesetz  der  wellenförmigen  Entwickelung 
iK}Tiiatogenesis)  beruht. 

3.  Das  Gesetz  des  männlichen  Übergewichts  oder  der  männ- 
lichen Präponderanz:  die  Thatsache,  daß  das  Männchen  dem  Weib- 
chen im  Ausdruck  der  Entwickelungsrichtung  gewöhnlich  um  einen  Schritt 
voraus  geht  und  dann  seine  Eigenschaften  gewissermaßen  auf  die  Art 
überträgt. 

Ausnahmsweise  kommt,  wie  ich  neuerdings  (bei  Schmetterlingen)  ge- 
zeigt habe,  aber  auch  eine 

4.  weibliche  Präponderanz  vor. 

5.  Das  Gesetz  der  Alterspräponderanz '),  die  Thatsache,  daß 
neue  Eigenschaften  zuerst  im  persönlichen  Alter,  vielmehr  wohl  in  der  Zeit 
höchster  Kraftentfaltung  und  zwar  zumeist  bei  älteren  Männchen,  z.  B. 
Mauereidechse)  und  im  phyletischen  Alter   Beispiel:  Ammoniten)  auftreten. 

6.  Das  Gesetz  der  wellenförmigen  Entwickelung,  Undulations- 
gesetz,  die  Kymatogenesis,  d.  i.  die  Thatsache,  daß  während  der  ontogeneti- 
schen  und  phylogenetischen  Ausbildung  des  Einzelwesens  eine  Reihe  von 
Umbildungen,  eine  der  anderen  folgend,  in  bestimmter  Richtung  über  den 
Körper  der  Tiere  wegläuft"^.    Dazu  kommt: 

7.  Das  Gesetz  der  unabhängigen  Entwickelungsgleichheit 
oder  Homoeogenesis,  welches  besagt,  daß  bei  verschiedenen,  nicht  un- 
mittelbar verwandten  Formen  dieselben  Entwickelungsrichtungen  wirken 
und  zu  ganz  ähnlicher  Gestaltung  führen  können*). 

8.  Das  Gesetz  der  verschiedenstufigen  Entwickelung  oder  der 
Heterepistase:  die  Thatsache,  daß  verschiedene  Eigenschaften  in  dem- 
selben Organismus  in  verschiedenem  Grade  und  nach  verschiedenen  Rich- 
tungen sich  entwickeln  können. 


1  Hier  eingeschobener,  im  »Compte-Rendu«  nicht  enthaltener,  aber  schon  in  der 
»Mauereidechse«  von  mir  vertretener  Satz. 

-  Dieses  Undulationsgesetz  haben,  wie  schon  bemerlct,  zuerst  Würtexberger, 
CoPE  und  Hyatt  an  morphologischen  Eigenschaften  der  Cephalopodengehäuse  erkannt. 
HvATT  bezeichnet  es  als  law  of  acceleration.  wohl  weil  die  älteren  Eigenschaften,  je 
älter  sie  sind  lun  so  schneller,  am  Organismus  durch  in  bestimmter  Richtung  neu 
auftretende  sowohl  ontogenetisch  wie  phylogenetisch  verdrängt  werden. 

Ich  glaube,  daß  die  Bezeichnung  Kymatogenesis,  wellenförmige  Entwickelung, 
für  alle  Erscheinungen  des  Vorganges  am  bezeichnendsten  ist.  wenngleich  auch  gegen 
sie  sich  Einwände  erheben  lassen.  Sie  läßt  sich  am  schönsten  veranschaulichen  durch 
die  Entstehung  und  das  Verschwinden  von  aufeinanderfolgenden  Wellen  nach  Einwerfen 
eines  Steins  in  das  ruhige  Wasser. 

3)  Von  Hyatt  später  in  den  »Arietidae«  unter  »Morphological  Equivalence«  mit 
Beispielen  bezüglich  der  Cephalopodenschalen  belegt. 

2* 


20  Vortrag. 

9.  Das  Gesetz  der  einseilieen  Entwickolune  oder  der  Amikto- 
eenesis:  die  Thatsaclie,  daß  in  der  Reeel  die  durch  2;eschlechtlicbe  Mischuna 
zweier  verschiedener  Eltern  entstandenen  Nachkommen  nicht  eine  voll- 
kommene Mischung  aus  beiden  Teilen  darstellen,  sondern  nach  der  einen 
oder  nach  der  anderen  Seite  überwiegen  ^). 

10.  Das  Gesetz  der  Entwickelungsumkehr  oder  Epistrephogenesis: 
die  Thatsache,  daß  Entvvickelungsrichtiingen  umkehren,  zum  Ausgangspunkt 
zurückkehren  können,  wie  ich  neuerdings  bei  Foraminiferen  beobachtet 
habe 2)  und  wie  auch  wohl  die  HiLGENDORp'sche  Plunorhis  multiformis  be- 
weist, wie  insbesondere  Hyatt  furCephnlopodenschalen  nachgewiesen  hat^ . 

11.  Das  allgemeine  Beharrungsgesetz  oder  der  Entwickelungs- 
stillstand,  Epistase:  die  Thatsache,  daß  die  Entwickelung  oft  lange 
Zeit  auf  einer  bestimmten  Stufe  stehen  bleiben  kann. 

Diese  und  andere  Gesetze,  auf  welche  ich  noch  zu  reden  komme, 
werden,  soweit  sie  nicht  schon  früher  von  mir  begründet  sind,  diese  Be- 
gründung in  soeben  in  Veröffentlichung  befindlichen  Arbeiten  erfahren; 
für  einige  der  wichtigsten  ergeben  sich  die  Belege,  wie  wir  sehen  wer- 
den, aus  meinem  Werke  über  die  Artbildune  und  Verwandtschaft  bei 
den  Schmetterlingen.  Die  bis  jetzt  genannten  Gesetze,  welche  sich  auf 
die  Transmutation  im  allgemeinen  beziehen,  zeigen,  daß  die  Entwickelung 
überall  eine  bestimmt  gerichtete  und,  abgesehen  von  der  selten  beobach- 
teten und  wohl  nur  bei  niederen  Lebewesen  vorkommenden  Umkehr, 
eine  »wie  nach  einem  bestimmten  Plan«  unentwegt  fortschreitende  ist,  eben 
in  vollkommenem  Gegensatz  zu  der  Behauptung,  das  Abändern  »oscilliere 
nach  den  verschiedensten  Bichtungen  von  einem  Nullpunkt  aus«. 

Mit  dem  Beweis,  daß,  wie  hervorgehoben,  die  Entwickelungsrichtun- 
gen  vom  Nutzen  durchaus  unabhängig  sind,  ist  die  Lehre  von  der 
Herrschaft  der  Zuchtwahl  bei  der  Transmutation  und  die  Lehre  von  der 
Allmacht  der  Naturzüchtung  vollkommen  zurückgewiesen  —  an  Stelle 
der  letzteren  erscheinen  als  maßgebend  Orthogenesis  und  Morphophysis 
und  daraus  folgt:  Ohnmacht  der  DARwm'schen  Zuchtwahl  bei  der 
Umbildung  der  Pflanzen-  und  Tierformen  ^Transmutation:,  mit  der 
ausgesprochenen  Einschränkung,  daß  die  Zuchtwahl,  indem  sie  Nützliches 
ausliest,  die  Entwickelung  desselben  wird  stärken  können  und  daß  diese 
ohne  w  eiteres  gefördert  werden  wird,  sobald  eine  gegebene  Entwickelungs- 
richtung  mit  dem  Nutzen  zusammenfällt. 

Die  Zuchtwahl  ist  somit  kein  Hauptmittel  der  Transmutation,  sie  ist 
höchstens  ein  Nebenmittel.  Wie  weit  sie  im  Sinne  des  letzteren  that- 
sächlich  zu  Gunsten  der  bestehenden  Gestaltung  der  Lebewelt  wirksam 
sein  dürfte,  das  muß,  nachdem  die  bestimmt  gerichtete  Entwickelung  als 
jenes  Hauptmittel  festgestellt  ist,  erst  durch  vorurteilslose  neue  Unter- 
suchung gezeis;t  werden. 


1)  Gegen  die  Bedeutung  der  WEisnuNN'schen  Ampliimixis. 

Vgl.  eine  spatere  Ijezügliche  Aliliandlung  in  der  »Orthogenesis«. 
3,  Hierher:  Acceleration  in  Degeneration  Hvatt. 


t 


über  bestimmt  gerichtete  Entwickelung    Orthogenesis)  bei  der  Artbildung.       21 

Unzweifelhaft  ist  es  aber,  daß  die  Zuchtwahl  für  weitaus  die  meisten 
gerade  derjenigen  Eigenschaften,  welche  die  Art  kennzeichnen ,  daß  sie 
für  die  Artmerkmale  ganzer  Tiergruppen  aller  Bedeutung  baar  zu  er- 
weisen ist. 

Es  ist  heute  meine  Aufgabe,  diesen  Beweis  für  eine  solche  Tier- 
sruppe,  nämlich  für  Papilioniden,  vorzuführen,  nach  Maßgabe  der  Unter- 
suchungen, welche  ich  über  Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den 
Schmetterlingen  veröffentlicht  habe. 

Ich  komme  nun  zum  zw^eiten  Teil  der  Behandlung  meines  Ges;en- 
Standes,  zu  der  Frage  von  der 

Artbildting  oder  Trennung  der  Organismenkette  in  Arten. 

Die  DARWiN'sche  Zuchtwahl  giebt  keine  Erklärung  für  die 
Artbildung.  Sie  begnügt  sich  mit  der  Annahme,  daß  Zwischenformen  aus- 
sterben, weil  die  neu  entstandenen,  besser  augepassten,  die  alten,  weniger 
gut  angepassten  verdrängen  müßten.  Die  gegen  diese  Erklärung  vorgebrach- 
ten triftigen  Einwände  sind  bekannt.  Bei  ganz  allmählich  vor  sich  gehen- 
der Umbildung,  wie  sie  thatsächlich  in  weitaus  den  meisten  Fällen 
stattfindet,  ist  ein  derartiges  Auslöschen  von  Zwischenformen,  wenn  das 
Abändern  nur  einzelne  Individuen  betrifft,  wegen  der  geschlechtlichen 
Mischung  allein  möglich  bei  gleichzeitiger  räumlicher  Trennung.  Es  giebt 
aber,  wie  ich  bei  Schmetterlingen  gezeigt  habe  (z.  B.  Papilio  Telesilaus), 
Entstehuno;  neuer  Arten  mitten  im  Yerbreituns;sa;ebiete  der  Stammformen 
und  überall  sind  offenbar  neue  Arten,  w'enigstens  nebeneinander,  auch 
ohne  räumliche  Trennung  entstanden. 

So  wenig  die  ÜARWiN'sche  Zuchtwahl  die  Umbildung  der  Formen 
und  die  Entstehung  neuer  Eigenschaften  an  denselben  erklären  kann,  so 
wenig  erklärt  sie  die  Entstehung  der  Arten,  trotz  des  Titels  des  berühm- 
ten DARwix'schen  Buches. 

Die  Entstehung  der  Arten  beruht  w^esentlich  auf: 

1.  Entwickelungsstillstand,  Genepistase,  d.i.  Stehenbleiben  der 
einzelnen  Formen  auf  bestimmten  Stufen  derEntwickelungsrichtung.  während 
andere  fortschreiten.  Beharrung,  Epistase  ist  es,  welche  bei  der  Art- 
bildune  vor  allem  maßgebend  wirkt.  Durch  sie  allein  können  überall 
Arten  entstehen  ohne  räumliche  Trennung.  Denn  die  Orthogenesis  führt 
zu  gleichzeitiger  Umbildung  zahlreicher  Einzelwesen  derselben  Art. 
Wenn  nun  eine  größere  Anzahl  von  Einzelwesen  in  einer  Entwickelungs- 
richtung  vorschreitet,  während  andere  zurückbleiben,  so  wird  sich  von 
selbst  Entstehung  einer  neuen  Art  ergeben.  Jenes  Voranschreiten  einer 
größeren  Anzahl  von  Einzelwesen  kann  dann  mitten  im  Verbreitungsgebiet 
der  Art  geschehen,  wenn  jene  Einzelwesen  gegenüber  den  äußeren  Ein- 
flüssen,  welche  die  Umbildung  bedingen,  empfindlicher  sind  als  die 
übrigen.  Je  weiter  aber  vom  Mittelpunkt  des  Verbreitungsgebietes  einer 
Art  entfernt,  um  so  mehr  werden  jene  Einflüsse  —  klimatische  und  Er- 
nährungsverhältnisse   —    in    umbildendem    Sinne    wirken    können.      So 


22  Vortrag. 

zeigen  die  Thatsachen  des  Abäiulerns  wiiklicli  uiu  so  mehr  A])- 
artungen  und  Abarten,  je  weiter  weg  vom  Mittelpunkt  ihres 
Verbreitungsgebietes  wir  die  Glieder  einer  Art  untersuchen, 
und  noch  weiter  entfernt  davon  werden  neue  Arten.  Auch  da- 
für daß  besondere  Empfindlichkeit  von  Einzelwesen  auf  Grund  der  Ortho- 
genesis  für  Umbildungen  maßgebend  sein  wird,  werden  wir  Thatsachen 
kennen  lernen. 

Bei  der  Umbildung  aber  können  nach  dem  Gesetz  der  Heterepistase, 
der  verschiedenstufigen  Entwickelung,  einzelneEigenschaften  auf  tie- 
ferer Stufe  der  Entwickelung  stehen  bleiben,  während  andere  fortschreiten. 
Die  Heterepistase  scheint  mir  ein  hervorragend  wichtiges  Mittel  auch  zur 
Festigung  abgeschlossener  Arten  zu  sein  und  sie  wird  um  so  maßgeben- 
der werden,  je  höher  und  zusammengesetzter  ein  Organismus  ist.  Das 
Ineinandergreifen  und  Zusammenhängen  so  verschiedener  Eigenschaften 
zu  einem  Ganzen  wird  dieses  Ganze  in  seinem  Bestand  deshalb  festigen, 
weil  jene  Eigenschaften  sich  gegenseitig  die  Wage  halten  müssen,  indem 
eben  wegen  des  Zusammenhanges  zum  Ganzen  nicht  jede  für  sich  um- 
gebildet werden  kann,  ähnlich  wie  im  Perpendikel  einer  Regulator-Ubr 
die  aus  verschiedenem  Stoff  bestehenden  Stäbe  sich  bei  der  Zusammen- 
ziehung die  Wage  halten. 

Dagegen  werden  einfache  Organismen,  in  welchen  noch  wenige  Ent- 
wickelungsrichtungen  wirksam  sind,  weniger  ausgesprochene  Arten  bilden, 
wie  denn  hier  die  Entwickelungsrichtungen  sogar  umkehren  können  (Fora- 
miniferen). 

Aber  trotzdem  ist  die  Beharrung,  Epistase,  für  die  Entstehung  von 
Arten  und  Abarten  auch  insofern  von  größter  Wichtigkeit,  als  irgend 
welche  einzelne  Eigenschaften  nach  ungeheuer  langen  Zeiträumen  als  Art- 
merkmale, in  Gestalt  von  »Rückschlag«  wieder  auftreten  können.  So 
erscheinen  z.  B.  im  Kleid  der  Vögel  zuweilen  Zeichnungsmerkmale  wie- 
der als  Kennzeichen  der  Gattung  oder  Art,  welche  bei  gar  nicht 
unmittelbar  verwandten  weit  zurückliegenden  Vorfahren  Art-  oder  Gat- 
tungsmerkmale  sind  oder  welche  nur  im  Dunenkleid  solcher  Vorfahren 
vorkommen  1).  Es  handelt  sich  hierbei  also  nicht  um  einen  gewöhn- 
lichen Rückschlag,  welcher  ja  nur  eine  zeitweise  auftretende  Erscheinung 
ist  und  mit  der  Kennzeichnung  neuer  Arten  nichts  zu  thun  hat,  sondern 
um  einen  ständigen  Rückschlag,  um  einen  ständigen  Stammes- 
rückschlae;. 

Zuweilen  erscheinen  solche  alte  Merkmale  von  Neuem  nur  an  einem 
Geschlecht,  besonders  am  Männchen  —  wir  haben  dann  einen  ständigen 
männlichen  Stammesrückschlag.  Zuweilen  erscheinen  sie  nur  in 
einem  Kleide,  z.B.  im  Prachtkleide  oder  während  der  Verwandlung  im  Üeber- 
gangskleide  —  dann  haben  wir  metamorphi sehen  oder  Verwand- 
lungsrückschlag. 


1;  Vergl.  das  Nähere  in  der  in  der  Fortsetzung  der  >  Orlhogenesis«  erscheinenden 
Abhandlung  über  das  Kleid  der  Schwimmvögel. 


über  bestimmt  gerichtete  Entwiciielung    Orthogenesis    bei  der  Artbildung.        23 

Es  ist  solcher  ständiger  Rückschlag  als  Beharrung,  Epistase  aufzu- 
fassen, denn  es  bleibt  die  betreffende  Eigenschaft,  welche  sich  nach  dem 
biogenetischen  Gesetz  während  der  individuellen  Entwickelung  als  Erbteil 
von  Ahnen  her  wiederholen  rauß,  aber  bei  den  unmittelbaren  Vorfahren 
der  rückschlagenden  Art  nur  eben  vorübergehend  wiederholte,  so  daß 
sie  am  fertigen  Wesen  nicht  mehr  zu  Tage  trat  —  es  bleibt  diese  Eigen- 
schaft bestehen  und  erscheint  als  Merkmal  der  fertigen  Art. 

Damit  ist  zugleich  die  Erklärung  des  gewöhnlichen  Rückschlags  oder 
Atavismus,  des  persönlichen  oder  Einzelrückschlasjs  gegeben. 
Es  handelt  sich  auch  dabei  nur  um  ein  Bestehenbleiben,  um 
ein  Beharren  einzelner  Eigenschaften,  welche  nach  dem  bio- 
genetischen Gesetz  während  der  Ontogenese  vorübergehend 
erscheinen  müßten,  um  alsbald  anderen  Platz  zu  machen^). 

Somit  reiht  sich  der  Atavismus  einfach  ein  in  die  übrigen  von  mir 
aufgestellten  Beharrungsgesetze  und  erklärt  sich  durch  sie  und  durch 
das  biogenetische  Gesetz.  Er  ist  nichts  als  ein  heterepistatischer,  onto- 
genetischer  persönlicher  Entwickelungsstillstand. 

Ebenso  ist  der  ständige  Stammesrückschlag  heterepistatischer  Ent- 
wickelungsstillstand, aber  nicht  ontogenetisch,  sondern  phylogenetisch.  Man 
kann  die  beidenArten  von  Rückschlag  am  einfachsten  als  ontogenetischen 
und  als  phylogenetischen  Rückschlag  bezeichnen  oder  als  ontogene- 
tische  und  phylogenetische  Epistase,  bezw.  Heterepistase.  Beide  weichen 
von  der  artbildenden  Genepistase  dadurch  ab,  daß  diese  einen  Stillstand  auf 
sämtlichen,  durch  eine  bestimmte  Entwickelungsrichtung  bezeichneten 
Eigenschaften  bedeutet  und  zwar  einen  außerhalb  der  Ontogenese  ge- 
legenen. Damit  kommen  wir  wieder  auf  das  Gebiet  der  Orthogenesis, 
in  welches  in  letzter  Linie  ebenso  der  ontogenetische  wie  der  phylo- 
genetische Rückschlag  gehören. 

Auch  das  l)io genetische  Gesetz 2)  ist  der  Ausdruck  bestimmter 
Entwickelungsrichtungen,  soweit  diese  nicht  durch  die  Thäligkeit  oder  den 
Nichtgebrauch  der  Organe  bei  den  Vorfahren  verändert  worden  sind.  Es 
bezieht  sich  dasselbe  selbstverständlich  nicht  allein  auf  die  Ontogenie, 
sondern  auch  auf  die  Metamorphose,  d.  i.  den  Zustand  der  noch  nach 
der  Geburt,  bezw.  nach  dem  Ausschlüpfen  aus  dem  Ei  fortdauernden 
Entwickelung.  Hier  sehen  wir  dann  z.  B.  bei  der  Zeichnung  der  Ei- 
dechsen, wie  eine  Zeichnung  durch  die  andere  ersetzt  wird  und  zwar  in 
der  Richtung  von  hinten  nach  vorn  postero-anteriore  Entwickelung,  Un- 
dulationsgesetz),  wie  die  Weibchen  meist  die  jugendlichen  Eigenschaften 
am  längsten  oder  überhaupt  behalten,  während  die  Männchen  zuerst 
neue  annehmen:  männliche  Präponderanz.     Die  letztere  ist  nichts  als  das 


1  Vgl.  H.  KoHLWEY,  »Das  Gesetz  der  Vererbung«,  Blätter  für  Geflügelzucht  1886 
Nr.  41 — 46,  wo  das  Gleiche  ausgesprochen  ist. 

-]  Hyatt  meint,  es  sei  das  biogenetische  Gesetz  nicht  von  Haeckel,  sondern  von 
A.  Agassiz  entdeckt  worden.  Thatsächlich  findet  es  sich  schon  klar  und  bestimmt 
ausgesprochen  bei  Kielmeyer,  sodann  bei  Meckel  und  anderen  Deutschen.  Vgl.  auch 
Schopenhauer,  Parerga  II,  S.  108. 


24  Vortrag. 

Yorschreiten  des  Männchens  um  eine  weitere  Entwickelangsstufe  auf  dem 
Weg  der  ürtliogenesis.  Bei  zahlreichen  der  von  mir  untersuchten  Tiere 
finden  sich  im  ausgebildeten  Zustande  bleibend  vorne  die  alten,  ursprüng- 
lichen Eigenschaften,  hinten  die  neuen:  so  in  der  Zeichnung  der  Echsen, 
der  Raubvögel,  der  Papilioniden  u.  A.  In  der  Skulptur  der  Ammoniten- 
und  der  Schneckenschalen  linden  sich  die  alten  J^genschaften  an  den 
ursprünglichsten  Windungen,  die  neuen  an  den  letzten. 

Ganz  entsprechende  Beispiele  lassen  sich  für  die  Pflanzen  in  Be- 
ziehung auf  die  Blätterfolge    beibringen. 

Eine  zweite  wichtige  Ursache  der  Trennung  der  Organismenkette  in 
Arten  ist  die 

2.  sprun  g weise  Entwickel  iing  oder  Halmatogenesis,  durch 
die  plötzlich,  ohne  Vermittelung  auftretende  Entstehung  von  neuen  Eigen- 
schaften oder,  wenn  eine  ganze  Summe  solcher  neuer  Eigenschaften  auf- 
tritt, durch  plötzliche  Entstehung  von  neuen  Formen,  welche  von  der 
Stammform  sehr  abweichen.  In  welchem  Maße  hier  unmittelbare  äußere 
Einwirkungen  veranlassend  sind,  beweisen  zahlreiche  Thatsochen ,  wie 
die  plötzlichen,  kaleidoskopischen  Umbildungen  der  Zeichnung  und 
Färbung  der  Schmetterlinge  durch  Einwirkung  von  Wärme  oder  Kälte 
während  der  Entwickelung  (dahin  auch  der  Horadimorphismus  oder  die 
Jahreszeitenabartung),  die  plötzlichen  Undiildungen  durch  Ernährung  oder 
allgemeine  äußere  Lebensbedingungen,  wie  sie  für  die  Entstehung  des 
Amblijstoma  maßgebend  sind.  Auch  die  Umgestaltung  der  Artemia  salina 
in  Branchipus  (Schm.vnkewitsch)  bietet  plötzliche  stufenweise  Umbildungen 
dar.  Überall  erscheint  hier  die  Gorrelation  als  eine  der  wichtigsten 
Ursachen  der  Uml>ildung  der  Formen  '). 

Daß  die  räumliche  Trennung  Einfluß  auf  die  Entstehung  der 
Arten  hat,  ergiebt  sich  aus  meiner  Lehre  von  der  genepistatischen  Art- 
bildung und  von  der  Beeinflussung  der  Transmutation  durch  äußere 
Einwirkuneen   von  selbst. 

Äußere  F^inflüsse  werden  umsomehr  artbiidend  oder  die  Artbildung 
fördernd  auf  genepistatisch  sich  scheidende  Formen  wirken  können,  je 
entschiedener  räumliche  Trennung  die  werdende  Art  von  der  Stamraart 
entfernt  hält  und  geschlechtliche  Mischung  hindert.  Aber  eine  unmittel- 
bare, selbständige  Bedeutung  für  die  Artbildung  kann  räumlicher  Trennung 
nicht   zukommen. 

Artbildung  kann,  wie  schon  hervorgehoben,  auch  innerhalb  des 
Verbreitungsgebietes  der  Stammform  vorkommen  und  allein  durch  Gen- 
epistase  bedingt  sein.  Besonders  wichtig  ist  aber  für  die  Artbildung 
ohne  räumliche  Trennung : 

3.  die  Befruchtungsverhinderung,  Kyesamechanie'i,  die 
bei  einer  Anzahl  von  Einzelwesen  durch  morphologische  oder  physiologi- 


1  Von  der  hier  maßgebenden  kaleidoskopischen  Korrelation  ist  die 
funktionelle  oder  CuviEu'sche  Korrelation  zu  unterscheiden,  ^velche  auf  den  Ge- 
brauch der  Teile  zurückzuführen  ist. 

-,   Von  y.vTjais  Befruchtung  und  (\i(7]%c<i'if!  Unvermögen. 


über  bestimmt  gerichtete  Entvvickelung  lOrttiogenesis)  bei  der  Artbildung.       25 

sehe  Veränderung  an  Samen  oder  Ei  oder  an  beiden  oder  wegen  Ver- 
schiebung der  Reifezeit  derselben  erfolgende  Unmöglichkeit  der  Befruch- 
tung solcher  Einzelwesen  mit  anderen,  während  sie  unter  sich  möelich 
ist.  Derartige  Veränderung  wird  besonders  korrelativ,  durch  mittelbaren 
Einfluß  auf  die  GeschlechtsvAerkzeuge  eintreten  können. 

Ich  habe  auf  die  Befruchtungsverhinderung  schon  seit  18741)  [iJq_ 
gewiesen.  G.  .).  Uoma.nes  kam  später  (1886)  ebenfalls  auf  den  Gedanken 
und  stellte  die  Befruchtungs Verhinderung  unter  dem  Namen:  physiological 
selection  der  Entstehung  der  Arten  durch  natürliche  Zuchtwahl  gegen- 
über -]. 

Endlich  ist  es  ganz  besonders  die  Thätigkeit,  der  fortgesetzte 
Gebrauch  bestimmter  Organe,  was  Artbildung  fordert  und  bedingt  und 
auch  der  Kreuzung  kann  dieselbe  Rolle  zufallen,  während  sie  anderer- 
seits wieder  ausgleichend  wirkt   und  Artbildung  verhindert. 

Dagegen  giebt  es  eine  Entstehung  der  Arten  durch  natür- 
liehe  Zuchtwahl  nicht,  sondern  nur  eine  Erhaltung  schon 
vorhandener  Arten  durch    natürliche  Zuchtwahl. 

Damit  erkenne  ich  aber  den  einen  Teil  der  DARWix'schen  Auffassungen 
durchaus  an.  Denn  der  Inhalt  derselben  ist  in  der  Aufschrift  des  DxRwrx- 
schen  Buches  von  der  Entstehung  der  Arten  bezeichnet:  Über  die  Ent- 
stehung  der  Arten  im  Tier-  und  Pllanzenreich  durch  natürliche  Zuchtwahl 
oder  Erhaltung  der  vollkommensten  Rassen  im  Kampf  ums 
Dasein. 

Beweisführung. 

Die  Beweise  für  meine  hiermit  ausgesprochenen  Auffassungen  ent- 
nehme ich  heute  den  Thatsachen,  welche  mir  meine  Untersuchungen 
über  die  Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den  Schmetterlingen  an  die 
Hand  geben,  und  zwar  dem  soeben  erschienenen  zweiten  Teil  dieses 
Werkes,  die  schwalbenschwauzähnlichen  Formen  enthaltend. 

Unter  diesen  Schwalbenschwänzen  unterscheide  ich  drei  Gruppen: 
die  Turnus-,  die  Machaon-  und  die  Asterias-Gruppe.  Dieselben  enthalten 
meist  Amerikaner,  und  zwar  vorzugsweise  Nordamerikaner.    Nur  Alexanor 


1  Zuerst  in:  Zoologische  Studien  auf  Capri.  II  Lacerta  muralis  coerulea,  Leipzig 
Engelniann  i874  S.  45.  Sodann  Zoolog.  Unters,  mit  bes.  Berücks.  d.  Biologie,  I  üb. 
Bau  u.  Bewegung  d.  Samenfaden.  Würzb.  Stahel  1874  S.  42  u.  Würzb.  Verh.  dSTA. 
Yariiren  d.  Mauereidechse  1S8I   S.  -261.     Entstehung  d.  Arten  I  S.  43. 

Es  handelt  sich  bei  der  Befruchtungsverhinderung  nach  meiner  Ansicht:  1.  um 
mechanische  Ursachen,  und  zwar  (abgesehen  von  solchen,  welche  etwa  vom  groben 
Baue  der  Geschlechtsorgane  abhängen  a  um  Größe  der  Samenfäden,  bezw.  Weite 
der  Einlaßkanäle  des  Eies  oder  größere  oder  geringere  Festigkeit  der  Eihaut,  h)  um 
die  größere  oder  geringere  Kraft  und  die  Art  der  Bewegung  der  Samenfäden,  welche 
letztere  nach  meinen  Beobachtungen  bei  den  Wirbeltieren  nach  Maßgabe  der  Schrauben- 
bewegung, meist  unter  Drehung  erfolgt.  Gerade  die  Samenfäden  sind  in  Gestalt  und 
Bewegung  zuweilen  auch  bei  sehr  verwandten  Formen  sehr  verschieden.  2.  um  physi- 
kalisch-chemische Unterschiede  in  der  Zusammensetzung  von  Samen  und  Ei. 

-,  Journal  of  the  Linnean  Society.    Zoology,  London  1886. 


26  Vortrag. 

aus  der  Turnus-Gruppe  kommt  in  Europa  und  Asien  vor,  die  Machaon- 
Gruppe  hat  ihre  Vertretung  in  Europa,  Nordamerika,  Asien  und  Afrika. 
Alle  drei  leben  übrigens  in  zusammenhängenden  Verbreitungsgebieten 
und  hängen  auch  verwandtschaftlich  unmittelbar  zusammen.  Der  nord- 
amerikanische, der  Turnus-Gruppe  angehörige  Papilio  Eurymedon  oder 
eine  ihm  ähnliche  Stammform  derselben  Gruppe  bildet  den  Ausgangspunkt 
für  alle  anderen  und  schließt  dieselben  zugleich  an  die  Segelfalter  an. 
Die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  werden  zwar  vorzugsweise  aus  der 
Zeichnung  erschlossen,  aber  alle  übrigen  Eigenschaften  schließen  sich  dieser 
an;  die  Aderung  erscheint  für  dieselbe  nicht  durchaus  maßgebend.  Man 
erkennt  an  Zeichnung,  Färbung  und  Gestalt  sofort,  daß  die  Verwandtschaft 
mit  der  geographischen  Verbreitung  in  Übereinstimmung  steht,  dergestalt, 
daß  die  Formen  Schritt  für  Schritt  weiter  weg  vom  Sitz  der  Stammformen 
entfernter  verwandte  Abarten  oder  Arten  darstellen.  Wie  ich  schon  für 
die  Seselfalter  nachgewiesen  hatte,  so  läßt  sich  auch  für  die  Schwalben- 
schwänze  durch  einen  Blick  auf  die  jenem  Werke  beigegebenen  Tafeln 
erkennen,  daß  Abänderungen  der  Einzeltiere  in  benachbarten 
Gebieten  in  Abarten,  in  noch  entfernteren  aber  in  Arten 
übergehen.  Jene  Abbildungen  der  Schw-albenschwänze  zeigen  ferner, 
daß  überall  bestimmte  En  twickelunssrichtunge  n  für  die  Um- 
bilduns  maßgebend  sind.  Durch  sie  entstehen  zuerst  individuelle  Ab- 
änderungen  an  Einzeltieren  einer  Art  (Abartungen,  aberrationes),  dann 
Abarten  (varietates),  endlichArten  (species).  Alle  diese  zur  Entstehung 
von  Abartungen,  Abarten  undArten  führenden  Entwickelungs- 
richtungen  aber  haben  mitEntstehung  durch  natürliche  Zucht- 
wahl, auch  mit  e  eschlecht  lieh  er  Zuchtwahl,  nichts  zu  thun: 
die  neuen  Formen  entstehen  ohne  jede  Beziehung  zum  Nutzen,  jede  neue 
Falterform  zeigt  für  sich  die  vollkommene  Ohnmacht  der  Natur- 
züchtung. Dagegen  ergiebt  sich  schon  aus  den  Thatsachen  der  geo- 
graphischen Verbreitung  in  Beziehung  zur  Verwandtschaft  auf  das  deut- 
lichste, daß  äußere,  besonders  klimatische  Verhältnisse  bei  der  Artbildung 
mit  maßgebend  gewesen  sein  müssen.  Dies  wird  bewiesen  durch  die 
Thatsache,  daß  künstliehe  Temperatureinwirkungen  ganz  die  gleichen 
Entwickelungsriehtungen ,  bezw.  Abändertingen  derselben  bedingen, 
wie  diejenigen  sind,  welche  die  nämlichen  Falter  nach  ihrer  geo- 
graphischen Verbreitung  zeigen.  Dies  haben  in  letzter  Zeit  insbesondere 
eben  die  Versuche  von  Standfuss  gezeigt,  welcher  z.  B.  durch  Wärme- 
einwirkung auf  die  Puppen  von  Papilio  Machaon  aus  Zürich  Falter  erzeugt 
hat,  wie  sie  im  August  in  Syrien  fliegen.  Dabei  entsprechen  nicht  nur 
die  Veränderungen  der  Eigenschaften  von  Färbung  und  Zeichnung,  son- 
dern auch  die  der  Gestalt,  wie  sie  durch  Wärmeeinfluß  auf  die  Puppen 
hervorgerufen  werden,  den  südlichen  Formen. 

Einen  weiteren  Beweis  für  die  Richtigkeit  meiner  Auffassung  liefern 
ferner  die  Thatsachen  der  Jahreszeitenabartung  und  zwar  erstens 
dahin,  daß  überall  die  Sommerformen  den  künstlich  durch 
Wärme    erzeugten  Formen  entsprechen,    und   zweitens   dahin. 


über  bestimmt  gerichtete  Entwickelung    Orthogenesis)  bei  der  Artbildung.        27 

daß  die  E  i  g  e  n  s  c  h  a  f  t  e  n  der  S  o  m  m  e  r  f  o  r  in  e  n  mehr  nördlich 
lebender  Arten  den  Artmerkmalen  verwandter  im  Süden 
lebender  Falter  gleich  oder   nahestehend  sind^). 

Die  Versuche  von  Standflss,  Merrifield  und  Fischer,  sowie  die 
Thatsachen,  welche  die  Jahreszeitenabartung  an  die  Hand  giebt,  zeigen, 
daß  die  von  Herrn  Weismanx  aufgestellte  Erklärung  der  Entstehung  von 
Vanessa  Levana  als  Rückschlag  ungiltig  ist-),  ebenso  die  von  derselben 
Seite  versuchte  Erklärung  der  Entstehung  der  dunklen  Form  von  Polyom- 
malus  Phlaeas  und  daß  es  sich  in  den  Folgen  der  Einwirkung  von  Wärme 
und  Licht  auf  die  Falter  einfach  handelt  um  Vererbung  erworbener 
Eigenschaften,  was  durch  jene  Erklärungea  zurückgewiesen  werden 
sollte. 

»Auf  den  hier  vorliegenden  Tafeln  meiner  Schmetterlinge  ist  die 
Artbilduno;,  sind  die  Gesetze  der  Entwickelungslehre  von  den  Flügeln 
der  Falter  abzulesen.  Die  Zeichnungen  und  Farben  derselben  sind  ebenso- 
viele  Buchstaben,  welche  eine  so  klare  und  eindringliche  Sprache  reden, 
daß  Niemand,  der  die  Wahrheit  sehen  will,  sie  mißverstehen  kann.  Wie 
die  Blätter  eines  otfenen  Buches  stellen  uns  diese  SchriftzQge  auf  den 
Flügeln  unserer  Falter  Gewordensein   und  Werden  dar«. 

»Hier  auf  den  Gesetzestafeln,  welche  die  lebende  Natur  uns  an  die 
Hand  giebt.  steht  die  Wahrheit  der  Entwickelungslehre  geschrieben, 
nicht  in  den  Schriften  von  Naturphilosophen,  welche  ohne  alle  Rücksicht 
auf  Thatsachen  Entwickelungsphantasien  träumen  und  dieselben  in  un- 
verdrossener Fruchtbarkeit  unter  eine  gläubige  Menge  ausschütten.  Nicht 
erdachte  Hypothese  ist  Naturforschung.  Nur  dann  hat  die  Hypothese  in 
dieser  ein  Recht,  wenn  sie  auf  Thatsachen  sich  aufbaut.  Wer  Thatsachen 
mißachtet,  ist  kein  Naturforscher«  sagte  ich  im  Vorwort  zu  den  JiSchwalben- 
schwänzen«. 

Es  lehrt  diese  Buchstabenschrift  auf  das  Überzeugendste  und  Un- 
angreifbarste.  wie  eine  Art  in  die  andere  übergeht  und  wie  die 
Arten  sich  trennen.  Nirgends  ist  bisher  die^  thatsächliche  Entstehung 
von  Arten  und  der  Zusammenhang  einer  Kette  von  Arten  gezeigt  und 
bewiesen  worden  wie  hier. 

Betrachten  wir  die  Thatsachen  näher. 

Im  ersten  Teil  meiner  »Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den 
Schmetterlingen«,  in  der  Abhandlung  über  die  segelfalterähnlichenPapilioni- 
den,  habe  ich  diese  abgeleitet  von  Formen,  welche  elf  Längsstreifen  auf 
den  Flügeln  gehabt  haben,  wie  sie  heute  noch  einigen  Arten,  wie  P. 
Alehion^    Paphus,    Glycen'on    zukommen.      Diese    längsgestreiften  3]    Falter 


1  Man  vergleiclie  liierzu  Ijesonders  auch  den  I.  Teil  meiner  »Schmetterlinge«, 
die  Segelfalterähnlicben. 

-;   Man  vergleiclie  die  spätere  Darlegung. 

3;  Man  hat  mir  von  verschiedenen  Seiten  entgegengehalten,  daß  das,  was  icli  als 
Längsstreifung  der  Schmetterlinge  bezeichne,  ja  doch  eine  Querstreifung  der  Flügel 
sei.  Das  ist  ganz  richtig,  eben  wenn  man  von  der  Zeichnung  eines  einzelnen 
Flügels  redet.     Ich  spreche  aber  von  der  Zeichnung  des  ganzen  Schmetterlings,  seines 


28 


Vortrag. 


gel)en  aber,  wie  ich  mich  immer  mehr  überzeugt  habe,  die  Grundform 
der  Zeiclmung  der  Tagfalter  überhaupt  wieder.  Teilweises  oder  gänz- 
liches Schwinden,  Ver])reiterung  und  Ver- 
schmelzen  der  Grundbinden  bedingen  die  Bil- 
dung der  Kennzeichen  von  Abartungen,  Abarten, 
Gattungen  und  Familien.  Aus  Umbildungen 
der  Grundl>inden  und  der  Zwischenräume  der- 
selben gehen  auch  die  Augen  flecke  hervor. 

Schon  bei  den  meisten  Segelfaltern  sind 
von  den  elf  Binden  einige  geschwunden  oder 
in  der  Richtung  von  hinten  nach  vorne  ver- 
kürzt. Ähnlich  ist  es  bei  den  Schwalben- 
schwänzen, welche  ihnen  zunächst  stehen. 

Ich  gebe  hier  eine  Abbildung  von  Alebion 
von  der  Oberseite')  mit  den  elf  Grundbinden 
und  deren  Bezeichnung  durch  die  Zahlen  wie- 
der, welche  ich  in  meiner  »Artbildung  und 
Verwandtschaft  bei  den  Schmetterlini^en«  über- 
all  angewendet  habe  und  welche  ich  auch  im 
Folgenden  der  Beschreibung  zu  Grunde  legen 
werde    —    denn   es    kann 


Abb.  1.     Pupilio  Alibion  Guay. 


jegliche 


Zeichnung 


der  Tagfalter  auf  sie  und  auf  Schwarzfärbung 


der 


zurückgeführt  werden. 


i^D- 


Adern 

Auch  die  folgenden  Abbildungen  von 
Schwalbenschwänzen  sind  meiner  »Artbil- 
dung« entnommen.  Der  Beschreibung  sind 
am  Fuße  Zahlen  in  Klammern  beigefügt,  welche 
auf  die  für  das  volle  Verständnis  notwendigen 
farbigen  Abbildungenjenes  Werkes  hinweisen. 

DieForm  der  Schwalbenschwänze,  welche 
unter  den  lebenden  der  Ausgangsform  dei'- 


Körpers  und  seiner  zwei  Flügel  jederseits,  je  des 
vorderen  und  des  hinteren  als  zusammengehöriger 
Teile  eines  Ganzen.  Daß  die  Flügel  das  letztere  in 
Beziehung  auf  die  Zeichnung  sind,  beweist  der  Zu- 
sammenhang der  Zeichnung  vorn  und  hinten  bei 
der  .Stellung,  welche  die  Flügel  in  ausgebreitetem 
Zustande  einnehmen  und  wobei  die  Zeichnung  und 
Farbe  soweit  fehlt,  als  die  Hinterflügel  von  den 
Vorderflügeln  bedeckt  sind.  Desgleichen  erweist 
sich  jener  Zusammenhanji  durch  die  Art  der  Um- 
bildung ,bezw.  Schwinden,  der  Zeichnung  in  der 
Richtung  von  hinten  nach  vorn,  von  den  Hinter- 
flügeln auf  die  Vorderflügel,  d.  i.  durch  die  Gültig- 
keit von  allgemeinen  Zeichnungsgesetzen  auch  bei  dieser  Umbildung.  Man  vergleiche 
des  Näheren  hierzu  meine  »Artbildung«  H  S.  48.  49. 

'    In  den    folgenden   Abbildungen   bezieht   sich   der   linke   Flügel   immer  auf  die 
Oberseite,  der  rechte  auf  die  Unterseite. 


Abb.  2.     P.  Eurijmedon  Boisu. 


über  bestimmt  berichtete  Entwickelung  lOrthogenesis    bei  der  Artbildung. 


29 


selben  am  nächsten  stehen  dürfte  und  welche   sich    am   nächsten  an  die 
Segelfalter  anschließt,  Pupilio  Eurymedon    Abb.  2  ,   hat  nur  noch  sieben 
Längsstreifen;  die  übrigen  sind  teilweise  geschwunden,  teilweise  seitlich 
verschmolzen.    Sie  schwinden,  wie  bei  den  Seglern, 
auf  Grund  der  Orthogenesis.   bei  nachfolgenden 
Arten  in  der  Richtung  von  hinten  nach  vorn,  nach 
Maßgabe  der  postero-anterioren  Entwickelung 
[Papilio  Turnus,   P.  Alexauoi-,   P.  Machaon). 

Bei  P.  Alexanor  sind,  wie  beifolgende  Abbil- 
dung zeigt,  noch  sieben  Streifen,  ganz  oder  teil- 
weise, vorhanden  (I,  II,  III,  V/VI,  VII  VIII,  IX, 
XI),  V/VI  liegt  hier,  wie  auch  sonst  stets,  auf  den 
Vorderflügeln  auf  der  äußern  Grenze  der  Mittel- 
zelle. IX  bildet  mit  XI  einen  Winkel,  ist  auf  der 
Unterseite  häufig  schwarz-weiß-roth  oder  schwarz- 
weiß-gelb  gefärbt  Prachtbiiide<  ;.  C  auf  der  äuße- 
ren Grenze  der  Mittel zelle  der  Hiuterflügel  ist,  wie 
V/VI,  auch  in  anderen  Familien,  z.  B.  Pieriden,  eine 
sehr  wichtige  Zeichnung,  ursprünglich  wohl  ein 
Bestandteil  von  VII/VIII,  welcher  bei  einzelnen 
Segelfaltern  in  Andeutuns;,  bei  Schwalbenschwän- 
zen  aber  ausgesprochen  als   » C- Zeichnung  <   wieder  auftritt. 

Die  weiteren  Umbildungen  der  Binden  der  Schwalbenschwänze  zeigen 
den  Ausdruck  des  allgemeinen  Zeichnungsgesetzes 
darin,  daß  sie  durch  Verkürzung  und  seitliche 
Verschmelzung  zunächst  eine  Fleckenzeichnung 
darbieten,  wie  P.  Machaon  in  Europa  und  Nord- 
afrika'i,  sodann,  indem  die  Queradern  sich 
schwarz  färben,  den  Beginn  einer  Querstreifung, 
(andere  Machaon),  welche  noch  durch  weitere 
Mittel  zu  einer  vollkommenen  wird,  wie  bei  P. 
Xuthus  und  Xuthulus'^j:  es  tritt  nämlich  hier  auf 
beiden  Seiten  der  Flügel  auch  in  der  vorderen 
Mittelzelle  eine  Querstreifung  auf  [a  Abb.  o). 

Bei  P.  JJospüon  lAhh.  7  ist  ein  Anfang  dieser 
neuen  Zeichnung  vorhanden. 

Endlich  entsteht  Einfarbig keit  dadurch, 
daß  in  ganz  gesetzmäßiger  Weise  Schwarzfärbung, 
welche    am    inneren    Flügelwinkel    bei    Machaon 


Abb.  3. 


Papilio  Alexanor 
Esp.  Q. 


begonnen  hat,   nach   außen    über  die  Flügel  sich 


Abb.  4.     Papilio  Machaon 
himacitlatiis  m. 


verbreitet  und  schließlich  die    ganze  Fläche  der- 
selben  bis   auf  wenige   Randflecke  einnimmt  f^stenos -Gruppe  Abb.  6  -^  . 
Damit   haben  wir  eine  Vereinfachung  in  der  Zeichnung  und  Fär- 
bung der  höheren  Formen,  nicht  eine  Vervollkommnung,  wie  sie  Nägeli's 


1     Taf.  VI  Fig.  8.1 


(Taf.  VI  Fig.  9  und  40.) 


3,  (Taf.  YII  und  VIII. ; 


30 


Vortrag. 


Lehre  und  wie  sie  die  geschlechtliehe  Zuchtwahl  verlangen  würde; 


das- 


selbe   gilt   für   die  Schwänze    der  Hinterllügel ,    welche  bei  den  höheren 

Formen  nicht  verlängert,  sondern  verkürzt 
werden.  Beides  gilt  ebenso  für  die  Segelfalter. 
Die  geschilderten  Entwickelungsrichtun- 
gen  der  Zeichnung  aber  zeigen  somit  in  ihrer 
Gesetzmäßigkeit  im  Einzelnen  Verhältnisse, 
welche  auch  bei  mit  den  Schmetterlingen 
nicht   verwandten    Tieren,    so   bei   Säu- 


gar 


Abb.  5.    Papilio  Xnthiis  L.  (Unterseite). 


gern,  Vögeln,  Eidechsen,  Mollusken  u.  s.  w. 
maßgebend  sind. 

Die  allmähliche  Umbildung  der  Zeichnung 
geschieht  also,  wie  die  Abbildungen,  beson- 
ders die  meiner  Tafeln  lehren,  zum  wichtig- 
sten Teil  durch  Schwinden,  durch  Verkürzung 
und  durch  seitliches  Verschmelzen  von  Bin- 
den, wobei  in  der  Regel  die  obere  Seite 
der  unteren  vorangeht,  so  daß  die  letztere 
meist  noch  ursprünglichere  Verhältnisse  be- 
w^ahrt  —  gerade  umgekehrt  wie  es  die  An- 
passungslehre für  die  Tagfalter  verlangt. 

Dazu  treten  neue  eUinzende  Farben  und 
.Farbenzeichnungen,  Zierden,  meistens  zuerst 
wieder  auf  der  Oberfläche  auf,  wie  die  glän- 
zend blaue  innere  Randbinde,  welche  zugleich, 
entsprechend  der  postero-anterioren  Entwicke- 
lung,  zuerst  hinten  entsteht,  auf  den  Hinter- 
flügeln sich  ausbildet  und  von  da  nach  vorne 
rückt  [P.  Turnus^  Taf.  V,  Machaon  i),  Aslen'as- 
Gruppe^).  Wenn  aber  diese  Binde  unten 
ausgesprochener  und  schöner  ist  als  oben,  so 
ist  sie  dort  erst  nachträglich  entstanden  und 
oben  schon  im  Schwinden  begriffen  oder 
geschwunden   (P.  TroiluS'^],   Palamedes^]. 

Am  inneren  Winkel  der  Hinterflügel  bildet 
sich  ebenso  wie  bei  den  Segelfaltern  als 
Zierde  das  Afterauge  aus  und  zwar  aus  Teilen 
der  Randbinden ,  wie  die  Vergleichung  des 
ursprünglicher  bleibenden  Zustandes  der 
Unterseite  oft  zeigt,  z.  B.  Papilio  Hospiton  (vgl. 
Abb.  7  bei  o  außerhalb  der  Abbildung)^). 
Sehr  bemerkenswert  ist  die  ganz  allmählich  und  gesetzmäßig  aus 
einem  Stück  schwarzer  Binde  hervorgehende  Entstehung  eines  schwarzen 


Abi).  6.    Papilio  Asttrias  Ckam.  £.'. 


';  (Taf.  VI.]  2)  (Taf.  VII.; 

und  4  u.  a.)  ä)"  (Taf.  VI  Fig.  6. 


Taf.  VIII  Fig.  2. 


4j  (Ebenda  Fig.  3 


über  bestimmt  gerichtete  Entwickelung 


Orthogenesis)  bei  der 


Artbildung. 


31 


Kerns  in  dem  oranienroten  Afterauge  besonders  bei  den  Machaon  und 
Asterias.  Während  so  die  Oberseite  meist  der  Unterseite  in  der  Fort- 
bildung vorangeht,  kommt  auch  das  Umgekehrte 
vor,  so  z.  B.  in  der  Entstehung  oranienroter  Flecke, 
welche  wiederum  zuerst  am  hinteren  Teil  der 
Hinterflügel  innerhalb  der  innersten  schwarzen 
Randbinde  in  den  Flügelzellen  auf  der  Unterseite 
entstehen'),  so  bei  P.  Machaon^  ferner  bei  P.  Hos- 
piton  [o  Abb.  1)-:,  dann  bei  P.  Turnus,  Daunus 
(Stelle  der  vier  inneren  o  auf  den'  Hinterflügeln 
Abb.  8)3]  und  welche  allmählich  an  Kraft  der  Farbe 
und  an  Größe  zunehmen,  um  sich  zuletzt  über  die 
Flügelzellen  der  Yorderflügel  zu  verbreiten  [P. 
brevicauda,  P.  Americits,  P.  Hellanichus)^),  bei  letz- 
terem Falter  sind  sie  auch  auf  der  Oberseite  vor- 
handen, ebenso  bei  Calverleyi  (o  auf  dem  Hinterilügel 
und  entsprechende  benachbarte  Flecke  Abb.  9)  ^]. 

Für  P.   Tur- 
(t^  nus  ist  bemer- 

kenswert ,    daß 

diese  Flecke  zuerst  kräftiger  beim 
Weib  erscheinen 6).  Bei  P.'  Batrdii 
ist  es  umgekehrt^). 


Abb.  7.     Papilio  Hospiton 
Gene.     Unterseite. 

[Die  drei  o  auf  dem  Hinter- 
flügel  bedeuten   die  Stellen, 
wo     oranienruta      (rotgelbe) 
Flecke  liegen.] 


Abb.  8.    Papilio  Daunus  Boisd.   (5; 
Unterseite. 

[Die  vier  o  innen  auf  den  Hinterflügeln  bedeu- 
ten die  Stellen,  wo  oranienrote  Flecke  liegen.] 


Abb.  9.     Papilio  Asterias  var.  Calverleyi 
Grote. 

[o  zwei  Keihen  rotgelber  Flecke. 
a  Kern  des  Afterauges.] 


1)    Taf.  V,  VI. 
fi     Taf.  Y  Fi2.  -2. 


2'    Taf.  VI.) 
(Taf.  VII.) 


(Taf.  V, 


4)   (Taf.  VII. 


5;    Taf.  YIII.) 


32 


Vortras. 


Ebenso  treten  in  den  schwefelgelben  Flecken  der  äußern  Randbinde 
zuerst  unten  oranienrote  Tupfen  aui' [Turnus].  Dieselben  finden  sich  l)ei 
den  höheren  Formen  nur  noch  in  den  vordem  Flügelzellen,  sind  in  den 
(zwei)  hinteren  (Abb.  9)  geschwunden  I P.  Astevioides  und  Asterias)^,. 
Der  vorderste  dieser  Flecke  überträgt  sich  bei  Turnus  auf  die  Oberseite 
(vgl.  Abb.  iO  das  vordere  o),  ebenso  bei  Troilus'^],  und  ebenda  und  an- 
deutungsweise in  den  übrigen  Zellen  der  Hinterflügel,  sowie  in  der 
hintersten  der  Vorderjlügel  erscheint  solche  Färbung  auch  bei  P.  Machaon 
asiatica'^)  und  diese  Färbung  ist  es,  welche  ül)erall  das  Oranienrot  des 
Afteraugenflecks  in  der  innersten  Zelle  der  Hinterllügel  herstellt  z.  B.  o 
bei   Turnus  Glaucus  O,  Abb.  19,  n  bei   Papüio  Bairdii  (j^.  Abb.  15). 


/  i7/az 


Alib.  10.     Papilio  Turnus  L.  Q. 


Ablj.  11.     PiipiUo  Xnthus  L.  (Oberseite). 


Eine  sehr  merkwürdise  Entwickelunesrichtune  in  der  Umbilduns;  der 
Zeichnung  zeigt  sich  noch  darin,  daß  zuerst  bei  den  Machaon  und  zwar 
auf  der  Unterseite  Andeutung  jener  Streifung  der  Mittelzelle  der  Vor- 
derflüsel  vorkommt,  welche  bei  Xuthus  und  Xuthulus  weiter  ausgebildet 
und  auf  beiden  Seiten  vorhanden  zu  einem  hervorragenden  Artmerkmal 
geworden  ist  (vgl.  P.  Hospiton  Abb.  7,  P.  Xuthus  Abb.  o  und  flippo- 
crates)-^].  ferner   P.  Machaon  aestäms. 

Zahlreiche  andere  solche  gesetzmäßig  vor  sich  gehende  Umbildun- 
gen von  Zeichnung  und  Farbe  ließen  sich  noch  aufführen. 

Statt  dessen  wollen  wir  nun  einige  neu  auftretende  Eigen- 
schaften an   unseren  Schwall)enschwänzen  in"s  Au^e  fassen. 


V  (Taf.  VII. 


iTaf.  VlII  Fig.  2., 


3]  iTaf.  VI  Fig. 


4     Taf.  VI.) 


über  bestimmt  gerichtete  Entwickeliing    Orthogenesis)  bei  der  Artbildung.       33 

Solche  neue  Eigenschaften  entstehen,  wie  ich  schon  für  die  Segel- 
falter nachgewiesen  habe,  mit  unscheinbarsten,  zuerst  kaum  sichtbaren 
Anfängen.  Sie  entstehen  ebenso  wie  alle  übrigen  Abänderungen  zuerst 
nur  bei  einzelnen  Faltern  einer  Art  als  Abartungen  (aberrationes  ,  treten 
dann  als  Merkmale  von  Abarten  (variationes  und  zuletzt  von  Arten 
species)  auf. 

In  dieser  Weise  erscheinen  gewisse  schwarze  Pünktchen  bei  den 
Schwalbenschwänzen  in  Zellen  der  Vorderflügel  teils  erst  als  Merkmale 
von  Abartungen,  teils  schon  als  solche  von  Arten. 

So  findet  sich  bei  Machaon  in  der  Gabelzelle  meist  beiderseits,  stets 
aber  oben,  ein  schwarzer  Punkt  oder  Fleck,  der  ebenso  bei  Xuthus  und 
Xuthulus  und  bei  mehreren  Gliedern  der  /Isferm^-Gruppe  vorhanden  und 
Artmerkmal  geworden  ist  vgl.  P.  Hospiton,  Abb.  7  bei  G,  P.  Machaon 
bimaculatus^  Abb.  4,  P.  Xuthus,  Abb.  11,  P.  Bairdii  r^,  Abb.  15'.  Bei 
P.  Turnus  Q  und  bei  P.  Alexanor  u.  a.  liegt  an  seiner  Stelle  ein  nach 
außen  vorragender  Teil  der  Binde  IV  \\  aus  welchem  er  wohl  entstanden 
ist.  Bei  manchen  Machaon  (z.  B.  Hospiton]  bekommt  der  schwarze  Fleck, 
als  neue  Eigenschaft,  in  der  Mitte  eine  helle  Stelle  (vgl.  die  Abbildung). 

So  findet  sich  in  der  hinter  der  Gabelzelle  gelegenen  Zelle  (erste 
Seitenrandzelle  im  hellen  Binnenraum  derselben  zuweifen  ein  sehr  kleines, 
aber  scharf  gezeichnetes  Pünktchen  bei  einzelnen  unserer  einheimischen 
P.  Machaon  (vgl.  P.  M.  bimaculatus  Abb.  4  .  Ebenso  findet  es  sich  bei 
einem  Falter  von  Allahabad 2.  Bei  P.  Xuthus  vgl.  Abb.  II  ist  es  auf 
der  Oberseite  stets  vorhanden,  selten  nur  als  kleiner  Querstrich:  meist 
ist  es  zu  einem  großen  eirunden  Fleck  geworden :  aus  der  bei  Machaon 
als  Aberrationserscheinung  auftretenden  Zeichnung  ward  es  hier  zum 
ausgezeichneten  Artmerkmal. 

Neu  ist  das  Auftreten  einer  schwarzen  äußeren  Begrenzung  der 
Mittelzelle  der  Hinterflügel,  welche  auf  der  Unterseite  bei  den  Turnus 
die  ganze  äußere  Umgrenzung  betrifft,  auf  der  Oberseite  nur  als  mehr 
oder  w"eniger  kurzer  schwarzer  Strich  erscheint:  die  von  mir  sogenannte 
C- Zeichnung  —  sehr  auffallend  z.  B.  bei  P.  Turnus  O  (Abb.  10  C), 
Daunus  (f  (Abb.  8  ,  Pilumnus,  vor  allem  bei  Alexanor  Abb.  3  C].  Bei  Daunus 
Q.  ist  sie  nur  unten  vorhanden ;  bei  den  meisten  P.  Machaon  ist  auch  auf 
der  Oberseite  die  ganze  Begrenzung  der  Mittelzelle  schwarz,  ebenso  bei 
den  meisten  Asterias^). 

Eine  neue  Eigenschaft  ist  auch  der  schwarze  Kern  im  Afteraugen- 
fleck,  wie  er  ausgesprochen   schon   bei  manchen  Gliedern  der  Machaon- 


1    In   dem   im    »Compte-Rendu«   gedruckten  Vortrag    S.  163    heißt  es  fälschlich 
>Binde  V/Vl«. 

-    Man  vergl.  für  Madtaon  Abbildung  A  auf  S.  26  meiner  »Schwalbenschwänze«. 

3    Farbige  und  zwar  rote  Umgrenzung  des   äußeren  Winkels  der  Mittelzelle  der 
Hinterflügel  trat  schon  unter  den  Segelfaltern  bei  P.  Protesilaus  i>Segelfalter«  Taf.  I  Fig.  ö 
auf,  ohne  aber  dort  weiter  Bedeutung   zu   erlangen.     Übrigens   wurde   schon  hervor- 
gehoben,  daß  es  sich  in  der  C- Zeichnung  wahrscheinlich  um  Wiederauftreten    Rück- 
schlag   eines  Stückes  der  Binde  YII/VlII  handelt. 

Eimer,  Orthogenesis.  3 


34 


Vortrag. 


Abb.  12.    Pupilio 
Machaon  asiatica 


Gruppe,  z.  B.  P.  Zolicaon  und  P.  Machaon  var.  oregonia,  sodann  bei  den 
Asierias  vorbanden  ist  und  dessen  Entstehung  aus  einem  Stück  Rand- 
binde bereits  erwähnt  wurde.  Man  erkennt  die  erste  Stufe  dieser  Ent- 
stehung auf  der  folgenden  Abbildung  19  von  P.  Turnus  Glaucus  Q 
oberhalb  des  Buchstabens  g,  bei  P.  Machaon  asiatica 
(Abb.  12j  bei  a  und  bei  P.  Palamedes  (;f  (Abb.  13)  (Unter- 
seite). Eine  weiter  fortgeschrittene  Stufe  sieht  man  bei 
P.  Bairdii  (;f  (Abb.  15)  rechts  oben  von  a.  Vollendet,  d.  h. 
vollkommen  abgeschnürt  ist  der  Kern  des  Afteraugen- 
flecks sodann  bei  P.  Bairdii  Q  (Abb.  1 8),  P.  asterioides  cf 
(Abb.  16  beidemale  bei  a),  P.  Xuthus  (Abb.  11)   u.  a. 

Eine  neue,    die  meisten  Schwalbenschwänze  im  wei- 
teren Sinne  kennzeichnende  und  hervorragende  Eigenschaft 
ist  endlich  die  blaue  Randbinde,  deren  blaue  Flecke  in  verschiedenen 
der  beifolgenden  Abbildungen  {P.  Bairdii,    Turnus  Glaucus  Q ,  Pahwiedes, 
Daunus ,  Ästerias)  mit  b  bezeichnet  sind. 

Es  erscheint  also  ein  Teil  dieser  zuletzt  als 
neue  Artkennzeichen  auftretenden  neuen  Eigen- 
schaften ebenfalls  als  Umbildung  von  alten,  ein 
anderer  ist  ganz  neu. 

Diese  neuen  Eigenschaften,  die  kleinsten  zu- 
erst ,  auftretenden  Pünktchen  und  Striche  kann 
man  sehen  in  ihrer  ersten  Entstehung,  kann  man 
verfolgen  in  ihrer  Entwickelung  aus  fast  unbe- 
merkbaren nur  hie  und  da  an  Einzeltieren 'einer 
Art  auftretenden  Zeichnungen  zu  beständigen 
Kennzeichen  einer  anderen  Art.  Die  Iden  und 
Determinanten  des  Herrn  Weismann  kann  man 
nicht  sehen.  Man  kann  an  jenen  unscheinbaren 
Pünktchen  sehen,  ganz  unwiderleglich  sehen,  wie 
die  Transmutation  und  die  Entstehung  der  Arten 
im  vollsten  Gegensatz  zu  jener  Determinanten- 
lehre sich  gestaltet.  Dasselbe  zeigen  alle  Umbildungen  von  bestehenden 
Eigenschaften,  welche  zur  Herstellung  neuer  Artmerkmale  führen:  die 
Entstehung  und  die  Ausbildung  neuer  Eigenschaften,  die  Transmutation 
und  die  Artentstehung  geschehen  gesetzmäßig  nach  wenigen  ganz  be- 
stimmten Richtungen  ohne  jedes  »Oscillieren«,  ohne  jede  Beziehung  zum 
Nutzen,  sie  beweisen,  wie  üesaet,  auf  diesem  Gebiete  die  vollkommene 
Ohnmacht  der  Natur  Züchtung. 

Es  ist  auf  meinen  Tafeln  abzulesen,  wie  die  sämmtlichen  Eigen- 
schaften der  Abarten  und  Arten  der  schwalbenschwanz- 
artigen Schmetterlinge  durch  Orthogenesis  aus  einander  ent- 
standen sind.  Eine  jede  Abart  oder  Art  ist  gekennzeichnet  durch  eine 
bestimmte  Summe  von  orthogenetisch  aus  unscheinbarsten  Anfängen 
entstandenen  Eigenschaften,  welche  auf  Grund  einerseits  von  Hetere- 
pistase,    andererseits  von  Homöogenesis,    endlich  infolge  von   Hal- 


Abb.  13.    Papilio  Palamedes 
Dru.    (5. 

Hmterflügel,  Unterseite. 

Ir  braunrot,     b  blau  (blaue 

Kandbinde). 


über  bestimmt  gerichtete  Entwickelung    Orthogenesis)  bei  der  Artbildung.       35 

matogenesis  bald  so,  bald  so  ausgebildet  und  zusammengefügt  sind 
und  deren  Gesammtheit  zeigt,  daß  die  Entstehung  der  Arten  eben  wesent- 
lich auf  Stehenbleiben  auf  verschiedenen  Stufen  der  Entwickelung,  auf 
Genepistase  beruht,  indem  die  eine  Art  immer  eine  Stufe 
höherer  Ausbildung  von  Eigenschaften  gegenüber  der  andern 
darstellt. 

Daß  dabei  Nutzen  ganz  außer  Spiel  bleibt,  ergiebt  sich  nicht  nur 
aus  der  Beschaffenheit  der  maßgebenden  Eigenschaften  an  sich,  sondern 
besonders  auch  daraus,  daß  1)  die  verschiedenen  Stufen  dieser  Eigen- 
schaften, nur  in  verschiedener  Ausbildung  Und  Anordnung,  an  den 
verschiedenen  Arten  einer  und  derselben  phylogenetischen  Reihe  vor- 
kommen. 2)  Daß  sie  ebenso  in  verschiedenen  nebeneinander  liegenden 
Ketten  von  Arten  maßgebend  sind.  3i  Daß  sie  nebeneinander,  nur  in 
verschiedener  Entwickelung  auch  bei  verschiedenen  Geschlechtern 
vorkommen.  4]  Daß  sie  in  derselben  Ausbildung  bei  den  verschiedenen 
Arten  einer  phylogenetischen  Reihe  vorkommen  —  abgesehen  davon,  daß 
sie  5)  mit  den  unscheinbarsten  Anfängen  überall  auftreten  und  in 
unscheinbarer  Ausbildung  als  Artmerkmale  sich  erhalten  und  wieder 
schwinden  können,  und  6  daß  vollkommene  Rückbildung  aller  so  ent- 
standenen Eigenschaften  oder  Verdecktwerden  derselben  durch  Schwarz- 
färbung, also  vollkommene  Vereinfachung  auftreten  kann. 

Die  Bedeutung  der  Heterepistase  für  die  Entstehung  der  Arten 
springt  an  der  Hand  meiner  Abbildungen  überall  in  die  Augen  und  will 
ich  nur  einiges  besonders  Auffallende  mit  Bezug  darauf  hervorheben. 

Bei  den  Machaon  ist  für  die  Gruppe  die  einheitliche  Schwarzfärbung 
der  Vorderflügelwurzel  auf  der  Oberseite  kennzeichnend  geworden.  Bei 
Xifthus  und  Xuthulus  ist  diese  Eigenschaft  nicht  ausgebildet,  dagegen 
die  Streifung  der  Mittelzelle  der  Vorderflügel,  welche  nur  bei  einigen 
Machaon  in  den  Anfängen  angedeutet  ist  und  hier  nicht  zu  weiterer  Aus- 
bildung kommt.  Hellanichus  bekommt  einen  ganz  besonderen  Charakter 
durch  das  Übertreten  der  oranienroten  Farbenflecke  von  der  Unterseite 
der  Flügel  auf  die  Oberseite.  Die  Turnus  haben  viel  von  der  ursprüng- 
lichen Zeichnung  verloren  in  dem  Sinne,  daß  die  ursprünglichen  Längs- 
streifen nicht  nur  von  hinten  nach  vorn  verkürzt,  sondern  auch  ver- 
schmälert wurden.  Besonders  die  in  der  Umbildung  sehr  vorgeschrit- 
tenen Männchen  dieser  Falter ')  sind  auf  diese  Weise  sehr  hell  geworden. 
Auch  bei  Machaon  sind  die  Längsstreifen  von  hinten  nach  vorn  ge- 
schwunden, aber  hier  ist  schwarze  Färbung  der  Queradern  einge- 
treten. 

Die  Verbreiterung  der  Streifenreste  der  Vorderflügel  und  die  Schwarz- 
färbung der  Wurzel  derselben  auf  der  Oberseite  durch  Verschmelzung 
von  Längsstreifen  bedeutet  eine  den  Verhältnissen  bei  Turnus  entgegen- 
gesetzte Entwickelungsrichtung. 

Diese    letztere    Entwickelungsrichtung,    das   Auftreten    gleichmäßiger 


1)  »Artbildung«  Taf.  V  Fig.  I    und  6. 


3* 


36 


Vortrag. 


Schwarzfärbung    der  Wurzeln    der  Vorderflügel,    welche   schon   bei    den 
Machaon  auch  auf  die  Hinterüügel  sich  zu  erstrecken  beginnt,  verbreitet 


JJ/m 


Schwarz  färbung 


entgegen. 


schreitende  Schwarzfärbung 


sich  bei  den  Asterias  auf  beiden  Flügeln 
weiter  und  führt  in  der  Js/mas-Gruppe 
der     Einfarbigkeit,     bezw.     vollkommener 

Diese  fort- 
bietet nun  mit 
zwei  Fällen  von  sprungweiser  Ent- 
wickelung  (  Halmatogen  esis]  zugleich 
hervorragende  Beispiele  von  unabhängi- 
gerEntwickelungsgleichheit,Homöo- 
genesis  und  von  weiblicher  Prä- 
ponderanz  dar,  während  sonst  gewöhnlich 
die  männliche  Präponderanz  maßgebend 
ist.  Dieselbe  ist  nämlich  bei  Bairdii  § 
and  bei  Turnus  var.  Glauctis  Q  plötz- 
lich so  w-eit  vorgeschritten,  daß  sie  sich 
über  die  ganzen  Flügel  mit  Ausnahme 
erstreckt, 


weniger 


Flecke 


während    das 


gewöhnliche    Weibchen    von 


schwefelgelbe 


Abi).  14.    Pupilio  Turnus  L.  5-'. 


Turnus  ganz 
Grundfarbe  hat  wie  das 
Männchen,  und  während  bei  den  Männchen 
von  Bairdii  die  Schwarzfärbung  nur  etwas 
weiter  aasgebreitet  ist  als  bei  Machaon. 
Was  sich  nun  bei  Bairdii  Q   und   Turnus 

Glaucus  sprung- 
w^eise  mit  ei- 
nem Male  und 
nur  beim  Weib 
ausgebildet  hat, 
geschah,  bei  Ma- 
chaon anfangend, 
in  der  Asterias- 
Gruppe  bei  bei- 
den Geschlechtern 
allmählich:  die 
Schwarzfärbung 
verbreitete  sich 
hier  von  Art  zu 
Art  immer  w-eiter 
von  den  Flügel- 
wurzeln  aus  über 
die     Flügel     und 

ließ  zuletzt  nur  Fleckenreihen  der  Grundfarbe  übrig  —  dieselben,  welche 
bei  Bairdii  Q  übrig  bleiben,  während  bei  Turnus  Glaucus  auch  diese 
verloren  gegangen  sind. 


Abb.  15.     Papülo  Bairdii  Edw.  rj 


Abb.  lö.     Pupilio  ustcrioiihs 
Eeak.  Q. 

b  und   die   3   in   den  näcbst- 

oberen  Flügelzellen  gelegenen 

Flecke  sind  blau  (blaue  Eand- 

binde). 


über  bestimmt  gerichtete  Entwickelung    Ortliogenesis)  bei  der  Artbildung.       37 


Die  in  Abb.  1  4  bis  1 9  abgebildeten  Falter  zeigen  sonach  eine  Reihe 
verschiedener  Stufen  gesetzmäßiger  Umbildung  der  Arten  unserer  Falter- 
Gruppe  und  zwar  ein  Fortschreiten 
nicht  zur  Schönheit  und  Mannigfaltig- 


Abb.  17.    Pupilio  Ästerias  Ckam.  Q. 


Abb.  IS.     Papilio  Bairdü  Edw.  C  . 


keit,  sondern  zur  Einfachheit,  zu  düsterer 
Färbung,  wie  ich  es  auch  bei  den  Segel- 
faltern beschrieben  habe  und  wie  es  nach 
dem,  was  wir  später  sehen  werden,  auch 
bei  anderen  Faltergruppen  weit  verbreitet 
vorkommt.  Es  handelt  sich  dabei  also  nicht 
etwa  um  geschlechtliche  Zuchtwahl,  welche 
mit  Bezug  auf  Zeichnung  und  Farbe  bei 
den  Schmetterlingen  offenbar  vollkommen 
ausgeschlossen  ist,  noch  ist  irgend  ein  An- 
haltspunkt dafür  gegeben,  daß  überhaupt 
Auslese,  bezw.  Anpassung  irgendwie  im 
Spiele  sei. 

Die  auf  Taf.  VIT  meiner  »schwalben- 
schwanzähnlicheu  Schmetterlinge«  abgebilde- 
ten^) P.  ÄmericuSj  Nitra,  Indra,  brevicauda, 
asterioides  und  Asterias  zeigen  eine  voll- 
kommene  Reihe  der  Umbildung  innerhalb  der 
.4sferms-Gruppe  und  sind  zugleich  wieder 
hervorragende  Beispiele  für  Genepistase.  Den  höchsten  Grad  der  Umbildung 


Abb.  lU.    Papilio  Tuniiis  Glattcus  L.  Q. 


',  Überhaupt  sind  wie  gesagt  die  hier  gegebenen  Abbildungen  nur  ein  Notbehelf  zum 
Zweck  der'Erklärung  der  Beschreibung.  Zum  vollen  Verständnis  muß  ich  auf  die  Tafein 
meiner  »Artlüldung«  verweisen,  welche  ich  bei  meinem  Vortrag  auch  vorgezeigt  hatte. 


38  Vortrag. 

in  der  Reihe  hat  Ästerias  erreicht,  welche  Art  fast  so  weit  vorgeschritten 
ist  wie  Bairdii  Q.  Fast  ebenso  weit  ist  andererseits  P.  Troilus^)  vor- 
geschritten, bildet  aber  wiederum  ein  Beispiel  von  Heterepistase,  ebenso 
wie   Palamedcs. 

Noch  einen  Falter  habe  ich  abgebildet,  welcher  einen  hervorragen- 
den Fall  von  Halmatogenesis  darbieten  dürfte:  Papilio  Asterias  var. 
Calverleyi  (vgl.  Abb.  9)-j,  welcher  nach  Edwards  wahrscheinlich  eine 
Kälteform  von  Asterias  darstellt:  er  ist  nach  den  Machaon  zu  in  der 
Weise  umgebildet,  daß  das  Schwarz  nur  noch  den  inneren  Teil  der  Flügel 
einnimmt,  während  der  breite  Außenteil  derselben  gelb,  bezw.  oranien- 
rot  geworden  ist,  das  letztere  auf  den  Hinterflügeln,  wo  die  oranienrote 
Färbung  der  Flügelzellen,  welche  bei  verschiedenen  anderen  Arten  der 
Asterias-Gruppe  besonders  auf  der  Unterseite  ausgebildet  ist,  eine  her- 
vorragende Bedeutung  auch  oberseits  erlangt. 

Der  schwarze  P.  Turnus  Glaucus  Q.  ist  gegenüber  dem  hellen  ge- 
wöhnlichen Weib  des  Turnus  die  südlichere,  in  wärmeren  Gebieten 
lebende  Sommerform,  so  daß  auch  hier  klimatische  Verhältnisse  für 
die  Umbildung  maßgebend  zu  sein  scheinen.  Aber  es  gilt  dies  für  die 
dunkeln  Asterias  nicht,  denn  diese  kommen  auch  in  kälteren  Gebieten 
vor.  Da  bei  Turnus  Glaucus  und  bei  Bairdii  die  weibliche  Präponderanz 
für  die  Umbildung  maßgebend  ist  und  da  diese  Umbildung  ganz  jener 
der  Asterias  entspricht,  so  werden  Einwirkungen  auf  das  in  diesem  Falle 
empfindlichere  Geschlecht  der  Weibchen  als  Ursache  derselben  gesucht 
werden  müssen,  um  so  mehr  als  Glaucus  Q  vereinzelt  auch  nördlich 
unter  den  gewöhnlichen   Turnus  auftritt. 

Die  vorliegenden  Thatsachen  bieten  ferner  ein  hervorragendes  Bei- 
spiel dafür,  wie  leicht  von  denjenigen,  welche  Mimicry  in  möglichster 
Fülle  zur  Begründung  ihrer  Hypothesen  bedürfen,  solche  fälschlich  an- 
genommen werden  kann  und  offenbar  angenommen  worden  ist.  Man 
hätte  in  den  verschiedensten  Arten  der  Asterias-Grvippe  die  schönsten 
Fälle  von  Mimicry,  wenn  diese  Arten  nicht  ganz  ohne  jede  biologische 
Beziehung  sich  entwickelt  hätten  und  leben  würden.  Wie  vollkommen 
böten  sich  P.  Turnus  Glaucus  Q,  Asterias,  Bairdii  u.  a.  dem  Liebhaber 
als  mimetische  dar,  wenn  er  nur  die  biologischen  Beziehungen  dafür 
beibringen  könnte!  Schließlich  müßten  nach  den  Beispielen,  welche  jene 
Liebhaber  aufgestellt  haben,  nicht  nur  alle  Glieder  der  /Is/erms-Gruppe, 
sondern  auch  alle  der  Machaon-  und  alle  der  Turnus-GT\xpp&  als  mime- 
tische gelten,  und  ich  würde  mich  kaum  wundern,  wenn  der  After- 
darwinismus solche  Behauptung  aufstellte. 

Dem  unbefangenen  Beobachter  aber  zeigt  sich  sofort,  daß  die  Ähn- 
lichkeiten die  Folge  von  Entwicklungsrichtungen  sind  und  daß  wiederum 
die  unabhängige  Entwickelungsgleichheit,  die  Homöogenesis  bei 
der  Ähnlichkeit  auch  nicht  unmittelbar  verwandter  Formen  maßgebend  ist. 

In    der  That   unterliegt   es    für   mich  keinem  Zweifel    und   wird  bei 


1)  Taf.  VIll  Fig.  5.  "-1  Taf.  VIII  Fig.  5  und  6. 


über  bestimmt  gerichtete  Entwickelung  'Orthogenesisj  bei  der  Artbildung.       39 

sorgfältiger  Beurteilung  der  Einzelheiten  sicher  sich  bestätigen,  daß  die 
weitaus  überwiegende  Zahl  der  Fälle  von  sogenannter  Mimicry  mit  An- 
passung gar  nichts  zu  thun  hat.  So  sprach  sich  schon  früher  der 
Entomologe  Hahnel  aus,  welcher  in  Südamerika  zahlreiche  bezügliche 
Beobachtungen  in  der  freien  Natur  gemacht  hat,  während  Erich  Haase^), 
ohne  in  der  freien  JNatur  sich  umgesehen  zu  haben,  neuestens  eine  Über- 
fülle von  Mimicry -Fällen  auf  Grund  äußerer  Ähnlichkeit  von  Faltern 
untereinander  aufgestellt  und  ein  ganzes  Buch  darüber  geschrieben  hat. 
Es  ist  aber  doch  selbstverständlich,  daß  solche  Ähnlichkeiten  auch  abge- 
sehen von  der  Frage  ihrer  Entstehung  für  Anpassung  gar  nichts  beweisen 
können  —  nur  der  Nachweis  der  letzteren  in  der  freien  Natur  ist  maß- 
gebend. 

Was  aber  die  Entstehung  auch  von  wirklichen  Fällen  von  Mimicry 
angeht,  so  ist  diese  durch  Zuchtwahl  unmöglich  zu  erklären,  und  was 
Herr  Weismanx  am  letzten  Montag  von  Kallima  als  einem  Wundererzeug- 
nis der  Zuchtwahl  gesagt  hat,  verliert  alle  Beweiskraft  gegenüber  der 
Fülle  von  Thatsachen,  welche  zeigen,  daß  es  überall  Orthogenesis  ist, 
welche  die  Ausgestaltung  der  Eigenschaften  bedingt  und  welche  ebenso 
zur  Ähnlichkeit  der  Unterseite  eines  Falters  mit  einem  Blatte  ward  führen 
können,  wie  Homöogenesis  die  größte  Ähnlichkeit  zweier  gar  nicht  zu- 
sammenlebender Falter  zu  bedingen  vermag,  wovon  zahlreiche  Fälle  be- 
kannt sind  2).  So  ist  auch  das  Übergreifen  der  Blattzeichnung  bei  Kallima 
vom  Vorderflügel  auf  den  Hinterflügel  nach  Maßgabe  der  Blattform  mit 
Überspringen  des  hintersten  Randes  des  Vorderflügels,  so  weit  dieser  vom 
Hinterflügel  bedeckt  wird,  nicht  wunderbar.  Dasselbe  Verhalten  kommt 
überall  vor  und  ist  augenscheinlich  Folge  von  Lichteinwirkung  bezw.  von 
Lichtmangel.  Zuchtwahl  kann  ja  nichts  Neues  schaffen,  sie  kann 
nur  mit  schon  Vorhandenem  arbeiten.  Ist  einmal  Ähnlichkeit  der  Flügel 
eines  Falters  mit  einem  Blatt  entstanden,  so  kann  sie  nützlich  sein 
und  kann  nun  auch  durch  Auslese  ihre  Weiterentwickeluns;  wohl  be- 
günstigt  werden.  Daß  die  Ähnlichkeit  aber  entsteht,  das  kann  nicht 
Folge  zufälliger  Variation  sein,  welche  stets  alle  möglichen  Eigenschaften 
zur  Auslese  bereit  hielte:  die  Blattähnlichkeit  der  Kallima  ist  bedingt 
durch  tausend  Einzelheiten  —  es  wäre  nicht  ein  Zufall,  es  wären  tausend 
Zufälle  zugleich,  welche  mit  einem  Male  eingesprungen  sein  müßten, 
um  dieselbe  mit  den  Mitteln  des  Darwinismus  zu  züchten.  Die  Blatt- 
ähnlichkeit könnte  durch  die  Mittel  der  Zuchtwahl  auch  nicht  allmählich, 
sie  könnte  nur  plötzlich  und  zwar  schon  in  annähernder  Vollkommenheit 
entstanden  sein,  um  der  Zuchtwahl  eine  Handhabe  zum  Eingreifen  zu  geben. 


1;  Erich  Haase:  Untersuchungen  über  die  Mimicry  auf  Grundlage  eines  natür- 
lichen Systems  der  Papilioniden.     Kassel   IS91. 

-.  Soeben  hat  Herr  Piepers  in  der  entomologischen  Sektion  dieser  Versammlung 
auf  solche  Fälle  hingewiesen:  Junonia  Asterie  auf  Java  gleicht  unserer  Hipparchia  Me- 
gaera,  Junonia  Erigone  ebenda  unserer  Hipparchia  Egeria  so,  daß  in  beiden  Fällen 
sicher  Mimicry  angenommen  würde,  wenn  die  ähnlichen  Falter  zusammen  lebten. 
"Weitere  Thatsachen  später. 


40  Vortrag. 

Es  giebt  aber  keinen  Zufall  bei  der  Umbildung  der  Formen.  Es  giebt 
nur  unbedingte  Gesetzmäßigkeil.  Bestimmt  gerichtete  Entwickeln ng, 
Orthogenesis,  beherrscht  diese  Umbildung,  kann  Schritt  für  Schritt 
von  den  einfachsten,  unscheinbarsten  Anfängen  zu  immer  vollkommenerer 
Gestaltung  führen,  allmählich  oder  sprungweise,  und  die  Ursache  dieser 
bestimmt  gerichteten  Entwickelung  ist  Organisches  Wachsen. 


Es  ist  auch  kein  Zufall,  daß  ich  diesen  Vortrag  über  Orthogenesis 
und  über  Ohnmacht  der  Naturzüchtung  bei  der  Artbildung  dem 
Kongress  angezeigt  habe  und  daß  mein  Gegner,  ohne  daß  ich  es  vorher 
wußte,  über  denselben  Gegenstand,  bezw.  über  bestimmt  gerichtete  Ent- 
wickelung am  letzten  Montag  gesprochen  hat,  daß  wir  also  beide  unab- 
hängig von  einander,  über  denselben  Gegenstand  zu  sprechen  vorhatten. 
Ich  erwartete  längst,  daß  der  Schöpfer  der  Keimplasmahypothese  es 
über  kurz  oder  lang  unternehmen  werde,  der  bestimmt  gerichteten  Ent- 
wickelung, diesem  Todfeind  seiner  Lehren,  in  seiner  Weise  entgegen- 
zutreten,  und  nach  Bisherigem  war  ich  genugsam  darauf  vorbereitet,  daß 
dies  geschehen  werde  mit  vollkommener  Umgehung  der  Thatsachen, 
welche  ich  aufgestellt  habe'),  und  ihm  widersprechender  Thatsachen 
überhaupt. 

Auch  Spekulation  hat  in  der  Naturforschung  ihr  Becht,  in  den  Augen 
des  Einen  mehr,  in  den  Augen  des  Anderen  weniger,  denn  die  Gehirne 
sind   verschieden    und    auch  Schulung   und  Kenntnisse  sind  verschieden. 

Aber  Eines  ist  zweifellos:  auch  die  kleinste  Thatsache,  mit 
maßgebender  Beziehung  zu  großen  Fragen,  ist  mehr  wert  als 
ein  ganzes  Gebäude  hoher  Spekulation,  welches  vor  jener 
Thatsache  nicht  Stand  hält.  Und:  Spekulation,  welche  in  der 
Naturforschung  berechtigt  sein  will,  darf  nicht  im  Wider- 
spruch stehen  mit  Thatsachen,  sie  darf  Thatsachen  nicht  ver- 
schweigen. 

Wer  zu  Gunsten  seiner  Hypothesen  Thatsachen  nicht  Bech- 
nung  trägt,  stellt  sich  außerhalb  der  Naturforschung. 

Doch  solches  Verfahren  muß  sich  an  der  Hypothese  selbst  rächen, 
welche  es  schützen  soll.  Denn  die  Thatsachen  werden  früher  oder  später 
erkennen  lassen,  daß  dieselbe  nicht  lebensfähig  ist  und  niemals  lebens- 
fähig war. 

So  ist  auch  die  zur  Erklärung  der  bestimmt  gerichteten  Entwicke- 
lung soeben  aufgestellte  Germinalselektion  durch  Thatsachen  zvu'ück- 
gewiesen,   bevor    sie    ausgedacht  war  —  sie  ist  ein  todtgeborenes  Kind. 

Nachdem  der  hier  anwesende  Vater  der  neuen  Hypothese  so  viele 
Kinder  erzeugt  hat,  welche  er  später  nicht  anerkannte,  darf  er  mir  diese 
Bescheinigung  nicht  verübeln. 


1    Nicht  aber  allerdings  darauf,  daß  in   meiner   Gegenwart  diese  Thatsachen 
so  behandelt  w erden  könnten,  wie  der  Herr  Redner  vom  Montag  es  sich  gestattet  hat. 


über  bestimmt  gerichtete  Entwickelung  (Orthogenesis)  bei  der  Artbilduntr.       41 

Die  von  mir  aufgestellten,  für  Jedermann,  der  die  Wahrheit  sehen 
will,  sichtbaren  Thatsachen  der  Orthogenesis  aber  weisen  allein  den 
ganzen  Aufbau  der  Keimplasma-Hypothesen  vollkommen  zurück. 

Andere  nicht  minder  laut  redende  Thatsachen  weisen  ebenso  be- 
stimmt die  Auffassungen  zurück,  welche  mein  Gegner  am  Montag  in  Be- 
ziehung auf  die  Ursachen  der  Umbildung  von  Skeletteilen  geltend 
gemacht  hat.  und  beweisen  auf  das  Klarste  abermals  die  Vererbung  von 
durch  Gebrauch  erworbenen  Eigenschaften.  Die  ganze  vergleichende 
Anatomie  des  Skeletes  ist  ein  Beweis  für  diese  Vererbung  und  am 
lautesten  wird  die  Keimplasma-Lehre  zurückgewiesen  durch  das  Gesetz 
der  Ausgleichung  oder  der  Kompensation,  welches  schon  von 
Geoffroy-St.  Hilaire,  Goethe  u.  A.  behandelt,  bis  jetzt  so  wenig  Beachtung 
gefunden  hat  und  welches  im  Zusammenhang  mit  dem  Einlluss  der  um- 
bildenden Thätigkeit  nach  meinen  demnächst  zu  veröffentlichenden  Be- 
obachtungen, über  welche  ich  mich  übrigens  an  anderem  Orte  schon 
ausgesprochen  ha])e'),  den  ganzen  Skeletbau  der  Wirbeltiere  beherrscht. 
Danach  ist  es  wiederum  handgreiflich  unrichtig,  was  von  gegnerischer 
Seite  behauptet  wird,  daß  die  einzelnen  Eigenschaften  des  Körpers 
auf  Grund  zufälligen  Abänderns  jede  für  sich  durch  Auslese  gezüchtet 
werden'-):  der  Organismus  ist  ein  Ganzes,  dessen  Teile  nicht  nur  physio- 
logisch unter  einander  zusammenhängen,  sondern  auch  in  der  Gestaltung 
von  einander  abhängig  sind. 

Die  Funktion,  die  Thätigkeit,  der  Gebrauch  der  Teile  ist  es, 
was  zusammt  der  bestimmt  gerichteten  Entwickelung,  Orthogenesis, 
die  Formgestaltung  der  Lebewesen  bedingt. 

Vielleicht  wäre  es  am  einfachsten,  an  der  Hand  von  Objekten  auf 
dieser  Versammlung  den  Fragen  näher  zu  treten.  Für  mich  wäre  es 
wertvoll,  wenigstens  Anerkennung  der  Thatsachen  öffentlich  von  dem 
hier  anwesenden  Herrn  Weismann  zu  erlangen,  welche  ich  zum  Beweis 
meiner  Auffassung  gegen  die  seinige  anführen  kann. 

Somit  erkläre  ich  mich  ihm  gegenüber  zu  diesem  Beweis  bereit. 


Zusatz:   Die  segelfalterähnlichen  Papilio-Arten. 

Dem  wichtigen  Satze,  daß  »Abänderungen  der  Einzeltiere  in  be- 
nachbarten Gebieten  in  Abarten,  in  noch  entfernteren  aber  in  Arten  über- 
gehen«, muß  ich  hier  eine  weitere  Betrachtung  widmen,  indem  ich  dafür 
auch  die  erste  Abteilung  der  von  mir  behandelten  Papilioniden,  die  segel- 
falterartigen,  ins  Feld  führe. 

Das  Studium  derselben  ergab  mir  zuerst  ein  sehr  bemerkenswertes 
Gebundensein  der  einzelnen  Gruppen:   Unterfamilien,  Gattungen  und  Arten 

1)  Vgl.  meinen  Vortrag:  Das  Gesetz  der  Ausgleiciiung  (Kompensation;  und  Goethe 
als  vergl.  Anatom.    Württb.  natw.  Jahreshefte  1894. 

-I  Von  Herrn  Weismann  inzwischen  zurückgenommen ,  ebenso  einiges  vom  Zu- 
fall.   Vgl.  das  Folgende. 


42  Zusatz. 

an  bestimmte  geographische  Gebiete  und  die  Thatsache,  daß  sich  die 
Abarten  und  Arten  von  einem  gegebenen  Mittelpunkt  des  Vorkommens 
nach  der  Peripherie  auf  Grund  bestimmter  Entwiekekmgsrichtungen  immer 
mehr  verändern  und  zuletzt  zu  anderen  Arten  werden.  Die  Thatsachen 
sind  derartige,  daß  man  zu  dem  bestimmten  Schlüsse  geführt  wird,  die 
Artbildung  beruhe  mit  auf  klimatischen  Verhältnissen,  sei  eine  Folge 
derselben  und  von  Zuständen,  welche  mit  ihnen  zusammenhängen,  wie 
Pflanzenwuchs  und  dadurch  bedingte  Ernährung  der  Raupen.  Außerdem 
giebt  es  Thatsachen,  welche  auf  das  Bestimmteste  zeigen,  daß  solche 
äußere  Einwirkungen  die  Eigenschaften  der  Falter  in  Größe,  Farbe  und 
Flügelgestalt  unmittelbar  beeinflussen. 

Ich  halte  es  für  eines  der  wichtigsten  Ergebnisse  meiner  Arbeiten, 
daß  ich  für  diese  Auffassung  sichere  Grundlagen  gewonnen  habe,  wie 
mir  das  schon  für  die  Eidechsen,  zunächst  für  Lacerta  muralis  coerulea, 
möglich  gewesen  ist  und  ebenso,  daß  ich  gezeigt  habe,  wie  die  geographi- 
sche Verbreitung  auf  Grund  besonders  der  klimatischen  Verhältnisse  für 
die  Artbildung   maßgebend  ist. 

Der  Beweis  für  die  Richtigkeit  meiner  Schlußfolgerungen  ist  dadurch 
gegeben,  daß  auch  hier  1)  die  verschiedenen  Abartungen  des  Horadi- 
morphismus,  daß  Sommer-  und  Winterformen  eines  und  desselben  Falters 
und  daß  2)  die  Erzeugnisse  der  künstlichen  Versuche  mit  Kälte  und 
Wärme  während  der  Entwicklung  der  Schmetterlinge  ganz  dieselben 
Umbildungen  vor  Augen  führen,  welche  nach  meiner  Ansicht  Kälte  und 
Wärme  im  freien  Leben  zu  Gunsten  der  Artbildung  in  verschiedenen 
Gebieten  erzeugt  haben. 

Auch  die  Gruppen  der  Schwalbenschwanz  artigen  Schmetter- 
linge hängen,  wie  im  Vortrag  schon  hervorgehoben  worden  ist  und  wie 
ich  hier  noch  etwas  näher  ausführen  will,  nach  ihrer  Verwandtschaft 
geographisch  zusammen.  Die  Tur7ms-Griippe  ist  hauptsächlich  nord- 
amerikanisch, reicht  aber  bis  Mexiko  [Papilio  Pilumnus)  und  hat  nur  einen 
ziemlich  abweichenden  Vertreter  in  dem  in  Südeuropa  und  Kleinasien 
lebenden    P.  Alexanor. 

Die  Machaon- Griipipe  hat  ihren  Hauptsitz  in  Europa  und  verbreitet 
sich  von  da  bis  nach  Nordafrika,  Nordamerika  und  Ostasien,  wo  die 
abweichendsten  Formen   P.  Xuthus  und  Xuthulus  vorkommen. 

Die  Glieder  der  Aste^^ias- Gruppe  sind  wiederum  wesentlich  nord- 
amerikanisch und  verbreiten  sich  bis  nach  Südamerika  [P.  americus, 
P.  asterioides^  Hellanichus). 

Vergleicht  man  die  Arten  einer  und  derselben  Gruppe  unter  sich, 
so  sieht  man,  daß  in  der  That  gewöhnlich  um  so  mehr  neue  auf  be- 
stimmten Entwickelungsrichtungen  beruhende  Einzeleigenschaften  auftreten, 
je  mehr  eine  Art  vom  Mittelpunkte  des  Verbreitungsgebietes  entfernt  ist. 
Dies  zeigen  unter  den  Schwalbenschwänzen  eben  P.  Xuthus  und  Xuthulus 
aus  Ostasien,  P.  Machaon  Hippocrates  aus  Japan,  P.  Zolicaon  aus  West- 
Nordamerika   und   P.  Machaon   oregonia   aus    Oregon    (die   letzteren    zwei 


Die  segelfalterähnlichen  Papilio-Xrten.  43 

durch  den  Kern  des  Afterauges  ,  alle  gegenüber  dem  gewöhnlichen 
europäischen  P.  3Jachaon,  dann  P.  Alexanor  gegenüber  den  Turnus  u.  s.w. 

Diese  Beziehung  schließt  nicht  aus,  daß  innerhalb  desselben  Yer- 
breitunsissebietes  noch  viel  größere  Verschiedenheiten  im  Kreise  derselben 
Verwandtschaft  entstanden  sein  können :  P.  Turnus  Glaucus  ist  die  süd- 
lichere weibliche  Sommerform  von  P.  Turnus,  während  die  weibliche 
Frühjabrsform  dem  gewöhnlichen  gelben  r;/r/j?^s-Weibchen  gleicht.  Mit 
den  Turnus  zusammen  leben  die  sich  entsprechend  Glaucus  mehr  und 
mehr  schwarz  färlienden  Asterias  und  ebenso  tritt  auch  Glaucus  im  Norden 
bis  New-York  auf. 

Bei  Glaucus  handelt  es  sich  um  besondere  Verhältnisse,  w^elche  ur- 
sprünglich offenbar  mit  der  Konstitution  des  Geschlechts  zu  thun  haben: 
um  besondere  Empfindlichkeit  desselben  bezw.  einzelner  seiner  Individuen 
gegen  bestimmte  äußere  Verhältnisse  —  offenbar  gegen  die  Wärme.  Das- 
selbe gilt  für  die  Umbildung  von  Vanessa  levana  in  prorsa  und  die 
zahlreichen  anderen  Fälle  von  Jahreszeiten-Abartung,  nur  daß  hier  beide 
Geschlechter  von  der  Umbildung  betroffen  werden.  Es  handelt  sich  dabei 
aber,  mögen  die  Veränderungen  noch  so  bedeutende  sein,  stets  wieder 
um  den  Ausdruck  bestimmter  Entwickelungsrichtungen  und  zwar  solcher, 
welche  auch  bei  geographisch  entfernt  lebenden  Formen  wahrscheinlich 
auf  Grund  derselben  äußeren  Einwirkungen  vorkommen  können. 

Viel  ausgesprochener  als  bei  den  Schwalbenschwänzen  ist  der  Ein- 
fluß der  geographischen  Verbreitung  auf  die  Ausbildung  von  Entwicke- 
lungsrichtungen, um  deren  Ausdruck  es  sich  ja  überall  handelt, 
bei  den  segelfalterähnlichen  Papilioniden  zu  erkennen  und  ich 
will  auch  über  sie  in  dieser  Beziehung  einen  Überblick  geben,  während 
ich  des  Näheren  auf  den  ersten  Teil  meiner  »Artbildung«  verweise. 
Zugleich  will  ich  bei  diesen  Faltern  genauer  auf  die  Bedeutung  der  ein- 
zelnen Entwickelungsrichtungen   für  die  Artbildung  eingehen. 

Unter  den  segelfalterähnlichen  Papilioniden  haben  wir  eine  austra- 
lische,   eine    australisch-ind  omalavisch-asiatische,     eine    afri- 

7  «j  7 

kanische,  eine  amerikanische  und  eine  asiatisch-europäische 
Gruppe  zu  unterscheiden.  Diese  Gruppen  sind  offenbar  von  gemeinsamer 
Grundlage,  von  Schmetterlingen  ausgegangen,  welche,  wie  heute  noch 
der  asiatische  Alehion  und  Glycerion^  II  Längsbinden  auf  den  Flügeln 
gehabt  haben. 

Nur  im  afrikanischen  Gebiet  scheint  die  Segelfalterform  überwunden 
zu  sein,  wenn  sie  dort  überhaupt  vorhanden  gewesen  ist  und  nicht  Ein- 
wanderuns; eines  schon  höher  entwickelten  Vorfahren  stattgefunden  hat  — 
nach  der  Verwandtschaft  wäre  diese  eine  dem  amerikanischen  Philolaus 
ähnliche  Form. 

In  jedem  Gebiete  haben  sich  nun  auf  Grund  bestimmt  gerichteter 
Entwickeluns  und  des  Stehenbleibens  auf  bestimmten  Stufen  derselben 
besondere  Arten  gebildet. 

Man  vereleiche  die  Abbildunsen  auf  den  vier  Tafeln  des  ersten  Teils 
meiner  ^ Artbildung  bei  den  Schmetterlingen«.    Man  ersieht  daraus,  daß  die 


44  Zusatz, 

segelfalterähnliche  Grundform  in  Asien  noch  sehr  ursprünglicli  vertreten  ist 
durch  Papilio  Alebion  aus  Nordchina  (vergl.  vorn  Abb.  1)i)  und  P.  Gly- 
cerion  aus  Nordindien-),  in  Europa,  Südwestasien  und  Nordafrika  durch 
P.  Podaiirius-'').  In  Nordamerika  ist  sehr  ursprünglich  segelfalterähnlich 
P.  Ajax*),  in  Südamerika  sind  ursprünglich  die  Prolesilaus,  Agesilaus, 
in  gewissem  Sinne  auch  Epidaus^),  in  Australien  Leosthenes^]. 

Möglich  ist,  daß  die  Nord-  und  die  Südamerikaner  gar  nicht  gemein- 
samen Ursprung  haben,  sondern  zwei  Gruppen  darstellen;  wahrscheinlich 
aber  stehen  sie  in  demselben  Verhältnis  /ai  einander  wie  die  zwei  indi- 
schen, bezw.  australiscii-indomalayischen,  indem  die  Agesilaus  und  dann 
die   Protesüaiis  vorgeschrittenere  Ajax  sind. 

Die  australisch-indomalayischen  teilen  sich  in  die  ursprünglicheren, 
bis  nach  Australien  reichenden  Anticrates'^],  wo  sie  mit  dem  einer  Stamm- 
form nahestehenden  Leosthenes  zusammenhängen,  und  in  die  offenbar  aus 
den  Anticrates  hervorgegangenen,  sehr  weit  vorgeschrittenen  Antiphates^). 

Die  Antiphates,  auf  Java,  Borneo,  Celebes,  den  Philippinen,  Andamanen 
und  Ostindien,  leben  im  Ganzen  nördlicher  als  die  Anticrates,  aber  auch 
diese  reichen  bis  Indien. 

Außer  den  Antiphates  sind  am  weitesten  vorgeschritten,  aber  nach 
einer  ganz  anderen  Richtung  hin,  die  afrikanischen  Arten:  P.  Policenes'-*), 
P.  Antheus^^),  besonders  aber  P.  Colonna^^)  von  Ostafrika,  auch  Evomhar^'^) 
von  Madagaskar. 

Am  meisten  verwandt  sind  die  Afrikaner,  und  zwar  durch  Policenes, 
mit  dem  in  Nord-  und  Mittelamerika  heimischen  Philolaus^'^],  welcher 
wiederum  mit  Ajax  zusammenhängt. 

Auch  in  Arcesilaus^-^)  reichen  die  unmittelbaren  Verwandten  von 
Ajax,  wie  hier  noch  bemerkt  werden  mag,  sehr  weit  nach  Süden:  nach 
Venezuela.  Eine  besondere  Entwickelungsrichtung  von  der  yljaa?-Gruppe 
aus  vertreten   P.  Celadon  Luc.^'')  auf  Guba  und  P.  Sinon  F. '^)  auf  Jamaica. 

Alle  die  genannten  Gruppen  bestehen  aus  durchaus  von  einander 
ableitbaren  verwandten  Formen.  Nur  P.  Rhesus  von  Celebes '" j  weicht 
weit  ab  von  den  dort  heimischen  Indiern  [P.  Androcles^^),  P.  Dorcus^'^J], 
welche  der  Antiphates-Gruppe  angehören.  Er  ist  den  mittel-  und  nord- 
amerikanischen Philolaus  verwandt,  schließt  sich  also  mehr  an  die  Ajax 
an.  Es  macht  den  Eindruck,  als  ob  er,  ein  Fremdling  in  Indien,  dahin 
von  Amerika  aus  verschlagen  worden  wäre'-'O). 


1)  Vgl.  »Artbildung«  Taf.  I,  Fig.  1 .  2)  Xaf.  1, 2.  3)  Xaf.  I,  3.  4.  4)  Taf.  III,  \  2.  IV,  3. 
5;  Taf.  III.  6)  Taf.  III,  \.  ')  Taf.  III.  8)  Taf.  II.  9  Taf.  IV,  2.  W)  Taf.  IV,  3. 
11)  Taf.  IV,  8.  1^)  Taf.  IV,  4.  W)  Taf.  IV,  \.  7.  i*)  Taf.  III,  9.         ^'^]  Taf.  III,  10. 

ifi;  Taf.  III,  -1.         nj  Taf.  IV,  6.         is)  Taf.  II,  7.         W;  Taf.  II,  8. 

20;  Es  gründet  sich  der  Vorwurf  des  Herrn  W.  Rothschild  gegen  meine  »Art- 
bildung und  Verwandtschaft  bei  den  Schmetterlingen  I«,  »daß  ich  oH'enbar  ein  zu 
geringes  Material  verwendet  habe,  um  imstande  zu  sein  schwere  Irrtümer  über  die 
Verwandtschaft  der  verschiedenen  Schmetterlinge  zu  vermeiden«  i'A  Revision  of  the 
Papilio' s  of  the  Eastern  Hemisphere,  exclusive  of  Afrika.  Novitates  Zoologicae  II 
no.  3  -1895),  soviel  aus  seiner  Schrift  zu  ersehen  ist,  wesentlich  mit  darauf,  daß  ich 
diesen  Falter  nicht  zu  den  indischen  Anticrates-Aristens,  sondern  eben  als  wahrschein- 


Die  segelfalterähnlichen  Papilio-Xilen.  45 

Fassen  wir  zusammen,   so  haben  wir  zu  unterscheiden: 
1.  Eine  australische  Gruppe,    vertreten  durch  P.  Leosthenes^]  und 
P.  Anticrates  parmatus"^). 


lieh  Eingewanderten  zu  den  amerikanischen  Ajax  stelle.  Was  Herr  Rothschild  sonst 
an  meiner  Arbeit  auszusetzen  hat,  bezieht  sich  doch  wohl  auf  nicht  mehr  als  Meinungs- 
verschiedenheiten über  Species- Abgrenzung  und  ähnliches,  wobei  ich  vollkommen 
zugebe,  daß  selbst  schwere  Irrtümer  für  denjenigen  unverschuldet  möglich  sind,  wel- 
cher nicht  in  der  Lage  ist,  über  solche  Sammlungen  zu  verfügen  wie  Herr  W.  Roth- 
schild. Ich  würde  daher  für  jeden  Nachweis  eines  Irrtums  nur  um  so  dankbarer 
sein  können,  je  größer  er  wäre.  Aber  er  muß  eben  thatsächlich  nachgewiesen 
werden,  sonst  bleibt  nur  ungerechter  Vorwurf  übrig.  Dieselben  Einwände  bezüglich 
meiner  Auffassung  des  Rhesus  habe  ich  schon  E.  Haase  gegenüber  zurückgewiesen  [vgl. 
Artbildung  u.  s.  w.  II  S.  63  ff.).  Gegen  Herrn  Rothschild  muß  ich  feststellen,  daß  ich 
Rhesus  nicht  nur  wegen  der  nur  in  der  Zahl  von  sechs  statt  sieben  bei  ihm  vorhan- 
denen Binden  zu  den  Ajax  stelle  (Rothschild  S.  423),  sondern  zugleich  wegen  zahl- 
reicher anderer  Eigenschaften  der  Zeichnung  z.  B.  auch  Verbindung  von  Binde  VII/VIII 
nach  hinten,  auch  Eigenschaften  der  Unterseite.  Pracht])inde  u.  s.  w.  ,  auch  wegen  seines 
ganzen  Flügelschnittes.  Ich  muß  bei  der  Stellung  bleiben,  welche  ich  ihm  zugewiesen 
habe,  trotzdem  daß  dann  eine  Einwanderung  nach  Indien  als  wahrscheinlich  an- 
genommen werden  muß.  —  Ganz  dasselbe  gilt  von  meiner  Ansicht  über  die  Stellung 
des  P.  Leosthenes,  welchen  Herr  Rothschild  (S.  40G;  mit  E.  Haase  zu  den  Podaliriern 
stellen  will  (vergl.  meine  »Artbildung«  IIS.  63).  —  Dem  Beweis  dafür,  daß  P.  Agetes 
mit  den  Podalirius  nichts  zu  thun  hat  und  mit  P.  Stratiotes  zu  den  Antiphates  zu 
stellen  sei  (S.  417,  würde  ich  gerne  entgegensehen,  zumal  da  Agetes  thatsächlich  einst- 
weilen vereinzelt  steht.  Ich  ünde  aber  zur  Abweisung  meiner  Ansicht  bei  Herrn  R. 
nur  allgemeine  Behauptungen.  In  keinem  dieser  Fälle  haben  die  Sammlungen  des- 
selben bis  jetzt  maßgebende  Zwischenformen  gebracht.  —  Daß  mein  P.  Alebion  nicht 
dieser,  sondern  Tamerlanus  Oberth.  sei  (S.  409),  erledigt  sich  dadurch,  daß  einer  der 
ersten  Kenner  der  exotischen  Schmetterlinge,  Staudinger,  Tamerlanus  nicht  als  Art  an- 
erkennt, sondern  für  synonym  mit  Alebion  erklärt:  es  kann  sich  in  ihm  doch  höchstens 
um  eine  Abart  handeln,  denn  die  Trennung  ist  bei  Rothschild's  Tamerlanus  auf  nichts 
anderes  als  auf  die  Trennung  des  gelben  Afterauges  in  zwei  Flecke  begründet,  welche 
Trennung  auch  bei  .Tahreszeiten-Abarten  von  P.  Ajax  vorkommt:  nämlich  bei  Walshii 
und  Telamonides  —  bei  letzterem  ist  bald  Trennung  vorhanden,  bald  nicht!  —  Was 
die  Ausstellungen  über  meinen  P.  Aristeoides^  Anticrates  nigricans  und  Aristeus  nigricans 
angeht,  dahin,  daß  sie  alle  Hermoerates  seien  S.  470  ,  so  brauche  ich  wohl^  nur  darauf 
hinzuweisen,  daß  die  ursprünglichen  Bestimmungen  meines  Aristeoides  als  Nomius  var., 
des  Anticrates  nigricans  als  Anticrates  var.  und  des  Aristeus  nigricans  als  Aristeus  var. 
sämtlich  von  Herrn  Dr.  Staudinger  herrühren  und  daß  die  betreffenden  Typen  der 
STAUDiNGER'schen  Sammlung  angehören,  sodaß  sich  also  Herr  Rothschild  zum  Beweis 
von  Irrtümern  an  Herrn  Staudinger  wird  wenden  müssen.  Weiter  möchte  ich  sagen, 
daß  die  von  Herrn  Rothschild  aufgestellte  Vereinigung  von  P.  Hermoerates,  Aristeus, 
Anticrates  und  parmatus  vgl.  meine  Tafel  III)  zu  einer  Art  und  ihre  Bezeichnung  als 
»Lokalrassen«,  wenn  nicht  bewiesen,  so  doch  wenigstens  begründet  werden  müßte. 
Jedenfalls  nimriit  Herr  Rothschild  den  Begriff  »Lokalrassen«  sehr  weit,  da  Hermoerates 
auf  den  Philippinen  lebt,  Aristeus  auf  den  Molukken,  Anticrates  in  Nordindien  und 
parmatus  in  Nordindien  und  Australien!  Indem  Herr  Rothschild  so  vereinigt,  ist  es 
in  seinen  Augen  ein  Irrtum,  wenn  ich  parmatus  als  Abart  von  Anticrates  bezeichne 
und  nicht  etwa  als  Lokalrasse,  wie  er  tliut!  Das  sind  doch  merkwürdige  Ausstellungen, 
welche  sich  denjenigen  des  Herrn  Erich  Haase  (vgl.  »Artbildung«  II  S.  47  ff',  voll- 
kommen an  die  Seite  stellen.  —  Wenn  endlich  Herr  Rothschild  die  allgemeinen  Er- 
gebnisse meiner  Untersuchungen  sehr  interessant  findet,  aber  meint,  daß  dieselben 
wegen  obiger  Irrtümer,  bezw.  des  zu  geringen  Materials,  wenig  Bedeutung  für  die 
ly  »Artbildung«  I,  Taf.  III,  Fig.  1.        2)  Xaf.  III,  7. 


46  Zusatz. 

2.  Eine  australisch-indomalayische.  vertreten 

a)  durch  die  Anticrates^  deren  einer  (A.  pai-matus^  ,  wie  soel)eu 
bemerkt,  auch  schon  in  Australien  vorkommt  und  andererseits,  neben 
Verwandten  [P.  Aristeoides  mihi^),  Nomius  Esp.^)  und  Anticrates  Doubl. ^j], 

.sich   bis  nach  Nordindien  erstreckt,    während  P.  Hermoerates  Feld.^)  auf 
den  Philippinen,  Aristeus  Gram.'')  auf  den  Molukken  lebt; 

b)  durch  die  Antiphates  und  ihre  Verwandten,  welche,  offenbar 
von  den  Anticrates  ausgegangen,  sich  von  den  nordindischen  Inseln  bis 
nach  Asien  hinein  verbreiten. 

2.  Eine  amerikanische  Gruppe,  deren  ursprünglichste  Form  die 
Ajax  in  Nordamerika  sind,  die  aber  eine  besondere  Entwickelungsrichtung 
in  Südamerika  zeigen  ' ). 

3.  Eine  afrikanisch-madagassische  Gruppe,  wohl  an  die  Mittel- 
amerikaner anzuschließen  und  in  ihren  einfachsten  Formen  schon  weit 
vorgeschritten. 

4.  Eine  asiatisch-europäische  Gruppe. 

Abgesehen  von  den  Afrikanern  haben  wir  überall  als  Ausgangspunkt 
segelfalterähnliche  Formen,  welche  die  Zeichen  der  Verwandtschaft  auf 
ihren  Flügeln  tragen.  Unter  den  Afrikanern  ist,  wie  gesagt,  noch  am 
ursprünglichsten  P.  PoUcenes  Cram.sj. 

In  jeder  Gruppe  haben  nun  teils  besondere,  teils  mit 
denen  der  anderen  Gruppen  übereinstimmende  Entwickelungs- 
richtungen  zu  der  Entstehung  von  Arten  geführt. 

Im  Ganzen  ist  die  Entwickelungsrichtung  immer  dieselbe:  die 
ursprünglich  in  der  Zahl  von  H  vorhandenen  Längsbinden  der  Flügel 
verkürzen  sich  z.  B.  überall  im  Binnenraum  der  Flügel  von  hinten  nach  vorn, 
gemäß  dem  Gesetz  der  postero-anterioren  Entwickelung,  und  einzelne 
gehen  so  allmählich  verloren.  Oder  die  Binden  verwachsen  seitlich;  so 
werden  Bandbinden   und   andere   breite  äußere  Flügelbinden  hergestellt. 

Die  zuerst  schwarz-gelb-weiß-schwarz  {Podalirius]  oder  schwarz-rot- 
weiß-schwarz [Ajax^  Rhesus]  gefärbte  Pracht-Längsbinde  auf  der  Unter- 
seite der  Hinterflügel  löst  sich  in  allen  ihren  Teilen  in  Flecke  auf  [Anti- 
phates] oder  einzelne  ihrer  Streifen  schwinden ;  durch  Umbiegung  vor 
dem  hinteren  Flügelrande,  Durchschlagen  auf  die  Oberseite  und  Ab- 
schnürung und  Abrundung  bildet  sie  Augenflecke  u.  s.  w.-'). 

systematischen  Arbeiter  hätten,  so  darf  ich  mich  mit  der  wiederholt  ausgesprochenen 
unverhohlenen  Anerliennung  solcher  Arbeiter  begnügen,  daß  diese  Untersuchungen  der 
Systematilc  ganz  neue  Bahnen  eröffnet  haben,  was  die  Zukunft  nur  bestätigen  wird, 
denn  es  werden  noch  viele  Nachfolger  an  dem  von  mir  begonnenen  Bau  zu  arbeiten 
haben,  Ins  er  fertig  ist.  Ich  hoffe,  es  möchten  zumeist  solche  sein,  welche  den  großen 
Plan  des  Baues  vor  allem  im  Auge  haben  und  ihm  bei  ihrer  Mitarbeit  Rechnung  tragen. 

ij  »Artbildung«  Taf.  III,  Fig.  7.  2)  Taf.  III,  3.  3j  Taf.  III,  4.  «)  Taf.  III,  6, 
5)  Taf.  III,  2.         6)  Taf.  III,  5. 

')  In  meiner  »Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den  Schmetterlingen«  I  habe 
ich  in  einer  »Leosthenes-Anticrates-Ajax-Grupi^e-^i  diese  drei  Abteilungen  zusammen- 
gefaßt als  in  der  Wurzel  zusammenhängend.     Vgl.  den  Stammbaum  S.  192. 

S|  Taf.  IV,  2.  9;  Vergl.  »Artbildung«  I  S.  7,  wo  die  zur  Artbildung  führenden 
Veränderungen  übersichtlich  zusammengestellt  sind. 


Die  segelfalterähnlichen  Papilio-Ä.rten.  47 

Aber  die  Verschiedenheit  der  Umbildung  im  Einzelnen  wird  dadurch 
bedingt,  daß 

1.  in  dem  einen  Falle  die,  in  dem  anderen  jene  Richtung  vorwiegt 
—  z.  B.  bald  mehr  das  seitliche  Verwachsen  gewisser  Binden ,  unter 
Verbreiterung  derselben,  bald  mehr  Verkürzung  und  Schwinden  dieser 
oder  jener  Binden  maßgebend  wird  u.  s.  w.  —  kurz,  indem  verschie- 
denstufige Ent Wickelung  der  verschiedenen  Teile  der  Zeichnung 
stattfindet,  einerseits  in  stärkerer  Ausbildung,  andererseits  im  Schwinden 
von  Teilen  derselben; 

2.  dadurch,  daß  neue  Entwickelungsrichtungen  auftreten,  insbeson- 
dere durch  Entstehung  neuer  Eigenschaften,  welche  mit  kleinsten  An- 
fängen beginnen  und  allmählich  herrschend  werden. 

Und  wie  überaus  merkwürdig  sind  die  Erscheinungen  jener  ver- 
schiedenstufigen Entwickelung!  Die  Prachtbinde  der  Unterseite  der  Hinter- 
flügel hat  im  Fortschreiten  der  Umbildung  überall  die  Neigung,  ent- 
weder in  Stücke  (Fleckei  zu  zerfallen  oder  aber  dadurch  einfacher 
(nicht  vollkommener)  zu  werden,  daß  zuerst  ihr  Weiß,  dann  ihre  schwarze 
Begrenzung  entweder  innen  oder  außen  verloren  geht  und  daß  zuletzt 
auch  ihr  Rot  sich  zerteilt  und  schwindet. 

Ein  wesentlicher  Artunterschied  zwischen  den  südamerikanischen 
P.  Protesilaus  einerseits  und  den  P.  Agesilaus  andererseits  besteht  darin, 
daß  bei  jenen  die  äußere  schwarze  Begrenzung  der  Prachtbinde  ge- 
schwunden ist,  bei  diesen  die  innere!  Ein  anderer  Unterschied  besteht 
darin,  daß  bei  jenen  die  Binde  III  der  Vorderflügel')  verloren  gegangen 
zu  sein  scheint,  so  daß  ein  bedeutender  Zwischenraum  zwischen  Binde 
I  und  IV  besteht^),  während  sie  bei  Agesilaus  noch  vorhanden  oder  mit 
IV  verschmolzen  ist  (vgl.  hinten  Abb.  39  und  »Artbildung«  I  ^).  Aber  bei 
einer  Abartung,  dem  P.  Agesilaus  septemlineatus  mihi  aus  Neugranada^), 
haben  wir  in  Beziehung  auf  diese  Binden  ganz  dasselbe  Verhalten  wie 
bei  P.  Protesilaus. 

Vergleichen  wir  diesen  Agesilaus  mit  Protesilaus,  so  ergiebt  sich,  daß 
auch  bei  letzterem  w^ahrscheinlich  derselbe  Vorgang  stattgefunden  haben 
wird,  wie  er  aus  den  drei  von  mir  von  Agesilaus  abgebildeten  Abarten 
für  diesen  geschlossen  werden  muß^)  —  daß  nämlich  auch  bei  Protesilaus 
die  Binde  III  nicht  ausgefallen,  sondern  daß  sie  sich  zuerst  mit  IV  ver- 
bunden haben  und  daß  sich  dann  die  gemeinsame  Binde  III/IV  zu  der 
bei  Protesilaus  und  bei  Agesilaus  septemlineatus  vorhandenen  Binde  ver- 
schmälert haben  wird. 

Aber  dieser  Agesilaus  septemlineatus  zeigt  noch  eine  andere  Ent- 
wickelungsrichtung  gemeinsam  mit  dem  durch  die  Prachtbinde  ganz  von 
ihm  verschiedenen  Protesilaus :  es  ist  bei  ihm  die  Binde  VII  (die  vierte 
von  außen  auf  den  Vorderflügeln)  bis  auf  einen  kleinen  Punkt  geschwun- 
den, ähnlich  wie  bei  Protesilaus   Telesilaus  ^j  und  bei  Epidaus  ''). 


1;  Die  zweite  von  außen.      2    »Artbildung«  I,  Taf.  I,  Fig.  5.  6.       3    Xaf.  I,  9.   10. 
i'l  Taf.  I,  1  I.         5,  Taf..  I,  9.  10.   11.         6)  Xaf.  I,  6.         ^j  Taf.  I,  7. 


48  Zusatz. 

Wir  haben  also  hier  sehr  bemerkenswerte  Beispiele  von  unab- 
hängiger Entwickelungsgleichheit:  während  sich  Agesüaus  und 
Protesilaus  durch  verschiedene,  bezw.  entgegengesetzte  Umbildung  der 
Prachtbinde  nach  ganz  verschiedenen  Richtungen  entwickelt  haben,  be- 
sondere Arten  darstellen,  die  unabhängig  von  einander  sind,  arbeitet  die 
Umbildung  in  ihnen  doch  gleichartig  nach  anderen  Richtungen.  So  ent- 
stehen zwei  Arten,  bezw.  zwei  Varietäten  verschiedener  Arten,  welche 
sich  äußerlich  sehr  ähnlich,  aber  in  einer  Grundeigenschaft  doch  eben 
besonders  geartet  sind. 

Der  Fall  ist  aber  noch  dadurch  hervorragend  bemerkenswert,  daß 
sowohl  bei  Agesüaus  wie  bei  Protesilaus  das  Schwinden  der  Binde  VII 
bei  einer  Abart  vorkommt,  so  daß  dadurch  wieder  ein  Kennzeichen  einer 
neuen  sich  bildenden  Art  angezeigt  ist,  ein  Kennzeichen,  welches  in  der 
That  bei  Epidaus  ein  Artkennzeichen  geworden  ist. 

Ebenso  ist  das  Verhalten  der  Binde  IV  bei  der  Abart  Agesüaus 
septemlineatus  etwas  Neues,  entspricht  aber  hier  demselben  Artmerkmal 
von  Protesüaus  —  ein  Zeichen,  daß  Agesüaus  in  dieser  Beziehung  auf 
Gleichheit  mit  Protesüaus  hin  arbeitet,  und  ein  Grund  anzunehmen,  daß 
Protesilaus  darin  aus  einer  ^//e^Z/aws-ähnlichen  Form  hervorgegangen  ist, 
was  durch  die  gemeinsamen  Ursprungsformen  beider  bestätigt  wird. 

Von  neuen  Eigenschaften  erwähne  ich  die  bei  Protesilaus  rubrocinctus  im 
Gegensatz  zu  Protesilaus  Telesilaus  von  mir  abgebildete  rote  Färbung  der 
C-förmigen  Ader  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel  in  Verbindung  mit  dem 
äußeren  Rot  der  Prachtlängsbinde.  Diese  Ader  bekommt  in  der  Turnus-Ma- 
c/mon-Gruppe  durch  Schwarzfärbung  eine  große  Bedeutung  als  Artmerkmal. 

Überhaupt  werden  bei  der  Turnus-Machaon-GTap])e  und  Verwandten 
verschiedene  neu  auftretende  Merkmale  maßgebend  für  die  Entstehung 
neuer  Arten. 

So  führt  bestimmt  gerichtete  Umbildung,  Orthogenesis,  wie 
meine  Abbildungen  zeigen,  von  Art  zu  Art  und  da,  wo  zwischen  den 
einzelnen  Arten  eine  größere  Kluft  vorhanden  ist,  wird  dieselbe  bei  Ver- 
gleichung  zahlreicher  Stücke  ausgefüllt  durch  gelegentliche  Rückschläge 
der  vorgeschritteneren  Form  in  die  ursprünglichere,  wie  das  z.  B.  bei 
P.  Podalirius  undecimlineatus  mihi')  gegenüber  P.  Glycerion^)  bezw.  Alebion^] 
der  Fall  ist,  indem  jene  Abart  des  Segelfalters  durch  Rückschlag  wieder 
die  elf  ursprünglich  offenbar  allen  Ahnen  von  Papüio  zukommenden  Binden 
zeigt,  wie  sie  Alehion  und  Glycerion  haben,  während  sie  bei  dem  gewöhn- 
lichen Podalirius  auf  sieben  geschwunden  sind,  ebenso  auch  bei  der  nord- 
afrikanischen Abart  Lotteri'^)^]. 


Ein  wichtiges  Ergebnis  der  vorstehend  im  Auszug  mitgeteilten  Unter- 
suchungen über  die  Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den  Papilioniden 
ist  auch  dies,  daß  die  amerikanischen,  besonders  die  nordamerikanischen 

1)  »Artbildung«  Taf.  I,  Fig.  3.         2j  Xaf.  I,  2.         3)  Tat.  \,  \.         4)  Xaf.  I,   4. 

5)  Wo  es  fälschlich  Latteri  Gonst.  statt  Lottert  Aust.  auf  der  Tafel  und  im  Texte  heißt. 


Die  segelfalterähnlichen  PflpjV/o-Arten.  49 

Arten  zu  den  europäischen  zumeist  in  einem  für  meine  Auffassung  hoch- 
wichtigen Verhältnis  stehen,  indem  sie  um  eine  Stufe  tiefer  in  der  Ent- 
vvickelung  verharren  als  diese.  Für  die  meisten  nordamerikanischen 
haben  wir  in  Europa  weiter  entwickelte  »vikariierende«  Arten,  —  daß 
Nordamerikaner  in  einzelnen  Eigenschaften,  wie  in  der  Ausbildung  der 
Einfarbigkeit,  voranschreiten  können,  hebt  die  allgemeine  Thatsache  nicht 
auf.  Dasselbe  gilt  bekanntlich  für  zahlreiche  andere  nordamerikanische 
Tiere  gegenüber  ihren  europäischen  Verwandten:  die  nordamerikanische 
Fauna  steht  genepistatisch  tiefer  als  die  europäische,  ebenso  wie  die 
australische  Tier-  und  Pflanzenwelt  im  Allgemeinen  auf  tiefen  Stufen 
der  Entwickelung  stehen  geblieben  ist. 

Auch  für  die  übrigen  großen,  und  ebenso  für  kleine  geographische 
Gebiete,  insbesondere  die  Inselgebiete  geben  meine  Untersuchungen  über 
Papilioniden  überall  Bevi^eise  der  hohen  Wichtigkeit  der  Genepistase  im 
Zusammenhang  mit  der  geographischen  Verbreitung. 


Eimer,  Ortkogenesis. 


II. 

Die  sogenannte  Germinalselektion. 


Kritik  niid  Erwiderung. 

»Gar  manfhe  wunderbare  Entdecljuiig  konnte  mir 
nicht  entgellen,  z.  B.  daß  man  sicli  aucli  im  Sonderbaren 
und  Schwierigen  gefiel,  damit  nur  einigermaßen  etwas 
Merkwürdiges  zum  Vorschein  käme.« 

»weil  ...  es  schmeichelhafter  ist,  irrend  ein  Original 
zu  sein,  als,  die  Wahrheit  anerkennend,  sich  einer 
höheren  Art  und  Weise  unterzuordnen«. 

Ct  o  e  t  h  e. 

Vorwort  gegen  Vorwort. 

Zu  meinem  Bedauern  sah  ich  mich  in  die  Notwendigkeit  versetzt, 
Zeit  und  Mühe  auf  eine  eingehende  Besprechung  der  vorbenannten  Schrift 
zu  verwenden.  Es  mußte  einmal  an  einem  Beispiel  gezeigt  werden, 
welches  die  Mittel  sind,  mit  denen  die  Errungenschaft  Ch.  Darwin's  von 
einem  Manne  vertreten  und  weiter  ausgebaut  werden  will,  der  offenbar 
im  Glauben  steht,  die  Pfade  dieses  großen  und  edlen  Naturforschers  zu 
wandeln,  während  er  thatsächlich  von  dessen  Forschungsweise  und  von 
induktiver  biologischer  Methode  überhaupt  vollkommen  abgekommen  ist, 
deren  hervorragende  Zierde  er  einstens  selbst  war. 

Nur  wenn  man  eine  oder  die  andere  der  Schriften  des  heutigen  August 
Weismann  Satz  für  Satz,  so  wie  ich  es  im  Folgenden  thun  werde,  durch- 
nimmt, lernt  man  seine  Methode  so  gründlich  kennen,  wie  es  nötig  ist, 
um  zu  sehen,  daß  sie  in  nichts  Anderem  beruht  als  in  einer  skrupellosen 
Dialektik.  Man  hat  derselben  von  anderer  Seite  die  Fülle  der  Wider- 
sprüche, in  denen  sie  sich  bewegt,  ja  Winkelzügigkeit  vorgeworfen,  aber 
nur  auf  dem  von  mir  gewählten  Wege  erkennt  man,  worauf  insbesondere  die 
letztere  beruht,  wie  es  falsche  oder  doch  unbewiesene  und  unbeweisbare 
Vordersätze  und  wie  es  Zirkelschlüsse  sind,  die  immer  wieder  zu  maß- 
gebend sein    sollender   Beweisführung    benutzt   werden.      In    dieser    Be- 


')  August  Weismann:  Über  Germinalselektion,  eine  Quelle  bestimmt  gerichteter 
Variation,  .Tena,  1896,  und:  Compte-Rendu  des  seances  du  3"ie  congres  international  de 
Zoologie,  Leyden,  E.  Brill  -1896,  S.  ;^ö  (T. 


Vorwort  gegen  Vorwort.  51 

handlung  der  Dinge  liegt  auch  die  Erklärung  des  »schwer  Verständlichen« 
der  Darstellung  und  darin  wieder  eine  Erklärung  des  erzielten  Erfolges. 

Dazu  kommt,  abgesehen  von  dem  typischen  Verschweigen  unbequemer 
Thatsachen,  als  Grundzug  der  ganzen  Behandlung:  das  unaufhörliche 
Widerrufen  und  Andern  der  eigenen  früher  aufgestellten  und  als  er- 
lösende »Einsicht«  und  »Erkenntnis«  hingestellten  Ansichten,  eine  Bezeich- 
nung, welche  nun  auch  dem  »neuen  Gedanken-  der  Germinaiselektion « 
unbedenklich  bereits  im  Vorwort  der  sie  behandelnden  Schrift  von  ihrem 
Verfasser  beigelegt  wird.  Schon  dieses  Vorwort  enthält  überhaupt  über- 
raschende Belegstücke  für  die  Methode  meines  heutigen  Gegners  und 
ich  widme  demselben  daher  eine  besondere  Betrachtunsr. 

Möchte  die  eingehende  sachliche  Beurteilung  der  Schrift,  welcher 
ich  mich  unterziehe,  dazu  beitragen,  dass  der  Versuch,  unfruchtbare 
Dialektik  und  Sophistik  an  Stelle  von  Naturwissenschaft  zu  setzen,  endlich 
von  allen  berufenen  Seiten  gründlich  zurückgewiesen  wird. 


Nachdem  der  Verfasser  die  seiner  Keimplasmahypothese  zu  Grunde 
liegende  »Erkenntnis«,  daß  die  gesamte  Transmutation  auf  zufälligem 
Abändern  beruhe,  in  äußerster,  unbedingtester  Vertretung  und  in  allen 
Varianten  durchgeführt,  seit  Jahren  auf  das  zäheste  festgehalten,  indem  er 
alle  Thatsachen,  welche  das  Gegenteil  beweisen,  und  insbesondere  die  von 
mir  vorgeführten  unberücksichtigt  gelassen  hat,  tritt  er  jetzt  plötzlich  im 
Vorworte  zu  seiner  Schrift  mit  dem  Satze  auf:  er  werde  durch  seine 
Erkenntnis  den  Widerstreit  lösen,  den  die  Gegner  der  Selektionstheorie 
mit  Becht  darin  erkannten,  daß  die  Zweckmäßigkeiten  der  Organismen, 
also  die  für  ihre  Existenz  notwendigen  Anpassungen  durch  zufäl- 
lige Variationen  zu  Stande  kommen  sollten-.  Dann  fährt  er  fort:  y>Wenn 
allerdings  auch  die  primären  Variationen  immer  »zufällige«  bleiben,  so 
hoffe  ich  doch,  hier  gezeigt  zu  haben,  dass  ein  innerer  Mechanismus  besteht, 
der  sie  zwingt,  in  bestimmter  Richtimg  weiter  zu  gehen,  sobald  Selektion 
eingreift«. 

Offenbar  beruht  nun  schon  diese  Hoffnung  auf  Anwendung  eines 
falschen  Vordersatzes,  denn  es  erweist  sich  für  jeden  unbe- 
fangenen Beurteiler  der  von  mir  und  Anderen  über  bestimmt 
gerichtete  EntW'ickelung  festgestellten  Thatsachen  als  voll- 
kommen unmöglich  mit  Grund  zu  behaupten,  die  primären 
Variationen  seien  immer  zufällige. 

Alle  diese  Thatsachen  zeigen  vielmehr  unwiderleglich,  dass  die 
neuen  Eigenschaften,  so  klein  und  unscheinbar  sie  auch  sein  mögen, 
schon  von  vornherein  bestimmt  gerichtete  Entwickelung 
haben,  daß  sie  »wie  nach  einem  Plane«  entstehen  und  in  der  Ent- 
wickelung vorwärts  schreiten  —  auch  so  lange  sie,  schon  wegen 
ihrer    Unbedeutendheit,     nicht    den    geringsten    Nutzen    für    den 


Organismus  haben  können. 


4* 


52  l^ie  sogenannte  Germinalselektion. 

Diese  Thatsache  aber  und  die  andere,  daß  zahllose 
Eigenschaften,  welche  in  bestimmt  gerichteter  Ent Wicke- 
lung vorwärts  schreiten,  überhaupt  niemals  in  den  Bereich 
des  Nutzens  fallen,  weist  allein  die  neue  »Erkenntnis«  der 
Germinalselektion  vollkommen  zurück. 

Nachdem  ich  seit  Jahren  seiner  Behauptung,  es  sei  Alles  nützlich 
und  angepasst,  immer  wieder  von  neuem  entgegengehalten,  daß  neue 
Eigenschaften,  so  lange  sie  noch  unscheinbar  seien,  nicht 
nützlich  sein  können  (was  Mivart  bekanntlich  längst  Dauwin  gegen- 
über betont  hat),  dass  die  Auslese  nichts  Neues  schaffen,  daß 
dieselbe  erst  wirksam  sein  könne  an  der  Hand  dessen,  was  schon 
nützlich  ist,  nachdem  Herr  August  Weismann  durch  ebenso  viele  Jahre 
alle  nicht  nur  von  mir  und  Anderen,  sondern  auch  von  ihm  seilest  früher  i) 
festgestellten  bezüglichen  Thatsachen  als  nicht  vorhanden  behandelt,  nach- 
dem er  noch  soeben  seine  Flugschrift  von  der  »Allmacht  der  Naturzüch- 
tung« geschrieben  hat,  erkennt  er  zu  meiner  vollsten  Überraschung  nicht 
nur  —  zum  zweiten  Mal  in  seinem  Leben  —  bestimmt  gerichtete  Ent- 
wickelung  (d.  i.  gesetzmäßige,  nicht  zufällige  Umbildung),  sondern  er 
erkennt   auch    den   Nichtnutzen    der  neu   entstandenen  Eigenschaften    an. 

Warum  er  die  bestimmt  gerichtete  Entwickelung  nicht  auch  für  die 
»primären  Variationen«  zugibt?  —  deshalb  weil  er  heute  die  bestimmt 
gerichtete  Entwickelung  durch  die  Auslese,  den  Nutzen  erst  gezüchtet 
sein  lassen  will!  —  Die  Anforderungen  des  Nutzens  sind  aber  im  Leben 
sehr  verschiedene,  wechselnde.  Somit  muß  die  neue  Hypothese  die 
Möglichkeit  offen  lassen,  daß  aus  ungezüchtetem  Stoff  nach  Maßgabe 
jener  Anforderungen,  nach  Bedarf,  Richtungen  der  Entwickelung  ge- 
züchtet werden  können. 

Es  ist  klar,  dass  die  Vorstellung  von  dieser  Art  von  Züchtung  be- 
stimmt gerichteter  Entwickelung  schon  deshalb  notwendig  unrichtig  ist, 
weil  dieselbe  zahllose  verschiedene,  einzeln  stehende  Entwickelnngsrich- 
tungen  voraussetzt  —  wie  sie  eben  das  Anpassungsbedürfnis  J^edingt, 
—  während  doch  überall  nur  wenige  untereinander  dicho- 
tomisch  zusammenhängende-  Entwickelungsrichtungen  be- 
stehen, worauf  denn  auch,  wie  schon  berührt,  die  entsprechende 
Gestaltung    der  Stammbäume    im  Pflanzen-  und  Tierreich   beruhen  wird. 

Nebenbei  gesagt  ist  es  nach  Maßgabe  seiner  Hypothese  selbstver- 
ständlich, daß  uns  der  Vertreter  der  Allmacht  der  Naturzüchtung  nicht 
sagen  kann,  von  wann  an  diese  oder  jene  Eigenschaft  nützlich  sei,  der 
Selektion  unterliege.  Er  räumt  dies  auch  ausdrücklich  selbst  ein  und 
beschränkt  im  Folgenden,  wie  wir  sehen  werden,  den  Zeitraum  des 
Zufälligen,  nicht  Nützlichen,  welchen  er  in  der  Entwickelung  gelassen 
hat,  zu  Gunsten  seiner  neuen  Hypothese  in  ganz  unzulässiger  Weise  ein, 
läßt  ihn  zuletzt  geradezu  verschwinden.  Auf  diese  Weise  scheinen  die 
der  Hypothese  entgegenstehenden  Schwierigkeiten  ohne  Aufsehen  beseitigt. 


»Saisondimorphisraus  der  Schmetterlinge«  i87ü. 


Vorwort  gegen  Vorwort.  53 

Und  auf  noch  eigenartigerem  Wege  sucht  er  die  von  mir  immer 
von  Neuem  hervorgehobene  Thatsache,  daß  zahllose  Eigenschaften 
überhaupt  niemals  in  den  Bereich  des  Nutzens  und  der 
Auslese  gelangen,  aus  dem  Wege  zu  schaffen,  indem  er  jenen  Satz 
aufstellt,  wir  >hätten  überhaupt  in  keinem  Falle  über  den  Selektionswert 
einer  Abänderung  ein  Urteil«,  noch  könnten  wir  eine  Erfahrung  darüber- 
machen (S.  55).  In  einem  besonderen  Falle  aber,  in  Beziehung  auf  die 
Oberseite  der  Flügel  der  von  mir  behandelten  Papilioniden,  wo  die  Nutz- 
losigkeit der  Zeichnung  und  der  Farben  offen  vor  Augen  liegt  und  aus  der 
Umbildung  selbst  zu  allem  Überfluß  auf  das  klarste  bewiesen 
werden  kann  —  erklärt  mein  Gegner  heute  in  geradem  Gegensatz  zu 
seiner  eigenen  früheren  Überzeugung '),  es  sei  diese  Zeichnung  aus  zahl- 
reichen einstmaligen  und  jetzigen  Anpassungen  zusammengesetzt  —  ohne 
daß  er  für  die  Berechtigung  dieser  Behauptung  irgendwelche  Begründung 
oder  irgend  anderen  Beweis  brächte  als  eben  seine  voreingenommene 
Ansicht  —  es  sei  Alles  zuletzt  doch  angepaßt. 

Unter  den  von  mir  für  denselben  so  unangenehm  oft  ausgesprochenen 
Sätzen 2)  muß  ich  auch  den  wiederholen,  daß  die  Auslese  erst  dann 
einzugreifen  vermag,  wenn  sie  mit  einer  Eigenschaft  arbeiten  kann, 
welche  schon  nützlich  ist.  Daher  müssen  nützliche  Eigen- 
schaften entstehen,  ohne  daß  sie  gezüchtet  sind,  und  das 
ist  in  der  That  der  Fall,  ebenso  wie  es  viele  Eigenschaften 
giebt,  welche    niemals  in  den  Bereich  des  Nutzens  gelangen. 

Die  bestimmt  gerichtete  Entwickelung  ist,  da  sie  vor  dem  Eingreifen 
von  Selektion  besteht,  nicht  durch  diese  gezüchtet.  Ja  sie  wird  vor 
diesem  Eingreifen  rein  und  ungehindert  wirken,  weniger  unbeschränkt 
vielleicht,  nachdem  die  mannigfaltigen  Anforderungen  des  Nutzens  an  die 
ohne  ihn  gewordene  Eigenschaft  herangetreten  sind.  Denn  nachdem 
dies  geschehen  ist,  ist  es  wohl  möglich,  daß  die  bestimmt  gerichtete  Ent- 
wickelung eben  durch  die  Einwirkung  des  Bedürfnisses,  in  Folge  von  Aus- 
lese und  Vererbung  des  Passendsten,  mehr  oder  weniger  abgeändert  wird 
—  in  welchem  Grade  ist  nach  Maßgabe  des  Einzelnen  noch  zu  beweisen. 

Es  ist  dies  so  ziemlich  das  Gegenteil  dessen,  was  der  Verfasser 
schon  in  dem  behandelten  Satze  seines   Vorwortes  behauptet. 


1.  Es  ist  nicht  Alles  nützlich  und  angepaßt; 

2.  Das  Abändern  ist  nicht  zufällig,  sondern  es  geschieht 
gesetzmäßig  nach  wenigen  ganz  bestimmten  Bichtungen. 

3.  Die  Auslese  kann  nichts  Neues   schaffen,   sondern   sie 
kann  nur  mit  schon  Vorhandenem  arbeiten. 

Dies  sind    die   drei  Sätze,    welche  ich  seit  nunmehr  zweiundzwanzig 


1)  »Saisondiraorphismus  der  Schmetterlinge«   -187  5. 

-j  Vgl.  »Germinalselektion«  S.  65,  wo  mir  Wiederholung  immer  derselben   »un- 
bewiesenen Behauptungen«  vorgeworfen  wird. 


54  Die  sogenannte  Germinalselektion. 

Jahren  gegen  den  Anspruch  des  Darwinismus,  die  Entstehung 
der  Arten  zu  erklären,  und  später  gegen  die  Übertreibung  desselben, 
gegen  den  Afterdarwinismus  geltend  gemacht  habe  und  welchen  der 
Vertreter  des  letzteren  jetzt  endlich  Beachtung  zu  schenken  sich  ver- 
anlaßt sieht,  indem  er 

1 .  Nichtnützlichkeit  der  erst  im  Beginn  der  Ausbildung  befindlichen 
Eigenschaften  anerkennt, 

2.  erklärt,  die  »Gegner  der  Selektionstheorie«  hätten  mit  Recht  er- 
kannt, daß  die  Zweckmäßigkeiten  der  Organismen  nicht  durch  zufällige 
Variationen  zu  Stande  kommen  können, 

3.  indem  er  endlich  als  Hauptergebnis  seiner  Leydener  Rede  aus- 
ruft: »der  Haupt-  und  Fundamentaleinwurf,  daß  die  Selektion  die  Varia- 
tionen, mit  welchen  sie  arbeite,  nicht  schaffen  könne,  ist  durch  die  Ein- 
sicht, daß  eine  Germinalselektion  besteht,  beseitigt<(-. 

Das  Vorwort  fährt  fort:  »Es  giebt  bestimmt  gerichtete  Variation, 
aber  nicht  eine  gewissermaßen  prädestinierte,  die  unabhängig  von  den 
Lebensbedingungen  den  Organismus  vorwärts  treibt,  loie  sie  vor  Allein 
Nägel i  annahm,  sondern  eine  solche,  die  von  diesen  Bedingungen  selbst 
hervorgerufen  und  geleitet  wird,  wenn  auch  nur  indirekt.« 

Unter  den  Lebensbedingungen,  welche  die  Variation  leiten,  versteht 
der  Verfasser  also  den  Nutzen.  Andere  Lebensbedingungen  als  solche, 
welche  durch  die  Auslese  an  der  Hand  des  Nutzens  geschaffen,  bezw.  ge- 
züchtet worden  sind,  kennt  er  überhaupt  nicht.  Die  Lebensbedingungen« 
leiten  die  Abänderung  mittelbar,  die  Auslese  leitet  sie  unmittelbar,  d.  h. 
sie  züchtet  sie. 

Mit  der  »prädestinierten  Variation,  wie  sie  vor  Allem  Nägeli  annahm,« 
aber  hat  es  eine  besondere  Bewandtnis.  In  »vor  Allem«  ist,  wie  sich 
aus  Späterem  ergiebt,  meine  Person  mit  enthalten,  denn  der  Verfasser 
schreibt  mir  in  seiner  Schrift  die  NÄGELi'sche  Ansicht  zu,  welche  die 
Transmutation,  bezw.  die  bestimmt  gerichtete  Entwickelung  durch  ein 
»Vervollkommnungsprinzip«,  und  auf  demselben  beruhende  »innere  Ur- 
sachen«, durch  »innere  Bildungsgesetze«,  wie  derselbe  wiederholt  sagt, 
erklären  will. 

Es  kann  darüber  Niemand  in  Unwissenheit  sein,  daß  meine  Ansicht 
über  die  Ursachen  der  Transmutation  derjenigen  von  Nägeli  gerade  in 
diesem  Punkte  vollkommen  entgegengesetzt  ist.  Ich  habe  auch  dies  oft 
genug  wiederholt.  Es  bildet  geradezu  eine  der  Hauptgrundlagen  meiner 
Entwickelungstheorie  vom  organischen  Wachsen  der  Lebewelt 
(Organophysis  oder  Morphophysis)  der  überall  von  mir  vorangestellte 
Satz,  daß  unmittelbare]  äußere  Einwirkungen,  wie  Klima,  Nahrung, 
kurz  der  Lebensbedingungen,  auf  die  gegebene  Konstitution  —  d.  i. 
innere,  physiologische  oder  Wachstums-Ursachen  —  für  die  Trans- 
mutation in  erster  Linie  maßgebend  sind. 

Zu  Allem  hin  habe  ich  diese  Ansicht  in  meinem  Leydener  Vortrag 
im  Beisein  meines  Herrn  Gegners,  ja  gerade  diesem  gegenüber  abermals 


Vorwort  gegen  Vorwort.  55 

hervorgehoben  •) —  gegenüber  diesem  deshalb  mit  besonderer  Betonung, 
weil  derselbe  drei  Tage  vorher  in  seiner  Rede  den  auch  sonst  gewöhn- 
lichen Irrtum  begangen  hatte,  die  Annahme  von  der  unmittelbaren 
Wirkung  auf  die  Umbildung  als  LAMA.RCK'sche  hinzustellen. 

Der  volle  Beweis  dafür,  wie  gut  ich  von  demselben  in  der  That 
verstanden  worden  sein  muß,  liegt  aber  darin,  daß  Herr  WErsMANX  jene 
irrtümliche  Äußerung  bezüglich  Lamarck's,  welche  er  in  der  mündlichen 
Rede  gethan,  in  der  gedruckten  weggelassen  hat. 

In  meinem  Vortrage  habe  ich  ferner  den  Gegensatz  meiner  ortho- 
genetischen  Auffassung  und  den  Beweis  derselben  gegenüber  den  auf 
dem  Vervollkommnungsprinzip  beruhenden  theoretischen  Aufstellungen 
Nägeli's  eben  deshalb  mit  Nachdruck  hervorgehoben,  weil  Herr  Weisman\ 
in  seiner  Rede  von  Nägeli  und  Askenasy  als  Vertretern  der  Orthogenesis 
gesprochen,  meinen  Namen  aber  verschwiegen  hatte,  obschon  er  selbst- 
verständlich nicht  gegen  der  Botaniker  theoretische  Ausführungen  geredet, 
sondern  gegen  mich,  wie  er  ja  thatsächlich  meine  Untersuchungen  an 
Schmetterlingen  zum  Gegenstand  seiner  V^iderlegung  genommen  hat. 

Endlich  habe  ich  angesichts  meines  Gegners  in  meinem  Vortrag 
abermals  ausdrücklich  hervorgehoben,  was  ich  unter  inneren  Ur- 
sachen verstehe,  eben  daß  dies  rein  physiologische  Vorgänge  seien, 
welche  mit  dem  NÄGELi'schen  Vervollkommnungsprinzip  nichts  zu  thun 
haben. 

Schwer  verständlich  ist  es  nun,  wie  Herr  Weismaxx,  nachdem  er 
einmal,  durch  meine  öffentliche  Verwahrung  gezwungen,  sich  endlich  dazu 
bequemte,  in  seiner  gedruckten  Rede  meinen  Namen  zu  nennen,  auch 
jetzt  noch  fortgesetzt  meine  Ansicht  in  das  Gegenteil  verkehren 
mag  —  während  er  doch  sonst  die  gedruckte  Rede  in  Rücksicht  auf 
meinen  Vortrag  gegenüber  der  mündlichen  so  erheblich  geändert  hat. 
Noch  schwerer  verständlich  ist  es,  daß  er  jetzt  die  Behauptung,  ich 
nehme  wie  Nägeli  »innere  Bildungsgesetze«  als  Ursache  der  Trans- 
mutation an,  sogar  um  ein  Bedeutenderes  verstärkt,  indem  er  dieselbe, 
unter  eingehenderer  Behandlung  meiner  Schmetterlingsstudi<^n  und  mit 
Nennung  meines  Namens  mehrfach  wiederholt. 

In  das  Gegenteil  verkehrt  er,  indem  er  später  sagt-):  »Offenbar  ist 
hier  (bei  der  Blattzeichnung  der  Schmetterlingsflügel)  mit  der  Annahme 
rein  innerer  Triebkräfte^  wie  sie  Nägeli^  Askenasy  und  neuerdings  — 
falls  ich  ihn  recht  verstehe  (!)  —  auch  Eimer  im  Sinne  einer  mechanischen 
Entwickelungskraft  annehmen^  nichts  auszurichten. <^^  Er  thut  es,  indem  er  so 
im  Folgenden  in  seiner  Schrift  sogar  behaupiel  und  durch  diese  Behauptung 
die  Berechtigung  seiner  »Germinalselektion«  zu  stützen  sucht  —  es  gebe 
außer  der  Selektion  keine  andere  Erklärung  der  bestimmt  gerichteten 
Entwickelung  als  die  durch  »innere  Bildungsgesetze«.  Und  er  thut  es 
an  einer  anderen  Stelle  seiner  Schrift  ohne  jede  Einschränkung  wiederum 
unmittelbar  an  mich  gewendet 3). 


Vgl.  vorn  S.  15.  -^  »Gerniinalselektion«  ».  16.  ^,  Vgl.  S.  6. 


56  Die  sogenannte  Germinalselektion. 

Aber  ich  habe  in  Gegenwart  des  Herrn  August  Weisman.n  in  meinem 
Leydener  Vortrage  außerdem  das  auf  S.  26  mit  fetter  Schrift  Gedruckte 
wiederum  mit  besonderem  Nachdruck  hervorgehoben. 

Warum  denn  verschweigt  derselbe  in  seiner  ganzen  Schrift  diesen 
Hinweis  auf  die  neuesten  Versuche  mit  Wärme-  und  Kälteeinwirkung 
auf  die  Schmetterlingsentwickelung  in  Beziehung  zu  meinen  Ansichten? 
—  offenbar  enthalten  jene  Versuche  den  experimentellen  Beweis  meiner 
Auffassung  von  den  Ursachen  der  Transmutation  gegenüber  der  seinigen 
und  damit  den  Beweis  für  die  Vererbung  erworbener  Eigen- 
schaften '). 

Mit  solchen  Mitteln  will  der  Vertreter  der  »Allmacht  der  Naturzüch- 
tung« das  »eigentliche  Endziel  seiner  Schrift«  erreichen,  die  »Rehabili- 
tierung des  Selektionsprinzips«!  »Sollte  es  mir  gelungen  sein,  dasselbe 
lüiedev  in    seine  gefährdeten    Rechte    eingesetzt  zu   haben,    so    ivürde   mir 


1  Seit  dem  Erscheinen  meiner  »Entstehung  der  Arten«  gehe  ich  bei  meinem 
ehemaligen  Lehrer  meist  nur  noch  unter  der  Bezeichnung  »man«  u.  dgl.  So  weiter  in 
seiner  »Germinalseleiition« :  »,Man'  liebt  es,  sie  (die  Phantasie)  als  eine  Art  von  über- 
llüssigem  Ballast  zu  betrachten,  als  ein  unnützes  Überbleibsel  aus  der  Zeit  der  aus- 
gearteten , Naturphilosophie'  und  spricht  mit  Stolz  das  mißverstandene  Wort  Newton's 
nach:  ,Hypotheses  non  fingo'  und  taxiert  den  Wert  der  kleinsten  neuen 
Thatsache  unendlich  höher  als  den  der  schönsten  Theorie.  Lnd  den- 
noch verbindet  erst  die  Theorie  die  Thatsachen  zur  wirklichen  Wissenschaft  und  ist 
die  unerläßliche  Bedingung  jeden  bedeutenden  Fortschritts«.  Vorher  wird  den 
Biologen  vorgeworfen,  es  scheine  unter  ihnen  nicht  nur  ein  geringes  Verständnis  für 
die  wissenschaftliche  Bedeutung  der  Phantasie,  sondern  auch  für  die  Theorie  überhaupt 
vorhanden  zu  sein. 

Gewiß  »verbindet  erst  die  Theorie  die  Thatsachen  zur  Wissenschaft«,  aber  sie 
hat  eben  alle  bekannten  wesentlichen  Thatsachen  zu  berücksichtigen, 
sonst  ist  nicht  von  Theorie  zu  reden,  sondern  eben  nur  von  Phantasie. 

Man  vergleiche  hierzu  übrigens  die  an  Herrn  Weismann  gerichteten  Schlußsätze 
meines  Leydener  Vortrags:  »Aber  Eines  ist  zweifellos«  u.  s.  w.  (vgl.  vorn  S.  40),  und 
man  wird  in  vorstehender  Verteidigung  desselben  wiederum  die  Kunst  des  Dialek- 
tikers bewundern  müssen^  . 

Noch  mehr  in  Folgendem.  Nachdem  Herrn  Weismann  soeben  von  verschiedenen 
Seiten  öffentlich  sein  Nichtberücksichtigen  von  Thatsachen  und  »unerhörte  Gering- 
schätzung seiner  Gegner«  vorgeworfen  worden  war,  sagt  derselbe,  an  Herbert  Spencer 
gewendet:  »Auf  ähnliche  Fälle  .  .  .  habe  ich  schon  vor  längerer  Zeit  hingewiesen  und 
ich  kann  mir  das  Ignorieren  solcher  zwingender  Fälle  von  Seiten  Herbert  Spencers 
imr  dadurch  erklären,  daß  ihm  als  Philosophen  diese  Thatsachen  nicht  durch  eigene 
Anschauung  bekannt  sind,  ...  denn  ich  möch  te  durchaus  nicht  annehmen,  daß 
er  den  Schwierigkeiten,  welche  sich  seiner  Ansicht  entgegenstellen, 
absichtlich  aus  dem  Wege  geht,  wie  es  die  Art  der  Volksredner  und 
Advokaten  —  leider  auch  mancher  Naturforscher  ist.«b 

Damit  hat  der  unerreichbare  Dialektiker  zugleich  ausgesprochen ,  daß  ihm  von 
uns  deutschen  Paria's  »zwingende  Fälle«  überhaupt  nicht  entgegengehalten  worden 
sind.  Inzwischen  hat  er  sich  auch  darin  ja  freilich  eines  anderen  besonnen  —  und 
so  erdachte  er  die  »Germinalselektion«. 


»;  Ich  habe  in  meinem  Vortrag  nicht  von  Theorie  gesprochen,  welche  ich  bei 
Herrn  Weismann  gar  nicht  anerkenne,  sondern  von  Spekulation,  und  seine  oben  ge- 
sperrt gedruckten  Worte  verkehren  meine  Äußerung  überhaupt  vollkommen. 

^]  »Allmacht  der  Naturzüchtune;«   'f894S.  21. 


Antworten  auf  die  Lehrsätze  der  »Germinalselektion«.  57 

dies  zu  große)'  Befriedigung  gereichen«,  sagt  er  und  fährt  fort:  nlenn 
ich  selbst  bin  von  der  Unentbehrlichkeit  desselben  so  sehr  überzeugt,  daß 
mir  sein  Zusammenbruch  gleichbedeutend  zu  sein  schiene  mit  dem  Aufgeben 
jeder  Forschung  über  den  causalen  Zusammenhang  der  Erscheinungen  auf 
dem  Gebiete  des  Lebens  <!■. 

Dieses  Glaubensbekenntnis  erklärt  Vieles:  wer  dergestalt  sein  ganzes 
Denken  und  Wissen  einer  einzigen  alleinseligmachenden  Erklärung  der 
Dinse  unterordnet,   der  verfällt  natursemäß  dem  irrenden  Glaaben. 

Was  aber  die  »Rehabilitierung  des  Selektionsprinzips'  angeht,  so 
meine  ich  mit  einem  anderen  Kritiker  der  WEisMANN'schen  Methode:  »Wenn 
der  Darwinismus  dieser  Stütze  bedarf,   dann  ist  er  verloren«. 


Antworten  auf  die  Lehrsätze  der  »Germinalselektion«. 

Der  Verfasser  vertritt  als  Ausdruck  seiner  heutigen  Einsicht  die 
folgenden  Sätze: 

i.  Es  giebt  mögliche  Variationsrichtungen,  aber  dieselben  sind  nur 
die  Schienen  einer  Eisenbahn.  »In  der  Selektionstheorie  wird  der  Loko- 
motivführer durch  die  Nützlichkeit  dargestellt,  indem  diese  darüber  ent- 
scheidet, welches  der   Variationsgeleise  befahren   icerden  soll«,     iß.  2.) 

Antwort:  Das  gerade  Gegenteil  ist  durch  die  von  mir  und  Anderen 
über  Orthogenesis  festgestellten  Thatsachen  bewiesen:  Die  Variations- 
richtuneen  haben  an  sich  mit  dem  Nutzen  gar  nichts  zu  thun.  Aller- 
dings  wenn  sie  mit  dem  Nutzen  zusammenfallen,  so  werden 
sie  gefördert  werden;  auch  ist  es,  wie  e;esaa;t,  möglich,  daß  die 
Auslese  von  durch  Orthogenesis  entstandenem  Nützlichem  die  nützlichen 
Entwickelungsrichtungen  stärkt,  weniger  nützliche  zurückdrängt.  Ohne- 
dies wird  stets  das,  was  von  dem  durch  Orthogenesis  Entstandenen 
nützlicher  ist,  Bestand  haben  gegenüber  dem  ebenso  entstandenen 
weniger  Nützlichen. 

2.  »Gerade  darin  liegt  ja  die  Stärke,  die  unbesiegbare  Stärke  —  wie 
ich  glaube  —  des  Selektionsprinzips,  daß  sie  uns  zeigt,  warum  stets  das 
Zweckmüßige  entsteht,  und  das  ist  doch  gerade  das  große  Problem  des 
Lebens«   (S.  2). 

Antwort:  Dieser  Satz  ist  widerlegt  durch  die  Thatsache,  daß 
nicht  stets  Zweckmäßiges  entsteht.  Es  entsteht  und  besteht  sogar 
Schädliches.  Es  besteht  eine  Unzahl  von  in  Beziehung  auf  den  Nutzen 
gleichgültigen  Eigenschaften.  Der  Satz  ist  aber  schon  widerlegt  durch  das 
neueste  Zugeständnis  des  Redners,  daß  die  neu  entstehenden  Eigen- 
schaften nicht  nützlich  sind,  nach  ihm  nicht  nützlich  sein  können,  weil 
sie  ja  nicht  gezüchtet  sind^). 


1)  Schon  1874  in  »Lacerta  muralis  caerulea«  S.  43  habe  ich  gesagt:  »Es  w'erden 
\]  aus  inneren  Ursachen  Organisationsverhiiltnisse  entstehen,  gleichsam  auskrystallisieren 
können,  welche  dem  Organismus  ebenso  nützlich  sind,  als  wenn  sie  durch  den  Kampf 
ums    Dasein    entstanden    wären.      In    diesem    Falle    werden    die    Anforderungen    des 


58  '^ie  sogenannte  Germinalselektion. 

Der  Redner  verwechselt  hier  wie  im  vorigen  Satz  und  überall  zwei 
sehr  verschiedene  Dinge:  die  Nützlichkeit  und  die  Selektion.  Es  ist 
klar,  daß  das,  was  nützlich  ist,  nicht  durch  Auslest  ent- 
standen zu  sein  braucht,  wie  ich  wiederholt  anderwärts  hervor- 
gehoben habe.  Damit  fällt  aber  wiederum  eine  der  wichtigsten  Grund- 
lagen der  ganzen  Auffassung^  von  der  »Allmacht  der  Naturzüchtung« 
und  von  der  »Germinalselektion«. 

3.  »  Wir  können  in  keinem  Einzelfalle  sagen,  wie  groß  eine  bestimmte 
Variation  sein  muß,  damit  sie  Selektionswert  habe  .  .  .  Am  nieder  drückend- 
sten vor  Allem  vielleicht  ist  dann  noch  der  Umstand,  daß  ivir  kaum  in 
irgend  einem  in  der  freien  Natur  vorkommenden  Falle  überhaupt  nur  sagen 
können,  ob  eine  beobachtete  Variation  nützlich  ist  oder  nicht  ...  Es 
ist  nicht  undenkbar,  daß  loirklich  bei  manchen  Arten  diese  Fürbungen 
(Schutzfärbungen  bei  Schmetterlingen)  heute  nicht  mehr  notwendig  sind 
für  die  Erhaltung  der  Art,  daß  sie  es  früher  ivaren,  daß  aber  heute  die- 
jenigen Feinde,  ivelche  die  Falter  im  Sitzen  absuchten,  selten  geworden 
oder  ganz  ausgestorben  sind,  und  daß  die  Schutzfärbung  nur  nach  dem 
Gesetz  der  Trägheit  noch  eine  Weile  fortdauert,  bis  Panmixie  oder  neue 
Anpassungen  sie  verändern  .  .  .  Es  ist  auch  ivenig  Aussicht  auf  Besserung 
dieses  unseres   Unvermögens  vorhanden<^   ...    (S.  4  u.  5). 

Antwort:  Es  ist  klar,  daß  der  Redner  mit  dieser  Klage  über  Un- 
vermögen des  Erkennens  von  Nutzen  seine  ganze  Selektionslokomotive 
in  den  Sand  entgleisen  läßt.  Es  bleibt  von  ihr  nur  übrig  die  heute 
von  ihm  ohne  jeden  Revveis  aufgestellte  Behauptung,  es  sei  Alles  an- 
gepaßt oder  zu  irgend  einer  Zeit  angepaßt  gewesen,  eine  Behauptung, 
welche  durch  die  von  dem  früheren  Herrn  August  Weismann  mit  guten 
Gründen  vertretene  vollkommen  entgegengesetzte  Ansicht  aufgehoben 
wird.  Der  heutige  Herr  Weismann  h;it  für  seine  Behauptung  nur  die 
Inanspruchnahme  des  Glaubens,  welcher  ihm  schon  nach  dieser  seiner 
Vergangenheit  versagt  werden  muß  '). 


Nützlichkeitsprincips  zufallig  von  dem  Produkte  der  Entwickelung  aus  inneren  Ur- 
sachen erfüllt  und  dessen  Bedeutung  bleibt  daher  ungeschmälert.  2)  Es  können  aus 
inneren  Ursachen  für  das  Fortkommen  des  Organismus  indifferente  und  3)  sogar 
schädliche  Eigenschaften  entstehen  —  denn  der  Satz,  welchen  Darwin  früher  vertrat, 
daß  jede  Eigenschaft,  welche  ein  Organismus  besitzt,  demselben  zu  irgend  einer  Zeit 
einmal  nützlich  gewesen  sein  müsse,  ist,  wie  er  ja  selbst  jetzt  zugesteht,  olfenbar 
unrichtig.  Mit  schädlichen  Eigenschaften  behaftete  Organismen  werden  sich  aber  nur 
dann  erhalten,  und  werden  nur  dann  ihre  Eigentümlichkeiten  durch  Generationen  ver- 
erben können,  wenn  jene  im  Vergleich  zu  den  ihnen  eigenen  nützlichen  nicht  in  Be- 
tracht kommen,  oder  sofern  sie  in  Korrelation  stehen  mit  anderen,  die  nützlicher  sind, 
als  sie  selbst  schädlich.« 

1,  Im  Übrigen  wirkt  es  doch  fast  etwas  komisch,  wie  kläghch  und  ergreifend 
zugleich  derselbe  unsere  Unwissenheit  in  Beziehung  auf  den  Selektionswert  der  ein- 
zelnen Eigenschaften  und  die  Hoffnungslosigkeit  einer  Besserung  dieses  Zu- 
standes  darstellt  — während  er  selbst  doch  bestimmt  wissen  und  uns  zumuten  will 
zu  glauben,  daß  alles  angepaßt,  alles  nützlich  sei  —  was  ja,  eben  nach  jener  Un- 
wissenheit zu  schließen,  olfenbar  nichts  als  eine  »unbewiesene«  und  unbeweisbare 
»Behauptung«  sein  muß. 


Antworten  auf  die  Lehrsätze  der  »Germinalselektion«.  59 

Ich  wiederhole,  es  giebt  nicht  nur  unbedingt  schädliche  Eigen- 
schaften wie  unseren  processus  vermiformis,  sondern  es  sind  auch  gewisse 
Teile  wie  Stoßzähne,  Geweihe,  Schwänze  (Faultiere;  bei  manchen  Tieren 
zu  so  mächtiger  Größe  herangewachsen,  daß  dieselben  offenbar  daran 
zu  Grunde  gegangen,  ausgestorben  sind^). 

Als  Darwin  den  an  sich  gewiß  vollberechtigten  Satz  aussprach,  daß 
wir  nicht  überall  im  Stande  seien,  den  Nutzen  von  Eigenschaften  zu  er- 
kennen, waren  die  Thatsachen  noch  nicht  bekannt,  welche  die  Ortho- 
eenesis  uns  vor  Augen  führt  und  W' eiche,    um    einen  Ausdruck  früherer 


Groß  ist  diese  Bescheidenheit  im  Bekenntnis  des  Nichtwissens,  wenn  es  ii.  a. 
wörtlich  weiter  l)ei  ihm  heißt:  »in  manchen  Fällen  können  wir  wenigstens  einen  Wahr- 
scheinlichkeitsschluß machen  und  z.  B.  sagen:  die  große  Fruchtbarkeit  des  Frosches 
sei  eine  Eigentümlichkeit  von  Selektionswert,  insofern  wir  sehen,  daß  trotz  derselben 
die  Zahl  der  Frösche  eines  Wohngebietes  nicht  zunimmt«  —  so  bescheiden  ist  liier 
der  Mann,  der  die  geheimsten  Geheiumisse  des  Keimplasraa  uns  erschließen  will  und 
der  auf  diesem  Gebiete  sogar  fast  Unglaubliches  zu  wissen  und  als  Erkenntnis  dar- 
zustellen kein  Bedenken  trägt. 

1)  Man  vergl.  L.  Doederlein:  Phylogenetische  Betrachtungen.  Biolog.  Centralbl. 
VII  S.  396:  »Ohne  Frage  die  merkwürdigsten  und  abenteuerlichsten  Katzen,  die  man 
kennt,  gehören  zur  Gruppe  der  säbelzähnigen  Tiger,  deren  letzte  Glieder,  wie  Smilodon 
Machaerodus)  neogaeus  aus  dem  Piocän  von  Brasilien,  breite  und  flache  obere  Eck- 
zähne besaßen  von  geradezu  fabelhafter  Länge,  die  große  Ähnlichkeit  zeigen  mit  einer 
Säbelklinge.  An  und  für  sich  fürchterliche  AVafTen,  müssen  gleichzeitig  diese  Zähne 
bei  ihrer  außerordentlichen  Länge  ihrem  Besitzer  beim  Fressen  höchst  hinderlich  ge- 
wesen sein,  da  sie  in  diesem  Falle  wie  ein  Beißkorb  wirkten.  Die  Unzweckmäßigkeit 
dieser  Zähne  ist  so  auffallend,  daß  namhafte  Autoren,  darunter  Flower  und  Cope,  das 
Aussterben  dieser  Tiergruppe,  die  an  Wehrhaftigkeit  sämtliche  bekannte  Raubtiere 
weit  übertraf,  direkt  auf  Rechnung  dieser  Zahnentwickelung  setzen.«  Hierher  gehören 
nach  Doederlein's  Meinung  auch  die  übermäßig  gekrümmten  und  übermäßig  ver- 
längerten Stoßzähne  des  Mammuts,  die  Größe  des  Geweihs  beim  Riesenhirsch,  die 
Hauer  von  Babirusa,  die  langen  Hörner  mancher  Antilopenarten  und  die  übermäßig 
dicken  Hörner  gewisser  Steinböcke  und  Wildschafe. 

Daß  auch  sehr  bedeutende  Rückschritte  in  der  »Anpassung«  erfolgen  können,  wer- 
den meine  Ausführungen  über  die  blattähnlichen  und  andere  Schmetterlinge  zeigen. 
Auch  Herr  M.  Standfüss  hat  mit  Kälteversuchen  an  Schmetterlingspuppen  wichtige 
hierher  gehörige  Ergebnisse  erzielt.  Er  sagt  auf  Seite  341  seines  Handbuchs  für  Forscher 
und  Sammler  IL  Auflage,  Jena  1896:  »Vielmehr  reproduzierten  wir  experimentell  in 
gewissen  Fällen  als  höchst  wahrscheinlich  atavistische  Formen  solche,  w^elche  die 
gegenwärtigen  durch  Schutzfärbung  hinsichtlich  ihres  Ruhekleides  übertreffen.  Denn 
bezüglich  der  Ruhestellung  wird  eine  unbefangene  Beobachtung  der  untersuchten 
Vanessa- Kvien  in  der  freien  Natur  Schutzfärbung  anerkennen  müssen.  Hier  wenigstens 
also  würde,  vom  Standpunkte  Weismann's  aus  gesprochen,  eine  biologische  Anpassung, 
wie  wir  diesen  Vorgang  vielleicht  kurz  nennen  könnten,  vorliegen  —  nur  hätte  sie 
in  jenen  Fällen  nicht  Fortschritte,  sondern  Rückschritte  (cfr.  p.  28ä  u.  286  gemacht.« 
—  Dazu  mag  bemerkt  werden,  daß  zahlreiche  Tierarten  der  verschiedenen  Erdperioden 
wahrscheinlich  mit  infolge  ihrer  bedeutenden  Körpergröße  zu  Grunde  gegangen  sind, 
denn  es  zeigt  sich,  daß  jeweils  die  größten  Vertreter  ihrer  Art  ausgestorben  sind: 
Iguanodon,  Ichthyosaurus,  Mosasaurus,  Megatherium.  Iguanodon  ging  in  der  Wealden- 
formation  unter,  die  Ichthyosaurier  in  der  Kreide,  Mosasaurus  in  der  oberen  Kreide, 
Megatherium  im  Pleistocän.  —  Hierher  gehört  nach  der  Ansicht  Mancher  u.  a.  auch 
das  Verhalten  von  Cephalopoden,  welche  zuerst  gerade  waren  (Orthoceratiden),  dann 
sich  ein-   und  zuletzt  wieder  aufrollten. 


G  0  Die  sogenannte  Germinalselektion. 

Einsicht  des  Freiburger  Zoologen  hier  vorweg  zu  nehmen,  »jeden  Gedanken« 
an  Anpassung  zurückweisen. 

4.  y>So  niederschlagend  es  nun  auch  sein  7riag,  daß  es  uns  versagt  ist^ 
die  Natur  hier  ins  Einzelne  zu  kontrolieren^  so  heißt  es  doch  wahrlich, 
das  Kind  mit  dem  Bade  ausschütten,  wenn  man  nun  aus  unserem  Unver- 
mögen, dem  einzelnen  Fall  zu  folgen,  das  ganze  Prinzip  der  Selektion 
fallen  läßt,  oder  für  etwas  Nebensächliches  erklärt,  wenn  man  glaubt,  die 
erwähnte  Schutzfärbung  des  Schmetterlings  sei  keine  Schutzfärbung,  sondern 
eine  aus  inneren  Ursachen  notwendig  resultierende  Farbenzusammenstellung. 
Die  Schutzfärbung  bleibt  eine  Schutzfärbung,  mag  sie  im  Augenblick  für 
die  Art  noch,  nottvendig  sein  oder  nicht,  und  sie  ist  als  Schutzfärbung 
entstanden,  ist  entstanden,  nicht  iveil  es  in  der  Konstitution  des  Tieres 
lag,  hier  einen  roten,  dort  einen  weißen,  schwarzen  oder  gelben  Fleck 
hervorzubringen,  sondern  weil  sie  nützlich,  besser  weil  sie  notwendig  für 
dasselbe  war.  Für  solche  offenkundige  Anpassungen  aber  haben  wir  nur 
die  eine  Erklärung  der  Selektion,  ja  es  ist  überhaupt  keine  andere  natür- 
liche Entstehungsweise  denkbar,  als  diese,  da  wir  über  werkthätige  Kräfte 
im  Gebiete  der  Naturerscheinungen  nicht  ver fügen. 'i     (S.  6.) 

Antwort:  Der  Verfasser  wendet  sich  hier  unmittelbar  gegen  die 
aus  meinen  Schmetterlingsuntersuchungen  von  mir  gezogenen  Schlüsse. 
Er  stellt  mir  zu  vermeintlicher  Beweisführung  offenbar  wieder  Be- 
hauptungen entgegen,  welche  nicht  nur  vollkommen  unbewiesen  und 
unbeweisbar  sind,  sondern  welche  gerade  das  Gegenteil  von  dem  be- 
sagen, was  der  ehemalige  Herr  August  Weismann  ausgesprochen  hat. 

Wir  haben  andere  Erklärung  auch  für  Schutzfärbungen,  seien  sie 
scheinbare  oder  wirkliche. 

a)  Es  sind  die  Entwickelungsrichtungen,  welche  ebensogut  etwas 
herausbilden  können,  was  nützlich  ist,  wie  Anderes,  was  nicht 
nützlich  ist,  ohne  daß  irgend  Auslese  dabei  mitzuwirken  brauchte. 
In  vielen  Fällen  allerdings  mag  Auslese  mitwirken,  aber  der  Nutzen 
selbst  kann  nichts  Neues  schaffen  und  die  Auslese  kann  es 
auch  nicht. 

b)  Schon  in  meiner  »Entstehung  der  Arten  habe  ich  gegen  die 
Erklärung  aller  Anpassung^  durch  Auslese  auf  die  Thatsache 
hingewiesen,  daß  z.  B.  manche  Puppen  die  Farbe  der  Umgebung, 
von  welcher  sie  beeinflußt  werden,  unmittelbar  annehmen  (Farben- 
photographie)  ').  Es  ist  dieser  Hinweis  bekanntlich  neuerdings 
durch  0.  Wiener  2]  zu  weiterer  Feststellung  und  Verwertung  der 
bezüglichen  Thatsachen  benutzt  worden  und  M.  Standfuss^  hat 
nachgewiesen,  daß  zahlreiche    Anpassungen«  bei  Schmetterlingen, 


1)  »Entstehung  der  Arten«   I.  S.  155. 

-  0.  Wiener:  Farbenphotographie  durch  Körperfarben  und  mechanische  Farben- 
anpassung in  der  Natur.  Annalen  der  Physik  und  Chemie.   Neue  Folge  Bd.  55  S.  225  ff.  1895. 

3)  M.  Staxdfuss:  Die  Beziehungen  zwischen  Färbung  und  Lebensgewohnheit  bei 
den  paläarktischen  GroßschmetterHngen.  Vierteljahrsschrift  der  naturforsch.  Gesell- 
schaft in  Zürich,  XXXlX.~Jahrgang  4  894,  Sonderabdruck  .S.  3  ff. 


Antworten  auf  die  Lehrsätze  der  »Germinalselektion«.  61 

z.  B.  DunkelfärbuDg  derjenigen  Flügelteile,  welche  dem  Lichte 
und  somit  auch  dem  Auge  der  Feinde  ausgesetzt  sind,  auf 
einfacher  Lichteinvvirkung  beruhen  müssen.  Es  sind  so  häufig 
die  deckenden  Yorderflügel  der  Schmetterlinge  offenbar  durch 
unmittelbare  Einwirkung  des  Lichtes  und  ohne  notwendige  Mit- 
wirkung von  Auslese  schützend  oder  scheinbar  schützend)  dunkel 
gefärbt  oder  auch  die  Teile  der  Hinterflügel,  welche  in  der 
Ruhe  die  Vorderflügel  bedecken. 

Der  Bekämpfer  der  Vererbung  erworbener  Eigenschaften  erwähnt 

in  einer  anderen  Schrift  die  bezüglichen  Angaben  von  Poulton;  er 

kennt  ohne  Zweifel  auch   die  Arbeit  von  Standfuss  und  die  von 

Wiener,  aber  erwähnt  heute  nur  einen  Aufsatz  von  G.  Brandes  ^)  über 

ganz  denselben  Gegenstand,  welcher  überall  Anpassung  sucht. 

c)  Ganz  ebenso  wird  die  unmittelbare  Einwirkung  von  Wärme  oder 

Feuchtigkeit  oder  Nahrung  u.  s.  w.  Eigenschaften  an  Tieren  und 

Pflanzen  hervorrufen  können  und  hervorrufen,  welche  denselben 

nützlich  sind  und  welche  somit    als    »Anpassungen      erscheinen, 

ohne  daß  die  Auslese  mit  ihrem  Werden   irgend  etwas  zu  thun 

hatte. 

W^enn  der  Freiburger  Vertreter  der  Zoologie  zur  Zeit  selbst  zugiebt, 

daß    z.  B.    Schwarzfärbung    bei    Polyommatus    Phlaeas    auf    unmittelbare 

Einwirkung   hoher  Temperatur  zurückzuführen  ist,    ohne  daß  Anpassung 

dabei    irgend    in    Frage    kommt'-),    so    verlangt    es    doch    die    Forderung 

elementarster  Logik   anzuerkennen,    daß    auf    dieselbe  Weise    auch 

nützliche     Eigenschaften,      >Anpassungen<      entstehen     können, 

ohne  daß  Auslese  dabei  irgend  etwas  zu  thun  hat. 

In  der  That  verdanken  nicht  nur  Vanessa  prorsa  und  Linie» itls  sibylla 
die  »ficti verweise«  als  Mimicry  gedeutete  Ähnlichkeit  ihrer  Zeichnung 
bestimmter  Entwickelungsrichtung,  sondern  wir  werden  zeigen,  daß 
auch  die  Ähnlichkeit  der  Unterseite  von  Kallima  und  anderen  »Blatt- 
schmetterlingen« auf  Entwickelungsrichtungen  zurückgeführt  werden  muß, 
wenn  auch  in  einzelnen  Fällen  die  Auslese  hier  mit  wirksam  gewesen 
sein  kann. 

Auf  diesen  Gebieten  winkt  nach  den  von  mir  gebotenen  Ge- 
sichtspunkten reiche  Arbeit  über  Werden  und  Gewordensein.  Mein 
Gegner  bietet  uns  nur  Glauben,  dieser  aber  ist  »das  Ende  der 
Wissenschaft«. 

Was  soll  es  heißen:  es  sei  eine  Eigenschaft  entstanden,  weil  sie 
nützlich  und  notwendig  war  und  nicht  aus  irgend  einem  anderen  Grunde? 
Ist  denn  damit,  daß  man  sagt,  eine  Eigenschaft  ist  geworden,  weil 
sie  nützlich  ist  —  um  die  Worte  des  Redners  selbst  zu  gebrauchen 
—  »irgend  etwas  über  die  Ursachen  ausgesagt,  welche«  dieselbe  »her- 
vorgerufen haben?« 


1)  G.  BuASDEs:  Der  Saisondiniorphismus  u.  s.  \v.    Zeitschr.  f.  Naturw.  Halle  1893. 

2)  A.  Weisma^n:  Äußere  Einflüsse  als  Entwickelungsreize.     1894,  S.  16,  17. 


ß2  J^ie  sogenannte  Germinalselektion. 

Ich  habe  mich  dahin  ausgesprochen,  daß  jene  Vorstellung,  welche 
die  Grundlage  der  D.vRwiN'schen  Erklärung  der  Entstehung  der  Arten 
enthält,  auf  einem  oifenbaren  Denkfehler  beruhe,  und  man  hat  mir  dies 
sehr  verübelt  als  einen  Angriff  gegen  den  »Meister  Darwin«. 

Aber  ich  muß,  trotz  aller  Verehrung  für  den  Meister,  welchen  auch 
ich  im  Übrigen  als  solchen  voll  anerkenne,  dabei  bleiben,  dass  es  so 
ist,  und  ich  begreife  nicht,  daß  ein  solch  thatsächlicher  Irrtum,  nachdem 
einmal  so  bestimmt  auf  ihn  hingewiesen  wurde,  auch  von  sonst  vor- 
urteilslosen Männern  immer  wiederholt  wird.  Indessen,  die  Einsicht 
der  Wahrheit  wird  kommen  —  ja  sie  ist  schon  da,  denn  schon  hört 
man  sagen:  DvnwiN  habe  überhaupt  nicht  die  Entstehung  der  Arten, 
sondern  nur  die  Erhaltung   des   Nützlichen    erklären    wollen    (z.  B.  G.  .1. 

ROMAXES). 

Damit  aber  stehen  wir,  wenn  mich  nicht  Alles  trügt,  am  Anfang 
vom  baldigen  Ende  der  Anerkennung  der  DARwm'schen  Erklärung  der 
Entstehung  der  Arten  durch  natürliche  Zuchtwahl. 

5.  y>Es  ist  schon  oft  behauptet  worden,  dass  die  Farbenmuster  der 
Schmetterlingsflügel  aus  inneren  Ursachen  sich  entwickelt  hätten,  unabhängig 
von  Selektion  nach  inneren  Entwicklungsgesetzen.  Eimer  hat  versucht, 
dies  dadurch  zu  beweisen,  daß  er  in  einer  Abteilung  der  Gattung  Papilio 
nachwies,  wie  sich  hier  die  Arten  nach  der  Verwandtschaft  ihrer  Zeichnung 
in  Reihen  ordnen  lassen.  Aber  wird  dadurch,  daß  man  zeigt,  wie  die 
Zeichnung  sich  in  bestimmten  Richtungen  im  Laufe  der  Artenbildung  um- 
gestaltet hat,  irgend  etwas  über  die  Ursachen  ausgesagt,  welche 
diese  Umwandlungen  hervorgerufen  haben?((    (S.  6  u.  7.) 

Antwort:  Wenn  ich  bedenke,  was  auf  der  Hand  liegt,  daß  mein 
Gegner  ganz  wesentlich  durch  meine  Schraetterlingsarbeiten  dazu  v^er- 
anlaßt  wurde,  endlich  sein  Schweigen  gegenüber  den  Thatsachen  der 
Orthogenesis  zu  brechen  und  seine  Rede  über  »Germinalselektion,  eine 
Quelle  bestimmt  gerichteter  Variation«  zu  halten,  so  fällt  es  mir  fast 
schwer,  auf  die  vorstehende  Behandlung  meiner  Arbeit  ohne  besondere 
Kennzeichnung  zu  erwidern.  Denn  es  ist  in  diesem  ganzen  Satze,  in 
welchem  mir  Herr  August  Weismann  zum  ersten  Male  sachlich  gegenüber- 
zutreten scheint,  auch  nicht  ein  einziges  Teilchen,  das  nicht  zu  meinen 
Ungunsten  unrichtig  wäre. 

a)  Es  ist  freilich  richtig,  daß  »schon  oft«  behauptet  worden  ist,  die 
Farbenmuster  der  Schmetterlingsflügel  hätten  sich  unabhängig 
von  Selektion  gebildet.  Aber  nur  ich  habe  es  behauptet  —  aller- 
dings oft!  —  und  einstmals  behauptete  es  noch  Jemand:  —  Herr 
August  Weismann. 
bi  Es  ist  nicht  richtig,  daß  ich  oder  irgend  Jemand  sonst  behauptet 
hätte,  diese  Entwickelung  geschehe  aus  inneren  Ursachen,  nach 
inneren  Entwickelungsgesetzen  —  also  im  Sinne  Nägeli's  und 
ohne  Wirkung  äußerer  Einflüsse,  wie  das  der  Herr  Verfasser 
darstellen  will. 


Antworten  auf  die  Lehrsätze  der  »Gerniinalselektion«.  63 

ci    Es  ist  nicht  richtig,  daß  ich  nur  in  »einer  Abteilung«  der  Gattung 
Papilio   »nachwies,    wie  sich  die  Arten  nach  der  Verwandtschaft 


ihrer  Zeichnung  in  Reihen  ordnen  lassen 


'O 


«. 


Herr  Weismann  führt  —  in  seiner  gedruckten  Rede  —  selbst 
die  bisher  erschienenen  zwei  Teile  meines  Schraetterlingswerkes  an, 
welche  zwei  große  Abteilungen  der  Papilioniden  enthalten ,  in  die  ich 
zahlreiche  kleinere  Gruppen  zusammengefaßt  habe.  Ich  habe  aber 
wiederholt  betont '),  daß  die  von  mir  nachgewiesene  Gesetzmäßigkeit  der 
Umbildung  der  Zeichnung  für  alle  Tagschmetterlinge  gilt,  und  ein 
wissenschaftlicher  Gegner"^  konnte  sich  schon  lange  davon  leicht  über- 
zeugen, daß  dies  richtig  ist,  wenn  er  nur  seine  Schmetterlingssammlung 
darauf  ansehen  wollte.  Ebenso  muß  ein  solcher  wissen,  daß  Karl 
FiCKERT  dieselbe  Gesetzmäßigkeit  im  Anschluß  an  meine  Arbeiten  für  die 
Ornithopteren  nachgewiesen  hat  3),  F.  A.  Dixey  für  die  Vanessen  ^). 

Ich  habe  auch  nicht  nur  gezeigt,  daß  sich  die  Papilioniden  nach 
ihrer  VervA^andtschaft  »in  Reihen  ordnen  lassen«.  Meiner  Arbeit  einen 
so  kindischen  Wert  zuzuschreiben ,  ist  ein  Einfall  meines  Gegners,  der 
besser  »durchdacht«  ist,  als  mancher  andere  von  denen,  welche  er  ver- 
öffentlicht hat.  Es  ist  nicht  gerecht  zu  behaupten,  daß  ich  solche  Reihen 
zusammenstellte,  ohne  daß  damit  irgend  etwas  über  die  Ursachen  der 
Artbildung  gesagt  wäre:  der  wesentliche  Inhalt  meiner  Arbeit  —  und 
der  Verfasser  muß  dies  doch  so  gut  wissen  wie  ich  selbst  —  beruht 
gerade  darauf,  jene  Ursachen  nachzuweisen  und  zu  zeigen,  daß  die 
Möglichkeit  der  »Anordnung  in  Reihen«  nur  der  Ausdruck  einer  gesetz- 
mäßigen Umbildung  sein  kann,  welche  auf  Grund  jener  Ursachen,  d.  i. 
der  äußeren  Lebensbedingungen,  erfolgt  sein  muß.  Es  sollte  demselben 
auch  nicht  entgangen  sein,  daß  ich  darauf  hingewiesen  habe,  ein  weiterer 
vollkommener  Beweis  für  die  Blutsverwandtschaft  der  von  mir  in  Reihen 
geordneten  Formen,  außer  der  geographischen  Verbreitung  und  den  Ver- 
suchen mit  Kälte  und  Wärme,  liege  in  der  Wiederholung  der  Formen- 
reihen durch  die  Ontogenese,  worüber  mir  schon  damals  Thatsachen 
bekannt  waren  ^  —  endlich  daß  meine  Arbeiten  über  Eidechsen,  Raub- 
tiere u.  s.  w.  eanz  dasselbe  auch  für  andere  Abteilungen  des  Tierreichs 
längst  festgestellt  haben. 

Alles  das  verschweigt  mein  wissenschaftlicher  Gegner,  offenbar  doch 
wiederum  deshalb  —  »weil  er  den  Schwierigkeiten,  welche  sich  seiner 
Ansicht  entgegenstellen,  absichtlich  aus  dem  Wege  geht,  wie  es  die  Art 
der  Volksredner  und  Advokaten  —  leider  auch  mancher  Naturforscher  ist«. 


1  Vgl.  über  den  Begriff  des  tierischen  Individuum,  Rede,  gehalten  auf  der 
Naturforscherversaramlung  zu  Freiburg  i.  B.  1883:  Entstehung  der  Arten  S.  4öß.  »Art- 
bildung  etc.«  I  S.  6,  II  S.  55. 

-]  Vgl.  »Gerniinalselektion«  S.  65. 

3  C.  Fickert:  Über  die  Zeichnungsverhältnisse  der  Gattung  Ornithoptera.  Zoo- 
logische Jahrb.  Abt.  f.  Systematik  IV  1889  S.  692  ff. 

4  F.  A.  Dixey:  On  the  phylogenetic  significance  of  the  wing-markings  in  certain 
genera  of  the  Nymphalidae.     Transact.  Ent.  soc.  London   1890  I  S.  89  ff. 

ä    Yeral.  »Artbildung«  II  .S.  46. 


64  Die  sogenannte  Germinalselektion. 

6.  »Oder^,  fährt  derselbe  fort,  »bciveist  unser  augenblickliches  Un- 
vermögen ....  die  biologische  Bedeutimg  dieser  Zeichnungen  und  ihrer 
Veränderungen  mit  Sicherheit  zu  erraten^  daß  dieselben  keine  solche  Be- 
deutung besitzen?^ 

»Ich  glaube,  es  läßt  sich  im  Gegenteil  sehr  anschaulich  nachweisen, 
daß  der  Schmetterlingsflügel  eine  Tafel  ist,  auf  der  die  Natur  alles  nieder- 
geschrieben hat,  ivas  ihr  für  die  Erhaltung  und  das  Wohl  ihrer  Geschöpfe 
förderlich  erschien  ....  daß  diese  Farbenmuster  großenteils  (!)  jedenfalls 
nicht  direkt  aus  inneren  Entwicklungskräften  hervorgegangen  sind,  sondern 
durch    Vermittelung  der  Selektion.«-      (S.  7.) 

Antwort.  Das  Bild  von  der  Niederschrift  auf  den  Schmetterlings- 
flügeln ist  eine  in  der  gedruckten  Rede,  bezw.  in  Germinalselektion  neu 
eingeschobene  Erwiderung  auf  meine  Äußerung,  daß  die  Buchstaben- 
schrift, mit  welcher  auf  diesen  Gesetzestafeln  die  Gesetze  der  Entwicke- 
lungslehre  verständlich  für  jedermann,  der  die  Wahrheit  sehen  will, 
geschrieben  stehen  u.  s.  w. 

Niemand  wird  im  Stande  sein,  zu  beweisen  oder  auch  nur  wahr- 
scheinlich zu  machen,  daß  irgend  etw^as,  sei  es  klein  oder  groß,  von 
der  Zeichnung  der  in  Frage  stehenden  Schmetterlinge  mit  dem  Nutzen 
in  irgend  einer  Beziehung  stehe  oder  je  gestanden  haben  könne.  Es  wäre 
auch  solche  Beziehung  schon  an  sich  deshalb  vollkommen  ausgeschlossen, 
weil  die  so  sehr  verschiedenen  genepistatischen  Zeichnungs- 
stufen, welche  wiederum  der  phylogenetischen  Entwickelung 
entsprechen,  bei  ganz  verschiedenen  Arten  gleichzeitig  ne- 
beneinander und  unter  wesentlich  denselben  bezüglichen 
Lebensverhältnissen  vorkommen,  wie  ich  kürzlich  auch  in  Leyden 
hervorgehoben  habe.  ') 

Ein  Gewährsmann  für  meine  Auffassungen,  ein  hervorragender 
Schmetterlingskenner,  versichert:  Bei  den  Tagschmetterlingen 
kommt  überhaupt  auf  der  Oberseite  der  Flügel  keinerlei 
Schutzfärbung  vor,  sondern  nur  auf  der  Unterseite,  denn  sie  sind 
»vor  allem  in  sitzender  Stellung  feindlichen  Angriffen  ausgesetzt « ,  in 
welcher  sie  ihre  Flügel  zusammengeklappt  tragen.  »Unsere  der  ge- 
mäßigten Zone  angehörigen  Tagfalter  haben  überhaupt  nur  wenige  Feinde, 
welche  sie  im  Fliegen  verfolgen«,  wohl  aber  sind  »sie  vielen  Angriffen 
ausgesetzt  während  des  Schlafes«.  »Ich  habe  schon  an  einem  andern 
Orte  darzulegen  versucht,  daß  es  für  Tag  Schmetterlinge  während 
des  Flugs  überhaupt  keine  schützenden  Färbungen  giebt, 
aus  dem  doppelten  Grunde,  weil  die  Farbe  des  Hintergrundes,  auf  wel- 
chem sie  sich  darstellen,  fortwährend  wechselt  und  weil  die  flatternde 
Bewegung  auch  bei  der  besten  Anpassung  an  diesen  Hintergrund  den- 
noch sofort  sie  dem  Ause  ihrer  Feinde  verraten  würde.« 

Und  in  Beziehuns:  auf  die  verschiedene  Färbung  und  Zeichnung  der 


1)  Gerade  so  wie  ich  dies  für  die  Mauereidechse  zeigte  (vgl.  »Variieren  der  Mauer- 
eidechse«). 


Antworten  auf  die  Lehrsätze  der  »Germinalselektion«.  65 

Jahreszeitenabartungen  von  Schmetterlingen  sagt  derselbe  Gewährsmann 
vorher:  man  könnte  dabei  eben  an  Anpassung  durch  Naturzüchtung 
denken,  aber  es  schließe  die  Qualität  der  vorkommenden  Färbungs- 
unterschiede »diese  Deutung  vollkommen  aus,  and  ferner  bleibt  die 
äußere  Umgebung  der  Schmetterlinge,  mögen  sie  nun  im  Frühjahr  oder 
Sommer  ausschlüpfen,  so  sehr  die  nämliche,  daß  ein  jeder  Gedanke,  man 
habe  es  hier  mit  verschiedenartigen  sympathischen  Färbungen  zu  thun, 
gänzlich  aufgegeben  werden  muß«. 

Mein  Gewährsmann,  der  in  so  verständiger,  einfacher  Weise  die 
für  Jedermann  offenliegenden  Thatsachen  beurteilt,  ist  kein  anderer 
als  —  mein  jetziger  Gegner  Herr  August  Weismann.  Sein  Urteil  ist 
zu  lesen  in  den  1875  erschienenen  Studien  zur  Descendenztheorie, 
I.  Über  den  Saison-Dimorphismus  der  Schmetterlinge J) 

Heute  will  derselbe  Gelehrte,  um  seinen  neuen  Glauben  an  die  All- 
macht der  Naturzüchtung,  um  das  A  und  Cl  seiner  ganzen  zoologischen 
Wissenschaft,  die  Selektion,  mit  der  Orthogenesis  abzufinden,  beweisen, 
daß  alle  Entwickelungsrichtung  gezüchtet  sei,  und  zu  diesem  Zwecke 
muß  er  natürlich  heute  glauben  und  sagen ,  es  sei  die  Zeichnung  auch 
auf  der  Oberseite  der  Papilionidenflügel  nützlich  oder  einmal  nützlich 
gewesen. 

Der  Wert  solcher  ohne  jeden  Beweis  geänderten  Ansicht  erscheint 
aber  nach  der  Rechnung  +  1  +  ( —  1 )  =0  unzweifelhaft  =  0. 

7.  Ȇberall  da  wenigstens^  ivo  wir  ihre  biologische  Bedeutung  ver- 
stehen, sind  diese  Muster  so  beschaffen  und  so  auf  dem  Flügel  verteilt^ 
wie  es  der  Nützlichkeit  entspricht.  Ich  mache  mich  natürlich  nicht 
anheischig,  jeden  Fleck  und  jede  Linie  auf  einem  Flügel  zu  deuten;  es  ist 
oft  eine  sehr  ivirre  Handschrift,  ivohl  aus  verschiedenen  Jahrtausenden 
stammend,  denn  eine  jede  der  heutigen  Arten  erbte  die  Muster  einer  Stammart 
und  diese  wieder  die  Muster  einer  noch  altern  Art,  der  Flügel  war  also 
schon  bei  ihrer  Entstehung  längst  keine  tabula  rasa  mehr,  sondern  ein  eng-  und 
vollgeschriebenes  Blatt,  auf  dem  Neues  nur  Platz  fand,  wenn  ein  Teil  des 
Alten  ausgelöscht  wurde.  Ein  anderer  Teil  aber  blieb  oder  wurde  nur 
schwach  verändert,  und  so  entstand  in  vielen  Fällen  allmählich  eine  Zeich- 
nung von  fast  unentwirrbarer   Verioickeltheit.«     (S.  7,  8.) 

Des  weiteren  will  der  gelehrte  Erklärer  jener  Handschrift  fern  da- 
von sein,  zu  behaupten,  daß  die  Zeichnung  gesetzlos  wäre:  -> natürlich 
ivalten  hier  wie  überall  Gesetze ;  es  scheint  mir(!)  nur,  daß  diese  Gesetze, 
d.  h.  die  physiologischen  Bedingungen  der  Variation,  hier  ganz  allgemein  im 
Dienste  einer  höheren  Macht  stehen  —  der  Nützlichkeit  —  und  daß  diese 
es  ist,  ivelche  in  erster  Linie  bestimmt,  was  für  Farben,  Flecke,  Striche, 
Bänder  sein  und  wo  sie  stehen  sollen.  <■■   .... 

Antwort:  Es  ist  höchst  erfreulich,  daß  der  Vater  der  Keimplasma- 
hypothese, deren  Grundlage  ein  zafjilliges  Entstehen  von  Abänderungen 
ist,    welche    durch    Zuchtwahl    ausgelesen    werden    sollen,     daß    dieser 


1;    S.  5  ff. 
Eimer,  Orthogenesis. 


(j(3  Die  sogenannte  Germinalselektion. 

einstige  Vertreter  des   maßgebendsten  Zufalls   heute   anerkennt:    »natür- 
lich walten  überall  Gesetze«. 

Die  anschauliche  Erzählung  aber,  welche  dersell)e  von  der  Bedeu- 
tung der  Zeichnung  und  Farbe  und  von  ihrer  Beziehung  zum  Nutzen 
macht,  ist  ein  hübsches  Märchen.  Meine  Arbeit  zeigt  in  der  That  Jedem, 
der  Augen  hat  zu  sehen,  wie  die  erstere  Schritt  für  Schritt  entstanden 
ist  von  einer  Längsstreifung  her,  ähnlich  der,  welche  unser  Segelfalter 
trägt,  nur  mit  einigen  Streifen  mehr  [Alehion  und  Verwandte),  und  daß 
von  Anfang  bis  zu  Ende  weder  Nutzen  noch  Verwickelung,  sondern  daß 
vielmehr  die  größte  Einfachheit  einer  gesetzmäßigen,  vom  Nutzen  völlig 
unabhängigen  Umbildung  zu  erkennen  ist,  wenn  man  nur  den  Schlüssel 
zur  Erkenntnis  dieser  Dinge  nicht  verschmähen  will,  welchen  ich  an  die 
Hand  gegeben  habe. 

Ich  verlange  auch  von  einem  Vertreter  der  »Allmacht  der  Natur- 
züchtung« nicht,  daß  er  mir  jeden  Fleck,  jede  Linie  auf  einem  Schmetter- 
lingsflügel im  Sinne  des  Nutzens  deute  —  ich  verlange  aber,  daß  er 
mir  wenigstens  einen  einzigen  solchen  Fleck  bei  einem  der  von  mii 
behandelten  Papilioniden  so  erkläre,  um  wenigstens  etwas  an  der  Be- 
rechtigung seiner  Behauptung  zu  beweisen. 

8.  » Wenn  von  Bildungsgesetzen  hier  gesprochen  wird,  so  meint  man  (!) 
wohl  zunächst  damit  ....  aber  ich  glaube,  man  sollte  sehr  vorsichtig 
sein,  daraus  ohne  loeiteres  Gesetze  zu  machen,  denn  alle  diese  Regeln  der 
Zeichnung  gellen  nur  für  kleine  Formengruppen  und  sind  Jiiemals  durch- 
greifend und  für  die  ganze  Ordnung  oder  auch  nur  für  die  eine  Unter- 
ordnung der  Tagfalter,  ja  öfters  nicht  einmal  für  die  ganze  Gattung 
maßgebend.  Das  deutet  auf  specielle,  nur  in  dieser  Gruppe  wirkend^- 
Ursachen.«     (S.  8,  9.) 

Antwort:  »Man«  ist  sehr  dankbar  für  gütigen  Rat  zur  Vorsicht, 
aber  es  erscheint  schwer  verständlich,  wie  man  so  wenig  Bedacht  auf 
bleibenden  Wert  seiner  Äußerungen  legen  kann,  daß  man  zum  Zweck 
einer  augenblicklich  sein  sollenden  Beweisführung  immer  und  immer 
wieder  Sätze  aufstellt,  welche  das  volle  Gegenteil  zu  den  vor  Aller 
Augen  liegenden  Thatsachen  bedeuten. 

Niemals  ist  auch  nur  eines  der  von  mir  aufgestellten  Bildungs- 
gesetze nur  für  eine  Ordnung  oder  gar  nur  für  eine  Gattung  maßgebend, 
denn  sonst  hätte  ich  sie  eben  nicht  Gesetze  nennen  können.  Die 
Zeichnungen  entferntest  stehender  Falter  lassen  sich  durch  Übergänge 
in  Zusammenhang  bringen  mit  jenem  Grundschema  der  Papilioniden- 
zeichnung  bestehend  aus  elffacher  Längsstreifung.  So  werden  wir  sehen, 
daß  z.  B.  Zeichnungsreste,  welche  die  Ähnlichkeit  der  Blatt- 
schmetterlinge mit  einem  Blatte,  bezw.  mit  Seitenrippen  des- 
selben bedingen,  so  bei  Kallima,  auf  jene  Grundzeichnung 
ebenso  deutlich  zurückzuführen  sind  wie  die  Vorderrand- 
flügelflecke der  Van  essen,  Vanessa  levana  und  prorsa  nicht  aus- 
geschlossen. Ich  werde  den  Beweis  bringen  und  bitte  dagegen  meinen 
wissenschaftlichen  Gegner  um  den  Beweis   für   seine  Behauptung  —  an 


Antworten  auf  die  Lehrsätze  der  »Germinalselektion«.  67 

der  Hand  meiner  von  ihm  heute  erstmals  berührten  und  zugleich  in 
Bausch  und  Bogen  beurteilten  Gesetze. 

Wäre  seine  Behauptung  richtig,  so  hätte  die  Orthogenesis  überhaupt 
gar  keinen  wesentlichen  Wert  für  die  Entwickelungslehre  und  es  könnte 
dann  allerdings  nicht  von  ihr  gesagt  werden ,  was  ich  beweisen  will, 
daß  sie  die  Grundlagen  der  DiRWiN'schen  Lehre  von  der  Herrschaft  der 
Zuchtwahl    und   daß  sie  den  Afterdarwinismus  vollkommen    zurückweist. 

Darum  will  ihre  Bedeutung  von  meinem  Gegner  so  klein  gemacht 
werden.  Aber  w^enn  sie  so  klein,  w^enn  die  Gesetzmäßigkeit  der  Zeich- 
nungsbildung bei  den  Schmetterlingen,  von  welchen  derselbe  überall 
redet,  nur  auf  Untergruppen  beschränkt  ist  —  warum  giebt  er  sich 
dann  die  große  Mühe,  sie  durch  seine  Schrift  über  »Germinalselektion« 
unschädlich  zu  machen? 

Daß  im  Laufe  der  Phylogenese  neue  Eigenschaften,  neue  Entwicke- 
lungsrichtungen  auftreten,  gehört  zu  den  Feststellungen  meiner  Arbeit 
und  kann  von  meinem  Gegner  nicht  für  sich  verwertet  werden ,  spricht 
vielmehr  in  allen  einzelnen  Fällen  auf  das  Unwiderleglichste  gegen  seine 
Züchtungslehre.  Denn  alle  diese  neuen  Eigenschaften  haben  zuerst 
jedenfalls  mit  dem  Nutzen  gar  nichts  zu  thun  und  in  weitaus  den  meisten 
Fällen  kommen  sie  mit  demselben  gar  nicht  in  Berührung  —  in  anderen, 
wie  bei  manchen  Blattschmetterlingen,  wird  dies  der  Fall  sein  können, 
aber  es  giebt  deren,  bei  welchen  eine  Beziehung  der  Zeichnung  zur 
Umgebung  schon  deshalb  nicht  wahrscheinlich  ist,  weil  sie  gar  nicht 
»Waldschmetterlinge«  sind,  wie  der  Redner  für  sie  alle  zu  beanspruchen 
scheint.  —  Auch  ein  Teil  der  so  auffallenden  Hauptblattrippe  der  Blatt- 
schmetterlinge ist  schon  bei  den  Segelfaltern,  wie  wir  sehen  werden,  in 
Gestalt  eines  der  typischen  Längsstreifen  vorhanden;  w^'e  diese  Rippe 
im  übrigen  entsteht,  w^erden  wir  kennen  lernen:  wiederum  vollkommen 
gesetzmäßig  aus  uralter  Eigenschaft  her,  welche  mit  dem  Nutzen  nichts 
zu  thun  haben  kann. 

Wer  mir  wissenschaftlich  entgegentreten  will,  muß  wissen,  was  ich 
auch  in  der  Einleitung  zu  meinem  Vortrag  erwähnte,  denn  es  ist  eine 
der  wichtigsten  meiner  so  oft  wiederholten  »Großthaten«  ^) :  Die  Bildungs- 
gesetze, welche  ich  für  die  Zeichnung  der  Schmetterlinge  aufgestellt 
habe,  gelten  im  wesentlichen  auch  für  die  Zeichnung  ganz  anderer  Tier- 
klassen und  Tierstämme.  Derselbe  wird  vor  allem  meine  Arbeit  über 
»das  Variieren  der  Mauereidechse«  berücksichtigen  müssen,  welche  die 
für  die  Orthogenesis  grundlegenden  Thatsachen  der  Gesetzmäßigkeit  der 
Umbildung  zu  einem  großen  Teile  schon  enthält.  Er  muß  wissen,  daß  er 
als  wissenschaftlicher  Gegner  alle  diese  Thatsachen  zu  berücksichtigen 
hat,  wenn  er  eine  so  hochwichtige  Frage  sachgemäß  behandeln  will. 

9.  »Sobald  wir  das  Princip  der  Nützlichkeit  mit  hereinziehen^  wissen 
wir,  icarum  hei  den  Tagfaltern  die  Oberseite  die  bunten  Farben  allein  zu 
tragen  'pflegt^  die  Unterseite  aber  protectiv  gefärbt  ist,  oder  ivariim  bei  den 


1;  Vgl.  »Germinalselektion«  S.  63. 


ßS  Die  sogenannte  Germinalselektion. 

Nachtfaltern  die  Vorderflihjel  loie  Rinde  oder  altes  Holz  oder  wie  ein  Blatt 
aussehen^  ivährend  die  im  Ruhen  verdeckten  Hinterßügel  allein  lebhaft  ge- 
färbt sind.  Dann  verstehen  ivir  auch  die  Ausnahmen  von  diesen  Regeln^ 
lüir  begreifen,  daß  Danaiden,  Heliconiden,  Euploeiden  und  Acraeiden,  über- 
haupt alle  widerlich  riechenden  und  schmeckenden  Tagfalter  meist  bunt  und 
zwar  oben  und  unten  gleich  gezeichnet  sind,  während  alle  nicht  immunen 
Arten  unten  Schutzfärbung  besitzen  und  oft  ganz  anders  gefärbt  sind 
als  auf  der  Oberseite.  Jedenfalls  sind  also  diese  vermeintlichen  y> Bildungs- 
gesetze«- nicht  bindend ;  es  kann  Dispens  von  ihnen  erteilt  werden,  und  er 
wird  erteilt,  sobald  es  die  Nützlichkeit  verlangt.«  ....  Es 
»lassen  doch  schon  die  angefidirten  Thatsachen  keinen  Zweifel  darüber, 
daß  nicht  innere  Notwendigkeit,  sog.  Bildungsgesetze,  die 
Flächen  des  Schmetterlingsflügels  bemalt  hat,  sondern  daß 
die  Lebensbedingungen  den  Pinsel  führen«.     (S.  9,  10.) 

Antwort:  Wir  haben  hier  wieder  einen  echt  »WEisMANN'schen  Be- 
weis«. Die  von  mir  festgestellten  Thatsachen  zeigen,  wie  jeder  unbe- 
fangene Beurteiler  bestätigen  muß,  daß  nicht  der  Nutzen,  den  Herr 
Weismann  allein  hier  unter  »Lebensbedingungen«  versteht,  den  Pinsel  auf 
den  Schmetterlingsflügeln  führt,  sondern  die  Orthogenesis,  und  daß 
eine  mögliche  Anpassung  von  dieser  im  wesentlichen  abhängig  ist,  daß 
der  Nutzen  überall  nur  das  benützen  kann,  was  das  *  organische  Wachsen« 
ihm  darbietet,  nicht  aber  umgekehrt.  Ich  ersuche  den  Herrn  Redner, 
mir  einen  einzigen  Fall  zu  zeigen,  in  welchem,  wie  er  so  rundweg  be- 
hauptet, von  den  vermeintlichen  »Bildungsgesetzen«  Dispens  erteilt  wird, 
»sobald  es  die  Nützlichkeit  verlangt«.  Auch  der  von  ihm  für  entscheidend 
gehaltene  Fall  von  dem  Tagfalter  Ageronia  mit  Rindenfärbung  der  Oberseite 
der  ausgebreitet  getragenen  Flügel  beweist  für  die  aktive  Umbildungs- 
thätigkeit  des  Nutzens  so  wenig  wie  die  Nachtfalter.  Diese  Rindenfärbung 
erscheint  nämlich  gleichfalls  als  der  Ausdruck  bestimmter  Entwickelungs- 
richtung.  Wenn  die  Ageronien  mit  der  Schutzfärbung  der  Oberflügel  und 
mit  den  buQten  ünterflügeln  sich  so  auffallend  verhalten  und  dadurch  ge- 
schützt sind,  wer  sagt  uns  denn,  daß  sie  sich  die  eigenartige  Flügelhaltung 
nicht  erst  angewöhnt  haben,  nachdem  die  schützende  Färbung  und 
Zeichnung  entstanden  war,  weil  sie  dadurch  Schutz  hatten?  Gerade 
die  Thatsache,  daß  bei  ihnen  die  Unterseite  der  Flügel  bunt  gefärbt  ist, 
dürfte  für  die  Bejahung  dieser  Frage  sprechen.  Übrigens  verlassen  sich 
die  Ageronien,  wie  wir  sehen  werden,  nicht  auf  diesen  Schutz.  —  Auf 
die  Färbung  und  Zeichnung  der  Danaiden,  Heliconiden  u.  s.w.  kommen  wir 
noch  ausführlich  zu  reden. 

Niemand  bestreitet,  daß  es  nützliche  Anpassungen  auch  bei  Schmetter- 
lingen giebt,  und  auch  ich  bestreite  nicht,  daß  dem  Nutzen  eine  gewisse 
auslesende  Wirkung  zukommen  wird,  ich  vertrete  nur  die  Ansicht,  daß 
dies  in  weitem  Umfange  bei  den  Schmetterlingen,  auch  abgesehen  von  den 
von  mir  untersuchten  Papilioniden  nicht  der  Fall  ist,  insbesondere  nicht  auf 
der  Oberseite  bei  allen  Tagfaltern,  welche  sich  nach  gewöhnlicher  Art 
im  Fliegen  und  Sitzen  verhalten,    denn  hier  besteht  —  ich  berufe  mich 


Antworten  auf  die  Lehrsätze  der  »Germinalselektion«.  69 

auf  den  früheren  Herrn  Weismann  selbst  —  keine  Anpassung.  Auch  der 
heutige  Herr  Weismann  giebt  aber  zu,  daß  es  scheinbare  Schutzfärbungen 
giebt.  Zunächst  wären  diese  durch  genaue  und  unbefangene  Beobachtung 
der  Lebensgewohnheiten  mögHchst  auszuscheiden.  Sodann  vermeidet 
es  der  Redner,  mag  er  nun  den  Nutzen  als  Pinsel  oder  als  Lokomotive 
behandeln,  abermals  mit  ganz  auffälliger  Sorgfalt,  auf  die 
unmittelbare  Wirkung  der  äußeren  Verhältnisse  auf  Zeich- 
nung und  Färbung  einzugehen,  welche  doch  bewiesen  und  deren 
Tragweite   noch  gar  nicht  abzusehen  ist. 

Nachdem  einmal  die  Macht  der  Orthogenesis  festgestellt  ist,  ist  mit 
allgemeinen  Behauptungen  und  auch  mit  Hinweisen  auf  einzelne  Fälle 
nichts  mehr  zu  machen:  es  muß  vielmehr  für  jeden  einzelnen  Fall  erst 
nachgewiesen  werden,  wie  weit  die  Herrschaft  der  bestimmt  gerichteten 
Entwicklung  und  etwa  die  besondere  unmittelbare  Einwirkung  äußerer 
Verhältnisse  für  die  in  Frage  kommende  Eigenart  maßgebend  ist  und 
wieviel  auf  secundären  Einfluß  des  Nutzens  —  denn  nur  von  einem 
solchen  kann  die  Rede  sein  —  entfallen  mag. 

Das  sind  Aufgaben,  welche  sich  bei  der  Studierlampe  nicht  lösen 
lassen  und  über  welche  nach  den  nunmehr  maßgebenden  Gesichtspunkten 
von  derselben  aus  zu  schreiben  vollkommen  müßig  ist. 

Deshalb  —  und  aus  anderen  naheliegenden  Gründen  —  wird  man, 
wie  ich  glaube,  sehr  «vorsichtig  sein  müssen«  mit  allzu  rascher  Aner- 
kennung bezüglicher  vom  Redner  aufgeführter  Beispiele. 

Eines  dieser  Beispiele,  welches  ich  inzwischen  näher  untersucht 
habe,  dasjenige  der  Blattschmetterlinge,  gerade  das,  auf  welches  mein 
Gegner  das  höchste  Gewicht  legt,  dergestalt,  daß  er  es  eigentlich  zum 
Mittelpunkt  seiner  Rede  gemacht  hat,  wird  uns  überraschenden  Aufschluß 
zu  Gunsten  meiner  Auffassungen  geben.  Wir  w'erden  sehen,  daß  selbst 
dieser  merkwürdige  Fall  von  Ähnlichkeit  eines  Tieres  mit  äußerer  Um- 
gebung keineswegs  beweist,  wie   der  Herr  Redner  weiterhin  meint: 

1 0.  y>daß  es  Fälle  giebt,  denen  gegenüber  jede  andere  natürliche  Erklärung 
außer  der  durch  Selektion  versagt«.     (S.  17.) 

^>Wodicrch  wurden  nun  gerade  so  zahlreiche  Gattungen  von  Wald- 
schmetterlingen befähigt  blattähnlich  zu  werden"!  Durch  dirigierende  Bil- 
dungsgesetze ?« 

»Fassen  ivir  aber  die  Zeichnung  in' s  Auge,  durch  welche  die  Blatt- 
ähnlichkeit bedingt  ivird,  so  finden  wir  z.  B.  bei  Kallima  Inachis  und 
Paralecta,  den  indischen  Blattschmetterlingen,  daß  die  Blattzeichnung  völlig 
unabhängig  von  den  sonstigen,  den  Flügel  beherrschenden  Regelmäßigkeiten 
ausgeführt  ist.«    (S.  14.) 

y>Die  Adereinteilung  des  Flügels  wird  von  der  Blattzeichnung  gänzlich 
ignoriert  und  die  Fläche  behandelt  als  eine  tabula  rasa,  auf  der  man 
zeichnen  kann,  tvas  man  loill:   in  diesem  Falle  ein  Blatt.«     (S.  16.) 

Antwort:  Ja,  es  sind  Bildungsgesetze,  welche  die  Grundzüge  der 
Blattähnlichkeit    hergestellt  haben,    und   es    ist    die   Blattzeichnung    nicht 


70  Die  sogenannte  Germinalselektion. 

unabhängig,  sondern  vollkommen  abhängig  »von  den  sonstigen  den 
Flügel  beherrschenden  Regelmäßigkeiten«    ausgeführt. 

Der  Beweis  hierfür  wird  in  dem  Abschnitt  über  die  Entstehung  der 
Blattähnlichkeit  bei  Schmetterlingen  eingehend  erbracht  werden. 

1i.  Dazu  bemerkt  der  Vertreter  der  Alhnacht  der  Naturzüchtung, 
er  betone  dies  so  scharf,  Hlamit  man  sieht,  es  handle  sich  hier  um  einen 
der  Fälle,  welche  auf  mechanischem,  d.  h.  natürlichem  Wege  nur  dann 
erklärbar  sind,  wenn  Selektion  wirklich  existiert  und  wirklich  Neues 
schaffe?}  kann,  denn  das  Lamarck^ sehe  Princip  ist  hier  vollkommen  aus- 
geschlossen     Die  Blatt  Zeichnung    wirkt    durch    ihre   Existenz,    nicht 

durch  irgend  eine  Funktion,   die  sie  etwa  ausübt. <•:     (S.  16.) 

Antwort:  Wir  brauchen  nach  meiner  immer  wiederholten  Auffassung 
über  die  Ursachen  der  Transmutation  in  letzter  Linie  und  in  zahlreichen 
Fällen  überhaupt  keinen  Lamarekismus,  keine  Funktion  im  Sinne  des 
äußeren  Gebrauchs,  sondern  nur  äußere  Einwirkungen  auf  die  gegebene 
Konstitution,  organisches  Wachsen,  als  Ursache  der  Umbildung  —  so 
eben  bei  der  Zeichnung.  —  Der  im  Vorstehenden  versuchte  Beweis  für  die 
Bedeutung  und  die  schöpferische  Kraft  der  Selektion  ist  nach  den  meiner 
Auffassung  zu  Grunde  liegenden  Thatsachen  somit  vollkommen    hinfällig. 

Es  ist  deshalb  auch  vollkommen  gegenstandslos,  wenn  der  Verfasser 
im  Folgenden  (S.  16),  indem  er  mir  mit  Nägeli  und  Askenasy  die  An- 
nahme inn  er  er  Triebkräfte  zuschreibt,  sagt:  »man  würde  .  .  .  mit  dieser 
scheinbar  mechanischen  Kraft  unweigerlich  auf  ein  teleologisches  Princip 
zurückgewiesen  werden«  und  es  wäre  deshalb  nötig,  »prästabilierte 
Harmonie«  zwischen  der  Vorfahrenreihe  des  Baumes,  welcher  das  von  dem 
Schmetterling  nachgebildete  Blatt  trägt,  und  diesem  letzteren  anzunehmen,  wie 
er  es  schon  vor  langen  Jahren  ausgedrückt  habe,  ivie  es  aber  von  den  » Ver- 
kündigern innerer  Entivickelungskräfte  immer  wieder  aufs  Neue  vergessen 
wird«.  ' —  Es  ist  die  Annahme  dieser  immer  wieder  verkündeten  »prä- 
stabilierten  Harmonie«  vollkommen  unnötig.  Die  Orthogenesis  allein  muß 
eine  jedenfalls  bis  zu  einem  gewissen  Grade  täuschende  Ähnlichkeit  des 
Schmetterlingsflügels  mit  dem  Blatte  ohne  jede  weitere  Beziehung  zu 
demselben  oder  gar  zu  den  Vorfahren  des  Baumes  —  lediglich  auf  Grund 
äußerer  Einwirkungen  auf  den  gegebenen  Gegenstand  —  geschaffen  haben, 
bis  Auslese  irgendwie  eingreifen  kann. 

'12.  »Es  ist  also  keine  bloße  Vermutung,  daß  diese  (der  Blattschmetter- 
linge) Zeüc/ini«?^/  langsam  und  allmählich,  aber  mit  einer  wunderbaren  Sicher- 
heit vorwärts  geschritten  ist.  Es  muß  folglich  niemals  an  den 
passenden  Variationen  an  der  p  assenden  Stelle  gefehlt  haben, 
oder,  wie  ich  dies  früher  einmal  ausdrückte:  die  nützlichen  Va- 
riationen waren   immer  da.«     (S.  18.) 

Antwort:  Auch  ich  bin  davon  überzeugt,  daß  die  Zeichnung  in 
der  Regel  langsam  und  allmählich  mit  wunderbarer  Sicherheit  vorwärts 
geschritten  ist.  Aber  gerade  deshalb  schon  kann  sie  nicht  wesentlich 
durch  Auslese  gebildet  worden  sein. 

Nichts    kann    mehr  beweisen,    welch    herrschende    Bedeutung    der 


Antworten  auf  die  Lehrsätze  der  »Germinalselektion«.  71 

Orthogenesis  für  die  Umbildung  der  Formen  zukommt,  als  die  Blatt- 
ähnlichkeit gerade  von  Kallima,  einer  der  wunderbarsten  Fälle  von 
Ähnlichkeit  mit  einem  fremden  Gegenstande,  welcher  in  der  ganzen 
Tierwelt  vorkommt,  denn  es  sind  wie  überall  thatsächlich  wenige 
gesetzmäßig  wirkende  Entwickelungsrichtungen,  welche  die  Grund- 
züge der  Blattähnlichkeit  hergestellt  haben. 

Es  kann  sein,  daß  solche  ohne  jede  Beziehung  zum  Nutzen  zuerst 
sich  bildende  und  vorschreitende  Eigenschaften  sich  nach  Erreichung 
einer  gewissen  Vollkommenheit  als  nützlich  erweisen  und  der  Auslese 
darbieten.  Aber  es  widerspricht  allem  Thatsächlichen,  zu  behaupten, 
daß  überall  sich  an  der  passenden  Stelle  die  nützlichen  Eigenschaften 
zur  Auslese  dargeboten  haben. 

Damit  komme  ich  wieder  auf  den  schon  früher  berührten  wesent- 
lichen Gegensatz  zwischen  meiner  Auffassung,  bezw.  der  schon  von 
AsKENASY  hervorgehobenen  und  der  DARwm'schen  und  afterdarwinistischen: 

Weil  die  Umbildung  nur  nach  wenigen  bestimmten  Richtungen  vor- 
wärts geht,  deshalb  kann  der  Auslese  nicht  die  wichtige  Rolle  zufallen, 
welche  Darwinismus  und  Afterdarwinismus  ihr  zuschreiben  wollen,  denn 
diese  verlangen  unbedingt,  daß  fortwährend  alle  möglichen  Variationen, 
vor  allem  die  erforderlichen  nützlichen,  der  Auslese  zur  Hand  sein  müssen, 
mit  andern  Worten,  sie  setzen  ein  Abändern  voraus,  welches  zufällig 
nach  sehr  vielen  und  zwar  nach  den  verschiedensten  Richtungen  geschieht 
bis  zu  dem  Zeitpunkte,  wo  sich  die  Auslese  seiner  bemächtigt. 

Wenn  also  der  Afterdarwinismus  annimmt,  daß  die  nützlichen 
Variationen  immer  da  sind,  d.  h.  daß  sie  sich  in  einer  für  den  Züchtungs- 
proceß  hinreichend  großen  Anzahl  von  Individuen  stets  darbieten  'S.  20  , 
so  stellt  er  sich  damit  in  den  vollsten  Gegensatz  zu  den  Thatsachen  der 
Orthogenesis  in  demselben  Augenblick,  in  welchem  er  diese  in  seinen 
Dienst  zu  ziehen  bemüht  ist.  Denn  diese  Thatsachen  zeigen  eben,  daß 
alles  Variieren  nur  in  wenigen  bestimmten  Richtungen   geschieht.^) 


1)  Ich  möchte  schon  hier  verweisen  auf  den  später  näher  zu  behandelnden  Fall 
vom  Nebeneinandervorkommen  zahh-eicher  Abänderungen  des  blattähnlichen  Schmetter- 
lings Doleschallia  jjolibete,  welche  Herr  G.  Semper  abbildet.  Es  hat  ja  überall  bei 
Tieren  Variation sperioden  gegeben,  allerdings  oft  sehr  lange,  und  es  giebt  auch 
heute  Arten,  an  welchen  das  Abändern  gewissermaßen  in  besonderem  Flusse  ist. 
Derartiges  muß  für  unsere  Fragen  berücksichtigt  werden.  Aber  da  es  sich  eben  meist 
um  langdauernde  solche  Perioden  handelt,  so  liegt  schon  hierin  wieder  ein  Gegenbeweis 
gegen  Anpassung,  vor  Allem  aber  darin,  daß  auch  diese  Variationen  auf  bestimmt 
gerichteter  Entwickelung  beruhen.  Dieselben  werden  daher  wichtig  für  uns  sein 
für  die  Frage  von  der  Entstehung  der  Blattähnlichkeit.  —  Einen  bemerkenswerten 
Fall  vom  Nebeneinandervorkommen  zahlreicher  solcher  auf  Orthogenesis  beruhender 
Varietäten  unter  Schmetterlingen  bietet  ein  in  dem  Report  entom.  Depart.  1895 
N.  Yersey  agric.  coli.  Fig.  63  S.  458  von  Johx  Smith  abgebildeter  Falter:  Hyphantria 
aenea,  mit  zahlreichen  Varietäten,  welche  von  einer  längsgefleckten  Form  durch  immer 
spärlicher  gefleckte  zur  Einfarbigkeit  übergehen,  ähnlich  wie  bei  der  erwähnten  Helix 
pisana  und  zahlreichen  anderen  Mollusken.  Ebenso  sind  die  Zeichnungsvarietäten  von 
Euprepia  caja  auf  Übergang  von  einer  Streifung  zur  Fleckung  und  zuweilen  fast  Ein- 
farbigkeit zurückzuführen,    und    auch    hier  haben   wir    nebeneinander    die    verschie- 


72  Die  sogenannte  Germinalselektion. 

Der  Verfasser  empfindet  wohl  die  Schwierigkeit  dieses  Gegensatzes 
und  sucht  sich  zu  helfen  durch  sehr  merkwürdige  Beispiele,  welche  mit 
der  Blattzeichnung  gar  nichts  zu  thun  haben  und  welche  überhaupt, 
gewiß  auch  bei  der  wohlwollendsten  Beurteilung,  für  die  ganze  Frage 
nichts  bedeuten.  Es  ist  eben  unmöglich,  was  mein  Herr  Gegner  so 
oft  für  möglich  hält  und  versucht.  Unmögliches  oder  Unrichtiges  mit 
Gew^alt  und  gar  etwa  durch  Beispiele  zu  beweisen. 

»Wie  kommt  es  denn«,  fragt  er,  »daß  bei  Instinkten,  die  nur  einmal  im  Leben 
in  Thätigkeit  treten,  wie  z.  B.  die  Verpuppungshandlungen  der  Insekten,  die  künst- 
liche Anfertigung  eines  Gespinstes  u.  s.  w.,  die  nützlichen  Variationen  stets  bereit 
lagen?«  (8.19.)  Ein  Cirkelschluß  in  schönster  Form,  denn  wer  sagt  denn,  daß  sie  bereit 
lagen  oder  bereit  liegen  mußten?  Der  Verfasser  nimmt  wieder  einmal  eine  unbe- 
wiesene Behauptung  —  und  zwar  seine  eigene  —  zum  Vordersatz  für  einen  Be- 
weis. Er  geht  davon  aus,  daß  es  sich  im  Instinkt  nicht,  wie  ich  meine,  um  ver- 
erbte Gewohnhcitsthätigkeit  handle ii,  und  meint,  dagegen  spräche  das  Vorhandensein 
von  nur  einmal  im  Leben  ausgeübten  Instinkten.  Ich  bin  der  Ansicht,  daß  bei  der 
von  mir  gegebenen  Erklärung  es  von  vornherein  ganz  einerlei  ist,  ob  ein  Instinkt 
nur  einmal  im  Leben  zur  Anwendung  kommt  oder  mehrmals.  Ja  diese  setzt  eben 
den  unmittelbaren  Zusammenhang  der  Thätigkeit  bezw.  der  Erwerbung  von  Seiten 
verschiedener  oder  zahlreicher  Generationen  voraus,  mit  anderen  Worten:  zahlreiche 
Leben  des  Insekts*  bezw.  der  Raupe  sind  für  die  Frage  als  ein  zusammenhängendes 
Ganzes,  Einziges  zu  betrachten,  was  um  so  einleuchtender  sein  wird,  je  kürzer  jene 
Leben  sind.-) 

Der  "Verfasser  geht  im  Folgenden  so  weit,  Beispiele  zu  bringen,  nach  welchen 
jede  zweckmäßige,   vereinzelt  da   oder  dort  vorkommende  Eigenschaft,    so  die  Härte 


densten  Formen  als  Stufen  gewöhnlicher  Entwickelungsrichtungen  im  Sinne  des  allge- 
meinen Zeichnungsgesetzes.  Auf  der  großen  Zahl  solcher  Thatsachen  beruhen  ja  ge- 
radezu meine  Ausführungen  über  Orthogenesis  überhaupt,  insbesondere  auch  die 
meiner  »Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den  Schmetterlingen« ,  xmd  zuerst  habe 
ich   dieselben   in  weiterem  Umfange  festgestellt  in  der  »Mauereidechse«. 

Dagegen  möchte  ich  hier  auch  betonen,  daß,  wie  gerade  die  Schmetterlinge  zeigen, 
die  sprungweise  Ent  Wickelung,  Halmatogenesis,  eine  große  Rolle  bei  der  Umbildung 
der  Arten  spielt.  Bei  solchem  plötzlichen  Auftreten  neuer  Eigenschaften  kann  nun 
da  oder  dort  die  Nützlichkeit  im  Sinne  der  Erhaltung  des  Passenden  mit  einem  Male 
einen  günstigen  Boden  zur  Wirksamkeit  finden.  Es  hat  diese  von  mir  mit  besonderem 
Nachdruck,  auf  Grund  von  Thatsachen  vertretene  Entwickelungsweise,  welche  übrigens 
mit  der  sprungweisen  Entwickelung  Kölliker's  nichts  zu  thun  hat  (vgl.  m.  »Ent- 
stehung der  Arten«  S.  49  IT.,  »Artbildung«  I  S.  19,  II  S.  It  ff.,  »Mauereidechse«  S.  265  ff.), 
bis  jetzt  sehr  wenig  Beachtung  gefunden,  und  der  Vertretung  der  »Allmacht  der  Natur- 
züchtung« scheint  es  völlig  entgangen  zu  sein,  daß  hier  ein  günstiger  Boden  für  die 
Verwendung  der  Selektion  gegeben  sei.  Allerdings  schafft  wiederum  die  Auslese  die 
Sprünge  nicht,  sondern  die  äußeren  Einwirkungen  schaffen   sie. 

1,;  Vergl.  m.  »Entstehung  der  Arten«  S.  240.  Mit  jener  einzigen  Schwierigkeit 
sollen  alle  hier  gegebenen  Beweise  für  Vererbung  erworbener  Eigenschaften  beseitigt 
werden    vergl.  hinten  S.  80;. 

-}  Ferner  macht  G.  J.  Romanes  in  »Darwin  und  Nach  Darwin«  II,  Leipzig,  Engel- 
mann, 1895,  folgenden  Einwurf:  »Hierbei  ist  die  Möglichkeit  ganz  außer  Acht  ge- 
lassen, daß  derartige  Handlungen,  welche  jetzt  allerdings  nur  ein  einziges  Mal  im 
individuellen  Leben  ausgeführt  werden,  ursprünglich,  d.  h.  als  die  Instinkte  sich 
bei  längst  verschwundenen  Vorfahren  erst  entwickelten,  sich  während  des  indivi- 
duellen Lebens  sehr  häufig  bei  wiederholten  Gelegenheiten  abgespielt  haben  können« 
;S.  106,  vgL  auch  S.  109  ff.}. 


Antworten  auf  die  Lehrsätze  der  »Germinalselektion«.  73 

der  Spuhvurmeier,  gar  das  Vorkommen  der  Augen  an  verschiedenen  Körperstelien  bei 
verschiedenen  Tieren  seine  Voraussetzung  stützen  soll.  Vollends  »überwältigend«, 
meint  er,  »treten  die  Thatsachen  uns  entgegen,  wenn  wir  bedenken,  daß  ja  keine  oder 
kaum  irgend  eine  Abänderung  allein  auftritt«  ....  So  hätten  gewisse  Nacht- 
schmetterlinge nicht  nur  täuschende  Ähnlichkeit  mit  einem  Stückchen  Holz,  sondern 
zugleich  den  Instinkt  sich  todtzustellen.  »Hier  müssen  also  neben  den  Veränderungen 
der  äußern  Erscheinung  des  Tieres  solche  in  den  feinsten  Strukturen  des  centralen 
Nervensystems  pai'allel  gegangen  sein,  obgleich  diese  mit  jenen  in  gar  keinem 
inneren  Zusammenhang  stehen!« 

»Wie  hätte  nun«,  fragt  er,  »Alles  dieses  in  so  unzähligen  Fällen  jedesmal  ein- 
treten können,  wenn  die  nützlichen,  d.  h.  die  notwendigen  Variationen  der  betref- 
fenden Organe  sowohl  als  der  ihrem  Gebrauch  vorstehenden  Nervenmaschine  nicht 
stets  zu  haben  gewesen  wären?«     (S.  21,  22.; 

Der  Verfasser  behandelt  ohne  weiteres  alle  nützlichen  bezw.  brauchbaren  Eigen- 
schaften und  alle  Organe,  ja  gar  die  geistigen  Fähigkeiten  wiederum  nach  seinen 
eigenen  Voraussetznngen  als  zufällig  entstandene  nützliche  »Variationen«  und  scheint 
gar  nicht  zu  bemerken,  daß  er  plötzlich  weit  abgekommen  ist  von  der  bestimmt  ge- 
richteten Entwickejung  und  der  Entstehung  neuer  Eigenschaften  auf  Grund  von  »in- 
neren Bildungsgesetzen«,  wie  er  es  immer  zu  nennen  beliebt,  auf  Grund  organischen 
Wachsens,  wie  ich  sage,  und  daß  er  mit  seinen  Beispielen  die  Frage  der  Entstehung 
von  Organen  durch  den  Gebrauch  vollkommen  mit  der  Orthogcnesis  vermengt. 

Zuletzt  soll  also  gar  die  »Koadaption«,  das  gleichzeitige  Vorhandensein  mehrerer 
physiologisch  ineinandergreifender  Eigenschaften  auf  Grund  dessen  entstanden  sein, 
daß  durch  zufälliges  Abändern  stets  die  verschiedensten  nützlichen  Eigenschaften 
vorhanden  siad,  welche  die  Auslese  benützt,  um  einen  harmonisch  gestalteten  Or- 
ganismus herzustellen.  Die  ganze  unmittelbar  vorhergegangene  Schrift  desselben  Ver- 
fassers war  (»Neue  Gedanken«  u.  s.  w.  dagegen  dem  Nachweis  gewidmet,  daß  es 
»Intraselektion «   sei,    welche  diese  Harmonie  erzeuge! 

Während  der  unaufhörlich  oscillierende  Hypothetiker  es  lange  Zeit  hindurch  als 
unzw^eifelhaft  ansah,  daß  die  Eigenschaften  eines  Organismus  einzeln  gezüchtet  wor- 
den seien,  hat  er  jetzt,  wie  wir  noch  weiter  sehen  werden,  auf  einmal  die  mannig- 
faltigsten Recepte,  um  gleichzeitige  Züchtung  verschiedener  Eigenschaften  zu  erklären. 
Heute  will  er  die  früher  von  ihm  gar  nicht  anerkannte  Korrelation,  und  zwar  die 
funktionelle  Korrelation,  durch  das  fortwährende  Bereitstehen  der  verschiedensten 
nützlichen  Eigenschaften  verständlich  machen  (S.  22)  —  Alles  nur,  um  die  Vererbung 
sowohl  unmittelbar  wie  mittelbar  erworbener  Eisenschaften  nicht  anerkennen  zu 
müssen  und  um  die  Allmacht  der  Naturzüchtung  auf  Grund  der  unmittelbaren  Be- 
thätigung  des  Keimplasma  zu  erweisen.  Des  weiteren  schreckt  er  vor  dem  Satze 
nicht  zurück,  zuerst  seien  die  Gelenke  entstanden  gewesen,  dann  erst 
seien  sie  in  Funktion  getreten. 

Es  giebt  Behauptungen,  gegen  welche  sich  an  Ursache  und  W^irkung  geschulter 
logischer  Verstand  ohne  weiteres  auflehnt  und  auflehnen  muß  wie  gegen  Wunder- 
glauben. Zu  ihnen  gehört  jener  WEisMANN'sche  Satz.  Man  stelle  sich  einmal  vor,  daß 
alle  die  tausend  und  tausend  verschiedenen,  zweckmäßig  bis  ins  kleinste  hinein 
arbeitenden  Gelenke,  welche  in  der  Tierreihe  vorkommen,  zufällig  im  Keimplasma 
durch  Abändern  bezw.  durch  »intrabiontische  Selektion«  entstanden,  daß  sie  fix  und 
fertig  zu  Tage  träten,  um  dann,  durch  die  Personalauslese  bevorzugt,  erhalten,  zum 
bleibenden  Bestehen  gebracht  zu  werden,  und  man  wird  mitten  im  Lande  des  Zaubers 
imd  der  Märchen  angelangt  sein.  Die  kühnsten  Glaubenssätze  der  Religionen  stellen 
nicht  höhere  Anforderungen  an  ein  gläubiges  Gemüt,  als  solche  Vorstellung,  welche 
nur  auftritt,  um  die  nächstliegende  Erklärung  nicht  anerkennen  zu  müssen,  weil  um 
keinen  Preis  Vererbung  erworbener  Eigenschaften  zugegeben  werden  darf  —  funktio- 
nelle Anpassungen  dürfen  nicht  vererbbar  seini),  denn  sonst  fiele  der  noch  stehen- 
gebliebene Rest  der  Keimplasma-Hypothesen  vollends  zusammen. 


1)   Man  vergl.  hierzu  G.  Torxier:    Über  das  Entstehen  von  Gelenkformen,  Archiv 


74  l^ic  sogenannte  Germinalselektion. 

Aber  nicht  nur  etwa  einfache  fieienkfornien  sollen  auf  obige  Weise  entstanden 
sein,  sondern  auch  solche  mit  coniijlicierten  Anpassungen  an  die  verschiedensten  »Be- 
wegungsformen«, und  dies  soll  bewiesen  werden  durch  das  Vorkommen  rein  passiv 
funktionierender  Teile,  bei  welchen  also  eine  Veränderung  durch  die  Funktion  aus- 
geschlossen Ware.  »Dies  verhält  sich  so  bei  den  Skeletteilen  der  Gliedertiere,  z.  B. 
bei  ihren  Gelenkllächen  mit  ihren  complicierten  Anpassungen  an  die  verschieden- 
artigsten Bewegungsformen.  In  allen  diesen  Fällen  tritt  erst  das  fertige,  harte  und 
unveränderbare  Chitinskelet  in  Thätigkeit,  seine  Anpassung  an  die  Funktion  muß  also 
vorher  erfolgt  sein,  unabhängig  von  dieser  Funktion«.  Dies  der  Beweis,  auf  welchen 
der  Verfasser  so  großes  Gewicht  legt.  Aber  derselbe  fällt  doch  mit  der  einfachen 
Überlegung,  daß  die  Gelenke  nicht  erst  an  den  harten  Chitinskeleten  entstanden, 
sondern  daß  sie  ererbt  sind  von  den  Vorfahren  jener  Gliedertiere,  von  welchen  der- 
selbe spricht  —  bei    diesen  Vorfahren  müssen  sie   sich   schon  gebildet  gehabt  haben. 

Der  Herr  Verfasser  stützte  sich  also  wiederum  auf  einen  falschen  Vordersatz 
und  machte  einen  Cirkelschluß  zum  Zweck  seiner  Beweisfiihrung. 

Des  weiteren  wird  zugegeben,  daß  funktionelle  Anpassung  während  des  Einzel- 
lebens thätig  ist  und  die  Ungleichlieit  der  ererbten  Anlagen  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  ausgleicht.  Dann  wird  der  Satz  vertreten,  »daß  funktionelle  Anpassung  selbst 
nichts  anderes  sei  als  der  Ausfluß  von  Selektionsprocessen  intrabiontischer  Natur,  wie 
dies  Spencek  selbst  vorahnend  einst  angedeutet ,  Wilhelm  Roux  aber  als  den  Kampf 
der  Teile  in  die  Wissenschaft  eingefülirt  hat«.  Darüber  mehr  an  einem  anderen 
Orte  —  für  heute  nur  soviel,  daß  die  von  dem  Gegner  der  Vererbung  erworbener 
Eigenschaften  zu  seinen  Gunsten  in  Anspruch  genommenen  Roux'schen  Ansichten  i 
\ollkonimen  von  dieser  Vererbung  ausgehen,  wenn  Herr  Roux  auch  später  der  Keim- 
plasma-Hypothese entgegengekommen  ist.  Es  ist  daher  gar  nicht  abzusehen,  wie  sie 
gegen  dieselbe  verwertet  werden  wollen. 

Die  Thatsachen  der  Orthogenesis  beweisen,  daß  der  Satz  von  der 
allseitigen  nützlichen  Variation  bezw.  von  der  allseitigen  Variation  über- 
haupt  vollkommen  unrichtig  ist.  Deshalb  ist  es  in  diesem  Sinne  auch 
eine  müßige  Aufgabe,  welche  sich  der  Redner  stellte,  indem  er  sagte: 
wir  müssen  zu  erkennen  suchen,  wie  es  kommt,  daß  die  nütz- 
lichen Variationen  immer  da  sind  —  denn  da  sei  eine  Lücke, 
welche  der  Selektionslehre  noch  anhafte. 

Die  Lösune  wird  in  der  Annahme  aesucht,  daß 

13.  ein  tieferer  Zusa7nmenhang  zwischen  der  Nützlichkeit 
einer  Variatio7i  und  ihrem  wirklichen  Auftreten  bestehe;  die 
Variationsrichtung  eines  Teils  muß  durch  die  Nützlichkeit  be- 
stimmt tu  erden.     (S.  26.) 

Damit  nähern  wir  uns  endlich  der  vom  Redner  so  lange  vorbereiteten 
» Germinalselektion « . 

Die  künstliche  Züchtung  beruht  ja  darauf^  daß  durch  Auslese  von 
Individuen  mit  etwas  stärkerer  Ausbildimg  der  noch  iveiter  zu  verstärken- 
den Eigenschaft  diese  Steigerung  so  weit  gebracht  werden  kanii,  wie  sie 
zu  Beginn  des  Züchtungsprocesses  in  keinem  Individuum  jemals  vorgekommen 
wa);  führt  derselbe  aus. 

Dabei  muß  die  Keimesanlage  im  Sinne  des  Fortschritts  verändert 
worden  sein: 


für  Entwickelungsmechanik  I.  Bd.,  1894/93.    G.  Retzius:   Über  die  Vererbung  erworb. 
Eigenschaften,  biolog.  Unters.     Neue  Folge  VII,  .Jena  1895. 

1,  W.  Rocx,  Der  Kampf  der  Teile  im  Organismus,  Leipzig  1881. 


Antworten  auf  die  Lehrsätze  der  »Germinalselektion«.  75 

»Allein  durch  Auswahl  der  Plus-  oder  Minus-Variationen 
eines  Charakters  wird  derselbe  zu  fortgesetzter  Abänderung 
nach  der  Plus-  oder  M inu s-Richiung  bestimmt.«  Oder:  »Allein 
durch  Auslese  ivird  der  Keim  derart  progressiv  verändert,  wie  es  der 
Hervorbringung  einer  bestimmt  gerichteten  progressiven  Variation  des  be- 
treffenden Teils  entspricht.«     (S.  28.) 

Der  Redner  nimmt  als  Beispiel  die  in  Japan  und  Korea  gezüchtete 
langschwänzige  Varietät  des  Haushahns.  » Heute  noch  verwenden  die 
Züchter  .  .  .  außerordentliche  Mühe  darauf,  die  Schwanz  federn  noch  weiter 
zu  verlängern,  und  jeder  Zoll,  der  an  Länge  gewonnen  ivird,  macht  den 
Vogel  um  ein  Bedeutendes  roertvoller.«     (S.  27.) 

Die  Variation  schwankt,  wie  schon  Darwin  angenommen  und  ivofür 
Galton,  Weldon  u.  a.  den  Beweis  erbracht  haben,  um  einen  Nullpunkt 
herum,  »loenn  nun  Selektion  immer  Plus-Variationen  zur  Nachzucht  aus- 
wählt, so  wird  der  Nullpunkt  (die  mittlere)  nach  oben  verschoben  und  die 
Variationen  der  folgenden  Generationen  schwanken  um  eine  höhere  Mittlere 
als  vorher.«     'S.  28.) 

Antwort:  Ich  kann  nicht  finden,  daß  in  diesen  Sätzen  irgend  etwas 
Neues  enthalten  ist :  dieselben  bilden  ja  die  Grundlage  der  ÜARwix'schen 
Züchtungslehre. 

Allein  es  wird  ihre  Herrschaft  zurückgewiesen  durch  die  Thatsache. 
daß  auch  die  eifrigste  Züchtung  nur  innerhalb  gewisser  Grenzen  und 
innerhalb  gewisser  Richtungen  etwas  erzielen  kann  —  vorzüglich  wird 
dies  möglich  sein  innerhalb  der  Richtungen,  in  welchen  die  Natur  selbst 
arbeitet:  die  Züchtung  wird  erfolgreich  sein  da,  wo  sie  die 
gegebenenEntwickelungs  richtungen  begünstigt,  erfolglos  da. 
wo  sie  ihnen  entgegenzuarbeiten  versucht. 

Herr  Weismaxn  erzählt  uns,  ein  berühmter  Taubenzüchter  habe 
ihm  auf  die  Frage,  ob  er  annehme,  daß  durch  die  künstliche  Züchtung 
selbst  ein  Charakter  gesteigert  werden  könne,  erwidert:  »Wir  können 
freilich  nichts  machen,  wenn  die  Variation,  die  wir  wünschen,  sich  uns 
nicht  darbietet,  aber  ist  sie  einmal  da,  dann  glaube  ich,  gelingt  auch 
die  Steigerung«.  »Nun  in  der  That,  so  muß  es  sein«,  setzt  der  erstere 
erfreut  hinzu  und  schließt  sofort:  dadurch,  daß  in  jeder  Generation 
stets  die  Hähne  mit  den  längeren  Federn  zu  Nachzucht  ausgewählt  wurden, 
sei  eine  bedeutende  Steigerung  dieses  Charakters  eingetreten.  —  Ich  frage 
aber,  wodurch,  auf  Grund  welcher  Ursache  ist  der  erste  Anfang  der 
Veränderung  der  dann  weiter  gezüchteten  Eigenschaft  aufgetreten  ?  — 
Doch  gewiß  nicht  durch  Selektion!  Wenn  aber  Selektion  die  neue  Eigen- 
schaft nicht  erzeugt  hat.  so  braucht  auch  nicht  von  vornherein  angenom- 
men  zu  werden,  daß  sie  es  ist,  welche  alles  weitere  besorgt.  Daß  viel- 
mehr entsprechende  Entwickelungsrichtung  auch  bei  der  weiteren  Züchtung 
einer  Eigenschaft  mit  maßgebend  sein  muß,  das  dürfte  schon  die  That- 
sache beweisen,  daß  nicht  jede  Eigenschaft,  welche  da  ist,  durch  Züch- 
tung in  demselben  Maße  vergrößert  werden  kann  wie  z.  B.  die  Schwanz- 
federn des  japanischen  Haushahns.     Übrigens  hat  als  Zeichen  gegebener 


76  Die  sogenannte  Germinalselektion. 

Eiitwickelungsriclitung  auch  der  Stammvater  des  Haushahns,  Gallus  han- 
l.ioa,  ohne  die  Beihilfe  künstlicher  Züchtung  schon  erheblich  verlängerte 
Schwanzfedern :  es  sind  die  beiden  mittleren  hier  beinahe  doppelt  so 
lang  als  die  übrigen,  und  auch  bei  unseren  Haushähnen  kommen,  ob- 
schon  man  sich  auf  die  Züchtung  nicht  gerade  verlegt,  sehr  lange  mitt- 
lere Schwanzfedern  vor,  nicht  aber  bei  Hennen.  Man  versuche  sie  ein- 
mal hier  durch  Selektion  zu  züchten!  Auch  kann  dort  nicht  geschlechtliche 
Auslese  maßgebend  sein,  denn  nicht  der  schönste  Hahn  kommt  zur  Be- 
gattung, sondern  der  kräftigste. 

Es  geht  übrigens,  wie  ja  auch  von  Anderen  hervorgehoben  worden 
ist,  von  vornherein  nicht  an,  die  Wirkung  künstlicher  Zuchtwahl  unbe- 
dingt auf  die  natürliche  anzuwenden,  weil  dort  mit  Mitteln  gearbeitet 
wird,  und  weil  dort  Lebensverhältnisse  mitwirken,  welche  in  der  freien 
Natur  nicht  überall  maßgebend  sind,  und  mit  einem  einseitigen  Hoch- 
druck, der  gleichfalls  hier  nicht  in  entsprechender  Weise  in  Frage  kommt. 
Lassen  wir  aber  das  Beispiel  mit  dem  langschwänzigen  Hahn  auch  für 
die  natürliche  Umbildung  gelten ,  so  ist  wohl  zweifellos ,  dass  die  Ver- 
längerung der  Schwanzfedern  durch  künstliche  Auslese  eben  nur  des- 
halb erzielt  werden  kann,  weil  es  sich  dabei  um  Begünstigung 
einer  natürlichen  Entwickelungsrichtung  handelt. 

Bei  aller  Abänderung  sind  immer  in  erster  Linie  die  Ent- 
wickelun  gsrichtungen  maßgebend,  nicht  die  Züchtung.  Die 
letztere  kann  selbst  nichts  neues  schaffen,  sie  kann  nur  mit  dem  arbeiten, 
was  ihr  die  Natur  an  die  Hand  giebt.  Dies  aber  kann  sie  freilich  zu 
Gunsten  des  Nutzens  noch  weiter  ausbilden.  Dabei  ist  die  Erklärung  mit 
dem  Verschieben  eines  mittleren  Zustandes,  wie  sie  der  Redner  giebt, 
ganz  selbstverständlich  und  seit  Darwin  nie  anders  gedacht  worden. 

Selbstverständliche  Grundlage  der  DARwiN'schen  Auffassung  und  den 
Thatsachen  entsprechend  ist  es  ja  auch,  daß  nach  durch  Züchtung  er- 
folgtem Fortschritt  im  ganzen  immer  auch  einzelne  Individuen  in  der 
bezüglichen  Eigenschaft  wieder  unter  das  neu  erreichte  Mittel  zurück- 
sinken. In  der  freien  Natur  ist  dies  ebenso  der  Fall,  auch  dann,  wenn 
beim  Fortschreiten  Züchtung  ganz  außer  Betracht  bleibt.  Daß  aber  die 
Umbildung  in  weiten  Gebieten  ohne  jeden  Einfluß  der  Züchtung  erfolgt, 
vielmehr  unmittelbar  infolge  äußerer  Einflüsse  und  der  Konstitution,  das 
beweist  allein  zur  Genüge  die  Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den 
Schmetterlingen « . 

Die  Umbildung  der  Eigenschaften  geht,  wie  alle  Thatsachen  der  Ortho- 
genesis,  wie  insbesondere  meine  eingehenden  Untersuchungen  über  das 
Variieren  der  Mauereidechse  auf  das  Unwiderleglichste  beweisen,  in  be- 
stimmter Richtung  vor  sich,  ohne  daß  Züchtung  in  Betracht  käme,  und 
zwar  ist  diese  Richtung  eine  bestimmte,  im  gegebenen  Falle  nach  vor- 
wärts. —  Auch  hier  kommen,  wie  gesagt,  Rückschläge  unter  ein  gewor- 
denes neues  Mittel  vor,  aber  —  und  dies  muß  ich  noch  besonders  her- 
vorheben —  es  handelt  sich  in  der  freien  Natur  weder  jetzt  noch  vorher 
um   ein  gleichwertiges  Oscillieren  nach  vor-   und   rückwärts,    sondern  in 


i 


Antworten  auf  die  Lehrsätze  der  »Germinalselektion«.  7-7 

der  Hauptsache  um  ein  unbeirrtes  Vorwärts-  oder  um  ein  ebensolches 
Zurückschreiten.  Es  ist  klar,  daß  hier  künstliche  Züchtung  mit  der  na- 
türlichen Umbildung  wieder  nicht  zusammengestellt  werden  darf:  jene 
übt  einen  gewissen  Zwang  aus,  welchem  sich  der  Organismus,  sobald  er 
kann,  wieder  zu  entziehen  sucht,  indem  er  strebt,  in  den  früheren  Zu- 
stand zurückzukehren.  Bei  Züchtung  in  der  freien  Natur  wird  dies  schon 
weniger  leicht  statthaben,  weil  die  züchtenden  Mittel  natürlichere  und  be- 
ständigere sind.  Bei  rein  orthogenetischer  Umbildung  endlich,  bei  welcher 
nur  die  Äußerungen  des  »Wachsens«  maßgebend  sind,  wird  ein  solches 
Oscillieren  in  zurückschlagendem  Sinne  noch  weniger  häufig  sein  können. 

Gänzlich  zurückweisen  aber  muß  ich  die  Vorstellung,  daß  das  Oscil- 
lieren von  einem  Nullpunkt  aus  nach  den  verschiedensten  Bichtungen 
geschehe.  Davon  kann  gar  keine  Bede  sein:  es  sind  eben  immer  nur 
wenige  bestimmte  Bichtungen,  nach  welchen  die  Umbildung  geschieht, 
und  der  gab el ige  Stammbaum  des  Pflanzen-  und  Tierreichs  zeigt  allein 
schon,  wie  früher  ausgeführt,  daß  es  sich  dabei  in  der  Begel  um  eine 
Bichtung  handelt,  welche  sich  an  bestimmten  Stellen  in  zwei  teilt. 

14.  Die  Germinalselektion  soll  nun  besagen,  daß  stets  die  »De- 
terminanten<'-  der  gez-üchteten  bezw.  in  Züchtung  begriffenen  Eigenschaften 
besser  ernährt  iverden,  sich  besser  ernühren,  iveil  sie  kräftiger  sind  als 
die  anderen,  schwächeren;  »letztere  iverden  deshalb  langsamer  ivachsen 
und  schwächere  Nachkommen  liefern  als  jene«. 

Die  Minus -Variationen  beruhen  auf  schivächeren  Determinanten  des 
Keims,  »d.  h.  auf  solchen,  icelche  die  Nahrung  weniger  kräftig  anziehen 
als  andere.  Da  mm  aber  jede  Determinante  um  die  Nahrung  mit  ihren 
Nachbarn  kämpft,  d.  h.  so  viel  davon  an  sich  zieht,  als  sie  vermöge  ihrer 
Assimilationskraft  und  vermöge  des  vorhandenen  Nahrungsvorrats  anziehen 
mag,  so  werden  die  ungeschwächten  Determinanten  ihr  die  Nahrung  stärker 
entziehen  als  ihre  Vorfahren«  ....  ihre  Nachkommen  iverden  also  noch 
etwas  schwächer  ausfallen. 

Daß  es  eine  Germinalselektion  giebt  —  »das  geht  aus  dem  gesetz- 
mäßigen Schwinden  nutzlos  gewordener  Teile  hervor«-.    (S.  37.) 

Es  wird  nun  also  der  Kampf  der  Teile  im  Organismus  durch  die 
V Germinalselektion«  auf  die  Keimzellen  übertragen.  Früher  war  es  — 
da  es  einmal  keine  Vererbung  erworbener  Eigenschaften  und  sonach 
auch  keine  Bückbildung  infoige  des  Nichtgebrauchs  nach  dem  Glauben 
des  Verfassers  geben  kann  —  die  Panmixie,  welche  diese  Bückbildung 
bedingt,  d.  h.  diejenigen  Eigenschaften,  welche  nicht  mehr  nützlich  sind, 
nicht  mehr  gezüchtet  werden,  sollten  im  Meer  der  geschlechtlichen 
Mischune  allmählich  verschwinden. 

Ich  bin,  wenn  ich  nicht  irre,  der  erste  gewesen,  welcher  auch 
diesem  Anspruch  der  Keimplasma -Hypothesen  mit  Gründen  entgegen- 
getreten istiy,  hatte  aber  eine  Antwort  auf  meine  Einwände  so  wenig 
wie  später  Andere  erhalten. 


1)  Meine  »Entstehung  der  Arten«  S.  232  ff. 


78  Die  sogenannte  Germinalselektion. 

Heute  auf  einmal,  da  zum  Zweck  anderer  besonderer  Beweisführung; 
die  Gründung  der  Germinalselektion  notwendig  erschienen  ist,  verzichtet 
man  zu  Gunsten  der  neuen  Hypothese  auf  die  Herrschaft  der  alten  und 
kleidet  dies  in  folgende  Worte:  »Diejenigen  meiner  Gegner,  welche  zwar 
nicht  jede  Wirksamkeit  der  Panmixie  in  Abrede  stellen,  wohl  aber  ihr 
Ausreichen  zur  Erklärung  des  völligen  Schwunds  eines  Teiles,  haben 
insoweit  Recht  gehabt,  wie  ich  gerne  anerkenne«.  Ich  erkenne  dagegen 
gerne  an,  daß  dies  die  Sprache  eines  wissenschaftlichen  Gegners  wäre  — 
wenn  sie  nicht  so  vereinzelt,  sondern  überall  geübt  würde.  Merkwürdig  aber 
ist  es  zu  sehen,  wie  die  jetzt  plötzlich  zu  Ehren  gekommene  Orthogenesis 
unter  dem  Schutze  der  Germinalselektion  gar  eine  glänzende  Leuchte 
abgiebt  für  die  Transmutation.  Man  muß  sich  in  der  That  nach  der 
Überzeugungskraft,  mit  welcher  diese  neue  Einsicht  auftritt,  darüber 
wundern,  wie  ein  so  hervorragender  Specialist  in  Fragen  der  Selektion 
über  so  wichtige  und  notwendige  Ergänzungen  der  DARwm'schen  Lehre 
so  lange  im  Dunkeln  bleiben,  ja  wie  er  den  jetzt  auf  einmal  für  ihn  so 
klar  liegenden  Thatsachen,  so  oft  dieselben  ihm  zu  seiner  Unlust  auch 
von  mir  entgegengehalten  worden  sind,  so  lange  hat  widerstreben  können.^) 
Die  alte  ehrwürdige  »Personalselektion«  wird  nun  ein  ganzes  Stiefkind 
gegenüber  den  neuen  Sprößlingen,  welchen  der  Vater  jetzt  alle  Gunst 
zuwendet.  Aber  nicht  genug:  schon  drängt  der  jüngste,  kaum  geborene 
den  nächst  älteren  in  den  Hintergrund.  2) 

15.  Jetzt  yfängt  es  an  verständlich  zu  werden^  wie  so  gleichzeitig 
eine  ganze  Menge  von  Veränderungen  verschiedener  Art  und 
sehr  verschiedenen  Grades  durch  Personalselektion  geleitet 
werden  kann.<:     (S.  39.) 

Antwort:  Es  ist  schwer  verständlich,  wodurch  dies  anfangen 
soll  verständlich   zu  werden !     Der    vorhergehende   Satz    stellt    nur    die 

1)  Vergl.  auch  G.  Wolff:  »Der  gegenwärtige  Stand  des  Darwinismus«,  Vortrag, 
Leipzig,  Engelmann  1896,  welcher  zugleich  Herrn  August  Weismann,  ein  Zeichen  des 
kräftig  wachsenden  Widerspruchs  gegen  dessen  Zumutungen,  von  den  Darwinisten 
selbst  als  »enfant  terrible«  angesehen  sein  läßt.  Herr  Wolff  hatte  die  »Panmixie« 
mit  besonders  eingreifenden  Gründen  bekämpft  (Biolog.  Centralblatt  Bd.  X,  XI,  XIV). 
Derselbe  sagt  in  obengenannter  Schrift,  in  völliger  Übereinstimmung  mit  meinem  Urteil: 
»Solchen  Einwänden  war  Weisjiaxn  bisher  völlig  unzugänglich.  Er  schrieb  Broschüre 
auf  Broschüre  über  seine  Panmixie,  als  eine  unbestreitbare  Thatsache,  und  that,  als 
ob  er  nichts  gehört  hätte.  Jetzt  plötzlich  ist  ihm  der  »neue  Gedanke«  gekommen, 
daß  es  mit  der  Panmixie  am  Ende  doch  noch  nicht  so  ganz  in  Ordnung  sei«  (S.  13) 
und  weiter:  »Die  Gemeinde  wird  von  ihrem  Priester  wissen  wollen,  weshalb  er  ihr 
das  jetzt  erst  sagt ;  man  wird  von  Weismann  Auskunft  fordern,  weshalb  er  über  diese 
Unzulänglichkeit  der  Selektionstheorie  bisher  so  hartnäckig  schwieg  und  erst  dann 
darüber  zu  reden  für  nötig  fand,  als  er  glaubte,  ein  Mittel  zu  besitzen,  das  diese  Un- 
zulänglichkeit beseitige;  und  ich  selbst  wäre  berechtigt,  Weismann  zu  fragen,  warum 
er  meine  Einwände  gegen  die  Selektionstheorie  fünf  Jahre  lang  ignorierte,  obwohl  er, 
wie  er  jetzt  gesteht,  in  den  von  mir  beigebrachten  Gegengründen  unüberwindliche 
Schwierigkeiten  für  die  bisherige  Selektionstheorie  erblickte«  (S.  29).  (Mein  obiger  ähn- 
lich lautender  Vorhalt  war  schon  vor  dem  Erscheinen  des  WoLFF'schen  Vortrags 
niedergeschrieben.) 

2    Man  vergl.  A.  Weis.mann,  »Neue  Gedanken  zur  Vererbungsfrage«   1 895. 


Antworten  auf  die  Lehrsätze  der  »Germinalselektion«.  79 

Behauptung  auf,  daß  sich,  »wie  es  mir  scheint«,  -»verstehen  läßt,  wie 
Personalselektion  den  Anstoß  zu  Vorgängen  im  Keimplasma  giebt,  welche, 
wenn  sie  einmal  in  Gang  gebracht  sind,  von  selbst  in  der  gleichen  Rich- 
tung iveitergehen  und  deshalb  nicht  der  unausgesetzt  auf  einen  bestimmten 
Teil  allein   gerichteten  Nachhülfe  der  Personalselektion   bedürfen«..     (S.  38.) 

Ich  verstehe  das  alles  nicht  —  aber  doch  —  es  fängt  mir  an  ver- 
ständlich zu  werden,  daß  mein  Gegner  seine  von  mir  durch  den  Hin- 
weis auf  Korrelation  —  »kaleidoskopische  Umbildung«  —  und  Kompen- 
sation, wie  ich  meine,  längst  widerlegte,  von  ihm  aber  bis  vor  kurzem 
unweigerlich  festgehaltene  Behauptung  von  der  Einzelzüchtung  Jeglicher 
Eigenschaft  nunmehr  in  das  äußerste  Gegenteil  wendet.  Er  hatte  bis 
dahin  jene  Behauptung  festgehalten  zu  Gunsten  der  in  seinen  Augen 
früher  einzig  mächtigen  Personalselektion. 

Im  vorliegenden  Falle  bereitet  derselbe  mit  dem  in  Rede  stehenden 
Satze  die  Erkenntnis  vom  Gegenteil  der  Einzelzüchtung  vor,  nämlich  die 
Erklärung,  daß  nicht  nur  mittelbar  durch  »trophischen  Reiz«  mit  Hülfe 
der  »Intraselektion«  ^)  im  Zusammenhang  mit  einer  neuen  Eigenschaft 
auch  andere  entständen,  sondern  daß  eine  ganze  Summe  von  Eigen- 
schaften mit  Hülfe  der  Germinalselektion  gleichzeitig  in  den  Keim 
hinein  gezüchtet  werden  könne  durch  Auslese.  Und  zwar  dies  allein 
dadurch,  daß  alle  ausgelesenen  Determinanten,  weil  sie  kräftiger  sind 
als  die  nicht  ausgelesenen,  diese  im  Keimplasma  verdrängen! 

Es  wird  dem  Leser  längst  der  Einwurf  gegen  die  »Germinalselektion« 
gekommen  sein,  daß  dieselbe  einfach  durch  kräftigere  Ernährung  die  Um- 
bildungen verschiedenster  Art  —  nicht  nur  die  der  Größe,  sondern  die 
jeglicher  Beschaffenheit  und  Zusammensetzung  erklären  soll.  Diesem 
naheliegenden  Einwurf  sucht  der  Verfasser  dadurch  die  Spitze  abzu- 
brechen, daß  er  die  Behauptung  aufstellt, 

'16.  die  meisten  Qualitätsänderungen,  ivelche  in  Betracht  kommen,  be- 
ruhten auf  Quantitätsänderwigen. 

Antwort:  Der  Redner  kommt  damit  abermals  zur  Anerkennung 
einer  von  mir  längst  vertretenen  Auffassung:  ich  habe  mit  dem  Aus- 
druck »kaleidoskopische  Umbildung«  die  Art  von  Korrelation  be- 
zeichnet, bei  welcher  plötzlich  —  wie  in  einem  Kaleidoskop  —  ein  ganzes 
Bild  von  Zeichnung  und  Farbe  sich  zu  einem  neuen  Bilde  gestaltet,  wie 
z.  B.  bei  der  Umbildung  von  Vanessa  levana  in  prorsa  auf  Einwirkung 
von  Wärme.  Es  handelt  sich  dabei  entschieden  mit  um  Vorgänge  der 
Kompensation^!.  Allein  es  kommen  bei  der  Umbildung  doch  auch 
qualitative  Veränderungen   in  Betracht,    und   auf  diese  kann  die  Ger- 


1)  Verg].  »Neue  Gedanken  zur  Vererbungsfrage«.  Diese  vielleicht  merkwürdigste 
aller  Flugschriften  über  die  Keiniplasma-Hypothese,  mit  deren  Zurückweisung  der 
WoLFF'sche  Vortrag  sich  hauptsächlich  beschäftigt,  bietet  noch  reichen  ungehobenen 
Schatz  zur  Beurteilung  der  Logik  derselben.  Vielleicht,  daß  ich  veranlaßt  werde,  auch 
diesen  Schatz  zu  heben. 

2)  Vergl.    auch    F.  Urech,    Beobachtungen    von   Compensationsvorgängen    in   der 
benzeichnung  u.  s.  w.    Zool.  Anzeiger  Nr.  300 — 502. 


80  I^iß  sogenannte  Germinalselektion. 

rainalselektion  so  wenig  Anwendung  finden  wie  auf  irgendwelche  andere 
Veränderungen  physiologischer  Art,  welche  mit  der  Ernährung  nichts  zu 
thun  haben. 

Der  Redner  will  sich  nun  damit  helfen,  daß  er  sagt,  die  chemischen 
Umsetzungen  schlössen  meist  auch  Quantitätsänderungen  ein,  da  ja 
Änderungen  im  Zahlenverhältnis  der  Atome  wesentliche  Änderungen  in 
den  Eigenschaften  eines  chemischen  Moleküls  hervorrufen.  (S.  40,  41.) 

In  letzter  Linie  sind  es  nicht  die  Determinanten^  ivelche  durch  die  Aus- 
lese bezw.  die  Ernährung  beeinflußt  iverden,  sondern  schon  die  Biophoren, 
und  es  wird  unter  Bekräftigung  durch  ein  drolliges  Beispiel  der  allge- 
meine Satz  erreicht:  »/)ee  Verschiebung  in  den  Quantitätsverhültnissen  der 
Biophoren  erscheint  uns  aber  als  Qualitätsänderung  der  betreffenden  De- 
terminanten, ähnlich  wie  uns  auch  einfache  Vermehrung  einer  Determinante, 
z.  B.  der  eines  Haares,  als  Qualitätsänderung  imponieren  kann,  wenn 
dadurch  eine  Stelle  der  Haut,  deren  Haare  vorher  nur  vereinzelt  standen, 
dicht  gedrängt  voll  Haare  zu  stehen  kommt  und  so  den  Charakter  eines 
wolligen  Pelzes  erhält«  —  ein  wahrhaft  klassischer  Vergleich,  der  mir 
eine  nähere  Beziehung  zu  den  hoffnungsvollen  Vorstellungen  von  Häuptern 
mit  beginnendem  Mondglanz  zu  haben  scheint  als  mit  Chemie.  Das  Haar 
ist  in  diesem  Vergleich  —  Biophore,  die  Hautstelle  mit  dem  Pelz  — 
Determinante. 

Man  beachte  aber  wohl,  daß  der  Dialektiker,  indem  er  doch  nicht 
die  ganze  Chemie  unter  die  Wage  bringen  darf,  nur  von  den  meisten 
in  Frage  kommenden  Eigenschaften  spricht,  welche  auch  chemisch  quan- 
titativ sollten  erklärt  werden  können  —  ohne  im  geringsten  an  dem, 
was  übrig  bleibt,  für  seine  Hypothese  irgend  Anstoß  zu  nehmen,  wäh- 
rend er  doch  sonst  stets  bereit  ist,  auf  Grund  einer  einzigen 
für  jetzt  nicht  erklärbaren  Thatsache  jede  gegnerische  Mei- 
nung umstoßen  zu  wollen  oder  aber  wieder  auf  eine  einzige 
solche  nicht  sofort  erklärbare  Thatsache  eine  neue  Hypo- 
these  zu  gründen. 

Von  den  gerade  für  die  Farben  so  reichlich  in  Betracht  kommenden 
physikalischen  Veränderungen  wird  ganz  geschwiegen. 

Man  sieht,  es  bleibt  lediglich  eine  völlig  unhaltbare  Annahme  für 
die  Begründung  der  »Germinalselektion  übrig:  die  nämlich,  daß  Er- 
nährungsveränderung die  ganze  Umbildung  des  Keimplasma  hervorrufen 
soll,  welche  das  gesetzmäßige  Abändern  des  Lebewesens  bedingt. 

Durch  das  Beispiel  von  dem  gewordenen  wolligen  Pelz  wurde  uns 
vor  Augen  geführt,  wie  die  größte  Zahl  der  uns  als  qualitativ  erschei- 
nenden Änderungen  auf  für  uns  unsichtbaren  Änderungen  der  Quantität 
beruhen,  »und  solche  können  jederzeit  an  jeder  Stufe  von  Lebenseinheiten 
durch  Germinalselektion  hervorgerufen  iverden«. 

Da  Herr  Weismann  in  seinen  Beispielen  immer  am  deutlichsten  und 
unzweideutigsten  spricht,  so  hören  wir  ein  weiteres  solches  an. 

17.  Es  soll  also  bewiesen  werden,  daß ,  auf  Grund  der  Germinal- 
selektion,   »ganz   beliebig    umfassende    Teile    des   Körpers   als 


Antworten  auf  die  Lehrsätze  der  »Germinalselektion«.  gl 

Variationseinheiien  auftreten  und  gleich  oder  verschieden  va- 
riieren können^  ganz  nach  Bedürfnis  ^  d.h.  nach  Vorschrift  der 
Lebensbedingungen«  (d.i.  des  Nutzens),  »wie  es  z.B.  bei  den  Schmetter- 
lingsflügeln ganz  von  der  Nützlichkeit  abhängt,  wie  große  und  ivie  gestaltete 
Stellen  in  gleichem  Sinne  miteinander  variieren  sollen«.  (!)  »Bald  erscheint 
die  ganze  Unterfläche  des  Flügels  als  Variationseinheit  und  hat  die  gleiche 
Farbe,  bald  stellt  sich  eine  innere  dunklere  Hälfte  einer  äußeren  helleren 
gegenüber,  bald  die  vordere  der  hinteren,  bald  endlich  verhalten  sich  schmale, 
band-  oder  linienförmige  Streifen  als  Variationseinheiten  und  treten  in 
Gegensatz  zu  mamiigfacJien  Flecken  und  breiteren  Bahnen  zwischen  ihnen, 
sodaß  das  Bild  eines  Blattes  oder  das  einer  geschützten  anderen  Art  dabei 
herauskommt.«      (S.  41,  42.) 

So  weit  ist  also  mein  Herr  Gegner  —  doch  offenbar  durch  nichts 
Anderes  als  durch  meine  zwingenden  Beweise  der  Herrschaft  der  Or- 
thogenesis  —  von  seiner  Vertretung  des  Zufalls  abgekommen  und  zugleich 
von  seiner  Lehre  der  Einzelzüchtung  aller  Eigenschaften  !  Welcher  Reichtum 
an  Phantasie  aber  aus  Obigem  spricht,  werden  weitere  Thatsachen  zeigen. 

Hören  wir  das  Beispiel,  welches  den  denkbar  einfachsten  Fall  er- 
läutern soll,  die  gleichartige  Umfärbung  der  ganzen  unteren  Flügel- 
fläche. 

» Wenn  z.  B.  die  Stammart  eines  Waldschmetlerlings  die  Gewohnheit 
hatte,  sich  in  der  Ruhe  an  Zweigen  nahe  dem  Boden  mit  dürren  oder 
faulenden  Blättern  zu  setzen,  so  wird  sie  eine  Schutzfärbung  der  Unter- 
seite angenommen  haben,  welche  durch  dunkle  braune,  gelbe,  rote  Töne 
eine  Ähnlichkeit  mit  solchen  Blättern  anstrebte.«     (S.  42.) 

Ich  bestreite  diese  Schlußfolgerung  des  Redners,  vollkommen:  wenn 
die  Macht  der  Naturzüchtung  besteht,  welche  derselbe  überall  in  An- 
sprach nimmt  und  auch  für  seinen  Waldschmetterling  in  Anspruch  nehmen 
will,  so  war  dieser  längst  gefressen  und  seine  Rasse  ausgetilgt,  bevor 
sie  die  nötige  Schutzfärbung  angenommen  haben  wird  —  sofern  die 
Schmetterlinge  nämlich  nicht  so  vorsichtig  gewesen  sind,  da  zu  bleiben, 
wo  sie  durch  ihre  Farbe  angepaßt  waren  statt  sich  auf  das  grüne  Laub 
zu  setzen.    —    Das    »Anstreben«  wird  wohl  nicht  wörtlich  gemeint   sein. 

»  Wenn  nun  aber  Abkömmlinge  dieser  Stammart  später  die  Gewohnheit 
annehmen  mußten  —  einerlei  aus  welchem  Grunde  —  sich  hoch  oben  an 
die  grün  beblätterten  Zweige  zu  setzen«  —  dann  müßten  sie  alsbald  ver- 
tilgt werden,  meine  ich  —  nein:  »es  begann  ein  Prozeß  der  Selektion, 
der  zunächst  nur  in  der  Bevorzugung  solcher  Personen  bestand,  deren 
braune  und  gelbe  Farbentöne  eine  Hinneigung  zu  Grün  zeigten«.  —  Man 
sieht,  mein  gelehrter  Kollege  belehrt  uns  über  die  schwierigsten  Grund- 
begriffe des  Darwinismus.  In  der  That,  die  Darstellung  ist  bis  dahin 
sehr  klar.  Nur  erlauben  wir  uns  einige  Fragen:  1.  woher  kommen  auf 
einmal  grüne  Farbentöne  an  den  Faltern?  2.  traten  sie  an  vielen  Faltern 
zugleich  oder  nur  an  einzelnen  Individuen  auf?  3.  hat  schon  Selektion 
jene  wichtige  grüne  Farbe  hervorgerufen,  als  sie  da  und  dort  auftrat? 

Auf  die  erste  Frage   giebt  uns  der  Verfasser  sofort  selbst  Antwort: 

Eimer,  Orthogenesis.  g 


82  Die  sogenannte  Germinalselektion. 

die  grünen  Personen  waren  da,  sagt  er,  auf  Grund  »einer  Verschiebung  in 
dem  Verhältnis  der  verschiedenen  Biophoren- Arten  und  auf  Grund  dieses 
Verhältnisses  war  eine  Weiterentwickelung  nach  Grün  hin  ausführbar  — 
dann  aber  mußte  sie  erfolgen,  weil  ein  Schwanken  in  den  Verhältnis  zahlen 
der  Biophoren  immer  vorkommt,  folglich  das  3faterial  für  Germinalselek- 
tinn  stets  bereit  liegt«^.    (S.  42,  43.) 

Mit  einfachen  anderen  Worten:  es  gab  eben  grünliche  Falter  unter 
den  braunen,  weil  die  Art  abänderte.  Mehr  weiß  uns  der  Erfinder  der 
Germinalselektion  nicht  zu  sagen.  Das  erste  Abändern  ist  ein  zufälli- 
ges und  es  ist  nicht  gezüchtet  —  es  kann  ja  nicht  gezüchtet  sein, 
weil  die  Stammeltern  der  Falter  unter  entgegengesetzten  Verhältnissen 
lebten,  füge  ich  hinzu.  Es  kann  aber  auch  an  der  auf  den  grünen  Blät- 
tern lebenden  Brut  zunächst  nicht  gezüchtet  worden  sein,  denn  es  trat 
zuerst  nur  in  Farbentönen  (»Nuancen«)  gegen  Grün  hin  auf  —  alle  Um- 
bildung geschieht  ja  ganz  allmählich!  —  und  der  Redner  hebt  ja  selbst 
ausdrücklich  hervor,  daß  die  neu  auftretenden  Eigenschaften  zuerst  nicht 
nützlich  seien.  So  lange  aber  keine  Züchtung  vorhanden  ist,  giebt  es 
nach  demselben  auch  keine  bestimmt  gerichtete  Entwickelung,  denn  diese 
soll  ja  erst  durch  jene  geworden  sein.  Was  fangen  nun  die  in  der 
Hauptsache  immer  noch  braunen  Falter  inzwischen  auf  den  grünen  Blät- 
tern an,  da  ja  doch  gar  keine  Veranlassung  dazu  gegeben  ist,  daß  sie 
sich  mit  der  Grünfärbung  beeilen,  oder  daß  diese  überhaupt  auch  nur 
zunimmt!  Ich  fürchte  doch,  daß  sie  im  Lauf  der  Jahre,  wo  nicht  im 
ersten  Sommer  schon,  auf  den  grünen  Blättern  gefressen  werden ! 

Wenn  aber  nicht,  und  damit  kommen  wir  zur  zweiten  Frage,  während 
die  dritte  in  Vorstehendem  schon  behandelt  ist,  so  ist  gar  nicht  abzu- 
sehen, wie  bei  rein  zufälligem  Abändern  mit  einem  Male  zahlreiche 
Falter  gleichzeitig  grüne  Farbe  annehmen  sollen,  zumal  ihre  Vorfahren 
so  lange  nach  Braun  gezüchtet  worden  waren!  Es  ist  vielmehr  wahr- 
scheinlich, daß  die  grünen  nur  vereinzelt  auftreten.  Dann  aber  droht 
ihnen  eine  andere  Gefahr:  die  vereinzelten  Anläufe  grün  zu  werden, 
werden  durch  geschlechtliche  Mischung  mit  den  viel  zahlreicheren  braunen 
fortwährend  zurückgehalten,  und  es  ist  jetzt  klar,  daß  die  grünen  neben 
den  braunen  nicht  aufkommen  und  daß  sie  vor  allem  auch  nicht  grüner 
werden  können;  jedenfalls  ist  inzwischen  —  das  ist  jetzt  gewiß  —  die 
ganze  braune  Gesellschaft  auf  den  grünen  Blättern  von  Feinden  ver- 
nichtet. 

Wiederholt  muß  betont  werden,  daß  das  Abändern  zunächst  ja  nur, 
wie  der  Redner  ausdrücklich  sagt,  in  einem  Hinneigen  nach  Grün,  d.i. 
in  dem  Entstehen  einer  »Nuance«  von  Grün  besteht.  Und  es  ist  klar, 
daß  dieselben  aus  dieser  Hinneigung  unter  besagten  Umständen  nicht 
herauskommen,  bezw.  daß  sie  nicht  über  dieselbe  hinauskommen  können, 
weder  mit  den  Mitteln,  welche  der  gewöhnliche  Darwinismus  an  der  Hand 
hat,  noch  mit  der  Germinalselektion,  denn  diese  ist  zunächst  noch  gar 
nicht  wirksam,  und  so  weiß  man  vorerst  mit  derselben  nichts  anzufangen. 
»Sobald  aber  einmal  der  Anfang  gemacht  und  der  Variation  eine  bestimmte 


Antworten  auf  die  Lehrsätze  der  »Germinalselektion«.  83 

Richtung  gegeben  ist,  wird  der  Selektionsprozefi  weiter  gehen  müssen,  so- 
lange bis  die  für  die  Art  in  dem  betreffenden  Falle  erforderliche  Treue  der 
Nachahmung  des  Blattgrüns  erreicht  ist.«     (S.  43.) 

In  diesem  Punkte  befinden  wir  uns  in  einer  auffallenden  Überein- 
stimmung. Ich  möchte  nur  hinzufügen:  die  Auslese  wird  die  Ausbildung 
des  Grün  begünstigen  und  fördern  können,  umsomehr  als  —  die  Ent- 
M'ickelungsrichtung,  welche  dessen  Entstehung  und  Weiterbildung  von 
vornherein  veranlaßt  hat,  fortdauern  wird.  Denn  nur  wenn  beide  von 
vornherein,  auch  so  lange  als  das  Grün  noch  nicht  nützlich  sein  konnte, 
auf  bestimmt  gerichteter  Entwicklung  beruhten,  ist  es  verständlich,  daß 
die  Waldschmetterlingssippe  immer  grüner  wurde,  bis  endlich  Auslese 
eingreifen  konnte  —  dies  schon  deshalb,  weil  die  Orthogenesis , 
abgesehen  davon,  daß  sie  unaufhaltsam  vorwärts  schreitet,  nicht  nur 
einzelne  derselben  umbildet,  sondern  zahlreiche  zugleich,  so 
daß  geschlechtliche  Mischung  mit  einer  Mehrzahl  von  braunen  Faltern 
die  grünen  nicht  aufsaugen  kann:  im  Gegenteil,  es  werden  immer  mehr 
grüne  und  immer  grünere  durch  die  bestimmt  gerichtete  Entwickelung 
entstehen,  bis  etwa  Züchtung  eingreift. 

Wenn  aber  der  Redner  des  Weiteren  sagt,  »der  Unterschied  zwischen 
dieser  und  der  bisherigen  Auffassung  des  Selektionsprozesses  liegt  nicht  nur 
darin,  daß  von  Anfang  an  stets  eine  große  Individuenzahl  mit  den  An- 
fangsstufen  der  gewünschten  Variation  vorhanden  ist,  da  es  immer  Plus- 
und  Minus-Variationen  giebt«,  und  daß  die  Selektion  nicht  mehr  auf  zu- 
fällige Variationen  zu  warten  angewiesen  ist,  sondern  daß  sie  dieselben 
selbst  produziert,  sobald  die  Elemente  dazu  überhaupt  vorhanden  sind, 
»diese  aber  sind  in  solchen  Fällen,  bei  denen  es  sich  bloß  um  Vergrößerung 
oder  Verkleinerung  eines  Teils  oder  eines  Teils  von  einem  Teil  handelt, 
immer  vorhanden,  bei  Änderung  der  Qualität  aber  wenigstens  in  vielen  (!) 
Fällen«,  so  kann  sich  dies  alles  selbstverständlich  bei  ihm  nur  auf  die 
Zeit  nach  Beginn  der  Auslese  beziehen. 

Ist  es  denn  aber  nicht  der  Mühe  wert  den  Gedanken  ins  Ause  zu 
fassen,  es  könnte  die  Farbe  der  Oberfläche  wie  der  Unterfläche  der 
Schmetterlingsflügel  mit  bedingt  sein  durch  unmittelbare  Einwirkung  des 
Lichtes?  Liegt  es  nicht  nahe  anzunehmen,  es  möchte  die  düstere  Fär- 
bung der  Unterseite  bei  Tagfaltern  in  unmittelbarer  Beziehung  stehen 
zu  der  Farbe  des  Bodens  bezw.  auf  ihm  liegender  toter  Gegenstände, 
wie  dürres  Laub  und  dgl.?  In  meiner  »Entstehung  der  Arten«  habe 
ich  auf  diesen  Gegenstand  ausführlich  auch  an  der  Hand  eigener  Ver- 
suche an  Amphibien  —  entsprechend  Erfahrungen,  welche  schon  vorher 
von  Leydig  ')  gemacht  worden  sind  —  hingewiesen,  und  die  erwähnten 
Schriften  von  Wiener  und  Standfüss  machen  es  sehr  wahrscheinlich,  daß 
Färbungen  von  Faltern  unmittelbar  von  solchen  äußeren  Lichtwirkungen 
abhängen.     Weitere  Beweise  dafür  werde  ich  beibringen. 

Im  Übrigen  will  ich   hier  wiederholt  auf  den   später  zu  behandeln- 


1)  F.  Leydig:  Die  anuren  Batrachier.    Bonn  1877. 

6* 


84  Die  sogenannte  Germinalselektion. 

den  Fall  des  Ahänderns  von  Doleschullia  polibete  hinweisen  mit  der  Be- 
merkung, daß  derselbe  dem  ganzen  vom  Verfasser  ausgedachten  Vorgang 
einer  angepaßten  Umbildung  zum  Blattschmelterling  vollkommen  wider- 
spricht. Denn  dort  kommen,  wie  gesagt,  die  verschiedensten  Stufen  von 
Blattähnlichkeit  nebeneinander  an  derselben  Örtlichkeit  vor. 

18.  Der  Verfasser  spricht  von  der  Mimicry,  wenn  er  sagt:  >i'Nur 
wenn  die  nützlichen  Variationen  durch  interne  Selektionsprozesse  im  Keim 
selbst  hervorgehen fen  werden  können^  erscheint  die  Nachahmung  einer  im- 
munen Art  durch  zwei,  drei  andere  Arten  oder  die  Nachäffung  verschie- 
dener immuner  Vorbilder  durch  ein  und  dieselbe  schutzbedürftige  Art  ver- 
stündlich«. 

•»Man  wird  immerhin  Darwin  und  Wallace  zugeben  dürfen  (!),  daß 
irgend  ein  Grad  der  Ähnlichkeit  zwischen  Vor-  und  Nachbild  schon  von 
vornherein  vorhanden  ivar  ^  wenigstens  in  gar  manchen  Fällen.,  allein  in 
gar  keinem  Fall  würde  dies  genügt  haben,  wenn  nicht  unbedeutende  (!) 
Schattierungen  den  Ansatzpunkt  zur  Personalselektion  und  damit  zu  selb- 
ständiger, nur  in  einer  Richtung  beeinflußter  Germinalselektion  ge- 
geben hätten«   (S.  45). 

Antwort:  Da  haben  wir  noch  einmal  ganz  klar  die  Nichtberück- 
sichtigung der  Anfänge  und  der  ersten  Stufen  des  Abänderns  in  der 
neuesten  Keimplasma-Spekulation  —  man  sieht,  mit  welcher  Kunst  der 
noch  nicht  der  »Germinalselektion«  unterworfene  Anfang  von  Farben 
durch  die  Äußerung  » unbedeutende  Schattierungen  «  überbrückt  werden 
will,  welche  nebensächliche  Bedeutung  dem  » Vorbild «  zugeschrieben 
wird!  Und  doch  ist  es  ganz  selbstverständlich,  dass  eine  solche 
»Schattierung«  oder  ein  solches  Vorbild  schon  recht  deutlich  sein  muß, 
wenn  sie  für  Auslese  maßgebend  sein  sollen. 

Die  Behauptung  meines  Gegners,  seine  ja  erst  mit  der  Nützlichkeit 
einer  Eigenschaft  einsetzende  »Germinalselektion«  bewirke,  daß  Selektion 
nicht  mehr  darauf  angewiesen  sei,  auf  zufällige  Eigenschaften  zu  warten, 
beruht  also  auf  Unterschlagung  des  für  die  ganze  Frage  wichtigsten 
Entwicklungsabschnittes,  desjenigen,  in  welchem  die  neuen  Eigenschaften 
noch  nicht  nützlich  sind,  in  welchem  sie  nach  ihm  als  zufällig  gebildete 
erscheinen  sollen. 

Immer  wieder  habe  ich  —  und  zwar  gerade  in  meinen  Schmetter- 
lingsarbeiten —  darauf  hingewiesen,  und  schon  Nägeli  hat  dies  hervorge- 
hoben :  nur  bestimmt  gerichtete  Entwicklung  sei  im  Stande,  das  Herrschend- 
werden neuer  Eigenschaften  zu  erklären,  weil  nur  sie  es  verständlich 
mache,  daß  diese  Eigenschaften  stets  an  einer  genügend  großen  Zahl  von 
Individuen  erscheinen,  um  das  Unterdrücktwerden  durch  die  ursprünglich 
gearteten  zu  verhindern.  .Jetzt  verwendet  mein  Gegner  diesen  Satz  ein- 
fach nur  auf  die  Zeit,  in  welcher  seine  Germinalselektion  schon  züchten 
kann  —  während  derselbe  doch  vorher  zur  Erklärung  der  Thatsachen 
am  wichtigsten  ist,  nicht  nachdem  die  Auslese,  sei  es  mit,  sei  es 
ohne  Germinalselektion,  schon  eingegriffen  hat. 

Ja   auf  einmal  kommt   derselbe   in   Beziehung   auf  Mimicry  zu   der 


Antworten  auf  die  Lehrsätze  der  »Germinalselektion«.  85 

Erkenntnis,  wie  wenig  die  früher  nach  seiner  Ansicht  allmächtige  Per- 
sonalselektion (»Allmacht  der  Naturzüchtung«!)  im  Stande  ist  die  That- 
sachen  zu  erklären :  » Unmöglich  auch  hätte  jemals  eine  so  weitgehende 
Ähnlichkeit  in  den  Farbenmustern  und  besonders  in  den  Farbennuancen  zu 
Stande  kommen  können,  wenn  die  ganze  Anpassung  lediglich  auf  Personal- 
selektion beruhte.  Da  müsste  ja  fortivährend  bei  jeder  Art  eine  ganze 
Skala  der  verschiedensten  Farbennuancen  als  Variationen  sich  darbieten, 
loas  doch  nicht  der  Fall  ist.<i  So  kommt  man  heute  dazu,  fast  mit 
meinen  eigenen  Worten  zu  wiederholen ,  was  ich  zu  Gunsten  der  be- 
stimmt gerichteten  Entwickelung  so  oft  gesagt  habe. 

19.  An  der  Hand,  wie  er  meint,  ausgesprochener  wunderbarer 
Fälle  von  Mimicry,  zunächst  zwischen  Faltern,  »in  denen  die  Farbentöne 
des  Vorbildes  mehr  oder  iveniger,  oft  aber  ganz  genau  loieder  getroffen 
worden  sind,  und  lausender  von  Fällen,  in  denen  der  Furbentoii  einer 
Rinde,  eines  bestimmten  Blattes,  einer  bestimmten  Blüle  genau  bei  dem  pro- 
tektiv gefärbte?}.  Insekt  loiederholt  ist«,  kommt  jetzt  die  Überzeugung:  »da 
kann  von  Zufall  nicht  die  Rede  sein«.  Aber  weiter:  »Da  müssen  die  der 
Personen-Zuchtwahl  sich  darbietenden  Variationen  selbst  schon  durch  das 
Prinzip  des  'Überdauerns  des  Zweckmäßigen  hervorgerufen  tüorde?i  sein! 
Und  dies  geschieht,  wie  ich  glauben  möchte,  durch  solche  intime  Selektions- 
vorgänge im  Innern  des  Keimplasmas,  wie  ich  sie  eben  an  Germinal-Se- 
lektion  zu  skizzieren  versuchte.«     (S.  46.) 

Antwort:  Die  Thatsachen,  welche  ich  schon  bisher  zum  Beweis  da- 
für vorgeführt  habe,  daß  zahlreiche  —  ja  wahrscheinlich  die  weitaus 
zahlreichsten  —  Fälle  von  sogenannter  Mimicry  gar  nichts  mit  »Nach- 
ahmung«, bezw.  mit  Auslese  zu  thun  haben,  und  welche  den  unwider- 
leglichen Beweis  liefern,  daß  scheinbare  wie  wirkliche  Mimicry  zwischen 
Faltern  auf  unabhängiger  Ent  wickelungsgleichheit  (Homoeo- 
genesis)  beruhen '),  sind  hier  nicht  berücksichtigt.  Es  ist  aber  von 
vornherein  auf  Grund  dieser  Thatsachen  naheliegend,  daß  selbst  die  aus- 
gesprochensten Fälle  von  Nachahmung  fremder  Gegenstände  durch  Falter 
wenigstens  in  den  Grundzügen  durch  Orthogenesis  festgestellt  sein  müs- 
sen, bevor  die  Auslese  dieselben  benützen  kann.  Es  wird  sich  ferner, 
falls  unzweifelhafte  Schutzbeziehung  vorhanden  ist,  immer  und  überall 
die  von  uns  schon  bezüglich  der  Ageronien  berührte  Frage  aufv^-erfen 
müssen:  ist  nicht  eine  gewisse,  durch  Orthogenesis  gewordene  Ähnlich- 
keit das  Wesentliche  auch  an  der  gegebenen  Schutzbeziehung,  mit  an- 
deren Worten:  hat  sich  ein  bestimmtes  Tier  nicht  erst  eine 
Lebensweise  angewöhnt  zum  Zweck  des  Schutzes,  nachdem 
jene  gewisse  Ähnlichkeit  entstanden  war,  anstatt  daß  das  Um- 
gekehrte für  das  Werden  der  Ähnlichkeit  maßgebend   gewesen  ist? 

Endlich  auch  hier:  handelt  es  sich  bei  der  Ähnlichkeit  von  Farben- 


ij   Vergl.  »Artbildung«  II,  S.  67  fl'.  und  dazu  die  folgenden  Abschnitte  der  »Ortho- 
genesis bei  Schmetterlingen«. 


86  Die  sogenannte  Germinalselektion. 

tönen  bei  Ähnlichkeit  mit  fremden  Gegenständen  nicht  vielleicht  um  un- 
mittelbare Wirkung  der  von  den  letzteren  ausgehenden  Lichtstrahlen? 

Alles  dieses  muß  doch  ein  objektiver  Naturforscher  sorgfältig  in 
Betracht  ziehen.  Vor  allem  aber  hätte  ein  solcher  Naturforscher,  bevor  er 
zu  einem  Schlüsse  wie  der  vorstehende  kam,  widerlegen  müssen,  was 
ich  durch  Schrift,  Abbildung  und  Wort  vorgeführt  habe,  nämlich,  daß 
die  bestimmt  gerichtete  Entwickelung  von  Anfang  an  und  be- 
vor der  Nutzen  für  die  betreffenden  Eigenschaften  irgend  in 
Betracht  kommt,  ganz  in  derselben  Weise  schon  gesetzmäßig 
arbeitet  wie  irgend  später.  Indessen  wir  werden  alsbald  sehen, 
auf  welch  überraschende  Weise  dieses   »Bedenken«   beseitigt  wird. 

20.  »Und  doch«  (obschon  ein  Richten  der  Variation  durch  Personal- 
Selektion  nicht  möglich  sei!)  »besieht  ein  solches  Richten  der  Variation 
und  verlangt  eine  Erklärung,  und  die  früheren  Annahmen  einer  »bestimmt 
gelichteten  Variation«.,  wie  sie  Nägeli  und  Askenasy  machten,  genügen 
nicht,  weil  sie  nur  innere  Kräfte  derselben  zu  Grunde  legten  und  weil 
doch  —  lüie  ich  zu  zeigen  versuchte —  das  Zusammenstimmen  der  Va- 
riationsrichtung mit  den  Ansprüchen  der  Lebensbedingungen  besteht  und  das 
Rätsel  darstellt,  loelches  zu.  lösen  ist.  Der  Grad  der  Zweckmäßigkeit 
selbst,  den  ein  Teil  besitzt,  ruft  dessen  Variationsrichtung  her- 
vor.«     (S.  54.) 

Dann  fährt  der  Redner  fort:  sein  zuletzt  aufgeführter  Satz  scheine 
ihm  » die  ganze  Selektionslehre  erst  abzuschließen  und  ihr  den  Grad  von 
innerer  Vollendung  und  Abrundung  zu  gehen«,  welchen  sie  den  Zweifeln 
gegenüber  bedürfe. 

Ein  Bedenken  falle  allerdings  seiner  Hypothese  gegenüber 
nicht:  das  von  der  Nützlichkeit  der  Anfangsstufen.  Gerade 
dieses  aber  sei  das  mindest  Schwerwiegende.     (S.  54,  55.) 

Es  folgt  die  überraschende  Beweisführung  hiezu:  »Geiviß  muß  die 
Theorie  verlangen,  daß  schon  die  Anfangsstufen  einer  Variation  Selektions- 
wert haben,  sonst  kann  eine  Personalselektion  nicht  eintreten  und  damit 
auch  keine  Germinalselektion.  Da  wir  aber  ....  in  keinem  Falle  über 
den  Selektionswert  einer  Abänderung  ein  Urteil  haben  oder  eine  Erfahrung 
machen  können,  so  ist  die  Annahme,  daß  in  einem  bestimmten  Falle  von 
Umwandlung  eines  Charakters  die  ersten  Anfangsstufen  der  Variation  Se- 
lektionswert hatten,  nicht  nur  ebenso  wahrscheinlich,  als  das  entgegen- 
gesetzte, daß  sie  keinen  hatten,  sondern  sie  ist  unendlich  viel  wahr- 
scheinlicher, iveil  wir  mit  dieser  Annahme  die  rätselvolle  Thatsache  der 
Anpassung  verständlich  machen  können,  mit  jener  aber  nicht.  Wenn  wir 
also  nicht  geradezu  auf  jede  Erklärung  verzichten  wollen  (!),  so  sind  wir 
zu  der  Annahme  gezwungen,  daß  die  Anfangsstufen  aller  thatsächlich  statt- 
gehabten Anpassungen  Selektionswert  hatten.«    (S.  55.) 

Antwort:  Hier  entrollt  sich  noch  einmal  in  unverhülltester  Weise 
die  ganze  Methode  des  Dialektikers.  Ja  dieser  Versuch,  die  wichtigsten 
Thatsachen,  diejenigen,  welche  der  »Germinalselektion«  einfach  allen 
Boden    entziehen,    zu   einem  Teil  zu  verschweigen,    zum  andern  als  das 


Antworten  auf  die  Lehrsätze  der  »Germinalselektion«.  87 

»wenigst  Schwerwiegende«,  als  nebensächliche  »Bedenken«  mit  einigen 
Redewendungen  zu  beseitigen,  dieser  Versuch  ist  ganz  allein  so  kenn- 
zeichnend für  den  Wert  der  Spekulationen  desselben  überhaupt,  daß  es 
nötig  erschien,  auch  diesen  ganzen  Absatz  wörtlich  wiederzugeben. 

Zuerst  läßt  man  meine  Auffassung  von  der  Entstehung  der  Ortho- 
genesis  durch  Wirkung  der  äußeren  Lebensbedingungen  auf  die  Kon- 
stitution bei  Seite,  bezw.  in  der  NÄGELi'schen  aufgehen.  Es  bleibt  da- 
nach nur  die  letztere,  und  da  diese  den  äußeren  Lebensbedingungen 
keine  Rechnung  trägt,  so  bleibt  nur  die  Erklärung  des  Herrn  Weismann. 
Die  Thatsache,  daß  Orthogenesis  schon  von  Anfang  an  für  die  kleinsten 
Eigenschaften,  welche  noch  nicht  nützlich  sein  können,  besteht,  wird  als 
»das  mindest  schwerwiegende  Bedenken«  gegen  dieselbe  erklärt.  Während 
von  vornherein  bis  dahin  anerkannt  wurde,  diese  kleinsten  Eigenschaften 
hätten  keinen  Nutzen,  heißt  es  jetzt  mit  einem  Male:  da  wir  über  den 
Selektionswert  kein  Urteil  hätten,  sei  dies  nicht  bestimmt  zu  sagen,  viel- 
mehr sei  es  doch  das  Wahrscheinlichste,  daß  auch  sie  Selektionswert 
besäßen.  Endlich  deshalb,  weil  wir  die  Anpassung  nicht  anders  ver- 
stehen können  als  dadurch,  daß  wir  überall  Anpassung  voraussetzen, 
muß  die  »Germinalselektion«  die  nicht  mehr  zu  umgehende  Orthogenesis 
erklären  und  die  Selektionslehre  »vollenden  und  abrunden«. 

Deshalb,  weil  er,  Herr  August  WEiSM.iNN,  jede  andere  Erklärung  der 
Erscheinungen,  möge  sie  durch  noch  so  viele  Thatsachen  gestützt  sein, 
nicht  anerkennen,  sonde'rn  durch  den  Glaubenssatz  ertöten  will,  daß  »wir« 
kein  Urteil  über  dies  und  jenes  —  im  besonderen  Falle  über  Selektions- 
wert —  haben,  so  mutet  er  uns  zu,  anzuerkennen,  daß  »wir«  auf  jede 
Erklärung  verzichten  müßten,  wenn  wir  die  seinige  nicht  annähmen. 

Solche  Girkelschlüsse,  die  Aufstellung  unmaßgeblicher  Prämissen  und 
die  andauernde  Verwechslung  von  Nützlichkeit  und  Selektion,  wider- 
sprechen den  elementarsten  Forderungen  an  logisches  Denken.  Der 
immer  von  neuem  sich  schließende  Gedankenkreis  aber  —  die  unaufhör- 
lich sich  wiederholende  Logik  des  Drehorgelspiels  dieser  Art  von  Selektions- 
lehre —  läßt  sich  auch  in  den  Satz  fassen:  weil  alles  nützlich  ist, 
ist  alles  durch  Selektion  entstanden,  und  weil  alles  durch 
Selektion  entsteht,  ist  alles  nützlich. 

Über  diesen  Ring  hinaus  giebt  es  nach  dieser  Lehre  nichts  von  That- 
sachen. nichts  von  Erklärung,  nichts  von  Wissenschaft,  nichts  von  Er- 
kenntnis. 

Aber  wie  kommt  es.  daß  der  Verfasser  gegen  den  Schluß  seiner 
Schrift  nun  plötzlich  annimmt,  auch  die  primären  Variationen  müßten 
Selektionswert  gehabt  haben,  während  er  doch  von  vornherein  von  der 
Behauptung  ausging,  daß  sie  nicht  nützliche  und  daß  sie  »zufällige« 
seien?  Wir  verstehen  dies  und  die  ganze  Behandlung  der  Dinge,  wenn 
wir  den  Gedankengang,  welcher  seiner  Rede  zu  Grunde  liegt,  über- 
blicken. 

Da  Herr  Weismann  den  Thatsachen  der  Orthogenesis  nicht  mehr  aus 
dem  Wese    gehen   kann,    so  versucht  er  dieselben   in  den  Dienst  seines 


88  Die  sogenannte  Germinalselektion. 

Erkenntniskreises  zu  ziehen  und  behauptet,  die  bestimmt  gerichtete  Ent- 
wicklung sei  gezüchtet  durch  Auslese. 

Weil  er  sich  aber  auch  dem  Einwurf  nicht  länger  verschließen  kann, 
daß  die  Anfänge  der  Eigenschaften  nicht  nützlich  sein  können,  und  weil 
er  die  in  der  Jetztzeit  vorhandenen  nützlichen  Beziehungen  zwischen 
Eigenschaften  und  Außenwelt  alle  auf  durch  Auslese  gewonnene  An- 
passung zurückführen  will,  so  kann  er  die  bestimmt  gerichtete  Ent- 
wicklung nicht  als  von  Anfang  an  bestehend  anerkennen,  sonst  wäre 
der  Beweis  der  Züchtung  derselben  an  Beispielen  wie  das  der  Blatt- 
schmetterlinge ja  von  vornherein  unmöglich. 

Weil  die  Bedeutung  der  nicht  gezüchteten  Entwicklungsstufen  anderer- 
seits zu  Gunsten  der  Selektion  wiederum  möglichst  herabgedrückt  werden 
muß,  so  geschieht  auch  dies  nach  vollem  Bedürfnis:  es  bleibt  nach  der 
Darstellung  des  Dialektikers  zuletzt  davon  kaum  etwas  übrig. 

Allein  immerhin   bleibt  ein  Rest. 

Aber  dieser  Rest  ist  sehr  wichtig,  denn  er  durchbricht  das  Selek- 
tionsbedürfnis des  Verfassers  in  einer  für  ihn  immerhin  unerträglichen 
Weise.  Deshalb  ist  er  das  »min  dest  Schwerwiegende «  für  ihn. 
Der  Rest  wird  auf  das  Bequemste  beseitigt  auf  Grund  der  schon  früher 
vorbereiteten  Behauptung,  daß  wir  über  den  Selektionswert  einer  Ab- 
änderung kein  Urteil  haben,  und  durch  die  plötzliche  überraschende,  auf 
diese  Behauptung  gegründete  Annahme,  daß  jener  Rest  —  doch  einmal 
nützlich  gewesen  sein  müsse:  weil  ja  sonst  Personalselektion  nicht  hätte 
eintreten  können   und  damit  auch  nicht  Germinalselektion. 

Damit  ist  der  bewundernswerteste  Reigen  der  Phantasie  beendigt, 
die  Herrschaft  der  Selektion  bezw.  der  Allmacht  der  Naturzüchtung, 
w^as  ja  der  Zweck  der  ganzen  Schrift  ist,  gerettet  und  auch  die  feindliche 
Orthogenesis  ihr  unterworfen :  »Der  Haupt- und  Fundamentaleinwurf,  daß 
Selektion  die  Variationen,  mit  welchen  sie  arbeite,  nicht  schaffen  könne, 
ist  durch  die  Einsicht,  daß  eine  Germinalselektion  besteht,  beseitigt«. 

Schade  fürwahr  um  die  Mühe,  welche  die  Kunst  dieser  Einsicht 
gekostet  hat. 

Für  mich  aber  ist  es  erfreulich  feststellen  zu  können,  daß  mein  immer 
und  immer  wieder  gegen  Darwinismus  und  Afterdarwinismus  gerichteter 
»Haupt-  und  Fundamentaleinwurf«  endlich  Gehör  fand.  Und  es 
ist  abermals  eine  Genugthuung  für  mich  zu  erfahren,  daß  mein  Gegner 
von  mir  bewiesene  und  zu  jenem  Einwurf  verwertete  Thatsachen,  wenig- 
stens teilweise,  anerkennt  —  wenn  er  auch  meinen  Namen  nicht  nennt, 
sondern  in  seinen  »Zusätzen«  i)  wiederum  Andere,  insbesondere  Engländer, 
mit  der  Ehre  bedenkt,  seiner  würdige  wissenschaftliche  Gegner  zu  sein, 
während  er  mir  dieselbe  ausdrücklich  abzusprechen  die  Grausamkeit  hat. 

21.  » Die  drei  Hauptauslesestufen ,  die  der  P e r sonalauslese,  w ie  sie 
Darwin  und  Wallace  aufstellten,  die  der  Histonalaicslese,  wie  sie 
von  Wilhelm  Roux  nachgewiesen  wurde  als  der  »Kampf  der  Teile«,  und 


1)  »Germinalselektion«  S.  63. 


Antworten  auf  die  Lehrsätze  der  »Germinalselektion«.  89 

schließlich  diejenige  derGerminalauslese^  deren  Vorhandensein  ich  hier 
aufzuzeigen  versuchte^  sie  sind  es,  welche  zusammen  wirken,  um  die  Lebens- 
formen stets  lehensfähig  zu  erhalten,  sie  den  Lebensbedingungen  anzupassen«^.. . 
so  schließt  Herr  August  Weismann  seine  Schrift  —  ein  stolzer  Satz  zu  seinen 
Gunsten.     Ich  bedaure,   demselben   in  den  zwei  letzten  Teilen  nicht   zu- 
stimmen zu  können,  denn  der  Roux'sche  Kampf  der  Teile  im  Organismus  ist, 
wie  schon  gesagt,  ein  Stück  Lamarekismus,  Anwendung  der  LAMARCK'schen 
Lehre  von  der  Bedeutung  des  Gebrauchs  für  die  Umbildung  der  Teile,  ver- 
bunden  mit   der  Selektionslehre,   beruht   also   auf  Vererbung    erworbener 
Eigenschaften    und   kann  darum    zu  Gunsten  der  Germinalselektion  nicht 
verwertet  werden,  sondern  steht  ihr  vielmehr  geradezu  entgegen.     Diese 
»Germinalselektion«   aber  ist,    wie  ich  sagte,    ein    totgeborenes  Kind,   sie 
ist  eine  vollkommen  unbegründete  Vorstellung,  weil  sie  den  Thatsachen 
nicht  Rechnung   trägt,   vor  allem    nicht   der  Thatsache,    daß  durchaus 
nicht   alles   durch  Auslese   entstanden   zu   sein   braucht   oder 
entstanden  ist,  was  nützlich  ist,  dann  der  anderen,  daß  lange 
nicht  alles  nützlich  ist,   was  besteht,   und  daß  schon  darum 
nicht  alles  gezüchtet  sein  kann,  dann  der  dritten  und  haupt- 
sächlichsten,  daß    die  Orthogenesis   im   Wesentlichen   nicht 
gezüchtet    sein    kann,    einmal   weil    sie    auch    nicht  nützliche 
Eigenschaften   beherrscht  und    ferner  weil  sie  überall  auch 
die  ersten  Stufen  der  Entwickelung  beherrscht,   so   lange  als 
diese  noch  nicht  nützlich  sind  und  nicht  nützlich  sein  können. 
Um  nun  der  Bescheidenheit  meines  Gegners  nicht  die  unberechtigte 
Alleinherrschaft   zu  lassen,    welche   sie   mit  so   großem  Erfolg   überall  in 
Anspruch  nimmt,  möchte  ich  seinem  Schlußsatz  gegenüber  einen  anderen 
vorschlagen,  nämhch:  das  orgauische  Wachsen  der  Lebewelt,  die  Organo- 
physis,   wie  es  in  der  durch  zahllose  Thatsachen   bewiesenen  Ortho- 
genesis   zum   Ausdruck   kommt    und    durch    die   Wirkung    zahlreicher 
äußerer  Einwirkungen  auf  die  Umgestaltung  der  Tiere  und  Pflanzen,  auch 
künstliche,   begründet  ist,  die  durch  J.  Lamarck  zuerst  mit  Nachdruck  be- 
tonte, gleich  dem  organischen  Wachsen  auf  Vererbung  erworbener  Eigen- 
schaften beruhende  Wirkung   des  Gebrauchs   der  Teile,  und  die  durch 
Ch. Darwin  zuerst  zur  Geltung  gebrachte  Erhaltung  des  Pass  ends  ten 
im  Kampf  ums  Dasein,  zusammt  der  Förderung  des  Nützlichen  durch  die 
Auslese  sind  es,  welche  die  Gestaltung  unserer  Lebewelt  bedingt  haben. 
Das  Stehenbleiben  der  sich  umbildenden  Formen  auf  bestimmten  Stufen 
der  Entwicklung  aber,  die  Genepistase,  war  und  ist  das  maßgebendste 
31ittel   zur  Trennung   der  Organismenkette  in  Arten. 


Zusammenfassung. 

Stellen  wir  nun  zusammenfassend  fest,  wie  die  »Germinalselektion« 
wirksam  gedacht  werden  muß,  und  nehmen  wir  als  Ausgangspunkt  das 
Beispiel  mit  den  Blattschmetterlingen:  es  soll  einauf  der  Unterseite  brauner, 


90  Die  sogenannte  Germinalselektion. 

mit  Blatlrippen  versehener,    auch   in  der  Form   blattähnlicher  Falter  ent- 
stehen wie   die   Kallima. 

Braune  Farbe  und  Blattrippen,  ebenso  Blattform  der  Flügel  und  alle 
übrigen  blattähnlichen  Eigenschaften  sind  in  gleicher  Weise  wie  alle  und 
jede  andere  Eigenschaft,  welche  je  an  einem  Organismus  entstehen  kann, 
in  der  Anlage  vorhanden,  in  den  Biophoren  bezw.  Determinanten. 

Alle  diese  Eigenschaften  sind  in  der  Zusammenstellung,  wie  sie  ein 
Blatt  nachahmen,  nützlich  und  diejenigen  Falter,  welche  zuerst  einmal 
so  deutlich  mit  denselben  versehen  sind,  daß  sie  dadurch  im  Kampf 
um's  Dasein  geschützt,  daß  sie  ausgelesen  werden,  übertragen  ihre 
Eigenschaften  auf  den  Keim   der  nächsten  Generation. 

Sehen  wir  von  den  Keimesanlagen  einmal  ab,  so  haben  wir  es  bis 
dahin  mit  einfacher  DARwiM'scher  Zuchtwahllehre  zu  thun. 

Wir  stoßen  aber  schon  hier  auf  jene  großen,  von  mir  in  allen  meinen 
Arbeiten,  insbesondere  auch  in  meiner  Entstehung  der  Arten«  hervor- 
gehobenen Schwierigkeiten,  welche  freilich  von  meinem  Herrn  Gegner 
als  das  mindest  Schwerwiegende  angesehen  werden,  v^^as  gegen  die 
Seleklionslehre  eingewendet  werden  kann.  Derselbe  nimmt  an,  daß  die 
Eigenschaften,  welche  die  Blattähnlichkeit  bedingen,  allmählich  ent- 
standen seien  und  zufällig.  Er  giebt  zu,  daß  für  die  Blattähnlichkeit  wohl 
ein  gewisses  »Vorbild«  bestanden  hat,  welches  noch  nicht  nützlich  sein 
konnte.  Sagen  wir  einfach:  die  Blattähnlichkeit  muß  mit  Anfängen  be- 
gonnen haben,  welche  noch  keine  Blattähnlichkeit  zeigten,  und  sie  muß 
sich  von  diesem  Zustand  aus  allmählich  zur  Blattähnlichkeit  entwickelt 
haben   und   zwar   ohne   Züchtung. 

über  diese  Zeit  der  Umbildung  wird  also  mit  einem  Salto  mortale 
hinweggegangen,  als  ob  sie  gar  nicht  in  Betracht  käme.  Aber  die  That- 
sachen  zeigen  uns,  wie  wir  später  sehen  werden,  eine  so  große  Menge 
solcher  Vorbilder  in  den  verschiedensten  Stufen  der  Umbildung,  daß  die 
Falter,  bei  welchen  von  angepaßter  Blattähnlichkeit  gesprochen  werden 
kann,  die  ungeheure  Minderheit  dagegen  bilden.  Es  muß  ungemessene 
Zeiträume  gedauert  haben,  während  welcher  blattähnliche  Falter  sich  in 
Beziehung  auf  die  Ausbildung  der  Blattzeichnung  in  solchem  Zustand  des 
unangepaßten  Vorbildes  befanden,  sofern  es  sich  dabei  nicht  um  plötzliche, 
sprungweise  Umbildung  zur  Blattähnlichkeit  gehandelt  hat.  Und  für 
diesen  Zustand,  welcher  wahrscheinlich  unendlich  viel  länger  gedauert 
hat,  als  der  jetzt  bestehende  angepaßte  und  sein  unmittelbarer  Vorgänger, 
der  noch  unvollkommener,  aber  immerhin  einigermaßen  angepaßte  zu- 
sammen, für  diese  lange  Vorzeit  gilt  die   Germinalselektion  nicht. 

Da  die  Umbildung  während  dieses  langen  Zeitraums  zufällig  vor 
sich  gehen  soll,  so  ist,  wie  schon  hervorgehoben,  auch  gar  nicht  zu  ver- 
stehen, warum  sie  an  zahlreichen  Faltern  zugleich  auftritt.  Nur  wenn 
dies  der  Fall  ist,  kann  sie  aber  bestehen,  weil  sie  sonst  durch  geschlecht- 
liche Mischung  der  wenigen  Formen,  welche  sie  angenommen  haben,  mit 
den  viel  zahlreicheren  nicht   umgeänderten  wieder  verschwinden  müßte. 

Aber  da  die  Vorstufen   nicht  angepaßt,    nicht  nützlich  sind   und    da 


Zusammenfassung.  91 

nach  der   »Allmacht  der  Naturzüchtung <    im  Grunde  doch  nur  Nützliches 
bestehen  kann,  so  konnten  sie  überhaupt  nicht  am  Leben  bleiben. 

Wenn  nachträglich  behauptet  wird,  es  müssen  auch  die  Anfangs- 
stufen irgendwie  nützlich  gewesen  sein,  so  ist  das  eben  eine  Behaup- 
tung, die  uns  unbewiesen,  wie  sie  ist,  nicht  berühreu  kann.  Aber  sie 
ist  auch  unrichtig.  Dies  beweisen  die  Thatsachen.  Und  wenn  dem 
Einwurf,  es  könnten  doch  die  kleinsten  Anfänge  der  neuen  Eigenschaften 
nicht  nützlich  gewesen  sein,  mit  der  Äußerung  begegnet  werden  will, 
daß  wir  in  keinem  Falle  diese  ersten  Anfänge  wirklich  kennen,  indem 
man  sich  damit  wohl  auf  innere,  im  Organismus  gelegene  Ursachen  der 
Umbildung  zurückziehe,  so  ist  dies  doch  nur  wieder  ein  Ausweichen  vor 
denjenigen  Thatsachen,  mit  welchen  wir  es  in  der  Anpassungsfrage  zu 
thun  haben:  im  besonderen  mit  einer  kleinsten,  soeben  erst 
sichtbaren  neuen  Zeichnung,  wie  ich  sie  so  vielfach  nicht  nur  an 
Schmetterlingen  beschrieben  habe.  Und  wenn  behauptet  wird,  daß  wn'r 
in  keinem  Falle  über  den  Selektionswert  einer  Abänderung  ein  Urteil 
haben,  so  ist  dies  allein  durch  das  Vorhandensein  dieser  kleinsten,  zuerst 
kaum  sichtbaren  Strichelchen  und  Pünktchen  und  ihr  Wachsen  und  Fort- 
schreiten zurückgewiesen. 

Ist  nun  die  Blattähnlichkeit  so  weit  gediehen,  daß  sie  von  Nutzen 
sein  kann  —  ein  Ziel,  dessen  Erreichung  wunderbar  genug  auch  deshalb 
ist,  weil  alle  dieselbe  bedingenden  Eigenschaften  zusammen,  zufällig 
stets  gleichen  Schritt  haltend,  auftreten  sollen  —  und  ist  nicht  alles  schon 
vorher,  weil  noch  nicht  ausgelesen  und  angepaßt,  zu  Grunde  gegangen, 
so  arbeitet  jetzt  die  Auslese:  das  besser  Angepaßte  bleibt  übrig. 

Nun  sollen  die  ausgelesenen  Eigenschaften,  welche  auf  den  Keim  der 
Nachkommen  übertragen  werden  —  so  behauptet  die  »Germinalselek- 
tion«  —  stets  auch  kräftigere  Determinanten  haben,  und  deshalb  sollen 
sie  allein  im  Keim  bestehen  bleiben,  die  schwächeren,  welche  nicht 
angepaßten  Eigenschaften  zugehören,  verdrängen.  Von  jetzt  ab  will 
durch  die  »Germinalselektion«  auch  erklärt  werden,  warum  zahlreiche 
Eigenschaften  zusammen  auf  die  Nachkommen  übertragen,  bezw.  weiter 
gezüchtet  werden:  weil  sie  alle  in  gleichem  Maße  nützlich,  bezw.  kräftig 
sind,  werden  sie  die  schwächeren  verdrängen. 

Aber  warum  arbeitete  der  Organismus  denn  durch  so  lange  Zeit, 
bevor  schützende  Blattähnlichkeit  vorhanden  war,  gleichen  Schrittes  mit 
allen  diesen  Eigenschaften  nach  der  Blattähnlichkeit  hin  —  ohne  Auslese, 
ohne  Germinalselektion? 

Die  Annahme  ferner,  daß  gerade  die  ausgelesenen  Eigenschaften  stets 
die  kräftigeren  sein  müßten,  welche  die  Grundlage  der  Germinalselektion 
überhaupt  bildet,  ist  wiederum  vollkommen  willkürlich  und,  wie  ich 
meine,  auf  den  ersten  Blick  unhaltbar,  weil  ohne  jeden  physiologischen 
Hintergrund.  Warum  denn  soll  das  Nützlichere,  das  Ausgelesene 
auch  das  Kräftigere  sein?  In  welchem  physiologischen  Zusammen- 
hang steht  jenes  zu  diesem?  Liest  denn  die  Zuchtwahl  etwa  nur  ;  kräf- 
tiger Ernährtes <    aus?  dann  wäre  das  Rätsel,  warum  gerade  die  Biesen- 


92  l^ie  sogenannte  Germinalselektion. 

tiere  der  Vorwolt,  Iguanodon  und  andere  Ungeheuer  aus  den  verschie- 
densten Abteilungen  der  Wirbeltiere  ausgestorben  sind,  ganz  unver- 
ständlich. 

Nein,  neben  kräftiger  Ernährtem  muß  auch  weniger  kräftig  Ernährtes 
ausgelesen  werden,  ja  das  Eine  wird  im  Organismus  überall  das  Andere 
bedineen.  Kräftiger  Ernährtes  wird  so  und  so  oft  nur  auf  Kosten  von 
geringer  Ernährtem  entstehen  können,  wie  alles  in  demselben  in  Wechsel- 
bezüglichkeit  (Korrelation)  steht.  Und  um  so  mehr  wird  solcher  Ausgleich 
zum  Ausdruck  kommen,  wenn  es  sich,  wie  der  Redner  will,  wesentlich 
um  quantitative  Verschiedenheit  beim  Abändern  handelt:  es  ist  dann  die 
Kompensation,  welche,  indem  sie  eine  Eigenschaft  verstärkt,  die 
andere  geringer  macht,  ohne  daß  letztere  deshalb  nicht  nützlich  zu  sein 
brauchte. 

Aber  es  giebt  zahlreiche  Eigenschaften,  welche,  ohne  von  anderen 
abhängig  zu  sein,  nützlicher  sein  werden  in  weniger  kräftiger  Ausbil- 
dung. So  giebt  es  ganz  zweckmäßige  Rückbildungen  zahlreicher  Eigen- 
schaften im  Tierreich,  bei  welchen  das  Gegenteil  von  kräftiger  Ausbil- 
dung für  die  nützliche  Gestaltung  im  Aufbau  des  Ganzen  maßgebend  ist. 
Dasselbe  gilt  auch  für  die  zu  Grunde  gelegten  Beispiele  von  Färbung 
und  Zeichnung  bei  den  Schmetterlingen  in  Beziehung  auf  beide  in  zahl- 
reichen Fällen:  so  bei  Abschwächung  von  Farbentönen,  Zurücktreten  und 
Schwinden  einer  Zeichnung. 

Indessen  es  ist  kaum  nötig,  die  Unhaltbarkeit  dieser  Vorstellung  des 
Verfassers  zu  widerlegen :  es  heißt  geradezu  alle  Anatomie  und  Physio- 
logie verleugnen,  will  man  behaupten,  die  nützlichen  Eigenschaften  seien 
nur  quantitativ  zu  beurteilen,  sie  beruhten  nur  auf  kräftigerer  Ernährung. 
Sollen  denn  wirklich  die  Fähigkeiten  des  Nervensystems  des  Menschen 
nur  auf  besserer  Ernährung  der  darin  vorgeschrittenen  Determinanten 
beruhen,  nicht  auf  Ausbildung  einer  feineren,  leistungsfähigeren  Qualität 
der  Teilchen?  —  Der  Erfinder  der  »Germinalselektion«  muß  in  der  That 
das  Erstere  behaupten,  denn  der  Zweck  seiner  ganzen  Aufstellung  ist  ja 
eben  der,  die  Vererbung  erworbener  Eigenschaften  zu  umgehen:  also 
darf  er  auch  nicht  zugeben,  daß  Übung  die  Organe  leistungsfähiger  macht 
und  daß  etwas  von  dieser  erhöhten  Leistungsfähigkeit  vererbt  werden 
kann. 

Auch  diese  Ernährungsvorstellung  hat  etwas  ungemein  Rohes  an 
sich  —  genau  wie  die  Vorstellung  von  der  morphologischen  Anlage  der 
Eigenschaften  im  Keimplasma:  beide  stützen  sich  nur  auf  Form  und 
Masse. 

Allerdings  spielt  die  Ernährung  eine  große  Rolle  bei  der  Umbildung 
der  Organismenwelt:  die  Übung  verstärkt  den  Ernährungszufluß  und  die 
bessere  Ernährung  ist  es  in  zahllosen  Fällen,  was  die  Teile  kräftigt,  und 
diese  Kräftigung  kann  in  Vergrößerung  ihren  Ausdruck  finden  —  doch 
dies  sagt  nur  der  von  Herrn  Weismanx  durch  die  Germinalselektion  um- 
gangene Lamarekismus. 

Aber  auch  in  der  Umbildungswirkung  der  Funktion  handelt  es  sich 


Zusammenfassung.  93 

in  allen  Fällen  nicht  allein  um  Änderung  der  Quantität,  sondern  der 
Qualität,  wie  eben  die  Ausbildung  des  Nervensystems  vor  Augen  führt. 
Ich  meine,  das  ist  selbstverständlich,  bedarf  nicht  weiterer  Beweise.  Ist 
es  so,  so  ist  damit  allein  schon  der  Germinalselektion  jeder  Boden  ent- 
zogen. 

Es  kann  also  die  Germinalselektion  die  zahllosen  auf  Qualitätsände- 
rung beruhenden  Verschiedenheiten  der  Arten  nicht  züchten.  Man  könnte 
ihr  eine  Bedeutung  für  die  Vervollkommnung  der  physischen  Kraft,  ins- 
besondere innerhalb  einer  und  derselben  Art  zuschreiben,  aber  auch 
dies  geht  auf  dem  Boden  der  WEisMAXN'schen  Vorstellungen  unmöglich  an. 

Der  Ausgangspunkt  der  Umbildung  ist  das  Oscillieren,  die  Plus-  und 
Minus-Variation  der  im  Keimplasma  präformierten  Eigenschaften.  Woher 
kommt  aber  diese  Plus-  und  Minus-Variation?  Sie  kann  doch  nicht  auch 
eine  von  äußeren  Einflüssen  unabhängige,  seit  Urzeiten  unveränderlich 
bestehende,  hergebrachte  Eigenschaft  des  Keimplasma  sein ! 

Ja,  dass  bei  dieser  Unabhängigkeit  und  Selbständigkeit  eine  Minus- 
Variation  eintreten  würde  und  zwar  bald,  sehr  bald,  das  kann  ich  ver- 
stehen. Aber  woher  kommt  das  Plus?  Der  erfahrene  Kenner  des 
Keimplasma,  welcher  zuerst  vollkommene  Unabhängigkeit  desselben 
von  der  Außenwelt  angenommen  hatte,  wandelte  im  Lauf  der  Zeit  seine 
Ansicht  immer  mehr  zu  Gunsten  der  Abhängigkeit  um.  Aber  wie  sollen 
die  Biophoren  und  Determinanten  des  Keimplasma  unmittelbar  von  außen 
ihre  Ernährung  nehmen,  um  Plus-Variationen  erzeugen  zu  können?  — 
Das  Plus  der  Variation  kann  doch  nirgends  anders  herkommen  als  aus 
dem  Körper,  welchem  die  Keimzellen  angehören:  von  diesem  Körper, 
von  seinem  Ernährungszustand  ist  die  Ernährung  der  Keimzellen  ab- 
hängig, das  physiologische  Wunder,  als  welches  ich  in  meiner  »Ent- 
stehung der  Arten«  die  WEisjiANx'sche  Vorstellung  von  der  Selbständig- 
keit der  Keimzellen  bezeichnete,  erscheint  in  seiner  ganzen  Größe,  wenn  man 
auch  nur  eine  einzige  Plus-Variation  von  solchen  selbständigen  Keimzellen 
verlangt.  Weisen  wir  das  Wunder  ab,  so  gelangen  wir  schon  durch  die 
Plus-Variation  des  Keimplasma  auf  den  Boden  der  Vererbung  erwor- 
bener Eigenschaften  —  in  der  Thal,  jeder  physiologisch  Denkende 
wird  finden,  daß  diese  Vererbung  durch  die  Voraussetzungen 
der  »Germinalselektion«  anerkannt  ist,  indem  sie  sich,  vielleicht 
ohne  daß  ihr  Gegner  es  merkte,  in  seine  Vorstellungen  eingeschlichen  hat. 

Zunächst  müssen  also  spezifische  Eigenschaften,  d.  i.  nützliche  der 
verschiedensten  Art,  ohne  Germinalselektion  auftreten.  Daß  sie  einfach 
etwa  durch  vom  Körper,  bezw.  Darmkanal  her  übermittelte  Nahrung  ent- 
ständen, ist  unmöglich.  Das  nimmt  aber  unser  Schriftsteller  auch  nicht 
an:  sie  sind  ja  nach  ihm  von  vornherein  im  Keimplasma  in  der  Anlage 
vorhanden. 

Einstweilen  erfahren  wir  nichts  darüber,  wie  die  im  Keimplasma  in 
der  Anlage  vorhandenen  spezifischen  nützlichen  Eigenschaften  dazu 
kommen,  durch  Variation  in  die  Erscheinung  zu  treten.  Selbstverständ- 
lich müssen  sie  zuerst    zufällig  nützlich  oder  im  Lauf  ihrer  außerhalb 


94  Die  sogenannte  Germinalselektion. 

des  Keimplasma  fortgesetzten  Umbildimg  nützlich  geworden  sein.  Denn 
Züchtung  giebt  es  ja  noch  nicht.  Da  der  Verfasser  selbst  zugiebt,  daß 
sie  zuerst  nicht  nützlich  seien,  obschon  er  gleich  darauf  wieder  sagt, 
wir  hätten  über  den  Nutzen  keiner  Eigenschaft  ein  Urteil,  und  dann 
wieder,  sie  müßten  doch  nützlich  gewesen  sein  —  aber  wir  dürfen  uns 
wohl  an  diejenige  seiner  Ansichten  halten,  welche  uns  am  besten  ge- 
fällt —  sind  sie  also  zuerst  nicht  nützlich  gewesen ,  so  müssen  sie  all- 
mählich nützlich  geworden  sein,  und  dies  kann  in  der  That  schon  durch 
kräftigere  Ausbildung  geschehen  sein,  aber  auch  durch  mannigfache 
qualitative  Umbildungen. 

Warum  aber  die  nützlicheren  Eigenschaften  die  kräftigeren,  die 
besser  ernährten  sein  sollen,  vermögen  wir,  wie  gesagt,  nicht  einzusehen. 
Deshalb  ist  es  uns  auch  unverständlich,  warum  sie,  auf  das  Keimplasma 
von  Nachkommen  übergegangen,  dort  die  nicht  nützlichen  verdrängen 
sollen,  weil  diese  die  schwächeren  sind. 

Aber  selbst  wenn  es  sich  in  allen  Eigenschaften  nur  um  quantita- 
tive, durch  Ernährung  entstandene  handeln  würde  —  wie  können  nun 
die  nützlichsten  unter  ihnen,  auch  nachdem  Germinalselektion  eingetreten 
ist,  fortgesetzt  noch  auf  Grund  von  Plus-Variation  gezüchtet  werden,  wenn 
sie  nur  wieder  auf  den  Keim  von  Nachkommen  übertragen  werden,  aus 
welchem  sie  ganz  ebenso,  wie  sie  übertragen  wurden,  hervorgegangen 
sind?  Wir  stehen  wieder  vor  demselben  Rätsel  w'ie  vorhin,  so  lange 
als  die  Eigenschaften  eben  nur  Erzeugnisse  des  Keimplasma  sein  sollen, 
ohne  daß  irgend  ein  äußeres  Mittel  ihre  Umbildung  bedingt.  Es  sei  z.  B. 
eine  Schmetterlingsfärbung  als  nützliche  aus  dem  Keimplasma  hervor- 
gegangen. Sie  wird  unverändert  in  das  Keimplasma  von  Nachkommen 
übertragen;  weil  sie  nützlich  ist  und  darum  kräftiger,  verdrängt  sie  dort 
die  schwächeren,  weniger  nützlichen  Determinanten.  Aber  was  bewirkt  nun 
eine  Plus-Variation  dieser  nützlichen  Determinanten?  Herr  Weismann  hilft 
sich  mit  der  Annahme,  daß  sie  schon  kräftiger  Nahrung  anziehen,  eben 
weil  sie  die  kräftigeren  sind.  Allein  die  Voraussetzung  des  Kräftigerseins 
ist,  wie  einleuchtet,  völlig  unbegründet.  Und  auch  wenn  sie  begründet 
wäre,  müßte  nach  allem  geläufigen  und  begründeten  physiologischen 
Begriff  der  Ernährungszustaud  des  Körpers  überhaupt  die  Ernährung 
bezw.  die  durch  dieselbe  bedingte  Umbildung  des  Keimplasma  beein- 
flussen und  damit  wäre  eben  durch  den  Schöpfer  der  Keimplasma- 
hypothese selbst  Bresche  geschossen  in  die  letzte  Schanze,  welche  er 
heute  noch  zu  halten  versucht,  in  die  Nichtvererbung  erworbener  Eigen- 
schaften. 

Es  ist  unmöglich,  ohne  Anerkennung  der  Vererbung  erworbener 
Eigenschaften  eine  stetig  fortschreitende  Plus-Variation  in  Beziehung  auf  die 
verschiedenartigsten  Eigenschaften  der  Lebewesen  zu  verstehen. 

Es  muß  von  außen  etwas  neues  zu  dem  vom  Keimplasma  her  ge- 
gebenen hinzukommen,  sonst  bleibt  alles  beim  alten.  Nur  unter  An- 
nahme von  Vererbung  erworbener  Eigenschaften,  sei  es  durch  Gebrauch 
oder   durch   unmittelbare   äußere  Einflüsse,  läßt   sich    eine  bis  zu  einem 


Zusammenfassung.  95 

gewissen  Grade  richtende  Wirkung  des  Nutzens  auf  die  Umbildung  be- 
greiflich machen:  wenn  immer  wieder  ausgelesen  wird,  so  werden  die 
ausgelesenen  Eigenschaften,  indem  sie  in  Generationen  immer  und  immer 
wieder  auftreten  und  sich  vererben,  mehr  und  mehr  zur  Herrschaft  ee- 
langen  können,  um  so  mehr,  wenn  sie  schon  von  vornherein  vorhande- 
nen Entvvicklungsrichtungen   ihre  Entstehung  verdanken. 

Die  ganze  »Germinalselektion«  ist  nichts  als  ein  weiterer  verzw'ei- 
felter  Versuch,  der  Vererbung  erworbener  Eigenschaften  aus  dem  Wege 
zu  gehen. 

Schon  der  dichotomische  Stammbaum  der  Pflanzen-  und  der  Tier- 
welt zeigt,  ich  wiederhole  es,  daß  unmöglich  eine  entwicklungsrichtende 
Germinalselektion  maßgebend  für  deren  Formgestaltungen  sein  kann. 

Somit  sprechen  ebenso  alle  Thatsachen  w'ie  alle  folgerichtige  Über- 
legung gegen  die  Anerkennung  auch  dieser  neuesten  Spekulation. 


In  sehr  Wesentlichem  hat  Herr  G.  Wulff  in  dem  erwähnten  Vor- 
trag über  die  Grundlagen  der  »Germinalselektion«  ebenso  geurteilt,  wie 
ich  es  in  den  vorstehenden  Ausführungen  gethan  habe,  welche,  wie  ge- 
sagt, vor  dem  Erscheinen  desselben  niedergeschrieben  sind. 

»Wer  die  Panmixie  zu  halten  sucht  dadurch,  daß  er  das  Auftreten 
günstiger  Variierungen  als  unw-abrscheinlich  oder  gar  als  unmöglich  er- 
scheinen läßt,  der  sägt  sich  damit  selbst  den  Ast  ab,  auf  dem  er  sitzt, 
indem  er  in  gleichem  Maße  der  Erklärung  der  Entstehung  zweck- 
mäßiger Veränderungen  entgegen  arbeitet,  und  beruhigen  kann  sich  bei 
solchen  Ausflüchten  nur  derjenige,  der  von  der  Hand  m  den  Mund  lebt, 
dem  es  heute  gleichgiltig  ist,  womit  er  gestern  sein  Dasein  gefristet 
hat«,  sagt  Wulff  mit  Beziehung  auf  einen  anderen  Fall,  bezüglich  des 
Herrn  Weismanx.  Dieses  Leben  von  der  Hand  in  den  Mund  mit  immer 
neuen  Ausflüchten  und  voller  Widersprüche^)  ist  es  ja  in  der  That,  w^as 
diesen  in  allen  seinen  Flugschriften,  in  allen  seinen  Spekulationen 
kennzeichnet. 

Mit  Beziehung  auf  die  »Germinalselektion  aber  sagt  Wulff:  »Es  ist 
wohl  kaum  zu  befürchten,  daß  für  diese  neue  Theorie  sich  ein  An- 
hänger finden  wird,  sondern  wir  dürfen  w'ohl  die  Zuversicht  hegen,  man 
werde  endlich  einsehen,  wohin  solche  darwinistischen  Spielereien  führen; 
wir  dürfen  hofl'en,  daß  in  die  biologische  Forschung  ein  Geist  des  Ernstes 
wieder  einziehen  werde,  der  in  der  Natur  nicht  das  zu  finden  trachtet, 
was  er  gern  möchte,  sondern  der  stetig  bereit  ist,  sich  der  Wahrheit 
auf  Gnade  und  Ungnade  zu  ergeben.« 


1)  In  ausgiebiger  Weise  hat  schon  W.  Haacke  in  »Gestaltung  und  Vererbung« 
diese  Behandlung  der  Dinge  aufgedeckt,  in  einem  Buche,  welches  sehr  zutreffende 
Kritik  und  Widerlegung  —  auch  experimentelle  —  eines  erheblichen  Teils  von  Speku- 
lationen des  Herrn  August  Weismann  enthält  und  daher  mit  Grund  von  diesem  wiederum 


vollkommen  totgeschwiegen  worden  ist. 


96  l^iß  sogenannte  Germinalselektion. 

An  und  iür  sich,  um  des  endlichen  Sieges  der  Wahrheit  willen,  war 
es  unnötig,  daß  ich  vorstehende  Kritik  der  »Germiiialselektion<  schrieb. 
Einmal  würden  die  folgenden  Thatsachen,  zusammen  mit  den  schon 
mitgeteilten,  diese  allein  zurückweisen.  Sodann  ist  es  an  sich  sehr  unnötig, 
mit  Widerlegung  der  jeweiligen  Einsicht  eines  Gegners  sich  zu  befassen, 
welcher  demnächst  doch  von  selbst  wieder  zu  noch  neuerer  Erkenntnis 
kommen  wird  —  und  leider  habe  ich  schon  einen  und  den  anderen 
Aufsatz  geschrieben,  welcher  durch  gan«  unerwartet  schnelle  Wandlung 
der  Ansicht  desselben  im  Sinne  meiner  Auffassung  schon  vor  der  Ver- 
öffentlichung gegenstandslos  geworden  ist. 

Wenn  ich  mich  aber  doch  veranlaßt  gesehen  habe,  einmal  an  einem 
Beispiel  dessen  »Winkelzügigkeit«  i)  aufzudecken,  so  geschah  dies  in  der 
Überzeugung,  daß  ich,  indem  ich  dadurch  zum  Verständnis  der  Schriften 
des  Herrn  August  Wkismann  überhaupt  beitrage,  der  Wissenschaft  dienst- 
bar bin. 

Ich  werde  später  genauer  auf  die  Ansichten  Darwin's  eingehen ,  welche  sich 
auf  die  vorstehend  behandelten  Fragen  beziehen.  Hier  sei  nur  bemerkt,  daß  derselbe, 
insbesondere  mit  Rücksicht  auf  die  Anschauungen  Nageli's,  auch  die  bestimmt  ge- 
richtete Entwicklung  berührt  und  zwar  in  einer  von  Askenasy  wiedergegebenen  Stelle 
in  Beispielen,  welche  sehr  die  von  mir  im  Vorstehenden  vertretenen  Anschauungen 
in  einem  bestimmten  Punkte  stützen.     In  »Domestikation«  II.  Kap.  21   sagt  er:  »Stetige 


1)  Diese  Kennzeichnung  der  Methode  Weismann's  hat  G.  J.  Romakes  gegeben  in 
seinem  hinterlassenen  Buche:  »Darwin  und  nach  Darwin«  II.  -1895,  kurz  nachdem  derselbe 
von  jenem  als  eine  Art  Parteigänger  gefeiert  worden  war  in  einer  zu  Oxford  gehalte- 
nen Rede,  vgl.  »xVußere  Einflüsse  als  Entwicklungsreize«).  Romanes  wendet  sich  gegen 
den  in  der  That  wieder  sehr  wenig  ernsthaft  wirkenden  »Beweis«,  welchen  Weism.inn 
gegen  die  Vererbung  erworbener  Eigenschaften  darin  erblickt,  daß  die  Kinder  nicht  aus 
eigenem  Antrieb  sprechen  können,  indem  er  sagt:  er  habe  diesen  Fall  nur  heraus- 
gegriffen, um  die  Winkelzügigkeit  der  WEisMANN'schen  Theorie  zu  zeigen.  »Zuerst 
greift  er  Weismann  die  Fähigkeit  des  artikulierten  Sprechens  heraus,  um  zu  demon- 
strieren, daß  sie  eigentlich  instinktiv  sein  müßte,  wenn  überhaupt  erworbene  Cha- 
raktere instinktiv  werden  können.  Und  solchen  Wert  legt  er  diesem  Fall  bei,  daß  er 
auf  ihn  hin  eine  Entscheidung  zwischen  den  beiden  Theorien  fällt  und  sagt,  daß  wir 
darauf  hin  die  Lehre,  daß  erworbene  Charaktere  niemals  congenital  würden,  anzu- 
nehmen uns  nicht  mehr  sträuben  dürften.  Nachdem  nun  aber  gezeigt  ist,  daß  das 
einzige  Element  in  der  artikulierten  Sprache,  welches  möglicherweise  congenital  hätte 
werden  können  fder  Instinkt,  artikulierte  Töne  von  sich  zu  geben) ,  dies  auch  that- 
sächlich  geworden  ist,  erhalten  wir  eine  Antwort,  welche  einen  direkten  Widerspruch 
zu  obigem  Argument  bildet:  die  Fähigkeit,  die  ursprünglich  als  ein  erworbener  Cha- 
rakter aufgeführt  wurde,  wird  jetzt  als  ein  angeborener  betrachtet.  Durch  solche 
Schachzüge  gegenüber  allen  Thatsachen«  ....  Ein  andermal  hat  Herr  Weismann  zum 
Beweis  der  Vererbung  erworbener  Eigenschaften  vei'langt,  daß  die  Kunst  des  Klavier- 
spielens  sich  sollte  vererbt  haben.  Daß  in  der  That  bei  »Wunderkindern«  und  ein- 
zelnen berühmten  Musikern  (Mozart)  fast  angeborene  solche  Fähigkeit,  wie  sonst  auch 
in  der  Kunst  des  Rechnens  und  sogar  des  Lesens  vorkommt,  vergißt  er  oder  er  wird 
sich  mit  der  Ausrede  helfen,  daß  es  sich  dabei  um  vererbte  »Anlagen«  handle,  als  ob 
diese  nicht  auch  vererbte  Eigenschaften  voraussetzten.  Verdienen  auch  solche  Fälle 
besondere  Behandlung,  so  kann  es  doch  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  dieselben 
eben  auf  Vererbung  erworbener  Eigenschaften,  bezw.  Gewohnheitsthätigkeit  beruhen 
wie  der  Instinkt. 


Zusammenfassung.  97 

Divergenz  der  Charaktere  hängt  davon  ab,  daß  dieselben  Teile  fortfahren  nach  der- 
selben Richtung  zu  variiren  ....  Es  ist  an  sich  wahrscheinlich,  daß,  wenn  ein  Or- 
ganismus in  einer  bestimmten  Weise  variirt,  er  wieder  in  der  nämlichen  Weise  vari- 
iren wird,  wenn  die  Bedingungen,  welche  zuerst  seine  Variation  veranlaßt  haben,  so 
weit  man  es  beurteilen  kann,  dieselben  bleiben.  Dies  wird  seitens  aller  Gärtner  ent- 
weder stillschweigend  angenommen  oder  ausdrücklich  ausgesprochen.  Wenn  ein 
Gärtner  nur  ein  oder  zwei  überschüssige  Blumenblätter  in  einer  Blüte  bemerkt,  so 
ist  er  sicher,  in  wenigen  Generationen  eine  gefüllte  Blüte  mit  einer  großen  Zahl  von 
Blumenblättern  zu  erhalten  ....  Sageret,  der  eine  große  Erfahrung  hat,  bemerkt 
über  den  künftig  zu  erwartenden  Fortschritt  in  der  Erzeugung  von  Fruchtbäumen: 
»der  wichtigste  Grundsatz  ist.  daß,  je  mehr  sich  eine  Pflanze  von  ihrem  ursprünglichen 
Typus  entfernt  hat,  desto  großer  ihre  Neigung  ist,  sich  weiter  von  ihm  zu  entfernen«. 

Man  vergleiche  hierzu  das  von  mir  in  Beziehung  auf  die  Züchtung  langer  Schwanz- 
federn beim  Hahn  Gesagte!  Die  von  Darwix  angeführten  Beispiele  bestätigen  das- 
selbe insofern  vollkommen  ,  als  sie  für  den  Erfolg  der  Züchtung  eine  von  vornherein 
vorhandene  Entwicklungsrichtung  als  günstig  einschließen,  was  allerdings  sonst  von 
Seiten  desselben  nicht  geschieht,  indem  er  trotz  aller  Einschränkungen  und  Zugeständ- 
nisse immer  wieder  auf  die  vom  Zufall  beherrschte  Zuchtwahl  als  das  eigentlich  maß- 
gebende Transmutationsmittel  zurückkommt  und  nirgends  sonst  bestimmt  gerichteter 
Entwicklung  einen  Einfluß  auf  die  Umbildung  einräumt. 

So  heißt  es  in  seiner  :*Entstehung  der  Arten«  wiederum  mit  Beziehung  auf  letztere : 
»Man  hat  eingewandt,  wenn  die  Zuchtwahl  ein  so  mächtiges  Agens  ist,  warum  ist 
dieses  oder  jenes  Organ  nicht  verändert  und  verbessert  worden?.  Warum  ist  der 
Rüssel  der  Biene  nicht  so  weit  verlängert  worden,  daß  er  den  Nektar  des  roten  Klees 
erreichen  konnte?  Warum  hat  der  Strauß  nicht  die  Fähigkeit  zu  fliegen  erlangt? 
Aber  zugegeben,  daß  diese  Teile  und  Organe  in  der  geeigneten  Richtung 
variirt  haben,  zugegeben,  daß  genügende  Zeit  für  das  langsame  Werk  der  natür- 
lichen Züchtung  vorhanden  war,  da  doch  die  Wirkung  der  letzteren  oft  durch  Kreu- 
zung und  die  Neigung  zu  Rückschlägen  beeinträchtigt  wird,  wer  mag  wohl  behaupten 
die  Geschichte  eines  Wesens  so  genau  zu  kennen,  daß  er  zu  sagen  vermag,  irgend  eine 
bestimmte  einzelne  Änderung  würde   im   ganzen  zum  Vorteil   desselben   ausschlagen«. 

Weiterhin  heißt  es  ebenda:  »Niemand  wird  behaupten,  daß  wir  jetzt  den  Nutzen  aller 
Teile  irgend  einer  Pflanze  oder  die  Funktion  einer  jeden  Zelle  in  jedwedem  Organe 
angeben  können.  Vor  fünf  oder  sechs  .lahren  würde  man  unzählige  Besonderheiten 
im  Bau  der  Orchideenblüten,  große  Rücken  und  Kämme,  Eigentümlichkeiten  in  der 
relativen  Stellung  der  einzelnen  Teile  als  nutzlose  morphologische  Diflerenzen  ange- 
sehen haben;  nun  aber  wissen  wir,  daß  sie  von  großem  Nutzen  sind  und  unter  der 
Herrschaft  der  natürlichen  Züchtung  gestanden  haben  müssen«. 

Das  sind  Worte,  welche  die  vom  Verfasser  der  »Germinalselektion«  vertretene 
.Auffassung  von  unserem  Unvermögen  in  Beziehung  auf  die  Erkenntnis  des  Nutzens  der 
einzelnen  Eigenschatten  zu  stützen  scheinen  und  welche  derselben  wohl  zur  Grund- 
lage dienten.  Allein  Darwin  ist  von  solcher  Auffassung  weit  entfernt  gewesen.  Wäh- 
rend er  zuerst  allerdings  gemeint  hatte,  es  müsse  alles  nützlich  oder  doch  einmal 
nützlich  gewesen  sein,  erkannte  er  je  länger  desto  mehr  bekanntlich  an,  daß  es  viele 
dem  Organismus  nicht  nützliche  Eigenschaften  gebe,  daß  also  nicht  alles  angepaßt  sei ' . 
Wer  dies  nicht  berücksichtigt  und  die  Meinung  hegt,  daß  Nutzen  das  einzige  Mittel 
der  Umbildung  der  Lebewelt  sei.  vertritt  nicht  Darwinismus,  sondern  Übertreibung 
und  überhaupt  falsche  Nachfolge  desselben,  d.  i.  Afterdarwinismus.  So  sagt  auch 
G.  J.  RoM.\NEs-):  »Weismann's  Schriften  über  die  Vererbung  und  Wallace's  Werk 
über  den  Darwinismus  werden  gewöhnlich  von  den  Jungdarwinisten  als  die  wei- 
teren Ausbildungen  der  D.VRwiN'schen  Lehre  in  ihrer  »reinen«  Form  hingestellt;  erstere 
suchen  den  Satz  zu  begründen,  daß  die  natürliche  Zuchtwahl  die  einzige  mögliche 
Ursache  für  die  Anpassungsabänderungen  sei;  letzteres  steht  in  all  den  Punkten,  in 
welchen  es  anderen  »Ketzerei«  vorwirft,  in  schrolfem  Widerspruch  mit  Darwin's  Lehre.« 

1,  Man  vergl.  hierzu  bes.  Askenasy  S.  14  fl".  -    a.  a.  0.  S.  VS. 

Eimer,  Orthogenesis.  7 


III. 

Die  Entstehung  der  Blattähnlichkeit  bei  Schmetterlingen. 


»Auch  ich  bin  gewiß,  daß  inaucher  dia- 
lektiscli  Kranke  im  Studium  dei'  Natur  eine 
wohlthätige  Heilung  finden  könnte.« 

Goethe. 


Ursprüngliche  Grniidzeichimng  bei  den  Familien  der  Tagfalter. 

Die  elffache  Längsstreifung  von  Papilioniden  wie  Alebion.  Gb/cerion, 
welche  ich  als  die  Grundzeichnung  zunächst  der  Tagschmetterlinge  über- 
haupt bezeichnet  habe '),  findet  sich  in  sehr  ursprünglicher  Weise  auch 
bei  anderen  Abteilungen  der  Tagfalter,    so    unter   den  Lycaeniden  bei 


ayÄ>' 


^^-  >-, 


Abh.  20.     Sithon  hiemalis  S.  u.  G. 


Abb.  21.     Megalura  Bcrania  He 


Sithon   hiemalis    (Abb.  20)2),    unter    den   Nymphaliden    bei    Megalura 
Berania  (Abb.  21)3).    Wie  bei  den  meisten  Papilioniden  ist  auch  in  diesen 


1,  Fig.  1   u.  2,  Taf.  1  meiner  »Artbildung  und  YerNvandtscliaft  bei  den  .Schmetter- 
lingen« I,  und  vorn  Abb.  i. 

2)  Bei  Staudinger   »Exotische  Schmetterlinge«  Taf.  93  als  S.  nivea  bezeichnet. 

3)  Staudixger  Taf.  43. 


Ursprüngliche  Grundzeichnung  bei  den  Familien  der  Tagfalter.  99 

Fällen  die  Zahl  der  Längsstreifen  verringert,  aber  die  noch  vorhandenen 
lassen  sich  leicht  auf  die  der  Papilioniden  zurückführen,  wie  ich  das 
für  Megalura  Berania  in  der  beifolgenden  Zeichnung  durch  Beifügung 
aller  entsprechenden  Zahlen  gethan  habe. 

Viele  Lycaeniden  Abb.  22  und  Nymphaliden,  auchEryciniden  ^4bb.23) 
zeigen  eine  solche  Längsstreifung  noch  insbesondere  auf  der  Unterseite 
ebenso  Falter  anderer  Gruppen:  die  Ober- 
seite der  Tagfalter  geht,  wie  ich  ge- 
zeigt habe  und  wie  aus  allem  fol- 
genden hervorgehen  wird,  in  der 
Entwickelung  meistens  voran,  die 
Unterseite  bleibt  auf  ursprüng- 
licheren Stufen  stehen,  was  der  An- 
aahme hervorragender  Anpassung  der  Unter- 
seite nur  durch  Zuchtwahl  in  den  betreffen-        ,T,v  oo    rr,    ,         »vv  oo     ^,     • 

Atb.  22.    Thecla        Abb.  23.     Charts 

den  Fällen    widerspricht.     Die   Oberseite        Aetoius  Crxh.       sapiurina  s-igk. 
ist  oft  —  so  z.  B.  eben  bei  den  Lycaeniden, 

aber  auch  bei  anderen  Gruppen  —  glänzend  einfarbig  oder  verschieden- 
farbig und  zugleich  in  der  Zeichnung  abgeändert,  während  die  Unter- 
seite noch  längsgestreift  und  zugleich  düster  ist.  Indessen  giebt  es  auch 
zuweilen  ein  Vorschreiten  der  Unterseite  in  einzelnen  glänzenden  Eigen- 
schaften. Oft  ist  die  dunkle  Längsstreifung  auf  der  Oberseite  samt 
schöner  Grundfarbe  schärfer  und  ausgesprochener  erhalten  als  auf  der 
Unterseite:  so  bei  Papilioniden.  Zuweilen  ist  sie  oben  und  unten  ziem- 
lich gleichartig  erhalten,  so  z.  B.  bei  manchen  Eryciniden:  Mesosemla 
Cippus,  M.  Lepida,  M.  Philemon,  Hyphüaria  Parthenis^).  Nur  unten  ist 
Euselasia  Hahneli-]  längstgestreift.  Sehr  hübsch  ist  das  Verhalten  von 
Charis  saphirina  unter  den  Eryciniden  (Abb.  23),  wo  cy  und  Q  unten  noch 
sieben  bis  acht  durchgehende  Streifen  haben  und  gelbbräunJiche  Grund- 
farbe, während  das  (^  oben  schön  blaue  Grundfarbe  hat,  die  Streifen 
nur  noch  in  der  Zahl  von  sechs  auf  den  Vorderflügeln  und  fünf  auf 
den  Hinterflügeln  vorhanden  sind  und  auf  ersteren  anfangen,  sich  hinten 
zu  verkürzen  (postero-anteriore  Umbildung  •^). 

Sogar  unter  Älorphiden  kommen  noch  Arten  vor,  welche  unten 
in  Beziehung  auf  die  Streifung  ziemlich  ursprünglich  gezeichnet  sind, 
wie  Amathusia  Phidippus  Q  (Abb.  24)  zeigt ^).  Sodann,  in  geringerem 
Grade,  Morpho  Adonis  ^). 

Sehr  vorgeschritten  in  der  Zeichnung  sind  Danaiden,  Helico- 
niden  und  Pieriden,  auch  manche  Nymphaliden,  insbesondere  in 
jenen  bei  allen  drei  Familien  so  ähnlichen  Formen  mit  schmal  ausge- 
zogenen Flügeln  und  häufig  schwarz,  gelb  und  roter,  bezw.  brauner 
Farbe,  welche  bis  dahin  allgemein  als  mimetische  angesehen  wurden, 
aber,  vA'ie  gezeigt  werden  soll,  durch  Homoeogenesis  entstanden  sind  und 


1)  Staudixger  Taf.  88.  -)  St.  Taf.  87.  3j  St.  Taf.  91. 

*)  St.  Taf.  63.  5)  St.  Taf.  69. 

7* 


100 


Die  Entstehung  der  Blattähnlichkeit  bei  Schmetterlingen. 


HL 


im    Zusammenhang    mit    der   Flügelform    eine    quergerichtete    Zeichnung 

angenommen  haben. 

Dagegen  linden  sich  ziemlich  ur- 
sprünglich längsgestreifte  Gattungen 
und  Arten  wiederum  unter  den  Sa- 
tyriden:  so  bei  Eiiptychia^)^  und 
zwar  ist  es  immer  wieder  die  Unter- 
seite, welche  die  ursprünglichste 
Zeichnung  und  unscheinbare  Färbung 
beibehalten  hat;  indessen  haben  sich 
die  meisten  Längsstreifen  bei  man- 
chen Euptychien  auch  oben  erhalten. 

Die  Umbildung  der  Grniidzeichmiiig 

zur  Blattähulichkeit  bei  den 

Nymplialideu. 

Es  läßt   sich   nun    leicht   zeigen, 
daß     es    nichts     als     der    Ausdruck 
eigenartiger,      bestimmt     gerichteter 
Entwickelung  einzelner  jener  meiner 
Grundstreifen  der  Zeichnung  ist,  wenn 
eine  blattähnliche  Zeichnung  auf  der 
Unterseite   von   Schmetterlingsflügeln 
entsteht,   und    zwar    handelt   es  sich 
häufig    wiederum    um    homoeogene- 
tische  Umbildungen,  weil  eine  ganz  ähnliche 
Blattzeichnung  auf  Grund  derselben  Entwicke- 
lungsrichtungen  in   verschiedenen,    nicht  uq- 
mittelbar   verwandten   Schmetterlingsgruppen 
entstehen  kann.    Aber  es  ist  nicht  überall  ganz 
dieselbe   Entwickelungsrichtung,   welche    zur 
Entstehung  von  Blattähnlichkeit  führt.  Während 
die  Seitenadern  des  Blattes  überall  im  wesent- 
lichen desselben  Ursprungs  sind,  ist  der  Ur- 
sprung der  Mittelrippe  nicht  immer  der  gleiche. 
Es    kommen    Blattschmetlerlinge    ausge- 
sprochener   Art    vorzüglich    vor    unter    den 
'  Nymphaliden.     Die  vollkommensten  liefert 

Kai  lim  a  in  ihren  indischen  Formen, 
während  die  afrikanische  Kallima  rumia 
(Abb.  25)  besondere  Entwickelungsrichtungen 

Abb.  25.     Kallima  rumia  Westw.  .    ,  -,    ,  .  m  t->i    .^i  -i  i 

zeigt,  welche  eme  vollkommene  Blattbildung 
nicht,  bezw.  zum  Teil  nicht  mehr  erkennen  lassen.  Ich  gebe  hier 
eine    Abbildung    der     letzteren ,     wie     auch    solche     von     zwei    ausge- 


Abb.  24.    Amatimsia  Phidipptts  L.  £ 


III 


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1)  St.  Taf.  80. 


Umbildung  der  Grundzeichnung  zur  Blattähnliclii<eit  bei  den  Nymphaliden.        101 


sprochenen    blattähnlicheu    indischen    Arten:    Kailima   Philarchus   WestvA'. 
aus  Ceylon  (Abb.  26)  und  K.  Inachis  Boisd.  (Abb.  27'  aus  .Tava. 

Die    Unterseite    der   Inachis   ist   meist    rotbräunlich    grau,     die    von 
Philarchus  grünlich  gelbbraun,  die  von  rumia  aber  braungelb. 

Inachis  ist  am  blattähnlichsten.  Man  sieht  an  ihr  auf  Hinter-  und 
Vorderflügeln  Spuren  von  Augenflecken,  welche  zum  Teil  fast  wie 
Schimmelflecke  auf  einem  Blatte  aussehen.  Spuren  derselben  finden  sich 
auch  bei  dem  mir  vorliegenden  Stück  von  Philarchus.  Sie  sind,  wie 
die  Vereleichuns  mit  rumia  schon 
zeigt,  Reste  von  Augenflecken.  Auf 
den  Hinterflügeln  sind  es  bei  den  mir 
vorliegenden  Stücken  von  Inachis  vier, 

-  weiter 
ersterer    noch 


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auf  den  Vorder  flu  geln  zwei 


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nach    vorn     sind     auf 
Reste  der  Kerne  weiterer  Augenflecke 
in   Gestalt  kleiner    Pünktchen   vorhan- 
den.     Weniger    deutlich    ist    dies    bei 
Philarchus. 

Die  Mittelrippe  des  Blattes  gabelt 
sich  bei  Inachis  und  bei  Philarchus 
auf  den  Vorder flügeln,  was  die  Blatt- 
ähnlichkeit etwas  beeinträchtigt,  be- 
sonders bei  Philarchus,  wo  der  innere 
Schenkel  zickzackförmig  und  fast  kräf- 
tiger ist  als  der  äußere  die  Fortsetzung 
der  Mittelblattrippe  bildende.  Jener 
innere  Schenkel  entspricht  im  übrigen 
der  ersten  inneren  Seitenrippe  des 
Blattes.  Dahinter  sind  noch  drei  wei- 
tere solche  Seitenrippen  bei  Inachis, 
bei  Philarchus  zwei  und  außerdem 
eine  Spur  einer    dritten   zu   erkennen. 

Diese  vier  Seitenrippen  ent- 
sprechen ebensovielen  der  von 
mir  aufgestellten  Grundlängsbinden  der  Zeichnung,  bezw. 
den  vordersten  Stücken  derselben.  Und  zwar  handelt  es  sich  darin, 
wie  die  Vergleichung  lehrt  und  wie  ich  durch  Zahlen  bezeichnet  habe, 
um  die  Binden  IV,  V  VI,  VIII  IX  und  X. 

Die  Mittelrippe  des  Blattes  aber  wird  hergestellt  durch 
die  Fortsetzung  der  Binde  IV  nach  hinten  und  durch  An- 
fügung der  Binde  III  an  den  vorderen  sich  umbiegenden 
Teil  von  IV. 

Die  äußeren  Seitenrippen  auf  den  Hinterflügeln  werden 
hergestellt  durch  das  hintere  Stück  der  Binde  III  und  durch 
Binde  II. 

An  und  hinter  der  Gabelungsstelle  von  III  IV  liegen   die  vergilbten 


Abb.  26.    Kailima  Philarchus  Westw. 


102 


Die  Entstehung  der  Blattähnlichkeit  bei  Schmetterlingen. 


\i^-\ 


(iK,4. 


Augenflecke  der  Vorderflügel;  nach  außen  von  III  auf  den  Hinterflügeln 
die  der  letzteren. 

Es  sei  gleich  bemerkt,  daß  die  entsprechenden  Augenflecke 
auf  beiden  Flügeln  bei  allen  Nymphaliden  und  ebenso  bei 
anderen  Tagfaltern  stets  die  Lage  der  Binde  III  andeuten, 
indem  sie  nach  außen  von  derselben  gelegen  sind,  ferner, 
daß  die  Binde  HI,  welche  ursprünglich  auf  Vorder-  und  Hinterflügeln 
dem  Rande  parallel  gelagert  ist,  bei  den  Blaltscbmetterlingen    aber  auch 

zuweilen    bei   anderen    eine  Verschiebung 
Jü-,—,  ihres  unteren  Endes   nach  einwärts  erfah- 

ren hat. 

Vergleichen  wir  damit  A'.  rumia,  so 
erkennen  wir  vorne  gekernte  Augen  in 
derselben  Lage  zu  III.  während  diese 
Binde  selbst  fast  geschwanden  ist;  auch 
IV  ist  vorn  undeutlich  geworden.  Da- 
,  .  eeeen    sind   die    Binden  VIII  und  IX  sehr 

jj;  verstärkt  und  erstere  erstreckt  sich  rippen- 

^  ähnlich   bis    über    einen   Teil   der    Hinter- 

flügel.  Die  vorn  und  hinten  in  einer  Reihe 
parallel  dem  Flügelrande  gelegenen  Augen- 
flecke deuten  noch  die  ursprüngliche  Lage 
der  geschwundenen,  bezw.  nur  noch  durch 
nr:  einen  Schatten  angedeuteten  Binde  III  an. 
Auch  Binde  II  ist  hinten  wie  vorn  noch 
ursprünglich  —  parallel  dem  Flügelrande 
—  selasfert  und  schließt  sich  erst  an  das 
hinterste  Ende  von  IV  an;  bei  Inachis 
scheint  sie  an  letzterem  weiter  nach  vorn 
geschoben,  in  Wirklichkeit  aber  beruht 
ihre  Lage  auf  der  Verlängerung  der  hin- 
teren Blattspitze  gegenüber  von  rumia. 

Die  Augenflecke,  welche  bei  den 
Kailima  noch  übrig  sind,  insbesondere 
der  in  der  dritthintersten  Zelle  des  Vorderflügels  und  der  in  der 
dritten  und  siebenten  Zelle  des  Hinterflügels,  sind  dieselben,  welche 
bei  vielen  Tagfaltern,  besonders  bei  manchen  Satyriden,  auch  Morphiden 
(Abb.  24j  prachtvolle  Augen  werden,  während  die  übrigen  Augenflecke 
verschwunden  oder  nur  ganz  klein  vorhanden  sein  können.  Oft  ist  aber 
die  ganze  Kette  der  Augenflecke  erhalten  oder  sind  andere  als  die  ge- 
nannten aus  dieser  Reihe  stark  ausgebildet.  Unser  Distelfalter,  Vanessa 
cardui  (Abb.  70),  zeigt  die  ganze  Reihe  auf  den  Hinterflügeln  unten,  und 
oben  und  bei  unseren  Silberstrichen,  Argynnis.  sind  deren  Reste  noch 
in  kleinen  silbrigen  Pünktchen  zu  erkennen  —  in  beiden  Fällen  liegen 
die  Flecke,  bezw.  Augen  entsprechend  der  gegebenen  Darstellung  nach 
außen  vor  Binde  III ;  der  Fall  von  Argynnis  aber  zeigt,  daß  das  Silbrig-r 


Abi).  27.     Kailima  Inachis  Boisr>. 


L'iiibildung  der  Grundzeichnung  zur  Blattähnlichkeit  bei  den  Nymphaliden.         103 

werden  nicht  nur  bei  Blattschmetterlingen  vorkommt  und  wohl  auf  einer 
in  der  Konstitution  begründeten  Umbildung  beruht.  Bei  Inachis  ist  der 
Kern  des  in  der  dritthintersten  Yorderflügelzelle  gelegenen  Auges  in  ein 
solches  silberglänzendes  Pünktchen  umgewandelt,  welches  mit  der  rost- 
farbenen Umgrenzung  Sporenflecken  eines  dürren  Blattes  ähnlich  sein 
mas.  ebenso  wie  die  teilweise  weiß  bestäubten  Ausenfleckenreste  der 
HinterÜügel  dieses  Falters. 

Ich  will  hier  noch  Ag  anist  hos 
Od  ins  F.,  eine  unten  ziemlich  blatt- 
ähnliche,    tief     kupferbraune      Nympha- 


vil  1     hier    noch    A  a  a  nisth  o  s 

T/r 


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lide.      anführen,     ausgezeichnet      neben-  __,    x^ 

bei     durch     weiße     Bestäubung     inner-  z^' 

halb     der     Seitenränder     beider    Flügel  ^' 

Abb.  28)1).  Die  Zeichnung  dieses  Falters  rm. 
bietet  eine  eigenartige  Entwickelungs- 
richtung  dadurch  dar,  daß  die  inneren 
Seitenrippen  des  Blattes  verstärkt  sind 
und  von  diesen  die  der  Binde  Vll  zu- 
gehörige   sich    in    scharfer     nicht    blatt- 

rippenähnlicher     Linie,    parallel    mit   IV  ^ 

über   den    Hinterflügel   erstreckt,    ferner      /  ; 
dadurch,    daß    die    sonst   als   Blattmittel-  >  ; 

rippe  erscheinende  IV  sehr  schwach  aus-  ^ 

gebildet  ist.   ebenso  III,    welche   in  zwei  — «^ 

Stücken  vorhanden  ist,  deren  vorderes 
annähernd  wie  bei  den  blattähnlichsten 
Kailima  die  Fortsetzung  der  Mittelrippe 
bildet,    während    das   hintere,    wie  dort,  ^^%i^ 

sich    ähnlich    einer    äußeren    Seitenrippe  Abb.  2<.   Aganistnos  Odim  f. 

verhält. 

Dieser  Aganisthos  ist  kein  Waldschmetterling,  sondern  bevorzugt  nach 
Hahxel^i  vielmehr  freies  Land  (Südamerika^ 


Nach  Art  der  Blatt.sclimetterliiige  «ezeiclmete  Xymplialideii  oliue  oder 
mit  uur  uuvollkoiiimeuer  Blattälmliclikeit. 

Viele  Falter,  welche  in  der  Zeichnung  der  Oberseite  von  den  Kallinia 
himmelweit  verschieden  sind  —  indem  sich  die  Grundbinden  und  die 
Augenflecke  hier  erhalten  haben  —  zeigen  auf  der  Unterseite,  wie  aus 
den  beifolgenden  Abbildungen  zu  ersehen  ist,  die  auffälligsten  Beziehungen 
zu  der  von  Kallima:  hei  lunonia  La o media  aus  Ostindien  ist  dies  in 


1;  Die  weiße  Bestäubung  [w]  ist  in  der  Abbildung  nicht  deutlich. 

2    Hahnkl,   »Entomolosische  Erinnerungen  aus  Süd-Amerika«  in:  Deutsche  entom. 


Zeitsciir.    Herausgegeb.  v.  d.  Ges.  Iris.    Dresden  1890  S.  289. 


104 


Die  Entstehung  der  Blattähnlichkeit  bei  Schmetterlingen. 


Bezieliung  auf  Binde  IV,  die  »Mittelrippe«,  besonders  deutlich,  bei  /.  La- 
vinia  aus  Südamerika  (Abb.  29)  und  Er'igonc  aus  Ostindien  (Abb.  30) 
ist  die  Mittelrippe  nur  auf  den  Hinterflügeln  als  solche  etwas  schärfer 
angedeutet.     Dagegen    ist   hier    III    noch    deutlieh    hinten    und    vorn,    bei 


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Abb.  20.    JuHonia  Lavinia 
Cram. 


Abb.  30.     Jimonia  Eriijone 
Oeam. 


Abb.  31.     Precis  Iphita 
Ceam. 


Laomedia  vorn  —  hier  und  hei  Er  ig  one  liegt  diese  Binde  oder  liegen  die 
ihre  Lage  bezeichnenden  Augenflecke  noch  in  einer  über  Vorder-  und 
Hinterflügel  zusammenstoßenden  geraden,  nicht  wie  bei  den  indischen 
KalUma  gebrochenen  und   verschobenen  Linie. 

Ähnliche  Verhältnisse  bieten,  gleichfalls  unter  den  Nymphaliden,  die 
hier   abgebildeten  Precis:  P.  Iphita  aus  Java  (Abb.  31)  und  P.  terea 

aus  Afrika  (Abb.  32),  luit  scharfer 
Binde  IV,  entsprechend  einer  Mittel- 
blattrippe, aber  ohne  die  vermittelst 
III  in  die  vordere  Flügelecke  bei 
den  indischen   Kailima  erzielte  Fort- 


setzung. 


Die  auf  den  Vorderflügeln 


M^ 


Abb.  32.     Precis  terea  Drü. 


bung    dieser 
Verhalten  in 


Binde    und    ihr 


angedeutete  III  ist  hier  deshalb  be- 
merkenswert, weil  sie  in  Beziehung 
auf  ihre  Lage  zu  IV  in  der  Mitte 
steht  zwischen  dem  Verhalten  bei 
lunonia  Lavinia  und  Erigone  einer- 
seits und  den  Kailima  andererseits : 
überall  ist  die  Lageverschie- 
außerordentlich     wechselndes 


Beziehung  auf  ihre  Deutlichkeit  bemerkenswert. 
Noch  muß  hervorgehoben  werden,  daß  auch  die  hinteren  Enden  von 
III  und  II  auf  den  Hinterflügeln  bei  lunonia  und  Precis  in  verschie- 
dener Weise  gegen  IV  hinneigen,  aber  nirgends  so  weit  nach  vorne  an 
dieselbe  sich  ansetzen  wie  bei  Kallima^  und  daß  bei  P.  terea ^  wie  zu- 
weilen auch  sonst,  die  »Mittelrippe  auch  auf  der  Oberseite  vorhan- 
den ist. 


Nach  Art  der  Blattschmetterlinge  gezeichnete  Nymphaliden.  105 

Während  nun  bei  den  genannten  Faltern  die  Mittel  angedeutet  sind, 
welche  bei  KaUiina  zur  Blattähnlichkeit  führen,  ist  bei  ihnen  allen 
von  ßlattähnlichkeit  keine  Rede  —  am  ehesten  könnte  davon  noch 
he'iPrecis  Iphita  gesprochen  werden,  weil  hier  wenigstens  die  Farbe 
der  Unterseite  düster  braun  ist  und  die  Augenflecke  klein  sind. 

Auch  die  Gestalt  eines  Blattes  ist  bei  diesen  Faltern 
nirgends  vorhanden.  Aber  in  anderen  Fällen  kann  die  Blattform 
bei  Nymphaliden  wie  bei  Arten  anderer  Gruppen  vollkommen  aus- 
gesprochen sein,  auch  die  Grundzüge  der  Blattzeichnung  sind  vorhanden, 
aber  die  Färbung  schließt  jede  Blaltähnlichkeit  aus  oder  es 
ist  nur  der  Hinterflügel  wie  ein  halbes  Blatt  gebildet,  der  vor- 
dere nicht.  Oder  es  ist  letzterer  gar  bunt;  oder  endlich  es  sind  einige 
Blattrippenstücke,  wenn  ich  so  sagen  soll,  ausgebildet,  andere  nicht, 
während  die  Farbe  der  eines  Blattes  ähnlich 
ist  oder  wiederum  alle  Ähnlichkeit  mit  sol- 
chem ausschließt.  Ein  sehr  merkwürdiges 
Beispiel  letzterer  Art  bietet  Megalura  Co- 
resia  (J' \),  bei  welcher  die  Oberseite  ziem-  '    ./    \ 

lieh    einfarbig     braun,    die    Unterseite     aber         xzz-j,    \j^^_ 
durch  die  wie  bei  Meqalut^a  Peletis  (Abb.  ,  /{''- 

33)     stark     ausgeprägte    Binde    IV    in     zwei         v  '  *■ 

Hälften    geteilt   ist,     die    innere    weiß,    die  f 

äußere  braun,  die  Binde  selbst  rotbraun 
gefärbt!  Megalur a  Peleus  dagegen  ist 
oben  roto;elb  mit  noch  sieben  ganz  oder  teil- 
weise  ausgebildeten  Längsstreifen  und  schließt 
sich  in  beidem  nahe  an  Meqalura  Berania 
(Abb.  21)  an  —  diese  hat  noch  neun  Streifen 
und  ist  oben  gelbbraun.  Unten  ist  Peleus 
kupferbraun,  also  ebenso  wie  in  der  Gestalt  ^^^-  ^'^-  ^''jaiura  PeUus  Sülz. 
einem   dürren    Blatt   nicht    gerade   unähnlich. 

Allein  es  ist  keine  eigentliche  Mittelblattrippe,  wenigstens  auf  der 
vorderen  Flügelhäifte,  vorhanden,  auch  keine  Seitenrippen,  da  nur 
Binde  IV  durchgehend  scharf  ausgeprägt  ist,  III  aber  sich  bis  zur  hinter- 
sten Hinterflügelecke  erstreckt.  Die  Augenflecke  der  Binde  III  sind  bei 
Peleus  kaum  noch  angedeutet,  auf  den  Hinterflügeln  durch  Pünktchen 
mit  mehr  oder  weniger  deutlichem  hellem  Hof.  Der  vorderste  Teil  der 
Binde  III  auf  den  Hinterflügeln  ist  in  eine  silberglänzende  Zickzackzeich- 
nung verwandelt  is  Abb.  33j,  nahe  dem  hintersten  Rande  der  Vorder- 
flügel ist  in  derselben  Binde  ein  weißer  Fleck  entstanden. 

Auf  Grund  ähnlicher  Verhältnisse  wie  bei  den  südamerikanischen 
Peleus  ist  bei  der  in  Fig.  34  abgebildeten  Nymphalide  Doleschallia 
pratipa  von  Sumatra  etwas  Blattähnliches  hergestellt.  Aber  die  Augen- 
flecke  sind  hier  noch  ziemlich  deutlich,  und    sehr   hervortretende  weiße 


\ 


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1]  Staud.  Taf.  45. 


106 


Die  Entstehung  der  Blattähnlichkeit  hei  Schmetterlingen. 


Flecke  auf  den  Flügeln,  besonders  am  Vorderrande  am  Beginn  dei-  Bin- 
den III,  IV,  V  VI,  VII  VHI  IX  und  X,  bezvv.  zwischen  denselben,  bilden  eine 
sehr    wenig   blattähnliche   Abänderung,    wogegen    die   kupferbraune   und 

[Man    vergleiche   hierzu    auch 


grünliche    Färbung    zum   Blatte    stimmen. 


D.  polibete  Abb.  52  und  das  dort  Gesagte.) 

Sehr  häufig  ist  also  nur  eine  Flügelhälfte  mit  einer  Blatt- 
rippe versehen,  meist  die  hintere  (z.  B.  Corades  Enijo,  Abb.  35, 
ohne    daß    davon    gesprochen   werden  könnte,    es    handle  sich  dabei  um 


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Alib.  34.     Doleschallia  pratipu 
Feld. 


Abb.  35.     Corades  Kiiyo 
Hi;\v. 


Abb.  36.     Anuea  panaristt 
Hew. 


eine  erste  Stufe  der  Blattähnlichkeit,  welche  nach  vorne  vervollkommnet 
werden  sollte.  Dies  wäre  noch  möglich  bei  der  in  Fig.  36  abgebildeten 
Anaea  panariste,  wiederum  einer  südamerikanischen  Nymphalide,  bei  wel- 
cher IV  auf  den  Hinterflüseln  sehr  stark,  auf  den  Vorderflüseln  nur 
schwach  ausgebildet  ist.  Hinten  verbinden  sich  bei  diesem  Falter  nicht 
nur  III  und  II,  sondern  auch  I  nach  Art  äußerer  Seitenrippen  mit  IV, 
vorne  nicht.  Trotz  der  Eigenart  der  Vorderflügel  hat  das  Ganze  in  seiner 
graugrünen  Färbung  etwas  Blattähnliches.  Gerade  hier  liegt  aber 
Grund  vor  zu  schließen,  dass  IV  auf  den  Vorderflügeln  nicht  im  Stärker- 
werden, sondern  im  Schwinden  begriffen  ist.  Dafür  spricht  schon, 
daß  dies  mit  III  offenbar  der  Fall  ist.  Aber  auch  das  Verhalten  von 
Kallima  rumia  spricht  dafür,  denn  hier  ist  IV  ebenso  wie  III  auf  den 
Vorderflügeln  otfenbar  geschwunden,  denn  überall  sind  ja  sonst 
vorne,  auf  den  Vorderflügeln  und  gerade  gegen  deren  vorderen  Band 
hin,  die  Grundbinden  ursprünglich  besonders  kräftig  ausgebildet.  Aller- 
dings schwinden  sie  bei  der  allgemeinen  Umbildung  der  Zeichnung,  wie 
ich  dieselbe  für  die  Papilioniden  beschrieben  habe,  in  der  Bichtung  von 
hinten  nach  vorn. 


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i 


Nach  Art  der  Blattschmetterlinge  gezeichnete  Nyniphaliden.  107 

Zahlreiche  andere  Arten,  insbesondere  die  der  Gattung  Anaeu,  zeigen 
nun  unzweifelhaft  durch  alle  möglichen  Übergänge,  daß  die  Blattzeich- 
nung  und  damit  überhaupt  die  Blattähnlichkeit  nicht  nur  auf  den  Vorder- 
flügeln.  sondern  auf  beiden  Flügelpaaren  allmählich  schwindet.  Die 
die  Blattrippen  vortäuschenden  Grundstreifen  der  Zeichnung 
gehen  verloren  '). 

Häufig  hat  demgemäß  der  Yorderflügel  auf  der  Unterseite  eine  ganz 
andere,  neue  Ausbildung  angenommen,  so  dass  von  einer  in  Zukunft 
möglichen  Vervollständigung  blattähnlicher  Zeichnung  der  Hinterflügel 
durch  Ausdehnung  auf  die  Vorderflügel  nicht  die  Rede  sein  kann. 

Es  kommt  bei  Nymphaliden  insbesondere  sehr  oft  vor,  daß,  während 
die  Unterseite  der  Hinterflügel  in  Farbe  und  Zeichnung  etwas  Blattähn- 
liches oder  doch  eine  Mittelrippenbinde  hat,  die  Vorderflügel  auf  der- 
selben, wie  gesagt,  nicht  nur  ganz  anders  gezeichnet,  sondern  sogar 
bunt  gefärbt  sind.  Sehr  ausgeprägt  ist  dies  auch  bei  andern  Gruppen, 
so  bei  der  südamerikanischen  Satyride  Corades  Enyo  (Abb.  35  .  w^elche 
auf  den  Vorderflügeln  tief  schwarzbraun  ist  mit  vorderen  weißen  und 
hinteren  dunkelgelben  Flecken,  während  die  Hinterflügel  silberbraun  er- 
scheinen mit  zwei  Rippen,  ähnlich  KolUma  rumia :  besonders  auch  die 
Vanessen  bieten  Beispiele  dieser  Art:  man  vergleiche  z.  B.  Pyrameis  go- 
nerilla^). 

Aber  w-ir  dürfen  nur  gewisse  unserer  gewöhnlichen  Vcmessa-Arten. 
W'ie  Vanessa  atalanta  und  cardui.  von  der  Unterseite  ansehen,  um  die 
fortgeschrittene  Färbung  und  Zeichnung  der  Vorderflügel  gegenüber  den 
düsteren  mehr  oder  weniger  rindenähnlichen  Hinterflügeln  zu  finden, 
während  andere,  wie  Vanessa  polychloros^  auch  vorne  den  ursprünglichen 
Zustand  beibehalten  haben. 


Ungleiches  AVacliseii  verscliiedeiier  Flügelteile  als  Ursache 
der  Verlageruug  der  Zeichnung. 

Wir  haben  bis  dahin  gesehen,  daß  die  Blattähnlichkeit,  soweit 
dieselbe  durch  die  Zeichnung  bedingt  wird,  stets  beruht  auf  Be- 
Stehenbleiben  oder  stärkerem  Hervortreten  von  Teilen  der  ur- 
sprünglichen Grundzeichnung  der  Tagschmetterlinge,  mag  sie 
nun  so  gestaltet  sein  wie  bei  den  indischen  oder  bei  den  afrikanischen 
Kallima  oder  bei  Anaea  oder  Aganisthos  oder,  wie  ich  hinzufügen  will, 
bei  irgend  welchen  anderen  Blattschmetterlingen  gleichviel  welcher 
Gruppe. 

Aber  es  erschienen  dabei  gerade  bei  den  blattähnlichsten,  bei  den 
indischen  Kallima^  ganz  ausgezeichnete  Merkmale,  nämlich  das  Verhalten 
der  Binde  III  als  Fortsetzung  der  Mittelblattrippe  und  als  zweithinterste 
äußere  Seitenrippe,  die  Folge,  wie  ich  sagte,  einer  Verlagerung,   Ver- 


1    Man  versl.  hierzu  Staudixgf.ii  Tal".  61.  -    St.  Taf.  37. 


108  D't'  l'iilsleluing  der  Blattühnlichkeit  bei  Schmetterlingen. 

Schiebung  einerseits  des  dem  Vorder-  und  andererseits  des  dem  Hinter- 
llügel  angehörenden  Teils   dieser  Binde. 

Diese  Verlagerung  ergiebt  sich  als  Thatsache  durch  die  Übergänge, 
welche  die  verschiedenen  Falterformen,  bei  denen  dieselbe  auch  sonst 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  vorkommt,  zu  dem  gewöhnlichen  ursprüng- 
lichen Zustand  zeigen,  in  welchem  die  Binde  III  der  Binde  II,  bezw. 
dem  äußeren  Flügelrande  parallel  verläuft.  Aber  die  Ursache  der  Ver- 
lagerung bedarf  einer  näheren  Erklärung. 

Es  ist  augenscheinlich,  daß  die  Verlagerung  der  Binde  III 
mit  der  Form  der  Flügel  in  Zusammenhang  steht,  daß  sie 
eine  Folge  der  Entstehung  dieser  Form  ist. 

Die  blattähnliche  Gestalt  entsteht  hauptsächlich  durch  Zuspitzung 
und  Verlängerung  beider  Flügel  nach  hinten  und  vorn,  und  diese  geschieht 
nach  vorne  mit  durch  starke  Verlängerung  des  Vor  der  flügel- 
randes.  Wenn  diese  Verlängerung  vorzüglich  durchwachsen 
des  äußeren  Teiles  desjenigen  Stückes  der  Flügel  bewirkt 
wird,  welcher  zwischen  dem  vorderen  Teil  der  Binde  IV  und 
III  gelegen  ist,  während  der  der  spät  eren  Winkel  verbin  düng 
beider  Binden  entsprechende  hintere  Teil,  bezw.  die  Mitte 
des  Vorder flügels,  nicht  wächst,  so  muß  sich  die  Binde  III 
vorn  von  IV  entfernen,  in  der  Mitte  des  Vorderflügels  aber 
ihr  nähern.  Das  Wachsen  vorn  und  das  Zurückbleiben  des 
Wachstums  in  der  Mitte  wird  wohl  als  Ausgleichung  (Kompensation) 
erklärt  werden  dürfen. 

Die  Blattform  ist  nun  weiter  dadurch  hergestellt  worden,  daß  die 
beiden  Flügel  von  der  Spitze  ab  nach  vorne,  bezw.  hinten,  besonders  im 
Gebiete  des  Randes,  mit  welchem  sie  zusammenstoßen,  bezw.  übereinander 
gelagert  sind,  sich  sehr  verbreitert  haben,  und  zwar  ist  hervor- 
ragend verbreitert  der  nach  außen  von  IV  gelegene  Teil  der  Flügel, 
wie  dieVergleichung  mit  einer  ursprünglichen  Form,  wie  Megalura  Berania, 
oder  gar  mit  den  (irundformen  der  Papilioniden,  z.  B.  dem  al)gebildeten 
Alebion,  sofort  zeigt.  Wenn  nun  die  Stelle  der  Basis  des  Hinter- 
flügels, welche  zwischen  IV  und  dem  vorderen  Ende  von  III 
liegt,  ebenso  gewachsen  ist  wie  die  zwischen  dem  vorderen 
Ende  von  III  und  IV  gelegene  Strecke  des  Vorderflügels, 
während  das  Wachstum  ebenso  wie  dort  an  der  jetzigen 
Vereinigungsstelle  von  III  und  IV  zurückblieb,  so  mußte 
sich  III  in  Gestalt  einer  äußeren  Blattrippe  auf  den  Hinter- 
flügeln mit  IV  verbinden.  In  den  von  III  und  IV  auf  Vorder- 
und  Hinterflügel  gebildeten  Dreiecken  aber  haben  wir  ein  vollkommenes 
Gegenstück. 

Dieselben  Verhältnisse  bietet  z.  B.  Aganisthos  Odins.  In  anderen 
Fällen  von  immerhin  einiger  Blattähnlichkeit  verbindet  sich  III  vorn 
nirgends  mit  IV,  hinten  erst  gegen  deren  hinteres  Ende  —  es  kommen, 
wie  wir  schon  gesehen  haben,  auch  hierin  verschiedene  Über- 
gänge vor. 


Ungleiches  Wachsen  der  Flügelteile  als  Ursache  der  Verlagerung  etc.         109 

Bei  gewöhnlicher,  nicht  blattähnlicher  FlügelJbrm  verläuft  III 
niemals  als  Seitenrippe  von  IV,  sondern  mehr  oder  weniger  parallel 
dem  Fliigelrande. 


Bis  dahin  haben  wir  zumeist  Fälle  betrachtet,  in  welchen,  gleichviel 
ob  im  übrigen  Blattähnlichkeit  besteht  oder  nicht,  eine  aus  den  Binden 
IV  und  III  zusammengesetzte,  sich  in  die  Spitze  des  Vorderflügels  fort- 
setzende »Blattmittelrippe«  vorhanden  ist.  Es  kann  aber,  wie  wir  schon 
sahen,  auch  eine  blattähnliche  Flügelform  vorhanden  sein,  ohne  daß  eine 
eigentliche  Blattmittelrippe  da  ist,  dann  wenn  die  der  Blattmittelrippe 
entsprechende  Zeichnung  ausschließlich  durch  Binde  IV  ohne  Teilnahme 
von  III  vertreten  wird:  die  so  gebildete  Rippe  geht  in  diesem  Falle  nicht 
in  die  Blattspitze,  sondern  sie  endigt  einwärts  von  derselben  am  Vorder- 
rande  des  Vorderflügels. 

Dies  zeigt  z.  ß.  Megalitra  Peleus.  welche  annähernd  Blattform  hat 
(Abb.  33).  Zur  Vergleichung  und  Erklärung  der  hier  bestehenden  Ver- 
hältnisse aber  wollen  wir  ausgehen  von  der  sehr  ursprünglichen,  eine 
Blattgestalt  nicht  darbietenden  Megabint  Berauia  'Abb.  21  .  Hier  schließt 
sich  III  auf  den  Vorderflügeln  nach  hinten  nicht  an  Binde  IV  im  Winkel 
an,  sondern  umgekehrt  an  II.  Ebenso  schließt  sie  sich  bei  Megalura 
Peleus  auf  dem  Vorderflügel  nicht  an  IV  an,  sondern  verläuft  hier  bis 
gegen  das  hintere  Ende  des  Hinterflügels  nahezu  parallel  mit  derselben. 
Der  Anschluß  erfolgt  erst  nahe  der  Spitze  des  Hinterflügels,  so  daß  von 
Ähnlichkeit  mit  einer  Blattrippe  keine  Rede  mehr  ist. 

Bei  MegdhiVd  Berania  ist  der  Vorderrand  der  Vorderflügel  augen- 
scheinlich etwas  gestreckt  durch  Wachsen  zwischen  III  und  II;  bei 
M.  Peleus  aber,  wo  er  ungleich  stärker  gestreckt  ist,  erfolgte  das  Wachsen, 
wie  der  Augenschein  zeiüit.  am  stärksten  zwischen  III  und  den  daran 
nach  außen  gelegenen  Augenflecken.  L'brigens  ändern  die  einzelnen 
Stücke  von   Peleus  in  dieser  und  anderer  Beziehung  offenbar  sehr  ab. 

Die  Versuche  mit  künstlicher  Einwirkun  g  von  Wärme  auf 
die  Puppen  von  Schwalbenschwänzen  un  d  Segelfaltern  [Papilio 
Mdchuon  und  Podaiirius)  ergeben  eine  Ursache  solcher  Verände- 
rung der  Flügelform:  durch  Wärme  wird  dort  der  Vorderflügel 
stärker  nach  der  äußeren  Flügelader  hin  ausgezogen,  der  Vorderflügel- 
rand verlängert  und  stärker  gebogen. 

Ein  Blick  auf  die  erste  Tafel  meiner  segelfalterähnlichen  Papilioniden 
zeigt  nun,  daß  sich  auch  dort  die  äußeren  Flügelbinden,  nämlich  Binde 
I — IV,  in  verschiedener  Art  und  in  verschiedenem  Grade  nach  hinten 
in  spitzem  Winkel  zu  einander  stellen,  was  augenscheinlich  gleichfalls 
von  entsprechend  verschiedenem  Wachsen  herrührt.  Am  schönsten  zeigt 
dort  Pipilio  HpicUms  mit  seinen  lang  ausgezogenen  Vorderflügeln  ein 
bedeutendes  Gewachsensein  z.  B.  zwischen  Binde  I  bis  V  VI  und  V  VI 
bis    VIII    gegenüber    verwandten    Faltern.      Aber    schon     der    südliche 


110 


Die  Entstehung  der  Blattähnlichkeit  bei  Schmetterlingen. 


IJI  ]|  I 


/  JJ'm 


Abt.  37.     Papilio  Tiirmts  L.  Q 


Abb.  38.     Papilio  Dmimis  Boisd.  r^ 


P.  Podalirius  Lotten'  zeigt  ein  solches  Gewachsenseiii  des  äußeren  Teils 
des  Vorderflügelrandes;  ebenso  unter  den  schwalbensch wanzähnlichen, 
z.  B.   Papilio  Turnus   Q.    (Abb.  37)   und  Daunus  (J^   (Abb.  38)    gegenüber 

I      iiiiii 


in  II    1 


Abb.  39.     Papilio  Aijisilaus  Boiso. 


Ungleiches  Wachsen  der  Flügelteile  als  Ursache  der  Verlagerung  etc.         1 1 1 


dem   Segler    Papilio  Agesilaus    (Abb.  39  ,    bei  welchem    der    äußere  Teil 
der  Vorderflügel   sehr  kurz  ist,    so  daß   hier  Binde  IV  geschwunden  ist, 
ohne  daß  ein  bemerkbarer  Zwischenraum  an  ihrer  Stelle  übrig  gebh'eben 
wäre;    es  ist  hier  an  der  betreffenden  Stelle 
also  sogar  Verkürzung  eingetreten. 

Diese  Verkürzung  und  jene  Verlängerung 
zeigt  der  Vergleich  mit  Pap.  Alebion  (Abb.  40\ 
Bei  P.  Turnus  bezieht  sich  die  Verlängerung 
besonders  auf  die  Strecke  zwischen  III  und 
IV,  ebenso  bei  Daunus,  wo  dieselbe  durch 
ak  in  der  Abbildung  angedeutet  ist. 

Entsprechend  jenem  Einfluß  künst- 
licher Wärme  aber  sind  es  die  natür- 
lichen Wärmeformen  derselben  Gat- 
tunsjen und  Arten,  nämlich  die  Som- 
merformen  und  die  im  Süden,  in 
warmem  Klima  lebenden,  welche  z.B. 
unter  den  segelfalterähnlichen  Papi- 
lioniden  jene  Verlängerung  und  stär- 
kere   Biegung    des    Vorderrandes    der 


Vorderflügel  und  dadurch  die  stärker 


Abb.  40.     Papilio  Alebion  Grat. 


ausgezogeneGestalt  derselben  besitzen. 

Schon  die  südliche  Sommer  form  von  Papilio  Podalirius,  P.  Lotterig 
zeigt  also  gegenüber  der  nördlicher  lebenden  Stammform  jene  Verlän- 
gerung des  äußeren  Teils  der  Vorderflügel  —  es  ist  also  die  Wärme^ 
welche  in  diesem  Fall  Wachstumsveränderungen  und  dadurch  Umbildung 
einer  Art  hervorgerufen  hat:  organisches  Wachsen  im  elementarsten 
Sinne  des  Wortes. 

Ganz  ähnliche  Veränderungen  der  Flügelform  und  der  Zwischen- 
räume  zwischen  einzelnen  Binden  zeigen  die  von  mir  beschriebenen  und 
abgebildeten  Sommerformen  von  Papilio  Podalirius  aus  dem  Wallis ')  und 
in  Kleinasien  lebende  Sommerformen  desselben  Falters,  welche  ich  als 
P.  Sinyrnensis  bezeichnet  habe-  . 

Wir  werden  noch  weitere  Thatsachen  kennen  lernen,  welche  in  über- 
raschender Weise  erklärt  werden  durch  verschiedenartiges  W^achsen  der 
Flügelform  bei  den  Schmetterlingen,  während  die  vorstehenden,  im  Zu- 
sammenhalt  mit  der  Wirkung  künstlicher  Wärme  wiederum  die  Ver- 
erbung erworbener  Eigenschaften  beweisen. 

Im  Folgenden  wollen  wir  die  Blattschmetterlinge  und  ihre  Ent- 
stehung  in  der  Gruppe  der  Nymphaliden  noch  etwas  näher  verfolgen. 


1  »Artbildung   und  Verw.  b.  d.  Schmetterl. 

2  Ebenda  S.  94. 


1  S.  90. 


112  Die  Entstehung  der  Blatlähnlichkeit  bei  Schmetterlingen. 

Begiuu  der  die  Slattähnliclikeit  bedingenden  Eigensclial'teu 
bei  nicht  blattäliuliclieu  Xymplialiden. 

Zuerst  müssen  wir  noch  einise  Abweichungen  kennen  lernen,  welche 
in  Beziehung  auf  die  Bildung  einer  blatlrippenähnlichen  Zeichnung  von 
der  Art  der  ausgeprägten  Blaltform  der  KulUma  Inacins  und  P/ulurclms 
vorkommen. 

Und  einen  Hauptsatz  müssen  wir  nun  aussprechen,  welcher  sich 
übrigens  aus  den  mitgeteilten  Thatsachen  schon  erschließen  läßt,  den 
nämlich,  daß  die  Blatllorm  und  die  Blattrippenbildung  und  daß  die 
Blattähnlichkeit  überhaupt  sich  zunächst  bei  den  Nympha- 
liden  in  ihren  einzelnen  Eigenschaften  durch  zahllose  Zwi- 
schenformen ganz  allmählich  verliert,  bezw.  daß  sie  in  ihren 
Anfängen  wiederzuerkennen  ist  in  den  tausend  und  tausend 
Gliedern  dieser  Gruppe,  und  zwar  bis  zu  unseren  Vanessa- 
und  Apatiira-Arien. 

Nach  dem  Typus  IV  III,  wie  wir  sagen  wollen,  d.  i.  mit  einer  aus 
den  Binden  IV  und  III  hergestellten,  in  die  Blattspitze  verlaufenden 
Mittelrippe,  entsprechend  Kallima  Inachis  und  Philarchus ,  sind  auch 
andere  Gattungen  annähernd  blattähnlicher  Nymphaliden  ausgebildet. 
Aber  schon  nicht  alle  indischen  Kallima  haben  die  große  Blattähnlichkeit 
wie  jene.  K.  albofasciata  31oore  z.  B.  hat  nach  der  Abbildung  von  Stac- 
dinger')  keine  ausgesprochenen  seitlichen  Blattrippen.  Die  Zeichnung  ist 
bis  auf  den  größten  Teil  der  Binde  IV  und  auf  einen  kleinen  Rest  der 
diese  nach  vorn  fortsetzenden  lll  geschwunden :  wieder  ist  der  vorderste 
Teil  von  III  oflFenbar  rückgebildet,  wie  bei  Ä'.   nania. 

],i  ji  Ähnlich  wie  Inachis   sind  auf  der  Unterseite  ge- 

nv-.  zeichnet   Arten    der   Gattung  Salamis,    wie  N.  Anteva, 

""""  weniger  deutlich  Napeocles  jucvnda  "^).    Man  vergleiche 

/  nun  aber  auf  derselben  Tafel  abgebildete  andere  Arten 

'/'^  von  Salamis,  nämlich  S.  Ethyru  (Abb.  41)  und  S.  Ana- 

cardii,    so    erkennt   man   in   ersterer   schon  ganz  den 
\  'Tv^Nt^  Typus  der  Vanessen  in  der  Flügelform,  in   der  Zeich- 

nung und  in  den  Augenflecken  der  Binde  III,  und 
Anacardii  hat  unten  und  oben  auf  sillu'ig  weißem, 
rötlich  schimmerndem  3)  Grunde  noch  die  ähnlich  einer 


iX 


N        i 


t 


^- 


Mittelblattrippe  durchgehende  Binde  IV,   während  die 
übrigen    Binden    bis    auf   Spuren    geschwunden    und 
Abt.  41.  nur  noch  vier  Augenflecke  vorhanden  sind,  aber  er- 

Salamts  Ethiiru  Peisth.  ■      ■   ,.    ■  ..n       . 

hebhch  vergröbert. 
Verschiedenstufige  Entwickelung,  H  eterepistase,  ist  es, 
deren    Bedeutung    für    die    Artbildung    hier   wie    überall    aus    der    V'er- 
gleichung  der  Formen  abzulesen  ist:    die  Thatsache,    daß  durch  Slehen- 


1)  Staudimger  Taf.  39.  2j  St.  Taf.  38. 

3)  So  ist  die  Farbe  an  einem  mir  vorliesenden  Stück. 


Beginn  der  die  Blattähnlichkeit  bedingenden  Eigenschaften  etc.  113 

Iileiben  maßgebender  Eieenschalten  auf  verschiedenen  Stufen  von  Ent- 
Wickelungsrichtungen  und  Fortschreiten  anderer  Eigenschaften  in  ihrer 
Entwickelungsrichtung  die  verschiedenen  Merkmale  verwandter  Arten 
gebildet  werden. 

Sehen  wir  uns  nun  die  afrikanische  Salamis  Ethyra  mit  Beziehung 
auf  unsere  Vanessen  noch  etwas  näher  an.  Das  mir  vorh"egende  Stück 
ist  oben  dunkler  und  außer  der  doppelt  schw^arzgeränderten,  über  beide 
Füeel  hinziehenden  Binde  IV  und  außer  Binde  II  sind  auch  III  und  I 
deutlich.  Die  Unterseite  ist,  besonders  außerhalb  der  Binde  IV  III  violett- 
braun, nicht  blattähnlich  gefärbt.  Ethyra  hat  ferner  das  Bemerkenswerte, 
daß  die  scharf  und  dunkel  gezeichnete  Mittelrippe  IV  der  Hinterflügel  auf 
den  Vorderflüseln  einerseits  durch  den  äußeren  Schenkel  der  durch 
Wachsen  vorne  ungemein  verbreiterten  und  geteilten  III  bis  in  die 
Flügelspitze  fortgesetzt  wird,  entsprechend  der  Mittelrippe  von  Inachis, 
daß  andererseits  IV,  entsprechend  der  ersten  inneren  Seitenrippe  von 
InachiSj  in  ihrer  eigenen  Fortsetzung  einen  spitzen  Winkel  mit  III  bildend, 
zum  Vorderflügelrande  zieht.  Diese  Zeichnung  ist  auch  bei  Vanessen 
wenigstens  am  Vorderrand  vorhanden,  ebenso  fehlen  die  bei  S.  Ethyra 
nach  einwärts  von  IV  gelegenen  Binden  den  Vanessen  nicht. 

Blattähnlichkeit  bei  Vanessen.  Binnenfeld.  Von  unseren 
Vanessen  haben  Vanessa  polychloros  und  V.  c-alhum  eine  der  Binde 
IV  allein  entsprechende  »Mittelrippe  .  Auch  die  übrigen  vorne  vorhan- 
denen Bindenreste  erzeugen  wenigstens  bei  c-alhum  den  Eindruck  von 
etwas  annähernd  Blattrippenähnlichem,  ebenso  stimmen  die  unbestimmte 
gemarmelte  Zeichnung,  die  Farbe  und  der  Silberfleck  mit  dem  Aussehen 
eines  dürren  Blattes  überein.  Durch  entsprechende  Mittel  ist  blattähnlich 
auch  die  Zeichnung  anderer  Vanessen,  wie  die  der  V.  Haronia  von  Cey- 
lon, der  V.  glauconia  von  Japan,  der  \'.  catiace  von  Sikkim  und  der  V. 
californica  aus  Californien.  Überall  ist  Binde  IV  sehr  ausgeprägt,  bei 
mehreren  grenzt  sie  nach  innen  scharf  ein  dunkleres  Binnenfeld  auf 
der  Unterseite  der  Flügel  der  Falter  ab,  so  besonders  bei  V.  Milherti  aus 
Californien.    Ein  solches  Binnenfeld  ist  in  Abbildung  43  mit  B  bezeichnet. 

Bei  unserer  V.  In  ist  Binde  IV  auf  den  Hinterflügeln  deutlich  aus- 
gesprochen, nur  stark  gezackt;  auf  den  heller  braunen  Vorderflügeln  ist 
sie  gleichfalls  nur  am  Vorderrande  deutlicher,  und  zwar  vorne  sehr  breit; 
nach  außen  von  ihr  liegt,  ebenfalls  sehr  breit,  ein  Rest  von  III,  nach 
außen  davon  als  Rest  der  Augenflecke  kleine  weiße  Pünktchen;  nach  innen 
von  IV  liegen  V  VI  u.  s.  w.  Die  Unterseite  von  lo  ist  braun,  der  Farbe 
gewisser  dürrer  Blätter  nicht  unähnlich.  Bei  T'^  Atalanta  und  carclui 
sind  nur  die  Hinterflügel  noch  mehr  in  düsterer  brauner  Farbe  auf  der 
Unterseite  gehalten,  die  Vorderflügel  bunt.  Man  sieht  auf  jenen  bei 
cardiä  noch  die  ehemalige  Grenze  von  IV  durch  einen  hellen  Zwischen- 
raum gegen  III  angedeutet,  dann  hinten  eine  Anzahl  Augenflecke,  diese 
und  die  stark  gezackte  Binde  IV  erkennt  man  auch  noch  bei  V.  Atalanta. 

V.  polychloros  ist  unten  braun,  ähnlich  lo.  Die  Binde  IV  grenzt  hier 
wiederum   ein    dunkleres    Binnen fe Id.    besonders    hinten,    von    einem 

Eimer,  Orthogenesis.  8 


114 


Die  Entstehung  der  Blattähnliclikeit  l)ci  Sclimetterliniien. 


hellen  äußeren  ab,  welches  nach  außen  wieder  durch  die  schwarz  und 
bläulich  graue  Randbinde  (II)  abgegrenzt  wird.  Auf  den  Vorderflügeln  ist 
eine  breite  liinde  III  zu  sehen,  wiederum  vorn  besonders  dunkel.  Nach 
außen  davon  liegen  einige  helle  Pünktchen  als  Beste  von  Augenflecken, 
dann  folgen  Binde  IV  und  die  übrigen  wie  bei  lo:  überall  Entstehung 
verschiedener  Artmerkmale  auf  Grund  von  verschiedenstufiger 
Entwickelung,  Ileterepistase. 

Jenes  dunkle,  nach  außen  durch  Binde  IV  begrenzte  Binnenfeld, 
wie   es  von  der  Unterseite  von    Vanessa   polychloros    beschrieben    wurde, 


\ 


Abi).  42.     Precis  Andremiaju  Boisd. 


Abb.  43.    Ehinoindpa  Sabhni  Ckam. 


spiell  nun,  als  besondere  Entwickelungsrichtung,  eine  ganz  hervorragende 
Rolle  bei  der  Artbildung  auch  in  ganz  verschiedenen  Gattungen  und 
Familien:  ein  hervorragendes  Beispiel  für  unabhängige  Entwicke- 
lungsgleichheit,  Homöogenesis.  und  zwar  tritt  dasselbe  bald  auf 
der  Unter-,  bald  auf  der  Oberseite  der  Flügel,  bald  auf  beiden  auf. 
Es  führt  uns  zunächst  zu  unserer  Salamis  Ethyra  und  Verwandten  aui' 
Tafel  38  bei  Staudinger  zurück.  Man  vergleiche  dort  außer  diesem  Falter 
und  Salamis  Anacardii  die  auch  vorstehend  abgebildeten  Precis  Andremiaja 
(Abb.  42)  und  Bhinopalpa  Sahina  (Abb.  43)i),  dann  Cynthia  Moluccarvni 
(^  und  2  ^) '  Bei  letzterer  ist  ein  ganz  hervorragendes  Beispiel  von  ver- 
schiedenstufiger Entwickelung,  Heterepistase,  und  zugleich  von  weiblicher 
Präponderanz  gegeben ,  indem  das  q^  ,  unten  wie  oben  gelbbraun  ge- 
färbt,   unten  kein    dunkles  Binnenfeld    hat,    wohl    aber   die    ausgeprägte 


1)  Auch  bei  diesen  beiden  ist  Binde  III  vorne  durch  Wachsen  geteilt. 

2)  Staüd.  Taf.  35. 


Beginn  der  die  Blattähnlichkeit  liedingenden  Eigenschatten  etc.  115 

Binde  IV,  während  bei  dem  braungrünlichen   Q    beiderseits  ein  dunkles 
Binnenfeld  aussebildet  ist. 

Die  Binde  IV,  nach  vorn  und  außen  als  in  die  Blattspitze  verlaufende  Mittelrippe 
ergänzt  durch  III,  giebt  nach  dem  Mitgeteilten  die  Grundlage  ab  für  die  Ähnlichkeit  der 
Blattschmetterlinge  mit  einem  Blatte,  während  in  zahllosen  anderen  Fällen  trotz  solcher 
Zeichnung  schon  wegen  der  Farbe  keine  Rede  von  Blattähnlichkeit  ist.  Andererseits 
kann  eine  gewisse  Blattähnlichkeit  hergestellt  werden,  auch  wenn  die  Blattrippe  nicht 
in  die  Blattspitze  geht,  sondern  nur  durch  Binde  IV  gebildet  wird,  wie  bei  Megalura 
Peleus,  sobald  die  Gestalt  und  Farbe  des  Blattes  das  ihrige  dazu  beiträgt.  Ein  solcher 
Blattschmetterling  ist  also  bis  zu  einem  gewissen  Grade  auch  unsere  Vanessa  c-album, 
deren  Binde  IV  als  Andeutung  einer  Rippe  gelten  kann,  während  die  übrige  Zeichnung 
und  die  Färbung  der  Blattunterseite  Ähnlichkeit  mit  einem  dürren  Blatte  hat.  Weniger 
Blattähnlichkeit  hat  schon  V.  polychloros  und  bei  anderen  nahe  verwandten  Vanessa- 
Artcn  sind  gar  die  Vorderttügel  bunt  gefärbt.  Daß  in  anderen  Fällen  derart  gezeich- 
nete Falter  trotz  der  Biattgestalt  der  Flügel  von  Blattähnlichkeit  weit  entfernt  sind, 
haben  wir  z.  B.  bei  Megalura  Coresia  gesehen.  Oft  fehlt  aber  auch  die  Blattgestalt, 
während  Binde  IV  so  wie  bei  V.  c-album  oder  wie  bei  M.  Peleus  bis  an  den  Vorder- 
rand der  Vorderflügel  geht  und  III  mit  ihr  parallel  läuft  und  während  auch  die 
Farbe  nicht  entfernt  etwas  mit  einem  Blatte  zu  thun  hat:  so  z.  B.  bei  Cymothoe 
Caenis  (J  und  Q  von  Westafrika'  und  bei  unzähligen  anderen  Faltern.  (Die  beiden 
Geschlechter  dieses  letzteren  zeigen  in  ihrer  großen  Verschiedenheit  zugleich  wieder 
verschiedenstufige  Entwickelung,  bezw.  kaleidoskopische  Umbildung:  das  Q.  hat  auf 
der  Oberseite  ein  weißes  ^Mittelfeld  und  überhaupt  den  Typus  der  Limenitis  popiili. 
Sibylla  u.  a.,  das  (5  hat  nur  noch  Randbinden.)  Es  giebt  keine  Grenze  in  Beziehung 
auf  die  Unterseite  zwischen  solchen  oder  nach  Art  der  Kallima  albofasciata  (Blatt- 
mittelrippe  =  IV  -|-  HI  und  A'.  rumia  gezeichneten  Faltern,  bei  w  eichen  die  Alittelrippe 
auf  den  Vorderflügeln  fast  ganz  oder  ganz  fehlt,  und  solchen,  bei  welchen  die  Vorder- 
tlügel  auf  der  Unterseite  ganz  bunt  geworden  sind. 

Immer  ist  selbstverständlich  die  Blattähnlichkeit  meist  dann  am  größten,  wenn 
die  Hauptrippe  von  Spitze  zu  .Spitze  geht,  und  sie  kann  durch  die  Farbe  auch  dann 
maßgebend  sein,  wenn  keine  Seitenrippen  vorhanden  sind,  oder  nur  ganz  unvoll- 
kommen wie  bei  Arten  der  Gattung  Siderone-].  Bei  Anaea  Electra^]  sind  nur  Stücke 
A'on  Rippen  wenigstens  vorn  vorhanden  und  doch  besteht  nach  der  Abbildung  Ähn- 
lichkeit mit  einem  dürren  Blatt.  Bei  Anaea  Panariste  Abb.  33  fehlt  die  Mittelrippe 
vorne,  bei  A.  falcata  fehlt  sie  hinten  wenigstens  zum  Teil  —  dennoch  ist  bei  beiden 
Blattähnlichkeit  vorhanden,  insbesondere  durch  die  Seitenrippenstücke  darstellenden 
Reste  der  übrigen  Längsbinden. 

Arten  der  Gattung  Euryphene^  sind  deshalb  weniger  blattähnlich,  trotzdem  sie 
die  in  die  vordere  Flügelspitze  vom  Hinterrand  der  Hinterflügel  an  durchgehende 
Binde  Willi  ausgesprochen  haben,  w^eil  der  Flügel  hinten  nicht  zugespitzt,  überhaupt 
nicht  recht  blattförmig  ist  und  weil  IV/III  ziemlich  weit  nach  außen  gegen  den  Flügel- 
rand gerückt  ist.  Bei  E.  Sophus^]  biegt  die  Binde  sogar  auf  den  Hinterflügeln  nach 
außen  um  und  verläuft  nach  der  Mitte  des  gebogenen  äußeren  Hinterflügelrandes,  l'm- 
gekehi't  ist  z.  B.  bei  Prepona  Chromus^],  wo  nur  IV  eine  das  Blatt  in  zwei  Hälften  tei- 
lende »Rippe«  bildet,  trotzdem  dieselbe  weit  nach  innen  liegt,  insbesondere  wegen 
der  allgemeinen  übrigen  Zeichnung  und  Färbung  und  durch  die  Blattform  etwas  Blatt- 
ähnliches gegeben.  Bei  Apaturina  Enninin'^  ist  nur  noch  auf  den  Ilintertlügeln  ein 
Rest  der  Binde  IV  vorhanden,  die  Vorderflügel  sind  bunt. 

Auch  DoleschalUa  Amboinensis']  ist  trotz  des  Fehlens  einer  ausgesprochenen 
Mittelrippe  IV/III  durch  andere  Mittel  blattähnlich. 


1)  St.  Taf.  32.  2)  St.  Taf.  62.  3)  St.  Taf.  61.  4    St.  Taf.  32. 

ä)  St.  Taf.  32.  6;,  St.  Taf.  36.  ')   St.  Taf.  39. 


1 1  (3  Die  Entstehung  der  Blattähnlichkeit  bei  Schmetterlingen. 

Die  Vanessen  zeigen  also  zum  Teil  auf  der  ganzen  Unterseite  eine 
wenn  auch  nur  unvollkommene  Blattähnlichkeit  —  immerhin  eine  solche, 
welche  zum  Schutz  auf  dürren  Blättern  genügen  könnte  und  welche  der- 
jenigen wirklicher  Blattschmetterlinge  nicht  nachsteht.  Allerdings  ist  die 
Form  der  Flügel  nicht  vollkommen  blattähnlich,  nähert  sich  aber  durch 
die  mehr  oder  weniger  zugespitzte  Gestalt  [c-album]  wenigstens  etwas 
der  Form  eines  nicht  regelmäßigen  dürren  Blattes.  Die  blattähnlichen 
Eigenschaften,  insbesondere  die  Zeichnung  zeigen  jedoch  die  verschie- 
densten Stufen  der  Ausbildung,  bezw.  Rückbildung  und  Umbildung, 
besonders  auf  den  Vorderflügeln,  wodurch  die  Blattähnlichkeit  mehr  oder 
weniger  aufgehoben  werden  kann. 

Da  diese  Falter  sich  mit  ausgebreiteten  Flügeln,  dieselben  hebend 
und  senkend,  auf  gleichgültig  wie  gefärbte  Blumen  niederlassen  und 
somit  die  schönen  Farben  ihrer  Oberseite  vollkommen  preisgeben,  so 
werden  sie  von  Vögeln  kaum  verfolgt  werden,  sie  sind  auch  nicht 
Bewohner  des  Waldes,  sondern  des  freien  Landes  c-album  fliegt  auch 
am  Waldrande),  und  von  irgend  welcher  Anpassung  an  dürres  Laub  ist 
also  keine  Rede.  Dasselbe  wird  sich  sicherlich  für  viele  sogenannte 
»Wald«-  oder  Blattschmetterlinge  herausstellen,  wenn  man  sie  im  Leben 
beobachtet. 

Ernst  HautertI)  macht  auf  Grund  eigener  Beobachtung  eine  Bemer- 
kung über  Kallima- Arien,  welche  notwendige  zwingende  Anpassung  der 
Blattähnlichkeit  selbst  dieser  Formen  zurückweist.  Derselbe  hebt  hervor, 
daß  sich  die  Annahme  von  Wallace,  wonach  mit  starker  Schutzfärbung 
begabte  Arten  meist  in  großer  Individuenzahl  lebten,  als  »Regel«  durch 
viele  Fälle  widerlegen  lasse.  Er  erinnere  nur  an  Kallima  Inachis  und 
paralecta,  die  doch  überall  mehr  vereinzelt  leben  und  an  vielen  Orten 
sehr  selten  sind.  Sodann  fährt  er  fort:  •> Kallima  sitzt  auch  keineswegs 
immer  in  der  von  Wallace  beschriebeneu  Weise;  ich  sah  sie  wieder- 
holt an  grünen  Blättern  sitzen,  wo  sie  von  fernher  zu  bemerken 
war,  während  sie  an  einem  Stamme  oder  trockenen  Zweige  sitzend 
äußerst  schwer  und  oft  durchaus  nicht  aufzufinden  wai'. « 

Demnach  sind  die  Kallima  durchaus  nicht  unbedingt  ihrem 
Wohnort  angepaßt  und  bedürfen  vielleicht  des  Schutzes 
durch  die  Blattähnlichkeit  gar  nicht,  welchen  man  als  die 
treibende  Ursache  der  Entstehung  derselben   angesehen  hat. 


Wir  sind  zu  den  vorstehenden  Ausführungen  gelangt  durch  die  wich- 
tige Rolle,  welche  bei  den  Nymphaliden  Binde  IV  und  dann  Binde  III 
spielen,  besonders  aber  die  erstere,  beide  nächst  der  Flügelform  und  den 
Farben  zugleich  die  wichtigste  Grundlage  für  die  Entstehung  von  Blatt- 
ähnlichkeit der  Unterseite. 


1    Eknst  Hartert,    »Biologisches    aus    dem    indischen   Faunengebiete«.     Berliner 
Entomolog.  Zeitschr.  33.  Bd,  1889  S.  289  fl'. 


Beginn  der  die  Blattähnlichkeit  bedingenden  Eigenschaften  etc. 


117 


Die  Rolle  dieser  Binden  ist  geradezu  herrschend  Jjei 
den  Nvmphaliden  und  zusamt  dem  so  häufig  zwischen  ihnen  gelegenen 
hellen  Bande,  dem  Mittelfelde  (vergl.  Abb.  43  zwischen  B  und  III;, 
ebenso  wie  durch  die  vermittelst  Binde  IV  erfolgende  scharfe  Abgren- 
zung des  Binnenfeldes  maßgebend  für  die  Zeichnung  zahlloser  Falter 
aus  den  verschiedensten  Familien.' 

So  können  zahllose  Hinneigungen  zur  Blattähnlichkeit  und  ebenso 
viele  Entfernungen  von  derselben  entstehen  schon  durch  die  bis  jetzt 
hervorgehobenen  Mittel.  Zu  allem  giebt  es  nun 
aber  auch  noch  Übergänge  zu  Formen,  welche 
zwei  oder  drei,  sogar  vier  ausgespro- 
chene mehr  oder  weniger  parallel 
nebeneinander  gelagerte,  über  beide 
oder  nur  über  die  Hinter flügel  hin- 
ziehende Binden  haben,  von  welchen 
die  eine  mehr  oder  weniger  einer 
Blattmittelrippe  ähnlich  sein  kann, 
aber  sich  in  anderen  Fällen  durchaus 
nicht  so  darstellt.  Man  vergleiche  hiezu 
z.  B.  Amathusia  dihicida  Abb.  133,  ferner  Anaea 
Phidile  Hübn.-),  letztere  mit  Binde  IV,  III,  II,  I. 
Bei  A.  Nessus,  ebenda,  sind  hinten  zwei  Binden 
vorhanden  u.  s.  w. 

Man  vergleiche  ferner  u.  a.  Catonephele 
Capenas  und  Hewitsonii^),  CetJiosia  Nicobarica, 
Abb.  iM),    dann  Arten  der  Gattung  Dijnamine^] 

sogar  mit  sechs  mehr  oder  weniger  schrägen  und  parallelen  Binden  auf 
den  Hinterflügeln.  Man  vergleiche  auch  z.  B.  Zeuxidia  Aiirelius  bei 
Hewitsox  Taf.  53,  Vol.  III  u.  a.  —  überall  sieht  man  Reste  der  be- 
kannten Grund  bin  den,  welche  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel 
bestehen  geblieben  sind. 


Abb.  44. 


Celhosia  nicobaricu 
Feld. 


Alle  vorstehend  hervorgehobenen  und  andere  Thatsachen  zeigen  somit, 
daß  das  gesamte  Aussehen  der  Nvmphaliden  und  verwandter  Falter,  so  weit 
es  durch  die  Zeichnung  bedingt  ist,  auf  wenigen  bestimmten  Entwicke- 
lungsrichtungen  beruht,  bei  welchen  die  Binden  III  und  IV  nicht  nur 
die  wichtigste  Rolle  spielen,  sondern  daß  insbesondere  durch  diese  und 
durch  andere  Grundbinden  blattrippenähnliche  Zeichnungen  entstehen 
können,    auch   ohne    daß    im  Übrigen   von  Ähnlichkeit   mit   einem   Blatte 


1;  Man  bekommt  den  leichtesten  Überblick  über  dieses  Verhältnis  durch  die  Ab- 
bildungen des  HEwiTSON'schen  Schmetterlingswerkes,  in  welchen  die  Falter  zugleich  in 
sitzender  Stellung  mit  zusammengeklappten  Flügeln  gezeichnet  sind,  so  daß  man  diese 
von  außen,  bezw.  von  unten  sieht.  W.  G.  Hewitson.  »Illustrations  of  new  species  of 
exotic  Butterllies«.    London  1862 — 1866. 


2]  St.  Taf.  61. 


3)  St.  Taf.  41, 


4]  St.  Taf.  34. 


5)  St.  Taf.  42. 


118 


Die  Entstehung  der  Blattähnlichkeit  l)ei  Schmcttcrlineen. 


irgend  die  Rede  ist.  Ferner  sahen  wir,  daß  die  blattrippenäbniiche 
Zeichnung  in  anderen  Fällen  übergeht  in  die  gewöhnliche  mehrbindige 
Grundzeichnung,  indem  die  Binden,  zu  mehreren  vorhanden,  annähernd 
parallel  von  hinten  nach  vorn  verlaufen,  und  daß  zuweilen  nicht  Binde 
IV/ill  allein,  sondern  IV  oder  diese  und  eine  oder  zwei  andere,  oder 
daß  nur  eine  der  letzteren,  außerhalb  der  Mitte  des  Blattes  gelegen,  also 
keine  Blattmittelrippe  darstellend,  vorhanden,  bezw,  verstärkt  sind. 

Außerdem  haben  wir  gesehen,  daß  blattrippenähnliche  Zeichnungen 
oft  auf  der  Unterseite  der  Vorderflügel  oder  daß  sie  auf  beiden  Flügeln 
schwinden. 


Coeiiophlebia  Arcliidona,  ein  umgekehrter  Blattsclimetterling. 


Nun  haben  wir  noch  einen  höchst  merkwürdigen  südamerikanischen 
Blattschmetterling  unter  den  Nymphaliden  zu  besprechen: 

Coenophlebia  Arch i d o n a. 

Die  Mittelrippe  geht  Mier  (Abb.  45) ')  nicht  von  der  hinteren  Blattspitze  aus, 
sondern  mehr  als  IV2  cm  unter  derselben  vom  Innenrande  weg.    Von  hier 

zieht  sie  schräs  nach  außen 
und  vorn,  um  den  Vorder- 
rand des  Hinterflügels 
etwa  in  dessen  Mitte  zu 
erreichen.  Von  da  an, 
wo  in  der  Ruhelage  der 
Vorderflügel  vom  Hinter- 
flüeel  von  unten  her  be- 
deckt  ist,  tritt  auf  erste- 
,  rem  in  der  Fortsetzung 
/^       der  Mittelrippe  des  Hinter- 


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Abb.  45.    Coenopldebia  Archidona  Hew. 


flügels  die  des  Vorder- 
flügels auf  und  geht  bis 
in  die  vordere  äußere 
Spitze  desselben.  Etwa 
in  der  Mitte  der  Haupt- 
rippe der  Vorderflügel 
geht  nach  hinten  und  außen,  gegen  die  äußere  hintere  Ecke  der  letzteren 
ein  Strich  nach  hinten  ab  wie  eine  Seitenblattrippe  (11).  Ein  zweiter  ebenso 
gerichteter  Strich  geht  ganz  vorne  von  der  Mittelrippe  ab  (I).  Ein  eben- 
solcher dritter  verläuft  ziemlich  parallel  mit  beiden  etwa  I  cm  vom 
Außenrand  der  Hinterflügel  auf  diesen,  am  Vorderrande  beginnend,  eben- 
falls nach  hinten  und  außen,  wiederum  ähnlich  einer  Seitenblattrippe  (116). 


M  St.  Taf.  62. 


Coenophlebia  Archidona,  ein  umgekehrter  Blatlschmetterling.  119 

Denkt  man  sich  den  FaJter  mit  ausgebreiteten  Flügeln  auf  den  Rücken 
gelegt,  den  Kopf  nach  unten  gerichtet,  so  sind  die  Flügel  einem  Blatt  mit 
nach  unten  schauendem  Stiel  ähnlich:  die  Spitzen  der  Vorderflügel,  in  welche 
hinein  die  Mittelrippe  sich  fortsetzt,  stellen  die  Stiele  dar,  die  Seitenrippen 
sind  jetzt  nach  aus-  und  vorwärts  gerichtet  wie  bei  einem  Blatte  und 
wie  bei  der  mit  dem  Kopfe  nach  aufwärts  sitzenden  Kallimu  Iiiachis.  Die 
Ähnlichkeit  mit  einem  dürren,  feachtgelagerten  Blatte  wäre  jetzt  um  so 
srößer,  als  verschiedene  unreeelmäßige  Silberflecke  darauf  vorhanden 
sind,  welche  vielleicht  schimmelähnlich  aussehen  können,  auch  ist  der 
nach  innen  von  der  Mittelrippe  gelegene  Teil  der  Flügelfläche  wiederum 
einem  verwitterten  dürren  Blatte  nicht  unähnlich,  marmoriert. 

Sitzt  die  Archidona  aber  in  natürlicher  Stellung  mit  zusammenge- 
klappten, Flügeln,  so  stellt  jeder  der  letzteren,  von  außen  gesehen,  ein 
Blatt  dar,  dessen  Stiel  (die  Vorderflügelspitze)  nach  oben  und  vorn, 
dessen  Seitenrippen  nach  unten  und  außen  gerichtet  sind.  Auf  Tafel  52, 
Band  III  hat  Hewitson  den  Falter  in  dieser  Stellung  abgebildet,  und  wir 
haben  denselben  gleichfalls  so  dargestellt:  in  der  Fortsetzung  des  Hinter- 
leibs des  Falters  liegt  die  Spitze  des  Blattes,  d.  i.  die  stumpfe  hintere 
Spitze  des  Hinterflügels. 

Coenophlebia  Archidona  wäre  also  darauf  eingerichtet,  ein  Blatt 
vorzutäuschen,  wenn  sie  so  säße,  daß  ihr  nach  oben  ge- 
richteter Blattstiel  etwa  an  einen  Zweig  anstieße,  als  ob 
das  Blatt  daran  befestigt  wäre. 

Ob  der  Falter  je  diese  Stellung  einnehmen  und  wie  oft  er  so  den 
Anforderungen  vollkommener  Anpassung,  auf  Grund  deren  er  nach  der 
Mimicry-Theorie  entstanden  sein  müßte,  genügen  wird? 

Wie  ist  aber  diese  merkwürdige  Blattbildung  entstanden?  Daß  die 
Mittelrippe  auf  den  Vorderflügeln  in  ihrem  vorderen  Teile  der  Binde  III  ent- 
spricht, kann  keinem  Zweifel  unterliegen;  ihr  hinterer  Teil  entspricht  wohl 
auch  hier  der  Binde  IV.  Ebenso  ist  deutlich,  daß  die  zwei  Seitenrippen 
Stücken  der  Binde  I  bezw\  II  entsprechen:  das  vordere  der  auf  den  Vorder- 
flügeln gelegenen  I,  das  hintere  II.  Letzteres  ist  offenbar  hinten  nach  aus-, 
vorn  nach  einwärts  geschoben  durch  das  sehr  starke  Breiten  Wachstum 
des  hinteren  Teils  der  Vorderflügel  im  Gebiete  außerhalb  der  Mittelrippe. 
Das  auf  den  Hinterflügeln  gelegene  befindet  sich  nahezu  in  natürlicher 
Lage,  nur  ist  der  zwischen  ihm  und  dem  Rande  gelegene  Flügelabschnitt 
sehr  in  die  Breite  gewachsen. 

Ist  nun  die  unvollkommene  Mittelrippe  des  Hinterflügels  Binde  IV 
oder  ist  sie  etwas  anderes  ?  Dafür,  daß  sie  die  hinten  nach  einwärts  ge- 
schobene IV  ist,  scheint  das  Verhalten  derselben  Binde  bei  Änaea  Pasi- 
bule  (Abb.  46) ')  zu  sprechen,  denn  IV  ist  hier  nahezu  so  weit  nach  innen 
geschoben  wie  bei  Archidona  und  in  beiden  Fällen  ist  dieselbe  starke  Ver- 
breiterung des  Hinterflügels,  d.  h.  dieselbe  bogenförmige  Ausziehung  des- 
selben nach  außen  vorhanden,  im  Gegensatz  zu  den  daneben  abgebildeten 

1)  St.  Taf.  62. 


120 


Die  Entstehung  der  Blattähnliclikcit  liei  Schmetterlingen. 


Verwandten  mit  spitzen,  schmäleren  Hinterflügeln  und  mit  in   die  Spitze 
derselben  eintretender  Mittelrippe,    z.  B.  Anaea  opalitia  (Abb.  47). 


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V. 


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I 


Abb.  40.     Anuca  Pasibule  Doüeld.  Hkw. 


Abb.  47.     Auaeu  opalina  S.  u.  G. 


Gegenüber  dieser  il/^aea  o]ja//y?a,  welche  ein  wirklicher  Blattschmetter- 
ling ist,  macht  die  verwandte  .1.  Pasibule  mit  hinterer  Rückbildung  der 
Binde  IV,  ohne  alle  wirklichen  Seitenrippen  und  durch  fast  vollkommene 
Einfarbigkeit  durchaus  wiederum  den  Eindruck  eines  Falters,  der  die 
Blattähnlichkeit  verloren  hat. 


Blattälmliche  Schmetterlinge  mit  teilweise  verkehrten  Blattrippen. 


IV 


Abb.  48. 
Zaretes  Isidora  Craji. 


Wie  schon  hervorgehoben  wurde,  steht  die  Lage 
und  Richtung  der  Mittelrippe  in  Zusammenhang  mit 
der  Form  der  Flügel,  ist  die  Folge  derselben.  Das 
Erste  und  Wichtigste  zur  Entstehung  der  Blattähnlich- 
keit auch  von  Ai'chidona  war  also  die  Entstehung  der 
eigenartigen  Flügelform.  Dies  zeigen  die  schon  er- 
wähnten ihr  verw^andten  Falter:  Anaea  Pasibule, 
Anaea  opali7ia\iiid  Siderone  (Zaretes)  Isidora 
(Abb.  48  .  Anaea  Pasibule  hat  schon  eine,  nahe  von 
der  Vorderspitze  des  Vorderflügels  nach  hinten  und 
außen  abgehende  ;  Seitenrippe <  ,  d.  i.  es  lagert  sich 
Binde  I  in  der  gegebenen  Weise  an  die  Mittelrippe 
an  —  so  nach  der  SiAUDiNGER'schen  Abbildung^).  An 
dem  mir  vorliegenden  Stück  ist  kaum  etwas  von  Zeich- 
nung vorhanden,  was  auf  Seitenrippeu  bezogen  werden 


1;  St.  Taf.  62. 


Blattähnliche  Schmetterlinge  mit  teilweise  verkehrten  Blattrippen.  121 

könnte:    Binde  I    und   Spuren    von   Binden    auf    der    inneren    Seite    der 
Mittelrippe   heben  sich  von  der  braunen  Grundfarbe  kaum  ab. 

Bei  Zaretes  Isidora  rf  aber,  mit  vorn  aus  Binde  IV/III  hergestellter 
Mittelrippe,  bilden  Binde  1  und  II  auf  den  Vorderflügeln  nach 
rückwärts,  III  und  II  auf  den  Hinterflügeln  aber  nach  vorwärts 
gerichtete  Andeutungen  von  Blattrippen.  Ähnliches  scheint  nach  der 
von  der  Unterseite  gegebenen  Abbildung  von  Hewitson  III.  53.  3)  bei 
der  Morphide  Aemona  Amathusia  vorzukommen,  einem  Falter,  dessen 
Binde  IV  III  ähnlich  wie  bei  Archidona^  nur  hinten  mehr  gegen  die 
Flügelecke  zu  gerichtet,  verläuft,  dessen  Flügel  ferner  ähnliche,  wenn 
auch  oben  nicht  so  sehr  ausgezogene  Blattform  haben,  der  aber  noch 
eine  Beihe  von  Augenflecken  besitzt  und  auch  der  gelbroten  Farbe  seiner 
Unterseite  nach  nichts  weniger  als  blattähnlich  erscheint. 

Die  Mittelrippe  ist  bei  Isidora  und  Amathusia  durch  IV  III  hergestellt, 
der  vordere  Teil  von  IV  auf  den  Vorderflügeln  geschwunden  bis  auf  ein 
kleines  vorderes,  dicht  neben  III  gelegenes  Stückchen.  Dieser  Rest  von 
IV  ist  ganz  nach  auswärts  gedrängt  durch  sehr  starkes  Wachsen  des 
Zwischenrandes  zwischen  IV  und  V/VI  im  vorderen  Teil  des  Flügels. 
Dadurch  wurden  IV  und  V/VI  sehr  weit  von  einander  entfernt  und  V  VI 
zugleich  mit  ihrem  vorderen  Teile  nach  innen  geschoben.  Letztere  erscheint 
als  ein  Stück  seitlicher  Blattrippe;  ebenso  bei  Amathusia  die  darauf  fol- 
gende Binde  (VIII  IX?).  Umgekehrt  gerichtet,  von  vorn  und  außen  und 
hinten  und  innen,  ist  hier  auch  eine  innere  -Blattrippe«  auf  den  Hinter- 
flügeln vorhanden,  welche  ebenfalls  Binde  VIII  IX  entsprechen  dürfte 
und  welche  offenbar  vorne  nach  auswärts  gerückt  ist  infolge  Wachsens 
des  inneren  Teils  des  Vorderrandes  der 
Flügel. 

Die  auf  derselben  Tafel  mit  Archi- 
dona  bei  Hewitson  abgebildete  Side- 
rone  Mars  (unsere  Abb.  49)  hat  nur 
auf  den  Hinterflügeln  und  etwas  dar- 
über hinaus  eine  Art  Mittelrippe,  hinten 
auch  eine  nach  vor-  (auf-;  und  auswärts 
gerichtete  äußere  »Seitenrippe«  (IF,  ist 
aber   durch   die   bunte   Farbe,   bläulich  ^,b.  49.   sidcrone  M.rs  y^^,.,. 

und  rot,    insbesondere    durch  ein  rotes 

Binnenfeld,  trotz  der  beiderseits  zugespitzten  Flügelgestalt  nichts  weniger 
als  blattähnlich. 

Die  ebenda  auf  Taf.  51  Fig.  2  abgebildete  Anaea  [Paphia)  Electra  da- 
gegen ist,  ganz  ähnlich  der  von  uns  abgebildeten  Anaea  Panariste  (Abb.  36), 
blattähnlich  durch  die  graue,  bezw.  (Hinterflügel)  gelbliche  Farbe,  die  Blatt- 
form, mit  oberer  stielartiger  Spitze,  wie  bei  Archidona,  aber  mit  eigent- 
licher Blattaderung  nur  auf  den  Hinterflügeln  und  zwar  nach  Art  von 
Inarhis  mit  nur  drei  äußeren  nach  vorn  (oben;  und  außen  gerichteten 
Blattrippen. 

So   giebt  es   auch  bei  den  Verwandten   der  Archidona  verschiedene 


122  Die  Entstehung  der  Blattähnlichkeit  hei  Schmetterlingen. 

Übergänge  und  Umbildungen  untereinander  und  zu  Archidoiia,  aber  es 
sind  wieder  bestimmte  Entwickelungsrichtungen  für  die  Herstellung 
derselben  maßgebend  gewesen  und  es  giebt  nach  dem  Mitgeteilten  Falter, 
welche  geradezu  die  Eigenschaften  entgegengesetzter  Entwickelungs- 
richtungen in  Beziehung  auf  die  Verhältnisse  der  Zeichnung  und  der 
Blattgestalt  haben,  wie  z.  B.  Anaea  (Pap/ua)  Electra  vorne  einen  Blattstiel 
der  Gestalt  der  Flügel  nach,  hinten  aber  einen  solchen  auf  Grund  der 
Zeichnung  hat  und  wie  bei  Zaretes  Isidora  die  Seitenrippen  der  Vorder- 
flügel einem  abwärts  gerichteten ,  die  der  Hinterflügel  aber  einem  auf- 
rechten Blatt  zugehören. 

überall  ist  zu  erkennen,  daß  die  mehr  oder  weniger  vollkommene 
Blattähnlichkeit  der  Zeichnung  der  Unterseite  von  Schmetterlingen  auf 
ganz  bestimmten  Entwickelungsrichtungen  beruht  und  daß  sie  auf  die 
von  mir  festgestellte  Grundzeichnung  überhaupt  zurückzuführen  ist. 
Überall  ist  deutlich,  daß  eine  gewisse  Blattähnlichkeit  auf  diesem  Wege 
entstanden  ist  und  nicht  durch  Zuchtwahl. 

.le  länger  man  sich  nach  Maßgabe  der  Thatsachen  mit  der  Blatt- 
ähnlichkeit beschäftigt,  umsomehr  wird  man  daran  zweifeln,  ob  überhaupt 
die  Zuchtwahl  eine  Rolle  bei  ihrer  Ausbildung  auch  nur  dann  gespielt 
hat,  nachdem  einmal  Ähnlichkeit  mit  einem  Blatte  in  den  allgemeinen 
Zügen  gegeben  war,  und  umsomehr  wird  man  Prüfung  in  allen  einzelnen 
Fällen  selbst  hochgradiger  Blattähnlichkeit  dahin  verlangen,  ob  dem  be- 
treffenden Tiere    im  Leben  durch  dieselbe  Schutz  gewährt  v^'ird. 

Diese  Vorsicht  muß  bestärkt  werden  durch  die  Thatsache,  daß 
zahlreiche  Falter  im  Begriffe  sind,  die  Blattähnlichkeit  zu  verlieren  und 
statt  derselben  zunächst  auf  den  Vorderflügeln  sogar  bunte  Farben  an- 
zunehmen, ja  daß  schon  viele  diese  Umbildung  in  hohem  Grade  voll- 
zogen haben. 


Caerois  Choriueus,  ein  Falter  mit  gauz  verrückteu  Blattrippeii. 

Dieser  zu  den  Satyriden  gehörige  Falter i)  verdient  eine  besondere 
Besprechung  wegen  der  so  sehr  auffallenden  Zeichnung  der  Unterseite 
und  der  merkwürdigen  Gestalt.  Er  schaut  uns  in  seiner  Verzerrung  der 
sonst  der  Blattähnlichkeit  zu  Grunde  liegenden  Verhältnisse  an  fast  wie 
eine  Ironie  auf  die    ganze   so  bestechende  Annahme  der  Blattanpassung. 

Die  braune  gerieselte  Grundfarbe  stimmt  mit  der  eines  dürren 
Blattes.  Auch  weiße  Fleckchen  sind  darauf,  welche  als  Schimmelflecke 
Eindruck  machen  können:  einer  im  vorderen  Flügelwinkel,  drei  im 
hinteren.  Sie  sind,  wie  bei  Inachis  und  Verwandten,  oflenbar  Reste  der 
Augenflecke  der  Binde  III  und  unterrichten  uns  deshalb  über  die  Be- 
deutung der  ihnen  zunächst  gelegenen,  quer  über  die  Flügelecken  her- 
überlaufenden Binden ,  welche  man  sonst  geneigt  sein  könnte  für  II  zu 
halten:  sie  gehören  III  an. 

1)  Die  Ahbildung  (30)  ist  nach  Staudinger  Taf.  77  ausgeführt. 


Caerois  Chorineus.  ein  Falter  mit  ganz  verrückten  Blattrippen. 


123 


Auch  die  Gestalt  des  Blattes  sieht  sich  an  wie  ein  Scherz  auf  eine 
Blattform:  Die  Vorderflügelecken  sind  ausgezogen,  wie  wenn  sie  eine 
Blattspitze  darstellen  wollten,  enden  aber  stumpf  umgebogen,  fast  ein 
bischen  wie  eine  Schellenkappe.  Die  Hinterflügel  haben,  jener  Spitze 
entsesensesetzt,  eine  ordnungsmäßige  hintere  Blattspitze,  aber  dieselbe 
ist  ziemlich  unbedeutend  und  stumpf,  und  die  eigentliche  Flügelspitze 
wird  hergestellt  durch  eine  blattstielähnliche,  aber  nach  der  Seite  ge- 
richtete Fortsetzung  der  hinteren  äußeren  Flügelecke. 


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Abt).  5U.    Caerois  Chorineus  HCcx. 


Es  sei  nebenbei  bemerkt,  daß  dieser  äußere  Hinterflügelfortsatz  der 
gewöhnlichen  äußeren  schwanzartigen  Verlängerung  der  Hinterflügel  ent- 
spricht, wie  sie  oft  neben  einer  inneren  bei  zahlreichen  Nymphaliden, 
Satyriden  u.a.  vorkommt,  meist  den  eigentlichen  Flügelschwanz  bildend  — 
so  auch  den  der  Papilioniden. 

Außer  der  so  eigenartig  auf  Vorder-  und  Hinterflügeln  verschobenen 
Binde  III  sind  noch  Grundbinden  als  innere  »Seitenrippen  :  vorhanden. 
Das  erste  kurze  Stück  einer  solchen  nach  einwärts  von  der  vorderen  III 
entspricht  wohl  einem  Rest  von  V  VI;  dann  folgen  zwei  weitere  stärker 
erhaltene   Grundbinden. 

Die  sonst  so  bedeutungsvolle  Binde  IV  würde  also  fehlen  —  das 
»Blatt«  hat  keine  Mittelrippe. 

Zu  der  gegebenen  Deutung  der  Binden  veranlaßt  die  Vergleichung 
mit  verwandten  Faltern,  wie  sie  auf  derselben  SxAUDiNGEu'schen  Tafel 
mit  C.  Chorineus  abgebildet  sind  und  welche  Übergänge  zu  den  gewöhn- 
lichen Zeichnungs-  und  Gestaltverhältnissen  der  Flügel  zeigen.  Diese 
Vergleichung  läßt  es  auch  möglich  erscheinen,  daß  in  der  Binde,  welche 


124  '^'"^  Entsteluing  der  Blattähnlichkeit  bei  Schmetterlingen. 

ich  als  III  bezeichnet  habe,  IV  mit  inbegrifien  ist.  daß  also  beide  ver- 
schmolzen zu  denken  sind,  denn  die  verwandten  Formen:  Pierella  Hor- 
tona,  Antirrhaea  Muren  a  und  Pierella  Dracontis  zeigen  eine  immer  größere 
Annäherung  von  III  und  IV,  so  daß  zuletzt  das  Mittelfeld  fast  vollkommen 
geschwunden  ist.  Auch  die  allmähliche  Verschiebung  der  Binde  III,  bezw. 
in  IV  ist  an  diesen  Faltern  sehr  schön  ausgesprochen.  Es  handelt  sich  dabei 
offenbar  wiederum  um  die  Folgen  eigenartigen  Wachsens  der  Flügel, 
bezw.  um  hervorragendes  Wachsen  bestimmter  Teile  derselben,  um  das 
Wachsen,  welches  eben  die  tjestalt  der  Flügel  bedingt.     Im  vorliegenden 

Falle  ist  die  Verschiebung  von  III,  bezw.  III/IV  auf  den 
Hinterflügeln,  vorne  nach  außen,  deutlich  die  Folge 
eines  sehr  starken  Wachstums  des  vorderen  Randes 
dieser  Flügel  zunächst  einwärts  von  III.  Und  ebenso 
beruht  die  Verschiebung  von  III  der  Vorderflügel  in 
der  Richtung  nach  außen  auf  starkem  Gewachsensein 
des  Hinterrandes  der  Vorderflügel  im  Gel)iete  zunächst 
nach  einwärts  von  dieser  Binde.  Zugleich  fand  ein 
starkes  Wachsen  beider  Flügel  nach  außen  von  III 
zur  Gestaltung  der  Flügelspitzen  statt. 

Daß  dies    wirklich   die  Ursachen  der  Umbildung 
sind,    beweist    die    verwandte,    auf    derselben    Tafel 
bei  Staudinger    und    in   unserer  Abb.  51    abgebildete 
Cithaerits^iouta  ke^v.        Cithaerias  polita,   welche   auf  den  Vorderflügeln  und 

auch  auf  den  Hinterflügeln  fast  dieselben  Zeichnungen 
wie  Caerois  Chorineus  hat  —  uns  wohlbekannte  Binden  und  entsprechend  der 
gewöhnlichen  Flügelform  in  der  gewöhnlichen  ursprünglichen  Anordnung. 


Dolcschallia  polibete,  eiu  bis  zur  Blattuuähulichkeit  abäuderiider 

Blattsclimetterliug. 

Manche  Blattschmetterlinge  ändern  in  der  Blattähnlichkeit  sehr  ab. 
Es  liegen  mir  zwei  Stück  Kallima  Jnachis  vor,  von  welchen  das  eine 
dunkle  braune  Farbe  und  dunkle  kräftige  Zeichnung  hat,  während  das 
andere  blaß,  fahlgelb  und  fast  ohne  Blattrippenzeichnung  ist.  In  letz- 
terem Sinne  ändern  besonders  auch  die  Arten  der  Gattung  Änaea  ab, 
was  offenbar  als  Rückbildung  der  Blattzeichnung  aufzufassen  ist. 

Der  hier  behandelte  Blattschmetterling  bietet  aber  ein  außerordent- 
liches Beispiel  von  Abändern  dar,  wie  die  Äußerungen  des  Herrn  Georg 
Semper  und  die  von  ihm  gegebenen  Abbildungen  beweisen,  auf  welche 
ich  mich  berufe.  G.  Semper  sagt  von  IJoleschallia  polibete^):  »während 
die  Unterseite  der  Flügel  bei  dieser  Art  so  stark  variiert,  daß  kaum  zw  ei 
Exemplare    sich  völlig   gleich   sind,    ist  die  Zeichnung  der  Oberseite  fast 


1)  Georg  Sempkk:   Die  Schmetterlinge  der  Philippinischen  Inseln.    I.  Die  Tagfalter. 
Wiesbaden,  Kreidel,  1886— -1892,  S.  ue.  Taf.  XXII. 


Doleschallia  poUbete,  abändernder  Blattschmetterling.  125 

ohne  jede  Abweichung  ....  als  Regel  läßt  sich  nur  sagen,  daß  bei  den 
(3f  vorwiegend  weiße  Flecke  vorhanden  sind,  während  sie  in  der  Regel 
beim   Q   fehlen. « 

Semper  hat  nicht  weniger  als  1126  Exemplare  von  allen  philippi- 
nischen Inseln,  darunter  über  900  von  Gamiguin  de  Mindanao  vor  sich 
gehabt.  Er  bildet  acht  Stück  von  der  Unterseite  ab ,  welche  alle  sehr 
verschieden  gefärbt  sind  und  deren  Zeichnung  sehr  verschieden  ausge- 
sprochen ist.  Dieselben  stammen  alle  von  einer  und  derselben  Örtlich- 
keit, Camisuin  de  Mindanao. 

Die  Blattähnlichkeit  der  Doleschallia  ist  unvollkommen,  weil  die 
»Mittelrippe«  ausschließlich  der  Binde  IV  entspricht,  also  nicht  in  die 
Blattspitze  geht,  sondern  weit  nach  innen  von  ihr  am  Vorderflügelrand 
endigt  (Abb.  52),  ja  sie  macht  kurz  vor  diesem  noch  einen  starken  Haken 
nach  einwärts.  Scharfe  linienartige  Seitenrippen  sind  nicht  vorhanden,  nur 
einige  verbreiterte  Bindenschatten,  welche  besonders  auf  der  äußeren 
Hälfte  der  Hioterflügel  Seitenrippen  bei  einem  oder  dem  anderen  der 
abgebildeten  Falter  andeuten.  Im  übrigen  wird  die  Blattähnlichkeit 
durch  mehr  oder  weniger  unregelmäßige  verschiedenartige  Flecke  und 
durch  Farbentinten  aneedeutet.  Sehr  starke  solche  Fleckuns  ändert  aber 
ab  bis  zu  Einfarbigkeit  und  Übrigbleiben  der  Mittelblattrippe.  Auch 
die  Farbe  der  Falter  ist  sehr  verschieden  und  ebenso  die  Ausbildung 
der  Augenflecke. 

Die  abgebildeten  Falter  sind  auf  der  Unterseite  bald  grünlich,  bald 
braun ,  bezw.  gelbbraun.  Einer  ist  außen  grünlich,  innen  bis  zur  Mittel- 
blattrippe schwärzlichbraun,  einer  darüber  hinaus  braun,  im  äußeren 
Teil  aber  gelbbraun,  beides  scharf  abgesetzt    (vgl.  unsere  Abb.  53,  54;. 

Die  Augenflecke  sind  an  Zahl  sehr  verschieden,  auch  im  einzelnen 
sehr  verschieden  ausgebildet:  in  Fig.  3  (unsere  Abb.  52)  zählt  man  deren 
sieben  auf  dem  Vorderflügel,  fünf  auf  dem  Hinterflügel:  eine  vollkommene 
Reihe;  in  einem  anderen  Fall  (Fig.  6,  unsere  Abb.  53)  sieht  man  vorne  nur 
deren  zw^ei,  hinten  drei,  in  einem  weiteren  (Fig.  8)  sind  ausgebildet  nur 
hinten  zwei  und  davon  einer  schwach,  vorne  etwa  drei  kaum  angedeutet. 

Zuweilen  ist  die  dunkle  Binde  IV  nach  außen  durch  eine  weiße 
Linie  und  diese  wieder  nach  außen  durch  eine  braunschwarze  Schatten- 
linie begrenzt  (unsere  Abb.  52).  In  einem  Falle  sind  die  zwei  dunkeln 
Linien  vorhanden,  die  mittlere  weiße  fehlt.  Die  äußere  dunkle  Linie  ent- 
spricht der  Binde  III,  welche  sich  nach  hinten  an  IV  anlegt  —  eine 
zweite  Mittelrippe ! 

Andeutungen  von  Seitenrippen  sind  also  in  einigen  Fällen  hinten 
vorhanden,  vorne  nicht.  Vorne  sind  nur  im  Binnenfeld  Reste  der  Grund- 
binden stark  ausgeprägt. 

Am  größten  ist  die  Verschiedenheit  darin,  daß  auf  dem  Binnenteil 
der  Flügel  in  zwei  Fällen  große  unregelmäßige  weiße  Flecke  auftreten, 
welche  in  den  anderen  fehlen  (vgl.  unsere  Abbildung  52). 

Die  abgebildeten  Stücke  sind,  wie  Herr  Semper  sagt,  allerdings  die 
am    meisten    abweichenden    unter    denen,    welche    ihm    vorlagen.      Aber 


126 


Die  Entstehung  der  Blattähnlichkeit  bei  Schmetterlingen. 


immerhin    ist    diese    Abweichung    eine     sehr    bedeutende.      Alle    Ver- 
schiedenheiten sind  aber  wiederum  au  fStulen  gesetzmäßige 
U mb  i  1  d u n  g  z  u r ü  c  k  z  u  f ii  b r e n. 

Fremd  scheint  auf  den  ersten  Blick  den  von  mir  beschriebenen  Ent- 
wickelungsrichtungen  nur  die  doppelte  »Mittelrippe«  zu  sein,  und  das  in 
einem  Falle  abgebildete  (Fig.  10,  unsere  Abb.  54)  Übergreifen  des  dunkel- 
braunen Binnenfeldes  nach  außen  über  die  » Mittelrippe <' ;  nach  den  Ab- 
bildungen zu  schließen  handelt  es  sich  aber  sowohl  in  dieser  äußern 
Grenze  des  Binnenfeldes  wie  in  der  zweiten  -Mittolrippe«  um  Binde  III 'i. 
Auch  die  zuweilen  im  Binnenfeld  auftretenden  großen  weißen  Flecke 
(Abb.  52)  sind  uns  nichts  fremdes:  sie  entsprechen  ganz  genau  den 
Zwischenräumen  zwischen  einzelnen  Grundbinden,  und  zwar 
zwischen  den  Binden:  1)  1— II  (A),  2)  II— III  (B),  3)  III— IV  (C),  4)  IV— 
V/VI  ,D),  5)  V/VI— VII  JF),  6)  IX— X  (J).  (Man  vergleiche  hierzu  auch 
die  in  Fig.  34  abgebildete  DoleschalUa  pratipa.) 

Ob  nun  aber  in  den  verschiedenen  Umbildungen  ein  Fortschreiten 
zu  Blattähnlichkeit  ausgesprochen  ist  oder  eine  Rückbildung  derselben? 
Ob  die  mehr  grünen  oder  die  mehr  braunen  Falter  entsprechend  ge- 
färbtem Untergrund  (Blättern)   angepaßt  sind?    Ob  die  verschiedene  Farbe 

etwa  bedingt  worden  ist  durch    den  Einfluß  der 
Farbe  der  Umgebung  auf  die  Pu])pe? 

Was  die  Zeichnung  angeht,  so  wird  wohl  zu 
sagen  sein,  daß  die  meisten  der  verschiedenen 
Abänderungen  derselben  eine  gewisse  Überein- 
stimmung des  Falters  mit  dem  Aussehen  dürrer 
Blätter  nicht  stören.  Aber  dasselbe  gilt  für  alle 
anderen  Schmetterlinge,  welche  dürre  Blätter 
nachahmen  sollen,  denn  diese  dürren  Blätter  sind 
ja  unter  sich  meist  sehr  verschieden. 

Besonders  hervorzuheben  aber  ist  die  That- 
sache,  daß  einige  der  Abänderungen  unseres 
Falters  derartige  sind,  daß  dieselben  gar 
nicht  als  blattähnliche  bezeichnet  wer- 
den können.  Dies  gilt  z.  B.  für  den  von 
Semper  in  Fig.  3  abgebildeten  und  von  uns  hier 
wiedergegebenen  Falter  mit  den  großen  weißen 
Flecken  (Abbildung  52),  bei  welchem  zugleich  die 
Augenflecke  in  sehr  ursprünglicher  Ausbildung -vorhanden  sind. 

Wenn  das  Anpassungsbedürfnis  der  >  Waldschmetter- 
linge«  ein  so  großes  ist,    daß  dieselben    ihre  Blattähnlichkeit 


x  A 


^ 


Abb.  52. 


DoleschalUa  polibete 
Ceam.    (5- 


1)  Das  wäre  eher  ein  »Schlagschatten«  der  Mittelrippe,  als  derjenige,  welcher 
nach  A.  Weismann  (»Germinalselektion«  S.  U)  bei  Kallima  Inachis  und  paralecta  vor- 
handen ist:  er  ist  wenigstens  durch  eine  dunkle  Linie  gebildet,  aber  er  liegt  bei 
Aufrechtstellung  der  Flügel  nicht  nach  unten,  sondern  nach  oben;  ebenso  ist  bei 
Kallima  eine  Abschattierung  in  dieser  Lage  nach  oben  vorhanden,  nach  unten  eine 
helle  Linie. 


Doleschallia  polibete,  abändernder  Blattschmetterling. 


127 


durch  Auslese  erlangt  hal)en,  warum  ist  diese  Anpassung  in 
so  vielen  Fällen  eine  durchaus  unvoUlvoramene;  wie  ist  es  dann 
möglich,  daß  so  verschiedene  Varietäten  einer  und  derselben 
Art  wie  die  der  Doleschallia  polibele  untereinander  leben, 
darunter  solche,  deren  Blattähnlichkeit  eine  so  unvollkom- 
mene ist;  wie  ist  es  möglich,  daß  in  so  vielen  Fällen  eine 
Rückbildung  derselben,  sei  es  auf  der  ganzen  Unterseite  wie 
bei  Anaeen,  sei  es  nur  auf  den  Vorderflügeln  stattgefunden 
hat,  wo,  wie  wir  sehen,  so  häufig  ein  Fortschritt  zur  Ent- 
stehung höherer  Zeichnung   und   schöner   Farben    stattfindet? 

Daß  selbst  bei  Kailima  eine  solche  Rückbildung  thatsächlich  statt- 
gefunden hat,  lehrt  uns  Kallima  rumia. 

Was  Doleschallia  polibele  angeht,  so  dürfte  der  von  uns  abgebildete 
Falter  mit  den  großen  weißen  Flecken  und  mit  der  vollkommenen  Augen- 
fleckenreihe  eine    ursprüngliche  Form    darstellen,    von  welcher   aus  sich 

n  -, 


ni 


ni 


II 


B  \ . 


Abb.  o.i.     O 


Doleschallia  polibete. 


Abb.  54.     O 


die  übrigen,  eiüfacher  gefärl^teu  gebildet  haben.  Wäre  aber  jenes  große 
Anpassungsbedürfnis  vorhanden,  so  müßte  diese  Varietät  aus  den  übrigen, 
besser  angepaßten  längst  ausgelesen,  vernichtet  sein. 

Wir  können  also  zunächst  nur  schließen,  daß  wir  in  dieser  Dole- 
schallia polibete  eines  jener  Tiere  vor  uns  haben,  welche  zur  Zeit  in 
starkem  Abändern  begriffen  sind  und  für  deren  Bestehen  es  durchaus 
gleichgültig  ist,  ob  sie  mehr  so  oder  so  gezeichnet  sind,  ob  sie  der  Um- 
gebung mehr  oder  weniger  ähnlich  sehen. 

Da  wir  aber  andererseits  bei  der  Verschiedenheit  des  Aussehens 
dürrer  Blätter  auch  für  alle  anderen  Blattschmetterlinge  voraussetzen 
dürfen,  daß  sie  bei  erheblichem  Abändern  auf  dürren  Blättern  geschützt 
wären,  so  ist  nicht  abzusehen,  weshalb  bei  den  nicht  ei'heblich  ab- 
ändernden Arten  derselben  gerade  die  bestüumte,  bei  ihnen  zum  Art- 
merkmal gewordene  Farbe  und  Zeichnung  auf  zwingenden,  durch  Auslese 
gewordenen  Eigenschaften  beruhen  soll. 

Wäre  Auslese  für  die  Waldblattschmetterlinge  maßgebend, 
so  müßten  die  verschiedensten  der  Verschiedenheit  dürrer 
Blätter  entsprechenden  Abänderungen  von  Farbe  und  Zeich- 
nung bei   denselben  vorkommen,    aber   nur  sie.     Nun  haben  wir 


128  D'6  Entstehung  der  Blattähnlichkeit  bei  Schmetterlingen. 

aber  von  einem  Augenzeugen  gehört,  daß  gerade  die  ausgebildetsten 
Blattschraetterlinge,  Kailima  Inachis  und  paralecta,  sich  gar  nicht  immer 
auf  dürren  Blättern  niederlassen,  auf  welchen  sie  fast  unsichtbar  sind, 
sondern  auch  auf  grünem  Untergrund,  von  welchem  sie  schon  von  weitem 
abstechen  und  wo  sie  auch  Vögel  kaum  lange  täuschen  würden. 

Es  weisen  vielmehr  alle  Thatsachen  darauf  hin,  daß  die  Ähnlichkeit 
der  Unterseite  der  Blattschmetterhnge  auf  Entwickelungsrichtungen  be- 
ruht, welche  zum  Ausdruck  kommen  müssen,  ohne  daß  Zuchtwahl 
dieselben  bestimmt  ha])en  könnte  und  ohne  daß  Zuchtwahl,  auch  nach- 
dem eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  Blättern  schon  vorhanden  war.  die 
weitere  Ausbildung  dieser  Ähnlichkeit  wohl  auch  nur  begünstigt  hat. 

Daß  solche  blattähnliche  Schmetterlinge  durch  ihr  Aussehen,  nach- 
dem es  einmal  vorhanden  ist,  vor  Verfolgung  geschützt  sein  können,  daß 
sie  somit  angepaßt  sein  können,  will  ich  keineswegs  bestreiten. 
Auch  bestreite  ich  die  Möglichkeit  nicht,  daß  die  Blattähnlichkeit 
durch  Auslese  in  einzelnen  Fällen  beeünstigt  worden  sein  kann.  Aber 
es  fehlt  dafür  jeder  Beweis,  so  lange  als  nicht  einmal  bewiesen  ist, 
daß  die  in  Frage  kommenden  Falter  wirklich  jenes  Schutzes  bedürfen, 
und  so  lange  nicht  für  die  einzelnen  Fälle  sicher  nachgewiesen  ist,  daß 
sie  diesen  Schutz  wirklich  auch  in  ausgiebiger  Weise  in  Anspruch  nehmen. 

Je  länger  ich  mich  mit  der  Entstehung  der  Blattähnlichkeit  imd  mit 
deren  Abänderungen  abgegeben  habe,  um  so  mehr  schwand  vor  meinen 
Augen  das  poetische  Bild  des  auf  biologischer  Grundlage  nachgeahmten 
Blattes,  und  machte  der  Überzeugung  Platz,  daß  es  sich  in  demselben  viel- 
mehr um  den  notwendigen  Ausdruck  von  Entwickelungsrichtungen  handle, 
welche  jedenfalls  in  ihrer  Entstehung,  aber  wohl  auch  in  ihrer  weiteren 
Ausbildung  mit  Nachahmung  gar  nichts  zu  thun  haben,  und  noch  mehr 
W'urde  ich  in  dieser  nüchternen  Auffassung  bestärkt  durch  die  im  fol- 
genden vorzuführenden  Thatsachen,  welche  die  unbedingte  Herrschaft 
der  Orlhogenesis  bei  der  gesamten  Zeichnung  der  Tagfalter  beweisen 
und  welche  die  Annahme  schützender  Verkleidung  überhaupt 
zweifelhaft  machen,  indem  sie  überall  auf  Ähnlichkeit  nicht 
durch  Anpassung,  sondern  auf  Grund  von  unabhängiger 
Entwickelungsgleichheit,  Homoeogeuesis,  hinweisen. 

In  Anbetracht  der  so  vollendeten  Blattähnlichkeit  mancher  Blatt- 
schmetterlinge fällt  es  schwer,  sich  von  jener  bestechenden  Vorstellung 
nützlicher  Anpassung  loszureißen,  aber  so  lange  als  man  nicht  be- 
weisen kann,  daß  die  betreffenden  Falter  wirklich  des  Schutzes  vor 
Feinden  bedürfen,  so  lange  man  nicht  nachweist,  daß  ich  Unrecht  habe, 
wenn  ich  aus  allen  bekannten  Thatsachen  schließen  zu  müssen  glaube, 
daß  dies  nicht  der  Fall  ist  schon  deshalb,  weil  die  Schmetterlinge  ins- 
besondere von  Vögeln,  welche  hier  allein  wesentlich  maßgebend  sein 
könnten,  nur  ganz  ausnahmsweise  verfolgt  werden  —  so  lange  muß  ich 
die  Auffassung  der  als  nützliche  Verkleidung  durch  Zuchtwahl  entstan- 
denen Blattähnlichkeit  der  Blattschmetterlinge  zu  meinem  eigenen  Be- 
dauern für  ein  schönes  Märchen  erklären. 


ly. 

Die  wichtigsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 
Zeichnungs-Typen  und  Pseudo-Mimicry. 


»Eines  der  größten  Reclite  und  Befugnisse  der 
Natnr  ist,  dieselben  Zwecke  durch  verscliiedene  Mittel 
erreichen  zu  können,  dieselben  Erscheinungen  durch 
mancherlei  Bezüge  zu  veranlassen.« 

Goethe. 


A.  Aufseufeld,  Mittelfeld  und  Biuuenfeld  als  besondere  Entwickelungs- 
richtungen bei  den  Tagfaltern. 

Bis  dahin  haben  wir  gesehen,  daß  zunächst  bei  den  Nymphaliden, 
zu  welchen  die  wichtigsten  Blattschmetterlinge  gehören,  die  beiden  Bin- 
den III  und  IV  in  weiter  Verbreitung,  auch  ohne  daß  irgend  Blattähn- 
lichkeit zu  bestehen  braucht,  eine  Längszeichnung  vom  hinteren  Rande, 
bezw.  von  der  hinteren  Spitze  des  Flügels  zur  vorderen  bilden,  oder 
daß  Binde  IV  allein  eine  solche  Zeichnung  zum  Vorderrande  der  Vorder- 
flügel herstellt.  Es  soll  nun  gezeigt  werden,  in  wel- 
chem Maße  jene  beiden  Binden  für  die  Zeichnung 
der  Tagfalter  überhaupt  durch  Abgrenzung  der  drei 
oben  genannten  Felder  wichtig  sind  und  welch'  große 
Bedeutung  diesen  Feldern  zukommt. 

Bei  Limenitis  Sibylla,  welche  ich  aus  be- 
sonderen Gründen  als  erstes  Beispiel  nehme,  haben 
wir  oben  und  unten  als  hervorragendste  Zeichnung 
ein  weißes  Band  {m  Abb.  55).  Dasselbe  ist  auf  der 
Unterseite  nach  innen  begrenzt  durch  Binde  IV,  nach 
außen  durch  III;  darauf,  weiter  nach  außen,  folgen 
die  zu  schwarzen  weißgekernten  Flecken  ums;ebildeten 
Augenflecke,  dann  die  in  schwarze  Flecke  aufgelöste  Abb.  55. 

Binde  II.  Nach  innen  von  IV  folgen  andere  Grundbinden.  Limenäis  suyiu  l. 

Ebenso  wird  auf  der  Oberseite  das  weiße  Band, 
das  Mittelfeld,  durch  Binde  III  außen,  durch  IV  innen  begrenzt  (Abb.  75). 

In  der  Vorderflügelecke  finden  sich  unten  und  oben  zwei  oder  drei 
weiße  Flecke,  welche  zwischen  Binde  II  und  III  gelegen  sind.    Ein  anderer 

Eimer,  Orthogenesis.  9 


]  30  f^'*'  liauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

kleiner  weißer  Fleck  liegt  weiter  liiDten,  nahe  dem  Rande,  und  entspricht 
ebenfalls  einem  Rest  des  Zwischenraums  zwischen  Binde  II  und  III  (B;. 
Endlich  liegt  nahe  dem  vorderen  Flügelrande,  einwärts  vom  vorderen 
Ende  des  Mittelfeldes,  oben  zuweilen  ein  weißer  Fleck,  entsprechend 
einem  Reste  des  Zwischenraums  zwischen  V/VI  und  VII  (F) ;  unten  ist 
derselbe  viel  deutlicher,  oben  ist  e«  Artkennzeichen  für  L.  CamiUa 
und  populi  (Abb.  72). 

Bei  beiden  letzteren  Faltern  ist  das  Mittelfeld  auf  den  Vorderflügeln 
mehr  in  Flecke  aufgelöst,  aber  wie  alle  weiße  Zeichnung  nur  beim  Q 
sehr  ausgesprochen,  beim  rf  zurückgetreten.  Bei  populi  sind  drei  Flügel- 
eckflecke vorhanden  (B).  Ähnlich  sind  die  Verhältnisse  bei  Apatura  Iris] 
hier  sind  aber  zwei  hintere  Randflecke  der  Vorderflüge]  vorhanden, 
und  nach  innen  vom  hinteren  derselben  entsteht  ein  Augenfleck,  welcher 
bei  Ilia  noch  mehr  entwickelt  ist. 

Das  helle  Mittelfeld  ist  eine  bei  Tagfaltern  weit  ver- 
breitete, für  das  Aussehen  ihrer  Träger  höchst  auffallende 
Eigenschaft. 

Indessen  ist  dasselbe  nicht  immer  durch  die  Binden  III  und  IV  begrenzt, 

kann  vielmehr   nach    außen   oder   innen  verbreitert   oder   aber  verlagert 

sein,  entweder  auf  das  Gebiet  von  III  beschränkt  oder 

Cjy^L,  nach  einwärts  von  IV  gerückt.     Bei    den  Nymphaliden 

"^^  allerdings  stellt  IV  meist  die  scharfe  innere  Grenze  des 

Mittelfeldes  dar.     Aber  auch   hier  kommt  es  vor,    daß 

dasselbe  zwischen  Binde  IV  und  V  VI  liegt,  und  zwar 

ist  dies  der  Fall  bei  Vanessa  prorsa  (Abb.  56),  während 

es  bei  Vanessa  Canace  aus  Sikkim  nur  im  Gebiete  von 

III  liegt,  bei  anderen  Vanessen,  so  bei  Vanessa  glauconia 

Abb.  51..  g^^g  Japan,    zwischen  III  und  IV;   bei   I'.  Haronia   aus 

Yanessa  prorsa  h.  '■         ' 

Ceylon  aber  nimmt  es  eine  Mittelstellung  zwischen  den 
beiden  vorigen  ein:  es  liegt  hier  noch  im  Gebiete  von  III,  so  daß  es  die 
Augenflecke  mit  einschließt,  und  rückt  nach  einwärts  vorn  bis  gegen, 
hinten  bis  an  IV  heran  (vgl.  Abb.  81 — 83). 

Nach  innen  von  IV  (bei  den  Papilioniden  häufig  erst  nach  innen  von  IX) 
folgt  dann  als  ebenso  auffallende  und  gewöhnliche  Zeichnung  oft  das  dunkle, 
durch  Verschmelzung  der  inneren  Binden  (Abb.  43  bei  B)  entstandene: 

Binnenfeld.  Zuweilen  ist  es  umgekehrt  heller  als  der  äußere  Teil  der 
Flügel.  Meist  grenzt  es  nach  außen  an  ein  Mittelfeld.  Es  kann  aber  auch 
vorhanden  sein,  wo  dieses  fehlt,  dann,  wenn  es  hell  ist,  und  es  grenzt 
dann  unmittelbar  an  das  dunkle  Außenfeld  an  (z.  B.  Megalura  Coresia). 

Das  Außenfeld  ist  beim  Vorhandensein  eines  3Iittelfeldes  in  der 
Regel  gebildet  durch  die  Binden  I — III,  und  fallen  in  den  Bereich  dieser 
auch  die  zu  letzterer  Binde  in  Beziehung  stehenden  Augenflecke,  auch 
andere  Zier  wie  die  blaue  Randbinde  der  Schwalbenschwänze.  Sehr 
oft  begreift  das  Außenfeld  vorne  auch  die  Binde  IV  in  sich  und  wird 
dadurch  verbreitert.  Aber  es  kann  sich  überhaupt  nach  einwärts  ver- 
breitern   und    so    das     Mittelfeld    verdrängen.      Die    Entstehung    eines 


Außenfeld,  Mittelfeld  und  Binnenfeld  als  besondere  Entwickelungsrichtungen.       131 


unbestimmt  begrenzten 


durch  Verbreiterung  des  Außenfeldes 


Verbreiterung 


des  Binnenfeldes   zeigen 


Längsstreifung, 
hervorgegangen 


Mittelfeldes 
und  allmähliche  Entstehung    ui 
die  Falter  der  Machaon-  und  der  Aste- 
r/a5-Gruppe.     (Vgl.   die  nebenstehende 
Abb.  57.) 

Die  Abteilung  der  Flügelzeichnung  in 
ein  Außenfeld,  Mittelfeld  und  Bin- 
nenfeld ist  auch  auf  der  Oberseite  der 
Flüsjel  eine  verhältnismäßig  ursprüng- 
liche Entwickelungsrichtung ;  denn  sie 
hängt  zusammen  mit  der  ursprünglichen 
indem  sie  aus  derselben 
ist.  Deshalb  auch  ist 
auf  der  Unterseite,  wo  sich  die  Grund- 
binden am  längsten  erhalten,  die  Ab- 
grenzung eines  Mittelfeldes  durch  be- 
stimmte Binden  oft  am  reinsten  aus- 
gesprochen. 

Auf  der  Oberseite  aber  tritt  das 
Mittelfeld  durch  die  größere  Einheitlich- 
keit von  Binnen-  und  Außenfeld  meist 
schärfer  hervor.  Diese  Einheitlichkeit 
ist  die  Folge  der  Entstehung  von  Binnen- 

und  Außenfeld  durch  teilweise  oder  vollkommene  Verschmelzung  der  ur- 
sprünglich an  ihrer  Stelle  gelegenen  Grundbinden. 

Am  seltensten  findet  sich  ein  Mittelfeld  bei  Pieriden  Abb.  76,  77'  und 
Hesperiden,  am  häufigsten  bei  den  in  Beziehung  auf  die  Zeichnung  so 
ursprünglichen  Papilioniden,  häufig  aber  auch  bei  den  (ebenfalls  zuweilen 
noch  längsgestreiften)  Nymphaliden,  Eryciniden,  Lycaeniden,  auch  bei 
Satyriden;  sogar  bei  Morphiden  und  Brassoliden  kann  es  erhalten  sein, 
und  selbst   bei  Danaiden  kommt  es  vor  (vgl.  hierzu  u.  a.  Abb.  62 — 69). 

Bei  vielen  Papilioniden  ist  noch  kein  fertiges  Binnenfeld  vorhan- 
den: es  fehlt  noch  ganz  bei  den  einfachsten,  längsgestreiften  Segelfaltern. 
Bei  den  höheren,  wie  Philolaiis^  Antheus,  Rhesus^  ferner  Sino7i,  Celadon^) 
u.  a.  sind  die  inneren,  dasselbe  herstellenden  Bindenstücke  noch  nicht 
verschmolzen.  Geschlossen  ist  es  dann  bei  Sarpedon  [Anthedon]  u.  a.^). 
In  diesen  Fällen  hat  es  eine  eigentümliche,  etwas  nach  außen  sichel- 
förmig)  gebogene  Gestalt,  was  mit  der  Form  der  geschweift-zugespitzten 
Vorderflügel  zusammenhängt.  Ich  nenne  diese  Art  von  Mittelfeld,  welche 
pseudo-mimetisch  z.  B.  bei  Limenitis  Daraxa  (Abb. 59)  vorkommt,  den  Sa7'- 
pedon-Hectorides-Daraxa-TYV^^j  ^i^  ^^^  Limenitis  Sibylla  geschil- 
derte, zusamt  der  noch  zu  beschreibenden  Schrägfleckzeichnung,  welche 


Abb.  57.     Papilio  Bairdii  Edw.  (5 


1)  Vergl.  Taf.  IV  und  III  meiner 
falterähnlichen  Schmetterlingen«. 
2,  St.  Taf.  6. 


•  Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den  segel- 


J32  I^ic  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

sehr  viel,  z.  B.  auch  von  Vanessen,  so  von  V.  prorsa,  wenn  auch  hier  nur 
äußerlich  ähnlich,  wiederholt  wird,  den  8/6y//^a-pror5a-Typus. 

Das  Mittelfeld  kann  nicht  nur  bei  einer  Art  vorn  und  hinten,  es  kann 
auch  bei  verschiedenen  Arten  derselben  Gattung,  ja  bei  den  zwei  Ge- 
schlechtern einer  und  dersel])en  Art  verschieden  gebildet  sein,  wie 
dies  eben  bei  Limeiiitis  Sibylla,  Camilla^  populi  einerseits  und  Vanessa 
prorsa  andererseits  der  Fall  ist. 

Precis  All  drein ia ja  ^)  bietet  uns  eine  Verschiedenheit  der  Ge- 
schlechter, welche  mit  durch  solches  Verhalten  des  Mittelfeldes  ausgesprochen 
ist.  Es  ist  hier  der  Mann,  welcher  in  der  Ausbildung  des  hellen  Mittel- 
feldes vorangegangen  ist,  aber  nur  auf  der  Oberseite.  Das  Weib  zeigt 
beiderseits  nichts  davon.  Wir  haben  an  diesem  Falter  drei  verschiedene 
Entwickelungsrichtungen,  bezw.  drei  genepistatische  Stufen  der  Entwicke- 
lung  vor  Augen:  1.  Die  Unterseite  beider  Geschlechter  ist  braun  mit 
einer  ziemlich  ursprünglichen  Zeichnung,  beim  (^  (Abb.  42)  mit  einer 
Hinneigung  zur  Bildung  eines  dunkleren  Binnenfeldes  und  mit  einem  etwas 
größeren  Zwischenraum  zwischen  III  und  II  als  beim  Q  (bei  beiden  ist 
auch  Binde  I  kräftig  ausgebildet).  2.  Auf  der  Oberseite  ist  beim  O  ein 
ausgesprochenes  dunkles  Binnenfeld  vorhanden.  3.  Beim  (;f  ist  dieses 
Binnenfeld  oben  ebenfalls  vorhanden,  aber  ein  weißes  Mittelfeld  zwischen 
der  äußeren  Begrenzung  desselben  (IV)  und  der  Binde  II. 

Bei  Cynthia  Moluccariim^)  z.  B.  ist  umgekehrt  beim  Q  das  Mittelfeld 
stärker  ausgebildet  und  zwar  beiderseits. 

Das  helle  Mittelfeld  zeigt  scharf  ausgeprägt  auch:  Rhinopalpa  Sa- 
hina (Abb.  43),  ferner  zeigt  einen  Rest  davon  Napeocles  jucunda^) 
—  einen  Rest,  denn  wenn  das  Mittelfeld  auch  in  zahlreichen  Fällen  be- 
stimmt begrenzt  ist,  so  schwindet  es  ja  in  anderen  doch  allmählich  durch 
Vordringen  der  dunkeln  Färbung  von  innen  oder  von  außen  oder  von 
beiden  Seiten  her,  bis  die  Falter  zuletzt  düster  einfarbig  oder 
schwarz  werden,  wie  ich  das  bei  Segelfaltern  und  Schwalbenschwänzen 
beschrieben  und  abgebildet  habe  (vergl.  auch  vorn  S.  35  ff .  . 

Sehr  häufig  ist  die  Begrenzung  des  Mittelfeldes  nach  beiden  Seiten, 
besonders  aber  nach  innen,  sehr  scharf.  Die  Beispiele  dieser  Art  bei 
Nymphaliden,  Satyriden,  Eryciniden,  Lycaeniden  u.  a.  sind  eben  so  zahl- 
reich wie  dem  allgemeinen  Aussehen  nach  bekannt. 

In  den  meisten  Fällen  spielen  auch  hier  die  Binden  III  und  IV  eine 
ganz  hervorragende  Rolle  für  die  Zeichnung  der  Falter. 

Unter  den  Nymphaliden  liegt  z.  B.  das  Mittelfeld  zwischen  III  und  V/VI  bei 
Messaras  Lampetia*),  Charaxes  Athamas^);  vorne  zwischen  IV  und  V/VI,  hinten  zwi- 
schen III  und  V/VI  bei  Anartia  Amalthea;  zwischen  IV  und  IX  (?)  bei  Victorina 
Steneles  <5f>),  welche  dadurch  papilionidenähnlich  wird,  ebenso  bei  V.  Sulpitia  (5, 
während  bei  Victorina  Epaphus  auf  den  Hinterflügeln  ein  helles  Band  liegt,  entspre- 
chend dem  Zwischenraum  zwischen  II  und  III,  über  die  Vorderflügel  aber  ein 
ebensolches   Band   schräg   herüberläuft,   welches    einer   der    verschiedenen,    noch    zu 


1;  St.  Taf.  38.  2j  St.  Taf.  3Ö.  3)  St.  Taf.  38. 

*)  St.  Taf.  36.  5)  St.  Taf.  59.  6)  St.  Taf.  46. 


Außenfeld,  Mittelfeld  und  Binnenfeld  als  besondere  Enhvickelungsrichtungen.      133 

behandelnden  Eckllügelzeichnungen  zugehört  —  also  hat  das  ganze  Band  mit  dem 
Mittelfelde  nichts  zu  thun.  In  solchen  Fällen  muß  man  sich  fragen,  ob  die  betretlen- 
den  Falter  überhaupt  einem  und  demselben  Genus  angehören,  wenn  auch  bei  sicher 
zusammengehörenden  Arten  sehr  große  Verschiedenheiten  als  Ausdruck  von  Halmato- 
genesis,  bezw.  kaleidoskopischer  Umbildung  vorkommen. 

Sehr  verschieden  sieht  die  Zeichnung  auf  Grund  des  Verhaltens  des  Mittelfeldes 
aber  aus  bei  den  offenbar  unmittelbar  verwandten  Eurytela  Hiarbas  (5  und  E.  ful- 
gurata  (5  ^),  indem  dieselbe  bei  ersterer  zwischen  Binde  II  und  III  liegt,  bei  letzterer 
nach  innen  von  III  bis  IX  verschoben  ist. 

Unter  den  Satyriden  sind  von  Formen  mit  einem  zwischen  III 
und  IV  gelegenen  Mittelfeld  besonders  Hipparchien  zu  nennen.  Zu- 
weilen ist  dasselbe  hier  über  III  nach  außen  gerückt,  sodaß  im  Mittel- 
felde Augenflecke  liegen. 


Wir  haben  gesehen,  daß  das  Mittelfeld  bei  unseren  Limenitis  zwischen 
Binde  III  und  IV  gelegen  ist.  Es  giebt  nun  Argymiis-krien,  welche  in 
Färbung  und  Zeichnung  unseren  Limenitis  sehr  ähnlich  sind,  so  die 
schwarze  weibliche  Argynnis  Sagana  aus  China  Abb.  73).  Dieselbe  hat 
auf  der  Oberseite  in  schwarzer  Grundfarbe  fast  ganz  die  w^eiße  Zeichnung 
von  Limenitis  Sibylla,  Camilla  und  besonders  popidi  und  steht  in  der  Größe 
zwischen  letzterer  und  ersteren  mitten  inne.  Auch  die  Flügelform  ist 
der  von  populi  ähnlich.  Von  Sibylla  unterscheidet  Argrjnnis  Sagana  Q  der 
große  weiße  Fleck  in  der  Mittelzolle,  der  bei  Sibylla  fehlt  oder  klein  ist, 
bei  Camilla  auffallend  ausgesprochen,  bei  populi  aber  fast  so  groß  ist  wie 
bei   Sagana. 


I  JT 


AT)b.  58.     Tacliyris  Zariudu  Büisd.  C 


Abi).  59.     Linunitis  Daraxa  Doubl.  Hew. 


Die  größte  Ähnlichkeit  mit  Limenitis  populi  und  Argynnis  Sagana  Q 
hat  wiederum  Tachyris  Zarinda  aus  Gelebes  (Abb.  58).  Würden  diese 
Falter  zusammen  leben,  und  wäre  einer  derselben  ungenießbar,  so  wäre 


'J  St.  Taf.  39. 


J  34  Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

für  die  Mimicryschwärmer  ein  herrlicher  Fall  von  durch  Zuchtwahl  ent- 
standener Verkleidung  gegeben.  Es  handelt  sich  aber  in  der  Ähnlichkeit 
hier  wie  in  tausend  anderen  Fällen  offenbar  einfach  um  unabhängige  Ent- 
wickelungsgleichheit   (Homoeogenesis). 

Es  giebt  andere  Limenitis^  bei  welchen  das  Mittelfeld  nicht  zwischen 
Binde  III  und  IV,  sondern  zwischen  IV  und  IX  liegt.  So  bei  der  schwarzen 
Limenüis  Daraxa  vom  Himalaja  (Abb.  59).  Bei  diesem  Falter  ist  dadurch 
die  größte  Ähnlichkeit  mit  manchen  Papilioniden  gegeben :  z.  B.  mit  Papilio 
Sarpedon  {Änt/iedon),  Jason  (Evemon)^)  aus  Ostindien,  um  so  mehr,  als  das 
Mittelfeld  wie  dort  grünlich  ist,  nur  ist  Daraxa  kleiner  als  diese  Falter. 
Auch  hier  haben  wir  Homoeogenesis  ohne  Beweis  für  Mimicry,  ja  ohne 
Zusammenleben;  vielleicht  kommt  Daraxa  mit  einem  Sarpedon  zusammen 
vor,  aber  weder  diese  beiden  noch  Jason  sind  durch  Ungenießbarkeit 
geschützt. 

Auch  bei  Limenites  Zayla  (Abi),  66)  vom  Himalaja  liegt  das  Mittelfeld 
zwischen  Binde    IV  und  IX. 

Es  wurde  von  Seiten  des  » Selektionsfanatikers <  2)  Herrn  Aigust 
Weismann  neuerdings  Vanessa  prorsa  »fiktiver«,  d.i.  eingebildeter  Weise 
in  mimetische  Beziehung  zu  Limenüis  Sibylla  gebracht.  Schon  die  ver- 
schiedene Größe  beider  Falter  schließt  solche  Beziehungen  vollkommen 
aus,  ebenso  die  verschiedene  Flugweise,  abgesehen  davon,  daß  beide 
vielleicht  kaum  zusammen  fliegen,  und  daß  Sibylla,  welche  die  nach- 
geahmte Form  sein  soll,  wie  die  Limenitis  überhaupt  gar  nicht  geschützt 
ist.  Die  ganze  Vorstellung  des  Herrn  Wf.ismann  ist  also  in  der  That 
vollkommene    Einbildung. 

Dagegen  ist  die  Ähnlichkeit  der  Zeichnung  zwischen  Sibylla  und  prorsa 
eine  ziemlich  ausgesprochene.  Viel  ähnlicher  sind  aber  der  Limenitis 
Sibylla  wieder  Fanessa -Arten,  welche  gar  nicht  mit  derselben  in  einem 
Lande  leben,  ähnlicher  schon  wegen  der  bedeutenderen  Größe,  so 
Vanessa  prorsoides  von  Assam  und  Vanessa  fallax  aus  Japan;  die  letztere 
ist  allerdings  nur  wenig  größer  als  V.  prorsa,  dagegen  ist  die  erstere 
erheblich  größer. 

Herr  M.  Standfuss  sagt  in  Beziehung  auf  jene   »Fiction«: 

»Die  Möglichkeit«  —  (der  Mimicry)  —  »ist  aber  aus  mehr  als  einem 
Grunde  unmöglich.  Zuerst  und  vor  allen  Dingen  ist  Lim.  Sibylla  L., 
welche  nachgeahmt  sein  soll,  überhaupt  nicht  geschützt,  da  sie  von 
unseren  sämtlichen  gemeinen,  insektenfressenden  Vögeln:  Turdus-,  Ridi- 
cilla-,  Sylvia -S\)ecies  etc.  sehr  gern  verzehrt  wird,  und  bezüglich  der 
Eidechsen,  deren  Verhalten  der  Art  gegenüber  ich  nicht  kenne,  hätte 
man  wohl  ausschließlich  mit  der  Unterseite  zu  rechnen,  die  doch  wohl 
kaum  noch  als  mimetisch  gelten  kann.« 

»Weiter  dann:  ich  weiß  aus  Erfahrung,  daß  ich  selbst  auf  eine  sehr 
bedeutende  Entfernung  jede  Lim.  Sibylla,  die  doch  sehr  erheblich  größer 
ist    und    andere  Flugmanieren    und    Gewohnheiten    hat   als   Van.  prorsa, 


ij  St.  Taf.  6.  2    Vgl.  A.  Weisma>'n:  Zool.  Jahrb.  Abt.  f.  Syst.  VIIl,  S.  668. 


Außenfeld,  Mittelfeld  und  Binnenfeld  als  besondere  Entwickelungsrichtungen.       135 

sicher  von  letzterer  zu  unterscheiden  vermag.  Herr  Professor  Weismann 
stellt  unserer  Vogelwelt  aber  ein  schlechtes  und  ungerechtes  Zeugnis  aus, 
wenn  er  deren  Beobachtungsgabe  hinsichtlich  ihrer  Nahrungsobjekte  unter 
die  Durchschnittsleistungsfähigkeit  des  Menschen  stellt.  <  >) 

Die  Flügeleckzeichnung  der  V.  prorsa  hat  denselben  Ursprung  wie 
die  unserer  Limenüis,  besteht  aber  aus  mehr  Flecken.  Das  weiße  Mittel- 
feld liegt  bei  prorsa  etwas  w-eiter  nach  innen  und  entspricht  nicht  wie 
bei  unseren  Limenitis  dem  Zwischenraum  zwischen  Binde  III  und  IV, 
sondern  dem  Zwischenraum  zwischen  IV  und  V/VI.  Es  ist  dasselbe 
entstanden  aus  einem  schon  bei  V.  levana  in  der  Grundfarbe  teilweise 
vorhandenen  Zwischenraum  zwischen  diesen  beiden  Binden.  Ich  werde 
auf  die  Entstehung  der  prorsa-Zeichnung  später  näher  eingehen. 

Bei    Jimonia    orithya  und   Lavinia    (Abb.  60), 
welche    den    Vanessa    ganz   nahe    stehen,    ist    das  ^i-i 

Mittelfeld  auf  der  Unterseite  z.  B.  ebenfalls  zwischen 
IV  und  V  VI  gelesen.  Bei  unserem  Distelfalter 
Vanessa  cardui  (Abb.  70)  befindet  sich  auf  dem  hin- 
teren Teil  der  VorderQügel  und  auf  dem  vorderen 
der  Hinterflügel  hinter  dem  Bindenstück  I V/V  VI  ein 
Zwischenraum   in    der   Grundfarbe,    welcher    dem 

Mittelfeld  entspricht.  \\'\'~-   >iflN!    n 

Aber   auch    bei   Limenitis   kommt   ein    weißes  V\\  N -^/fN^y 

Mittelfeld  zwischen  IV  und  V/VI  vor,   nämlich  bei  ^-Nr        •    ''' 
der  von  Staudinger^)  abgebildeten  ostindischen  L.  mV-   •  / 

Procris.  Wir  haben  also  bei  Limenitis  wiederum 
den  Fall,  daß  bei  Arten  derselben  Gattung  ein  au.  eo. 

p  1  •     1  ITT    •  1  M  1    X         m-ti.    ir  1  1  Junonia  Lavinia  Ceam. 

auf  verschiedene  Weise  gebildetes  Mittelield  vor- 
kommen kann. 

Eine  der  vorhin  berührten  Gattungen  bietet  nun  auch  wieder  den 
Fall,  daß  Falter,  welche  weeen  ihrer  Ähnlichkeit  mit  anderen  für  mime- 
tisch  angesprochen  werden  könnten,  diese  Ähnlichkeit  nur  in  einem 
Geschlechte  aufweisen.  Denn  der  Mann  von  Argynnis  Sagana  ist  nicht 
entfernt  Z/me/^/^/^-ähnlich  wie  das  W^eib,  sondern  zeigt  den  gewöhnlichen 
Argynnis-TyP'^^  i^it  gelber  Grundfarbe. 

Wir  sehen  aus  den  mitgeteilten  Thatsachen,  wie  mit  verschie- 
denen Mitteln  auf  verschiedenen  Wegen  ähnliche  Zeichnung 
erzielt  werden  kann.  Die  Fälle,  in  denen  dies  geschieht,  sind  zu 
unterscheiden  von  den  anderen,  gewöhnlicheren,  in  welchen  bei  nicht 
verwandten  Formen  Ähnlichkeit  auf  Grund  derselben  Entwickelungs- 
richtungen  entsteht.  Nur  im  letzteren  Falle  haben  wir  Entwickelungs- 
gleichheit,  Homoeogenesis,  im  ersteren,  also  bei  Vanessa  prorsa  und 
Limenitis  Sibylla,   haben  wir   nur  Zeichnungsähnlichkeit,    entstanden  auf 


1)  Standfuss,   Handbuch   der  paläarktischen  Groß-Schmetterlinge.     2.  Aufl.     Jena 
1896.  S.  294,  295. 

2)  St.  Taf.  50. 


136  Die  hauplsüchlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

verschiedenen  Entwickelungswegen:  Heterhodogenesis^),  wie  man  viel- 
leicht zum  Unterschiede  von  Homoeogenesis  wird  sasien  dürfen. 

Hervorragend  bemerkenswert  ist  aber,  daß  auch  das  Mittelfeld, 
ebenso  wie  alle  anderen  Zeichnungen,  stets  durch  bestimmte  Grund- 
binden, bezw^  deren  Verbreiterung  begrenzt  wird,  mögen  es  in  einem 
Falle  diese,  in  einem  anderen  jene  Binden  sein.  Und  ferner,  daß  so- 
wohl bei  verwandten  Arten  als  auch  bei  den  zwei  Geschlech- 
tern einer  und  derselben  Art  Verschiedenheit,  bei  nicht 
verwandten  Arten  aber  Ähnlichkeit  der  Zeichnung  nicht 
nur  durch  Verschiebung  jener  Grenz  en,  sondern  sogar  durch 
Verlegung  in  einen  anderen  Rahmen  auftreten  kann,  alles 
zugleich  auf  Grund,  bezw.  verbunden  mit  kaleidoskopischer  Um- 
bildung, bei  Vanessa  prorsa  aber  zugleich  durch  Halmatogenesis: 
hier  ist  es  die  Wärme,  welche  die  ganze  Umbildung  verursacht. 

Bezüglich  des  Verhaltens  des  Mittelfeldes  bei  beiden  Geschlechten  einer  und  der- 
selben Art  sei  noch  bemerkt,  daß  dasselbe  z.  B.  vorhanden  ist  beim  5  von  Euriades 
Duponchelii-)  (Papilioniden) ,  während  es  beim  Q  fehlt.  Bei  der  Pieride  Callosune 
cinerascens^j  hat  dagegen  das   Q    ein  Mittelfeld,  das   ^   nicht. 

Unter  den  Nymphaliden  hat  das  (5  von  Precis  Andremiaja^,  ein  Mittelfeld,  das 
Q.  nicht;  bei  Euthalia  Monina  hat  nur  das  $  ein  Mittelfeldö;,  bei  Apatura  Laurentia^) 
ist  es  beim  (5  viel  bi'eiter.  Bei  Apatura  Parisatis^,  hat  das  (5  kein  Mittelfeld,  wohl 
aber  das  Q.  Bei  Cymothoe  Caenis")  hat  das  Q.  oben  ein  schmales  helles  Mittelfeld, 
beim  (5  ist  fast  die  ganze  Oberseite  hell;  auch  die  Unterseite  hat  bei  beiden  verschie- 
dene Mittelfelder. 

Unter  den  Morphiden  hat  z.  B.  bei  Morpho  Adonis  das  (5  kein  Mittelfeld,  da- 
gegen das   Q . 

Unter  den  Satyriden  ist  besonders  bemerkenswert  Zethera  pimplea^),  deren  (5 
ein  breites  weißes  Mittelfeld  bei  übrigens  schwarzer  Färbung  hat  Abb.  68),  während 
das  Q  durch  Schwarzfärbung  der  Adern  jene  Art  Querstreifang  aufweist,  welche  auch 
bei  Danaiden,  Pieriden  und  Nymphaliden  vorkommt.  Der  Zeichnung  und  Färbung  des  (^ 
sind  dagegen  sehr  ähnlich  die  Nymphaliden  Pyrrhogyra  Amphira^)  aus  Süd-Amerika 
und  Papilio  Cynorta^o,  aus  Afrika,  während  Zethera  pimplea  auf  den  Philippinen  lebt, 
also  sehr  merkwürdige  Fälle  von  sogenannter  Mimicry  —  in  Wahrheit  Beispiele  für 
Homoeogenesis. 

Auch  bei  Eryciniden  wären  verschiedene  Fälle  von  Vorkommen  des  Mittelfeldes 
bei  einem,  Fehlen  desselben  beim  anderen  Geschlecht  zu  erwähnen,  oder  von  Ver- 
schiedenheit desselben  in  beiden  Geschlechtern.  Bei  Eiiselasia  Arbas^^j  ist  nur  das  Q 
mit  Mittelfeld,  ])ei  Mesosemia  Loruhama  i-)  nur  das  £ ,  das  (J  mit  Querband  zwischen 
IV  und  V/VI  versehen. 

Ganz  entsprechende  Verschiedenartigkeit  und  Gleichartigkeit  der 
Entstehung:  Heterhodogeuesis  und  Homoeogenesis  bedingen  nun 
auch  die  Ähnlichkeit  zahlreicher  Tagfalter  in  Beziehung  auf 
andere  Zeichnung,  insbesondere  durch  Bildung  von  Bändern.  Wir 
schildern  im  Folgenden  die  wesentlichsten  dieser  Umbildungen  und  damit 
die  wichtigsten  Mimicry  vortäuschenden  Z  eich  nun  gs  typen. 


1)  Von  ETspo;  verschieden,  &o6;  Weg  und  ibiz'zic,  Entwickelung. 

2)  St.  Taf.  14.  3)  St.  Taf.  23.  *)  St.  Taf.  38.  5)  St.  Taf.  53. 
6)  St.  Taf.  53.  7)  St.  Taf.  52.  8)  St.  Taf.  79.  9)  St.  Taf.  44. 
10)  St.  Taf.  6.              ")  St.  Taf.  87.  12)  St.  Taf.  88. 


1)  Sarpedon-Hectorides-Daraxa-  oder  Mittelfeld-Typus. 


137 


1)  Sarpedon-Hectorides-Daraxa-   oder  Mittelfeld-Typus. 

Derselbe  ist  als  ursprünglicher  Typus  am  reichsten  vertreten  bei 
den  Papilioniden,  in  Amerika  meist  mit  weißem  und  gelbem,  in  In- 
dien und  Afrika  mit  grünem,    in  Afrika  auch  mit  gelbem  Mittelfeld. 

Weiß  und  gelb  sind  unter  den  amerikanischen  als  ungenießbar  an- 
gegebenen  Aristolochienfaltern,  wie  Pap.  Bunichus  und  Agavus  (Abb.  61] 
aus  Brasilien,  sodann  zu  den  Seglern  ge- 
stellte ganz  ähnliche  Falter  wie  P.  Lysithous, 
Ilectorides^],  /Isms  ebendaher,  welche  als  Nach- 
ahmer der  vorigen  angesehen  werden.  Die 
Ähnlichkeit  beruht  wesentlich  mit  auf  der  roten 
Fleckenrandbinde  der  Hinterflügel,  welche  aber 
bei  Hedorides  (J^  im  Gegensatz  zum  Q  nur 
durch  einige  nach  innen  von  einer  gelben 
Fleckenrandbinde  gelegene  rote  Flecke  spär- 
lichen Ersatz  tiudet. 

Bei  E.  Haase  sind  auf  Tafel  1  0  P.  Hedorides, 
Bunidms  und  Lysithous  unter  den  hierher  ge- 
hörenden Faltern  als  mimetisch  abgebildet. 

Ein  hochgelbes  Mittelfeld  hat  eine  beson- 
dere amerikanische  Untergruppe,  vertreten  durch 
den  cubanischen  P.  Andraenion,  ferner  P.  Thoas 
von  Mexiko  bis  Brasilien  (Abb.  62,  63)  und  dessen 
Abart  P.  Cyniras-),  sodann  P.  Thrason  aus  Neu- 
Granada.  Bei  den  drei  letzteren  hat  sich  das  Mittel- 
feld hinten  sehr  nach  einwärts  gestellt.  Wenn  die  Flügel  so  ausgebreitet 
sind,    daß  dasselbe  auf  den  Vorder-  und  auf  den  Hinterflügeln  ein  zu- 


Ablj.  61.    Papilio  Agavus  Di;u.  ^ 


sammenhängendes  Band 


bildet,    so    verläuft   es    zuweilen    fast 


quer  von 


einer  Flügelspitze  zur  andern,  so  daß  die  Mittelfelder  beider  Seiten  in 
der  Mitte  nur  einen  weit  offenen  stumpfen  Winkel  nach  vorn  bilden. 
Bei  Stücken,  an  welchen  dies  am  meisten  ausgebildet  ist,  sind  auch 
die  Flügel  am  meisten  schmal  und  lang  ausgezogen,  schwalbenartig,  d.  i. 
ähnlich  wie  die  Flügel  z.  B.  einer  Rauchschwalbe  (Abb.  62).  In  derselben 
Art  Thoas  giebt  es  Falter,  welche  sich  hierin  sehr  verschieden  verhalten, 
indem  bei  manchen  die  Flügel  kürzer  sind ,  wobei  dann  eben  das 
Mittelfeld  zugleich  mehr  von  hinten  nach  vorne,  weniger  nach  außen  ge- 
richtet ist  (Abb.  63).  In  beiden  Fällen  erstreckt  sich  das  Mittelfeld  nur  noch 
auf  einen  kleinen  Teil  der  Hinterflügel,  nämlich  schräg  über  den  inneren 
oberen  Winkel  derselben;  im  zweiten  Falle  aber  nimmt  es  doch  noch 
mehr  Raum    auf  dem  Hinterflüeel   nach   hinten   ein.     So   gleichen   diese 


1)  Hedorides  (5  hat  noch  ein  vollkommenes,  auch  auf  den  Hinterflügeln  bis  zum 
Hinterrand  reichendes  Mittelfeld,  das  Q  dagegen  ist  vorgeschritten,    ganz  ähnlich  dem 
Agavus. 
-I  Staud.  Taf.  11. 


abgebildeten  P 


138  Die  hauptsächlichsten  Entwiclielungsrichtungen  der  Tagfalter. 


Abb.  02.    Papilio  Tkoas  L.  aus  Surinam. 


Abb.  63.    Papilio  Tlioas  L.  aus  Neu-Graiiaila. 


1)  Sarpedon-Hectorides-Daraxa-  oder  Mittelfeld-Typus.  139 

letzteren  Falter  in  Allem,  in  Gestalt  und  Zeichnung,  mehr  dem  gewöhn- 
lichen Typus  der  Segelfalter  und  Schwalbenschwänze,  und  zwar  sind  es 
unter  den  mir  vorliegenden  vorzüglich  Stücke  aus  Neu-Granada,  welche 
dies  thun,  während  die  aus  Mexiko  jene  lang  ausgezogenen  Flügel  und 
das  nahezu  quergestellte  gelbe  Mittelfeld  haben. 

Es  ist  auch  hier  wieder  die  Gestalt  der  Flügel,  das  Gewachsen- 
sein derselben  nach  bestimmten  Richtungen  hin,  was  die  Gestaltung  und 
das  Aussehen  der  Zeichnung  bestimmt,  wie  dies  übrigens  z.  B.  auch  bei 
P.  Ihctoviiles  gegenüber  seinen  Verwandten  zu  beobachten  ist,  indem  bei 
ihm  die  Flügel  länger  ausgezogen  sind  und  das  Mittelfeld  entsprechend 
verlängert  ist. 

Grün  ist  unter  Amerikanern  das  Mittelfeld  des  von  den  vorigen  in 
der  Gestaltung  des  vorderen  Teiles  derselben  etwas  abweichenden 
P.  Sinon  aus  Jamaika  ^j. 

Grün  ist  dasselbe  sodann  bei  P.  Policenes,  Antheus  aus  Westafrika 
und  Evomhar  aus  Madagaskar"^),  dann  bei  Sarpedon  in  Indien,  dessen 
Abart  Anthedon  von  dem  Molukken  bei  Staudinger 3)  abgebildet  ist;  end- 
lich bei  dem  afrikanischen  P.  Nireus'^).  Hinten  breiteres  grünes  Mittel- 
feld hat  P.  PJwrcas  aus  Afrika,  P.  Bromius  ebendaher  ein  breites  in 
bläulicher  Farbe,  der  kleinere  P.  Latreillianus  ebendaher  ein  grünlich- 
gelbes. Gelb  ist  das  Mittelfeld  unter  den  Afrikanern  bei  P.  Demoleus, 
P.  Menestheus  u.  a. 

Es  ist  bei  diesen  Faltern  offenbar  eine  Beziehung  zwischen  den 
Farben  Weiß,  Gelb  und  Grün  gegeben.  Die  Grundfarben  Weiß  und  Gelb 
herrschen  überhaupt  bei  den  ursprünglicher  gezeichneten  Pa- 
pilioniden^i  noch  vor,  erst  bei  den  vorgeschritteneren  tritt 
Grünfärbung  des  Mittelfeldes  auf  —  Blaufärbung  ist,  wie  aus  Spä- 
terem folgen  wird,    ein  weiterer  Fortschritt. 

Es  giebt  nur  eine  Danaide,  welche  manchen  unter  den  behandelten 
Papilioniden  annähernd  ähnlich  ist  durch  die  Gestalt  und  Farlje  des 
grünlich-gelben  Mittelfeldes,  durch  jene  aber  nur  auf  den  Vorderflügeln: 
Ideopsis  chloris  von  den  Nord-Molukken^).  An  ihrem  Wohnort  kennen 
wir  keinen  ähnlich  gezeichneten  und  gefärbten  Papilio. 

Abgesehen  von  den  Aristolochien-Faltern,  deren  Ungenießbarkeit  gleich- 
falls zweifelhaft  ist,  sind  überhaupt  keine  ungenießbaren  Papilioniden 
bekannt"),  jedenfalls  nicht  solche  mit  der  Mittelfeldzeichnung.  Eben- 
sowenig sind  unseres  Wissens  Falter  aus  anderen  Familien  geschützt, 
welche  jenen  Papilioniden    und    unter   sich    oft   im   auffallendsten  Maße 


1)  Vergl.  »meine  Artbildung«  u.  s.  w.     Taf.  III.  Fig.  II. 

2)  Vergl.  ebenda  Taf.  IV.  Fig.  2,  3,  4. 

3)  St.  Taf.  6.  4)  St.  Taf.  7. 

5)  Vergl.   »meine  Artbildung«  u.  s.  w.  I.  S.  2.32 — 238. 

6)  St.  Taf.  24. 

")  Die  weißen  amerikanischen  Segelfalter:  Agesilaus  u.  s.  w.  werden  nach  Hahnel 
a.  0.  S.  161   wegen  ihres  scharfen  Geruchs  von  Hühnern  verschmäht. 


140  ^^^  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

ähnlich  sind  und  welche  noch  dazu  meist  ganz  verschiedene  Heimat 
haben,  so  daß  jede  biologische  Beziehung  unter  ihnen  schon  deshalb 
vollkommen  ausgeschlossen  ist. 

Solche  pseudomimetische  Formen  sind  z.  B. :  die  Nymphalide 
Limenitis  Daraxa  (Abb.  64),  ein  Falter  etwa  von  der  Größe  der  L.  Sibylla, 
also  erheblich  kleiner  als  die  meisten  anderen  Arten  des  Tj^us.  Daraxa 
ist  schwarz,  ihr  Mittelfeld  weiß  mit  grünlichem  Anflug.  Heimath: 
Himalaya.  Ebenso  gezeichnet,  auch  von  ähnlicher  Gestalt,  mit  weißem  Mittel- 
feld, aber  viel  größer  ist  die  Nymphalide  Charaxes  Brutus  (Abb.  65;  aus 
Süd-  und  Westafrika;  ähnlich  Limenitis  Dudii^)  aus  Nord-Indien,  nur 
mit  einigen  Punkten  in  den  Vorderflügelecken,  welche  wegen  ihrer 
Richtung  nach  vor-  und  auswärts  eigenartig  sind.  Sie  lebt  mit  Daraxa 
in   Darjeling,  ist  aber  viel  größer. 

Charaxes  Brutus  hat  in  der  schwarzen  Farbe  etwas  bläulichen 
Schiller.  Dieser  Schiller  ist  in  der  Mitte  des  Schwarz  stärker  ausgebildet 
bei  der  ihm  in  Farbe  und  Zeichnung  sehr  ähnlichen  auch  ebenso  großen 
Brassolide  Dasyophthalma  rusina,  aus  Süd-Brasilien.  Beide  Arten  wür- 
den, wenn  sie  zusammen  lebten  und  wenn  die  eine  von  ihnen 
geschützt  wäre,  ein  prachtvolles  Beispiel  für  Mimicry  abgeben. 
So  sind  sie  ebenso  schöne  Beispiele  für  Pseudo- Mimicry,  wie  die  fol- 
genden. 

Ein  prachtvolles  solches  Beispiel  geben  ferner  die  Nymphaliden 
Limenitis  Zayla  (Abb.  66)  aus  Sikkim,  Adelpha  Erotia  (Abb.  67)2)  ^us  Ost- 
Südamerika  und  Apatura  Lukasii  aus  Südamerika.  Alle  drei  sind  braun 
[Erotia  mehr  braunschwarz^  mit  auf  den  Hinterflügeln  weißem,  auf  den 
Vorderflügeln  gelbbraunem  Mittelfeld.  Bei  Erotia  ragt  vorn  in  das  Mittel- 
feld ein  dunkler  Fleck*  III,  IV)  herein,  bei  Lukasii  verengert  dasselbe  ein 
entsprechendes  Bindenstück  Va^iessa-  bezw.  Apatura-artig'^),  was  aber  die 
große  Ähnlichkeit  mit  Zayla  nicht  beeinträchtigt,  nur  ist  letztere  viel 
größer  als  die  beiden  anderen,  etwas  größer  als   Limenitis  populi. 

Eine  sehr  große  Ähnlichkeit,  auch  in  Größe  und  Flügelform,  haben 
die  gleichfalls  braunen  Nymphaliden  Rhinopalpa  Sabina  aus  Java  und 
Palla  Decius  Q  von  der  Goldküste:  leisten  beide  zusammen  und  wäre  die 
eine  geschützt,  so  hätte  Herr  Erich  Haase  sie  als  überzeugenden  Beweis 
für  Verkleidung  aufstellen  und  abbilden  können.  Beide  haben  ein  scharf 
abgesetztes  schwarzbraunes  Binnenfeld,  dann  folgt  ein  gelbbraunes  Mittel- 
feld, welches  bei  Decius  innen  heller  ist  als  bei  Sabina,  was  aber  bei 
der  übrigen  Ähnlichkeit  die  Übereinstimmung  nicht  sehr  beeinträchtigt. 
Darauf  folgt  ein  dunkelbraunes  Außenfeld  mit  einem  helleren  Zwischen- 
band,  das  bei  Decius  ausgesprochener  ist,  als  bei  Sabina. 

Die  Nymphaliden  Prepona  Laertes  und  Amphithoe  aus  Südamerika, 
P.  Miranda  u.  a.  *)  mit  blauschillerndem  l)reitem  Mittelfelde  haben  die  größte 


1;  St.  Taf.  50.  2)  St.  Taf.  49. 

3)  Zum  Sibylla-prorsa-Zarinda-Typixs  übergehend. 

4)  Si.  Taf.  56. 


Sarpedon-Hectorides-Daraxa-  oder  Mittelfeld-Typus. 


41 


I  I 


Abb.  64.    Linifnitis  Daraxa  Doubl.  Hew. 
vom  Himalaya. 


Abb.  05.    Charaxes  Brutus  C'ßAir.  aus  Afrika. 


Abb.  60.     Limeniiis  Zayla  Doubl.  Hew. 
vom  Himalaya. 


Abb.  07.     Adelplia  Erotia  Hew. 
aus  Südamerika. 


142  I^i^  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

Ähnlichkeit  mit  einzelnen  Morphiden.  Das  Mittelfeld  von  miranda  ist 
grünlichblau  wie  das  von  Morpho  melachcilus  Q.  i).  Nur  sind  die  Prepo7ia, 
obschon  groß,  doch  kleiner  als  die  Morphiden;  dagegen  ist  auch  die 
Flügelform  beider  ähnlich. 

Wenn  eine  der  Gattungen  geschützt  wäre ,  so  hätte  man  die  pracht- 
vollsten Fälle  von  Verkleidung! 

Erich  Haase  bildet  auf  seiner  Tafel  III  Papilio  Cynorta  (Abb.  21  (5,  Abb.  20  Q] 
als  mimetisch  mit  der  Nymphalide  Panopaea  Hirce  (=  Pseudacraea  Hirce)  Q.  und  der 
Satyride  Elymnias  Phegea  Q  (Abb.  i  6;,  alle  als  geschützt  durch  Acraea  Gea  Q  (Abb.  18  . 
alle  in  West -Afrika,  ab. 

Ich  bin  zweifelhaft,  ob  der  als  Q  Cynorta  (im  Text,  bei  Haase  bezeichnete  Falter 
überhaupt  eine  Cynorta  ist:  die  wirkliche  Cynorta  hat  in  der  Vorderflügelecke  vor 
dem  Mittelfelde  nur  einen  kleinen  weißen  Fleck,  nicht  ein  Schrägbandstück,  und  da- 
vor einen  Fleck:  die  letztere  Zeichnung  weist  eher  auf  eine  Merope  Q  hin.  Auch 
hat  das  2  von  Cynorta  nach  unseren  Stücken  und  nach  Staudixger's  Abbildung  ein 
gelbliches  Mittelfeld  in  schwarzem  Grunde,  das  (5  ein  weißes,  während  es  nach 
Haase  umgekehrt  wäre.  Der  in  Abb.  21  von  Haase  als  Cynorta  ^  abgebildete  Falter 
wäre  somit  ein  Q.  —  Nur  die  Cynorta  gehören  dem  Sarpedon-Daraxa-lypu»  an, 
nicht  aber  der  von  Haase  als  Cynorta  Q  bezeichnete  Falter  und  nicht  Panopaea, 
Elymnias  und  Acraea  Gea:  diese  alle  haben  ein  quer  gelagertes  weißes  Mittelfeld  und 
ein  weißes  Schrägband  in  der  Yorderflügelecke  ! ahnlich  wie  auch  Merope  und  ge- 
hören einem  ganz  anderen  Typus,  dem  Gea-Typus  an.  Somit  muß  jedenfalls  Papilio 
Cynorta,  wie  auch  die  Abb.  21  bei  H.^.ise  auf  den  ersten  Blick  zeigt,  von  dessen 
Mimicry-Gesellschaft  ausgeschlossen  werden. 

Dagegen  gleicht  Papilio  Zenobia  (Abb.  69)  als  schwarzer  Falter  mit 
weißem  Mittelfeld  sehr  der  Satyride  Zethera  pimplea  (^  (Abb.  68)  von 
den  Philippinen'-^),  nur  daß  liei  letzterer  das  Mittelfeld  sich  bis  an 
den  Vorderrand  der  Vorderflügel  erstreckt,  die  kleinen  weißen  Flecke 
also  fehlen. 

Pseudomimetische  Ähnlichkeit  mit  Zethera  pimplea  hat  ferner  Hip- 
parchia  Saraswati  aus  Indien ^^)  und  unser  Satyrus  Circe. 

Schließlich  sei  hier  noch  erwähnt,  daß  z.  B.  Limenitis  Libnites  aus  Calabar*)  nur 
auf  der  Unterseite  ein  weißes  Mittelfeld  nach  dem  Sarpedon-Typus  hat,  während  sie 
oben  nach  der  Richtung,  welche  Athyma  Nefte  vertritt,  vorgeschritten  ist^,.  Dasselbe 
ist  der  Fall  bei  Apatura  pavonii^)  aus  Central-  und  Südamerika. 

Bei  anderen  Arten  des  Typus  führt  Vergrößerung  der  Hinterflügel- 
flecke zu  ziemlich  vollständiger  oder  vollständiger  Einfarbigkeit  der- 
selben, einschließlich  des  hintersten  Teiles  der  Vorderflügel,  zur  Bil- 
dung eines 

Binnenfeldes. 

Hierher  gehören  z.  B.  die  prachtvollen  Agrias"^]  (Abb.  96)  und  zahl- 
reiche andere  Falter  mit  Übergängen  zu  heller  Einfarbigkeit.  (Man  vergl. 
hierzu  vorläufig  auch  Archonias  Pitana  Abb.  77.) 


1)  St.  Taf.  68.  2)  Semper  Taf.  7.  Abb.  1,  St.  Taf.  79.  3)  St.  Taf.  82. 

4J  St.  Taf.  30.  5)  St.  Taf.  51.  6)  St.  Taf.  55.  ^)  St.  Taf.  57. 


1)  Sarpedon-Hectorides-Daraxa-  oder  Mittelfeld-Typus.  143 


Abb.  OS.    Zethera  pimplca  Erichs,  r^  von  den  Philippinen. 


Abb.  69.    Papilio  Zenobia  F.  aus  Afrika. 


144 


Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungon  der  Tagfalter. 


B.   Entstehung  von  Fleck-  und  Scliriigbandzeichnung  auf  den 

Vorderflügelu. 

Die  Eckzeichnung  der  Vorderdügel  l)esteht  bei  Vanessa  cardici  (Abb.  60), 
welche  wir  zum  Ausgangspunkt  der  Betrachtung  nehmen  wollen,  ab- 
gesehen von  den  am  ganzen  äußeren  FlQgelrand  vorhandenen  weißen 
Randfleckchen, 

1 )  aus  einer  Anzahl  kleiner  weißer  Fleckchen,  zwischen  Binde  I  und  II, 

2)  aus  einer  Reihe  von  4  mittelgroßen  weißen  Flecken,  von  welchen 
der  vorderste  und  der  hinterste  am  größten  sind,  zwischen  Binde  II  und  III, 

3)  aus  einem  vom  Vorderflügelrande  schräg  nach  auswärts  ziehenden 
breiten  weißen  Fleck  (G)  zwischen  III  einerseits  und  IV,  V/VI  andererseits. 


ATjb.  70.     Vanessa  canhn  L. 


Al>b.  71.     Vanessa  Dejeanii  Godt. 


Der  zwischen  IV/V/VI  einerseits  und  VIII  andererseits  gelegene, 
in  der  Grundfarbe  gefärbte  Zwischenraum  von  r.ardui  entspricht,  bei 
Ätalanta  dem  schönen  roten  Querband,  dessen  äußerer  Teil  aber  ur- 
sprünglich an  Stelle  von  weißen  Flecken  entstanden  ist,  welche  Zwischen- 
räume zwischen  den  Binden  IV  und  V/VI,  und  III  und  IV,  endlich  II 
und  III  darstellen.    Dasselbe  Querband,  aber  gelb,  hat  V.  liea  (Abb.  84). 

Daß  dem  so  ist,  zeigen  Falter  wie  Vanessa  Dejeanii  (Abb.  71)  aus 
.lava ,  welche  ein  dem  roten  der  Ätalanta  entsprechendes,  aus  4  weißen 
Flecken  bestehendes  Band  (FG)  besitzt.  Der  äußerste  und  hinterste 
dieser  Flecke  entspricht  eben  dem  Zwischenraum  zwischen  Binde  II  und 
III  und  dem  Haken ,  welchen  das  rote  Band  der  Ätalanta  nach  hinten 
macht.  Daß  der  zweitäußerste  dieser  Flecke  von  Dejeanii  einem  Teil  des 
Zwischenraumes  zwischen  II  und  III  entspricht,  zeigt  die  Lage  der  4  bis 
5  weißen  Fleckchen  davor;  bei  Ätalanta  sind  es  deren  5. 

Bei  anderen  entsprechend  gezeichneten  Tagfaltern  erweisen  sich  die 
großen  hellen,  zwischen  Binde  III  und  IV  gelegenen  Vorderrandflecke 
als  die  vordere  Fortsetzung  des  Mittelfeldes.  Indem  Binde  IV  im  vor- 
deren Teil  der  Vorderflügel  sich  im  Winkel  nach  einwärts  wendet,  ent- 
steht die  Schräg lagerung    dieser     Flecke     bezw.    des    daraus    zuweilen 


Entstehung  von  Fleck-  und  Schrägbandzeichnung  auf  den  Vorderflügehi.         145 

hervorgehenden  Schrägbandes.  So  entsteht  z.  B.  die  Eckflügelzeichnung 
bei  Limenitis  Sibylla  (Abb.  75),  Camüla,  popuU.  Eine  Ausnahme  bildet  hierin, 
wie  gesagt,  V.  prorsa ,  indem  der  hintere  Teil  des  Mittelfeldes  — 
schon  der  den  Vorderflügeln  angehörende  —  bei  diesem  Falter  zwischen 
Binde  IV  und  V/VI  gelegen  ist,  jener  Eckfleck  aber  zwischen  III  und 
IV/V/VI  (Abb.  56). 

Solche  Eckflügelbänder  oder  Schrägbänder  können  zwischen 
allen  Binden  vorkommen,  am  häufigsten  finden  sie  sich  aber  zwischen  II 
und  III,  III  und  IV  oder  IV  und  V/VI,  bezw.  III/IV/VI  und  zwischen 
V/VI  und  VIII.  Oft  nehmen  Schrägbänder,  verbreitert  ,  zugleich  den 
Raum  ausgefallener  Binden  ein.  Sie  bilden,  bald  weiß,  bald  farbig,  eine 
der  hervorragendsten  Eigenschaften  der  Vorderflügel  vieler  Tagfalter. 

Ihr  häufiges  Auftreten  ist  mit  bedingt  durch  die  Rolle,  welche  die 
Binden  III,  IV,  V/VI  und  VIII  weithin  spielen,  indem  auch  die  zwei  letz- 
teren sich  durch  die  große  Beständigkeit  ihres  Vorkommens  im  Bereiche 
der  Mittelzelle  auszeichnen.  (Man  vgl.  hierzu  einstweilen  Abb.  72  bis  75, 
79  bis  82.) 

Zuweilen,  aber  selten,  kommt  ein  weiteres  Schrägband  nach  innen 
von  VIII  vor.  Häufiger  sind  Fälle,  in  welchen  die  hellen  Flecke  zwischen 
Binde  II  und  III  annähernd  oder  vollkommen  zu  einem  äußersten  Eck- 
flügelbande verschmelzen. 

Bezeichnen  wir  die  Zwischenräume  zwischen  Binde  I  und  II,  welche 
gewöhnlich  als  Flecke  erscheinen,  die  Binnenrandflecke,  im  Gegen- 
satz zu  den  äußersten,  den  Außenrandflecken,  mit  A,  den  Zwischen- 
raum zwischen  Binde  II  und  III  mit  B,  den  zwischen  III  und  IV,  hezw. 
V/VI  mit  G,  bezw.  CD,  den  zwischen  V/VI  und  VIII  mit  FG,  einen  ein- 
wärts davon  gelegenen  mit  H,  so  benennen  diese  Buchstaben  die  haupt- 
sächlichsten hellen  und  farbigen  Zeichnungen,  welche  mit  Ausnahme  des 
Mittelfeldes  auf  den  Vorderflügeln  der  in  der  Zeichnung  vorgeschritteneren 
Tagfalter  vorkommen  fvergl.  die  Abbildungen). 

Die  Mannigfaltigkeit  der  Zeichnung  entsteht  dadurch,  daß  bald  nur 
ein,  bald  zwei,  bald  mehrere  Zwischenräume  in  Flecken  oder  Bändern, 
und  zwar  bald  diese,  bald  jene  vorhanden  sind,  oder  daß  auch  zwei 
oder  mehrere  dieser  Bänder  zu  einem  Bande  verschmelzen. 

Auf  die  Hinterflügel  setzen  sich  am  häufigsten  B  und  C  als  Fleck- 
reihen fort.  Darauf  folgt  das  so  häufig  durch  G  (III — IV)  oder  auf  andere 
Weise  gebildete  Mittelfeld. 

Dies  sind  neben  dem  Bestehenbleiben  von  Grundbinden 
oder  Teilen  derselben  die  Hauptmittel,  durch  welche  unab- 
hängige Entwickelungsgleichheit,  Homoeogenesis,  bedingt  ist, 
d.  i.  die  Ähnlichkeit  so  vieler  Falter,  welche  weder  in  ver- 
wandtschaftlicher noch  in  irgend  welcher  biologischer  Be- 
ziehung untereinander  stehen  —  sie  rufen  u.  a.  jene  Ähnlichkeiten 
hervor,  welche  Herr  August  Weismann  und  Herr  Erich  Haase  unbesehen 
als  Mimicry  angesprochen  haben  und  ansprechen. 

Da    alle    diese    Bänder   bestimmten  Zwischenräumen   meiner  Grund- 
Eimer,  Orthogenesis.  10 


146  '^''*  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

binden  entsprechen,  so  sind  diese  letzteren,  so  bedeutende  Umbildungen 
in  der  Zeichnung  auch  vor  sich  gegangen  sein  mögen,  in  letzter  Linie 
für  alle  Zeichnung  maßgebend. 

Es  sind  die  behandelten  Bindenzwischenräume  auch  nicht  die  ein- 
zigen, welche  bei  der  Umbildung  der  Tagfalter  eine  Rolle  spielen,  sie  sind 
nur  die  hauptsächlichsten.     Ursprünglich  sind  ja  vorhanden: 

zwischen  Binde 


I 

und 

II 

Band  A 

II 

» 

III 

>      B 

III 

» 

IV 

G 

IV 

» 

V 

D 

V 

» 

VI 

>      E 

VI 

» 

VII 

F 

VII 

» 

VIII 

»      G 

mi 

» 

IX 

H 

IX 

» 

X 

»       I 

X 

» 

XI 

>      K, 

welche  fast  alle  auch  bei  sehr  umgebildeter  Zeichnung  in  Betracht  kom- 
men können,  selten  Band  E,  weil  Binde  V  und  VI  schon  sehr  bald  zusam- 
men verschmelzen,  selten  auch  G,  weil  ebenso  Binde  VII  und  VIII  häufig 
verschmolzen  sind.  Endlich  bedingt  die  Entstehung  des  Binnenfeldes  als 
Folge  von  Verbreiterung  und  Verschmelzung  der  inneren  Binden  (VIII — 
XI),  daß  auch  Band  H,  I,  K  seltener  vorhanden  sind. 

In  der  Hauptsache  können  wir  drei  Schrägbänder  auf  den  Vorder- 
flügeln unterscheiden,  ein  vorderes,  mittleres  und  hinteres.  Das  mittlere 
ist  das  häufieste,  das  vordere  erscheint  meist  nur  als  kurzer,  schmaler 
Strich,  entsprechend  dem  Zwischenraum  II — III  (Bj,  und  an  seiner  Stelle 
liegen  meist  einige  helle  Fleckchen,  oder  auch  diese  sind  geschwunden. 
Wir  unterscheiden  vier  hierhergehörige  Typen: 

'    den    Sibylla-prorsa-Zarinda-    oder   Mittelfeld -Schrägfleck-Typus, 
mit  der  verwandten  //espen/s-Gruppe, 
den  cardui-Atalanta-Inachis-Dirce-  oder  Eckfleck-Schrägband-Typus, 
den    vorzugsweise    bei    den    Pieriden    vorkommenden    Eckflügel- 
zeichnungs-Typus  derselben,  und  als  wichtigste  Abteilungen  eines 
allgemeinen  Innenfeld-Schrägband-Typus : 
die  des  Chrysippus-Ruspina-Tjpns. 


2)  Sibylla-prorsa-Zarinda-  oder  Mittelfeld-Schrägfleek-Typus. 

Es  ist  hier  noch  ein  Mittelfeld  vorhanden,  dazu  eine  Eckzeichnung 
der  Vorderflügel  ähnlich  wie  bei  Vanessa  cardui  und  Verwandten:  ein 
vom  Mittelfeld  abgetrenntes,  nach  vorn  und  innen  gerichtetes  Schräg- 
bandstück oder  ein  großer  Eckfleck,  entsprechend  oben  dem  bei  cardui 
vorhandenen,  und  nach  außen  und  vorn  davon  einige  helle  Flecke,  eben- 
falls denen  von  cardui  entsprechend. 


Sibylla-prorsa-Zarinda-  oder  Mittelfeld-Schrägfleck-Typus.  147 


Abb.  72.     Limenitis  popuU  L. 


Abb.  73.    Argynnis  Sagana  Dodbl.  Hew. 


Abb.  74.     Tachyris  Zarinda  Boiod.  C^i. 


Abb.  75.    Limenitis  Sihylla  L. 


10* 


148 


Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 


Für  den  Typus  sind  in  dessen  Bezeichnung  schon  drei  pseudo- 
mimetische  Arten  aus  verschiedenen  Gruppen  gegeben:  Limenitis  Sihylla 
(Abb.  75),  Vanessa  frorsa  (Abb.  56)  und  Tachyris  Zarinda  (Abb.  74),  letz- 
tere eine  Pieride  von  Celebes.  Dazu  sind  mit  großer  Ähnbchkeit  weiter 
zu  nennen:  Limenitis  Camilla^  dMch.  populi  (Abb.  72,  nur  mit  rotbrauner 
Randbinde,  welche   aber   auch   prorsa  hat),  Apalura  Iris  und  Ilia. 

Ferner  gehören  hierher  Formen  wie  Megalura  Crethon  aus  Südamerika  (Ama- 
zonenstrom, Cayenne)!),  Precis  Andremiaja  (5  von  Madagaskar-!,  Apatura  Namouna 
aus  Sikkim3   —  lauter  pseudoniimetische  Falter  aus  den  verschiedensten  Gebieten. 

Zu  Megalura  Crethon  vergleiche  man  Megalura  Corinna  Q  und  (5  bei  Staüdinger 
auf  derselben  Tafel  mit  ersterer,  als  Übergang  in  den  Schrägband-Typus.  In  dem- 
selben Sinne  vergleiche  man  die  schon  beim  Mittelfeld-Typus  behandelte,  aber  in  den 
Sibylla-prorsa-TYYiXis  übergehende  Adelpha  Erotia  (Abb.  67)  mit  A.  Mephistophiles^). 

Noch  mehr  als  Vanessa  prorsa  gleichen,  wie  bemerkt,  der  Limenitis 
Sibylla:     V.  prorsoides  aus  Assam,    V.  fallax  aus  Japan. 

Mit  blauem  Mittelfeld  gehören  in  den  Typus ;  Vanessa  glauconia  5)  aus 
Japan,  Vanessa  Haronia  aus  Ceylon  (Abb.  82.  83)  und  sind  pseudomi- 
metisch  mit  Hypolimnas  alimena  (^f  von  den  Molukken,  Papua -Inseln  und 
Australien ''').  Wiederum  mit  weißem  Mittelfeld  gehören  hierher  unter 
den  Pieriden:  Eucheira  socialis  aus  Mexico')  und  Archonias  sebennica 
(Abb.  76)  aus  Südamerika. 


Abb.  76.     Archonias  sebennica  Luc.  (5 


Abb.  77.     Archonias  Pitana  Feld. 


Die  Pieriden  Pereute  chiriquensis  von  Mittelamerika  (Vulkan  Chiriqui) 
und  Archonias  Pitana  (Abb.  77)  (ebendaher,  beide  abgebildet  bei  Stau- 
dinger 8)  haben  auf  den  Hinterflügeln  oben  kein  weißes  Mittelfeld  mehr, 
sondern  ein  weißes  Innenfeld:  Übergang  zum  Hyale-Typus^  wo  die 
helle  Grundfarbe  auch  auf  den  Vorderflügeln  außer  der  dunkeln  Eck- 
fleckzeichnung und  der  Randbinde  vollkommen  herrschend  wird. 

An  manchen  Adelpha-Arten^)  (Abb.  67)  erkennt  man  oben  und  teil- 
weise   auch   unten  eine,  wie  es  scheint,    unmittelbare    Entstehung    eines 


1)  St.  Taf.  45.  2^  St.  Taf.  38.  3)  St.  Taf.  55.  «)  St.  Taf  49. 

5)  St.  Taf.  37.  «)  St.  Taf.  46.  ^)  St.  Taf.  16.  «)  St.  Taf.  15. 

9)  St.  Taf.  49  und  50. 


Hesperus-Gruppe.  149 

Schrägbandes  durch  beiderseits  erfolgendes  seiüiches  Auswachsen  des 
vorderen  Teils  des  Mittelfeldes. 

Meist  aber  erscheint  die  Schrägfleckzeichnung  der  Vorderflügel  ent- 
weder als  nach  einwärts  gerichtete  Fortsetzung  des  Mittelfeldes  oder  als 
ein  dasselbe  in  seitlicher  Abzweigung  ergänzendes  oder  sich  daran  nach 
innen  ansetzendes  Stück  eines  anderen  Bandes  oder  anderer  Bandteile. 
Im  Beginn  tritt  Schrägüeckzeichnung  und  zwar  in  der  zuletzt  genannten 
Art  und  unter  Beteilisjung  von  Band  E  auch  neben  vorne  sehr  ausge- 
bildetem  Mittelfeld  auf,  z.  B.  Papüio  Thoas  (Abb.  62,  63).  Bei  den  Lime- 
nitis  handelt  es  sich  dabei  um  eine  Umbildung  des  Mittelfeldes  ent- 
sprechend Band  C  (Abb.  72  bis  75);  bei  Vanessa  (vgl.  den  folgenden  T^^us) 
ist  derselbe  Fall  der  gewöhnliche,  allein  z.  B.  bei  V.  Haronia  und  Canace, 
wo  das  Mittelfeld  sehr  nach  außen  gerückt  ist,  entspricht  es  BC  oder  B, 
der  Schrägfleck  aber  C  u.  s.  w.  Auch  in  sehr  vorgeschrittenen  Gattun- 
gen, welche  Arten  enthalten,  deren  Mittelfeld  schon  geschwunden  ist, 
können  andere  vorkommen,  welche  dasselbe  noch  in  recht  ursprünglicher 
Weise  erhalten  haben.  Dies  ist  z.  B.  der  Fall  bei  einer  Verwandten 
unserer  V.  cardui  und  Atalanta,  bei  der  eine  Art  Zwischenstufe  zwischen 
diesen  und  den  Limenitis  darstellenden  brasilianischen  V.  Myrinna:  die 
Vergleichung  unserer  Abbildung  88,  mit  den  darauf  folgend  abgebildeten 
Vanessen,  zeigt  eine  sehr  bemerkenswerte  Reihe,  in  welcher  sich  das 
rote  Schrägband  von  Atalanta  alimählich  herausbildet. 


Unterabteilung:  H esper us-Gvw^^^e. 

Die  hierhergehörigen  Falter  bilden  eine  sehr  schön  gekennzeichnete 
Gruppe  von  afrikanischen  Papilio-Arten,  deren  Hauptzeichnung  in  einem 
schmalen,  vorn  verkürzten  Mittelfelde  in  schwarzer  Grundfarbe  besteht, 
vor  welchem  —  zum  Teil  als  die  ursprüngliche  Verlängerung  desselben, 
jetzt  von  ihm  abgetrennt  —  ein  Stück  Schrägband  oder  ein  diesem  ent- 
sprechender Fleck  liegt,  vor  diesem,  in  der  Vorderflügelecke,  ein  kleiner 
Fleck  oder  deren  zwei.  Dazu  kommen  in  den  meisten  Fällen  noch  helle 
Randbandflecke.  Die  auffallendste  Form  ist  Papüio  Hesperus  (Abb.  78) 
aus  Westafrika  mit  schwefelgelber  Grundfarbe.  Mehr  der  gewöhnlichen 
Pa/)?7/o-Zeichnung  schließt  sich  der  ebenfalls  gelbe  P.  Constantimcs  aus 
Afrika  an:  er  hat  die  Zeichnung  gewöhnlicher  Mittelfeld-Papilio's,  nur  ist 
oben  der  vorderste  Teil  des  Mittelfeldes  als  Schrägbandstück  abgelöst. 
Bei  dem  grünen  P.  Phorcas  aus  dem  tropischen  VVestafrika  ist  das 
Schrägbandstück  mehr  ein  großer,  zuweilen  schräger  Fleck.  Bei  dem 
blaugrünlichen  P.  Epiphorbas  aus  Madagaskar')  (Abb.  79)  ist  ein  aus- 
gesprochenes Schrägband  auf  den  Vorderflügeln  vorhanden,  ein  Mittel- 
feld aber  nur  auf  den  Hinterflügeln.  Ich  mache  aufmerksam  auf  die 
Farbenfolge:  Gelb.  Grün,  Blau,  welche  sich  hier  vi'ie  in  so  vielen  anderen 
Fällen  findet. 


1)  BoisDUVAL,  Fauna  Mad.  Taf.  I.  Fig.  1. 


150 


Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 


Die   Entwickelungsrichtung   dieser  Gruppe  ist  auf  den  Vorderflügeln 
insofern  entsprechend  der,  welche  bei  Sibi/lla  zum  Ausdruck  gekommen 
ist,  als  sich  vorne  ein  Stück  Mittelfeld  losgelöst  hat  und,    nach  einwärts 
gerichtet,    zuw^eilen  vervollständigt  wird  durch   ein  Stück  des  Zwischen- 
raums   zwischen    zwei    Binden 
des  Vorderrandes. 

Höchst  merkwürdig  ist  in 
Rücksicht  auf  die  entsprechende 
Entwickelungsrichtung  P.  Dela- 
landii  aus  Madagaskar  >)  (Abb. 
80)  mit  einem  gellien  bis  zum 
Vorderrand  der  Vorderflügel 
gehenden  Mittelfeld,  von  wel- 
chem sich  aber  ein  Bandstück 
(F),  zugehörig  dem  Zwischen- 
raum zwischen  V/VI  und  VII, 
im  Bereich  der  Mittelzelle,  ent- 
sprechend dem  Schrägband- 
stück von  Epiphorbas,  abzweigt, 
oben  grau  bestäubt,  auf  der 
Unterseite  aber  in  der  Farbe  der 
übrigen  Grundfarbe.  Es  ist  also 
hier  der  vor  diesem  Schräg- 
bandstück gelegene  Teil  des 
Mittelfeldes  bestehen  geblieben, 
aber  doch  ist  ein  Stück  des  matt- 
gefärbten Schrägbandstückes 
auf  Kosten  eines  Teils  des  an 
ihm  vorbeiziehenden  Mittelfeldes  entstanden.  Denn  dieses  Mittelfeld 
verschmälert  sich  in  der  Hohe  des  Schrägbandstückes  und  der  dasselbe 
einschließenden  Mittelzelle,  indem  es  sich  der  Grenze  der  letzteren  an- 
schmiegt. 


Abb.  78.    Tapilio  Hesperus  Westw. 


3)  Cardui-Atalanta-Inachis-Dirce-  oder  Eekfleek-Sehrägband-Typus. 

Ein  Mittelfeld  fehlt  hier,  außer  z.  B.  bei  Vanessa  Myrinna  (Abb.  88). 
Es  können  noch  kleine  Randflecke  (II — III  =  B)  in  der  Vorderflügel- 
Ecke  vorhanden  sein,  dann  ein  Stück  eines  mittleren  Schrägbandes: 
der  große  Vorderflügel-Eckfleck  der  Vanessen ,  und  ein  hinteres  Schräg- 
band [Vanessa  Atalanta).  Von  hier  aus  ergeben  sich  die  verschiedenen 
Formen  des  T^T)US  bis  zum  ausschließlichen  Vorhandensein  eines  einzigen 
Schrägbandes  (vgl.  Abb.  84  bis  87).  * 


1)  Saalmüller,  Lepidopt.    von    Madagaskar  I.      Frankfurt    a.    M.   1884.      Abh.    d. 
Sexckexb.  Ges.  Taf.  I.  Fia;.  I . 


Cardui-Atalanta-Inachis-Dirce-  oder  Eckfleck-Schrägband-Typus.  151 


Abb.  79.    Papilio  Epiphorbas  Boisd. 


Abb.  81.     Vanessa  Canace  L. 


Abb.  S2.     Vanessa  Haronia  Mooee. 


Abb.  SO.     Papilio  Delalandii  Godt. 


Abb.  83.     Vanessa  Glauconia  Motsch. 


152 


Die  hauptsächlichsten  Entwicklungsrichtungen  der  Tagfalter. 


Wir  gehen  aus  von  den  carc/w?- ähnlichen  Vanessen.  Hier  ist  zu- 
weilen das  bei  Atalanta  auftretende  hintere  Schrägband  noch  nicht  vor- 
handen :  bei  Vanessa  cardui  (Abb.  89)  ist  das  Gebiet  desselben  in  der  gelb- 
braunen Grundfarbe  gefärbt  und  unregelmäßig  begrenzt.  Etwas  deutlicher 
ist  ein  Band,  wenigstens  der  Umgrenzung  nach,  wenn  auch  nicht  durch 
besondere  Farbe  hervorgehoben,  bei  der  kleinen,  aber  sonst  unserer 
cardui  sehr  ähnlichen  V.  Kershavii  aus  Australien.  Übergänge  in  Be- 
grenzung und  roter  Farbe  eines  Bandes  zu  Alalanta  bieten  V.  indica  von 
Sikkim  und  V.  indica  var.  vulcanica  (Abb.  92) 
von  den  Canaren.  Ein  weißes  Band  beginnt 
zu  entstehen  bei  V.  Dejeanii  (Abb.  90)  von 
Java.  Gelb  ist  dasselbe  bei  V.  Itea  (Abb.  84) 
aus  Australien. 

Bei  Vanessa  urticae^  polychloros,  c-al- 
hum  u.  a.  und  bei  den  verwandten  Juno- 
nien  verwischt  die  braune  Grundfarbe  die 
sonst  meist  weiße  oder  gelbe  Eckflügel- 
zeichnung ganz  oder  nahezu  ganz. 


E^  gelb 


"^ 


Abb.  84.   Yanessa  Itea  F. 


Abb.  85.     Eunica  Flora  Feld. 


Abb.  86.     Kailima  Inachis  Boisd. 


Auch  da,  wo  ein  ausgesprochenes  Schrägband  oder  deren  zwei  vor- 
handen sind,  kann  braune  Grundfarbe  alles  außer  denselben  bedecken, 
so  z.  B.  bei  Hypanartia  Lethe^)  (Abb.  93)  aus  Südamerika  und  bei  Temenis 
Laothoe  aus  Guiana  und  vom  Amazonenstrom. 

Viel  häufiger  ist  nur  ein  einziges  und  zwar  gewöhnlich  das  mittlere 
Schrägband  vorhanden,  davor  oft  einige  helle  Flecke,  entsprechend  dem 
Band  B,  wie  in  der  abgebildeten  Eunica  Flora  (Abb.  85).  Oft  ist  nur 
noch  ein  einziges  solches  Fleckchen  vorhanden,  so  z.  B.  bei  Kailima 
Inachis  (Abb.  86),  deren  Namen  ich  daher  zur  Bezeichnung  der  Gruppe 
mit  verwende,  gerade  weil  sie  fast  eine  äußerste  Form  derselben  dar- 
stellt. 


1)  Staud.  Taf.  37. 


Cardui-Atalanta-Inachis-Dirce-  oder  Eckfleck-Schrägband-Typus.  153 

Endlich  lassen  sich  die  Falter,  welche  in  der  Vorderflügel-Ecke  noch 
einen  kleinen  hellen  Fleck  und  ein  Schrägband,  und  die,  welche  keinen 
solchen  Fleck,  sondern  nur  ein  Schrägband  besitzen,  nicht  gut  trennen. 
Die  letzteren  sind  durch  zahlreiche  Falter,  wie  die  glänzenden  Farben 
zeigen,  zum  Teil  sehr  vorgeschrittener  Art  vertreten.  Ich  nehme  die 
hierhergehörige  südamerikanische  Gynaecia  Dirce  (Abb.  87),  schwarz  mit 
gelbem  Schrägband,  mit  zur  Bezeichnung  des  Typus. 

Andererseits  kann  die  bei  Vauessa  cardui  und 
Atalanta  vorhandene  Eckflügelzeichnung  dadurch 
zurücktreten,  daß  im  Gebiete  des  großen  hellen 
Schräg-Eckfleckes  dieser  Falter  oft  nur  zwei  Flecke 
übrig  bleiben,  von  welchen  der  äußere  dem  fünften 
der  Reihe  II— III  (Bj  entspricht  [V.  Itea  Abb.  84). 

Pseudo mimetisch  unter  den  cardui-Ata- 
/a»ta- ähnlichen  Faltern  sind  in  der  Weise,  daß  sie 
durch  ihre  Ähnlichkeit  geschützt  sein  könnten: 
Vanessa  Itea  aus  Australien  und  die  Erycinide 
Libythea  Motya^)  von  Cuba,  ferner  die  braune 
Nymphalide  Hypanartt'a  Lethe  von  Südbrasilien 
und  die  Erycinide  Dodona  Ouida"^)  von  Sikkim. 

Unter  den  cardui -Atalanta-  und  den  Schräg- 
band-  oder  //mc/?/s- ähnlichen  Faltern  sind  pseu- 
domimetisch:  Vanessa  Itea  aus  Australien  und  Catonephele  Aw- 
müia  Q  3j  aus  dem  nördlichen  Südamerika,  beide  mit  gelbem  Schräg- 
band; ebenso,  nur  größer,  Hypna  Clytemnestra^)  aus  Süd-  und  Mittel- 
amerika; ferner  schwarz  mit  weißem  Schrägband  und  zwei  davor  befind- 
lichen weißen  Flecken  die  Nymphalide  Eunica  Flora  Q  ^)  (Abb.  85)  vom 
Rio  negro  und  die  Satyride  Lethe  rohria  von  Nordindien  und  Java, 
ferner,  nur  mit  vier  weißen  Eckfleckchen,  die  Nymphalide  Aterica  Tadema 
von  der  Goldküste!  Diese  Falter,  so  weit  auseinander  lebend  und 
alle  ungeschützt,  sind  in  Farbe,  Größe  und  Gestalt  äußerst  ähnlich. 

Bei  dieser  Eckfleck-Schrägband-Gruppe  sind  der  oder  die  Eck- 
flecke teils  durch  Zwischenräume  von  Binde  I  und  II,  teils  durch  solche 
von  II  und  III  gebildet,  während  das  Band  ungefähr  die  Mitte  der  Flügel 
einnimmt  und  meist  in  seinem  äußeren  Teile  dem  Zwischenraum  zwischen 
III  und  IV  entspricht.  Dieselbe  ist,  wie  gesagt,  von  den  reinen  Schrägband- 
Faltern  nicht  zu  trennen.  Beide  zeigen  in  Farbe,  Größe  und  Gestalt  große 
Verschiedenheit  der  Arten.  Insbesondere  ist  es  die  Farbe  des  Schräg- 
bandes,  welche  wieder  verschiedenes  Aussehen  bedingt:  die  blaue, 
grünschillernde  und  glänzend  rote  Farbe,  welche  hier  auftritt  und  welche, 
wie  wir  später  sehen  werden,  der  Ausdruck  höherer  Ausbildung  ist, 
während  Weiß,  Lehmgelb  und  Gelb  niederere  Stufen  darstellen.  Wäre 
die  Farbe  des  Schrägbandes  überall  die  gleiche,  so  hätten  wir  unter  den 


Abb.  87.    Gynaecia  Dirce  L. 


1)  Staud.  Taf.  87. 
5;  St.  Taf.  40. 


2j  St.  Taf.  87. 


3)  St.  Taf.  41. 


i)  St.  Taf.  61. 


154 


Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 


TJL 


Abb.  SS.     Vanessa  Myrinna*)  Doubl.  Hew. 


Abb.  89.     Vanessa  cardui  L. 


T/a  R 


f..  ■ ' 


SL^ 


Abb.  90.     Vanessa  Dejeaiiii  Godt.j 


E-E 


Abb.  91.     Vanessa  vulcatiica  Godt. 


i/.tt  Bm 


A  B 


ß,{S. 


Abb.  92.     Vanessa  Atalanta  L. 


Abb.  93.    Hypanartia  Lethe  F. 


*  Der  bei  Myrinna  mit  ag  bezeichnete  weiße  Fleck,  ein  Augenfleck,  kommt  zu- 
weilen auch  in  dem  entsprechenden  äußeren  Teil  des  roten  Schrägbandes  von  Atalanta 
vor  und  trat  wieder  auf  in  einer  von  Dr.  Fickert  gezüchteten   V.  cardui. 


Cardui-Atalanta-Inachis-Dirce-  oder  Eckfleck-Schrägband-Typus.  155 

Nymphaliden,  Morphiden,  Brassoliden,  Satyriden,  Eryci- 
niden  und  Lycaeniden,  welche  hier  vertreten  sind,  eine  Überfülle 
von  »Mimicry«. 

Bei  dieser  Gelegenheit  will  ich  nicht  unterlassen  zu  bemerken,  daß 
dies  überhaupt  für  die  verschiedensten  Zeichnungstypen  gilt  (vor  allem 
auch  bezüglich  des  Mittelfeldes) :  wäre  die  Farbe  die  gleiche,  so  würde 
uns  in  tausend  Fällen  Ähnlichkeit  entgegentreten,  wo  jetzt 
Verschiedenheit  gegeben  ist.  Aber  die  Farbe  ist  etwas  Nebensäch- 
liches, erst  in  zweiter  Linie  und  zwar,  wie  wir  sehen  werden,  wiederum 
gesetzmäßig,  stufenweise  Umgebildetes.  Durch  diese  Betrachtung  tritt 
die  Bedeutung  der  gesetzmäßigen,  vielfach  homöogenetischen  oder  heter- 
hodogenetischen  Gestaltung  der  Zeichnung  gegenüber  der  Zuchtwahl- 
Mimicry  noch  mehr  hervor. 

Die  Grundfarbe  der  Eckfleck-Schrägband-  und  der  Schrägband-Falter 
ist  meist  einfach  dunkel,  oft  gleichfalls  ins  Blaue  schillernd,  gewöhnlich 
ohne,  zuweilen  mit  einer  in  der  Farbe  des  Schrägbandes  gefärbten 
Randbinde  auf  den  Hinterflügeln. 

Es  gehören  hierher  viele  der  höchstentwickelten  Falter,  wie  die  pracht- 
voll gefärbten  Arten  der  Nymphaliden-Gattungen  Ägrias^),  Catagramma'^], 
Batesia^)  u.a.,  ferner  unter  den  Morphiden  z.  B.  Zeuxidia  Amethystus^)^ 
ThaumanUs  Odana^]. 

Besonders  sind  es  die  kleinen  Formen  der  südamerikanischen  Gat- 
tungen Callicore,  Catagramma  und  Catonephele  (Abb.  94  bis  96),  welche, 
wie  auch  die  Agrias  (Abb.  97),  durch  ihre  ähnliche  Zeichnung  und  durch 
ihre  prachtvollen  grün-  und  blau -schillernden  und  roten  Farben,  sowie 
durch  die  gleichartige  Gestalt  ein  ganz  eigenartiges  Aussehen  bieten 
ähnlich  wie  die  gleichfalls  südamerikanischen  Helikonier  und  die  ihnen 
ähnlichen  Falter  eine  typische  Gruppe  bilden. 

Pseudomimetisch  ist  die  südamerikanische  Nymphalide  Gynaecia  Dirce 
durch  ihr  gelbes  Schrägband,  trotz  des  Fehlens  der  Eckflügelzeichnung, 
wiederum  Catonephele  Numüia  und  diese,  wie  hervorgehoben,  Hypna 
Clytemnestra  und  der  australischen  Vanessa  Itea.  Wenn  z.  B.  die  süd- 
amerikanische Brassolide  Opsiphanes  Cassiae^)  nicht  ein  ockerfarbenes, 
sondern  ein  gelbes  Schrägband  hätte,  so  wäre  sie  ebenfalls  mit  den  ge- 
nannten »mimetisch«,  so  aber  gleicht  sie,  und  zwar  nicht  nur  in  der 
Farbe  des  Bandes,  sondern  auch  in  Größe,  nicht  in  Gestalt,  Kallima 
Inachis. 

Charaxes  Monteiri'')  von  St.  Thomas  Q  (das  (^  ist  ganz  anders 
gezeichnet  und  gefärbt)  hat  ein  weißes  Schrägband,  sonst  wäre  dieser 
Falter  wiederum  mit  den  soeben  genannten  »mimetisch«,  um  so  mehr, 
als  er  auch  in  Größe  und  in  der  Flügelform  Opsiphanes  ähnlich  ist. 
Ebenso  ist  die  Satyride  Lethe  Europa^)  von  Indien,  China,  den  Sunda- 
inseln,  ein  vergrößertes  Abbild  der  schon  behandelten  L.  rohria. 


1)  Staud.  Taf.  57.  2)  St.  Taf.  42.  3)  St.  Taf.  43.  4)  St.  Taf.  63. 

5)  St.  Taf.  65.  6)  St.  Taf.  7t.  ^)  St.  Taf.  59.  8)  St.  Taf.  78. 


156 


Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 


Ich  unterlasse  es  weitere  Beispiele  von  pseudomimetischen  Arten 
aus  dieser  Gruppe  aufzustellen,  welche  sich  jeder  in  großer  Zahl  auf- 
suchen kann,  und  erwähne  nur  noch,  daß  hierher  auch  der  merkwürdige 
Falter  Caerois  Chorineus  aus  Südamerika  gehört. 


Anhangsweise  sei  hier  bemerkt,  daß  es  auch  dreibänderige  Formen 
giebt,  welche  auf  Grund  anderer  Entwickelungsrichtung  entstanden  sind 
als  die  vorhin  erwähnten,  indem  ein  erstes  schmales,  kurzes  Eckband 
nun  als  Schrägstrich  auftretend,  zwischen  Binde  II  und  III  entsteht, 
das  zweite  wie  vorhin,  ein  drittes,  auf  die  Hinterflügel  übergehendes 
etwa  zwischen  Binde  VI  und  VIII  (Epiphile  Electra^)  aus  Venezuela)  oder 
den  ganzen  hinteren  Winkel  des  Vorderflügels  mit  einnehmend  [Cata- 
gramma  Cynosura  mit  roten  Bändern,  Abb.  94).  Wenn  die  Vorderflügel- 
Eckzeichnung    verloren    geht,    entstehen   entsprechend    gezeichnete    zwei- 


Abb.  94.     Cutugranirna 
Cynosura  Doubl.  Hew. 


Abb.  95.     Caiayramma 
Pitheas  Latk. 


Abb.  9G.     Catonephele 
Capenas  Hew. 


bindige  Formen,  wie  Catagramma  Pitheas^  rot  (Abb.  95),  und  Epiphele 
adrasta,  gelb  2),  beide  aus  Südamerika. 

Zweibänderige  können  endlich  dadurch  entstehen,  daß  die  Eckzeich- 
nung II — III  (B)  zu  einem  schrägstrichartigen  Bande,  neben  dem  ge- 
wöhnlichen Mittelbande,  wird,  z.  B.   Catonephele  Capenas  (Abb.  96). 

Endlich  kann  nur  die  vorderste  Bandzeichnung  (B)  übrig  bleiben, 
z.  B.  bei  Callicore  Candrena  aus  Brasilien. 

Eine  bemerkenswerte  Umbildung  ein-  oder  zweibänderiger  entsteht 
bei  il^r/as-Arten  (Abb.  97^)),  dadurch,  daß  das  rote  Mittelband  sich  über 
den  ganzen  hinteren  Teil  der  Vorderflügel  verbreitert;  dieselbe  Ent- 
wickelungsrichtung kommt  off'enbar  auch  bei  einzelnen  Callühea-  und 
Catagramma- kTiQn^)  zum  Ausdruck:  Innenfeldbildung. 

Die  aus  Quer-  bezw.  Schrägbändern  gebildete  Vorderflügel-Eckzeich- 
nung ist  gegenüber  der  Mittelfeldzeichnung  eine  vorgeschrittene,  hochent- 


')  Staud.  Taf.  4^ 


St.  Taf.  41. 


3)  St.  Taf.  57. 


«)  St.  Taf.  42  und  43. 


Hyale-edusa-brassicae-Glaucippe  od.  Vorderflügel-Eckzeichnungstypus  d.  Pieriden.     157 

wickelte.    Sie  bildet  sich  ja  häufig  zum  Teil  aus  dem  vorderen  Abschnitte 
des  Mittelfeldes  heraus. 

Die   höchststehenden   Tagfalter  wie    die    der  Agrias-   und   der  Cata- 
gi'amma-GTuppe  unter  den  Nymphaliden  haben  solche  Bänder  am  meisten 


Abb.  97.     Agrias  Amydonius  Stgk. 

ausgedehnt  und  in  den  leuchtendsten  Farben.  Ebenso  sind  sie  hochaus- 
gebildet z.  B.  bei  den  Helikoniden  und  den  Helikonier-ähnlichen  Danaiden. 
Es  ist  die  ursprüngliche  und  auf  der  Unterseite  der  Flügel  auch 
hier  zuweilen  noch  erhaltene  Längsstreifung  der  Flügel  in  eine  Quer- 
streifung übergegangen. 


4)  Hyale-edusa-brassicae-Glaucippe-  oder  Vorderflügel- 
Eekzeichnungstypus  der  Pieriden. 

Die  Pieriden  sind,  wie  wir  sehen  werden,  offenbar  entstanden  aus 
Parnassier-ähnlichen  Formen,  welche  wiederum  sich  an  die  Segelfalter 
anschließen.  Bei  dieser  Umbildung  ist  postero-anteriore  Entwickelung 
dadurch  maßgebend,  daß  die  Längsstreifen  der  Segelfalterähnlichen  in 
der  Richtung  von  hinten  nach  vorne  schwinden,  so  daß  sie  bei  den 
meisten  Parnassiern  nur  noch  im  Gebiete  des  Vorderrandes  bezw.  der 
Mittelzelle  vorhanden,  bei  einigen  aber  auch  hier  fast  ganz  geschwunden 
sind  {Ismene  helios  (Abb.  99),  Parnassius  Mnemosytie  (Abb.  Vi 8),  P.  gla- 
cialis].  Es  bleibt  bei  Ismene  helios  nur  eine  Vorderflügel-Eckzeichnung 
übrig,  welche  der  unserer  Colias  Hyale  (Abb.  100)  ähnlich  ist:  eine  Band- 
fleckenreihe zwischen  Resten  der  Binden  I  und  II:  //i/a/e-Typus,  der 
sich  bei  vielen  Pieriden  findet. 

Es  ist  nun  aber  überhaupt  bei  den  Pieriden  die  beschriebene  Ent- 
wickelungsrichtung  herrschend  geworden,  welche  zur  Einfarbigkeit  führte, 
mit  Übrigbleiben  einer  Vorderflügel-Eckzeichnung  und  vielleicht  einer 
Randbinde. 


158  ^'6  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 


Abb.  98.    Parnassius  Mnemosyne  L. 


Abb.  99.     Ismene  helios  Nick. 


Abb.  100.     Colias  hyale  L. 


Abb.  101.     Colias  edtisa  F. 


i-JE 


Abb.  102.    Pieria  brassicae  L.  Q. 


Abb.  103.    Hebomoia  Glaucippe  L. 


Chrysippus-Ruspina-Typus.  159 

Eine  vollkommen  schwarze  Vorderflügel-Eckzeichnung  im  Zusammen- 
hange mit  einer  schwarzen  Randbinde  hat  u.  a.  Colias  edusa  [Ahh.  101): 
Edusa-Typus. 

Nur  eine  schwarze  Eckflügelzeichnung  haben  Pieris  brassicae 
fAbb.  102)  u.  a.:  5?'a55«cae-Typ  us. 

Viele  Pieriden  haben  nun  in  dieser  schwarzen  Flügelecke  als  weitere 
Ausbildung  der  Zeichnung  von  Hyale  ein  weißes,  gelbes  oder  rotes  oder 
auch  ein  blauviolettes  Schrägband  oder  ein  ebenso  gefärbtes  breites 
Innenfeld.  Diese  Zeichnung  kann  sich  über  mehrere  Bindenzwischen- 
räume erstrecken.  Ein  weißes  Schrägband  ist  z.  B.  bei  Ixias  pirenassa  Q 
aus  Indien  ^)  vorhanden,  ein  rotes  Vordereck-Innenfeld  bei  Hebomoea  Glaucippe 
aus  Ostindien^)  (Abb.  103)  und  zahlreichen  anderen:   Glaucippe-Typ^s- 

Eine  pseudomimetische  Salyride  vom  Hyale-Typus  ist  Lymanopoda 
nivea^)  aus  Ecuador.  Pseudomimetisch  mit  P.  brassicae  q^  d.  i.  ohne 
schwarze  runde  Flecke  auf  der  Oberseite  der  Vorderflügel)  sind  die 
Eryciniden  Theope  "pieridoides  aus  Bahia  und  Pandemos  Pasiphae  Q.  vom 
Amazonenstrom  ^)  u.  s.  w*. 

Der  Eckflügelzeichnung  nach  schließt  sich  an  die  ca?'rf?/?- ähnlichen 
auch  Danais  Clirysippus  mit  Verwandten  an,  um  so  mehr  als  diese  Falter 
ebenfalls  in  Formen  übergehen,  welche  statt  ausgebildeter  Eckfleckzeich- 
nung eine  Eck-Schrägbinde  haben.  Da  sich  aber  diese  Falter  alle  durch 
braune  Farbe  auszeichnen  und  mit  dadurch  mimetisch  bezw.  pseudo- 
mimetisch werden,  so  behandle  ich  sie  besonders. 


5)  Chrysippus-Ruspina-Typus. 

Falter  mit  braunem  oder  rotbraunem  Innenfelde,  schwarzen  Vorder- 
flügeladern, meist  mit  weißen  Flecken  und  einem  noch  aus  Flecken  zu- 
sammengesetzten oder  regelmäßigen  weißen  Schrägbande,  mit  schwarzer, 
meist  weiße  Flecke  enthaltender  Randbinde.  Die  hierher  gehörige  Danais 
Chrysippus  und  Verwandte  sind  »geschützt«,  ebenso  soll  die  ähnliche  Litho- 
siide  Aletis  Helcita  von  der  Goldküste  geschützt  sein. 

In  die  Bezeichnung  des  Typus  nahm  ich  die  Nymphalide  Euphaedra 
Ruspina^)  aus  Westafrika  mit  auf,  weil  sie  nur  noch  ein  helles  Schräg- 
band, keine  Eckflecke  mehr  hat,  also  eine  äußerste  Form  darstellt, 
E.  Haase  bildet  auf  seiner  Tafel  IV  als  mimetisch  ab :  Euphaedra  Ruspina, 
Eusemia  Falkensteinii,  Aletis  Helcita  und  Liptena  sanyuinea.  Die  letztere, 
eine  Lycaenide,  ist  viel  kleiner  als  die  übrigen  und  schon  deshalb  wohl 
von  dieser  mimetischen  Gesellschaft  auszuschließen. 

Es  sind  von  Formen  dieses  Typus  noch  zu  nennen  unter  den  Nym- 
phaliden:  Euphaedra  Eleus  von  der  Goldküste  [Ruspina-öhnWch) ^  Cethosia 
cyane  von  den  Sunda-Inseln ,  Celhosia  luzonica  von  Luzon  ö).     Euryphene 


1)  Staud.  Taf.  22.      2)  St.  Taf.  22.      3)  St.  Taf.  83.       *  St.  Taf.  93. 
5)  St.  Taf.  51.     6)  Semper  Taf.  18. 


160 


Die  hauptsächlichsten  Entwiciielungsnchtungen  der  Tagfalter. 


Plistonax^)  von  Westafrika.     Endlich   die  Satyride  Elymnias  undularis  Q 
von  Ostindien   und  den  Sunda-Inseln. 

Da  die  geschützten  Danaiden  des  Typus  weit  verbreitet  sind  und 
mit  den  anderen  zusammen  leben,  so  wäre  Geschütztsein  im  Fliegen 
hier  möglich.  Es  ist  aber  das  Wichtigste  für  die  Schmetterlinge,  daß 
sie  sitzend  geschützt  sind.  Und  auf  der  Unterseite  fehlt  den  genannten 
die  ähnlichen  Falter  nachahmen  sollenden  Arten  jede  Beziehung  zu  diesen: 
ihre  Unterseite  ist  von  sehr  verschiedenem  Aussehen. 

Endlich  muß  hervorgehoben  werden,  daß  auch  die  Ähnlichkeit 
zwischen  den  Geschützten  und  Nichtgeschützten  dieses  Typus  durchaus 
nichts  Besonderes  bietet  gegenüber  den  Typen,  unter  welchen  von  An- 
passung keine  Rede  sein  kann. 

Ist  aber  im  vorliegenden  Typus  Schutz  wirklich  gegeben,  was  erst 
durch  genaue  Beobachtung  für  jeden  einzelnen  Fall  festgestellt  werden 
müßte,  so  ist  kein  Grund  vorhanden,  auch  hier  etwas  anderes  als  Ho- 
moeogenesis  als  die  Ursache  der  Ähnlichkeit  anzuerkennen,  nicht  aber 
Auslese,  bezw.  natürliche  Zuchtwahl. 

Betrachten  wir  die  als  mimetisch  aufgefassten  Falter  dieses  Typus 
etwas  näher  und  zwar  zunächst  die   Chrysippus-QhnXichen: 

Danais  Erippus  hat  oben  nur  weiße  Flecke  als  Vorderflügel-Eckzeich- 
nung: äußere  Randfleckchen,  dann  Randfleckchen  zwischen  1  und  II,  dann 

größere  zwischen  II  und  III,  endlich  kleinere 
zwischen  IV  und  V/VI,  wie  D.  Chrysippus. 

Bei  Chrysippus  (Abb.1  04)  und  Plexippus  ist 
zwischen  III/IV  und  V/VI  ein  fast  vollständiges 
weißes  Schrägband  entstanden  —  jene  auch 
bei  anderen  Familien,  inbesondere  bei  Nym- 
phaliden,  so  weit  verbreitete  Entwickelungs- 
richtung. 

Die  Nymphalide  Hypolimnas  Misippus   Q 
in    Asien    und    Afrika    bildet   in    Farbe   und 
Zeichnung    eine    der    bekanntesten    »mimeti- 
schen«   Formen,    indem    sie   Chrysippus    täu- 
schend   ähnlich    sieht.      Es   handelt  sich    um 
Heterhodogenesis ,    denn    das  weiße    Schräg- 
band liegt  bei  Hypolimnas  Misippus  zwischen 
III  und  IV  und  nicht  zwischen  IV  und  V/VI. 
Das  cf  von  H.  Misippus  ist  wiederum  ganz  anders  gefärbt  und  gezeichnet: 
schwarz  mit  einem  weißen,  großen  Fleck:  Mittelfeldrest  auf  den  Hinter- 
und  zwei  weißen  Schrägbändern  auf  den  Vorderflügeln. 

Diese  Verschiedenheit  macht  auch  hier  Schutzfärbung  des  Q  un- 
wahrscheinlich, und  bestärkt  werde  ich  in  diesem  Zweifel  noch  durch 
Folgendes:  Staudinger  sagt  a.  a.  0.  I.  S.  136:  •»Misippus  hat  nun  noch 
eine  zweite   Q   Form,    die   von  Gramer    als    Inaria  veröff'entlicht   wurde. 


Abb.  104.     Danais  Chrysippus  L. 


1)  Hewitson  III.  Taf.  2G.    Eurijphene  IX. 


Chrysippus-Ruspina- Typus.  161 

Bei  dieser  sind  die  Vorderflügel  fast  ganz  braun,  nur  der  Vorder-  und 
Außenrand  schmal  schwarz,  und  die  weißen  Flecke  fehlen  völlig  oder 
es  sind  deren  nur  2 — 3  kleine  verloschene  am  Ende  des  Vorderrandes 
sichtbar.  Gramer  beschreibt  diese  Form  aus  Amboina  und  Java;  ich 
erhielt  sie  aus  Vorderindien,  Gabun,  Angola,  Transvaal  und  Natal,  und 
zwar  aus  letzteren  Gegenden  in  Übergängen  zum  abgebildeten  gewöhn- 
lichen Q.  Hochinteressant  ist  ferner,  dass  die  zweite  Q  Form  von 
Misippus  die  Danais  Dorippus  Klug,  die  als  Chrysippus  var.  angenommen 
wird,  und  die  ich  aus  Zanzibar,  Abessinien  und  Syrien  besitze,  nach- 
ahmt, von  woher  ich  freilich  die  ,nachahmende'  Inaria  nicht  erhielt.« 

Den  Hauptgrund  gegen  die  Annahme  von  Schutzfärbung  bildet  aber 
das  so  häufige  Vorkommen  der  für  mimetisch  angesehenen  Flügeleck- 
zeichnungen bei  nicht  raimetischen  Faltern,  besonders  bei  Nymphaliden. 
Dabei  handelt  es  sich,  wie  früher  beschrieben,  hauptsächlich  um  folgende 
Gestaltungen: 

i .  um  mehr  oder  weniger  vollkommen  gefleckte  Flügeleckzeichnung, 
wobei  aber  die  innere  zwischen  III  und  IV  oder  IV  und  V/VI  gelegene 
Fleckung  schon  in  ein  Bandstück  übergehen  kann:  cardui-Atalanta-lj^n?, 
oder,  auf  die  braunen  Danaiden  angewendet:  Erippiis-Cfn ysippus ,  wobei 
Chrysippus  gegenüber   von   Erippus  ein   ausgebildeteres  Bandstück  hat. 

2.  um  das  Vorhandensein  von  äußeren  Fleckchen  und  eines  voll- 
kommenen, III — IV  (Gl   oder  IV — V  VI  (D),  entsprechenden  Schrägbandes. 

Dieser  Typus  ist  sehr  schön  ausgesprochen  bei  der  in  Afrika  lebenden 
weiß-schwarzen  Danaide  Amaitris  niavius^)  (Abb.  107)  und  dem  mit  ihr  für 
mimetisch  gehaltenen   Papilio  Merope   Q.    (Abb.  108  ( A'?ai'iW6-Typus). 

3.  Fehlen  die  äußeren  hellen  Flecke  und  es  bleibt  nur  das 
Schrägband,  so  bei  der  Nymphalide  Punopaea  Poggei  C  [Pseudacraea 
Pogget)"^],  welche  wiederum  mit  Chrysippus  mimetisch  sein  soll,  wie  auch 
die  Nymphalide  Euphaedra  Huspina  Q  ^),  dann  die  Euprepie  Eusemia 
Falkensteinii  ^  und  die  Lycaenide  Liptena  sanguinea  Q,  endlich  die  zu 
den  Lithosiiden  (Bombyciden    gehörige  Aletis  Helcita.  *) 

Es  haben  aber  dieselbe  Farbe  und  denselben  Zeichnungstypus  wieder 
Formen,  welche  in  ganz  anderen  Gebieten  leben,  ja  in  solchen,  in 
welchen  fast  gar  keine  rotbraunen  Danaiden  vorkommen  ^),  wie  die  Nym- 
phalide Celhosia  Chrysippe^)  im  östlichen  Australien. 

Auch  Cethosia  luzonica  auf  den  Philippinen ')  ist  nach  demselben 
Typus  und  in  derselben  Farbe  gezeichnet,  nur  mit  breiter  schwarzer 
Randbinde,  wie  auch   Chrysippe   [Huspinu-Tyipus). 

Eine  Anzahl  Falter  aus  verschiedenen  Familien  mit  derselben  Eck- 
flügelzeichnung, aber   weißer  Grundfarbe  auf  den   Hinterflügeln   (weiß- 


1)  Staud.  Taf.  25.  2)  e.  Haase  Taf.  III.  Abb.  22.  3    Sx.  Taf.  öl. 

*)  Vergl.  die  Zusammenstellung  auf  Taf.  IV  bei  Haase. 

5)  Nach  Kirby's  Catalog  kommt  in  Australien  Danais  petilia  vor,  auch  rotbraun 
gefärbt,  aber  mir  sonst  unbekannt.  Auch  Enppus  soll  jetzt  bis  nach  Australien  gekom- 
men sein.     Diese  ist  Celh.  Chrysippe  aber  nicht  ähnlich. 

6)  Staud.  Taf.  34.  ';  G.  Semper,  a.  a.  0.  Taf.  XVIII. 

Eimer,  Orthogenesis.  •  4-1 


162  Die  hauptsächlichsten  Entwicicelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

schwarze  Färbung)  hat  Haase  auf  Tafel  III,  wie  ])emerkt,  als  mimetisch 
abgebildet:  Panopaea  [Pseudacraea)  Circe  Q  (Nymphalide),  Elymnias 
phegea  Q  (Satyride),  Papilio  Cynorta,  welche  die,  gleich  ihnen  in  West- 
afrika lebende  Äcraea  Gea  Q  (Abb.  1 05) ')  nachahmen  sollen.  Dieser 
Falter  gehört  aber  zu  den  seltneren,  wird  also  kaum  in  der  Lage  sein, 
die  anderen  zu  schützen.  Auch  käme  nur  das  Weib  von  Gea  in  Betracht, 
denn  der  Mann  hat  bräunliche  Grundfarbe  und  auch  bräunliche  Eck- 
flügelzeichnung. 

Wir  nennen  den  ganzen  Typus  mit  einer  zwischen  III  und  IV  oder 
IV  und  V/VI  gelegenen  Schrägbinde  und  weißer  Grundfarbe  auf  den 
Hinterflügeln  wegen  der  pseudomimetischen  Rolle,  welche  Äci^aea  Gea 
oö'enbar  spielt,  den  Gea-Typus.  Die  Falter  vom  G^a-Typus  stehen  am 
nächsten  den  ebenfalls  weißschwarzen  Gliedern  des  iV/a^ms-Typus. 

Der  fiwsp/na-Typus  umschließt  die  rotbraunen  und  weißen  Danai- 
den  und  alle  Falter  mit  gleicher  Eckzeichnung.  Es  mag  noch  hinzugefügt 
werden,  daß  dieser  Typus  ebenfalls  bei  Faltern  vorkommt,  welche  weit 
entfernt  von  den  vorigen  leben,  nämlich  bei  dem  Weib  von  Cethosia 
luzonica  var.  boholica  auf  den  Philippinen  2)  und  bei  Eresia  Emerantia 
aus  Columbien  (vgl.  S.  194  und  Taf.  I). 

4,  Giebt  es  unter  den  Danaiden  ebenso  wie  bei  anderen  nicht  mi- 
metischen Faltern  solche,  welche  nur  ein  äußerstes  Schrägband  (zwischen 
II  und  III)  auf  den  Ecken  der  Vorderflügel  haben.  Dahin  gehört  z.  B. 
Euploea  laetißca  3). 

5.  Kommen  zwei  den  Zwischenräumen  II — III  und  III — IV,  bezw. 
V/VI  entsprechende  Schrägbänder  zugleich  vor,  z.  B.  bei  den  (^  der 
Nymphaliden  Ilypolinmas  Bolina  und  Misippus,  was  wir  hier  nur  er- 
wähnen, weil  das  Q  von  Misippus  der  Danais  Chrysippus  ähnlich  ist; 
denn  bei  den  Danaiden  kommt  dieser  Typus,  welchen  wir  nach  Hypo- 
limnas  Bolina  q^  den  ßo/i/ia-Typus  nennen,  nicht  vor. 


6)  Der  Gea-niavius-Merope-Typus. 

Vorderflügel  mit  weißem  Mittelschrägband,  häufig  mit  einem  oder 
mehreren  Vorderflügel-Eckflecken,  außerdem  Randflecke  als  Fortsetzung 
derselben  nach  hinten.  Auf  dem  hinteren  Teil  der  Vorderflügel  dem 
vorderen  oder  dem  größten  Teil  der  Hinterflügel  ein  großes  helles, 
zuweilen  quergestelltes  Innen-  (selten  noch  Mittel-jfeld.  Die  Grundfarbe 
weiß  oder  gelb  oder  gelbrot,  schwarz  umrahmt.  Hinterflügel  mit  mehr 
oder  weniger  ausgesprochener  Fächerzeichnung. 

Eine  Vorstufe  des  Typus  stellt  die  afrikanische  (Goldküste)  Pseuda- 
craea Lucretia  (Abb.  1 06)  dar,  mit  hellen  Flecken  statt  des  Schrägbandes 
auf  den  Vorderflügeln  und  noch  mit  einem  Mittelfeld. 

Der  Typus    ist   ein    ausschließlich   afrikanischer   mit   teilweise  unge- 

1)  Staud.  Taf.  33.         2)  g.  Semper  Taf.  18.  Abb.  9.         3j  Staud.  Taf.  26. 


Der  Gea-niavius-Merope-  oder  Schrägband-Breitmittelfeld-Typus.  163 

nießbaren  Formen  wie  die  Danaide  Amauris  niavius  (Abb.  107)  und  Acraea 
Gea  (Abb.  105),  welche  von  anderen,  wie  die  genannten  Hypolimnas,  die 
Satyride  Ehjmnias  phegea  und  Papilio  Merope,  nachgeahmt  werden  sollen, 
mit  welchen  sie  auch  zusammen  leben. 

Von  der  genannten  Pseudacraea  an  durch  Gea  (Abb.  105)  bis  zu  Merope 
finden  wir  eine  Vergrößerung  der  hellen  Färbung  auf  den  Hinterflügeln  und 
dem  hinteren  Teil  der  Vorderflügel,  welche 
sich  bei  Merope  (^  (Abb.  111)  über  die 
ganzen  Vorderflügel  mit  Ausnahme  des 
äußeren  Flügelrandes  ausbreitet.  Diese 
Merope  (^,  welche  also  über  den  T^^us 
hinaus  vorgeschritten  und  schwefelgelb 
sind,  sind  den  übrigen  nicht  mehr  ähnlich. 
Auch  auf  den  Hinterflügeln  nimmt  bei  ver- 
schiedenen Formen  dieser  Männchen  die 
Einfarbigkeit  zu:  die  Reste  einer  äußeren 
und  inneren  Randbinde,  welche  als  Flecke 
bei  manchen  noch  stark  ausgeprägt  sind, 
treten  bei  anderen  fast  vollkommen  zurück. 

Auch  die  weiblichen  Merope  sind  ver-  Abb.  ins.   Aa-aca  Gea  f. 

schieden,   und  nur   ein   Teil  derselben   ist 

ähnlich  der  Acraea-  und  Danais-Form  des  Typus  in  weiß  und  schwarzer 
Färbung: 

1)  die  gelbroten,  ähnlich  den  Männchen  geschwänzten  Weibchen 
(var.  Ruspinae]  aus  Abyssinien  und  die  ähnlichen  ungeschwänzten  vom 
Kap  (var.  Trophonius)  gleichen  eher  dem  Chrysippus-Ruspina-TYpns.  Auch 
bei  ihnen  ist,  wie  bei  den  Männchen,  der  größte  Teil  der  Oberseite  in 
dieser  Grundfarbe  gefärbt.    Zeichnung  fast  gleich  M.  niavioides  (Abb.  1  09). 

2)  Schwefelgelbe  Weibchen,  den  q^  sehr  ähnlich,  auch  geschwänzt, 
aber  mit  einem  Rindenstück  VIT  auf  den  Vorderflügeln  im  Rereich  der 
Mittelzelle,  leben  gleichfalls  in  Abyssinien  neben  den  vorigen  und  haben 
keine  mimetische  Beziehung  (var.  Antinorii  Abb.  1 1 0). 

Aber  auch  die  weiß-schwarzen  Weibchen  zeigen,  wie  der  Typus 
überhaupt,  eine  ganz  verschiedene  Ausdehnung  des  weißen  Innenfeldes; 
es  handelt  sich  auch  hier,  wie  bei  den  Männchen  und  schon  beim  vorigen 
Typus,  um  fortschreitende  Vergrößerung  dieses  Innenfeldes: 

3)  bei  der  gleichfalls  in  Abyssinien  vorkommenden  geschwänzten 
niavioides  (Abb. 109)  ist  das  Innenfeld  fast  so  weit  ausgedehnt  wie  bei  den 
gelbroten  und  sie  ist  dadurch  dem  Typus  ebenfalls  kaum  mehr  ähnlich. 

4)  die  schwarz-weiße  var.  hippocoon  der  gewöhnlichen  Merope  Q, 
(Abb.  1 08)  gleicht  Amauris  niavius  am  meisten.  Sie  hat  noch  die  ur- 
sprünglichste, an   Ps.  Lucretia  und  A.   Gea  anschließende  Zeichnung. 

Alle  diese  Formen  sind  unter  den  angegebenen  Namen  bei  E.  Haase 
auf  Tafel  I  als  mimetisch  mit  Danaiden  abgebildet'). 


Statt  niavioides  heißt  es  dort  niavina. 


Iß4  Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 


Abb.  IOC.     Pseudacraea  Lucretia  CfiAM. 
1/2  nat.  Gr. 


Abb.  107.     Amauris  tiiarius  L. 
V2  nat.  Gr. 


Abb.  108.    Papilio  Merope  L. 
Q  1/2  nat.  Gr. 


Abb.  109.    Papilio  Merope  L.  var.  niavioides  Kleit. 
Q  1/2  nat.  Gr. 


Abb.  110.     Papilio  Merope  L.  var.  Antinorii  Oberth. 
Q  '/2  nat.  Gr. 


Abb.  111.    Papilio  Merope  L. 
(S  V2  nat.  Gr. 


Der  Gea-niavius-Merope-  oder  Schrägband-Breitmittelfeld-Typus.  165 

Hewitson  bildet  als  hippocoon  auch  gelbrote  und  hinten  nait  gelblich- 
rotem,  vorne  weißem  Innenfeld,  auch  eine  mit  weißem  Innenfeld  — 
alle  mit  weißem ,  eine  mit  gelbrotem  Schrägband  ab ').  Haase  bildet 
weiter  auf  derselben  Tafel  eine  var.  (bezw.  subspec.)  Tibullus  Cenea  ab 
mit  gelbem  kleinem  Innenfeld  und  weißen  Eckflecken  und  auf  Tafel  VI 
unter  demselben  Namen  eine  Form  mit  noch  kleinerem  dunkelgelbem 
Innenfeld  und  ebensolchen  Eckflecken,  welche  wie  auch  die  ihr,  bezw. 
der  vorigen,  ähnliche  P.  echerioides  und  HypoUmnas  niima  die  Danaide 
Ämauris  echeria  nachahmen  sollen. 

Die  Eckflecke,  welche  bei  den  genannten  Faltern  statt  eines  Schräg- 
bandes vorkommen  und  sich  also  auch  bei  einigen  weiblichen  Merope 
finden,  entsprechen  derselben  Zeichnung   bei  HypoUmnas  dubius. 

In  diesen  Weibchen  von  Merope  haben  wir  also  bezüglich 
der  Zeichnung  eine  fortlaufende  Reihe  von  Umbildungsstufen, 
ganz  dieselbe,  welche  die  verschiedenen  Formen  des  Typus 
zeigen  und  ebenso  eine  Farbenfolge  von  Weiß,  Gelb,  Gelbrot. 

Die  Umbildung  zielt  auf  Einfarbigkeit  der  Oberseite  unter  Verdrängen 
der  schwarzen  Grundzeichnung  auf  die  Vorderflügelecke  und  den  Rand 
der  Hinterflügel,  bei  den  schwefelgelben  Weibchen  aus  Abyssinien  und 
bei  dem  stets  so  gefärbten  Männchen  unter  Verschwinden  des  Schräg- 
bandes der  Vorderflügel,  während  ein  Fleck  als  Zwischenraum  zwischen 
II  und  III  übrig  bleibt  (B).  Dadurch  entsteht  eine  Zeichnung  ähnlich  der 
mancher  Pieriden. 

Indem  die  Verschiedenheit  der  Weibchen  also  einfach  auf  fort- 
schreitende Entwickelungsrichtung  zurückzuführen  ist,  und  weil  drei 
auch  in  der  Farbe  ganz  verschiedene,  vom  Typus  sich  sehr  entfernende 
Weibchen  zusammen  in  Abyssinien  vorkommen,  so  ist  hier  an  mime- 
tische Beziehungen  zu  ungenießbaren  Faltern  wiederum  kaum  zu  denken. 
Wenn  nicht  für  alle  drei  weiblichen  Formen  ungenießbare  »Vorbilder« 
in  Abyssinien  gefunden  werden  können,  so  müßte  nach  der  Lehre  von  der 
Verkleidungsanpassung  wohl  nur  diejenige  zur  Ausbildung  gekommen 
sein,  welche  solchen  Vorbildern  noch  am  ähnlichsten  ist  und  denselben 
auch  etwa  in  der  Größe  entspricht,  nämlich  die  schwarz-weiße.  Ein 
schwefelgelbes  »Vorbild«  giebt  es  nicht.  Von  Gelb-roten  leben 
nur  die  viel  kleineren  und  ungeschwänzten  Danais  Chrysippus 
ungenießbar   im  Gebiete   der  Merope. 

Schließlich  sei  noch  hervorgehoben,  daß  Papilio  Dolicaon  aus  Süd- 
amerika, also  wiederum  weitab  von  den  Merope,  ganz  dieselbe  Ent- 
wickelungsrichtung wie  die  schwefelgelben  abyssinischen,  mit  dem  Rest 
von  Binde  VII  gezeichneten  Merope -Weihchen  zeigt  2). 

Zu  dem  hier  behandelten  Typus  gehören  auch  die  bei  Staudinger-^) 
abgebildeten  HypoUmnas  Salmacis  von  Westafrika  und  H.  imperiaUs 
von  Deutsch-Ostafrika.    Beide  sind  aber  sehr  vorgeschritten.    Der  erstere 


1)  Hewitson  Bd.  I.  Taf.  \  2. 

2)  Vergl.  Staud.  Taf.  12.  3)  Staud.  Taf.  47. 


166  Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

ist  auf  dem  größten  Teil  der  Hinter-  und  auf  dem  hinteren  Teil  der 
Vorderflügel  einfarl>ig  weiß,  und  bleibt  bei  ihm  auf  den  Vorderflügeln 
nur  ein  schrägbandartiger  Rest  des  Schwarz  der  Zeichnung  und  oben 
eine  schwarze  Flügelecke.  Imperialis  hat  auf  Vorder-  und  Hinterflügeln 
unten  ein  breites  weißes  Schrägband,  oben  statt  des  letzteren  einen 
weiß  und  blauen  Fleck. 


7)  Der  Bolina-Alyattes-  oder  Sechs-  und  Vierfleck-Typus. 

ist  dadurch  gekennzeichnet,  daß  auf  den  Vorderflügeln  ein  oder  zwei 
und  in  der  Regel  zugleich  auch  auf  den  Hinterflügeln  ein  großer  Fleck 
entstanden  sind,  die  ersteren  aus  einem  Außenband  (aus  dem  Zwischen- 
raum zwischen  Binde  I  und  II  oder  II  und  III  oder  I  bis  III)  und  Mittelband 
(zwischen  IV  und  V/VI  oder  IV  und  VII) ,  so  bei  Hypolimnas  Bolina,  oder 
zuweilen  aus  einem  Stück  Mittelfeld,  wie  bei  manchen  Alyaües.  Der 
Außenbandfleck  kann  fehlen  und  fehlt  stets  bei  den  ^/?/aWes-ähnlichen. 

Bemerkenswert  ist  es,  daß  eine  ähnliche  Zeichnung :  Auftreten  eines 
hellen  oder  farbigen  großen  Fleckes  in  der  dunkeln  Grundfarbe  der 
Vorder-  und  der  Hinterflügel,  wiederum  bei  ganz  verschiedenen  Familien 
homöogenetisch,  bezw.  heterhodogenetisch  auftritt:  so  bei  Nymphaliden, 
Pieriden  und  bei  südamerikanischen  Papilio^s,  wegen  welcher  ich  den 
Typus  mit  als  Alyattes-Tyi>us  bezeichnet  habe,  nach  Papilio  Alyattes  (^ 
(Abb.  113)1).     Näheres  hierüber  vergleiche  man  später. 

Die  £o/ma-Form,  welche  sich  bei  Nymphaliden,  Satyriden  und  Ery- 
ciniden  findet,  geht  überall  aus  dem  Eckfleck-Schrägband-Typus  hervor 
und  findet  sich  schon  bei  Fanessa-artigen  Faltern  wie  lunonia  Wester- 
manni  aus  Westafrika  2). 

Für  die  Grundform,  von  welcher  wir  bei  der  Z?o/ma- Abteilung  aus- 
gehen, vergleiche  man  Hypolimnas  Bolina  q^  (Abb.1 12)  und  //.  Misippus  cf  ^). 
Die  Q  dieser  Falter,  besonders  das  von  H.  Bolina,  und  die  Unterseite  der 
(^  zeigen  in  sehr  hübscher  Weise,  wie  der  Sechsfleck-Typus  hier  ent- 
standen ist.  4)  Auf  der  Unterseite  erscheint  als  frühere,  ursprünglichere  Ent- 
wicklungsstufe auf  den  Vorderflügeln  eine  Außenbandzeichnung  und  ein 
Mittelband  als  ausgesprochenes  Schrägband,  auf  den  Hinterflügeln  aber 
ist  statt  des  Fleckes  der  Oberseite  ein  Mittelfeld  vorhanden.  Was  beim  (^ 
auf  der  Unterseite  an  Zeichnung  vorhanden  ist,  findet  sich  im  wesentlichen 
beim  Q  auf  Unter-  und  Oberseite.  Das  Q  bleibt  also  auf  der  tieferen 
Stufe  der  Entwicklung  stehen,  welche  das  (^  nur  auf  der  Unterseite  noch 
zeigt.  Auf  der  Oberseite  ist  das  (j^  zur  Sechsfleck-Zeichnung  vorgeschritten 
(männliche  Präponderanz  und  supero-inferiore  Umbildung). 

Ähnliche  Beziehung  zeigen   Q   und  cf  von   Catonephele  Numilia^). 

Wenn  die  Farben  nicht  verschieden  wären,  könnten  auch  hier  zahl- 
reiche pseudomimetische  Formen  aufgestellt  werden,  so  z.  B.   Catonephele 

1)  Staud.  Taf.  8.  2)  St.  Taf.  37.  3)  St.  Taf.  46. 

4)  Vergl.  St.  ebenda.  5)  Staud.  Taf.  41. 


Der  Bolina-Alyattes-  oder  Großflecken-Typus. 


167 


\uimlia     (^  ,    Hypolimnas    Bolina    (f    und    Misippus    (;f    und    Euthalia 
Plateni^). 

Numilia  hat  ockergelbe  Flecke  und  lebt  in  Surinam  und  am  Ama- 
zonenstrom; die  Hypolimnas  haben  weiße,  blauschillernde  Flecke  und 
leben  im  indischen  Gebiet  [Bolina)  und  über  dasselbe  hinaus,  durch 
Afrika  bis  nach  Syrien  [Misippus)\  Plaleni  hat  schwefelgelbe  Flecke  und 
lebt  auf  den  Nord-Molukken. 


Bii 


Abb.  112.    Hypolimnas  Bolina  L.  ^ 


Einen  Anfang  der  Sechsfleckbildung,  allem  Anschein  nach  aus  Limc- 
nitis  bezw.  Vanessa- kvien  heraus,  zeigt  Phyciodes 
Ezra  2)    von    Mittelamerika    und    Cystineura    tele- 
boas^)  von  den  Antillen. 

Zum  T)"pus  gehören  weitere  Arten  aus  den 
verschiedensten  Vaterländern :  unter  den  Nym- 
phaliden  Cyclogramma  himaculata^)  aus  Mexico, 
welcher  der  Hinterflügelfleck  fehlt,  wogegen  er 
bei  Cybdelis  mnasylus^)  u.  a.  allein  vorkommt. 

Unter  den  Satyriden:  Pierella  hortona^)  vom 
Amazonenstrom ,  auf  den  Vorderflügeln  nur  mit 
dem  Mittelband  (blau).  Unter  den  Eryciniden: 
Monethe  Paulus  ^)  vom  oberen  Amazonenstrom  (gelb) 


u.  a 


S' 


Mit  blauer  Grundfarbe  und  einem  weißen 
Vorderflügelfleck  (Mitlelband) :  Aricoris  Jansoni^] 
von  Mittelamerika. 


Abb.  11:3.    Papilio  Alyattes  (5- 


1;  St.  Taf.  33.  2 

Ebenda.  61  St.  Taf.  77. 


St.  Taf.  36. 

•    St.  Taf.  89. 


St.  Taf.  44. 
8)  Ebenda. 


4)  St.  Taf.  40. 
9)  St.  Taf.  93. 


168  I^ic  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

Merkwürdige  pseudomimetische  Formen  sind  die  mit  ihren  Vorfahren 
wohl  in  die  Nähe  dieses  Typus  gehörenden,  Pijniwgyra  amphira^)  unter 
den  Nymphaliden  und  Thisbe  irenaen'^]  (beide  am  Araazonenstrom  lebend) 
und  Nymphidium  lycorias^)  (Columbien ,  Mittelamerika)  unter  den  Eryci- 
niden,  die  erstere  offenbar  verwandt  mit  der  nach  der  Zeichnung  der 
Oberseite  dem  Bolina-Typus  nahestehenden  Nymphalide  Vüa  mariana'^) 
(Amazonenstrom). 

Bei  allen  vier  ist  die  Unterseite  ganz  eigentümlich  gefärbt  durch 
weiße,  schwarz  und  rot  oder  rotbraun  eingefaßte  Felder,  welche  man 
als  Abkömmlinge  der  Vorder-  und  Hinterflügel-Zeichnung  des  Typus  er- 
kennt. Auf  der  Oberseite  haben  die  drei  erstgenannten  Falter  ein 
breites  weißes,  vom  hinteren  Teil  der  Vorderflügel  auf  die  Hinterflügel 
sich  erstreckendes  Mittelfeld,  das  noch  weiter  ausgebildet,  bezw,  ver- 
größert ist  bei  Pyrrhogyra  neaerea  aus  Mittel-  und  Südamerika -^j, 
welche  auch  auf  der  Unterseite  in  der  Zeichnung  gegenüber  den  übrigen 
genannten  Arten  zu  Gunsten  der  Vergrößerung  eines  weißen  Mittelfeldes 
vorgeschritten  ist. 


C.  Querstreifuug  durch  Schwarzfärbuug  der  Adern,  als 
Entwickelungsriclitung. 

Ein  weiteres  hervorragendes  Beispiel  unabhängiger  Entwickelungs- 
gleichheit  (Homoeogenesis)  bei  nicht  unmittelbar  verwandten  Formen, 
welches  durch  auf  Verkleidung  (Mimicry)  gegründete  Zuchtwahl  zu  er- 
klären versucht  oder  bisher  als  selbstverständlich  in  diesem  Sinne  be- 
handelt worden  ist,  bieten  die  meist  farblosen  oder  weißen  (auch 
gelblichen  oder  grünlichen),  entsprechend  den  Adern  schwarz- 
quergestreiften, zum  Teil  schwarzgefleckten  Falter  aus  den 
Gruppen  der  Danaiden,  welche  die  ungenießbaren,  nachgeahmten,  und 
der  Papilioniden,  Pieriden,  Nymphaliden,  Satyriden,  welche  die  nach- 
ahmenden sein  sollen.  h^ 
'  Bei  den  Schwalbenschwänzen  beschrieb  ich''),  und  zwar  bei  Papüio 
Machaon,  die  Entstehung  und  das  Fortschreiten  solcher  Querstreifung  durch 
Schwarzfärbung  der  Adern  und  die  vollkommene  Ausbildung  derselben 
bei  P.  Xuthus  und  Xuthulus,  wo  auch  eine  schon  bei  Machaon  vorbe- 
reitetete  entsprechende  Streifung  der  Mittelzelle  der  Vorderflügel  zur 
Vollendung  gekommen  ist.  Abgesehen  von  dieser  letzteren  Eigenschaft, 
welche  den  Eindruck  der  Querstreifung  nur  noch  erhöht,  stellt  Papüio 
Xuthns  (Abb.  ii4,  115)  schon  den  Typus  dar,  nach  welchem  die  ähnlichen 
Falter  der  übrigen  genannten  Familien  gezeichnet  sind.  Ich  nenne  diese 
Zeichnung  daher  den 


1)  Staüd.  Taf.  44.         2,  st.  Taf.  92.        3;  Ebenda.        *)  St.  Taf.  44.        5)  St.  Taf.  44. 
^)  in  »Artbildune  und  Verwandtschaft  bei  den  schwalbenschwanzartigen  Schmet- 


terlingen«. 


Xuthus -Typus. 


169 


8)  Xuthus-Typus. 

Xuthus  und  \uthulus  leben  im  Amurgebiete,  Xuthus  auch  in  Japan 
Der  entsprechend  gezeichnete  P.  Xenocles^)  (Abb.  121)  lebt  jenseits  des 
Himalaja  Sikkim  —  von  Mimicry  zwischen '  beiden  kann  also  keine 
Rede  sein,  sondern  nur  von  unabhängiger  Entwickelungsgleichheit. 


Abb.  114.     Pnpilio  Xuthus  L.    Oberseite. 


Abb.  115.    Papilio  Xuthus  L.    Unterseite. 


Unter  den  Pieriden  gehört  hierher,  in 
den  hellen  Großfleck-  oder  Leo7iidas -Ty^as 
übergehend,  Pieris  Agathon  (Abb.  116,  wo  die 
Unterseite  dem  ursprünglichen  Typus  mehr 
entspricht  als  die  Oberseite,  weil  ihre  Grund- 
farbe noch  weiß  (gelblich  angeflogen,  beim 
2  ganz  gelb),  die  der  Oberseite  grünlich  ist, 
beim   Q    dunkler. 

Meist  sind  die  Q  der  »nachahmenden« 
Falter  den  nachgeahmten  ähnlicher,  und  dies 
wurde  dadurch  zu  erklären  versucht,  daß  die 
$  schutzbedürftiger  seien.  Es  handelt  sich 
aber  in  solchen  Fällen  einfach  darum,  daß 
das  Q.  auf  tieferer  Stufe  der  Entwicke-        Abb.  iie.  Piens  Agathon  grax 


1)  Staud.  Taf.  .3. 


170  Dit^  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtiingen  der  Tagfalter. 

lung  stehen  gehlieben,  während  das  (J'  vorgeschritten  ist,  und 
dies  ist  überhaupt  der  gewöhnliche  Fall:  männliche  Präponderanz.  Bei 
Pieris  Agathon  aber  haben  wir  den  selteneren  Fall  der  weiblichen  Prä- 
ponderanz. 

Daß  es  sich  beim  AM//?MS-Typus  nicht  um  Mimicry  handeln  wird, 
beweisen  auch  die  Fälle,  wo  größere  Ähnlichkeit  von  Pieriden  mit  Da- 
naiden  auf  der  Unterseite  vorhanden  ist:  bei  Pieris  Eperia^)  z.  B.  ist 
nur  die  Unterseite  nach  dem  A?///n^s-Typus  gezeichnet,  die  Obersfeite  ist 
bis  auf  eine  schwarze  Flügeleckzeichnung  weiß.  Es  ist  also  auch  hier 
die  Oberseite  gegenüber  der  Unterseite  vorgeschritten.     * 

Gegen  Mimicry  spricht  ferner  die  Thatsache,  daß  gerade  bei  Pieriden 
der  Xw^/«<5-Typus  zuweilen  nur  auf  den  Vorderflügeln  (z.  B.  Piey^is 
Emma)'^)  oder  nur  auf  den  Hinterflügeln  (z.B.  P.  severina)^]  aus- 
gebildet ist,  während  bei  Emma  die  Hinterflügel  noch  dazu  auffallend 
gelb  gefärbt  sind. 

Endlich  spricht  gegen  Mimicry  die  Thatsache,  daß  manche  Pieriden 
mit  Xwi/ius-Zeichnung  ein  strahlend  rotes  Binnenfeld  [Deiias  Pijramus)^) 
oder  gelbe  Färbung  im  Binnenteil  des  oder  der  Flügel  haben:  bei  Da- 
naiden  kommt  Derartiges  nicht  vor. 

Bei  Deiias  Eucharis^],  wo  vorzüglich  die  Unterseite  wieder  den 
ausgesprochensten  Aw^äm« -Typus  zeigt,  sind  gar  die  Hinterflügel  innen 
gelb,  außen  mit  roter  Randbinde  versehen. 

Bei  Eronia  Valeria  ^]  ist  das  ^  Aw//ms-ähnlich,  hat  aber  in  der  Ecke 
der  Hinterflügel  der  Oberseite  gelbe  Färbung.  Das  (^  ist  fast  zur 
Einfarbigkeit  vorgeschritten ,  es  ist  unten  einfarbig  bläulichweiß ,  oben 
mit  schwarzer  Randbinde  und  Flügeleckzeichnung. 

Alle  diese  Fälle  führen  die  Annahme  von  Verkleidung  geradezu  ad 
absurdum! 

Unter  den  Nymphaliden  ist  Penthema  Lisarda,  ein  sehr  großer 
Falter,  A?/^/ms-ähnlich  gezeichnet^),  lebt  aber    in  Darjeeling. 

Unter  den  Satyriden  wäre  Orinoma  Damaris  mit  gelber  Grundfarbe 
zu  nennen,  welche  aber  schon  den  Beginn  der  Fleckzeichnung  zeigt, 
entstanden  durch  seitliche  Verschmelzung  der  Querstreifen.  Auf  den 
Vorderflügeln  ist  auch  Zethera  pimplea  Q  Xuthics -  ähnlich,  gezeichnet, 
hinten  tritt  Fächerzeichnung  auf  (vergl.  später).  Damaris  lebt  am  Hima- 
laja, in  Assam  und  Birma,  pimplea  auf  den  Philippinen. '') 

Ganz  anders  als  das  Q  ist,  wie  wir  schon  wissen,  das  q^  von  pimplea 
gezeichnet  (Abb.  68):  auf  beiden  Seiten  weit  vorgeschritten,  schwarz  mit 
breitem  weißem  Mittelfeld:  es  hat  die  größte  Ähnlichkeit  z.  B.  mit  Papilio 
Zenobia  cf  (Abb.  69)  aus  Afrika!  Bei  pimplea  handelt  es  sich  wieder, 
wie  auch  in  mehreren  der  vorgenannten  Fälle,  in  der  Zeichnung  und 
Färbung  des  einen  Geschlechts  gegenüber  dem  anderen  um  schönste 
Beispiele  für  Halmatogenesis. 

Die  nachgeahmt   sein    sollenden  Aw^/ms-ähnlichen   Danaiden  weisen 

1)  Staud.  Taf.  1 8.  2)  Ebenda.  3)  Ebenda.  *)  St.  Taf.  1 9.         5)  Ebenda. 

6;  St.  Taf.  21.         ^)  St.  Taf.  48.         §)  St.  Taf.  79. 


Xuthus- Typus. 


171 


zum  Teil  mehr  oder  weniger  schwarze  Fleckung  auf,  hervorgegangen 
aus  bei  Xuthus  noch  teilweise  oder  ganz  erhaltenen  Grundbinden.  Bei 
Hestia  Idea  (Abb.  117]  z.B.  sind  äußere,  bezw.  Randflecke  vorhanden, 
gebildet  aus  Binde  I,  II  und  III,  dann  aus  V/VI  und  VIII.  Dieselbe 
Entwickelungsrichtung  bei  gewissen  Papilioniden  erzeugt  wiederum  eine 
als  Mimicry  verwertete  Ähnlichkeit.  (Man  vergleiche  hierzu  z.  B.  Papilio 
idaeoides^]   von  den  Philippinen.) 

Der  von   E.  Haase'-)    als    mimetisch   mit   der   Danaide   Ideopsis  Daos 
(Abb.  120)  abgebildete  Papilio  Laodocus  s.  Delessertü  [Abb.  1 19)  ist  einer  der 
nächsten  Verwandten  des  schon  erwähnten  P.  Xenocles  (Abb.121),  nur  ist  die 
Randbinde  bei  ersterem  schon 
in  Flecke  aufgelöst   Heterepi-  //j 

stase).  Beide  haben  aber  im 
Gegensatz  zu  Ideopsis  Daos 
in  der  Mittelzelle  noch  eine 
größere  Anzahl  (bei  beiden 
fünf)  Grundbindenstücke, 
w^elche  nach  innen  mit  ge- 
färbten Adern  secundär  ver- 
schmolzen sind,  also  einen 
noch  ursprünglicheren  Zu- 
stand darstellen,  als  er  bei 
Xuthus  vorhanden  ist  (Heter- 
epistase).  Ob  die  Ähnlichkeit 
zwischen  Laodocus  und  Daos 
zur  Annahme  von  Mimicry 
genügen  würde,  erscheint 
besonders  nach  der  Abbil- 
dung der  letzteren  bei  Stau- 
DixGER  ^  sehr  zweifelhaft, 
denn  darnach  ist  Daos  eine 
spärlich  gezeichnete  Form, 
und  jedenfalls  ist  sie  nur 
gefleckt.  Laodocus  und 
Daos  kommen  auf  Sumatra 
vor.  Aber  es  giebt  andere 
Ideopsis-Arten  auf  den  Phi- 
lippinen, welche  im  allgemeinen  Aussehen  der  sumatranischen  Laodocus 
viel  ähnlicher  sehen  als  Daos,  so  z.  B.  Ideopsis  anapis  und  GlaphyraJ) 

Dagegen  lebt  die  diesen  philippinischen  Arten  gleichfalls  sehr  ähn- 
liche Satyride  Zethera  hestioides^)  auch  auf  den  Philippinen,  ob  aber  mit 
jenen  zusammen,  ist  mir  unbekannt. 

Ziemlich    ursprüngliche    Am^/h<s- Querstreifung,    aber    mit    teilweiser 

1)  Hewitson  Taf.  I  Fig.  2.  2    e.  Haase  Taf.  7  Fig.  43.  44.  3)  Staud.  Taf.  24. 

*}  Vgl.  G.  Semper  »Die  Schmetterlinge  der  philippinischen  Inseln«  I,  Taf.  2  Fig.  1 — 3. 
5)  G.  Semper  ebenda  Taf.  7  Fig.  M," Haase  Taf.  7  Fig.  43. 


Abb.  117.     Hestia  Idea  Ct. 


172  öie  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

rechtwinkliger  Verbindung  der  Grundbinden  besonders  in  den  Ecken  der 
Vorderllügel,  wodurch  eine  helle  Fleckung  entsteht,  hat  z.  B.  Danais  me- 
laneus  (Abb.  1 22),  dann  Papilio  Macareus,  dissimilis,  Xenocles,  sämtlich  aus 
dem  ostindischen  Gebiet,  und  Papilio  Leucadion  ')  von  den  Molukken.  Hier 
ist  Ähnlichkeit  vorhanden,  welche  im  allgemeinen  dem  Schutze  voll- 
kommen genügen  könnte,  aber  keiner  der  genannten  Papilio's  ist  hier  — 
in  demselben  Gebiet  —  der  Danaide  im  einzelnen  so  ähnlich,  wie  dies 
bei  weit  auseinanderlebenden ,  obschon  verschiedenen  Familien  zu- 
gehörenden Formen  wie  in  den  vorhin  genannten  Fällen  vorkommt; 
dagegen  haben  sie  unter  sich  größere  Ähnlichkeit  als  mit  der  nachge- 
ahmt sein  sollenden  Danaide. 

Sehr  ähnlich  Danais  melaneus  ist  dagegen  wieder  die  auf  den  nörd- 
lichen Molukken  lebende  Pieride  Eronia  Argolis  2?  während  der  Mann 
dieses  Falters  durch  breiten  schwarzen  Rand  und  grünlichweiße  Grund- 
farbe weiter  vorgeschritten  ist. 

Manche  Danaiden  behalten  die  Queraderzeichnung  und  weiße  oder 
weißliche  Grundfarbe  nur  auf  den  Vorderflügeln,  während  die  Hinter- 
jQügel  farbig  werden'^),  andere  verhalten  sich  umgekehrt.  Das  letztere 
ist  der  Fall  bei  der  D.  Hegesippus^)  genannten  Abart  von  D.  Plexippus, 
welche  mit  Ausnahme  der  cardui-arüs^en  Vorderflügeleckzeichnung  ganz 
braun  ist.  (Ähnliches  Verhältnis  zeigt  die  Alcippus  genannte  Abart  von 
Chrysippus.)  Bei  den  asiatischen  Hegesippus  und  Plexippus  ist  noch  schwarze 
Aderung  vorhanden.  Indem  diese  schwindet,  erscheinen  meist  einfarbig 
braune  Formen  mit  schwarzer  weißgefleckter  Randbinde  und  Flügeleckzeich- 
nung wie  :  Danais  Erippus  in  Amerika,  Chrystppus  (Abb.1  04)  in  Afrika,  Asien. 

Die  auffallendste  Ähnlichkeit  mit  einer  Danaide  in  diesem  Typus, 
nämlich  mit  Danais  Titya  (Sikkim),  mit  ihr  zusammenlebend,  zeigt  Papüio 
Agestor  in  Zeichnung,  Farbe  und  Flügelform,  insbesondere  auf  Grund  der- 
selben Verschiedenheit  der  Farbe  auf  Vorder- und  Hinterflügeln  ^),  so  daß 
man  hier  ganz  besonders  geneigt  sein  wird,  eine  Anpassung  oder  gar 
Nachahmung  anzunehmen.  Es  muß  aber  hervorgehoben  werden,  daß  es 
andere  Falter  mit  nicht  minder  großer  solcher  Ähnlichkeit,  auch  in  Ver- 
schiedenheit der  Farbe  auf  Vorder-  und  Hinterflügeln  giebt,  bei  welchen 
von  Mimicry  keine  Rede  sein  kann,  so  Limenitis  Zayla  (Abb.  66)  und  Adelpha 
Erotia  (Abb.  67). 

D.  Fächer -Zeiclmung. 
9)  Lyra-Typus. 

Wenn  die  Aderung  auf  den  Hinterflügeln  breit  schwarz  gefärbt  und 
regelmäßiger  nach  außen  und  hinten  gerichtet  ist,  statt  wenigstens  im 
vorderen  Teil  mehr  quer  zu  stehen,  entsteht  eine  fächerartige  Zeichnung. 
Der  Eindruck  derselben  wird  verstärkt,  w^enn  im  Zwischenfelde  zwischen 
je  zwei  Adern  abermals   ein    schwarzer,  bezw.  dunkler  Streifen  auftritt, 

1)  Staüdinger  Taf.  i  3.  2)  Danais   Titya  St.  Taf.  25.  ^)  Ebenda. 

4)  E.  Haase  Taf.  YII  Fig.  46  und  47. 


Fächerzeichnung'  (Lyra-Typus).  173 

und  besonders  wenn  in  der  Mittelzelle  eine  der  Länge  derselben  gleich- 
laufende Streifung  entsteht,  wie  sie  bei  Xuthus  in  der  Mittelzelle  der 
Vorderüügel  vorhanden  ist.  Auf  dieselbe  Weise,  wobei  wieder  die 
Streifung  der  Mittelzelle  eine  Rolle  spielt,  kann  Fächerzeichnung  auch 
auf  den  Vorderflügel  gebildet  werden.  In  beiden  Fällen  müssen  aber  diese 
Streifen  der  Mittelzellen  entweder  in  die  schwarzen  Adern  oder  in  die 
schwarzen  Zwischenstreifen  übergehen,  damit  Fächerzeichnung,  d.  i.  der 
Eindruck  einer  Streifung  entstehe,  welche  vorn  wie  hinten  von  der  Flügel- 
wurzel mehr  oder  weniger  regelmäßig  auseinander  tretend  nach  vorne, 
bezw.  hinten  und  außen  geht. 

Indessen  kann  auf  Grund  des  Auftretens  jener  Zwischenstreifen  im 
Zusammenhang  mit  Fächerform  der  Flügel  auch  ohne  die  Streifung  der 
Mittelzelle  und  bei  stark  dunkelm  Binnenfelde  Fächerzeichnung  entstehen. 
So  z.  B.  bei  Lyrapteryx  ApoUonia  und  lijrck^  und  Melhonetia  CaecUia 
(Abb.  1  1 8)  unter  den  Eryciniden. 

Der  Beginn  jener  Fächerstreifung  auf 
Grund  des  Verhaltens  der  Mittelzelle  ist 
noch  nicht  bei  Xuthus,  wohl  aber  bei  man- 
chen anderen  Papilioniden,  wie  z.  B.  bei 
Pap.  Gigon^),  dann  bei  Aristolochienfaltern 
zu  sehen,  z.  B.  bei  dem  Q  von  P.  Dei- 
phontes  ^) ,  während  beim  (^  nur  außen 
Fächerzeichnung  vorhanden  ist,  Binnen- 
und  Mittelfeld  aber  einfarbig  schwarz  ge- 
worden   sind.  Alh.  118.    Methonella  Caecilia  Gram. 

Eine  zweite  Art  der  mit  durch  Zeich- 
nung der  Mittelzelle  der  Vorderflügel  bedingten  Fächerzeichnung  entsteht 
dadurch,  daß  die  Grundbinden  nicht  mehr  quer  über  dieselben  weglaufen, 
sondern  sich  schräg  nach   außen   richten  und  je  in  die  Adern  sich  fort- 
setzen, wie  dies  bei  P.  Xenodes  (Abb.  121)  schon  beschrieben  worden  ist. 

Besonders  hervorzuheben  ist  mit  Beziehung  auf  das  auch  sonst  so 
weit  verbreitete  Verhalten  der  Zeichnung,  daß  diese  und  ihre  Umbildung 
im  Bereich  der  Mittelzelle  bei  Xenodes  mit  dem  Verhalten  der  Aderung 
gar  nichts  zu  thun  hat. 

Wie  diese  merkwürdige  Entwickelungsrichtung  der  Fächerstreifung  in 
ihren  Anfängen,  aber  schon  ausgesprochen  zum  Ausdruck  kommen  kann, 
zeigen  mir  die  Abänderungen  an  zahlreichen  Stücken  von  Danais  melanrus 
(Abb.  122,  12t),  welche  ich  aus  Java  der  Güte  des  Herrn  Forstmeister 
Seubert  verdanke. 

Einzelne  Falter  werden  dunkler  dadurch,  daß  die  Aderung  breiter 
schwarz  wird  und  daß  sie  im  äußeren  Teil  der  Vorderflügel  teilweise 
zusammenfließt,  wodurch  eine  helle  Fleckung  entsteht.  —  Schon  die 
hellsten  haben  in  der  Vorder-  und  in  der  Hintermittelzelle  und  in  der 
hinter    der    ersteren    gelegenen    Zelle    einen    der   Länge    derselben    nach 


1;   Staüd.  Taf.  89.         2j  St.  Taf.  4.         3)  St.  Taf.  5. 


174  Die  hauptsächlichslen  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 


I      n 


Abb.  119.     Papilio  Laodocns  Dehaan.  Q. 


Abb.  121.    Papilio  Xenocles  Dodbl. 


Abb.  120.     Ideopsis  Daos  Bolsd.  Q,. 


Abb.  122.     Danais  melaneus  Cram. 


Abb.  12H.    Danais  melaneus  Cham. 


Die  Entstehung  allgemeiner  Fieckzeichnung.  175 

verlaufeaden  Streifen  (+  in  den  Abb.),  die  dunkleren  in  den  letzteren 
deren  zwei.  Zugleich  entstehen  im  Binnenraum  von  gewöhnlichen 
Flügelzellen  einzelne  ebenso  breite  Zwischenstreifen.  Dadurch  wird  die 
Streifung  im  mittleren  Teil  der  Flügel  fächerförmig  —  außen  ist  sie  es 
auch  hinten  nicht,  weil  der  Rand  überall  gefleckt  ist. 

Bei  den  Bestien  (vergl.  Abb.  1 1 7)  ist  die  unvollkommene  Ausführung 
dieser  Entwickelungsrichtung  klar  zu  überblicken. 

Die  Thatsache  des  Vorkommens  dieser  Fächerzeichnung  auf  Grund 
derselben  Umbildung  bei  den  verschiedensten  Familien  ohne  unmittelbar 
verwandtschaftlichen  Zusammenhang  der  betreffenden  Formen  und  ohne 
daß  in  den  meisten  Fällen  von  irgendwelcher  biologischen  Beziehung 
auch  nur  geredet  werden  kann,  endlich  bei  verschiedenster  Färbung  und 
Größe  der  Falter  ist  ein  sprechendes  Beispiel  für  Homoeogenesis  und 
gegen  die  Bedeutung  der  Zuchtwahl,  bezw.  Mimicry  bei  ähnlich  umge- 
bildeten Schmetterlingen:  die  die  Fächerzeichnung  bedingenden 
secundären  Streifen  liegen  auf  Falten,  welche  zuweilen  nach- 
weisbar der  Lage  ehemaliger  Tracheen  entsprechen. 

E.  Die  Eutstehnug  allgemeiuer  Fleckzeicliuuug 

geschieht  bei  den  Tagfaltern  auf  verschiedene  Weise,  entweder  durch 
Übrigbleiben  heller  Flecke  in  der  Grundfarbe,  indem  die  Gruudbinden 
oder  die  schwarzen  Striche  der  verschiedenen  Adern  quer  untereinander 
verschmelzen  oder  durch  Übrigbleiben  von  fleckartigen  Resten  der  Grund- 
binden. Überall  handelt  es  sich  um  bestimmte  Entwickelungsrichtungen, 
welche  vielfach  bei  verschiedenen  Gruppen  und  Familien  zur  Ähnlichkeit 
führen. 

A.    Entstehung  heller  Fleckzeichnung. 

Dieselbe  erscheint  im  weiten  Umfang  als  Randzeichnung  oder  als 
Zeichnung  des  äußeren  Teils  des  Außenfeldes  überhaupt  infolge  von 
nur  teilweiser  seitlicher  Verbindung  der  Binden  I  und  II  und  II  und  III. 

Unter  den  Papilioniden  kommt  sie  bei  den  höher  umgebildeten 
Segelfalter-ähnlichen  zuerst  auch  im  Bereich  der  Mittelzelle  der  Vorder- 
flügel durch  unvollkommene  Verschmelzung  der  dort  vorhandenen  Grund- 
bindenstücke zum  Ausdruck  und  weiterhin  infolge  von  Schwarzfärbung 
der  Adern  im  Bereiche  des  schmal  gewordenen  Mittelfeldes. ')  Alle  diese 
drei  Umbildungen  geben  z.  B.  P.  Agamemnon'^)  und  Verwandten  den 
Zeichnungscharakter. 

10)  Leonidas-  oder  heller  Grofsfleck-Typus. 

Auf  ähnliche  Weise  ist* auch  die  Zeichnung  von  P.  Leonidas^),  P. 
Demoleus ^],   P.  Leucadion^    u.  a.  entstanden. 

1)  Vergl.  meine  »Segelfalter«  Taf.  IV.  2j  Staud.  Taf.  6.  3;  St.  Taf.  6. 

4)  St.  Taf.  i  3.  ^5)  Ebenda. 


176 


Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 


P.  Leonidas  (Abb.  124)  hat  die  größte  Ähnlichkeit  mit  der  auf  dieselbe 
Weise  gebildeten  Danais  Limniace ') ;  ersterer  lebt  in  Afrika  und  ist  weit 
verbreitet,  Limniace  lebt  in  ganz  Ostasien,  auf  den  Philippinen  u.  s.  w..  aus 
Afrika  erhielt  sie  Staudinger  aus  der  Gegend  von  Sansibar  und  von  der 
Goldküste.     Sie  scheint  in  Afrika  nicht  häufig  zu  sein.     Die  gegenseitige 

Verbreitung  dieser  zwei  Falter  spricht  aber 
wiederum  gegen  Verkleidung  und  ebenso  die 
bezügliche  Häufigkeit  in  Afrika:  die  »nach- 
ahmende« Art  wäre  hier  die  viel  häufigere. 
Ob  beide  überhaupt  zusammen  vorkommen, 
wäre  erst  festzustellen,  weiter,  ob  sie  zu- 
sammen üiegen.  Aber  Bejahung  dieser  Fragen 
würde  immer  noch  nicht  für  Verkleidung 
entscheiden,  da  die  Art,  welche  als  die  nach- 
ahmende aufzufassen  wäre,  in  weiten  Gebieten 
wohnt,  in  denen  die  Danaide  nicht  vor- 
kommt 2).  In  Afrika  lebt  nämlich  keine  andere 
weiße  Danaide  als  Limniace.  Es  ist  also 
wieder  keine  Verkleidung  anzunehmen,  trotz 
der  großen  Ähnlichkeit  der  beiden  Falter. 

Ähnlich,  auf  Grund  derselben  Entwicke- 
lungsrichtung,  sind  sich  ferner  P.  Leucadion^) 
auf  den  Nord-Molukken  und  Danais  Cleona'^) 
auf  den  Molukken  und  Gelebes,  ferner  Danais  [Chitlira]  luzonensis^). 

Dieselbe  Entwickelungsrichtung  beginnt  bei  Pieris  Agalhon  vom  Hi- 
malaja (Abb.  116).  Pieris  Emma^)  hat  die  typische  Zeichnung,  wie  gesagt, 
nur  auf  den  Vorderflügeln,  hinten  ist  dieser  Falter  einfarbig  gelb.  Pno- 
neris  Thestylis  hat  sie  nur  noch  auf  der  Unterseite,  und  Pieris  Severina 
(Afrika)  nur  noch  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel  ausgesprochen  '^). 
Ferner  ist  entsprechend  gezeichnet  die  Pieride  Eronia  Valeria'^),  die  Satyride 
Orinoma  Dumaris,  aber  mit  gelber  Grundfarbe  ^),  die  Nymphalide  Heslina 
assimiiis^'^],  aber  hinten  mit  roten  Flecken. 


Abb.  124.    Papilio  Leonidas  F. 


11)  Midamus-Anomala-  oder  heller  Kleinfleck-Typus. 

Indem  die  hellen  Flecke  in  Folge  zunehmender  Verbreiterung  des 
Schwarz  der  Grundbinden,  bezw.  Adern  immer  kleiner  werden,  entstehen 
zuletzt  fast  einfarbig  dunkle  oder  weiterhin  auch  anders  gefärbte,  beson- 
ders   blauschillernde    Schmetterlinge    mit    weißen    kleinen    Flecken    als 


1)  Staüd.  Taf.  24. 

2)  R.  Trimen,  » South -African  butterflies«,  London  1889,  giebt  aus  Süd-Afrika  zwar 
Leonidas,  nicht  aber  Limniace  in  seinem  Verzeichnis  an. 

3)  Staüd.  Taf.  13.  4)  St.  Taf.  24.  &;  Semper  a.  a.  0.  Taf.  II. 

6)  Staud.  Taf.  18.  7)  St.  Taf.  20.  «)  St.  Taf.  21.  9}  St.  Taf.  79. 

10)  St.  Taf.  47. 


Midamus-Anomala  oder  heller  Kleinfleck-Typus.  177 

Resten  der  hellen  Grundzeichnung,  wie  z.  B.  manche  Euploeen  unter  den 
Danaiden,  so  Euploea  Midamus  u.  aJ).  Die  Flecke  sind,  so  spär- 
lich sie  sein  mögen,  nicht  unregelmäßig  gelagert,  sondern  sie  erscheinen, 
besonders  auf  den  Vorderflügeln,  in  bestimmter  Anordnung  als  Reste 
der  Zwischenräume  zwischen  bestimmten  ursprünglichen  Grundbinden, 
besonders  I— II,  II— III,  III— IV,  auch  V/VI,  VII— VIII  (vgl.  z.  B.  Euploea 
Midamus  [Abb.  1251). 

Es  giebt  nun  zahlreiche  Falter  aus  anderen  Familien,  welche  diesen 
Danaiden  sehr  ähnlich  sind.  E.  Haase  hat  auf  seiner  Taf.  VIII  eine 
Anzahl  als  mimetische  abgebildet.  Ich  nenne  unter  den  Nymphaliden: 
Stibockiona  nicea'^)  (Nord-Indien,  besonders  Sikkimj,  Hypolimnas  alimena^) 
(Molukken,  Australien),  anomala^)  (Sunda-Inseln,  Philippinen),  unter  den 
Satyrideu:  Elymnias  beza^]  (Philippinen),  Me- 
lanitis  Malelas  =  Elymnias  M.  ^)  (Ostindien).  ABC 
Dann  giebt  es  zahlreiche  ähnliche  Papilio- 
niden,  wie  Pap.  paradoxa  (Borneo,  Java),  P. 
Caunus  (Malakka,  Borneo),  P.  Telearchus 
(Himalaja)  u.  a. 

Fast  alle  diese  Falter  haben  den  blauen 
Schiller  der  Euploeen  auf  der  Oberseite.  Fast 
alle  fliegen  im  feuchtvvarmen  Gebiete  des 
indischen  Oceans.  Dort  im  Urwald  scheint 
die  ursprüngliche  Heimat  aller  dieser  Falter 
gesucht  w^erden  zu  müssen,  und  es  dürften 
äußere,  klimatische  Ursachen  gewesen  sein, 
welche  dieselbe  bedingt  haben.  Dafür  spre- 
chen weitere  Thatsachen  :  Herr  L.  Martin^)  Abt.  12:-..  Etipioca  siidamus  l.  c  _ 
hebt    die    meist    dunkelblaue     oder    violette 

Färbung  aller  auf  Sumatra  im  wirklichen  Urwald  fliegenden  Tagfalter 
hervor,  im  Gegensatz  zu  der  von  0.  Monike^)  bedauerten  Abwesenheit 
oder  Spärlichkeit  blauer  Blüten  in  den  ewig  grünen  Wäldern  des 
Archipels.  >Mir  scheinen«,  sagt  er,  »die  geflügelten  Bewohner  derselben, 
die  Lepidopteren,  mit  ihrer  so  auffälligen,  allein  dem  Walde  angehörenden 
Färbung  berufen,  gut  zu  machen,  was  Flora's  Kinder  durch  ihre  Einsei- 
tigkeit verschulden.  Selbst  die  Lycaeniden  .  .  .  erglänzen  in  tieferem 
Blau,  wenn  sie  Waldbewohner  geworden  sind.  Beweis  dafür  die  der 
Lycaena  (Lampides)  elpis  so  ähnliche,  nur  tieferes  und  metallisches  Blau 
zeigende  Lycaena  (Lampides)  pseudelpis  und  zahlreiche  Narathura-  und 
Amölypodia-Arten. « 

»Die   einzige    im    tiefen   Walde    vorkommende   Mycalesis:    M.    orseis 


1)  Staud.  Taf.  25,  26.  2>  St.  Taf.  45.  3i  St.  Taf.  46.  ^]  St.  Taf.  47. 

5)  St.  Taf.  86.  6    Hewitson  Bd.  IV  Taf.  36. 

~;  L.  Martin:  »Lepidopterologisches  aus  Sumatra«.  Berliner  Entom.  Zeitschr. 
35.  Bd.   1890.    S.  i  fif. 

8  0.  MoNiKE,  »Bilder  aus  dem  Tier-  und  Pflanzenleben  der  Malayenländer«.  Münster, 
1883. 

Eimer,  Ortliogenesis.  .|  2 


178  I^'G  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

zeigt  einen  tiefblauen  Schimmer  auf  ihren  schwarzbraunen  Flügeln  .  .  . 
Die  so  gemeinen  3Ielanitis-Arten  werden  im  Walde  durch  ein  nahe  ver- 
wandtes Tier  von  gleicher  Größe:  Coelites  epiminihia  vertreten,  das  bei 
gleichen  Gewohnheiten  und  gleichem  Augenschmuck  auf  der  Unterseite 
der  Flügel  auf  deren  Oberseite  im  tiefsten  Violett  erglänzt.  Papilio  erebus 
aus  der  A^occ-Gruppe,  welcher  ausschließlich  im  Walde  fliegt,  zeichnet 
sich  durch  ein  herrliches  tiefes  Stahlblau  aus.  Alle  Thaumantis-Arten,  die 
so  zahlreichen  im  Walde  fliegenden  Euthalias  und  Ta7iaecias,  die  eben- 
falls den  hohen  Busch  liebenden  Termos -Arten,  sowie  die  nur  den 
Schatten  bewohnenden  Elymnias ,  die  (^  vom  Symphaedra,  Discophora 
und  Zeuxidia,  alle  zeigen  blaue  Farben,  die  einen  tief  metallische  Töne, 
die  anderen   violetten,  sammetartigen  Glanz.« 

Viele  Tagfalter  sind  dort  eigentlich  Dämmerungs-  oder  Nachtfalter: 
so  alle  Melanitis,  welche  tagsüber  versteckt  sind  und  nur  in  der  Morgen- 
und  Abenddämmerung  fliegen.  Dann  Amathusia  Phidipptis ,  die  Thaii- 
manti s- Ar len ,  Discophora  Gelinde,  welch'  letztere,  Amath.  Phidippus  und 
Melanitis  Ismene  und  Leda  Martin  oft  an  den  Lampen  des  Nachts  fing. 
Zu  ausgesprochenen  Nachttieren  aber  sind  auf  Sumatra  die  großen 
Hesperiden  geworden,  vor  allem  Casyapa  (Erionota)  Thrax  und  Carystus 
(Hidari)  Irava.  —  Der  Bambus  besitzt  eine  ganz  eigene  Schmetterlingsfauna, 
deren  Angehörige  sich  durch  prächtige  Farben  auszeichnen:  die  dunkeln 
Lethe  Europa  und  Mekara,  Discophora  Gelinde,    die  herrlichen  Zeuxidia  i'. 

Es  giebt  Ageronien,  in  Süd-Amerika,  also  weit  vom  Wohnort  der 
Euploeen  entfernt  lebend,  welche  nach  dem  Typus  derselben  gefärbt 
und  gezeichnet  sind:  Ageronia  Velutina  und  A.  Arete^).  Die  letztere, 
welcher  wieder  die  von  uns  abgebildete  (Abb.  178)  A.  Arinome  ähnlich  ist, 
hat  auch  dadurch  eine  große  Ähnlichkeit  mit  Euploeen,  daß  sie  eine  helle 
und  zwar  eine  gelbliche  Schrägbinde  besitzt  wie  Euploea  Rhadamanthus. 
bei  welcher  die  Schrägbinde  wie  bei  A.  Arete  ziemlich  die  Mitte  des 
Vorderflügels  durchquert,  aber  nicht,  wie  dort,  vollständig  ist:  die  Da- 
naide wäre  es,  von  welcher  man  vermuten  könnte,  daß  sie  in  dieser 
Beziehung  erst  im  Anfang  einer  Nachahmung  der  Nymphalide  sich  be- 
fände, um  so  mehr,  als  die  Schrägbinde  in  beiden  Fällen  in  derselben 
Weise  wie  auf  der  Oberseite  auch  auf  der  Unterseite  ausgebildet  ist. 

Würden  diese  beiden  Arten  zusammenleben,  so  wäre  nach  anderen 
Beziehungen  für  »Mimetiker«  ein  schönes  Beispiel  unvollkommener  Nach- 
ahmung der  Danaide  von  Seiten  der  Nymphalide  gegeben,  denn  die  hellen 

ij  iJber  Miinicry  auf  Sumatra  sagt  Herr  Martin: 

Danais  chrysippus  wird  täuschend  nachgeahmt  durch  die  g  (!y  von  HypoUmnns 
Misippus. 

Ein  Geschlecht  am  Tage  fliegender  Spinner  ahmt  Danaiden  und  Pieriden  nach, 
auch  im  Fluge,  so  Ideopsis.  Euploea,   Terias,  Catopsilia. 

Die  meisten  Nachahmer  findet  Euploea  midamus  durch  einen  Papilio,  g(!;  von 
Hypolimnas  anomala,  einen   Elymnias  und  einen  Euripus. 

Die  Nachahmer  sind  alle  mehr  oder  weniger  seltener  als  die  gemeine  Euploea 
Midamus.  Ȇb  hier  der  Grund  der  Mimicry  zu  suchen  ist  oder  weit  ab  auf  ganz  an- 
derer Grundlage,  ist  noch  nicht  entschieden.«  -)  Staud.  Taf.  44. 


Midamus-Anomala-  oder  heller  Klemfleck-Typus.     Pardalis-Typus.  179 

Flecke  sind  bei  letzterer  noch  zahlreicher,  dagegen  aber  nicht  weiß, 
sondern  bläulich  —  alles  Widersprüche  zur  Verkleidungsauslese,  welche 
sich  eben  nur  durch  Homoeogenesis,  bezw.  Heterhodogenesis  und  Heter- 
epistase  erklären  lassen. 

Eine  Ironie  auf  die  ohne  jegliche  Beobachtung  und  Kenntnis  der 
biologischen  Beziehungen  der  ähnlichen  Arten  so  vielfach  und  besonders 
skrupellos  von  Seiten  des  Herrn  Erich  Haase  angenommene  Mimicry  bietet 
für  die  Euploeen  die  Thatsache,  daß  hier  einige  Arten  der  nachahmen 
sollenden  Falter  auf  der  Unterseite  Euploeen-ähnlicher  sind 
als  auf  der  Oberseite,  so  Stibochiona  nicea  und  besonders  Hypo- 
liinnas  alimena,  welche  oben  Van  es  sa-ahu\ich  ist,  mit  blauem  Mittelfelde, 
während  St.  nicea  oben  vorn  und  hinten  eine  blaue  Randbinde  hat. 


Solche  helle  Kleinfleckzeichnung  in  dunkler  Grundfarbe  wie  bei 
den  genannten  Faltern,  wenn  auch  meist  ohne  den  blauen  Schiller,  findet 
sich  nun  noch  bei  vielen  anderen  Faltern,  besonders  der  Familie  der 
Eryciniden  und  Lycaeniden,  ferner  der  Hesperiden.  Sie  bieten  eine 
ausgesprochene  Enlwickelungsrichtung  mit  weißer  oder  gelber  Grund- 
farbe, namentlich  auf  den  Vorderflügeln  mancher  helikoniden-ähnlichen 
Danaiden  [Tithorea^]^  Callithomia  Hesia'^),  auch  bei  Ilhomia).  Es  ist  hier 
wieder  dieselbe  Anordnung  der  Flecke  vorhanden  wie  bei  Euploeen  und 
den  erwähnten  Euploeen-ähnlichen  Nymphaliden. 


Es  giebt,  wie  beschrieben,  unter  den  Danaiden  auch  Falter  mit  brauner 
Grundfarbe  und  weißen  Flecken,  mit  schwarzem  Randsaum  und  schwarzen 
Flecken:  Danais  Plexaure^)^  sich  anschließend  an  die  Chrysippus  ; zunächst 
an  Erippus)  —  auch  hier  auf  Grund  von  Resten  der  ursprünglichen  weißen 
Grundfarbe  gebildet.  Etwas  ganz  Ähnliches  wiederholt  sich  z.  B.  bei  der 
Erycinide  Stalachtis  Phlegia*),  in  welcher  Gattung  außer  der  Hellfleckung 
auch  Eckbindenzeichnung,  Fächerzeichnung  und  helikoniden-ähnliche 
Querzeichnung  bei  entsprechender  Flügelform  vertreten  ist^). 

Weißgefleckt  auf  Grund  von  Aussparung  von  Grundfarbe  zwischen 
den  Binden  ist  in  hervorragendem  Maße  auch  der  später  zu  behandelnde 
Papilio  Antenor  von  Madagaskar  und  zwar  off"enbar  ganz  selbständig  in  dieser 
Weise  entwickelt. 

12)  Pardalis-Typus. 

Es  giebt  weiß-  oder  hellgefleckte  Falter,  deren  Flecke  in  Querreihen 
oder  in  Schrägreihen  stehen,  Ausdruck  einer  Querzeichnung  überhaupt, 
welche  mehr  oder  weniger  ausgesprochen  mit  der  Flügelform  in  Zusam- 
menhang steht,  bezw.  eine  Folge    derselben  ist,    wie  Querzeichnung  der 

1)  Staud.  Taf.  30.  2)  Ebenda  Taf.  27.  3j  Ebenda  Taf.  24.  4    Ebenda 

Taf.  93.  5)  Ebenda. 

12* 


180  Diö  hauptsächlichsten  Eiitwickelungsrichtungcn  der  Tagfalter. 

Hellkoniden  und  helikoniden-ähnlichen  Falter,  worüber  später  gesprochen 
werden  soll:  es  handelt  sich,  wie  dort,  so  auch  hier  meist  um  seitlich 
ausgezogene  Flügel. 

Es  gehören  hierher  südamerikanische  Falter  aus  der  Gattung 
Myscelia  unter  den  Nymphaliden,  deren  Arten  zum  Teil  hinten  querge- 
streift, vorne  quergefleckt  sind  (weiß  meist  m  Blau  (^,  weiß  in  Braun 
Q)^),  dann  unter  derselben  Familie  desgleichen  Catonephele  Acontius  Q 
(Abb,  126),  ferner  C.  Nyctimus  Q,  wie  die  vorige  gelb  in  Schwarz  ge- 
fleckt, nur  kleiner. 

Diese  gell)gefleckten  Catonephele  aus  Südamerika  sind  pseudomime- 
tisch  mit  Symphaedra  canescens   Q   und  S.  pardalis'^)  aus  Indien. 

Merkwürdig  ist  bei  Symphaedra  canescens 
und  Catonephele  Acontius  der  Geschlechts- 
dimorphismus :  nur  die  Weibchen  sind  quer- 
gefleckt, das  Männchen  von  C.  Acontius  steht 
in  der  Zeichnung  der  Oberseite  nahe  dem 
Bolina-Typus,  welcher  bei  den  Verwandten  C. 
Numilia  (^  in  derselben  Ockerfarbe  wie  bei  ihr 
ausgesprochen  ist.  Symphaedra  canescens  (^  ist 
oben  einfarbig  bis  auf  ein  teils  grünes,  teils 
blaues  Band. 

Wie    die    genannten    Falter   infolge    allge- 
meiner Querzeichnung  quergefleckt  sind,  so  ist 
die  dreireihige  Längsfleckung  des  Außenrandes 
.vv  ,o,.  r,  i      iT  A     4-    T   r,   der    Morphide    Discophora    Tullia^]    Folge    von 

ADD.  12(i.  Catonfphclc  Acontius  L.  ^.  ^^  '  ^  o 

Umbildung   der    Zwischenräume    zwischen   ur- 
sprünglichen Längsbinden  (I  und  II,   II  und  III,  III  und  IV). 

In  derselben  Weise  kommen  nun  auch  bei  anderen  und  zwar  bei  sehr 
verschiedenen  Arten  Fleckreihen  am  Außenrande  vor,  bei  anderen  wieder 
in  der  Flügelmitte  [Euploea  Plateni)^)  oder  nur  auf  den  Vorderflügeln  u.  s.  w. : 
überall  erkennbar  als  Reste  der  ursprünglichen  Grundbandzeichnung 
und  überall  könnte  man  aus  z.  T.  weit  entfernten  Familien  je  nach  der 
Grundfarbe  auch  hier  Beispiele  für  Pseudo-Mimicry  anführen. 

B.    Entstehung    schwarzer    Fleckzeichnung. 

Dieselbe  ist  Folge  der  Auflösung  der  Binden  und  zwar  der  ursprüng- 
lichen Grundbinden  in  Flecke,  insbesondere  gehören  hierher: 


13)  Hestia-  und  Paphia-Typus. 

Unter  den  Danaiden  haben  wir  dies  bei  den  weißen  Bestien  (Abb.  127) 
bei  Ideopsis  Daos  und  Papilio  Laodocus  {Delessertii)^  welch'  letzterer  von 
E.    Haäse    wegen    der    aus     dieser    Entwickelungsrichtung    entstandenen 


1)  Staüd.  Taf.  4-1.         2    Ebenda  Taf.  54.        3)  Ebenda  Taf.  63.        4)  Ebenda  Taf.  26. 


Hestia-  und  Paphia-Typus. 


181 


Ähnlichkeit  auf  seiner  Tafel  VII  ebenso  wie  die  Satyride  Zethera  Hestioi- 
cles  als  mimetisch  mit  Ideopsis  abgebildet  worden  ist. 

Die  Zeichnung  vieler  Argynnis-  und  einiger  verwandten  Melitaea- 
Arten  beruht  auf  demselben  Umbildungsvorgang:  man  kann  auf  das 
Schönste  meist  die  Lage  der  ursprünglichen  Grundbinden  an  der  An- 
ordnung der  Flecke  noch  deutlich  erkeijnen. 

Auch  bei  den  AcraeidenM    ist  schwarze  Fleckung  häufig,  besonders 
auf  den  Hinterflügeln,    welche,  wie   einzelne  Arten   zeigen,    offenbar  auf 
die  Grundzeichnung  zurück- 
zuführen ist. 

Acraea  Egina  mit  grauem 
vorderem  Teil  der  Vorder- 
flügel hat  auf  Grund  von 
ausgesprochener  Heterhodo- 
genesis  Ähnlichkeit  mit  Papilio 
Ridleyanus'^)^  und  soll  dieser 
als  Schutzbedürftiger  in 
Folge  von  Zuchtwahl  ähnlich 
geworden  sein,  ebenso  die 
ähnlich  gefärbte  Nymphalide 
Pseudacraea  Boisduvaln^). 

Auch  letztere  Ähnlichkeit 
beruht  auf  Heterhodogenesis. 
Die  Acraeen  sollen  un- 
genießbar sein.  Alle  haben 
ihre  Heimat  in  Afrika  oder 
Südamerika,  nur  einzelne 
kommen  im  indischen  Ge- 
biete vor. 

Eine  sehr  ausgesprochene, 
auf  Grund  derselben  Ent- 
wickelungsrichtung  entstan- 
dene Schwarzfleckung  zeigt 
die  Nymphalide  Newosigma 
Siva"^).  Manche  Nymphaliden, 

wie  Callithea  s),  sind  nur  auf  der  Unterseite  schwarz  gefleckt.    Die  Reihen 
der  Flecke  zeigen  die  ursprünglichen  Grundbinden. 

Auch  viele  Eryciniden  und  Lycaeniden  zeigen  auf  der  Ober-  oder 
auf  der  Unterseite  eine  Schwarzfleckung,  welche  deutlich  auf  Auflösung 
von  Grundbinden  zurückzuführen  ist.  Selbst  bei  Hesperiden  kommt  sie 
noch  vor.  Bei  Pieriden  ist  sie  weit  verbreitet,  besonders  im  Bereich  des 
Randbindengebiets. 

Schwarzfleckung    tritt    auch,    insbesondere    auf    den    Vorderflügeln, 


Abb.  127.     Hestia  Idea  Cl. 


1,  Stalp.  Taf.  33. 
5)  Ebenda  Taf.  43. 


2)  Ebenda  Taf.  6.         3)  Ebenda  Taf.  49.        4)  Ebenda  Taf.  32. 


182  Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

wiederum  bei  vielen  Helikoniern  und  ebenso  bei  heb'konier-ähnlichen 
Danaiden  auf,  infolge  derselben  Umbildung  ursprünglicher  Grundbinden. 

Die  allerverschiedensten  Familien  weisen  auch  in  dieser  Zeichnung 
Ähnlichkeiten  in  Folge  unabhängiger  Entwickelungsgleichheit,  Homoeo- 
genesis,  auf,  und  diese  Ähnlichkeit  besteht  auch  hier  bei  vielen  Arten, 
welche  durch  Größe,  Farbe  und  auch  durch  Flügelform  auf  den  ersten 
Blick  so  verschieden  sind,  daß  sie  nicht  entfernt  mit  einander  verwech- 
selt werden  können,  also  nicht  die  geringste  Handhabe  für  »Verkleidung« 
darbieten. 

Unter  den  schwarzgefleckten  Typen  sind  hauptsächlich  zwei  hervor- 
ragende zu  bezeichnen:  1)  der  weiße  f/esü'a-Typus,  2)  der  gelbrote 
Pap  hia^) -Typus. 


Danaiden  als  Nachahmer  oder  als  Beispiel  für  Homoeogenesis  ? 

Wir  haben  in  der  verhältnismäßig  kleinen  Familie  der  Danaiden 
unverhältnismäßig  viele  Zeichnungstypen  angetroffen.  Es  giebt  deren 
aber  noch  mehr.  Keine  Familie  der  Tagschmetterlinge  zeigt 
im  Verhältnis  zu  ihrer  Größe  so  viele  in  Farbe  und  Zeich- 
nung verschiedene  Untergruppen  von  Faltern. 

Wir  hatten:  1)  den  hellgefleckten  Leonidas-,  2)  den  schwarzgefleckten 
Hestia-Typus  —  in  beiden  Fällen  Falter,  welche  den  Eindruck  des  Weißen 
machen;  3)  den  braunen  Chrysippus-TYpus  mit  der  weißen  Schrägband- 
zeichnung; 4)  den  weiß-schwarzen  Maüms-Typus;  5)  den  blauschillern- 
den Midamus-Typus. 

Dazu  kommt  6)  der  Übergang  zur  Fächerzeichnung,  wie  wir  ihn  am 
Beispiel  von  Danais  melaneus  beschrieben  haben;  ferner  7)  ein  Typus, 
welcher  papilioniden-ähnlich  ist  durch  ein  Mittelfeld  ähnlich  den  Sarpedon 
( AnthedonJ-Daraxa  und  den  Thoas,  welches  nur  auf  den  Hinterflügeln  sich 
zum  Innenfeld  verbreitert:  Ideopsis  Chloris^),  auf  den  Nord-Molukken 
lebend.  Dieselbe  hat  namentlich  auch  durch  die  grünliche  Grundfarbe  Ähn- 
lichkeit mit  Papdio  LatreüJianus  in  Westafrika ;  beide  würden  sicher  als 
mimetisch  aufgefaßt,  wenn  sie  zusammen  lebten.  Ganz  einfarbig  weiß 
ist  8)  Euploea  Browni'^)  von  Neu-Mecklenburg  (Neu-Irland). 

Die  Euploeen  zeigen  außerdem  verschiedene  Typen  der  Zeichnung, 
wozu  man  die  Abbildungen  bei  Staudinger^)  vergleiche;  9)  E.  Usipetes 
hat  einen  weißen  Fleck  in  der  Mitte  der  Vorderflügel:  ^///a/^es- Typus- 
ähnlich; 10)  E.  Rhadamanthus  hat  ein  halbes  Schrägband,  entsprechend 
dem  Zwischenraum  zwischen  Binde  V — VII  oder  VIII  auf  den  Vorder- 
flügeln: Inachis-Dirce-ahnlich]  \\)  E.  laetifica  von  den  Philippinen  hat 
ein  helles  Schrägband  in  der  Vorderflügelecke  zwischen  Binde  II  und  III 


1)  Nach  Argynnis  Paphia.  2)  Staud.  Taf.  24.  3)  Ebenda  Taf.  25. 

4j  Taf.  26. 


Danaiden  als  Nachahmer  oder  als  Beispiele  für  Homoeogenesis?  183 

ähnlich  der  südamerikanischen  Nymphalide  Callicore  Candrena  —  eigent- 
h'ch  Vertretung  eines  Lae<//i''ca-Typus;  12)  E.  Eurypon  hat  ein  schwarzes 
Innenfeld,  breiten  weißen  Rand  und  schwarze  Vorderflügelecken.  Das 
Schwarz  hinter  letzteren  entspricht  einer  Schrägbinde  zwischen  II  und  IV. 
Dies  ist  eine  ganz  besondere  Entwickelungsrichtung.  1 3)  Dazu  kommt 
im  Anschluß  an  die  Formen  mit  brauner  Grundfarbe,  besonders  an 
D.  Erippus,  D.  Plexaure  mit  weißen  Flecken  auf  der  Flügelfläche. 

1 4)  Dann  Formen  wie  Titya  und  Hegesippus ,  welche  in  Fleckung, 
Aderstreifung  und  teilweiser  Neigung  zur  Einfarbigkeit  Übergänge  zwischen 
verschiedenen  Typen  herstellen,  hierher  auch  Euploea  Midanms  u.  a.,  welche 
auf  den  Hinterflügeln  Fächerzeichnung  haben  (Abb.    125). 

\  5)  Endlich  die  helikonier-ähnlichen  Danaiden,  welche  wiederum  die 
verschiedensten  Zeichnungstypen  aufweisen. 

Es  ist  sehr  bemerkenswert,  wie  gerade  die  kleine  Familie  der 
Danaiden  eine  solche  Fülle  von  Typen  zeigt,  daß  ihre  Gattungen  und  Arten 
in  Farbe  und  Zeichnung  untereinander  so  verschiedene  Formen  darbieten, 
als  ob  sie  den  verschiedensten  Familien  zugehörten  —  eine  Reichhaltig- 
keit in  der  Gestaltung,  wie  sie  sonst  in  so  engem  Rahmen  nirgends 
vorkommt.  Warum  dies?  Nach  den  Anforderungen  der  Verkleidunes- 
theorie  wäre  das  Gegenteil  zu  erwarten:  da  die  Danaiden  ungenießbar 
und  also  vor  Nachstellungen  geschützt  sein  sollen,  so  haben  sie  doch  diese 
verschiedene  Kleidung  nicht  notwendig.  Man  sollte  deshalb  erw^arten, 
daß  sie  vielmehr  alle  ähnlich  gezeichnet  und  gefärbt  wären.  Wie  die 
Dinge  liegen,  könnte  man,  wenn  man  von  Anpassung  ausgeht,  eher 
schließen,  daß  die  Danaiden  Glieder  anderer  Familien  nachahmen  als 
umgekehrt. 

Vielleicht  wird  uns  ein  echter  Selektionsheros  mit  der  »fiktiven« 
Vorstellung  überraschen:  die  Danaiden  hätten  selbst  ihr  verschiedenes 
Aussehen,  ihre  verschiedenen  Typen  nur  angenommen,  damit  Arten 
anderer  Familien  sie  nachahmen  können.  Nach  den  auf  diesem  Gebiete 
vorliegenden  Leistungen  ist  von  dieser  Seite  Alles  möglich  und  »be- 
weis «bereit. 

In  unseren  Augen  giebt  dagegen  diese  Verschiedenheit  der  Danaiden 
einen  hochwichtigen  Beweis  dafür  ab,  daß  andere  Ursachen  als  durch 
Zuchtwahl  entstandene  Verkleidung  die  Entstehung  der  Typen  bedingt 
haben  müssen. 

In  dieser  Beziehung  sind  die  Angaben  des  Herrn  Martix  über  die 
Blaufärbung  der  Falter  des  tropischen  Urwaldes  wertvoll.  Diese  Fär- 
bung besteht  ohne  jede  Anpassung  etwa  an  blaue  Blumen,  denn  das 
Fehlen  solcher  steht  in  geradezu  auffallendem  Gegensatz  zu  der  Farbe 
der  Falter.  Es  wird  also  wohl  das  feuchte  Klima  für  jene  Färbung  be- 
stimmend sein. 

Die  weißen  Hestia-Arlen  sind  Bewohner  der  Meeresküsten. 

Die  braunen  Chrysippus  leben,  wie  in  Ägypten,  wo  sie  so  gemein 
sind,  daß  sie  darin  unsere  Weißlinge  ersetzen,  im  freien  Lande. 

Leider    werden    von    den  Sammlern    überall    zu    wenig    biologische 


]  84  ßi''  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

Bemerkungen  gemacht;  genaue  Nachrichten  über  die  Örtlichkeit  des  Vor- 
kommens der  verschiedenen  Typen  der  Danaiden  werden  später  manchen 
Aufschluß    ül)er  die  Ursachen   der  Entstehung  derselben   geben   können. 

Daß  die  helikonier-ähnlichen  Danaiden  und  alle  anderen  entsprechend 
gefärbten  und  gezeichneten  Falter  Südamerikaner  sind,  spricht  gleichfalls 
für  den  Einfluß  des  Wohnortes .  und  selbst  ein  sonst  so  unbedingter 
Vertreter  der  Macht  der  Zuchtwahl  wie  A.  R.  Wallace  nimmt  hier  für 
die  Entstehung  der  Ähnlichkeit  der  Färbung  (schwarz,  rot,  gelb)  die 
klimatischen  Verhältnisse  in  Anspruch. 

Eine  auffallende  Ähnlichkeit  wiederum  zwischen  einer  angeblich 
geschützten  und  nicht  geschützten  Form,  insbesondere  auch  in  Beziehung 
auf  entsprechende  Verschiedenheit,  bezw.  Übereinstimmung  in  der  Farbe 
der  Hinter-  und  Vorderflügel,  bieten  Acraea  Egina^)^  Papilio  Ridleyanus'^) 
und  die  Nymphalide  Pseudacraea  Boisduvalii'^),  welche  E.  Haase  auf 
Tafel  IV  Fig.  26 — 28  als  mimetisch  abgebildet  hat.  Es  gilt  hier  dasselbe, 
was  ich  von  Limenitis  Zayla  und  Adelpha  Erotia,  sowie  von  Rhinopalpa 
Sabina  und  Palla  Decius   Q    gesagt  habe. 

Außerdem  muß  erst  festgestellt  werden,  ob  die  Acraeen  wirklich 
ungenießbar  sind  und  von  Vögeln  verschmäht  werden ;  ja  dies  muß 
für  jeden  einzelnen  Fall  auch  bezüglich  der  Danaiden  festgestellt  werden. 
Es  ist  nicht  nur  nicht  ausgemacht,  daß  die  nachgeahmt  werden  sollenden 
Danaiden  von  Vögeln  verschmäht  werden,  sondern  wir  werden  sehen, 
daß   gegenteilige  Beobachtungen  vorliegen 4). 

Endlich  ist  es,  wie  ich  vorweg  hier  bemerken  will,  unzweifelhaft, 
daß  die  Vögel  überhaupt  viel  zu  selten  Schmetterlinge  fangen,  als  daß 
dadurch  eine  Auslese  hervorgerufen  werden  könnte  ^j. 


F.  Die  Rieselung;,  eine  besondere  Eutwickelungsriclitung  der 

Zeichnung. 

14)  Caligo-Typus. 

Bei  der  Mauereidechse  beschrieb  ich  zuerst  eine  sehr  vorgeschrittene, 
besonders  bei  Männchen  der  am  vorgeschrittensten  gezeichneten  Abarten, 
und  zwar  vorzüglich  bei  alten  Männchen  vorkommende  Zeichnung,  w-elche 
dort  aus  der  Querstreifung  hervorgeht  und  welche  ich  als  netzförmige 
Zeichnung  bezeichnete,  wie  ich  denn  die  betreS"enden  Varietäten  rcticu- 
latae  nannte. 

Es  ist  sehr  merkwürdig,  daß  dieselbe  oder  eine  ihr  ähnliche  Zeich- 
nung, und  zwar  überall  nur  als  sehr  vorgeschrittene  und  nur  bei  den 
höchstentwickelten  Arten,  an  den  verschiedensten  Tieren  auftritt. 

Insbesondere  zeigt  sich  diese  Rieselung  im  Kleide  vieler  Vögel,  bildet 
z.  B.  eine  Zierde  an  der  Brust  und  den  Seiten  von  Schwimmvögeln,  wie 

1;  Stattd.  Taf.  33.  2)  Ebenda  Taf.  6.  3)  Ebenda  Taf.  49. 

4j  Man  vergl.  die  später  mitzuteilenden  Äußerungen  von  Herrn  Piepers. 

äj  Vergl.  später  u.  a.  auch  die  frühere  Ansicht  von  Herrn  August  Weismanx. 


Caligo-Typus. 


185 


Enten,  geht  hier,  z.  B.  bei  Anas  crecca  a.  a.,  auch  auf  den  Rücken  über. 
Auch  Eulen  haben  eine  entsprechende  Zeichnung.  Ferner  kommt  die- 
sel])e  als  hochentwickelte  Zeichnung  vor  bei  vielen  Mollusken,  wo  sie  häufig 
in  ein  eigenartiges  Dreieckmuster  übergeht,  nämlich  auf  den  Schalen 
von  Schnecken  und  Muscheln.  Bei  ersteren  findet  sich  die  Rieselung 
u.  a.  bei  Helix  adspej-sa.,  arbustoruiit.  Auch  bei  Raupen  kommt  sie  wie- 
derum als  höchste  und  letzte  Zeichnungsstufe  vor,  so  bei  Sphingiden- 
raupen,  wie  bei  Deilephila  vespertilioA) 

Es  ist  besonders  auffallend,  daß  diese  Rieselung  oder  Gitterzeich- 
nung auf  ganz  verschiedene  Weise  entsteht,  zumeist  als  Umbildung  von 
Streifen,  insbesondere  von  Querstreifung,  aber  auch  ganz  selbständig  in 
der  Grundfarbe.  Beides  kommt  bei  Schmetter- 
lingen vor.  Bei  Pieride n,  z.  B.  bei  Pieris- 
Arten,  entsteht  an  der  Unterseite  der  Hinter- 
flügel zuweilen  eine  grüne  Rieselung  aus 
Streifen;  bei  anderen  Pieriden  kommt  eine 
feinere  Rieselung  gleichfalls  auf  der  Unterseite 
der  Hinterflügel  vor,  ohne  mit  Streifung  etwas 
zu  thun  zu  haben,  oder  sie  verbreitet  sich 
auch  schon  auf  die  Unterseite  der  Vorder- 
flügel (vergl.  Ixias  Pirenassa^  Hebomoia  cele- 
bensis'^).  —  Jene  grüne,  aus  Streifung  ent- 
standene Rieselung  ist  moos artig  z.  B.  bei 
Midea  Scolymus  '^)  vorhanden,  weniger  ent- 
wickelt, noch  mehr  grobgitterartig  z.  B.  bei 
Pontia  Bella ^  etwas  feiner  bei  Änthocharis 
cardamines. 

Auch  bei  Nymphali  den  tritt  die  Riese- 
lung zuerst  auf  der  Unterseite  der  Hinter- 
flügel auf:  bei  Antigonis  Felderi*),  Myscelia 
cyaniris^]^   bei  Arten  der  Gattung  Prepoua^), 

auf  dem  Außenteil  der  Unterseite  von  Hinter-  und  Vorderflügeln  bei  Palla 
Decius'^).  Oft  findet  sich  die  Rieselung  auf  beiden  Flügeln  der  Unter- 
seite bei  Blattschmetterlingen,  z.B.  Anaea^);  bei  A.  cyanea^]  stellt  sie 
eine  förmliche  Tigerzeichnung  her. 

Auch  bei  Morphiden  kommt  sie  auf  der  Unterseite  vor^o).  Am 
ausgezeichnetsten  aber  ist  sie  bei  Brassoliden,  wo  sie  zuweilen  an- 
fängt, auch  auf  der  Oberseite  zu  erscheinen,  so  bei  Caligo  Rhoetus  und 
Livius^^).  Bei  diesen  Caligo  stellt  die  Rieselung  der  Unterseite  mit  zwei 
auf  den  Hinterflügeln  gebildeten  großen  Augenflecken  jene  Ähnlichkeit 
mit  einem  Eulenkopfe  her,  welche  man  als  durch  Zuchtwahl  entstandenes 
Schreckmittel  aufgefaßt  hat.     Bei  anderen  Brassoliden  tritt  die  Rieselung 


.r 


r-V- 


Abb.  128. 


Opsiphanes  Boisduvalii 
Brassolide. 


1)  Vgl.  A.  Weismann,  »Die  Zeichnung  der  Sphingidenraupen«  Taf.  III  Fig.  49  C. 

2)  Staud.  Taf.  22.  3)  St.  Taf.  23.  4,  St.  Taf.  43.  ö)  Ebda.  Taf.  41.  6)  Ebda. 
Taf.  56.  ')  Ebda.  Taf.  60.  8)  Ebda.  Taf.  61.  9)  Ebda.  Taf.  62.  'O  Ebda. 
Taf.  63.           "i  Ebda.  Taf.  74. 


1§6  Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

wiederum  zuerst  auf  den  Hinterflügeln  auf  und  scheint  bei  Opsiphanes 
Boisduvalii  hier  die  vorn  noch  vorhandene  Blaltzeichnung  verdrängt  zu 
haben  (Abb.  128).  Auch  bei  Eryciniden,  Lycaeniden,  Hesperiden 
kommt  Rieselung  auf  der  Unterseite  besonders  der  Hinterfliigel  vor.  Sehr 
häufig  ist  sie  endlich  bei  Satyriden  wiederum  unten  und  hinten  und 
auch  hier  vielfach  verbunden  mit  teilweiser  Blattähnlichkeit.  Bei  Elym- 
nius  Pheyen^)  hat  sie  sich  auch  auf  der  Oberseite  der  Hinterflügel  ausge- 
bildet.  Caerois  Chorineus  (Abb.  129)  ist  auf  der  ganzen  Unterseite  gerieselt. 

M 


V 


VA 


\ 


Abb,  129.     Caerois  Chorineus  F. 

Es  zeigt  diese  Zeichnung  also  eine  ganz  gesetzmäßige  Folge  der 
Entstehung:  von  hinten  nach  vorn  und  unten  nach  oben,  hier  wieder 
zuerst  hinten  auftretend  (postero-anteriore  und  infero-superiore  Umbildung). 

Eine  sehr  merkwürdige  Ausnahme  von  dieser  Regel  bietet  unter  den 
Papilioniden,  wo  sonst  die  Rieselzeichnung  noch  gar  nicht  vorkommt, 
Doritis  apolliims  dar.  Hier  tritt  sie  zuerst  am  kräftigsten  auf  der  Ober- 
seite, und  zwar  auf  den  Vorderflügeln  auf  und  kann  dann  auch  auf  den 
Hinterflügeln  erscheinen.  Bei  einem  dieser  Falter  aus  unserer  Sammlung: 
ab.  rubra  aus  Mesopotamien,  ist  auf  den  Hinterflügeln  gar  keine  Rieselung 
vorhanden,  ebenso  bei  einer  andern:  var.  Apollinaris  aus  Armenien, 
Gebirgsform,  während  bei  dem  gewöhnlichen  Armenier  auch  hinten  etwas 
Rieselung  auftritt,  bei  var.  bellarchus  von  Antiochien  aber  sehr  starke. 

Die  Rieselung  entsteht  hier  zwischen  den  Grundbinden  und  hat 
mit  denselben  nichts  zu  thun.  2) 


1)  Staud.  Taf.  86. 

-I  Man  vergleiche   hierzu   meine  Erwiderung   gegen   die  Ausstellungen  des  Herrn 
Erich   Haase   an   meiner    »Artbildung   und  Verwandtschaft   bei   den  Schmetterlingen« 


Ringförmige  Zeichnung  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel. 


187 


Gr.  Ringförmige  Zeichnimg  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel  und 
spitzwinkliges    Zusammentreten   der   Längsbinden  auf  letzteren  als 

Folge  der  Flügelform. 

Augenscheinlich  von  der  Flügelgestalt  abhängig  ist  noch  eine  andere 
Art  der  Zeichnung  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel  mancher  Falter : 
eine  Biegung  der  Längsstreifen,  welche  besonders  bei  den  zu  den  Nym- 
phaliden  gehörigen  Gattungen  Catagramma  und  Agrias  schließ- 
lich zur  Entstehung  einer  Anzahl  von  ineinander  gelagerten  Ringen  führt, 
deren  innerster,  kleinster,  bunte  Flecke  einschließen  kann. 


Atli.  130.     Agrias  Amydonius  Stdge. 

Es  beruht  diese  Umbildung  augenscheinlich  darauf,  daß  die  Hinterflügel 
sich  durch  Verbreiteruna;  und  Abrunduno  der  Basis  und  gleichzeitige 
starke  Rundung  insbesondere  auch  des  äußeren  Randes  fast  kreisrund 
gestalten.  Dadurch  werden  die  nach  innen  und  die  nach  außen  auf  den 
Hinterflügeln  gelegenen  Längsstreifen  einander  dergestalt  entgegenge- 
bogen, daß  sie  schließlich  concentrische  Kreise  bilden,  die  mehr  oder 
weniger  vollkommen  geschlossen  sein  können. 

Die  Gattungen  Agrias  und  Catagramma  und  Verwandte,  bei  welchen 
diese    Eigentümlichkeit    der  Zeichnung    vorkommt,    sind    hochentwickelte 


erster  Teil,  welche  ich  im  zweiten  Teil  desselben  Werkes  auf  S.  64  ff.  gegeben  habe. 
Herr  Haase  hatte  in  unbegreiflich  oberflächlicher  Weise  wegen  der  Rieselung  den 
Doritis  ApolUnus  als  »geradezu  überzeugenden  Beweis«  dafür  aufgeführt,  daß  die 
Zeichnung  der  Schmetterlinge  in  derselben  Gattung  verschieden  sein  könne  (was  ich 
übrigens  keineswegs  bestreite!)  und  daß  deshalb  eine  »Untersuchung  über  Verwandt- 
schaften«, welche  wie  die  meinige,  nur  die  Zeichnung  berücksichtigt,  »unmöglich  zu 
irgendwie  verwendbaren (!;  Resultaten  führen  könne«  —  denn  die  Zeichnung  von 
Doritis  Apollinus  sei  eine  ganz  andere  als  die  von  Parnassius.  Herr  Haase  hatte  also 
die  maßgebenden  Grundbinden  bei  Doritis.  welche  dieselben  sind  wie  die  bei 
Parnassius,  und  damit  die  Hauptzeichnung  des  Falters  —  übersehen! 


188 


Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 


Formen.  Dies  beweisen  für  mich  nicht  nur  die  meist  glänzenden  Farben 
der  Oberseite,  besonders  leuchtendes  Blau  und  Rot,  sondern  vor  allem 
ähnlich  glänzende  Farbe  der  Unterseite  der  Vorderflügel,  abgesehen  von 
der  Zeichnung.  Im  übrigen  hat  sich  die  Eigentümlichkeit  der  Zeichnung 
auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel  im  Zusammenhang  mit  der  Form- 
gestaltung derselben  off"enbar  bei  beiden  Gattungen  selbständig  ent- 
wickelt, da  dieselben  nicht  unmittelbar  verwandt  sind. 

Bei  den  Agrias  ist  die  ringförmige  Zeichnung  unter  den  bei  Stau- 
dinger abgebildeten  Faltern  am  meisten  ausgebildet  bei  Agrias  Amydo- 
nius  (5*  (Abb.  130):  schwarze  Ringstreifen  in  schwefelgelbem  Grunde, 
dazwischen  außen  ein  Halbring  von  blauen  Augenflecken  mit  weißen 
Kernen,  von  Schwarz  umrahmt.  Die  innere  schwarze  Umrahmung  ent- 
spricht Binde  111.  Darauf  folgt  nach  innen  Binde  IV,  einen  Ring,  bezw. 
eine  Schlinge  bildend  mit  IX,  während  III  eine  ähnliche  mit  einer  an- 
deren Binde  (wahrscheinlich  X)  herstellt.  Nach  innen  von  IV  folgt  V/Vl 
wahrscheinlich  mit  VllI  einen  Ring  bildend. 

A.  Sardanapalus  (^  und  Claudianus  (f  i)  lassen  die  Augen- 
flecke und  Binde  111  und  IV  noch  in  ursprünglicherem  Zustande 
erkennen.  Bei  A.  Narcissus  (^  und  A.  Beata  q^  macht  sich  eine 
andere    Entwickelungsrichtung,    nämlich   Auflösung,    zuerst    der   inneren 

{Narcissus),  dann  auch  der 
^Sv^,  äußeren  [Beata]  Streifen  in 
Flecke  geltend.  Nicht  ganz  die- 
selbe Entwickelungsrichtung 
wie  bei  Agrias  und  Verwandten 
haben  wir  bei  den  Catagramma 
und  Verwandten.  Hier  2)  spielen 
Binde  111  und  IV  mit  nach  ein- 
wärts von  letzterer  gelegenen 
Grundbinden  ebenfalls  eine  her- 
vorragende Rolle  als  Bildner  der 


'^^ 


Abb.  131. 
Callicorc  Astula  Gdee. 


Abb.  132. 
Perisama  Yaninka  Hew. 


Innersten  Ringe. 


Eigentümlich 


ist  aber,  daß  die  Augenflecke  von  III  in  den  innersten  Ring  oder  in 
zwei  getrennte  solche  Ringe  eingeschlossen  werden,  indem  dieselben 
sehr  weit  nach  einwärts  bis  in  die  Mitte  der  Flügel  rücken.  Vgl.  Dy- 
namine  Persis,  Caliicore  Ästala  (Abb.  131),  C.  Cdymena,  Catagramma 
Hesperis ,  C.  excelsissima  und  C.  Kolyma.  Bei  Perisama  Vaninka  sehen 
wir  den  Beginn  der  Umbildung   (Abb.  132). 

Auch  bei  den  mit  diesen  Arten  verwandten  Call ilhea- Arten  kommt 
Auflösung  der  Binden  in  Flecke  zu  stände,  während  andererseits  ganz 
nahe  verwandte  Arten  wiederum  noch  teilweise  sehr  ursprüngliche  Längs- 
streifung  auf  den  Hinterflügeln  haben  können. 

Anhangsweise    sei   hier   angeführt,    daß    merkwürdige    Ring-    bezw. 


1)  St.  Tat.  57. 


2)  St.  Taf.  42. 


Ringförmige  Zeichnung  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel. 


189 


>^^ 


IS"  ITj. 


Augenfleckzeichnungen  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel,  offen- 
bar ebenfalls  im  Zusammenhang  mit  abgerundeter  Form  derselben  auch 
bei  anderen  mit  den  vorigen  nicht  in  unmittelbarem  verwandtschaft- 
lichen Zusammenhange  stehenden  Xymphaliden  gebildet 
werden,  und  zwar  durch  dieselben  Mittel  wie  dort: 
man  vergleiche  Eunica  Sophonisbe  (^,  E.  Flora  (^, 
E.  Amelia  q^,  E.  Violetta  u.  a.  ^;,  während  diesen  nahe 
verwandte  wiederum  sehr  ursprüngliche  Verhältnisse, 
Längsstreifen  auf  den  Hinterllügeln,  zeigen. 

Dass  bei  langgestreckten  nach  hinten  zugespitz- 
ten Hinterllügeln  die  Zeichnung  durch  die  Flügelgestalt 
beeinflußt  wird,  ist  in  den  verschiedensten  Familien  in 
übereinstimmender  Weise  zu  beobachten.  Ich  gebe 
als  Beispiel  eine  Abbildung  der  Lycaenide  Thecla  Aetolus 


Abb.  133. 
Thecla  Äetolus  Cham. 


ff    r 


jzr     j[ 


^ -, 


Abb.  134.     Amatintsia  Phidippns  L. 


Abb.  135.    Amathtisia  dilucida  Honk. 


(Abb.  i33;  und  verweise  wieder  auf  die  Morphide  Ämathusia  Phidippns 
(Abb.  134)  und  A.  dilucida  (Abb.  135  ,  ferner  auf  meine  Abbildungen  von 
Segelfaltern  (»Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den  Schmetterlingen  I«). 

1)  St.  Taf.  40. 


190  O'ß  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

Auch  unter  den  Schwal])enschwanzartigen  ist  noch  ein  spitzwinkliges 
Zusammentreten  der  Längsstreifen  auf  den  Hinterflügeln  gegeben,  wie 
unsere  Abbildung  1,  Sund  3  (Papilio  Alebion ,  Eurymedon,  Alexanor) 
zeigen,  ebenso  z.  B.  unter  den  Nymphaliden  Megalura  Berania  (Abb.  21) 
und  andere  bei  Staudinger')  abgebildete  Falter. 

Ebenso  ist  das  Mittelfeld  bei  längsgestreckter  Flügelgestalt  ent- 
sprechend längsgerichtet,  wie  u.  a.  Limenitis  Daraxa   (Abb.  64)  zeigt. 

Es  ist  eine  sehr  auffallende  Erscheinung,  daß  durch  die  Gestalt  der 
Hinterflügel  auch  hier  zwar  in  hohem  Grade  die  Zeichnung,  nicht  aber  die 
Aderung  beeinflußt  wird.  In  demselben  Maße  ist  dies  der  Fall  bei 
Blattschmetterlingen.  Es  liegt  darin  eine  sehr  merkwürdige,  bis  dahin 
rätselhafte  Thatsache  vor,  welche  sich  zunächst  nur  durch  eine  leichte 
Verschiebbarkeit  des  die  Zeichnung  bedingenden  Farbstoff"es  erklären  läßt. 

Es  ist  schon  jetzt  hervorzuheben,  daß  die  Zeichnung  auf 
beiden  Flügeln  sich  überhaupt  meist  unabhängig  von  der 
Aderung  auch  bei  anderen  Faltern  verschiebt  und  daß  nur 
einzelne  bestimmte  Zeichnungen  an  bestimmte  Adern  ge- 
bunden sind  und  gebunden  bleiben.  Dies  gilt  durchaus  für  die 
Binde  V/VI,  bezw.  Reste  derselben  in  Beziehung  zur  äußeren  Begren- 
zung der  Mittelzelle  (Discocellularaderni   der  Vorderflügel.'^j 

Ganz  hervorragende  Beispiele  für  Umlagerung  der  Zeichnung  in  Folge 
von  Veränderung  der  Flügelform  durch  Wachsen  werden  wir  im  nächsten 
Abschnitt  kennen  lernen  abgesehen  von  dem  schon  über  Caerois  Chori- 
neus  Gesaejten. 


H.   Die  Zeichnung  der  Helikonier  und  der  helikonier- ähnlichen  Falter. 

Die  Lagerung  bezw.  Richtung  der  Zeichnungsmuster  ist 
also  wesentlich  bedingt  durch  die  Gestalt  der  Flügel,  wie  wir 
noch  zuletzt  bei  Papilioniden,  Lycaeniden,  Morphiden  und  Nymphaliden 
gesehen  haben  und  wie  vor  allem  die  blattähnlichen  Schmetterlinge  uns 
zeigten.  Sind  Vorder-  und  Hinterflügel  zusammen  als  ein  Ganzes  ge- 
dacht von  vorn  nach  hinten  gestreckt  wie  bei  diesen  Faltern,  so  hat  sich 
eine  längsgerichtete  Zeichnung  erhalten:  Längsstreifung ,  oder  es  ist  in 
diesem  Falle  eine  neue  längsgerichtete  Zeichnung  aufgetreten:  Längs- 
mittelfeld. 

Je  mehr    sich    dagegen    die  Flügel  in  die  Breite  ziehen,   um 


1)  St.  Taf.  45. 

2)  Somit  ist  die  Verwunderung  des  Herrn  August  Weismanx,  daß  »die  Aderein- 
teilung des  Flügels  von  der  Blattzeichnung  bei  den  Blattschmetterlingen  gänzlich 
ignoriert  wird«  vollkommen  gegenstandslos  und  ebenso  der  hieraus  gezogene  Schluß 
(»Germinalselektion«  S.  16),  der  Nutzen  behandle  die  Blattlläche  als  »tabula  rasa,  auf 
der  man  zeichnen  kann,  was  man  will,  in  diesem  Falle  ein  Blatt,  d.  h.  eine  bilaterale 
symmetrische  Figur  auf  eine  im  wesentlichen  radiär  symmetrisch  eingeteilte 
Fläche«.     Ein  bischen  Naturbeobachtung  hätte  auch  hier  aufklären  können. 


Die  Zeichnung  der  Heliiionier  und  der  helikonierähnlichen  Falter.  191 

SO  mehr  verwandelt  sich  die  längsgerichtete  Zeichnung  and 
Bänderung  in  eine  quergerichtete  und  zwar  um  so  ausgesproche- 
ner, wenn  die  Flügel  zugleich  kompensatorisch  sich  verschmälern  (Libellen- 
flügelform). 

Dabei  handelt  es  sich  nicht  um  die  Frage  einer  Umbildung  von 
Längsstreifung  in  Querstreifung  im  Sinne  der  gewöhnlichen  gesetzmäßigen 
Umbildung  der  Längsstreifen  in  Flecke  und  dann  in  Querstreifen,  oder 
eine  solche  wie  sie  durch  Schwarzfärbung  der  Queradern  entstehen 
kann,  sondern  um  eine  Umlagerung  der  Zeichnung,  gleichviel  ob 
diese  aus  Längsstreifen  oder  aus  entsprechend  gerichteten  Flecken  besteht. 

Diese  Umlagerung  in  quergerichtete  Zeichnung  findet  sich  am  aus- 
gesprochensten bei  Helikoniden  und  entsprechend  gebildeten  Formen 
aus  anderen  Gruppen  wie  Danaiden,  Pieriden,  Nymphaliden,  auch  Lycae- 
niden  und  Papilioniden,  insbesondere  in  jenen  nicht  nur  in  Flügelgestalt 
und  Zeichnung,  sondern  auch  in  der  schwarz-rot-  (bezw.  braunrot-) gel- 
ben Farbe  untereinander  so  ähnlichen  südamerikanischen  Faltern,  welche 
man  als  mimetische,  auf  Grund  von  Anpassung  ähnlich  gewordene  vor 
allem  auffaßt.  Unter  ihnen  sollen  die  Helikoniden  und  die  Danaiden  die 
ungenießbaren,  die  nachgeahmten  sein. 

Meine  Untersuchungen  ergeben  auch  hier  eine  ganz  andere  Erklärung 
des  Thatsächlichen. 

Dieselben  zeigen,  daß  es  sich  in  der  Ähnlichkeit  von  Flügel- 
gestalt und  in  gewissen  Grundzügen  der  Zeichnung  handelt  um 
den  Ausdruck  unabhängiger  Entwickelungsgleichheit,  Homoeo- 
genesis,  auf  Grund  der  mechanischen  Ursache  eines  bestimmten 
Form  Wachstums  der  Flügel,  während  andere  einzelne  Ähnlichkeiten 
wie  auch  sonst  auf  kaleidoskopischer  solcher  Homoeogenesis  beruhen 
müssen. 

Die  Helikonier  und  die  helikonier-ähnlichen  Falter  anderer  Familien 
erscheinen  zuerst  als  (besonders  auf  den  Vorderflügeln  und  am  Rande) 
gefleckte,  dann  mehrfach  quergestreifte,  bezw.  quergebänderte,  meist 
bunt,  d.  i.  in  jene  schwarz-rot-gelbe  Farbe  gekleidete  Falter.  Diese 
verfolgen  nun  in  verschiedenen  Familien  dieselbe  Entwickelung,  nämlich 
zu  Einfarbigkeit  (meist  nach  Schwarz)  mit  wenigen  weiß  oder  gelb  oder 
rot  u.  s.  w.  gefärbten  Schrägbändern  auf  den  Vorder-  und  zuerst  einer 
mehrfachen,  dann  einer  einfachen  Querbänderung  auf  den  Hinterflügeln, 
zuletzt  zu  voller  Einfarbigkeit  —  ganz  dieselbe  Entwickelungsrichtung, 
welche  auch  die  Tagfalter  mit  nicht  libellen-ähnlicher  Flügelform  im  sroßen 
und  ganzen  zeigen. 

In  einigen  Fällen,  wie  bei  den  Phyciodes-Eresia -Arten  unter  den 
Nymphaliden  ist  auf  das  Schönste  zu  sehen,  wie  die  Zeichnung  der 
helikonier-ähnlichen  Falter  sich  aus  gewöhnlicher  Tagfalter- Zeichnung 
herausbildet. 

Gehen  wir  zum  Zwecke  der  Begründung  meiner  Aufstellung  aus  von 
den  ursprünglicheren,  meist  schwarz-rot-gelb  gefärbten  helikonier-ähn- 
lichen Faltern  eben  unter  den 


192 


Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 


Nymphaliden ,  weil  hier  die  Art  der  Umbildung  am  deutlichsten 
durch  Zwischen-  bezw.  verwandte  Formen  belegt  werden  kann. 

Arten  der  Gattungen  At/iymu  (Abb.  136,  137  und  138)  und  NepHs^) 
mit  Flüge.ln,  deren  Gestalt  erst  einen  geringen  Grad  der  Ausbildung 
jener  der  schwarz-rot- gelben  »mimetischen«  Formen  darstellt  —  ohne 
daß  übrigens  eine  unmittelbare  verwandtschaftliche  Beziehung  beider 
wird  vorausgesetzt  werden  dürfen  und  welche  noch    kein  Gelb  und  Rot 


Abb.  136. 
Athyma  Leucothoe  L. 


Abb.  137. 
Athyma  Nefte  Cram.  Q. 


Abb.  138. 
Athyma  Nefte  Cram.  (5- 


haben  —  zeigen  auch  eine  Querlagerung  der  Grundstreifen  der  Zeich- 
nung in  den  Anfängen.  Sehr  quer  gelagert  ist  aber  im  Zusaunmenhang 
mit  der  Flügelform  die  Zeichnung  unserer  Neptis  aceris  gegenüber  von 
Li?7ie)iitis. 

Maßgebend  sind  auch  hier  wieder  die  Binden  III,  IV  und  II.  Zuerst 
hängen  die  bezüglichen  Bindenstücke  auf  Vorder-  und  Hinterflügeln  noch 
zusammen.  Zuletzt  aber  verschieben  sie  sich  so,  daß  sie  auf  jedem 
Flügel  für  sich  quer  gelagert  sind.  Zusammenhängend  sind  sie  z.  B. 
noch,  wenn  man  Vorder-  und  Hinterflügel  jederseits  in  die  richtige  Lage 
bringt,  bei  Athyma  Nefte  (Abb.  137,  138),  dann  bei  Neptls-ATten'^),  während 
sie  bei  Athyma  Leucothoe  (Abb.  136)  entsprechend  der  Flügelform,  auf  den 
Vorderflügeln  noch  längs-,  auf  den  Hinterflügeln  aber  im  Beginn  quer- 
gerichtet sind. 

Ähnliche  Verhältnisse  zeigen,  wie  früher  hervorgehoben,  die  quer- 
gefleckten den  Parda//s -Typus  bildenden  zu  den  Nymphaliden  gehören- 
den Falter'^). 

»Mimetisch«  mit  Helikoniden  sind  unter  den  Nymphaliden  Arten  der 
Gattung    Phyciodes^]^    wie  z.  B.   Phyciodes  Callonia   (^^    (Abb.  139).      Hier 


1    St.  Taf.  50  und  51.  2j  St.  Taf.  50. 

3j  Vergl.  die  Abb.  126  von   Catonephele  ÄconUus  Q  und  St.  Taf.  41   und  54. 

4)  St.  Taf.  36. 


F.  Die  Zeichnung  der  Helikonier  und  der  helikonier-ähniichen  Falter.        193 

sind  also  die  schwarz-(braun-) rot-gelb  gefärbten  Flügel  schmal  ausge- 
zogen wie  bei  den  Helikoniden  und  helikonier-ähniichen  Danaiden  u.  s.  vv. 
und  es  sind  die  Querstreifen  der  Vorder-  und  Hinterflügel  nicht  mehr 
untereinander  zusammenhängend. 

Die  Entstehung  der  Zeichnung  von  Phyciodes 
Callonia  läßt  sich  bei  Athyma  und  Neptis  er- 
kennen. 

Bei  Athyma  Neffe  z.  B.  sehen  wir  auf  den 
Vorderflügeln  Binde  IV  in  einem  eigentümlichen 
Verhalten:  nehmen  wir  zum  Zweck  der  Be- 
schreibung den  Vorderrand  des  Flügels  als  An- 
fang der  Binde,  so  fällt  auf,  daß  dieselbe,  statt 

wie  sonst  unmittelbar  nach  hinten  zu  ziehen,  eine         phydodes  Caiionia  Stdgr. 
kurze  Strecke  nach  außen  und  hinten,  dann  aber 

plötzlich  nach  innen  und  hinten  läuft.  In  der  Flügelecke  liegt  ein  Stück 
der  Binde  III  schräg  über  die  Ecke  herübergelagert  und  von  dem  durch 
IV  gebildeten  Winkel  geht  eine  Fortsetzung  des  hinteren  Teils  von  III  ab, 
um  sich  nach  hinten  im  Bogen  über  den  Hinterflügel  fortzusetzen. 

An  der  äußeren  Grenze  der  Mittelzelle  erkennt  man,  von  außen  nach 
innen  vorragend,  ein  Stückchen  der  Binde  V/VI,  welches  bei  anderen  ver- 
wandten Faltern  zu  einem  den  ganzen  Raum  quer  überbrückenden  Binden- 
stück ergänzt  ist.  So  bei  Athyma  Leucothoe',  wo  hinter  V/VI  in  demselben 
Raum  noch  zwei  weitere  Bindenstücke  vorhanden  sind  (VII  und  VIII). 

Diese  Zeichnung  von  Athyma  und  Verwandten  stimmt  nun  im  Wesent- 
lichen mit  Phyciodes  Callonia  überein:  hier  ist  die  schwarze  Zeichnung  auf 
der  äußeren  Grenze  der  Mittelzelle  der  Vorderflügel  (V/VI)  zu  einem  kräf- 
tigen Fleck  gestaltet.  Der  nach  hinten  und  außen  von  demselben  mitten 
im  Flügel  gelegene  Fleck  ist  ein  Stück  der  Binde  IV.  Die  Fortsetzung  der 
letzteren  liegt  nach  vorn  von  diesem  Fleck,  an  den  Vorderflügelrand  an- 
schließend, nach  außen  verbunden  mit  einem  Stück  der  Binde  HI/IV,  dem- 
selben, welches  bei  Athyma  Nefte  die  Vorderflügelecke  quer  durchzieht. 
Der  hintere  Teil  der  Binde  IV  aber  bildet  bei  Ph.  Callonia  off'enbar  zu- 
sammen mit  Stücken  der  nach  innen  von  ihr  gelegenen  Grundbinden 
einen  parallel  dem  hinteren  Rande  des  Vorderflügels  auf  und  vor  der 
vorderen  Grenze  der  zweithintersten  Flügelzelle  befindlichen  Querstrich 
(IV  in  der  Abb.).  Wiederum  ziemlich  parallel  diesem  liegt,  nahe  dem 
Vorderrand  der  Hinterflügel  ein  ähnlich  entstandener  Querstrich,  dessen 
äußeres  Stück  off'enbar  einem  Teil  der  Binde  IV  entspricht  (IV*j,  während 
das  äußere  Stück,  der  dahinter  gelegene  breite  Querstrich  bezw.  Fleck 
(Unterseite),  der  Binde  III  (III*)  zugehört. 

Diese  Querstellung  der  Zeichnung  ist  also  off'enbar  Folge  der  Ent- 
stehung der  langgezogenen  Flügelform.  Aber  wie  ist  die  Umgestaltung 
der  Binde  IV  auf  den  Vorderflügeln  schon  bei  Athyma  Nefte  Q  zu 
jenem  mit  der  Spitze  gegen  die  Flügelecke  hinragenden  Winkelhaken 
geworden,  vielmehr,  wie  kam  es,  daß  der  vordere  Teil  der  Binde  IV  (mit 
einem  Teil  von  III)  sich  nach  innen  und  hinten  statt  nach  hinten  richtete? 

Eimer,  Orthogenesis.  ^3 


194  ^^'•^  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

Es  ist  die  nach  einwärts  gerichtete  schiefe  Stellung  des  vorderen  Stückes 
von  IV  ja  eine  uns  wohlbekannte,  weitver]»reitete  Erscheinung,  maß- 
gebend für  die  Flügeleckzeichnung  zahlreicher  Nymphaliden  und  an- 
derer Falter.  Weil  der  hintere  Teil  der  Binde  IV  bei  den  Athyma 
nach  ein-  und  rückwärts  verläuft,  bezw.  sich  quer  zu  stellen  beginnt, 
wird  ihre  Stellung  zu  diesem  spitzwinklig.  Diese  Querstellung  ist  durch 
die  Gestaltung  der  Flügel  bedingt.  Aber  die  Auswärtsstellung  des 
vorderen  Stückes  von  IV  ist  doch  bedeutender  als  z.  B.  bei  den  Vanessen. 
Es  steht  dieses  Stück  gleichfalls  der  Querrichtung  nahe.  Dies  hängt 
offenbar  wieder  mit  der  Flügelgestalt  zusammen:  der  Flügel  ist  in  der 
Richtung  von  der  Spitze  des  durch  IV  gebildeten  Dreiecks  nach  der 
Flügelecke  hin  ausgewachsen;  zwischen  dem  Ansatz  von  IV  am  Vor- 
derrande des  Flügels  und  der  Wurzel  desselben  ist  dieser  Vorderrand 
im  Wachsen  zurückgeblieben.  Deshalb  ist  die  Mittelzelle  der  Vor- 
derflügel verhältnismäßig  sehr  kurz. 

Ein  augenfälliger  Unterschied  zwischen  der  Zeichnung  von  Athyma 
Nefte  und  Phyciodes  Callonia  besteht  darin ,  dass  bei  letzterer  Binde  IV 
mit  III  verbunden  ist,  bei  ersterer  mit  V/VI.  Bei  vielen  anderen  Phy- 
ciodes ist,  wie  das  Folgende  zeigt,  dieser  Unterschied  nicht  vorhanden 
und  es  bleibt  in  beiden  Fällen  Band  C  frei. 

Man  kann  die  Entstehung  der  Querzeichnung  im  Zusammenhang 
mit  der  neuen  Flügelform  sehr  schön  bei  den  Phyciodes- krien  selbst 
verfolgen. 

Es  hat  diese  aus  kleinen  Faltern  bestehende  Gattung  zahlreiche  Arten 
mit  der  gewöhnlichen  Flügelgestalt,  wie  sie  etwa  Vanessen  und  Melitäen 
besitzen.  Diese  zeigen  eine  ganze  Reihe  der  sonst  bei  den  Tagfaltern 
vorkommenden,  von  uns  beschriebenen  Zeichnungstypen.  Man  vergleiche 
hierzu  Tafel  I. 

-1.  Phyciodes  Theona  gleicht  darin  und  in  der  Farbe  sehr  Melitaea  maturna. 
so  daß  man  sie  als  pseudomimetisch  mit  dieser  bezeichnen  kann,  weil  sie  ihr  auch 
in  der  Größe  ähnlich  ist.  Nur  ist  bei  Theona  noch  ein  deutlicheres,  wenn  auch  durch 
die  Färbung  der  Queradern  geteiltes  Mittelfeld  vorhanden:  wir  haben  hier  den  Mi tt ei- 
tel d-Schrä  gfleck-Typu  s  der  Vanessen. 

2.  Ph.  Yorita  ist  mehr  nach  dem  Sibylla-Typvis  gezeichnet,  aber  mit  braun- 
gelber Grundfarbe. 

3.  Ph.  abas  (5  ist  pseudomimetisch  mit  Vanessa  prorsa. 

4.  Ph.  leucodesma  hat  den  Innenfeld-Schrägband-Typus  mit  breitem 
weißem  Innenfeld  in  Schwarz.  Sie  ist  pseudomimetisch  mit  der  Erycinide  Thisbe 
irenaea^i  vom  Amazonenstrom  und  Guiana  u.  a.  Ferner  sagt  Staudinger^)  von  Phy- 
ciodes leucodesma:  »Diese  Art  ...  steht  ganz  allein  und  erinnert,  wenig- 
stens auf  der  Oberseite  ziemlich  stark  an  Neptis  Kikideli  Boisd.  aus 
Madagaskar.  Sie  bildet  dadurch  gewissermaßen  eine  Widerlegung 
der  Mimicry-Theorie,  an  deren  Stelle  Hahnel  in  seinen  hochinteressanten  ,Reise- 
erinnerungen  aus  Süd-Amerika'  eine  andere  Theorie  setzt.«  3) 

Ph.  [Eresia]  Emerantia  erscheint  durch  braunrotes  Innenfeld  und  weißen  Schräg- 
fleck in  schwarzer  Vorderflügelecke  vollkommen  pseudomimetisch  mit  Eu- 
phaedra  Ruspina,  nur  ist  sie  viel  kleiner  und  lebt  in  Columbien,  Ruspina  \n  AMkal 


1)  St.  Taf.  92.  2)  St.  I  S.  92.  3)  Vgl.  meine  »Artbildung«  II  S.  71  ff. 


F.    Die  Zeichnung  der  Helilvonier  und  der  helilconier-ähnlichen  Falter.        195 

5.  Ph.  elaphiaea  und  crUhona  \x.  a.  haben  den  Schrägband-Typus.  Die  letz- 
tere hat  viel  Fanessa- Ähnlichkeit.  Sie  gleicht  in  Zeichnung  und  Flügelgestalt  sehr 
Temenis  Laothoe.  ist  nur  kleiner  und  abgesehen  vom  Schrägband  dunkler. 

6.  Indem  das  bei  leucodesma  und  Teletusa  vorhandene  breite  Innenfeld  sich  ganz 
über  die  Hinterfliigel  und  den  hinteren  Teil  der  Vordertlügel  verbreitet  und  nur  noch 
einen  schwarzen  Rand  und  die  Schrägband-Zeichnung  übrig  läßt,  entsteht  eine  dem 
bei  den  Pieriden  so  häufigen  Hyale-  und  Glducippe-T\]ins  ähnliche  Eckflügel- 
zeichnung, nur  ist  die  Grundfarbe  hier  braun,  so  Ph.  Flavia,  Claudina  u.  a. 

7.  Zuletzt  bleibt  nur  eine  schwarze  Randbinde  mit  verbreiterter  schwarzer  Vorder- 
Eckflügelzeichnung  übrig,  entsprechend  der  £d»5a-Zeichnung  wie  bei  Ph.  fragilis. 

Bei  allen  diesen  Faltern  haben  wir  also  noch  die  gewöhnliche  Flügel- 
form und  nichts  von  Querlagerung  der  Zeichnung.  Es  ist  aber  hoch- 
wichtig, zu  sehen,  wie  unabhängige  Entwickelungsgleichheit, 
Homoeogenesis,  allein  bei  dieser  Gattung  Phyciodes  so  viele 
der  Zeichnungstypen  entstehen  läßt,  welche  wir  als  Grund- 
formen der  Zeichnung  bei  den  verschiedensten  Faltern  be- 
schrieben haben. 

Bei  den  folgenden  Arten  tritt  nun  Querlagerung  der  Zeichnung 
in  Verbindung  mit  libellenähnlicher  Gestaltung  der  Flügel 
und  zwar  im  Beginn  zuerst  auf  den  Hinterflügeln  auf: 

8.  Ph.  Janthe,  Telemachos  u.  a.  haben  auf  den  Hinterflügeln  ein  ziemlich  quer 
verlaufendes  helles  Band,  auf  den  Vorderflügeln  Kleinfleckzeichnung,  die  erstere 
Art  braun,  die  letztere  weiß. 

Näher  dem  SiöyHa-Typus  steht  noch  Ph.  [Eresia]  Ofella  mit  breitem  weißem, 
aber  noch  mehr  längsgerichtetem,  auf  den  hinteren  Teil  der  Vorderflügel  sich  er- 
streckendem Mittelfeld. 

Ebenso  breit,  aber  quergerichtet  und  nur  auf  den 
Hinterflügeln  findet  sich  das  entsprechende  weiße  Band  bei 
Ph.  {Eresia)  i)  Ciara 'Abb. 1  40), dazu  ein  schmales  weißes  Rand- 
band. Auf  den  Vorderflügeln  große  weiße  Fleckzeichnung, 
bestehend  1)  aus  zwei  Stücken  entsprechend  Band  II  —  III 
=  B  und  III  —  IV  =  C,  und  außen  davon  Fleckchen  ent- 
sprechend Zwischenräumen  zwischen  Binde  I  und  II.  2)  Da- 
hinter ein  Stück  des  abgetrennten  Innenfeldes  (m  und  nach 
innen  davon  in  der  Mittelzelle,  entsprechend  einem  Zwischen- 
raum zwischen  Binde  V/Vl  und  VII  oder  VIII  !FG),  ein 
weißer  Fleck,  nach  vorn  und  außen  davon  noch  ein  kaum 
sichtbares  weißes  Fleckchen.  Abb.  140. 

Dieser  Falter  erinnert  am  meisten  noch  an  den  Gea-  Phyciodes  Clara  Bat. 

Typus,    bei    dessen  Formen   die    Flügel   gleichfalls   schmal 

ausgezogen  sind,   wodurch  ein   etwas    quergestelltes  Innenfeld    auf  den   Hinterflügeln 
entstanden  ist.     Ähnlich  ist  ihm  die  auf  der  Tafel  abgebildete  Ph.  {Eresia)  Clio. 

Damit  haben  wir  einen  vollkommenen  Übergang  zum  Helikoniden- 
Typus,  bezw.  einer  gewissenZeichnungsform  desselben: 

9.  Ph.  {Eresia]  Alma  Abb.  141  hat  noch  die  zwei  Vorderflügeleckflecke  der  vorigen, 
statt  der  zwei  hinteren  Flecke  der  V^orderflügel  aber  ein  quergelagertes,  bis  zur  Flügel- 
wurzel reichendes  Band,  auf  den  Hinterflügeln  das  Quermittelfeld  der  vorigen  — 
alles  in  gelblich-brauner  Farbe,  das  Vorderflügel-Band  im  inneren  Teil  rotbraun  — 
damit  ist  zugleich  auch  der  Anfang  jener  gelb-roten  Grundfarbe  und 
zwar  in  derselben  Anordnung  gegeben,  wie  sie  für  den  Helikoniden-Typus 
so  kennzeichnend  ist. 


1)  Eresia  werden  alle  schmalflügeligen  Phyciodes  genannt. 

13^ 


196  Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

Mit  dieser  Eresia  Alma  stimmt  in  Zeichnung  und  Farbe  am  meisten  iiberein  die 
Helikonide  Euetdes  lybioides^). 

10.  Die  vorhin  der  Beschreibung  zu  Grunde  gelegte  Ph.  [E.)  Callonia  und  ihre 
Verwandten,  wie  Ph.  {E.)  Eranites  nähern  sich  dem  Schräg  band- Typus  und 
unterscheiden  sich  von  den  vorigen  besonders  dadurch,  daß  sie  auf  den  Hinterflügeln 

außer  der  Randbinde  zwei  schwarze  Querbinden  haben, 
eine  Zeichnung,  welche  auch  bei  sonst  anders  gezeichneten 
Arten  weit  verbreitet  ist,  ebenso  bei  den  Helikoniden.  Es 
ist  dieselbe  bei  Callonia  und  Verwandten  auf  gewöhnlich 
gestaltete  Phyciodes  zurückzuführen ,  bei  welchen  Binde  III, 
aus  der  die  hintere  Querbinde  von  Callonia  entstand,  noch 
durch  einen  schmalen  Zwischenraum  von  II  getrennt  ist. 
Solche  Phyciodes,  zugleich  mit  Ecktlügelzeichnung,  sind  u.  a. 
Ph.  Theona,  Yorita,  Crithona,  Lelex,  (E.)  Clio. 
j^\)Y,.  J41.  Die   entsprechend    oder   doch   ähnlich  gezeichneten  und 

Phyciodes  Alma  Stgr.  gefärbten  Helikoniden  und  Danaiden  sind  zahlreich,  besonders 

die  letzleren.  Hierher  die  Helikonide  Eueides  Isabella(Ahh.\  M). 
Für  die  Danaiden  vergleiche:   Ceratinia  Daeta.     C.  Antonina';.      Tilhorea  Furia^]  u.  a. 

\  1 .  Vollkommener  ausgesprochen,  aber  noch  mit  unregelmäßiger  Begrenzung  des 
Schrägbandes  ist  der  Schrägband-Typus  z.  B.  bei  Ph.  [E.)  Eunice  Q,  noch  mit  zwei 
kleinen  Eckflecken  und  zwar  weiter  vorgeschritten,  indem  diese  dem   ^  fehlen. 

Ganz  rotbraune,  nach  demselben  Typus  gebaute  Eresia-Arten  mit  noch  schärfer 
gezeichnetem  Schrägband  sind  Eranites  und  die  mit  sehr  lang  ausgezogenen  Vorderflügeln 
versehene  Philyra.  Dieselben  erscheinen  wie  libellenartig  ausgezogene  Formen  von 
Arten  wie  Phyciodes  Teletusa. 

Eunice  sehr  ähnlich,  mit  Gelb  in  den  Vorderflügelecken,  ist  die  Helikonide 
Eueides  Isabella  (Abb.  142)*). 

Der  ganz  braunen  Philyra  ist  die  Danaide  Colaenis  Euchroia^]  sehr  ähnlich  in 
Flügelform,  Farbe  und  Zeichnung. 

12.  Reinen  Schrägbandtypus  und  zwar  nur  ein  Schrägband  auf  den  Vorder- 
flügeln haben 

Ph.  [E.)  Cornelia  mit  breitem  gelben  Schrägband  und  einem  schwarzen  Fleck  (V/VI) 

im  mittleren  vorderen  Teil  derselben. 
Ph.  (E.)  Acraeina  mit  rotem  Schrägband  soll  Varietät  sein  von  E.  Perilla  mit  gelbem 

Schrägband  und  fächerförmiger  Zeichnung  der  Hinterflügel. 
Ph.  {E.)  Castilla  hat  ein  schmales  rotes, 

Ph.  iE.)  Levina  ein  blaues  Schrägband;   beide  haben   nur  wenig  ausgezogene  Flügel. 
Der    Castilla   ähnlich   ist   rot   gebändert   Heliconius   Melpomene^;   und   die   Pieride 
Pereute  Charops  Q  (Abb.  U7)^). 

Wir  kommen  demnach  bei  den  Phyciodes  ebenso  wie  bei 
Helikoniern  zu  einfach  schwarzen  mit  einem  Schrägband  ver- 
sehenen Arten  und  zwar  zeigt  das  Schrägband  ziiletzt  glänzend 
rote  Farbe,  hier  als  höchste  Stufe  der  Farbenfolge,  welche 
auch  hier  von  Weiß  und  Gelb  durch  Braunrot  zu  vollem  Rot  überge- 
gangen ist,  entsprechend  der  Ausbildung  der  Zeichnung  zu  der  hohen 
Stufe  der  Schrägbandbildung,  wie  wir  beides  in  derselben  Weise  bei 
anderen  Faltern  beschrieben  haben. 


1)  St.  Taf.  32.  2)  St.  Taf.  27.  3)  St.  Taf.  30.  *)  St.  Taf.  32. 

5)  Vgl.  DouBLEDAY  aud  Hewitson,  Genera  of  diurnal  Lepidopt.  I.  Taf.  20. 

6)  St.  Taf.  32.  7j  St.  Taf.  1 5. 


F.  Die  Zeichnung  der  Helikonier  und  der  helikonier-ähnlichen  Falter.         1 97 

Endlich  kommt  als  hohe  Ausbildung  von  Zeichnung  bei  den  Eresia 
mit  Schrägband  und  Rot  auch  Fächerzeichnung  vor,  welche  sich  gleich- 
falls bei  schräggebänderten  Helikoniern  findet,  wenn  auch  nicht  gerade 
bei  solchen,    die  mit  Eresia  für  mimetisch  erklärt  werden  könnten.') 

Es  handelt  sich  überall  auch  in  der  Ähnlichkeit  zwischen 
den  Phydodes-Eresia-Arten  einerseits  und  Helikoniden  und 
Danaiden  andererseits  um  Stufen  bestimmter  Entwickelungs- 
richtungen  in  Farbe  und  Zeichnung,  nicht  aber  um  durch 
Zuchtwahl  entstandene  Verkleidung,  denn  diese  ist  gerade  im 
vorliegenden  Falle  dadurch  vollkommen  ausgeschlossen,  daß 
alle  die  behandelten  und  andere,  Helikoniden  und  Danaiden 
nachahmen  sollenden  Phyciodes-Eresia  viel  kleiner  sind  als 
die  letzteren,  wodurch  eine  Verwechselung  vollkommen  ausgeschlossen 
sein  muß,  wie  dies  auch  Hahxel  nach  Beobachtung  an  Ort  und  Stelle 
hervorhebt  2). 

Hahxel  sagt  aber  weiter  mit  Bezug  auf  zwei  solche  sehr  ähnliche 
Formen:  Phyciodes  Lansdorfi  und  Heliconius  Bescheid  dieselben  unter- 
scheiden sich  auch  in  ihrer  Flugart  so,  daß  sie  nicht  verwechselt  wer- 
den können:  Ph.  Lansdorfi  flattert  langsam  und  niedrig  um  die  Büsche, 
die  Helikonier  ziehen  in  der  Höhe  dahin. 


Wir  können  nicht  alle  Beziehungen  zwischen  den  nach  Helikonier-Art 
gezeichneten  Faltern  der  verschiedenen  Familien  besprechen.  Es  kann 
sich  für  uns  nur  um  Feststellung  der  Grundzüge  der  Erscheinungen 
handeln,  zur  Führung  des  Beweises,  welches  die  Ursachen  der  merk- 
würdigen Ähnlichkeit  so  verschiedener,  nicht  unmittelbar  verwandter 
Falter  sind.  Zu  diesem  Zwecke  müssen  wir  aber  noch  auf  Einzelnes 
eingehen. 

Trotz  der  äußeren  Ähnlichkeit  mit  den  helikonier-ähnlichen  Nympha- 
liden  ist  die  Zeichnung  der  helikonier-ähnlichen  Danaiden  und  der  Heli- 
koniden selbst  auf  andere  Weise  gebildet  als  bei  ersteren. 

Helikoniden.  Die  Zeichnung  der  den  schwarz- rot- (bezw.  braun-' 
gelben  Nymphaliden  ähnlichsten  Helikoniden  beruht  gleichfalls  auf  einem 
Übergang  von  ursprünglicher  Längsstreifung  in  Fleckung  und  Quer- 
streifung. 

Die  größte  Ähnlichkeit  mit  Phyciodes  Callonia  zeigt  die  Helikonide 
Eueides  Isabella  (Abb.  1 42).  Auf  den  ersten  Blick  scheinen  in  beiden 
Fällen  ganz  dieselben  Verhältnisse  zu  bestehen.  Bei  genauerer  Betrach- 
tung ergiebt  sich  jedoch,  daß  die  beiden  an  der  Grenze  von  Rot  und 
Gelb  vor  der  die  Vorderflügel  durchziehenden  Querbinde  gegenüber  der 
Zahl  VIII  in  der  Abb.)    gelegenen   Flecke  bei  Eueides  eine   andere  Lage 


1)  Vgl.  Staud.  Taf.  32.  3i  P.  Hahnel  a.  a.  0.  S.  315. 


198 


Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtuniren  der  Tagfalter. 


gelh        , 


braiim?oti. 


hvaunvoth 


liegt    wie    vorhin 
Er   liegt    zwar   wie    bei 


Abb.  142.    Eneidcs  Isahella  Craji. 


in  Beziehung  auf  die  Mittelzelle  haben,  als  die  ihnen  so  ähnlichen  Flecke 
von    Phyciodes   CaUonia.      Bei   letzterer   liegt   der    vordere   äußere    dieser 

Flecke  auf  der  äußeren  Grenze  der 
Mittelzelle  und  entspricht  unzweifel- 
haft der  Binde  V/VI,  für  welche  diese 
Lage  kennzeichnend  ist.  Bei  Eueides 
Isabella  dagegen  liegt  dieser  Fleck 
nahezu  in  der  Mitte  der  Mittelzelle. 
Der  innere  Fleck 
neben    ihm. 

Phyciodes  auf  der  Grenze  zwischen 
Gelb  und  Rot,  aber  in  der  dritten 
Flügelzelle  von  hinten,  bei  Ph.  CaUonia 
in  der  vierten.  Demnach  entsprechen 
diese  beiden  Flecke,  der  innerhalb  und  der  außerhalb  der  Flügelzelle,  offen- 
bar nicht  den  ihnen  so  ähnlichen  Flecken  von  CaUonia.  Es  handelt  sich 
darin  wahrscheinlich  um  eine  der  Grundbinde  VIII  entsprechende  Zeichnung, 
wie  sie  z.  B.  bei  Äa^aea  Anteas^)  noch  im  Zusammenhang  als  ein  über 
die  Mittelzelle  hinausgreifender  Schrägstrich  vorhanden  ist.  Das  vor  der 
Grenze  der  Mittelzelle  bei  Eueides  Isabella  gelegene  Schwarz  würde  dann 
IIIIV  -\-  V/VI  entsprechen.  Der  Raum  zwischen  diesem  Schwarz  und 
der  in  der  Mitte  der  Mittelzelle  gelegenen  schwarzen  Zeichnung,  von 
gelber  Farbe,  gehört  also  zur  Mittelzelle:  diese  ist  bei  Isabella  sehr  ver- 
längert und  auf  der  Verlängerung  des  entsprechenden,  des  inneren,  Teils 
des  Flügels  beruht  also  hier  die  langgestreckte  Gestalt  des  Vorderflügels: 
es  mißt  derselbe  beinahe  2/s  der  ganzen  Länge  des  Vorderrandes;  bei 
Phyciodes  CaUonia  dagegen  mißt  er  nur  etwa  die  Hälfte  desselben:  hier  hat 
das  Wachsen  des  Flügels  im  Gebiete  vor  der  Mittelzelle  die  gestreckte 
Gestaltung  desselben  bedingt. 

Durch  Verschmelzen,  sich  Ausdehnen  oder  Schwinden  einzelner  der 
schwarzen  Zeichnungeu  entstehen  verschiedene  der  Isabella  ähnliche 
He liconius- Arten  j  so  H.  Faumis ,  Auroi^a,  Eucrate^),  von  welchen  die 
zwei  letzteren  dadurch  bemerkenswert  sind,  daß  sie  auf  der  Ober- 
seite der  Vorderflügel  im  inneren  Teil  derselben  (im  Rot)  nicht  nur 
einen  ausgesprochenen  Querstreifen  haben  wie  Isabella,  sondern  deren 
drei:  einen  vorderen  Randstreifen,  einen  dahinter  in  der  Mittelzelle 
gelegenen  und  den  auch  bei  Isabella  hinter  dieser  vorhandenen. 

Der  vordere  Randstreifen  ist  bei  Isabella  auf  der  Unterseite  ^)  im 
Bereich  des  Rot  stärker,  oben  schwächer  angedeutet  zu  erkennen. 
Der  dahinter  gelegene  ist  teilweise  vorhanden.  Dieser  ist,  wie  die  Unter- 
seite von  H.  Aurora  zeigt,  aus  zwei  Flecken  entstanden,  deren  äußerer 
dem  Fleck  VIII  der  Mittelzelle,  deren  innerer  einem  Rest  wahrscheinlich 
der  Binde  IX  entspricht:  es  handelt  sich  also  um  ein  ursprünglicheres 
Verhalten  gegenüber  dem  von  Isabella. 


1    St.  Taf.  32. 


2]  St.  Taf.  31. 


3i  St.  Taf.  32. 


F.    Die  Zeichnung  der  Helikonier  und  der  helikonier-ähnlichen  Falter.  199 

Durch  Verbreiterung  und  Verschmelzung  der  Binden,  so- 
weit daß  nur  wenige  bandartige  Zwischenräume  zwischen  ihnen  übrig 
bleiben,  entstehen  ferner  durchaus  quergestreifte  Helikoniden  und 
durch  weitere  Verbreiterung  und  Verschmelzung  entsteht  Einfarbigkeit 
auf  Vorder-  oder  auf  Hinterflügeln  oder  auf  beiden  oder  es  erscheint 
auf  letzteren  Fächerzeichnung.  Verschiedene  Artbildung  entsteht  ferner 
auch  hier  durch  Bestehenbleiben  verschiedener  Bänder. 

Die  Einfarbigkeit  ist  bemerkenswert  als  Endziel  der  Umbildung  im 
Sinne  der  Einfachheit,  ja  der  Unscheinbarkeit  der  Farbe. 


iIe    b 


mlw 


Abb.  143.    Heliconius  Charithonia  L.  Abb.  144.    EcUconius  Pachinus  Hew. 

Durchaus  quergestreifte  Helikoniden  mit  einfachen  breiten  Binden  und 
schmalen  Bändern  sind  Heliconius  Charithonia  (Abb.  143)  u.  a.  Bei  dieser 
Art  bleiben  auf  den  Vorderflügeln  gelbe  Bänder  zwischen  den  ver- 
einigten Binden  I  II  einerseits  und  III  IV  andererseits  (B),  sodann  zwischen 
IV  und  V  VI  (D)  und  zwischen  V  VI  ff.  und  einer  hinteren  Randbinde. 
Auf  den  Hinterflügeln  zwischen  einer  vorderen  Randbinde  und  III,  dann 
zwischen  III  und  II. 

Bei  H.  Pachinus  (Abb.  144)  sind  vorn  nur  noch  zwei  Zwischenräume 
(gelbe  Bänder,  B  und  D),  hinten  nur  einer,  bei  H.  Apseudes  (Abb.  145) 
nur  vorn  noch  zwei  übrig,  bei  //..  Chestertonii^]  nur  hinten  noch  einer; 
bei  anderen  sind  die  zwei  Bänder  der  Vorderflügel  verschmolzen  [H. 
Eleusinus  u.a.)  2),  dann  wieder  sind  sie  unregelmäßig  oder  in  Flecke 
aufgelöst  u.-s.  w. 

Die  noch  ursprünglichere  Entwickelungsrichtung,  welche  ihren  Aus- 
druck nicht  in  Querstreifung,  sondern  in  der  Entstehung  von  Hell- 
fleckung  sowohl  auf  Grund  von  Randflecken,  als  durch  Aussparen  von 
Flecken  der  Grundfarbe  auf  den  Vorderflügeln  findet,  ist  durch  H.  for- 
mosus  3)  vertreten.  Dieselbe  erscheint  viel  häutiger  und  ausgebildeter 
bei  Danaiden. 

Vollkommene  Einfarbigkeit  zeigt  auf  der  Oberseite  keine  Heli- 
konide, wohl  aber  die  verwandte  Acraea  nox,  und  zwar  Schwarzfärbung. 

Fächerzeichnung  der  Hinterflügel  zeigen //e//conmsi)or«5,  Mars  u.  a.^) 


>)  Staud.  Taf.  32.  2j  St.  Taf.  31.  3j  St.  Taf.  3i.  4)  st.  Taf.  3-2. 


200  r)'*^  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

Die  schwarz-(braun-) rot-gelben  Helikoniden  hängen  mit  den  Danaiden 
zusammen,  welche  offenbar  deren  Ausgangsformen  sind. 

Für  die  schwarz-rot-gelben  helikoniden-ähnlichen 

Danaiden  gelten  die  bei  den  Helikoniden,  z.  B.  bei  Eueides  Isabella 
beschriebenen  Verhältnisse  sowohl  was  die  Ursache  der  Gestaltung  der 
Vorderflügel  als  was  die  Zeichnung  angeht.  Meistens  ist  auch  hier  das 
Mittelzellengebiet  im  Verhältnis  zum  übrigen  Flügel  sehr  lang,  wenn  auch 
nicht  so  lang  wie  gerade  bei  Isabella  und  überall  da  wo  die  Zeichnung 
noch  ursprünglichere  Verhältnisse  darbietet  —  und  das  ist  gerade  der 
Fall  bei  den  schwarz-rot-gelben  Helikoniden  und  den  ihnen  ähnlichen 
Danaiden  —  haben  wir  auch  den  schwarzen  Fleck  oder  einen  ihm  ent- 
sprechenden Querstrich  oder  zwei  Flecke  in  der  Mitte  der  Mittelzelle, 
häufig  auch  den  anderen  Fleck  in  der  dritten  Flügelzelle  nach  hinten 
und  außen  von  ihm,  sodann  die  auch  sonst  so  weit  verbreitete  schwarze 
Zeichnung  von  V/VI  auf  der  äußeren  Grenze  der  Mittelzelle  (vgl.  Taf.  II: 
Melinaea,  Mechanitis). 

Auch  bei  den  einfarbigen  hellen  Danaiden  bleiben  diese  Zeichnungen, 
nebst  der  äußeren  schwarzen  Färbung  der  Vorderflügelecken  oder  schwarzer 
Berandung  beider  Flügel,  oft  allein  übrig. 

In  diesen  Zeichnungen  der  Vorderflügel,  in  der  Verstärkung,  Ver- 
größerung und  Verbindung  einzelner  derselben  bei  den  einen,  imFehlen 
einzelner  bei  anderen  Faltern  liegen  die  kennzeichnenden  Merkmale 
für  zahlreiche  helikonier-ähnliche  Danaiden.  Nehmen  wir  dazu  wie 
bei  den  Helikoniden  helle  Flecke  in  der  Ecke  der  Vorderflügel  zwischen 
I  und  II,  II  und  III  oder  IV,  oft  sich  fortsetzend  als  Randflecke  auch 
auf  die  Hinterflügel  [Melinaea  Paraiya  ^),  Melinaea,  Lycorea,  Taf.  II)  u.  a. 
zuweilen  einen  starken  Querstreifen  auf  dem  hinteren  Teil  der  Vorder- 
flügel, auch  einen  weiteren  solchen  am  hinteren  Rande,  sodann,  abge- 
sehen von  der  Berandung,  einen  oder  zwei  Querstreifen  oder  Querflecken- 
reihen auf  den  Hinterflügeln  [Eueides  Isabella  und  die  Abbildungen  der 
Tafel  II) ,  so  haben  wir  eine  verhältnismäßig  ursprüngliche  Zeichnung 
der  Helikoniden  und  helikonier-ähnlichen  Danaiden.  Durch  Verbreiterung 
oder  gegenseitige  Verschmelzung  der  Binden  und  Übrigbleiben  bestimmter 
Zwischenräume  zwischen  denselben  entstehen  auch  bei  den  Danaiden 
weitere  Veränderungen  und  aus  allen  diesen  Veränderungen  erklärt  sich 
die  Bildung  der  Zeichnung  der  verschiedenen  Arten.  Dabei  ist  in  vielen 
Fällen  wiederum,  eben  durch  Verschmelzen  der  Binden,  oder,  wie  bei 
den  schon  behandelten  farblosen,  durch  Schwinden,  bezw.  Zurücktreten 
von  Farbe  und  Zeichnung,  eine  Vereinfachung  der  Zeichnung  und 
überwiegendes  Schwarzwerden  als  höhere  Stufe  der  Ausbildung  zu  be- 
obachten. 

Auch  bei  den  Danaiden  sehen  wir  wie  bei  Heliconius  foi-nwstis  die 
besondere  Entwickelungsrichtung  vertreten,  daß  eine  helle  Fleckung  der 
Flügel,  besonders   der  Vorderflügel   entsteht,    durch  Verschmelzung   der 


1)  St.  Taf.  30. 


F.    Die  Zeichnung  der  Helikonier  und  der  helikonier-ähnlichen  Falter. 


201 


schwarzen  Binden  bis  auf  ausgesparte  Flecke  der  hellen  Grundfarbe. 
JSapeogenes  excelsa^)^  Callithomia  Hezia'^],  Tithorea  Susanna,  Bonplandii, 
Tarracina'^)  bilden  hier  Übergänge. 

Die  Danaiden  dürften  von  den  Pieriden 
ausgegangen  sein  oder  mit  denselben  gemein- 
samen Ursprung  haben.  Dafür  sprechen  Formen 
wie  Ithomia  pardalis  (Abb.  149)^  unter  den 
Danaiden,  welche  durch  die  weiße  Farbe  und 
durch  die  Zeichnung  manchen  Pieriden  sehr  nahe 
steht.  Die  Ithomien  sind,  soweit  sie  ausgedehn- 
tere schwarze  Zeichnung  haben,  entsprechend 
ihrer  schmalen  gestreckten  Flügelgestalt  quer- 
gestreift, Ithomia  pardalis  aber  mit  kürzeren 
und  breiteren  Flügeln  ist  mehr  getleckt,  ähnlich 
vielen  Pieriden. 


Abb.  145. 
Heliconius  Apseitdes  Hübn. 


Tirfar 


Drli^ 


Pieriden.  Es  giebt  nun  auch  Pieriden,  welche  die  gestreckte  schmale 
Flügelform  der  meisten  Helikoniden  und  damit  quergerichtete  Zeichnung  an- 
nehmen, die  Dismorphien:  Leptalis  Taf.  II)  ^j, 
dann  Perrhybris^). 

Wieder  sind  es  im  Wesentlichen  die- 
selben Entwickelungsrichtungen  wie 
bei  den  vorher  behandelten  Faltern,  den  Da- 
naiden und  Helikoniden  und  den  Nympha- 
liden,  welche  die  Ähnlichkeit  der  Zeichnung 
mit  denselben  bedingen. 

Bei  den  Dismorphien  haben  wir 
teilweise  äußere  Eckflecke  (zwischen  II 
und  III,  B)  (z.  B.  Dismorphia  Astynome 
[Taf.  II]  und  Arsinoe  [Abb.  146]),  dann 
den  weitverbreiteten  queren  Zwischenraum 
der  Grundfarbe  in  der  Yorderecke  der 
Vorderflügel  zwischen  IV  und  V/VI ,  zu- 
weilen als  Flecke,  dann  zwei  schwarze 
Querbinden  auf  den  Vorder-  und  eine 
oder  zwei  auf  den  Hinterflügeln.  Auch 
Fächerzeichnung  der  Hinterflügel  kommt 
vor.    Übergänge  von  diesen  häufig  wieder 


Abb.  146.    Dismorphia  Irsn^Of  Feld.  Q. 


schwarz-ibraun-rot-gelb  gefärbten  Dis- 
morphien durch  weiß  und  schwarze  oder 
gelb  und  schwarze  schmalflügelige  zu  Pie- 
riden mit  gewöhnlicher  Flügelform  kommen 
vor.  Andererseits  giebt  es  auch  verwandte 


Abb.  147.    Perente  Charops  Boisd. 


1    Staud.  Taf.  28. 
5    St.  Taf.  15. 


2    St.  Taf.  27. 
St.  Taf.  20. 


3,  St.  Taf.  30. 


*i  St.  Taf.  29. 


202  Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrlchtungen  der  Tagfalter. 

Gattungen,  welche  bis  auf  ein  rotes  oder  gelbes  Band  hinter  der  Vorder- 
llügelecke  schwarz  sind,  z.  B.  Pereute  Charops  (Abb.  1  47)  und  welche  so 
wieder  vollkommene  Parallelformen  auf  Grund  derselben  Entwickelungs- 
richtung  mit  Helikoniden  liefern  [lleliconius  Melpomene)^].  Ebenso  giebt 
es  zahlreiche  Dismorphia- Arten  mit  hellgefleckten  Vorderflügeln,  ent- 
sprechend HeUconius  formosus  u.  a.  und  ferner  solche,  welche,  wie  JJ. 
Avonia,  in  Farbe  und  Zeichung  der  Phyciodes  Clara  und  Clio  vollkommen 
ähnlich  sind  und  von  welchen  letzteren  beiden  man  annehmen  könnte, 
dass  sie  gewisse  Danaiden  nachahmen,  wie  z.  B.  Hamadryas  Moorei'^). 
Allein  die  Phyciodes  und  Dismorphien  leben  in  Südamerika,  Hamadryas 
Moorei  aber  lebt,  wie  die  ähnliche  //.  Zoilus'^),  in  Australien  (Papua-Gebiet)! 
Also  wieder  ein  laut  redender  Beweis  für  Homoeogenesis  ohne  jede  bio- 
logische Beziehung  der  ähnlichen  Formen.  Und  diese  Ähnlichkeit  ist  so 
groß,  wie  z.  B.  unter  den  zahlreichen  gleichfafls  schwarz -weißen  oder 
glashellen  meist  nach  dem  Schrägband -Typus  gezeichneten  ähnlichen 
Ithomien  und  Pieriden  keine  wird  gefunden  werden  können,  auch  wenn 
oder  obschon  sie  zusammenleben.  Eine  diesen  Ithomien  im  Aussehen 
nahestehende  und  mit  ihnen  lebende  Pieride  ist  z.  B.  Dismorphia  fortu- 
nata  (Abb.  US)'*)  mit  Schrägband  Coder/)  oder  CD.  Hier  wie  bei  den 
Ithomien  ist  übrigens  die  Binde  V/VI  bestehen  geblieben  und  dadurch 
ist  der  Charakter  der  Zeichnung  wesentlich  bedingt  (vgl.  Ithomia  galata, 
Abb.  150).  Bei  D.  fortunaia  ist  das  Schrägband  weiß,  das  Innere  der 
Vorderflügel  und  das  Innenfeld  der  Hinterüügel  glashell;  bei  den  Itho- 
mien ist  außer  der  Zeichnung  meist  alles  glashell. 


Abb.  148.  Dismorphia  fortunata  Luc.  Q.      Abb.  149.  Ithomia  pardalis  Salv.     Abb.  150.  Ithomia  galata  Hew 

Teilweise  Farblosigkeit  der   Flügel  bei  Dismorphia-Wannchen. 

Eine  weitere  Thatsache  spricht  dagegen,  daß  es  sich  auch  unter 
ähnlichen  in  demselben  Gebiete  lebenden  Dismorphien  einerseits  und 
Danaiden  und  Helikoniden  andererseits  um  mimetische  Beziehung  handeln 
könnte,  und  diese  Thatsache  ist  noch  nach  anderer  Bichtung  hin  von  Wich- 
tigkeit: die  Männer  vieler  Dismorphien  und  nur  sie,  nicht  auch  die  Weiber, 
haben  die  Eigentümlichkeit,  daß  der  größte  (vordere)  Teil  ihrer  Hinter- 
flügel auf  der  Oberseite  und  der  größte  (hintere)  Teil  ihrer  Vorderflügel 
auf  der  Unterseite  farblos  ist,  mögen  die  Falter  im  übrigen  noch  so 
glänzend    gefärbt    sein,     und    zwar    ist   der    ungefärbte    Abschnitt   vom 

ij  Staud.  Taf.  32.  2)  St.  Taf.  26.  3)  Hübner's  Zuträge  Abb.  799.  800. 

4)  Staud.  Taf.  1  ö. 


F.  Die  Zeichnung  der  Helikonier  und  der  helikonier-ähnlichen  Falter.         203 

gefärbten  jeweils  durch  eine  ganz  scharfe  Linie  abgegrenzt.  Es  handelt 
sich  dabei  offenbar  um  die  Folge  einer  besonderen  Flügelhaltung  von 
Seiten  der  Männchen:  dieselben  müssen  die  Flügel  so  tragen,  daß  die 
Vorderflügel  die  Hinterflügel  zum  größten  Teil  bedecken,  und  es  ist 
augenscheinlich  der  Mangel  der  Einwirkung  des  Lichtes, 
welcher  die  Farblosigkeit  jener  Teile  bedingt  hat  —  Ver- 
erbung erworbener  Eigenschaft.  Denn  der  Mangel  an  Färbung 
findet  sich  bei  allen  Faltern  auch  anderer  Familien  in  derselben  Aus- 
dehnung, in  welcher  die  Vorderflügel  die  Hinterflügel  decken,  worauf 
ich  für  die  Papilioniden  schon  in  meiner  Artbildung  und  Verwandtschaft 
bei  den  Schmetterlingen«  hingewiesen  habe.  Dabei  setzt  sich  die  Zeich- 
nung, z.  B.  die  Längsstreifung  der  Segelfalter,  von  den  Vorderflügeln 
in  der  Weise  auf  die  Hinterflügel  fort,  daß  die  bedeckte  (farblose) 
Stelle  am  Vorderrande  der  Hinterflügel  von  ihr  überschlagen  wird  ^). 

Diese  D/smo/'/)/?^- Männchen  nun,  welche  nach  dem,  was  wir  an 
unseren  Faltern  beobachtet,  eine  von  ihren  Weibchen  und  ebenso  von 
den  ihnen  in  Zeichnung,  Farbe  und  Flügelform  ähnlichen  Danaiden  und 
Helikoniden  ganz  verschiedene  Flügelhaltung  haben  müssen, 
werden  mit  diesen  trotz  jener  Ähnlichkeit  weder  im  Fluge  noch  im 
Sitzen  verwechselt  werden  können. 

Wir  bilden  im  Folgenden  als  Beispiel  Dismorphia  Praxinoe  von  der 


^--9e/(> 


^o^3el6 


Abb.  151.     Dismorphia  Praxinoe  Doubl,  r^.  Abb.  152.     Dismorphia  Cornelia  Feld. 

Oberseite,   Dismorphia    Cornelia    von    der   Unterseite   ab.      Jene   ist   zu- 
gleich Beispiel  für  die  Ausbildung    der   hellen   Fleckzeichnung  der  Vor- 


1)  Herr  August  Weismanx  hat  es  als  besonders  schlagenden  Beweis  für  die  ge- 
heimnisvolle Macht  der  Zuchtwahl  dargestellt,  überall  die  nötigen  Variationen  bereit 
zu  halten  und  auf  der  »tabula  rasa«  eines  Schnietterlingsflügels  eine  Blattzeichnung 
herzustellen,  daß  bei  den  Blattschmetterlingen  die  Mittelrippe  den  vorderen  Rand  der 
Oberfläche  des  Hinterflügels  überschlägt  und  sich  genau  da  auf  diesen  fortsetzt,  wo 
sie  wieder  erscheinen  muß ,  eben  um  die  »Mittelrippe«  herzustellen  (Germinalselek- 
tion  S.  lö  ff.  und  S.  4  4).  Etwas  Naturbeobachtung  hätte  demselben  zeigen  können, 
daß  jenes  Verhalten  der  Zeichnung  ein  allgemeines,  durchaus  nicht  auf  die  Blatt- 
schmetterlinge beschränktes  ist  und  daß  die  »Mittelrippe«  auch  bei  letzteren  genau 
da  auf  den  Hinterflügeln  wieder  erscheint,  wo  sie  bei  natürlicher  Lage  der 
Flügel  wiedererscheinen  muß  —  wenn,  wie  ich  voraussetze,  die  Einwirkung 
des  Lichtes  bei  ihrer  Entstehung  ebenso  wie  bei  anderen  Zeichnungen 
der  Schmetterlinge  mit  beteiligt  ist. 


204  Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

derflügel,  entsprechend  der  von  Ifeliconius  formosus  u.  a.  [H.  formosus 
hat  allerdings  auch  noch  Randflecke).  In  beiden  Fällen  erweisen 
sich  jene  hellen  Flecke  wieder  als  Stücke  von  Schrägbändern.  Die  Ver- 
gleichung  mit  H.  formosus  oder  z.  B.  mit  der  nach  demselben  Typus 
gezeichneten  und  ähnlich  gefärbten  Danaide  Callithomia  Hezia^)  zeigt,  daß 
die  Beschaffenheit  der  Oberseite  der  Hinterflügel  bei  Praxinod  alle  Ver- 
kleidungsähnlichkeit mit  diesen  als  schützend  in  Frage  kommenden  Fal- 
tern aufhebt. 

Rückbildung  von  »verkleideten«  Dismorphien  und  anderen  Pieride n. 

Einen  weiteren  wichtigen  Anhalt  zu  Gunsten  des  Schlusses,  daß  es 
im  besonderen  bei  den  Pieriden  nicht  durch  Zuchtwahl  entstandene  Ver- 
kleidung ist,  welche  dieselben  Helikoniden  und  Danaiden  ähnlich  gemacht 
hat,  bietet  die  Beobachtung,  daß  off'enbar  zahlreiche  solche  »verkleidete« 
Dismorphien  in  Rückbildung  zu  gewöhnlichen  weißen  oder 
gelben  Pieriden  mit  Hyale-  oder  Edwsa-Typus  begriffen  sind.  Die 
vorhin  erwähnten  Übergänge  von  ersteren  zu  letzteren  beziehen  sich  auf 
solche  Rückbildung.  Diese  Rückbildung  schließt  auch  eine  Rückkehr 
der  libellenähnlichen  zu  gewöhnlicher  Pieriden-Flügelform  ein.  Es  giebt 
ganze  Reihen  citronengelber  oder  weißer,  schwarzgezeichneter  Dismor- 
phien, welche  die  Rückbildung  andeuten.  Bei  manchen  sind  die  Vorder- 
flügel noch  libellenflügel-ähnlich  (auch  zuweilen  spitz],  wenn  schon  Hyale- 
oder  £'f/r<sa-Zeichnung  entstanden  ist  [D.  Melite,  Jethys  (^,  Albania,  Theu- 
genis;  bei  Jethys  Q  ist  eben  noch  eine  Andeutung  von  Libellenform  vor- 
handen.    Vgl.  Abb.  156,  dann  155  Melite). 

Sehr  bemerkenswert  ist,  daß  es  Gattungen  gewöhnlicher  Weißlinge  giebt,  deren 
Arten  zum  Teil  die  gewöhnliche,  zum  Teil  Dismorphia-FlügeUovm  besitzen.  So  sagt 
Schatz  von  den  zwei  Arten  der  Gattung  Leucophasia :  »Die  beiden  bekannten  Arten, 
L.  sinapis  L.  und  L.  Duponcheli  Stdgr.,  gehören  ausschließlich  dem  paläarktischen 
Faunengebiet  an  und  stehen  unter  den  Pieriden  der  östlichen  Halbkugel  ganz  verein- 
zelt da,  weil  sie  keine  nähere  Verwandtschaft  zu  irgend  einer  anderen  Pieridengatturig 
dieses  Gebiets  besitzen.  Ihr  Vorkommen  im  europäischen  Faunengebiet  wäre  deshalb 
ganz  unverständlich,  wenn  wir  nicht  in  der  folgenden  Gattung  Dismorphia,  mit  welcher 
sie  eng  verbunden  ist,  den  Schlüssel  hierzu  hätten.  Die  Erklärung  dieser  Thatsache 
haben  wir  kurz  in  der  Einleitung  zur  allgemeinen  geographischen  Verbreitung  der 
Schmetterlinge  angegeben  -).  Es  kann  daher  kaum  auffallend  erscheinen,  daß  wir  halb- 
wegs zwischen  Amerika  und  Europa,  in  den  Amur-Gebieten,  eine  Varietät  der  Sinapis 
antreffen,  bei  welcher  sich  noch  ganz  deutlich  die  für  die  meisten  Dismorphiden  so 
charakteristisch  sichelförmig  umgebogener  Flügelspitze  erhalten  hat«  3). 

Ebenso  hat  die  fast  ganz  wie  die  gewöhnlichen  Weißlinge,  z.  B.  Anthocharis  car- 
damines  gezeichnete  Midea  Scolymus  aus  Japan*),  noch  die  spitze  Gestalt  der  Vorder- 
flügel wie  die  Dismorphien.     Dasselbe  gilt  für  andere  Arten  derselben  Gattung  5^. 


1)  Staud.  Taf.  27. 

2)  der  ehemalige  Zusammenhang   Nordasiens  und  Nordamerikas  in  der  Gegend 
des  Behringsmeeres. 

3]  Staudinger  und  Schatz,  Exotische  Schmetterlinge  II,  S.  57. 
4)  Staud.  Taf.  23. 

^)  Vgl.  Hübner,  Sammlung  exotischer  Schmetterlinge  I.  Taf.  1  4ä :  Mancipium  vorax 
Midea  =  Midea  genutia  Fabr.  Nordamerika. 


F.    Die  Zeichnung  der  Helikonier  und  der  helikonier-ähnlichen  Falter.        205 

Vom  Schrägband -Eckfleck -Tj^us,  welcher  der  Querbänderung  der 
libellenflügeligen  Falter  noch  am  nächsten  steht  [D.  Virgo,  Foedora,  bei 
letzterer  ist  wiederum  die  Flügelform  des  Q  am  meisten  der  gewöhn- 
lichen ähnlich  geworden,  vgl.  Abb.  153),  kommen  wir  zu  einer  Durch- 
brechung der  inneren  Schrägbandgrenze  [D.  Critomedia  (^,  Abb.  1 54 1), 
bis  'lUT  Hyale- und  Edusu-Zeichnimg  [Jethys,  Critomedia  Q,  welches  wie- 
derum mehr  zurückgebildet  ist  als  das  (J^,  3Ielite,  Comelia,  Abb.  152  2). 
auch  Lewyi,  Psamathe,  Marion]  und  zuletzt  zu  fast  ganz  einfarbig  weißen 
Arten  [Nehemia]^),  mit  durchaus  gewöhnlicher  Flügelform.  Höchst  be- 
merkenswert ist,  daß  auch  bei  diesen  Umbildungen  sich  ein  Rest  der 
Binde  V/VI,    wenn  auch   nur  als  kleiner  Punkt  nahe  dem  Vorderflügel- 


A1)Td.  153. 
Dismorplüa  Foedora  Luc.  Q  . 


Abb.  154. 
Dismorphia  Critomedia  Hübn.  r^. 


I- JE 


Abb.  155. 
Dismorvhia  Melite  L.  Q 


'f. 


i-nr 


\ 


Abb.  156.     Dismorphia  Jethys  Boisd.  Q. 


Abb.  157.    Dismorphia  Psamathe  F.  (J. 


rande,  abgesehen  von  der  Eckzeichnung  der  Vorderflügel,  am  längsten 
erhält. 

Wenn  ich  hier  überall  auf  Rückbildung  schließe,  so  gehe  ich  davon 
aus,  dass  die  Gattung  Dismorphia  wirklich  eine  natürliche  sei,  d.  h.  daß 
deren  Arten  blutsverwandt  zusammengehören. 

Es  giebt  aber  noch  andere  Thatsachen,  welche  beweisen,  dass  eine 
solche  Rückbildung  von  schwarz-rot-gelben  Helikoniden-,  bezw.  Danaiden- 
ähnlichen  Eigenschaften  zur  Farbe,  Zeichnung  und  Flügelgestalt  gewöhn- 


licher Weißlinge  wirklich  erfolgt  ist 


1)  Staüd.  Taf.  1 5. 


2)  Ebenda. 


3)  St.  Taf.  i  5. 


206  Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

Bei  Perrhybris-krien ^  wie  P.  Lorena^)  und  Pyrrha^)  ist  jene  Farbe 
und  Zeichnung  an  den  Weiliern  noch  vorhanden,  auch  die  Gestalt  der 
Flügel  noch  etwas  gestreckt;  die  Männer  al)er  sind  gewöhnliche  Weiß- 
linge, weiß  mit  schwarzer  Zeichnung,  auch  noch  fast  ganz  mit  der  Ge- 
stalt derselben,  allein  auf  dem  vorderen  inneren  Teil  der  Unterseite 
der  Hinterflügel  tragen  sie  noch  Reste  der  Farbe  und  Zeichnung  der 
weiblichen  Tiere  in  Gestalt  einiger  dicht  nebeneinander  gelegener  schwarz 
und  roter,  bei  Pyrrha  schwarz,  rot  und  gelber  Querbinden-  bezw.  Band- 
stücke, welche  sofort  den  Eindruck  von  Rudimenten  machen.  Auf  der 
Oberseite  fehlen  diese  Reste:  hier  sind  beide  Männer  reine  Weißlinge. 
Was  aber  von  schwarzer  Zeichnung  auf  beiden  Flügelflächen  bei  ihnen 
noch  vorhanden  ist,  ist  gleichfalls  ein  Rest  der  Helikonier- Zeichnung: 
bei  Lorena^)  vorne  Schrägband-Typus,  hinten  noch  ein  schwarzer  Hinter- 
rand; bei  Pyrrha^)  vorne  nur  noch  ein  schwarzer  Eckfleck  nach  dem 
5rassjcae-Typus,  hinten  Rest  eines  schwarzen  Randes,  unten  mehr  als 
oben.  Ähnliche  Verhältnisse  zwischen  Mann  und  Weib  bietet  Perrhyhris 
Malenka^)^  während  bei  P.  Pisonis^)  auch  das  Q  ein  Weißling  geworden 
ist  wie  der  cf '). 

Es  sind  also  diese  Männer  zu  gewöhnlichen  Weißlings-Eigenschaften 
gelangt,  während  die  Weiber  z.  T.  noch  auf  jener  der  schwarz-rot- 
gelben Vorfahren  verharren.  Ob  es  sich  dabei  um  eine  plötzliche, 
sprungweise  Rückbildung  der  ersteren  handelt  oder  ob  früher  Zwischen- 
formen zwischen  beiden  Geschlechtern  vorhanden  waren,  läßt  sich  selbst- 
verständlich nicht  sagen.  Es  sprechen  aber  gewisse  Thatsachen  für  Hal- 
niatogenesis,  und  zwar  derartige,  welche  zugleich  noch  weitere  Beweise 
dafür  liefern,  daß  die  vorliegende  Umbildung  überhaupt  eine  solche  zu 
Weißlingen  ist,  und  daß  nicht  etwa  umgekehrt  die  Eigenschaften  der 
letzteren,  der  Männer,  die  Ausgangsformen  darstellen,  die  der  schwarz- 
rot-gelben Weiber  die  Endglieder. 

Es  giebt  nämlich,  wie  wir  später  noch  näher  sehen  werden,  zahl- 
reiche andere  Pieriden  verschiedener  Zeichnungstypen  und  teilweise 
bunter,  gelber  oder  roter  Farbe,  welche  im  Begriff'e  stehen,  sich  zu 
Weißlingen  umzubilden.  Dies  zeigt  sich  darin,  dass  solche  Falter  auf 
der  Unterseite  und  zwar  besonders  auf  der  Unterseite  der  Hinter- 
flügel, noch  ursprünglichere  Zeichnung  und  ursprünglichere,  d.  i.  in 
diesem  Falle  buntere  Farbe  haben  als  oben,  bezw.  unten  vorn.  Auch 
hier  handelt  es  sich  fast  überall  um  stufenweise,  nicht  um  allmähliche 


1)  Staud.  Taf.  20.  2)  Ebenda.  3)  St.  Taf.  20.  *)  Ebenda. 

5)  Hewitsos  1.   Pieris  5,  6.  6)  Ebenda  40,  41. 

'^)  Es  giebt  auch  Callosiine-A.rten,  welche  noch  .Stücke  schwarzer  Querstreifen 
und  zwar  auf  der  Oberseite  an  der  Grenze  beider  Flügelpaare,  z.  T.  auch  noch  in  der 
Mitte  der  Hinterflügel  haben 'i),  von  welchen  die  ersteren  denen  der  genannten  Perr- 
hybris  (5  entsprechen,  der  letztere  wohl  einem  Rest  einer  schwarzen  Randbinde.  Das- 
selbe dürfte  für  die  bezügliche  schwarze  Zeichnung  von  Idmais  Eris^]  gelten.  Alle  diese 
Falter  haben  schon  die  gewöhnliche  Flügelgestalt  der  Weißhnge. 

a)  Staud.  Taf.  23.  i>)  St.  Ebenda. 


F.  Die  Zeichnung  der  Heliivonier  und  der  helikonier-ähnlichen  Falter.         207 

Übergänge  zwischen  hinten  und  vorn  der  Unterseite  bezw.  der  Unter- 
und  Oberseite.  Und  in  vielen  solcher  Fälle  geht  ebenso  wie  bei  den 
Perrhybris  der  Mann  dem  Weib  im  Fortschreiten  zur  Weißlingbildung 
bezw.  zur  Vereinfachung  voran.  Wiederholt  handelt  es  sich  dabei 
um  den  Xuthus-  und  um  den  hellen  Großfleck -Typus  der  Unterseite 
auf  beiden  oder  nur  noch  auf  den  Hinterflügeln,  welche  vorne  bezw. 
oben  der  Einfarbigkeit  gewichen  sind.  Häufig  ist  unten,  bezw.  unten 
hinten  noch  gelbe  Färbung  vorhanden,  welche  vorne  unten  und  auf  der 
Oberseite  durch  Weiß  ersetzt  wird.  Besonders  bemerkenswert  sind  aber 
Fälle,  in  welchen,  wie  bei  Lorena,  Pyrrha  und  Malenka,  auf  der  Unter- 
seite der  Hinterflügel  noch  Reste  eines  leuchtenden  Rot  vorhanden  sind, 
und  zwar  meist,  wie  bei  diesen  drei  Faltern,  vorn  und  innen!  Man  ver- 
gleiche hierzu  die  Tafeln  18 — 23  von  Staudixger's  exotischen  Schmetter- 
lingen und  das  später  über  den  Gegenstand  Gesagte'. 

Es  müssen  aber  die  Männer  aller  dieser  Falter  gegenüber  den 
Weibern  zur  Einfachheit  vorgeschritten  sein,  weil  die  letzteren  eben 
noch  Reste  von  Zeichnungst\^en  tragen,  welche  überall  gegenüber  jenen 
der  Männer  niedrigere,  ursprünglichere  sind.  Andererseits  läßt  sich  nur  eben 
durch  diese  Erklärung  verstehen,  daß  so  viele  Pieriden  namentlich  im 
weiblichen  Geschlecht  gerade  auf  der  Unterseite  und  —  besonders  nach 
Maßgabe  späterer  Darlegung  —  vorzüglich  auf  der  Unterseite  der  Hinter- 
flügel auch  glänzende  Farben  oder  noch  Reste  von  solchen,  wie  glänzen- 
des Rot  zeigen  können:  die  betreffenden  Falter  müssen  —  so  ist  aus 
allem  schon  Mitgeteilten  und  noch  Mitzuteilenden  zu  schließen  —  diese 
schönen  Farben  früher  auch  auf  der  Oberseite  getragen  haben:  genau 
so  wie  dies  heute  bei  Perrhybris  Lorena,  Pyrrha  und  Malenka  Q  noch 
thatsächlich  der  Fall  ist! 

Endlich  ergiebt  sich  der  Schluß,  daß  die  Umbildung  in  der  Rich- 
tung zu  Weißlingen  stattgefunden  hat,  aus  den  zahllosen  Thatsachen  der 
allgemeinen  Umbildung  der  Zeichnung,  welche  ich  in  dieser  Arbeit  vor- 
führe: darnach  können  nicht  einfarbige  oder  nahezu  einfarbige  Weiß- 
linge zu  gestreiften  Pieriden  geworden  sein,  sondern  es  muß  die  um- 
gekehrte Umbildung  stattgefunden  haben.  Und  zwar  müssen  es  nach  Maß- 
gabe der  Entwicklung  der  Zeichnung  der  schwarz-rot-gelben  Helikoniden- 
und  Danaiden-Art ,  wie  ich  sie  bei  den  Nymphaliden  beschrieben 
habe ,  wohl  längsgestreifte ,  wahrscheinlich  aber  schon  mit  der  Anlage 
breiter  Längsbänder  versehene  Falter  gewesen  sein,  welche  Faltern  wie 
den  heutigen  weiblichen  Lorena,  Malenka  und  Pyrrha  den  Ursprung 
gaben.  Von  solchen  Vorfahren,  wie  sie  heute  unter  den  Pieriden  nicht 
mehr   vorkommen,    wohl   aber   unter   deren  Vorgängern,    welche   ausge- 


1;  Hier  will  ich  nur  anführen,  daß  unter  den  auf  den  genannten  Tafeln  abge- 
bildeten Faltern  die  folgenden  gleich  wie  P.  Malenka,  Lorena  und  Pyrrha  nach  der  Einfach- 
heit der  Weißlinge  vorgeschrittene  Männer  haben:  Pieris  Java,  tenuicornis,  Severina, 
Deltas  Aruna,  Candida,  chrysomelaena,  nigrina,  Egialea,  Eronia  Valeria,  Callostine  Jahne, 
cinerascens,  Hildebrandti ! 


208  I^ic  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

storbenen  Parnassiern  mit  Längsstreifung  geglichen  haben  werden,  ähnlich 
etwa  Luehdorfia  Puziloi,  stammen  wohl  einerseits  Pieriden  wie  Archonias 
sebennica  und  pitana  mit  Mittel-  und  Innenfeld  und  andere  mit  Xuthus- 
u.  a.  Zeichnung  ab,  welche  sich  zu  einfarbigen  Weißlingen  umbildeten, 
während  andererseits  daraus  nach  Art  von  Alhyma  Nefle  u.  a.  in  Folge 
der  Entstehung  von  Libellen fliigelform  die  quergezeichneten  helikonier- 
und  danaiden-ähnlichen  Pieriden  wurden,  welche  sich  dann  ebenfalls  zu 
mehr  oder  weniger  einfarbigen  Weißlingen  umbildeten  '). 

Wenn  es  sich  in  den  Resten  bunter  Farben  und  zusammengesetzterer 
Zeichnungstypen  auf  der  Unterseite  gegenüber  der  einfachen  Oberseite 
so  zahlreicher  Pieriden  nicht  um  eine  Umbildung  handeln  würde,  bei 
welcher  die  Unterseite  noch  den  ursprünglichen  Zustand  anzeigt,  so  ständen 
diese  Pieriden  nach  ihrer  Entwickelung  in  vollem  Gegensatz  nicht  nur 
zu  den  übrigen  Pieriden,  in  welchen  die  Umbildung  thatsächlich  so  er- 
folgt, sondern  zu  allen  übrigen  Tagfaltern.  Denn  wir  werden  später 
noch  ausführlich  zeigen,  daß  hier  überall  die  Umbildung  der  Oberseite 
im  Sinne  der  Einfachheit  derjenigen  der  Unterseite  und  daß  auf  dieser 
meist  der  Vorderflügel  dem  Hinterflügel  vorangeht. 

Unter  den  Pieriden,  auf  deren  Unterseite  man,  besonders  hinten, 
noch  Reste  früherer  Querstreifung  erkennen  kann, 
sind  zahlreiche,  welche  schon  wieder  vollkommen 
die  gewöhnliche  Flügelform  erlangt  oder  höchstens 
noch  eine  Andeutung  der  Libellengestalt  erhalten 
haben.  Ich  bilde  als  Beispiel  Archonias  Corcyra 
von  der  Unterseite  ab.  Die  Binde  IV  liegt  hier  noch 
ganz  schräg  auf  den  Hinterflügeln.  Auf  den  Vor- 
derflügelu  liegt  Binde  III  wie  bei  helikonier-ähn- 
lichen  Dismorphien ,  und  wie  übrigens  bei  den 
meisten  Pieriden,  in  entgegengesetzter  Richtung 
schräe;.     Unten  sind  außerdem  noch    andere  Reste 

Abb.   t5S.  •" 

Archonias  Corcyra  Feld.        vou  Zeichuung  vorhaudcn.  Die  Unterseite  der  Hinter- 
Ton  unten.  flügel   ist  uoch  citroncugelb ,    die  der  Vorderflügel 

schon  weiß,  nur  außerhalb  der  Binde  III  gelb.  Die 
Oberseite  ist  vollkommen  weiß  und  außer  einer  schwarzen  Vorderflügel- 
ecke durchaus  zeichnungslos. 


ij  Durch  das  Vorstehende  widerlegen  sich  vollkommen  die  Folgerungen,  welche 
Herr  August  Weismann  in  seiner  »Germinalselektion«  S.  45  unter  Berufung  auf  Herrn 
DixEY  (Report  of  the  British  Association  of  1894)  aus  den  Eigenschaften  der  behan- 
delten Perrhyhris  gezogen  hat,  indem  er  meint,  dieselben  lieferten  den  Beweis,  daß 
nicht  immer  irgend  ein  Grad  der  Ähnlichkeit  zwischen  Vor-  und  Nachbild  bei  Ent- 
stehung mimetischer  Formen  durch  Zuchtwahl  von  vornherein  vorhanden  gewesen 
sein  müsse.  Er  sagt:  »daß  dies  keineswegs  der  Fall  ist,  hat  kürzlich  Dixey  an  ge- 
wissen Weißlingen  Südamerika's  gezeigt,  welche  Helikoniden  nachahmen  und  bei 
welchen  ein  kleiner  gelbroter  Streif  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel  als  Ausgangs- 
und Anknüpfungspunkt  für  die  Entwickelung  der  protektiven  Ähnlichkeit  mit  den  völlig 
verschieden  gefärbten  Helikoniden  gedient  hat.«    Vgl.  auch  später  Darwin  und  Wallace 


Übersicht  über  die  hauptsächlichsten  Entwickelungstypen.  209 

Auch  bei  Papilioniden  kommen  solche  »mimetische«  schwarz -rol- 
gelbe  helikoniden-ähnliche  Falter  vor,  wiederum,  gleich  allen  übrigen 
ebenso  gestalteten  und  gefärbten  in  Südamerika:  Papilio  Ascolius^)  in 
Neu-Granada  und   P.  Zagreus"^)  in  Venezuela   und  Bogota. 

Auch  hier  beruht  überall  die  Ähnlichkeit  auf  denselben  uns   längst 

bekannten  Entwickelungsrichtungen. 

Bei  beiden  Faltern  haben  wir  Randtlecke,  entsprechend  Zwischenräumen  zwischen 
Binde  II  und  III,  in  den  Ecken  der  Vordcrflügel  übergehend  in  größere  Flecke.  Nach 
innen  davon  Binde  III  und  IV  verschmolzen,  letztere  vorne  wieder  durch  Brücken  mit 
V/VI  verbunden,  quer  über  die  Mittelzelle  herüber  eine  schwarze  Binde  ähnlich  wie 
bei  den  Helikoniden.  Dann  weiter  auf  den  VordertUigeln  dem  Mittelfeld  entsprechende 
Flecke,  welche,  wie  aus  der  Zeichnung  der  Unterseite  mit  Wahrscheinlichkeit  hervor- 
geht, zwischen  Binde  III  und  IV  liegen;  endlich  auf  den  Hinterflügeln  ein  Innenfeld, 
nach  vorne  begrenzt  von  einer  queren  Randlünde. 

P.  Zagreus  ist,  wenngleich  schwarz-rot-gelb  gefärbt,  sowohl  in  Flügelform  wie 
in  Zeichnung  den  gewöhnlichen  Papilioniden  ähnlicher  als  Ascolius  und  bildet  zu  diesen 
einen  Übergang.  Übrigens  ist  Ascolius  von  Gray  als  Varietät  von  Zagreus  beschrieben 
worden.  Nur  Ascolius  hat  schmale,  gestreckte  Vorderflügel,  ähnlich  Lycorea-. \rten 
unter  den  Danaiden,  welche  er  nachahmen  soll;  seine  Zeichnung  macht  dement- 
sprechend mehr  den  Eindruck  des  Quergestreiften,  als  die  von  Zagreus,  der  übrigens 
gleichfalls  als  mimetisch  mit  Lycorea  bezeichnet  wird.  Besonders  Zagreus  ist  aber 
erheblich  größer  als  wohl  irgend  eine  der  in  Frage  kommenden  Danaiden  und  als 
alle  schwarz-rot-gelben  Helikonier,  so  daß  Verkleidung  ausgeschlossen  erscheint. 

Zagreus  und  Ascolius  schließen  sich  an  die  Ornithoptera  an,  am  nächsten  der 
erstere.  Ihre  Zeichnung  läßt  sich  auf  Eckfleck-Schrägbandzeichnung,  verbunden  mit 
großen  Mitteileidflecken  auf  den  Vorderflügeln,  zurückführen,  während  sich  auf  den 
Hinterflügeln  ein  Innenfeld  herausgebildet  hat.  Die  Vorderflügelzeichnung  steht  am 
nächsten  etwa  Ornilhoptera  Richmondia   Q  ^    und  0.   Victoriae    Q  4 

Gestaltveränderung  der  Flügel  und  die  damit  Hand  in 
Hand  gehende  Umbildung  der  Zeichnung  haben  auch  hier  die 
Ähnlichkeit  mit  Danaiden  in  erster  Linie  bedingt,  auch  hier 
kann  keine  Rede  sein  von  sich  anpassender  Nachahmung  in 
Beziehung  auf  beide. 

Überall  sind  es  offenbar  bei  den  helikonier-ähnlichen  Fal- 
tern einerseits  und  bei  den  Helikoniden  bezw.  Danaiden  an- 
dererseits die  gleichen  Entwickelungsrichtungen,  welche, 
wenn  auch  mit  gewissen  Abänderungen,  zu  übereinstimmen- 
der oder  doch  ähnlicher  Zeichnung  führten. 


Übersicht  über  die  hauptsäeliliclisten  Eutwickeluiigstypen. 

Die  Längsstreifung ,  wie  sie  bei  den  segelfalterähnlichen  Papilio 
besteht,  ist,  wie  wir  gesehen  haben,  der  Ausgangspunkt  für  alle  Tag- 
falterzeichnung,   mögen  die  Bilder,    welche  dieselben  darbieten,  noch  so 


1;  Abbildung  bei  C.  Fickert:  Über  die  Zeichnungsverhältnisse  der  Gattung  Orni- 


o 


thoptera,  Zool.  Jahrb.  Abt.  f.  Systematik  Bd.  IV.  -1889  S.  767 
2,  Staud.  Tat.  10.  3)  St.  Taf.  4.  «i  Ficker 

Eimer,  Ortliogenesis.  -|  4 


Staud.  Tat.  10.  3)  St.  Taf.  4.  «i  Fickert  a.  a.  0.  Taf.  21   Fig.  i. 


210 


Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 


verschieden  sein:  die  Möglichkeit  die  Zeichnung  eines  Weißlings  oder  eines 
Heliconius  oder  einer  Euploea,  einer  Vanessa  irgendwelcher  Art,  irgend 
einer  Morphide  oder  Satyride  u.  s.  w. ,  kurz  jede  Tagfalterzeichnung, 
möge  dieselbe  beschaffen  sein  wie  sie  wolle,  von  derjenigen  der  Alebion- 
Glycerion-Podalirius ,  bezw.  der  Megaliira  Berania  abzuleiten,  erscheint, 
wenn  man  nur  die  Endglieder  in's  Auge  faßt,  vollkommen  ausge- 
schlossen. Allein  die  Übergänge  zeigen,  wie  wir  gesehen  haben,  daß 
sie  besteht,  daß  alle  Zeichnungsarten  untereinander  zusammenhängen 
und  daß  es  verhältnismäßig  wenige  bestimmte  Entwickelungsrichtungen 
sind,  welche  dieselben  hervorgerufen  haben  müssen.  Und  der  Gang  der 
Umbildung  selbst  wie  die  Endziele  derselben  zeigen,  daß  von  irgend- 
welcher auch  nur  im  Geringsten  maßgebenden  Bedeutung  der  Zuchtwahl 
dabei  keine  Rede  sein  kann. 

Wir  wollen  die  längsgestreifte  Grundzeichnung  als 
Alebion-Podalirius-  oder  Segelfalter-Typus  bezeichnen. 


Aus  ihm  geht  auf  verschiedene  Weise  hervor  der 


Die 


Sarpedon-Hectorides-Daraxa-  oder  Mittelfeld-Typus. 
Wege  der  Bildung  sind  hauptsächlich  zwei: 

a.  Die  inneren  wie  die  äußeren  Binden  verbreitern  sich  und  ver- 
schmelzen allmählich,  und  so  entsteht  eine  immer  mehr  sich  verbreiternde 
Randbinde  und  ein  eben  solches  Binnenfeld,  welche  einander  gegen  einen 
hellbleibenden  Mittelraum,  das  Mittelfeld,  von  beiden  Seiten  her  entgegen- 
wachsen. Dieser  Vorgang  findet  sich  z.  B.  bei  den  Schwalbenschwanz- 
ähnlichen Schmetterlingen,  in  der  Machaon-Asterias-Gruppe  (vgl.  Abb.  1 5,1 6). 

b.  Die  äußeren  wie  die  inneren  Binden  bleiben  ganz  oder  teilweise 
erhalten,  zwischen  ihnen  tritt  Verdunkelung  oder  dunklere  Färbung  ein, 
zuweilen  werden  sie  durch  solche  Verdunkelung  auch  unsichtbar  oder 
sie  schwinden  überhaupt  und  es  entsteht  wie  vorhin  ein  dunkles  Außen- 
und  ein  ebensolches  Innenfeld,  zwischen  beiden  aber  bleibt  als  ver- 
breitertes helles  Band,  meist  von  zwei  Binden  und  zwar  meist  von  Binde 

ii^x  III  und  IV  scharf  begrenzt,  das  Mittelfeld 
übrig.  Dies  findet  sich  besonders  bei  Nym- 
phaliden,  Morphiden,  Brassoliden,  Saty- 
riden  u.  a. 

Ein  besonderes  Beispiel  hiefür  giebt 
die  von  uns  abgebildete  Nymphalide  Adel- 
pha  Syme  bei  Vergleichung  der  Unter-  und 
Oberseite,  welche  in  derselben  Weise  auch 
bei  zahlreichen  anderen  Arten  die  Ent- 
stehung des  Mittelfeldes  und  überhaupt 
der  Zeichnung  der  Oberseite  erklärt.  Auf 
der  Unterseite  der  Syme  sehen  wir  den 
Zwischenraum  zwischen  Binde  III  und  IV/V/VI — VII  verbreitert.  Auf  der 
Oberseite  ist  an  derselben  Stelle  zwischen  dunklem  Außen-  und  Binnen- 
feld, in  welch  beiden  noch  Grundbinden  oder  Reste  von  solchen  enthalten 
sind,  ein  ausgesprochenes  weißes  Mittelfeld  vorhanden  (vgl.  Abb.  159). 


Abb.  159.     Adelpha  Syme  Godt.  Q 


Übersicht  über  die  hauptsächlichsten  Entwickelungstypen.  211 


Abb.  16U.     Vanessa  glaitconia  Motsch. 


Abb.  IGI.     Limcnitis  Sibylla  L. 


Abb.  102.    Painlio  Delalandii  Godt. 


14^ 


212 


Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungcn  der  Tagfalter. 


Ähnliche  Beziehungen  zwischen  unten  und  oben  sehen  wir  z.  B.  bei 
Morpho  Adonis  u.  a.,  ebenso  besonders  bei  Nymphab'den  [Precis  Andre- 
miaja  Abb.  42,  Rhinopalpa  Sabhia  Abb.   43). 

Der  Sibylla-prorsa-Zarinda-  oder  Mittelfeld-Schrägfleck- 
Typus  entsteht  aus  dem  vorigen  zumeist  entweder  dadurch,  daß  der 
vordere  Teil  des  3Iittelfeldes  der  Vorderflügel  sich  nach  einwärts  richtet 
(Abb.  160)  und  oft  abtrennt  (Abb.  161),  oder  dadurch,  daß  ein  solcher 
Schrägfleck  durch  ein  oder  mehrere  Stücke  benachbarter  Bänder  ent- 
steht. (So  bei  Papilio  IJesperus,  Abb.  78,  durch  Band  />,  bei  P.  Epiphor- 
bas,  Abb.  79,  und  P.  Delalandü,  Abb.  162,  durch  Band  F,  bei  Vanessa 
Canace^  Abb.  81,  wo  das  Mittelfeld  durch  Band  B  gebildet  wird,  durch  C, 
ebenso  bei  V.  Haronia^  Abb.  82,  wo  es  durch  BC  gebildet  wird,  u.  s.  w.) 

Der  Cardui-Atalanta-Inachis-Dirce-  oder  Eckfleck-Schräg- 
band-Typus entsteht  aus  jener  nach  einwärts  gerichteten  Fortsetzung, 
bezw.  Abgliederung  des  Mittelfeldes,  während  dasselbe  im  Übrigen  ge- 
schwunden ist.  Zugleich  sind  oft  noch  Vorderflügel-Eckflecke  (zu  A  oder 
B  gehörig)  und  besonders  ein  großer  aus  dem  vordersten  Teile  des 
Mittelfeldes  C  entstandener  vorhanden.  Der  Schrägfleck  kann  sich  nach 
außen  durch  Zuziehung  von  Teilen  anderer  Bänder  (.4,  B)  verlängern 
und  zuletzt  ein  einheitliches  Schrägband  bilden. 

Einen  Übergang  vom  vorigen  zu  diesem  Typus  bildet  z.  B.  Vanessa 
Myrinna  (Abb.  163),  bei  welcher  das  Schrägband  FG  in  Bildung  begriff'en, 
das  bei  V.  Atalanta  (Abb.  164)  vollendet  ist.  In  beiden  Fällen  ist 
der  Vordereckfleck  C,  welcher  aus  dem  vorderen  Teil  des  ursprünglichen 
Mittelfeldes  entstand,  vorhanden. 


Abb.  163.     Yanessa  Myrinna  Doubl.  Hew. 


A  B 


.■ff/x 


Abb.  lt)4.     Yanessa  Atalanta  L. 


Reiner  Schrägband-Typus  kann  aus  dem  vorigen  entstehen,  in- 
dem alle  Bandreste  auf  den  Vorderflügeln  mit  Ausnahme  des  Schräg- 
bandes schwinden,  welches  aus  dem  vorderen,  nach  einwärts  gerichteten 
Teil  des  Mittelfeldes  oder  dessen  Anschlußstück  entstanden  ist. 

Es  kann  aber  ein  reiner  Schrägband-Tj^us  auch  auf  andere  Weise 
entstehen    nämlich:    aus  Band   A  oder  B  oder    aus    einem   hinteren,    im 


Übersicht  über  die  hauptsächlichsten  Entwickelungstypen. 


213 


Bereich  der  Binden  VII  bis  XI  gelegenen  Bande.     Und   es  können   zwei 
oder    drei    Schrägbänder    aus   verschiedenen    Bändern    entstehen.      Wie 
dies   besonders    bei    helikonier-ähnlichen   Faltern   mit    Libellenflügelform 
geschieht,    haben   wir    beschrieben.     Einen  An- 
lauf sogar  zu  vierfacher  Schrägbandbildung  zeigt 
Abbildung  165. 

Die  Entstehung  einer  Anzahl  weiterer  Typen 
beruht  hauptsächlich  auf  der  Bildung  eines 
Innen feides,  indem  sich  das  Mittelfeld  zuerst 
auf  den  Hinter-,  später  auch  auf  den  Vorder- 
flügeln, zuletzt  unter  Verdrängung  des  Binnen- 
feldes bis  an  den  inneren  Flügelrand  verbreitert. 
Dabei  können  verschiedene  Vorderflügel- Eck- 
und  auch  Randband-fFleck-jZeichnungen,  wie 
bei  den  vorigen  Typen,  erhalten  bleiben. 

Wir    haben    von    diesen   Typen    besonders 


aufgeführt  den 


mit     rot- 
Innenfeld  und  Schrägfleckzeichnung, 


Abb.  105.    Eypanartia  Lethe  F. 


Chrysippus-Ruspina-Ty\iM?, 
braunem ') 
ferner  den 

(rßa- w?avrw5-il/erope-Typus.  Es  giebt  aber  zahlreiche  andere, 
nicht  unter  diese  zwei  Gruppen  fallende  Falter,  welche  die  Innenfeld- 
bildung  zeigen,  denn  diese  ist,  als  Fortschritt  zur  Einfachheit,  eine  weit- 
verbreitete höhere  Zeichnungsstufe  Die  erste  Stufe  der  Entstehung  eines 
Innenfeldes  aus  einem  Mittelfelde  ist  die,  dass  sich  das  letztere  ohne 
besondere  Verbreiterung  bis  zum  inneren  Rande  der  Hinterflügel  ver- 
längert, statt  von  diesem  durch  schwarze  Zeichnung  abgegrenzt  zu  sein. 
Hierher  gehören  besonders  afrikanische  Papilioniden,  wie  Papüio  Zenobia 
(Abb.69).  Dann  als  Übergang  dieNymphalideP5eMcfacraeaZ-?<crefm{Abb.'166). 
Es  giebt  nämlich  solche  Übergänge  zu  gewöhnlichen  Mittelfeld- Faltern 
gerade  unter  Verwandten,  daß  sich  eine  Grenze  nicht  ziehen  läßt,  und  wir 
haben  deshalb  Falter  mit  schmalem  Mittel-Innen- 
feld 2),  wie  z.  B.  Papilio  Thoas,  unter  dem  Mittelfeld- 
Typus  abgehandelt. 

Dann  verbreitert  sich  das  Mittel-,  bezw.  Innenfeld, 
und  zwar  zuerst  auf  den  Hinterflügeln  nach  innen 
und  dann  auch  nach  außen.  So  kann  auf  den  Vor- 
derflügeln    noch     eine    schmale    Mittelfeldzeichnung, 


auf  den  Hinterflügeln  ein  breites  Innenfeld  vorhanden 


Abb.  166.     Pseudacraea 
Liicretta   Cram. 

,  >/•■;  nat.  Gr. 

ij  Die  Farbe  haben  wir  zur  Feststellung  eines  Typus  verwendet  wegen  der  zahl- 
reichen pseudomimetischen  Formen.  Es  giebt  aber  andersgefärbte,  ebenso  gezeichnete 
Arten, sogar  in  der  Gattung  Euphaedra,  zu  welcher  Ruspina  gehört,  wie  z.B.  E.  Zeuxis^\ 

'-)  Man  konnte  diesen  Ausdruck  zur  Unterscheidung  gebrauchen,  weil  dabei  das 
Innenfeld  in  der  Mitte  der  Flügel  liegt. 


a)  Staud.  Taf.  51. 


214  Diß  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

sein,  wie  bei  Archonias  Päcma,  Abb.  77'),  auf  der  Oberseite,  während 
unten  noch  das  ursprüngliche  schmale  Innenfeld  wie  bei  den  Papilioniden 
vorhanden  ist. 

Ein  Innenfeld-Typus  ist  nun  auch  der  Hyale-Edusa-Brassicae- 
Glaucippe-  oder  Vorderflügel-Eckzeichnungs-Typus  der  Pieriden, 
welcher  auf  fortschreitender  Ausbreitung  des  Innenfeldes  beruht  und 
zuletzt  zur  weißen  Einfarbigkeit  führt. 

Im  Übrigen  ist  die  Ausbreitung  des  Mittelfeldes  zum  Innenfeld  und 
die  Vergrößerung  des  letzteren  am  schönsten  zu  sehen  im  Gea-niavius- 
Typus  von  Pseudacraea  Lucretia  bis  Papilio  Merope  ^f,  Abb.  106 — Hl. 

Der  Bolina-Alyattes-  oder  Sechs-  und  Vierfleck-Typus  führt 
abermals  auf  den  Mittelfeld-Typus  zurück.  Es  handelt  sich  in  ihm  übri- 
gens um  zwei  gar  nicht  zusammenhängende  Gruppen: 

a.  Bolina-  oder  Sechsfleck- Gruppe:  auf  den  Vorder-  und  Hinter- 
flügeln befindet  sich  je  ein  großer  heller  Fleck  als  Rest  des  Mittelfeldes, 
bezw.  vorne  als  Rest  des  daraus  gebildeten  und  damit  zusammenhängen- 
den Schrägbandes,  und  ferner  gewöhnlich  in  der  Vorderflügelecke  noch 
ein  heller  Fleck  als  Bandrest  (Abb.  112).  Es  handelt  sich  hier  um  eine 
Entwickelungsrichtung,  welche  der  die  Entstehung  des  Innenfeldes  er- 
zeugenden gerade  entgegengesetzt  ist,  indem  sie  auf  Verkleinerung  des 
Mittelfeldes  durch  Zunahme  der  umgebenden  dunklen  Färbung  beruht. 
Dasselbe  gilt  auch  für  die 

b.  Alyattes-  oder  Vierfleck-Gruppe  in  Beziehung  auf  den  einzigen 
hier  vorhandenen  hellen  Vorderflügelfleck,  während  der  Hinterflügelfleck 
entweder  gleichfalls  aus  dem  Mittelfeld  oder  aus  den  (meist  roten) 
Randbandflecken  oder  aus  beiden  hervorgegangen  ist  und  zuweilen, 
indem  er  den  Innenrand  des  Hinterflügels  erreicht,  zu  einem  kleinen 
Innenfeld  wird  (Abb.  170)2). 

Auf  einer  ganz  neuen  Entwickelungsrichtung  beruht  der 

Xiithus-Typus. 

Die  Fächerzeichnung,  welche  den  Lyra-Typus  (Abb.  118)  ein- 
schließt, beruht  darauf,  daß  zu  der  Schwarzfärbung  der  Adern,  welche 
den  A'M//ms-Typus  bedingt,  soweit  sie  sich  auf  die  Randadern  bezieht, 
noch  weitere  schwarze  Streifen  hinzukommen,  die  in  der  Mitte  zwischen 
je  zwei  Randadern  gelegen  sind. 

Der  Leonidas-  oder  helle  Großfleck-Typus  steht  mit  dem  Xuthiis- 
Typus  in  Zusammenhang  in  der  W^eise,  dass,  abgesehen  von  auch  dort 
vorhandenen    hellen  Randflecken,    ebensolche   Flecke  gebildet  werden  in 


1;  Vgl.  auch  die  Danaide  Ideopsis  Chlor is^]  und  den  ihr  pseudomimetisch  ähn- 
lichen Papilio  Latreillianus,  Abb.  Cuvier,  regne  animal.  1844  Taf.  46  Fig.  1 :  jene  auf  den 
Nord-Molukken,  dieser  in  Westafrika! 

2}  auch  z.  B.  bei  Papilio  Mylotes  Q  ^). 


a)  Staud.  Taf.  24. 

b)  Staud.  Taf.  9. 


Übersicht  über  die  hauptsächilichsten  Entwickelungstypen.  215 

Folge  von  seitlicher  Verbindung  der  Xuthus- Streifen.  Diese  seitlichen 
Verbindungen  entsprechen  in  vielen  Fällen  nachweisbar  den  ursprüng- 
lichen Grundbinden,  Wenn  diese  vorwiegen,  entsteht  ein  Bild,  wie  es 
z.  B.  Papüio  Agamemnon  i)  darbietet.  Den  vollsten  Ausdruck  dieser  Ver- 
bindung aber  bietet  Papilio  Antenor\  Abb.   170. 

Wenn  von  den  schwarzen  Längsbinden  nur  noch  Flecke  übrig 
bleiben,  entsteht  der 

Hestia-Paphia-Typus.  Die  Hestia-Gruppe  schließt  sich  insofern 
an  Xuthiis  an,  als  dort  außer  der  Fleckung  noch  Schwarzfärbung  der 
Adern  vorhanden  ist  (vgl.  Hestia  Idea,  Abb.  \  27). 

Der  31  idamus-Ä7iomala-  oder  helle  Kleinfleck-Typus,  welchen 
z.  B.  Euploeen  darbieten,  beruht  auf  einer  weiteren  Verkleinerung  von 
Resten  der  Grundbänder,  wie  sie  im  Leonidas-Tfpus  vorhanden  sind,  in 
Folge  von  weiter  fortgeschrittener  Verbreiterung  des  Schwarz  (Abb.  1 25, 
Euploea  Midamus). 

Der  Parda/js-Typus  entsteht  dadurch,  daß  die  aus  Flecken  be- 
stehenden Reste  der  Grundbänder  sich  in  Querreihen  lagern,  und  zwar 
deutlich  im  Zusammenhang  mit  etwas  ausgezogener  Flügeiform,  ebenso  wie 

die  quergelagerte  Zeichnung  der  Helikonier  u.  s.  w.  auf  der 
schmal  ausgezogenen  Flügelform  beruht. 

Der  Cah'f/o-Typus,  die  Rieselung  oder  Gitterzeichnung,  ent- 
steht auf  verschiedene  Weise,  nämlich  einmal,  wie  auf  der  Unterseite 
mancher  Pieriden,  durch  feinste  gitterartige  Verbindung  meistens  von 
Querstreifen,  oder  ganz  selbständig,  wie  die  Oberseite  der  Vorderflügel 
von  Doritis  apollinus  beweist. 


Hier  füge  ich  noch  an  den 

Mittelzellen-Randfleck-  oder  V/VI-Fleck -Typus. 

Mit  ähnlicher  Zähigkeit,  wie  die  schwarze  Vorderflügel-Eckberandung, 
der  Pieriden  erhält  sich  bei  den  verschiedensten  Familien,  wie  schon  her- 
vorgehoben, ein  Rest  der  Binde  V/VI  meist  als  Fleck 
auf  der  Außengrenze  der  Mittelzelle  der  Vorderflügel 
und  seltener  ein  ebensolcher  auf  der  Außengrenze  der 
Mittelzelle  der  Hinterflügel.  Man  kann  aber  auch  in 
Beziehung  auf  ersteren  Fleck  bei  den  Tagfaltern  nur 
in  beschränktem  Sinne  von  einem  besonderen  Typus 
reden ,  weil  diese  Zeichnung  wiederum  gegenüber 
anderen  meist  als  untergeordnet  erscheint.  Indessen  ^^;,^,„,.„  ^„^^^^^  ^ew. 
wird  diese  V  Vl-Zeichnung  geradezu  maßgebend 
für  zahlreiche  Ithomien  -)  und  findet  sich  auch  bei  anderen  Danaiden 
und  Helikoniern  häufig,  besonders  ferner  bei  Pieriden,  dann  bei  Eryciniden, 
Lycaeniden,  bei  Morpho  Epistrophis^)  u.  s.  w.  Unter  den  Papilioniden  tritt 
sie   hauptsächlich   hervor  bei  Parnassiern,  hier  wie  in  manchen  anderen 


Abb.   167 


1)  Staud.  Taf.  6.  2)  St.  Taf.  29.  3)  Ebenda  Taf.  70. 


216  Die  hauptsächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

Fällen  in  Verbindung  mit  einem  anderen,  nach  einwärts  von  ihr  in  der 
Mittelzelle  gelegenen  Fleck,  einem  Rest  der  Binde  VII  oder  VIII,  das 
letztere  z.  B.  bei  Eurycus  Cressida  (wo  der  Fleck  zugleich  auf  den  Hinter- 
flügeln vorhanden  ist).  Auch  durch  diese  Zeichnung  entsteht,  wie  wir 
noch  weiter  ausführen  werden,  pseudomimetische  Ähnlichkeit;  dieselbe 
ist  ebenso  vorhanden  bei   Parnassius  Mnemosyne. 

Tritt  aber  die  V/VI-Zeichnung  unter  den  Tagfaltern  schon  bei  Itho- 
mien  und  bei  den  letztgenannten  Parnassiern  als  maßgebend  gewordener 
Typus  auf,  so  ist  dies  nicht  minder  der  Fall  bei  Heteroceren,  und  ist 
dort  häufig  auch  der  Fleck  an  der  Außengrenze  der  Mittelzelle  der  Hinter- 
flügel ausgesprochen:  bei  Sesien ,  Bombyciden,  Geometriden,  Noctuiden 
(meist  nur  vorn),  seltener  Sphingiden  nur  vorn),  endlich  auch  bei 
Microlepidopteren  (vgl.  später). 

Sehr  wichtig  können  diese  Flecke  bei  den  Bombyciden  werden :  sie 
helfen  dort  die  schönen  Augenzeichnungen  herstellen,  wie  sie  z.  B.  bei 
den  Nachtpfauenaugen  [Saturnia  Pyri,  spini  und  car'pini),  Aqlia  tau  u.  a. 
sich  finden,  und  die  Umgrenzung  der  weißen,  bei  vielen  anderen  Arten 
auf  den  Vorderflügeln  vorkommenden  Flecke  {(jastropacha  pini,  quercus  n.Si.). 

In  hohem  Grade  bemerkenswert  ist  es  aber,  daß  vier  so  ganz  ver- 
schiedene und  in  gänzlich  verschiedenen  Gebieten  lebende  Gruppen  von 
Faltern  wie  die  Ithomien  unter  den  Danaiden,  die  Eurycus  und  die 
Mnemosyne-ähnMchen  unter  den  Papilioniden  und  die  Sesien  oder  Glas- 
schwärmer, nicht  nur  dieselbe  Randfleckzeichnung  der  Vorder-  und  z.  T, 
der  Hintermittelzelle  erlangt  haben,  sondern  auch  glasartig  durchsichtige 
Flügel.  Es  handelt  sich  dabei  um  eines  der  hervorragendsten 
Beispiele  für  unabhängige  Entwickelungsgleichheit,  Homoeo- 
genesis,  in  Beziehung  auf  zwei  Eigenschaften,  von  welchen  man  wohl 
wird  voraussetzen  dürfen,  daß  sie  untereinander  in  Wechselbeziehung, 
Korrelation,  stehen,  auf  Grund  ähnlicher  äußerer  Einwirkungen.  Und 
welche  Ähnlichkeit  bedingt  diese  Homoeogenesis  zwischen  Ithomien  und 
Sesien !  —  nur  mit  dem  Unterschiede,  daß  letztere  in  den  meisten  Fällen 
viel  kleiner  sind  als  erstere,  so  daß  schon  deshalb  von  »Mimicry«  nicht 
die  Rede  sein  kann.  In  der  That  haben  wir  in  dieser  Art  von  »Nach- 
ahmung« wiederum  einen  der  denkbar  schönsten  Belege  für  Pseudo- 
Mimicry! 

Schließlich  sei  hier  noch  angefügt,  daß  der  häufig  auf  dem  Außen- 
rand der  Mittelzelle  der  Hinterflügel  zugleich  mit  dem  V/Vl-Fleck  der 
Vorderflügel  vorkommende  ähnliche  schwarze  Fleck  ein  Rest  verschie- 
dener Grundbinden  ist.  Bei  vielen  Faltern  entspricht  er  IX,  bei  vielen 
anderen  V/Vl. 


Eine  der  auffallendsten  Thatsachen  der  Entwicklung  ist,  wie  immer 
wieder  hervorzuheben,  die,  daß  diese  Umbildung  nach  Einfachheit, 
nach  Einfarbigkeit  geht.  Dieselbe  wird  erzielt  auf  zweierlei  Weise: 
einmal  dadurch,  daß  die  Grundbinden  und  ihre  etwaigen  Querverbindungen 


Übersicht  über  die  haupsächlichsten  Entwickelungstypen.  217 

die  Grundfarbe,  d.  i.   die   Bänder,  verdrängen,  und  dann  umgekehrt  da- 
durch, daß   die  Grundfarbe  auf  Kosten  der  Grundbinden  herrschend  wird. 

1)  Der  erste  Fall  verwirklicht  sich  u.  a.  bei  Segelfaltern  durch  ein- 
fache Verbreiterung  der  Grundbinden,  durch  welche  z.  B.  Papilio 
Colonna ')  bis  auf  kleine  Reste  der  Grundfarbe  schwarz  geworden  ist.  In 
der  31achaon-Aslenas-Gr\ippe  2)  verwirklicht  er  sich  durch  allmähliche  Ver- 
breiterung von  Grundbinden  in  der  Richtung  von  innen  nach  außen  und 
von  außen  nach  innen,  bei  den  Vanessen  in  ersterer  Richtung  allein.  In 
den  hellen  Fleekzeichnungen  [Leonidas-  und  il//c/a/?H«-.l/iomo/a-Gruppe; 
erfolgt  das  Schwinden  der  Grundfarbe  durch  Verbreiterung  und  seitliche 
Verbindung  der  Grundbinden  u.  s.  w. 

2)  Die  Ausbreitung  der  Grundfarbe  geschieht  zwar  in  sehr  vielen 
Fällen,  wie  beschrieben,  durch  Ausbildung  eines  Innenfeldes  aus  dem 
Mittelfeld  und  immer  größere  Ausbreitung  desselben,  z.B.  bei  Papilio- 
niden,  aber  in  der  Segelfaltergruppe,  so  bei  den  eigentlichen  Segelfaltern 
Gli/cerion,  Protesüaus,  Agesilaus  u.  s.  w.  und  bei  den  Antiphates'^]^  durch 
Schwinden  der  Grundbinden  in  der  Richtung  von  hinten  nach  vorn,  bei 
vielen  Pieriden  durch  Schwinden  verschiedener  Zeichnung  in  der  Flügel- 
mitte und  nach  innen,  oft  nach  Art  der  Ausbreitung  eines  Innenfeldes. 

Es  giebt  somit  eine  Entwicklungsrichtung  zur  hellen  Einfarbig- 
keit, welche  unmittelbar,  und  eine  solche,  welche  mittelbar  ist,  im  ersteren 
Falle  beruhend  auf  unmittelbarem  Schwinden  der  Grundbinden  in  der 
Richtung  von  hinten  nach  vorn,  im  zweiten  auf  Schwinden  schon  ver- 
änderter Grundzeichnung.  Im  letzteren  Falle  haben  wir  wieder  zwei 
verschiedene  Wege:  in  dem  einen  geht  die  Entwicklung  von  der  Ver- 
größerung eines  Mittelfeldes  aus,  in  dem  anderen,  bei  zahlreichen  Pieriden, 
beruht  sie  auf  der  Rückbildung  irgend  eines  anderen  Zeichnungstypus. 
Dabei  ist  es  höchst  merkwürdig,  wie  auf  allen  Wegen  im  Wesentlichen 
dasselbe  Endergebnis  erzielt  wird,  denn  überall  handelt  es  sich  zu- 
letzt um  ein  Übrigbleiben  von  Zeichnungsresten  in  den  vorderen  Ecken  der 
Vorderflügel,  so  zwar,  daß  in  ganz  verschiedenen  Familien  auf  ganz  ver- 
schiedenem Wege  Falter  entstehen ,  welche  eine  ganz  ähnliche  Vorder- 
flügel-Eckzeichnung haben  und  im  Übrigen  ziemlich  oder  ganz  einfarbig 
sind.  So  giebt  es  Papilioniden ,  Nymphaliden,  Lycaeniden  u.  a.,  w^elche 
fast  oder  ganz  einfarbig  sind  und  den  Schrägband-,  den  Hijale-  oder  den 
-ß/ass/cae-Typus  zeigen  oder,  indem  noch  eine  schwarze  Randbinde  oder 
Reste  derselben  übrigbleiben,  etwas  £'rft/5a-ähnlich  werden. 

Hier  muß  noch  angefügt  werden,  daß  das  Entstehen  von  schwarzer 
Einfarbigkeit  auch  ganz  unabhängig  von  Grundbinden  erfolgen  kann, 
indem  Schwarz ,  wie  wir  später  sehen  werden,  die  höchste  Stufe  einer 
Farbenfolge  ist,  in  welcher  es  an  die  Stelle  von  Braun  oder  Blau  tritt: 
braune  oder  blaue  einfarbig  gewordene  Falter  haben  offenbar  zuletzt 
vielfach  schwarze  Färbung  angenommen.  Hier  wird,  wie  jene  Farben- 
folge lehrt,  die  Grundfarbe  allmählich  schwarz. 


^  vgl.  meine  »Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den  Schmetterlingen«  I,  Taf.  IV 
Fig.  8.  2)  Ebenda  II,  Taf.  VI— VIII.  3;   »Artbildung«  Taf.  I,  II. 


2l8  Die  haupf sächlichsten  Entwickelungsrichtungen  der  Tagfalter. 

Ebenso  wie  die  Grundfarbe,  sei  es  nun  Gelb,  Grün,  Blau  oder  Weiß, 
alle  Zeichnung  bis  auf  in  den  Ecken  der  Vorderfliigel  oder  am  Rande 
gelegene  Reste  verdrängen  kann,  so  kann  umgekehrt  die  Überhandnähme, 
bezw.  das  Zusammenfließen  der  schwarzen  Grundzeichnung  die  Grund- 
farbe verdrängen,  wiederum  unter  Übrigbleiben  der  bekannten  Reste 
derselben  in  der  Vorderflügelecke  oder  am  Rande. 

Wir  haben  solche  helle  Randflecke  oder  Randbänder  nicht  beson- 
ders verwertet,  obschon  dieselben  bisweilen  für  das  Kleid  des  Falters 
mit  von  maßgebender  Bedeutung  sind:  man  könnte  von  einem  Rand- 
fleck-  oder  Randband-Typus  reden,  wenn  diese  Zeichnungen  nicht 
nur  vereinzelt  und  meist  in  Verbindung  mit  anderen  wichtigeren  auf- 
treten würden,  so  daß  man  eine  maßgebende  Entwicklungsrichtung 
darin  nicht  vor  sich  hat,  auch  können  solche  Randflecke  oder  Bänder, 
selbst  wenn  sie  sich  ähnlich  sind,  auf  verschiedene  Weise  entstehen: 
aus  Band  A  und  B  oder  aus  einem  ganz  nach  auswärts  geschobenen, 
verschmälerten  Mittelfeld  oder  aus  zwei  oder  drei  dieser  Zeichnungsteile. 

Einen  ganz  besonderen  Ursprung  hat  das  gelbe  Randband  unseres  schönen 
Trauermantels  Vanessa  Antiopa:  es  ist  dasselbe  entstanden  durch  Verbreiterung  und 
Aufhellung  des  äußeren  Flügelrandes  im  Gebiete  der  Binde  I.  Noch  breiter  ist  dieses 
Randband  bei  der  ab.  Hygiaea  i ,  welche  zuweilen  zwischen  den  gewöhnlichen  Antiopa 
auftritt  und  durch  Kälte  künstlich  gezüchtet  werden  kann  (vergl.  später).  Die  blauen 
nach  innen  von  dem  gelben  Randbande  gelegenen  Flecke  liegen  im  Bereich  der 
Binde  II.  Der  äußere  schräge  Vorderrandfleck  entspricht  einem  Rest  von  Band  B,  der 
innere  einem  Rest  von  Band  C.  Die  oben  dunkelbraunviolette,  unten  schwärzliche 
Grundfarbe  des  Innengebietes  der  Flügel  ist,  wie  die  verwandten  Arten,  urticae  u.  a., 
und  wiederum  Kälteversuche  zeigen,  aus  dem  dunkeln  Binnenfelde  in  der  Richtung 
von  innen  nach  außen  entstanden.  Auf  der  Unterseite  bemerkt  man  in  der  Mitte 
des  Schwarz  der  Hinter-  und  Vorderflügel  je  noch  ein  helles  Fleckchen,  von  welchem 
das  erstere  dem  C  von  C-album  entspricht  und  auch  bei  anderen  Vanessen  in  der 
Mittelzelle  am  hinteren,  äußeren  Rand  derselben  gelegen  ist,  während  das  vordere,  bei 
anderen  nur  zuweilen  spurenweise  vorhandene,  am  hinteren  Rand  der  vorderen 
Mittelzelle  liegt.  Nach  innen  von  der  bläulichen  Randfleckreihe  erkennt  man  auf 
der  Unterseite  außerdem  noch  eine  Reihe  von  kleinen  Fleckchen,  welche  den 
Augenflecken  der  Binde  III  entsprechen.  Im  Übrigen  ist  die  Unterseite  des  Falters 
wie  bei  anderen  Vanessen  gerieselt,  und  auf  den  Hinterflügeln  sieht  man  noch 
(leuthch  Binde  IV. 

Ein  gelbes  Randband  ähnlich  dem  von  Antiopa  hat  auch  die  Nymphalide  Cethosia 
Leschenaultü^)  von  Timor;  dieser  Falter  ist  überhaupt  pseudomimetisch  mit  unserer 
Antiopa. 


i;  Hübner,  Sammlung  europäischer  Schmetterlinge  I,  1805.  Fig.  993. 
2]  Staud.  Taf.  34. 


V. 

Entwickelungsrichtungen  bei  einzelnen  Familien  der 
Tagfalter  und  Weiteres  über  Blattähnlichkeit. 


»Eine  große  Gefahr,  in  welche  der  Analytiker 
gerät,  ist  die,  wenn  er  seine  Methode  da  an- 
wendet, wo  keine  Synthese  zum  Grunde 
liegt.  Dann  ist  seine  Arbeit  ganz  eigentlich  ein 
Bemühen  der  Danaiden;  und  wir  sehen  hiervon  die 
traurigsten  Beispiele;  denn  im  Grunde  treibt  er  doch 
eigentlich  sein  Geschäft,  um  zuletzt  wieder  zur 
Synthese  zu  gelangen.  Liegt  aber  bei  dem  Gegen- 
stand, den  er  behandelt,  keine  zum  Grunde,  so  bemüht 
er  sich  vergebens  sie  zu  entdecken;  alle  Beobachtungen 
werden  ihm  immer  nur  hinderlich,  je  mehr  sich  ihre 
Zahl  vermehrt. 

Goethe. 

Im  Folgenden  wollen  wir  die  hauptsächlichsten  Entwicklungsrich- 
tungen zusammenstellen,  welche  für  die  einzelnen  Familien  der  Tagfalter 
in  Betracht  kommen.  Ferner  wollen  wir  insbesondere  diejenigen  Fälle 
hervorheben,  in  denen  dieselben  Eigenschaften  der  Blattähnlichkeit  auch 
in  anderen  Familien  außer  den  Nymphaliden  und  bei  nicht  eigentlichen 
Blattschmetterlingen  gebildet  worden  sind,  wenn  auch  nur  unvollkommen; 
dabei  spielen  vorzüglich  Binde  IV  und  III  wiederum  eine  Rolle  als 
Blattrippen. 

Hervorzuheben  ist  hierbei,  was  auf  Grund  der  vorausgesetzten  Ent- 
stehung der  Zeichnungstypen  als  einer  vorgeschrittenen  Umbildung  als 
selbstverständlich  erscheint,  daß  viele  Falter  Übergänge  zwischen  zwei 
oder  mehreren  Typen  aufweisen.  Es  können  nur  einzelne  solcher  Über- 
gänge hier  namhaft  gemacht  werden,  und  es  ist  überhaupt  nicht  möglich, 
jeden  Falter  mit  einer  einfachen  Bezeichnung  einem  bestimmten  Typus  zu- 
zuweisen. Dies  um  so  weniger,  als  insbesondere  Vorderflügel  und  Hinter- 
flügel häutig  verschiedenen  Typen  angehören.  Da  die  Vorderflügelzeichnung 
am  meisten  kennzeichnend  ist  und  da  sich  von  vornherein  manche  der 
von  mir  aufgestellten  Typen  nur  auf  sie  beziehen,  so  tritt  sie  überall  in 
den  Vordergrund.  Allein  in  Fällen,  in  welchen  die  Oberseite  (denn  nur 
diese  benütze  ich  ja  zur  Bezeichnung)  der  Hinterflügel  vorangeschritten 
ist  oder  einen  bestimmten  Typus  ausgeprägt  zeigt,  wird  es  sich,  will 
man  einem  Falter  seine  ganz  bestimmte  Stelle  anweisen,  empfehlen,  auch 


220  Entwickelungsrichtungen  bei  einzelnen  Familien  der  Tagfalter. 

den  Zeichnungstypus  der  Hinterflügel  mit  zu  verwenden,  indem  man 
üntertypen  aufstellt.  Solche  ergeben  sich  auch  schon  eben  wegen  der 
Übergangsstellung,  welche  viele  Falter  zwischen  Haupttypen  einnehmen. 
Man  könnte  so  zu  einer  zusammengesetzten  und  zuletzt  schwierig  aus- 
zudrückenden Namengebung  gelangen.  Ich  werde  mich  aber  im  Fol- 
genden darauf  beschränken,  einige  wenige  solcher  Bezeichnungen  anzu- 
wenden, und  muß  mich  im  Übrigen  damit  begnügen  die  Haupttypen  zu 
verwenden ,  welche  sich  in  der  That  überall  als  natürliche  erweisen. 
Indessen  will  ich  auch  durch  sie  den  Gegenstand  nicht  erschöpft  haben 
und  überlasse  Nachfolgern  gerne  hierin,  wie  in  der  Aufstellung  und 
Bezeichnung  von  zusammengesetzten  und  überhaupt  von  Untergruppen, 
ausgiebigen  Stoff  zur  Behandlung.  Insbesondere  bei  hochentwickelten 
Familien,  wie  z.  B.  den  Eryciniden,  sind  noch  einige  Typen  aufzustellen, 
w^elche  allerdings  nur  wenige  Glieder  umfassen. 


Papilioiiideii. 

Bei  den  Papilioniden  finden  wir,  abgesehen  von  der  bei  den 
Segelfaltern  so  verbreiteten  Längsstreifung,  dem  Älehion-Podalirius- 
Typus,  in  dem  wir  den  ursprünglichsten  Zeichnungstypus  vor  uns  haben, 
eine  ganze  Reihe  von  Typen,  welche  ebenso  wie  der  der  einfachen  Längs- 
streifung auch  noch  bei  anderen  Familien  vorkommen. 

Der  erste  der  hier  in  Betracht  kommenden  Typen  ist  der 

1)  Sarperfon-Z/^t-c^or/des-Typus  oder  der  Mittelfeld-Typus.  Da 
bei  den  Papilioniden  Binde  IV,  wie  schon  berührt,  keine  besondere  Rolle 
spielt,  kommt  sie  auch  bei  der  Bildung  des  Mittelfeldes  nicht  oder  nur 
wenig  in  Betracht.  Die  innere  Grenze  desselben  wird  häufig  durch 
Binde  IX  hergestellt,  die  äußere  durch  III,  bezw.  durch  deren  Verbrei- 
terung nach  innen.  Dies  sind  aber  ursprüngliche  Verhältnisse,  welche 
durch  allseitiges  Hereingreifen  der  Grenzen  und  Verkleinerung  des  Mittel- 
feldes, wie  bei  Machaon-Asterias,  meist  vervi'ischt  werden. 

2)  Der  Sihylla-prorsa-Zarinda-  oder  Mittelfeld-Schrägfleck- 
Typus  findet  sich  in  ersten  Anfängen  bei  Formen  wie  Thoas,  dann  findet 
er  sich  bei  Hespeius  und  Delalandii  (Abb.  Thoas,  Hesperiis ,  Delalandit). 
Eine  andere  Ausbildung  bietet  die  Zeichnung  von  Lycortas  und  Verwandten: 
P.  Cleotas ,  Bitias ,  Laetitia ') ,  indem  die  Fleckreihe  D  bei  Lycortas 
(Abb.  i69)  an  die  Stelle  von  E  bei  Thoas  getreten  ist.  Den  Ausgangs- 
punkt dieser  Gruppe  bilden  die  Schwalbenschwänze.  Mit  der  Zeichnung 
von  Lycortas  in  gewisser  Beziehung  steht  wiederum  die  von  Äntenor 
(Abb.  170),  welche  zum 

3)  hellen  Großfleck-Typus  gehört. 

P.  Antenor  aus  Madagaskar  hat  eine  vollkommene  weiße  Fleckzeich- 
nung,  welche   leicht   auf  unsere  Binden  und  Bänder  zurückzuführen  ist. 


1]  Staud.  Taf.  -lO. 


Papilioniden. 


221 


l^ Wis: 


Abb.  168.     Pupilio  Hespertts  Westw. 


Abb.  170.     Papilio  Antcnor  Di:u. 


Abb.  169.     Pupilio  Lycorias  Feld. 


222 


Entwickelungsrichtiingen  bei  einzelnen  Familien  der  Tagfalter. 


Zu  äußerst,  zwischen  I  und  II,  liegt  eine  Fleckreihe,  dann  nur  vorn 
zwei  Flecke,  von  welchen  der  vordere  ß,  der  hintere  wohl  C  entspricht, 
dann  eine  Fleckreihe  D  (IV — V/VI) ,  dann  in  der  Mittelzelle  ein  Fleck  F 
(V/VI— VII/VIIIj,  einer  11  (VII/VIII  — IX)  und  einer  J  (IX— X/XI).  Auf 
den  Hinterflügeln  ist  eine  Fleckreihe  A  ,  dann  vorn  eine  halbe  Reihe  Z), 
innen  einige  Flecke  J  oder  IIJ. 

Von  P.  Ä7iteno7^  gelangen  wir  zur  Zeichnung  weißgefleckter  Ornitho- 
ptera,  besonders  von  0.  Priamus. 

Noch  ursprünglicher  ist  die  helle  Großfleckzeichnung  z.  B.  bei  P.  Aga- 
memnon^), aber  in  grüner  Grundfarbe,  und  hier  ist  noch  schöner  als  bei 
Anteiior  ihr  Zusammenhang  mit  ursprünglicher  Grundbandzeichnung  zu 
erkennen. 

Bei  dem  gleichfalls  zu  den  Papilioniden  gehörigen  Leonidas  ist  die 
Beziehung  zu  Antenor  deutlich,  aber  die  Hinterflügel  haben  ein  kurzes 
breites  Innenfeld, 

4)  Den  Aw^/iws-Typus  vertritt  P.  Xenodes;  zwischen  ihm  und  dem 

Zeowirfas-Typus  steht  P.  Leucadion^). 

P.  Hector'^)  hat  in  der  Vorderflügelecke  im  schwarzem  Grunde  noch  eine  Fleck- 
reihe, wahrscheinlich  zu  C  gehörend,  weiter  hinten  ein  Band  entsprechend  F,  auf  den 
Hinterflügeln  eine  Reihe  äußerer  roter  Flecke  A,  eine  Reihe  innerer  solcher  Flecke  D 
und  zuweilen  noch  an  der  Außengrenze  der  Mittelzelle  einen  roten  Fleck  (V/VI — Vll) 
(Das  betr.  Stück  unserer  Sammlung  stammt  aus  Ceylon.)  Er  stimmt  in  der  Vorder- 
flügelzeichnung mit  einzelnen  Gliedern  des   Cardui-Atalanta-T\^\xi  überein. 

5)  Als  Vertreter  des  Bolina-Alyattes-  oder  Sechsfleck- Vier- 
fleck-Typus haben  wir  die  Alyattes-  und  zahlreiche  andere  Aristolochien- 

Falter,  nebst  den  ebenso  gezeichneten  und 
gefärbten,  welche  als  mimetische  gelten:  für 
diese  bildet  den  Ausgangspunkt  Hectorides  Q, 
für  jene  Agavus,  beides  in  der  Weise,  daß  das 
Mittelfeld  der  Vorderflügel,  welches  hier  noch 
langgestreckt  vorhanden  ist,  gleich  dem  der 
Hinterflügel  in  einen  kurzen  Fleck  sich  ver- 
wandelt haben  muß 4). 

Dem  Bolin a-  oder  Sechsfleck-Typus  ver- 
wandt erscheint  P.  Triopas ^:.  Ihm  homoeogenetisch 
ähnlich ,  aber  noch  mit  einem  weiteren  hellen  Fleck 
auf  den  Vorderflügeln  ist  P.  //«/;« e/jC).  Hahneli  hat, 
wie  schon  Staudinger  hervorhebt,  eine  ziemliche  Ähn- 
lichkeit der  Vorderflügel  mit  der  Danaide  Thyridia 
singularis'i ,  während  die  Hinterflügel  in  Zeichnung, 
besonders  aber  in  der  Gestalt  sehr  verschieden  sind: 
es  kann  hier  Mimicry  nichtbeansprucht  wer- 
den, um  so  weniger,  als  beide  Arten  ungenieß- 
bar sind.  Die  Zeichnung  der  Vorderflügel  erscheint  in  beiden  Fällen  beinahe  als 
Querstreifung,  ofTenbar  in  Zusammenhang  mit  der  langgestreckten  Flügelform. 


Abb.  171.    Papilio  Alyattes 'S eld.  ^ 


1)  Staud.  Taf.  6. 
Staud.  Taf.  Il,  8,  9. 


2j  St.  Taf.  1  3. 
5)  St.  Taf.  9. 


3;  St.  Taf.  3. 
6i  Ebenda  Taf.  13. 


4)  Vergl.  hierzu 
7)  Ebenda  Taf.  27. 


Papilioniden. 


223 


Abgesehen  von  schwarz-rot-gelber  Helikoniden-Zeichniing  tritt  auch 
nahezu  oder  vollkommen  schwarze  Einfarbigkeit  als  Endziel  der  Ent- 
wickelung  wenigstens  auf  der  Oberseite  auf  [Turnus  Glaucus  Q^],  Sem- 
peri'^)  und  Cauca'^]).  Andererseits  giebt  es  hier  Endentwickelung  zu  fast 
vollkommener  heller  Einfarbigkeit  wie  bei  Merope  (J^. 

6:  Den  Schrägband-Typus  vertreten  P.  AndrogeosQ,  Bitias  u.  a.^), 
deren  Zeichnung  wiederum  der  Vorderflügelzeichnung  von  Alijattes  Q.  und 
Verwandten  derselben  entspricht. 

Den  Schrägband-Innenfeld-Typus  haben  die  gewöhnlichen 
J/e/'ojoe-Weibchen,  der  Übergang  vom  gewöhnlichen  Mittelfeld  aus  ist 
schon  bezeichnet  durch  P.  Hectorides  (^,  P.  torquattis'^],  bei  welchen  sich 
das  Mittelfeld  auf  den  Hinterflügeln  nach  innen  bis  an  den  Flügelrand 
erstreckt. 

7)  Fächerzeichnung  der  Vorderflügel  haben  gelbe  Ornithoptera, 
Aristolochienfalter  und  die  ähnlich  gezeichneten  und  gefärbten  Papilio- 
niden''). Manche  dieser  Falter  haben  zugleich  ein  Mittel-  oder  Innenfeld 
auf  den  Hinterflügeln. 

Ein  für  die  Bildung  der  Vorderfliigelbänder  höchst  bemerkenswerter  Falter 
ist  die  Papilionide  Teinopalpus  imperialis  aus  dem  hohen  Himalaja"].  (5  und  Q 
sind  verschieden  gefärbt,  aber  in  den  Grundzügen  gleich  gezeichnet.  Unten  und  oben 
haben  beide  ein  grünes  Binnenfeld,  welches  nach  außen  durch  Binde  YIII  scharf  be- 
grenzt ist.  Unten  ist  beim  (5  ein  gelbbraunes,  beim  Q  ein  graues  Außenfeld  vorhan- 
den, in  welchem  zwei  starke  Binden:  III  und  IV  auf  den  Yorderflügeln  liegen,  ferner 
zwei  Randbinden.  Auf  den  Hinterflügeln  entsteht  beim  (5  unten  und  oben,  abgegrenzt 
nach  innen  durch  YIII,  nach  außen  durch  III,  ein  gelbbraunes  Mittelfeld.  Auf  der 
Oberseite  sind  die  Binden  III  und  IV 
bei  beiden  Geschlechtern  als  breite 
Schatten,  bemerkbar.  Zwischen  und 
nach  außen  von  ihnen  treten  beim  S 
grünliche  beim  £:  teils  grüne,  teils 
graue  Bänder  auf  und  zwar  B  (oder 
AB),  C  und  D— G  flV— VIII). 

Wie,  im  Gegensatz  zu  dem 
gewöhnlichen  Verhalten ,  die 
Grundbinden  auf  Kosten  der 
Grundfarbe  stark  verbreitert, 
aber  in  ursprünglichem  Zustand 
auf  dem  größten  Teil  der  Flügel 
erhalten  sein  können,  dafür 
liefert  im  Vergleich  zu  den 
Segelfaltern   bezw.  zu   Alebion- 

Glycerion-Paphus-Podalirius   ein  y^^''    yf^'W-^S^'  ^'=^" 

prächtiges  Beispiel  die  übrigens  -^f^    JF    y^Be.ihhr<xv.n 

in  Beziehung  auf  die  Flügelform, 
die   vierfachen    Schwänze    und  Abb.  itj.   Armandia  Lidderdaia  Atk. 

1)  meine  »Artbildung«  Taf.  8.  2)  Stacd.  Taf.  5,  Semper  a.  a.  0.  Taf.  47. 

3)  St.  Taf.  9.  *;  St.  Taf.  tO.  5    Sx.  Taf.  lt.  6,,  so  Aecjeus  c 

Abb.  218  und  Polyles  £  Abb.  219.  'j  St.  Taf.  U. 


224 


Entwickelungsrichtuiigen  bei  einzelnen  Familien  der  Tagfalter. 


die  Hinterflügelzeichnung  weit  vorgeschrittene  Papilionide  Armandia 
Lidderdalii  (Abb.  172)  aus  Bhutan.  In  eine  verschmolzen  sind  bei 
diesem  Falter  nur  Binde  V/VI  —  nach  Maßgabe  der  Lage  auf  der  äußeren 
Grenze   der  Vorderflügel-Mittelzelle  —  und  X/XI. 

Es  handelt  sich  dabei  um  eine  merkwürdige,  weil  sehr  sel- 
tene, nur  vereinzelt,  aber  bei  ganz  verschiedenen  Familien  vorkommende 
Entwickelungsrichtung  (vergleiche  hinten  Eryciniden  und  Lycaeniden 
unter  1 1 ). 

Dieser  Falter  ist  noch  dadurch  bemerkenswert,  daß  die  Verlängerung 
der  Vorderflügel  bei  ihm  auf  off"enbar  ganz  gleichmäßiger  Verbreiterung 
der  je  einer  Binde  samt  dazu  gehörigen  Teilen  von  Grundfarbe  ent- 
sprechenden Flügelabschnitte  beruht,  dergestalt,  daß  diese  Verbreiterung 
nur  vorne  etwas  stärker  ist,  als  hinten.  Zugleich  sind  die  Binden  II 
und  III  einerseits,  IV,  V/VI,  VII  andererseits  hinten  zu  je  einer  gemein- 
samen Binde  verschmolzen,  so  daß  am  Hinterrande  der  Vorderflügel  nur 
noch  sechs  Binden  auftreten. 

Auf  diese  Weise  ist,  insbesondere  in  Folge  des  gleichmäßigen 
Wachsens  aller  Teile,  trotz  der  Verlängerung  der  Vorderflügel  keine 
Querstreifung  entstanden,  wie  bei  später  zu  behandelnden  Faltern,  son- 
dern es  ist  ziemlich  bei  der  Längsstreifung  ')  verblieben. 

Übergang  von  den  Papiliouiden  durch  die  Parnassier  zu  den 
Pieriden  und  von  diesen  zu  gewissen  Danaiden. 


Abb.  173.    Parnussius  Eversmanni  Men.    Q. 


Abb.  174.    Purnassius  Apollo  L. 


Es  gehört  die  Armandia  Lidderdalii  in  die  Nähe  von  LiieJulorßa  Puziloi, 
welche  den  Übergang  von  den  Segelfaltern  zu  den  Parnassiern  vermittelt. 

Dieser  ostasiatischen  Puziloi'^],  einem  Segelfalter-ähnlichen  Papilioniden, 
steht  zunächst,  mit  noch  sehr  Segelfalter-ähnlicher  Grundzeichnung,  Par- 
7iassius  Eversmanni  Q   aus  Sibirien  (Abb.  1 73),  auf  dessen  Zeichnung  sich 


1)  In  dem  von  mir  vorausgesetzten  Sinne  der  ürstreifung  des  Körpers  und  beider 

2)  Staud.  Taf.  ^  4. 


Flügel  zusammen. 


Nymphaliden.  225 

die  von  P.Apollo  (Abb.  174)  und  die  der  übrigen  Parnassier  leicht  zu- 
rückführen läßt.  Sehr  Pieriden-ähnlich  ist  P.  Mnemosyne,  vor  allen  aber 
Ismene  [Hypermnestra)  helios.  Andererseits  sind  diesen  Faltern,  bezvv.  den 
verwandten  Pieriden  vsiederum  nahestehend  gewisse  Danaiden,  wie  die 
schon  erwähnte  Ithomia  pardalis^].  Die  Verwandtschaft  aller  drei  findet 
vorzugsweise  Ausdruck  in  der  Verkleinerung  der  Binde  V  VI  zu  jenem 
auf  der  äußeren  Grenze  der  jMittelzelle  bei  den  Pieriden  so  häufig  ge- 
legenen schwarzen  Fleck,  welche  Verkleinerung  schon  bei  Apollo  und 
Mnemosyne  vollzogen  ist,  während  bei  Ithomia  pardaUs  zwei  solcher 
Flecke  dort  gelegen  sind. 

Nymphaliden. 

Bei  den  Nymphaliden  finden  wir  fast  alle  Zeichnungstypen,  welche 
wir  von  anderen  Familien  kennen,  wieder.  Der  einfachste  bei  ihnen  zu 
beobachtende  Typus  ist 

1)  der  Daraxa-  oder  Mittelfeld-Typus,  welcher  nach  der  Li- 
menitis  Daraxa  benannt  ist,  die  diesen  Tj3)us  am  ausgesprochensten 
trägt    Abb.  175). 

Bei  ihr  ist  das  Mittelfeld   rein  weiß,   ebenso  bei  Cha- 

T    TT 
raxes  Brutus  und  Limenilis  Dudu'~.  nur  kommt  bei  letzterer  ^^  /r 

noch  eine  eigentümlich  schief  nach  außen  und  vorn  vom 
vorderen  Drittel  des  Mittelfeldes  des  Yorderflügels  verlau- 
fende Reihe  von  drei  weißen  länglichen  Flecken  hinzu.  Auf 
den  Vorderflügeln  hellbraun,  hinten  weiß  ist,  wie  schon 
beschrieben,  das  Mittelfeld  bei  Limenitis  Zayla ,  Adelpha 
Erotia  und  Apatura  Lzicasii,  nur  auf  der  Vorderhälfte  der 
Vorderflligel  braun  ist  es  bei  Apatura  Laurentia^].  Ein  ganz 
braunes  Mittelfeld  haben  RInnopaipa  Sabina  und  Palla  De- 
cius  Q .  Ein  blauschillerndes  Mittelfeld  haben  verschiedene 
Prepona-krten*  .  Im  Übrigen  sei  auf  das  vorher  über  den 
Mittelfeld-Typus  Gesagte  verwiesen,  insbesondere  auf  die 
Entstehung  desselben  bei  Adelpha  Syme.  Abb.  159. 

Ein    zweiter    Zeichnungstypus    der    Nymphali- 
den ist 

2)  der    Mittelfeld-Eckfleck-T vpus,    wel-     ., 
chen  WH'  nach  unserer  Limenitis  btoylla  als  Sibylla- 
Typus  bezeichnen  (Abb.  161'.     Er  findet  sich  bei 

unseren  einheimischen  Limenitis-Arlen ,  bei  unseren  Apaturen  und  bei 
{'anessa  prorsa.  Weitere  diesem  Typus  angehörige  Formen  sind  schon 
früher  namhaft  gemacht  worden. 

3^  Einen  anderen  hier  maßgebenden  Typus  stellt  der  Cardui- 
Atalanta-ljiachis- Dirce-  oder  der  Eckfleck-Schrägband-Typus 
dar  (Abb.  79  bis  87],  der  im  Vorhergehenden  schon  ausführlich  behandelt 
worden  ist,  so  daß  eine  Hinweisung  auf  S.  150  ff.  genügt. 

4)  Sodann  folgt  der  Ritspina-Ty^fus,  bei  welchem  nur  noch  ein 
helles  Schrägband  ohne  Eckflecke  vorhanden  ist  wie  bei  Dirce,  aber  das 


1)  Staud.  Taf.  29.  2j  St.  Taf.  50.  3    St.  Taf.  55.  *)  St.  Taf.  56. 

Eimer,  Orthogenesis.  ^5 


226  Entwickelungsrichtungen  bei  einzelnen  Familien  der  Tagfalter. 

Schrägband  entspricht  einer  weiter  vorne  gelegenen  Fleckreihe.  Hierher 
gehören  z.  B.  Euphaedra  Ruspina,  verschiedene  Cethosien,  Euryphene  plist- 
onax  u.  a.,  welche  ebenfalls  schon  früher  beschrieben  worden  sind. 

5)  Der  Schrägband-Mittelfeld-Typus  ist  bei  den  Nymphaliden 
durch  einige  afrikanische  HypoUmnas-kvien  vertreten  (S.  163  ff.). 

6)  Ein  sehr  ausgezeichneter  ist  der  _ßo/nja-Typus,  der  aber  unter 
den  Nymphaliden  nur  wenige  Vertreter  hat,  welche  schon  früher  auf- 
gezählt worden  sind.  Er  ist  fast  nur  durch  Männchen  vertreten 
(Abb.  M2). 

7)  Der  Xuthiis-  oder  Querstreifen-Typus  ist  ebenfalls  bei  den 
Nymphaliden  nur  durch  wenige  Formen,  wie  Penthema  Lisarda  i)  vertreten. 

8)  Den  Anontala-  oder  hellen  Kl  ein  fleck- Typus  zeigen  ebenfalls 
nur  wenige  Nymphaliden. 

9)  Ein  besonders  den  Nymphaliden  eigener  Typus  ist  der  Pardalis- 
Typus:  er  ist  auf  S.   179  ff.  behandelt. 

10)  Der  Argynnis  Paphia-  oder  Schwarzfleck-Typus  mit  gelb- 
roter  Grundfarbe  ist  hauptsächlich  bei  den  Äryynnis-  und  einzelnen 
3k'litaea-Arten  vertreten  oder  er  zeigt  sich,  wie  schon  früher  erwähnt, 
meist  nur  auf  der  Unterseite.  Er  besteht  darin,  daß  auf  hellerem  Grunde 
dunkle  Fleckreihen  (Reste  der  Grundbinden)   auftreten. 

1 1 )  Die  Rieselungs-Zeichnung  findet  sich 
nur  bei  w-enigen  Nymphaliden-Gattuugen,  namentlich 
bei  ^naea-Arten  auf  der  Unterseite  (s.  vorher). 

12)  Die  ringförmige  Zeichnung  endlich  kommt 
nur  bei  Nymphaliden  vor  und  zwar  besonders  bei 
Agri'as-,  Dynaviine-^  CalUcore-  und  Catagratnma-ÄTten 
(Abb.   1 76  und  die  früher  gegebenen) . 

Die    so    mannigfach    abändernde    Zeichnung    der 
Phyciodes-krlen,  ebenso  wie  die  Zeichnung  der  At/iyma- 
caiUcoTlsllia  Qvt^.    und  Neptis-kvien  ist   ausführlich  in  dem   Abschnitte 
über  die   »Zeichnung  der  Helikonier  und   der   hell- 
konier-ähnlichen  Falter <    besprochen  worden,  so  daß  hier  auf  diesen  ver- 
wiesen sein  mag. 


Anhang:   Die  Zeichnung  der  Ageronien. 

Teils  bekannte,  teils  besondere  Entwickelungsrichtang  zeigen  unter 
den  Nymphaliden  die  Ageronien.  Nach  den  mir  vorliegenden  sieben 
und  weiteren  vier  bei  Staudinger  abgebildeten  Arten  sind  unter  den- 
selben diejenigen  noch  als  die  ursprünglichsten  in  Beziehung  auf  die 
Zeichnung  der  Oberseite  zu  bezeichnen,  welche  hier  schwarze  Flecke 
{A.  albiconiis)  oder  zum  Teil  noch  Reste  von  schwarzen  Binden  in  grau- 
blauer Grundfarbe    tragen,    die   beide,    Flecke    und  Binden,     einfach   auf 


1)  Staud.  Taf.  48. 


Die  Zeichnung  der  Ageronien.  22 


lJ.t 


die   ursprünglichen  Grundbinden  zurückzuführen  sind.     Im  ersteren  Falle 
handelt  es  sich  um  schwarzen  Fleck- Typus. 

Diese  Flecke  und  Bandreste  von  Ageronien  sind  es  nun,  welche, 
wie  bei  Ageronia  fornax  (Abb.  IT*  ,  zickzackartig  werden  und  so,  samt 
der  umgebildeten  Randaugen-Zeichnung,  Ähnlichkeit  mit  Baumrinde  er- 
zeugen. Dabei  lassen  sich  wie  die  Grundbinden  so  auch  die  ursprüng- 
lichen Bänder  noch  deutlich  erkennen.  'Ebenso  verhalten  sich  .4.  Epinome^ 
Ä.  Fcronia,  A.  Ferenlina.  Diese  Rindenzeichnung  ist  übrigens  in  ahn- 
lieber  Weise,  wenn  auch  in  schwarzen  Flecken,  ausgeführt  bei  der  Nym- 
phalide  Dichorragia  Nesimachus  (^^].  Unter  den  Grundbändern  der  ab- 
gebildeten -1.  fornax  fällt  besonders  auf  CD  als  einwärts  gerichteter 
Schrägfleck  der  Vorderflügel,  sodann  F  und  dann  D.  Die  Ageronien 
stehen   offenbar  am  nächsten  den  Vanessen,    wie  auch  die  im  Folgenden 


JlS.   agnEc  ^ 


ME 


Abb.   177.     Afjeronia  fornax  HCbx.  Abb.  17S.     Ageronia  Ärüiomt  Luc. 

ZU  erwähnenden  Arten  mit  ausgebildeter  Schrägfleck-  bezw.  Schrägband- 
Zeichnung  zeigen. 

Weitere  Umbildung  der  zickzackähnlich  gezeichneten  Ageronien,  seit- 
liche Verschmelzung  von  Teilen  der  Zickzackbinden,  wie  sie  bei  der 
abgebildeten  A.  Arinome  im  Werden  ist,  führt  zu  hellgefleckten  Arten, 
ähnlich  manchen  Euploeen  oder  der  Nymphalide  S//6oc/H'ona  AVcea-).  Da- 
hin gehören  Ageronia   velutinu  und  Arete''^):  heller  Kleinfleck-Typus. 

Statt  des  weißen  Schrägfleckes  sind  zuweilen  deren  mehrere  vor- 
handen (bei  A.  Belladonna  vier)  oder  es  entsteht  auf  den  Vorderflügeln 
zuweilen  ein  Schrägband  wie  bei  der  von  uns  abgebildeten  Arinome\ 
zuweilen  sind  auch  hier  in  den  Vorderflügelecken  noch  helle  Flecke  vor- 
banden,  während  die  Grundfarbe  im  Übrigen  blau  werden  kann  wie 
bei  den  weißgefleckten  Euploeen.  Auch  in  dieser  Schrägbandbildung 
zeigt  sich  die  Verwandtschaft  der  Ageronien  mit  dem  Cardui-Alalanta- 
/nac/us-Typus. 


1;  Staud.  Taf.  5  6.     Man  vgl.  auch  A.  Alicia  und  albicornis  bei  Staidixger. 
2,  St.  Taf.  43.  3.  St.  Taf.  44. 

13* 


228  Entwickelungsrichtungen  bei  einzelnen  Familien  der  Tagfalter. 

Auf  der  Unterseite  der  Vorderflügel  haben  die  meisten  Ageronien 
noch  sehr  schön  die  drei  weißen  Fleckreihen  oder  auch  ein  helles 
Schrägband.  Bunte  Färbung,  Gelbbraun  oder  Rot  tritt  besonders  auf 
den  Hinterllügeln  auf,  zuweilen  mit  Fächerzeichnung  [A.  Belladonna),  oder 
beide  Flügel  sind,  abgesehen  von  dem  Schrägbande,  unten  einfarbig 
geworden  {A.  Arete)  oder  ganz  einfarbig  [A.  velutina) ').  Nur  rote  Rand- 
und  Flügelwurzelflecke  sind  hier  geblieben. 

Im  Übrigen  ist  somit  auch  die  Rindenzeiclinung  der  Ober- 
seite von  Ageronien  aus  der  ursprünglichen  Grundzeichnung 
von  Längsbinden  entstanden  und  ist  dabei  von  »Gesetzes -Über- 
schreitungen« und  »Dispens-Erteilen  von  den  Bildungsgesetzen«,  wie 
Herr  August  Weismann  gerade  in  Beziehung  auf  diesen  Fall  so  nach- 
drücklich meint'-),  keine  Rede. 

In  Beziehung  auf  den  Schutz,  welchen  die  Rindenzeichnung  der 
Oberseite  den  Ageronien  gewähren  mag,  sei  hier  noch  das  Folgende 
bemerkt.  Zu  behaupten,  daß  sie  als  »einzige  Gattung  und  abweichend 
von  fast  allen  übrigen  Tagfaltern  die  Flügel  in  der  Ruhe  ausbreitet, 
wie  die  meisten  Nachtfalter«'^),  um  so  beweisen  zu  können,  daß  das 
rindenartige  Aussehen  auf  durch  Zuchtwahl  entstandener  Schutz  Verklei- 
dung beruhe,  widerspricht  vollkommen  den  Thatsachen.  Viele  in  keiner 
Weise  geschützte  Falter,  insbesondere  auch  solche  mit  prachtvollen  Farben 
auf  der  Oberseite  breiten  ihre  Flügel  beim  Sitzen  aus  und  zeigen  diese 
Farben,  so  manche  Vanessen,  wie  Vanessa  lo,  urticae  u.  a.,  in  geradezu 
herausfordernder  Weise,  ohne  daß  sie  etwa  ungenießbar  wären"*). 

Daß  die  Ageronien  durch  die  Art  ihres  Sitzens  an  Baumstämmen 
schwer  sichtbar  und  darum  auch  vor  etwaiger  Verfolgung  geschützt  sein 
werden,  ist  nicht  zu  bezweifeln.  Hervorzuheben  aber  ist,  daß  die  nach 
Hahnel's  Beobachtungen  wachsamen  Ageronien«  die  ersten  Schmetter- 
linge sind,  welche  bei  Störung  abfliegen,  und  daß  sie  sich  somit,  wie 
schon  berührt  wurde,  auf  diesen  Schutz  nicht  verlassen,  was  gegen 
maßgebende  Bedeutung  desselben  für  Entstehung  von  Farbe  und  Zeich- 
nung auch  dieser  Falter  spricht,  ganz  abgesehen  von  der  auf  Seite  68 
schon  aufgeworfenen  Frage,  ob  die  Ageronien  sich  nicht  erst  nach  Ent- 


1)  Staud.  Taf.  44. 

2)  »Gerniinalselektion«  S.  -10.  Mit  Bezug  eben  auf  die  Ageronien  spricht  Herr 
Weismann  hier  jenen  grundfalschen  Satz  aus:  »Jedenfalls  sind  also  diese  vermeintlichen 
»Bildungsgesetze«  nicht  bindend;  es  kann  von  ihnen  Dispens  erteilt  werden  und  er 
wird  erteilt,  sobald  es  die  Nützlichkeit  verlangt«. 

3j   »Gerniinalselektion«  S.  10. 

*)  Dies  ist  doch  wohl  jedem  schmettcrlingsfangenden  Knaben  bekannt.  Der  ge- 
lehrte Zoologe  August  Weismann  hat  es  aber  so  vollkommen  vergessen,  daß  er  ob  der 
vermeintlichen  Ausnahme,  welche  die  Ageronien  hierin  spielen  sollen,  leichthin  zu  dem 
wichtigen,  wiederum  gesperrt  gedruckten  Satze  kommt:  es  »lassen  doch  schon  die  ange- 
führten Thatsachen  keinen  Zweifel  darüber,  daß  nicht  innere  Notwendigkeit,  sog. 
Bildungsgesetze,  die  Flächen  der  Schmetterlingsflügel  bemalt  hat,  son- 
dern daß  die  Lebensbedingungen  (soll  heißen  Selektion;  den  Pinsel  führen«. 
(»Germinalselektion«  S.  10;. 


Pieriden. 


229 


stehung  des  düsteren  Aussehens  ihrer  Oberseite  an  die  eigen- 
artige,  sie  schützende  Haltuna;  der  Flüeel  beim  Sitzen  gewöhnt  haben. 
Dazu  kommt  nun  noch,  daß  offenbar  aus  der  Zickzackzeichnung  der 
rindenähnlichen  Ageronien  erst  die  Euploeen-ähnliche  Weißfleckzeichnung 
hervorgegangen  ist,  wofür  die  von  uns  abgebildete  A.  Arinome  den  Über- 
gang zeigt.  Auch  demnach  handelt  es  sich  in  der  Zickzackzeichnung  nicht 
um  eine  durch  den  Zwang  der  Anpassung  bestehende  Zeichnung,  sondern 
nur  eben  um  eine  Stufe  auf  dem  Wege  bestimmter  Entwicklungsrichtung 
(Genepistase). 

Dazu  kommt  endlich,  daß,  wie  die  Nymphalide  Dichorragia  Nesimachus 
beweist,  auch  andere  Falter  auf  der  Oberseite  eine  rindenartige  Zeichnung 
haben  und  zwar  auf  Grund  derselben  Entwickelungsrichtung,  nämlich 
des  Zerfalls  der  Längsbinden  in  verschiedengestaltete  Stücke,  ähnlich 
wie  sie  Ageronia  Alicia  i)  besitzt.  Von  diesem  Falter  aber  sagt  Herr 
L.  Martin'-):  »It  is  found  off  setting  on  forest  roads  with  ivings  only 
half  open  and  has  a  very  rapid  flight  .  .  .  .« 


Pierideu. 

Bei  den  Pieriden  kommt  keine  Grundbindenzeichnung  mehr  vor, 
auch  finden  wir  den  reinen  Mittelfeld-Typus  nur  selten  vertreten. 
Ganz  rein  zeigt  ihn  Archonias  sebennica  (Abb.  179). 

Dem  Sibylla-Zarinda-  oder  Mittelfeld-Eckfleck-Typus  gehört 
Tachyris  Zarinda  (Abb.  181)  an.    Die  Abänderung  dieses  Typus  zum  Eck- 


Abt.  179. 
Archonias  sebennica  Lcc.  (J. 


Abb.  180. 
Pereute  Charops  Boisd. 


Abb.  181. 
Tachyris  Zarinda  Boisd. 


fleck-Innenfeld-Typus    zeigen    Pereute   chiriquensis   und   Archonias    pitana 
(Abb.  77)3),  welche  wiederum  gewissen  Satyriden,  wie  Melanagria-kvien 

1)  Staud.  Taf.  44. 

2)  L.  Martin:  A  list  of  the  Butterflies  of  Sumatra  by  L.  de  Niceville  and 
L.  Martin,  reprinted  from  the  Journal,  Asiatic  Society  of  Bengal  Vol.  XLIH.  Part,  il 
No.  3.  1890.     Calcutta  1893.  S.  414.  3)  St.  Taf.  15. 


230  Entwickelungsrichtungen  bei  einzelnen  Familien  der  Tagfalter. 

ähnlich  sind.  Bei  diesen  Faltern  hnt  sich  das  Mittelfeld  so  sehr  ver- 
breitert, daß  dieselben  bis  auf  schwarze,  weißgefleckte  Eckflügel-  und 
Randzeichnung  weiß  (oder  gelb)  geworden  sind  —  ein  Übergang  wieder 
zum  llijale-  oder  /i/as^/cae-Typus.  Auf  die  Zeichnung  der  anderen 
Pereute-kvien  kommen  wir  sogleich  zu  sprechen. 

Der  Cardui-Atalanta-T^li-a^  ist  bei  den  Pieriden  durch  Pereute 
Charops  vertreten  (Abb.  180):  wir  finden  also  im  Hinblick  auf  das  vorher 
über  Pereute  chiriquensis  Gesagte  hier  ein  hervorragendes  Beispiel  des 
Vorkommens  gänzlich  verschiedener  Zeichnungstypen  bei  einer 
und  derselben  Gattung. 

Bei  weitem  die  größte  Menge  der  Pieriden  aber  ist  nach  dem  Hyale- 
Edusa-  Brassicae-Glaiicippe-  oder  dem  Eckflügelzeichnungs- 
Typus  der  Pieriden  gezeichnet. 

Hier  finden  wir  nun  folgende  Untertypen: 

1)  Gewisse  Zeichnungen  der  Vorderflügel  und  besonders  der  Vorder- 
MQselecke  bei  manchen  Pieriden  leiten  sich  unmittelbar  von  den  Par- 
nassiern  ab  und  zwar  ist  die  nächslstehende  Parnassierform  Isinene  helios. 
Es  handelt  sich  um  eine  Eckflügelzeichnung  gebildet  aus  II — III  oder 
II — III/IV  mit  dazwischen  gelegenen  hellen  Flecken  (B;,  wozu  dann  auf 
der  äußeren  Grenze  des  Mittelfeldes  ein  schwarzer  Strich  oder  Fleck 
;V/VI)  kommt.  (Bei  Ismene  heiius  ist  in  der  Mittelzelle  auch  noch  ein 
schwarzer  Fleck  VIII  vorhanden.)    //?/a/('-Typus. 

So  sind  die  Verhältnisse  bei  vielen  Weißlingen  und  bei  Co/«as-Arten, 


Ahh.  1^2.     Ismene  helios  Nick.  Abb.  1S3.     Colias  liijalc  L.  Abb.  184.     C'olias  edttsa  F. 

wie  bei  Pieris  bellidice,  callidice,  daplidice,  Anthocharis  belemia,  belia,  Colias 
lijjale,  phicomene  u.  a. 

2)  Bei  C.  Hijale  und  zahlreichen  anderen  Pieriden  findet  sich  nicht 
nur  auf  den  Vorderflügeln,  sondern  auch  auf  den  Hinterflügeln  im  Außen- 
rande der  Mittelzelle  ein  schwarzer  oder  aber  ein  farbiger  Fleck,  auch 
hier  V/VI  entsprechend.     [Colias  rhamni,  edusa  u.  s.  w.). 

3)  Es  entsteht  eine,  meist  auch  auf  die  Hinterflügel  sich  erstreckende 
schwarze  Binde  mit  Verbreiterung  in  den  Vorderflügelecken  durch  Ver- 
schmelzung von  Binde  I  — III  oder  I — IV.    Dazu  kann  dann  der  Fleck  V/VI 


Pieriden. 


231 


vorn  oder  vorn    und  hinten  kommen:   Colias   edusa,    C.  palaeno   u.  s.  vv. 
Edusa-Typus. 

4i  Es  bleibt  im  Wesentlichen  oft  neben  dem  V/VI-Fleck  nur  noch 
eine  schmale  schwarze  Vorderllügel-Eckbegrenzung  (1):  Antfwchan's  car- 
damines  oder  ein  Fleck  auf  der  Vorderflügelecke  I.  II  oder  I.  II.  III:  Leu- 
cophasia  sinapis,  Archonias  corcyra,  Eurema^  Pieris  agathina^).  Oder  es 
entsteht  eine  vergrößerte  schwarze  Vorderflügel-Eckzeichnung,  welche 
von  Binde  I  bis  VI  reichen  kann,  durch  Verschmelzung  der  bezüglichen 
Bindenstücke,  z.  B.  Delias  Egialea-):  Brassicae-Glaudppe-T\Y)\is. 

D;  Durch  Schwinden  aller  dieser  Zeichnungen  entsteht  Einfarbigkeit, 
Weiß  oder  Gelb.  Zuweilen  bleiben  nur  noch  die  Flecke  V  VI  auf 
Vorder-  und  Hinterflügeln  bestehen,  so  z.  B.  bei  Colias  rhaniiii,  oder  Reste 
von  IV,  wie  die  schwarzen  Flecke  auf  den  Vorder-  und  am  Vorderrande 
der  Hinterflügel  bei  P.  brassicae  Q,  und  indem  die  Männchen  den  Weib- 
chen in  der  Entwickelung  voranschreiten,  sind  erstere  häufig  einfarbig 
geworden,  während  letztere  noch  Reste  von  Zeichnung  (IV  der  Abbil- 
dung] haben.     Auch  P.  rapae  q^  hat  weniger  solche  Flecke  als   Q. 


Abb.  1S5.     Pieris  brassicae  L.  C. 


Abb.  1>H.  Hihomoia  Glancippe  L. 


6)  Es  bleibt  eine  schwarze  Eckzeichnung  (I  oder  I/II)  und  innerhalb 
derselben,  entsprechend  III  oder  IV  eine  Reihe  [Pieris  callidice,  Pontia 
narcaea)  oder  nur  zwei  oder  drei  schwarze  Flecke,  oder  nur  ein  solcher 
auf  den  Vorderflügeln  (drei  und  einer  am  Vorderrand  der  Hinterflügel 
eben  bei  Pieris  brassicae). 

7)  Besonders  bei  Callosune  und  Verwandten^ ,  auch  z.  B.  bei  Hebomoia 
Glaucippe  u.  a.  sind  jene  bunten  von  schwarzem  Rand  und  einem  inneren 
Bande  eingerahmten  Eckflügelzeichnungen  häufig,  wobei  dies  Band  auf 
verschiedenste  Art  gebildet  sein  kann  (I — IV,  II — IV),  I — V/Vl:  Glaucippe- 
Typus  u.  s.  w.^j.    Die  auf  die  beschriebene  Art,  auch  die  vorerwähnte,  bei 


1)  Staud.  Taf.  lö,  16,  19.  2)  st.  Taf.  20.  3)   St.  Taf.  22,  23. 

*)  Yergl.  Ixias  Pirenassa  Q^,  Pereute  Charops    Abb.  -178  ,  letztere  als  mimetisch 
angesehen  mit  Heliconius  Melpomene^],  und  zahlreiche  andere,  besonders  Dismorphien. 


a)  Staud.  Taf.  22. 


bi  St.  Taf.  32. 


232  Entw'ickelungsrichtungen  bei  einzelnen  Familien  der  Tagfalter. 

Cardui-Atalanta,  gebildeten  Schrägbänder  der  Vorderflügel  oder  die 
ihnen  entsprechenden  Flecke  bilden  durch  Homoeogenesis  eine  häufig 
bunte,  rote  oder  gelbe  Zeichnung,  welche  die  größte  Ähnlichkeit  mit 
Faltern  anderer  Familien  hervorruft,  was  wiederum  auf  Mimicry  zu- 
rückgeführt worden  ist.  Insbesondere  handelt  es  sich  hier  um  Ähn- 
lichkeit mit  Helikoniden  und  Danaiden. 

8)  Eine  hochwichtige  Entwickelungsrich- 
tung  ist  die  Entstehung  der  beschriebenen  Art 
von  Querstreifung  durch  Schwarzfär- 
bung der  Adern,  welche  im  weiteren  Ver- 
lauf durch  Querverbindung  der  Streifen  zur 
Fleckung  führen  kann  (Xuthus-  und  Leo- 
nidas-TYpns).  Ein  Beispiel  hierfür  ist 
Pieris  Agalhon  (Abb.  187). 

Diese  Entwicklungsrichtung  ist  es  nun 
auch,  welche,  bei  manchen  Weißlingen  auf 
die  Unterseite  der  Hinterflügel  beschränkt,  hier 
eine  Art  schwarzer  oder  grünlicher  Quer- 
streifung herstellt  [Pieris  Leucodice,  P.  napi). 
Dieselbe  wird  bei  anderen  Arten  durch  seit- 
Abb.  187.   Pieris  Affathon  Gr^y.       liche  Verbindung  der  Querstreifen  netzartig 

[P.  callidice),  dann,  durch  breitere  Verbindung, 
fleckig  [P.  Ausonia,  P.  cardamines)  und  kann  weiter  eine  sekundäre 
Längstreifung  herstellen  [P.  glauce,  P.  belemia),  während  in  anderen 
Fällen  durch  allseitige  Verschmelzung  der  Streifen  bezw.  Flecke  Ein- 
farbigkeit  entsteht  [P.  tagis). 

Die  Zeichnung  von  Pieris  napi  ist  von  Herrn  Weismann  neiiestens  in  folgender  Weise 
als  durch  Zuchtwahl  entstandene  Anpassungserscheinung  verwertet  worden:  »Pieris 
napi,  der  kleine  Weißling,  zeigt  in  seiner  Frühjahrsform  die  bekannte  schwärzlich- 
grüne, breite  Bestäubung  der  Unterseite  der  Hinterflügel,  die  eine  offenbare  Schutz- 
farbe ist  und  in  der  That  den  auf  Pflanzengrün  in  Schlafstellung  sitzenden  Schmetter- 
ling ebenso  gut  versteckt  wie  die  grün  und  weiß  gerieselte  Unterseite  der  Anthocharis- 
Arten.  Nun  ist  es  aber  gerade  diese  grüne  Schutzfärbung,  welche  der  Sommerform 
fehlt,  und  der  Gedanke  liegt  nahe,  daß  die  trocknere  und  weniger  lebhaft  grüne  Um- 
gebung der  Sommerbrut  diese  Änderung  notwendig  gemacht  hat').« 

Diese  Schlußfolgerungen  werden  einem  Jeden,  der  sich  Pieris  napi  ansieht  und 
mit  Anthocharis  vergleicht,  als  vollkommen  gegenstandslos  erscheinen.  Zunächst  napi 
stehen  Arten  mit  ungezeichneter,  gänzlich  weißer  oder  gelblicher  Unterseite  der  Hinter- 
flügel. Napi  ist  von  allen  gezeichneten  Arten  am  wenigsten  gezeichnet  und 
grünlich  gefärbt:  bei  den  Frühlingsformen  napi  sind  die  Adern  leicht  grünlich 
grau,  bei  der  Sommerform  noch  etwas  weniger  gefärbt.  Von  Anpassung  an  ein  Grün 
der  Pflanzen  kann  weder  dort,  noch  hier  die  Rede  sein  und  jedenfalls  ist  der  Unter- 
schied gegenüber  von  Arten  wie  Anthocharis  ein  sehr  großer,  der  zwischen  der  Früh- 
jahrs- und  der  Sommerform  von  napi  aber  ein  so  kleiner,  daß  gar  verschiedengradige 
Anpassung  nicht  in  Betracht  kommen  kann 2).     Wenn  Schutz  in  Frage  käme,  so  wäre 


ij  Neue   Versuche    zum  Saison-Dimorphismus    der    Schmetterlinge  1895.  S.  670. 

2)  Man  vergleiche  zu  Vorstehendem  die  eigenen  Abbildungen  von  Weismann  selbst 
in  den  alten  Untersuchungen  über  Saison-Dimorphismus  der  Schmetterlinge  1875 
Taf.  I  Fig.  1  0—1  4  ! 


Pieriden. 


233 


eher  daran  zu  denken  die  helle  und  auffallende  Farbe  bei  napi,  wie  sie  auch  unten  vor- 
handen ist.  als  Schutz-  bezw.  als  Trutz  färbe  anzusprechen.  Übrigens  hält  das  durch 
das  Grün  der  Unterseite  ungleich  mehr  als  napi  angepaßte  (5  von  cardamines  beim 
Sitzen  mit  zusammengefalteten  Flügeln  diese  so,  daß  das  Rot  der  Vorderflügelecke 
weithin  sichtbar  ist,  in  den  Augen  des  Selektionsphantasten  wohl  eine  Blume  vor- 
täuschend! Zuchtwahl  aber  hat  wiederum  die  betreffenden  Zeichnungen  nicht  her- 
vorgerufen: es  handelt  sich  vielmehr  um  den  Ausdruck  einer  weit  verbreiteten  Ent- 
wicklungsrichtung. 

Bei  den  in  ganz  verschiedenen  Familien  vorkommenden  schwarz  geäderten 
Formen  hat  man  gleichermaßen  ohne  weiteres  Mimicry  angenommen.  Die  kleine 
Pieris  Leucodice  und  die  große  Deltas  Eucharis  zeigen  schon  durch  die  Verschieden- 
heit in  der  Größe,  wie  auch  hier  unabhängige  Entwickelungsgleichheit,  Homoeo- 
genesis  maßgebend  ist,  nicht  Zuchtwahl. 

In  seltenen  Fällen  ist  bei  den  Pieriden  Binde  IV  nach  vorn  in  111 
fortgesetzt,  so  daß  eine  Art  Blattrippe  IV/III  entsteht.  Man  vergl.  hierzu 
z.  B.  Dercas  Verhuellii  aus  Nordindien  fAbb.  188). 
Auch  hier  ist  diese  »Blattrippe«  auf  der  übrigens 
eanz  citroneneelben  Unterseite  am  vollkommen- 
sten,  oben  nur  auf  den  Vorderflüs;eln.  Auch  die 
Flügelform  ist  blattähnlich  und  doch  ist  bei  Citro- 
nenfaltern  selbstverständlich  von  Nachahmung  eines 
Blattes  nicht  die  Rede.  Solche  Beispiele  werfen 
abermals  ein  schlagendes  Licht  darauf,  wie  wenig 
ursprünglich  Anpassung  mit  Blattbildung  an  Schmet- 
terlingsflügeln zu  thun  hat. 

Auch  an  anderen  Arten  von  Pieriden  treten 
Reste  der  Binde  IV  zuweilen,  quer  über  die 
Hinterflügel  verlaufend,  besonders  auf  der  Unter- 
seite aufM. 


vl^^ 


Endlich  ist  für  die  Pieriden  die  Querzeichnung 


Abb.  ISS. 
Dercas  Verhuellii  Hoev. 


der  Dismorphien  zu  erwähnen,    oft  verbunden  mit 

schwarz-rot-gelber  Färbung,  helikonier-ähnlich,  wie  ausführlich  besprochen. 
Es  ist  gezeigt  worden,  daß  die  die  Dismorphien  kennzeichnende  Flügel- 
form, die  Zeichnung  und  auch  schwarz-rot-gelbe  Farbe  sich  zu  Eigen- 
schaften gewöhnlicher  Weißlinge  umgebildet  haben  müssen  uud  daß 
solche  auch  aus  anderen  Zeichnungst^^en  entstanden  sind. 

Anmerkung.  In  den  Transact.  of  the  Entomological  Soc.  of  London  4894 
S.  249  ff.  ist  eine  Abhandlung  von  F.  A.  Dixev  in  Oxford  erschienen:  on  the  Phylogeny 
of  the  Pieridae,  as  illustrated  bey  their  wing-markings  and  geographica!  distribution, 
welche  ganz  auf  den  Grundsätzen  meiner  Behandlung  aufgebaut  ist,  ohne  daß  der 
Herr  Verfasser  sich  verpflichtet  fühlt,  dessen  Erwähnung  zu  thun.  Nachdem  im  Jahre 
1889  die  erste  Abteilung  meines  Werkes  über  die  »Artbildung  und  Verwandtschaft 
bei  den  Schmetterlingen«  veröfl'entlicht  war,  in  welcher  ich  den  Schlüssel  für  die  Er- 
klärung der  Schmetterlingszeichnung  zunächst  an  der  Hand  der  segelfalterähnlichen 
Papilioniden  gegeben,  wurde  -1890  von  demselben  Verfasser  eine  Abhandlung;  on  the 
phylogenetic  significance  of  the  wing-markings  in  certain  genera  of  the  Nymphalidae 
veröffentlicht  (ebenda),  in  welcher  ganz  nach  demselben  Muster,  nur  mit  umgekehrter 


1)  Z.  B.  Idmais  Vesta  Staud.  Taf.  23. 


234  lintwickelungsrichtungen  bei  einzelnen  Familien  der  Tagfalter. 

Zahlenbezeichnung  der  Binden  (!),  insbesondere  Vanessen  behandelt  sind  und  an  deren 
Schluß  unter  Hinweis  auf  meine  Arbeit  die  Bemerkung  steht:  »Anothcr  recent  treatise, 
mentioned  by  van  Bi;m.mei.i:n,  1  have  infortunately  not  at  yet  becn  able  to  see«.  Wenn 
mich  diese  Beziehung  der  DixEY'schen  Arbeit  zu  der  meinigen  überraschte,  so  läßt 
sich  das  durch  den  fast  wunderbaren  Zufall  derselben  wohl  verstehen.  Immerhin 
ist  solcher  Zufall  möglich.  Allein  ich  meinte,  Herr  Dixr:Y  hätte  doch  jedenfalls  dem 
anderen  von  ihm  selbst  als  unglücklich  bezeichneten  Zufall,  daß  er  meine  Arbeit  vor 
Veröffentlichung  der  seinigen  nicht  mehr  zu  Gesicht  bekam,  leicht  abhelfen  können, 
und  daß  er  dies  nachträglich  nicht  gethan,  sondern  meine  Arbeit  in  seinem  Aufsatz  über 
I'ieriden  überhaupt  gar  nicht  berührt  hat,  berechtigt  vollends  meine  Überraschung,  um 
so  mehr  als  jetzt  Herr  Dixev  meine  zuerst  für  die  Papilioniden  begründete  Auffassung, 
daß  die  geographische  Verbreitung  maßgebend  für  die  Umbildung  ist,  in  Beziehung 
auf  die  Pieriden  zu  der  seinigen  macht.  Daß  seine  Befunde  demgemäß  mit  den  meinigen 
im  Wesentlichen  übereinstimmen,  ist  selbstverständlich  und  erscheint  zugleich  als 
eine  Bestätigung  der  Richtigkeit  der  von  mir  aufgestellten  und  angewendeten  Grund- 
lagen der  Untersuchung.  Gegensätzliches  ist  in  Beziehung  auf  Perrhybris  bei  der 
Besprechung  der  Dismorphien  angedeutet.  Auch  nach  Veröffentlichung  meiner  vor- 
liegenden Ergebnisse  wird  noch  mancher  Arbeiter  zum  Ausbau  des  Hauses  Steine 
behauen  können.  Ich  erinnere  nur  an  die  Heterocera  und  Microlepidoplera,  über  welche 
ich  übrigens  im  Folgenden  selbst  schon  Einiges  berichten  werde.  Nur  wäre  es  er- 
wünscht, wenn  weitere  Arbeit  nun  in  Beziehung  zu  der  ursprünglichen  Vor-  und  zu 
der  Hauptarbeit,  wie  ich  doch  wohl  sagen  darf,  gebracht  würde,  nicht  nur  was  die 
Anerkennung  ihrer  Grundsätze  anbetrifft,  sondern,  zum  Zwecke  des  leichteren  Ver- 
ständnisses, auch  in  der  Annahme  der  von  derselben  gewählten  Bezeichnungen. 


3Ior}»lii(leu. 

Die  schöne  Schmetterlingsfamilie  der  Morphiden  hat  auf  der  Unter- 
seite häufie;  noch 

1)  verhältnismäßig  sehr  ursprüngliche  Längsstreifung,  wie  Amathusia 
Phidippus  (Abb.  i34j,   .l.  dilucida  (Abb.  '189y,  MorpJto  Aega^],  M.  Adonis-]. 

Amathusia  dilucida  hat  eine  gewisse  Blattzeichnung  bei  violett- 
grauer, nicht  ausgesprochen  blattähnlicher  Farbe  und  kaum  blattähnlicher 
Gestalt.  In  der  Abbildung  sind  die  Flügel  nicht  in  natürlicher  Lage,  um  zu 
zeigen,  wie  die  Binden  II,  III,  IV,  auch  VII  und  VIII  IX  auf  dem  hinteren 
Teil  der  Unterseite  der  Vorderflügel,  so  weit  als  diese  von  den  Hinter- 
llUgeln  in  der  natürlichen  Lage  bedeckt  sind,  fehlen,  bezw.  ausge- 
bildet sind. 

In  der  natürlichen  Lage  passen  die  Binden  der  VorderQügel  auf 
die  der  Hinterllügel. 

Die  Zeichnung  giebt  in  durchaus  unvollkommener  Weise  Blattrippen 
wieder:  III  ist  auf  den  Vorderflügeln  nur  schwach  ausgebildet,  besonders 
gegenüber  von  IV.  Hinten  fehlt  offenbar  III,  ihre  ursprüngliche  Lage 
aber  ist  durch  die  zwei  großen  Augenflecke  angedeutet,  welche,  wie 
Übergänge  zeigen,  aus  der  bei  anderen  Faltern  nach  außen  von  III  ge- 
legenen Augenfleckreihe  hervorgegangen  sein   müssen.     III  und  II  treten 


»)  Staud.  Taf.  67.  ■■?)  Ebenda  Taf.  69. 


Morphlden. 


235 


m 


-ff    x 


ffnT/ 


m 


auf  den  Vorderflügeln  nach  hinten,  und  IV  und  II  auf  den  Hinterflügeln 
nach  vorn  auseinander,  in  Folge  starken  Gewachsenseins  des  be- 
züglichen Teils  der  Basis  des  Hinter-  bezw.  des  Vorderflügels. 
Binde  II  stellt  sich  auf  den  Hinterflügeln  zu  IV  so  wie  bei  Kalliina 
Itiac/iis.  Auch  eine  Art  Blattstiel  wie  bei  dieser  ist  vorhanden.  Trotzdem 
ist  die  Amathusia  dilucida 
kein  Blattschmetterling, 
denn  die  Ähnlichkeit  des  Fal- 
ters mit  einem  Blatte  ist  eine 
ganz  unvollkommene,  verzerrte 
—    es  handelt  sich  wieder  um 

homoeogenetische  Ent- 
wickelung  gegenüber  den 
Kalliina  u.  a.  Als  besondere 
Entwickelungsrichtung  zeigt  sich 
nun  auch  bei  solchen  Morphiden 
wieder: 

2)  das  Bestehenbleiben  und 
Hervortreten  der  Binde  IV, 
während  die  übrigen  Binden 
mehr  oder  weniger  schwinden. 
Es  wird  auf  diese  Weise  allein 
durch  IV  eine  blatlrippenähn- 
liche  Zeichnung  hergestellt, 
welche  aber  vorne  nicht  in  die 
Blattspitze  übergeht,  sondern 
sich  nach  innen  davon  am  Vor- 
derflügelrande anlegt. 

Auch  hier  jiiebt  es  ganz  schreiend 
gellte  Falter,  welche,  obschon  sie 
Spuren  innerer  Blattrippen,  als  Reste 
von  Grundbinden  tragen,  mit  einem 
Blatte  gar  nichts  zu  thun  haben,  so 
Enispe  Euthymius  '  .  Etwas  blatt- 
ähnlicher sind  schon    z.    B.    Disco- 

phora  Gelinde  und  Tullia^)  mit  drei  parallelen  Längsbinden:  II,  III,  IV,  unter 
welchen  IV  die  kräftigste  ist  —  blattähnlicher  wegen  der  Farbe,  aber  nicht  in  der 
Gestalt.  Diese  tritt  nun  bei  Zeuxidia  Amethystus^)  ebenfalls  hinzu.  Auch  hier 
ist  Binde  lY,  und  zwar  sehr  weit  nach  innen  von  der  Flügelspitze,  bis  zum  Yorder- 
rand  des  Vorderflügels  fortgesetzt,  mit  den  Grundbinden  V,  VI  u.  a.  als  innerenlSeiten- 
rippen  die  Hauptzeichnung,  aber  die  innere  Grenze  der  mit  den  äußeren  Binden  ver- 
schmolzenen III  macht  vielleicht  mit  IV  als  deren  vordere  in  die  Blattspitze  gehende 
Verlängerung  den  Eindruck  einer  echten  Blattrippe. 

Unvollkommene  ßlattähnlichkeit  ohne  Blattspitzenrippe  bieten  z.  B.  Morpko  Aega*), 
M.  Adonis^;  aber  bei  letzterer  ist  trotzdem  keinerlei  Blattähnlichkeit  vorhanden,[auch 
sind  bei  ihr  die  großen  Augenflecke,  welche  bei  vielen  Morphiden  vorkommen,  schon 
ausgebildet. 


Fig.  1S9.     Amathusia  dilucida  Honr. 


1)  Staud.  Taf.  63. 


Ebenda. 


3    Ebenda.         4)  St.  Taf.  67.         5)  St.  Taf.  69. 


236  Entwickelungsrichtungen  bei  einzelnen  Familien  der  Tagfalter. 

Auch  bei  anderen  Formen,  wie  Thaumantis  Howqua  und  Camadeva^  tritl 
ohne  jede  Beziehung  zu  Blattähnlichkeit  Binde  IV  im  Sinne  einer  falschen  Blattrippe 
sehr  hervor. 

3)  Bei  den  wiederum  hellgelben  und  schon  darum  nicht  blattähn- 
lichen Äemoncij  z.  B.  Ä.  Amathusia  und  A.  leva^]  ist  eine  Blattmittel- 
rippe durch  IV/III  gebildet.  Dazu  kommen  bei  Amathusia  innere  »Seiten- 
rippen«, welche  vorn  und  hinten  entgegengesetzt  gestellt  sind  (vergl.  die 
früher  gegebene  Beschreibung). 

4)  Auch  hier  kommt  die  Entwickelungsrichtung  vor,  daß  Binde  IV 
auf  der  Unterseite  nur  noch  auf  den  Hinterllügeln  bestehen  bleibt,  vorne 
zurücktritt  oder  wenigstens  hier  nicht  mehr  als  falsche  Blattrippe  deutlich 
ist,  weil  sie  unregelmäßig  wird^j. 

Es  handelt  sich  wiederum  offenbar  um  ein  Verlorengehen  von 
ursprünglich  größerer  Blattähnlichkeit. 

5)  Meist  nach  außen  von  diesem  Mittelfeld  (auf  den  Hinterflügeln 
zum  Teil  auch  nach  innen  davon)  liegen  die  großen  Augen  flecke 
der  Morphiden^),  als  Ausdruck  einer  besonderen  Entwickelungsrichtung, 
indem  die  äußeren  derselben  entstanden  sind  aus  Augenflecken  ent- 
sprechend den  nach  außen  von  Binde  III  gelegenen  Augenflecken  der 
Nymphaliden.  Auf  den  Hinterflügeln  liegen  diese  Augenflecke  z.  B.  bei 
Moi'pho  Adonis  nach  innen  von  Binde  III  in  Binde  V/VI,  wie  auch  bei 
Brassoliden,  z.  B.  Caligo,  und  sind  wohl  anderen  Ursprungs.  Bei  Hijantis 
und  Teuaris^)  u.  a. ,  welche  eine  ganz  eigenartige  Entwickelung  ge- 
nommen haben :  helle  Innenfeldbildung  mit  mehr  oder  weniger  schwarzer 
Umgrenzung  und  mit  großen  Augenilecken,  entsprechen  letztere  w-ohl  III. 

Oberseite: 

6)  Zuweilen  tritt  auch  hier  ein  durch  IV  begrenztes  dunkleres 
Binnenfeld  auf,  so  bei  Thaumantis  Camadeva^].  Eigentlich  ist  das 
Binnenfeld  hier  nur  aus  zwei  Abteihmgen  zusammengesetzt,  welche 
durch  die  bei  den  Papilioniden  so  wichtige  Binde  IX  abgeteilt  sind.  So 
sind  hier  beide,  das  Papilioniden-  und  das  Nymphaliden-Binnenfeld  vor- 
handen. 

7)  Auch  hier  kommt  zuweilen  ein  Mittelfeld,  also  der  Sarpedon- 
Daraica-Typus  vor,  z.  B.  bei  Thaumantis  Camadeva  und  Th.  Huivqua, 
Morpho  Aega  u.  a.  Auf  der  Unterseite  von  Morpho  Hercules  ^),  M.  Me- 
lacheilus^)  u.  a.  ist  es  unregelmäßig,  in  Flecke  aufgelöst. 

8)  An  den  Flügelecken  sind  zuweilen  weiße  Flecke  ausgespart, 
welche  Zwischenräumen  zwischen  III/IV  und  IV/V/VI  entsprechen''),  also 
dieselbe  Zeichnung  wie  bei  Nymphaliden,  Pieriden  und  Satyriden  u.  a. 
(Vorderflügel-Eckzeichnung  —  besonders  auf  der  Unterseite). 


1)  Staud.  Taf.  65.  2)  Ebenda.  3)  Moriiho  Aega  bes.    ^  St.  Taf.  67. 

4]  Vgl.  z.  B.  M.  Melacheilus  St.  Taf.  68.  ^]  St.  Taf.  63.  64. 

6)  St.  Taf.  65.  '')  St.  Taf.  66.  »)  St.  Taf.  68. 

9)  Discophora   Tullia  und   Thaumantis  Aliris  ebenda. 


Brassoliden.  237 

9)  Eine  auch  schon  bei  Nymphaliden  vorkommende  Entwickelungs- 
richtang  besteht  darin,  daß  die  Vorderflügelecke  schräg  durchquert 
wird  durch  ein  helles,  oft  schön  gefärbtes  Schrägband,  entsprechend 
dem  Zwischenraum  zwischen  IV,  bezw.  11 1  und  V/VI,  so  z.  B.  bei  Zeu- 
xidia  AmctJvjstus  vmd  Thmcmantis  -  Arten  ^)  mit  einem  Fleckchen  in  der 
Vorderflügelecke  (//jac/ü's-Typusj:  bei  Z.  Amethy&tus  auch  in  Blattähn- 
lichkeit der  Flügelforra  7noc/?/s-ähnlich. 

Es  kommt  auch  vor,  daß  dieses  Band  zwischen  III  oder  III/IV  und 
IX  gelegen  ist,  nämlich  bei  Amathusia  dilucida. 

10)  Zuweilen  verbreitert  sich  das  Mittelfeld  nach  innen  zu  einem 
Innen feld,  besonders  auf  den  Hinterflügeln,  so  bei  M.  Hercules  und 
Phanodemus-s,  ferner  bei  M.  Rhetenor"^]. 

11)  Zuletzt  tritt  Einfarbigkeit  auf,  in  Folge  des  Schwindens  der 
Zeichnung  auch  in  der  Bichtung  nach  außen. 

12)  Eine  besondere  Entwickelungsrichtung  zeigt  sich  darin,  daß  wie 
bei  vielen  Pieriden  und  einzelnen  Papilioniden  Binde  V  VI  mit  großer 
Schärfe  im  Bereich  der  äußeren  Grenze  der  Mittelzelle  auf  den  Vorder- 
flügeln übrig  bleibt,  während  sonst  fast  alle  Zeichnung  geschwunden  ist, 
bei  dem  fast  weißen  Morpho  Laertes,  wo  auf  der  Oberseite  außer  dieser 
Zeichnung  nur  noch  eine  schwarze  Vorderflügel-Eckzeichnung  vorhanden 
ist  und  eine  Reihe  der  Binde  II  ansehöri^er  ebensolcher  Flecke.  Auf 
der  Unterseite  ist  außer  V'VI  noch  ein  Stück  VII/VIII  in  der  Mittelzelle 
vorhanden,  welches  sich  auch  bei  anderen  Familien  hervorragend  erhält, 
auf  den  Vorderflügeln  zwei  III  angehörige  runde  Flecke  und  von  Spuren 
von  I  und  II,  auf  den  Hinterflügeln  eine  Kette  von  Augenflecken.  Ähn- 
lich ist  Morpho  Epistrophis^]  gezeichnet,  ein  vorzügliches  Beispiel  für 
Heterepistase. 


Brassoliden. 

Die  Brassoliden  sind  im  Allgemeinen  sehr  vorgeschrittene  Formen, 
doch  kommen  auch  bei  ihnen  noch  meistens  Grundbinden  oder  Reste  der- 
selben auf  den  Vorderflügeln  vor,  zuweilen  auch  auf  den  Hinterflügeln 
entsprechend  V/VI  und  den  innen  davon  gelegenen. 

Vom  Mittelfeld-Typus  finden  sich  noch  Spuren.  So  bei  Caligo 
Rhoetus  Q^)  oben  und  unten  auf  den  Vorderflügeln  und  in  Andeutungen 
auch  auf  den  Hinterflügeln  unten.  Bei  Dasi/ophthabna  Cri'usa*^)  ist  ein 
Mittelfeld  nur  auf  der  Oberseite  der  Vorderflügel,  bei  D.  Rusina']  auf 
der  Ober-  und  Unterseite  beider  Flügel  vorhanden. 

Der  Eckfleck-Schrägband-Typus  oder  auch  zw^ei  helle  Fleck- 
reihen in  der  Ecke  der  Vorderflügel  sind  ebenfalls   bei  den  Brassoliden 


ij  Staub.  Taf.  63—65.  2)  St.  Taf.  66.  3    St.  Taf.  70.  *)  St.  Taf.  70. 

ä)  St.  Taf.  74.  6]  St.  Taf.  76.  ")  Ebenda. 


238 


Entwickelungsrichtungen  l)ei  einzelnen  Familien  der  Tagfalter. 


vorhanden,  so  daß  für  Mimicry-Liehhaber  wieder  eine  Menge  Nachahmer 
aufzustellen  wäre. 

Auch  einlacher  Schräg  band- Typus  kommt  vor. 

Sehr  vorgeschritten  ist  die  Zeichnung  der  Brassoliden  dadurch,  daB 

bei  ihnen  manchmal  auch  oben,  unten  zu- 
meist nur  auf  den  Hinter-,  zuweilen  auch 
auf  den  VorderÜügeln  starke  Rieselzeichnung 
(Abb.  'I90j  auftritt,  und  daß  hochausgebildete 
Augenflecke  vorkommen.  Diese  Augentlecke 
entsprechen  auf  den  Vorder-  und  zum  Teil 
auch  auf  den  Hinterflügeln  den  Augenflecken 
der  Binde  III,  zuweilen  aber  sind  sie  auf 
den  Hinterflügeln  wie  bei  den  Morphiden  so 
weit  nach  innen  gerückt,  nach  innen  von 
Binde  lY,  daß  Zweifel  besteht,  ob  sie  dessel- 
ben Ursprungs  sind. 

Auch  bei  den  Brassoliden  haben  wir 
Blattschmetterlinge:  Narope  Sarasti^o^)  hat 
Blattgestalt  der  Vorderflügel  und  darauf  eine 
echte  in  die  Spitze  verlaufende  Blattrippe  IIIj, 
dazu  den  anderen  Grundbinden  entsprechende 
Zeichnungen,  bei  A'.  Cyllastros-)  ist  alles 
weniger  deutlich. 


X 


Atl).  190. 
Opsiphanes  Boisduvaln  Dodbl.u.  Heiv. 


Satyrideu. 

Bei  den  Satyriden  kommen  die  am  wenigsten  und  die  am  weitesten 
vorgeschrittenen  Zeichnungsverhältnisse  zugleich  und  zuweilen  kommen 
beide  sogar  nebeneinander  an  einem  Falter  vor,  besonders  auf  der 
Unterseite. 

1)  So  hat  z.  B.  Zopho&'ssa  Baladeva^]  auf  der  Unterseite  gleich  zahl- 
reichen anderen  Satyriden  noch  sehr  ursprüngliche  Längsstreifen,  auf 
den  Hinterflüeeln  aber  sehr  auseebildete  Ausjen flecke.  Auf  letzteren 
liegen  neben  den  Binde  III  entsprechenden  Augenflecken  zwei,  ein 
vorderer  und  ein  hinterer  innerer  in  Binde  V/VI. 

2)  Binde  IV  bildet  unten  häufig  eine  falsche  Blattrippe  und 
spielt  auch  hier  eine  hervorragende  Rolle  bis  zur  Entstehung  mehr  oder 
weniger  ausgesprochener  Blattähnlichkeit  eben  mit  der  unvollkommenen 
Blattrippe  IV.  Auch  hier  giebt  es  aber  die  verschiedensten  »unmög- 
lichen Blattähnlichkeiten«,  d.  i.  solche,  deren  Täuschungsfähigkeit  durch 
die  Farbe  aufgehoben  wird. 

3)  Auch  hier  kommen  übrigens,  zugleich  mit  stärker  oder  schwächer 


1)  Staub.  Taf.  76.  2]  Ebenda.  3)  St.  Taf.  78. 


Eryciniden  und  Lycaeniden. 


239 


vor  ^j. 


auf  der   Unter- 


zugespitzten Yorderflügelu,    echte   Blattmittelrippen  (IV/IIIj   vor:    3Je- 
lanitis  Suradeva  ^). 

4)  Zuweilen  verlaufen  zwei  oder  gar  drei  »rippenartige«  Längs- 
binden über  beide  Flügel  inmitten  grauer  oder  brauner  Grundfarbe. 
Daneben  können  auffallende  Augenflecke  vorkommen. 

5)  Häufig  ist  ein  helles  Mittelfeld  zwischen  lY  und  III  vorhanden, 
wie  bei  Zethera  pimplea  (f  (Abb.  68)-). 

6)  Auf  den  Vorderflügeln  ist  häufig  ein  verschieden  gebildetes  helles 
Schrägband  vorhanden  [Caerois  Chorineus,  Abb.   129). 

7)  Dasselbe  ist  zuweilen  durch  helle  Fleck- 
zeichnung ersetzt  und  kommt  solche-^) 

8)  zugleich  oder  allein  auch  zwischen  II 
und  III  in  der  äußeren  Flügelecke 

9]  Querrieselung    kann 
Seite,  besonders  auf  den  Hinterflügeln  auftreten, 
auf  letzteren  auch  oben. 

•10)  Auch  die  durch  die  Dunkelfärbung  der 
Rippen  entstehende  Querstreifung  und  daraus 
hervorgehende  Fleckung  kommt  vor''). 

1 1 1  Auch  hier  behält  zuweilen  nur  der 
Hinterflügel  Ähnlichkeit  mit  einem  Blatte  durch 
Gestalt  und  Zeichnung,  während  die  Vorder- 
vorgeschritten sind  [Cor-ades  Enyo, 
a.). 

größte  umbildende  Rolle  spielen 
jgen  der  Binde  III  hervorge- 
gangenen Augenflecke  und  tragen  zur  Ver- 
schiedenheit der  Falter  sehr  viel  bei,  indem 
bald  nur  einzelne  von  ihnen  erhalten  sind,  bald  die 
entwickelt  ist. 

13)  Häufig  ist  Innenfeld-Typus  und  sehr  häufig 


\ , 


-^-zr 


flügel 


sehr 
Abb.   191   u. 

12)  Die 
die    aus   den 


Abb.  191.     Corades  Enyo  Hew. 


ganze  Reihe  stärker 


14)   Einfarbigkeit. 


Eryciniden  und  Lycaeniden. 

1)  Zahlreiche  Längsgrundbinden  sind  hier  selbst  auf  der  Oberseite 
zuweilen  noch  erhalten.  Am  häufigsten  erhalten  sich  wieder  II,  III.  IV 
und  IX,  dann  Reste  von  V/VI,  VIII,  zuweilen  entsprechend  der 
Flügelform  hinten  spitzwinklig  vereinigt '^). 


1)  St.  Taf.  79.  2)  Staudinger  Taf.  79. 

4)  Pronophila  venerata  St.  Taf.  85. 

5)  Orinoma  Damaris  St.  Taf.  79. 

6)  vgl.  S.  189. 


3)   Tisiphone  maculata  St.  Taf  80. 


240 


Entwickelungsrichtungen  bei  einzelnen  Familien  der  Tagfalter. 


ÄW 


2)  Zuweilen  ist  in  beiden  Familien  wieder  Binde  IV  wie  eine  falsche 
Blattrippe  auf  der  Unterseite  erhalten,  so  bei  der  Erycinide  Theope 
basilea '). 

3)  Sehr  häufig   ist   der  Mittelfeld-Typus, 
sehr  häufig  ein  Innenfeld  und  Einfarbigkeit. 
I)  Schrägband  und  helle  Vorderflügel- 
Eckflecke,  ebenso 

5)  Schrägbänder  verschiedenster  Art 
sind  sehr  häufig. 

6)  Auch  ein  dunkles  oder  ein  helles  Bin- 
nenfeld kommt  vor. 

7)  Der  Bolina-T\^\\s^  mit  vorderem  oder 
mit  vorderem  und  hinterem  Fleckenpaar  findet 
sich  wiederholt. 

8)  Auch  der  57-ass/coe-Typus :  schwarze 
Vorderflügel-Eckzeichnung  fehlt  nicht;  zu- 
weilen ist  er  mit  im  Übrigen  weißer  Einfarbig- 
keit verbunden. 

9)  Zuweilen  bestehen  die  Innenfelder  auf  Vorder-  und  Hinterflügeln 
getrennt,  als  ob  das  Mittelfeld,  bezw.  5o/ma-Flecke  sich  nach  innen 
bis  zum  Flügelrand  ausgezogen  hätten,  so  wenigstens  auf  den  Vorder- 
flügeln, wie  bei  den  ockerfarbenen  Eryciniden  Euselasia  Chrt/sippe, 
E.  Mys,  E.  HcihneW^)^  die  rote  Lemonias  Emylius'^)  u.a.,  die  ockerfarbene 
Lycaenide  Hypochrysops  Apelles^)^  Aricoris  flamnmla^]  und  Liphyra  Bras- 
solis  Q  '•).  Es  handelt  sich  hier  um  eine  Zeichnung,  welche  allerdings 
durch  Zwischenformen  ganz  in  den  Innenfeld-  bezw.  in  den  Edusa- 
Typus  übergeht,  welche  aber  nach  den  Ausgangsformen  berechtigter- 
weise als  besonderer  Typus:  i/o/Zna-Innenfeld-Typus  aufgestellt 
werden  dürfte,  wenn  er  auch  nur  wenige  Angehörige  zählt. 


Abb.  l'J2.     Siihon  nivea  S.  u.  G. 


. braunroh 


Abb.  19S. 
Euselasia  chrysippe  B. 


Abb.  na. 

Lyinnas  milanocidoros  Salv.  Godm. 


Abb.  195. 
Cartca  tupajona  Bates. 


Wenn    die    Flügel    sich    helikonierartig    ausziehen    und    das 
Mittelfeld   dies    gleichfalls  thut,    so    daß   auf  den    Vorder-    wie    auf   den 


1)  Staudinger  Taf.  93.  2)  St.  Taf.  87.  3)  St.  Taf.  92. 

4)  Staüdinger  Taf.  94.  ^]  St.  Taf.  93. 

6)  St.  Taf.  94.     Auch    einige  unserer    roten    Lycaenen    stehen    dieser    Zeichnung 
nahe,  so  Polyommatus  Ballus.  , 


Eryciniden  und  Lycaeniden. 


241 


Hinterflügeln  kreuzweise  stehende  Bänder  gebildet  werden,  so  entsteht 
die  merkwürdige  Zeichnung  der  Erycinide  Lymnas  melanochloros^) 
[Abb. 


194). 

H)  In 


anderen    Fällen    be- 


dingt diese  Flügel  form  auch 
helikonier-ähnliche  Querstreifung, 
so  bei  der  Erycinide  Cartea  Tapa- 
jona^)  (Abb.  195). 

12)  Eine  umgekehrt  gerich- 
tete Schrägbandzeichnung  wie  bei 
melanochloros  kommt  z.  B.  bei  der 


Tnt 


Erycinide    Panara 
196)   auf   den 
offenbar    in 


Thisbe  ^) 


Hinterflügeln 


Folge 


der 


(Abb. 

vor: 

nach 


Abb.  196. 
Panara  Thisbe  F. 


Abb.  197. 
Diorhina  Periander  Cham. 


hinten  gerichteten  Verlänge- 
rung der  Hinterflügel:  diese 
hinteren  Schrägbänder  und  die 
vorderen  stellen  sich  hier  gegen- 
seitig ganz  wie  die  Binde  III  bei 
Caerois  Chorineus.     Dasselbe  zeigt  u.  a.  Riodina  Lysippus  ^). 

13)  Einen  eigentümlichen  Typus  bilden  die  Erycinidengattungen 
Ancylwis ,  Diorhina  und  Zeonia,  wiederum  in  Zusammenhang  mit 
der,  in  diesem  Falle  segelfalterartig.  d.  i.  in  der  Richtung  von  vorn  nach 
hinten  ausgezogenen  Flügelform.  Die  Zeichnung  ist  bei  Diorhina  sehr 
ursprünglich  darin,  daß  ein  schönes,  auf  beide  Flügel  sich  erstreckendes 
Mittelfeld  vorhanden  ist.  Dazu  kommt  ein  zwischen  III  und  IV  gelegenes, 
langgezogenes  Schrägband  auf  den  Vorderflügeln,  welches  auf  den  hin- 
teren in  ein  Randband  übergeht.  Es  handelt  sich  also  um  einen  eigen- 
artigen Mittelfeld-Schrägband-Typus,  eigenartig  dadurch,  daß  das 
Mittelfeld  meist  sehr  weit  nach  innen  liegt  (bei  D.  Periander  und  D.  Butes 
wahrscheinlich  zwischen  VII  und  IX  oder  X)  und,  in  Folge    des  starken 


Wachstums  der  Vorderflügelecke  nach  vorn. 


ebenso  das  Schrägband  der 


endlich     durch    die 


Fortsetzung 


dieses    Bandes    auf    die 


Vorderflügel ; 
Hinterflügel. 

Die  Ancy Iuris  zeigen  verschiedene  Abweichungen  bis  zum  reinen 
Schrägband-Typus. 

Bei  Zeonia  sind  Schrägband  und  Mittelfeld,  ebenso  die  Randbinde 
der  Hinterflügel  sehr  verbreitert,  so  daß  nur  noch  eine  schmale  schwarze 
Schrägbinde  (V/ VIl  auf  den  Vorderflügeln  mit  Fortsetzung  auf  die  Hiuter- 
flügel  vorhanden  ist. 

Es  ist  nun  höchst  bemerkenswert,  daß  unter  den  Papilioniden  eine 
diesen  südamerikanischen  Zeonia  homoeogenetisch  sehr  ähnliche,  im 
malayischen  Gebiete  lebende  Gattung   Leptocircus  vorkommt,  welche  auf 


1)  St.   Taf.  89. 


Eimer,  Orthogenesis. 


-I  Ebenda. 


3;  Ebenda. 


*)  St.  Taf.  90. 
16 


242 


EiitwickeUingsriclituniicn  bei  einzelnen  Familien  der  Tagfalter. 


Grund  wesentlich  derselben  Entwickelungsrichlungen  gebildet  ist,  ein 
hervorragendes  Beispiel  lür  Pseudo-Mimicry  in  Beziehung  auf 
die  Zeichnung  und  glasartige  Flügelbeschaffenheit,  während  die  Hinter- 
flügel bei  Lepfocircus  noch  viel  mehr  schwanzartig  ausgezogen  sind  als 
bei  Zeonia^  wodurch  die  Pseudo-Mimicry  noch  mehr  ausgesprochen  wird. 


smyi 


Abb.  198.    Zeonia  sylphina  Bates. 


Abb,  199.    Leptocircus  virescens  Bctl. 


Man  wird  diesen  in  den  Gattungen  Diorhina  und  Ancyluris  durch 
hochentwickelte  Farben  ausgezeichneten  Typus  wohl  passend  als  Diorhina- 
Lep loci i^cns-Typ Vis  bezeichnen. 

14)  Häufig  ist  eine  andere  neue  Entwickelungsrichtung:  Zerfallen  der 
Längsstreifen  in  kleine  Flecke,  so  daß  der  ganze  Falter  auf  einer  oder 
auf  beiden  Seiten  oder  daß  wenigstens  die  Hinterflügel  auf  der  Unter- 
seite fein  schwarz  gefleckt  erscheinen  :  schwarzer  Kleinfleck-Typus. 
Hierher  gehören  die  Eryciniden  Lasaia  Arsis  und  Charis  holosticta^]  und 
die  Unterseite  vieler  Lycaeniden. 

15)  Umgekehrt  kann  eine  Bespritzung  mit  lichten  Flecken  in  dunk- 
lerem Grunde  durch  Verschmelzen  von  Bindenstücken  entstehen  und  zwar 


Abb.  200.     Amarynthis  Meneria  Cram.  g. 


Abb.  201.    Mdhonella  CaeciUa  Ckam. 


kommt  dies  bei  Eryciniden  sehr  häufig  vor:  heller-Kleinfleck-Typus 
(Abb.  200  Amarytithis  Meneria)'^). 

1)  Z.  B.  Anteros  Kupris  Staud.  Taf.  90.  Emesis  fatirnella    ebenda,  u.  a. 

2)  St.  Taf.  91 . 


Hesperiden.  243 

16)  Bei  Thccla  Desdemona^)  und  Ärhopala-Arten-]  sind  die  Binden 
auf  der  Unterseite  so  verbreitert,  daß  die  hellen  Bänder  nur  noch  als 
eanz  schmale  Streifen  übria;  geblieben  sind :  die  seltene  Entwickelunas- 
richtuns;,  welche  dem  Papilioniden  Annandia  Lidderdalii  'Abb.  172  die 
Eigenart  verleiht,  eben  wegen  dieser  Seltenheit  aber  ein  höchst  be- 
zeichnender Fall  von  unabhängiger  Entwickelungsgleichheit. 
Auch  bei  Desdemona  treten  die  Streifen  gegen  die  Spitze  der  Hinter- 
flügel auf  Grund  von  deren  Gestaltung  ähnlich  wie  bei  manchen 
Lycaeniden  und  Papilioniden  in  spitzem  Winkel  zusammen.  Einen  Über- 
gang zu  diesem  Verhalten  nach  ersterer  Bichtung  zeigt  auch  z.  B.  die 
Erycinide  Dodona  Ouida^)^  bei  welcher  zugleich  die  Streifen  auf  den 
Hinterflügeln  sich  ebenso  verhalten. 

17)  Fächerzeichnung  kommt,  an  Vorder-  und  Hinterflügeln 
zugleich,  in  höchst  vollendeter  Ausführung  bei  Eryciniden  vor  (Abb.  201  j. 

18)  Die  Augen  der  Binde  III  können  sich  erhalten  oder  es  erhalten 
sich  nur  einzelne  und  bilden   sich  in  größere  Augen  aus. 

19)  Nicht  selten  treten  neue  Augenflecke  nach  innen  von  IV  auf. 

20)  Die  oben  abgebildete  Aniarynthis  Meneria  giebt  zugleich  ein 
Beispiel  für  einen  bei  Eryciniden  wiederholt  vorkommenden  Randband- 
Typus,  bei  welchem  beide  Flügel  ein  Randband  tragen,  anstatt  dessen 
in  anderen  Familien  nur  Randflecke  vorhanden  sind.  Es  ist  dasselbe 
wohl  zu  unterscheiden  von  einem  weit  nach  außen  gelegenen  Mittelfeld, 
wie  es  besonders  auf  den  Hinterflügeln  vorkommt,  so  bei  Papilio  Nicannr  q^, 
Vanessa  Haronia  und  V.  Canace.  Dabei  kann  nicht  nur  dieses  äußere 
Mittelfeld  wie  bei  Haronia ,  sondern  auch  das  Randband  sich  auf  den 
Vorderflügel  in  ein  Schrägband  fortsetzen:  Randband-Schrägband- 
Typus.  Es  handelt  sich  hierin  also  um  die  Zeichnung,  welche  auch  bei 
Diorhina  vorhanden  ist,  aber  dort  nicht  herrschend^).  Zuweilen  sind 
hinten  Mittelfeld  und  Randband  vereinigt:  Eurytela  Bekkeri'^]. 

21;  Eine  eigentümliche  Zeichnung  entsteht  bei  manchen  Eryciniden, 
aber  auch  bei  Lycaeniden  und  Hesperiden,  auch  Satyriden,  auf  den 
Hinterflügeln  dadurch,  daß  deren  hinterer  Teil  —  wie  Übergänge  zeigen 
durch  Verbreiterung  des  im  Übrigen  fehlenden  Randbandes  —  in  größerer 
Ausdehnung,  bis  oder  fast  bis  zum  Rand,  nach  innen  aber  meist  unregel- 
mäßig begrenzt  und  durch  braune  Farbe  ausgezeichnet  ist^). 


Hesperiden. 

In  der  Zeichnung    der    Hesperiden  spielt  eine  große  Rolle  beson- 
ders die  Eckzeichnung  der  Vorderflügel:    die    hellen   Flecke  zwischen 


1)  St.  Taf.  97.  2)  St.  Taf.  96.  3    St.  Taf.  87. 

4)  Als  Beispiel  vergleiche  man  die  Abbildung  der  Nymphalide  Callithea  Leprieurü, 
Staudinger  Taf.  43.  5)  St.  Taf.  39. 

6)  z.  B.  Eiirybia  Donna  und  Mesosernia  SibyUina  St.  Taf.  88. 


244  Entwickelungsrichtungen  bei  einzelnen  Familien  der  Tagfalter. 

Binde  II  und  III  einerseits  und  III  und  IV  andererseits,  ferner  das 
helle  Schrägband  oder  zwei  solche,  ein  ol)eres  kürzeres  und  ein 
unteres  längeres,  jenes,  gleich  den  hellen  Flecken  zwischen  III  und  IV, 
dem  schräggestellten  Mittelbande,  dieses  dem  Zwischenraum  zwischen 
IV  und  V/VI  entsprechend.  Das  Mittelband  wird  zuweilen,  ganz  oder  in 
Resten,  auch  auf  den  Hinterflügeln  maßgebend. 

Reste  von  Längsstreifung,  wiederum  auf  Grund  der  bei  den 
vorigen  maßgebenden  Binden:  besonders  II,  III,  IV,  auch  IX  kommen  auch 
hier  vorzüglich  auf  der  Unterseite  zuweilen  noch  vor. 

Durch  jene  Eckflügelzeichnung  kann  wiederum  große  Ähnlich- 
keit in  der  Zeichnung  mit  Vanessen  entstehen  ^]. 

Durch  Übrigbleiben  von  Längsbändern  in  der  Grundfarbe  zwischen 
kräftigen  Binden  besonders  auf  den  Hinterflüeeln  u.  a.  kann  auch 
Papilioniden-Ähnlichkeit  auftreten 2).  Dies  bei  längsgestreckten  Hin- 
terflügeln. Bei  breiten  richten  sieh  die  Binden  III  und  IV  u.  a.  wie- 
derum quer. 

Auch  Fächer flüaler  entstehen  hier.     Bei  den 


Acraeiden 

haben  wir  als  hauptsächlichste  Entwickelungsrichtungen 

\)  die  Auflösung  von  Grundbinden  in  kleine  Flecke,  wodurch 
schwarze  Tüpfelung  entsteht,  wie  bei  Eryciniden  und  Lycaeniden. 

2)  ein  Schrägband  auf  den  Vorderflügeln,  zuweilen  verbunden 
mit  helikonier-ähnlicher  Flügelform,  dadurch  große  Ähnlichkeit  mit  Heli- 
koniern. 

3)  Schwinden  der  Zeichnung,  besonders  auf  den  Vorderflügeln, 
oft  mit  übrigbleiben  des    bei  den  Pieriden    so  häufig  erhaltenen  Fleckes 


V/VI  auf  der  Außengrenze  der  Mittelzelle 

Die    Zeichnungsmuste 
früher  behandelt  worden. 


Die    Zeichnungsmuster    der   Danaiden   und  Helikoniden  sind  schon 


Kailima  paralecta. 

Ein  Nachtrag. 

Nachdem  Vorstehendes  schon  zum  Druck  gegeben  w^ar,  bekam  ich 
durch  Herrn  J.  Vosseler  eine  Anzahl  dem  Stuttgarter  Naturalienkabinet 
gehöriger  Stücke  von  Kailima  paralecta  aus  der  Sammlung  des  Herrn 
H.  Fruhstorfer  in  Berlin  und  von  diesem  letzteren  noch  weitere,  so  daß 


1]  Spathüepia  Clonius  St,  Taf.  98.  -)  Erycides  Oreades,  St.  Taf.  99. 


Kailima  paralecta.     Ein  Nachtrag.  245 

ich  zur  Vergleichung  über  6i  Stück  dieses  Falters  verfüge.  Dieselben 
sind  sämtlich  im  Tengger-Gebirge  in  Ost-Java  in  demselben  Walde  in 
etwa  i200  Meter  (4000  Fuß)  Höhe  von  Fruhstorfer  gefangen  worden.  Sie 
l)ieten  ein  vollkommenes  Seitenstück  zu  dem  Befund  des  Herrn  G.  Semper 
an  Doleschallia  polibete  und  bestätigen  in  überraschender  Weise  meine 
aus  demselben  gezogenen  Schlüsse. 

Die  Falter  ändern  auf  der  Unterseite  in  solchem  Maße  ab, 
daß  kaum  ein  Stück  unter  den  vierundsechzig  dem  anderen 
vollkommen  gleich  ist,  während  die  äußersten  Abänderungen  unter 
sich  in  Farbe  und  Deutlichkeit  der  Zeichnung  ungemein  verschieden  sind. 
Die  Hauptsache  dabei  ist  für  uns  die,  daß  nur  ein  verhältnismäßig 
kleiner  Teil  der  Falter  eine  vollkommene  Blattrippenzeichnung 
hat,  nämlich  neun  oder  zehn  Stück,  während  dieselbe  bei  den  übrigen 
auf  den  Vorder-  oder  auch  auf  den  Hinterflügeln  fast  ganz  oder  —  bis 
auf  Andeutung  des  hinteren  Teils  der  Blattmittelrippe  —  ganz  fehlt. 
Und  zwar  ergiel)t  sich  als  unzweifelhaft,  daß  ein  Schwinden  der 
Blattzeichnung  in  der  Richtung  von  vorn  nach  hinten  statt- 
findet, bezw^  stattgefunden  hat.  Zuerst  schwinden  die  Seitenrippen, 
meist  die  äußeren  zuerst,  sodann,  in  der  Richtung  von  vorn  nach  hinten 
die  Mittelrippe  der  Vorderflügel.  Auf  den  Hinterflügeln  schwinden 
zuerst  die  inneren  Rippen,  so  daß  hier  häufig  ein  einfarbiges  Binnenfeld 
entsteht,  und  zwar  schwinden  wieder  die  vordersten  zuerst.  Nur  die 
Mittelrippe  der  llinterflügel  bleibt  stets  deutlich  erkennbar  oder  scharf 
ausgesprochen,  und  wenn  dieselbe,  was  häufig  der  Fall,  auf  den 
Vorderflügeln  geschw-unden  ist,  so  ergiebt  sich  ein  großer  Gegensatz  im 
Aussehen  der  beiden  Flügelhälften,  wenn  auch  nicht  so  groß  wie  bei 
Faltern  anderer  Art,  bei  welchen  die  Vorderflügel  unten  auch  noch 
l»unt  geworden  sind.  Es  sind  sechzehn  Stück  K.  paralecta  unter 
den  vierundsechzig,  l)ei  welchen  die  Zeichnung  vorne  fast 
ganz  geschwunden  ist.  Dazu  kommen  zehn,  bei  welchen  auf  beiden 
Flügeln  nur  noch  die  Mittelrippe  vorhanden  ist,  die  Seitenrippen  aber 
geschwunden  sind.  In  diesem  Falle  ist  die  Blattähnlichkeit  noch  viel 
größer,  als  dann,  wenn  nur  der  Hinterflügel  Blattrippenzeichnung  hat. 
Unter  diesen  zehn  Faltern  befinden  sich  fünf,  welche  dadurch  ein  ganz 
besonderes  und  zwar  wiederum  ein  weniger  blattähnliches  Aussehen  er- 
langen, daß  scharf  abgegrenzt  mit  der  Mittelrippe  nach  außen  von  der- 
selben ein  dunkler  bis  schwarzer  Schatten  beginnt,  welcher  nach  außen 
schwächer  wird,  im  Gebiete  der  Binde  III  auf  den  Hinterflügeln  eine 
vorüljergehende  Verstärkung  erfährt  und  hier  nach  außen  mit  Binde  II 
abschließt,  in  der  hintersten  Flügelzelle  aber,  diese  bis  zu  Binde  II  über- 
schreitend, gewöhnlich  noch  eine  vorspringende  Zacke  bildet  lAbb.  202\ 
Dadurch  werden  also  die  Flügel  in  eine  äußere  dunklere  und  eine  innere 
helle  Al)teilung  geteilt:  die  letzlere  entspricht  einem  hellen  Binnenfeld. 
Wir  haben  darin  das  Auftreten  einer  auch  sonst  sehr  häufig  vorkommenden 
Entwickelungsrichtung  und  zwar  einer  solchen,  welche,  wie  gesagt,  ganz 
erheblich  dazu  beiträgt,  die  Blattähnlichkeit  zu  verringern,  um  so  mehr 


246 


Entwickelungsrichtunsen  bei  einzelnen  Familien  der  Toufaltcr. 


deshalb,  weil  der  »Schlagschatten«,  als  welchen  man  die  Abschattierung 
gedeutet  hat,  bei  sitzender  Stellung  des  Falters  oberhalb  der  Mittelrippe 
gelegen  ist,  während  dieselbe,  falls  sie  als  von  letzterer  geworfener 
solcher  Schatten  erschiene,  wie  schon  früher  hervorgehoben,  unterhalb 
derselben  gelegen  sein  müßte  ^]. 

Wie  unsere  Abbildimgen  26,  27  und  28,  noch  mehr  29  bis  36  zeigen, 
bilden  sich  solche  Schatten  auch  sonst  häuÜg  an  oder  zwischen  den  ein- 
zelnen Binden,  und  ihre  fortschreitende  Zunahme  führt  zidetzt  zuweilen 
zu  Einfar])igkeit,  wie  sie  z.  B.  auf  den  Vorderflügeln  von  Corades  Enyo 
(Abb.  191),  abgesehen  von  den  dort  vorhandenen  hellen  Flecken,  erreicht 
ist.  Auch  Ijei  Kallima  paralecta  tritt  so  erzielte  Einfarbigkeit  zuerst  auf 
den  Vorderflügeln  auf. 

Es  macht  durchaus  den  Eindruck,  daß  die  Ausbildung  dieser  Schat- 
ten in  Kompensation  stehe  zum  Schwinden  der  Seitenrippen. 


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Abb.  202.     Kallima  paralecta  Hoksf.  Q. 


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Abb.  2U3.     Kallima  paralecta  Hoksf.  (^. 


Dies  ist  noch  mehr  der  Fall  bei  einer  anderen  Umbildung,  welche  mit 
dem  Schwinden  der  Seitenrippen  verbunden  sein  kann  und  nie  ohne  das- 
selbe vorhanden  ist  (Abb.  203):  es  treten  entweder  nur  im  Binnenfelde  oder 


1)  Das  Umgekehrte  findet  sich  bei  der  in  Abb.  53  dargestellten  Doleschallia,  daß 
es  sich  aber  auch  hier  nicht  um  durch  Zuchtwahl  entstandenen  »Schlagschatten«  han- 
delt, zeigt  wiederum  Abb.  54. 


Kaüima  paralecta.     Ein  Nachtrag.  247 

auch  nach  außen  von  der  Mittelrippe  rußartige,  unregelmäßige 
größere  oder  kleinere  Flecke  auf.  Dieselben  haben  dort  und  hier 
verschiedenen  Ursprung:  im  Binnenfeld  sind  sie  entstanden  durch  Zu- 
sammenziehung der  zwischen  Seitenrandbinden  (Seitenblattrippen)  ge- 
legenen Schatten  und  jener  Binden  selbst  (V/VI,  VIII,  IX]  oder  auf  Grund 
von  Schwinden  der  ersteren  allein,  im  Außenfelde  aber  vorzüglich  durch 
Umbildungen  von  Augeoflecken,  bezw.  deren  Resten:  insbesondere  er- 
scheinen die  Kerne  derselben  als  rußschwarze  Pünktchen  und  an  den 
eroßen  Ausenflecken  ist  der  Hof  rußschwarz  eeworden.  Zuweilen  nimmt 
auch  die  Umgebung  der  Augenflecke  an  der  Bildung  der  Ruß  flecke  teil 
(III).  Unsere  Abbildung  von  KalUma  Phdarchus  (Abb.  204)  zeigt  im 
Binnenfelde  besonders  der  Vorderflügel,  wie  die  Flecke  hier  entstehen: 
es  zieht  sich  offenbar  der  Farbstoff"  auf  Flecke  zusammen.  Und  zwar 
sind  es  immer  ganz  bestimmte  Stellen  bestimmter  Binden,  an 
welchen  die  Fleckbilduns;  erfolgt.  Die  Flecke  sitzen  aber  nicht  nur 
bei  allen  Faltern  an  derselben  Stelle ,  es  hat  ein  jeder  bei  allen  auch 
ungefähr  dieselbe  verhältoismäßise  Größe  und  bezügliche  Verschieden- 
heiten  sind  nur  bedingt  durch  den  geringeren  oder  größeren  Grad  der 
Ausbildung,  bezw.  des  Fertiggewordenseins  dieser  neuen  Zeichnungen: 
denn  um  solche,  um  das  Arbeiten  einer  besonderen  Entwickelungsricbtung 
handelt  es  sich  auch  hier.  Unter  meinen  vierundsechzig  Faltern  sind 
elf.  welche  diese  Rußflecke  haben,  und  zwar  sechs,  bei  welchen  die- 
selben nur  im  Binnenfelde,  fünf,  bei  welchen  sie  auch  nach  außen  von 
der  Mittelrippe  vorkommen,  und  bei  allen  verhalten  sie  sich  in  beschrie- 
bener Weise  übereinstimmend. 

Es  überrascht  in  hohem  Grade  auch  eine  Zeichnung,  welche 
zuerst  durchaus  den  Eindruck  der  ^Regellosigkeit,  des  Zufälli- 
gen macht,  in  dieser  Weise,  nachdem  man  den  nötigen  Über- 
blick gewonnen  hat,  als  vollkommen  regelmäßig  und  gesetz- 
mäßig zu  erkennen. 

So  sind  also  die  »Schimmelpilze«  beschaffen,  welche  auf  der  einem 
dürren  Blatte  gleichenden  Unterseite  der  Flügel  unserer  Falter  liegen ! 
Es  handelt  sich  darin  um  erst  in  der  Ausgestaltung  befindliche 
Zeichnung,  deren  Anfänge  eben,  abgesehen  von  den  Augenflecken,  in 
den  Schatten  erkennbar  sind,  welche  sich  zwischen  und  in  den  Seiten- 
blattrippen an  denselben  Stellen  wie  bei  Kaüima  paralecta,  auch  bei 
den  von  uns  abgebildeten  A'.  PJtilarchus  und  Ä'.  Inachis  (Abb.  204,  205), 
ja  auch  bei  ganz  anderen  Gattungen,  wie  bei  Aganisthos  Odins  (Abb.  206) 
und  Junonia  und  Precis ,  also  bei  Vanessen  finden.  Ich  will  nur  darauf 
hinweisen,  daß  die  bei  der  abgebildeten  K.  Philarchus  (Abb.  204)  auf  der 
Außenhälfte  der  Hinterflügel  im  Bereich  von  Binde  III  sichtbare  Fleck- 
reihe in  den  Teilen,  welche  der  dritten  und  vierten  Flügelzelle  von  hinten 
gerechnet  angehören ,  den  bei  A'.  paralecta  ebendort  vorhandenen  Flecken 
entspricht.  Sie  sind  hervorgegangen  aus  zvvei  dort  gelegenen  Augen- 
Üecken,  bezw.  deren  Umgrenzung,  eben  der  Binde  III  zugehörend. 

Auch  die  gegenüber,  im  Binnenfelde  von  Philarchus  gelegenen  Flecke 


248  Entwickelungsrichtungen  hei  einzelnen  Familien  der  Tagfalter. 


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Abb.  204.    Kulliina     Phüarchvs  Westw. 


Abb.  205.     Kallima  Inuchis  Boisd. 


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IX 

I 


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Abb.  206.    A(ianistlws   Odins   F. 


Abb.  207.     Junoniu   Larinia  Ceam. 


Kallima  paralecta.     Ein  Nachtrag. 


249 


entsprechen  solchen  bei  paralecta  und  zwar  einem  meist  größeren  oberen 
und  einem  unteren  und  inneren  kleineren.  Diese  Flecke  gehören  wohl 
Binde  IX  und  X  an.  Ein  weiterer  Fleck  liegt  bei  paralecta  in  der  Mitte 
des  Yorderrandes  der  Ilinterflügel,  entsprechend  dem  dort  bei  Philar- 
chus  eeles;enen  der  Binde  YIII  IX  zugehörigen  gebosenen  Strich,  und 
meist  finden  sich  noch  zwei  unansehnlichere  zwischen  diesen  imd  dem 
vorigen.  Die  Lage  der  Flecke  im  Binnenfeldgebiet  der  Vorderflügel  ist 
auch  für  paralecta  durch  die  Schattenflecke  von  Plülarchus  angedeutet; 
ein  vierter  liegt  am  Vorderrande  der  Binde  IV. 

Im  Außenfeld  der  Vorderflügel  liegen  bei  paralecta  zwei  große 
Flecke  (III)  entsprechend  den  bei  A'.  Inachis  in  Abbildung  205  in  der 
zweiten  und  dritten  hinteren  Flügelzelle 
Kleinere  solche  Flecke  sind  aus  den  übrigen  Augenflecken  gebildet. 

Ich 
Werden 


Augenflecken. 


sagte 


vorhin,    es    handle    sich   in   der 


Bußfleckbildung 


hinzugefügt  werden, 


Vanessen-Zeichnung 


der 

in  dieselbe  erfolgt. 

Hier  mögen  auch  die  merkwür- 
digen Glasfensterchen  Erwähnung 
finden,  welche  bei  verschiedenen  Kal- 
lima und  auch  in  anderen  Gattungen, 
z.  B.  bei  .1/meo-Arten  auf  den  Vor- 
derflügeln vorkommen  und  welche 
gerade  bei  Kallima  paralecta  sehr  aus- 
gebildet sein  können  (Abb.  203  bei  X)- 
Es  handelt  sich  darin  hier  um  Um- 
bildung des  Kerns  des  in  der  dritt- 
hintersten Flügelzelle  gelegenen  Augen- 


um  das 
muß    aber 

daß   diese  neue  Bildung  offenbar  entsprechend  Teilen 
und  wie  mit  Hülfe   einer   Art  von  Rückbildung 


einer    neuer    Eigenschaft,    neuer    Zeichnungen.      Es 


IFwCf' 


V/VI 


vm/iK 


z/Ja 


n 


daß    die 


fleckes    dadurch, 

vollkommen 

Fensterchen  ist  verschieden 

nicht     immer     vorhanden. 


geschwunden  sind 


Schuppen 
Das 
und 

Ein     fast 


groß 


täuschendes  Gegenstück  findet  dasselbe 
in  dem  nach  einwärts  von  Binde  III  auf 
dem 
oben 


Vorderrand   gelegenen  gleichfalls 


unten    sichtbaren    weißen 


Bildungen     können 
Schimmelpilze     vor- 


hin 


und 
Fleck  (XXj. 

Diese     zwei 
vielleicht     auch 
täuschen ! 

Eine  andere  bei  A".  paralecta  auf- 
tretende  Entwickelungsrichlung    führt 

zu  einem  ganz  anderen  Bilde  Abb.  208):  lehmgelbe  Grundfarbe  wird 
durch  eine  dunkle  Schattierung  unterbrochen,  welche  mit  Ausnahme 
einiger  größerer  Flecke  das  Binnenfeld  bis  genau  zur  Mittelrippe  einnimmt. 


Abb.  208.     KaUinra  paralecta  Hoksf.  (^ 


250  Entwickelungsrichtungen  bei  einzelnen  P'amiiien  der  Taglalter. 

Jenseits  dieser  l)efindet  sich  wieder  eine  lebragelbe,  nach  außen  unregel- 
mäßig,  aber  überall  in  derselben  Weise  bogig  begrenzte  Zone,  dann 
folgt  wieder  Schattierung,  welche  auf  den  Vorderflügeln  vorne  bis  zu 
den  Augenflecken,  hinten  bis  zur  Binde  II  reicht,  auf  den  Hinterflügeln 
vorn  bis  zum  Außenrande,  hinten  ebenfalls  bis  zur  Binde  II.  Die  ganze 
untere  Flügelfläche  ist  schwarz  getüpfelt  und  treten  die  Tüpfel  selbst- 
verständlich besonders  in  der  lehmgelben  Grundfarbe  hervor.  Auch  bei 
diesen  Schecken-Faltern  hält  sich  die  neue  Zeichnung  an  die  ur- 
sprünglichen Binden :  es  sind  Zwischenräume  zwischen  ursprünglichen 
Binden,  welche  hier  heller  geworden  sind.  Bei  drei  Stück  K.  paralecta 
unter  den  mir  verfügbaren  kommt  diese  Zeichnung  und  zwar  bei  allen 
drei  in  wesentlich  der  gleichen  Weise  ausgesprochen  vor. 

Die  Grundfarbe  der  K.  paralecta  ist  auf  der  Unterseite  auch  sonst 
häufig  lehmgelb,  im  Zusammenhang  mit  Schwinden  der  Zeichnung  oft 
sehr  blaß,  oft  aber  kupferbraun  oder  grau.  Der  Mann  ist  häufiger  grau, 
das  Weib  häufiger  kupferbraun,  jener  zeigt  öfter  einen  violetten  Anflug. 
Bei  der  Form  mit  Abschattierung  des  Außenfeldes  erscheint  der  Schatten 
zuweilen  nach  außen  olivengrün. 

Nach  den  Angaben  von  Staudinger  ändert  auch  Kallima  Inachis 
sehr  ab,  vielleicht  thun  dies  in  demselben  Grade  die  übrigen  Arten. 
Das  würde,  wie  schon  hervorgehoben,  der  xVnpassung  an  dürres  Laub 
nicht  widersprechen.  Wer  im  Herbst  gefallene  Laubblätter  betrachtet, 
findet  eine  so  große  Menge  von  Färbungen  und  Zeichnungen,  daß  sich 
sehr  viel  von  dem  auch  bei  K.  paralecta  Geschilderten,  ja  alles  darunter 
unterbringen  läßt.  Insbesondere  zeigen  die  gefallenen  Blätter  zwischen 
den  Blattrippen  oft  verschiedenfarbige,  zuweilen  getüpfelte  Schatten, 
häufig  ist  die  eine  Blatthälfte  genau  bis  zur  Mittelrippe  dunkel,  auf  der 
hellen  Hälfte  finden  sich  dunkle  Flecke  verschiedener  Art  u.  s.  \v. 

Für  die  Verwertung  des  Thatsächlichen  ist  aber  weit  wichtiger  als 
die  Möglichkeit  solcher  Beziehungen: 

1)  daß  von  einer  »tabula  rasa«,  auf  welche  der  Nutzen  zeichnet, 
was  ihm  dient,  auch  bei  den  unbestimmtesten,  unfertigsten,  äußerste 
Ähnlichkeit  mit  leblosen  Gegenständen  darbietenden  Eigenschaften  unserer 
Blattschmetterlinge,  daß  von  irgend  welchem  Zufall  auch  hier  keine 
Bede  ist,  sondern  daß  Alles,  was  an  neuen  Eigenschaften  entsteht, 
wiederum  auf  Grund  weniger  bestimmter  Entwickelungsrich- 
tungen gebildet  wird  und  zwar  solcher,  welche  sich  zumeist  auf  früher 
schon  vorhandene  Eigenschaften  beziehen. 

2)  Daß  die  wichtigsten  derjenigen  Eigenschaften,  welche  die  Blalt- 
ähnlichkeit  überhaupt  bedingen,  also  der  angenommenen  Anpassung  vor- 
züglich zu  Grunde  liegen,  daß  diese  Eigenschaften  bei  der  überwiegen- 
den Mehrzahl  der  Stücke  unseres  Falters  und  offenbar  bei  den  wich- 
tigsten Blattschmetterlingen  überhaupt  teils  schon  verloren  gegangen, 
teils  im  Schwinden  begrifl'en  sind:  die  blattrippenähnliche  Zeichnung 
schwindet  in  der  Richtung  von  vorn  nach  hinten,  die  Unterseite  unserer 


Kallinia  paralecta.     Ein  Nachtrag.  251 

Falter  beginnt  einfarbig  zu  werden  und  zwar  zunächst  auf  der  vorderen 
Flügelhälfte ;  dadurch  bildet  sich  bei  vielen  Faltern  eine  solche  Ver- 
schiedenheit zwischen  Vorder-  und  Hinterflügeln  heraus,  daß  der 
Eindruck  des  Blattes  vernichtet  wird. 

Diese  Art  der  Umbildung  spricht  auf  das  Bestimmteste 
dafür,  daß  es  sich  überhaupt  in  der  Blattähnlichkeit  gar 
nicht  um  die  notwendige  Anpassung  handelt,  welche  man 
bisher  angenommen  hat,  und  daß  der  Zuchtwahl  der  Anteil 
an  ihrer  Bildung,  welchen  man  bisher  als  selbstverständlich 
annahm,  nicht  zukommt. 

Ebenso  wie  bei  Kallima-Avien,  z.  B.  K.  rumia^  ist  die  Blattrippen- 
zeichnung auch  bei  anderen  Gattungen ;  so  bei  den  meisten  Varietäten 
der  Doleschallia  polibete,  vor  Allem  aber  bei  vlwaea-Arten  unter  den 
Blattschmetterlingen  verloren  gegangen.  Bei  den  von  Herrn  G.  Semper 
abgebildeten  Stücken  der  Doleschallia  polibete  sind  die  Seitenrippen 
verloren,  bei  den  Anaea  schwindet  auch  die  Mittelrippe,  bei  A.  Pasi- 
bule  (Abb.  46)  tritt  das  Schwinden  in  der  Richtung  von  hinten  nach 
vorne  ein. 

Sehr  belehrend  ist  eine  mir  vorliegende  Sammlung  von  T6  Stück 
Anaea  eurythema,  alle  in  demselben  Gebiete  in  einer  Höhe  von  etwa 
2-30  m  (800  Fuß)  gefangen.  Diese  Art  ändert  ungemein  ab  und  die 
Verwischung  einer  augenscheinlich  ursprünglich  vorhanden  gewesenen 
Grundbindenzeichnung  ist  hier  in  weitaus  den  meisten  Fällen  bis  auf 
matte  Reste  erfolgt.  Diese  Zeichnung  war  wohl  nicht  im  Einzelnen 
ausgesprochen  blattrippenähnlich,  aber  immerhin  ist  in  zahlreichen  Fällen 
auf  den  Vorderflügeln  noch  eine  in  die  blattähnliche  Spitze  gehende 
Blattmittelrippe  zu  erkennen,  dunkler  braun  als  die  übrige  Farbe  oder 
heller :  kupferbraun  ist  nämlich  hier  überall  die  Unterseite  und  dies 
und  die  im  ganzen  blattähnliche  Flügelform  bietet  an  sich  auch  hier 
eine  gewisse  Blattähnlichkeit.  Während  nun  hier  zahlreiche  Falter  fast 
einfarbig  geworden  sind,  wurden  andere  ruß  fleckig  wie  manche 
Kallima  paralecta  und  zwar  stehen  die  Bußflecke  noch  mehr  wie  dort 
in  Reihen,  welche  ursprünglichen  Grundbinden  entsprechen,  vielfach  in 
ziemlicher  Regelmäßigkeit.  Es  kommt  also  hier  dieselbe  Entvvickelungs- 
richtung  wie  dort,  aber  noch  schöner  und  bestimmter  zum  Ausdruck. 

Bei  anderen  Stücken  dieser  Anaea  entstehen  auf  der  Unterseite  der 
Ilinterflügel  oft  sehr  auffallende,  unregelmäßige,  weiße  Flecke,  ein 
vorderer  großer  nach  innen  von  Binde  W  und  eine  Reihe  hinterer  klei- 
nerer nach  außen  von  derselben.  Aach  Maßgabe  der  Verhältnisse  bei 
Doleschallia  polibete  (Abb.  52)  handelt  es  sich  um  den  Ausdruck  einer 
bestimmten  Entwickelungsrichtung.  Und  zwar  handelt  es  sich  in  beiden 
Fällen,  bei  der  Bildung  der  schwarzen,  wie  bei  der  der  weißen  Flecke, 
um  einen  noch  unfertigen,  erst  im  Werden  begriffenen  Zustand.  Da- 
her die  Unregelmäßigkeit. 


YI. 

Die  Entwickelungsrichtungen  der  Heterocera 
und  Microlepidoptera. 


»Wie  selir  es  an  einem  Vereinigungspunkte 
gefehlt,  nra  welchen  man  die  große  Menge 
Beobachtungen  hätte  versammeln  können,  wird 
zunächst  deutlicher  werden. 

Auch  wird  der  Philosoph  gar  hald  ent- 
decken, daß  sich  die  Beobachter  selten  zu 
einem  Standpunkte  erhoben,  aus  welchem  sie 
so  viele  bedeutende  bezügliche  Gegenstände 
hätten  übersehen  können.« 

Goethe. 

Im  Folgenden  will  ich  eine  Übersicht  der  Zeichnungsverhältnisse 
der  Nachtfalter  und  der  Kleinschmetterlinge  geben  —  nur  eben  eine 
Übersicht ,  die  Untersuchung  aller  Einzelheiten  muß  ich  zukünftiger 
Arbeit  überlassen.  Auch  muß  ich  ausdrücklich  hervorheben,  daß  ich 
meist  nur  unsere  deutschen  Schmetterlinge  in  diesen  Gruppen  berück- 
sichtigt habe  und  zwar  unter  Zugrundelegung  der  Schmetterlingswerke 
von  Ramann  und  Hübner, 

Das  Ergebnis  meiner  Untersuchung  ist  dies,  daß  sämtliche 
Zeichnungsverhältnisse  auch  der  Heteroceren  und  Microlepi- 
dopteren  in  letzter  Linie  auf  mein  Segelfalter-Grundbinden- 
schema zurückzuführen  sind.  Aber  was  nahe  lag  zu  erwarten,  daß 
sich  in  der  einen  oder  in  der  anderen  Gruppe  dieser  Falter,  insbeson- 
dere bei  den  Kleinschmetterlingen,  sehr  ursprüngliche  Zustände  und  zwar 
weit  verbreitet  fänden,  vielleicht  sogar  noch  ursprünglichere  als  bei  den 
Segelfaltern,  dies  hat  sich  nicht  erfüllt.  Vielmehr  ergiebt  sich  umgekehrt, 
daß  sowohl  die  Nachtfalter  wie  die  Kleinschmetterlinge  in  be- 
stimmten Richtungen  weit  vorgeschrittene  Formen  sind  und  die 
Segelfalter-ähnlichen  und  die  entsprechend  gezeichneten  Nymphaliden  in 
ihren  elf  einfachen  Grundbinden  die  ursprünglichste  Zeichnung  aller 
Schmetterlinge  darbieten.  Ja  gerade  die  kleinsten  und  unscheinbarsten 
Schmetterlingsarten,  die  Wickler  und  Motten,  sind  die  in  der  Zeichnung 
vorgeschrittensten,  dergestalt,  daß  bei  ihnen,  und  bei  ihnen  allein,  ur- 
sprüngliche Grundbindenzeichnung  vollkommen  verloren  gegangen  ist. 

Überall  ergiebt  sich  auch  bei  den  Heteroceren  und  den  Microlepi- 
dopteren   wieder    ein    Fortschreiten    zur   Einfachheit,    zuletzt    zur 


Die  Entwickelungsrichtungen  der  Heterocera  und  .Microlepidoptera.  253 

Einfarbiekeit.  Sehr  bemerkenswert  ist  aber,  daß  in  beiden  Ab- 
teilungen  eine  gemeinsame  neue  Entwickelungsrichtung  auf- 
tritt, welche  bei  den  Spannern  den  Anfang  nimmt,  bei  Eulen  und  Spinnern 
sehr  maßgebend  wird,  aber  auch  noch  bei  manchen  Schwärmern  deut- 
lich ist  und  welche  bei  den  Kleinschmetterlingen,  insbesondere  bei 
Wicklern  und  Motten,  zu  ganz  neuen  eigenartigen  Zeichnungen  führt: 
die  Bandbindenbildung,  wie  ich  die  seitliche  Verbindung  oder  Über- 
brückung bestimmter  Grundbinden  der  Vorderflügel  und  die  dadurch 
erfolgende  Entstehung  neuer  Binden  nenne.  Dieselbe  kommt  hauptsäch- 
lich zwischen  IV  und  einwärts  davon  gelegenen,  dann  wieder  zwischen 
IX  und  einwärts  davon  gelegenen  Binden  vor  Binnenfeldbilduns;), 
dann  auch  zwischen  III  und  IV  und  II  und  III.  Auf  diese  Weise  wird  ins- 
besondere eine  neue  breite  mittlere  Binde  auf  den  Vorderflüseln  hersrestellt, 
dann  auch  eine  innere  oder  ein  neues  Binnenfeld  und  eine  Bandbinde. 
Bemerkenswert  ist  die  Bolle,  welche  überall  auch  darin  Binde  IV, 
dann  IX  und  auch  III  spielen,  abgesehen  davon,  daß  sie  es  sind,  welche 
von  den  Grundbinden  zumeist  noch  und  zwar  oft  verstärkt  übrig  bleiben. 
Veränderungen  dieser  neuen  Bandbinden  sind  es  nun,  welche  die 
höchstausgebildeten  Zeichnungen  der  Vorderflügel  von  Kleinschmetter- 
lingen, wie  Wicklern  und  Motten  herstellen. 

Überall,  bei  Heteroceren  und  Microlepidopteren  kommt  ferner  als 
besondere  Entwickelunosrichtun»  Zickzackbild une  der  Binden  in  Be- 
tracht.  Überall  kann  durch  Zerfall  derselben  oder  durch  ihre  seitliche 
Verbindung  wie  bei  den  Tagfaltern  Fleckung  entstehen.  Überall  tritt  auch 
Xuthus-Zeichnung  auf  und  überall  auch  sonst  Querzeichnung  in 
ausgesprochenem  Zusammenhang  mit  lang  ausgezogener  Flü- 
gelform. 

Eine  ganz  besondere  Bolle  spielt  überall,  abgesehen  von  den  Spannern, 
wo  er  seltener  vorkommt,  der  V  Vl-Fleck  der  Vorder-  und  häufig  auch 
der  entsprechende  Fleck  der  Hinterflügel,  als  Punkt  oder  Strich  oder 
kleine  ringförmige  Zeichnung  oder  als  prachtvolle  Augenzeichnung  wie 
bei  manchen  Spinnern.  Selbst  bei  Motten  ist  er  als  kleines  schwarzes 
Pünktchen  zuweilen  noch  erkennbar. 

Hervorzuheben  ist  endlich,  daß  auch  bei  allen  Gruppen  der  Hetero- 
ceren und  Microlepidopteren  postero-anteriore  Umbildung  sich 
äußert,  indem  zuerst  die  Hinterflügel,  zuletzt  und  zwar  bei  den  vorge- 
schrittensten, bei  Motten,   auch  die  Vorderflügel  einfarbig  werden. 

So  ist  es  uns  gelungen,  nachzuweisen,  daß  die  Zeichnung 
sämtlicher  Schmetterlinge  abzuleiten  ist  von  elf  Grundbin- 
den, wie  sie  bei  manchen  Seglern  und  Nymphaliden  epistatisch 
bestehen  geblieben  sind.  Wunderbar  ist  nur,  daß  gerade  die 
kleinsten  und  unscheinbarsten  aller  Schmetterlinge,  Wickler  und  Motten, 
die  am  meisten  umgebildete  Zeichnung  besitzen. 

Es  wird  aber  durch  die  überall  maßgebenden  Beziehungen  der 
Zeichnung  der  Schmetterlinge  zur  Artbildung  bei  all  den  tausenden  von 
Formen   derselben    in    allen    Abteilungen,    es  wird  durch  die  unzähligen 


254  IJ'C  Entwickelungsrichtungen  der  Ileterocera  und  Microlepidoptera. 

Thatsachen,  welche  diesen  Beziehungen  zu  Grunde  liegen,  wiederum  der 
wichtige  Satz  meiner  Entwickelungstheorie  bewiesen,  daß  die  Arten 
auf  bestimmten  Stufen  der  Entwickelung  stehen  gebliebene 
Gruppen  von  Einzelwesen  sind:  Genepistase. 

Und  endlich  zeigen  all  diese  unzähligen  Thatsachen  in  allen  Ab- 
teilungen der  Schmetterlinge,  daß  der  Nutzen,  daß  die  Zuchtwahl  für 
die  Artbildung  unmöglich  irgendwie  maßgebend  gewesen  sein  kann,  daß 
vielmehr  maßgebend  ist:  bestimmt  gerichtete  Entwickelung,  Or- 
thos; enesis. 

Was  die  Verwandtschaftsbeziehungen  der  einzelnen  Gruppen  angeht, 
so  ergiebt  sich,  daß  die  Spanner  noch  die  ursprünglichsten  Verhältnisse 
zeigen.  Mit  ihnen  hängen  einerseits  die  Eulen  zusammen,  andererseits 
Spinner  mit  Bandbinden.  Dann  haben  wieder  manche  Schwärmer  nahe 
Beziehungen  durch  Bandbindenzeichnung  zu  Spinnern:  Smeiu'nthus  po- 
puli  und  Lasiocampa  quercifolia  könnten  dadurch  als  »mimetisch«  be- 
zeichnet werden. 

Die  Zygaenen  haben  vielleicht  Beziehung  zu  gewissen  Arctieu.  Doch 
werden  hierüber  erst  weitere  Untersuchungen  unter  Berücksichtigung 
auch  der  Entwicklung  sicheren  Aufschluß  geben:  ohne  diese  Probe  könnte 
Homoeogenesis  überall  täuschen. 

Unter  den  Kleinschmetterlingen  stehen  die  Zünsler  zunächst  Spannern, 
den  Zünslern  zunächst  wieder  Wickler  und  diesen  Motten.  Die  Geistchen 
schließen  sich  im  Allgemeinen  den  Motten  an. 


Die  Spanner.  Geometridae. 

Es  giebt  solche,  welche  noch  eine  größere  Anzahl  von  Grund- 
binden haben,  wie  viele  Acidalien.  Diese  Grundbinden  veranlassen 
häufig  ein  eigentümliches  Zeichnungsbild  dadurch,  daß  sie  zackig  werden. 
Sie  lassen  sich  auf  unser  Grundschema  zurückführen.  Anhaltspunkt  für 
die  Bestimmung  der  Binden  giebt  in  vielen  Fällen  ein  schwarzer  kleiner 
Fleck  auf  den  Vorderflügeln,  welcher  offenbar  dem  V  VI-Fleck  anderer 
Falter  entspricht.  Auch  auf  den  Hinterflügeln  ist  oft  der  als  sein  Gegen- 
stück bekannte  schwarze  Fleck  vorhanden.  Nach  außen  vom  V/Vl-Fleck 
liegen  häufig  3  oder  4  Binden  (I — IV) ,  nach  innen  von  demselben  liegt 
gewöhnlich  nur  eine  Binde,  wahrscheinlich  IX  entsprechend,  so  bei 
Acidalia  rufaria ')  und  zahlreichen  anderen.  Zuweilen  liegen  auch  nach 
innen  davon  zwei  oder  mehrere  Binden ,  z.  B.  bei  Arten  der  Gattung 
Cidaria,  manchmal  nur  noch  auf  den  Vorderflügeln,  welche  überhaupt 
bei  den  Spannern  häufig  allein  noch  Binden  tragen :  man  vergleiche 
hierzu  z.  B.   Cidaria  nigrofasciaria'^)  und  Verwandte,  lugubrata^)  u.  a. 

Die  Eigenart  der  Zeichnung  vieler  Spanner  ist  nun  dadurch  bedingt, 
daß  von  diesen  Binden  nur  zwei  (auch  drei)  übrig  bleiben  und  besonders 

1)  G.  Ramann,  Schmetterlinge  Deutschlands.  Abb.  16  der  Spanner. 

2)  Ebenda.  Abb.  232.  3)  Ebenda.  Abb.  213. 


Die  Spanner,  Geometridae.  255 

stark  ausgeprägt  sind ,  entweder  auf  beiden  Flügeln  oder  nur  auf  den 
vorderen:  es  handelt  sich  dabei  hauptsächlich  um  Binde  lY  (auch  IUI  einer- 
seits und  um  eine  innere,  wahrscheinlich  IX,  andererseits,  so  bei  Arten 
der  grünen  Geometra  und  Verwandten'),  den  braunen  Numeria,  Ellopia, 
Eugonia  u.  s.  w.  2). 

Es  kommt  vor,  daß  mehr  Binden  als  elf  vorhanden  sind,  besonders 
auf  den  Vorderflügeln,  so  bei  Eucosmia  undulata^);  es  handelt  sich  dann 
aber  augenscheinlich  um  den  Beginn  einer  Rieselzeichnung,  wie  sie 
ausgesprochen  ist  z.  B.  bei  Angerona  prunaria^]. 

Bei  den  den  Spannern  nahestehenden',  oft  prachtvoll  gefärbten,  z.  T. 
Pap/Z/o-ähnlichen,  tropischen  Uraniiden  kommt  zuweilen  auf  dem  inneren 
Teil  der  Vorderflü£;el  ebenfalls  eine  solche  Vermehrmm  von  Binden  vor. 
so  bei  Urania  Croesus  aus  Madagaskar.  Bei  dem  nächstverwandten  Leilus 
aus  Südamerika  dagegen  sind  auf  den  Vorderflügeln  die  elf  Grundbinden 
verbreitert  vorhanden,  ähnlich  wie  bei  der  Papilionide  Ärmandia  Lidder- 
dalii  (Fig.  172). 

Einen  Gegensatz  hierzu  bildet  unter  den  Uraniiden  der  große,  braune 
Xyctalemoji  Patroclus  aus  China,  bei  welchem  ein  helles  Band  ein  oben 
dunkles  Binnenfeld  abgrenzt,  dessen  äußere  Grenze  wahrscheinlich  Binde 
IV  entspricht.  Das  Binnenfeld  ist  unten  ganz,  oben  nur  auf  dem  inneren 
Teil  der  Vorderflügel  gerieselt  und  am  Vorderrande  finden  sich  beider- 
seits Bindenstückchen,  welche  den  Anfang  der  Entstehung  solcher  Riese- 
lung  aus  Grundbinden  andeuten. 

Durch  Zerteilung  der  Grundbinden  kann  ein  Schwarzfleck-Typus 
entstehen  wie  heA  Bhyparia  melanaria^]^  Abraxas  grossulariata^] ^  Venilia 
macidaria']  oder,  durch  Zerteilung  der  zwischen  den  Binden  gelegenen 
hellen  Bänder,   ein  Weißfleck-Typus,  wie  bei  Acidalia  tessellaria^). 

Auch  Mittelfeld-Typus  kommt  vor,  so  bei  manchen  Cidaria^]. 
Derselbe  geht  bei  C.  albicillata  auf  den  Hinterflügeln  in  den  Innen feld- 
Typus  über.  Besonders  schön  ist  ein  Mittelfeld  Papilioniden-ähnlich  bei 
den  schönfarbigen  Uraniiden  vertreten. 

Zuletzt  kann  nach  dieser  Richtung  hin  ein  vollkommenes  Innenfeld 
nach  Art  des  isrfwsa-Typus  entstehen:  vollkommene  »Mimicry«  zeigt 
in  dieser  Beziehung  und  auch  in  der  Farbe  mit  Colias  Edusa  die  Fidonia 
limbaria^^],  nur  ist  sie  viel  kleiner,  wodurch  wieder  aller  Verklei- 
dungs-Zauber aufgehoben   wird. 

In  einzelnen  Fällen  stellen  sich  die  Grundbinden  der  Spanner,  so 
viele  ihrer  übrig  geblieben  sind ,  und  zwar  im  Zusammenhang  mit 
Libellen-  oder  Sphingiden-ähnlich  ausgezogener  Gestalt  besonders  der 
Vorderflü2;el  schrä»  von  außen  und  vorn  nach  innen  und  hinten  oder 
sie  stellen  sich  gar  quer. 

Zuweilen   nehmen    die  V/VI-Flecke    einen    kleinen    Anlauf  zur   Her- 


ij  Ramanx,  Taf.  LT.  2    Ebenda.  Taf.  LVII.  3)  Ebenda.  Fig.  M3. 

4)  Ebenda.  Fig.  75.  ä)  Ebenda.  Fig.  46.  ^]  Ebenda.  Fig.  47. 

■?)  Ebenda.  Fig.  82.  «)  Ebenda.  Fig.  31.  9)  Vgl.  Ramann  Taf.  LXIV. 

lOj  Ebenda.  Fig.  132. 


256  Diß  Entwickelungsrichtungen  der  Hclcrocera  und  Microlepidoptera. 

Stellung  von  Augenflecken,  welcher  weiter  gediehen  ist  bei  Eulen  und 
Spinnern. 

Eine  der  hervorragendsten  Eigentümlichkeiten  vieler  Spanner  bleibt  die 
einseitig  starke  Ausbildung  der  Binde  III  oder  IV  und  der  Binde  IX.  Im 
ersteren  Falle  kann  eine  dem  Flügelrand  nahegelegene  Grenzbinde  entstehen. 

Eine  besondere  Entwickelungsrichtung  bei  den  Spannern  liegt  darin, 
daß  Binde  IV  auf  beiden  oder  nur  auf  den  Vorderflügeln  nach  innen 
eine  mehr  oder  weniger  bedeutende  Verbreiterung  erfährt,  oder  aber, 
daß  durch  ihr  Zusammenfließen  mit  einer  oder  mehreren  einwärts  von 
ihr  gelegenen  Binden  oder  durch  Entstehung  dunkleren  Tons  zwischen 
beiden  durch  eine  Farbenbrücke  eine  breite  auffallend  dunkle  Binde, 
bezw.  Bandbinde  hergestellt  wird.  Dasselbe  kann  auch  im  Bereich  von 
III  und  IX  geschehen  oder  auch  im  ganzen  inneren  Flügelwinkel,  wo- 
durch ein  kleines  dunkles  Binnenfeld  entsteht.  Man  vergleiche  zu 
letzterem  u.  a.  Cidaria  albicillata  ')  und  zum  Übrigen  auf  derselben  Tafel 
mit  ihr  bei  Bamann  abgebildete  andere  Arten  dieser  Gattung. 

Die  gleiche  Entwickelungsrichtung  findet  sich  auch  bei  den  übrigen 
Heteroceren.  Man  kann  dabei  überall  von  einer  Bandbin  den  bildung 
reden,  indem  Binden  und  Bänder  sich  zu  einer  neuen  Zeichnung  vereinigen. 

Ein  wunderbares  Beispiel  für  Horaoeogenesis. 

Der  Schrägband-Typus  ist  vertreten  bei  Gliedern  der  Ura- 
niiden-Gattung  Nyctalemon  aus  dem  indomalayischen  Gebiete.  Ganz  ver- 
schieden von  dem  so  gezeichneten  A^.  Patroclus  ist  der  blauschillernde  A"^ 
Ägathyrsus^  bei  welchem  sich  gleichfalls  am  Vorderrande  der  Vorderflügel 
noch  Anzeichen  gespaltener  Grundbinden  finden.  In  schwarzblauem 
Grunde  liegt  hier  ein  hellblaues  Schrägband  auf  den  Vorderflügeln,  dahinter 
ein  zweites  breites,  welches  nach  Papilioniden-Art  nach  hinten  in  ein  über 
die  Hinterflügel  sich  erstreckendes  Mittel-,  bezw.  Innenfeld  übergeht. 

Agatliyrsus  ist  nun  auf  der  Oberseite  bis  in  alle  Einzelheiten  dem  Papilio 
Alcidinus  täuschend  ähnlich,  wie  mir  die  Abbildung  des  letzteren  von 
Roeber2)  zeigt.  Alcidinus  ist  sehr  selten,  Agatlu/rsus  häufiger,  beide 
fliegen  zusammen  und  scheint  hier  ein  selten  glänzendes  Beispiel  für 
Verkleidung  gegeben  zu  sein,  welche  der  über  den  Flug  beider  Falter  be- 
richtende Herr  Riebe  3]  auch  annimmt.  Die  Ähnlichkeit  ist  so  groß,  daß 
nur  der  etwas  konkav  ausgeschnittene  Vorderrand  der  Vorderflügel  einen 
Unterschied  macht,  was  die  Eingeborenen  nach  Bibbe  veranlaßte,  die 
Flügel  des  gewöhnlicheren  Agathyrsiis  zum  Zweck  besseren  Gewinns  im 
Sinne  von  Alcidinus  zuzuschneiden.  Alcidinus  wäre  also  der  Nachahmende, 
Agathyrsiis  müßte  irgendwie  geschützt  sein,  doch  ist  hierüber  nichts 
bekannt.  Bibbe  stützt  sich  in  seiner  Annahme  der  Nachahmung  aller- 
dings nur  auf  einen  Fall  von  unmittelbarer  Beobachtung  des  Zusammen- 


Ramann,  Fig.  212. 


&• 


2   Korrespondenzblatt  des  entomologischen  Vereins   »Iris«  I.  Taf.  1.  Fig.   I.   Dres- 
den  I8S;;.  3)  Ebenda.  3.  Heft.  S.  78  f.   1886. 


Die  Eulen,  Noctiiidae.  257 

fliegens  beider  Falter,  indem  er  unter  den  die  Krone  eines  Eisenholzbaumes 
umschwärmenden  Agathyrsus  auch  einen  Alcidinus  erbeutet  bekam. 

Verwandt  dem  Alcidinus  und  vielleicht  nur  eine  Abart  von  ihm  ist 
P.  Laglai::ei.  Schatz  sagt ')  übereinstimmend  mit  dem  von  mir  vorhin 
über  die  Ähnlichkeit  zwischen  Alcidinus  und  Agathyrsus  Geäußerten  über 
diesen  Falter:  »Dieser  erst  im  Jahre  1877  entdeckte  Papilio  ist  wohl  das 
wunderbarste  Beispiel  von  Nachahmung,  welches  wir  unter  den  Tag- 
schmetterlingen antreflfen,  denn  das  Vorbild  ist  der  Nyctalemon  Agatliyr- 
sus ,  ein  Schmetterling ,  welcher  nicht  einmal  zu  den  Diurnen,  sondern 
zu  den  Uraniiden  gehört.  Die  Entdeckung  des  P.  Luglaizei  brachte 
s.  Z.  die  ganze  entomologische  Welt  in  Aufresung,  da  man  einen  solchen 
Fall   von    Nachahmung    bei    den    Papilionen    wohl  nicht  erwartet    hatte«. 

Möglich  ist  es,  wie  in  anderen  Fällen,  daß  hier  ein  Schutzverhältnis 
besteht,  aber  ebenso  möglich,  daß  die  zwei  Arten  zusammenfließen,  nur, 
weil  sie  sich  ähnlich  sind  und  weil  sie  dieselbe  Lebensweise  haben, 
welche  wiederum  die  Ähnlichkeit  bedingt  haben  kann:  nach  meiner 
Ansicht  handelt  es  sich  hier  um  das  wunderbarste  Beispiel  von 
unabhängiger  Entwickelungsgleichheit:  Homoeogenesis.  Für  die 
Annahme  einer  durch  Zuchtwahl  gewordenen  Ähnlichkeit  aber  ist  so 
wenig  wie  irgendwo  anders  ein  Anhaltspunkt  der  Möglichkeit  gegeben. 


Die  Enlen,  Noctnidae, 

sind  gegenüber  den  Spannern  in  der  Zeichnung  vorgeschritten.  Die 
Hinterflügel  sind  meist  düster  einfarbig  geworden,  während  die  Vorder- 
flügel gewöhnlich  sehr  umgebildete  Zeichnung  führen.  Bei  den  Ordens- 
bändern [Catocala]  und  Verwandten  ist  auf  den  Hinterflügeln  eine  breite 
schwarze  aus  Hill  zusammengesetzte  Randbinde  entstanden,  nach  innen 
davon  eine  ebensolche  Binde  aus  IX. 

Das  blaue  Ordensband,  C.  fraxini,  hat  nur  noch  ein  blaues  band- 
artiges Mittelfeld  auf  den  Hinterflüseln.  Auch  sonst  kommt  auf  den 
Hinterflügeln  oder  auch  auf  den  vordem  zuweilen  ein  Mittel-  oder  ein 
Innenfeld  vor  2). 

Auf  den  Vorderflügeln  spielt  der  V  VI-Fleck  eine  besondere  Rolle, 
indem  derselbe  meist  sehr  auffallend  auftritt,  entweder  als  schwarzer  oder 
weißer  Fleck  oder,  gewöhnlicher,  als  eine  ringförmige  oder  unregel- 
mäßige, zuweilen  Augenfleck-ähnliche  Zeichnung.  Nach  innen  von  ihr, 
im  Bereich  der  Binde  VIII,  liegt  eine  oder  liegen  von  vorn  nach  hinten 
hintereinander  oft  zwei  ähnliche  solche,  eine  weitere  zuweilen  an  der 
Flügelwurzel,  selten  auch  eine  in  der  vorderen  Flügelecke,  entsprechend 
Binde  II. 

Von  den  Grundbinden  sind  auf  den  Vorderflüseln  häufig  stark  aus- 


ij  Stacdixger,  Exotische  Schmetterlinge  II.  S.  44. 
2;  Man  vgl.  z.  B.  Ramann  Taf.  LI,  LH. 
Eimer,  Ortiogenesis.  in 


258  C)'c  Enlwickelungsrichtungen  der  Heterocera  und  Micrölepidoptera. 

geprägt  und  spielen  eine  hervorragende  Rolle  wieder  IV  oder  III,  auch 
II  und  dann  IX. 

Zickzackartiger  Verlauf  der  Grundbinden  auf  den  Vorderflügeln, 
seitliche  Verschmelzung  oder  Verbreiterung  einzelner  derselben  und  da- 
durch Herstellung  unregelmäßiger  oft  wie  gekritzelter  Zeichnung,  wobei 
besonders  II,  II/III,  III  IV,  IV  und  IX  wieder  in  Betracht  kommen,  sind 
im  Zusammenhang  mit  Bandbindenbildung  und  mit  dem  Vorhandensein 
jener  RingUecke  Hauptmittel  zur  Eigenartigkeit.  Zuweilen  trennen  sich 
die  Binden  oder  vereinigte  Bindenstücke  in  dunkle  Flecke  (Schwarz- 
fleck-Typus'), nicht  selten  finden  sich  auch  hier  am  Vorderrande  der 
Vorderflügel  schwarze  Strichelchen  als  Stückchen  gespaltener  Grundbinden, 
häufig  trägt  der  innere  Winkel  der  Vorderflügel  Äi<//ms-Streifung  u.  s.  w. 

Der  hauptsächlichste  Unterschied  im  Aussehen  der  Spanner  und 
der  Eulen  liegt  aber  darin,  daß  bei  ersteren  meist  die  Hinterflügel 
noch  nicht  einfarbig  geworden  sind,  daß  sich  vielmehr  die  Grundbinden- 
zeichnuna;  im  Zusammenhange  mit  der  der  Vorderflü2;el  erhalten  hat. 


Die  Spinner.  Bombycidae. 

Häufig  sind  auch  bei  den  Spinnern  die  Hinterflügel  einfarbig,  aber 
nicht  so  oft  wie  bei  den  Eulen.  Auch  hier  spielen  die  V  VI-Flecke  auf 
den  Vorder-  und  oft  die  entsprechenden  Flecke  auf  den  Hinterflügeln 
eine  hervorragende  Rolle  als  schwarze  oder  als  weiße  dunkel  umrahmte 
Zierden  oder  umgebildet  zu  prächtigen  Augenflecken  wie  bei  den  Nacht- 
pfauenaugen ,  dann  bei  Aglia  tau  u.  a.  Wieder  herrschen  IV  und  IX, 
zuweilen  auch  III  oder  III  IV  wie  bei  Blattschmetterlingen  und  stellen 
ausdrucksvolle  Binden  her  oder  helfen ,  von  heller  Far?)e  begrenzt,  zur 
Bildung  von  hellen  (auch  weißen;  Bändern.  Dann  wieder  entstehen,  be- 
sonders auf  den  Vorderflügeln  durch  dunkle  Verbindung  zweier  Binden 
(hauptsächlich  von  IV  und  IX,  auch  von  II  und  III^  einzelne  breite  Band- 
binden ähnlich  wie  bei  den  Eulen  oder  es  verschmelzen  oder  über- 
brücken sich  wie  dort  die  innerhalb  von  IX  im  inneren  Flüselwinkel 
gelegenen  Binden  zu  einem  Binnenfeld.  Für  beides  bieten  Beispiele 
Saturnia  spini,  pyri^  carpini. 

Auch  hier  ist  die  Zickzackbildung  der  Binden  hervorragend 
herrschend,  auch  hier  kommt  Fleckbildung  nach  Art  derjenigen  der  Eulen 
auf  den  Vorderflügeln  vor  und  es  giebt  Spinner,  welche  auf  Grund 
dieser  gleichen  Entwickelungsrichtungen  vollkommen  eulenartig  aussehen, 
z.  B.  Hepialus   Velleda^). 

Ein  ausgezeichnetes  Beispiel  bieten  für  Rieselung  Cossus  cossiis 
und  terebra^). 

Abgesehen   von    der  viele  Eulen    kennzeichnenden    unregelmäßigen 


1)  Moma  Orion,  Eichbaumeule  u.  a.  Ramakn  Taf.  XXXYI. 

2)  Ramann,  Spinner  Fig.  ■155.  ^]  Ebenda.  Fig.  163,  164. 


Die  Spinner,  Bombycidae.  259 

Fleckung  der  Vorderflügel,  welche  eine  sekundäre  ist,  indem  sie  aus 
Stücken  verschiedenartig  seitlich  verbundener  Binden  oder  aus  Zickzack- 
binden entstand,  kommt  bei  Spinnern  eine  viel  ursprünglichere  Schwarz- 
fleckung  vor,  welche  deutlich  auf  Auflösung  von  Grundbinden  zurück- 
zuführen ist.  Denn  oft  stehen  diese  Flecke  in  Grundbinden  ent- 
sprechenden Reihen  wie  bei  der  auf  S.  71  erwähnten  Hyphantria  aenea, 
bei  welcher  alle  Übergänge  von  Längsfleckung  durch  spärliche  Fleckung 
zu  Einfarbigkeit  vorhanden  sind.  Auf  den  Vorderflügeln  hat  z.  B.  Emydia 
crihrum^j  noch  solche  Fleckreihen.  Bei  Spilosoma  lubricipeda-)^  dem 
Hollunderspinner,  kommen  sie  bemerkenswerter  Weise  hauptsächlich 
noch  in  zwei  Reihen  vor  und  zwar  in  solchen,  welche  Hauptbinden  der 
Spinner  entsprechen,  in  diesem  Falle  wahrscheinlich  III/IV  und  IX, 

Bei  Setina-ATlen^)  ist  eine  Randfleckreihe  (I  oder  II)  vorhanden  und 
dann  auf  den  Vorderflügeln  eine  Reihe  wahrscheinlich  IV  und  eine  IX 
entsprechend. 

An  den  Hollunderspinner  schließt  sich  an  der  Roßminzespinner,  Sp. 
menthastri^)^  als  ursprünglichere  Form  mit  mehr  Fleckchen  auf  den  Vor- 
derflügeln, während  andere  wie  mendica  nur  noch  spärliche  Flecke  haben, 
urticae  aber  ganz  weiß  ist  nur  mit  einem  kleinen  Fleckchen  am  Vorder- 
flüeelrande. 

Ganz  prachtvoll  ist  für  die  Zurückführung  der  Flecke  auf  Grund- 
binden als  Beispiel  der  Purpurbär,  Arct/a  pnrpurea ,  bei  welchem  die 
Flecke  in  Reihen  stehen,  die  auf  den  Vorderflügeln  sich  auf  das 
schönste  auf  Binde  II,  III,  IV,  V  VI,  VIII  und  IX  zurückführen  lassen. 
Auf  den  Hinterflügeln  sind  in  den  Flecken  nur  noch  Reste  von  drei 
Grandbinden  III,  IX  und  V.  VI(?)  zu  erkennen,  dieselben  Flecke,  welche 
hier  auch  bei  anderen  Arctia-ATien  noch  vorhanden  sind,  nämlich  die 
von  III  und  IX,  zuweilen,  wie  bei  einzelnen  matronula,  manchmal  auch 
bei  caja  noch  zu  Binden  verschmolzen.  Bei  A.  maculosa  sind  vorn  noch 
vier,  hinten  drei  Fleckreihen  vorhanden  u.  s.  w. 

Im  übrigen  beruht  der  Charakter  der  /Ircfm-Arten  auf  dem  ver- 
schiedenen Verhalten  von  Grundbinden  auf  den  Vorderflügeln,  insofern 
als  dieselben  teils  sich  in  Flecke  trennen,  teils  seitlich  in  verschiedener 
Weise  verbinden  und  so  eckige  schwarze  Fleckzeichnungen  wie 
bei  piidica^  Flavia,  plantaginis.  caja  u.  a.  hervorrufen,  wo  man  von  seitlich 
labyrinthisch  verbundenen  Bändern  zwischen  den  Grundbindenresten 
reden  kann,  während  in  anderen  Fällen  wie  bei  dominula  und  villica 
nur  noch  mehr  oder  weniger  runde  oder  eckige  Bandrestflecke  zwischen 
den  verschmolzenen  Grundbinden  übrig  geblieben  sind.  Bei  matronula 
sind  nur  noch  Grundbandflecke  am  Vorderflügelrand  und  gewöhnlich 
einer  nahe  der  hinteren  Vorderflügelecke  vorhanden.  Bei  A.  fasciata 
sind  auf  den  Vorderflügeln  noch  zwei  oder  drei  Grundbinden  oder  es 
ist  wenigstens  IX  noch  erhalten,   während    die  übrigen  in  Flecke  aufee- 


1)  Ramann  Fig.  i13.  2    Ebenda.  Fig.  U7.  3)  Ebenda.  Taf.  XXI. 

*]  Ebenda  Fig.  U9. 


2G0  I^'*^  Entwickelungsrichtungen  der  Heterocera  und  Microlepidoptcra. 

löst  sind.  Auch  Ifehe  hat  noch  drei  vollständige  Grundbinden,  von 
welchen  IX  auf  die  Hinterüügel  sich  erstreckt,  außerdem  liegen  am  Vor- 
derflügel Winkel  verschmolzen  X/XI.  Bei  Hera  haben  wir  auf  den  Vor- 
derflügeln außen  wahrscheinlich  11/ III,  dann  III  IV  als  keilförmigen  Fleck 
am  Vorderrande,  dann  schräg  nach  außen  gerichtet  V/VI/VII/VIII,  die 
ersteren  vorne  noch  durch  einen  hellen  Fleck  von  den  letzteren  getrennt, 
dann  ebenfalls  schräg,  vorne  leicht  getrennt  IX/X,  endlich  als  Strich  XI. 

Die  verschiedenen  Abartungen  von  caja  erklären  sich  durch 
stärkere  oder  geringere  Auflösung  der  Grundbinden  in  Flecke  und  auf 
den  Vorderflügeln  zugleich  durch  seitliche  Verbindung  derselben  und 
Verdrängung  der  Grundbandreste,  bis  diese  vollständig  oder  bis  auf 
Reste  von  Flecken  schwinden.  Es  ist  noch  festzustellen,  welchen  Ein- 
fluß verschiedene  Ernährung  auf  die  Art  der  Abänderung  hat'].  Ernährung 
der  Raupen  mit  Nußlaub  soll  einfarbige  braune  Vorderflügel  hervorrufen, 
eine  Wirkung,  welche  durch  Kälte  gleichfalls  hervorgerufen  wird,  die 
zuletzt,  wie  die  futura  von  Dr.  Fickert  (vgl.  später^  beweist,  auch  die 
Hinterflügel  einfarbig  dunkel  färbt. 

Dagegen  giebt  es  eine  Abartung  von  caja ,  welche  fast  vollständig 
lichtfarbig  ist:  Vorderflügel  lehmgelb  entsprechend  den  Grundbändern 
der  gewöhnlichen  caja^  Hinterflügel  rotgelb,  auf  ersteren  noch  drei,  auf 
letzteren  noch  zwei  dunkle  Flecke,  als  Reste  von  Grundbinden.  Die 
Flecke  der  HinterflUgel  entsprechen  dem  vorderen  und  mittleren  der 
äußeren  Flecke  der  gewöhnlichen  caja,  unmittelbar  davor  liegen  die  zwei 
hinteren  der  Vorderflügel,  wahrscheinlich  aus  III  entstanden,  der  vor- 
derste Fleck  scheint  V/VI  zuzugehören.  Wir  kennen  nur  ein  einziges 
solches  Stück  aus  der  Tübinger  Sammlung  (KELLER'sche  Sammlung),  welches 
1853  in  Reutlingen  von  einem  Knaben  gezogen  worden  ist  2],  ohne  daß 
bekannt  wäre,  mit  welchem  Futter. 

Bemerkenswert  durch  eigenartige  Zeichnung  der  Vorderflügel  ist 
Arctia  pulchra,  indem  hier  zwischen  die  aus  den  Grundbinden  entstan- 
denen Fleckreihen  in  die  mattgelbe  Grundfarbe  rote  Flecke  eingelagert 
sind.     Die  Hinterflügel  haben  ein  weißes  Innenfeld. 

Die  eigentümliche  Fleckung  von  Zeuzera  aesculi'^)  wäre  erst  durch 
Zwischenformen  zu  erklären,  vielleicht  handelt  es  sich  um  weitere 
Trennuns;  von  in  Grundbindenreihen  gelegenen  Flecken ,  wie  sie  z.  B. 
bei  Ecpantheria  Scribonia^)  vorhanden  sind. 

Ein  ausgezeichnetes  Zeichnungsbild  geben  bei  manchen  Spinnern  wie 
Liparis  monacha,  dispar  die  zickzackförmigen  Grundbinden.  Ein 
anderes  ausgezeichnetes  Bild  giebt  die  schon  erwähnte  Herstellung  einer 
dunklen  Binde  (Bandbindenbildung)  auf  den  Vorderflügeln  durch 
Verdunkelung ,  bezw.  Überbrückung,  z.  B.  zwischen  Binde  IV  und  IX 
wie  bei  crataegi,  populi,  neustria  u.  s.  w. 


1)  Über  Weiteres  vergl.  m.   »Entstehung  der  Arten«  I.  S.  161  und  später. 

-}  "Württembergische  Jahreshefte   186).  3;  Ramann,  Spinner  Abb.  165.  166. 

*)  Hübneu,  Exotische  Schmetterlinge  II.  Taf.  1  90. 


Die  Schwärmer,  Sphingides.  261 

Wir  können  nicht  auf  alle  anderen  Bilder  einsehen,  welche  durch 
verschiedene  z.  T.  schon  erwähnte  Umgestaltung  ursprünglicher  Binden 
entstehen,  mehr  als  bei  anderen  Heteroceren  tritt  aber  bei  den  Spinnern 
Neigung  zu  gelber,  brauner  oder  weißer  Einfarbigkeit  hervor,  wobei 
zuweilen  nur  noch  der  V  VI-Fleck  auf  den  Vorderflügeln  (bei  Salicis  als 
Winkelstrichi  übrig  bleibt.  Dagegen  findet  sich  eine  ursprüngliche 
Grundbindenzeichnung  über  beide  Flügel  erhalten  bei  Drepana  falcataria^], 
wenn  auch  die  Binden  etwas  zickzackförmig  geworden  sind:  man  unter- 
scheidet 1,  II,  III,  IV,  V/VI,  VIII,  IX. 

In  manchen  Fällen  tritt  bei  Spinnern  auch  Querstreifung  der 
Vorderflügel  auf  nach  Art  des  Xw/Z^ws-Typus ,  auf  Grund  von  Schwarz- 
färbung der  Adern.  So  bei  Emydia  striata  {grammica)  2),  welche  auf  den 
Hinterflügeln  ein  Innenfeld  hat.  Bei  manchen  i4rc^/a -Arten,  wie  planta- 
ginis,  hospita,  geht  die  Zeichnung  wenigstens  auf  dem  Innenwinkel  der 
Vorderflügel  in  entsprechende  quere  Streifung  über,  bei  jacobaeae  ist 
ein  roter  Streif  längs  des  Vorderrandes  der  Vorderflügel  vorhanden  wie 
bei  manchen  Zygaenen.  Überall  sind  in  solchen  Fällen  die  Vor- 
derflügel libellenähnlich  ausgezogen. 

Endlich  mag  noch  hervorgehoben  werden,  daß  es  Spinner  'Xolo- 
f/onto-Arten)  wie  auch  Eulen  (Cucullien)  giebt,  deren  Vorderflügel  eine 
gestrichelte  Querstreifung  haben,  ähnlich  manchen  Sphingiden,  wie  Sphinx 
ligustri.  Es  handelt  sich  auch  hier  um  Beziehung  der  Zeichnung 
zur  Flügelform. 

Die  Schwärmer,  Sphingides. 

Einzelne  Zygaenen  haben  noch  eine  oder  die  andere  Grundbinde 
auf  den  Vorderflügeln,  so  Z.  phegea  und  carniolica^].  In  den  meisten 
Fällen  ist  heller  Flecktypus  (mit  roten  oder  weißen  Flecken)  ent- 
standen, in  anderen  bildeten  sich  rote  Querstreifen.  Die  Hinterflügel 
sind  meist  einfarbig. 

Die  glasartigen  Sesien  (Glasschwärmer)  mit  ihrem  V/Vl-Fleck  sind 
schon  besprochen.  Ahnlich  sind  Macroglossa-Arien  glasartig  und  mit 
V/VI-Fleck  gezeichnet. 

Von  den  großen  bunten  Schwärmern  schließen  sich  manche,  wie 
Smeritithns  populi,  tiliae,  Pterogon  oenotherae  und  Proserpina^),  insofern 
an  gewisse  Spinner  an,  als  auf  den  Vorderflügeln  und  zwar  im  mittleren 
Teil  derselben  zwischen  Binde  IV  und  VIII  oder  IX  jene  Überbrückung 
stattgefunden  hat,  durch  welche  eine  Bandbinde  hergestellt  wird,  in 
der  z.  B.  bei  populi  ein  weißer  V/VI-Fleck  liegt,  während  nach  außen 
von  dieser  Zeichnung  hier  noch  einige  Binden  vorhanden  sind. 

Bei  Macroglossa  stellatarum  sind  dagegen  auf  den  Vorderflügeln  noch 
ursprünglichere  Grundbinden  vorhanden,  während  bei  Achero7itia  Atropos 


1)  Ram.vnx,  Spinner  Abb.  285.  2;  Ebenda  Fig.  IM.   112. 

3)  Ebenda  Fig.  72.  73.  74.  4)  Ebenda  Fig.  20. 


262  Die  Entwickelungsrichtungen  der  Heterocera  und  Microlepidoptera. 

durch  Zickzackbildung  der  Binden  und  teilweise  Zerteilung  derselben 
zwar  der  Beginn  eines  Rieselmusters  entstanden,  aber  doch  deutlich 
eine  Spur  jener  Bandbindenzeichnung  mit  dem  V  VI-Fleck  übrig  ge- 
blieben ist. 

Bei  Chaerocampa  porcellus  haben  wir  auf  den  Vorderllügeln  noch 
im  Sinne  der  Grundzeichnung  von  vorne  nach  hinten  gerichtete  Binden- 
und  Bandspuren,  bei  dem  Verwandten  Ch.  Elpenor  aber  haben  sich  diese 
schon  in  Querzeichnung  umgelagert:  es  sind  offenbar  Binde  III  und 
IV,  welche  hier  in  grünlicher  Färbung  den  von  der  Flügelspitze  nach 
hinten  und  einwärts  verlaufenden  roten  Bandstreifen  begrenzen.  Bei  den 
Deilephila-Avlen  wird  die  keilförmige  mit  der  Spitze  nach  vorn  in  die 
Vorderflügelecke  gerichtete  Bindenzeichnung  durch  III,  im  hinteren  Teil 
wohl  durch  111  und  IV  hergestellt.  Die  quergerichtete  Zeichnung  ist  in 
diesem  und  im  vorigen  Fall  ebenso  wie  bei  anderen  Schwärmern  auf 
Vorder-  und  auf  Hinterflügeln  wiederum  durch  die  lang  ausgezogene 
Flügelform  bedingt. 

Am  allermeisten  verändert  gegenüber  der  Grundzeichnung  und 
vielleicht  unser  am  meisten  veränderter  Falter  mit  Beziehung  auf  die  Zeich- 
nung der  Vorderflügel  ist  Deilephüa  nerii,  indem  hier  die  Reste  der  Grund- 
binden wahrscheinlich  durch  verschiedenes  und  sogar  entgegengesetztes 
Teilwachstum  verschiedentlich  in  entgegengesetzte  (Winkel-) Stellung  ver- 
schoben sind.  Man  erkennt  aber  noch  Reste  von  Binde  II,  III,  IV,  V/VI, 
VII,  VIII,  dann  IX/X;  verwandt  sind  die  Verhältnisse  bei  Smerinthus 
ocellata;  nebenbei  bemerkt,  entsteht  das  auf  den  Hinterflügeln  befindliche 
Auge  dieses  Falters  offenbar  aus  einem  Bindenstück  am  inneren  Teil  des 
hinteren  Flügelrandes  ganz  ähnlich  wie  bei  den  Papilioniden.  Hierauf 
weist  die  Zeichnung  von  Dupo  Jussieuae^)  u.  a.  hin. 

Auch  hier  tritt  auf  den  Vorderflügeln  Einfarbigkeit  auf:  bei  Deil. 
vespertilio,  z.  T.  bei  Sphinx  convolvuli.  Bei  anderen  erscheint  sie  nur 
auf  den  Hinterflügeln. 

Eine  verhältnismäßig  ursprüngliche  Zeichnung  hat  auf  den  Vorder- 
flügeln noch  Smerinthus  quer cus:  Binde  II,  III,  IV,  IX,  X  sind  noch  aus- 
gesprochen und  in  fast  ursprünglicher  Lage  vorhanden,  aber  wieder 
hervorragend  IV  und  IX,  erstere  mit  Brückenschattierung  nach  außen  bis 
III,  letztere  nach  innen. 


Die  Kleiusclimetterliiige,  Microlepidoptera. 

Unter  diesen  haben  die  einfachste  Zeichnung  und  zeigen  überhaupt 
verhältnismäßig  ursprüngliche  Entwickelungsrichtungen : 

die  Zünsler,  Pyralides.  Wenn  auch  in  dieser  Gruppe  eine  große 
Zahl  von  Zeichnungstypen  und  z.  T.  hochentwickelten  vertreten  ist,  so 
sind  doch  viele  schon    dadurch   ursprünglich,  daß  ihre  Hinterflügel  noch 

ij  HüBNEK,  Sammlung  exotischer  Schmetterlinge,  II.  Taf.   163. 


Die  Kleinschmetterlinge,  Microlepidoptera.  263 

nicht  einfarbig  sind,  sondern  gezeichnet  wie  die  Vorderflügel,  ähnlich  wie 
bei  den  Spannern.  Bei  zahlreichen  freilich  sind  die  Hinterflügel  einfarbig 
geworden  wie  bei  Eulen.  Manche  haben  noch  ursprüngliche  Grund- 
binden und  V  VI  ist  sehr  häufig  auf  den  Vorderflügeln  wieder  nur 
als  ein  kleiner  Strich  oder  Fleck  vorhanden:  lentaculalis ,  grisealis, 
emortualis  ^].  Bei  den  zwei  ersteren  sind  auf  den  Vorderflügeln 
Binde  I,  III,  IV,  V/VI,  IX  vorhanden.  Andere  haben  noch  mehr  Bin- 
den auf  den  Vorderflügeln.  Zuweilen  ist  eiu  schönes  Mittelfeld  vor- 
handen: fascialis,  amjuinalis  u.  a.  ^j;  hie  und  da  löst  sich  dasselbe 
in  Flecke  auf:  puvpuralis,  punicealis  ■^]  u.  a.  Öfter  spielen  Binde  III  oder 
IV  und  IX  eine  besondere  Rolle,  erstere  durch  Herstellung  einer  nahe 
dem  Rande  gelegenen,  zuweilen  hellen  Binde  oder  durch  äußere  Ab- 
grenzung des  Mittelfeldes  %  IV  durch  Herstellung  einer  Bandbiude  ^),  IX 
durch  Abgrenzung  eines  Binnenfeldes  ^).  Häufig  bildet  der  V/VI-Fleck 
auf  den  Vorderflügeln  eine  besondere  Zeichnung,  zuweilen  ein  unregel- 
mäßiges Ringchen  wie  bei  Eulen,  zuweilen  liegen  wie  dort  im  Gebiet 
von  VIII  zwei  weitere  solche  Ringchen  oder  Flecke  ').  Häufig  bekommen 
die  Vorderflügel  überhaupt  eine  Kritzel-  oder  sonst  eulenartige  Zeichnung 
auch  durch  Entstehung  von  Zickzackbinden  und  Flecken.  Selten  wn'rd 
die  Zeichnung  auf  den  Vorderflügeln  im  Zusammenhang  mit  ausgezo- 
gener Gestalt  derselben  schief  oder  quer'').  Bei  lucernalis  ist  ein  schönes 
Innenfeld  vorhanden,  ebenso  bei  manchen  anderen,  wenigstens  auf 
den  Hinterflügeln.  Polygonalis  '•')  mit  hochgelbem  Innenfeld  und  schwarzer 
Randbinde  der  Hinterflügel  hat  vollkommen  »mimetische«  Ähn- 
lichkeit mit  Verwandten  der  gelben  Ordensbänder  wie  mit 
Plusia  devergens^'-')  auch  in  Beziehung  auf  die  braungrauen  Vorder- 
flügel mit  großem  V  VI-Fleck. 

Es  mag  hier  ein  für  allemal  gesagt  werden,  daß  man  eine  Unzahl 
von  sogenannten  »mimetischen«  Ähnlichkeiten  zwischen  Klein- 
schmetterlingen überhaupt  und  anderen  Faltern, insbesondere 
Spannern  und  Eulen  aufstellen  könnte,  deren  biologischen 
Wert  schon  die  Kleinheit,  dann  Flügelhaltung  und  Lebens- 
weise ersterer- vollkommen  ausschließt. 

Ebenso  giebt  es  auch  sehr  auffallende,  homoeogenetische  Ähnlich- 
keiten zwischen  einzelnen  Faltern  verschiedener  Gruppen  der 
Kleinschmetterlinge:  ich  weise  hier  nur  hin  auf  die  Pyralide  anthra- 
cinalis^^j  und  die  Tineide  antliracinella^-].  Diese  beiden  Falter  sind 
pechschwarz,  auf  den  Vorderflügeln  mit  Weißfleckzeicbnung,  beide  haben 
auf  dem   Thorax    einige    gelbe    Flecke:    eine    Ähnlichkeit,    welche    nicht 


1)  Hübner,  Europäische  Schnnetterlinge,  IV  Pyralides  Fig.  6r  4.   I. 

2,1  Ebenda  Fig.  31.  32.  3)  Ebenda  Fig.  35.  34. 

4,  Hübner  Fig.  18  barbalis,  20  bombycalis,  44  aerealis. 

5)  Ebenda  1 4  albulalis,  1 5  centonalis.  6)  Ebenda  1 3  palliolalis. 

'^)  Ebenda  69  ßavalis,  68  Irinalis.  ^]  Ebenda  58  forficalis,   108  lucernalis. 

9j  Ebenda  204.  W)  Ra.mann,  Eulen  Fig.  398.  H)  Hübner,  ebenda  Fig.  22. 

12)  Ebenda  V.   Tineae,  Fig.  224. 


264  Die  Entwickelungsrichtungen  der  Heterocera  und  Microlepidoplera. 

weniger  wunderbar  ist,  wie  die  von  Papilio  Alcidinus  und  Nyctalemon 
Agathyrsus,  nur  ist  unlhraciiiella  erheblich  größer  als  unthracinalis\ 

Bei  den  Wicklern,  Tortrices,  sind  wie  bei  den  Eulen  die  Hinter- 
flügel fast  durchweg  zur  Einfarbigkeit  vorgeschritten ,  auch  zeigen  die 
Vorderflügel  häufig  eine  vorgeschrittene  Zeichnung  ähnlich  derjenigen 
der  Eulen.  Selten  sind  noch  annähernd  ursprüngliche  Grundbinden  auf  den 
Yorderflügeln  vorhanden.  Häufig  hilft  wieder  Binde  IV  eine  Bandbinde 
bilden  und  entsteht  einwärts  von  IX  ein  dunkles  Binnenfeldchen.  Auch 
mehrere  solcher  Bandbinden  kommen  vor:  drei  bei  Walbomiana^),  in 
anderen  Fällen  noch  mehr,  so  daß  allmählich  die  Flügeloberfläche  mit 
Ausnahme  von  schmalen  Bandresten  ganz  von  ihnen  eingenommen  werden 
kann,  so  bei  xylosteana  [Buoliana]-].  Diese  Bandbinden  können  sich 
dann  in  verschiedener  Weise  verbinden  und  so  sehr  vorgeschrittene,  auf 
den  ersten  Blick  fremdartige  Zeichnungen  herstellen  3).  Sehr  häufig  ist 
der  V/VI-Fleck  auf  den  Vorderflügeln,  zuweilen  kommt  er  auch  auf  den 
Hinterflügeln  vor.  Einen  hübschen  solchen  Fall  zugleich  mit  IV  und  IX 
auf  den  Vorderflügeln  zeigt   Varroniana^). 

Auch  die  neuen  Bandbinden  können  in  Flecke  zerfallen,  so  bei 
histrionana'^).  A'Mf/(i<s-Streifung  der  Vorderflügel  kommt  ebenfalls  vor, 
so  bei  radiana^),  auch  andere  Querzeichnung,  so  bei  Mayrana'). 

Endlich  sind  zahlreiche  neue  Zeichnungen  auf  den  Vorderflügeln 
entstanden:  helle  und  dunkle  Dreiecke  oder  Flecke,  bei  comfarana^]  u.  a., 
im  Winkel  gestellte  Binden,  auch  Zickzackbinden,  welche  offenbar  wiederum 
meist  auf  Veränderungen  der  neuen  Bandl)inden  zurückzuführen  sind. 

Die  Motten,  Tineidae,  sind  fast  stets  zur  Einfarbigkeit  der  Hinter- 
flügel vorgeschritten  und  viele  haben  sogar  vollkommene  Einfarbigkeit 
erreicht.  Auch  die  Zeichnung  zeigt  sehr  wenig  Ursprüngliches  mehr, 
sondern  öfters  wieder  Umbildung  der  neuen  Bandbinden,  zuweilen  auch  in 
Form  von  Zickzackstreifen:  Janthinella^].  Verhältnismäßig  häufig  tritt  kleine 
Schwarzfleckzeichnung  der  VorderQügel  in  weißem  Grunde  auf:  evony- 
mella^^],  malinella,  auch  Weißfleokzeichnung:  anthracinella,  zuweilen 
A'M//rM5-Streifuug,  häufig  andere  Querzeichnung  im  Zusammenhang  mit 
der  ausgezogenen  Flügelform,  welche  ja  überhaupt  für  viele  Motten 
kennzeichnend  ist.  Hervorragend  kennzeichnend  ist  ferner,  daß  die 
beiden  Flügelpaare,  auch  wenn  dieselben  einfarbig  sind,  gewöhnlich  ver- 
schiedenfarbig sind,  meist  die  vorderen  dunkler,  selten  die  hinteren. 

Auch  bei  Motten  kommt  der  V/VI-Fleck  noch  vor. 

Bei  vielen  Motten  ist  aber,  ähnlich  wie  bei  Wicklern,  eine  sehr  vor- 
geschrittene Zeichnung  dadurch  entstanden,  daß  die  neuen  Band])inden 
sich  in  verschiedener  Weise  umgebildet  haben,  durch  Vereinigung,  Ver- 
schiebung, Zerfall,  in  Stücke,  teilweises  Schwinden.  Diese  Verhältnisse 
bedürfen  einer  genaueren  Untersuchung  im  Einzelnen. 


1)  HüBKER  Tortrices  Fig.  203.  -)  Ebenda  Fig.  154. 

3i  Daliin  gehört  wohl  z.  B.  die  Zeichnung  von  LocupUtana  268. 
.  .      4]  Fig.  291.         5)  Fig.  310.   Sil.  6)  Fig.  177.  '')  Fig.  335.  «;  Fig.  284. 

0)    Tineae  Fig.  374.  375.  lO)  Fig.  88. 


Die  Kleinschmetterlinge,  Microlepidoptera.  265 

Ursprüngliche  Grundl)indenzeichnung  kommt  bei  Motten  nicht  mehr  vor. 

Die  Geistchen,  Pterophoridae,  sind  sehr  weit  in  der  Zeichnung 
vorgeschritten,  teilweise  einfarl)ig,  ])esonders  auf  den  Ilinterflügehi  in 
vielen  Fällen  einfarbig  bis  auf  Reste  von  Binden  auf  dem  äußeren  Teil 
der  Vorderflügel.  Hexadactijla^)  aber  hat  sechs  über  beide  Flügel 
gehende  schmale  helle  Bänder,  welche  mit  Ausnahme  des  innersten  zick- 
zackförmig  sind.  Dieses  innerste  Band  scheint  im  Gebiete  der  Binden 
VIII  IX  zu  liegen.  Auf  weitere  ursprüngliche  Bandzeichnung  deuten  je 
zwischen  den  erwähnten  Bändern  am  Vorderrand  der  Vorderflügel  ge- 
legene Flecke  hin.  Es  handelt  sich  in  den  zwischen  den  Bändern  ge- 
legenen braunen  Zwischenräumen  wohl  um  Bandbinden,  deutlich  sind 
entsprechende  Streifen  bei  polydactyla  2)  und  dodecadactyla  3)  auf  solche 
zurückzuführen. 

Annähernd  ursprüngliche  Grundbindenzeichnung  scheint  bei  Motten 
so  wenig  mehr  aufzutreten  wie  bei  Wicklern,  während  sie  bei  Zünslern 
noch  verschiedentlich  vorkommt. 

Auch  hier  giebt  es  »Nachahmung«  von  Faltern  anderer  Gruppen, 
so  ist  pronubella  ^]  mit  braunen  Vorder-  und  gelben  mit  schwarzer  Rand- 
binde versehenen  Hinterflügeln  eine  ganz  reizende  Liliputnach- 
ahmung  von  Agrotis  pronuba  —  eine  schöne  Aufgabe  zur  Lösung 
für  Zuchtwahl  Verkleidungs-Künstler. 


1)  Hübner  Pterophoridae  Fig.  10.  -11.  30.  31.  2)  Ebenda  Fig.  28.  3,  pig.  29. 


Tineae  Fig.  247. 


YII. 

Allgemeines  über  Verkleidung  (Mimicry) 
bei  Schmetterlingen. 


»Wenn  der  Naturforscter  sein  Recht  einer  freien 
Besflianung  und  Betrachtung  tehaupten  ■will,  so  mache 
er  sich  zur  Pflicht,  die  Kechte  der  Natur  zu  sichern; 
nur  da,  wo  sie  frei  ist,  wird  er  frei  sein;  da,  wo  man 
sie  mit  Menscheusatzungen  bindet ,  wird  auch  er  ge- 
fesselt werden.«  Goethe. 

Zunächst  möchte  ich  die  ganz  auf  dem  Boden  der  Zuchtwahllehre  stehen- 
den Ansichten  besprechen,  welche  ein  bewährter  Naturbeobachter  ver- 
treten hat:  Fritz  Müller,  zu  dessen  Anschauungen  die  meinigen  in  dieser 
Frage  im  Gegensatz  stehen.  Dieser  Gegensatz  beruht  aber  gewiß  mit 
darauf,  daß  es  zur  Zeit,  als  F.  Müller  schrieb,  Bedürfnis  jedes  fort- 
schrittlichen Geistes  sein  mußte,  die  DARWix'sche  Lehre  zu  vertreten 
und  Thatsachen  durch  sie  zu  erklären,  während  es  heute  für  denselben 
Geist  Bedürfnis  sein  wird,  die  Thatsachen  an  der  Hand  der  Gesichts- 
punkte zu  prüfen,  welche  die  jetzt  als  mächtig  wirksam  dargelegte  Ortho- 
genesis  unbefangener  und  darum  wissenschaftlicher  Beurteilung  darbietet. 

Betrachtet  man  von  diesem  meinem  Standpunkt  aus  die  von  Fritz 
Müller  gegebenen  Erklärungen,  so  wird  man,  je  geistreicher  solche 
Erklärung  im  Einzelnen  sein  mag,  um  so  mehr  auf  die  handgreiflichen 
grundsätzlichen  Mängel  aufmerksam  werden,  welche  dem  Versuch  ent- 
gegenstehen, die  Umbildung  der  Formen,  das  Werden  von  Anpassungen 
durch  Zuchtwahl  zu  deuten.  Und  gerade  deshalb  sind  die  Anschauungen 
eines  so  hervorragenden  Forschers  uns  wichtig  und  verdienen  ein  Ein- 
gehen bis  aufs  Einzelne. 

Fritz  Müller')  meint,  daß  die  täuschende  Ähnlichkeit  von  Faltern, 
welche  verschiedenen  Gruppen  angehören  und  an  denselben  Örtlichkeiten 
vorkommen,  wie  Bates2]  mid  Darwin  annehmen,  allmählich  durch  Natur- 


al FiuTz  MüLLEB,   Bemerkenswerte  Fälle  erworbener  Ähnlichkeit   bei   Schmetter- 
lingen.    Kosmos  5.  Jahrg.  10.  Bd.  1881. 

-]  H.  W.  Bates  (vgl.  das  Folgende)  erklärte  dieselben  zuerst  als  Mimicry. 
BoisDUVAL   erwähnt   schon   die  Thatsache    des  Vorkommens   ähnlicher  Falter  aus 


Fritz  Müller  über  Vorkleidung.  267 

auslese  entstand,  indem  immer  die  dem  Vorbilde   ähnlichsten    Tiere    am 

besten  der  Verfolgung  durch  Vögel  und  andere  Feinde  entgingen. 

»Andere  freilich  haben  anders  darüber  gedacht  und  dasselbe  Beispiel  von  Jlhomia 
und  Leptalis^j  benutzt,  um  daran  nachzuweisen,  daß  zur  Erklärung  ihrer  Ähnlichkeit 
Naturauslese  nicht  ausreiche.  Naturauslese,  sagte  man'-),  könne  nur  wirken  —  und 
das  ist  nicht  zu  bestreiten  — ,  wenn  jede  einzelne  in  vorteilhafter  Richtung  auftretende 
Abweichung  sich  für  das  abweichende  Tier  nützlich  erweise,  also  erst  wenn  die 
Ähnlichkeit  zwischen  Nachahmer  und  Vorbild  groß  genug  geworden,  um  die  scharfen 
Augen  der  Vögel  zu  täuschen,  könne  sie  durch  Naturauslese  erhalten  und  weiter 
ausgebildet  werden.  Nun  aber  sei  der  Unterschied  zwischen  einem  gewöhnlichen 
weißen  Pieriden  und  den  Ithomiinen  so  groß,  daß  jedenfalls  solche  Zwischenstufen, 
welche  ersteren  im  Ansehen  noch  näher  ständen,  als  letzteren,  in  keiner  Weise  irgend 
welchen  Schutz  genießen,  also  ihrem  Inhaber  keinen  Vorteil  vor  der  Stammform 
gewähren  würden.  Hier  sei  also  obiüe  Voraussetzung  nicht  nur  für  die  ersten  Stufen 
zufälliger  Abweichungen,  sondern  selbst  bis  zur  Mitte  des  Weges  hin  nicht  erfüllt, 
also  das  Eingreifen  der  Naturauslese  nicht  möglich.  Nur  da,  w-o  die  Stammform,  von 
welcher  die  Umwandlung  zur  natürlichen  Maske  ausgeht,  der  nachgeahmten  Art 
ohnehin  schon  so  ähnlich  aussehe,  daß  eine  Verwechslung  von  Seiten  der  Feinde 
möglich  sei,  könne  Naturauslese  die  Ähnlichkeit  vervollkommnen.« 

Fritz  Mijller  meint  dagegen  : 

1)  3)  Auch  wenn  z.  B.  weiße  unter  bunte  sich  mischende  Falter  nur 
etwas  von  der  Farbe  der  letzleren  hätten,  so  würde  ihnen  dies 
nützlich  sein. 

2)  Auch  habe  das  scharfe  Auge  der  Vögel  jedenfalls  erst  im  Wett- 
kampf der  Verfolgung  seine  Schärfe  erlangt,  deshalb  werden  die 
Vöaiel  anfangs  auch  durch  minder  vollkommene  Nachbildunsen  zu 
täuschen  gewesen  sein. 

Was  aber  den  besonderen  Fall  angeht,    so  werden  die 

a)  nachgeahmten  Ithomiiden,  wie  Wallace  auseinandergesetzt 
hat^),  zuerst  ziemlich  schlicht  gefärbt  gewesen  sein. 

b]  Es  spreche  nichts  dafür,  daß  Leptalis  eine  gewöhnliche  weiße 
Pieride  gewesen  sei,  sondern  es  sei  diese  Stammform  wahr- 
scheinlich schwarz  und  gelb  gewesen,  mit  ähnlicher  Farben- 
anordnung und  ähnlichem  Flügelschnitt  wie  bei  den  Ithomiinen 
und  heute  unter  den  Leptalis  noch  bei  Leptalis  Melia  und 
Melite  cf^j.  Einer  der  Gründe  hierfür  sei,  daß  alle  durch 
Ungenießbarkeit  geschützten  Falter,  die  etwa  der  Leptalis  Ästy- 
nonie  als  Vorbild  gedient  haben  können,  in  ihrer  Flügelform 
mitten  inne  stehen  zwischen  dieser  lang-  und  schmalüügeligen 
Leptalis  und  einer   kurz-   und   breitflügeligen    » gewöhnlichen 


verschiedenen  Gruppen  an  denselben  Örtlichkeiten:  Boisduval,  Species  general  des 
Lepidopt.  T.  I.    IS36.  S.  23. 

1    Leptalis  ist  gleich  Dismorphia. 

-)  vgl.  »Das  Unbewußte  vom  Standpunkte  der  Physiologie  und  Descendenztheorie«, 
1872.  S.  9 — H. 

3)  Jenaische  Zeitschr.  f.  Naturw.  ßd.  X.   1876. 

*j  A.  R.  Wallace,  Tropical  Nature  and  other  essays.  -1878  S.  189. 

5;  Vgl.  Fkitz  Mlllek,  Jenaische  Zeitschr.  f.  Natw.  Bd.  X.  S.  I,  wo  dies  näher 
ausgeführt  ist. 


268  Allgemeines  über  Verkleidung  (Mimicry)  bei  Schmetterlingen. 

weißen  Pioride«.  Es  kann  aber  die  nachgeahmte  Form  niemals 
zwischen  der  nachahmenden  imd  deren  Stammform  in  der 
Mitte  stehen,  mit  anderen  Worten:  es  kann  die«  nachahmende 
nicht  über  die  nachgeahmte  in  den  nachahmenden  Eigen- 
schaften hinaus  gehen. 

Dagegen  möchte  ich  sagen:  Ja,  wenn  es  sich  um  eine  durch  Aus- 
ese  entstandene  Nachahmung  handelte!  Vorausgesetzt  aber,  daß  die 
Leptalis  wirklich  von  gewöhnlich  gestalteten  Pieriden  abstammt,  was  ich 
vertreten  möchte,  so  liegt  im  vorliegenden  Falle  ein  Beweis  dafür  vor, 
daß  die  Ähnlichkeit  nicht  durch  Nachahmung  auf  Grund  von  Auslese 
entstanden  sein  kann:  die  Flügelform  ist  bei  der  Leptalis  noch 
mehr  in  die  Länge  gewachsen,  als  bei  der  It/iomia,  welche  doch 
Vorbild  sein  soll. 

Die  große  Verschiedenheit  der  äußeren  Erscheinung  zwischen  den 
beiden  Formen,  welche  gegen  die  Nachahmung  aufgeführt  werde,  meint 
F.  MüLLKR,  habe  wohl  niemals  bestanden.  »Wie  aber  die  einmal  in  der 
Ähnlichkeit  mit  gewissen  Ithomiinen  Schutz  findende  Leptalis  durch 
Naturauslese  Schritt  für  Schritt  auf  demselben  Wege  weiter  geführt 
werden  konnte,  bedarf  wohl  keiner  weiteren  Ausführung« i). 

Dagegen  möchte  ich  bemerken: 

Damit  sind  wir  wieder  auf  dem  Boden  angelangt,  daß  die  beiden 
Formen  von  vornherein  ähnlich  gewesen  sein  müssen  —  daß 
also  die  Auslese  die  Ähnlichkeit  nicht  gemacht  hat! 

Eine  andere  Frage  sei  es,  sagt  F.  Müller  weiter,  ob  alle  Fälle  von 
Mimicry  namentlich  bei  Schmetterlingen  als  schützende  Ähnlichkeit  auf- 
zufassen seien.  Es  gebe  gar  manche  Fälle ,  in  welchen  die  BAXEs'schen 
Voraussetzungen  nicht  zutreffen: 

Die  nachahmende  Art  kann  häufiger  sein  als  die  nachgeahmte. 

Es  können  beide  des  Schutzes  durch  Ungenießbarkeit  entbehren. 

Es  können  beide  ungenießbar  sein. 

Der  letztere  Fall  ist  schon  vor  Fritz  Müller  durch  Wallace  behandelt  worden-), 
welcher  sagt: 

»In  Südamerika  finden  wir  in  den  drei  sämtlich  durch  Widrigkeit  geschützten 
Unterfamilien  der  Danaiuen,  Acräinen  und  Heliconiinen  dieselben  Farben  und  Zeich- 
nungen wiederholt,  bisweilen  bis  ins  Einzelnste  sich  gleichend,  und  zwar  ist  jede 
besondere  Weise  der  Färbung  bezeichnend  für  ein  bestimmtes  Gebiet  des  Erdteils. 
Neun  sehr  verschiedene  Gattungen  beteiligen  sich  an  diesen  gleichlaufenden  Wand- 
lungen fparaliel  changes)  —  Lycorea,  Ceratinia,  Mechanitis,  Ithomia,  Melinaea,  Tithorea, 
Acraea,  Heliconius  und  Eueides.  Gruppen  von  drei,  vier  oder  selbst  fünf  derselben 
erscheinen  zusammen  in  derselben  Tracht  in  dem  einen  Bezirk  und  in  einem  benach- 
barten Bezirk  erleiden  die  meisten  oder  alle  zugleich  denselben  Wechsel  in  Färbung 
oder  Zeichnung.  So  treten  in  Guiana  Arten  von  Ithomia,  Mechanitis  und  Heliconius 
auf  mit  gelben  Flecken  der  Flügelspitze,  die  alle  in  Südbrasilien  durch  Arten  mit 
weißen  Flecken  vertreten  sind.  Von  Mechanitis ,  Melinaea  und  Heliconius  und  bis- 
weilen von  Tithorea  sind  die  Arten  der  südlichen  Anden  Bolivia  und  Peru,!  mit 
Orangerot  und  Schwarz  gezeichnet,  während  die  der  nördlichen  Anden  (Neu-Granada) 


i;  »Vgl.  was  Wallace  a.  a.  0.  treffend  darüber  sagt.« 
•2)  Wallace,  Tropical  Nature  -1878.  S.  236. 


FiuTz  Müller  über  Verkleidung.  269 

fast  immer  dunkelgelb  und  schwarz  sind.  Ähnliche  Wandlungen  kommen  bei  Arten 
der  genannten  Gruppen  vor,  welche  dieselben  Gegenden,  sowie  Centralamerika  und 
die  Antillen  bewohnen.  Bald  ist  die  so  erzeugte  Ähnlichkeit  zwischen  weit  verschie- 
denen Arten  nur  eine  allgemeine,  bald  aber  so  ins  Einzelne  gehend,  daß  sie  nur  durch 
genaue  Lntersuchung  des  Baues  sich  unterscheiden  lassen.  —  Da  aber  alle  in  gleicher 
Weise  durch  die  widerliche  Absonderung  geschützt  sind,  welche  sie  für  Vögel  unschmack- 
haft  macht,  kann  dies  kaum  wirkliche  Mimicry  sein.« 

Wallace  führt  diese  Fälle  an  als  Belege  für  den  Einfluß  der  Ört- 
lichkeit  auf  die  Farbe  und  meint,  daß  die  Ähnlichkeit  unbekann- 
ten örtlichen  Ursachen  zugeschrieben  werden  müsse. 

F.  MlxLER  stellt  der  WxLLACE'schen  Ansicht^)  fünf  täuschend  ähnliche, 
durch  Ungenießbarkeit  geschützte  Falter  von  Sta.  Catharina  entgegen  aus 
eben  so  vielen  Gattungen  und  verschiedenen  Gruppen: 

Lycorea,  dort  sehr  selten  iDanaine), 

Mechanitis  Lysimnia  und  Melinaea  (häufige  Ithomiinen',  Heliconms 
Eucrate  und  Eueides  Isabella  (Helikoniden). 

»Täuschend«  ähnlich  dürfen  diese  Falter  trotz  gewisser  Verschieden- 
heit deshalb  genannt  werden,  weil  zwei  andere  ähnlich  gefärbte  Falter 
derselben  Gegend,  »Protogonhis  Hippona  und  Leptalis  Astynome,  welche 
nicht  durch  Widrigkeit  geschützt  sind  und  ihre  Ähnlichkeit  mit  den 
fünf  ungenießbaren  Arten  nur  den  Umstände  danken,  daß  dieselbe  durch 
Täuschung  ihrer  Feinde  ihnen  nützlich  wurde-,  weil  diese  nachahmen- 
den Arten  ihren  Vorbildern  weit  weniger  ähnlich  sind  als  jene  durch 
Widrigkeit  geschützten  Arten  unter  sich. 

Dazu  möchte  ich  sagen : 

Die  Entstehung  der  Ähnlichkeit  durch  Nachahmung  müßte 
für  die  zwei  Falter  erst  bewiesen  werden.  Die  einfache  Voraus- 
setzung derselben  berechtigt  nicht  zu  dem  gemachten  Schlüsse.  Die 
Ähnlichkeit  von  Prologonius  mit  den  übrigen  ist  außerdem  eine  sehr 
geringe.  Insbesondere  hat  derselbe  eine  ganz  andere  Flügelform  und 
bleibt  so  wohl  außer  Betracht;  bestände  aber  Mimicry,  so  wäre  es  doch 
nötiger,  daß  die  Nachahmenden  den  Geschützten  täuschender  ähnlich 
wären,  als  diese  unter  sich  sind. 

Da  die  Raupen  der  fünf  widriggeschützten  Falter  auf  ganz  verschiedenen  Pflanzen 
leben,  fährt  F.  Müller  fort,  so  fällt  der  Einfluß  der  Ernährung  weg  und  es  bleiben 
nur  die  allgemeinen  klimatischen  Verhältnisse.  Sie  verbreiten  sich  aber  über  ein 
weites  Gebiet  bis  hoch  in  die  Berge  und  ihnen  nahestehende  Verwandte  sind  von 
denselben  örtlichen  Verhältnissen  nicht  wie  sie  berührt,  denn  sie  sind  ganz  anders 
gefärbt : 

Neben  Eueides  Isabella  lebt  die  ^craea-ähniiche  E.  pavana  und  die  feuerfarbene 

E.  aliphera. 
Neben    Heliconius   Eucrate    der    sammetschwarze    H.  Besckei    mit    roter    und    H. 

apseudes  mit  gelben  Binden. 
Neben  Mechanitis  und  Melinaea  leben  eine  ganze  Zahl   glasflügeliger  Ithomiinen 

[Thyridia,   Ceratinia,  Dircenna,  Ilhomia). 


1)  Wallace  hebt  a.  a.  0.   S.  257 — 261    auch   solche   örtliche  Ursachen  auf  Inseln 
u.  a.  hervor.     Deutsche  Ausgabe  S.  268  fif. 


270  Allgemeines  über  Verkleidung  (Mimicry)  bei  Schmetterlingen. 

Neben  Lycorea  die  glasOügelige  Unna. 

»Ja,  was  noch  mehr  ist,  unter  den  hiesigen  Verwandten  der  fiiiif  Arien 
finden  sich  noch  drei  andere  Grnppen  verschiedenen  Gattungen  angehöriger,  tauschend 
ähnlicher  Arten.  Das  sind  erstens  die  glasflügligen  Arten,  von  denen  lluna  den 
eigentlichen  Danainen,  Thyridia,  Dircenna  u.  s.  w.  den  Ithomiinen  angehören;  dann 
die  feuerfarbigen  Helikonier:  Eueides  aliphera,  Colaenis  Julia  und  Dione  Juno,  und 
drittens  Acraea  Thalia  und  Eueides  Pavana.  Nacii  Kiuüy's  Verzeichnis  der  Tagfalter 
würden  sich  die  in  Betracht  kommenden  Arten  in  folgende  Reihe  ordnen:  Dana- 
inen: i.  I^ycorea.  -2.  lluna.  —  Ithomiinen:  3.  Thyridia.  4.  Dircenna.  5.  Ce- 
raiinia  (C.  Eupompe  u.  a.  .  6.  Mcchanilis  Lysimnia.  7.  Ithomia  (/.  Sylvo  u.  a.). 
8.  Melinaea.  —  Acraeinen:  9.  Acraea  Thalia.  —  Helikoniinen:  10.  Heliconius 
Eucrate.  11.  Eueides  Pavana.  12.  E.  aliphera.  13.  E.  Isahclla.  14.  Colaenis  Julia. 
15.  Dione,  von  denen  also  1,  6,  8,  10  und  13,  —  dann  2,  3,  4,  5  und  7,  —  dann 
wieder  12,  14  und  15  —  und  endlich  9  und  11  je  eine  durch  Ähnlichkeit  der 
Zeichnung  und  Färbung  zusammengehaltene  Gruppe  bisweilen  zum  Verwechseln  ähn- 
licher Arten  bilden.  —  So  hätten  also  die  gleichen  »unbekannten  örtlichen  Ursachen« 
gleichzeitig  verwandten ,  also  anfangs  ähnlichen  Arten  (z.  B.  den  drei  Eueides-kviQn] 
ein  weit  verschiedenes,  und  nicht  verwandten,  also  anfangs  verschiedenen  (z.  A.  Acraea 
Thalia  und  Eueides  Pavana)  ein  fast  ununterscheidbar  ähnliches  Gewand  gegeben. 
Gewiß  eine  höchst  absonderliche  Wirkungsweise!« 

»Eine  so  verwickelte  mehrfarbige  Zeichnung  in  ähnlicher  Weise  bei  fünf  ver- 
schiedenen, nicht  verwandten  Arten  zu  wiederholen  muß  für  eine  blind  wirkende  Ur- 
sache als  kaum  glaubliche  Leistung  bezeichnet  werden.« 

Lassen  wir  auch  die  Farben  durch  »örtliche  Ursachen«  entstehen  —  wie  aber 
konnte  eine  ähnliche  Zeichnung  entstehen? 

»Die  einander  entsprechenden  Teile  der  Zeichnung  liegen  bei  den  fünf  Arten 
nicht  an  entsprechenden  Stellen  der  Flügel  oder  —  was  dasselbe  sagt  —  die  ent- 
sprechenden Stellen  der  Flügel  sind  bei  den  verschiedenen  Arten  oft  in  ganz  ver- 
schiedener Weise  gezeichnet  und  gefärbt.« 

»Wie  sollen  blinde,  ohne  Rücksicht  auf  etwa  sich  ergebende  Ähnlichkeit  wir- 
kende »örtliche  Ursachen«  dazu  kommen,  dasselbe  Flügelfeld  einmal  schwarz,  einmal 
orange  und  ein  drittes  Mal  halb  schwarz,  halb  orange  zu  färben?« 

»Wenn  eine  blindwirkende  Ursache  bei  verschiedenen  Schmetterlingen  ähnlich 
gefärbte,  aber  nicht  an  entsprechenden  Stellen  der  Flügel  liegende  bunte  Flecken  er- 
zeugte, wie  überaus  unwahrscheinlich  würde  es  sein,  daß  daraus  selbst  nur  bei  zweien 
eine  einigermaßen  ähnliche  Zeichnung  hervorginge;  wenn  aber,  wie  hier,  solche  nicht 
an  gleiche  Flügelstellen  gebundene  Flecken  trotzdem  bei  fünf  verschiedenen  Arten  ein 
buntfarbiges  täuschend  ähnliches  Gesamtbild  liefern,  so  darf  man  mit  der  Gewißheit 
nahekommender  Wahrscheinlichkeit  behaupten,  daß  dieses  Ergebnis  nur  entstehen 
konnte  unter  dem  züchtenden  Einfluß  eines  Auges,  welches  jeden  Strich,  jeden  Fleck, 
jede  Farbenabstufung  festhielt,  wo  immer  sie  auch  auftrat,  sobald  nur  dadurch  die 
Ähnlichkeit  gesteigert,  die  Täuschung  der  Feinde  erleichtert  wurde.« 

Die  oben  wiedergegebene  Ansicht  eines  Mannes  wie  Wallace,  der 
sonst  auf  dem  Boden  des  äußersten  Darwinismus,  ja  auf  dem  des  After- 
darwinismus steht,  wird  gewiß  für  die  richtige  Beurteilung  der  vor- 
liegenden Fragen  als  bedeutungsvoll  angesehen  werden  müssen,  um  so 
mehr  als  derselbe  an  Ort  und  Stelle  beobachtet  hat.  Dagegen  scheinen  die 
von  Fritz  Müller  aufgeführten  Beweismittel  auf  den  ersten  Blick  voll- 
kommen schlagende  für  dessen  entgegengesetzte  Auffassung  zu  sein  und 
zu  der  Zeit,  als  sie  aufgestellt  wurden,  hätte  man  auf  sie  wohl  kaum 
etwas  Triftiges  erwidern  können,  es  sei  denn  die  Unmöglichkeit  zu  ver- 
stehen,  wie  die  Zuchtwahl  die  neuen  Eigenschaften  erzeugt  haben  könnte 
und  etwa  noch,  wie  es  überhaupt  nötig  war,  daß  zum  Zweck  des  Schutzes 
eine  so  ins  Einzelne  gehende  Ähnlichkeit  erzeugt  werden  mußte. 


Fkitz  Miller  über  Verkleidung.  27  1 

Insbesondere  die  Thatsache,  daß  solche  Ähnlichkeiten  bei  verschie- 
denen Faltern  auf  verschiedenem  Wege  entstanden  sind,  scheint  unbe- 
dingt zu  Gunsten  der  Auslese  zu  sprechen. 

Allein  das,  was  ich  als  Wirkungen  der  Orthogenesis  dargelegt  habe 
—  zahllose  Fälle,  in  welchen  durch  Homoeogenesis  bei  den  verschieden- 
sten Familien  die  größten  Ähnlichkeiten  entstehen,  ohne  daß  von  dem 
Zwang  des  Schutzes  dabei  irgend  die  Rede  sein  kann,  und  dann  die 
zahllosen  Fälle,  in  welchen  die  größten  Ähnlichkeiten  auf  ganz  verschie- 
denem Wege  entstehen,  ohne  daß  wiederum  von  Auslesebeziehungen 
die  Rede  sein  kann  —  so  bei  Limenüis  Sibylla  und  Vanessa  prorsa^ 
Limenitis  populi  und  Argynnis  sagana  Q,  Tachyris  Zarinda  und  Apatura 
jffs  —  kurz  alles,  was  unter  Heterhodogenesis  gehört,  endlich  die 
augenfällig  verschiedene  Empfindlichkeit  selbst  nahe  verwandter  Falter 
gegenüber  äußeren  Einflüssen: 

diese  neuen  Thatsachen  müssen  die  Beweisführung  Fritz  Mlller's 
heute  als  nicht  mehr  stichhaltig  erkennen  lassen,  ganz  abgesehen  von 
der  sehr  angreifbaren  Rolle,  welche  die  Vögel  bei  der  ganzen  Umbildung 
nach  dessen  Darlegung  spielen  sollen.  Die  Pseudo-Mimicry  zerstört 
alle  Schlußfolgerungen,  welche  bis  dahin  aus  scheinbar  nachahmenden 
Ähnlichkeiten  für  die  Zuchtwahllehre  gezogen  worden  sind. 

Weitere  auf  den  ersten  Blick  bestechende  Erklärung  von  Einwänden 
gegen  die  Zuchtwahl -Mimicry- Lehre  und  Belege  zu  Gunsten  derselben 
brachte  Fritz  ÄIüller  in  einer  anderen  Abhandlung  i). 

Jtuna  und  Thyridia,  beide  ganz  verschiedenen  Gruppen  der  Danaiden  angehörig, 
sind  sich  so  ähnlich,  daß  man  sie  früher  für  nahe  verwandt  gehalten  hat.  Thyridia 
gehört  zu  den  Ithomien.  Unna  schließt  sich  Danais  und  Lycorea  an-  ,  also  an  die 
echten  Danainen. 

Die  Vorfahren  beweisen,  daß  die  Ähnlichkeit  eine  in  zweiter  Linie  entstandene  ist, 
daß  Nachahmung  oder  Mimicry  vorliegt. 

Beide,  Ituna  und  Thyridia,  sind  nun  aber  ungenießbar.  Welchen  Vorteil  können 
sie  von  der  Nachahmung  haben,  besonders  wenn  beide  ziembch  gleich  hüulig  sind, 
und  welche  ist  die  nachahmende,  welche  das  Urbild?  denn  gewöhnlich  ahmen  die  in 
größerer  Anzahl  vorhandenen  Genießbaren  die  Ungenießbaren  nach. 

Die  Verfolger:  Eidechsen,  Vögel,  müssen  einzeln  erst  durch  eigene  Erfahrung 
die  Ungenießbarkeit  der  einzelnen  Arten  kennen  lernen.  Deshalb  w^erden  den  noch 
unerfahrenen  Feinden  der  .Schmetterlinge  auch  ungenießbare  zum  Opfer  fallen.  Wenn 
nun  zwei  ungenießbare  Arten  einander  zum  Verwechseln  ähnlich  sind,  so  werden 
beide  zusammen  nur  dieselbe  Zahl  von  Opfern  zu  stellen  haben,  die  jede  einzelne 
stellen  müßte,  wenn  sie  verschieden  wären.  -Sind  beide  gleich  häufig,  so  hat  jede  die 
gleiche  Zahl  von  Opfern  zu  stellen.  Ist  aber  die  eine  Art  häufiger,  so  wird  sich  der 
Vorteil  für  jede  umgekehrt  verhalten  wie  das  Quadrat  ihrer  Häufigkeit.  Verhält 
sich  z.  B.  die  Häufigkeit  der  beiden  Arten  wie  1:5,  so  verhält  sich  der  Vorteil,  den 


'!  Fritz  Müller:  Unna  und  Thyridia,  ein  merkwürdiges  Beispiel  von  Mimicry 
bei  Schmetterlingen.     Kosmos  III.  Jahrg.  V.  Bd.  -1879.  S.  102. 

-]  Unterschiede:  bei  Thyridia  (Ithomien)  auf  den  Hinterllügeln  hinter  der  Mittel- 
zelle ein  Flügelfeld  weniger  als  bei  Ituna.  Bei  letzterer  am  Grunde  der  Hinterflügel 
eine  »Wurzelzelle^;  'Herrich-Schaffer),  bei  ersterer  nicht.  Bei  Thyridia  Ithomien)  (J 
auf  der  Oberfläche  der  Hintertlügel  vorn  an  der  Subcostalrippe  ein  duftender 
Haarpinsel. 


272  Allgemeines  über  Verkleidung  (Mimicry)  bei  Schmetterlingen. 

sie  von  der  Ähnlichkeit  haben,  wie  23:1.  Handelt  es  sich  um  zwei  Arten,  von  denen 
die  eine  sehr  häulig,  die  andere  sehr  selten  ist,  so  fällt  der  Vorteil  so  gut  wie  ganz 
auf  Seite  der  selteneren  Art. 

Sind  beide  ziemlich  gleich  häufig,  so  wird  man  nicht  sagen  können,  welche  die 
nachahmende  ist.     Dahin  dürfte  auch   Thyridia  und  Unna  gehören. 

Übrigens  können  zuweilen  auch  die  nachahmenden  Falter  zahlreicher  sein:  wenn 
sich  beide  Arten  in  ein  neues  Gebiet  verbreiten ,  können  ja  hier  die  Verhältnisse  für 
die  ursprünglich  häufigere  Art  ungünstig  sein.  Ja  dasselbe  kann  im  Laufe  der  Zeit 
am  alten  "Wohnsitz  der  Arten  geschehen. 

Archonias  [Euterpe]  Tereas  sei  in  Sta.  Catharina  häufig.  Sein  Vorbild:  Pa- 
pilio  Neplialio7i  aber  gehöre  zu  den  seltenen  Schmetterlingen. 

Das  Zahlenverhältnis  wechsele  bisweilen  recht  erheblich  in  aufeinanderfolgenden 
Jahren;  es  könne  ein  völlig  umgekehrtes  sein  auf  ziemlich  naheliegenden  Gebieten:  Co- 
laenis  Julia  sei  in  Itajahy  viel  häufiger  als  die  täuschend  ähnliche,  nur  kleinere  Eueides 
Aliphera,  dagegen  fand  Fritz  Müllek  das  Verhältnis  umgekehrt  einmal  im  Norden  der 
Provinz.  Es  scheine  sogar  der  Fall  nicht  undenkbar,  daß  das  Urbild  einer  nach- 
ahmenden Art  ausstirbt  und  letztere  erhalten  bleibt.  So  könnten  nach  der  Meinung 
von  Mr.  Trimen  und  Mr.  A.  G.  Butler  i;  Pap.  Anlimachus  und  P.  Zalmoxis  Nach- 
ahmungen riesiger  unbekannter  Acraea- kvi&n  sein.  Fritz  Müller  fügt  hinzu:  »Im 
vorliegenden  Falle  sind,  w  enigstens  in  Sta.  Catharina,  beide  Arten  selten,  und  ihre  Zahl 
giebt  somit  keinen  Anhalt  zur  Ermittelung  des  Urbildes«. 

Je  ferner  die  sich  nachahmenden  Formen  stehen,  um  so  leichter  ist  zu  erkennen, 
welche  die  nachahmende  ist:  so  sei  die  Archonias  Tereas  eine  ganz  fremde  Erschei- 
nung unter  Gattungs-  und  Familiengenossen,  während  P.  Nephalion  eiuer  langen  Reihe 
ähnlich  gefärbter  Arten  angehöre,  daher  sei  Archonias  die  nachahmende. 

Acraea  Thalin  und  Eueides  pavana,  von  welchen  die  letztere  mehr  als  1000  mal 
seltener  ist  als  erstere,  besitzen  denselben  widrigen  Geruch. 

Ebenso  stinken  in  gleicher  Weise  Eueides  Aliphera,  Colaenis  Julia  und  Dione 
Juno,  und  deren  Ähnlichkeit  sei  doch  wenigstens  nachträglich  erworben. 

»Ferner  haben  die  kräftig  stinkenden  Eueides  Isabella  und  Heliconius  Eucrale 
entweder  einander  oder  gemeinsam  die  (von  dem  äußerst  schwachen,  für  uns  meist 
kaum  wahrnehmbaren  Dufte  der  (5  abgesehen)  für  uns  geruchlose  Mechanitis  Ly- 
simnia  nachgeahmt«  .... 

Es  wäre  durch  die  so  hübsch  durchdachte  Erklärung  Fritz  Müller's 
nun  in  der  That  auch  verständlich,  daß  geschützte  Falter  andere  ge- 
schützte mit  Nutzen  nachahmen  könneu.  Allein  auch  damit  ist  nach 
Feststellung  des  so  zahlreichen  Vorkommens  pseudomimetischer  Falter 
nichts  für  die  ganze  Frage  Beweisendes  mehr  gesagt.  Dazu  kommt  aber 
das  Folgende. 

Alle  Vertreter  der  Zuchtwahl-Verkleidung  müssen  notwendig  davon 
ausgehen,  daß  vorzüglich  die  Vögel  es  seien,  welche  durch  ihre  Ver- 
folgung besonders  auch  der  fliegenden  Schmetterlinge  den  Zwang  der 
Entstehung  einer  schützenden  Ähnlichkeit  geübt  hätten.  Mit  der  Be- 
rechtisjuno  dieser  Annahme  fällt  die  letzte  Ursache  der  im  Sinne  des 
Nutzens  gedeuteten  Umbildung  hinweg. 

Ein  wesentlicher  Teil  der  im  Vorstehenden  mitgeteilten  Erklärungen 
Fritz  Müller's  beruht  sogar  auf  der  Annahme,  daß  die  jungen  Vögel  in 
jedem  einzelnen  Falle  es  erst  lernen  müßten,  die  ungenießbaren  Falter 
von  den  genießbaren  zu  unterscheiden,  denn  nur  dann  können  dieselben 


1    Raph.  Meldol.\,  Entomological  Notes,  bearing  on  Evolution.  Ann.  and  Mag.  of 
nut.  bist.  Febr.  1878.  S.  137. 


Fritz  Müller  über  Verkleidung.      ,  2  73 

zuerst  schon  durch  unvollkommene  Nachahmungen  getäuscht  werden 
und  damit  wäre  ein  Mittel  für  die  allmähliche  Vervollkommnung  gegeben. 
Ich  glaube  aber,  man  wird  diese  Voraussetzung  nicht  so  weit  anerkennen 
können,  daß  man  ihr  die  gemeinte  Wirkung  zuschreiben  dürfte:  es  ge- 
hört zu  den  bemerkenswertesten  Thatsachen  der  Vererbung  erworbener 
Eigenschaften  die  Vererbung  von  Furcht  vor  den  wichtigsten  Feinden  ') 
und  von  Zutrauen  zu  den  Freunden ,  ferner  der  Neigung  die  Erbfeinde 
zu  verfolgen,  wie  wir  das  am  einfachsten  bei  unserem  Haushund  mit 
Beispielen  belegen  können:  ein  Stück  der  Vererbung  von  Gewohnheits- 
thätigkeit  der  Vorfahren ,  d.  i.  angeborener  Instinkt.  Die  von  mir  und 
früher  schon  von  D.  Spaldixg  angestellten  Versuche  über  diesen  Instinkt 
bei  neugeborenen  Hühnchen"-)  zeigen,  wie  sehr  es  Vögeln  angeboren  ist, 
die  ihnen  zusagende  Nahrung  zu  erkennen  oder  auf  die  geringste  Ver- 
anlassung hin  kennen  zu  lernen.  Es  ist  aber  auch  ohnedies  nicht  ein- 
zusehen, wieso  Vögel,  um  Ungenießbares  und  Genießbares  unter  Schmetter- 
lingen unterscheiden  zu  lernen  oder  überhaupt  sich  täuschen  zu  lassen, 
irgend  erheblich  lange  Zeit  brauchen  und  so  viele  Opfer  unter  letzteren 
fordern  sollten,  daß  dadurch  die  Zuchtwahl  beeünstisit  würde,  voraus- 
gesetzt  sogar,  daß  die  unterscheidenden  Merkmale  stets  so  groß  wären, 
um  ein  Erlernen  der  Unterscheidung  wirklich  im  Fluge  zu  ermöglichen. 
Aber  es  ist  die  Unterscheidung  so  kleiner  Merkmale ,  wie  sie  die  zu- 
letzt so  vollkommene  Ähnlichkeit  der  nicht  geschützten  Arten  mit  den 
geschützten  aufweist,  nicht  nur  im  Fluge,  sondern  sie  wäre  auch  gegen- 
über dem  sitzenden  Falter  für  den  ihn  verfolgenden  Vogel  gewiß 
unmöglich:  solch  feine  Ähnlichkeit  kann  auf  diesem  Wege 
nicht    erreicht   worden    sein,    sie    wäre    zur    Täuschuns;    über- 


n 


haupt    gar    nicht    notwendig:    dasselbe,    was  ich   in  Beziehung   auf 
die    Blattähnlichkeit    der   Unterseite    von   Schmetterlingen    gesagt    habe. 


1)  Man  vergleiche  hierzu  die  hübschen  Beobachtungen  von  Heinrich  Kohlwey  in 
dessen  Schrift:  »Arten-  und  Rassenbildung,  eine  Einführung  in  das  Gebiet  der  Tier- 
zucht«. Leipzig,  W.  Engelmann  1S97.  Abschnitt  III.  »Instinkte  und  Fähigkeiten«. 

2)  Vgl.  m.  »Entstehung  der  Arten«  I  S.  263  ff.  Ich  benütze  hier  die  Gelegenheit, 
Herrn  Herbert  .Spencer,  der  mir  brieflich  vorgeworfen  hat,  daß  ich  seine  in  den  »Prin- 
ciples  of  Psychology«  entwickelten  Schlußfolgerungen  über  die  Entstehung  der  Instinkte 
wiedergegeben  hätte,  ohne  ihn  zu  nennen,  während  ich  doch  die  Versuche  von 
Spalding,  auf  welche  H.  Spencer  sich  gestützt  hat,  erwähnt  habe,  auch  öffentlich  zu 
erwidern,  was  ich  ihm  seiner  Zeit  antwortete: 

Es  gereicht  mir  zu  großer  Freude,  daß  meine  ohne  jede  Kenntnis  von  H.  Spencer's 
bezüglichen  Äußerungen  aus  vollkommen  selbständigen  Versuchen  abgeleiteten  An- 
schauungen so  sehr  den  seipigen  entsprechen,  um  so  mehr  als  auch  diese  meine 
für  die  Vererbung  erworbener  Eigenschaften  so  wichtigen  Ergebnisse  von 
Herrn  August  "NVeismanx  vollkommen  unberücksichtigt  gelassen  worden  sind.  Die 
Übereinstimmung  spricht  für  die  Richtigkeit  unserer  Schlüsse  in  der  Vererbungs- 
frage. Die  bezüglichen  Versuche  sind  durch  mehrere  Jahre  unter  den  Augen  meiner 
Assistenten  und  insbesondere  mit  Hülfe  von  Dr.  Fickert  von  mir  angestellt  worden. 
Von  ähnlichen  Versuchen  Spalding's  habe  ich  erst  nachträglich  durch  Romanes' 
»Mental  Evolution«  Kenntnis  erhalten  und  habe  sie  nach  demselben  in  der  »Ent- 
stehung der  Arten«  angeführt 

Eimer,  Orthogenesis.  \^ 


274  Allgemeines  über  Verkleidung  (Mimicry)  bei  Schmetterlingen. 

Schon  deshalb  muß  die  Entstehung  der  Ähnlichkeil  auf  ganz  anderen 
Ursachen  beruhen  als  auf  der  Verfolgung  durch  Vögel. 

Aber  wer  hat  denn  überhaupt  je  Vögel  in  solchem  Maße 
Schmetterlinge  verfolgen  sehen,  daß  dadurch  eine  schützende 
Umbildung  durch  Auslese  erzielt  werden  könnte?  Und  dann: 
ist  es  wirklich  so  sicher,  daß  die  »ungenießbaren«  Schmetter- 
linge von  Vögeln  weniger  verfolgt  und  gefressen  werden,  wie 
es  immer  als  selbstverständlich  angenommen  wird? 

In  überzeugendster  Weise  hat  Herr  Auüüst  Weismann  sich  früher 
dahin  ausgesprochen,  daß  die  Schmetterlinge  im  Fluge  von  Vögeln  nicht 
verfolgt  werden,  und  ich  selbst  meinte,  daß  sie  in  ihren  Flügeln  einen 
Schutz  gegen  solche  Verfolgung  haben').  Wenn  derselbe  jetzt  die  ent- 
gegengesetzte Behauptung  aufstellt,  so  möchte  ich  ihn  an  unsere  gemeinsam 
ausgeführten  Schmetterlingsjagden  in  der  Gegend  von  Freiburg  erinnern: 
er  versetze  sich  zurück  in  die  schöne  Zeit,  da  wir  in  den  feuchten  Gras- 
wegen des  >Mooswaldes«  an  heißen  Tagen  in  dem  fast  tropischen  Anblick 
einer  üppigen  Schmetterlingswelt  schwelgten :  wie  dort  die  Schillerfalter 
[Apatura  Ilia  und  Iris),  die  Eisvögel  [Limenitis  populi)  die  Sihylla  und 
Camilla  zu  hunderten  bald  langsam  hin  und  wider  flogen,  bald  vor  uns 
mit  ausgebreiteten  Flügeln ,  dieselben  wohlig  wie  im  Übermute  auf  und 
nieder  bewegend  auf  der  Erde  saßen,  während  die  Silberstriche  [Ar- 
gynnis  paphia]  in  zahllosen  Mengen  auf  den  Blüten  schaukelten,  begleitet 
von  unzähligem  kleinem  Gefolge,  insbesondere  den  Melllaea-Arlen. 

O  0      7 

Deckte  ich  doch  einmal  auf  solchem  mit  meinem  Lehrer  unter- 
nommenen Ausfluge  neun  Stück  mit  ausgebreiteten  Flügeln  auf  einem 
Haufen  Auswurfs  sitzende  Sohillerfalter  mit  einem  Schlage  meines  Netzes 
zu  —  wo  ist  in  solchem  Idyll  des  Schmetterlingslebens,  wie  man  es 
überall  in  unseren  Wäldern  im  Sommer  täglich  sieht,  irgend  eine  Störung 
durch  Verfolgung  von  Seiten  der  Vögel  zu  beobachten! 

Wer  von  uns  hätte  damals  auf  den  Gedanken  kommen  können,  es 
möchte  Limenitis  Sihylla  vor  Vögeln  geschützt'-)  und  Vanessa  prorsa  ihr 
Nachahmer  sein?  Nein,  wir  hatten  offene  Augen  damals,  so  frisch  und 
so  froh  in  der  freien  Natur. 

Und  auf  den  Streifzügen,  welche  wir  beide  zusammen  auf  den 
Schwarzwaldbergen  zu  Seiten  des  Dreisamthals  in  glühender  Sonnenhitze 
nach  Schmetterlingen  gemacht  haben  —  wo  so  mancher  Steinkrug  des 
trefflichen  Markgräflerweins  für  uns  den  Lohn  des  Tages  bildete :  wann 
und  wo  haben  wir  jemals  einen  Vogel  bei  der  Verfolgung  eines  Schmetter- 
lings gesehen?'^) 


1)  »Entstehung  der  Arten«  S.  126. 

2)  Die  früher  (S.  134)  wiedergegebene  Bemerkung  von  M.  Standfuss,  daß  gerade 
Sihylla  von  unseren  insektenfressenden  Vögeln  gerne  verzehrt  wird,  bezieht  sich 
übrigens  wohl  auch  nur  auf  seltene,  für  Auslese  nicht  maßgebende  Fälle. 

3)  Erst  nachdem  Obiges  schon  seit  längerer  Zeit  niedergeschrieben  ist,  finde  ich 
folgenden  Ausspruch  des  früheren  Herrn  Weismann  (Über  den  Einfluß  der  Isolierung 
auf  die   Artbildung,  1872,  S.  56i,   welcher  mich   trotz  aller  Abstumpfung   durch  das 


Verfolgung  von  Schnicttoriingen   durch  Vögel.  275 

Einmal  in  meinem  Leben,  seitdem  ich  darauf  geachtet  habe,  sah 
ich,  wie  ein  Rotschwänzchen  einen  Weißling  im  Schnabel  zu  tragen 
schien,  der  am  Abend  nach  einem  sehr  regnerischen  Tage  soeben  träge 
durch  einen  Garten  geflattert  war  —  vielleicht  hatte  der  Vogel  an  diesem 
Tage  keine  bessere  Beute  erhaschen  können  und  war  hungrig. 

Wie  sich  Vögel  gegenüber  auf  dem  Boden  sitzenden  Schmetterlingen, 
Weißlingen,  Bläulingen  und  Hesperia  comma  in  einem  besonderen  Falle 
verhielten,  habe  ich  in  meiner  >Entstebung  der  Arten«  erzählt:  eine 
Schmetterlingsschlacht,  als  deren  Ergebnis  sich  erwies,  daß  die  Körper 
der  Falter  offenbar  eben  durch  ihre  Flügel  vor  den  Schnabelhieben  der 
Vögel  sogar  im  Sitzen  geschützt,  von  diesen  in  den  meisten  Fällen  gar 
nicht  erwischt  werden  konnten. 

Und  in  jedem  Frühjahr,  wenn  sich  Vanessa  urticae,  pohjchloros  und 
lo  mit  ausgebreiteten  Flügeln  auf  den  Arabisblüten  wiegen,  welche  ich 
in  weichen  Polstern  in  meinem  Garten  für  die  Bienen  gepflanzt  habe, 
während  die  zahlreiche,  durch  Verfolgung  der  Katzen  dort  geschützte 
Vogelwelt  hin  und  wieder  fliegt,  ohne  je  einen  Falter  zu  belästigen,  werde 
ich  fortan  der  >' fiktiven«  Idee  des  Geschütztseins  der  Schmetterlinge  durch 
Zeichnung  und  Farbe  zu  gedenken  Gelegenheit  haben. 

Ich  habe  viele  Schmetterlingsfreunde  und  wiederholt  auch  meine  Zu- 
hörer gefragt,  ob  sie  Verfolgung  von  Schmetterlingen  durch  Vögel  be- 
obachtet hätten.  Nur  vereinzelt  konnten  solche  Fälle  mit  Bestimmtheit 
namhaft  gemacht  werden.  Einer  meiner  Zuhörer  sagte  mir,  daß  die  Enten 
mit  Vorliebe  Weißlinge  fangen  und  fressen. 

Hören  wir,  was  Beobachter  der  Schmetterlingswelt  aus  den  Tropen 
berichten. 

Herr  E. Hartert  1)  sagt  auf  Grund  von  Reisen  in  Ostindien:  er  möchte  davor  warnen, 


Gewöhntsein  an  den  W^echsel  und  die  Widersprüche  in  den  Ansichten  seines  eige- 
nen und  meines  heutigen  Gegners,  billig  überrascht  hat: 

»Daß  Vögel  sich  mit  dem  Fange  der  Schmetterlinge  im  Fluge  abgeben,  geschieht 
in  unsern  Breiten  gewiß  nur  ausnahmsweise,  und  auch  Libellen  werden  nur  wenigen 
gefährlich  werden.  Wenn  aber  auch  zahlreichere  Feinde  die  Tagfalter  im  Flug  be- 
drohten, so  würde  doch  keinerlei  Färbung  ihrer  Flügel  ihnen  Schutz  gewähren  können, 
da  die  dunkelste  wie  die  hellste  Farbe  gleichmäßig  vom  blauen  Himmel  oder  von  den 
wechselnden  Farben  der  Erde  absticht  und  die  Flugbewegung  allein  genügt,  um  den 
Schmetterling  nach  allen  Seiten  hin  sichtbar  zu  machen.  Somit  können  schützende 
Färbungen  der  nur  beim  Fluge  sichtbaren  Oberseite  nicht  erwartet  werden  und  noch 
viel  weniger  ganz  in's  Specielle  gehende  Anpassung  der  Zeichnung.« 

Ich  brauche  dem  nichts  hinzuzufügen  als  die  Frage,  was  Ernsthaftes  in  den 
Schriften  eines  »Naturforscliers«  noch  gesucht  werden  darf,  der.  ohne  es  für  nötig  zu 
halten,  auch  nur  eine  einzige  Thatsache  zur  Begründung  seiner  Meinuugsumkehr  an- 
zuführen, heute  die  gerade  entgegengesetzte  Ansicht  zur  Grundlage  eines  ganzen  Ge- 
bäudes von  folgenschweren  Hypothesen  macht;  der  ferner  kein  Bedenken  trägt,  diese 
dergestalt  begründeten  Hypothesen  einer  Versammlung  von  Fachgenossen  als  Fest- 
redner darzubieten  und  darüljer  eine  Abhandlung  zu  schreiben,  in  welcher  er  den 
Gegner,  der  seine  eigenen  früheren  Anschauungen  vertritt,  persönlich  in  ganz  unbe- 
zeichenbarer  Weise  angreift. 

ii  Bukst  Hartert,  Berliner  Entom.  Ztschr.  ISSQ. 

18* 


276  Allgemeines  über  Verkleidung    Mimicry)  bei  Schmetterlingen. 

von  Mimicry  zu  reden ,  wenn  nicht  das  nachgeahmte  Thier  durch  einen  schlechten 
Geruch  oder  Geschmack  geschützt  ist.  So  z.  B.  »findet  eine  überraschende  Ähnlich- 
keit statt  zwischen  einem  Geometriden  und  einer  Pyralide.  Doherty  meint  nun  zwar, 
alle  Geometriden  .seien  beschützt,  ich  aber  glaube  das  nicht,  denn  ich  sah  sie  oft  von 
Geckonen  und  Fledermäusen  gefangen  werden  und  fand  sie  im  Magen  von  Nacht- 
schwalben«. 

Ob  sie  nicht  »geschützt«  waren  und  dennoch  gefressen  wurden? 
Denn  so  gut  wie  Gerüche  bei  Schmetterlingen  vorkommen  können  und 
für  das  Geschütztsein  vor  Vögeln  in  Anspruch  genommen  werden,  welche 
wir  gar  nicht  zu  riechen  vermögen  oder  welche  für  uns  wohlriechend 
sind,  ebenso  leicht  kann  es  vorkommen,  daß  das,  was  wir  an  Schmetter- 
lingen als  Gestank  empfinden,  für  Vögel  wohlriechend  oder  gar  nicht 
riechbar  oder  schmeckbar  ist.  Diese  Gerüche  dienen  wohl  wesentlich 
den  Beziehungen  der  Falter  unter  sich  und  nicht  notwendig  auch  Anderem. 

Hören  wir,  was  weiter  ein  genauer  Beobachter  der  javanischen 
Schmetterlingswelt,  Herr  Piepers  i)  erzählt: 

»Un  jour  qu'une  Eiiploea  Rafflesii  Moore,  c'est  ä  dire  une  Danaide  reputee  im- 
mangeable  etait  eclose  dans  mon  jardin  oü  plusieurs  chenilles  de  cette  espece  avaient 
habite,  je  vis  un  oiseau  (Edolius?)  la  prendre  et  la  manger;  le  lendemain  une  autre 
avait  le  meme  sort.  Deux  fois  aussi  j'ai  vu  un  moineau  attaquer  une  Amathiisia  Phi- 
dippus  L.  Les  grands  papillons  quoique  rhopaloceres  ne  volent  qu'ä  l'heure  du  cre- 
puscule;  pendant  le  jour  ils  reposent  accroches  ä  quelque  brauche;  s'il  arrive  qu'ils 
soient  chasses  ils  se  refugient  souvent  tout  comme  les  papillons  nocturnes  dans  les 
maisons  et  s'y  posent  quelque  part;  c'etaient  de  ces  papillons  poses  bien  en  vue 
contre  un  mur  blanchi  k  la  chaux  que  j'ai  vu  atlaques  par  des  moineaux,  oiseaux  tres 
peu  timides  aux  Indes  comme  en  Europe  qui  entrent  effrontement  dans  les  maisons 
ouvertes.  L'une  de  ces  Amathusia  succomba  et  tut  mangee,  l'autre  toutefois  reussit 
encore  ä  se  refugier  dans  les  broussailles  du  jardin,  quoique  poursuivie  de  pres  par 
le  moineau  qui  lui  portait  de  violents  coups  de  bec,  mais  ne  touchait  probablement 
que  ses  grandes  alles  deployees.  Ces  quatre  cas  sont  les  seuls  durant  les 
28  annces  de  mon  sojour  aux  Indes  oü  j'ai  vu  des  oiseaux  attaquer  des 
papillons  diurnes.  Et  cependant  pour  justifier  le  fait  dont  il  s'agit  ici,  11  faudrait 
bien,  non  (jue  par-ci,  par-lä  un  papillon  soit  dövorc  par  un  oiseau,  mais  qu'il  existät  une 
chasse  de  ce  genre  assez  genorale  et  commune  pour  que  l'existence  des  especes  non 
protegees  en  fut  menacee  et  qu'ainsi  une  evolution  comme  leur  mimötisme  pretendu 
leur  devint  d'une  grande  utilite.  Or,  pareil  etat  de  choses  n'aurait  pas  pu  m'echapper. 
II  me  semble  du  reste  que  c'est  bien  la  meme  chose  ailleurs.  Pryer  ne  l'a  uralt 
Jamals  vu  pendant  20  annees  de  chasses  ä  Borneo,  ni  Skertchley  pen- 
dant 30  annees  d'observation  en  Europe,  en  Asie,  en  Afrique  et  en 
Amerique.  Selon  ce  dernier  le  celebre  entomologiste  Scudder  n'accepterait  non  plus 
de  ce  faif';.  Dans  la  seance  sus-noramee  de  Londres,  tenue  le  3  mal  1869,  Home 
enumera  une  quantite  d'insectes  (|u'il  avait  vu  manges  dans  l'Inde  par  plusieurs 
especes  d'animaux;  parmi  ces  insectes  11  nomma  aussi  les  papillons  nocturnes,  mais  pas 
les  rhopaloceres.  Ici  en  Hollande  c'est  encore  la  meme  chose.  Selon  les  observations 
publiees  en  1890  par  Butler  un  petit  oiseau  d'Angleterre,  qu'on  trouve  aussi  chez  nous, 
mangeait  en  captivite  avec  plaisir  des  Pieris  brassicae  L.  et  des  Pieris  NapiL.  par  centaines, 
mais  avec  cela  n'observe  pas  ici  que  les  oiseaux  s'occupent  de  ces  papillons  quoiqu'ils 
soient  tres  communs.  Du  reste  quant  ä  l'Angleterre  Jordan  a  bien  vu  quelquefois 
un  certain  petit  oiseau  insectivore  s'emparer  d'un  papillon  diurne,  mais  Butler  nous 

ij  Piepers:  Mimetisme.  Compte-Rendu  des  Seances  du  troisiemo  Congres  internatio- 
nal de  Zoologie.  Leyden  1896.  S.  46'i  IT. 

2)  Annais  and  magazine  of  natural  history  (Serie  VI  vol.  3,  pag.  477).  On  butter- 
flies enemies  by  Sidney  B.  J.  Skertchley. 


Verfolgung  von  Schmetterlingen  durch  Vögel.  277 

raconte  que  pendant  30    annees  dans   le  Kent  il   n'a   pas   pu  constater  un 
seul  fait  de  ce  genre.« 

Also:  die  hervorragendsten  Schmetterlingskundigen  Eu- 
ropas und  der  Tropen  weissen  nichts  davon,  daß  Vögel  in 
irgend  nennenswerter  Weise  Schmetterlinge  verfolgen.  Herr 
Piepers  beobachtete  während  eines  28jährigen  Aufenthaltes  in  Indien 
diesen  Fall  nur  viermal  —  darunter  aber  waren  zwei,  in  welchen  »ge- 
schützte«  Schmetterlinge  von  Vögeln  gefressen  wurden! 

Demnach  habe  ich  doch  recht,  wenn  ich  den  ehemaligen  Herrn 
August  Weismann  gegen  den  jetzigen  verteidige,  indem  ich  die  Ansicht 
vertrete,  dass  die  Schmetterlinge  von  den  Vögeln  im  Fluge  gar  nicht 
wesentlich  verfolgt  werden  und  daß  Zeichnung  und  Farbe  zunächst  ihrer 
Oberseite  keinerlei  Anpassung  an  die  Umgebung  darbieten.  Nachdem 
aber  auch  das  Geschütztsein  von  Faltern  gegenüber  von  gelegentlichen 
solchen  Nachstellungen  nach  den  Beobachtungen  von  Herrn  Piepers  sich 
als  eine  wenig  begründete  Annahme  erweist,  so  erscheint  die  Vor- 
stellung von  der  durch  Zuchtwahl  entstandenen,  sie  im  Fluge 
schützenden  Verkleidung  vollends  als  unbegründet.  Sie  wäre 
dies  auch  dann,  wenn  übelriechende  oder  schlechtschmeckende  Falter  von 
Vögeln  nicht  gefressen  würden,  eben  weil  die  Vögel  den  Schmetter- 
lingen nur  ganz  ausnahmsweise  nachstellen  und  sie  fressen. 

Die  Wichtigkeit  dieser  einfachen  Thatsache  in  Beziehung  auf  die  Se- 
lektionsvorstellungen des  jetzigen  Herrn  August  Weismann  ergiebt  sich  von 
selbst:  sie  ist  für  dieselben  geradezu  vernichtend  uüd  weist  im  besonderen 
im  Verein  mit  den  über  die  Blattschmetterlinge  von  mir  mitgeteilten 
Thatsachen  allein  seine  ganze  Leydener  Rede  zusamt  der  »Germinal- 
selektion«  in  den  Orcus  hinab. 

In  der  That  sind  gerade  die  Tagschmetterlinge  das  allerungünstigste 
Beweismittel  für  einen  Selektionstheoretiker.  Diese  schönen  Kinder  des 
Sonnenlichts  führen  ein  freud-  und  friedvolles  Dasein  wie  kaum  andere 
Tiere,  denn  sie  haben  nur   wenige  Feinde  —  um    so  mehr  ihre  Larven. 

Dasselbe  sagt  der  Entomologe  P.  Haunel  und  weiter  bemerkt  auch 
er:  die  Zahl  der  von  Vögeln  vorzugsweise  verfolgten  Falter  »beschränke 
sich  in  der  Hauptsache  auf  die  größeren  und  compactereu  Nymphaliden, 
welche  am  allerwenigsten  eine  Vorliebe  für  mimetische  Nachbildungen 
zeigen«!).    Auch  J.  Schilde  verneint  jene  Verfolgung  (vgl.  hinten). 


1)  Ein  langjähriger  Bewohner  Java's,  Herr  Forstmeister  Adolf  Seubert,  hebt  mir 
gegenüber  das  langsame  Fliegen  gerade  der  Danaiden  hervor,  die  Absonderung  eines 
Saftes  aus  dem  Körper  auf  Berührung  und  ihre  Zählebigkeit,  beruhend  auf  der  Härte 
ihrer  Chitinteile.  Einmal  sah  Herr  Seubert:  nachdem  er  soeben  Wallace's  »Tropen- 
welt« gelesen  hatte,  wie  ein  Vogel  einer  solchen  Danaide  nachtlog  und  dann,  als  er, 
wie  der  Beobachter  meint,  sie  erkannt  hatte,  von  ihr  abließ.  Sonst  erinnert  sich  auch 
dieser  Naturfreund,  welchem  unsere  Sammlung  sehr  schöne  Sendungen  von  java- 
nischen Tieren,  insbesondere  von  Schmetterlingen  verdankt,  keiner  Verfolgung  von 
Faltern  durch  Vögel.  Dagegen  berichtet  auch  er  von  ergiebiger  solcher  Verfolgung 
durch  Eidechsen  und  Geckos,  welche  aber  selbstverständlich  nicht  die  freifliegenden 
Falter  wesentlich  treffen  wird  und  wobei  an  eine  »Auslese«  überhaupt  nicht  zu  denken  ist. 


278  Allgemeines  über  Verkleidung  (Mimicry)  bei  Schmellerlini^en. 

In  dem  Abschnitt  über  Verkleidung  (Mimicry)  des  zweiten  Teiles 
meiner  »Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den  Schmetterlingen« 'j  habe 
ich  den  vollen  Gegensatz  hervorgehoben,  in  welchem  die  Ansichten  von 
Erich  Haase  zu  den  raeinigen  stehen,  indem  derselbe  zu  dem  Schlüsse 
kommt,  die  zuerst  von  A.  W.  Bates  und  A.  R.  Wallace  vertretene  Meinung, 
daß  die  wunderbaren  Erscheinungen  der  Mimicry  Produkte  der  natür- 
lichen Auslese  seien,  dürfe  »das  natürliche  System  der  Papilioniden  als 
eine  ihrer  wichtigsten  Stützen  betrachten«.  Warum  gerade  das  natür- 
liche System  der  Papilioniden,  für  welche  ich  das  vollkommene  Fehlen 
aller  Anpassung  ganz  besonders  gezeigt  habe,  ist  mir  vollkommen  uner- 
findlich. Aber  Herr  E.  Haase  meinte  dasselbe  mit  Bezug  auf  die  Schmetter- 
linge überhaupt  auf  Grund  des  großen  Fehlers,  daß  er  alle  homoeogene- 
tisch  ähnliche  Falter  ohne  auf  ihre  biologischen  Verhältnisse  irgend  Rück- 
sicht zu  nehmen  oder  dieselben  auch  nur  zu  kennen,  als  mimetische 
angesehen  und  behandelt  hat. 

In  jenem  Abschnitt  meines  Schmetterlingswerkes  habe  ich  weitere 
Einwände  gegen  die  Zuchtwahlverkleidung  zusammengestellt,  ohne  daß  ich 
damals  zahlreiche  der  im  Vorstehenden  behandelten  bezüglichen  That- 
sachen  kannte,  welche  jene  Einwände  so  sehr  verstärken.  So  sagte  ich  u.  a. 

»Die  Entstehung  einer  Form,  welche  in  Kleiching  eine  andere  nachahmt,  könnte 
nur  entweder  durch  schrittweise  parallel  vor  sich  gehende  gleichartige  Umbildung 
beider  Formen  geschehen  sein  oder  durch  sprungweise  Entstehung  beider,  so  daß 
beide  gleichzeitig,  plötzlich,  unabhängig  von  einander,  dieselbe  Gestaltung  erlangt 
hätten,  oder  so,  daß  die  nachahmende  ebenso  plötzlich  und  unabhängig  sprungweise 
die  Eigenschaften  der  nachgeahmten  erlangte. 

In  allen  diesen  Fällen  müssen  Ursachen  der  Umbildung  vorausgesetzt  werden, 
wie  ich  sie  annehme  —  die  Auslese  kann  ja  nur  eben  wirksam  sein,  wenn  schon 
vorhandene  Ähnlichkeiten  zweier  Formen  einer  derselben  nützlich  sind,  sie  kann 
nicht  solche  nützliche  Ähnlichkeiten  hervorrufen.« 

Des  Weiteren  besprach  ich  den  Einwand ,  welchen  schon  Mivart 
gegen  die  DxRwiN'schen  Ansichten  über  Mimicry  erhoben  hat :  die  Zucht- 
wahl sei  nicht  im  Stande,  zu  erklären,  wie  die  äußerst  geringen,  nach 
allen  Richtungen  gehenden,  beginnenden  Abänderungen  jemals  irgend 
eine   so   hinreichend   erkennbare  Ähnlichkeit   mit  einem  Gegenstand  her- 


Ich  möchte  aber  hier  anfügen ,  daß  auch  beim  Sitzen  der  Falter  viel  weniger  irgend- 
welche Ähnlichkeit  mit  der  Umgebung  für  den  Schutz  maßgebend  sein  dürfte,  als 
Stillsitzen.  Jeder  Jäger  weiß,  wie  wichtig  regungsloses  Stillhalten  auf  dem  Stand 
ist,  weshalb  auch  dem  jungen  Unruhigen  nichts  anläuft.  Die  geringste  Bewegung 
verrät  viel  melir  als  sehr  wenig  jagdmäliige  Kleidung.  Dasselbe  gilt  für  das  Verhalten 
des  Menschen  gegenüber  den  meisten  Tieren,  welche  nicht  täglich  mit  ihm  in  Be- 
rührung kommen:  einst  spazierte  eine  Maus  vor  mir,  als  ich  mich  ganz  ruhig  hielt, 
beständig  mit  den  Tastborsten  sich  unterrichtend,  harmlos  auf  den  Tisch  hinauf,  an 
welchem  ich  saß,  und  kam  mir  ganz  nahe,  bis  ich  zugrilf,  um  sie  zu  fassen:  man 
kann  bei  solch  ruhigem  Verhalten  leicht  jede  Maus  mit  der  Hand  fangen.  —  Manche 
Tiere  sind  geradezu  auf  die  Bewegung  des  Opfers  bei  der  Verfolgung  angewiesen, 
wie  z.  B.  die  Frösche  gegenüber  den  Fliegen  und  zahlreiche  andere  Lurche  und 
Kriechtiere.  Vgl.  H.  Kohlwey  a.  a.  0, 
1)   S.    67  ff. 


Bates  über  Verkleidung.  279 

Stellen  könnten,  daß  die  Zuchtwahl  sie  zu  ergreifen  vermöchte,  um  sie 
dauernd  zu  erhalten. 

In  seiner  Erwiderung  geht  Darwin  nicht  auf  die  Entstehung  der 
ersten  Anfänge  der  Eigenschaften  ein ,  welche  für  uns  die  Hauptsache 
ist,  sondern  er  geht  aus  von  einer  gewissen  schon  vorhandenen,  wenn 
auch  rohen  Ähnlichkeit  des  nachahmenden  Gegenstandes  mit  dem  nachzu- 
ahmenden und  weiter  behandelt  er  diese  Ähnlichkeit  als  rein  zufällig 
entstanden. 

Endlich  besprach  ich  die  mit  den  meinigen  so  sehr  übereinstim- 
menden Ansichten  Hahnel's  über  die  sogenannte  Mimicry  und  dessen 
Ausführungen  über  die  Ursachen  der  Umbildung  der  Formen,  welche  in 
sehr  wichtigen  Grundsätzen  der  von  mir  vertretenen  Entwickelungstheorie 
entsprechen  und  dieselbe  durch  Thatsachen  stützen,  und  schloß  mit  den 
Worten:  »Schrittweise  gesetzmäßig  und  sprungweise  vor  sich 
gehende  Umbildungen,  welche  der  Ausdruck  bestimmter 
En  tw  icklu  ns;srichtuneen  sind,  führen  zu  ähnlicher  Gestal- 
tung  und  Zeichnung  bei  sehr  verschiedenen  Arten  und  diese 
Eigenschaften,  welche  mit  Anpassung  rein  gar  nichts  zu  thun  zu  haben 
brauchen,  geben  leichthin  urteilenden  Schriftstellern  Veranlassung  zur 
Annahme  des  Vorkommens  einer  Überfülle  von  durch  natürliche  Zucht- 
W7»hl  entstandenen  Verkleidungsformen«  '). 

Im  Übrigen  muß  ich  noch  auf  die  einzelnen  Thatsachen  verweisen, 
w'elche  ich  dort  schon  gegen  solch'  leichte  Verwertung  der  Verkleidung 
geltend  gemacht  habe. 

Sehen  wir  uns  aber  zuletzt  das  Wichtigste,  die  Beweise  an,  w'clche 
Bates,  der  Schöpfer  der  Lehre  von  der  Zuchtwahl -Verkleidung  für 
die  Entstehung  derselben  bei  Schmetterlingen  aufführt  und  durch  welche 
er  dieselbe  überhaupt  begründet,  so  erscheinen  auch  sie  sehr  unzu- 
länglich. Bates  geht  davon  aus,  daß  die  gegenseitige  Ähnlichkeit  nicht 
ganz  der  Ähnlichkeit  der  Lebensgewohnheiten  oder  der  Anpassung  an 
ähnliche  physikalische  Bedingungen  zugeschrieben  werden  könne  2).  Nicht 
ganz.     Er  sagt  nämlich  weiter'^): 

»Dies  ist  eine  sehr  schwer  verständliche  abstruse)  Thatsache  in  unserer  Frage, 
denn  ich  meine,  die  Thatsachen  ähnlicher  Abartung  bei  zwei  schon  nahe  verwandten 
Formen  zeigen  zuweilen,  daß  sie  in  ähnlicher  Weise  durch  physikalische  Bedingungen 
beeinflußt  worden   sind.    Eine  große  Anzahl   von  Insekten   ist  in  einer  Ricli- 


1)  Am  angegebenen  Orte  hob  icli  auch  hervor,  daß  weder  Erich  Haase,  noch 
August  Weismann  die  mit  den  meinigen  so  sehr  übereinstinmienden  Ansichten  P.  Hahnel's 
erwähnen,  obschon  der  erstere  den  Aufsatz  Hahnel's  in  Beziehung  auf  anderes  anführt 
und  trotzdem  schon  in  Staudinger's  »exotischen  Schmetterlingen«  auf  jene  .\nsichten 
Bezug  genommen  ist. 

Herr  Weismann  benutzt  nur  die  HAASE'schen  Ausführungen  über  Mimicry  zum 
Beweis  für  deren  weite  Verbreitung  und  für  die  Allmacht  der  Xaturzüchtung,  weil 
sie  ihm  dienen  —  die  Gegenbeweise  des  Biologen ,  welcher  im  Gegensatz  zu  Haase 
an  Ort  und  Stelle  das  Lebendige  beobachtet  hat,  kennt  er  nicht. 

-;  H.  W.  Bates,  Contribut.  to  an  Insect  Fauna  of  the  Amazon  Valley.  Lepidopt. 
Heliconidae.  Transact.  of  the  Linn.  Sog.  of  London,  Vol.  XXIIL  pari.  II.   1861. 

3)  S.  508. 


280  Allgemeines  über  Verkleidung  (Mimicry)  bei  Schmetterlingen. 

tung  abgeändert  worden  durch  Bewohnen  der  Meeresküste  i).  Ich  fand 
auch  die  allgemeine  Färbung  einzelner  sehr  verschiedener  Arten  in  gleichartiger 
Weise  gebildet  im  Inneren  das  südamerikanischen  Festlandes.  Aber  dies 
bedingt  nicht  die  Nachahmung  einer  Art  durch  eine  andere  im  Einzelnen,  es  be- 
reit e  t  nur  den  Weg  dazu  vor. 

Es  ist  vielleicht  wahr,  daß  die  Ursachen,  welche  eine  nahe  oder 
mimetische  Ähnlichkeit  hervorrufen,  nicht  an  Formen  wirken  können, 
welche  nicht  schon  eine  allgemeine  Ähnlichkeit  haben,  die  wieder 
auf  Ähnlichkeit  der  Gewohnheiten,  äußere  Bedingungen  oder  auf  zu- 
fälliges Zusammentreffen  zurückzuführen  ist«. 

Weiter  führt  Bates  als  Beispiel  die  »English  Bee-Moths«  (Sesien)  an  mit  den 
schmalen,  spitzen  Flügeln,  welche  sie  Bienen  ähnlich  machen.  Diese  Ähnlichkeit  beruhe 
zweifellos  auf  ihren  bienenähnlichen  Gewohnheiten ,  aber  nicht  ebenso  specifische 
(Einzel-)  Ähnlichkeiten. 

Er  glaubt,  daß  die  specifischen  mimetischen  Ähnlichkeiten  gegenüber  Heliconiden 
Anpassungserscheinungen  derselben  Art  seien  wie  bei  Insekten  und  anderen  Wesen, 
welche  oberflächliche  Ähnlichkeit  mit  den  Pflanzen  oder  den  unorganischen  Gegen- 
ständen zeigen,  zwischen  oder  auf  welchen  sie  leben.  Die  Ähnlichkeit  eines  Käfers 
oder  einer  Eidechse  mit  der  Baumrinde,  auf  welcher  sie  kriecht,  könne  nicht  durch 
dieselbe  auf  den  Baum  und  das  Thier  wirkende  Ursache  hervorgebracht  worden  sein. 

Im  Folgenden  führt  er  Beispiele  von  auffallenden  Ähnlichkeiten  von  Tieren  mit 
anderen  Gegenständen  an,  so  den  Käfer  Chlamys  pilula  vom  Amazonenstrom,  welcher 
vom  Auge  nicht  zu  unterscheiden  sei  vom  Raupenkot  auf  Blättern.  Gewisse  Motten 
sehen  vollkommen  aus  wie  Vergoldung  auf  Blättern.  »Die  zwei  Fälle  von  Nachahmung 
sollten  sorgfältig  in  Rechnung  gezogen  werden  von  Solchen,  welche  zu  der  Annahme 
neigen,  daß  mimetische  Ähnlichkeit  auf  einfacher  Variation,  Schönheit  oder  Schmuck 
beruhe  2).« 

Indem  nun  Bates  weiterhin  die  Erklärung  der  Nachahmung  von  Heliconiden 
von  Seiten  von  Leptaliden  durch  Ungenießbarkeit  der  ersteren  aufstellt,  bemerkt  er 
doch  sofort:  diese  Erklärung  lasse  sich  allerdings  nicht  anwenden  auf 
die  Nachahmung  von  Danaid-Heliconiden  durch  andere  Arten  derselben 
Unter f am ilie.  Diese  kommt  aber  oft  vor  und  es  ist  häufig  nicht  leicht  zu  unter- 
scheiden, welche  Form  die  nachahmende  und  welche  die  nachgeahmte 3;.  In  der  Regel 
haben  aber  die  ersteren  weniger  den  allgemeinen  Typus  ihrer  Verwandten  als  die 
letzteren. 

Die  örtlichen  Varietäten  oder  Rassen  können  nicht  durch  unmittelbare  Einwirkung 
physikalischer  Bedingungen  entstanden  sein  und  es  sei  unerklärlich,  wieso  sie  die 
hübschen  Anpassungen  hervorgebracht  haben  sollten,  welche  dieselben  zeigen.  Die 
Mimicry  erscheint  vielmehr  nur  verständlich  auf  Grund  der  Daravin- 
schen  Lehre  von  der  Entstehung  der  Arten  durch  natürliche  Zucht- 
wahl. 

Die  Arbeit  der  Auswahl,  welche  eine  Art  gradweise  und  beständig  irgend  einem 
anderen    Gegenstande    ähnlicher    macht,    bringe    den   Eindruck   hervor,    als    ob    ein 


1)  Dies  und  das  Folgende  ist  erst  von  mir  durch  gesperrten  Druck  hervor- 
gehoben. 

2)  Bates  hebt  hier  hervorragende  Fälle',von  Verkleidung  bei  Insekten  hervor  und  sagt, 
RössLER  erwähne  in  der  Wiener  entom.  Monatsschrift  1861  ebensolcher  und  habe  schon 
angenommen,  daß  es  sich  dabei  um  Schutz  vor  Verfolgung  handle.  Sodann  zählt 
Westwood,  Trans.  Linn.  Soc.  Vol.  XVIII.  S.  419  solche  Fälle  auf.  Ferner  wies  Bates 
hin  auf  eine  Mitteilung  von  Jos.  Greene  in  »Zoologist«  1836  S.  5073  über  die  eng- 
lischen Herbst-  und  Winter-Nachtfalter  (Moths),  deren  Farben  nach  ihm  den  vor- 
herrschenden Farben  der  Natur  in  der  betr.  Jahreszeit  angepaßt  sind. 

')  S.  507. 


Bates  über  Verkleidung.  281 

inneres  Princip  vorhanden  sei,  welches  einen  Fortscliritt  in  bestimm- 
ter Richtung  bedinge. 

Es  erschiene  demnach,  »als  wenn  die  eigenartige  Abänderung  in  der  Species 
entstanden  und  die  Verkleidung  ein  vorausbestimmtes  Ziel  wäre  ij.  Dies  unterstützte 
die  einzigen  anderen  Erklärungen,  welche  ich  gehört  habe,  namentlich,  daßes  eine  in 
der  Organisation  gelegene  Neigung  (tendency)  sein  könnte,  in  einer 
bestimmten  Richtung  verändert  zu  werden,  oder  daß  das  Eltern-Insekt 
mächtig  berührt  durch  das  Verlangen,  sich  vor  den  Feinden  seiner  Rasse  zu  ver- 
bergen, Eigentümlichkeiten  auf  seine  Nachkommen  übertragen  könne,  welche  dazu 
helfen,  dass  dieselben  verändert  und  daß  so  im  Laufe  von  Generationen  die  Art  Schritt  für 
Schritt  anderen  Formen  oder  Gegenständen  ähnlich  werde.  Aber  diese  Erklärungen 
halten  der  Prüfung  nicht  Stand  und  die  Erscheinungen,  welche  dieselben  stützen,  er- 
weisen sich  als  gegenstandslos  (illusorious).  Diejenigen,  welche  ernsthaft  eine  ver- 
nünftige Erklärung  verlangen,  müssen,  wie  ich  denke,  zu  dem  Schlüsse  kommen,  daß 
diese  anscheinend  wunderbaren,  aber  immer  schönen,  wundervollen,  mimetischen 
Ähnlichkeiten  imd  daß  deshalb  wahrscheinlich  auch  jede  andere  Art  von  Anpassung 
unter  den  Lebewesen  entstanden  ist  durch  Mittel  wie  die  hier  besprochenen.« 

Sehen  wir  nun,  welche  Beweise  Bates  für  seine  Erklärung  beibringt. 

»  Wahrscheinlich«,  sagt  er,  » sind  die  Heliconiden  für  feind- 
liche Insekten  ungenießbar«.  Manche  (Ltjcorea^  Ituna]  haben  aus- 
stülpbare Drüsen  nahe  dem  After,  ähnlich  den  Organen,  welche  z.  B. 
Carabiden  und  Staphyliniden  schützen.  »Ich  habe  auch  bemerkt,  daß  frisch 
setötete  Arten  von  Danaid-Heliconiden,  wenn  man  sie  zum  Trocknen 
auslegt,  stets  in  geringerem  Grade  der  Zerstörung  durch  Ungeziefer  aus- 
gesetzt sind,  als  andere  Insekten.  Sie  haben  alle  einen  besonderen  Ge- 
schmack«. Bates  sah  sie  nie  verfolgt  werden  von  Vögeln  oder  Libellen, 
Eidechsen  oder  Raubfliegen  'Asilidae),  »welche  man  sehr  oft  über  andere 
Schmetterlinge  herfallen  sieht.«  Ferner:  »Es  ist  nicht  unwahrscheinlich 
anzunehmen!!),  daß  einige  Arten  von  insektenfressenden  Tieren  ergriffen  wer- 
den, während  andere,  welche  in  ihrer  Gesellschaft  (der  Danaid-Heliconiden) 
fliegen,  verschont  bleiben.  Wegen  ihrer  außerordentlichen  Selten- 
heit konnte  ich  nicht  sofort  feststellen,  ob  die  Leptaliden  in 
dieser  Weise  ausgenommen  würden  (!).  Ich  merkte  mir  aber  an, 
daß  andere  Gattungen  (!)  aus  ihrer  Familie  (Pieriden)  viel  verfolgt  wurden. 
Wir  haben  in  dem  Falle  der  Sandwespen,  welche  in  ihren  Nestern  Vor- 
rat von  Insekten  aufhäufen,  den  Beweis,  daß  sehr  allgemein  eine  beson- 
dere Species  aus  zahlreichen  ausgelesen  wird  und  zwar  aus  einer  und 
derselben  in  der  betreffenden  Örtlichkeit  lebenden  Gattung« ...  »Wir  ver- 
mögen nicht  alle  Lebensbedingungen  festzustellen,  welche  für  jede 
Art  bei  diesen  mimetischen  Beziehungen  maßgebend  sind.  Alles  was  wir 
sagen  können  (!)  ist  dies,  daß  einige  Arten  durch  ihr  zahlreiches  Vorkom- 
men im  Alter  darauf  hinweisen sie  seien  durch  irgend  welche  Mittel 

vor  Verfolgung  geschützt  und  andere,  nicht  so  glückliche  müßten  daher 
einen  Vorteil  davon  haben,  wenn  sie  für  jene  gehalten  werden.« 

Das  sind  die  Thatsachen,  auf  welche  Bates  seine  Lehre 
von   der  Schutz-Verkleidung   stützen    kann!     Ist  es  nicht  ver- 


1)    »a   predestinated    goal«.      Daher    also    wohl    die    »prästabilierte    Harmonie« 
Weismann's. 


282  Allgemeines  über  Verkleidung  (Mimicry)  bei  Schmetterlingen. 

wunderlich,  wie  eine  auf  so  schwachem  Grunde  aufgebaute, 
zugleich  so  ^^"iciltige  Lehre  ohne  weiteres  za  allgemeiner  An- 
erkennung gelangen  konnte  und  wie  man  gerade  den  Vögeln 
dabei  eine  so  große  und  selbstverständliche  Rolle  zuschreiben 
mochte?  Kein  einziger  Beweis  ist  für  die  Berechtigung  dazu  bei  Batks 
zu  finden!  Man  kann  aus  seinen  Äußerungen  nur  erkennen,  daß  er 
auch  die  Vögel  als  Verfolger  von  Schmetterlingen  ansieht,  aber  nichts 
bestimmtes  darüber  zu  sac-en  weiß.  Ja,  er  hatte  in  dem  unmittelbar 
wichtigsten  in  Frage  kommenden  Fall,  in  dem  mit  den  Lcptalis,  gar  keine 
Erfahrung  darüber,  ob  überhaupt  Verfolgung  durch  insektenfressende 
Tiere  stattfindet,  und  hält  es  nur  für  »nicht  unwahrscheinlich«,  daß  gewisse 
Arten  gefressen  werden,  andere  mit  ihnen  fliegende  nicht!  Was  bleibt 
aber  bei  ihm  außer  den  Vögeln  zur  Verfolgung  von  Schmetterlingen  im 
Fluge,  worauf  es  ja  gerade  bei  den  Heliconiden  ankommt,  noch  übrig? 
Nichts  als  Libellen  und  Raubfliegen,  unter  welchen  jedenfalls  die  letz- 
teren größere  Falter  kaum  werden  bewältigen  können.  Herr  Piepers 
findet  sich  sogar  veranlaßt,  ausdrücklich  zu  sagen,  man  könne  nicht 
daran  zweifeln,  daß  Bates  wirklich  die  Vögel  als  Veranlasser  des  Ver- 
kleidungsschutzes mitgemeint  habe').  Auch  hat  der  letztere,  wie  Pie- 
pers hervorhebt,  später,  in  der  Sitzung  der  entomologischen  Gesellschaft 
zu  London,  1864,  seinen  Gründen  hinzugefügt,  er  habe  oft  auf  den  Fuß- 
pfaden des  tropischen  Amerika  eine  Menge  ausgerissene  Schmetterlings- 
flügel zerstreut  gefunden  und  in  England  sehe  man  nicht  selten  Weiß- 
linge von  Vögeln  verfolgt.  In  derselben  Sitzung  sagte  A.  R.  Wallace  im 
Gegensatze  zu  einer  Äußerung  in  seinem  Buche  über  den  Darwinismus, 
wonach  er  und  Bates  oft  ausgerissene  Schmetterlingsflügel  im  amerika- 
nischen Urwald  angetroffen  haben :  er  habe  persönlich  nie  feststellen 
können,  daß  Vögel  öfters  Schmetterlinge  fangen,  aber  er  zweifle  nicht, 
daß  diese  zahlreichen  Verfolgungen  ausgesetzt  seien! 

Weiter  erwähnt  Herr  Piepers,  Roland  Tkimen  erzähle,  daß  in  Südafrika  Tehitraea 
cristata  {viridis  Müll.)  und  wahrscheinlich  auch  Dicrurus  musicus  Schmetterlinge 
fangen.  In  seiner  Arbeit  über  die  Schmetterlinge  Afrika's-)  erzählt  derselbe,  daß  er 
in  England  gesehen  habe,  wie  eine  Schwalbe  einen  Weißling  verfolgte,  und  bringt 
eine  Mitteilung  von  M.  Belt,  welcher  in  Brasilien  eine  Anzahl  insektenfressender 
Vögel  beobachtet  habe,  wie  sie  in  Zeit  von  einer  halben  Stunde  mehrere  Arten  von 
Schmetterlingen  fmgen  und  dieselben  ihren  .lungen  brachten,  die  zahlreich  vorhan- 
denen Heliconiden  aber  verschonten 3). 

Man  kenne  noch  einige  vereinzelte  Fälle,  in  welchen  Schmetterlinge  von  Vögeln 
gefangen  worden  seien,  sagt  Herr  Piepers  weiter;  das  seien  aber  alle  bekannten  be- 
züglichen Thatsachen.  Im  Malayischen  Archipel  habe  Wallace  also  nichts  derartiges 
beobachtet  und  in  der  That  komme  es  auch  in  Java  und  in  Celebes  nur  sehr  selten 
vor.  Ausgerissene  Schmetterlingsflügel  beobachtet  zu  haben  glaube  auch  er  sich 
dunkel  zu  erinnern  von  Nachtschmetterlingen,  welche  sicherlich  viele  Vögel  mit  Genuß 
verzehren   und    auf  welche  besonders  Fledermäuse  mit  Leidenschaft  Jagd  machen  — 


1)  A.  a.  0.  S.  463. 

-)  Roland  Trimen:  On  some  mimetic  analogies  among  African  buttertlies.  Trans- 
actions  of  the  Linnean  Soc.  of  London  Vol.  XXVI. 

3)  M.  Belt:  Westminster  and  Foreign  Quarterly  Review  for  July  1867.  Article  L 


Verfolgung  von  Schmetterlingen  durch  Vögel.  283 

aber  so  selten,  daß  er  dessen  kaum  sicher  sei.     Nach  einer  Beobachtung  von  Trimen 
rühre  die  Erscheinung  aber  nicht  von  Vögeln,  sondern  von  großen  Mantis  her. 

Dennoch  kann  die  Beobachtung  von  Bates  richtig  sein,  fährt  Herr  Piepers  fort: 
was  sich  in  Indien  nicht  ereignet ,  kann  sich  in  Amerika  ereignen  und  gerade  die 
Morphiden,  welche  er  verfolgt  werden  sah,  und  welche  in  Java  selten,  seien  in  den 
von  Bates  besuchten  Gegenden  häufig.  Aber  das  habe  für  die  Verkleidungstheorie 
keine  Bedeutung wenn  sich  herausstelle,  daß  die  Thatsachen,  auf  welche  die- 
selbe begründet  sei,  fürvlndien  nicht  gelten,  könne  sie  auch  für  Afrika  und  Amerika 
nicht  angenommen  werden. 

Es  bedarf  keiner  weiteren  Auseinandersetzung,  daß  die 
so  überaus  spärlichen  und  unbestimmten  Angaben  über  Ver- 
folgung von  Schmett;?rlingen  im  Fliegen  durch  Vögel,  welche 
auch  hier  wiederum  und  insbesondere  von  Bates  selbst  ge- 
macht wurden,  es  nicht  entfernt  rechtfertigen,  darauf  die 
berühmte  Schutz-Ve  rkleidungstheorie  aufzustellen.  Gerade 
diese  spärlichen  Angaben,  die  Not,  mit  welcher  einzelne  unbedeutende, 
in  ihrer  Wirkung  vollkommen  sesenstandslose  Fälle  von  solcher  Verfol- 
eune  zusammengetragen  werden,  zeisjt,  daß  diese  Theorie  für  die  flie- 
genden  Tagschmetterlinge,  auf  welche  sie  aufgebaut  und  für  welche  sie 
zugeschnitten  worden  ist,  gänzlich  außer  Betracht  bleibt.  Bemerkenswert 
ist,  daß  für  Europa  wiederholt  Fälle  von  Verfolgung  von  Weißlingen 
durch  Vösel  berichtet  werden  und  daß  man  sich  darauf  zu  Gunsten  der 
Theorie  stützen  will.  Nun  weiß  aber  doch  Jedermann,  daß,  wenn  auch 
solche  vereinzelte  Fälle  vorkommen,  gerade  bei  den  Weißlingen  eine 
Verfolgung  durch  Vögel  oder  durch  Insekten  im  Fliegen  jedenfalls  so 
selten  stattfindet,  daß  diese  Falter,  welche  in  Folge  ihres  trägen  Fluges 
und  des  häufigen  sich  Niederlassens  auf  Nahrungspflanzen  so  überaus 
leicht  zu  verfolgen  sind,  sich  eines  sehr  ungestörten  Daseins  erfreuen 
und  daß  jedenfalls  von  einer  auf  Verfolgung  beruhenden  Auslese  keine 
Rede  oder,  um  mit  dem  ehemaligen  Herrn  August  Weismann  zu  reden, 
daß  »kein  Gedanke-  daran  sein  kann.  Man  könnte  im  Gegenteil,  wie 
ich  schon  hervorhob,  eher  annehmen,  daß  gerade  die  Weißlinge  unge- 
nießbar seien  —  wenn  nicht  thatsächlich  auch  die  übrigen  Tagfalter  sich 
derselben  Sicherheit  vor  Verfolgung  jedenfalls  während  des  Fliegens  er- 
freuten, so  weit  wenigstens,  daß  auch  bei  ihnen  keinem  nüchternen  Men- 
schen ein  Gedanke  an  Auslese  dabei  kommen  kann.  Wie  unberechtigt  es 
ferner  ist,  aus  auf  dem  Boden  gefundenen  Flügeln  von  Schmetterlingen 
ohne  weiteres  etwa  auf  Verfolgung  derselben  während  des  Fluges  zu 
schließen  und  was  für  besondere  Bewandtnis  es  damit  überhaupt  haben 
kann,  dies  beweist  die  von  mir  gemachte,  in  meiner  »Entstehung  der 
Arten  I«  mitgeteilte  bezügliche  schon  vorhin  erwähnte  Beobachtung,  zur 
Stütze  meiner  Ansicht,  daß  die  Falter  während  ihres  Fluges 
durch  die  Flügel  geradezu  vor  dem  Schnabelgriff  der  Vögel 
geschützt  seien,  indem  diese  eher  ein  Stück  aus  dem  Flügel- 
herausbeißen, als  den  Körper  fassen  werden.  Den  Fall  erzählte 
ich  des  Näheren  also']: 


1)  M.  »Entstehung  der  Arten«  1  8.  127. 


284  Allgemeines  über  Verkleidung  (Mimicry)  bei  Schmetterlingen. 

An  einem  heißen  Sommertag  ging  ich  auf  der  Hochebene  der  schwäbischen 
Alb.  Weit  und  breit  war  kein  Wasser  zu  sehen  gewesen.  An  einer  Stelle  des  Feld- 
wegs aber  lief  über  diesen  der  Ausfluß  eines  kleinen  Quells.  Hier  saßen  Hunderte 
von  Schmetterlingen,  lauter  Weißlinge  und  Blaulinge,  dicht  gedrängt  nebeneinander, 
eifrig  trinkend.  Bei  meiner  Annäherung  flogen  zahlreiche  Vögel  (Steinschmätzer,  von 
der  Stelle  auf,  und  als  ich  näher  trat,  fand  ich  eine  Menge  von  zerfetzten  Schmettei"- 
lingen  am  Boden  liegen  und  herumflattern :  den  meisten  waren  Stücke  aus  den  Flügeln 
herausgebissen,  letztere  waren  oft  ganz  zerfetzt  worden,  ehe  die  Vögel  dazu  gelangten, 
den  Körper  der  Schmetterlinge  zu  erwischen  —  trotzdem  diese  ruhig  am  Boden 
saßen.    Und  nur  weil  sie  am  Boden  gesessen  waren,  hatten  sie  sie  erwischen  können! 

Ich  maß  hinzufügen,  daß  sich  unter  den  Schmetterlingen  zahlreiche 
befanden,  deren  Körper  fast  noch  ganz  vorhanden,  während  die  Flügel 
zerfetzt  waren:  entweder  hatten  die  Vögel  den  ersteren  gar  nicht  voll- 
ständig zu  erfassen  vermocht  oder  sie  trieben  überhaupt  nur  grausames 
Spiel  mit  den  Faltern,  indem  sie  die  gebotene  günstige  Gelegenheit  dazu 
benutzten. 

Im  Übrigen  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  daß  den  Vögeln  ein  Stück 
Schmetterlingsflügel  im  Schnabel  ebenso  lästig  und  unangenehm,  weil  oft 
schwer  entfernbar  sein  dürfte  wie  Spinnwebe  oder  jene  wachsartigen  Erzeug- 
nisse auf  der  Haut  von  Schnabelkerfen,  wie  z.B.  den  Blutläusen  [Schizoneura 
lanigera),  welche  dadurch  vor  den  Nachstellungen  der  Vögel  offenbar 
geschützt  sind.  Man  kann  ja  oft  beobachten,  wie  schwer  die  Vögel  solcher 
Stoffe  sich  zu  entledigen  vermögen,  wenn  ihr  Schnabel  einmal  mit  dem- 
selben in  Berührung  gekommen  ist^). 

Bates  ist  immerhin  darin  weitherzig  und  vorurteilslos  sienue,  daß  er 
für  manche  Fälle  unmittelbare  äußere  Einwirkungen  als  Ursache  der 
Eigenschaften  von  Faltern  anerkennt.  Er  giebt  für  bestimmte  Fälle 
[Mechanitis  Polymnia]  auch  bezüglich  der  Heliconiden  zu^),  daß  die  ört- 
lichen Bedingungen  die  Zunahme  einer  oder  der  anderen  Abänderungen 
auf  Kosten  von  anderen  in  einem  Bezirk  begünstigt  haben  konnten, 
da  die  ausgelesenen  in  verschiedenen  Bezirken  verschieden  sind. 

Auf  den  östlichen  Abhängen  der  Anden,  sagt  er,  ändert  Mechanitis  Polymnia 
sehr  ab  und  in  den  Thälern  derselben  kommen  bemerkenswerte  Lokalformen  des 
Falters  vor,  welche  man  als  Arten  beschrieben  hat.  Manche,  wie  M.  Macrinus,  M. 
Menophilus  sind  unzweifelhaft  Varietäten,  aber  andere,  wie  M.  Mothone,  M.  ^lenapis 
sind  schärfer  abgegrenzt  und  haben  das  Aussehen  von  wirklichen  Arten.  »Der  Schluß 
ist  unabwendbar,  daß  diese  .  .  .  Arten  ebenso  wie  die  wirklichen  Varietäten  Abän- 
derungen sind;  denn  wir  haben  die  Arten  in  allen  Abstufungen:  einfache  Abänderung, 
Ortsabänderung,  kaum  von  ersterer  unterscheidbar,  vollkommene  Orts-Abart  und  gut 
gekennzeichnete  Rasse  oder  Art.     Die  in  Südbrasilien  gefundenen  Formen  von  M.  Po- 


1)  Es  ist  anzunehmen,  daß  die  Schwalben  mit  ihrem  weiten  .Schnabel  noch 
am  ehesten  zum  Fangen  von  Schmetterlingen  befähigt  sind.  In  der  That  hat  C.  Fickert, 
wie  er  mir  erzählt,  einen  solchen  Fall  beobachtet,  der  aber  freilich  wieder  etwas 
Ungewöhnliches  an  sich  hatte:  derselbe  ließ  aus  dem  oberen  Stockwerk  des  Hauses 
eine  frisch  ausgeschlüpfte  Vanessa  cardui  hinausfliegen,  diese  erhob  sich  hoch  in  die 
Luft  und  wurde  alsbald  von  einer  Schwalbe  ergriffen.  Es  ist  dies  wiederum  der 
einzige  Fall  von  Verfolgung  eines  Schmetterlings  durch  einen  Vogel,  welchen  auch 
dieser  Beobachter  gesehen  hat. 

2)  S.  5H    und  530. 


Bates  über  Verkleidung.  285 

lytnnia  bestätigen  dies.  In  Rio  Janeiro  wird  die  gut  gekennzeichnete  Rasse  oder  Art 
M.  Lysimnia  allein  gefunden,  in  Bahia  Indem  man  sich  der  Heimat  der  typischen 
M.Pohjmnia  zuwendet)  M.  Lysimnia  in  Gesellschaft  von  M.  Nesaea,  einer  genau  zwischen 
M.  Polymnia  und  31.  Lysimnia  stehenden  Form;  zuPernambuco  (weiter  nordwärts]  kommt 
M.  Nesaea  allein  vor;  zu  Para  sieht  man  diese  Form  nicht  mehr  und  .1/.  Polymnia  in 
ihrem  typischen  Kleid  beherrscht  das  Feld.« 

Das  sind  also  Fälle,  welche  ganz  mit  den  von  mir  zuerst  bei  der 
Mauereidechse  und  dann  in  der  »Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den 
Schmetterlingen«  beschriebenen  übereinstimmen  und  welche  meine  Auf- 
fassung von  der  Entstehung  der  Arten  mit  Beziehung  auf  die  geogra- 
phische Verbreitung  durchaus  bestätigen  und  bei  genauerer  Untersuchung 
auch  im  Einzelnen  rechtfertigen  werden ,  denn  es  handelt  sich  dabei 
offenbar  wieder  um  nur  durch  äußere  Einflüsse  angeregte  Ent- 
wicklungsrichtungen, wie  sie  überhaupt  bei  der  Kleidung  der  Heli- 
coniden  und  ihrer  »Nachahmer«  in  augenblicklichem  Flusse  befindlich 
überall  zu  erkennen  sein  werden,  wenn  man  die  Thatsachen  auf  Grund 
meiner  Auffassungen  näher  verfolgt.  Solche  Untersuchung  verspricht  auch 
noch  wichtige  besondere  neue  Gesichtspunkte  zu  bieten. 

Bates  fügt  hinzu:  »diese  Thatsachen  scheinen  zu  lehren,  daß  in  die- 
sem und  in  ähnlichen  Fällen  eine  neue  Art  als  Orts-Abarl  (Lokal-Varie- 
tät) entsteht,  gebildet  in  einem  gewissen  Bezirk,  wo  die  Bedingungen  für 
sie  günstiger  sind  als  für  die  typische  Form,  und  daß  eine  große  Zahl 
solcher  gleichzeitig  als  Umbildung  einer  abändernden  weit  verbreiteten 
Art  auftritt  .  Also  eine  volle  Übereinstimmung  mit  meinen  eigenen  Fol- 
gerungen. 

Aber  an  einer  anderen  Stelle')  sagt  er:  die  Orts-Abarten  oder  Rassen  können 
nicht  durch  unmittelbare  Einwirkung  der  physikalischen  Bedingungen  erzeugt  sein, 
weil  in  begrenzten  Gebieten,  wo  diese  Bedingungen  die  gleichen  sind,  die  verschiedenen 
Abarten  zusammen  gefanden  werden.  Dagegen  hebt  er  an  einer  anderen  Stelle'-)  wieder 
hervor,  es  könne  nicht  ohne  weiteres  gesagt  werden,  daß  eine  Form  an  ihrem  Wohn- 
ort entstanden  sei,  weil  Wanderungen  berücksichtigt  werden  müssen. 

Die  ganze  Frage  bekommt  aber  ein  anderes  Gesicht,  wenn  man  be- 
denkt, daß  außer  den  äußeren  Einflüssen  auch  die  stoffliche  Zusammen- 
setzung des  Körpers,  die  Constitution,  für  die  Art  der  Umbildung  maß- 
gebend ist,  und  wenn  man  ferner  berücksichtigt,  daß  die  Ursachen  der 
letzteren  wohl  nicht  in  erster  Linie  bei  den  Faltern,  sondern  bei  den 
Raupen  zu  suchen  sein  werden. 

Ein  Organismus  ist  als  ein  ungemein  feines  und  empfindliches  phy- 
sikalisch-chemisches Compositum  aufzufassen,  mit  außerordentlich  feiner 
individueller  Eigenart,  welche  auf  bestimmte  kleinste  äußere  Einflüsse 
hin  äußerlich  sehr  auffallende  Umbildungen  erfahren  kann,  die  andere 
Male,  bei  scheinbar  vollkommen  gleichen  Wesen,  ausbleiben.  Daß  dem 
so  ist,  zeigt  wieder  die  Einwirkung  künstlicher  Wärme  und  Kälte  und 
zeigt  in  der  freien  Natur  u.  a.  die  Entstehung  des  Papilio  Turnus  Glaucus  Q. 

Aber,  abgesehen  hiervon:  daß  Auslese  unter  den  Schmetterlingen 
nicht  die  Ursache  der  Ähnlichkeit  der  Falter  verschiedener  Familien  sein 

ij   S.   oM,   512.  -')  S.   530. 


2S6  Allgemeines  über  Verkleidung  (Mimicry)  bei  Schmetterlingen. 

kann,  beweist,  wie  bereits  hervorgehoben,  allein  schon  der  hohe  Grad, 
die  feine  Ausführung  solcher  Ähnlichkeit  ins  Einzelne  hinein,  wie  sie  zum 
Schutze,  zur  Erzielung  von  Täuschung  vollends  im  Fluge,  wo  die  Ein- 
zelheiten gar  nicht  unterschieden  werden  können,  und  gegen- 
über von  anderen  Thieren  als  Verfolgern,  wie  etwa  Raubfliegen  und 
Libellen,  aber  auch  gegenüber  von  Vögeln,  wenn  diese  thatsächlich  solche 
wären,  unbedingt  nicht  notwendig  ist. 

Zu  Allem  hin  haben  wir  gesehen,  daß  die  Ausbildung  der  ähnlich 
machenden  Eigenschaften  der  sogenannten  Nachahmer  sogar  über  das 
»Vorbild«  hinausgehen  kann,  und  es  ist  wahrscheinlich,  daß  weitere 
Untersuchung  eine  größere  Zahl  solcher  Fälle  aufdecken  wird,  wodurch 
zuletzt  der  Stiel  umgedreht  würde,  indem  die  »geschützten«  Falter  als 
»Nachahmer«  der  ungeschützten  erscheinen,  wie  dies  thatsächlich  in  den 
schon  jetzt  hervorgehobenen  Fällen  gegeben  ist.  Übrigens  ist  ein  einziger 
solcher  Fall  schon  lautredend  genug. 

Hier  möchte  ich  noch  die  Bemerkung  von  Bates  anführen,  die  Ähn- 
lichkeiten scheinen  specifischer  in  tropischen  Gebieten,  als  in  Europa  zu 
sein    und   es   sei   wahrscheinlich,    daß    die   Nachahmenden   in    nördlichen 
Gebieten  nicht    immer  mit  ihren  Modellen   zusammen   gefunden  werden. 
Es   sei   möglich,    daß    die    geographischen    Beziehungen    hier    durch   die 
großen    klimatischen    und    geologischen   Wechsel    gestört    worden    seien 
(S.  507).    Es  gilt  aber,  wie  wir  sahen,  dasselbe  auch  für  tropische  Formen. 
Warum,    fragt  Bates   ferner,   sind   mimetische  Ähnlichkeiten  so  zahlreich 
und  genau  bei  niederen,  so  selten  und  wenig  genau  bei  höheren  Tieren? 
die  einzige  Antwort  sei  die,  daß  Insekten  vielleicht  einen  höheren  Grad 
von  Specialisierung  erlangt  hätten,  als   die  meisten  anderen  Klassen.     Es 
scheine    dies   auch    gezeigt    durch   die   Vollkommenheit  ihrer  angepaßten 
Bauverhältnisse  und  ihres  Instinkts.  —   Daß   endlich  Verkleidung  in  tro- 
pischen Gebieten   häufiger   sei  als  in  gemäßigten,   sei   dort  vielleicht  auf 
größere   Mitbewerbung   zurückzuführen   und   auf  die   raschere  Folge  der 
Generationen.     Ich   meine   dagegen:    die  Mitbewerbung,  der  Kampf  ums 
Dasein,  ist  doch  wohl  umgekehrt  im  mageren  kalten  Norden   größer,  als 
in  den  Tropen.    Dagegen  ist  die  physiologische  Thätigkeit,  das  organische 
Wachsen  in  den  eingeborenen  Wesen  der  tropischen  Gebiete  ein  lebhaf- 
teres   und   wird   sich   so   leichter  in   Umbildung   der  Gestaltung   äußern. 
Weil    für  die  Tagschmetterlinge  Zeichnung   und  Färbung  im  Kampf  ums 
Dasein   keine  Bedeutung  haben,  können  sie   sich  unbehindert  auf  Grund 
der    im   Organismus    und    außerhalb    desselben    gegebenen   Bedingungen 
entfalten.     Die  Fähigkeit  solche  Feinheit    der   Zeichnungsmuster  und  der 
Farbe  hervorzubringen  wird  allerdings  in  der  Eigenart  des  ersteren  liegen. 

Bates  weist  indessen  auf  zwei  wundervolle  Fälle  von  Verkleidung 
bei  Vögeln  hin,  welche  Wallace  beschrieben  hat:  Mimeta  Bouroensis 
[Oriolidae)  und  Tropidorhynchus  n.  sp.  [Meliphagidae).  Bourou,  und  Mimeta 
Forstini  und   Tropidorhynchus  subcarinatus,  Ceram. 

Ich  erinnere  dazu  an  die  Übereinstimmung  der  Zeichnung  unserer 
Elster  [Pica  caudata)  und  der  von  Turdus  mitidanaensis,  des  Austernfischers 


Bates  über  Verkleidung.  287 

[Haematopus  ostrealegus)  and  des  schwarzen  Storches,  des  Sperbers  [Astur 
nisus)  und  Sylvia  nison'a,  des  ersteren  und  des  Kukuks  im  quergestreif- 
ten grauen  Kleide,  abgesehen  von  der  großen  Ähnlichkeit  des  Kleides 
der  verschiedensten  Vögel,  welche  eben  durch  die  verschiedenen  Zeich- 
nungsstufen bedingt  ist. 

Endlich  sei  darauf  hingewiesen,  wie  ein  Blick  auf  die  zwei  der 
BATEs'schen  Schrift  beigegebenen  Tafeln  beweist,  daß  die  Zeichnung  und 
Farbe  sämtlicher,  dort  als  Nachahmer  und  nachgeahmte  abgebildeter 
Falter  die  Züge  uns    wohlbekannter  Entwicklungsrichtungen  zeigen. 

Die  auf  Grund  ebenso  bestechender  wie  unzulänglicher  und  unrich- 
tiger Voraussetzungen  aufgestellte  Lehre  von  der  durch  Zuchtwahl  ent- 
standenen Ähnlichkeit  ungeschützter,  genießbarer  Schmetterlinge  mit 
geschützten,  ungenießbaren,  welche  Darwix  »an  excellent  illustration  of 
Ihe  principle  of  natural  selection«  genannt  hat'),  wird  durch  die  Erklä- 
rung der  Orthogenesis  aller  genetischen  Beziehungen  zur  Zuchtwahl 
entkleidet,  ganz  ebenso  wie  die  Ähnlichkeit  anderer  Falter  mit  einem 
dürren  Blatte:  überall  handelt  es  sich  in  der  Ähnlichkeit  um  den  Aus- 
druck bestimmter  Entwicklungsrichtungen. 

Merkwürdig  genug  ist  die  Thatsache,  daß  homoeogenetisch  ähnliche 
Formen  nicht  nur  zusammen,  sondern  daß  sie  in  sehr  verschiedenen  Gebie- 
ten, ja  in  verschiedenen  Erdteilen  jede  für  sich  vorkommen  können.  Es  ist 
dies  viel  merkwürdiger  als  das,  was  die  Verkleidungslehre  bisher  voraus- 
gesetzt hat  und  verlangen  muß,  nämlich  daß  beide  zusammen  leben  und 
untereinander  fliegen,  denn  die  Ähnlichkeit  zusammenlebender  Formen 
legt  die  Erklärung  der  Entstehung  der  Ähnlichkeit  durch  Einwirkung 
äußerer  Verhältnisse  wie  Klima,  Nahrung  viel  näher.  Dennoch  ist  nicht 
ausgeschlossen,  daß  in  ganz  verschiedenen  Gebieten  Einflüsse  herrschen, 
welche  auf  die  jeweils  gegebene  Constitution  in  wesentlich  der  gleichen 
Weise  wirken.  Hier  aber  liegt  ein  neues  Feld  für  die  Untersuchung  und 
die  Experimente  werden  hier  vielen  Aufschluß  zu  geben  vermögen.  So 
viel  aber  dürfen  wir  wohl  jetzt  schon  sagen:  die  Thatsachen  weisen 
darauf  hin,  daß  die  Constitution  bei  der  ganzen  Umbildung  die  maßge- 
bendste Rolle  spielt  und  daß  die  äußeren  Reize  in  sehr  wesentlichen 
Fällen  nur  den  Anstoß  zu  derselben  geben. 

Im  Übrigen  weisen  allein  die  Fälle  von  vollkommener  Ähn- 
lichkeit zwischen  Kleinschmetterlingen  mit  um  das  zehn-  und 
mehrfache  größeren  Großschmetterlingen  auf  die  gänzliche 
Unhaltbarkeit  der  Zuchtwahl-Verkleidungslehre  in  ihrer  bis- 
herigen Anwendung  hin. 

Was  das  Zusammenleben,  das  Zusammenfliegen  von  ähnlichen  Faltern 
angeht,  so  ist  die  bisher  ohne  weiteres  gemachte  Annahme,  dasselbe 
beruhe  auf  Schutzbeziehungen,  auch  aus  anderen  Gründen  anfechtbar. 
Abgesehen  davon,  daß  eben  dieselbe  Lebensweise  den  Anstoß  zur 
Herstellung  von  Ähnlichkeiten   geben    kann,  wobei  die  Ähnlichkeit  also 


ii  Darwin.  Origin  of  spec.  4th  ed.  1864.  S.  506. 


288  Allgemeines  über  Verkleidung  (Mimicry)  bei  Schmetterlingen. 

die  Folge  des  Zusammenlebens  sein  wird,  wofür  in  der  That  bei 
»mimetischen«  Faltern  Vieles  spricht  —  so  gerade  bei  Heliconiern  und 
ihren  Nachahmern  —  abgesehen  davon  ist  noch  ein  anderer  Gesichtspunkt 
zu  berücksichtigen,  nämlich  der,  daß  ähnliche  Tiere,  besonders  in  der 
Farbe  ähnliche,  sich  gern  zusammen  thun,  von  anderen  Verwandten 
sich  trennen.  Ich  habe  solche  Beobachtung  schon  vor  Jahren  an  der 
gewöhnlichen  Mauereidechse  und  ihrer  Verwandten,  der  Lacerta  muralis 
coerulea  vom  Faraglione-Felsen  gemacht  und  beschrieben  ^)  und  Heinrich 
Kohlwey'2)  hebt  hervor,  daß  Tiere  verschiedener  Rassen  sich  oft  zusammen 
halten,  wenn  sie  in  der  Färbung  übereinstimmen  : 

»Unter  einer  Glucke  ließ  ich  Kücken  verschiedener  Rassen  ausbrüten, 
bei  dieser  Gelegenheit  sah  ich,  daß  die  Tiere  sich  nach  Farben  und  nicht 
nach  Rassen  vereinigten,  als  sie  sich  umhertrieben.  Ähnliche  Beobach- 
tungen findet  man  verzeichnet  bei  Neubert^).« 

Es  ist  mir  wichtig  zu  bemerken,  daß  auch  Bates  eine  Zuneigung 
zwischen  farbenähnlichen  Schmetterlingen  hervorhebt  und  dieselbe  für 
die  Zuchtwahllehre  verwertet.  Bates  sagt^): 

The  process  of  the  creation  of  a  new  species  believe  to  be  acce- 
lerated  in  the  Ithomiae  and  allied  genera  by  the  streng  tendency  of  the 
nsects,  when  pairing,  to  select  none  but  their  exact  counterparts:  this 
also  enables  a  number  of  very  closely  allied  ones  to  exist  together,  or 
the  representative  forms  to  live  side  by  side  on  the  confines  of  their 
areas,  without  amalgamating«. 

Ich  zweifle  nicht  daran,  daß  die  Ähnlichkeit  auch  für  die  geschlecht- 
liche Mischung  von  Bedeutung  sein  wird:  es  muß  sich  aber  dabei  um 
schon  ausgesprochene  Ähnlichkeit  handeln,  wenn  auch  nicht  um  genaue 
(»exact«)  ins  Einzelne  gehende.  Die  kleineren  erst  im  Werden  begriffenen 
Eigenschaften,  welche  sich  doch  thatsächlich  orthogenetisch  weiter  bilden 
und  zuletzt  maßgebend  werden,  können  durch  geschlechtliche  Auswahl 
nicht  begünstigt  werden.     Weiteres  über  diesen  Gegenstand  später. 


Wenn  man  nach  Vorstehendem  die  Äußerungen  Darwin's  über  Ver- 
kleidung liest  und  die  Erklärung,  welche  er  für  ihre  Entstehung  zu  geben 
versucht,  so  wird  man  zugeben,  daß  damit  nichts  gesagt  ist,  was  meine 
auf  Thatsachen  beruhenden  Ansichten  erschüttern  könnte. 

Darwin  ">)    will    die  Schwierigkeit   der  Erklärung   der   ersten  Schritte 

im  Proceß  der  Nachäffung  durch  natürliche  Zuchtwahl  dadurch  beseitigen, 

»daß    der    Proceß    wahrscheinlich    vor    langer    Zeit    bei    Formen    seinen 


1)  Zoolog.  Studien  auf  Capri,  Lacerta  muralis  coerulea. 
-]  H.  KoHLWEY  a.  a.  0. 

3;  Aug.  Neubert,  Die  Arten  der  deutschen  Farbentauben  und  ihre  Zucht.  Leipzig, 
Expedition  der  »Geflügelbörse«. 
4;  Bates,  Heliconid.  S.  307. 
5)  Darwin,  Abstammung  des  Menschen,  Stuttgart  Schweizerbart  1878,  L  S.  423. 


Darwin  über  Verkleidung.  289 

Anfang  nahm,  welche  in  der  Färbung  einander  nicht  unähnlich  waren.  In 
diesem  Falle  wird  selbst  eine  geringe  Abänderung  von  Vorteil  sein,  wenn 
die  eine  Species  dadurch  der  anderen  gleicher  gemacht  werden  wird; 
später  kann  die  nachgeahmte  Species  durch  natürliche  Zuchtwahl  oder 
durch  andere  Mittel  bis  zu  einem  extremen  Grade  modificiert  worden  sein«. 

Man  sieht,  daß  das  keine  Erklärung  für  die  Entstehung  der  ersten  An- 
fänge der  Ähnlichkeit  ist,  denn  sie  setzt  diese  Ähnlichkeit  schon  voraus  — 
also  immer  wieder  dasselbe  Herumgehen  um  den  Kern  der  Schwierigkeit. 

Da  aber  Darwl\,  wie  aus  der  später  folgenden  Behandlung  seiner 
Ansichten  über  geschlechtliche  Zuchtwahl  hervorgeht,  anderwärts  für  die 
Schmetterlinge  jede  Bedeutung  von  Farbe  und  Zeichnung  für  den  Nutzen 
und  da  er  somit  die  Entstehung  derselben  durch  natürliche  Zuchtwahl 
vollkommen  zurückweist,  so  fällt  seine  Verteidigung  und  Erklärung  der 
Verkleidung  bei  diesen  Tieren  von  selbst  und  brauchte  darauf  nicht  weiter 
Rücksicht  genommen  zu  werden.  Indessen  ist  mir  doch  bemerkenswert, 
daß  Darwin  fortfahrend  sagt:  »Waren  die  Änderungen  stufenweise,  so 
können  die  Nachahmer  leicht  denselben  Weg  geführt  worden  sein,  bis 
sie  in  einem  gleicherweise  extremen  Grade  von  ihrem  ursprünglichen 
Zustande  abwichen«.  Die  Führerin  soll,  wie  aus  dem  vorhergehenden 
Satze  hervorgeht,  die  natürliche  Zuchtwahl  sein,  sie  soll  die 
stufenweisen  Änderungen  hervorgebracht  haben,  welche  Darwin 
wiederum  zur  Erklärung  der  Wirkung  geschlechtlicher  Zuchtwahl,  wie 
wir  sehen  werden,  z.  B.  beim  Argusfasan,  in  Anspruch  nimmt,  wo  er 
natürliche  Zuchtwahl  ausschließt  und  die  stufenweise  Umbildung  als  »zu- 
fällige« Voraussetzung  für  die  Möglichkeit  der  Wirksamkeit  der  ge- 
schlechtlichen Zuchtwahl  hinstellt. 

Wäre  stufenweise  Abänderung  im  Sinne  bestimmt  gerichteter  gesetz- 
mäßiger Entwickelung ,  als  Ausdruck  organischen  Wachsens,  hier  wie 
dort  als  Hauptsache  der  Umbildung  von  Darwin  erkannt,  so  wäre  der 
Boden  gewonnen  worden,  auf  welchem  ich  stehe.  Allein  jene  Spur  einer 
Anerkennung  stufenweiser  Abänderung  wurde  von  Darwin  nur  aufgestellt 
zur  Unterstützung  seiner  Zuchtwahllehre, 

Weiter  aber  erinnert  Darwin  daran,  »daß  viele  Species  von  Lepi- 
dopteren  sehr  gern  beträchtlichen  und  plötzlichen  Abänderungen  in  der 
Farbe  unterliegen«,  und  fügt  hinzu:  »einige  wenige  Beispiele  sind  in 
diesem  Kapitel  mitgeteilt  worden;  noch  viel  mehr  sind  in  Herrn  Bates' 
und  Herrn  Wallace's  Abhandlungen  zu  finden«. 

Es  ist  sehr  merkwürdig,  daß  Darwin,  einmal  aufmerksam  auf  That- 
sachen  der  sprung weisen  Entwickelung,  dieselben  nicht  mehr  verfolgt 
und  für  seine  Zuchtwahllehre  verwendet  hat. 

In  seiner  »Entstehung  der  Arten«')  versucht  Darwin  die  Einwände 
Mivart's  bezüglich  der  Entstehung  der  ersten  Stufen  der  Verkleidung 
durch  Zuchtwahl  in  derselben  unzulänglichen  Weise  zu  widerlegen.  Die 
bezügliche  Äußerung  Mivart's  ist  auch  sonst  wegen  ihrer  Übereinstimmung 


1)  Siebente  Auflage,  Schweizerbart  1884.  S.  251  ff. 
Eimer,  Orthogenesis.  49 


290  Allgemeines  über  Verkleidung  (Miraicry)  bei  Schmetterlingen. 

mit  meinen  Auffassungen  bemerkenswert.  Derselbe  saj^t:  »Da  nach  Herrn 
Darwin's  Theorie  eine  konstante  Neigung  zu  einer  unbestimmten  Varia- 
tion vorhanden  ist  und  da  die  äußerst  geringen  beginnenden  Abände- 
rungen nach  allen  Richtungen  gehen  werden,  so  müssen  sie  sich  zu 
neutralisieren  und  anfangs  so  unstete  Modificationen  zu  bilden  streben, 
daß  es  schwierig,  wenn  nicht  unmöglich  ist,  einzusehen,  wie  solche  un- 
bestimmte Schwankungen  kleinster ')  Anfänge  jemals  eine  hinreichend 
erkennbare  Ähnlichkeit  mit  einem  Blatte,  einem  Bambus  oder  einem  an- 
deren Gegenstände  zu  Stande  bringen  können,  so  daß  die  natürliche 
Zuchtwahl  sie  ergreifen  und  dauernd  erhalten  kann«. 

Darwin  erwidert:  >  Aber  in  allen  den  vorstehend  angeführten  Fällen 
boten  die  Insekten  in  ihrem  ursprünglichen  Zustande  ohne  Zweifel  eine 
gewisse  allgemeine  und  zufällige  Ähnlichkeit  mit  einem  gewöhnlich  an  dem 
von  ihnen  bewohnten  Standorte  zu  findenden  Gegenstande  dar«. 

Also:  die  nützliche  Ähnlichkeit  war  schon  da  —  die  Zuchtwahl  hat 
sie  höchstens  vielleicht  noch  verbessern  können.  Das  ist  der  Schluß,  auf 
welchen  wir  an  der  Hand  der  Thatsachen  immer  wieder  zurückkommen. 

Darwin  führt  des  Weiteren  »die  beinahe  unendliche  Zahl  umgebender 
Gegenstände  und  die  Verschiedenartigkeit  der  Form  und  Farbe  bei  den 
Mengen  von  Insekten,  welche  existiren«  in's  Feld  und  fährt  fort:  »Wenn 
man  annimmt,  daß  ein  Insekt  zufällig  ursprünglich  in  irgend  einem 
Grade  einem  abgestorbenen  Zweige  oder  einem  vertrockneten  Blatte  ähn- 
lich war  und  daß  es  unbedeutend  nach  vielen  Richtungen  hin 
variierte,  dann  werden  alle  die  Abänderungen,  welche  das  Insekt  über- 
haupt nur  solchen  Gegenständen  ähnlich  machten  und  dadurch  sein  Ver- 
bergen begünstigten,  erhalten  werden,  während  andere  Abänderungen 
vernachlässigt  und  schließlich  verloren  sein  werden;  oder  sie  werden, 
wenn  sie  das  Insekt  überhaupt  nur  dem  nachgeahmten  Gegenstande 
weniger  ähnlich  machen,  beseitigt  werden.  Herrn  Mivart's  Einwand 
würde  allerdings  von  Belang  sein,  wenn  wir  die  angeführten  Ähnlich- 
keiten unabhängig  von  natürlicher  Zuchtwahl  durch  bloße  fluctuierende 
Abänderung  zu  erklären  versuchen  wollten;  wie  aber  die  Sache  wirklich 
steht,  ist  sie  von  keinem  Belang.« 

Man  sieht,  die  ganze  Ausführung  Darwin's  fällt  mit  dem  zufäll ieen 
Abändern  nach  vielen  Richtungen:  in  Wirklichkeit  entstehen  aber 
die  angeführten  Ähnlichkeiten  offenbar  unabhängig  von  der  natürlichen 
Zuchtwahl  auf  Grund  von  gesetzmäßig  nach  wenigen  Richtungen  hin 
stattfindendem  Abändern.    Dies  zeigen  allein  schon  unsere  Schmetterlinge. 

Bemerkenswert  ist  besonders,  in  welchem  Gegensatz  die  An- 
schauungen Darwin's  immer  und  überall  zu  bestimmt  gerichteter  Ent- 
Wicklung  überhaupt  stehen  und  daß  er,  wenn  er  zu  seinen  allgemeinen 
Schlüssen  kommt,  das  sonst  wohl  beigezogene  »stufenweise  Abändern« 
vollkommen  außer  Acht  läßt,    ja  daß  er  dieses  nicht  einmal  zu  der 


ist  das  schreckliche  Wort,  das  hiefür  gebraucht  wird. 


Brunner  von  Wattenwyl  über  Verkleidung.  291 

doch  von  ihm  erwähnten^),  bestimmt  gerichteten  Entwicklung 
in  Beziehung  bringt!  Ebensowenig  legt  er  auch  dabei  weiter  Gewicht 
auf  die  von  ihm  im  Vorbeigehen  berührten  plötzlichen  Umbildungen.  Und 
doch  ist  es,  wie  schon  hervorgehoben,  selbstverständlich  die  sprung- 
w^eise  Entwicivlung,  Halmatogenesis,  welche  mit  einem  Schlag  alle 
Schwierigkeiten  der  Entstehung  von  Verkleidung,  zugleich  vielleicht  mit 
Beihülfe  von  Zuchtwahl,  im  Sinne  der  Erhaltung  des  Passendsten  erklären 
könnte  -). 

Bei  den  von  uns  behandelten  Schmetterlingen  haben  wir  aber  ge- 
sehen, daß  jedenfalls  bei  weitaus  den  meisten  Arten  die  Erzeugnisse 
der  Halmatogenesis  in  keiner  Weise  zur  Zuchtwahl  in  Beziehung  treten. 
Gerade  bei  den  Kallima  ist  das  Abändern  ein  allmähliches. 

Sehr  bemerkenswert  zur  Frage  sind  Schlußfolgerungen,  welche  der  erfahrene 
Entomologe  Herr  Biunner  von  Wattenwyl  aus  Thatsachen  gezogen  hat 3). 

Derselbe  bebt  hervor,  wie  die  Erklärung  der  Farben  (und  Zeichnungen  und 
aller  anderen  zum  Dasein  entbehrlichen  Eigenschaften  durch  geschlechtliche  Zuchtwahl 
bei  der  »luxuriösen  Farben-  und  Formen-Entv*ickelung  jener  niedrigen  Tiere,  bei 
welchen  eine  geschlechtliche  Bewerbung  gar  nicht  stattfindet« ,  nicht  angewendet 
werden  könne.  So  »bei  den  Raupen  der  Schmetterlinge,  deren  Zeichnung  und  Färbung 
irgend  so  brillant  sind  wie  bei  dem  Argusfasan«.  Indem  Herr  Bkunner  vom  Boden  des 
Darwinismus  ausgeht,  bezeichnet  er  solche  »Ästhetik  der  Schöpfung  von  dem  Stand- 
punkte des  Darwinisten  aus«  als  eine  Hyper teile,  d.  i.  ein  über  das  Ziel  Hinaus- 
gehen. Auch  »viele  geradezu  abstoßende  und  unsinnige  Formen« ,  wie  das  Geweih 
des  Hirschschröters,  dann  auch  die  oft  ins  Kleinliche  gehende  Symmetrie  der  Organe, 
welche  nicht  zum  Kampf  ums  Dasein  notwendig  sei,  gehöre  hierher.  Dann  auch  die 
Mimicry.  Man  begreife  den  Schutz  der  Nachahmung  eines  dürren  Blattes.  »Allein 
es  bleibt  unerklärlich,  warum  der  Distelfalter  auf  seinen  Hinterflügeln,  die  Raupe  des 
Wein-  und  Oleanderschwärmers  am  Kopf  oder  am  Hinterleib  die  gleiche  Zeichnung 
trägt  wie  der  Argusfasan  auf  den  Federn,  oder  warum  europäische  Blumen  den 
Schnitt  und  die  Farbe  tropischer  Schmetterlinge  nachahmen«. 

Die  so  häufige  UnvoUkommenheit  der  Symmetrie  in  Fäi'bung  und  Zeichnung  sei 
durch  Hypertelie  zu  erklären,  ebenso  wie  Alles,  was  uns  schön  erscheint. 

Sodann  wird  darauf  hingewiesen,  was  besonders  Nageli  für  die  Pflanzen  betont 
hat,  wie  wenig  gerade  systematisch  wichtige  Eigenschaften  für  die  Function  von  Wert 
seien.  Es  wird  u.  a.  erwähnt,  daß  Fach-Autoritäten  das  System  gewis-er  Insekten- 
familien auf  die  Form  des  Flügelgeäders  gründen.  »Die  Anwesenheit  einer  Querader, 
die  stärkere  oder  schwächere  Krümmung  derselben  sind  maßgebend  für  die  Klassifi- 
cation.  Niemand  wird  behaupten,  daß  diese  Formen  von  irgend  einer  Wesenheit 
für  die  Lebens-Existenz  seien,  und  dennoch  ist  ihre  Heranziehung  zur  Klassification 
unzweifelhaft  ein  glücklicher  Gedanke,  denn  es  liegt  in  der  Erscheinung  eine  hart- 
näckige Konsequenz.« 

»Vor  wenigen  Wochen  teilten  uns  die  Botaniker  unserer  Gesellschaft  mit,  daß 
Pflanzen,  welche  in  Folge  des  Ausbleibens  des  Winterfrostes  nicht  absterben,  unge- 
wohnte monströse  Entwickelungen    annehmen,    deren   Gesetze  zwar,   wenn  ich  mich 


1;  Vgl.  vorn  Seite  97. 

2)  Mit  Beziehung  auf  Vögel  sagt  Darwin  in  dieser  Sache  (Abstammung  des 
Menschen  II.  1878  S.  1  1  6  :  »Plötzliche  und  stark  markierte  Abänderungen  sind  selten; 
auch  ist  es  zweifelliaft,  ob  sie,  wenn  sie  wohlthätig  sind,  durch  Zuchtwahl  häufig  er- 
halten und  auf  spätere  Generationen  überliefert  werden.« 

3  c.  Brünner  von  Wattenwyl:  Über  die  Hypertelie  in  der  Natur.  Verh.  d.  k.  k. 
zool.  bot.  Ges.  in  Wien  IS73.  S.  133  ff.  Derselbe:  Über  hypertelische  Nachahmungen 
bei  Orthopteren,  ebenda   1883. 

19* 


292  Allgemeines  über  Verkleidung  (Mimicry)  bei  Schmetterlingen. 

so  ausdrücken  darf,  in  der  Idee  der  Pflanze  gelegen  sind,   aber  unter  normalen  Ver- 
hältnissen nicht  zur  Manifestation  gelangen«. 

Ebenso -entstehen  die  panachierten  Blatter,  die  gefüllten  Blüten  »nach  bestimm- 
ten Gesetzen,  die,  in  der  Pflanze  schlummern  bis  zu  dem  Augenblicke,  wo  eine  äußere 
Anregung  die  Erscheinung  erweckt.  Die  Natur  hat  eine  Fülle  von  Formen  in  petto, 
welche  zur  Ausführung  kommen,  sobald  die  äußeren  Bedingungen  es  gestatten.« 

Die  Mehrzahl  der  typischen  organischen  Formen  seien  wohl  nach  den  Gesetzen 
der  Notwendigkeit  und  Nützlichkeit  construiert,  eine  beträchtliche  Zahl  aber  beruhe 
auf  dem  Gesetz  der  Manchfaltigkeit  ohne  Nutzen. 

Die  Hypertelie  beruhe  auf  bestimmten  Gesetzen.  »Die  zierlichen  Farben  der 
Schwanzfedern  des  Argusfasans  entwickeln  sich  stets  nur  an  bestimmten  Stellen  und 
gruppieren  sich  nach  bestimmten  Gesetzen.  Es  ist  eine  in  der  Idee  des  Insekts  liegende 
Notwendigkeit,  daß  solche  Eigenschaften  an  ganz  bestimmten  Stellen  entstehen,  und 
»eben  darum  sind  die  daraus  entlehnten  Speciescharaktere  vollkommen  berechtigt«. 

Brunner  meint:  das  Genus  sei  der  Inbegrifl'  aller  jener  Charaktere,  welche  ein 
Organismus  durch  die  Notwendigkeit  annimmt,  »die  Species  dagegen  entsteht  dadurch, 
daß  der  Organismus,  seiner  ideellen  Ausbildung  nachstrebend,  durch  Hypertelie  die 
Formen  potenziert « i). 

»Die  Gesetze,  nach  welchen  die  Organismen  nach  diesen  beiden  Richtungen  sich 
umändern,  sind  allerdings  bis  jetzt  kaum  geahnt.  Wenn  sie  einmal  aufgerollt  sein 
werden,  so  geben  sie  uns  die  wissenschaftlichen  Anhaltspunkte  zur  Ivlassiücation  nach 
Genus  und  Species,  eine  Einteilung,  welche  dermalen  als  eine  instinktive  der  einzelnen 
Naturforscher  bezeichnet  werden  muß.« 

In  seiner  zweiten  Aljhandlung  bezeichnet  Herr  Brunner  von  Wattenwyl  die 
Hypertelie  als  einen  weit  über  die  Notwendigkeit  hinausgehenden  Kraftaufwand.  Die 
bezüglichen  Thatsachen  machen,  sagt  er,  den  Eindruck,  als  ob  außer  der  Sorge  für 
die  Erhaltung  der  Species  noch  ein  anderes  Element  aufträte,  »welches  ganz  unab- 
hängig von  der  Zweckmäßigkeit  lediglich  als  Ausdruck  einer  zügellosen  Phantasie 
auftritt«.  Sodann  bespricht  er  zwei  Orthopteren  und  bildet  sie  ab,  bei  welchen  die  Nach- 
ahmung anderer  Gegenstände  weit  über  das  Notwendige  hinausgeht:  die  ungeflügelte 
Laubheuschrecke  Myrmecophana  fallax  aus  dem  Sudan ,  welche  eine  Ameise  nach- 
ahmt, und  das  Genus  Pterochroza  unter  den  Laubheuschrecken  aus  dem  nördlichen 
Südamerika,  dessen  Arten  Blätter  nachahmen.  Darunter  ist  ein  grünes  Blatt,  dessen 
äußerer  Teil  in  ungleicher  Ausdehnung  zu  beiden  Seiten  der  Mittelrippe  von  Chloro- 
phyll befreit  ist,  wie  es  durch  Insektenfraß  vorkommt,  und  außerdem  ist  darauf  die 
Thätigkeit  einer  kleinen  Minirraupe  nachgeahmt.  Auf  zwei  solcher  Blätter  sind  un- 
gleich große  Flecke  vorhanden,  auf  welchen  das  Chlorophyll  fehlt,  glashell,  wie  durch 
Insektenfraß  hervorgebracht.  Also  Verhältnisse,  wie  sie  ähnlich  auch  auf  den  einem 
Blatte  ähnlichen  Kailima  zu  beobachten  sind. 

In  einem  diese  Schrift  begleitenden  Schreiben  an  mich  bemerkt  Herr  Brunner 
VON  Wattenwyl,  er  befasse  sich  nun  seit  zwanzig  Jahren  mit  dem  Studium  der  Fär- 
bung der  Insekten  und  stimme  mit  Überzeugung  meiner  Ansicht  bei,  daß  dieselbe 
nicht  von  der  Zuchtwahl  abhängt.  »Die  Zuchtwahl  hat  keinen  anderen  Einfluß  als  in 
einzelnen  Fällen  mit  schwerem  Kampfe  und  auf  entsetzlich  schwerfällige  Weise  zu 
Gunsten  des  Kampfes  um's  Dasein  in  die  Entwickelungsgesetze  einzugreifen«. 


1)  Ich  brauche  nicht  hervorzuheben,  daß  meine  Auffassungen  nicht  in  Allem  sich 
mit  denen  des  Herrn  Brunner  von  Wattenwyl  decken.  So  ist  ein  solcher  Unterschied, 
wie  er  von  ihm  zwischen  Genus  und  Species  aufgestellt  wird,  selbstverständlich 
nicht  haltbar:  der  Schwanz  ist  Eigenschaft  des  Genus  canis  und  ist  nicht  notwendig. 
Vieles  Andere  aber,  was  Brünner  berührt,  erscheint  als  eine  Vorahnung  dessen,  was 
ich  als  Ausdruck  allgemeiner  Gesetzmäßigkeit  vorführe.  Brunner  beschäftigt  sich 
eben  mit  Thatsachen  und  ward  durch  sie  auf  die  richtige  Spur  geführt. 


VIII. 


Gesetzmäfsige  verschiedenstufige  Zeichnung  und  Farbe  auf 
den  verschiedenen  Flügelflächen  der  Tagschmetterlinge. 


»Fortgesetzte,  vieljährige  Versuche  hahen 

mich  belehrt,  daß  itamerfort  wiederholte  Phrasen  sich 
zuletzt  zur  Überzeugung  verwirklichen  und  die  Organe 
des  Anschauens  völlig  ahstumpfen.a 

Goethe. 

Es  besteht  eine  bestimmte  Zeichnangs-  und  Farbenfolge 
zwischen  der  Unter-  und  der  Oberseite  der  Tagschmetterlinge 
und  häufig  auch  eine  bestimmte  solche  Folge  zwischen  hinten 
und  vorn.  Zeichnung  und  Farbe  gehen  dabei  im  Wesentlichen 
Hand  in  Hand,  d.  h.  ursprünglicheren  Zeichnungsstufen  ent- 
sprechen   in    der   Regel    auch    ursprünglichere  Farbenstufen. 

Dabei  ergeben  sich  folgende  Hauptsätze: 

1 )  Unter-  und  Oberseite  sind  annähernd  oder  ganz  gleich.  Die 
Gleichstufigkeit,  wie  ich  dieses  Verhältnis  nenne,  kommt  in  zweierlei 
Weise  vor: 

a)  auf  ganz  niederer  Stufe  der  Entwicklung,  vorzüglich 
in  Fällen,  in  welchen  sehr  ursprüngliche  Längsstreifung  vorhanden  ist, 
wie  bei  niederen  Nymphaliden  [Megalura  Berania)  und  Papilioniden 
{Papilio  Älebion,  Glycerion  u.  a.),  auch  bei  Satyriden. 

b)  auf  sehr  hoher  Stufe  der  Ausbildung,  bei  den  Arten 
und  Familien,  welche  den  höchsten  Grad  derselben  in  Farbe  und  Zeich- 
nung erreicht  haben.  Es  werden  im  Folgenden  hinreichend  Beispiele 
hierfür  gegeben  werden.  Jetzt  sei  nur  darauf  hingewiesen,  daß  einige 
der  höchststehenden  Familien,  wie  Eryciniden,  Danaiden,  Heliconiden 
und  Hesperiden,  die  meisten  Falter  mit  Gleichheit  von  Unter-  und  Ober- 
seite aufweisen. 

2)  In  weitaus  den  meisten  Fällen  haben  wir  Verschieden- 
stufigkeit,  und  zwar  steht  die  Unterseite  in  Zeichnung  und 
Farbe  gewöhnlich  auf  tieferer  Stufe  als  die  Oberseite.  Die 
Thatsachen  zeigen,  daß  die  Oberseite  der  Unterseite  gewöhnlich  nicht 
nur  in  der  Umbildung  voranschreitet,  sondern  daß  dieselbe  ihre 
Eigenschaften  oft  zuletzt  auf  die  Unterseite  überträgt. 


294  Gesetzmäßige  verschiedenstufige  Zeichnung  u.  Farbe  auf  d.  versch.  !•  lügelll.  u.  s.  w. 

Dadurch  entsteht  eben  bei  höheren  Formen  wieder  Gleichartigkeit 
beider  Flügelflächen. 

Die  Thatsache,  daß  die  Umbildung  überall  beruht  auf  dem  Auftreten 
höherer  bezüglicher  Zeichnungsstufen,  zuerst  auf  der  Oberseite,  während 
die  Unterseite  sich  stets  auf  tieferen  Stufen  hält,  zeigt  sich  in  folgender 
Weise.  Bei  Vorhandensein  der  ursprünglichen,  längsgestreiften  Grund- 
zeichnung auf  der  Unterseite,  deren  Spuren  sich  bei  allen  Familien  nach 
Obigem  am  häufigsten  hier  nachweisen  lassen,  trägt  die  Oberseite  etwa 
den  Mittelfeld-  oder  irgend  einen  höheren  Zeichnungstypus.  Ist  unten 
ein  Mittelfeld  ausgebildet,  so  trägt  die  Oberseite  irgend  eine  höhere 
Zeichnungsstufe,  wie  insbesondere  ein  ausgebildetes  Innenfeld,  auch 
Schrägband  u.  s.  w.  Dieselbe  Folge  ergiebt  sich  auf  beiden  Seiten  bei 
höher  stehenden  Verwandten  gegenüber  den  tiefer  stehenden.  Das 
Gleiche  gilt  für  Farbenstufen. 

Dabei  gilt  also  durchaus  nicht,  daß  immer  der  nächsthöhere  Typus 
auf  der  Oberseite  gegenüber  der  Unterseite  oder  bei  den  nächst  höher 
entwickelten  Verwandten  erscheint,  vielmehr  tritt  häufig  irgend  ein 
noch  höherer  Typus,  vielleicht  sprungweise  auf. 

Von  der  Farbenfolge  soll  alsbald  gesprochen  und  hier  nur  voraus- 
geschickt werden,  daß  meistens  wiederum  die  Oberseite  zuerst  Farben 
bestimmter  höherer  Stufe  annimmt,  welche  dann  in  zweiter  Linie  auf 
der  Unterseite  auftreten  können  und  zwar  gleichfalls,  wie  wir  alsbald 
sehen  werden,  in  gesetzmäßiger  Weise. 

Die  ganze  Umbildung  führt  zuletzt,  bei  höchstentwickelten 
Formen,  zu  Gleichseitigkeit  in  Einfachheit  der  Zeichnung  und 
Farbe,  bezw.  zu  beiderseitiger  Einfarbigkeit. 

Die  auf  den  ersten  Blick  auffallend  erscheinende  Thatsache,  daß 
einerseits  die  auf  der  niedersten  Zeichnungsstufe  stehenden  Tagfalter, 
andererseits  diejenigen,  welche  die  höchsten  Stufen  von  Zeichnung  und 
Farbe  erreicht  haben,  Gleichstufigkeit  zeigen,  während  das  große  Heer 
der  dazwischen  stehenden  Falter  auf  der  Oberseite  weiter  fortgeschritten 
ist  als  auf  der  Unterseite,  erklärt  sich  eben  daraus,  daß  die  letztere 
zunächst  auf  tieferer  Stufe  stehen  bleibt,  während  die  Ober- 
seite voranschreitet,  daß  dann  diese,  nachdem  sie  ein  be- 
stimmtes Ziel  erreicht  hat,  in  der  Entwicklung  still  steht, 
während  die  Unterseite  ihr  nachfolgt,  bis  sie  dieselbe  Stufe 
wie  die  Oberseite  erreicht  hat. 

3)  Auf  der  Unterseite  schreiten  häufig  die  Vorderflügel 
den  Hinterflügeln  in  Zeichnung  und  Farbe  voran:  während  auf 
letzteren  noch  die  ursprüngliche  düstere,  graue,  lehmgelbe  oder  matt- 
braune  Farbe  und  oft  noch  Längsgrundbinden  erhalten  geblieben  sind, 
haben  die  ersteren  einen  höheren  Zeichnungstypus,  und  zwar  den  der 
Oberseite,  und  zugleich  deren  Farbe  angenommen,  oder  sie  sind  gegen- 
über den  Hinterflügeln  vorgeschritten,  aber  auf  einem  tieferen  Typus 
als  der  der  Oberseite  es  ist,  und  auf  etwas  tieferer  Farbenstufe  stehen 
geblieben.     In  diesen  Fällen  haben  wir,  je  nachdem  die  Oberseite  beider 


Die  einzelnen  Fälle  von  Verscliiedenstufigkeit.  295 

Flügelpaare  gleich  oder  wiederum  verschiedenstufig  ist,  Drei-  oder  Vier- 
stuligkeit. 

Beispiele  für  ersteren  Fall  bieten  u.  a.  viele  unserer  Vanessa-Arten. 
Es  sind  diese  Eigenschaften  der  Unterseite  der  Vorderflügel 
hier  offenbar  von  der  Oberseite  her  übertragen  worden. 

4)  In  einzelnen  Fällen  kommt  es  vor,  daß  die  Unterseite  der 
Hinterflüs;el  in  schöner  Zeichnung  und  Färbuim  besonderer 
neuer  Art  der  Unterseite  der  Vorderflügel  vorangeht. 

Gewisse  vorgeschrittene  Zeichnungen,  wie  die  Ringzeichnung,  haben 
überhaupt  nur  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel  ihren  Sitz.  Hier 
bilden  sich  auch  meist  die  schönsten  Augenflecke  aus  und  hier  tritt 
meist  zuerst  die  Fächerzeichnung  auf.  Auch  Silberglanzflecke  und 
andere  Silberglanz-Zierden  haben  hier  allein  ihren  Sitz,  so  bei  Argynnis- 
Arten. 

Solche  zuerst  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel  auftretende  Zeich- 
nungen werden  zum  Teil  auf  die  Oberseite  derselben  über- 
tragen  (Rieselung,  Augenflecke,  Fächerzeichnung),  aber  auch  auf  die 
Vorderflügel  (infero-superiore  und  postero-anteriore  Umbildung). 

ö)  Auf  der  Oberseite  gehen  die  Hinterflügel  den  Vorder- 
flügeln in  Farbe  und  Zeichnung  voran,   seltener  umgekehrt. 

Im  Übrison  beruht  die  Verschiedenheit  der  Zeichnung  auf  der 
Oberseite  der  Vorderflügel  einerseits  und  der  Hinterflügel  an- 
dererseits wesentlich  auf  der  Verschiedenheit  der  Flügelgestalt.  Vorn 
haben  wir  damit  in  Zusammenhang  Eckfleck-,  Schrägband-,  Uyale-Zeich- 
nung  u.  a.,  hinten  mehr  Mittelfeldreste,  bezw.  Innenfeld,  dann  Randbinden- 
flecke und  Aueenflecke.  Wenn  dazu,  wie  so  häufis,  vorn  gegen  hinten 
verschiedene  Farben  auftreten  oder  entweder  vorn  oder  hinten  Einfarbig- 
keit erscheint,  so  bekommen  wir  einen  auffallenden  Gegensatz  im  Aus- 
sehen der  beiden  Fiügelpaare.  Oft  sind  dabei  die  Vorderflügel  einfarbig 
geworden,  in  der  großen  Mehrzahl  der  Fälle  aber  die  Hinterflügel. 
Diese  sind  es,  auf  welchen  auch  schon  bei  den  längsgestreiften  Segel- 
faltern die  Grundbinden  zuerst  verloren  gehen,  wodurch  Einfarbigkeit 
in  der  Grundfarbe  auftritt.  Meist  erscheint  aber  die  Einfarbigkeit  der 
Hinterflügel  in  dunkler  oder  schwarzer,  häufig  auch  in  blauer  Farbe. 
Es  handelt  sich  hier  also  um  postero-anteriore  Umbildung. 

6)  In  manchen  Fällen  besteht  eine  unabhängige  Umbildung  der 
Unter-  und  der  Oberseite  in  der  Weise,  daß  beide  nach  verschie- 
dener Richtung  zu  hoher  Ausbildung  vorschreiten:  divergierende 
Entwickelung.  Beispiele  hierfür  sind  vor  allem  die  hochgebildeten 
Morphiden,  oben  mit  blaustrahlender  Einfarbigkeit,  unten  mit  aus  Grund- 
binden hervorgegangener  trübfarbiger  Zeichnung,  aber  mit  prachtvoll 
ausgebildeten  Augenflecken;  sodann  Brassoliden,  unten  mit  Rieselung  und 
ebensolchen  Augen,  endlich  die  unten  reich  mit  Augen  geschmückten, 
oben  häufig  einfarbigen  Salvriden  und  Lvcaeniden.  Auch  die  Kallinui 
und  andere  Blattschmetterlinge  gehören  hierher. 


296   Gesetzmäßige  verschiedenstutige  Zeichnung  u.  Farbe  auf  d.  versch.  Flügelll.  u.  s.  w. 

Es  giebt  nun  selbstverständlich  verschiedene  Fälle  von  Zweistufig- 
keit, indem  a)  die  Unterseite,  vorn  und  hinten  gleich,  der  Oberseite, 
vorn  und  hinten  gleich,  entgegenstehen  kann  oder  b)  Unter-  und  Ober- 
seite oben  und  unten  einerseits  auf  den  Hinterflügeln  und  andererseits 
auf  den  Vorderflügeln  verschiedene  Eigenschaften  haben.  Der  erstere 
Fall  findet  sich  vorzugsweise  bei  Nymphaliden,  der  zweite  bei  vielen 
Papilioniden. 

Weiter  ergeben  sich  verschiedene  Arten  von  Entstehung  der  Drei- 
und  Vierstufigkeit,  welche  später  behandelt  werden  sollen. 

Zuletzt,  bei  ganz  vorgeschrittenen  Formen,  erreicht  also  die  Unter- 
seite, die  Entwicklung  nachholend,  die  Oberseite.  Derselbe  Ausgleich 
kann  zwischen  hinten  und  vorn  stattfinden,  und  so  entsteht  zuletzt 
wieder  Gleichstufigkeit,  nur  eine  ganz  andere  als  die,  welche  den  Aus- 
gangspunkt der  ganzen  Umbildung  al)gab:  dieser  bot  die  elf  Grund- 
binden und  zwar  in  heller,  oft  unscheinbarer  Grundfarbe,  besonders 
lehmgelber,  bräunlicher  oder  graulicher  Mischfarbe;  das  Endergebnis  der 
Umbildung  besieht  in  leuchtenden  Farben  mit  Schrägbandzeichnungen 
und  endlich  in  blauer  oder  schwarzer  Einfarbigkeit,  wie  im  Folgenden 
gleichfalls  des  Näheren  gezeigt  werden  soll. 


Farbeiifolge. 

Es  besteht,  was  merkwürdiger  Weise  so  wenig  wie  die  übrigen 
hier  behandelten  Gesetzmäßigkeiten  vor  mir  bemerkt  worden  zu  sein 
scheint,  eine  wichtige  Farbenfolge  bei  den  Tagschmetterlingen,  wie  ein 
Blick  auf  Abbildungen  aus  einer  Familie,  in  welchen  die  Falter  von 
beiden  Seiten,  wie  sie  auf  den  SiAUDiNGER'schen  Tafeln  und  auf  jenen 
meiner  »Artbildung  und  Verwandtschaft«  dargestellt  sind,  zeigen  wird. 
Aber  allerdings  nicht  jede  Familie  zeigt  die  Farbenfolge  gleich  häufig. 
Selbstverständlich  zeigen  sie  nicht  diejenigen  Falter,  welche  schon  die 
höchste  Stufe  der  Ausbildung  erreicht  haben  und  welche  dement- 
sprechend auf  beiden  Seiten  gleich  gezeichnet  und  gefärbt  sind,  sondern 
am  besten  diejenigen,  deren  Flügel  sich  teilweise  auf  unteren  Stufen 
der  Entwicklung  auch  in  Beziehung  auf  die  Zeichnung  befinden,  denn 
Farbe  und  Zeichnung  gehen,  wie  schon  bemerkt,  in  der  Um-  und 
Ausbildung  im  Wesentlichen  Hand  in  Hand. 

So  läßt  sich  die  Farbenfolge  mit  am  besten  erkennen  bei  Lycaeniden 
und  bei  Nymphaliden,  wo  die  Dreistufigkeit  der  Zeichnung  oft  so  aas- 
gesprochen ist. 

Die  am  tiefsten  stehenden  Farben  sind  Weiß,  Grau  oder  Grau- 
bräunlich, wie  es  so  vielfach  auf  der  Unterseite  der  Taaschmetter- 
linge  und  besonders  auf  den  Hinterflügeln  vorhanden  ist,  auch  dann 
wenn  die  Oberseite  glänzende  Farben  trägt,  und  welche  ferner  bei 
wenig  vorwärtsgeschrittenen  Tagschmetterlingen    auch   auf  der  Oberseite 


Farbenfolge.  297 

vorkommen  können,  wo  sie  bei  Microlepidopteren  und  Heteroceren  herr- 
schend sind. 

Oft  sind  diese  Farl>en  bei  den  Tagfaltern  auf  der  Unter-  und  zu- 
weilen auch  noch  auf  der  Oberseite  zugleich  mit  Längsstreifung  in  den 
Grundbindeu  vorhanden.  Eine  große  Ausnahme  machen  die  Seeelfalter 
mit  ihrer  gelben  Grundfarbe. 

Die  nächst  höhere  Farbe,  welche  gleichfalls  zumeist  auf  der  Unter- 
seite,  häufiger  auf  der  Unterseite  der  Vorderflügel  vorkommt,  ist, 
außer  Grau,  Lehmfarben  bis  Matt-Gelblich,  dann  folgt  ein  mattes 
Braun,  Rotbra  un  oder  Braun,  auch  Gelbrot,  Braunrot  und  Schwarz. 
Andererseits  entsteht  Schwefel- oder  Citronengelb,  Rotgelb,  Gelb- 
rot, leuchtend  Rot,  Blau  oder  aber  Grün,  Blau,  endlich  Blau- 
violett, Schwarz. 

Weiß  erscheint  teilweise  sehr  ursprünglich,  so  iu  den  Zeichnungen 
der  Oberseite,  wo  es  auf  höherer  Stufe  durch  andere  Farben  ersetzt 
wird;  es  tritt  aber  vielfach,  besonders  als  Gesamtfärbung,  erst  in  späterer 
Folge  auf  und  handelt  es  sich  dann  offenbar  um  ein  Verbleichen  oder 
um  ein  Zurücktreten  der  Farbe  überhaupt. 

Rot  giebt  es  nach  Vorstehendem  zweierlei:  ein  tieferstehendes, 
mit  Braun  zusammenhängendes  und  ein  hochstehendes,  welch  letzteres 
meist  leuchtend,  glänzend  ist  wie  beim  Feuerfalter  [Polyommatus  Phlaeas), 
im  Schrägband  des  Admirals  [Vanessa  AtalaJita],  besonders  aber  bei  den 
höchsten  Nymphaliden,  den  Agrias^  CaUicore  u.  a.,  und  es  giebt  über- 
haupt also  zwei  Farbenreihen,  deren  eine  aus  Grau  bezw.  Lehm- 
farben zu  Braunrot  (d.  i.  ein  bräunliches  Rot)  führt,  die  andere 
von  Gelb  zu  leuchtendem  Rot  und  Blau  oder  von  Gelb  über 
Grün  zu  Blau. 

Das  leuchtende  Rot  kann  aber  wieder  ein  Gelbrot  oder  ein  Violettrot 
sein.  Das  letztere  ist  das  höhere.  Rotgelb  (Oranienrot)  steht  in  Ver- 
bindung mit  Gelb  und  geht  fast  überall  aus  diesem  hervor,  wie  z.  B. 
bei  so  vielen  Pieriden,  wo  Weiß,  Citronengelb  und  dieses  Rotgelb  sich 
vertreten. 

Auch  die  anderen  höchsten  Farben  sind  meist  leuchtend  glänzend, 
so  Blau  und  Violett,  zuweilen  auch  Grün. 

Den  Schluß  der  Farbenreihe  bildet  Schwarz,  insofern  als  dasselbe 
oft  an  die  Stelle  von  Blau  oder  Violett  tritt,  wie  bei  manchen  Nym- 
phaliden. 

In  weitaus  den  meisten  Fällen  beherrscht  nun  also  eine 
tiefer  stehende  Farbe  die  Unterseite,  eine  höher  stehende  die 
Oberseite.  Und  nicht  selten  folgen  die  Farben  in  denselben  Stufen 
wie  die  Zeichnung:  hinten  unten,  vorn  unten,  oben.  Es  giebt  auch  hier 
auffallende  wirkliche  und  scheinbare  Ausnahmen,  welche,  wie  wir  sehen 
werden,  sich  zum  Teil  schon  nach  Maßgabe  unserer  jetzigen  Kenntnisse 
leicht  erklären  lassen. 


298   Gesetzmäßige  verschiedenstufige  Zeichnung  u.  Farbe  auf  d.  versch.  Flügeltl.  u.  s.  w. 

Im  Folgenden  will  ich  einige  Beispiele  von  Farbenfolge  geben'). 
Die  schönsten  und  einfachsten  zeigen  Lycaeniden.  Viele  sind  zwei- 
stufig zwischen  unten  und  oben:  meist  unten  grau,  oben  blau,  violett 
oder  schwarz,  auch  grün;  manche  sind  unten  grau  oder  gelblich,  oben 
grün  oder  schwärzlich;  andere  unten  grün,  oben  blau  oder  violett,  auch 
schwärzlich. 

Manche  werden  dadurch  dreistufig,  daß  die  Unterseite  der 
Flügel  verschieden  geworden  ist,  meist  in  der  Weise,  daß  sich  die  Farbe 
(und  Zeichnung)  der  Oberseite  der  Vorderflüge]  wenigstens  teilweise  auf 
die  Unterseite  derselben  übertragen  hat. 

Vierstufig  ist  z.  B.   Sitho7i  Ravindra'^)  mit  sehr  schöner  Zeichnungs- 
und Farbenfolge  mit  der  Formel   1  .2.4.3,  wenn 
1    die  Unterseite  der  Hinterflügel, 
21  die  Unterseite  der  Vorderflügel, 

3  die  Oberseite  der  Hinterflügel, 

4  die  Oberseite  der  Vorderflügel 

bezeichnet.  Bei  diesem  Falter  ist  die  Oberseite  der  Hinterflügel  am  vorge- 
schrittensten, fast  einfarbig  blau,  dann  folgt  die  Oberseite  der  Vorder- 
flügel mit  rotem  Schrägband,  dann  die  Unterseite  der  Vorderflügel  mit 
Übertragung  eines  rotbraunen  Farbentones  von  oben  her.  Am  tiefsten 
steht  die  Unterseite  der  Hinterflügel:  weißlich  mit  schwarzen  Binden- 
stücken als  Resten  der  Grundbindenzeichnung.  Es  ist  dies  ein  typischer 
Fall  für  hochstehende  Formen  auch  anderer  Familien. 

Unter  den  Nymphali  den  besonders  zeigen  die  hochstehenden 
Ägrias-  und  Catagramma-Arten''-)  dieselbe  vierstufige  Farbenfolge,  nur 
ist  dort  zuweilen  die  Unterseite  der  Hinterflügel  eigenartig  vorgeschritten 
und  deren  Farbe  ist  schon  um  etwas  höher  als  bei  den  Lycaeniden: 
grau  und  grün  oder  gelb  und  grün.  (Auch  Rot  und  Blau  kommt  hier 
ausnahmsweise,  wie  bei  Papilioniden,  als  Schmuck  vor.)  Die  Hauptsache 
ist  die,  daß  auch  hier  die  Oberseite  der  Hinterflügel  fast  die  höchste 
Farbenstufe  (Blau)  erreicht  hat,  die  der  Vorderflügel  die  nächst  höchste 
(glänzendes  Rot),  daß  dieses  matter  auf  die  Unterseite  der  Vorderflügel 
übertragen  worden,  während  die  Unterseite  der  Hinterflügel  meist  erst 
auf  der  Stufe  von  Grau,  Gelb,  Grün  angelangt  ist. 

Sehr  schön  vierstufig  in  derselben  Farbenfolge  sind  Junonien,  wie 
Junonia  Lavinia  und  Oenone^)  u.  a.  unter  den  Nymphaliden.  Dann 
MysceUa  Cecida^):  oben  hinten  und  vorn  in  verschiedener  Weise  schwarz 
und  blau,  unten  vorn  eine  Stufe  tiefer:  rot,  hinten  grau  mit  Rot  u.  s.  w. 

Dreistufig  ist  unter  den  Nymphaliden  in  Farbe  u.  a.  Temen is 
Laothoa%  unten  hinten  graurötlich,  unten  vorn  ockergelb,  oben  braunrot, 
Catacjramma  Kolymu,  unten  hinten  grau  und  grün,  unten  vorne  mit  Rot, 


1)  Weitere   solche  Beispiele    vergleiche  man  in   der  bezüglich   des  Geschlechts- 
Dimorphismus  später  gegebenen  Zusammenstellung. 

■\   Staud.  Taf.  95.  31  vgl.  St.  Taf.  57.   42.  *)   St.  Taf.  37. 

5)  St.  Taf.  41.  6)  gx.  Taf.  41. 


Farbenfolge.  299 

oben  blau  und  schwarz  u.  s.  w.  Überall:  1  .2.(3.4),  die  Klammer 
bedeutet,  daß  die  Oberseite  beider  Flügel  ungefähr  auf  derselben  Stufe 
steht. 

Zahlreiche  andere  Nymphaliden  sind  im  Sinne  der  gegebenen  Farben- 
folge zwischen  unten  und  oben  zweistufig:    (1  .  2)  .  (3  .  4). 

Bei  Pieride n^j  erscheint  Weiß  als  spät  aufgetretene  Eigenschaft 
häufig  dadurch,  daß  die  Hinterflügel  unten  noch  gelb,  während  die 
Vorderflügel  unten  und  die  ganze  Oberseite  weiß  sind  oder  daß  die 
Unterseite  beider  Flüeel  selb,  die  Oberseite  weiß  oder  daß  nur  die 
Oberseite  der  Hinterflügel  weiß  ist.  Vereinzelt  kommt  es  auch  vor, 
daß  die  Oberseite  der  Hinterflügel  gelbe,  die  der  Vorderflügel  weiße 
Farbe  zeigt:  es  handelt  sich  in  dieser  Gruppe  eben  um  verschiedene 
Stufen  von  Fortschritt  und  Rückbildung. 

Zweistufig  sind  hier  zwischen  unten  und  oben  (I  .  2)  .  (3  .  4)  in 
dem  erwähnten  Sinne  z.  B.  verschiedene  Pieriden,  welche  unten  gelbe, 
oben    weiße  Grundfarbe   haben. 

Dreistufig  mit  noch  ursprünglichen  Zustand  in  roten  oder 
gelben  Zeichnungen  oder  Färbungen  zeigender  Unterseite  der  Hinter- 
flügel  sind  verschiedene  Pieriden  zu  nennen,  insbesondere  Delias- 
Arten.  Dann  umgekehrt,  mit  Übertragung  von  gelbroter  Farbe  der 
Oberseite  auf  die  Unterseite  der  Vorderflügel,  während  die  Unterseite 
der  Hinterflügel  erst  gelb  ist:    Colias   VaiUieri-)  u.  a. 

Viele  andere  Beispiele  wären  hier  zu  nennen,  auch  solche,  welche 
sich  auf  Rückbildung  beziehen. 

Vierstufig  ist  z.  B.  Delias  nigrina^). 

Unter  den  Papilioniden  sind  zweistufig  in  Farbe  und  zwar  im 
Sinne  von  (1  .  2)  .  (3  .  4):  unten  mit  Rot,  oben  mit  Blau,  Papüio 
Deiphontes^]^  Ridleyanus^)  und  viele  Segelfalter  und  Schwalbenschwänze, 
unten  matter  als  oben,  desgleichen  zahlreiche  andere. 

Viele,  und  zwar  die  höher  stehenden,  sind  dagegen  zwischen  hinten 
und  vorn  zweistufig  (unten  und  oben  in  der  Hauptsache  gleich  (1  .3)  (2.4)). 
So   Papilio  Hector,  Rhodifer,  Nicanor^)  u.  a. 

Ebenso  giebt  es  drei-  und  vierstufige,  häufig  im  Sinne  matterer 
Färbung  auf  der  Unterseite,  in  anderen  Fällen  auf  Grund  verschiedener 
Färbung  nach  der  Farbenfolge. 

Dagegen  treten  bei  Papilioniden,  ebenso  wie  bei  anderen  Faltern, 
auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel  zuweilen  hochstehende  Farben  auf, 
z.  B.  in  der  Prachtbinde. 

Wir  haben  also  bei  Lycaeniden  und  Nymphaliden,  ebenso  bei 
niederen  Papilioniden  die  Zweistufigkeit  (1  .  2)  (3  .  4),  bei  den  höheren 
Papilioniden  dagegen  (1  .  3)  (2  .  4).  Beide  geben  verschiedenen  Aus- 
gangspunkt für  Drei-  und  Vierstufigkeit. 

Die  niedere  Zweistufigkeit   der  Farbe,    bei   welcher   die  Unterseite 


1)  vgl.  Staud.  Taf.  16—23.  2)  St.  Taf.  22.  3)  St.  Taf.  20. 

4)  St.  Taf.  5.  ö,  St.  Taf.  6.  «)  St.  Taf.  3. 


300   Gesetzmäßige  verschiedenstufige  Zeichnung  u.  Farbe  auf  d.  versch.  Flügelfl.  u.  s.  w. 

der  Oberseite  gegenübersteht  (I  .  2j  (3  .  4),  kommt  nun  ferner  ausge- 
sprochen vor  bei  Morphiden,  Brassoliden,  Satyriden,  Eryciniden.  Unter 
den  letzteren  sind  viele  gleichstufig,  indem  zuletzt  die  Farbe  der  Ober- 
seite auf  die  Unterseite  übertragen  und  die  der  Hinterflügel  auch  auf 
den  Vorderflügeln  herrschend  geworden  ist.  Noch  mehr  ist  dies  bei 
Hesperiden  der  Fall. 

Die  höhere  Zweistufigkeit  der  Farben  (1  .  3)  (2  .  4)  ist  abgesehen 
von  Papiiioniden  selten,  indem  bei  Gleichheit  der  Farbe  zwischen  unten 
und  oben  meist  doch  der  Farbenton  der  Unterseite  besonders  der  Hinter- 
flügel ein  matterer  oder  die  Farbe  eine  etwas  tiefer  stehende  ist  als  die 
der  Oberseite.  Beispiele  giebt  es  hauptsächlich  bei  Satyriden^)  und 
Eryciniden  sowohl  für  diese  Zweistufigkeit  als  für  die  durch  das  letzt- 
erwähnte Verhalten  eutstandene  Dreistufigkeit. 

Aber  noch  in  zwei  anderen  hochstehenden  Familien  ist  die  höhere 
Zweistufigkeit  häufig,  nämlich  bei  Danaiden  und  Heliconiden,  während 
schon  hier  in  vielen  Fällen  und  dann  auch  bei  den  hochstehenden 
Eryciniden  und  bei  den  Hesperiden  Gleichstufigkeit  auftritt. 

Manche  Heliconiden  zeigen  wie  Pieriden  zuweilen  noch  Reste  hoch- 
stehender Farbe  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel,  wodurch  Dreistufig- 
keit oder  Vierstufigkeit  entsteheu  kann. 

Außerdem  giebt  es  die  verschiedenen  Arten  der  Drei-  und  Vier- 
stufigkeit auch  in  der  Farbenfolge,  wie  sie  für  die  Zeichnung  be- 
schrieben werden  sollen,  in  einzelnen  Familien. 

Es  wurde  schon  erwähnt,  daß  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel, 
abgesehen  von  jenen  Heliconiden  und  Pieriden,  zuweilen  rote  und  blaue 
Schmuckfarben  vorhanden  sind,  während  sie  oben  fehlen.  In  seltenen 
Fällen  kommen  solche  glänzende  Farben  auch  in  größerer  Ausdehnung 
auf  der  Unterseite  vorzüglich  der  Hinterflügel  vor,  so  bei  manchen 
Eryciniden  2),  wo,  wie  z.  B.  bei  Ancyluris  Inca,  zuweilen  auch  die  Ober- 
seite der  Hinterflügel  eine  höhere  Farbe  hat  als  die  der  Vorderflügel 
und  dieselbe  wie  die  der  Unterseite:  Blau  gegen  Gelb.  Hier  handelt 
es  sich  um  Erscheinungen  der  Heterepistase:  das  Gelb  der  Oberseite  der 
Vorderflügel  ist  die  Farbe  eines  Schrägbandes,  und  wir  werden  alsbald 
noch  darauf  zurückkommen,  daß  die  Bänder  überhaupt  meist  auf  tieferer 
Farbenstufe  stehen  bleiben,  als  die  übrige  Flügelfläche.  Das  Blau  der 
Unterseite  der  Hinterflügel  erscheint  zuweilen  als  von  oben  übertragen 
oder,  wie  auch  Rot,  als  hohe  schon  hier  erreichte  Stufe,  während  die 
Oberseite  z.  B.  schon  schwarz  ist  —  worüber  alsbald  mehr  —  oder 
es  kann  sich  auch  um  Mischfarbe  dabei  handeln. 

Alle  einzelnen  Fälle  kann  ich  hier  nicht  erklären  und  alle  lassen 
sich  auch  wohl  noch  nicht  erklären  —  genug,  daß  es  sich  dabei  um 
Ausnahmen  handelt. 


1)  Staud.  Taf.  77.  '  2)  St.   Taf.  89.  90. 


Farbenfolge.  301 

Auf  Grund  der  geschilderten  Farbenfolge  ist  es  nun  auch  verständ- 
lich, daß  auf  denselben  Flügeln  oder  auf  derselben  Seite  oder 
an  demselben  Falter  überhaupt  vorherrschend  nur  gewisse 
Farben  vereinigt  sind. 

So  Weiß  und  Gelb  und  wieder  Gelbrot  und  zuletzt  Rot  bei  vielen 
Papilioniden  und  Pieriden ,  auch  Heliconiden  und  helikonier-ähnlichen 
Faltern.  So  in  vielen  Fällen  Gelb  und  Grün,  bei  Papilioniden:  Ornitho- 
ptera  Richmondia,  0.  Croesus,  Teinopalpus  imperialis^),  bei  manchen  Heli- 
coniden, bei  Nymphaliden  in  größerer  Zahl,  auch  bei  Lycaeniden  [Ogyris 
Genoveva'^) j  Hesperiden. 

Dann  wieder  Grün  und  Blau,  wie  bei  verschiedenen  Lycaeniden, 
oder  Blau  und  Schwarz  allein  oder  mit  Grün. 

Ferner  ist  in  die  Augen  fallend  die  so  häufige  Zusammenstellung 
von  Rot  mit  Blau,  wie  sie  z.  B.  bei  vielen  hochstehenden  Nymphaliden, 
Agrias,  Catagramma  u.  a.  herrschend  ist  und  in  den  Randbinden  und 
Augenflecken  von  Papilioniden  so  oft  vorkommt. 

Indessen  muß  überall  auch  hier  berücksichtigt  werden,  daß  ver- 
schiedenstufige Entwicklung  scheinbar  die  Gesetzmäßigkeit  sehr 
stören  kann.  Hauptsächlich  sind  es  kleinere  Zierden,  wie  Randbinden 
und  Augenflecke  in  schönen  Farben,  welche  besondere  Färbung  zeigen 
können:  die  aufgestellte  Regel  soll  zunächst  nur  auf  die  Gesamt- 
färbung bezogen  werden.  Aber  auch  darin  giebt  es  erhebliche  Aus- 
nahmen. 

Indessen  werden  sich,  wie  schon  berührt,  manche  solcher  Aus- 
nahmen, in  welchen  also  z.  B.  die  Unterseite  der  Hinterflügel  schönes, 
auffallendes  Rot  hat,  während  dieses  sonst  oben  und  unten  fehlt, 
dennoch  durch  die  Gesetzmäßigkeit  der  Farbenfolge  wohl  schon  jetzt  er- 
klären lassen. 

Wenn  z.  B.  die  Q  von  Perrhyhris  Lorena  und  P.  Pyrrha  helikonier- 
ähnlich  schwarz-rot-gelb,  die  (^  aber,  weiß  geworden,  nur  noch  Reste 
der  helikonier-ähnlichen  Zeichnung  und  Farbe  in  schwarz-rot-gelben  Quer- 
strichen auf  den  Hinterflügeln  tragen,  so  darf  wohl,  wie  früher  ausge- 
führt wurde,  angenommen  werden,  daß  die  roten  Wurzelflecke  und 
Binden,  welche  bei  Delias-Arten  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel  vor- 
kommen'^), einen  ähnlichen  Ursprung  haben,  d.  h.  daß  sie  von  ursprüng- 
lich bunteren  Faltern  herstammen  mögen,  denn  die  Färbung  in  Gelb 
und  Weiß,  wie  sie  bei  fast  allen  diesen  Faltern,  abgesehen  eben  von 
jenem  Rot,  vorherrscht,  ist  bei  den  Pieriden  überhaupt  der  Ausdruck 
einer  neuen  Entwicklungsrichtung. 

Einen  ähnlichen  roten  W^urzelfleck  bei  übrigens  grünlicher,  blauer 
und  schwarzer  Farbe  hat  z.  B.  die  Nymphalide  Callühea  Leprieurü*),  bei 
deren  nahen  Verwandten  Batesia  regina'^)  und  Ägeronia  Ämphinome^) 
die  Unterseite  der  Hinterflügel  ganz  oder  fast  ganz  rot  ist.     Auch  andere 


1)  Staud.  Taf.  14.  2i  St.  Taf.  96.  3i  vs:!.  St.  Taf.  19.  20. 


a' 


*)  St.  Taf.  43.  5)  ebenda.  6;  St.  Taf.  44. 


302    Gesetzmäßige  verschiedenstufige  Zeichnung  u.  Farbe  ;\uf  d.  versch.  Flügelfl.  u.  s.  \v. 

Ageronia- Arien  haben  noch  Reste   solcher  roten  Wurzelflecke,    während 
sie  im  übrigen  blau  oder  schwarz  geworden  sind. 

Wie  erklärt  sich  dies  auf  dem  Wege  gesetzmäßiger  Farbenfolge? 
Batesia  regina  wie  Ageronia  Amphinome  haben  auf  der  Oberseite  und 
auf  der  Unterseite  der  Vorderflügel  die  höchsten  Farbenstufen:  Blau  und 
Schwarz  erreicht.  Diesen  Farben  folst  nach  unten  in  der  Reihe  leuchtend 
Rot,  welches  so  vielfach  auf  den  Vorderflügeln  hochstehender  Falter,  be- 
sonders Nymphaliden,  auftritt,  während  die  Oberseite  der  Hinterflügel 
die  höhere  Stufe  Blau  erreicht  hat.  Wenn  nun  bei  regina  und  ximphi- 
nome  alles  übrige  blau  und  schwarz  geworden  ist,  sollte  nicht  das  Rot 
der  Unterseite  der  Hinterflügel  dadurch  erklärt  werden,  daß  es  als  die 
nächst  niedere  Farbenstufe  jetzt  dort  auftritt?  Bei  Ag.  velutina  und 
Arete  aber  ist  schon  alles  blau  oder  schwärzlich  geworden,  auch  die 
Unterseite  der  Hinterflügel,  und  nur  rote  Wurzelflecke  sind  geblieben. 
Bei  Callähea  Leprieurii^)  ist  die  Unterseite  bläulich-grün,  die  Oberseite 
der  Vorderflügel,  abgesehen  von  el)ensolcher  Schrägbinde,  schw-arz  und 
blau,  die  der  Hinterflügel  schwarz,  die  Unterseite  der  Vorderflügel  blau- 
grünlich und  schwarz,  wiederum  mit  einem  leuchtend  roten  Farbenrest 
am  Innenrande  der  Hinterflügel. 

Verwandte  dieses  Falters-)  haben  besonders  auf  Teilen  der  Unterseite  der  Vorder- 
flügel oder  auch  im  Schrägband  der  Oberseite  eine  eigentümliche  gelbbraune  Farbe 
neben  jenem  Gelbgrünlich,  der  Lage  nach  scheint  es  einem  nicht  fertigen  Rot  zu  ent- 
sprechen. (In  der  That  ist  es  an  denselben  und  an  verwandten  Arten,  wie  ich  sehe, 
nachdem  ich  vorstehende  Vermutung  soeben  ausgesprochen  habe,  bei  Hewitson^)  als 
Goldgelb  oder  Gelbrot,  im  letzten  Fall  als  z.  T.  vollkommener  Übergang  zwischen 
Gelb  und  Rot  dargestellt.) 

Das  Biaugrünlich  würde  in  der  Farbenfolge  zwischen  Gelb  und  Rot  stehen;  aus 
ihm  ging  das  Blau  hervor.  Ganz  ähnliche  Farben  zeigen  die  gleichfalls  in  Farbe  und 
Zeichnung  sehr  hochstehenden,  mit  ihnen  in  Südamerika  lebenden  Agrias'^]. 

Die  schönsten  Beispiele  für  Farbenfolge  hauptsächlich  in  hochstehen- 
den, prachtvollen  Farben  bietet  außer  Agrias,  Callicore  u.  a.  insbesondere 
die  Gattung  Catagramma.  Man  vergleiche  z.  B.  die  schon  erwähnte 
C.  excelsissima'^):  unten  hinten  Citronengelb  und  Grün,  unten  vorn  Gelb- 
rot neben  Citronengelb  und  Grün.  Oben  vorn  statt  dieses  Gelbrot 
glänzend  Rot,  nach  außen  davon  Blau.  Oben  hinten,  als  höchste  Ent- 
wicklung, rein  Blau.  Ganz  ähnlich  sind  z.  B.  Agrias  Sardanapalus  und 
N^arcissus^')  gefärbt.  Man  vergleiche  die  Abbildungen  von  Catagrammci 
bei  Hewitson'),  welche  auf  den  ersten  Blick  zeigen,  daß  immer  die  sich 
am  nächsten  stehenden  Farben  bei  einem  und  demselben  Falter  neben- 
einander vorkommen  und  in  der  als  gesetzlich  für  die  verschiedenen 
Flügelflächen  beschriebenen  Ordnung  aufeinander  folgen:  unten  hinten 
tritt  als  eine  der  ursprünglichsten  Farben  hier  häuHg  helles  Gelb  auf, 
unten    vorne    RotgeJb    oder  Rot,    oben    vorne    häufig  Rotgelb    oder  Rot, 


1)  Staud.  Taf.  43.  2)   Call.  Markii,  Sapphira,  Buckleyi.  ebenda. 

3j  Hewitson,  Exotic  Butterfl.  111.   Calllthea  Taf.  1.  2. 
*)  St.  Taf.  57.  5j  St.  Taf.  42.  6,  St.  Taf.  57. 

'')  Hewitson  HI,  Catagramma  Taf.  -1   bis  13. 


Farbenfolge.  303 

hinten  Blau,  wobei  besonders  hervorzuheben  ist,  daß  das  vordere 
Schrägband  häufig  auf  tieferer  Farbenstufe  stehen  gebh'eben  ist,  oft  auf 
Gelb:  manche  ursprünglich  weißen  Grundbänder  nehmen  ge- 
wöhnlich erst  später  eine  höhere  Farbenstufe  an  als  die  übrige 
Grundfarbe,  worüber  soeben  schon  bezüglich  anderer  hochstehender  Falter, 
wie  gewisser  Eryciniden,  Mitteilung  gemacht  worden  ist  (Heterepistase). 
Insbesondere  sind  es  die  vordersten  Schrägbänder,  welche  die  ursprüng- 
licheren Farben  oder  gar  Weiß  am  längsten  behalten. 

So  zeigt  sich  bei  den  schon  erwähnten  Catagramtna,  Agrias  u.  a. 
oft  eine  in  die  Augen  springende  Farbenfolge  auf  der  Oberseite  in  der 
Richtung  von  hinten  nach  vorn  im  Sinne  der  von  mir  aufgestellten 
Reihe:  hinten  Blau  oder  Schwarz,  vorne  Rot  oder  Gelb,  zuweilen  in  der 
Vorderflügelecke  noch  Weiß.  Auf  der  Unterseite  aber  hinten  Gelb 
(häufig  mit  blauen  Flecken,  welche  aber  Augenflecke  sind),  vorne  Rot- 
gelb oder  Rot.  Oben  würde  also  der  Hinterflügel  mit  dem  Annehmen 
höherer  Farbe  vorangehen,  unten  der  Vorderflügel.  Allein  in  den  Fällen, 
welche  ich  im  Auge  habe,  handelt  es  sich  im  Rot  der  Vorderflügel  off'en- 
bar  um  eine  Übertragung  von  der  Oberseite  her. 

Als  ein  typisches  Beispiel  von  Farbenfolge  nehmen  wir  Catagramma  Zelphanta^,. 
Oberseite:  Hinterflügel  und  hinterer  innerer  Winkel  der  Vorderflügel  prachtvoll  blau, 
davor  ein  karminrotes  breites  Schrägband,  vorn  ein  gelber  Schrägfleck.  Unterseite: 
Hinterflügel  gelb  (Ringzeichnung,  bläuliche  Augenflecke).  Yorderflügel  hinten  rot,  vorne 
mit  gelbem  Schrägband. 

Bei  C.  Maimiina'^)  sind  die  Hinterflügel  oben  schwarz,  in  der  Mitte  blauschillernd, 
die  Vorderflügel  haben  ein  rotes  Innenfeld  und  davor  ein  gelbes  Schrägband  in  der 
Flügelecke. 

Auch  bei  den  schwarz-braunrot-gelben  Helikoniern  und  helikonier- 
ähnlichen  Faltern  haben  wir  im  allgemeinen  ein  Stück  Farbenfolge  in 
der  Richtung  von  hinten  nach  vorn,  indem  hinten  die  braunrote,  vor- 
geschrittenere, vorn  die  gelbe,  zu  vorderst  zuweilen  weiße  Farbe  (Vorder- 
Eckflecke  vorhanden  ist.  Indessen  bietet  dieser  Fall  besondere  Ab- 
weichungen und  überhaupt  erleidet  die  postero-anteriore  Farbenfolge 
auch  bei  anderen  Familien  Ausnahmen.  Ganz  selten  wird  man  aber 
den  Fall  finden,  daß  die  ursprünglichere  Farbe  auf  der  Oberseite  der 
Hinterflügel  vorkommt,  die  höhere  auf  den  Vorderflügeln.  Solche  Fälle 
werden  sich  jedoch  durch  Vergleichung  der  Verwandten  meist  gesetz- 
mäßig erklären   lassen,    und    zwar    durch  Rückbildung   und  Neubildung. 

So  hat  Junonia  Oenone^}  auf  den  Hinterflügeln .  einen  blauen  Fleck,  dahinter 
Gelb,  letzteres  auch  auf  den  Vordertlügeln  an  Stelle  des  Schrägflecks  der  Vanessen. 
Die  Vergleichung  der  Verwandten:  /.  Orithya,  Clelia  und  Westermanni*)  ergiebt,  daß 
das  Blau  ein  in  Rückbildung  begriffener  Mittelfeldrest  ist,  das  hintere  Gelb  aber  eine 
Neubildung,  welche  bei    Westermanni  in  Rot  übergegangen  ist. 

Durch  Rückbildung  erklären  sich  auch  entsprechende  Fälle  bei  den  Pieriden 
(Perrhybris  u.  s.  w.). 

Die   auffallendste   Ausnahme,   welche   ich    mir  bis  jetzt  nicht  erklären  kann,  bei 


1    Hkwitson  III.  Catagramma  Abb.  öS.  59.  -)  ebenda  62.  63. 

3j  St.  Taf.  37.  4;  ebenda. 


304    Gesetzmäßige  verschiedenstufige  Zeichnung  u.  Farbe  auf  d.  versch.  Fiügelfl.  u.  s.  w. 

der  mir  eben  Zwischenstufen  andeutende  "Verwandte  fehlen,  ist  Catonephele  Obri- 
nus  (5 ,  ein  schwarzer  Falter  mit  grünlichblauem  Schrägband  auf  den  Vorder-  und 
braungelbem  Mittelfeldrest  auf  den  Hinterllügeln  i).  Vielleicht  handelt  es  sich  hier 
um  Zurückbleiben  der  Hinterflügelfarbe  auf  einer  tieferen  Stufe  gegenüber  der  des 
Vorderflügels  (Heterepistase)  beim  <^.  Das  Q  ist  auf  den  llinterttügeln  ganz  schwarz. 
Vielleicht  auch  handelt  es  sich  im  Blau  der  Vorderflügel  um  eigenartige  Ursachen  der 
Farbe,  denn  die  von  ihm  eingenommene  Stelle  ist  durchscheinend  und  der  größte 
hintere  Teil  des  Schrägbandes  ist  auch  unten  blau,  während  der  Falter  hier  im  übrigen 
grün  ist,  ganz  wie  C.  Heivitsonii  (5 -).  Genau  umgekehrt  wie  C.  Obrinus ,  nämlich 
hinten  blau,  vorn  mit  rotgelbem  Schrägband,  ist  gef ärhi  Agrias  ZenodorwsSj,  welcher 
Abart  sein  soll  von  A.  Amydon  mit  rotem  Schrägband. 


Verwandte  Arten  stehen  in  einzelnen  Flügelgebieten  um 
eine  Stufe  höher  oder  tiefer  in  der  Farbe,  so  daß  da,  wo  z.  B. 
vorhin  ein  rotes  Schrägband  vorhanden  war,  jetzt  ein  blaues  oder  ein 
s;elbes  auftritt  u.  s.  w.,  oder  aber  alle  Gebiete  erheben  sich  auf  eine 
und  dieselbe  Farbe  und  bekommen  z.  B.  ganz  rote  oder  ganz  blaue 
Grundfarbe.  Dadurch  erlangen  die  nächstverwandten  Arten  sogar  einer 
und  derselben  Gattung  oft  ein  ganz  verschiedenes  Aussehen.  Ebenso 
kann  die  Verschiedenheit  von  Abarten,  wie  der  Fall  von  Agrias 
Zenodorus  und  Äinydon  beweist,  auf  Abänderung  durch  Farben- 
folge beruhen. 

Die  Farbenfolge  spricht  sich  aber  insbesondere  auch  in 
der  Allgemeinfärbung  der  tiefer  und  höher  stehenden  Falter- 
gruppen innerhalb  der  einzelnen  Familien  und  bei  den  ver- 
schiedenen Familien  selbst  aus.  Dabei  handelt  es  sich  übrigens 
auch  hier  nicht  um  unmittelbares  Aufeinanderfolgen  aller  Farben  der 
Skala,  sondern  um  Vertretung  einer  niederen  Farbe  durch  die  eine  oder 
andere  höhere  und  dieser  wieder  durch  eine  dritte  höhere,  doch  ist  es 
meist  die  nächstfolgende  und  wieder  die  nächstfolgende,  welche  maß- 
gebend wird. 

So  habe  ich  in  Beziehung  auf  die  Papilioniden  schon  in  meiner 
»Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den  Schmetterlingen«  I  auf  die 
Farbenfolge  bei  den  Segel faltern  hingewiesen,  w^o  das  lichte  Gelb 
der  niederen  Gruppen  durch  Grün  bei  höheren  und  durch  Bläulichgrün 
bei  noch  höheren  (afrikanischen)  oder  durch  Schwarz  ersetzt  wird.  Eine 
besondere  Entwicklungsrichtung,  welche  Wärme  als  Ursache  hat,  be- 
dingt bei  den  südamerikanischen  und  nordafrikanischen,  bezw.  süd- 
europiiischen  Formen  die  Entstehung  von  weißer  Grundfarbe  aus  der 
gelben. 

Bei  den  Schwalbenschwänzen  bildet  sich  das  helle  Gelb  vielfach 
in  ein  dunkleres  Gelb,  sogar  in  Rotgelb  um,  welches  mehr  entwickelt 
ist  in  der  verwandten  Asterias-GvupY>Q. 


1:  Hübner,  exot.  Schmetterl.  I.  Taf.  58.  Najas  hilaris  obrina. 
2)  Staud.  Taf.  41.  3j  Hewitson  HI.  Agrias  7. 


Farbenfolge.  305 

Mit  dem  Gelb  dieser  Falter  steht  Rot  in  Beziehung,  welches  zuerst 
in  den  hinteren  Rand  flecken  auftritt,  dazu  kommt  Blau. 

Auch  bei  der  Segelfaltergruppe  u.  a.  tritt  in  hinteren  Randfleeken 
Rot  und  Blau  zu  dem  Gelb  der  Grundfarbe  hinzu,  ebenso  bei  anderen 
Papilioniden.  Das  Rot  wird  herrschend  in  den  Randflecken  und  über- 
haupt in  den  Farbenzierden  der  Hinterflügel  bei  den  südamerikanischen 
Hectorides-Älyattes-Agavus,  mit  im  übrigen  ganz  oder  bis  auf  einen  hellen 
Bandrest  der  Vorderflügel  schwarzer  Farbe.  Auch  hier  kann  Blau  auf 
den  Hinterflügeln  zum  Rot  hinzutreten:  P.  Deiphontes^)  (Molukken  ,  bei 
dessen  ^  auf  der  Oberseite  der  Hinterflügel  eine  ganz  blaue  Randbinde 
entstanden,  während  auf  der  Unterseite  noch  die  rote  Fleckrandbinde 
vorhanden  ist. 

Eine  ähnliche  Umbildung  ist  maßgebend  geworden  bei  den  die 
Hochgebirge  Ostasiens  Nord-Indien,  Himalaja,  bis  zum  Amur,  Japan), 
dann  die  ostindischen  Inseln  bewohnenden  Faltern  der  Par/'s-Gruppe, 
Verwandten  der  vorigen:  sie  tragen  unten,  zuweilen  auch  oben  ange- 
deutet, auf  den  Hinterflügeln  noch  Reste  der  roten  Randfleckbinde, 
oben  ein  grünblaues  Mittelfeld  oder  meist  nur  hinten  einen  graublauen 
oder  blauen  Mittelfeldrest 2), 

An  die  Par/s-Gruppe  schließt  sich  die  mit  ihr  und  südöstlich  von  ihr 
in  Java,  Celebes,  Molukken,  Neu-Guinea,  Australien  bis  Neu-Caledonien) 
lebende  C//z/sses-Gruppe  an,  bei  deren  höchsten  Formen  sich  auf  der 
Oberseite  vorn  und  hinten  ein  schön  blaues  Innenfeld  ausgebildet  hat, 
während  unten  hinten  noch  die  Reste  der  roten  Randbandflecke  zu 
erkennen  sind'*). 

Es  kommt  also  bei  Papilioniden  auf  diese  Weise  zuletzt  Blau  zur 
Herrschaft. 

Wie  hier  Gelb,  Rot  und  Blau  sich  ersetzen  oder  maßgebend 
werden,  so  stehen  bei  anderen  Papilioniden  die  Farben  Gelb  und  Grün 
in  Beziehung. 

Gelb  wird,  wie  schon  bemerkt,  durch  Grün  ersetzt,  namentlich  bei 
afrikanischen  Segelfaltern  wie  P.  Policenes,  P.  Antheus,  P.  Evombar*), 
u.  a.   auch  bei  P.  Sinon  (Jamaika)  und  P.  Celadon  (Cubaj. 

Gelb  und  Grün  teilen  sich  in  die  Herrschaft  bei  dem  durch  die 
Zeichnung  bemerkenswerten  Teinopalpus  imperialis  vom  Himalaja^),  und 
zwar  hat  die  Unterseite  viel  mehr  Gelb,  die  Oberseite  ist  grün  bis  auf 
einen  gelben  Mittelfeldrest. 

Besonders  bemerkenswert  aber  sind  in  Betreff"  der  Beziehung 
zwischen  Gelb  und  Grün  und  Grün  und  Blau  Falter  der  Gattung  Orni- 
thoptera.  Die  grünen  (^f  von  0.  Prianuis  haben  unten  neben  Grün  noch 
Gelb,  oben  nur  Grün;  der  Hinterleib  ist  oben  noch  gelb.  0.  Priamus 
Croesus  (f   ist   gelb    mit   grünem  Schiller   (0.  P.  Lydius  cf    ist   rotgelb). 


1)  Staud.  Taf.  5.  2;  Vgi.  st.  Taf.  5.  Pap.   Ganesa  aus  Sikkim. 

3  z.  B.  P.   Telegonus  (Nord-Molukken),  St.  Taf.  4. 

4  Vgl.  meine  »Artbildung«  Taf.  IV.  5i  j>r.  Taf.  14. 

Eimer,  Orthogenesis.  20 


306     Gesetzmäßige  verschiedenstufige  Zeichnung  u,  Farbe  auf  d.  versch.  Flügelfi.  u.s.  \v. 

0.  P.  Urvilliana  ist  oben  biau  und  schwarz  mit  gelbem  Hinterleib,  unten 
vorn  blau  mit  grünlichem  Schiller,  unten  hinten  gelb,  grün  und  blau. 
Die  (^  von  0.  Priamus  sind  also  gelb,  grün  und  blau.  Von  den  gelben 
weiß  man,  daß  die  Raupen  auf  im  Sumpfe  wachsenden  Aristolochien 
leben  ,  von  den  grünen,  daß  sie  auf  im  Trockenen  wachsenden  vor- 
kommen, von  den  blauen  ist  nichts  Genaues  in  dieser  Beziehung  bekannt. 
Die  grünen  sind  am  weitesten  verbreitet:  von  den  Süd-Molukken  an  bis 
nach  Neu-Südwales  mit  dem  Mittelpunkt  Neu-Guinea.  Die  gelben  kommen 
auf  Batjan  und  Halmahera  vor,  und  zwar  Croesus  auf  Batjan,  Lydiits  auf 
Halmahera.     Die  blauen  leben  auf  Neu-Mecklenburg. 

Auch  bei  verschiedenen  anderen  Arten  von  ürnäJioptera  kommen 
solche  Beziehungen  zwischen  Gelb  und  Grün  vor:  0.  Tithonus  (^  ist 
hinten  gelb  und  grün,  vorne  grün.  0.  Broohiana  (J'-  und  Q  sind  grün 
im  Mittelfeld.  Ebenso  ist  gelb  und  grün  der  (J^  von  0.  Schoenbergi 
[paradiseay]. 

Die  Q.  aller  dieser  Falter,  mit  Ausnahme  desjenigen  von  Brookiana, 
sind  graubraun  und  haben  den  hellen  Großfleck-Typus.  Die  rf  sind 
also  in  Farbe  und  Zeichnung  sehr  vorgeschritten  —  aber  nur  auf 
der  Oberseite:  ihre  Unterseite  zeigt  meist  weibliche  Eigen- 
schaften   (vgl.  später;. 

Gegenüber  diesen  grünen  oder  gelbgrünen  Ornähoptera  stehen  die 
gelben,  welche  nordwestlich  von  jenen  leben  (Indien,  Sunda-Inseln).  Nur 
ßrookiana  kommt  mit  ihnen  vor.  0.  Pompeiis  ist  der  Hauptvertreter  dieser 
Gruppe.  Dieselbe  hat  in  beiden  Geschlechtern  noch  gelbes  Mittel-  bezw. 
Innenfeld  auf  den  Hinterflügeln  oder  diese  werden  ganz  gelb  mit  Ausnahme 
von  äußersten  Randflecken:  0.  Amphrysiis.  Vorn  haben  die  Q  Fächer- 
zeichnung, die  (^  noch  Spuren  davon  oder  sie  werden  ganz  schw'arz. 
Es  handelt  sich  hier  um  eine  andere  Entwicklungsrichtung.  Eine  Farben- 
folge ist  in  Beziehung  auf  das  Gelb  auch  hier  insofern  vorhanden,  als 
dasselbe  bei  den  Q  meist  tiefer  steht,  indem  es  trüber  ist.  Das  Gelb 
der  (^  ist  ein  sehr  hochstehendes,  sattes,  glänzendes.  Bei  0.  Pompens 
kann  es  plötzlich  in  Gelbrot  übergehen,  ähnlich  dem  Gelbrot  der  Abart 
Lydius  von   Priamus:   0.   Pompeus  riitilans'^). 

Überall  bei  den  behandelten  Papilioniden  kommt  die  Herrschaft 
hoher  Farbenstufe  mit  derjenigen  hoher  Zeichnungsstufe  zur 
Geltung. 

Diese  Beispiele  mögen  für  die  Papilioniden  genügen.  Mehr  als  bei 
ihnen  tritt  bei  verschiedenen  anderen  Familien  die  für  Ornähoplera  her- 
vorgehobene Thatsache  in  die  Augen,  daß  die  Männchen  fortge- 
schrittenere Färbung  zeigen,  selten  die  Weibchen,  worüber 
mehr  in  einem  besonderen  Abschnitt. 

Die    Pieriden    neigen    entschieden    zur    weißen   Einfarbigkeit,    meist 

ij  Abb.  bei  Arnold  Pacenstecher,  Beiträge  zur  Lepidopt.  Fauna  des  Malayischen 
Archipels  (VII),  Wiesbaden,  Beugmann  -1893.  (Jahrb.  d.  Nassauischen  Vereins  f.  Natur- 
kunde. Jahrg.  46). 

-]  Weiteres  vsl.  C.  Fickert  a.  a.  0. 


Farbenfolge.  307 

aus  hellem  Gelb  hervorgehend.  Andererseits  steht  dieses  Citronengelb 
in  Beziehung  zu  'Rotgelb  [Ediisa],  Gelbrot  und  Rot.  Besonders  das 
letztere  erscheint  bei  hochentwickelten  Pieriden.  wie  Callosune  u.  a.,  als 
Zierde  in  der  Eckflügelzeichnung  (ebenso  beim  (;f  der  Anthocharis  car- 
damines,  dem  Aurorafalter),  und  wird  hier  zuweilen  durch  Violett  er- 
setzt: Gelb,  Rotgelb,  Gelbrot,  Kirschrot,  Karminrot  Callosune  Amina^), 
Violett  ist  hier  die  deutliche  Farbenfolge. 

Andererseits  kommt,  wie  wir  sahen,  Rot  und  auch  Gelb  auf  der 
Unterseite  als  Überrest  einst  allgemeinerer  Eigenschaft  vor. 

Die  einfarbig  gewordenen  Nymphaliden  sind  oben  oft  blau  oder 
schwarz,  und  diese  Farben  beherrschen  neben  leuchtendem  Rot  die 
höchststehenden  Falter  dieser  Familie  überhaupt,  wie  Callicore,  Cata- 
gramma  und  Verwandte,  dann  die  Ageronien,  die  Agrias  u.  s.  w. 

Die  höchststehenden  Morphiden  sind  oben  meist  glänzend  blau; 
blau  und  schwarz  oder  braunschwarz  sind  die  höchststehenden  unter 
den  Brassoliden,  die   Caligo  u.  a. 

Die  höheren  Satyriden  haben  düstere  Einfarbigkeit,  Braun.  Braun- 
schwarz, Schwarz  ausgebildet.  Hier  folgen  sich:  Lehmfarbe.  Ockerfarbe, 
Schwarzbraun,  Braunschwarz,  Schwarz. 

Die  höchststehenden  einfarbigen  Eryeiniden  sind  wiederum  meist 
blau  oder  schwarz  auf  der  Oberseite,  ebenso  die  meisten  derjenigen, 
welche  nur  noch  weiße  oder  farbige  Schrägbänder  haben"''). 

Bei  diesen  höchstentwickelten  Tagfaltern  tritt,  wie  bei  den  höchsten 
Nymphaliden,  manchen  Vanessen  [Atalanta),  Callicore,  Catagramma^ 
Agrias  u.  a.,  nämlich  der  Fortschritt  auf,  daß  die  sonst  gewöhnlich  weißen 
oder  matt,  lehmfarben  oder  gelb  oder  braun  gefärbten  Schrägbänder 
und  ebenso  andere  Reste  der  Grundfarbe  leuchtende  Farben  annehmen. 
Und  zwar  begegnen  wir  hier  wieder  der  ganzen  Farbenfolge,  welche 
sonst  in  der  Haupt-Grundfarbe  auftritt:  mattes  Gelb  oder  Lehmgelb, 
Ockergelb,  Citronengelb,  Rotgelb,  Grün,  leuchtend  Rot,  Blau,  zuweilen 
mehrere,  z.  B.  die  drei  zuletzt  genannten  Farben  zusammen.  Wie  schon 
besprochen,  stehen  die  Farben  dieser  Bänder,  weil  sie  erst  nachträglich 
aufgetreten  sind,  gewöhnlich  auf  tieferer  Stufe  als  die  der  übrigen 
Flügeloberfläche. 

Bei  den  Lyeaeniden  finden  wir  vielfach  sehr  schön  die  Farbenfolge 
(Gelb)  Grün,  Blau,  Schwarz,  andererseits  Lehmfarbe.  Ockerfarbe,  Braun, 
Braunrot,  Rot.  Häufig  tragen,  besonders  hier  oft  die  (^  die  höhere 
Farbe,  die   Q    die  tieferstehende. 

Bei  den  Hesperiden  herrschen  die  Farben  Citronengelb,  Grün.  Blau, 
Schwarz,  andererseits  Lehmgelb,  Ockergelb,  Braun.  Beide  Reihen  können 
zu  schwarzer  Einfarbigkeit  führen.  Die  erstere  auch  zu  blaugrüner  oder 
blauer,   die  letztere  mehr  zu  schwarzbrauner. 

Die  Acraeiden  zeigen  die  Farbenfolge  Lehmgelb,  Ockergelb,  Rotgelb, 
Gelbrot,  Kirschrot,  dann  Lehmgelb  oder  Graubraun  zu  Schwarz  •^). 

1)  St.  Taf.  23.  2)  Vgl.  z.  B.  St.ud.  Taf.  89.  90. 

3)  z.  B.  Acraea  Nox  St.  Taf.  32. 

20* 


308     Gesetzmäßige  verschiedenstufige  Zeichnung  u.  Farbe  auf  d.  versch.  Fiiigelfl.  u.s.  \v. 

Die  höchsten  Danaiden  kleiden  sich  in  Blau  oder  in  die  ge- 
wöhnliche Harlekinfarbe  (Schwarz-Rot-Gelb)  oder  sie  werden  glushell 
(Ithomien). 

Bei  den  schwarz-rot-gelben  Helikoniern  haben  wir,  wie  schon  be- 
merkt, und  ebenso  bei  den  ähnlichen  Danaiden,  Pieriden  (Dismorphieni, 
Papilioniden,  eine  Farbenfolge  in  der  Richtung  von  hinten  nach 
vorn:  das  Braunrot  ist  hinten,  Gelb  vorne  vertreten,  selten  auch  noch 
Weiß  in  der  Vorderflügel-Ecke.  Dabei  ist  aber  merkwürdig,  daß  sich, 
wie  z.  B.  bei  //.  Eucrate^),  die  Folge  von  Braunrot  und  Gelb  auf  beiden 
Flügelpaaren  wiederholt.  Das  Gelb  am  Vorderrand  der  Hinterflügel  muß 
dabei  wohl  als  heterepistatisch  erklärt  werden. 

Tiefer  in  Farbe  und  Zeichnung  stehen  noch  die  hellgefleckten  Arten 
der  Helikonier  und  Danaiden:  hier  ist  zuweilen  Gelb  erst  auf  den  Hinter- 
flügeln aufgetreten:  z.  B.  bei  der  Danaide  Tithorea  Bonplandii'^);  bei 
HeUconius  forinosus^]  sind  die  Flecke  teils  weiß,  teils  gelb. 

Die  höchste  Stufe  erreichen  die  Helikonier  mit  Schrägband-Typus 
oder  fast  oder  ganz  vollkommener  Einfarbigkeit  wenigstens  auf  den 
Vorderflügeln.  Hier  tritt  ein  leuchtendes  Rot  (ein  anderes  als  das 
Braunrot  der  Harlekin-ähnlichen)  im  Innenfeld  und  z.  B.  auch  in  den 
Schrägbändern,  zuweilen  zugleich  mit  Fächerzeichnung  der  Hinterflügel 
auf^).  Meist  sind  aber  Schrägbänder  und  Flecke  der  Vorderflügel 
noch  gelb. 

Eine  Ausnahme  bietet  H.  Amaryllis  Q  5j^  bei  welcher  das  Schräg- 
band leuchtend  rot,  das  Querband  der  Hinterflügel  aber  gelb  ist.  Das- 
selbe gilt  für  //.  Phyllis,  das  Umgekehrte  aber  für  H.  dysonymus. 

Einige  hochstehende  Helikonier  haben  weiße  Schrägbänder,  so 
H.  Aranea  [Äntiochus),  Eleusinus,  Chioneus^).  Dieses  Weiß  ist  wahr- 
scheinlich eine  auf  Rückbildung  von  Gelb  beruhende  NeuerwerJjung. 
Chioneus  hat  auch  eine  weiße  Randbinde  auf  den  Hinterflügeln,  ebenso 
Cydno.  Hahneli*')  hat  eine  weiße  hintere  Randfleckbinde.  Gerade 
solche  Arten  hal)en  auf  der  Unterseite  der  Ilinterflügel  noch  Reste  von 
Rot,  teilweise  in  Querstreifen,  ähnlich  Perrhybris  Lorena  und  Pyrrha. 
Dies  deutet  darauf  hin,  daß  diese  Falter  aus  schwarz-rot-gelben  sich 
rückgebildet  haben.  Das  Weiß  wird  also  gleichfalls  als  Rückbildung, 
und  zwar  von  Gelb  gedeutet  werden  dürfen.  Die  weißen  Randbänder 
könnten  auch  etwas  heterepistatisch  Ursprüngliches  sein. 

Die  höchstausgebildeten  Helikonier  nähern  sich  der  Einfarbigkeit, 
besonders  nach  Schwarz;  zuweilen  tritt  hinten  ein  grünes  oder  sattrotes 
oder  blaues  Innenfeld  mit  Fächerzeichnung  auf.  Selten  haben  beide 
Flügelpaare  blauen  Schiller. 


1    Stal-d.  Taf.  31.    •  2)  St.  Taf.  30.  3    Ebenda  Taf.  31. 

4    Ebenda  Taf.  32.  5'  Ebenda.  «    St.  Taf.  31. 


Farbenfolge.  309 

Gleichstufigkeit  helikonier-ähnlicher  Faltex*.  Es  ist,  wie 
schon  erwähnt,  eine  bemerkenswerte  Thalsache,  daß  die  harlekinartigen 
(schwarz-rot-gelben)  Helikonier,  Danaiden,  Pieriden  und  Papilioniden  auf 
beiden  Seiten  gleich  oder  nahezu  gleich  gezeichnet  und  gefärbt  sind. 

Nach  Maßgabe  der  von  uns  vorgeführten  Thatsachen  erklärt  sich 
dieses  Verhältnis  dadurch,  daß  bei  den  Harlekinfaltern  die  Oberseite  in 
der  Entwicklung  stehen  geblieben  ist  (Genepistase)  und  daß  die  Unter- 
seite ihr  nachfolgte,  bis  sie  ihre  Eigenschaften  erlangt  hat. 

Die  betreffenden  Falter  beharren  im  Wesentlichen  zur  Zeit  auf  die- 
sem Zustand   der  Gleichstufigkeit. 

Weiter  fortgeschritten,  über  diesen  Zustand  hinaus,  sind  aber  offen- 
bar die,  abgesehen  von  den  weißen,  gelben  und  hochroten  Schräg-  und 
Querbändern,  einfach,  meist  schwarz  gefärbten,  hinten  zuweilen  roten 
oder  gelben  oder  blauen  oder  auch  vorne  blauen  Helikonier.  Diese 
sind  oben  und  unten  nicht  mehr  ganz  gleich  gezeichnet  und 
gefärbt,  sondern  auf  der  Unterseite  viel  lichter  und  unbestimmter. 
Manche  sind  unten  auf  tieferer  Stufe  der  Färbung  stehen  geblieben 
(z.  B.  Heliconius  Doris,  Mars,  Thelxiope,  Eueides  Thaies^).  Bei  ihnen  er- 
kennt man  ferner  auf  der  Unterseite  häufig  in  roten  Flecken  auf  den 
inneren  Flügelwinkeln  oder  sogar,  wie  schon  erwähnt,  in  roten  Quer- 
strichen die  Anzeichen  einer  Bückbildung,  welche  schließen  läßt,  daß 
diese  Falter  ursprünglich  harlekinartig  gezeichnet  und  gefärbt  waren, 
daß  sie  von  schwarz-rot-gelben  Arten  abstammen. 


Es  giebt  zahlreiche  Falter,  welche  Gleichseitigkeit  zeigen  in  den  ver- 
schiedensten Familien,  sogenannte  geschützte  und  nachahmende  sowohl, 
wie  solche,  bei  welchen  weder  Geschütztsein  (Ungenießbarkeit)  noch 
Nachahmung  in  Frage  kommt. 

Unter  den  Acraeen  i.  B.,  welche  ungenießbar  sein  sollen,  giebt  es 
neben  solchen  mit  Gleichstufigkeit  auch  andere,  bei  welchen  die  Unter- 
seite auf  tieferer  Stufe  der  Ausbildung  steht-). 

Unter  den  Danaiden  sind  die  Ithomien  gleichstufig,  ebenso  die 
helikonier-ähnlichen ,  dann  Ideopsis.  Hestia,  Danais  u.  s.  w.  Bei  den 
Euploee'n  dagegen  ist  die  Unterseite  häufig  von  der  Oberseite  verschieden, 
weniger  glänzend,  mehr  düster,  matt  gefärbt  und  auch  zuweilen  niedriger 
gezeichnet. 

Zahllos  sind  geradezu    die  Falter   mit  Gleichstufigkeit.    bei  welchen 


o^ 


Geschütztsein    oder    Nachahmung   nicht    in    Frage    kommt    in    den    ver- 
schiedensten Familien   —   nur  bei   Lycaeniden  scheint   fast   ausnahmslos 


1)  Staud.  Taf.  32. 

'-J  So  Acraea  Egina'^);  ebenso  die  sie  nachahmen  sollenden  Papilio  Ridleyanus  ^) , 
und  Pseudacraea  Boisduralii'^).     Letzterer  ist  ein  schlechter  »Nachahmer« ! 


Staud.  Taf.  33.      ,  ^'  St.  Taf.  6.  c)  St.  Taf.  49. 


3  1  (I    Gesetzmäßige  Verschiedenstufige  Zeichnung  u.  Farbe  auf  d.  versch.  Flügelfl.  u.  s.  w. 

Zweisluligkeit  vorhanden  zu  sein  im  Sinne  höherer  Entwicklung  der 
Oberseite.  Besonders  zahlreich  sind  gleichstufige  Falter  in  den  Familien 
der  Satyriden  und  Eryciniden. 

Nicht  nur  die  Reste  von  roten  Flecken  und  Querstrichen  auf  der 
Unterseite  der  höheren  Helikonier  weisen  darauf  hin,  daß  dieselben  von 
harlekinartigen  abstammen,  ursprünglich  schwarz-rot-gelb  gefärbt  gewesen 
sind,  sondern  Übergänge  in  Zeichnung  und  Farbe,  besonders  auf  der 
Unterseite,  abgesehen  von  der  deutlichen  Ableitung  der  Zeichnung  der 
Oberseite  von  der  der  Unterseite,  beweisen  es,  daß  die  bunte  Fär- 
bung und  mannigfaltigere  Zeichnung  durch  die  höhere,  nach  Einfachheit 
zielende  Entwicklungsrichtung  verdrängt  worden  ist.  Dies  spricht  aber 
vollkommen  gegen  die  Anpassung,  denn  je  bunter  und  auffallender  die 
ungenießbaren  und  die  sie  nachahmenden  Falter  gefärbt  waren,  um  so, 
mehr  mußten  sie  durch  diese  Trutzfärbung  geschützt  sein,  und  sie  hatten 
auf  Grund  von  Anpassung  keinerlei  Ursache,  irgend  andere  oder  gar 
einfachere  Farbe  und  Zeichnung  anzunehmen  —  sie  müßten  geblieben 
sein  wie  sie  waren.     Ich  gebe  einige  Beispiele. 

Tithorea  HumboldÜi,  eine  Danaide.  ist  oben  einfach  schwarz,  auf  den  Vorder- 
flügeln mit  zwei  schräggelagerten  schwefelgelben  Eckfleckreihen,  hinten  mit  einem 
schwefelgelben  Randbande.  Auf  der  Unterseite  ist  der  Falter  ungleich  farbiger  in 
Harlekinzeichnung  ausgestattet,  auch  mit  einem  dem  von  T.  Bonplandü  entsprechen- 
den rostbraunen  Fleck  auf  jedem  Hinterflügel. 

Eresia  [Phyciodes]  Polina  (5  ist  oben  schwarz,  auf  den  Vorderflügeln  mit  drei 
gelben  Flecken,  auf  den  Hinterflügeln  mit  einem  gelben  Querband.  Auf  der  Unterseite 
ist  sie  noch  ganz  Harlekin-heliconidenartig  gefärbt  und  gezeichnet,  wobei  wiederum 
Rostbraun  Anteil  nimmt. 

Ähnlich  verhält  es  sich  mit  E.  Clio   (J. 

Ebenso  sind  zahlreiche  Dismorphien,  welche  ja  nachahmen  sollen,  oben  mehr 
vorgeschritten  als  unten,  und  zwar  besonders  die  Männchen,  während  die  Weibchen 
noch  ursprünglicheren  Zustand  zeigen.  Die  harlekinartig  schwarz-rot-gelb  gezeich- 
neten und  gefärbten  Falter,  welche  hier  auf  der  Oberseite  schon  vollkommen  quer 
gelagerte  Binden  haben,  sind  unten  oft  noch  gefleckt  {Dismorphia  Astynome  u.  a.) 
oder  wenn  oben  mehr  Einfarbigkeit  auftritt,  ist  unten  noch  Querstreifung  vorhanden 
[Dismorphia  Soroi'na  c5;i). 


')  Herr  Weismann  meint,  die  Wahrheit  seiner  Sätze,  daß  von  den  »vermeintlichen 
Bildungsgesetzen«  Dispens  erteilt  werden  könne  und  er  werde  erteilt,  sobald 
es  die  Nützlichkeit  verlangt,«  und  daß  »nicht  innere  Notwendigkeit, 
sogenannte  Bildungsgesetze  die  Flächen  der  Schmetterlingsflügel 
bemalt  hätten,  sondern  daß  vielmehr  die  Lebensbedingungen  (d.  i.  die 
Selektion)  den  Pinsel  führen,«  die  Wahrheit  dieser  Sätze  trete  abgesehen  von  der 
Anpassung  der  Ageronien  (welche  wir  schon  abgehandelt  haben)  und  abgesehen  von 
den  zahlreichen  Fällen  eigentlicher  Mimicry,  die  immerhin  das  schärfste  Beweismaterial 
abgeben  (welches  wir  gleichfalls  beleuchtet  haben) ,  noch  schärfer  hervor  sobald  wir 
etwas  mehr  ins  Einzelne  gehen.«  (Germinalselektion  S.  10).  Sehen  wir,  was  Herr 
Weismann  hierunter  versteht.  Derselbe  fährt  fort:  »Ich  habe  darauf  hingewiesen,  daß 
die  meist  auffallenden  Farbenmuster  immuner  Schmetterlinge,  wie  der  Heliconiden, 
oben  und  unten    auf  den  Flügeln  gleich   sind.     Man  könnte   also   in  dieser  Thatsache 


Gleichstufigkeit.  311 

Eiiizellieiteu  über  Zeiclinuugs-  und  Farbeiifolge. 

1)  Gleichstufigkeit. 

Unter-  und  Oberseite  der  Flügel  sind  gleich  oder  nahezu 
gleich  gezeichnet  und  gefärbt. 

Wie  schon  hervorgehoben,  ist  die  Gleichstufigkeit  entweder  ein  sehr 
ursprünglicher  Zustand  oder  ein  sehr  hochentwickelter.  Im  letzteren 
Falle  hat  die  Unterseite  die  Eigenschaften  der  Oberseite,  welche  in- 
zwischen einseitig  vorgeschritten  waren,  nachgeholt. 

Gleichstufigkeit  ist  vorhanden  unter  den  Papilioniden  bei  einzelnen 
sehr  ursprünglichen  Formen  der  Segelfalter-ähnlicheu,  wie  bei 
P.  Alebio))^],  bei  P.  Podalirius'^),  P.  Epidaus'^)  und  anderen,  w'elche  meist 
nur  unten    durch    einen   farbigen  Streifen    in    der  Prachtbinde    schöner 


den  Ausdruck  eines  Gesetzes  finden,  und  etwa  sagen,  Heliconidenmuster  schlägt  von 
oben  nach  unten  durch.  Allein  unter  den  zahlreichen  Nachahmern  der  Heliconiden 
steht  auch  die  Gattung  Protogonlus,  welche  oben  das  Farbenniuster  der  Heliconide, 
unten  aber  ein  prachtvolles  Blattmuster  trägt.  Während  des  Fluges  erscheint  sie  als 
Heliconide,  im  Sitzen  als  Blatt.  Wie  könnten  diese  beiden  gänzlich  verschiedenen 
Färbungstypen  bei  einer  Art  vereinigt  sein,  wenn  irgend  eine  innere  gesetzliche  Be- 
ziehung in  Bezug  auf  die  Färbung  der  beiden  Flügelflächen  bestände!« 

Es  handelt  sich  in  der  Annahme  mimetischer  Beziehung  der  Oberseite  von  Pro- 
togonlus zu  Helikoniern,  bezw.  schützender  Nachahmung  solcher  von  Seiten  des  Herrn 
Weismanx  wohl  um  Benützung  der  Angabe  von  Fkitz  Müller a),  welcher  Protogonius 
in  diesem  Sinne  behandelt  und  abbildet.  .\ber  schon  diese  Abbildung  b)  zeigt,  daß 
die  Ähnlichkeit  desselben  mit  Helikoniern  oder  Danaiden  eine  sehr  mäßige  ist.  Ins- 
besondere ist  die  Flügelform  ganz  anders,  aber  auch  die  Zeichnung  hat  nur  in- 
sofern Beziehung  zu  Helikoniern,  als  es  sich  darin  um  die  so  weit  verbreitete  Schräg- 
band-Eckfleckzeichnung  der  Vordertlügel  tiandelt,  wie  sie  auch  bei  Arten  jener  beiden 
Familien  vorkommt.  Im  Übrigen  ist  bei  Protogonius  eine  einfache  Innenfeld-Grundfarbe 
vorhanden,  während  die  gelben  Querbänder  gerade  jenen  ähnlichen  »Ungenießbaren« 
auf  den  Hinterflügeln  fehlen.  Auch  die  Farbe  des  Innenfeldes  eben  des  bei  F.  Müller 
abgebildeten  Protogonius  entspricht  nicht  der  Grundfarbe  der  in  Frage  kommenden 
»Ungenießbaren«.  Die  wirklich  vorhandenen  Teil- Ähnlichkeiten  erscheinen  also  als 
der  einfache  Ausdruck  weit  verbreiteter  Entwickelungsrichtung  ohne  jede  nach- 
weisbare oder  gar  notwendig  durch  Zuchtwahl  auf  einer  »tabula  rasa«  unter  Dispens- 
erteilung von  Bildungsgesetzen  entstandene  verkleidende  Nachahmung:  Bildungsge- 
setze haben  auch  hier  den  Pinsel  deutlich  genug  geführt  und  zwar  wohl  wie  überall 
sonst  allerdings  an  der  Hand  der  Lebensbedingungen,  d.  i.  äußerer  physikalisch- 
chemischer  Einflüsse. 

Wenn  nun  Protogonius  auf  der  Oberseite  nicht,  wie  Herr  Weismann  behauptet, 
»das  Farbenmuster  der  Heliconide«  in  dem  von  ihm  ausgebeuteten  Grade  trägt,  so 
werde  ich  von  Seiten  nüchterner  Beurteiler  auch  kaum  Widerspruch  finden,  wenn  ich 
sage,  es  gehört  eine  ganz  besonders  ausgebildete  Phantasie  dazu,  zu  behaupten,  daß 
Protogonius  unten  ein  »prachtvolles  Blattmuster«  trägt. 

1)  Vgl.  meine  »Artbildung«  Taf.  I  Fig.  -1.  2.  Ebenda  Fig.  3,  4. 

3j  Ebenda  Fig.  7. 


a)  Fritz  Müller,  Kosmos  1881.  ^]  Fig.  6 


312   Gesetzmäßige  verschiedcnstulige  Zeichnung  u.  Farbe  auf  d.  verscli.  Flügelll.  u. s.  \v. 

gefärbt  sind  als  oben '),  ebenso  wie  manche  der  Schwalbenschwanz-artigen 
durch  gelbrote  Flecke  in  den  Fiiigelzelien,  und  wie  auch  viele  aus  der 
.l^/erms-Gruppe^)  wenigstens  auffallender,  bunter  sind.  Im  Übrigen  be- 
steht der  Unterschied  zwischen  unten  und  oben  hier  meist  nur  darin, 
daß  die  Oberseite  etwas  vorgeschritten  ist:  bei  den  Segelfalter-artigen 
besonders  oft  durch  Schwinden  von  Grundbinden,  liei  den  Schwalben- 
schwänzen durch  seitliche  Verbindung  der  Grundbinden  und  dadurch 
bedingte  Schwarzfärbung''). 

Häufig  ist  die  Unterseite  der  Segelfalter-ähnlichen  matter  gezeichnet 
als  die  Oberseite,  und  auch  z.  B.  die  eigentlichen  Schwalbenschwänze 
[Machaon)  und  einige  Verwandte  zeigen  dies.  Dann  ist  aber  bei  ersteren 
häufig  die  Prachtbinde  auf  den  Hinterflügeln  um  so  auffallender  rot 
gefärl)t. 

Fast  vollkommen  gleich  auf  beiden  Seiten  sind  wieder  einige  sehr 
vorgeschrittene  Falter  unter  den  Schwalbenschwanz-artigen  aus  der 
Jsfe?"/as-Gruppe,  wie  P.  Indra.  Nitra  (bei  beiden  ist  nur  der  schwarze 
Punkt  in  der  Gabeizelle  der  Vorderflügel  auf  der  Oberseite  ein  Fort- 
schritt)^), HeUanichus^)  u.  a. 

Überhaupt  sind  es  die  höchststehenden  Papilioniden,  welche  in 
den  meisten  Fällen  oben  und  unten  vollkommen  gleich  gezeichnet  und 
gefärbt  sind,  so  die  meisten  gelben  Ornühoptera,  so  die  Hectorides-, 
Alijaltes-  und  Aijavm-a\i\\\\c\xQXi  der  .d^dror/eos-Gruppe,  ferner  Encelades, 
\icanor,  Xenodes,  Aegeus  Q,  XepJielus,  Phüoxenus*')  u.  a.  Ich  sage  die 
höchststehenden,  d.  i.  eben  die,  welche  die  vorgeschrittensten  Zeich- 
nungsstufen und  zugleich  meist  auch  vorgeschrittene  Farben  tragen. 

u  In  mehreren  Fällen  von  Geschlechts-Dimorphismus  ist  das 
in  Zeichnung  und  Farbe  vorgeschrittenere  Geschlecht  auf 
beiden  Seiten  fast  vollkommen  gleich,  das  weniger  vorge- 
schrittene in  geringerem  Grade.  So  ist  P.  Hectorides  Q  auf 
beiden  Seiten  ähnlicher  als  der  (f;  insbesondere  ist  z.  B.  das  ^  ^on 
P.  Androgeos  mit  Schrägband-Typus  ungleich  ähnlicher  als  der  q^  mit 
Mittelfeld-Typus. 

Bei  sehr  vorgeschrittenen  Faltern,  wie  Danaiden,  Helico- 
niden  und  Hesperiden,  kommt  überhaupt  fast  kein  Geschlechts- 
dimorphismus mehr  vor. 

So  sind  auch  die  fast  zur  vollkommenen  schwarzen  Einfarbigkeit 
vorgeschrittenen  unter  den  Hectorides-khwWchen^  wie  P.  Cauca,  Perrhebus. 
Thymbt^aeus"^)  u.  a.,  beiderseits  fast  vollkommen  gleich,  wie   auch  manche 


1)  Ygl.  meine  »Artbildung«  Taf.  i— IV.  2)  Ebenda  Taf.  VII— VIII. 

3j  Von  irgend  welcher  Anpassung  der  Unter-  oder  der  Oberseite  ist  bei  diesen 
Faltern  keine  Rede  und  die  Behauptung  Weisjiasn's,  daß  die  Übereinstimmung  von 
Farbe  und  Zeichnung  beider  Seiten  bei  den  Heiiconiden ,  durch  das  Geschütztsein 
dieser  Falter  zu  erklären  sei,  ist  schon  deshalb  gegenstandslos. 

■*)  Vgl.  Abb.  7   Papilio  Hospiton  bei  G.  und  Abb.  4   P.  Machaon. 

5    Vgl.  »Artbildung«  Taf.  VII.  VIII.  6    Vgl.  Staud.  Taf.  3—3. 

")  St.  Taf.  9. 


1,  Gleichstufigkeit.  313 

ebenso  fortgeschrittene  unter  den  ylZ//a/tes-Ähnlichen,  wie  P.  Orellana, 
Pizarro^)  u.  s.  ^v. 

Unter  den  Pieriden  sind  beiderseits  gleich  wiederum  die  am 
meisten  vorgeschrittenen  Falter.  Der  Fortschritt  ist  hier  in  zahlreichen 
Fällen  in  heller,  gelber  oder  weißer  Einfarbigkeit  ausgesprochen,  wie 
denn  auch,  wie  schon  hervorgehoben,  die  auf  tieferer  Stufe  stehen- 
bleibenden Q  hier  zuweilen  noch  Reste  von  Zeichnung  haben,  welche 
den  (^  fehlen,  so  z.  B.  auch  Pien's  brassicae,  oder  gar  noch  einen  aus- 
gesprochenen Zeichnungstypus  tragen,   während  die    (^  einfarbig    sind  2). 

Auch  Falter  mit  schwarzer  Randbinde  (iif/Msa-Typusj^)  sind  meist 
beiderseits  gleich  gezeichnet  und  gefärbt,  ebenso  wie  solche  vom  hellen 
Großtleck-  und  vom  A'i<<//i/5'- Typus,  wie  P.  Agathon,   P.  Emma  u.  a. 

Dagegen  ist  der  bunte  Vorder-Eckfleck-((T/a?<c/ppe-)Typus  meistens 
erst  oben  ausgebildet^),   hat  sich  nicht  auf  die  Unterseite  übertragen. 

Endlich  sind  die  vorgeschrittenen  helikonier-ähnlichen  Pieriden  meist 
beiderseits  sleich. 

Aber  bei  verhältnismäßig  vielen  Pieriden  bezieht  sich,  wie  bei 
Nymphaliden,  was  besonders  behandelt  werden  wird,  das  Stehenbleiben 
auf  tieferer  Entwicklungsstufe  wesentlich  nur  auf  die  Unterseite  der 
HinterOügel,  und  bei  nicht  wenigen  ist  diese  oder  die  ganze  Unterseite 
umgekehrt  höherstehend,  auch  mit  schöner,  besonders  roter  Farbe 
geziert. 

Als  Beispiele  für  Fortschritt  der  Zeichnung  auf  der  ganzen  Oberseite  gegenüber 
der  ganzen  Unterseite  führe  ich  an ;  Pieris  Eperia  ^) ,  unten  mit  Xuthus-,  oben  mit 
A^orderflügel-Ecktleck-Zeichnung,  Pnonerix  Thestylis^'),  unten  mit  hellem  Großfleck-Typus, 
oben  nur  noch  mit  Yorderflügel-Eck-  und  Rand-Rest  aus  demselben. 

Da  zahlreiche  Pieriden  unten  (besonders  auf  den  Yorderflügeln) 
Reste  einer  Zeichnung  haben,  die  oben  scharf  ausgesprochen  ist,  und  da 
viele  unten  ganz  einfarbig  sind,  Mangel  an  Zeichnung  aber  ein  Fort- 
schritt ist,  so  könnte  man  zu  dem  Schluß  kommen,  diese  Pieriden  seien 
alle  auf  der  Unterseite  fortgeschritten.  Allein  die  Reste  der  Zeichnung 
deuten  auf  Verblassen  und,  ich  möchte  sagen,  Aufgezehrtwerden;  ebenso 
beruht  Herrschaft  heller  Grundfarbe,  Einfarbigkeit,  meist  auf  Mattgewor- 
densein, Verblassen.  Es  mag  sich  also  mehr  um  einen  kompensatorischen 
Schwund  der  Farbe,  bezw.  der  Kraftentfaltung  gegenüber  der  Oberseite 
handeln.  Doch  kommt,  wie  wir  sehen  werden,  auch  das  Gegenteil  vor, 
und  eine  Erklärung  jenes  Verhältnisses  liegt  wohl  auch  mit  darin,  daß 
die  Pieriden  in  ihrer  Mehrzahl  überhaupt  nach  weißer  oder  gelber  Ein- 
farbigkeit hinarbeiten. 

Die  meisten  Danaiden  sind  beiderseits  gleich,  nur  sind  einzelne 
oben  schön  gefärbt,  wie  manche  blaue  Euploeen. 


1)  Stavd.  Taf.  13. 

■-:  Vgl.  die  bei  der  Besprechung  des  Geschlechts-Dimorphismus  behandelten  Bei- 
spiele. 3;  -wie  Eurema  Candida  St.  Taf.  1 6,   Tachyris  Nephele  Taf.  -1 7. 
*]  St.  Taf.  22.  23.  5]  st.  Taf.  18.  ^]  Ebenda  Taf.  20. 


314    Gesetzmäßige  verschiedenstufige  Zeiclinung  u.  Farbe  auf  d.  versch.  Vlügeill.  u.  s.w. 

Ebenso  sind  die  Heliconiden  und  Acraeiden  als  Falter  mit  sehr 
vorgeschrittener  Zeichnung  und  Farbe  fast  stets  auf  beiden  Seiten  voll- 
kommen gleich.  Dasselbe  gilt  für  die  so  sehr  weit  vorgeschrittenen 
Hesperiden,  wo  Schrägband-  und  Vorderflügel-Eckzeichnung,  sowie 
Einfarbigkeit  vorwiegen. 

Morphiden  und  Brassoliden  sind  oben  und  unten  meist  in  ver- 
schiedener Weise  vorgeschritten;  sehr  ähnlich  beiderseits  sind  aber 
Movpho  Epislrophis  (^  und  M.  Rhetenov  Q  '),  ersterer  fast  einfarbig  mit 
V/VI-Schrägstrich,  letzterer  mit  Breitmittelfeld-Innenfeld-Typus. 

Auch  die  Satyriden  nehmen,  gleich  den  meisten  Morphiden,  viel- 
fach unten  und  oben  eine  verschieden  fortschreitende  Entwickelung, 
unten  wie  die  Morphiden  durch  Ausbildung  von  Augenüecken,  welche 
sich  zuweilen  auch  auf  die  Oberseite  übertragen. 

Es  sind  auch  hier  besonders  die  vorgeschrittensten  Stufen  der  Zeichnung,  welche 
auf  beiden  Seiten  bei  Faltern  dieser  Familie  gleich  ausgebildet  sind  und  andererseits 
wieder  sehr  tiefstehende  —  in  letzterem  Falle,  wenn  beiderseits  ziemlich  ursprüng- 
liche Grundbinden-Zeichnung  vorhanden  ist,  ist  die  Gleichheit  der  beiden  Seiten  hautig 
nur  dadurch  gestört,  daß  unten,  besonders  unten  hinten,  große  Augentlecke  ausge- 
bildet sind  oder  daß  eine  Seite,  die  obere  oder  die  untere,  leuchtend  gefärbt  ist-. 
In  den  meisten  Fällen  sind  übrigens  ja  die  Satyriden  düster  gefärbt. 

Diese  beiderseitige  Grundbindenzeichnung  ist  dann  sehr  häufig  Mittelfeld-Typus, 
wie  beim  (5  von  Zelhera  Pimplea  (Abb.  68),  Xuthus-T\])ns  aber  bei  Z.  Pimplea  Q  '■^), 
ieon/das-Typus,  z.  B.  bei  Orinoma  Damaris^).  Ein  schmales  umgebildetes  Mittelfeld 
kommt  vor  bei  manchen  sonst  vorgeschrittenen  Formen,  wie  Piereüa-kviQn^];  glas- 
artige Flügelbeschaffenheit  mit  Bindenresten  und  Übertreten  von  hinteren  Augenflecken 
auch  auf  die  Oberseite  findet  sich  z.  B.  bei  Cühaerias,  Hactera^)  u.  s.  w.  Meist 
steht  aber  die  Unterseite,  besonders  die  der  Hinterllügel,  in  der  Ausbildung  hinter  der 
Oberseite  zurück  —  abgesehen  von  den  Fällen,  in  welchen  eben  eine  besondere 
Entwickelung  z.  B.  von  Augentlecken  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel  stattge- 
funden hat. 

Die  große  Ähnlichkeit  der  Yordertlügel  auf  beiden  Seiten  läßt  häufig,  was  den 
Gesamteindruck  angeht,  von  einer  gewissen  Verschiedenheit  der  Unterseite  der  Hinter- 
llügel absehen,  so  besonders  bei  leuchtend  weißem  Schrägband  wie  bei  Leihe  Europa''], 
Pedaliodes  Pallantis'^]  und  anderen  auffallenden  Vorderflügel-Zeichnungen. 

Elymnias  Agondas  Q'^]  ist  beiderseits  fast  vollkommen  gleich  durch  weißliche  Farbe 
mit  schwärzlichen  äußeren  Vorderecken  der  Flügel  und  durch  blaue  Augenflecke  auf 
den  Hinterflügeln:  pseudomimetisch  mit  der  Morphide  Tenaris  bioeulatus^^j-,  beide 
sind  ungeschützt. 

Ein  höchster  Fortschritt  zeigt  sich  auch  in  dieser  Familie  bei  mancher  Form 
darin,  daß  sie  beiderseits  einfarbig  dunkel  werden. 

Euptyclüa  Acmenis  H)  ist  beiderseits  zu  gleichartiger  Rieselung  vorgeschritten, 
hat  unten  nur  noch  etwas  von  Binde  IV  und  von  Augenflecken. 

Unter  den  Eryciniden  giebt  es  wieder  zahlreiche,  in  der  Zeich- 
nung und  auch  in  Farbe  sehr  ursprüngliche  Formen,  welche  oben  und 
unten  gleich  sind:  grau  oder  bräunlich  mit  Längsstreifung  durch  Grund- 
binden, doch  können  dazu  noch  hochausgebildete  Augenflecke   kommen, 


')  Staud.  Taf.  70.  2)  Man  vgl.  St.  Taf.  80.  81.  3)  St.  Taf.  79. 

4)  Ebenda.  5]   Sr.  Taf.  77.    "  6)  Ebenda.  ^)  St.  Taf.  78. 

8)  St.  Taf.  84.  »j  St.  Taf.  86.  'O)  St.  Taf.  64.  H)  St.  Taf.  81 


i)  Gleichstufigkeit.  315 

deren  einer  innerhalb  von  IV  auf  den  Vorderflügeln  gelegen,  bei  vielen 
Eryciniden  eine  besondere  Rolle  spielt:  Arten  von  Mesosemia^]  u.  a. 

Die  Eryciniden  zeichnen  sich  aber  dadurch  aus,  daß  bei  ihnen  auch 
die  übrigen  Zeichnungstypen  in  den  verschiedensten  Farben  auf  beiden 
Seiten  der  Flügel  gleiches  Aussehen  erzeugen,  vor  allem  handelt  es  sich 
in  dieser  Familie  bei  beiderseitiger  Gleichheit  wieder  um  fortge- 
schrittene solche  Typen.  Nur  bei  den  noch  mehr  als  sie  fortge- 
schrittenen Hesperiden  ist  die  Gleichheit  beider  Seiten  noch  häutiger,  ja 
fast  ausschließlich  geworden.  Bei  den  Eryciniden  ist  sie  in  der  größeren 
Mehrzahl  vorhanden. 

Da  hier,  wie  gesagt,  auch  dann,  wenn  der  Zeichnungstypus  ein 
niedriger  ist,  oft  einzelne  hochausgebildete  Augenflecke  vorhanden  sind, 
haben  wir  ausgesprochene  Beispiele  für  Heterepistase  vor  uns:  die  Aus- 
bildung ist  in  einer  Richtung  stehen  geblieben ,  nach  anderen  vorge- 
schritten. 

Außer  der  Grundbindenzeichnung  sind  hier  vertreten  mit  gleicher  Ausbildung 
auf  beiden  Seiten:  Mittelfeld-  und  Innenfeld-Typus,  Schrägband- Eckfleck-Typus,  Schräg- 
band-Typus, ßo/ma-Typus,  schwarzer  und  weißer  Kleinfleck-Typus,  XMi/ius-Typus, 
Fächerzeichnung.  Helikonierzeichnung,  selten  auch  Einfarbigkeit. 

In  vollem  Gegensatz  zu  den  Eryciniden  finden  sich  unter  den 
Lycaeniden  nur  ganz  wenige,  w-elche  beiderseits  gleich  sind:  die 
Unterseite  ist  hier  gewöhnlich  weit  hinter  der  Oberseite  zurückgeblieben. 

Auch  unter  den  Nymphali  den  giebt  es  verhältnismäßig  wenige 
Falter,  welche  beiderseits  gleich  sind,  und  zwar  einige  auf  sehr  ur- 
sprünglicher Grundzeichnungsstufe  stehende,  wie  Megalura  Berania,  und 
andererseits  solche  mit  vorgeschrittenem  Zeichnungstypus:  Schrägband-, 
Groß- Weißfleck-,  i?wspma- Typus,  Pantherung,  Neptis-[Nefte-]  Qner- 
streifung  u.  a.2). 

Bei  einigen  der  vorgeschrittensten  Formen  finden  wir  auch  hier, 
wie  bei  Morphiden  und  Brassoliden,  nicht  beiderseits  Gleichheit,  sondern, 
wüe  bei  Blattschmetterlingen,  unten  oder,  wie  oft  bei  Agnus,  unten  hinten 
Fortschritt  nach  besonderer  Richtung. 


2)  Zweistufigkeit. 

Ober-  und  Unterseite    der  Flügel   sind   verschieden  gezeichnet 
und  meist  zugleich  verschieden  gefärbt. 

Es  ist  dies  der  weitaus  häufigste  Fall  und  zwar  in  dem  Sinne,  daß 
a)    die    Oberseite    in  Farbe  und    Zeichnung    der  Unterseite 

vorangeschritten  ist  (1.2)  (3.  4):  niedere  Zweistufigkeit. 

Dabei  giebt  es  aber  verschiedene  Ausführung,  indem,  wie  wir  sahen, 

die  Unterseite  beider  Flügel  auf  gleicher  Stufe  der  Ausbildung  stehen 


1)  Staud.  Taf.  88.  2)  Vgl.  St.  Taf.  47—51. 


316   Gesetzmäßige  verschiedenstufige  Zeichnung  u.  Farbe  auf  d.  versch.  Klügeln,  u.  s.w. 

geblieben  oder  al)er  die  des  einen  vorgeschritten  sein  kann.     Im  letzteren 
Fall  haben  wir  dann  die  später  zu  besprechende  Dreistufigkeit. 

Gewöhnlich  ist  die  Unterseite  matter  und  unbestimmter  eezeichnet 
und  gefärbt  als  die  Oberseite,  sehr  häufig  auch  düster  gefärbt,  wenn  die 
Oberseite  leuchtend  farbig  oder  bunt  ist. 

Besonders  bemerkenswert  ist  aber  die  Thatsache,  daß  die  Zeich- 
nung der  Unterseite  meist  einem  um  eine  oder  auch  um 
mehrere  Stufen  tiefer  stehenden  Zeichnungstypus  angehört, 
als  die  der  Oberseite,  und  dasselbe  gilt  für  die  Farben. 

Am  auffallendsten  ist  die  Ungleich- 
heit in  diesem  Sinne  bei  Nymphaliden, 
Satyriden  und  Lycaeniden  ausgesprochen, 
auch  bei  einigen  Morphiden. 


Bei    den    Nymphaliden 


die 
Unterseite  in  zahlreichen  Fällen  noch  Längs- 


zeigt 


Abb.  209.     Adelphu  Syme  G. 


streifung  durch  Grundl)inden  oder  Reste 
derselben  bei  düsterer  Färbung,  während 
die  Oberseite  einen  höheren  Zeichnungs- 
typus  und  bunte  Farben  hat  oder  auch 
in  der  Hauptsache  einfarbig  geworden  ist 
(Abb.  209).  Selten  sind  die  Farben  beider- 
seits gleich,  aber  die  Unterseite  hat  noch 


ursprünglichere  Zeichnung. 

So  Cynthia  Moluccarum    (J  i), 
schmales  weißes  Mittelfeld   in 


em 


Cirrochroa  Malaya-).     Bei  letzterer  ist  unten  noch 
der   gelbbraunen   Grundfarbe    ^  orhanden,  oben  nur 
noch  ein  Stück  schwarzer  Randbinde  auf  den  Vorderflügeln. 

Unten  ursprüngliche  Längsstreifung,  oben  Mittelfeld  bezw.  Schrägband  zeigen, 
jenes  Megalura  Crethon.  dieses  M.    Corinna^). 

Unter  den  Morphiden  ist  die  hochgelbe  Enispe  Euthymius^)  oben  und 
unten  sehr  ähnlich  Cynthia  Moluccarum  q^,  und  zwar  unten  vollkommen 
pseudomimetisch'').  Ainathusia  Phidippus,  Morpho  Aega  u.  a.  haben  unten 
Grundbindenzeichnung,   während  sie  oben  fast  oder  ganz  einfarbig  sind. 

Manche  Satyriden  haben  unten  noch  Grundbinden  und  sind  oben 
(meist  düster)  einfarbig.  Bicyclus  Itahis^')  hat  unten  noch  Grundbinden 
und  Andeutung  eines  weißen  Schrägbandes,  oben  hat  er  den  ausge- 
sprochenen Schrägband-Typus;  manche  Euptychien  u.  a.  haben  unten  noch 
Grundbinden,  oben  sind  sie  einfarbig').  Aber  bei  Satyriden  wie  bei 
Morphiden  wird  die  Einfachheit  des  Verhältnisses  gestört  durch  die  Aus- 
bildung von  Augenflecken. 

Die  größte  Ungleichheit  zwischen  unten  und  oben  zeigen  die  meisten 
Lycaeniden.      Viele   sind   unten   düster  mit  Grundbinden,    oben   schön 


1)  Staud.  Taf.  33.  "-)  Ebenda.  ^)  St.  Taf.  45.  4) 

5)  Desgleichen  die  Morphide   Thaumanlis  Howqua^),  nur  viel  größer. 

6)  St.  Taf.  80.  ")  Ebenda. 


St.  Taf.  63. 


a)  St.  Taf.  C3. 


2;  Zweistufigkeit.  317 

einfarbig.  Andere  sind  oben  ebenso,  unten  aber  zum  Schwarzfleck.- 
Typus  gediehen,  noch  andere  zum  Mittelfeld-Typus,  andere  zum  hellen, 
andere  zum  schwarzen  Kleinfleck-Typus,  wieder  andere  sind  unten  fast 
farblos  einfarbig,  oben  glänzend  einfarbig  u.  s.  w. 

Bei  Papilioniden  endlich  spricht  sich  das  Beharren  der  Unterseite 
auf  tieferer  Stufe ,  insbesondere  bei  den  ursprünglicher  gebliebenen 
Formen,  bei  Segelfaltern  und  Schwalbenschwänzen,  zunächst  darin  aus, 
daß  die  Zeichnung  matter  und  unbestimmter  ist,  als  auf  der  Oberseite, 
sodann  aber  darin,  daß  die  Längsstreifung,  z.  B.  bei  den  Seglern,  wo 
sie  oben  hinten  schwindet,  unten  noch  sehr  ursprünglich  vorhanden  ist  und 
daß  die  beginnende  Schwarzfärbung  der  Flügelwinkel  und  der  Quer- 
adern bei  den  Schwalbenschwanz-artigen  unten  zurückbleibt  u.  s.  w. 

Bei  P.  Ändrogeos  (J  *),  Cinyras^)  ist  erst  oben  durch  das  Auftreten  von  Schwarz 
innen  und  au(3en  ein  Mittelfeld  entstanden,  unten  nicht.  Bei  P.  Lycortas,  LaetiUa^) 
und  zahlreichen  anderen  ist  die  Zeichnung  oben  gegen  unten  um  eine  Stufe  vorge- 
schritten. 

Ein  anderer  Fall  von  Zweistuligkeit  ist  der,  daß 

b)  die  Zeichnung  der  Unterseite  beider  Flügel  gegenüber 
derjenigen  der  Oberseite  ganz  eigenartig  vorgeschritten,  um- 
gebildet ist  (divergierende  Entwickelung). 

Das  vorzüglichste  Beispiel  hierfür  liefern  viele  Morphiden,  deren 
Oberseite  zuweilen  zu  glänzender,  meist  blauer  Einfarbigkeit  oder  sonst 
in  Einfachheit  weit  vorgeschritten  ist,  während  die  Unterseite  nach  ganz 
anderer  Richtung,  nämlich  in  der  Bildung  prachtvoller  Augenflecke, 
hohen  Fortschritt  aufweist,  andererseits  aber  zugleich  noch  Stufen  tieferer 
Entwicklung,  wie  Reste  von  Längsstreifen  ein  Mittelfeld  und  Schrägband, 
unter  ersteren  insbesondere  Randbinden,  erhalten  hat,  also  für  sich  wieder 
heterepistatisch  entwickelt  sein  kann. 

Hervorragend  ausgesprochene  Heterepistase  zwischen  oben  and  unten 
zeigt  sich  nicht  minder  schön  bei  Brassoliden,  wo  die  Unterseite  die 
fortgeschrittene  Rieselungszeichnung  und  einzelne  prachtvolle  Augenflecke 
ausgebildet  hat,  während  die  Oberseite  Mittelfeld-  oder  Schrägband-  oder 
Schrägband-Eckfleck-  oder  Schrägband- Mittelfeld-  oder  Vorderflügel- 
Eckfleck-Typus  darbietet  oder  einfarbig  geworden  ist.  Hier  sind  vor 
allem  die  merkwürdigen   Ca//^o-Arten  zu  nennen. 

Ferner  gehören  hierher  die  auf  der  Unterseite  geperlten  Lycaeniden. 

Ausgezeichnete,  hierhergehörige  Formen  sind  endlich  gewisse  Blatt- 
schmetterlinge. 

c)  Die  Unterseite  der  Hinterflügel  ist  gegenüber  jener 
der  Vorderflügel  vorgeschritten. 

Dies  kann  der  Fall  sein  im  Ganzen  oder  in  einzelnen  Eigenschaften. 

Bunte  Zeichnungen,  wie  die  schwarz-weiß-rote  Prachtbinde,  wie  sie 
bei  den  meisten  segelfalterähnlichen  Papilioniden  auf  der  Unterseite  der 
Hinterflügel   noch    vorhanden    ist,    sind    vielleicht  Reste    einer    Zeichnung 


1)  Staud.  Taf.  10.  ■'-]  St.  Taf.  II.  3)  St.  Taf.  10. 


318   Gesetzmäßige  verschiedenstufige  Zeichnung  u.  Farbe  auf  d.  versch.  Fiügelfl.  u.s.  w. 

und  Färbung,  welche  ursprünglich  auch  auf  der  Unterseite  der  Vorder- 
llügel  vorhanden  war.  Dieselbe  ist  unten  augenscheinlich  in  Auflösung 
und  im  Schwinden  begriflen,  überträgt  sich  aber  auf  die  Oberseite, 
indem  hier  insbesondere  die  schönen  Afteraugen  aus  ihr  entstehen. 
Dasselbe  gilt  für  schön  gefärbte  Randbinden  vieler  Papilioniden,  auch 
iür  andere  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel  vorhandene  Zierden. 

Es  gilt  dies  insbesondere  auch  für  die  Augenflecke  von  Satyriden,  Mor- 
phiden,  auch  mancher  Papilioniden.  Ebenso  sind  Brassoliden  durch 
prachtvolle  solche  Augenflecke  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel  aus- 
gezeichnet. Sehr  schöne  rote  Zierden  hat  die  Unterseite  der  Hinterflügel 
bei  manchen  Pieriden,  besonders  bei  Ddias- Arien  ^). 

Ob  dieselben  als  Reste  früher  weiter  verbreiteter,  bunter  Färbung 
aufgefaßt  werden  dürfen,    läßt   sich   nicht  überall    ohne  weiteres    sagen. 

Aber  es  gilt  dies,  wie  wir  sahen,  jedenfalls  für  die  rot-schwarzen 
Querstreifen  im  vorderen  Drittel  der  Unterseite  der  Hinterflügel  von 
Perrhyhris  Lorena  und  Pyrrha  cf  ^j,  wo  sie  deutlich  Reste  der  helikonier- 
artigen  Zeichnung  und  Färbung  der   Q   sind. 

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Abi).  210.     Opsiphanes  BoisduvalüDovBL.  Hevv.  Brassolide.       Abb.  211.  Papilio  Polijtcs  L.  '/^  der  nat.  Gr. 

Auch  Ageronien^)  (.4.  Amphinome)  und  Batesia  Regina*]  zeichnen  sich 
durch  prachtvolles  Rot  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel  aus. 

Selten  ist  die  Unterseite  der  Hinterflügel  zu  einfarbigem  Schwarz 
vorgeschritten,  wie  bei  manchen  Pieriden. 

Ein  besonderer  Fortschritt  der  Unterseite  der  Hinterflügel  ist  die 
Rieselzeichnung,  welche  schon  bei  manchen  Nymphaliden  auftritt, 
aber  sich  zuweilen  auch  auf  die  Unterseite  der  Vorderflügel  erstreckt. 
Dasselbe  gilt  für  Brassoliden  und  Satyriden,  bei  welch'  letzteren  sie 


St .\UD.  Taf.  19.  -20. 


2]  St.  Taf.  20. 


3)  St.  Taf.  44. 


4:   St.  Taf.  43. 


21  Zweistufigkeit.  3 1  9 

sogar  auf  die  Oberseite  der  Hinterflügel  übertragen  werden  kann,  so 
bei  Elyninias  Phcgea ').  Es  handelt  sich  also  hier  um  ausgesprochene 
postero-anteriore  Umbildung. 

Auch  die  gerieselte  oder  gegitterte  oder  quer  gestreifte  Zeichnung, 
welche  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel  von  Pieriden  wie  z.  B.  von 
Pieris  naj)i,  Anthocharis  cardamines  u.  s.  \\.  auftritt,   gehört  hierher. 

d)  Das  vordere  und  das  hintere  Flügelpaar  sind  jedes  für 
sich  gegenüber  dem  anderen,  und  zwar  beiderseits  überein- 
stimmend, eigenartig  gezeichnet  und  gefärbt  in  verschieden- 
stufiger Entwicklung    (1  .  3)  (2  .  4):    höhere  Zweistufigkeit. 

Wenn  die  Falter  so  dargestellt  sind,  wie  in  unseren  und  in  Stau- 
dinger's  Abbildungen,  daß  Ober-  und  Unterseite  nebeneinander  sichtbar 
sind,  indem  die  linke  Hälfte  des  Falters  von  oben,  die  rechte  von  unten 
zu  sehen  ist,  so  erscheinen  im  vorliegenden  Falle  je  die  vorderen  und 
die  hinteren  Flügel  gleich  oder  doch  ähnlich  gezeichnet  und  gefärbt. 

Hierher  gehören  zahlreiche  Papilioniden  mit  in  Zeichnung  und  Farbe 
sehr  vorgeschrittenen  Vorderllügeln,  wie  viele  Ornithoptera,  dann 
Aristolochien-  und  die  sie  nachahmen  sollenden  Falter  mit  beiderseits 
ähnlich  grauen  oder  schwärzlichen,  fächerartig  gezeichneten  oder  ein- 
farbigen Vorderflügeln  (Abb.  211). 

Die  meisten  Papilioniden  der  höheren  Zeichnungsstufen  gehören  über- 
haupt hierher,  insbesondere  auch  einige  der  von  mir  entsprechend  ab- 
gebildeten höheren  Glieder  der  Schwalbenschwanz-artigen,  bei  welchen 
die  Oberseite  gegenüber  der  Unterseite  oft  nur  wenig  auffallende  Fort- 
schritte zeigt.  Gewöhnlich  ist  aber  die  Unterseite  etwas  matter  gefärbt 
und  gezeichnet,  und  vorzüglich  bei  den  auf  niedrigerer  Entwicklungs- 
stufe stehenden  Faltern  haben  wir,  wie  bei  den  Segelfaltern,  Ungleich- 
heit der  Hinterflüe;el  oben  und  unten. 

Unter  den  Pieriden  verhalten  sich  nur  wenisje  so.  insbesondere 
die  verhältnismäßig  sehr  vorgeschrittenen  helikonier-ähnlichen  Dismor- 
phien.  Ein  auffallendes  Beispiel  dieser  Art  bietet  Pieris  Emma'^) ,  vorn 
mit  Leow/öa5-Typus ,  hinten  hochgelb,  und  P.  Agathon''^]  beiderseits  mit 
Leo?i/f/as-Typus  und  nur  oben  mehr  grünlich  als  weiß,  ferner  Daptonoura 
Florinda   Q  *)  mit  jB'c/^^a-Randbinde  und  V/VI-Schrägstrich. 

Bei  Emma  und  Florinda  handelt  es  sich  übrigens  weniger  um  Fort- 
schritt der  Vorderflügel  gegenüber  den  hinteren  als  um  divergierende 
Entwickelung  beider. 

Ebenso  sind  bei  anderen  fortgeschrittenen  Faltern,  wie  insbesondere 
bei  den  Helikoniern  und  den  Helikonier-ähnlichen  der  verschiedensten 
anderen  Familien,  auch  bei  vielen  Erycinideu  und  Hesperiden  Vorder- 
und  Hinterflügel  übereinstimmend  heterepistatisch  gezeichnet  und 
gefärbt. 

Während   manche  Papilioniden    vorn   Fächerzeichnung    haben,  haben 


1)  Staud.  Taf.  8Ö.  2j  St.  Taf.  18.  3)   Ebenda.  ^)  St.  Taf.  20. 


320    (jesetzrnäßige  verscliiodcnstiilige  Zeichnung  u.  Fnrl)e  auf  d.  \ersch.  Flügcltl.  u.  s.w. 

z.   B.    manche  Helikonier    dieselbe    hinten    oder    sie  sind    hinten    beider- 
seits einfarbig,  wie  jene  vorn. 

Den  vollsten  Gegensatz  zu  dieser  vorderen  und  hinteren  Heter- 
epistase  bieten  besonders  die  Nymphaliden  und  Lycaeniden  dar,  bei 
welchen  meist  der  wenig  vorgeschrittene  Zustand  besteht,  daß  Ober- 
und  Unterseite  verschieden  sind. 

e)  Die  Oberseite  der  Hinterflügel  ist  gegenüber  jener  der 
Vorderflügel  vorgeschritten. 

Postero-anteriore  Umbildung  der  Oberseite  zeigen  in  ausgesprochenem 
Maße  die  Segelfalter-ähnlichen  Papilioniden,  bei  welchen  die  Längs- 
streifen auf  der  Oberseite  der  Hinterflügel  in  der  Richtung  von  hinten 
nach  vorn  schwinden. 

Ebenso  ist  bei  sehr  vielen  weißen  oder  gelben  Pieriden  auf  den 
Hinterflügeln  Einfarbigkeit  aufgetreten ,  während  die  Yorderflügel  noch 
eine  einfache  schwarze  Eck-  oder  eine  f/?/a/e-Zeichnung  haben. 

Dasselbe  gilt  für  zahlreiche  Falter  der  verschiedensten  Familien  in 
Beziehung  auf  dunkle,  vor  allem  braune  und  schwarze  Einfarbigkeit: 
während  die  Vorderflügel  noch  irgend  einen  besonderen  Zeichnungs- 
Typus  aufweisen  (wie  z.  B.  Nymphaliden:  Eckfleck-  oder  Schrägband- 
Typus),  ist  hinten  dunkle  Einfarbigkeit  aufgetreten.  Dasselbe  gilt  weiter 
für  Heliconiden,  Satyriden,  Lycaeniden,  Hesperiden,  weniger 
für  Eryciniden,  bei  welchen,  wie  auch  bei  Satyriden,  die  Einfarbig- 
keit häufig  schon  auf  die  Vorderflügel  vorgeschritten  ist. 

Diese  Einfarbigkeit  der  Hinterflügel  gegenüber  den  Vorderflügeln 
auf  der  Oberseite  ist  bekanntlich  für  außerordentlich  viele  Tagfalter 
kennzeichnend  und  bestimmend  für  ihr  Aussehen. 

Ebenso  gehört  hierher  das  Auftreten  anderer,  zuweilen  auch  auf- 
fallend schöner  Einfarbigkeit  auf  den  Hinterflügeln,  während  die  Vorder- 
flügel noch  gezeichnet  sind.  Bei  vielen  Helikoniern  haben  wir  braune 
oder  sonst  einfarbige  Hinterflügel.  Einige  Catagramma^),  Callithea'^] 
haben  hinten  prachtvolles  Blau,  vorne  z.  T.  mit  leuchtend  roter  Zeich- 
nung, welche  bei  anderen  verwandten  Arten  dem  Blau  gewichen  ist,  so 
daß  jetzt  beide  Flügel  einfarbig  blau  sind.  Bei  der  Nymphalide  Cymo- 
thoe  Sangaris^)  hat  das  Q  oben  ein  mattrotes  Innenfeld  auf  beiden 
Flügeln.  Der  q^  ist  einfarbig  rot.  Die  schönen  großen  Caligo  sind 
hinten  zuweilen  mehr  oder  weniger  einfarbig,  z.  T.  blau,  während  sie 
vorn  noch  ein  Mittelfeld  oder  ein  Schrägband  haben. 

In  vielen  Fällen  ist  zu  sehen,  wie  auch  diese  leuchtenden  Farben 
zuerst  hinten  durch  düstere  Einfarbigkeit  verdrängt  w^erden. 

Auch  Fächerzeichnung  tritt  in  manchen  Fällen  zuerst  auf  den 
Hinterflügeln  auf,  so  bei  Heliconiden. 

Vielfach  zeigt  sich,  daß  zuerst  auf  der  Unterseite  ausgebildete 
Augenflecke  auf  der  Oberseite  zunächst  der  Hinterflügel  erscheinen  und 


1)  Staub.  Taf.  4  2.  2)  St.  Taf.  43.  3)  Sr.  Taf.  53. 


3)  Dreistufigkeit. 


321 


zwar  sind  es  meist  zuerst  die  hintersten,  die  dies  thun.  Beispiele 
bieten  Morphiden  wie   Tenaris  ^)  u.  a.  und  Satyriden,  auch  Lycaeniden. 

Daß  dagegen  in  vielen  Fällen  die  Oberseite  der  Hinterflügel  in  ein- 
zelnen Eigenschaften,  wie  in  Resten  bunter  Randbänder  oder  ebensolcher, 
auch  zuweilen  vom  Mittelfeld  herrührender  Flecke  hinter  jener  der 
Vorderflügel  zurückbleibt,  indem  diese  z.  B.  einfarbig  geworden  ist  oder 
auch  Fächerzeichnung  erlangt  hat,  wie  bei  vielen  Papilioniden,  geht 
schon  aus  früher  Mitgeteiltem  hervor,  auch  daß  solche  Reste  sich  auf 
der  Oberseite  höher  entwickeln  können,  wie  die  Augenflecke  der  Segel- 
falter und  der  Schwalbenschwänze. 

Überall  treffen  wir  eben  Belege  für  Heterepistase,  für  Stehen- 
bleiben auf  verschiedenen  Stufen  der  Entwickelung,  so  auch  auf  der 
Oberseite  der  beiden  Flügel. 

Heterepistase  ist  es,  welche  überall  die  Gesetzmäßigkeit  der  fort- 
schreitenden Umbildung  unterbrechen  und  den  Eindruck  derselben  stören 
oder  verwischen  kann. 


3)  Dreistufigkeit. 

Dieselbe  kann  in  sehr  verschiedener  Weise  zum  Ausdruck  kommen: 
a)  Die    Unterseite    der    Hinterflügel    zeigt    den    ursprüng- 
lichsten  Zustand,    um   eine    Stufe    höher    steht    die   Unterseite 


BTI 


Abb.  212.    Bypolimnas  Bolina  L.  (5. 


der    Vorderflügel,     noch    höher     steht     die     Oberseite     beider 
Flügel:   1.  2.  (3.  4). 

Als   Beispiel    diene  hier  Ihjpolimnas   Bolina  (^   (Abb.  212).     Ferner 


1)  Staüd.  Taf.  64. 
Eimer,  Orthogenesis. 


21 


322   Gesetzmäßige  verschiedenstufige  Zeichnung  u.  Farbe  auf  d.  veisch.   Flügclfl.  etc. 

andere  Nymphaliden  wie  Temenis  Laothoe^),  Catonephele  Acontius"^),  Calli- 
thea  Sapphira'^),  ferner  die  Satyride  Lymanopoda  caeruleota^). 

Außerdem  gehören  hierher  jene  Pieriden  mit  z.  T.  schönen  Farben 
auf  den  Hinterflügeln,  bei  welchen  unten  vorn  und  oben  in  Folge  von 
Rückbildung  einfachere  Färbung  entstanden  ist,  so  z.  B.  D c lias- Arten ^). 

b)  Die  Unterseite  beider  Flügel  ist  gleich,  die  Oberseite 
der  Ilinterflügel  aber  ist  gegenüber  der  der  Vorderflügel 
vorangeschritten:  (1.  2)  4.  3. 

Hierfür  mag  als  Beispiel  Kailima  hiachis  (Abb.  213)  dienen").    Auch 


ur 


Abb.  213.     Kallima  Inachis  Boisd. 


die  Pieride  Catopsüia  Scylla')  ist  hier  u.  a.  zu  nennen,  ferner  die  Nym- 
phalide  Amnosia  decora^). 

Hier  hat  also  die  Unterseite  der  Hinterflügel  die  Eigenschaften  der 
Unterseite  der  Vorderflügel  erreicht,  die  Oberseite  der  Hinterflügel  ist 
am   meisten  vorgeschritten  (postero-anteriore  Umbildung).     Es    steht   das 


2)  Ebenda. 


3)  St.  Taf.  43. 


4)  St.  Taf.  83. 


1,1  Staud.  Taf.  41. 
5)   St.  Taf.  -19.  20. 

f')  Bei    Kallima   rumia    entsteht   durch   Rückbildung   der   Blattzeichnung    auf    der 
Unterseite  der  Yordertlügel  Vierstufigkeit. 
')  St.  Taf.  ■>] .  S]  St.  Taf.  44. 


3)  Dreistufigkeit.  323 

Letztere  im  Gegensatz  zu  dem  vorigen  Fall,  wo  die  Unterseite  der 
Vorderflügel  gegenüber  jener  der  Hinterflügel  vorangeschritten  ist,  aber 
dort  handelt  es  sich  offenbar  um  einen  Fortschritt,  welcher  auf  der 
entsprechenden  Entvvickelungsstufe  von  der  Oberseite  der  Vorderflügel 
her  übertragen  worden  ist.     Dafür  spricht  der  folgende  Fall: 

c)  Die  Zeichnung  der  Unterseite  der  Vorderflügel  ist  gegen 
die  der  Hinterflügel  vorgeschritten,  und  zwar  entsprechend 
der  Oberseite  der  ersteren:    I.  (2.  4     3. 

Dadurch  sind  die  Vorderflügel  oben  und  unten  ähnlich,  die  Hinter- 
flügel aber  sind  verschieden ,  indem  ihre  Unterseite  viel  tiefer  steht  als 
die  Oberseite. 

Dieses  Verhältnis  ist  besonders  häufig  und  auffallend  bei  Nympha- 
liden  und  die  einfachsten  Beispiele  dafür  sind  manche  unserer  Vanessa- 
Arien,  wie  z.  B.    Va7iessa  Atalanta  und  cardui. 

Die  Unterseite  des  Vorderflügels  bietet  in  mattem  Ausdruck  die 
Farben  und  die  Hauptzeichnung  der  Vorderflügel  dar,  daneben  aber 
gewöhnlich  noch  ausgesprochene  Reste  tiefer  stehender  Zeichnungstypen, 
insbesondere  auch  Reste  der  Grundbinden  vorzüglich  im  Bereiche  der 
Mittelzelle.  Auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel  sind  dann  in  düsterer, 
zuweilen  aber  durch  einzelne  bunte  Farbenzierden  belebter  Grundfarbe 
gewöhnlich  noch  ausgesprochene  Bindenreste  vorhanden,  welche  meist 
ganz  über  sie  wegziehen.  Durch  die  Verschiedenheit  der  Grundfarbe 
aber  hebt  sich  der  bunte  Vorderflügel  gewöhnlich  auffallend  von  dem 
düsteren  Hinterflügel  ab. 

Ein  Blick  auf  die  SxAUDiNGER'schen  Tafeln  wird  die  Häufigkeit  dieses 
Verhältnisses  vor  Augen  führen. 

Eckfleck-  und  Schrägband-Typus  sind  hier  zumeist  auf  den  Vorder- 
flügelü  maßgebend. 

Zuweilen  bezieht  sich  das  Zurückbleiben  der  Hinterflügel  nur  auf 
die  Farben. 

Man  vergleiche  hierzu  Batesia  Hypoxantha'^),  welche  oben  und  unten  fast  gleich 
ist,  vorn  mit  rotem  Schrägband,  hinten  mit  Breitmittel-Innenfeld,  nur  Oberseite  der 
Hinter-  und  des  hinteren  Teils  der  Vorderfliigel  blau,  Unterseite  der  Hinterllügel 
lehmgelb. 

Sehr  hübsch  zeigen  die  hierhergehörige  Zeichnungsfolge  u.  a.  auch  CaUühea- 
Arten-;,  bei  welchen  die  Unterseite  der  Hinterflügel  noch  schwarzen  Fleck-Typus  hat, 
die  der  Vorderflügel  zum  Schrägband-Typus  oder  fast  zu  Einfarbigkeit  vorgeschritten  ist. 

Indem  die  Unterseite  der  Vorderflügel  in  der  Regel  in  Farbe  oder 
in  Zeichnung  oder  in  beiden  der  Oberseite  etwas  oder  sogar  (besonders 
wenn  Farbe  in  Frage  kommt)  auffallend  nachsteht,  bekommen  wir  in 
ausgesprochener  Weise  vier  Stufen  der  Umbildung  an  demselben  Falter: 
am  tiefsten  steht  die  Unterseite  der  Hinterflügel,  dann  kommt  die  Ober- 
seite der  Hinterflügel,  darauf  die  Unterseite,  darauf  die  Oberseite  der 
Vorderflügel. 


1)  Staud.  Taf.  43.  2.  st.  Taf.  43.  ^ 

21* 


324     Gesetzmäßige  verschiedenstufige  Zeichnung  u. Farbe  ;iuf  d.  versch.  Flügeln,  ii.s.  w. 

d)  Die  niederste  Stufe  nimmt  die  Unterseite  der  Hinter- 
fiügel  ein,  darauf  folgt  die  Oberseite  der  llinterflügel,  dann 
beide  Seiten  der  Vorderfiügel:  1.  3   (2.  4). 

Auch  hier  handelt  es  sich  um  Übertragenwordensein  der  Eigen- 
schaften der  Oberseite  der  Vorderflügel  auf  die  der  Unterseite. 

Hierher  gehören  manche  Papilioniden .  wie  Papilio  Deiphontes  Q  '), 
P.  Ändrogeos'^),  P.  Torquatus '^) ,  P.  Orellana*],  die  Pieride  Archonius 
Critias^]  u.  a.,  dann  die  Nymphalide  Didonis  Biblis^)  ^  Die  nächsten 
Verwandten  dieser  Formen  sind  zuweilen  vierstufig,  zuweilen  auch  schon 
das    andere  Geschlecht,  so  Deiphontes  (^f ''). 

e)  Am  tiefsten  stehen  beide  Seiten  der  Vorderflügel,  dann 
folgt  die  Unterseite  der  Hinterflügel,  am  höchsten  steht  die 
Oberseite  der  Hinterflügel:  (2.  4)   1.  3. 


'  Abb.  214.     Papilio  Ayesiluus  Boisd. 

Dies  gilt  für  die  meisten  Segelfalter   (Abb.  214). 

Ausnahmsweise  kommen  noch  folgende  Fälle  vor: 

t'J  Die  Unterseite  der  Hinterflügel  ist  in  Beziehung  auf  Einfachheit 
und  düstere  Färbung  oder  in  eigenartiger  Zeichnung  und  Farbe  am 
weitesten  vorgeschritten,  die  Unterseite  der  Vorderflügel  steht  am 
tiefsten,  die  Oberseite  ])eider  Flügel  ist  über  letztere  hinaus  vorge- 
schritten 2.  (3.  4)  \. 

Zu  jenen  mit  einfarbiger  Unterseite  der  Hinterflügel  gehören  verschiedene  Ageronien, 
mit  glänzender  Unterseite  manche  Argynnis,  dann  ist  ebenso  dreistufig  z.  B.  Catagramma 


1)  .Staud.  Taf. 
3)  St.  Taf.  1  5. 


2;  St.  Taf.  1  0. 
6)  St.  Taf.  44. 


3)  St.  Taf.  H. 
"1  St.  Taf.  3. 


4;  St.  Taf.  U. 


3}  Dreistufigkeit. 


325 


Cynosura^),  Agrias  Amydonius;  die  nächsten  Verwandten  der  letzteren  Formen  sind 
vierstufig.  Auch  die  abgebildete  Agrias  Amydonius  ist  eigentlich  schon  vierstufig, 
indem  die  Oberseite  der  VordertUigei  gegenüber  der  Unterseite  etwas  vorgeschritten  ist. 
Hierher  gehören  auch  Satyriden,  deren  Hinterflügel  auf  der  Unterseite  in  eigenartiger 
Bindenzeichnung,  zuweilen  mit  besonderer  Ausbildung  von  Augenflecken,  dann  wieder 
in  Rieselung ,  andere  auch  in  Silberfleckbildung  [Lymanopoda  Labda-)  vorange- 
schritten sind  3. 


Abb.  215.     Agrias  Aiiiydouius  Stck. 

g    Die  Unterseite  der  Hinter flügel  ist  am  weitesten  vorgeschritten 
die  Vorder  flügel  siad  oben  und  unten  gleich,  die  Oberseite  der  Hinter - 
flügel  steht  zwischen  beiden:  (2.  4)   3.  1. 

Beispiel:  die  Nymphalide  £Ma:ani/ie  Schatzi*)  mit  Fächerzeichnung  der  Unterseite 
der  Hinterflügel. 

h  Die  niederste  Stufe  nimmt  die  Unterseite  der  Hinterflügel  ein, 
darauf  folgt  die  Oberseite  beider  Flügel,  dann  die  Unterseite  der  Vor- 
derflügel, welche  einfach  schwarz  ist:  1.  ;3.  4)  2. 

Beispiel:  Papilio  Sireus'^\ 

i  Oben  hinten  und  unten  vorn  zu  einfarbigem  Schwarz  vorge- 
schritten, unten  hinten  mit  rotem,  oben  vorn  mit  grünem  Älyattes-F\eck 
ist  Papilio  Sesostris^):  1.  4  (2.  3). 

Hier   stehen    also    die   nächsten   Entwickelungsstufen  über's  Kreuz ,  ein  sehr  ver- 
einzelter, merkwürdiger  Fall. 

Gehen  wir  zum  Zweck  der  Erklärung  der  Dreistufigkeit  von  der  ge- 
wöhnlichen Zweistufigkeit  aus,  bei  welcher  die  Unterseite  auf  tieferer 
Stufe  steht  als  die  Oberseite,  so  ist  zu  sagen,  daß  bei  der  Dreislufigkeit 

1)  die  Unterseite  der  Vorderflügel  gegenüber  jener  der  Hinterflügel 
fortgeschritten  ist,  ohne  jedoch  die  Stufe  der  Oberseite  zu  erreichen: 
Fall  a),  oder  daß  die  Oberseite  der  Vorderflügel  ihre  Eigenschaften 
auf  die  Unterseite  derselben  übertragen  hat:  Fall  c)   und  d). 


1)  Staud.  Taf.  42.  2)  St.  Taf.  83. 

3|  Vgl.    Sleroma  superba  Taf.  83,  Daedalma  Dinias  und  üorinda  Tal.  84,   Pedalio- 
des  Pallantis  ebenda  u.  s.  w. 

4)  St.  Taf.  4  8.  &)  St.  Taf.  7.  6)  St.  Taf.  8. 


326     Gesetzmäßige  verschiedenstufige  Zeichnung  u.  Farbe  auf  d.  versch.  Flügelfl.  u.  s.  \v. 

2)  Oder  daß  auf  der  Unterseite  die  Zeichnung  stehen  geblieben  ist, 
während  die  Oberseite  der  Hinterflügel  derjenigen  der  Vorderflügel  voran- 
geschritten ist:  Fall  b). 

Diese  Fälle  von  Gesetzmäßigkeit,  welche  auf  supero-inferiorer  und 
postero-anteriorer  Umbildung  beruhen,  beherrschen,  unbeschadet  der 
erwähnten  und  einiger  anderer  Ausnahmen,  die  Zeichnungs-  und  in  der 
Hauptsache  auch  die  Farbenfolge  bei  der  Dreistufigkeit. 


4)  Vierstuügkeit. 

Wenn  alle  Verschiedenheiten  vorkämen ,  welche  hier  möglich  sind, 
so  gäbe  es  deren  vierundzwanzig.  Aber  wie  bei  der  Dreistufigkeit  ist 
die  Zahl  der  wirklich  vorkommenden  Fälle  eine  beschränkte,  und  unter 
diesen  sind  wieder  nur  einzelne  wenige  maßgebend.  Das  beruht  eben 
auf  dem  Herrschen  bestimmter  Entwickelungsrichtungen.  Und  zwar 
handelt  es  sich  selbstverständlich  um  diejenigen  Richtungen,  welche 
auch  bei  der  Dreistufigkeit  die  häufigsten  sind :  es  braucht  nur  auch  eine 
vierte  Flügelfläche  in  der  Entwickelung  der  Zeichnung  um  etwas  vorge- 
schritten oder  stehengeblieben  oder  rückgebildet  zu  sein,  so  haben  wir 
die  Vierstufigkeit. 

Der  häufigste  Fall  von  Vierstufigkeit  ist  der,  welcher  sich  an  den  unter  a) 
behandelten  Fall  von  Dreistufigkeit  anschließt ,  indem  dazu  noch  eine 
Verschiedenstufigkeit  der  Oberseite  beider  Flügel  dadurch  kommt,  daß 
die  Oberseite  der  Hinterflügel  die  höchste  Stufe  der  Entwickelung  er- 
reicht hat.     Es   ist    demnach  dieser  Fall    folgendermaßen  zu  bezeichnen: 

a)  die  Unterseite  der  Hinterflügel  zeigt  den  ursprünglich- 
sten Zustand,  um  eine  Stufe  höher  steht  die  Unterseite  der 
Vorderflügel,  dann  folgt  die  Oberseite  der  Vorderflügel,  am 
höchsten  aber  steht  die  Oberseite  der  Hinterflügel:   1.  2.  4.  3. 

Hierher  gehören  zahlreiche  Nymphaliden,  z.  B.  Arten  der  Gattung 
Juno7iia^),  Cyclogramma^),  Cybdelis^),  Callicore,  Catagramma^)^  Callithea^). 
Dabei  ist  oft  die  Oberseite  der  Hinterflügel  dadurch  am  meisten  vorge- 
schritten,  daß  sie  einfarbig,  blau  oder  schwarz  geworden  ist.  Adelplia 
Epione^)  zeigt  einen  ähnlichen  Zustand.  Man  vergleiche  ferner  Charaxes 
Monteiri  Q  '). 

b)  Statt  daß  die  Unterseite  der  Hinterflügel  wie  im  vorigen  Fall 
zurückgeblieben  ist,  kann  sie  unter  übrigens  denselben  Verhältnissen 
eigenartig  vorgeschritten  sein.  Es  schließt  sich  diese  Stufenfolge 
an  die  von  mir  unter  fj   beschriebene  von  Dreistufigkeit  an. 

Hierher  gehören  u.  a.  Agrias-krien  mit  der  merkwürdigen  Ring- 
zeichnung  auf  der  Unterseite   der   Hinterflügel.     Es   kann    Agrias  Amy- 


1)  Staud.  Taf.  37.  2)  St.  Taf.  40.  3)  Ebenda.  «)  St.  Taf.  42. 

5)  St.  Taf.  43.  6)  St.  Taf.  49.  7)  St.  Taf.  59. 


4;  Vierstufigkeit. 


327 


(lotiius  (Abb.  215)   als   Beispiel    genommen  werden.      Ein    anderes   bietet 
Smyrnci  Blomfildia^). 

c)  Wenn  das  Hinter-  und  das  Vorderflügelpaar  beiderseits  in  der 
Hauptsache  dieselbe  Entvvickelungsstufe  erreicht  hat,  so  kann  Vier- 
stufiakeit  entstehen,  sobald  die  Unterseite  der  Hinter-  und  der  Vorder- 
fliigel  um  etwas,  und  sei  es  auch  nur  um  ein  Geringes,  in  Zeichnung 
und  Farbe  zurückgeblieben  ist:    I.  3.  2.  4. 

Dies  gilt  namentlich  für  Papilioniden,  z.  B.  Ornithoptera  Hippolytus'^), 
Papilio  Protenor  ^],   P.   Deiphontes   Q ''j,    Teinopalpus  impcrialis^). 

Diese  Art  von  Vierstufigkeit  kann  sehr  ausgesprochen  sein,  wenn 
die  Unterseite  eines  oder  des  an- 
deren Flügels  um  eine  ganze 
Zeichnungsstufe  gegenüber  der 
Oberseite  zurückblieb,  wie  dies 
z.  B.  bei  den  Männchen  der  ver- 
schiedenen Abarten  von  Ornitho- 
ptera Prlanius  der  Fall  ist  (vergl. 
Abb.  216). 

d)  In  einigen  Fällen  ist  die 
Unterseite  der  Vorderflügel  am 
weitesten,  nämlich  zur  schwarzen 

Einfarbigkeit  vorgeschritten.     Am  tiefsten    steht  die  Unterseite  der 
Hinterflügel,   dann  folgt   die  Oberseite    der  Hinterflügel,    dar- 
auf   die    Oberseite,    dann    die    Unterseite     der     Vorderflügel: 
1.3.4.2. 

Hierher  gehören  einzelne  Papilioniden  der  Alyattes-GmpYie ,  wie 
P.  Ahjattes  selbst,  welcher  auf  der  Unterseite  der  Vorderflügel  nur  noch 
einen  kleinen  hellen  Fleck  in  der  Mitte  hat 6),  P.  Arianus'),  P.  Anchises^), 
P.  MylWs%  P.   Chinsiades  ^'>). 

e)  Bei  vielen  Pieriden,  welche  sich  anschließen  an  die  dreistufigen, 
unter  ai  des  betreffenden  Abschnittes  aufgeführten,  entstand  Vier- 
stufigkeit teilweise  als  Folge  von  Rückbildung,  wobei  die  Unter- 
seite der  Hinterflügel  oft  noch  glänzende  Farben  und  vorgeschrittene 
Zeichnung  trägt,  dann  folgt  die  Unterseite,  dann  die  Oberseite  der  Vor- 
derflügel, am  höchsten  steht  die  Oberseite  der  Hinterflügel:  1.  2.  4.  3: 
Deltas  nigrina^  D.  Egialea,  Prioneris  Thestylis^^]  u.  a.  In  anderen  Fällen 
ist  statt  der  Oberseite  der  Hinterflügel  die  der  Vorderflügel  am  weitesten 
vorgeschritten:  1.2.3.4  wie  bei  Delias  Belladonna,  oder  in  anderer 
Richtung    als    die    der   Hinterflügel,   so   bei  zahlreichen    Callosune^-).     In 


Abb.  21<i.     OrnitUoytera  Piiamns  L.  •/■;  der  nat.  Größe 


manchen  anderen  Fällen  hat  die  Unterseite  der  Hinterflügel  einen  düstern, 
mattbraunen  oder  grauen  Ton  angenommen,  zuweilen  mit  Rieselung, 
oder    sie   ist   fast   oder    ganz    einfarbig  geworden.     Nimmt  man  dies  als 


1)  Staüd.  Taf.  57. 
5)  St.  Taf.  U.  6)  St 

10)  St.  Taf.  1 1 . 


2)  St.  Taf.  2. 
Taf.  8.  7) 

lij  St.  Taf.  20. 


3)  St.  Taf.  5. 
Ebenda.  »)  St. 

12)  St.  Taf.  23. 


4)  Ebenda. 
Taf.  9.  9j 


Ebenda 


328     Gesetzmäßige  verschiedenstufige  Zeichnung  u.  Farbe  auf  d.  versch.  Flügelfl.  u.  s.  w. 

Fortschritt  gegenüber  einer  früheren  glänzenden  Färbung  und  anderen 
Zeichnung,  so  erhält  man  eine  andere  Folge,  so  bei  Callosune  Haever- 
nicki^  C.  lobina,  dann  bei  Uebomoia  celebensis  ^)  und  zahlreichen  anderen 
Faltern,  eine  Folge,  welche  nicht  immer  genau  bestimmbar  ist,  einmal 
an  sich  nicht  und  dann  auch,  weil  es  sich  dabei  um  verschiedene,  aber 
doch  je  in  ihrer  Art  gleichhohe  Stufen  liandeln  kann. 

Vierstufigkeit  in  Folge  von  Rückbildung  der  Blattzeichnung  auf  der 
Unterseite  der  Vorderflügel  zeigt  z.  B.  Kallima  nimia,  dann  andere  Arten 
der  Gattung  Kallima  u.  s.  w. 


Bemerkuugeii  üher  die  Ursaclien  verschiedeuer  Zeichuuugs- 

uiid  der  Farl»enf<)lge. 

Es  muß  in  Beziehung  auf  die  Möglichkeit  der  Feststellung  einer 
Stufenfolge  der  Zeichnung  durch  Zahlen  hervorgehoben  werden,  daß 
dieselbe  beschränkt  ist  durch  häufiges  Vorkommen  von  Verschieden- 
heiten der  Zeichnungsstufen,  von  denen  jede  in  ihrer  Art  gleich  oder 
ähnlich  hohe  Entwickelung  darstellen  kann :  so  ist  ja  die  Unterseite'  der 
Hinterflügel  bei  der  Gattung  Agrias  in  ihrer  Art  hoch  entwickelt  durch 
die  Ausbildung  der  ßingzeichnung,  ferner  die  Unterseite  von  Morphiden 
durch  Augenflecke,  die  Unterseite  der  Hinterflügel  durch  ebensolche  bei 
Brassoliden,  Satyriden,  bei  anderen  Arten  durch  Rieselung  u.  s.  w. 

Sodann  sind  es  die  verschiedenen  Fälle  von  Rückbildung,  welche 
die  Aufstellung  einer  zahlenmäßigen  Folge  selbstverständlich  häufig 
unmöglich  machen,  wie  besonders  die  Pieriden  zeigen. 

Abgesehen  von  der  Rückbildung  muß  die  so  oft  vorkorumende 
Übertragung  der  Zeichnung  und  der  Farbe  von  einer  Flügel- 
seite auf  die  andere  die  Stufenfolge  sehr  verändern.  Die  gewöhn- 
lichste dieser  Übertragungen  ist  die  von  der  Oberseite  der  Vorder- 
flügel auf  die  Unterseite  derselben.  Eine  andere  nicht  seltene  Art 
der  Übertragung  ist  die  von  der  Unterseite  der  Hinterflügel  auf 
deren  Oberseite.  Hierher  gehört  die  Übertragung  der  prachtvollen 
Augenflecke  mancher  Morphiden  und  Satyriden,  unter  ersteren  vorzüglich 
bei   rena/7S- Arten'-). 

Zuletzt  werden  solche  Augenzeichnungen  aber  auch  von  der  Unter- 
seite der  Vorderflügel  auf  die  Oberseite  übertragen,  wie  das  bei  Arten 
derselben  Familien  erfolgt  ist,  z.  B.  bei  der  Morphide  Hyantis  Hod.eva'-% 
bei  Morpho  Epistrophis  (f  ^)  u.  a.  In  solchen  Fällen  ist  off'enbar  zuweilen 
die  schon  erreicht  gewesene  Einfarbigkeit  der  Oberseite  durch 
die  von  unten  her  übertragene  Zierde  wieder  beseitigt  worden  und 
stellt   also    die   Einfachheit  hier    nicht    die   höchste,    sondern   eine    über- 


1:  Staud.  Taf.  22.  2,  St.  Taf.  64.  3)  St.  Taf.  63.  4)  St.  Tuf.  70, 


Ursachen  verschiedener  Zeichnungs-  und  Farbenfolge.  329 

wundene  Stafe  der  Entwickelung  dar,  wie  dies  auch  sonst  öfter  als 
Einschränkung  der  allgemeinen  Gesetzmäßigkeit  nach  Vereinfachung 
hervorzuheben  sein  dürfte.  Die  schönsten  Beispiele  bieten  allerdings 
Morphiden  und  vor  allem  zahlreiche  Satyriden,  wo  es  sich  in 
dieser  Übertragung  besonders  der  Augenzierden  geradezu  um 
eine  maßgebende  Entwickelungsrichtung  handelt.  Auch  viele 
Eryciniden  gehören  hierher,  und  zwar  sind  bei  ihnen  meist  Augen- 
zierden auf  die  Oberseite  der  Yorderflügel  von  der  Unterseite  her  über- 
tragen. Bei  manchen  Lvcaeniden  ist  auf  der  Oberseite  der  Vorder- 
llügel  ein  solches  Auge  oder  ein  Rest  davon  io  Gestalt  eines  Fleckes 
vorhanden  oder  auch  auf  der  Oberseite  der  Hinterflügel,  während  die 
Unterseite  nichts  davon  zeigt,  indem  die  Zierde  hier  wahrscheinlich  ge- 
schwunden ist. 

Von  Übertragung  von  Zierden  der  Unterseite  namentlich  der  Hinter- 
flügel bei  Papilioniden  (Prachtbinde,  Afterauge)  auf  die  Oberseite  habe 
ich  in  meiner  »Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den  Schmetterlingen« 
gehandelt. 

Die  häufigste  Ursache  der  Verschiedenheiten  der  Stufenfolge  liegt 
aber  in  verschiedenstufiger  Entwickelung,  Heterepistase,  auf  Grund 
von  Stehenbleiben  der  einen  oder  der  anderen  Flügelfläche  auf  bestimmter 
Stufe  der  Entwickelung,   während  andere  vorschreiten. 

Welches  sind  nun  die  gewöhnlichsten  Fälle  von  Stufen- 
folge und  W'elche  Ursachen  können  dafür  maßgebend  sein? 

Gewöhnliche  Regel  ist  das  Vorschreiten  der  Oberseite  gegenüber 
der  Unterseite  in  Farbe  und  Zeichnung:    supero-inferiore  Umbildung. 

Meist  schreitet  wieder  die  Oberseite  der  Hinterflügel  derjenigen  der 
Vorderflügel  voran:  postero-anteriore  Umbildung,  und  dasselbe  gilt 
für  die  Unterseite,  sofern  es  sich  nicht  um  Übertragung  von  Farbe  und 
Zeichnung  der  Oberseite  der  Vorderflügel  auf  die  Unterseite  derselben 
handelt. 

Der  Fortschritt  der  Oberseite  der  Hinterflügel  gegenüber  derjenigen 
der  Vorderflügel  gilt  besonders  für  die  Farben.  Die  Zeichnung  ist  hinten 
und  vorn  wesentlich  mit  durch  die  Flügelgestalt  beeinflußt.  Dies  gilt 
auch  für  die  Unterseite. 

Die  Unterseite  der  Hinterflügel  hat  gegenüber  jener  der  Vorderflügel 
gewöhnlich  schärfere  Zeichnung  und  sattere  Farbe,  und  dies  hängt  augen- 
scheinlich damit  zusammen,  daß  die  Hinterflügel  in  der  Ruhelage  die 
Vorderflügel  decken  und  daß  so  die  Unterseite  der  letzteren  mehr  dem 
Lichte  ausgesetzt  ist.  Da  wo  ein  Teil  der  Hinterflügel  von  oben  her 
durch  die  Vorderflügel  auch  bei  ausgebreiteten  Flügeln  bedeckt  wird,  ist 
derselbe,  wie  wir  sahen,  gleichfalls  farblos  i). 


V  Man  vgl.  hierzu  M.  Standfvss:  die  Beziehungen  zwischen  Färbung  und  Lebens- 
gewohnheit bei  den  paläarictischen  Großschmetterlingen.  Yierteljahrsschrift  d.  naturf. 
Ges.  in  Zürich  i894.  Derselbe  weist  darauf  hin,  daß  je  die  bei  Übereinanderschieben 
der  Flügel    sitzender  Tagfalter    frei  liegende   untere  Flügelfläche,  die  der  Hinterflügel, 


330     Gesetzmäßige  verschiedenstufige  Zeichnung  u.  Farbe  auf  d.  versch.  Flügeltl.  u.  s.  w. 

Die  Einwirkung  des  Sonnenlichtes  und  der  Sonnenwäriue 
ist  offenbar  auch  die  Ursache  der  glänzenderen  Färbung  der 
Oberseite  gegenüber  der  Unterseite. 

Die  ganze  Farbenfolge  weist  auf  solchen  Einfluß  der  Sonne  hin. 
Dieselbe  hat  gewisse  Beziehungen  zur  Folge  des  Auftretens  der  Farben 
der  Blumen  während  des  Sommers:  zuerst  herrscht  hier  Weiß  und  Gelb, 
dann  erst  treten  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  Rot  und  Blau  auf. 

Es  ist  offenbar  eine  Erscheinung  organischen  Wachsens  und 
zwar  eine  unter  dem  langdauernden  Einfluß  des  Sonnenlichtes  und 
der  Sonnenwärme  vor  sich  gegangene,  daß  eine  so  bestimmte 
Folge  von  Farben  auftritt.  Dabei  handelt  es  sich  um  Mitrsvirkung 
dessen,  was  ich  in  meiner  »Entstehung  der  Arten«  als  konstitu- 
tionelle Imprägnation  bezeichnet  habe.  Der  äußere  Einfluß, 
in  diesem  Falle  von  Licht  und  Wärme,  verändert,  indem  er 
während  langer  Zeiträume  einwirkt,  die  Konstitution  des  Orga- 
nismus, erteilt  demselben  bestimmte  Eigenschaften.  Auf  diesen 
veränderten  Organismus  wirkt  nun  der  gleiche  Einfluß  weiter 
und  verändert  ihn  abermals:  in  unserem  Falle  entsteht  eine 
höhere  Farbenstufe,  dann  wieder  eine  höhere  und  so  fort.  Die 
gegebene  Farbenfolge  erscheint  als  notwendiger  Ausdruck  ganz 
bestimmter  physikalisch-chemischer  Veränderungen,  als  Aus- 
druck organischen  Wachsens. 

Zuletzt  entsteht  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  schwarze  Farbe,  deren 
Auftreten  ja  überall  durch  den  Einfluß  des  Lichtes  begünstigt  wird. 
Dabei  handelt  es  sich  um  Voraussetzung  von  Farbstoffen.  Bei  den  Schmetter- 
lingen haben  wir  Farbstofffarben  (Pigmentfarben)  und  Interferenzfarben. 
Wie  die  letzteren  durch  Einwirkung  des  Lichtes  verändert  werden  können, 
ist  nicht  erfindlich.  Und  doch  scheint  sich  die  Farbenfolge  auf  alle 
Farben  bei  den  Schmetterlingen  zu  beziehen.  Es  stellt  sich  deshalb  die 
Frage,  ob  nicht  auch  bei  den  sogenannten  Interferenzfarben  Farbstoffe 
mit  im  Spiel  sind.  Hier  müssen  erst  genaue  Untersuchungen  angestellt 
werden.  Über  einige  vorläufige  Ergebnisse  solcher  werde  ich  noch 
berichten. 

Diese  Erklärung  der  Farbenfolge  und  der  glänzenderen  Färbung 
der  Oberseite  der  Tagschmetterlinge  findet  eine  wichtige  Stütze  in  den 
Thatsachen,  welche  sich  auf  die  Falter  derselben  Art  und  welche  sich 
vor  allem  auf  die  Falter  nächstverwandter  Arten  in  benachbarten  Klimaten 
beziehen. 

Daß  auch  andere  mit  dem  Klima  zusammenhängende  Einflüsse,  wie 
Trockenheit,  Feuchtigkeit,  Nahrung  der  Raupen  bei  der  Verschiedenheit 
der  Farben  der  Falter  in  verschiedenen  geographischen  Gebieten  maß- 
gebend  sind,    ist   selbstverständlich.     Das    tiefe   Blau   der  Schmetterliuee 


dunkler  gefärbt  ist  als  die  bedeckte,  z.  B.  bei  Vanessa  urticae,  und  daß  dasselbe  gilt  für 
die  Flügelhaltung  der  Helerocera.  Meist  schneidet  die  Farbe  mit  der  Bedeckungsgrenze 
auch  sonst  haarscharf  ab:  vergl.  vorn  S.  202,  203  und  .1.  Schilde  a.  a.  0.  S.  4 OS. 


Ursachen  verschiedener  Zeichnungs-  und  Farbenfolge.  331 

des  tropischen  Urwaldes,  wie  es  Herr  Martin  dort  als  herrschend  be- 
schreibt, die  besondere  Färbung  gewisser  Schmetterlinge  der  Meeres- 
küsten und  von  Inseln  gehören  hierher.  VVallace  hat  eine  große  Anzahl 
beziislicher  Thatsachen  aufgeführt,  auf  welche  wir  zurückkommen'). 

Es  handelt  sich  an  dieser  Stelle  für  mich  nicht  um  Erschöpfung 
der  Ursachen  der  Entstehung  der  Farben  überhaupt,  sondern  nur  um 
die  Farben  folge. 

Meine  Erklärung  derselben  macht  es  verständlich,  warum  nicht  allein 
in  den  Tropen,  sondern  auch  in  gemäßigten  Klimaten  glänzende  Farben 
vorkommen,  abgesehen  von  dem  Einfluß,  welchen  die  größere  Intensität 
des  Lichtes  in  Höhenlagen  entschieden  ausübt"^);  denn: 

1)  handelt  es  sich  bei  der  Wirkung  der  Sonne  nicht  allein  um  die 
unmittelbar  thätige  Kraft  derselben,  sondern  um  die  kumulative,  mit 
der  Zeitdauer  wachsende  Wirkung, 

2]  wird  es  in  jedem  einzelnen  Falle  darauf  ankommen,  auf  welche 
Konstitution  das  Licht  einzuwirken  hat.  Diese  ist  nun  eben  wieder 
davon  abhängig,  wie  lange  bestimmte  äußere  Einflüsse,  also  auch  Sonne, 
auf  den  betreffenden  Körper  eingewirkt  haben.  Zum  anderen  Teil  aber 
ist  sie  gerade  von  dem  unmittelbaren  Einfluß  der  Sonne  mehr  oder 
weniger  unabhängig  geblieben,  wie  gewisse  Thatsachen  zeigen. 

Nach  dem  unter  1 )  Gesagten  werden  auch  in  weniger  sonnenreichen 
Gebieten  die  Falter  allmählich  glänzende  Farben  erlangt  haben  können: 
am  ehesten  die  phyletisch  ältesten  Arten,  w-elche  am  längsten  dem  Ein- 
fluß der  Sonne  ausgesetzt  gewesen  sind. 

Zu  dem  unter  2)  Berührten  ist  nur  darauf  hinzuweisen,  daß  die 
Flügeloberfläche  der  meisten  Falter  verschiedene  Farben  trägt,  Farben 
verschiedener  Stufen,  in  der  Regel  sich  nahestehender  oder  aufein- 
anderfolgender, obschon  die  ganze  Oberseite  in  gleichem  Maße  der 
Sonneneinwirkung  ausgesetzt  ist. 

Diese  Thatsache  scheint  meiner  ganzen  Theorie  zu  widersprechen. 
Und  doch  liegen  darin  Beweise  für  dieselbe. 

Es  wurde  die  merkwürdige  Erscheinung  hervorgehoben,  daß  gewisse 
Zeichnungen  der  Oberseite,  wie  Vorderflügel-  Eckflecke  und  Schrägbänder 
nicht  nur  lange  weiß  bleiben,  während  die  Grundfarbe  im  übrigen 
schon  eine  viel  höhere  Stufe  erreicht  haben  kann,  was  ja  geradezu  die 
Regel  ist,  sondern  daß  nun  auch  jene  Zeichnungen  in  der  Folge  höhere 
Farben  annehmen,  welche  jedoch  stets  hinter  der  übrigen  Grundfarbe 
um  eine  oder  die  andere  Stufe  zurückbleiben.  Dadurch  eben  entstehen 
die  schönen  Farbenzeichnungen  besonders  hochstehender  Falter,  wie  der 
Ägrias,  Catagramma  und  anderer.  Gerade  dieses  gesetzmäßige  Nach- 
hinken der  Farbenfolge  von  Seiten  gewisser  Bezirke  der  Grundfarbe 
scheint  mir  aber  im  Zusammenhang  mit  den  übrigen  Thatsachen  auf  den 
Einfluß  des  Lichtes  und  überhaupt  der  Sonne  hinzuweisen. 


1)  Man  vergleiche  auch  die  Angaben  von  Bates  vorn  S.  280,  284,  2S5. 
2;  Vergl.  meine  »Entstehung  der  Arten«  I  S.  103. 


332     Gesetzmäßige  verschiedenstufige  Zeichnung  u.  Farbe  auf  d.  versch.  Flügelfl.  u.  s.  \v. 

Die  Lösung  der  Frage,  warum  einzelne  Bezirke  der  Grundfarbe  auf 
tieferer  Stufe  stehen  bleiben,  warum  die  Falter,  auch  abgesehen  von  der 
Grundbinden-Zeichnung,  verschiedenfarbig  geworden  sind  und  zwar  in 
gesetzmäßiger  Folge,  auch  was  die  Einzelheiten  angeht,  muß  damit 
beginnen,  warum  jene  Stellen  von  vornherein  in  der  Färbung  zurück- 
geblieben sind,  warum  also  eben  z.  B.  Eckfleck-  und  Schrägband-Zeich- 
nung zuerst  weiß  bleiben,  während  das  Mittelfeld  schon  farbig  geworden 
ist.  Darauf  läßt  sich  wohl  nur  die  Antwort  geben:  die  Ursache  liegt  in 
der  stofflichen  Beschaffenheit  der  betreffenden  Bezirke,  auf  welche  Licht 
und  Wärme  anders  einwirken  als  auf  andere  Teile  der  Flügeloberfläche, 
und  diese  Verschiedenheit  beruht  wiederum  wohl  auf  den  korrelativen 
bezw.  kaleidoskopischen  Verschiebungen  der  Stoffteilchen,  welche  mit 
die  Ursache  der  Verschiedenheit  der  Zeichnung,  im  besonderen  Fall 
die  Ursache  der  postero-anterioren  Umbildung  sind. 

Da  die  tieferstehenden  Farben  und  insbesondere  Weiß  sich  vorzüs- 
lieh  an  den  äußeren  Rändern  der  Flügel  und  in  den  äußeren  Ecken 
der  Vorderflügel  erhalten,  so  liegt  es  übrigens  vor  allem  nahe,  an 
geringere  Ernährung  dieser  äußeren,  vom  Herzen  am  meisten  entfernten 
Bezirke  als  Ursache  zu  denken. 

Beides,  die  kaleidoskopische  Verschiebung  der  Teilchen  bei  der  Her- 
stellung der  Zeichnung  und  damit  zusammenhängende  Veränderung  der 
stofflichen  Zusammensetzung  einzelner  Bezirke  der  Flügelfläche,  vielleicht 
zugleich  verschieden  kräftige  Ernährung  derselben,  dazu  die  Einwirkung 
der  Sonne  auf  diese  verschiedenen  Qualitäten,  welche  notwendig  vei*- 
schiedenen  Ausdruck  finden  muß:  diese  Ursachen  bedingen  im  wesent- 
lichen die  gesetzmäßige  Verschiedenheit  in  Farbe  und  Zeichnung  bei  den 
Schmetterlingen  —  Heterepistase  und  Homoeogenesis  sind  die  maß- 
gebenden Mittel  für  die  Herstellung  von  Verschiedenheit  und  Ähnlichkeit 
der  Formen  derselben  überhaupt. 


*  Auf  Grund  dieser  meiner  Auffassung  erklären  sich  auch  leicht  die 
auf  den  ersten  Blick  wunderbaren  Ähnlichkeiten  zwischen  Faltern  ganz 
verschiedener  Familien,  welche  z.  B.  Fritz  Müller  eine  »kaum  glaubliche 
Leistung«   für  eine   »blind  wirkende  Ursache«   genannt  hat^j. 

Es  handelt  sich  ja  auch  in  den  von  Wallace  in  Anspruch  genommenen 
»örtlichen  Ursachen«,  deren  Bedeutung  Fritz  Müller  entgegentritt,  nicht 
um  »blind  wirkende«,  sondern  um  physikalisch-chemische,  und  ich  bin 
der  Ansicht,  diese  werden  auf  der  von  mir  vorausgesetzten  Grundlage 
mit  sichererem  Schritt  zu  dem  Ergebnis  kommen  können,  welches  wir 
thatsächlich  vor  uns  sehen,  als  das  »züchtende  Auge«  der  Vögel  oder 
gar  der  Reptilien,  eines  Auges,  welches,  wie  Fritz  Müller  sagt,  »jeden 
Strich,   jeden  Fleck,   jede  Farbenabstufung    festhielt,    wo  immer  sie  auch 


1)  Vd.  vorn  S.  271. 


Ursachen  verschiedener  Zeichnungs-  und  Farbenfolgc.  333 

auftrat,  sobald  nur  dadurch  die  Ähnlichkeit  gesteigert,  die  Täuschung 
der  Feinde  erleichtert  wurde«. 

Ich  meine  doch,  es  ist  damit  jenem  züchtenden  Vogelauge  zu  viel 
zugemutet,  von  dem  Eidechsenauge  nicht  zu  reden,  ich  meine,  wie  schon 
gesagt,  daß  eine  solche  ins  Einzelste  gehende  Züchtung  von  Ähnlichkeit 
zu  ihrer  Täuschung  überhaupt  nicht  nötig  war  —  ganz  abgesehen  da- 
von, daß  die  Täuschung  selbst  nicht  nötig  war,  weil  weder  Vögel  noch 
Eidechsen,  noch  auch  andere  Tiere  so  häufig  Schmetterlinge  im  Fluge 
verfolgen,  um  dadurch  eine  Züchtung  zu  erzielen. 

Auf  Grund  meiner  Theorie  werden  sich  manche  Einzelheiten  der 
Färbung,  wie  sie  z.  B.  von  Wallace  »örtlichen  LVsachen«  zugeschrieben 
worden  sind,  unschwer  erklären  lassen;  Vielleicht  ist  es  die  üppigere 
Sonne,  welche  in  Guiana  Arten  von  Ithomia ,  Mechanitis  und  Heliconius 
mit  gelber  Flügelspitze  erzeugt,  die  in  Südbrasilien  weiße  Flecke  auf 
derselben  haben;  vielleicht  kommt  es  ebendaher,  daß  Arten  von  Mecha- 
nitis, Melinaea  und  Heliconius  in  Neu-Granada  rots;elb  uad  schwarz, 
die  von  Bolivia  und  Peru  nur  dunkelgelb  und  schwarz  gezeichnet  sind, 
um  nur  die  von  Fritz  Müller  wiedergegebenen  WALLACE'schen  Beispiele 
hier  zu  erwähnen. 

Allein  es  bedarf  dieser  Hinweise  nicht,  denn  ich  habe  längst  gezeigt, 
daß  Arten  mit  ihrer  geographischen  Ausbreitung  z.  B.  nach  Süden  durch 
andere  unmittelbar  verwandte  Arten  ersetzt  werden,  welche  unter  ihren 
wesentlichen  Merkmalen  eine  der  im  Vorstehenden  aufgestellten  Farben- 
folge ganz  entsprechende  Änderung  der  Farbe  aufweisen,  und  ich  erklärte 
diese  Umbildung  ebenso  wie  entsprechende  an  Abarten  unter  denselben 
Bedingungen  vorkommende  als  Wirkung  des  Klima's.  Den  Beweis  liefert 
mir  das  Herrschen  der  gleichen  Farbenfolge  bei  den  Abänderungen  des 
Hora-Dimorphismus,  und  derselbe  wird  noch  dazu  experimentell  geliefert 
durch  Thatsachen  der  künstlichen  Zucht  in  Wärme  und  Kälte.  Ich 
komme  hierauf  zurück. 

Hier  möchte  ich  blos  wiederholen,  daß  ich  Sonnenlicht  und  Sonnen- 
wärme nur  als  die  Hauptursache  der  Farbenfolge  ansehe.  Sie  werden 
als  solche  wirken,  weil  sie  auf  der  ganzen  Erde  beständig  thätig  waren. 
Außerdem  sind  aber  wichtige  andere  Ursachen  der  Umbildung  der  Farbe 
hervorzuheben.  Insbesondere  beeünsti^t  augenscheinlich  Feuchtigkeit  die 
Ausbildung  blaugrüner  oder  auch  blauer  und  schwarzer  Farbe  —  wie 
dies  nach  meiner  Darstellune  auch  für  andere  Tiere,  so  für  die  auf 
dem  Faraglione-Felsen  im  Meere  lebenden  Lacerta  muralis  caerulea,  L. 
}n.  filfolensis  vom  Filfola-Felsen  bei  Malta  u.   a.  gilt. 

Möglich  ist,  daß  auch  sogenannte  sympathische  Färbung  zunächst 
für  die  Unterseite  der  Schmetterlingsflügel  in  Betracht  kommt,  indem  die 
meist  düstere  Färbung  derselben  nicht  allein  auf  Mangel  an  Lichtein- 
wirkung, sondern  vielleicht  zuweilen  auch  mit  auf  unmittelbarer  Beein- 
flussung durch  die  Farbe  des  Untergrundes  beruht,  welchem  die  Faller 
ihre   Unterseite    zukehren.     Doch    spreche    ich   hier    nur   eben   von   einer 


334     Gesetzmäßige  vei-schiedenstunge  Zeichnung  u.  Farbe  auf  d.  versch.  Flügelll.  u.  s.  w. 

Möglichkeil,  für  deren  thalsächliche  Ausführung  zunächst  Beweise  nicht 
vorliegen'). 

Die  Wirkung  solcher  von  der  düsteren  Färbung  des  Bodens, 
dürrer  Blätter  u.  s.  \v.  her  auf  die  Unterseite  der  Schmetterlingsflügel 
gewissermaßen  photographierter  düsterer  Farbe  würde  dann  einer  »An- 
passung«   gleichkommen   und  Selektion   als   Ursache  vortäuschen  können. 

Ich  bin  der  Ansicht,  daß  jedenfalls  die  mangelhafte  Beleuchtung  der 
Unterseite  die  düstere  Färbung  derselben  im  Gegensatz  zur  Oberseite 
mit  bedingt. 


Die  Abweichungen  von  der  gewöhnlichen  Farbenfolge  sind  wie  bei 
der  Zeichnung  teils  sprungweise  (kaleidoskopische),  teils  beruhen 
sie  auf  Stillstand  der  Umbildung:  Epistase.  Der  Stillstand,  die  Be- 
harrung, kann  sich  auf  die  Gesamtheit  der  Flügel  oder  auf  einzelne 
derselben  beziehen,  wie  bei  der  Zeichnung.  Im  letzteren  Falle  be- 
kommen wir  durch  die  Heterepislase  Verschiedenstufigkeit. 

Dieser  Beweis  gilt  nun  aber  nicht  nur  für  die  Farbe,  sondern  auch 
für  die  Zeichnung:  künstliche  Wärme  erzeugt  dieselben  Zeichnungstypen, 
welche  in  der  freien  Natur  vorkommen,  ebenso  künstliche  Kälte!  Es 
wird  die  Zeichnungs-  wie  die  Farbenfolge,  welche  in  der  freien 
Natur  vorkommt,  durch  die  Einwirkung  von  künstlicher  Kälte  und 
Wärme  wenigstens  in  bestimmten  Fällen  wiederholt.  Darüber  später 
mehr.  Hier  will  ich  nur  in  Beziehung  auf  die  Farbenfolge  bemerken,  daß 
die  Papilio-Arlen,  welche  unserem  Segelfalter  am  nächsten  stehen,  nach 
Süden  die  Farbenfolge  Gelb,  Grün,  Blaugrün,  auch  Schwarz  auf  das 
Schönste  zeigen,  während  nach  anderer  Richtung  aus  Gelb  Weiß  wird, 
wie  bei  den  Pieriden.  Die  letztere  Umbildung  zeigen  die  südlichen 
Abarten  unseres  Podalirius  (z.  B.  Lotleri)  und  noch  ausgesprochener  die 
südamerikanischen  Arten. 


Zur  Erkenntnis  des  Herrschens  einer  bestimmten  Farbenfolge  I<ani  ich  zunächst 
durch  meine  Untersuchungen  über  die  Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den 
Papilioniden ,  wo  ich  besonders  den  Übergang  von  Gelb  in  Grün  und  Blaugrün,  dann 
den  anderen  von  Gelb  in  Weiß,  dann  den  von  Gelb  in  Oraniengelb  und  Rot,  auch 
von  Rot  in  Violett,  auch  Rückbildung  von  Rotgelb  und  Rot  in  Braungelb  hervorhob'-), 
auf  Grund   von   klimatischen  Verhältnissen ,  im  besonderen    in  Folge   der  Einwirkung 


1)  M.  Standfuss  bemerkt  a.  a.  0.  S.  2S  ff.  und  S.  3-2  IT. :  Wenn  wir  das  Kleid 
in  vollkommener  Ruhestellung  verharrender  Schmetterlinge  mit  den  Farbenverhält- 
nissen der  Plätze  vergleichen,  welche  die  Art  zu  längerem  Absitzen  oder  für  die  Zeit 
ihres  Schlafes  zu  wählen  pflegt,  so  lasse  sich  wohl  für  die  größere  Hälfte  aller  Falter 
eine  mehr  oder  weniger  weitgehende  Färbungsanalogie  zwischen  beiden  nachweisen. 
Viele  andere  aber  entbehren  solcher  Ähnlichkeit  vollkommen,  auch  ohne  daß  sie 
andere  Schutzmittel  hätten. 

2  Vgl.  u.  a.  >Artl)ildung  und  Verwandtschaft  bei  den  Schmetterlingen«  I.  S.  35,  36, 
C3,   187.   488,  238.   II.   S.  27.   30.   31,    46. 


Ursachen  verschiedener  Zeichnungs-  und  Farbenfolge.  335 

größerer  Wärme,  wie  mir  der  Horadimorphismus  und  die  künstlichen  Wärmeversuche 
mit  PapiUo  Ajax  bestätigten.  Einzelheiten  bestimmten  Farbenersatzes  springen  ja  in 
die  Augen:  so  der  von  Weiß,  Gelb  und  Rot  bei  vielen  Pieriden,  von  Grün,  Rot,  Blau, 
Schwarz  bei  vielen  Lycaeniden.  Weiteres  Überblicken  der  Arten  der  einzelnen  Familien 
zeigte  mir,  daß  eine  bestimmte  Farbenfolge  allgemein  gesetzmäßig  herrschend  ist. 

Inzwischen  hat  auch  Herr  StandfussI)  den  Ersatz  einzelner  Farben  durch  andere 
an  verschiedenen  Arten  hervorgehoben.  Er  bemerkt,  daß  am  häufigsten  Rot  und 
Gelb  wechselt,  wobei,  wie  er  meint,  das  Rot  bei  den  Heteroceren  durchweg  als 
Schreckfarbe  wirke,  und  er  sagt  hierzu:  es  scheine  dabei  eine  gewisse  Stufenleiter  in 
der  Farbenveränderung  vorzuliegen,  »deren  verschiedene  Grade  von  der  Einwirkung 
äußerer  Faktoren  abhängig  zu  denken  sein  dürften  und  auf  der  sich  die  Arten  je 
nach  dem  Wechsel  dieser  Faktoren  bald  in  aufsteigender,  bald  in  absteigender  Be- 
wegung befinden«.  Am  wahrscheinlichsten  wirkten  Unterschiede  der  Temperatur  und 
der  Nahrung.  Außerdem  hellte  sich  das  ursprüngliche  Grau  des  Hinterilügeis  der 
Heteroceren  zu  Weiß  auf,  in  anderen  Fällen  ging  es  wohl  in  Blau  über.  Dann  berührt 
Standfuss  den  Wechsel  von  Gelb  und  Weiß  bei  den  Co/m5-Arten  und  meint,  Weiß 
sei  die  ursprüngliche  Farbe  gewesen'-:.  »Es  dürfte  der  größere  Sonnenreichtum  und  die 
höhere  Temperatur  sein,  welche  die  Entwickelung  der  brennenderen  Farben  der 
Coliaden  begünstigt:  Colias  palaeno  var.  lapponica  Stgr.  ,  bis  nahe  an  das  Nordkap  in 
Finmarken  reichend,  ist  unzweifelhaft  ziemlich  der  fahlste  Typus,  und  C.  regia  Gr. 
Grsch.  von  Turkestan  (Kara-Sagin),  Pamir,  Transalai,  eine  der  südlichsten  Arten  der 
Gattung,  wohl  der  feurigste«.  Daß  die  weißen  Weibchen  der  mit  den  Coliaden  nahe 
verwandten  Rhodocera  rhamni  durch  hohe  Temperaturen  mehr  oder  weniger  in  die 
gelbe  Färbung  der  Männchen  übergeführt  werden  können,  sei  dieser  Annahme  günstig. 
Ferner  wird  die  Beziehung  von  Gelb  und  Braun  bei  Bombyx- Arten,  von  Braun 
und  Braunrot  mit  Grau  bei  anderen  Bombyciden.  von  Braun  oder  Braunschwarz  mit 
Blau  bei  Lycaenen  hervorgehoben. 


Schon  mit  den  in  diesem  Abschnitte  niedergelegten  Thatsachen  dürfte 
auch  die  bereits  vorn  auf  Seite  2  und  3  widersprochene  Behauptung  des 
Herrn  August  Weismann  (»Germinalselektion«  S.  9):  es  herrschten  keine 
Bildungsgesetze  bei  der  Zeichnung  und  Färbung  der  Schmetterlingsflügel; 
zwischen  oben  und  unten,  hinten  und  vorn  gehe  keine  Regel  durch,  es 
kämen  alle  möglichen  Kombinationen  vor,  im  Sinne  des  dem  Abschnitte 
vorangestellten  Begleitwortes  gründlich  erledigt  sein. 


1;  M.  Standfuss,  Handbuch  der  paläarkt.  Schmetterl.  S.  207  IT. 

-1  Nach  Vorstehenden  kann  ich  dies  so  allgemein  nicht  anerkennen. 


IX. 

Übergewicht  des  einen  Geschlechtes  (männliche  und  weib- 
liche Präponderanz:  Geschlechts-Dimorphismus).   Geschlecht- 
liche Zuchtwahl.    Entstehung  von  Augenzierden. 


»Denn  eben  dadurch  wird  die  Harmonie  des  or- 
ganischen Ganzen  möglich,  daß  es  aus  identischen 
Teilen  hesteht,  die  sich  in  sehr  zarten  Abweichungen 
modiflcieren.  In  ihrem  Innersten  verwandt,  seheinen  sie 
sich  in  Gestalt,  Bestimmung  und  Wirkung  auf's  wei- 
teste zu  entfernen,  ja  sich  einander  entgegenzusetzen, 
und  so  wird  es  der  Natur  möglich,  die  verschiedensten 
und  doch  nahe  verwandten  Systeme,  durch  Modifika- 
tion ähnlicher  Organe,  zu  erschaffen  und  ineinander 
zu  verschlingen.«  Goethe. 

A.  Übergewicht  des  einen  (jesclilechtes. 

Wenn  die  Geschlechter  der  Falter  verschieden  sind,  bezieht  sich  die 
Verschiedenheit  gewöhnlich  darauf,  daß  der  (^  in  Zeichnung  und  Farbe 
vorgeschritten  ist:  männliches  Übergewicht  oder  männliche  Präpon- 
deranz. Aber  auch  das  Umgekehrte  kommt  vor:  weibliche  Präpon- 
deranz. 

Der  Fortschritt  spricht  sich  in  den  meisten  Fällen  darin 
aus,  daß  das  eine  Geschlecht,  also  gewöhnlich  der  rf,  zu  einer 
höheren  Zeichnungsstufe  und  zur  Annahme  einer  höheren  Farbe 
der  Entwickelungsreihe  gediehen  ist. 

Und  zwar  sind  diese  höheren  Eigenschaften  häufig  die- 
selben, welche  verwandte  höher  stehende  Arten  in  beiden 
Geschlechtern  kennzeichnen. 

Eine  ähnliche  Beziehung  besteht  im  Fortschritt  zwischen  Unter- 
und  Oberseite.  Das  Weib  hat  häufig  auf  der  Oberseite  den  Zeich- 
nungstypus und  die  Farbe,  welche  der  Mann  auf  der  Unter- 
seite hat.  Auf  der  Oberseite  aber  ist  der  Mann  um  eine  weitere 
Stufe  vorgeschritten. 

Es  ist  diese  Gesetzmäßigkeit  des  Geschlechts -Dimorphismus  eine 
der  bemerkenswertesten  Thatsachen,  welche  ich  in  dieser  Arbeit  all- 
gemein  aufstellen  kann,   nachdem  ich  einige  hierhergehörige  Fälle  schon 


A.  Übergewicht  des  einen  Geschleclites.  337 


'& 


in  meiner  »Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den  Schmetterh'ngen« 
und  zwar  in  Beziehung  auf  Papilio  Bairdii  und  besonders  auf  P.  Turnus 
Glaucus  in  demselben  Sinne  verwertet  habe. 

Daß  dabei  dieEigenschaftendes  vorgeschrittenen  Geschlechts 
so  oft  übereinstimmen  mit  denen  einer  nächstverwandten  Art, 
weist  auf  große  Wichtigkeit  der  Geschlechtsunterschiede, 
bezw.  der  Umbildbarkeit  derselben  für  die  Entstehung  von 
Arten  hin.  Und  zwar  sind  die  äußeren  Ursachen  der  Umbildung  nach 
dem  Beispiel  von  P.  Turnus  Glaucus  und  den  bekannten  Wirkungen  von 
Wärme  und  Kälte  auf  die  Zeichnung  und  Farbe  der  Schmetterlinge  wahr- 
scheinlich wesentlich  klimatische  Einflüsse.  Es  handelt  sich  dabei  offen- 
bar um  auf  die  geschlechtliche  Natur  der  Falter  durch  solche  Einflüsse 
bewirkte  kaleidoskopische  Korrelation. 

Sehr  merkwürdig  ist  aber,  daß  die  vorgeschrittene  geschlechts- 
dimorphe Form  in  einzelnen  Fällen  Eigenschaften  aufweist,  welche  nicht 
nahestehende,  sondern  sehr  fern  stehende  Arten  zeigen.  Es  kann  dies 
auf  Homoeogenesis  oder  auf  Heterhodogenesis  beruhen.  Es  liegt  darin 
die  Erklärung  der  Entstehung  mancher  jener  Ähnlichkeiten,  für  deren 
Deutung  als  Mimicry  jeder  Anhaltspunkt  fehlt:  Pseudo-Mimicry  auf 
Grund  geschlechtsdimorpher  sprungweiser  Umbildung^). 

Es  dürfte  der  Geschlechts-Dimorphismus  auf  Grund  sprungweiser 
(kaleidoskopischer)  Umbildung  bei  der  Entstehung  der  Arten  überhaupt 
eine  große  Rolle  spielen  und  gespielt  haben  und  ich  bin  überzeugt,  daß 
diese  Voraussetzung  sehr  der  Beachtung  weiterer  Untersuchungen  zu 
empfehlen  ist. 

Den  Umstand,  daß  der  Mann  dabei  die  herrschende  Rolle  spielt 
und  daß  überhaupt  die  männliche  Präponderanz  auch  sonst  vorherrscht, 
müssen  wir  wohl  durch  eine  feinere,  vorgeschrittenere,  d.  i.  zusammen- 
gesetztere chemisch-physikalische  Beschaffenheit  des  männlichen  Organis- 
mus zu  erklären  suchen,  denn  die  sprungweisen,  kaleidoskopischen 
Umbildungen,  auf  welchen  die  neuen  Gestaltungen  beruhen, 
erscheinen  eben  als  Ausdruck  neuer  chemischer  Verbindungen 
oder  physikalischer  Zusammenstellungen,  welche  die  Teilchen 
des  Organismus  eingehen  und  welche  auf  kleinste  äußere  An- 
reize erfolgen  können. 


1)  Man  kann  mir  einwenden  und  man  hat  dies  in  Bezieliung  auf  Turnus  Glaucus 
von  Seiten  des  Herrn  Sedg-snick-Minot  gethan,  es  sei  nicht  bewiesen,  daß  überhaupt 
Hahuatogenesis  in  den  von  mir  für  solche  in  Anspruch  genommenen  Fällen  vorliege: 
es  könnten  ja  Zwischenformen  verloren  gegangen  sein.  Aber  abgesehen  davon,  daß 
solche  Zwischenformen  nicht  gefunden  werden,  ist  die  sprungweise  Entstehung  des 
Turnus  Glaucus  bewiesen  dadurch,  daß  er  ohne  Übergänge  zuweilen  im  Gebiet  des 
gewöhnlichen  gelben  Turnus  Q  vorkommt.  Dasselbe  gilt  auch  u.  a.  für  P.  Polytes  Q 
(vgl.  das  Folgende),  insofern  als  dieses  ohne  Übergänge  zuweilen  den  fortgeschrittenen 
Typus  des  (5  annimmt.  Endlich  wird  die  sprungweise  Umbildung  in  Formen,  welche 
höher  oder  tiefer  stehenden  anderen  Arten  entsprechen,  vor  Augen  geführt  durch  die 
künstlichen  Temperaturversuche. 

Eimer,  Ortliogeuesis.  22 


338 


Übergewicht  des  einen  Geschlechtes.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 


nuDgen 


Eine  der  anziehendsten  und  wichtigsten  hierhergehörenden  Erschei- 
ist  der  auseinander  gehende  oder  divergierende  Ge- 
schlechts- Dimorphismus,  der  Fall,  daß  beide  Geschlechter  nicht  auf 
der  Stufe   tieferer   und    höherer   Entwickelung    stehen,    sondern   daß  sie 

oft  weit  auseinander  liegenden  Zeichnungstypen  an- 
daß  das  eine   Geschlecht   in    der   Umbilduns;    einen 


ganz  verschiedenen, 
gehören,  dergestalt, 
weiten  Sprung  gemacht  hat.  Immer  erscheint  aber  auch  hier  ein  ganz 
bestimmter,  bekannter  Typus  zum  Beweis  der  feststehenden  Gesetzmäßig- 
keit in  der  Krystallisation  der  Teilchen. 

Sehr  bemerkenswert  ist  ferner  als  überall  hervortretendes  letztes 
Endergebnis  der  Umbildung  die  Einfarbigkeit  und  zwar  zumeist 
düstere,  schwarze  Einfarbigkeit. 

Alle  Thatsachen  widersprechen  geschlechtlicher  Zuchtwahl,  alle  aber 
widersprechen  auch  irgendwelchem  Zwange  der  Anpassung  auf  Zeich- 
nung und  Färbung,  jedenfalls  der  Oberseile  der  Schmetterlingsflügel 
und  damit  jedem  Einfluß  derselben  auf  die  Entstehung  der  Artmerkmale. 

Im  Folgenden  will  ich  zuerst  die  hervorragendsten  Beispiele  des 
Geschlechts-Dimorphismus  bei  den  Papilioniden  aufführen,  sodann 
einige  hervorragende  Fälle  aus  anderen  Familien  besprechen;  im  Übrigen 
werde  ich  mich  darauf  beschränken,  eine  Übersicht  der  wichtigsten  im 
SxAUDiNGER'schen  Werke  abgebildeten  geschlechtsdimorphen  Falter  unter 
Hervorhebung  ihrer  maßgebendsten  Merkmale  zusammenzustellen. 

Papilioniden, 

Bei  Ornühoptera  Priamus  Richmondia  i)  hat  das  Weib  beiderseits  den 

großen  weißen  Flecktypus,  hin- 
ten unten  mit  teilweise  gelblichen 
Flecken.  Der  Mann  hat  unten 
denselben  Typus,  aber  mit  grünen 
und  teilweise  (besonders  hinten) 
safrangelben  Flecken.  Oben  ist 
er  fast  zeichnungslos  grün  und 
schwarz.  Der  (^  ist  also  gegen- 
über dem  Q  in  Zeichnung  wie  in 


Ornühoptera  Priamus  Richmondia  Gkat.  ^. 
1/2  der  nat.  Gr. 


Farbe    vorgeschritten.      Auf    der 


Abb.  21 

beigegebenen  Abbildung  217  der 
Ober-  und  Unterseite  von  0.  Priamus  Richmondia  giebt  die  Unterseite 
zugleich  ziemlich  den  Typus  der  weiblichen  Zeichnung  wieder. 

Bei  0.  Rhadamanilms'^)  ist  der  Mann  insofern  um  eine  Stufe  vor- 
gerückt, als  das  gelbe,  breite  Mittelfeld  der  Hinterflügel,  welches  beim 
Weib  nur  deren  inneren  Teil  einnimmt,  beim  Mann  sich  fast  über  die 
ganze  Fläche  derselben  ausgebreitet  hat. 

Der  Typus  des  Rhadamantkus  §  ist  derjenige  des  (f  von  0.  Hali- 
phron^),  nur  ist  hier  das  gelbe  Mittelfeld  der  Hinterflügel  noch  schmaler. 


1]  Staud.  Taf.  1. 


Ebenda. 


3)  St.  Taf.  2. 


A.  Übergewicht  des  einen  Geschlechtes. 


339 


Der  Typus  des  Rhadamanthus  (^  erscheint  noch  ein  bischen  weiter  vor- 
geschritten, als  der  des  Mannes  von  0.  Potnpeus  Cerberus^],  er  hat  nahezu 
Innenfeldl)ildung  2) . 

Das  Weib  von  P.  Polytes  und  das  von  P.  Nicanor^),  beiderseits  gleich, 
haben  auf  den  Hinterflügeln  einen  weißen  Alyattesfleck,  dahinter  rote 
Flecke  und  außerdem  rote  Bandflecke,  wie  z.  B.  die  Hectorgruppe  sie 
so  häufig  führt.  Die  Vorderflügel  der  Q  beider  Arten  haben  grauen 
Xuthus-Typns ^  mit  Beginn  von  Fächerzeichnung,  wie  er  dort  gleichfalls 
häufis  ist. 


Abb.  218. 
Papilio  Aegetis  Dos.  Q. 
1/2  Bat.  Gr. 


Abb.  219. 

Papilio  Polytes  L.  Q. 

'/z  nat.  Gr. 


Abb.  220. 

Papilio  Äfgnts  Dos.  (J. 

1/2  nat.  Gr. 


Nicanor  (^f  ^)  ist  vorgeschritten  zu  schwarzer  Einfarbigkeit,  mit  Aus- 
nahme von  weißen  Bandflecken  und  auf  den  Hinterflügeln  einem  weißen 
äußeren  Bandbinden-ähnlichen  Mittelfeld.  Er  ist  ebenfalls  beiderseits  nahe- 
zu gleich  gezeichnet  und  gefärbt:   divergierende  Umbildung. 

Ganz  ähnlich  wie  diese  beiden  Fälle  verhält  sich 
P.  Alphenor.  Als  Seltenheit  kommt  es  aber  bei 
Polytes  vor,  daß  das  Weib  den  fortgeschrittenen 
Typus  des  Mannes  angenommen  hat.  Ein  solches 
Q  ist  nebenstehend  (Abb.  221),  vorher  ein  gewöhnliches 
Q    von  der  Oberseite  abgebildet  (Abb.  219). 

Große  Ähnlichkeit  mit  diesen  vorgeschrittenen  Männern 
der  genannten  indischen  Falter,  bezw.  mit  dem  vorge- 
schrittenen  Weib  von  Pohiles,  hat  der  südamerikanische 

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P.  Hipparchus  ^].  p^,^,.,,.,  p,,^^,,  j,.  c 

Das  Q  des  neuholländischen  P.  Aegeus^)  ist  dem  m;""is  coiore  1/2  nat.  Gr 
von  Nicanor  in  den  Grundzügen  der  Zeichnung  ähnlich,  es  ist  aber  der 
Alyatte8-¥\eck  des  letzteren  zu  einem  weißen  Innenfeld  vergrößert(Abb.2 1 8). 
Noch  ähnlicher  ist  ihm  P.  Deiphontes  Q  von  den  Molukken '  .    Demselben 


1)  Staud.  Taf.  2. 

-;  Bei  0.  Amphrysus  ist  diese  Entwickeliingsrichtung  noch  weiter  vorgeschritten, 
indem  fast  ganz  einfarbige,  gelbe  Hintertlügel  vorhanden  sind. 


3;  St.  Taf.  3. 

7)  St.  Taf.  3. 


4)  Ebenda. 


5]  St.  Taf.  1  3. 


6)  St.  Taf.  4. 


22* 


340  Obergewicht  des  einen  Geschlechtes.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 

Typus  (überall  vorne  mit  Fächerzeichnung)  gehören  die  meisten  O  von 
P.  Memnon  (Sunda-Inseln),  Äscalaphus  (Celebes)  und  Deipliobus  (Amboina 
und  Ceram)  an. 

Bei  allen  diesen  Faltern  mit  Ausnahme  von  Aegeus  ist  der  q^  oben 
fast  einfarbig  schwarz  geworden,  abgesehen  von  einer  grauen  oder  bläu- 
lichen Randbinde  auf  den  Hinterflügeln,  und  die  Fächerzeichnung  ist 
auch  auf  die  Hinterflügel  übergegangen^).  Der  (^  ist  also  überall  sehr 
vorgeschritten  und  zwar  erscheint  dieser  männliche  Charakter  als  eine 
Fortbildung  desjenigen  beider  Geschlechter  bei  P.  Polymneslor  aus  Ost- 
indien und  Ceylon,  wie  auch  die  Eigenschaften  der  Unterseite  zeigen. 

Der  Q^  von  Aegeus  (Abb.  220)  ist  dagegen  zum  Schrägband-Typus  (in  der 
Hauptsache  Band  C)  vorgeschritten  und  der  Fortschritt  der  Hinterflügel 
äußert  sich,  abgesehen  von  gelb-grünlicher  statt  weißer  Farbe  und  des 
zum  Mittelfeld  verkleinerten  Innenfeldes  auch  hier,  wie  vorne,  in  fast  voll- 
kommener Schwarzfärbung.  Unten  sind  die  Hinterflügel  des  (^  einfarbig 
mit  Ausnahme  der  farbigen  (rot,  blau,  gelblich)  Randbandflecke. 

Dieser  männliche  .4(?^ei<5-Typus  stellt  oberseits  die  Eigenschaften 
beider  Geschlechter  von  Nephelus   (Celebes)  dar'-). 

Es  handelt  sich  auch  bei  diesem  Falter  um  wenigstens  teilweise 
divergierende  Umbildung  (Vorderflügel  des   Q  !). 

P.  Severus^)  (malayisches  Gebiet)  ist  oben  weiter  vorgeschritten  als 
Aegeus  (^,  indem  er  meist  das  Schrägband  der  Vorderflügel  verloren  hat: 
nur  beim  Q  kommt  es  zuweilen  verloschen  noch  vor;  unten  finden  sich 
noch  Reste  der  Randbandflecke.  P.  Helenus  (ebendaher)  endlich  ist  in 
beiden  Geschlechtern  zu  schwarzer  Einfarbigkeit,  nur  mit  gelbem  breitem 
Mittelfeld  auf  den  Hinterflügeln  vorgeschritten. 

Wir  kehren  noch  einmal  zu  dem  in  Nicanor  und  Polytes  vertretenen 
Alyattes-Typus  zurück,  indem  vs'ir  ausgehen  von  P.  Hectorides*).  Hier 
hat  der  Mann  ein  T/joas-ähnliches  Mittelfeld,  das  Weib  dagegen  ist  fast 
übereinstimmend  mit  P.  Agavus  Q  gezeichnet.  Agavus  aber  führt  durch 
die  Gestaltung  des  Mittelfeldrestes  der  Hinterflügel  zu  Polytes,  Nicanor, 
Aegeus,  d.  i.  also  zum  Alyattes  (J'-Typus,  wie  er  in  Mylotes,  Aeneides^) 
vertreten,  während  bei  Alyattes  q^  die  (rote)  Zeichnung  der  Hinterflügel 
mehr  aus  den  Randbändern  hervorgegangen  ist,  ebenso  bei  Sesostris 
u.  a.,  doch  läßt  sich  beides  nicht  trennen,  denn  bei  Alyattes  Q  ist  off"en- 
bar  ein  Teil  des  Mittelfeldes  in  dem  roten  Fleck  inbegriffen. 

Während  also  das  Weib  von  Hectorides  einerseits  zu  den  Alyattes 
führt,  der  Mann  an  dem  Mittelfeld-Typus  zugehörige  Formen  sich  an- 
schließt, findet  das  Weib  andererseits,  wie  gesagt,  den  vollkommensten 
Ausdruck  seiner  Zeichnungseigenschaften  bei  Agavus  (^  und  Q  und 
etwas  mehr  noch  zu  Hectorides  (^  hinneigend  bei  Lysithous^). 

Eine  ganz  andere  sehr  merkwürdige  Umbildung  bietet  auf  Grund 
w^eiblicher  Präponderanz  P.  Androgeos  dar").     Bei  diesem  gleichfalls 


1)  P.  Deiphontes  Staud.  Taf.  5.  2j  sr.  Taf.  4.  3j  Ebenda. 

4)  S.  Taf.  11.  5)  St.  Taf.  9.  6)  Ebenda.  ■?)  St.  Taf.  10. 


A.  Übergewicht  des  einen  Geschlechtes.  341 

südamerikanisclien  Falter  hat  der  Mann  oben  ein  gelbes  r^oa^-ähnliches 
3Iittelfeld  und  gleicht  überhaupt  sehr  diesem  Falter  (unten  ist  er  ähn- 
lich der  Unterseite  vom  Machaon  und  Xicthus^  nur  sind  die  Queradern 
weniger  schwarz  gefärbti.  Das  Weib  aber  ist  auf  den  Vorderflügeln, 
und  zwar  oben  und  unten,  zum  Schrägband-Typus  FG  vorgeschritten, 
ganz   ähnlich  Alyattes   2?    wo    das  Band    bald  FG,    bald  EFG   entspricht. 

Dasselbe  Band  ist  bei  P.  Laetitia  und  Lycortas  i)  auf  der  Unterseite  in  beiden 
Geschlechtern  vorhanden,  bei  P.  Bitias-)  ist  es  bei  beiden  etwas  weiter  hinten  gelegen 
(GH).     Alle  diese  Falter  schließen  sich  am  engsten  an  Androgeos   Q    an. 

Eine  besondere  Aufmerksamkeit  verdient  noch  das  Verhalten  von  Lycortas,  Lae- 
titia, auch  Cleotas,  auf  der  Oberseite  der  Vorderflügel.  Durch  Schmalerwerden  des 
Schrägbandes  und  Auflösung  desselben  in  Flecke  bezw.  Schwinden  von  dessen  innerem 
Teile  entsteht  ungefähr  die  in  unserer  Abbildung  HO  gegebene  Zeichnung;  während  bei 
Laetitia  gerade  dieses  innere  Bandstück  am  ausgesprochensten  bestehen  bleibt.  Die 
gesamte  Li/corto5-Zeichnung  der  Oberseite  aber  hat  andererseits,  otfenbar  homoeogene- 
tisch,  wiederum  große  Ähnlichkeit  mit  Formen  der  Aster ias-Gvnppe^]. 

Einen  merkwürdigen  Fall  von  weiblicher  Präponderanz  bietet  ferner 
Eurycus  Cressida^),  dessen  Weib  durch  Farbe  und  Zeichnung  der  Hinter- 
flügel ähnlich  Nicanor  Q  ist,  während  die  Vorderflügel  bis  auf  zwei, 
Resten  von  Binde  V/VI  und  VIII  entsprechende,  rimde  Flecke  durch  Ver- 
lorengehen der  Fächerzeichnung  rauchgrau,  fast  glasartig  geworden  sind. 
Das  Weib  hat  auf  beiden  Flügeln  diese  düstere  Einfarbigkeit  angenommen. 

Der  Mann  aber  (Abb. 222)  hat  in  den  zwei  schwarzen  runden  Flecken  auf 
glasartigen  Vorderflügeln  ein  vollkommenes  Gegenbild  bei  Parnassius  Mnemo- 
sijne  aberr.  melaina  (Abb. 223)  (aus  Bayern)  $,  und  hier  sind  auch  die  Hinter- 


Abb.  222.  Abb.  22:^. 

Eurycus  Cressida  F.  (5.  Parnassius  Miiemosyiic  L.  aberr.  melaina  Honr.  ^ 

flügel  glasartig  wie  beim  Weib  von  Cressida.  Der  Mann  von  melaina 
ist  auf  den  Vorderflügeln  w^eniger  in  jener  Entwickelungsrichlung  vor- 
geschritten; er  ist  ähnlich  der  gewöhnlichen  Mnemosyne,  welche  übrigens 


1)  Staud.  Taf.  iO.  2)  Ebenda. 

3)  z.  B.  mit  P.  Palamedes,  vgl.  meine  »Artbildung«  II.  Taf.  VIII.  Fig.  3,  4. 

4)  St.   Taf.  U. 


342  Übergewicht  des  einen  Geschlechtes.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 

dieselben  zwei  Flecke  hat,  nur  nicht  so  rund,  und  bei  beiden  ist  der 
Außenrand  der  Vorderflügel  glasartig,  das  Übrige  weiß. 

Bei  Set^icinus  Montela  aus  China ')  hat  das  Weib  noch  Ähnlichkeit 
mit  eigentümlich  vorgeschrittenen  Segelfaltern,  besonders  mit  Armandia 
Thaitina,  während  der  Mann  vorgeschrittenen  Parnassiern,  nämlich  solchen 
mit  viel  Zeichnung  ähnlich  geworden  ist.  Es  handelt  sich  also  hier 
wieder  um  divergierenden  Fortschritt. 

Die  geschlechtlich  dimorphen  Umbildungen  von  Merope  sind  schon 
beschrieben.  In  der  Zeichnung  sind  dort  die  cf  am  meisten  vorgeschritten, 
nahe  an  Einfarbigkeit;  sie  sind  schwefelgelb.  Die  Weiber  zeigen  ver- 
schiedene Stufen  des  Vorschreitens  der  Zeichnung  vom  Gea-Typus  aus- 
gehend zur  Bildung  eines  ausgebreiteten  Innenfeldes  der  Hinterflügel; 
ihre  Farbe  ist  weiß,  schwefelgelb  oder  rotgelb  oder  l)eides  oder  gar 
dreifarbig;  das  Rotgelb  des  Innenfeldes  bietet  die  vorgeschrittenste  Farbe. 

Endlich  erwähne  ich  die  bei  Turnus  Glaucus  und  Bairdii  beschriebenen 
Verhältnisse  mit  weiblichem  Fortschritt  zur  Einfarbigkeit,  wiederum  eine 
Entwickelungsrichtung  zeigend,  welche  in  der  .-isie/ms-Gruppe  in  aus- 
giebigem Maße  zur  Entstehung  von  Arten  geführt  hat. 

Eine  sehr  auffallende  Zeichnung  zeigt  die  Papilionide  Leptocircus 
virescens'^) ,  welche  sehr  ähnlich  ist  der  Erycinidengattung  Zeonia^).  Es 
handelt  sich  dabei  wieder  um  einen  hervorragenden  Fall  von  Homoeo- 
genesis,  von  welchem  übrigens  vorher  schon  die  Rede  gewesen  ist  (vgl. 
Abb.    199). 


Die  folgende  Zusammenstellung  zeigt,  wie  nicht  nur  bei  den  Papilio- 
niden,  sondern  bei  den  verschiedensten  anderen  Familien  der  Tagfalter 
in  der  Regel  der  Mann  dem  Weibe  jedenfalls  auf  der  Oberseite  in  Farbe 
und  Zeichnung  vorangeschritten  ist  und  zwar  häufig  um  einen  nächst- 
höheren Tj^us,  bezw.  um  eine  höhere  Farbenstufe,  und  wie  dann  häufig 
der  Mann  unterseits  noch  die  Eigenschaften  des  Weibes  hat.  Dazu 
kommen  zahlreiche  ausgesprochene  Fälle  von  auseinandergehender,  diver- 
gierender Entwickelung.  Unter  den  Pieriden  sind  hier  besonders  einige 
Delias  zu  nennen,  wie  D.  Aruna,  Candida,  die  grüne  chrysomelaena. 
Bei  letzterer  hat  das  Weib  beiderseits  Innenfeld,  oben  weißlich,  unten 
gelb  (vorn  gelb  und  weiß),  von  Schwarz  umrahmt,  mit  weißen  und 
gelben  Randflecken  und  Vorderflügel- Schrägbandflecken.  Der  Mann  ist 
unten  ebenso,  aber  auf  den  Hinterflügeln  mit  gelbem,  auf  den  Vorder- 
flügeln  mit  weißem  Innenfeld.  Dagegen  ist  er  oben  fast  einfarbig  weiß. 
Beide  zeigen  also  Dreistufigkeit,  besonders  der  Mann. 

Im  Übrigen  hat  das  Weib  bei  den  Pieriden  z.  B.  häufig  den  Hyale- 
Typus,  der  Mann  den  fc/u^a-Typus  oder  das  Q.  hat  noch  einen  Vorderflügel- 
Eckfleck  oder  eine  Spur  von  schwarzem  Rand,  der  Mann  ist  einfarbig  u.  s.w. 


1)  Staud.  Taf.  U.  2)  St.  Taf.  14.  3)  St.  Taf.  89. 


A.  Übergewicht  des  einen  Geschlechtes.  343 

Bei  Pereute  Charops  aber  besteht  das  merkwürdige  Verhältnis,  daß  das  Weib 
unten  und  oben  ein  rotgelbes  Schrägband  i)  hat,  unten  vorn  aber  vorgeschritten  ist 
gegen  oben  vorn,  weil  hier  noch  Eckflecke  vorhanden  sind,  welche  dort  fehlen.  Da- 
gegen ist  die  einfarbige  Oberseite  der  Hinterflügel  umgekehrt  in  der  dunkleren 
(schwarzbraunen)  Farbe  der  Unterseite  vorangeschritten. 

Die  Unterseite  der  Vorderfliigel  des  Weibes  ist  auch  der  des  Mannes  vorange- 
schritten in  der  Farbe  des  Schrägbandes,  denn  diese  ist  beim  Manne  citronengelb.  Die 
Unterseite  der  Hinterflügel  ist  dagegen  beim  Manne  in  der  dunkleren  Farbe  dem  Weibe 
vorangeschritten. 

Die  Oberseite  des  Mannes  ist  in  ähnlicher  Weise  wie  die  des  Weibes  gezeichnet, 
aber  grau.     Ebenso  sind  die  Hinterflügol  oben  einfarbig  grau. 

Ein  solches  Verhalten,  welches  in  wesentlichen  Dingen  die  gewöhn- 
liche Regel  vollkommen  umkehrt,  ist  eine  große  Ausnahme.  Allein  die- 
selbe erklärt  sich  offenbar  wesentlich  durch  Rückbildung  darin,  daß  die 
rotbraune  Farbe  des  Vorderflügelbandes  des  Weibes  gegenüber  der 
citronengelben  des  Mannes  hier  ein  Stehenbleiben  auf  einem  früheren, 
höheren  Standpunkt  der  Farbe  bedeutet.  Daß  die  Unterseite  der  Vorder- 
Qügel  bei  beiden  Geschlechtern  gegenüber  der  Oberseite  nur  ein  Schräg- 
band trägt,  beruht  allerdings  auf  Vereinfachung,  welche  aber  vielleicht 
Folge  mangelhafter  Übertragung  von  oben  nach  unten  ist. 


1)  S.  Abb.  180. 


344 


Überiiewicht  des  einen  Geschlechtes.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 


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B.  Bedeutung  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  u.  s.  w.  351 


B.  Bedeutniig  der  ^escliloclitliclieu  Zuclitwalil  für  die  Uml)ilduii,2:  der 
Schmetterlinge  und  besonders  für  den  Gesclilechts-Dimorpliismus. 

Es  ist  hier  der  Ort,  die  Frage  zu  behandeln,  welche  Stelle  etwa 
der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  für  die  Umbilduug  der  Schmetter- 
linge vorzüglich  im  Sinne  des  Geschlechts-Dimorphismus  zukommen 
könnte,  und  es  muß  diese  Frage  um  so  mehr  erörtert  werden,  als  Dar- 
win der  geschlechtlichen  Auslese  insbesondere  in  Beziehung  auf  die  ver- 
schiedene Färbung  der  beiden  Geschlechter  eine  sehr  große  und  maß- 
gebende Rolle  zugeschrieben  hat. 

Ich  halte  es  für  angezeigt,  Darwix  selbst  sprechen  zu  lassen.  Der- 
selbe widmet,  wie  er  hervorhebt,  beinahe  das  ganze  elfte  Kapitel  seiner 
»Abstammung  der  Menschen«  diesem  Gegenstande  allein  in  Beziehung 
auf  die  Schmetterlinge.     Er  sagt^): 

>Jedermann  muß  die  außerordentliche  Schönheit  vieler  Tag-  und  Nachtschmetter- 
linge bewundert  haben  und  wir  werden  zu  der  Frage  veranlaßt:  sind  diese  Färbungen 
und  verschiedenen  Zeichnungen  das  Resultat  der  direkten  Wirkung  der  physikalischen 
Bedingungen,  denen  diese  Insekten  ausgesetzt  gewesen  sind,  ohne  irgendwelchen 
daraus  fließenden  Vorteil?  oder  sind  nacheinander  auftretende  Abänderungen  ange- 
häuft und  entweder  als  Schutzmittel  oder  für  irgend  einen  unbekannten  Zweck  fest- 
gehalten worden,  oder  dazu,  daß  das  eine  Geschlecht  dem  anderen  anziehend  gemacht 
wurde?  Und  ferner,  was  ist  die  Bedeutung  davon,  daß  bei  den  Männchen  und 
Weibchen  gewisser  Species  die  Färbungen  sehr  verschieden  und  bei  den  beiden  Ge- 
schlechtern anderer  Species  gleich  sind?  « 

Bei  der  Iris,  dem  Aurorafalter  u.  s.  w.  unter  unseren  Schmetterlingen  sind  die 
Geschlechter  verschieden,  bei  anderen  sind  sie  gleich  in  Farbe. 

Bates  teilt  mit,  daß  er  von  der  südamerikanischen  Gattung  Epicalia  zwölf 
Arten  kennt,  von  denen  die  beiden  Geschlechter  an  denselben  Orten  schwärmen  und 
dies  ist  nicht  immer  bei  den  Schmetterlingen  der  Fall  ,  welche  daher  nicht  durch 
die  äußeren  Bedingungen  verschieden  beeinflußt  worden  sein  können.  Von  neun 
dieser  zwölf  Arten  gehören  die  Männchen  zu  den  brillantesten  von  allen  Schmetter- 
lingen und  weichen  so  bedeutend  von  den  vergleichsweise  einfachen  Weibchen  ab, 
daß  sie  früher  in  besondere  Gattungen  gestellt  wurden.  Die  Weibchen  dieser  neun 
Arten  sind  einander  in  dem  allgemeinen  Typus  ihrer  Färbung  ähnlich  und  sind  gleich- 
falls beiden  Geschlechtern  der  Arten  mehrerer  verwandter  Gattungen  ähnlich,  welche 
sich  in  verschiedenen  Teilen  der  Erde  finden.  W^ir  können  daher  schließen,  daß  diese 
neun  Arten  und  wahrscheinlich  alle  übrigen  Arten  dieser  Gattung  von  einer  vorelter- 
lichen Form  abstammen,  welche  in  nahezu  derselben  Weise  gefärbt  war.«  Bei  der 
zehnten  behält  das  Weibchen  noch  dieselbe  allgemeine  Färbung,  aber  das  Männchen 
ist  ihm  ähnlich.  Bei  der  elften  und  zwölften  Species  sind  die  Weibchen  fast  ebenso 
schön  gefärbt  wie  die  Männchen.  »Es  scheinen  also  bei  diesen  beiden  Arten  die 
hellen  Farben  der  Männchen  auf  die  Weibchen  übertragen  worden  zu  sein,  während 
das  Männchen  der  zehnten  Species  die  einfache  Färbung  sowohl  des  Weibchens  als 
der  elterlichen  Form  der  Gattung  entweder  beibehalten  oder  wiedererlangt  hat.  Die 
beiden  Geschlechter  in  diesen  drei  Fällen  sind  daher,  wenn  auch  in  einer  entgegen- 
gesetzten Art  und  Weise,  nahezu  gleich  gemacht  worden.« 

Bei  der  Gattung  Papilio  zeigt  sich  die  (auch  sonst  häufige)  Neigung,  »in  der 
Grüße  der  Verschiedenheit  zwischen  den  Geschlechtern  gradweise  Abstufungen  ein- 
treten zu  lassen«. 


1,  Darwin,  Abstammung  des  Menschen  I.  Kap.  ii.  Stuttgart  1878.  S.  403. 


352  Übergewicht  des  einen  Geschlechts.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 

15ei  unserer  Lycaena  ageslis  sind  beide  Geschlechter  gleich,  braun;  bei  L.  aegon 
ist  das  Weibchen  braun,  das  Männchen  blau;  bei  L.  arion  sind  beide  schön  blau, 
beim  Weibchen  nur  die  Flügelränder  etwas  trüber  und  die  schwarzen  Flecke 
deutlicher. 

Also  die  Männchen  sind  bei  den  Schmetterlingen  meist  schöner;  es  kommt  aber 
auch  der  umgekehrte  Fall  vor. 

»Aus  den  zahlreichen  Fällen  von  Abstufung  in  dem  Betrage  an  Verschiedenheit 
zwischen  den  Geschlechtern  und  aus  dem  Vorherrschen  desselben  allgemeinen  Typus 
der  Färbung  durch  die  ganze  Gruppe  hindurch  können  wir  schließen,  daß  es  im 
Allgemeinen  dieselben  Ursachen  gewesen  sind,  welche  die  brillante  Färbung  allein  der 
Männchen  bei  manchen  Species  und  beider  Geschlechter  in  mehr  oder  weniger  glei- 
chem Grade  bei  anderen  Species  bestimmt  haben.« 

Bates  1)  zeigte  durch  Vergleichung  von  Insekten  aus  tropischen  und  gemäßigten 
Gebieten,  daß  die  Verhältnisse  der  Tropen  für  den  Glanz  nicht  maßgebend  seien: 
zuweilen  bewohnen  also  glänzende  Männchen  und  einfache  Weibchen  einer  Art  das- 
selbe Gebiet,  ernähren  sich  von  demselben  Futter  und  haben  dieselben  Lebens- 
bedingungen. 

»Selbst  %Yenn  die  Geschlechter  einander  ähnlich  sind,  können  wir  kaum  glauben, 
daß  ihre  brillanten  und  schön  angeordneten  Farben  das  zwecklose  Resultat  einer 
besonderen  Beschaffenheit  der  Gewebe  und  eine  Folge  der  Einwirkung  der  umgeben- 
den Bedingungen  sind.« 

»Sobald  die  Farbe  zu  irgend  einem  specialen  Zwecke  modificiert 
worden  ist,  ist  dies,  und  zwar  bei  Tieren  aller  Arten,  so  weit  wir  es  beurteilen 
können,  zum  Zwecke  des  Schutzes  oder  zur  Bildung  eines  Anziehungs- 
mittels der  Geschlechter  aneinander  geschehen.« 

Dunkle  Flügeloberseite  wird  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  befähigen,  der  Beobach- 
tung und  der  Gefahr  zu  entgehen.  Gefahr  droht  den  Faltern  aber  haupt- 
sächlich im  Sitzen,  daher  ist  die  Unterseite  der  Tagfalter  häufig  an- 
gepaßt, bei  gewissen  Vanessae  u.  a.  z.  B.  an  die  Rinde  der  Bäume.  Dann  Kailima, 
welche  auch  noch  Kopf  und  Fühler  zwischen  den  geschlossenen  Flügeln  birgt.  Auch 
wenn  die  untere  Fläche  der  Flügel  glänzend  gefärbt  ist,  kann  sie  als  Schutzmittel 
dienen:  bei  Thecla  rnbi  gleichen  sie,  smaragdgrün,  den  jungen  Blättern  des  Himbeer- 
strauchs, auf  welchen  der  Schmetterling  im  Frühjahr  meistens  sitzt. 

»Es  ist  auch  merkwürdig,  daß  bei  sehr  vielen  Arten,  bei  denen  die  Geschlechter 
in  der  Farbe  der  oberen  Fläche  bedeutend  von  einander  abweichen,  die  untere  Fläche 
in  beiden  Geschlechtern  sehr  ähnlich  oder  identisch  gefärbt  ist  und  als  Schutzmittel 
dient  2).  « 

Zuweilen  können  aber  die  Farben  nicht  schützend  sein:  so  beim 
Citronenfalter  und  der  Aurora,  wo  Männchen  und  Weibchen  in  die  Augen  fallen,  die 
(5  aber  noch  schöner  sind  als  die  Q.  Prof.  Weismann  bemerkt  3),  daß  das  Weibchen 
einer  der  Lycaenen  die  braunen  Flügel  ausbreite,  wenn  es  sich  auf  den  Boden  setzt*) 


1)  Bates:  The  naturalist  on  the  Amazons.  Vol.  I.  4  863.  S.  i9. 
-)  G.  Fräser:  »Nature«  Apr.   1871.  489. 

3)  Einfluß  der  Isolierung  auf  die  Artbildung  -1872.  S.  58. 

4)  Diese  Angabe  ist  nicht  genau.  Die  Annahme  Weismann's  hätte  aber  allerdings 
dann  mehr  Sinn,  wenn  sie  genau  wäre,  nur  dann  könnte  man  von  Anpassung  reden: 
Weismann  spricht  (a.  a.  0.  S.  57)  davon ,  daß  die  Weibchen  der  Lycaenen  nicht  ge- 
schützt werden,  »aber  sie  haben  die  Gewohnheit,  meist  mit  halb  oder  ganz  geöffneten 
Flügeln  zu  sitzen«.  In  dieser  Stellung  werden  die  Eier  zwischen  die  Einzelkelche  von 
Kleeblumen  oder  anderen  schmetterlingsblütigen  Pflanzen  abgelegt«;  zehn  Minuten 
lang  beobachtete  er  das  Ablegen  weniger  Eier.  »Dann  folgte  wieder  eine  lange  Pause 
und  während  dieser  ganzen  Zeit  saß  das  Tier  mit  vollständig  ausge- 
breiteten Flügeln  still  da.  Bei  solchen  Lebensgewohnheiten«,  meint  Weismann, 
»muß  die  braune  Farbe  in  der  That   ein  Schutz   sein  und  wesentlich  dazu  beitragen, 


B.  Bedeutung  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  u.  s.  \v.  353 

und  dann  beinahe  unsichtbar  ist,  während  das  (5,  wenn  es  ruht,  seine  Flügel  schließt, 
als  wenn  es  wüßte,  welche  Gefahr  ihm  das  helle  Blau  der  oberen  Fläche  derselben 
brächte.  Also  kann  das  Blau  nicht  Schutzfarbe  sein.  Nichtsdestoweniger  ist 
es  wahrscheinlich,  daß  die  auffallenden  Farben  vieler  Species  in  einer 
indirekten  Weise  wohlthätig  sind,  indem  sie  zu  erkennen  geben,  daß 
die  Thiere  ungenießbar  sind. 


die  eierlegenden  Weibchen  ihren  lauernden  Feinden,  den  Spinnen  zu  verbergen«.  Ob  die 
Bläulinge  auf  braunem  oder  auf  blauem  Klee  saßen  und  sitzen,  sagt  uns  Herr  Weismann 
nicht,  ob  er  je  in  seinem  Leben  eine  Spinne  gesehen  hat,  welche  bei  Tage  einen  Schmetter- 
ling verfolgte,  sagt  er  auch  nicht.  An  einem  anderen  Orte  beruft  er  sich  ausdrücklich 
auf  Ausübung  und  Erfolg  der  Schmetterlingsjagd  durch  Spinnen  bei  Nacht,  frei- 
lich im  Zwinger.  Er  berührt  aljer  die  Frage,  ob  das  ÖtTnen  der  Flügel  bei  der  Eier- 
ablage nicht  eine  Folge  der  damit  verbundenen  kombinierten  Muskelbewegungen  sei 
oder  eine  im  Vertrauen  auf  die  schützende  Färbung  geübte  schlechte  Gewohnheit.  In 
beiden  Fällen  werde,  meint  er.  die  natürliche  Zuchtwahl  so  lange  jede  lilaue  Variation 
der  Weibchen  nicht  aufkommen  lassen,  als  sie  die  Gewohnheit  des  Flügelausljreitens 
nicht  aufgeben. 

Ich  brauche  nicht  hervorzuheben,  daß  auch  diese  sämtlichen  Vorstellungen  des 
Herrn  Weismann  nach  den  von  mir  mitgeteilten  Thatsachen  als  »fictive«  erscheinen, 
mit  Ausnahme  vielleicht  derjenigen  von  den  Muskelbewegungen  als  Ursache  der 
Flügelausbreitung. 

Nachschrift.  Zum  Zweck  der  Vergleichung  der  Anführung  Darwin's  hatte  ich, 
als  ich  Vorstehendes  schrieb,  nur  Seite  57  58)  in  der  Schrift  von  Weismann  nachge- 
sehen. Eine  Stunde  später  setzte  ich  mich  hin,  um  die  ganze  Schrift,  welche  ich  seit 
Jahren  nicht  in  der  Hand  gehabt  hatte,  durchzulesen.  Ich  fand  darin  zahlreiche 
Stellen  von  meiner  Hand  angestrichen  und  mit  Bemerkungen  versehen,  welche  der 
Übereinstimmung  meiner  Ansichten  mit  damaligen  des  Herrn  Weismann  Ausdruck  geben 
und  welche  wiederum  das  seither  so  reich  Ijetätigte  Bedürfnis  desselben  nach  voll- 
kommener Metamorphose  seiner  »Erkenntnisse«  aufs  Neue  bekunden  und  den  schon  in 
meiner  »Entstehung  der  Arten«  ausgesprochenen  Satz  abermals  bestätigen,  daß  ich 
den  früheren  Weismann  gegen  den  heutigen  verteidige.  Aber  ich  war  abermals  hoch- 
gradig überrascht,  auf  Seite  56,  also  unuiittelbar  vor  der  soeben  behandelten  Lehre 
vom  Geschütztsein  der  braunen  Lycaenen-Weibchen  auf  Klee  und  anderen  Schmetter- 
lingsblüten »vor  ihren  lauernden  Feinden,  den  Spinnen«  folgendes  zu  lesen:  »Ich  habe 
Tagschmetterlinge  in  einem  mit  Gaze  überzogenen  Zwinger  gehalten  und  war  oft 
überrascht  davon,  wie  viele,  besonders  von  gewissen  Arten  bei  Nacht  von  Spinnen 
lind  andern  Raubtieren  gefressen  wurden,  während  ich  nie  bemerkte,  daß  dies 
im  hellen  Sonnenschein  geschehen  wäre(!).  Die  Tagschmetterlinge  sind  aber 
nicht  nur  am  Tage  auf  der  Hut,  sondern  sie  sind  auch  am  Tage  weniger  Angriffen 
ausgesetzt.«  Folgt  der  Satz,  welchen  ich  nachträglich  noch  vorne  gleich  Anderem 
verwerten  konnte,  daß  Vögel  sich  in  unseren  Breiten  gewiß  nur  ausnahmsweise  mit 
dem  Fang  der  Schmetterlinge  im  Fluge  abgeben  und  daß  keine  schützenden  Färbungen 
der  nur  beim  Flug  sichtbaren  Oberseite  der  letzteren,  noch  viel  weniger  ganz  ins 
Specielle  gehende  Anpassungen  in  der  Zeichnung  derselben  erwartet  werden  können. 
—  Es  fehlt  uns  nun  noch  Auskunft  über  die  oben  gestellte  Frage,  ob  Herr  Weismann 
überhaupt  je  gesehen  hat,  wie  eine  Spinne  in  der  freien  Natur  iu  unseren  Breiten  einen 
Schmetterling  verfolgte,  oder  auf  ihn  lauerte,  und  daß  so  auch  nur  die  geringste  Be- 
rechtigung gegeben  ist,  zu  sagen,  es  könne  auf  solche  Verfolgung  eine  Schutzfärbung 
begründet  werden. 

Herr  Weismann  giebt  zudem  viel  auf  seine  bezüglichen  Ansichten,  denn  er  kommt 
auf  den  Fall  wiederholt  in  späteren  Schriften  zurück.  Dabei  versäumt  er  aber  Kritik 
daran  in  dem  Sinne  zu  üben,  daß  die  Biologie  eines  Zwingers  doch  unmöglich  mit 
derjenigen  der  freien  Natur  ohne  weiteres  zusammengestellt  oder  verglichen  werden 
darf,  was  schon  Herr  Schilde  als  »Naivetät«  bezeichnet  hat. 

Eimer,  Orthogenesis.  23 


354  Übergewicht  des  einen  Geschlechtes.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 

Bei  Anthocharis  sara  von  Kalifornien  hat  auch  das  Q,  wenngleich  blasse,  rote 
Flügelspitzen,  bei  Iphias  Glancippe  vollkommen  oranienrote.  Die  Unterseite  gleicht  in 
letzterem  Fall  aber  einem  Blatte,  bei  der  gewöhnlichen  Aurora  dem  Blütenkopf 
der  wilden  Petersilie,  auf  welcher  man  dieselbe  häulig  sich  zur  Nachtruhe  nieder- 
lassen sehen  kanni).  Aber  wenn  die  Flügelspitzen  und  zwar  nur  beim  Männchen 
gelbrot  sind,  so  kann  dies  kein  Schutz  sein. 

Die  gemeinen  Gelbhandeulon  {Triphaena  fliegen  oft  am  Tage  und  sind  dann 
wegen  der  Farbe  der  lliuterllügel  sehr  auffallend.  »Man  würde  natürlich  hier  denken, 
daß  dies  eine  Quelle  der  Gefahr  sei,  aber  Herr  Jennku  Weir  glaubt,  daß  es  ein  Mittel 
zur  Sicherung  ist.  Eine  Triphaena  pronuba  in  einem  Vogelhaus  wurde  von  einem 
Rotkelchen  erst  nach  etwa  50  Versuchen  gefangen,  weil  »sich  die  Aufmerksamkeit  des 
Vogels  auf  die  gefärbten  Flügel  richtete«,  indem  Stückchen  der  Flügel  abbrechen'-. 

Es  folgt  die  Ansicht  von  W.\llace,  daß  die  großen  Flügel  Schutz  seien,  wie  ich 
das  gleichfalls  ausgesprochen  habe  3). 

Im  Übrigen  sind  die  Nachtschmetterlinge  im  Gegensatz  zu  den  Tag- 
schmetterlingen auf  der  Oberseite  meist  geschützt. 

Dann  heißt  es  wieder,  daß  helle  Farben  zur  Nachtzeit  nicht  sichtbar 
sind.  Aber  die  Nachtschmetterlinge  gewisser  Familien  (z.  B.  Zygaeniden,  mehrere 
Sphingiden,  Uraniiden,  einige  Arctiiden  und  Saturniiden)  lliegen  am  Tag  oder  Abend 
und  viele  derselben  sind  außerordentlich  schön  und  viel  glänzender  gefärbt  als  Nachts 
fliegende.  Einige  wenige  Fälle  von  glänzend  gefärbten  Nachttliegern  sind  aber  bekannt 
(z.  B.  Lithosia). 

Ferner  wird  hervorgehoben,  daß  viele  Tagfalter  abwechselnd  die  Flügel  heben 
und  senken,  wenn  sie  sitzen,  und  daß  die  Unterseite  oft  viel  glänzender  gefärbt  ist 
als  die  Oberseite.     Bei  Argynnis  aglaja  hat  nur  die  erstere  Silberflecke. 

Aber  die  Oberseite  sei  meist  glänzender  und  verschiedenartiger  gefärbt  als  die 
untere,  die  Oberseite,  »welche  wahrscheinlich  die  vollständiger  expo- 
nierte ist«. 

Fritz  Müller  teilt  mit:  in  der  Nähe  seines  Hauses  fliegen  drei  Castnia-kviQiv. 
zwei,  deren  Hinterflügel  beim  Ruhen  bedeckt  sind,  haben  dunkle  Hinterflügel,  eine; 
wo  sie  ausgebreitet  werden,  hat  glänzende. 

Einige  Nachtschmetterlinge  sind  unten  glänzender  gefärbt  als  oben:  einige  Geo- 
metren  und  Noctuen  (M.  Trlmen.  Einige  dieser  haben  die  Gewohnheit,  »ihre  Flügel 
vollständig  aufrecht  über  ihrem  Rücken  zu  halten  und  in  dieser  Stellung  eine  be- 
trächtliche Zeit  zu  bleiben«. 

Bei  keinem  glänzend  gefärbten  britischen  Nachtschmetterling  und  bei  kaum 
einem  ausländischen  sind  die  Geschlechter  in  Färbung  bedeutend  von  einander  ver- 
schieden. Eine  Ausnahme  bildet  die  amerikanische  Saturnia  Jo,  wo  das  (5  schönere 
Vorderflügel  hat. 

»Nach  den  verschiedenen  im  Vor  steh  enden  erwähnten  Thatsachen«. 
schließt    Darwin,    »ist    es    unmöglich     anzunehmen,     daß     die     brillanten 


1)  Wood:   »The  Student«   Sept.  1868.  81. 

2)  Hingegen  könnte  man  fragen,  ob  nicht  die  Triphaena  ohne  die  gelben  Flecke 
vielleicht  gar  nicht  von  dem  Vogel  verfolgt  worden  wäre,  weil  sie  ohne  dieselben 
seine  Aufmerksamkeit  nicht  so  sehr  auf  sich  gezogen  hätte.  Ferner  ob  sie  nicht  nur 
zum  Zeitvertreib  vom  Vogel  im  Zwinger  so  lange  verfolgt  worden  ist?  Jedenfalls 
berichtet  D.^rwin  an  einer  anderen  Stelle  (Abstammung  des  Menschen  I.  Stuttgart  1878. 
S.  410,:  Herr  Weir,  welcher  diese  Beobachtung  gemacht,  »versuchte  dasselbe  Experi- 
ment in  freier  Luft  mit  einer  Triphaena  fimbria  und  einer  Schwalbe,  aber  die  be- 
deutende Größe  dieser  Motte  verhinderte  wahrscheinlich  ihr  Gefangenw'erden«  (West- 
minster  Review  July  1867.  S.  16). 

3)  Bereits  in  meiner  »Entstehung  der  Arten«  I;  ich  sagte  dort  i'S.  126^:  »Wenn  ich 
nicht  irre,  hat  ein  anderer  Naturforscher  schon  irgendwo  diese  Ansicht  ausge- 
sprochen«. 


B.  Bedeutung  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  u.  s.  \v.  355 

Farben  von  Tagschraetterlingen  und  einigen  wenigen  Nachtfaltern  inn 
Allgemeinen  zum  Zwecke  des  Schutzes  erlangt  worden  seien.  Ich 
werde  daher  zu  der  Vermutung  geleitet,  daß  die  Weibchen  im  Allge- 
meinen die  glänzender  gefii  ritten  Männchen  vorziehen  ...  denn  nach  jeder 
anderen  Annahme  würden  die  (5,  soweit  wir  sehen  können,  zu  gar  keinem  Zwecke 
geschmückt  sein.« 

Darwin  meint,  die  Werbung  sei  eine  sehr  langwierige  Angelegenheit.  Butler 
teile  ihm  mit,  daß  oft  eine  Viertelstunde  lang  das  Männchen  das  Weibchen  umfliege 
und  es  doch  sein  Ziel  nicht  erreiche:  »das  Weibchen  wies  es  hartnäckig  zurück  und 
ließ  sich  zuletzt  auf  die  Erde  nieder,  schloß  seine  Flügel  und  entging  so  seinen 
Annäherungen«. 

Die  Weibchen  werden  bestimmte  Männchen  vorziehen.  Wenn  dies  die  schöneren 
sind,  so  werden  die  Farben  der  letzteren  gradweis  glänzender  geworden  sein  und 
sich  auf  ein  oder  auf  beide  Geschlechter  vererbt  haben  »je  nach  dem  gerade  vorherr- 
schenden Gesetze  der  Vererbung«.  Dies  wird  dadurch  begünstigt  werden,  daß  die 
Männchen  vieler  Lepidopteren  die  Weibchen  an  Zahl  bedeutend  übertreffen. 

Die  dem  entgegenstehende  Thatsache,  daß  Weibchen  häufig  mit  abgeflogenen, 
abgeblaßten  oder  schmutzigen  Männchen  in  Paarung  getroffen  werden ,  soll  dadurch 
Entkräftung  finden,  daß  dies  in  vielen  Fällen  nicht  ausbleiben  könne,  w-eil  die  Männ- 
chen früher  ausschlüpfen  als  die  Weibchen. 

Auch  wird  zugegeben,  daß  bei  Bombyciden,  wo  die  Paarung  unmittelbar 
nach  dem  Ausschlüpfen  stattfindet.  z.B.  bei  B.  mori,  keine  Wahl  stattfinde; 
trotzdem  haben  sie  elegante  und  bunte,  uns  schön  erscheinende 
Schattierungen. 

Also  die  Weibchen  sollen  sonst  die  Männchen  auswählen,  weil  diese  letzteren 
meist  viel  zahlreicher  sein  sollen  als  die  ersteren. 

Es  kommt  aber  auch  vor,  daß  die  Weibchen  glänzender  sind  als  die  Männ- 
chen: »hier  haben,  wie  ich  glaube,  die  Männchen  die  schöneren  Weibchen  gewählt 
und  haben  dadurch  langsam  die  Schönheit  erhöht«,  meint  Darwin;  ferner  sagt  er: 
»Wir  wissen  nicht,  warum  in  verschiedenen  Klassen  des  Tierreichs  die  Männchen 
einiger  weniger  Species  die  schöneren  Weibchen  erwählt  haben,  statt  mit  Freuden 
irgend  ein  Weibchen  zu  nehmen,  was  im  Tierreich  die  allgemeine  Regel  zu  sein 
scheint;  wenn  aber,  im  Gegensatz  zu  dem,  was  allgemein  bei  den  Lepidopteren  der 
Fall  ist,  die  Weibchen  zahlreicher  wären  als  die  Männchen,  so  würden  wahrscheinlich 
die  letzteren  die  schöneren  Weibchen  aussuchen«. 

Bei  Callidryas  sind  die  Weibchen  so  schön  wie  die  Männchen  oder  schöner. 
Nur  die  Weibchen  zweier  unserer  T/iec/a-Arten  haben  einen  hellpurpurnen  oder  gelb- 
roten Fleck  auf  den  Vorderflügeln;  ebenso  hat  das  Q  vom  Hipparchia  Janira  einen 
auffallenden  hellbraunen  Fleck  auf  den  Flügeln  und  einige  Weibchen  anderer  Arten 
sind  heller  gefärbt  als  die  Männchen.  Die  Weibchen  von  Colias  edusa  und  hyale  haben 
orange  oder  gelbe  Flecke  auf  dem  Randsaum,  bei  Pieris  haben  die  Weibchen  schwarze 
Flecke  auf  den  Vorderflügeln. 

Dies  ist  nach  meiner  Darlegung  ein  Rest  aus  ursprünglicherer  Zeichnung.) 

Bei  Pieris  tragen  die  Weibchen  beim  Hochzeitsflug  die  Männchen  statt  umge- 
kehrt wie  sonst,  »so  daß  wir  annehmen  dürfen,  daß  sie  dies  auch  bei  der  Werbung 
thun.  In  diesem  Falle  können  wir  sehen,  woher  es  kommt,  daß  sie  die  schöneren 
geworden  sind«. 

Wie  wir  sahen,  handelt  es  sich  in  dieser  Schönheit  der  Weibchen  nur  um  Reste 
niedrigerer  Entwickelungsstufen.i 

Herr  Meldola,  dem  die  vorstehenden  Angaben  entnommen  sind,  sage,  obschon  er 
von  der  Wirksamkeit  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  beim  Hervorbringen  der  Farben 
von  Insekten  nicht  überzeugt  sei,  könne  doch  nicht  geleugnet  werden,  daß  diese 
Thatsachen  Herrn  D.\rwi>'s  Ansicht  auffallend  bestätigen. 

Da  aber  geschlechtliche  Zuchtwahl  in  erster  Linie  von  Varia- 
bilität abhängt,  so  wird  hervorgeholten,  daß  hier  in  Beziehung  auf  die 
Farbe  keineSchwierigkeit  bestehe,  wciläußerstvariableLepidopteren 

23* 


356  Übergewicht  des  einen  Geschlechtes.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 

in  beliebiger  Anzahl  angeführt  werden  können.    Zuweilen  ist  die  Variabilität 
mehr  auf  das  Q,  zuweilen  mehr  auf  das   (5   beschränkt. 

Eine  Schwierigkeit  für  die  Erklärung  durch  geschlechtliche  Zuchtwahl  bieten 
die  Augenflecke,  welche  sehr  variabel,  aber  niemals  in  dem  einen  Geschlecht  vorhan- 
den sind,  im  andern  fehlen,  niemals  auch  in  ])eiden  Geschlechtern  sehr  verschieden 
sind.     »Diese  Thatsache  ist  für  jetzt  unerklärlich«. 

W.VLLACE  meine,  die  Verschiedenheiten  seien  dadurch  erzielt,  daß  die  Weibchen 
zum  Zwecke  des  Schutzes  dunkle  Farben  erlangt  haben,  Dauwix  meint  umgekehrt, 
daß  die  Männchen  durch  geschlechtliche  Zuchtwahl  abgeändert  wurden.  »Doch  will 
ich  nicht  leugnen ,  daß  allein  die  Q  einiger  Arten  speciell  zum  Zwecke  des  Schutzes 
modiliciert  worden  sein  können.  In  den  meisten  Fällen  werden  die  Männ- 
chen und  Weibchen  verschiedener  Arten  während  ihrer  längeren 
Larvenzustände  verschiedenen  Bedingungen  ausgesetzt  gewesen  und 
können  hierdurch  indirekt  beeinflußt  worden  sein.  Doch  wird  bei  den 
5  jede  unbedeutende  Veränderung  der  Farbe,  die  hierdiirch  hervor- 
gerufen wurde,  meistens  durch  die  mittelst  sexueller  Zuchtwahl  er- 
langten brillanten  Färbungen  maskiert  worden  sein«. 

Das  Ergebnis  wird  davon  abhängen,  »ob  eine  größere  Zahl  von  Weibchen  es 
erreicht,  zahlreiche  Nachkommen  zu  hinterlassen,  weil  sie  durch  dunkle  Farben  geschützt 
waren  oder  eine  größere  Zahl  von  (5  ,  weil  sie  heller  gefärbt  waren  und  dadurch 
Genossinnen  fanden«. 

W^\LLACE  meint,  um  die  häufige  Überlieferung  von  Charakteren  auf  ein  Geschlecht 
allein  zu  erklären,  müsse  angenommen  werden,  daß  die  gewöhnlichere  Form  der 
gleichmäßigen  Vererbung  auf  beide  Geschlechter  durch  natürliche  Zuchtwahl  in  eine 
Vererbung  auf  ein  Geschlecht  allein  verändert  werden  kann.  Darwin  vermag  aber 
keine  diese  Ansicht  begünstigenden  Belege  zu  finden:  wir  wissen  auf  Grund  der 
Thatsachen  der  Domestication,  daß  neue  Charaktere  oft  von  vornherein  auf  ein  Ge- 
schlecht allein  überliefert  wurden. 

Zum  Schluß  sagt  D.^^rwin,  die  Vererbung  werde  durch  so  viele  unbekannte 
Gesetze  oder  Bedingungen  bestimmt,  daß  sie  uns  in  ihrer  Wirkung 
äußerst  launisch  erscheine  und  insoweit  können  wir  wohl  einsehen,  woher  es 
kommt,  daß  bei  nahe  verwandten  Species  die  Geschlechter  entweder  in  einem  er- 
staunlichen Grade  von  einander  abweichen  oder  in  ihrer  Färbung  identisch  sind. 

Endlich  folgt  aber  auch  die  Berührung  der  Thatsache,  daß  sich  so  häutig  eine 
Reihe  feiner  Abstufungen  von  außerordentlich  großer  Verschiedenheit 
bis  zu  einem  durchaus  nicht  verschiedenen  Zustande  zwischen  den 
Geschlechtern  verwandter  Arten  zeigt:  da  die  aufeinander  folgenden  Stufen 
der  Umbildung  notwendig  sämtlich  durch  die  Q  hierdurch  überliefert  werden,  so 
kann  sich  eine  größere  oder  geringere  Anzahl  solcher  Veränderungszustände  bei  diesen 
leicht  entwickeln. 

»Diese  Fälle  von  Abstufungen  sind  viel  zu  häufig,  um  die  Vermutung  zu  be- 
günstigen, daß  wir  hier  Q  vor  uns  sähen,  welche  faktisch  den  Proceß  des  Über- 
gangs darböten  und  ihre  glänzenden  Farben  zum  Zwecke  des  Schutzes  verlören. 
Denn  wir  haben  allen  Grund  zu  schließen,  daß  in  einer  jeden  gegebe- 
nen Zeit  die  größere  Zahl  der  Species  sich  in  einem  fixierten  Zu- 
stande befindet.« 


Die  vorstehende  Darstellung  Darwin's  giebt  so  recht  ein  Beispiel  ab 
für  die  Art  und  den  Grad  des  Unterschieds  seiner  Anschauungen  gegen- 
über den  von  mir  vertretenen,  nicht  etwa  nur  in  Beziehung  auf  die 
Ursachen  der  Umbildungen  der  Schmetterlinge,  sondern  in  Beziehung 
auf  die  Umbildung  der  gesamten  organischen  Natur  und  insbesondere 
auf  die  Entstehung  der  Arten. 


B.  Bedeutung  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  u.  s.  w.  357 

Darwin  verkennt  nicht,  daß  »die  geschlechtliche  Zuchtwahl  in  erster 
Linie  von  Variabilität  abhängt«.  Die  geschlechtliche  Zuchtwahl  muß 
auslesen  können  aus  vorhandenen  Zuständen  verschiedener  Art  und 
diese  sind  vorhanden,  »da  äußerst  variable  Lepidopteren  in  be- 
liebiger Anzahl  vorgeführt  werden  können«.  Er  kommt  damit 
auf  den  auch  sonst  von  ihm  vertretenen,  vom  Afterdarvvinismus  mit 
besonderem  Nachdruck  aufgenommenen  Satz,  daß  stets  Abänderungen 
genug  vorhanden  seien,  um  der  Auslese  die  Möglichkeit  des  Ein- 
greifens an  die  Hand  zu  geben,  ein  Satz,  welcher  durch  die  That- 
sachen  der  Orthogenesis  vollkommen  zurückgewiesen  wird.  Denn  diese 
zeigen  ja,  daß  die  Umbildung  überall  nur  nach  wenigen  bestimmten 
Richtungen  geschieht. 

Es  sind  diese  Abänderungen  nach  Darwix  vielmehr  zufällige,  nach 
den  verschiedensten  Richtungen  hin  entstandene.  Von  einer  gesetz- 
mäßigen Umbildung  weiß  derselbe  nichts.  Im  Gegenteil  sagt  er,  die 
Vererbung  werde  durch  so  viele  unbekannte  Gesetze  oder  Bedingungen 
bestimmt,  daß  sie  in  ihrer  Wirkung  äußerst  launisch  erscheine,  woraus 
eben  erklärt  wird,  daß  bei  nahe  verwandten  Species  die  Geschlechter 
sich  in  Beziehung  auf  Ähnlichkeit  so  verschieden  verhalten. 

Wohl  erkennt  Darwin  die  Thatsache,  daß  sich  häufig  feine  Ab- 
stufungen zwischen  den  verschiedenen  Formen  finden,  und  sucht  sie  zu 
erklären  durch  eine  Wendung,  welche  der  Sache  nicht  auf  den  Grund 
geht  und  nicht  mehr  als  eine  leicht  hingeworfene  Annahme  bedeutet. 

Und  er  kommt  zu  einem  Schluß,  welcher  v\"iederum  den  durch  mich 
festgestellten  Thatsachen  vollkommen  widerspricht:  die  Abstufungen  sollen 
keine  Übergänge  zwischen  Arten  darstellen,  »weil  wir  allen  Grund  haben 
zu  schließen,  daß  in  einer  gegebenen  Zeil  die  größere  Zahl  der  Species  sich 
in  einem  fixierten  Zustand  befindet«  —  ein  Satz,  auf  den  er  auch  wieder- 
holt großes  Gewicht  legt,  weil  er  Anpassung  braucht.  Das  Letztere  schließt 
gewiß  nicht  aus,  daß  die  Abstufungen  da,  wo  sie  vorkommen,  doch  Über- 
gänge zu  Varietäten  und  von  diesen  zu  Arten  darstellen,  wie  ich  das 
an  den  Papilioniden  im  Einzelsten  nachgewiesen  habe.  Aber  schon  weil 
es  sich  in  den  Umbildungen  um  »Abstufungen«  handelt,  können  die- 
selben nicht  »zufällig«  entstanden  sein.  Und  weil  viele  von  ihnen,  ob- 
schon  sie  kaum  sichtbar  sind  und  obschon  sie  trotzdem  vielleicht  sehr 
lange  Zeit  fixiert  bleiben,  d.  i.  wenig  oder  gar  nicht  verändert  werden, 
können  sie  für  die  geschlechtliche  Zuchtwahl  unmöglich  in  Betracht 
kommen. 

Abgesehen  davon:  ist  es  nicht  ein  großer  Widerspruch,  auf  der 
einen  Seite  zu  sagen,  es  seien  stets  Abänderungen  in  beliebiger  Anzahl 
vorhanden,  um  die  Auslese  zu  ermöglichen,  und  auf  der  anderen  Seite 
anzunehmen,  die  Abstufungen,  d.  i.  die  Abänderungen  entsprechen  nicht 
Übergängen  zwischen  Arten,  weil  diese  fixiert  sein  sollen? 

Wie  gezwungen  und  unwahrscheinlich  der  ganze  Versuch  ist,  die 
Thatsachen  durch  geschlechtliche  Zuchtwahl  zu  erklären,  zeigt  schon  die 
Zahl    wichtiger    Ausnahmen,     zeigen    Fälle,     welche     dieser    Erklärung 


358  Cbergewicht  des  einen  Geschlechtes.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 

sich  gar  nicht  fügen:  daß  die  Augenflecke  niemals  nur  in  einem  Geschlecht 
vorhanden  sind,  niemals  in  beiden  sehr  verschieden,  daß  bald  die  Männ- 
chen, bald  die  Weibchen  schöner  sind,  so  daß  bald  von  Seiten  dieser, 
bald  von  Seiten  jener  eine  Auswahl  angenommen  werden  muß,  und 
Anderes,  ganz  abgesehen  von  thatsächlich  unrichtigen  Voraussetzungen, 
welche  Darwin  anwendet. 

Die  Orthogenesis,  die  gesetzmäßige  bestimmt  gerichtete  Entwicke- 
lung  erklärt  folgerichtig  alle  von  Darwin  berührten,  aber  wegen  Mangels 
des  richtigen  Schlüssels  zum  Verständnis  zwangsweise  gedeuteten  Er- 
scheinungen auf  das  Einfachste. 

Es  sind  eben  doch  wohl,  entgegen  dem  wichtigsten  Vordersatz  des 
Darwinismus,  die  brillanten  und  schön  angeordneten  Farben  der  Falter 
im  Wesentlichen  »das  zwecklose  Resultat  einer  besonderen  Beschaffen- 
heit der  Gewebe  und  eine  Folge  der  Einwirkung  der  umgebenden  Be- 
dingungen«, ganz  ebenso  wie  das  in  der  anorganischen  Natur  der  Fall 
ist  mit  den  Farben  und  dem  Glanz  der  Mineralien,  der  Metalle  und  der 
Gesteine  und  mit  der  Gestalt  der  Krystalle  und  ihren  Brechungser- 
scheinungen. 

So  wenig  dieses  Ergebnis  unser  teleologisches  Bedürfnis  befriedigen 
mag  —  es  muß  ebenso  unweigerlich  hingenommen  werden  wie  die  für 
uns  betrübende  Gewißheit  unseres  Absterbens  zu  einer  Zeit,  da  wir  erst 
recht  mit  Verständnis  und  Erfolg  die  im  Leben  gesammelten  Erfahrungen 
verwerten  könnten.  Damit  soll  die  Bedeutung  von  nützlicher  und  auch 
von  geschlechtlicher  Auslese  nicht  von  der  Hand  gewiesen  werden,  aber 
dieselbe  ist  nicht  das  maßgebende  Mittel  der  Umbildung  —  ihre  Aner- 
kennung muß  beschränkt  bleiben  auf  die  einzelnen,  wenn  auch  viel- 
leicht zahlreichen  Fälle,  in  welchen  ihr  Eingreifen  und  ihre  Wirkung 
nachweisbar  sind. 

Bei  der  Entstehung  der  Abänderungen,  Abarten  und  Arten  der  von 
mir  behandelten  Schmetterlinge  ist  eine  solche  Wirkung  weder  von  nütz- 
licher noch  von  geschlechtlicher  Auslese  durch  irgend  eine  und  sei  es 
die  eeringste  Thatsache  zu  erkennen.  Die  vom  heutigen  Afterdarwinismus 
nach  Bedarf  hervorgehobene  Bedeutung  des  Geschütztseins  der  Schmetter- 
linge durch  Zeichnung  und  Farbe  weist  Darwin  abgesehen  von  einzelnen 
Fällen  vollkommen  zurück,  so  sehr  er  in  diesen  der  Schutzfärbung  e;erne 
das  Möglichste  einräumt.  Da  er  einsieht,  daß  es  sich  um  Wirkung  der 
natürlichen  Zuchtwahl  zum  Zweck  des  Schutzes  in  den  Farben  und 
Zeichnungen  insbesondere  der  Oberseite  der  meisten  Schmetterlinge  nicht 
handeln  kann  und  ebensowenig  in  den  Farben  und  Zeichnungen  der 
meisten  Vögel  und  anderer  Tiere,  so  wendet  er  sich  an  die  geschlecht- 
liche Zuchtwahl.  Die  Wirkung,  welche  Darwin  derselben  zuschreibt  be- 
deutet eine  große  Einschränkung  der  Lehren  der  natürlichen  Zuchtwahl'), 


1)  Es  ist  bemerkenswert,  mit  welchen  Gründen  Herr  August  Wüismann  "seiner 
Zeit  der  Bedeutung  dieser  Lehre  für  die  Schmetterlinge  entgegengetreten  ist.  Nach- 
dem   er   mit  Beziehung  auf  die  beim  Horadimorphismus  durch   direkte  Wirkung 


B.  Bedeutung  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  u.  s.  w.  359 

ja  einen  bedeutenden  Rückzug  aus  der  Vorstellung,  daß  der  Nutzen  die 
Gestaltung  der  organischen  Natur  im  Wesentlichen  allein  (abgesehen  von 
regellosem  Abändern)  bedingt  habe,  welchen  er  vollzieht,  nachdem  er 
erkannt  hat,  daß  zahlreiche  Eigenschaften  der  Farbe  und  Zeichnung  der 
Tiere  nicht  nützlich  sind,  ja  daß  manche  derselben  sogar  schädlich  sein 
müßten,  wenn  nicht  die  geschlechtliche  Auslese  den  Schaden  überböte. 
Aber  gewisse  Thatsachen  diese  Zeichnung  betreffend  entziehen  sich, 
wie  Darwix  nicht  verfehlt  hervorzuheben,  auch  der  Erklärung  durch  ge- 
schlechtliche Zuchtwahl:  die  eine  Zierde  darstellende  Streifung  und  Fleckung 
gewisser  junger  Huftiere  schwindet  und  macht  der  Einfarbigkeit  Platz, 
trotzdem  dies  geschlechtlicher  Zuchtwahl  widerspricht  —  und  auch  durch 


äußerer  Lebensbedingungen  im  Werte  von  Artunterschieden  entstehenden 
Eigenschaften  gesagt  hat:  es  könne  somit  kaum  bezweifelt  werden,  daß  neue  Arten 
sich  auf  diesem  Wege  bilden  können  und  daß  dies  bei  den  Schmetterlingen 
in  ausgiebigem  Maße  und  mehr  als  anderswo  der  Fall  sei,  weil  die  so  auffallenden 
Farben  und  Zeichnungen  der  Flügel  und  des  Körpers  hier  in  den  meisten  Fällen  ohne 
biologische  Bedeutung,  also  ohne  Nutzen  für  die  Erhaltung  des  Individuum  wie  der 
Art  sind  und  daß  sie  deshalb  auch  nicht  Gegenstand  der  Naturzüchtung  sein  können 
(Studien  zur  Descendenztheorie  I.   1875.  S.  73),  fährt  er  fort: 

»Darwin  hat  dies  sehr  wohl  eingesehen,  als  er  die  Zeichnungen  der  Schmetter- 
linge nicht  von  gewöhnlicher  Naturzüchtung,  sondern  von  geschlechtlicher  Züchtung 
herzuleiten  versuchte.  Nach  dieser  Annahme  tritt  jede  neue  Färbung  oder  Zeichnung 
zuerst  bei  dem  einen  Geschlecht  zufällig  auf  und  befestigt  sich  bei  diesem  dadurch, 
daß  sie  von  dem  anderen  Geschlecht  der  alten  Färbung  vorgezogen  wird.  Nachdem 
nun  der  neue  Schmuck  z.  B.  bei  den  Männchen  constant  geworden  ist,  läßt  Darwin 
ihn  durch  Vererbung  teilweise  oder  ganz,  oder  auch  gar  nicht  auf  die  Weibchen 
übertragen  werden,  so  daß  also  die  Art  mehr  oder  weniger  sexuell  dimorph  bleibt 
oder  aber  durch  vollständige  Übertragung  wieder  sexuell  monomorph  wird. 

Die  Zulässigkeit  einer  so  verschieden,  gewissermaßen  willkürlich  sich  äußernden 
Vererbung  wurde  oben  schon  anerkannt.  Hier  handelt  es  sich  um  die  andere  Frage, 
ob  Darwin  im  Rechte  ist,  wenn  er  auf  diese  Weise  die  ganze  Farbenpracht  der 
Schmetterlinge  von  sexueller  Züchtung  herleitet.  Mir  scheint  die  Entstehung  des 
Saisondimorphismus  gegen  diese  Annahme  zu  sprechen,  so  verführerisch  und  groß- 
artig sie  sich  auch  anläßt.  Wenn  so  bedeutende  Verschiedenheiten,  wie  sie  zwischen 
den  Sommer-  und  Winterformen  mancher  Schmetterlinge  bestehen,  lediglich  durch 
den  direkten  Einfluß  veränderten  Klimas  hervorgerufen  werden  können, 
so  wäre  es  sehr  gewagt,  der  sexuellen  Züchtung  gerade  hier  eine  große  Bedeutung 
beizumessen. 

Das  Princip  der  sexuellen  Züchtung  scheint  mir  unantastbar,  auch  will  ich  nicht 
in  Abrede  stellen,  daß  es  auch  bei  den  Schmetterlingen  wirksam  ist,  aber  ich  glaube, 
daß  wir  desselben  als  letzten  Erklärungsgrundes  der  Farben  entbehren  können,  inso- 
fern wir  sehen,  daß  bedeutende  Farbenwechsel  auch  ohne  jeden  Einfluß  sexueller 
Züchtung  eintreten  können.« 

Man  vergleiche  dazu  desselben,  Schriftstellers  »Neue  Versuche  zum  Saison- 
Dimorphismus  der  Schmetterlinge«  in  Zoolog.  Jahrb.  Abt.  f.  Systematik  1895.  S.  681: 
Hier  werden  im  vollkommenen  Gegensatz  zu  der  inzwischen  erfolgten  vollständigen 
Umkehr  seiner  Ansichten,  w'elche  eine  unmittelbare  Wirkung  äußerer  Einflüsse  auf 
die  Umbildung  der  Organismenwelt  vollständig  ausschloß,  w  iecjerum  »wohl  auch  direkte 
Wirkungen  der  verschiedenen  Temperatur«  als  Ursachen  zur  Bildung  des  Hora-Dimor- 
phismus  angenommen,  dabei  aber  auch  die  Möglichkeit  der  geschlechtlichen  Zucht- 
wahl als  solche  offen  gelassen,  neben  derjenigen  »doppelter  Anpassung«  —  Wechsel 
der  Meinungen  kreuz  und  quer  nach  allen  möglichen  Richtungen!  (Vgl.  hierzu  meine 
späteren  Ausführungen.) 


360  Übergewicht  des  einen  Geschlechtes.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 

Nutzen  im  Sinne  der  Zuchtwahl  nicht  /ai  erklären  ist.  In  anderen  Fällen 
will  Darwin  solche  Vereinfachung,  bezw-.  Verdüsterung  auf  Nutzen  zurück- 
führen, als  Schutzfarbe  erklären.  Aus  den  von  mir  festgestellten  That- 
sachen  geht  hervor,  daß  dies  in  ebensoviel  tausend  Fällen  nicht  angeht, 
so  gerade  bei  den  Tagfaltern,  welchen  Darwin  ja  auf  der  Oberseite 
Schutzfärbung   überhauj)t  abspricht. 

Im  Übrigen  ist  diese  Vereinfachung,  die  Verdüsterung  der 
Farbe,  das  Schwinden  der  Zeichnung  nach  den  von  mir  fest- 
gestellten Thatsachen  eine  gesetzmäßige  Erscheinung  und  als 
solche  zusamt  der  von  mir  festgestellten  Farbenfolge  die  voll- 
kommenste Widerlegung  der  Wirkung  der  geschlechtlichen 
Zuchtwahl  in  dem  von  Darwin  vertretenen  weiten  Umfang  und 
auf  dem  von  ihm  gemeinten  allgemeinen  Boden,  wenn  ich  auch  nicht 
zögere,   derselben  im  Einzelnen  Bedeutung  zuzuschreiben. 

Wenn  nun  Darwin  in  seinen  Beweisführungen  der  Farbe  und 
Zeichnung  der  Tiere  hohes  Gewicht  beilegt,  dergestalt,  daß  der  größte 
Teil  der  zwei  Bände  über  die  »Abstammung  des  Menschen«  und  ein 
wesentlicher  Teil  des  »Variiren  im  Zustande  der  Domestication«  davon 
handelt,  und  W'enn  er  zu  der  Erkenntnis  kommt,  daß  dieselben  durch 
natürliche  Zuchtwahl  im  Sinne  des  Schutzes  bezw.  Nutzens  nicht  zu 
erklären  seien,  so  ist  dies  eine  wesentliche  Stütze  meiner  Ansicht,  w"elche 
auf  eingehendes  Studium  desselben  Gegenstandes  gegründet  ist. 

Wenn  sieh  aber  durch  die  von  mir  festgestellten  Thatsachen 
ergiebt,  daß  weder  die  natürliche  noch  die  geschlechtliche  Zuchtwahl 
bei  den  Schmetterlingen  maßgebend  für  die  Umbildung  sein  können,  so 
ist  offenbar  freie  Bahn  für  meine  Erklärung  der  Erscheinungen  durch 
Orthogenesis  geschaffen. 

Es  ist  nur  merkwürdig,  daß  Darwin  auf  die  der  Orthogenesis  zu 
Grunde  liegenden  Thatsachen  nicht  selbst  gekommen  ist,  zumal  er  einen 
Anfang  in  der  Erkenntnis  dazu  gemacht  hat  in  der  Beobachtung,  daß 
»Abstufungen«  der  Zeichnung  bestehen,  welche  er  besonders  beim  Argus- 
fasan als  Übergang  von  Streifen  durch  Streifenstücke  zu  Augenflecken 
beschrieben  hat.  Auch  die  Entstehung  von  Augenflecken  bei  einigen 
Schmetterlingen  aus  einfacherer  Zeichnung  berührt  er  in  durchaus  sach- 
gemäßer Weise.  Allein  er  verfolgt  diese  »Abstufungen«  merkwürdiger- 
weise nicht  weiter,  er  hebt  sie  nur  hervor  und  verfolgt  sie  nur  so  weit, 
um  zu  zeigen,  daß  die  geschlechtliche  Zuchtwahl  zu  ihrem  Ein- 
greifen genügend  Vorstufen  vorfinde.  Er  ist  bemüht,  für  den 
Argusfasan  zu  bew^eisen,  daß  schon  diese  Vorstufen  in  einer  gewissen 
Ausbildung  für  schön  erkannt  werden,  aber  er  unterläßt  es  zu  zeigen, 
welches  die  Ursachen  der  fsntwickelung  derselben  sind  bis  zu  dem 
Punkte,  wo  sie  von  der  Zuchtwahl  in  die  Hand  genommen  werden,  ob- 
schon  sie  schon  vorher  Stufen  aufweisen.  Dasselbe  gilt  für  alle  anderen 
Fälle,  in  welchen  geschlechtliche  Zuchtwahl  von  ihm  angenommen  wird: 
überall  vergißt  er  zu  zeigen,  wie  und  wodurch  die  Umbildung  bis  zur 
Entstehung   von   Schönheit,    welche    die  Aufmerksamkeit    geschlechtlicher 


B.  Bedeutung  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  u.  s.  w.  36! 

Zuchtwahl  erregen  konnte,  entstanden  ist.  Und  doch  war  er  den  That- 
sachen,  wie  sie  in  Hülle  und  Fülle  die  allgemeine  Gesetzmäßigkeit  der 
Umbildung  der  Zeichnung  zeigen,  so  nahe  in  dem  Beispiel  vom  Pfau, 
vom  Argusfasan,   von  gefleckten  und  gestreiften  Säugetieren! 

Ein  Schritt  weiter  und  die  Erkenntnis  solcher  allgemeinen  Gesetz- 
mäßigkeit und  die  Überlegung,  daß  die  geringer  ausgeführten  Stufen 
derselben  doch  weder  nützlich  sein,  noch  den  Schönheitssinn  erregen 
können,  hätte  zu  dem  von  mir  gezogenen  und  verwerteten  Schlüsse  führen 
müssen,  daß  jene  Gesetzmäßigkeit  und  ihre  Ursachen  die  Hauptsache 
bei  der  Umbildung  seien,  daß  irgendwelche  Zuchtwahl  nur  Nebensache 
sein  könne. 

Aber  es  ist  sehr  bemerkenswert  zu  sehen,  wie  solcher  Erkenntnis 
eben  die  vorgefaßte  Meinung  entgegenstand,  die  Zuchtwahl  allein  sei 
das  iMaßgebende  für  die  Umbildung  der  Formen  und  für  die  Entstehung 
der  Arten. 

Diese  Meinung  aber  setzte  wieder  die  andere  voraus  oder  bedingte 
sie,  daß  im  Wesentlichen  Alles  angepaßt  sei  und  daß  somit  die  Arten 
in  einer  gegebenen  Zeit  fixiert  sein  müßten.  Deshalb  wurde  den 
»Abstufungen«  die  Bedeutung  von  Artübergängen  geradezu  abgesprochen 
und  damit  war  aller  weiteren  Verwertung  derselben  im  Sinne  der  Ent- 
wickelunsslehre  ein  fester  Riegel  voroeschoben.  Es  ist  diese  Befansen- 
heit  um  so  merkwürdiger  bei  Darwix,  als  demselben  nicht  entgangen 
ist,  daß  verwandte  Arten  ähnliche  Zeichnung  haben,  ja  daß  Rückschläge 
der  Zeichnung  auftreten,  z.  B.  Streifung  bei  Pferden,  aus  welchen  auf 
Abstammung  von  gestreiften  Stammformen  geschlossen  wird. 

Noch  mehr:  diese  Befangenheit  in  seiner  Zuchtviahllehre  hat  Darwin 
auch  verhindert,  die  große  Bedeutung  des  männlichen  bezw.  weiblichen 
Übergewichts,  also  des  Geschlechts-Dimorphismus,  zu  erkennen,  für  welchen 
er  so  viele  Beispiele  giebt.  Er  kommt  nicht  weiter  als  zur  Erkenntnis 
der  Übertragung  von  Eigenschaften  der  Männchen  auf  die  Weibchen  oder 
umgekehrt.  Daß  es  sich  dabei  aber  um  eine  gesetzmäßige  solche  Über- 
tragung von  den  Männchen  durch  die  Weibchen  (oder  umgekehrt)  auf 
die  Sippe,  auf  die  ganze  Kette  der  nachfolgenden  blutsverwandten  Arten 
allüberall  gehandelt  haben  muß  oder  handelt,  in  weitem  Umfang  ohne 
jede  Beziehung  zur  Zuchtwahl,  das  erkennt  er  nicht,  das  konnte  er  nicht 
erkennen,  weil  er  der  Einsicht  in  solche  Gesetzmäßigkeit  sich  überhaupt 
verschloß,    denn    sie    ist  die  unerbittliche  Feindin  seiner  Zuchtwahllehre. 

Jene  gesetzmäßige  Übertragung  von  gesetzmäßig,  orthogenetisch  ent- 
standenen Eigenschaften  der  Männchen  bezw.  der  Weibchen  auf  die 
Nachkommen,  dergestalt,  daß  dadurch  die  Artmerkmale  derselben  all- 
mählich umgebildet  werden,  ist  es,  was  ich  als  männliche  bezw.  weib- 
liche Präponderanz  bezeichne.  Diese  orthogenetische  Präponderanz, 
wie  sie  passend  genannt  werden  kann,  ist  eines  der  wichtigsten  Mittel 
für  die  Artbildung.  Sie  führt  uns  zugleich  im  Geschlechts-Dimorphismus 
die  schönsten  Beispiele  einer  anderen  höchst  maßgebenden  Gesetzmäßig- 
keit vor  Au2;en: 


362  iJbergeNvicht  des  einen  Geschlechtes.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 

der  sprungweisen  Entwickelung,  Halmatogenesis.  Auch  ihrer 
Bedeutung  mußte  sich  die  DARwm'sche  Erkenntnis  und  die  seiner  unbe- 
dingten Anhänger  verschließen,  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  die 
Zuchtwahllehre  durchaus  allmähliche,  stufenweise  Umbildung  verlangt, 
wenn  sie  wirklich  das  maßgebende  Mittel  für  die  Fortentwickelung  sein 
soll.  Und  doch  böte  gerade  diese  nach  meinen  Feststellungen  so  hoch- 
wichtige Halmatogenesis,  wie  ich  wiederholt  hervorgehoben  habe,  der 
Zuchtwahllehre  die  beste  Handhabe  zum  Eingreifen  in  eine  von  der 
Natur  geschaffene  Gestaltung  dar. 


Was  sind  nun  die  Ursachen,  welche  die  in  den  Dienst  der 
geschlechtlichen  Zuchtwahl  tretenden  Eigenschaften  erzeugen? 

Man  darf  wohl  mit  der  Ansicht  Darwin's  übereinstimmen,  daß  es 
im  Allgemeinen  dieselben  Ursachen  gewesen  sind,  »welche  die  schöne 
Färbung  allein  der  Männchen  bei  manchen  Species  und  beider  Ge- 
schlechter bestimmt  haben«. 

Nun  kommt  Darwin  freilich  nur  zu  sehr  unbestimmt  ausgesprochener 
Ansicht  bezüglich  dieser  Ursachen: 

Es  ist  ganz  unzweifelhaft,  sagt  er,  daß  viele  schöne  Farben  der  Männ- 
chen, besonders  bei  Vögeln  und  Reptilien,  Kraftfarben«  sind,  welche  in  der 
größeren  Lebensthatigkeit  bezw.  in  der  lebhaften  physiologischen  Arbeit 
des  männlichen  Organismus  begründet  sind.  Dieselben  treten  zur  Zeit 
erhöhter  Geschlechtsfreudigkeit  der  Männchen  glänzender  hervor  und 
vererben  sich  auf  die  Nachkommen.  Das  Gleiche  gilt  für  zahlreiche 
andere  sog.  secundäre  Geschlechtscharaktere  der  Männchen. 

Allein  die  Thatsachen  der  Beeinflussung  der  Eigenschaften  der 
Schmetterlinge  durch  unmittelbare  äußere  F^inwirkungen,  insbesondere 
Klima,  wie  sie  aus  dem  Zusammenhang  dieser  Eigenschaften  mit  der 
geographischen  Verbreitung  und  übereinstimmend  damit  durch  die  Ver- 
suche mit  Einwirkung  von  künstlicher  Wärme  und  Kälte  während  der 
Entwickelung  der  Falter  sich  ergeben,  lehren  auf  das  bestimmteste,  daß 
jene  Ursachen  für  die  Umbildung  von  Farbe  und  Zeichnung  hier,  abge- 
sehen von  der  Konstitution,  in  sehr  einfachen  äußeren  Bedingungen  und 
zwar  vorzugsweise  in  klimatischen  liegen  müssen,  auch  bei  Erzeugung 
der   Eigenschaften    des   Geschlechts-Dimorphismus').      Wärme    und    Licht 


1)  Es  ist  sehr  bemerkenswert,  in  welchem  Maße  von  Übereinstimmung  ich  mich 
auch  hierin  wieder  mit  Herrn  August  Weismann  befinde,  mit  dem  früheren  nämlich. 
Derselbe  sagt»):  »Zuerst  muß  constatiert  werden,  daß  Unterschiede  im  Werte 
von  Artunterschieden  b)  lediglich  durch  directe  Wirkung  äußerer 
Lebensbedingungen    entstehen    können«  <=).      Und    weiter:     »Nach    dem,    was 


»)  Studien  zur  Descendenzlehre  I :  Über  den  Saisondimorphismus  der  Schmetter- 
linge 1873.  S.  73. 

^\  beim  Horadimorphismus.  <■)  Gesperrt  gedruckt,  wie  wiedergegeben. 


B.  Bedeutung  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  u.  s.  %v.  363 

sind  offenbar  in  erster  Linie  auch  hier  nächst  der  Konstitution  maß- 
gebend. Die  Farben  insbesondere,  welche  die  jeweils  fortgeschrittenen 
Stufen  des  Geschlechts-Dimorphismus  aufweisen,  sind  auch  diejenigen  der 
Farbenfolge,  welche  ja  doch  zweifellos  auf  jenen  äußeren  Einflüssen 
beruhen  wird. 

Auch  Darwix  kann  sich  der  Bedeutung  dieser  und  anderer  äußerer 
Einwirkungen  auf  die  Umbildung  nicht  entziehen  und  er  hat  dies  in 
den  späteren  Teilen  und  Auflagen  seiner  Werke  ja  immer  mehr  hervor- 
gehoben —  aber  immer  nur  um  zuletzt  doch  wieder  auf  der  Ansicht 
zu  beharren,  daß  dieselben  unwesentlich  und  daß  Anpassungs-  oder 
geschlechtliche  Zuchtwahl  die  allein  maßgebende  Ursache  aller  Entwicke- 
lune  und  Artbildung  doch  seien. 

Diesem  Verhältnis  giebt  auch  in  unserer  Frage  vollkommenen  und 
unzweideutigen  Ausdruck  der  Satz:  »In  den  meisten  Fällen  werden  die 
Männchen  und  Weibchen  verschiedener  Arten  während  ihrer  längeren 
Larvenzustände  verschiedenen  Bedingungen  ausgesetzt  gewesen  und 
können  hierdurch  indirect  beeinflußt  worden  sein  —  doch  wird  bei  den 
Männchen  jede  unbedeutende  Veränderung  der  Farbe,  die  hierdurch 
hervorgerufen  wurde,  meistens  durch  die  mittelst  sexueller  Zuchtwahl 
erlangten  brillanten  Färbungen  maskiert  worden  sein«. 

Es  wird  also  auch  hier  die  Bedeutung  äußerer  Einwirkungen  aner- 
kannt, wenn  auch  eingeschränkt  durch  das  Wort  »indirect;,  aber  die- 
selbe wird  durch  den  folgenden  Satz  als  durchaus  nebensächlich  und 
der  activen  Wirkung  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  untergeordnet  dar- 
gestellt. Die  geschlechtliche  Zuchtwahl  soll  von  sich  aus,  fast  scheint 
es  hier  unmittelbar  wirkend,  die  Farben  der  Schmetterlinge  glänzender 
und  glänzender  gestalten! 


Betrachten  wir  nun  etwas  genauer  die  Beweisführung  Darwix's  da- 
hin, daß  geschlechtliche  Auslese  die  Umbildung  der  Farben 
der  Schmetterlinge  hervorgerufen  haben  müsse. 

Zunächst  ist  die  Annahme  zurückzuweisen,   daß  äußere  Einflüsse  in 

oben  über  den  Unterschied  zwischen  den  beiderlei  Formen  einer  einzigen  saison- 
dimorphen Art  gesagt  wurde,  kann  über  die  Richtigkeit  dieses  Satzes  kein  Zweifei 
sein.  Den  besten  Beweis  hierfür  liefern  die  alten  Systematiker,  welchen  die  genetische 
Zusammengehörigkeit  von  beiderlei  Formen  noch  unbekannt  war  und  welche  in  un- 
befangener Taxierung  ihrer  Unterschiede  in  vielen  Fällen  beide  mit  besonderen  Species- 
Namen  belegten«.  (Wörtliche  Wiedergabe  ist  trotz  der  allgemeinen  Erwähnung  auf 
S.  359  wohl  auch  für  das  Folgende  gerechtfertigt.) 

Dann  fährt  die  Stimme  aus  dem  Grabe  längst  entschwundener  Erkenntnis  also 
fort :  »Es  kann  somit  kaum  bezweifelt  werden,  daß  neue  Arten  sich  auf  diesem  Wege 
bilden  können,  und  ich  glaube,  daß  dies,  bei  den  Schmetterlingen  wenigstens,  in  aus- 
giebigem Maße  der  Fall  war  und  ist.  Hier  wohl  mehr  als  anderswo  und  zwar  aus 
dem  Grunde,  weil  die  so  auffallenden  Farben  und  Zeichnungen  der  Flügel  und  des 
Körpers  in  den  meisten  Fällen  ohne  biologische  Bedeutung,  also  ohne  Nutzen  für  die 
Erhaltung  des  Individuums  und  somit  auch  der  Art  sind.  Dieselben  können  somit 
auch  nicht  Gegenstand  der  Naturzüchtune  sein.« 


364  Übergewicht  des  einen  Gesclileclites.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 

deu  Fällen  nicht  niaßeebend  für  die  Uml)ilduna;  gewesen  sein  können, 
in  welchen  männliche  und  weibliche  Falter,  trotzdem  sie  unter  denselben 
Bedingungen  leben,  verschiedene  Farben  erlangt  haben.  Die  That- 
sachen  lehren  vielmehr,  daß  solche  Verschiedenheiten  ausge- 
sprochenster Art  hervorgerufen  worden  sein  müssen  durch 
verschiedengradige  Empfänglichkeit  sei  es  der  Männchen  oder 
der  Weibchen  derselben  Art  gegenüber  denselben  äußeren 
Einflüssen,  und  zwar  schreibt  Darwin  an  anderen  Stellen  dieser  Ur- 
sache selbst  erhebliche  Bedeutung  für  die  Erklärung  der  Geschlechts- 
verschiedenheit zu.  Und  ferner:  bei  solchen  Umbildungen  braucht 
es  sich  nicht  um  Verschönerung  im  Sinne  der  geschlechtlichen 
Zuchtwahl,  sondern  es  kann  sich  im  Gegenteil  um  Verein- 
fachung handeln,  um  Verschwinden  der  schönen  Farben. 

Beides    ist    u.   a.    der   Fall    bei   der   Umbilduns.    welche    die    Abart 

K     I 

GlciKCus  Q  des  Papilio  Turnus  und  welche  das  Weibchen  von  Papilio 
Bairdii  erfahren  hat:  aus  schöo  gelber,  schwarz  gezeichneter,  mit 
farbigen  Zierden  versehener,  glänzender  Gewandung  wird  eine  düstere, 
schwarze,  einfarbige  Trauerkleidung  —  und  dieselbe  Entwickelung  hat 
eine  ganze  Sippe,  die  /ii/er/as -Gruppe  genommen.  Es  kann  hier 
keine  Rede  von  geschlechtlicher  Zuchtvvahl  als  Ursache  der  Umbildung 
sein  und  ebensowenig  in  den  tausend  anderen  Fällen,  in  welchen  die 
Fortbildung  zur  Vereinfachung  führt. 

Ein  wichtiger  Vordersatz,  welchen  Darwin  zu  Gunsten  seiner  Auf- 
fassung  aufstellt,  ist  der,  daß  die  geschlechtliche  Werbung  bei  den 
Schmetterlingen  eine  sehr  langwierige  sei.  Es  wird  dieser  Satz  selbst- 
verständlich aufgestellt,  um  der  Brautschau,  wie  sie  für  die  geschlecht- 
liche Wahl  nötig  ist,  hinreichend  Zeit  zu  lassen.  Auffallenderweise  wird 
aber  nicht  erwähnt,  wie  ungeheuer  stürmisch  in  vielen  Fällen  serade  bei 
den  Schmetterlingen  der  Begattungseifer  zu  Werke  geht,  so  daß  eine 
Auslese  schon  deshalb  vollkommen  ausgeschlossen  ist.  Nur 
wird  hervorgehoben,  daß  im  Tierreich  sonst  in  der  Regel  eine  geschlecht- 
liche Auswahl  nicht  und  daß  bei  den  Bonibyciden,  wie  erwähnt,  im 
Besonderen  bei  Boinbyx  mori  keine  Wahl  stattfinde,  »trotzdem  haben  sie 
elegante  und  bunte,  uns  schön  erscheinende  Schattierungen;. 

Und  noch  auffallender  ist  es,  daß  Darwin  nicht  erwähnt,  wie  er 
sich  die  Brautschau  möglich  denkt  bei  dem  Ungeheuern  Heere  der  Nacht- 
schmetterlinge, welche  doch  ebensolche  uns  schön  erscheinende  Schat- 
tierungen der  Flügel,  ja  zuweilen  glänzende  Farben  haben:  sagt  er  doch 
selbst,  die  hellen  Farben  seien  zur  Nachtzeit  nicht  sichtbar. 

W^ie  wenig  wählerisch  gerade  die  Schmetterlinge  bei  der  Begattung 
thatsächlich  sind,  geht  schon  aus  der  großen  Zahl  der  »geschlechtlichen 
Verirrungen«,  d.  i.  der  Fälle  hervor,  in  welchen  bei  ihnen  Begattung 
unter  verschiedenen  Arten  stattfindet.  Während  ich  dieses  sehreibe, 
kommt  mir  die  Nummer  der  »Insektenbörse«  vom  1.  August  1895  zu 
Gesicht,  in  welcher  solche  Fälle  aufgeführt  sind.  Es  heißt  dort:  der 
New-Yorker   Züchter   Rix    fand    ein    Sinermthus   oceUatus   Q    mit  Paonius 


B.  Bedeutung  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  u.  s.  w.  365 

astylus  in  Paarung.  Ferner  wird  erwähnt:  die  Paarung  von  Atiacus 
cecropia  (^  und  Sphinx  ligiistri  Q,  Taeniocampa  stabilts  (^f  mit  T.gothica  Q, 
Gerüstes  vacci7iii  (J^  und  Miselia  oxyacanlhae  Q,  Euchloi'  cardamines  q^  und 
Bapta  temerata  Q,  Xylophasia  monoglypha  rf  und  Hadena  trifolii  Q, 
Satyrus  Jcinirn  q^  und   Vanessa  urticae   Q. 

Dabei  handelt  es  sich  wahrscheinlich  meist  nicht  um  das  Vor- 
ziehen des  Glänzenderen,  Schöneren  im  Freien,  sondern  um  Begattung 
im  Zuchtkasten ,  welche  weniger  wählerisch  machen  kann.  Der  Ge- 
schlechtstrieb ist  bei  Schmetterlingen  aber  auch  in  der  Freiheit  so  groß, 
daß  häufig  nicht  nur  ganz  abgeflogene,  sondern  verkrüppelte  Weibchen 
begattet  gefunden  werden,  ja  daß  zwei  oder  drei  Männchen  dasselbe 
Weibchen  zuweilen  gleichzeitig  begatten. 

In  derselben  > Insektenbörse«  wird  als  Beweis  für  diese  Heftigkeit  des 
Geschlechtstriebs  erwähnt,  daß  Argynnis  aglaja  rf  beobachtet  wurden, 
wie  sie,  auf  Zweigspitzen  vorübereilender  Weibchen  harrend,  jedwedes 
vorüberfliegendes  Insekt,  selbst  Libellen,  sogar  kleine  Vögel  verfolgten. 
Bekannt  ist,  daß  die  Männchen  mancher  Falter  die  Weibchen,  off'enbar 
durch  den  Geruch  angelockt,  durch  die  Fensterscheiben  der  Häuser  hin- 
durch wittern  und  zu  erreichen  streben. 

Jene  »langwierige  Werbung«  von  Tagfaltern,  auf  welche  Darwin 
sich  beruft,  darin  bestehend,  daß  die  Falter  sich  lange  Zeit  umfliegen, 
ist  jedenfalls  nicht  immer  ein  Vorspiel  der  Begattung,  sondern  häufig 
nichts  Anderes  als  ein  Spielen:  man  kann  oft  genug  beobachten,  daß 
die  Falter,  nachdem  dasselbe  längere  oder  kürzere  Zeit  gedauert  hat, 
ohne  weiteres  voneinander  weg  fliegen.  Aber  wenn  es  sich  auch  um  ein 
Vorspiel  der  Begattung  dabei  handelte:  wie  sollten  die  männlichen 
Falter  dabei  durch  erst  im  Entstehen  begriffene,  kleinste 
Eigenschaften  der  Zeichnung  oder  Färbung  derart  entzückt 
werden,  daß  sie  schließlich  nur  solche  Weibchen  begatteten, 
welche  im  Besitze  derselben  sind?  Dies  aber  müßte  der  Fall 
sein,  wenn  die  unscheinbaren  Anfänge  und  Abstufungen  der 
Umbildung,  wie  ich  sie  in  meiner  »Artbildung  und  Verwandt- 
schaft bei  den  Schmetterlingen:  als  maßgebend  für  die  Ent- 
stehung der  Arten  dargelegt  habe,  durch  geschlechtliche  Zucht- 
wahl begünstigt  worden  wären.  Nur  für  plötzlich  auffallend  her- 
vorgetretene neue  Eigenschaften,  wie  sie  sprungweise  Entwicklung 
iHalmatogenesis)  erzeugt,  könnte  geschlechtliche  Auslese  in  Betracht 
kommen. 

Man  stelle  sich  doch  einmal  vor,  wie  es  möglich  wäre,  daß  durch 
geschlechtliche  Auslese  irgend  eine  schöne  Zierde,  z.  B.  einer  jener 
herrlichen  Augenflecke  auf  den  Flügeln  von  Schmetterlingen  gebildet 
oder  auch  nur  vervollkommnet  worden  sein  könnte!  Es  wäre  nur 
möglich,  daß  die  Auslese  einen  solchen  Augenfleck,  wenn  er  fix  und 
fertig  etwa  durch  sprungweise  Entwickelung  entstanden  wäre,  in 
seinem  Bestehen  begünstigte  dadurch,  daß  diejenigen  Falter,  welche  ihn 
besitzen,  bei  der  Begattung  vorgezogen  würden.     Aber  auch  dabei  wäre 


3ß6  Übergewicht  des  einen  Geschlechtes.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 

ein  bleibender  Erfolg  im  Sinne  der  Erhaltung  der  Augenflecke  nicht 
möglich,  wenn  nicht  zu  gleicher  Zeit  die  meisten  Falter  eines  Gebietes 
den  Augenfleck  angenommen  hätten.  Wäre  dies  nicht  der  Fall,  so  würde 
die  geschlechtliche  Vermischung  mit  der  ursprünglichen  Form  die  Zierde 
alsbald  wieder  verschwinden  machen. 

Nun  findet  Darwin  selbst  die  Entstehung  der  Augenflecke  durch 
geschlechtliche  Zuchtwahl  bei  Schmetterlingen  unerklärlich  aus  den  ange- 
gebenen Gründen.  Allein  ganz  dasselbe  gilt  für  jede  neue  Eigenschaft, 
welche  zufälliges  Abändern,  so  wie  es  Darwin  annimmt,  an  einzelnen 
Tieren  hervorrufen  würde  —  ja  je  begieriger  die  nicht  mit  solchen 
Eigenschaften  bezw.  Zierden  versehenen  Weibchen  nach  den  mit  den- 
selben geschmückten  Männchen  wären,  um  so  rascher  müßten  sie  oder 
ihre    etwa    auf   die  Nachkommen    vererbten  Reste   wieder    verschwinden. 

Aber  sprungweise  Entwicklung  ist  nicht  die  herrschende.  Die  Um- 
bildungen geschehen  nicht  auf  Grund  zufälliger  Veränderungen,  sondern 
gesetzmäßig  in  bestimmten  Richtungen  fortschreitend  von  kleinsten  An- 
fängen an.  Allein  diese  in  letzter  Linie  auf  Grund  von  äußeren  Ein- 
flüssen entstandene,  durch  physiologische  Arbeit  des  Orga- 
nismus unentwegt  fortschreitende  bestimmt  gerichtete  Ent- 
wickelung  verhindert,  zumal  da  sie  stets  zu  gleicher  Zeit  an  zahlreichen 
Einzelwesen   geschieht,  jenes  Verschwinden. 

Auch  wenn  Halmatogenesis  vorliegt,  handelt  es  sich  in  ihr  nur  um 
mit  einem  Male  vorgeschrittenere  Stufen  auf  dem  Wege  derselben 
gesetzmäßigen  bestimmt  gerichteten  Entwickelung,  welche  sonst  stufen- 
weise, allmählich  stattfindet! 

Da  die  kleinen  unscheinbaren  Fortschritte  der  Umbildung  für 
geschlechtliche  Auslese  nicht  in  Betracht  kommen,  so  scheitert  die  ganze 
ÜARWiN'sche  Auffassung  von  der  Bedeutung  der  letzteren  für  die  in  Frage 
stehenden  Umbildungen  schon    an  deren  Beschaffenheit,  an  deren  Natur. 

Ich  habe  gezeigt,  daß  auch  die  schönen  Augenflecke  auf  den  Hinter- 
flügeln der  Papilioniden  (Afteraugenflecke)  durch  ganz  allmähliche  Um- 
bildung aus  einem  Stück  ursprünglicher  Längsbinde  entstehen.  Es  ist 
im  Wesentlichen  ganz  derselbe  Vorgang,  durch  welchen  die  Augenzierden 
des  Argusfasans  aus  Streifen  entstanden  sind.  Hier  soll  geschlechtliche 
Zuchtwahl  das  Mittel  gewesen  sein,  dort  kann  sie  es  nicht  gewesen  sein. 
Wie  aber  soll  der  Schönheitssinn  des  Tieres  in  irgend  einem  solchen  Falle, 
und  wäre  es  der  mit  dem  Pfau  oder  mit  dem  Argusfasan,  solches  fertig 
gebracht  haben?  Jahrtausende  lane;  waren  unvollkommene  Zwischenstufen 
der  Zeichnung  »fixiert«  zwischen  der  Längsbinde  und  dem  Augenfleck, 
Zwischenstufen,  Vielehe  durchaus  nicht  schöner  als  die  erstere  erscheinen. 
Wollte  man  annehmen,  daß  das  vollkommene  Afterauge  mit  Hülfe  der 
geschlechtlichen  Zuchtwahl  von  Seiten  der  Falter  erzeugt  worden  wäre, 
so  müßte  man  schließen,  daß  diese  eine  Art  Vorgeschmack  für  die  nach 
Jahrtausenden  zu  Stande  zu  bringende  Schönheit  hätten  und  bei  ihrer 
geschlechtlichen  Thätigkeit  walten  ließen. 

Es  ist  bestimmt  gerichtete  Fintwickelung,  welche  die  Umbildung  zur 


B.  Bedeutung  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  u.  s.  w.  367 

Schönheit  hervorruft;  indem  sie  an  zahlreichen  Einzellieren  arbeitet,  um 
die  bezüalichen  neuen  Eigenschaften  hervorzubringen,  und  indem  sie 
ganze  Arten  erfaßt,  ist  ein  Unterdrücken  dieser  Eigenschaften  durch  die 
noch  unveränderten  Glieder  der  Stammform  unmöglich:  die  Umbildung 
geschieht,  wie  gesagt  unaufhaltsam  mit  innerer,  mit  physiolo- 
gischer Notwendigkeit. 

Was  ich  hier  sage,  gilt  im  Wesentlichen  ebenso  für  die  Nützlich- 
keitsauslese. 

Die  Bedeutung  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  als  Mittel  für  die 
Umbildung  wird  aber,  wie  schon  hervorgehoben,  insbesondere  durch  die 
Thatsache  zurückgewiesen,  daß  viele  Arten,  ja  ganze  Sippen  von  Faltern 
nicht  zur  Schönheit  vorschreiten,  sondern  vielmehr  zur  Vereinfachung 
von  Farbe  tmd  Zeichnung  bis  zu  vollkommener  Düsterheit,  zuweilen  zu- 
gleich unter  Verlust  einer  anderen  Zierde,  nämlich  der  Schwänze  der 
HinterflQgel.  welche  z.  B.  bei  den  Seglern  als  ursprünglichen  Formen 
so  schön  ausgebildet  sind,  ja  daß  jene  Vereinfachung  sogar  ein  all- 
gemeines Gesetz  ist.  Nutzen  im  Sinne  des  Schutzes  ist  dabei  nach 
Darwin  selbst  ausgeschlossen. 

Wenn  also  Darwix  zu  dem  Schlüsse  kommt,  >die  Weibchen  werden 
bestimmte  Männchen  vorziehen;  wenn  dies  die  schöneren  sind,  so  werden 
die  Farben  der  letzteren  gradweise  geändert  worden  sein  und  sich  auf 
ein  oder  auf  beide  Geschlechter  vererbt  haben,  ie  nach  dem  gerade 
vorherrschenden  Gesetze  der  Vererbung«,  so  muß  ich  demselben  in  allen 
Teilen  widersprechen,  insbesondere  nicht  nur  darin,  daß  ich  auf  Grund 
der  bekannten  Brunst  der  Falter  in  eine  solche  Auswahl  überhaupt 
Zweifel  setze,  ja  daß  ich  dieselbe  auf  Grund  von  der  Natur  der  in 
Frage  kommenden  Eigenschaften  für  unmöglich  und  in  Beziehung  auf 
die  gewöhnliche  Art  der  Umbildung  für  unwirksam  halte,  sondern  noch 
in  einem  besonderen  Punkte. 

Es  handelt  sich  in  den  weitaus  häufigsten  Fällen  von  Verschönerung 
um  Verschönerung  der  Männchen,  um  männliche  Präponderanz. 
Es  wären  also  in  der  Regel  die  Weibchen,  welche  unter  den  Faltern 
die  Männchen  auslesen  würden.  Das  erscheint  aber  bei  der  allbe- 
kannten angreifenden  Natur,  welche  gerade  die  Faltermännchen  in  Be- 
ziehung auf  die  Begattung  zeigen,  und  bei  der  leidenden  Rolle,  welche 
die  meisten  Weibchen  dabei  spielen,   geradezu  unmöglich. 

Wenn  nun  Darwin  zu  Obigem  noch  hinzufügt:  >dies  wird  dadurch 
begünstigt  werden,  daß  die  Männchen  vieler  Lepidopteren  die  Weibchen 
an  Zahl  bedeutend  übertreffen«,  ein  Satz,  auf  welchen  er  auch  sonst  in 
unserer  Frage  großes  Gewicht  legt  und  selbstverständlich  legen  muß, 
so  möchte  ich  genaue  neue  Untersuchungen  hervorheben,  welche  beweisen, 
daß  allerdings  die  Zahl  der  Männchen  unter  den  Schmetterlingen  größer, 
aber  nur  um  weniges  größer  ist  als  die  der  Weibchen.  Herr  Standfuss 
hat  nämlich  bei  40  Arten  und  32176  Individuen  Zählungen  gemacht 
und  ist  zu  dem  Ergebnis  gekommen,  daß  bei  allen  einzelnen  Arten,  welche 
den  verschiedensten  Familien  entnommen  sind,  ziemlich  dasselbe  Zahlen- 


368  Übergewicht  des  einen  Geschlechtes.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 

Verhältnis  besteht  und  7Avar  dies,  daß  auf  je  100  Weibchen  etwa  103 
bis  107  Männchen  kooamen').  Ob  dieser  Unterschied  der  ÖAnwiN'schen 
Schlußfolgerung  genügen  könnte,  will  ich  dahin  gestellt  sein  lassen, 
doch  scheint  mir  derselbe  für  die  Frage  deshalb  nicht  maßgebend,  weil 
auch  weibliche  Präpon deranz  bei  den  Schmetterlingen  vorkommt, 
ohne  daß  da,  wo  dieselbe  vorkommt,  das  umgekehrte  Verhältnis  in  der 
Zahl  der  Geschlechter  gegeben  sein  dürfte  oder  auch,  wenn  es  gegeben 
wäre,  entscheidend  sein  könnte. 

Hervorragende  Schmetterlingskundige,  wie  gerade  Standfüss,  weisen 
auch  auf  Grund  unmittelbarer  Beobachtung  irgendwelchen  Einfluß  der 
Schönheit  auf  geschlechtliche  Auslese  vollkommen  zurück.  Es  ist  viel- 
mehr der  Duft,  welcher  für  die  Falter  hier  wohl  wesentlich  maßgebend 
ist,  sei  es  daß  derselbe  vom  Männchen  oder  vom  Weibchen  oder  von 
beiden  ausströme.  Oft  wird  aber  auch  dieses  Reizmittel  von  der  Be- 
gattungsbegierde außer  Acht  gelassen  und,  wie  schon  berührt,  Begattung 
mit  fremden  Arten  geübt. 

Außer  dem  Duft  dürfte  es  noch  andere  Reizmittel  geben. 

Standfüss  sagt  in  Beziehung  auf  diese  Dinge 2):  »Man  sieht  oft  zu  seiner  Ver- 
wunderung ein  kleines  anscheinend  dürftiges  Q  von  einer  Menge  (5  S  gleichzeitig 
begehrt,  während  ein  großes  schön  entwickeltes  Stück  von  den  (5  (5  lange  oder  ganz 
vernachlässigt  wird.« 

Zur  Erklärung  wird  angegeben:  »Erstens  wird  das  frischer  entwickelte  Q  dem 
älteren  von  dem  (5  vorgezogen  und  zwar  dergestalt,  daß  an  diesem  Zuchtwahlgesetz 
der  Lepidopteren  die  größere  oder  geringere  Farbenpracht  der  weiblichen  Individuen 
in  keiner  Weise  etwas  zu  ändern  vermag.« 

Bei  nicht  wenigen  Arten  nimmt  das  ^  mehrtägige  Q  nicht  mehr  an,  andererseits 
gehen  (J  von  Bombyx  mori  zuweilen  selbst  noch  mit  völlig  abgestorbenen  Q 
Paarung  ein. 

Zweitens  ergab  die  Anatomie  frisch  ausgeschlüpfter  und  wohlentwickelter  Weib- 
chen, welche  von  den  Männchen  nicht  angenommen  wurden,  stets  eine  hinter  dem 
Durchschnittsquantum  der  Art  sehr  zurückbleibende  Eierzahl. 

»Schließlich    dürfte  hier  wie  dort  der  letzte  Grund  .  .  .  der  Mangel  des  von  den 

Weibchen  ausströmenden  Duftes  sein Im   ersteren  Falle  ging  derselbe   bereits 

verloren,  im  zweiten  Falle  gelangte  er  nicht  zur  Entwickelung.« 

Da  der  Duft  in  vielen  Fällen  für  uns  nicht  ohne  weiteres  oder  auch  gar  nicht 
wahrnehmbar  ist,  so  möchte  für  den  letzterwähnten  Fall  vielleicht  eine  andere  Er- 
klärung gelten  können:  es  ist  doch  nach  Maßgabe  anderer  Thatsachen  sehr  wahr- 
scheinlich, daß  die  so  leicht  sieht-  und  fühlbare  Dickleibigkeit  der  vollkommen  be- 
gattungsreifen, volle  Eierzahl  führenden  AVeibchen  die  Männchen  anreizte,  wie  z.  B. 
offenbar  die  männlichen  Frösche  wesentlich  durch  die  Körperform  der  Weibchen  ge- 
reizt werden,  eine  Beziehung,  welche  ja  nicht  am  unwirksamsten  auch  beim  Menschen 
gegeben  sein  dürfte. 

Welchen   Reiz   übrigens  Schmetterlingsweibchen   offenbar   durch  ihren  Duft  auf 


1)  M.  Standfiiss,  Handbuch  der  paläarktischen  Großschmetterlinge  II.  Aufl.  S.  -189  ff. 
Derselbe  hebt  hervor,  daß  diese  Zahl  die  gleiche  sei  wie  bei  der  zwelhäusigen  Pflanze 
Mercurialis  annua,  für  welche  durch  eine  durch  F.  Heyer  1883  in  Halle  erschienene 
Dissertation  festgestellt  sei,  daß  auf  je  100  Q  105,86  S  kommen.  Im  deutschen  Reich 
sollen  ebenso  auf  100  neugeborene  Mädchen  1 06,068  Knaben  kommen  und  zwar  auf 
Grund  der  Aufnahmen  des  statistischen  Amtes  in  Berlin  in  den  zehn  Jahren  von 
4882—1891. 

2;  a.  a.  0.  S.  50. 


Bedeutung  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  u.  s.  w.  369 

die  Männchen  ausüben,  zeigt  ein  Beispiel,  wonach  Herr  Standfuss  zwischen  lOV^l-hi' 
Vormittags  und  5  Uhr  Nachmittags  127  Männchen  von  Saturnia  pavonia  ein  Weibchen 
dieses  Falters  anfliegen  sah,  in  der  Nähe  von  Zürich,  wo  dieser  Falter  keineswegs 
häufig  sei,  so  daß  die  (5  die  Q  teilweise  aus  großer  Entfernung  gewittert  haben 
müssen  i). 

Es  sind  die  reizenden  Düfte,  welche  die  Männchen  von  Tagfaltern  bei  dem 
werbenden  Umflattern  der  Weibchen  zur  Geltung  bringen,  meint  Staxdfuss.  Doch 
verhalten  sich  die  Weibchen  auch  darin  zurückhaltend,  daß  sie  den  Düften  der 
Männchen  augenscheinlich  nicht  nachgehen. 

Wenn  aber  mehrere  Männchen  sich  um  ein  Weibchen  bewarben  und  eines  das 
Ziel  erreichte,  so  beobachtete  Standfuss  wiederholt,  daß  eines  von  den  leer  aus- 
gehenden sich  mit  dem  Weibchen  einer  verwandten  Art  paarte.  So  paarten  sich 
Melitaea  dictynna  Esp.  (J  und  athalia  Rott.  Q  ,  Zygaena  trifolii  Esp.  ^  und  ßlipen- 
dutae  L.  Q,  Zyg.  pilosellae  Esp.  (J  und  achilleae  Esp.  Q,  Zyg.  ßlipendulae  L.  (5  und 
lonicerae  Esp.  Q. 

Die  Weibchen  sträuben  sich  dabei  offenbar  in  Folge  des  Alißbehagens,  welches 
das  nicht  passende  männliche  Glied  zunächst  verursacht.  »Die  Männchen  ihrerseits 
erweisen  sich,  wenn  sie  durch  zahlreiches  Vorhandensein  co|Hilationssüchtiger  Weib- 
chen ihrer  Art  stimuliert  sind,  in  so  abnormer  Verfassung,  daß  sie  eine  Paarung  mit 
den  Weibchen  sehr  heterogener  Arten  einzugehen  fähig  sind.« 

In  der  That  ist  von  vornherein  gar  nicht  abzusehen,  wie  bei  dem  Geschäft  der 
Bethätigung  des  »grausam  zwingenden  Geschlechtstriebs«,  wie  Standfuss  einmal  sagt, 
vom  einen  oder  vom  anderen  Teil  eine  Auslese  neuer,  feiner  Schönheitsmerkmale, 
und  wären  sie  auch  nicht  so  unscheinbar  wie  sie  es  thatsächlich  sind,  geübt 
werden  sollte. 

Die  DARWiN'sche  ErklärLina;  der  Umbildims;  von  Farbe  und  Zeichnuns; 
der  Sclimetterlinse  zur  Schönheit  erscheint  somit  nach  allen  Richtungen 
hin  als  unbegründet. 

Eine  hochwichtige  dieser  Thatsachen  ist  aber  noch  hervorzuheben, 
welche  die  Erklärung  der  Entstehung  der  Schönheit  durch  geschlecht- 
liche Zuchtwahl  zum  Überfluß  noch  einmal  zurückweist:  ich  meine  die 
sprungweise  Entwicklung,  Halmatogen  esis,  die  gerade  beim 
Geschlechts-Dimorphismus  so  maßgebend  hervortritt,  und  zwar  in  Ver- 
bindung mit  einseitiger  Vererbung,  Ämiktogenesis. 

Geschlechtliche  Zuchtwahl  kann  unmöglich  eine  Umbil- 
dung einer  Zeichnung  und  Farbe  hervorbringen,  welche  in 
ganz  veränderten  Mustern  plötzlich,  kaleidoskopisch  entsteht, 
wie  dies  nach  der  Wirkung  künstlicher  Wärme  oder  Kälte  und  nach 
anderen  Vorkommnissen  auch  für  die  freie  Natur  als  thatsächlich  be- 
zeichnet werden  darf.  Es  handelt  sich  hierin  meist  wieder  um  ein 
Vorangehen  der  Männchen,  welche,  wie  gesagt,  nicht  ausgelesen  werden, 
sondern  die  Angreifer  sind.  Und  w^eiter  führt  auch  die  kaleidoskopische 
Umbildimg  vielfach  zur  Vereinfachung,  nicht  zur  Verschönerung.  Aus 
allen  diesen  Gründen  kann  nicht  einmal  die  Erhaltung  des  neu  Ent- 
standenen weder  bei  Halmatogenesis  noch  bei  allmählicher  Umbildung 
geschlechtliche  Zuchtwahl  als  Ursache  haben. 

Die  so  vollkommen  und  rein  ausgesprochene  männliche  und  w-eib- 
liche   orthogenetische  Präponderanz   aber,  welche  der  Geschlechts-Dimor- 


1)  a.  a.  0.  S.   107. 
Eimer,   Ortliogeneais.  24 


370  Übergewicht  des  einen  Geschlechtes.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 

phismus  vor  Augen  führt,  zeigt,  wie  schon  hervorgehoben  wurde,  in 
ganz  hervorragendem  Maße  die  Macht  der  Amiktogenesis,  als  Beweis 
für  die  Bedeutung  des  Geschlechts  bezw.  überhaupt  der  Konstitution 
für   die  Umbildung   der  Formen   und   für  die  Artbildung  im  Besonderen. 

Obschon  dabei  die  Eigenschaften  der  Männchen  durch  die  Weibchen 
hindurchgehen,  halten  sich  diese  lange  rein  und  unvermischt  von  dem 
Einflüsse  jener  ').  Allmählich  aber  schreiten  auch  sie  zu  den  Eigenschaften 
der  Männchen  vor,  ob  durch  allmähliche  oder  durch  sprungweise  Um- 
bildung muß  für  jeden  einzelnen  Fall  erwogen  werden.  Es  zeigt  die 
^4s/er/as-Gruppe  der  Papilioniden  in  Beziehung  auf  Papilio  Turnus  und 
Bairdii,  daß  umgekehrt  die  Männchen  bezw.  die  Rasse,  dem  sprungweise 
vorgeschrittenen  Weibchen  in  der  Umbildung  folgen  können,  und  zwar 
geschieht  dies  in  ausgesprochenen  Fällen  hier  schrittweise. 

In  vielen  Fällen  werden  wir  außer  Stande  sein  und  bleiben,  festzu- 
stellen, ob  die  jetzt  vorhandene  große  Verschiedenheit  der  Geschlechter 
ursprünglich  allmählich  oder  sprungweise  entstanden  ist,  und  dasselbe 
gilt  für  daraus  entstandene  neue  Arten.  Allein  der  Fall  von  Turnus 
Glaucus  Q.  zeigt  Hand  in  Hand  mit  den  Wärme-  und  Kälteversuchen, 
daß  sprungweise  Umbildung  unvermittelt  auftreten  und  ganz  veränderte 
Bilder  kaleidoskopisch  erzeugen  kann.  Vanessa  levana  und  prorsa  end- 
lich lehren,  daß  allmähliche  wie  sprungweise  Umbildung  an  einer  Art 
zusammen  vorkommen  können,  und  dieser  genau  untersuchte  Fall  dürfte 
überhaupt  für  Folgerungen  in  weitem  Umfange  maßgebend  sein:  danach 
hängt  es  von  dem  Grad  der  äußeren  Einwirkung  und  der  Kon- 
stitution ab,  ob  eine  nur  wenig  veränderte  neue  Form  oder  ob 
sprungweise  eine  sehr  veränderte  erzielt  wird. 

Es  ist  Darwin  nicht  möslich,  alle  in  Frage  kommenden  Thatsachen 
auf  seine  Weise  zu  erklären,  und  als  unbefangener  Naturforscher  verhehlt 
er  sich  auch  in  diesem  Abschnitt  wie  überall  sonst  in  seinen  Werken 
seiner  Ansicht  entgegenstehende  Schwierigkeiten  nicht,  hebt  dieselben 
vielmehr  besonders  hervor.  Diese  Schwierigkeiten  aber  sind,  wie  w-ir 
sahen,  große  und  gipfeln  sogar  geradezu  in  Widersprüchen  gegen  Dar- 
win's  beweiskräftig  sein  sollende  Voraussetzungen.  Nachdem  die  Ortho- 
genesis  als  maßgebender  Faktor  für  die  Umbildung  eingesetzt  ist,  wird 
man  erkennen,  wie  viel  Gezwungenes  die  DARwixschen  Ausführungen 
haben  und  wie  sehr  sie,  wenn  auch  unabsichtlich,  die  wichtigsten  Ein- 
wände gegen  die  Theorie  gegenüber  der  Absicht,  dieselbe  zu  begründen, 
zurücktreten  lassen.  Heute,  nach  Prüfung  der  von  mir  hervorgehobenen 
Thatsachen,  w^äre  der  eroße  Naturforscher  wohl  der  Erste,  welcher  den- 
selben  gerecht  würde. 


Sehr  bemerkenswert  ist  der  Widerspruch,  welchen  A.  R.  Wallace 
in  seiner  »Tropenwelt«  gegen  die  DARwix'sche  geschlechtliche  Zuchtwahl 
erhebt.     Schon  in  der  Vorrede  sagt  er:   »Bei  der  Untersuchung  der  Ge- 

1)  vgl.  meine  »Entstehung  der  Arten«  I.  S.  40  ilf. 


Bedeutung  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  u.  s.  w.  371 

setze  und  Erscheinungen  der  Färbung  organischer  Wesen  und  bei  der 
Erörterung  der  besonderen  Entwickelung  derselben  in  beiden  Geschlech- 
tern, ferner  bei  dem  Studium  der  besonderen  Anhtänge,  Schmuckfedern 
u.  s.  \v.,  der  Männchen  von  manchen  Insekten-  und  Yogelarlen  habe  ich 
mir  allmählich  eine  Theorie  entwickelt,  welche  der  DARwiN'schen  Theorie 
von  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  geradezu  widerspricht.« 

Und  nun  »iebt  Wallace  seine  Theorie  von  den  Kraftfarben,  d.  i. 
die  Ansicht,  daß  die  glänzenden  Farben  der  Männchen  auf  physiologische 
Ursachen  zurückzuführen  seien,  auf  den  Turgor  der  Säfte,  auf  ihren 
Zufluß  nach  der  Peripherie  in  Folge  ihres  höheren  Kräftezustandes  gegen- 
über den  Weibchen  —  eine  Ansicht,  welche  zusamt  erwähnter  anderer 
Erklärung  desselben  Gelehrten  betreffend  die  Entstehung  von  Farben 
durch  unmittelbare  äußere  Einflüsse,  gleichsam  als  ein  Teilstück  mfeiner 
eigenen  Anschauungen  tiber  die  Umbildung  der  Eigenschaften  der  Tier- 
welt erscheint  und  die  als  inselartige  Ausnahme  aus  den  sonst  streng 
ÜARwix'schen  Vorstellungen  eines  Mannes  hervorragt,  der  neuestens  wieder 
in  schärfster  Weise  selbst  gegen  sehr  naturgemäße  Vertretung  des  La- 
marckismus  von  Seiten  Cope's  aufgetreten  ist,  des  heute  eifrigsten  Partei- 
gängers des  Afterdarwinismus.  Andererseits  will  Wallace  die  von  Darwin 
zu  Gunsten  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  gedeuteten  Farben  und 
Zeichnunsren  teils  durch  Schutz  erklären,  teils  als  Mittel  zur  Erkennung. 

So  ergiebt  sich  bei  ihm  wie  bei  Darwix  ünfolgerich  tig  keit  der 
Auffassung  als  ganz  natürlicher  Ausfluß  der  zwangsweisen  Anwendung 
eines  einseitigen  Princips  zur  Erklärung  allgemeiner  Fragen.  Und  dies 
erhellt  noch  mehr  aus  den  einzelnen  Ausführungen  Wallace's  zur  Er- 
klärung der  Entstehung  der  Farben,  wo  überall  ein  Schwanken  zwischen 
der  Anerkennung  der  Herrschaft  der  Zuchtwahl  und  der  unmittelbaren 
Wirkung  äußerer  Einflüsse  hervortritt,  ganz  wie  bei  Darwix. 

Übrigens  hat  auch  Darwix,  wie  aus  Vorstehendem  zu  ersehen  ist, 
den  Einfluß  des  höheren  Kräftezustandes  der  Männchen  auf  die  Farben, 
besonders  zur  Brunstzeit,  verwertet. 

Wallace  führt  aus:  Glänzendere  Farben  treten  bei  Vögeln  und 
Säugetieren  an  den  Männchen  bei  gesteigerter  Lebenskraft  insbesondere 
zur  Brunstzeit  auf.  »Matte  Färbung  des  Pelzes  der  Säugetiere  ist  ein 
Anzeichen  von  Krankheit  oder  Schwächezuständen,  straffes,  glänzendes 
Haar  mit  leuchtendem  Auge  sind  sichere  Anzeichen  von  Gesundheit''. 
Dasselbe  gilt  von  Vögeln,  aber  auch  von  Insekten,  »denn  die  schönen 
Farben  der  Raupen  werden  matt,  sobald  dieselben  trag  werden  und 
sich  zum  Einspinnen  anschicken  2.  Sogar  an  Pflanzen  ist  etwas  der  Art 
zu  beobachten,  denn  an  den  gesundesten,  kräftigsten  Exemplaren  ist 
auch  die  Färbung  der  Blätter  am  saftigsten,  die  der  Blüten  und  Früchte 
am  schönsten.« 


1)  A.  R.  Wallace,  »Die  Tropenwelt«.  Braunschweig  1879.  S.  äOl. 

2)  Ausgiebig  habe  ich  dieselbe  Ansicht  vertreten  in  meinen  Studien  über  >->Lacerla 
muralis  coeriilea«  ,  »Über  das  Variieren  der  Mauereidechse«  und  in  »Entstehung  der 
Arten«  I. 

24* 


372  Übergewicht  des  einen  Geschlechtes.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 

»Bei  ungleicher  Färbung  ist  immer  das  Männchen  dunkler,  schärfer 
gefleckt«  u.  s.  w. 

Dazu  kommen  die  äußeren  Anhänge  mancher  Männchen,  welche 
mit  geschlechtlicher  Zuchtwahl  nichts  zu  thun  haben. 

Die  Farbe  sei  nun  vorzugsweise  auch  ein  Mittel  des  Wiederer- 
kennens  und  sie  sei  daher  »für  fliegende  Insekten,  die  fast  immer  in 
Bewegung  sind  und  sich  nur  so  zu  sagen  zufällig  begegnen,  von  beson- 
derer Wichtigkeit.  Dies  erklärt  dann  auch  die  sonst  rätselhafte  Er- 
scheinung,  warum  die  Weibchen  von  Schmetterlingen  oft  sehr  stark  von 
denen  naheverwandter  Arten  abweichen,  die  Mätmchen  nicht;  diese  sind 
am  rührigsten,  fliegen  am  raschesten  und  höchsten  und  suchen  die 
Weibchen  auf;  für  sie  ist  es  also  von  Nutzen,  daß  sie  die  letzteren 
in  größerer  Entfernung  erkennen  können.  Diese  Eigentümlichkeit  kommt 
bei  mehreren  Arten  von  Papilio,  Dindema,  Adolias  und  Colias  vor,  lauter 
Geschlechtern,  bei  denen  die  Männchen  gute  Flieger  sind  und  in  hoher 
Luft  schwärmen.« 

Darwin  giebt  Wallace  das  Zeugnis  außerordentlicher  Findigkeit  in 
der  Erklärung  von  Schutzeinrichtungen;  überall  weiß  dieser  in  der  That 
eine  Antwort  zu  Gunsten  der  Nützlichkeit  —  nur  eben  mit  Ausnahme 
vieler  Farben,  während  er  in  Beziehung  auf  andere  Färbungen  wieder 
ganz  ohne  Verlegenheit  für  die  Zuchtwahl  ist:  »Die  Kaninchen  fallen, 
wenn  sie  in  ihren  Bau  hineinlaufen,  durch  ihren  aufwärts  gekehrten 
weißen  Schwanz  dem  Jäger  und  zweifelsohne  ebensogut  den  Baubtieren 
sehr  in's  Auge.  Dieser  Umstand  aber  kann  gerade  den  Jungen  sehr 
nützlich  werden,  indem  er  diesen  als  Wahrzeichen  dient  und  sie  in  den 
Stand  setzt,  den  Alten  rasch  in  den  schützenden  Bau  zu  folgen;  ohne 
Zweifel  wird  dies  in  Folge  der  nächtlichen  Lebensweise  der  Tiere  be- 
sonders wichtig.« 

Ist  das  nicht  doch  ein  bischen  zu  scharfsinnig?  Sicherlich!  Denn 
die  weiße  Unterseite  des  Schwanzes  (der  »Blume«)  findet  sich  eben  so 
wie  beim  Kaninchen  auch  beim  Hasen,  welcher  nicht  in  Höhlen  wohnt !  Sie 
beruht  wohl  auf  Ursachen  wie  die  des  regelmäßigen  Vorhandenseins  einer 
weißen  Schwanzspitze  bei  Hunden  mit  weißen  Pfoten:  hier  aber  handelt  es 
sich  um  eine  physiologische  Beziehung,  Korrelation,  welche  wiederum 
auf  geringerer  Ernährung  der  vom  Herzen  entferntesten  Körperteile  schon 
im  Embryo  zurückzuführen  sein  wird. 

So  oft  ich  auf  dem  Anstand  ein  Beh  im  Sommer  aus  dem  grünen 
Laub  des  Waldes  hervortreten  sehe ,  von  welchem  sich  seine  fuchsrote 
Sommerfarbe  hell  abhebt,  drängt  sich  mir  die  Frage  an  die  Selektions- 
Kleidungskünstler  auf:  warum  ist  der  Bock  denn  jetzt  nicht  grün?  — 
der  Arme:  er  kann  nicht  grün  werden  und  muß  sich  eben  einstweilen 
so  behelfen.  Oder  sollte  seine  leuchtende  Farbe  vielleicht  auch  dazu 
da  sein,  um  den  Jungen  ein  Wahrzeichen  zu  bieten  ? 

Vielleicht  ist  diese  leuchtende  Farbe  der  Behe  im  Sommerhaar 
gegenüber  dem  düsteren  Winterhaar  gerade  wieder  als  Kraftfarbe  auf- 
zufassen,  wie  in  meinen    Augen    die    weiße   Winterfarbe    von    Hermelin, 


Bedeutung  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  u.  s.  w.  373 

Alpenhase,  Schneehuhn  u.  s.  w.  nicht  in  Folge  von  Auslese  entstan- 
den ist,  sondern  in  Folge  physiologischer  Verhältnisse  der  Hautthätigkeit 
im  Winter:  größeren  Wärme-  und  Ernährungsverbrauchs,  bezw.  gerin- 
gerer Ernährung ,  ganz  entsprechend  dem  Grauwerden  der  Haare  beim 
Menschen. 

Selbst  Darwix  sei  nicht  frei  von  vorgefaßten  Meinungen  bezüglich 
der  Schutzfarbe,  meint  Wallace,  denn  er  sage,  »das  Zebra  ist  auffallend 
gestreift  und  Streifen  können  in  den  weiten  Ebenen  Südafrikas  keinen 
Schutz  verschaffen«.  Ich  finde  im  Gegenteil,  daß  Darwin  hier  wie  so 
oft  sehr  vorurteilsfrei  ist.  Den  Vorwurf  macht  ihm  Wallace  zu  Gunsten 
seiner  Wiedererkennungstheorie,  denn  er  meint,  das  Zebra  sei  außer- 
ordentlich flink  und,  wenn  es  in  Heerden  lebe,  keineswegs  wehrlos.  »Die 
Streifen  können  daher  recht  wohl  den  Zweck  haben,  versprengten  Tieren 
ihre  Gefährten  weithin  kenntlich  zu  machen,  sie  können  auch  recht 
wohl  das  ruhende  Tier  im  Gesträuche  unkenntlich  machen.  Bevor  man 
näher  über  die  Lebensweise  des  Zebras  unterrichtet  ist,  erscheint  es 
jedenfalls  voreilig  zu  sagen,  daß  die  Streifang  keine  Schutzfarbe  sein 
kann « . 

Ja,  die  Streifen  können  wohl  unter  Umständen  diesen  und  anderen 
Zweck  erfüllen,  aber  es  ist  nach  Maßgabe  der  Thatsachen  der  Ortho- 
genesis  wohl  kaum  voreilig  zu  sagen,  daß  dieselben  nicht  durch  Aus- 
lese zum  Zweck  des  Erkennens  oder  des  Schutzes  entstanden  oder 
gezüchtet  worden  sind.  Es  ist  anzunehmen,  daß  solche  Streifung 
ebensowohl  bei  anderen  in  der  Wüste  lebenden  Tieren,  welche  ver- 
teidigangsfähig  und  schnellfüßig  sind,  denselben  Nutzen  haben  könnten 
oder  würden,  wie  ihn  Wallace  beim  Zebra  voraussetzt.  Und  doch  sind 
sie  verloren  gegangen  und  haben  Einfarbigkeit  Platz  gemacht,  so  beim 
Löwen,  bei  welchem  sie  in  der  Jugend  noch  in  Resten  vorhanden  sind. 
Wäre  das  Zebra  in  der  Wüste  nicht  auch  besser  geschützt,  wenn  es  die 
Farbe  des  erwachsenen  Löwen  hätte  ?  Und  sollten  sich  die  Zebras 
nicht  auch  ohne  die  Streifen  ebenso  gut  erkennen,  wie  sich  die  Löwen 
ohne  dieselben  erkennen? 

Nachdem  die  Gesetzmäßigkeit  der  Zeichnung  der  Tiere  und  deren 
Umbildung  erkannt  ist,  erscheinen  Vermutungen  wie  die  von  Wallace  und 
ebenso  viele  von  Darwin  ausgesprochene  in  ihrer  vollen  Gegenstands- 
losigkeit vor  aller  Augen,  ja  es  machen  jetzt  solche  zwangsweise  in  den 
Dienst  der  Zuchtwahl  gestellte  Erklärungsversuche  sogar  einen  ziemlich 
gekünstelten  Eindruck,  wenn  sie  auch  an  die  »fictiven«  Vorstellungen 
eines  August  Weismanx  noch  nicht  heranreichen. 

Es  ist  ganz  rlchtis,  was  der  von  dem  letzteren  Herrn  als  Gegner 
so  wegwerfend  behandelte  Entomologe  Johannes  Schilde  gesagt  hat, 
daß  der  Darwinismus  Alles  zu  erklären  im  Stande  sei,  indem  er  je 
nach  Bedarf  bald  dies  bald  jenes  jetzt  so,  dann  wieder  in  umgekehrter 
Weise  für  eine  wegen  ihres  Nutzens  notwendig  gezüchtete  Eigenschaft 
erklärt.  Darwin  wird  sich  der  Widersprüche,  in  welche  er  mit  seinen 
Schlüssen    gegenüber    den   Thatsachen    gerät,    oft    bewußt    und    gesteht 


374  Übergewicht  des  einen  Geschlechtes.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 

dies  dann  in  seiner  wahrhaft  großen  Art  einfach  ein  oder  sagt,  daß 
dies  oder  das  sich  auf  Grund  seiner  Voraussetzungen  nicht  erklären 
lasse.  Wallace  steht  nicht  an,  in  Einzelnem  geradezu  gegen  die  Grund- 
sätze der  Zuchtwahllehre  aufzutreten,  während  er  im  Übrigen  deren 
äußerster,  um  Nutzanwendung  in  ihrem  Sinne  nie  verlegener  Vertreter 
ist.  Aber  durch  jene  Ausnahmen  durchbricht  auch  er,  ohne  es  an- 
scheinend zu  empfinden ,  vollkommen  die  Grundlage  der  Folgerichtig- 
keit, welche  eine  Theorie  besitzen  muß,  wenn  dieselbe  Anspruch  auf 
Vollgültigkeit  erheben  will. 

Ich  hebe  dies  nur  hervor,  um  zu  zeigen,  wie  die  Unzulänglichkeit 
einer  Theorie  dadurch  offenbar  wird,  daß  sie  im  Einzelfalle  vollkommen 
versagt,  in  Sackgassen  führt,  aus  welchen  an  ihrer  Hand  nicht  heraus- 
zukommen ist.  Damit  trete  ich  der  bedeutenden  Auffassung  und  der 
Überzeugungstreue  der  Begründer  dieser  Theorie  selbstverständlich  in 
keiner  Weise  entgegen.  Das  Wesen  des  ächten  Naturforschers ,  sein 
Wert  zugleich  als  Mensch,  zeigt  sich  besonders  bei  Darwix  eben  in  der 
allseitigen  vorurteilslosen,  gerechten  Berücksichtigung  ihm  entgegen- 
stehender Meinungen,  in  der  Achtung,  welche  er  seinen  Gegnern  zu  Teil 
werden  läßt,  die  ihm  deshalb  wiederum  nur  Hochachtung  und  Verehrung 
werden  entgegenbringen  können,  ohne  daß  sie  sich  deshalb  den  wissen- 
schaftlichen Ausdruck  ihrer  Ansichten  worden  versagen  müssen. 

Der  Afterdarwinismus  allein  hat  ein  unbedingtes,  folgerichtig  und 
und  rücksichtslos  vertretenes  Selektionsbedürfnis.  Durch  welche  Mittel 
er  dasselbe  zu  befriedigen,  ihm  entgegenstehende  Thatsachen  und 
Meinungen  und  seine  Gegner  zu  beseitigen  sucht,  darüber  keinerlei  Zweifel 
zu  lassen,  ist  er  sonder  Bedenken  selbst  ausgiebig  bemüht. 

Wer  heute,  nach  vorurteilsloser  Prüfung  der  Erklärungen,  welche 
die  Orthogenesis  an  die  Hand  giebt,  die  DARwiN'schen  Werke  und  Wal- 
LACE'sche  Ausführungen  wie  die  vorstehenden  liest,  dem  wird  offenbar 
werden ,  daß  nur  an  der  Hand  der  ersteren  jene  Widersprüche  sich 
lösen  und  widerspruchslose  Schlußfolgerungen  über  Transmutation  und 
Artbildung  überhaupt  sich  ziehen  lassen.  Der  Zuchtwahl  wird  auch  auf 
diesem  Wege  ihr  Recht,  denn  vieles,  was  durch  Orthogenesis  entstanden 
ist,  wird  selbstverständlich  der  Benutzung  durch  die  Zuchtwahl  und 
zwar  verschiedenartiger  zugänglich  sein  und  so  wird  nüchterne  Be- 
thätigung  am  Feststellen  dieses  Nutzens  auch  in  Zukunft  ihren  Wert 
l)ehalten. 

Anmerkung.  Man  vergleiche  zu  Obigem  z.  B.  Darwin,  »Abstammung  des  Men- 
schen« II.  3.  Aufl.  Stuttgart  1873.  S.  282  IT.,  wo  es  heißt:  »Hier  entsteht  nun  eine 
merkwürdige  Schwierigkeit.  Wenn  wir  zugeben,  daß  gefärbte  Flecken  und  Streifen 
als  Zierraten  erlangt  worden  sind,  woher  kommt  es,  daß  so  viele  jetzt  lebende  Hirsche, 
die  Nachkommen  eines  ursprünglich  gefleckten  Tieres,  und  sämtliche  Arten  von 
Schweinen  und  Tapiren,  die  Nachkommen  eines  ursprünglich  gestreiften  Tieres,  in 
ihrem  erwachsenen  Zustande  ihre  früheren  Verzierungen  verloren  haben?  Ich  kann 
diese  Frage  nicht  befriedigend  beantworten«  .  .  .  »Es  mag  für  den  Löwen  und  das 
Puma  ein  großer  Vorteil  gewesen  sein,  wegen  der  offenen  Beschaffenheit  der  Örtlich- 
keiten ,   in   welchen   sie   gewöhnlich  jagen,  ihre  Streifen  verloren  zu  haben  und  hier- 


Bedeutung  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  u.  s.  w.  375 

durch  für  ihre  Beute  weniger  auffallend  geworden  zu  sein«  (und  das  Zebra?).  Was 
Hirsche,  Schweine  und  Tapire  angeht,  so  meinte  Fuitz  INIüller  gegenüber  von  Dauwin, 
»daß  diese  Tiere  durch  die  Entfernung  ihrer  Flecken  und  Streifen  mit  Hülfe  der 
natürlichen  Zuchtwahl  f!)  von  ihren  Feinden  weniger  leicht  werden  gesehen  worden 
sein,  und  sie  werden  besonders  eines  solchen  Schutzes  bedurft  haben,  als  die  Carni- 
voren  während  der  Tertiärzoit  an  Größe  und  Anzahl  zuzunehmen  begannen.«  Aber 
die  Zebras '?; 

»Dies  kann  wohl  die  richtige  Erklärung  sein«,  fährt  Darwin  fort,  »es  ist  aber 
befremdend,  daß  die  Jungen  nicht  gleich  gut  geschützt  gewesen  sein  sollten,  und  noch 
befremdender,  daß  bei  einigen  Arten  die  Erwachsenen  ihre  Flecke  entweder  teilweise 
oder  vollständig  während  eines   Teils  des  Jahres  beibehalten  haben  sollten.« 

Man  merke,  gerade  die  Jungen,  die  doch  am  meisten  Schutzbedürftigen,  sind 
durch  ihre  Streifung  auffallend  gezeichnet,  und,  füge  ich  hinzu,  dies  ist  bei  den 
verschiedensten  Arten,  Familien,  Klassen  des  Tierreichs  der  Fall :  die  Jungen  sind  noch 
längsgestreift  oder  gefleckt,  die  Alten  werden  einfarbig.  Die  ihren  Feinden  so  leicht 
zur  Beute  fallenden,  unerfahrenen,  unbeholfenen  Jungen  sind  also  überall  weniger 
durch  die  Farbe  geschützt  als  die  Alten.  Da,  sagt  Darwin  weiter,  guter  Grund  be- 
steht zu  glauben,  daß  das  ursprüngliche  Pferd  an  den  Beinen,  dem  Rückgrat  und 
wahrscheinlich  an  den  Schultern  gestreift  war,  so  kann  »das  Verschwinden  der  Flecke 
und  Streifen  bei  unseren  erwachsenen  jetzt  lebenden  Hirschen,  Schweinen  und  Ta- 
piren Folge  einer  Veränderung  der  allgemeinen  Farbe  ihres  Haarkleides  sein;  ob  aber 
diese  Veränderung  durch  geschlechtliche  oder  natürliche  Zuchtwahl  bewirkt  wurde 
oder  Folge  der  direkten  Wirkung  der  Lebensbedingungen  oder  irgend  welcher  anderen 
unbekannten  Ursache  war,  ist  unmöglich  zu  entscheiden.  Eine  von  Herrn  Sclater 
gemachte  Beobachtung  erläutert  sehr  gut  unsere  Unwissenheit  von  den  Gesetzen, 
welche  das  Auftreten  und  Verschwinden  von  Streifen  regulieren:  die  Species  von 
Asinus,  welche  den  asiatischen  Continent  bewohnen,  entbehren  der  Streifen  .  .  ., 
während  diejenigen,  welche  Afrika  bewohnen,  auffallend  gestreift  sind,  mit  der  teil- 
weisen Ausnahme  von  A.  taeniopiis,  welcher  nur  den  queren  Schulterstreif  und  meist 
einige  unbedeutende  quere  Streifen  an  den  Beinen  besitzt;  und  diese  letztere  Species 
bewohnt  die  fast  mitten  inne  liegenden  Gegenden  von  Oberägypten  und  .\byssinien.« 

Es  ist  jetzt  für  uns  nichts  Überraschendes  mehr,  daß  Arten  derselben  Gattung 
in  dem  einen  Gebiet  die  ursprünglichere  Zeichnung  tragen  als  andere  Arten  in  einem 
anderen  Gebiete,  und  wir  wissen,  daß  z.  B.  die  nordamerikanische  Tierwelt  jedenfalls 
gewisser  Abteilungen  auch  in  der  Zeichnung,  wie  in  der  Regel  in  anderen  Eigen- 
schaften, auf  ursprünglicherer  Stufe  der  Ausbildung  steht,  als  die  europäische,  und  wir 
wissen  jedenfalls  so  viel,  daß  es  sich  dabei  überall  um  ein  gesetzmäßiges  Fortschrei- 
ten bestimmt  gerichteter  Entwickelung  oder  um  ein  -Stehenbleiben  auf  bestimmten 
Stufen  derselben,  dies  auch  in  Beziehung  auf  einzelne  Teile  der  Zeichnung  handelt, 
endlich,  daß  von  Zuchtwahl,  weder  von  geschlechtlicher  noch  von  anderer  dabei 
keine  Rede  ist,  außer  vielleicht  in  für  das  Ganze  durchaus  unmaßgeblicher  Weise. 

Johannes  Schilde  hat  aber  offenbar  nicht  Unrecht,  wenn  er  in  seiner  Schrift: 
gegen  pseudodoxische  Transmutationslehren,  ein  entomolog.  Nachweis  irriger  Studien 
zur  Descendenztheorie,  Leipzig,  0.  Wigand  1879  mit  Bezug  auf  Herrn  August  W^eis- 
M.vNN,  dessen  Beweisführung  in  den  alten  Studien  zur  Descendenzlehre  dieser  Nach- 
weis gilt,  auf  S.  9  sagt :  »die  Natur  bietet  wirklich  so  außerordentlich  verschieden 
geartete,  geordnete  Specialfälle,  daß  es  einem  halbwegs  bewanderten  kühnen  Anhänger 
der  Selektion  leicht  wird,  der  blöde  zuhörenden  glaubsüchtigen  Menge  gegenüber  für 
jeden  drängenden  »Beweis« -Fall,  oft  mit  demselben  Objekt,  eine  theoretische  Volte 
zu  schlagen.«  Als  Beispiel  erwähnt  er  u.  a. :  »der  Darwinianer  erklärt  dies  nämlich 
auffällige  Farben  am  Flügelrande  der  Schmetterlinge)  wieder  als  selektiert  aus  dem 
Nutzen,  welchen  auffällige  Farben  ferner  dem  Leibe,  lockend  und  ablenkend  für 
die  Erhaltung  der  von  Feinden  verfolgten  Individuen  gewähren«. 

»Das  Spiel  mit  zweierlei  Karten  ist  aber  deutlich  erkennbar:  hier  sollen  bunte 
Farben   die   Gefahr  vom  Leibe  abhalten  dadurch,  daß  sie  die  Verfolgung  irrend 


376  Übergewicht  des  einen  Geschlechtes.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 

auf  sich  lenken,  dort  sollen  sie  den  Körper  schützen  dadurch,  daß  sie  durch 
widrige  Erinnerungen  dieselben  Ycrl'olger  täuschend  abschrecken« 

»Weil  ihr  selektiert  erworbener  Instinkt  die  selbsterhaltend  bethätigte  Aufmerk- 
samkeit nach  dem  auffällig  Gefärbten  leitete,  haschten  sie  jetzt  nach  dem 
Gleißenden  und  —  trelTen  auf  ein  geni\ßloses  Fliigelstückchen!  und  dann  —  weil  ihr 
selektiert  cumulierter  Instinkt  ihnen  gleißende  Bissen  als  widerlich  taxieren  lernte  — 
wenden  sie  sich  ekelnd  ab  von  dem  reellen  Schmause,  weil  er  auffällig  gefärbt  ist. 
Welche  direkten  Widersprüche!  Speciell  aber,  welches  Absurdum  von  echtem  und 
falschem  Ererbungs-Raffinement  umgaukelt  hier  die  selektierten  Instinkte,  damit  ihr 
stetes  Fiasco  dem  Gegner  Nutzen  selektiere!??  Es  fällt  der  Feder  schwer  für 
solchen  Wirrwarr  Sätze  zu  finden.«   .... 

»Auf  die  Instinkte  des  Verfolgers  müssen  doch  Stadien  der  Erfahrung  vererbt 
werden,  die  das  den  Vorfahren  einst  durch  Irrtum  widrige  Mahl  längst  als  accep- 
tabel  lehrten  und  erkannten.«   .... 

»Wie  sollte  sich  aber  vollends  durch  nächtliche  Praxis  der  Zuchtwahl  die 
oft  brillante  Metallbeschuppung  z.  B.  auf  der  Rückseite  einer  Masse  von  Lycaeniden 
ausgezüehtet  haben,  die  im  Düster  der  Nacht  gar  nicht  sichtbar  ist?  Soll  sie  etwa 
in  und  für  die  jährlich  wenigen  Mondscheinnächte  herangezüchtet  sein?« 

Die  geschlechtliche  Zuchtwahl  betreffend,  so  erklärt  Wallace, 
daß  er  »von  Aiifang  an  diesen  Teil  der  ÜARwix'schen  Theorie  für  irr- 
tümlich gehalten  und  dagegen  angeführt  habe ,  die  erste  Ursache  der 
sexuellen  Farbenverschiedenheit  sei  das  Bedürfnis  des  Schutzes,  welches 
beim  Weibchen  die  hellen  Farben  beseitige,  die  sonst  normaler  Weise 
beiden  Geschlechtern  zukommen  würden.« 

Gleich  darauf  entwickelt  Wallace  seine  Theorie  von  den  Kraftfarben, 
nach  welchen  doch  die  schönen  Farben  der  Männchen  von  höher  ge- 
steiserter  Lebenskraft  derselben  herrühren  soUea.  An  einer  anderen 
Stelle  heißt  es,  nach  Zurückweisung  der  Ansicht  Darwins,  daß  die  Farbe 
der  Männchen  der  Vögel  die  Weibchen  zur  Wahl  derselben  bestimme: 
der  Schmuck  der  ersteren  »samt  seinen  schönen  Farben  und  Farben- 
zeichnungen rührt  von  allgemeinen  Entwickelungsgesetzen  und  insbe- 
sondere von  erhöhter  Lebensfähigkeit  her«  ').  Aber  weiter  ist  von  solchen 
Entwickelungsgesetzen  bei  ihm  nicht  die  Rede. 

Es  fehle,  sagt  weiterhin  Wallace,  jeder  Beweis  dafür,  daß  die 
Weibchen  diese  Schrauckentfaltung  irgendwie  bewundern  oder  auch  nur 
beachten.  Ferner  aber  thun  Dauwlx's  Beweise  selbst  dar,  dass  jeder 
Vogel  unter  allen  Umständen  ein  Weibchen  oder  Männchen  findet.  Für 
die  Schmetterlinge  aber  liege  »nicht  der  Schatten  eines  Beweises  dafür 
vor,  daß  die  Farbe  vom  Weibchen  beachtet  wird,  ja  daß  das  letztere 
überhaupt  wählen  kann.  Dies  ist  so  handgreiflich,  daß  Darwin  sich 
veranlaßt  sieht,  folgenden  auffallend  unrichtigen  Satz  statt  des  Beweises 
einzuschalten:  »Wenn  die  Weibeben  nicht  ein  Männchen  dem  anderen 
vorzögen,  so  wäre  das  Paaren  nur  Sache  des  Zulalls  und  das  ist  doch 
nicht  wahrscheinlich«.  Eben  hat  er  aber  gesagt:  die  Männchen  kämpfen 
oft  miteinander  aus  Eifersucht  und  oft  sieht  man  viele  derselben  sich 
um  ein  Weibchen  drängen  und  es  verfolgen«,  und  von  den  Seidenspinnern: 
»die  Weibchen   haben    augenscheinlich    gar    keine  Gelegenheit   zur  Wahl 


1)  a.  a.  0.  S.  207. 


Bedeutung  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  u.  s.  w.  377 

eines  Männchens«.  Die  einfachste  Folgerung  wäre  doch  die.  daß  die 
Männchen  einen  Wettkampf  um  das  fast  ganz  passive  Weibchen  anstellen, 
daß  das  kräftigste,  mutigste,  am  besten  fliegende  und  ausdauerndste 
Männchen  den  Sieg  davon  trägt.  Wie  kann  man  dies  Zufall  nennen? 
Die  natürliche  Zuchtwahl  sorgt  hier,  wie  bei  den  Vögeln,  dafür,  daß  die 
stärksten  Männchen  sich  fortpflanzen ;  da  aber  diese  in  der  Regel  die 
am  lebhaftesten  gefärbten  ihres  Stammes  sind,  so  wird  hier  wie  dort 
das  Resultat  eine  Verstärkung  der  Farbe  und  Buntheit  sein«. 

Darwix  schließe  immer  in:  »Abstammung  des  Menschen«),  daß  die 
prunkvolle  Färbung  der  Tagfalter  und  einiger  Nachtfalter  unmöglich  als 
Schutzfarbe  erworben  sein  kann,  weil  ja  die  farbigen  Teile  derselben 
stets  mehr  oder  weniger  sichtbar  sind  und  in  Beziehung  zu  einem  anderen 
Beobachter  treten.  »Ihre  Farbenflecke  und  hübschen  Zeichnungen«,  fährt 
Dar^nix  wörtlich  fort,  »werden  zur  Schau  getragen.  Ich  bin  daher 
überzeugt,  daß  die  Weibchen  die  schönsten  Männchen  vorziehen  oder 
von  ihnen  zumeist  gefesselt  werden ;  denn  sonst  hätte  nach  unserem 
Ermessen  die  Farbenzier  der  Männchen  keinen  Zweck«.  »Es  ist  mir 
unbekannt«,  wirft  dagegen  Wallace  ein,  »daß  irgend  Jemand  behauptet 
hätte,  die  prachtvollen  Farben  der  Schmetterlinge  seien  .in  der  Regel 
als  Schutzfarbe  erworben '  ^)  .  .  .  Alles  was  Darwin  zum  Beweise  dafür 
beibringt,  daß  Schmetterlinge  und  andere  Insekten  Farben  unterscheiden 
können  und  durch  solche,  die  denen  ihrer  Art  ähneln,  angezogen  werden, 
steht  im  besten  Einklang  mit  der  Ansicht,  daß  die  Farbe,  die  sich  stets 
dem  Beobachter  aufdrängt,  den  Zweck  hat,  das  Wiedererkennen  und 
richtige  Unterscheiden  der  Tiere  zu  erleichtern,  sobald  sie  nicht  des 
Schutzes  halber  gedämpft  oder  unterdrückt  wird«. 

Es  wird  Darwin  vorgehalten,  daß  er  auf  einmal  annahm,  gewisse 
Männchen  suchten  schönere  Weibchen  aus,  »obwohl  doch  eine  Haupt- 
stütze der  Theorie  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  die  ist,  daß  im  ganzen 
Tierreiche  die  Männchen  der  Regel  nach  so  begierig  sind,  um  mit  jedem 
Weibchen  vorlieb  zu  nehmen,  daß  dagegen  die  Weibchen  zurückhaltender 
und  wählerischer  sind:  gerade  hierdurch  soll  das  häufige  Vorkommen 
des  schöneren  Aussehens  der  Männchen  veranlaßt  sein«. 

Schließlich  berührt  Wallace  den  Ausweg,  welchen  Darwix  ergreift, 
um  zu  erklären,  warum  bei  Pieris  { Per rJnj bris)  Pyrrha,  Malenka  nnd  Lorena 
die  Männchen  einfach  weiß  sind  und  nicht  die  schwarz-rot-gelbe  Heli- 
konierfärbung  der  Weibchen  haben:  »Darwin  giebt  zu,  daß  diese  Grell- 
färbung zum  Schutze  diene;  da  aber  kein  ersichtlicher  Grund  vorliegt, 
weshalb  diese  Trutzfarbe  auf  das  weibliche  Geschlecht  beschränkt  ist,  so 
glaubt  er,  sie  sei  beim  3Iännchen  nicht  zur  Entwickelung  gekommen, 
weil  sie  den  Weibchen  nicht  gefalle.  Nun  soll  hier  auf  einmal  der 
weibliche  Schmetterling  eine  Abneigung  gegen  jede  Farbe  gehabt  haben, 
obwohl  anzunehmen  ist,  daß  diese  Farbe  beständig  vorkam«  .  .  . 


1)  Seitdem    hat    dies    bekanntlich   Jemand   behauptet;   aber  tS78  war   nur   Herr 
August  Weismann's  frühere,  entsesenüesetzte  Meinung  bekannt. 


378  Übergewicht  des  oiiion  Gcsclilcchtes.     Geschlpclitliclic  Ziiclitwalil. 

W.vLLACE  will  dagegen  statt  dieser  künstlichen  Erklärung  eine  ein- 
fachere geben:  die  Weibchen  flattern  in  den  Wäldern  umher,  wo  auch 
die  Heliconiden  schwärmen,  die  Männchen  fliegen  im  Freien  mit  anderen 
weiß  und  gelb  gefärbten  Schmetterlingen  an  FluRufern:  »ist  es  da  nicht 
denkbar,  daß  das  Auftreten  der  rotgelben  Streifen  oder  Flecken  dem 
Männchen  ebenso  nachteilig  sein  würde  als  es  dem  Weibchen  nützt,  indem 
das  Männchen  dadurch  unter  seines  Gleichen  ausgezeichnet  würde  und  ein 
auffälligeres  Angriffsobjekt  für  insektenfressende  Vögel  abgäbe?  Das  ist 
doch  unbedingt  wahrscheinlicher  als  jene  ganz  hypothetische  Zuchtwahl 
seitens  der  Weibchen,  die  dann  bald  für,  bald  gegen  jede  neue  auf- 
tretende grelle  Farbe  und  Zeichnung  ins  Feld  geführt  wurde« '). 

In  der  That  —  Johanxes  Schilde  hat  sogar  in  A.  R.  Wallace  einen 
Parteigänger  —  »bald  für,  bald  gegen«,  das  ist  doch  häufig  genug  auch 
bei  Darwin  selbst,  nicht  nur  bei  seinem  Epigonen,  ein  Weg  zur  Beweis- 
führung. Hier,  in  dem  Falle  mit  Perrhybris  Pijn/ia  u.  s.  w.  wird  sogar 
ein  dreifacher  Widerspruch  gegen  die  sonst  gewöhnlichen  Beweismittel 
angewendet:  die  Auswahl  von  Seiten  des  Weibchens,  das  Unbedürfnis 
des  Männchens  nach  Schutzfarbe  und  endlich  die  geradezu  widersinnige 
Annahme,  dem  Weibchen  gefallen  die  schönen  Farben  schwarz-rot-gelb 
nicht  und  es  wähle  die  weniger  schönen  aus!  Wallace  aber  verzichtet 
mit  seiner  »unbedingt  wahrscheinlichen«  Erklärung  auf  einmal  auf  den 
sonst  so  gerühmten  Vorteil  der  Heliconiden-Verkleidung! 

Ich  habe  all  diese  Einzelheiten  von  Widersprüchen  und  Verschieden- 
heit der  Meinung  zweier  so  maßgebender  Forscher  wie  Darwin  und 
Wallace  über  denselben  Gegenstand  hier  wiedergegeben,  eben  um  zu 
zeigen,  auf  wie  schwachen  Füßen  die  ganze  Zuchlwahllehre  nach  Maß- 
gabe ihrer  eigenen  Beweisführung  steht,  indem  sie  keine  einheitlich  durch- 
greifenden Mittel  zur  Erklärung  der  Thatsachen  hat,  ja  so  wenig  folge- 
richtig urteilt,  daß  sie  bald  dieses  bald  jenes  Mittel  verlassen  oder  um- 
kehren oder  gegen  sich  selbst  kehren  muß. 

Und  was  der  gleichfalls  auf  dem  Boden  dieser  Lehre  stehende 
Herr  Wallace  Darwin  an  Wiedererkenn ungs-  und  Schutztheorie  entgegen- 
hält, leidet  an  demselben  Fehler,  teils  des  gegen  sich  selbst  Kehrens  der 
Erklärungsmiltel,  teils  der  Unwahrscheinlichkeit,  der  ünbeweisbarkeit,  ja 
der  Unmöglichkeit. 

Aber  gar  nicht  berücksichtigt  ist  bei  alledem  das  bisher  Unbekannte, 
daß  die  meisten  Zeichnungen  und  Farben  aus  kleinsten  Anfängen  allmählich 
entstehen,  nach  bestimmten  Richtungen  sich  entwickeln  und  daß  un- 
möglich irgendwelche  Auslese,  sei  es  natürliche  oder  geschlechtliche,  diese 
Entwickelung  veranlassen  kann,  sondern  nur  —  Orthogenesis. 


1;  Man  vergleiche  dagegen  die  vorn  S.  206  ff.  von  mir  auf  Grund  orthogenetischer 
Rückbildung  gegebene  Erklärung  der  bunten  Farben  der  Weibchen  von  Perrhybris 
Pyrrha  und  Lorena. 


C.  Die  Entstehuiiii  der  Augenzierden  bei  Schmetterlingen.  379 


C.  Die  Entstellung  der  Augenzierden  bei  Sclunetterlingen. 

Im  Anschluß  an  den  Abschnitt  über  eeschlechtliche  Zuchtwahl  möchte 
ich  einige  Bemerkungen  machen  l:)ezüglich  der  Entstehung  der  schönsten 
Zierden,  welche  bei  ihr  in  Frage  kommen  und  welche  bei  Yöeeln  nach 
der  Meinung  Darwix's  dabei  eine  so  große  Rolle  spielen,  während  er 
selbst  ihnen  diese  Rolle  bei  den  Schmetterlingen  absprechen  muß,  weil 
sie  hier  nicht  nur  den  Männchen,  sondern  auch  den  Weibchen  derselben 
Art  zukommen  können.  Schon  dieser  Widerspruch  muß  selbstverständ- 
lich auch  bei  den  Vögeln  die  Bedeutung  der  Zuchtwahl  für  die  Ent- 
stehung und  Ausbildung  der  Augenzierden  von  vornherein  höchst  zwei- 
felhall machen,  noch  mehr  die  Thatsache,  daß  auch  Raupen,  bei  welchen 
von  geschlechtlicher  Beziehung  keine  Rede  sein  kann,  prachtvolle  solche 
Augenzierden  besitzen.  Daß  man  versucht  hat,  dieselben  in  ihrer  höchsten, 
auffallendsten  Ausbildung  als  Schreckmittel  aufzufassen,  wie  die  Eulen- 
augen nachahmen  sollenden  Augenzierden  des  Falters  Calir/o ,  berührt 
die  Zuchtwahlfrage  schon  deshalb  nicht  weiter,  weil  in  zahlreichen  an- 
deren Fällen  von  solch  schrecklich  aussehender  Ausbildung  der  Augen- 
zierden der  Raupen  keine  Rede  ist,  indem  dieselben  hier  wie  überall 
alle  Überoänse  der  Bilduns  von  einfachen  Flecken  zeigen. 

Wie  vorsichtig  man  aber  auch  mit  der  Auffassung  fertiger  und 
überraschend  auffallender  solcher  Augen  als  Schreckmittel  sein  muß  — 
welche  sie,  einmal  fertig,  ja  sein  könnten,  ohne  daß  sie  zu  diesem 
Zwecke  entstanden  sein  werden  —  zeigt  eben  Caligo.  Die  zwei  großen 
Augen  auf  der  Unterseite  der  Hinterflügel,  die  Rieselzeichnung,  die  Farbe 
und  die  abgerundete  Gestalt  dieser  Flügel  ahmen  zusammen  in  wunderbarer 
Ähnlichkeit  jenen  Eulenkopf  nach,  w-elcher  in  der  That  einen  fürchterlich 
schreckhaften  Eindruck  machen  kann.  Aber  es  würde  dem  Faller  schwer 
werden,  dieses  Schreckmittel  zur  Wirkung  zu  bringen,  denn  dasselbe 
findet  sich  nur  auf  der  Unterseite  seiner  Flügel,  nicht  auch  auf  der 
Oberseite,  welche  sogar  in  die  freundliche,  friedliche  Farbe  Blau  gekleidet 
ist,  und  es  kann  als  Eulenge  sieht,  welches  es  eben  darstellen  soll,  nur 
dann  zum  Ausdruck  kommen,  wenn  beide  Flügel  wagrecht  gehalten 
werden.  Der  Schmetterling  Caligo  müßte  sich  also  schon  mit  ausge- 
breiteten Flügeln  —  auf  den  Rücken  legen,  w^enn  er  sein  Schreckmittel 
zur  Wirkung  bringen  wollte,  es  sei  denn,  daß  seine  Feinde  ihn  während 
des  Fliegens  von  unten  her  anstarrten,  bis  sie  zur  Überzeugung 
kämen,  daß  sie  in  ihm  ein  Eulengespenst  vor  sich  oder  vielmehr  über 
sich  haben! 

Wenn  wir  nun  aber  vollends  sehen,  daß  die  Augenzierden  beiden 
Schmetterlingen  und  bei  den  Raupen  gewöhnlich  in  ganz  derselben  Weise 
durch  gesetzmäßige  Umbildung  aus  Stücken  von  Längsstreifen  ent- 
stehen, ebenso  wie  dies  Daumix  für  den  Argusfasan  gezeigt  hat,  wenn 
wir  sehen,  wie  sie  so  oft  noch  auf  einer  tiefen,  völlig  unscheinbaren 
Stufe    der  Ausbildung,   ja   auf  der    von  ziemlich   rohen   Flecken   stehen 


380  Übergewicht  des  einen  Geschlechtes.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 

bleiben,  deren  Anblick  keinerlei  Schönheitssinn  wird  berühren  können, 
wenn  also  bei  ganz  verschiedenen,  unter  ganz  verschiedenen  Ver- 
hältnissen lebenden  Tieren  dieselbe  oder  doch  eine  ganz  ähnliche 
Gestaltung  zu  symmetrischen  und  schöngefärbten  Zeichnungen  auch  in 
diesen  besonderen  Zierden  jedem  offenen  Auge  erkennbar  wird,  so 
haben  wir  auch  darin  einlach  den  Ausdruck  von  bestimmten 
Bildungsgesetzen  zu  suchen,  wie  sie  die  Zeichnung  der  Tiere 
überhaupt  beherrschen,  nicht  aber  die  Folge  irgend  welcher  Zuchtwahl. 


Die  folgende  Darlegung  giebt  nur  die  Umrisse  der  Entstehung  der 
Augenflecke  bei  Schmetterlingen.  Der  so  sehr  ansprechende  Gegenstand 
verdient  eine  viel  mehr  in's  Einzelne  gehende  Untersuchung  unter  genauer 
Vergleichung  der  Verhältnisse  bei  anderen  Tieren.  Die  im  zweiten  Teil 
dieses  Buches  folgende  Arbeit  über  die  Zeichnung  von  Vögeln  wird  mich 
auf  den  Gegenstand  zurückführen.  Hier  beginne  ich  mit  den  Äußerungen, 
welche  Darwix  besonders  über  die  Augenzierden  bei  Schmetterlingen 
niedergelegt  hat. 


Darwin  sagt'):  Obschon  wir  die  Schritte  nicht  kennen,  auf  welchen 
diese  wunderbar  schönen  und  zusammengesetzten  Verzierungen  ent- 
wickelt worden  sind,  so  ist  doch,  mindestens  bei  Insekten ,  der  Proceß 
wahrscheinlich  ein  einfacher  gewesen,  denn,  wie  ihm  Herr  Trimex 
schreibe,  seien  »bei  den  Lepidopteren  keine  anderen  Charaktere  bloßer 
Zeichnung  oder  Färbung  so  unselbständig  wie  die  Augenflecke,  sowohl 
der  Zahl  als  der  Größe  nach«.  Wallace  zeigte  ihm  dies  an  Hipparchia 
Janira^  welche  zahlreiche  Abstufungen  von  einem  einfachen  äußerst 
kleinen  schwarzen  Fleck  bis  zu  einem  elegant  gefärbten  Augen  fleck 
darboten.  Noch  veränderlicher  seien  die  Augenflecke  bei  der  südafri- 
kanischen, zu  derselben  Familie  gehörigen  Cyllo  Leda'^).  Von  unregel- 
mäßigen weißen  Zeichnungen  in  Schwarz  oder  von  äußerst  kleinen  weißen 
Flecken  finden  sich  hier  alle  Abstufungen  zu  vollkommen  symmetrischen 
großen  Augenflecken. 

Bei  Vögeln  und  vielen  anderen  Tieren  scheine  es ,  als  seien  die 
kreisförmi2;en  Flecke  dadurch  entstanden,  daß  Streifen  unterbrochen  und 
zusammengezogen  wurden.  Aber  es  gebe  Erscheinungen,  welche  die 
Annahme  stark  begünstigen,  daß  auf  der  einen  Seite  ein  dunkler  Fleck 
oft  dadurch  gebildet  wird,  daß  der  färbende  Stofl"  nach  einem  Mittel- 
punkte hin  von  einer  umgebenden  Zone  ausgezogen  wird ,  welche  hier- 
durch heller  gemacht  wird,  und  auf  der  anderen  Seite,  daß  die  Farbe 
von   einem    central    gelesenen   Punkte    entfernt  wird ,  so  daß  sie  sich  in 


1)  Abstammung  des  Menschen  III.  Aufl.  II.  1879.  S.  123  ff. 

2)  Abb.  bei  Darwin  a.  a.  0.  S.  -124. 


Die  Entstehung  der  Augenzierden  bei  Schmetterlingen.  381 

einer  umgebenden  Zone  anhäuft.  In  beiden  Fällen  ist  ein  AugenEleck 
das  Ergebnis.  Der  färbende  Stoff  scheint  in  einer  nahezu  constanten 
Menge  vorhanden  zu  sein,  wird  aber  verschiedentlich  verteilt  und  zwar 
entweder  centripetal  oder  centrifugal  ....  »Aufweiche  weitere  Weisen 
aber  die  complicierteren  Augenüecke,  welche  von  vielen  aufeinander 
folgenden  farbigen  Zonen  umgeben  sind,  sich  gebildet  haben,  will  ich 
nicht  zu  sagen  wagen«. 

»Die  bebänderten  Federn  der  Mischlin£;snachkommen  von  verschieden 
gefärbten  Hühnern  und  die  außerordentliche  Variabilität  der  Augenflecke 
bei  vielen  Schmetterlingen,  sagt  zuletzt  Darwix,  führen  uns  aber  zu  dem 
Schlüsse,  daß  die  Bildung  dieser  schönen  Ornamente  kein  complicierter 
Proceß  ist,  sondern  von  irgend  einer  unbedeutenden  und  sich  abstufen- 
den Veränderung  in  der  Natur  der  benachbarten  Gewebe  abhängt.« 

»In  Fällen  wie  den  vorstehenden  erfordert  die  Entwickelung  eines 
vollkommenen  Ocellus  keinen  langen  Verlauf  von  Abänderungen  und 
Zuchtwahl",  meint  er  vorher  mit  Beziehung  auf  Hipparchia  Janira  und 
Cijllo  Leda. 

Ich  kann  nur  bestätigen,  daß  bei  Schmetterlingen  die  einfachste 
Anlage  eines  Schmuck- Auges  offenbar  meist  durch  Ansammeln  des  fär- 
benden Stoffes  in  einem  Mittelpunkte  aus  einer  umgebenden,  dadurch 
heller  werdenden  Zone  gebildet  wird.  Aber  gewöhnlich  ist  ein  heller  Kern 
vorhanden,  um  welchen  herum  sich  Schwarz  ablagert,  so  bei  den  meisten 
Satyriden.  Nach  außen  vom  Kern  folgen  dann  abwechselnd  dunkle  und 
helle,  bezw.  helle  und  dunkle  Ringe.  Es  kann  keinem  Zweifel  unter- 
liegen, daß  es  sich  auch  in  der  Entstehung  dieser  Ringe  meist  um  den 
Ausdruck  kompensatorischer  Verteilung  von  Farbstofl"  handelt.  Doch 
giebt  es,  wie  wir  sehen  werden,  noch  eine  ganz  andere  Art  der  Entstehung. 
Der  wichtigste  Satz  zur  Erklärung  der  Entstehung  der  Augenflecke  bei 
Schmetterlingen,  welchen  ich  aufstellen  kann,  ist  der,  daß  dieselben 
immer  aus  Grundbinden  hervorgehen,  und  zwar  ist  es  in  weitaus 
den  meisten  Fällen  Binde  III,  die  ihnen  den  Ursprung  giebt,  so  insbe- 
sondere bei  Nymphaliden  und  Satyriden,  welche  die  meisten  Augen- 
zierden haben. 

1)  Entstehung  der  Augenflecke  aus  Binde  III:  meist  handelt 
es  sich  in  derselben  um  einfachen  Zerfall  dieser  Binde. 

Häufig  kommt  es  aber  auch  vor,  daß  die  Augenflecke  nicht  aus 
der  ganzen  Binde  III,  sondern  nur  aus  dem  äußeren  Teil  derselben 
hervorgehen.  Daher  kommt  es,  daß  dieselben  ihre  Lage  so  oft  außer- 
halb der  eigentlichen  Binde  III  haben.  Die  Entstehung  scheint  dabei 
in  der  Regel  die  zu  sein ,  daß  sich  von  Binde  III  ein  äußerer  Streifen 
abspaltet,  welcher  nun  das  Auge  bilden  hilft  (vgl.  z.  B.  Junonia  Lavinia 
Abb.  224,  J.  Erigone  Abb.  225,  Precis  Iphita  Abb.  226,  Doleschallia  pra- 
tipa  Abb.  227  und  zahlreiche  andere  unserer  Abbildungen,  besonders 
von  Blattschmetterlingen  .  Dabei  handelt  es  sich  offenbar  um  eine  Teil- 
nahme jenes  äußeren  Bindenstreifens  an  der  Augenbildung  in  der 
Weise,  daß   ein  äußerer  dunkler  Ring  des  Auges   durch  Herumlagerung 


382 


Übergewicht  des  einen  Geschlechtes.     Geschlechtliche  Ziichlwohl. 


eines  Teils    desselben  hergestellt  werden  kann ,  denn   man  sieht  solche 
Umlagerang  oft  halb  vollendet,  als  äußeren  Halbring. 

Zuweilen    nimmt    auch    noch  Binde  IV   oder  ein  Teil    derselben   an 
dieser  Rinsibilduns;  auf  Grund  von  Umlagerung  Anteil. 


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Aljb.  '224.    Junonia  Larinia  Cram. 


Abb.  225.     Jinioitia  Evigonc  Ckasi. 


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Abb.  226.     Prccis  Iphila     Ckam. 


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Abb.  227.    Doleschallia  pratipa  Feld. 


Dies  führt  zu  einer  zweiten  Hauptart  der  Entstehung  von  Augen- 
flecken,  welche  mit  der  Ringzeichnung  der  Hinterflügel  in  Zusammenhang 
steht  und  auf  welche  ich  alsbald  zurückkomme. 


Im    übrigen   läßt    sich   hier    die  schrittweise  Entstehung  der  Augen- 
zierden   ebenso    wie   beim  Argusfasan    und  beim  Pfauhahn  oft  an  einem 


C.  Die  Entstehuns  der  Ausenzierden  bei  Schmetterlingen. 


3S3 


und  demselben  Schmetterling  verfolgen.  Zuweilen  bleibt  es  überhaupt 
beim  Zerfall  von  Binden  in  Flecke  ohne  weitere  Veränderungen:  es  ent- 
steht aus  der  Binde  III  eine  einfache  Reihe  von  schwarzen  oder  sonst 
dunklen  Flecken.  Daneben  können  andere  Binden  ebenso  zerfallen. 
Damit  haben  wir  also  noch  keine  Augenflecke,  sondern  nur  Flecke  — 
ganz  so  wie  z.  B.  die  aus  ursprünglichen  Längsstreifen  der  Zeichnung 
des  Argusfasans  entstandenen  Flecke,  \velche  dort  den  Augenzierden  den 
Ursprung  geben.  So  sind  nur  Flecke  vorhanden  bei  Liinenüis  Sibylla 
auf  der  Unterseite  (Abb.  228),  Vanessa  Dejeanii  (Abb.  229),  dagegen  schon 
Augen  bei  Vanessa  cardui  (Abb.  230)  u.  s.  w.  Man  vergleiche  hierzu 
besonders  auch  die  Unterseite  der  Hinterflügel  von  Ägr las- Avien^]. 

Auch   bei    Cyllo    [Melanitis]    Leda    entsprechen    die    Augenflecke    der 
Binde  III  bezw.   dem  Außenteil  derselben.    Sie  sind  oben  viel  unfertiger 


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Abb.  22S. 
Limenitis  Sibylla  L. 


Abb.  229. 
Tanessa  Dejeanii  Godt. 


Abb.  230. 
Tanessa  cardui  L. 


als  unten ,  ändern  bei  den  einzelnen  Faltern  in  der  That  ungemein  ab 
und  erscheinen  oben  zuerst  als  hintereinander  gelegene,  meist  mit  mattem 
schwarzem  Hof  umgebene  weiße  Flecke,  zwei  auf  den  Vorder-  und  zwei 
oder  drei  auf  den  Hinterflügeln.  In  der  höchsten  Ausbildung  kommt 
auf  den  Vorderflügeln  nach  innen  vom  Schwarz  noch  Gelbbraun  hinzu, 
hier  einen  unvollkommenen  Halbring  oder  nur  einen  Fleck  herstellend: 
es  entspricht  dieses  Braun  dem  Zwischenraum  zwischen  Binde  III  und 
IV  fC).  Die  Augenflecke  sind  bei  M.  Leda  auf  der  Oberseite  also  erst 
im  Werden  begriffen ;  zuweilen  fehlen  sie  auf  den  Hinterflügeln  sogar 
noch  ganz,  zuweilen  sind  sie  gerade  hier  am  schärfsten  und  vollkommen- 
sten, wenn  auch  wenig  auffallend:  ein  kleiner  weißer  Kern,  ein  breiter 
schwarzer  und  ein  schmaler  braungelber  Ring  darum  herum. 

Auf  der  Unterseite   sind    sie    in    viel   größerer   Zahl    vorhanden,    in 
der  bekannten  Bindenreihe  stehend,   meist  vollkommen  und  scharf,    der 


1)  Staud.  Taf.  57. 


384  Übergewicht  des  einen  Geschlechtes.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 

braune  Ring  außen  noch  durch  eine  dunkle  Linie  scharf  abgegrenzt.    Zu- 
weilen sind  sie  aber  auch  hier  nur  als  weiße  Pünktchen  angedeutet. 

Ganz  dieselbe  Augenbildung  findet  sich  im  Wesentlichen  bei  anderen 
Satyriden,  insbesondere  bei  unseren  Hipparchien.  Hier  entsteht  aber  auf 
der  Oberseite  häufig  nur  ein  Auge,  nämlich  in  der  Ecke  der  Vorderflügel. 
Auch  ist  zu  erkennen,  daß  es  sich  da,  wo  zwei  leine  weiße  Kernchen 
im  Schwarz  liegen,  um  Zusammengeflossensein  zweier  ursprünglicher, 
in  zwei  verschiedenen  Flügelzellen  gelegener  Augenflecke  handelt,  welche 
in  anderen  Fällen  getrennt  nebeneinander  liegen.  Das  Gelbbraun  um 
den  schwarzen  Ring  erscheint  jetzt  häufig  gleichfalls  als  vollkommener 
Ring,  aus  Band  B  und  C  hervorgegangen,  so  bei  Satyi'us  Eudora,  Hip- 
parc/üa  Janira,  H.  Megaera.  Bei  letzterer  und  Verwandten  liegt  nach 
außen  und  vorn  vom  großen  Augenfleck  der  Vorderflügel  auf  der  Ober- 
seite noch  ein  kleines  zierliches  Ringchen. 

Meist  sind  die  Augenflecke  auf  der  Unterseite  zahlreicher,  besonders 
auf  den  Hinterflügeln,  in  anderen  Fällen  auch  auf  der  Oberseite;  unten 
sind  sie  aber  meist  zierlicher,  schärfer  begrenzt,  wenn  auch  matter,  und 
bestehen  aus  mehr  Ringchen  als  oben.  Schon  weil  sie  unten  fertiger 
sind  als  oben,  ist  zu  schließen,  daß  eine  Übertragung  derselben  von 
unten  nach  oben  stattgefunden  hat. 

2)  Entstehung  von  Augenflecken  aus  anderen  Binden.  Bei 
den  Satyriden  ist  also  überall  Binde  III  maßgebend,  ebenso  bei  den 
Nymphaliden.  Dies  ist  aber  sonst  nicht  immer  der  Fall.  Es  entstehen 
Augenflecke  auch  aus  anderen  Binden.  Bei  Morphiden  und  Brasso- 
liden  haben  wir  häufig  zweierlei,  äußere  und  innere,  von  welchen 
die  ersteren  aus  Binde  III,  die  letzteren  vielleicht  aus  IV  hervorge- 
gangen sind. 

Die  zahlreichen,  schwarzgekernten,  weißumrahmten  Augenfleckchen  der 
Unterseite  der  Lycaeniden  sind  aus  verschiedenen  Grundbiuden  entstan- 
den, wenn  auch  die  aus  III  hervorgegangene  Reihe  derselben  meist  am 
kräftigsten  und  schönsten  ausgebildet  ist.  Bei  manchen,  wie  bei  L.  Corydon 
und  Adonis,  bilden  sich  nach  innen  halb  gelbrot  und  schwarz  umrahmte 
Randaugen  aus  Binde  I  und  II.  Nach  innen  von  III  finden  sich  meist 
außerdem  Augenfleckchen,  welche  alle  ganz  genau  auf  Stücke  bestimmter 
Grundbinden  zurückzuführen  sind:  bei  Pobjommatiis  Phlaeas  und  Ver- 
wandten z.  B,  in  der  Mittelzelle  der  Vorderflügel  V/VI,  VIII  und  IX. 
Auf  der  Oberseite  erscheinen  statt  dieser  und  der  übrigen  Augen  nur 
einfache  schwarze  Flecke.  Selten  beginnt  auch  oben  eine  helle  Umran- 
dung der  schwarzen  Flecke,  so  bei  Lycaena  Daphnis  bei  einem  je  auf 
Vorder-  und  Hinterflügeln  in  der  Mitte  und  an  den  Randflecken.  Das 
Letztere  auch  im  Beginn  bei  Corydon. 

Unter  den  Papilioniden  haben  wir  eine  sehr  verschiedenartige 
Entstehung  von  Augenflecken. 

Am  schönsten  sind  sie  bei  Parnassiern,  rot,  schwarz  umrandet, 
in  höchster  Ausbildung  (die  großen  Augen  der  Hinterflügel)  mrt  weißem 
Kern.      Außerdem    kommen    zuweilen    noch    blaue,    schwarz    umrahmte 


C.  Die  Entstehung  der  Augenzierden  bei  Schmetterlingen.  385 

Randaugen  vor,  welche  aus  Binde  II  entstanden  sind,  z.  B.  bei  Parnassius 
imperialis  aus  Tibet  und  P.  Hardwickii^)  aus  China,  dann  vor  allem  bei 
Doritis  Apollinus,  bei  welchem  das  blau  gekernte  Auge  nach  innen  noch 
rot  umgrenzt  ist. 

Das  hintere  der  gewöhnlichen  zwei  roten  Augen  der  Hinter flügel 
ist  wohl  wiederum  hervorgegangen  aus  Binde  III.  Am  schönsten  zeigt 
dies  Parnassius  Eversmanni  §  (Abb.  231),  wo  nur  der  vordere  Augen- 
fleck der  Hinterflügel  vollständig  ausgebildet  ist,  das  Rot  an  Stelle  der 
hinteren  aber  in  der  vollkommen  erhaltenen  beiderseits  schwarz  um- 
grenzten Binde  III  aufgeht,  während  beim  rf  aus  dem  vorderen  Teil 
dieser  Binde  das  hintere  Auge  entstanden  ist!  Bei  manchen  Arten  sind 
auch  aus  dem  hinteren  Teil  jener  Binde  ein  oder  zwei  rote  Augen  her- 
vorgegangen, während  derselbe  in  wieder  anderen  Fällen  schwarz  (so 
bei  P.  Apollo  Abb.  232),  in  noch  anderen  geschwunden  ist. 


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Abb.  231.    Parnassins  Eversmanni  Men.  Q.  Abb.  232.     Parnassius  Apollo  L. 

Das  vordere  rote  Auge  der  Hinterflügel  liegt  oft  sehr  weit  einwärts 
iind  es  gehört  w^ahrscheiulich  Binde  IV  oder  gar  V/VI  an. 

Die  roten  Augen  der  Vorderflügel,  jedenfalls  die  zwei  vorderen, 
sind  aber  aus  Binde  IV  hervorgegangen ;  dies  zeigen  verschiedene  Arten, 
bei  welchen  statt  dieser  vorderen  zwei  Augen,  deren  vorderstes  an  den 
Vorderflügelrand  reicht,  wiederum  eine  mehr  oder  weniger  unterbrochene 
rote,  beiderseits  schwarz  umrahmte  Binde  vorhanden  ist,  so  bei  Par- 
nassius Smintheus  Q  aus  Colorado  und  bei  unserer  Thais  Polyxena.  In 
anderen  Fällen,  wie  bei  unserem  Apollo,  liegen  hier  statt  der  Augen 
zwei  schwarze  Flecke,  bei  noch  anderen  ist  eine  schwarze  oder  schwärz- 
liche Binde  vorhanden. 

Bei  den  Segelfalter-ähnlichen  Papilioniden  entsteht  das  schöne 
Afterauge,   wie  ich  früher  genauer  beschrieben  habe 2),  aus  einem  Stück 


1)  Staud.  Tat".  I  4.  -)  in  »Artbildung«  I.  Vgl.  dort  die  Abbildungen. 

Eimer,  Orthogenesis.  25 


386  Übergewicht  des  einen  Geschlechtes.     Geschlechtliche  Zuchtwahl. 

der  Prachtbinde  (IX)  und  einem  Stück  der  oft  aus  blauen  Halbnaonden 
zusammengesetzten  (äußeren)  Randbinde  (I/H),  wobei  das  Blau,  da  wo 
es  vorkommt,  nach  außen   'hinten)  liegt. 

Bei  den  Schwalbenschwänzen')  dagegen  entsteht  das  Afterauge 
aus  einem  der  blauen  Halbmonde  und  deren  Umgrenzung,  welche  hier 
dem  hintersten  Teil  der  Binde  II/III  mit  deren  Zwischenraum  (blaues 
Band)  entsprechen,  während  sich  das  Gelbrot  hinten  anfügt  und  aus  einem 
der  gelben  Halbmonde  zwischen  Binde  I  und  II  entstanden  ist. 

Sehr  merkwürdig,  völlig  abweichend  von  derjenigen  bei  Satyriden 
u.  a.  ist  hier  die  Entstehung  eines  schwarzen  Augenkerns,  indem  der- 
selbe, wie  ich  a.  a.  0.  des  Näheren  beschrieben  habe,  durch  Herein- 
wachsen des  hintersten  Teiles  der  Binde  II  in  den  gelbroten  Augenfleck 
entsteht.  (Vgl.  Papilio  Machaon^  Hippocrates ,  Oregonia-)  u.  a.)  Dabei 
ergiebt  sich  w-ie  auch  bei  den  Segelfaltern,  dass  die  Bildung  auf  der 
Unterseite  auf  tieferer  Stufe  der  Ausbildung  steht,  als  auf  der  Oberseite. 

Endlich  möchte  ich  hier  noch  auf  das  früher  bezüglich  von  Hetero- 
ceren,  besonders  von  Bombyciden  Gesagte  hinweisen,  wonach  die  z.  T. 
prachtvollen  Augenflecke  der  Vorderflügel  aus  dem  V/VI-Fleck  und  die 
der  Hinterflügel  aus  der  entsprechenden  Fleckzeichung  entstehen  können. 
Der  innere  Teil  dieser  Augenflecke  ist  hier  oft  glasartig  auf  Grund  von 
Schuppenlosigkeit,  während  die  Umgebung  sehr  schuppenreich  und  da- 
durch sogar  filzig  sein  kann,  ein  Verhältnis,  das  wohl  wieder  auf  Kom- 
pensation beruht.  Zuweilen  sind  die  Glasfenster  und  ist  die  ganze  sie 
umgebende  Zeichnung  dreieckig,  so  bei  Attacus  Atlas ^  wo  diese  Gestalt 
mit  der  eigentümlich  ausgezogenen  Flügelform  zusammenzuhängen  scheint, 
was  aber  für  einzelne  andere  Falter  nicht  zutrifft. 

Die  meisten  Ringe  hat  an  diesen  aus  V/VI  und  dem  entsprechenden 
hinteren  Fleck  hervorgegangenen  Augen  Saturnia  carpini  um  den  Kern 
herum,   nämlich  fünf. 

Bei    manchen   Bomhyciden   finden   sich   auch   Augen  im   Gebiete   von 

Binde  II   in    der   Vorderecke    der   Vorderflügel,    nach   außen    oder   nach 

innen   vom  Hauptteil    derselben  gelegen,   im  übrigen  aus  ihr  entstanden 

und  teilweise  deutlich  aus  Bindenstreifen  derselben  hervorgegangen.     So 

bei  Attacus  ricini,  A.  insularis,  Saturnia  Cecropia,  S.  Columbia^  S.   Cea- 

nothi,  Samia  Promethea,    Telea  Polyphemus.     Bei  Attacus  Atlas  ist  dieses 

Auge  erst  im   Werden  begriff'en,  nur  zu  einer  Hälfte  fertig,  außen  weiß 

begrenzt    durch   einen    Bandstreifen,    welcher    ein  Theil   eines    schmalen 

w^eißen  Zickzackbandes  (A)   ist. 

Einen  höchst  merkwürdigen  Ansatz  zur  Entstehung  von  Augenfleckzierden  zeigt 
die  Noctuide  Erebtis  Agrippina,  der  größte  aller  Schmetterlinge,  auf  der  violettblauen 
Unterseite  und  zwar  auf  den  Vorderflügeln  in  der  Mittelzelle.  Hier  liegt,  augenschein- 
lich aus  Binde  VIII  hervorgegangen,  ein  großer  kreisrunder  Fleck,  dunkler  blau  als 
die  übrige  Farbe  der  Unterseite,  umgeben  von  einem  weißen  Ring.  Nach  außen  von 
ihm,  an  Stelle  von  Binde  V/VI  aber  liegt  ein  ebenso  gefärbtes  und  dadurch  sich  her- 


1)  »Artbildung«  II  und  die  Abbildungen. 

2)  Ebenda  Taf.  VI.  Fig.  i  und  2. 


C.  Die  Entstehung  der  Augenzierden  bei  Schmetterlingen.  387 

vorhebendes,  außen  und  innen  ebenfalls  weiß  begrenztes  rechteckiges,  mit  dem  längsten 
Durchmesser  von  vorn  nach  hinten  gerichtetes,  also  die  Mittelzelle  querendes  Binden- 
stück: eine  viereckige,  sonst  nach  Art  der  Augenflecke  gebildete  Zierrat. 

3)  Entstehung   von  Augenzierden  aus  Ringzeichnung.      Auf 
ganz   besondere   Art    entstehen,    wie   schon    erwähnt,    Augenflecke    und 
zwar    in  der  Mitte    der  Hinterflügel  auf  deren 
Unterseite   bei  Faltern    mit  Ringzeichnung, 
wie  z.B.  Catagrainma-Arten  unter  den  Nymphaliden  ^), 
indem  dort  die  inneren  Binden  Ringe  bilden,  deren 
innerster  einen  farbigen,  aus  einem  Bandstück  her- 
vorgegangenen oder  einen  oder  zwei  schwarze  aus         \\f-(/^     \\\ 
Binden  stücken    entstandene    schwarze    Kerne    ein-  s^C^j)^- 

schließt   (Abb.  233).  \_  S^' 

Hier  hängt    die    Entstehung    der   Augenflecke 
oflFenbar  mit  der  runden  Flügelgestalt   zusammen:         caiucore  Astaia  Qvee. 
es  handelt  sich  um  Gestaltung  ringförmiger,  bezw. 
ringförmig  um  einen  Mittelpunkt  zusammengefügter  Binden. 


Was  ist  aber  nun  die  Ursache  der  Entstehung  der  gewöhnlichen 
Augenflecke?  Den  Anfang  derselben  können  wir  leicht  beurteilen:  es 
handelt  sich  darin  um  Zerfall  von  Binden  in  Flecke,  wie  er  ja  eine 
allgemeine  gesetzmäßige  Erscheinung  auch  sonst  ist.  Dafür  aber  ist 
die  Einteilung  des  Flügels  in  Flügelzellen  maßgebend,  denn 
jeder  Fleck  entspricht  einer  Flügelzelle,  bildet  sich  im  mittleren 
Teil,  d.  i.  gleichweit  von  ihrer  äußeren  und  innern  Grenze  entfernt. 
Nur  selten  entstehen  Augenflecke  auf  Flügeladern:  so  die,  welche  aus 
dem  V/VI-Fleck  hervorgehen.  Selten  nimmt  ein  Augenfleck  auch  mehrere 
Flügelzellen  ein,  so  bei  manchen  Bombyciden.  Die  Flügelzelle  stellt  also 
eine  morphologische  Einheit  her,  welche  sich  äußerlich  auch  darin  aus- 
spricht, daß  sie  eine  Zeichnungseinheit  bildet.  Die  Ringbildung  und  die 
verschiedene  Färbung  der  Ringe,  welche  bei  Vervollkommnung  dieser 
Fleckzeichnung  zur  Augenfleckbildung  auftritt,  beruht  off'enbar  in  der 
Hauptsache  auf  kompensatorischer  Verteilung  des  Farbstoff"es. 


Wir  haben  also,  wie  schon  hervorgehoben,  in  der  Augenfleckbildung 
der  Schmetterlinge  überall  denselben  Vorgang,  wie  ihn  Darwix  für  die 
Augenzierden  des  Argusfasans  beschrieben  hat:  sie  entstehen  aus  Streifen, 
wie  ich  zeige  aus  Stücken  von  Grundbinden.  Das  Gleiche  gilt  für 
die  Augenflecke  von  Raupen. 


1)   Staud.  Taf.  42. 


25^ 


X. 


Äufsere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen 
der  Artbildung  bei  den  Schmetterlingen.  Versuche  mit 
künstlicher  Einwirkung  von  Wärme  und  Kälte  auf  die 

Entwickelung. 


»Die  Natur  gehört  sich  selbst  an,  Wesen  dem 
Wesen;  der  Mensch  gehört  ihr,  sie  dem  Menschen. 
Wer  mit  gesunden,  oifenen,  freien  Sinnen  sich  hinein- 
fuhlt,  übt  sein  Recht  aus,  ebenso  das  frische  Kind 
als  der  ernsteste  Betrachter.«  Goethe. 

Unmittelbare  äußere  Einwirkungen  auf  die  Lebewesen  sind  es,  welche 
in  erster  Linie  die  Umbildung  der  Organismenwelt  bedingen:  dieselben 
Ursachen,  welche  das  individuelle  Wachsen  in  letzter  Linie  veranlassen, 
vor  allem  Klima,  Nahrung,  sie  veranlaßten  auch  das  organische  Wachsen 
der  Lebewelt,  d.  i.  die  Transmutation,  welche  nur  eine  Fortsetzung  jenes 
persönlichen  Wachsens  in  den  Nachkommen  ist  auf  Grund  der  Verer- 
bung von  während  des  Lebens  der  Individuen  erworbenen  Eigenschaften. 

Die  Transmutation  ist  also  einfach  ein  physiologischer  Vorgang, 
phyletisches  Wachsen. 

Was  ein  Einzelv\^esen  während  seines  Lebens  an  Veränderung  in 
seiner  stofflichen  und  physiologischen  und  in  seiner  morphologischen 
Beschaffenheit  erfahren  hat,  geht  zum  Teil  auf  die  Nachkommen  über 
und  so  erworbene  Veränderungen  werden  im  Lauf  der  Generationen 
immer  mehr  gesteigert,  bis  dieselben  in  äußerlich  greifbarer  neuer  Ge- 
staltung erscheinen. 

Dabei  werden  wohl  neue  oder  wechselnde  äußere  Einflüsse  hervor- 
ragend wirksam  sein,  aber  auch  die  immer  wiederholten  gleichen 
Einflüsse  werden  die  Lebewesen  auf  Grund  der  durch  sie  bedingten 
physiologischen  Arbeit  im  Lauf  der  Zeit  verändern,  so  daß  eine  Art  nach 
langer  Zeit  auch  unter  übrigens  gleich  gebliebenen  äußeren  Verhältnissen 
anders  geworden  sein  und  auf  neue  Einflüsse  anders  reagieren  vvird  als 
dies  ihre  Vorfahren  gethan  hätten  —  ihre  > Konstitution«  ist  eine  andere 
geworden. 

Dieses  organische  Wachsen  der  Lebewelt  geschieht  zunächst 
unabhängig  vom  aktiven  Gebrauch  der  Organe  und  bleibt  in  zahlreichen 


Allgemeine  Beweise  für  diese  Ursachen.  389 

Fällen  unabhängig  von  diesem ,  dem  LAMARCK'schen  Umbildungsmittel  ^). 
Aber  der  Gebrauch  kann  auf  die  durch  das  ursprüngliche  organische 
Wachsen  entstandene  Gestaltung  bedeutend  einwirken ,  indem  er  das 
Wachsen  abändert,  vorzüglich  auf  einzelne  dem  Gebrauch  hervorragend 
ausgesetzte  Teile  beschränkt,  anderen  sogar  den  Stoff  dazu  entzieht 
(Kompensation). 

Das  L.uiARCK'sche  Princip  bietet  also  nur  ein  mögliches  Hülfs mittel 
der  Umbildung,  die  Grundursache  liegt  im  organischen  Wachsen. 

Bei  allen  beschriebenen  so  weitgehenden  und  so  hochwichtigen  Um- 
bildungen der  Schmetterlinge  kommt  der  Lamarekismus  selbstverständlich 
nicht  in  Betracht,  sondern  nur  das  organische  Wachsen.  Und  zw-ar  ist 
dieses  hier  vorzüglich  durch  klimatische  Einflüsse  bedingt.  Den  Nach- 
weis hierfür  habe  ich  zuerst  in  meiner  »Entstehung  der  Arten«  und 
dann  in  der  >Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den  Schmetterlingen« 
zu  führen  versucht,  nachdem  mich  schon  meine  Eidechsenstudien,  zu- 
erst die  Untersuchungen  über  Lacerta  muralis  coerulea  vom  Fara- 
glione-Felsen  [\  874)  zu  der  Überzeugung  geführt  hatten ,  daß  zwar  be- 
stimmte innere  physiologische  Ursachen  hier  Farben  erzeugen  (Kraftfarben), 
daß  aber  äußere  Verhältnisse,  insbesondere  Feuchtigkeit,  Trockenheit, 
Wärme  und  Kälte  für  die  endgültige  Färbung  wesentlich  maßgebend  seien. 

Den  Beweis  bezüglich  der  Schmetterlinge  lieferten  mir  die  That- 
sachen,  welche  die  geographische  Verbreitung  derselben  an  die  Hand 
giebt,  zusamt  denen  der  Jahreszeiten-Abartung,  und  das  Experiment  mit 
Einwirkung    von   künstlicher  Wärme    und   Kälte    auf  die    Entwickelung. 

Zusammenfassend  konnte  ich  folgende  Hauptsätze  aufstellen: 

1)  Von  einem  gegebenen  Verbreitungsmittelpunkte  aus  je  weiter  nach 
außen  verändert  sich  eine  und  dieselbe  Art  mehr  und  mehr  in  ihren  speci- 
fischen  Eigenschaften,  in  Zeichnung  und  oft  auch  in  Farbe,  Flügelgestalt 
und  Größe :  sie  bildet  Varietäten,  als  deren  Ursache  vorzugsweise  die 
klimatischen  Verhältnisse  angesehen  werden  müssen. 

2)  An  der  Grenze  des  Verbreitungsgebietes,  zuweilen  auch  schon 
innerhalb  desselben  nahe  der  Grenze,  werden  die  peripherisch  wohnen- 
den Varietäten  durch  neue  Arten  ersetzt,  deren  Eigenschaften  im  Wesent- 
lichen nur  eine  Steigerung  der  ersteren  darstellen,  eine  Fortsetzung  der 
von  der  ersten  Art  in  ihren  Abänderungen  nach  der  Peripherie  des  Ver- 
breitungsgebietes hin  eingehaltenen  Entwickelungsrichtungen. 

3)  Denn  die  ganze  Umbildung  geschieht,  insbesondere  in  Beziehung 
auf  Zeichnung  und  Farbe,  in  ganz  bestimmten  Richtungen,  in  der  Zeich- 
nung zugleich  unter  Auftreten  kleinster,  zuerst  unscheinbarster,  fast 
unsichtbarer,  nur  bei  einzelnen  Individuen  erscheinender  neuer  Eigen- 
schaften, welche  sich  wie  unaufhaltsam  verstärken  und  vergrößern,  bei 
den  Nachbarn  zu  Merkmalen  von  Abarten,  bei  noch  weiter  entfernt 
lebenden  Nachbarn  zu  Merkmalen  neuer  Arten  werden. 


1)  Vgl.  vorn  S.  70 


390        Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

Auch  die  Umänderungen  der  Farbe  entsprechen  einer  ganz  be- 
stimmten Farbenfolge. 

4)  Im  Großen  findet  dieses  Verhältnis  Ausdruck  in  der  Thatsache, 
daß  die  verschiedenen  Faunengebiete,  welche  den  großen  Festländern 
und  Inselgruppen  entsprechen,  auch  je  eine  eigengeartete  Schmetter- 
lingswelt besitzen,  deren  Glieder  sich  je  wieder  an  die  des  benach- 
barten Faunengebietes  anschließen. 

Europa  und  Asien  bilden  zusammen  ein  solches  Faunengebiet, 
dessen  Formen  sich  einerseits  nach  Osten,  andererseits  nach  Süden  sehr 
verändern  und  Nächstverwandte  einerseits  in  P^ordamerika  {Machaonj 
Turnus,  Ajax),  andererseits  in  Nordafrika  haben  [Podalirius  Lotteri). 

Im  Südosten  steht  das  asiatische  wiederum  mit  dem 

Faunengebiet  des  indischen  Archipels  in  Zusammenhang  und  an 
dieses  schließt  sich  im  Süden  das  australische  an ,  deshalb  spricht  man 
auch  von  einem  indo-australischen  Faunengebiet. 

Das  amerikanische  Faunengebiet  trennt  sich  in  ein  nord-  und  in 
ein  südamerikanisches ,  von  welchen  das  erstere  mit  dem  europäisch- 
asiatischen in  nächster  Beziehung  steht,  während  es  andererseits  wiederum 
in  das  südamerikanische  übergeht. 

Auf  dem  Festlande  Afrika's  endlich  hat  sich  abermals  eine  ver- 
änderte Welt  von  Faltern  herausgebildet,  welche  der  gleichfalls  eigen- 
artigen Madagaskar 's  zum  Ausgang  gedient  hat,  was  beides  die  Segel- 
falter zeigen. 

In  beiden  Gebieten  treten  besonders  auch  die  Farben  Grün  und 
Blaugrün  statt  Gelb  an  den  Segelfaltern  auf. 

5)  Die  Thatsachen  der  Jahreszeiten-Abartung  (Hora-Dimorphismus) 
führen  vor  Aagen,  daß  jeweils  die  Sommerformen,  also  die  in  der  wär- 
meren Jahreszeit  entwickelten  Generationen  einer  Art  in  Farbe  und 
Zeichnung,  manche  auch  in  Größe  und  in  Flügelgestalt,  den  im  Süden, 
in  wärmeren  Gebieten  lebenden  Abarten  derselben  gleich  oder  ähnlich, 
bezw.  im  Süden  lebenden  verwandten  Arten  ähnlich  sind. 

Diese  hochwichtige  Beziehung  schien  mir  allein  schon  zu  beweisen, 
daß  die  in  wärmeren  Gebieten  lebenden  Abarten  und  Arten  ihre  neuen 
Eigenschaften  wesentlich  dem  Einfluß  der  Wärme  verdanken. 

Dieser  Beweis  wird  aber  unwiderleglich  experimentell  erhärtet 
dadurch,  daß 

6)  die  Versuche  mit  Einwirkung  künstlicher  Wärme  und  Kälte 
Abarten  erzeugen  lassen,  welche  im  Wesentlichen  ganz  dieselben 
Eigenschaften  besitzen  wie  die  in  der  wärmeren  oder  kälteren 
Jahreszeit  entstandenen  Jahreszeiten-Abartungen  und  wie  die 
in  wärmeren  oder  kälteren  Gebieten  lebenden  Abarten,  bezw. 
Arten. 

Diese  Versuche  zeigen,  daß 

7)  Wärme  oder  Kälte  wohl  den  Anstoß  zu  sprungweiser  Ent- 
wickelung   geben   kann.     Aus    anderen  Thatsachen   geht   aber    hervor, 


Allgemeine  Beweise  für  diese  Ursachen.  391 

daß  die  Geschlechtsverhältnisse  bei  der  Halmatogenesis  eine  große  Rolle 
spielen,  insofern  als  das  eine  Geschlecht,  sei  es  das  männliche  oder  das 
weibliche,  gegenüber  von  irgendwelchen  äußeren  Einwirkungen,  beson- 
ders aber  wohl  wiederum  gegenüber  klimatischen  Einflüssen  sehr 
empfindlich  ist,  so  daß  solche  Einflüsse  den  Anstoß  zu  plötzlicher  weit- 
gehender Umbildung  geben  können,  einer  Umbildung,  welche  aber  immer 
erfolgt  in  einer  Richtung ,  die  von  anderen,  verwandten  Arten  auf  dem 
Wege  allmählichen  Fortschritts  erreicht  werden  kann. 


Die  Sätze  1  bis  6  enthalten  einen  wesentlichen  Teil  meiner  Beweis- 
führung für  die  Lehre  vom  organischen  Wachsen  der  Lebewelt,  wie 
ich  sie  vor  nunmehr  neun  Jahren  im  ersten  Teil  meiner  »Entstehung  der 
Arten«   aasgesprochen  habe. 

In  welchem  Maße  sich  meine  in  diesem  Buche  auf  Grund  meiner 
Auffassung  von  der  Bedeutung  der  DoRFMEisTER'schen  Versuche  an  Va- 
nessa levana  und  prorsa  gemachte  Voraussage:  wir  werden  in  Zu- 
kunft im  Stande  sein,  mit  dem  Thermometer  in  der  Hand  Ab- 
arten zu  züchten^),  vielleicht  auch  solche,  welche  in  der  freien 
Natur  nicht  vorkommen,  bestätigt  hat,  ist  bekannt. 

Die  Versuche  von  Merrifield,  Standflss,  Fischer,  Fickert  und  Maria 
VON  Linden  liefern  den  experimentellen  Beweis  für  meine  Lehre  von 
den  Ursachen  der  Umbildung  der  organischen  Welt  zunächst  in  Be- 
ziehung auf  den  offenbar  wichtigsten  Faktor  derselben,  das  Klima.  Und 
umgekehrt  gewinnen  die  Versuche  selbstverständlich  erst  durch  diese 
Nutzanw^endung  ihren  vollen  Wert. 

Die  letzte  Probe  auf  die  Richtigkeit  meiner  Annahme  genetischer 
BeziehunseQ  zwischen  den  Gliedern  der  Ketten  von  benachbarten  Abarten 
und  Arten  ist  aber,  so  weit  dieselbe  angestellt  worden  ist,  in  vollem 
Sinne  bestätigend  ausgefallen,  ich  meine  die  durch  die  Entwickelungs- 
geschichte.  Gräfin  Maria  ton  Linden  hat  bei  Papilioniden  in  meinem 
Laboratorium  Versuche  angestellt,  welche  die  Wiederholung  der  Stammes- 
entwickelung  durch  die  persönliche  in  ausgezeichneter  Weise  darthun. 

Wenn  es  eines  Beweises  für  die  Vererbung  erworbener  Eigen- 
schaften noch  bedarf,  so  ist  derselbe  gegeben  durch  die  von  mir  für 
die  Schmetterlinge  nachgewiesenen  Thatsachen  und  durch  ihre  Verwertung 
durch  Experiment  und  Entwickelungsgeschichte. 

Mit  diesem  Beweis  ist  aber  die  ganze,  durch  so  viele  Winkelzüge 
und  zahllose  Widersprüche  immer  wieder  zu  retten  versuchte  Weis- 
MANN'sche  Keimplasma-Hypothese  in  allem  Wesentlichen  gegenstandslos 
gemacht:  die  Thatsache  der  Vererbung  erworbener  Eigenschaften  nimmt 
ihr  den  Boden  vollkommen  weg. 


1    Meine  »Entstehuns;  der  Arten«  I.  S.  144. 


392        Äußere,  besonders  klimatische  Eintlüsse  als  Ursachen  der  Artbildunj:. 

»Ist  es  nicht  verblüfl'end«,  sagt  Standfuss,  »wenn  es  möglich  ist, 
mit  Hülfe  eines  einfachen  Experimentes  Raupen  von  Papilio  machaon, 
welche  bei  Zürich  gesammelt  wurden,  zu  einer  Falterform  sich  entwickeln 
zu  machen,  wie  sie  von  dieser  Art  im  August  in  Syrien  und  Jerusalem 
fliegt?  Ist  es  nicht  verblüffend,  aus  deutschen  und  schweizerischen 
Puppen  von  Vanessa  Antiopa  L.  durch  Einwirkung  klar  und  scharf  aus- 
zudrückender Faktoren  einen  Falter  ausschlüpfen  zu  sehen,  welcher  der 
mexikanischen  Form  von  V.  Antiopa  L.  teilweise  sehr  nahe  kommt?  — 
oder  die  Nachkommenschaft  eines  und  desselben  von  Vanessa  cardui  L. 
nach  Willkür  zur  Hälfte  sich  zu  einer  Form  dieses  Falters  entwickeln 
zu  lassen,  wie  sie  sich  fast  gleich  in  den  deutsch-afrikanischen  Besitzungen 
findet,  zur  anderen  Hälfte  aber  in  ein  Kleid  zu  zwingen,  wie  es  V.  cardui 
an  der  nördlichsten  Grenze  seines  Vorkommens,  z.  B.  in  Lappland,  be- 
sitzt? Und  von  allen  diesen  Einblicken  in  die  Gründe  der  Veränderuns 
der  Art  an  und  für  sich,  der  Art  als  solcher  abgesehen,  öffnet  sich  auch 
die  Perspektive  auf  die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  derselben, 
auf  phylogenetische  Verhältnisse,  auf  die  Ablösung  der  Art  von  anderen 
Arten . « 

Dem  fügte  ich  hinzu'): 

»In  der  That,  so  ist  es!  Aber  diese  Versuche  bestätigen  nur,  was 
ich  längst  vertrete  und  was  den  wichtigsten  Inhalt  meiner  Untersuchungen 
über  die  Artbildung  und  Verwandtschaft  der  Schmetterlinge  bildet:  ich 
zeige,  und  jede  Tafel  meiner  Arbeit  führt  vor  Augen,  daß  es  wesentlich 
klimatische  (und  allerdings  damit  wohl  zusammenhängend  Ernährungs-) 
Verhältnisse  sind,  welche  die  Neubildung  der  Formen,  die  Entstehimg 
der  Arten  bei  den  Schmetterlingen  bedingt  haben.  Es  sind,  wie  ich 
sage,  bestimmte,  durch  äußere  Bedingungen  veranlaßte  Entwickelungs- 
richtungen,  welche  Abartungen,  Abarten  und  Arten  bilden,  auch  Arten, 
denn  es  ist  unter  den  vielen  willkürlichen  Behauptungen  des  Weismann- 
schen  Afterdarwinismus  am  willkürlichsten  und  haltlosesten  die,  daß 
zwar  Varietäten  durch  äußere  Bedingungen  gebildet  werden  können, 
nicht  aber  Arten. 

Daß  es  möglich  ist,  durch  Erhöhung  oder  Erniedrigung  der  Tem- 
peratur während  der  Entwickelung  Falter  zu  ziehen,  welche  die  Eigen- 
schaften der  in  südlichen,  bezw.  nördlichen  Gebieten  lebenden  verwandten 
Abarten  und  Arten  besitzen,  und  zwar  nicht  nur  die  Eigenschaften  der 
Farbe  und  Zeichnung,  sondern  auch  die  der  Gestalt,  das  ist,  ich  wieder- 
hole es,  der  volle  unumstößliche  Beweis  meiner  Auffassungen. 

Denn  es  sind  ja  die  Entwickelungsrichtungen,  welche  die 
Abänderungen  der  Falter  nach  künstlicher  Temperatureinwir- 
kung einhalten,  ganz  dieselben  wie  diejenigen,  welche  die 
nämlichen  Falter  nach  ihrer  geographischen  Verbreitung 
zeigen. 

Wir  sind  jetzt  im  Stande,  durch  Wärme-  oder  Kälteeinwirkung  nicht 


»Artbildung«  II.  S.  40. 


Allgemeine  Beweise  für  diese  Ursachen.  393 

nur  freilebende  Jahreszeiten-Abartungen ,  sondern  auch  dieselben  Ab- 
artungen,  Abarten  und  selbst  solche  Formen  zu  bilden,  welche  in 
entsprechenden  klimatischen  Gebieten  der  Erde  frei  und  selbständig 
lebenden  Arten  sehr  nahe  stehen.  Ob  es  gelingen  wird,  durch  Tem- 
peratureinwirkungen Arten  zu  erzielen,  welche  heutzutage  frei  lebenden 
Arten  durchaus  entsprechen,  wird  die  Zukunft  lehren.  Es  ist  aber  zu 
berücksichtigen,  was  ich  vorhin  gesagt  habe,  daß  bei  den  freilebenden 
Formen  nicht  nur  Wärme  und  Kälte,  sondern  Klima  überhaupt  und  zwar 
auch  das  Klima  vergangener  Zeiten  und  insbesondere  die  Nahrung  für 
die  Ausbildung  ihrer  Eigenschaften  mit  in  Betracht  kommen,  Einflüsse, 
welche  wir  bei  künstlichen  Versuchen  nicht  nachmachen  können.  Auch 
die  lange  Zeit,  welche  über  die  Bildung  neuer  Arten  im  freien  Leben 
hingegangen  ist  und  welche  langsam  vor  sich  gegangene  konstitutionelle 
Veränderungen  des  Körpers  hervorgerufen  haben  wird  (innere  Ursachen), 
ist  in  Rechnung  zu  ziehen.  Es  mag  also  vorläufig  billig  genügen,  daß 
wir  allein  durch  Wärme  und  Kälte  jetzt  Formen  erzeugen  können,  welche 
frei  lebenden  Arten  wenigstens  sehr  nahe  stehen.  .Jedenfalls  aber  zeigen 
uns  die  unter  verschiedenen  Klimaten  im  freien  Leben  vor  sich  gehen- 
den Stufen  der  Umbildung,  welche  im  Wesentlichen  vollkommen  den 
durch  künstliche  Wärme  und  Kälte  erzeugten  entsprechen,  die  Ausfüllung 
der  Lücken,  welche  der  Versuch  frei  läßt. 

Alle  Entwickelungsrichtungen  aber,  welche  zur  Entstehung 
von  Abartungen,  Abarten  und  Arten  führen,  haben,  ich  wieder- 
hole es,  mit  Entstehung  durch  natürliche  Zuchtwahl,  auch  mit 
geschlechtlicher  Zuchtwahl  nicht  das  Geringste  zu  thun:  die 
neuen  Formen  entstehen  ohne  jede  Beziehung  zum  Nutzen, 
jede  neue  Falterform  zeigt  für  sich  die  vollkommene  Ohnmacht 
der  Naturzüchtung  und  erhebt  Verwahrung  gegen  die  Herr- 
schaft des  Darwinismus:  damit  ist  meine  Lehre  von  der  Entstehung 
der  Arten  in  einer  ihrer  wesentlichsten  Stützen  fest  begründet,  die 
WEiSMANN'sche  Anschauung  aber  auch  in  ihrem  Leugnen  der  unmittel- 
baren Einwirkung  äußerer  Einflüsse  auf  das  Keimplasma  durch  das 
Soma  und  deren  Bedeutung  für  die  Artbildung  zurückgewiesen « 

»Herr  Standflss  faßt  zusammen:  es  entstehen  durch  die  künstlichen 
Versuche : 

1 )  Jahreszeitenformen  (auch  bei  P.  Machaon) ; 

2)  Lokalformen  (auch  bei  P.  Machaon) ; 

3)  Aberrationen; 

4)  phylogenetische  Formen,  d.  i.  solche,  welche  sich  in  vergangenen 
Zeiten  auf  der  Erde  einmal  gefunden  haben  dürften  oder  vielleicht  in 
Zukunft  einstellen  werden; 

5)  auch  zuweilen  Formen  —  es  ist  dies  ein  kleiner  Rest  —  welche 
eine  vollkommen  »selbständige,  nicht  durch  ererbte  Entwickelungsrich- 
tung  bedingte  Reaktion  der  Art  den  angewendeten  Faktoren  gegenüber 
darstellt.«  Denn  die  angewendeten  Einwirkungen  sind  eben  solche, 
»welche    in    derselben    Intensität    in    der    Natur    auf   die    untersuchten 


394      Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

Geschöpfe  niemals  oder  doch  nur  sehr  ausnahmsweise  wirken«  eine 
Äußerung,  welche  teilweise  dem  entspricht,  was  ich  vorhin  über  die 
Beziehung  der  künstlich  erzeugten  Formen  zu  den  natürlichen  ge- 
sagt habe. 

Sehr  bemerkenswert  ist  die  Thatsache,  daß  Wärme  bald  Dunkel-, 
bald  Hellfärbung  der  Falter  bewirkt.  Und  gerade  in  der  Fawessö-Gruppe 
haben  wir  den  Fall,  daß  die  meisten  Arten  durch  Wärme  heller  werden, 
Vanessa  levana  aber  dunkel.  Dies  weist  darauf  hin,  daß  es  sich  in  der 
Wärmewirkung  nicht  um  eine  Förderung  des  Ablagerns,  bezw.  der  Bil- 
dung von  dunklem  Farbstoff  handelt,  wie  ich  das  früher  für  V.  prorsa 
angenommen  hatte,  sondern  vielmehr  um  Erzeugen  von  organischen 
Verbindungen,  welche  bald  die,  bald  jene  Farbe  haben.  Mit  anderen 
Worten:  Wärme  und  Kälte  wirken  auf  den  gegebenen  Organismus  gemäß 
seiner  Zusammensetzung  verschieden:  es  handelt  sich  eben  wieder  um 
die  Wirkung  innerer  oder  konstitutioneller  Ursachen  in  Verbindung  mit 
dem  äußeren  Reiz  der  Wärme  oder  Kälte,  bezw.  um  durch  diesen  aus 
dem  gegebenen  Stoff  gestaltete  Neu-  oder  Umbildung. 

Gerade  die  Arten  der  Schwalbenschwänze  bieten  ja  übrigens  höchst 
auffallende  Beispiele  für  wesentlich  innere  Ursachen  des  Melanismus. 
Während  Papilio  Machaon  durch  Wärmeeinwirkung  heller  wird,  sehen 
wir  in  P.  Turnus  Glaucus  und  ebenso  in  P.  Bairdii  deutlich  das  Geschlecht 
als  maßgebend  für  die  Schwarzfärbung  wirksam,  und  es  ist  wahrschein- 
lich, daß  die  Dunkelfärbung  der  ganzen  .45to'ms-Gruppe  mit  derselben 
Ursache  zusammenhängt,  wenn  auch,  wie  ich  annahm,  irgend  äußere 
Reize  den  Anstoß  dazu  gegeben  haben  dürften;  das  Klima  kann  es  hier 
nicht  wohl  gewesen  sein,  denn  die  Falter  der  ^^ter/as-Gruppe  sind  teils 
nördliche,  teils  südliche.  Als  auffallend  müssen  für  dieselben  Falter 
gewisse  offenbar  mit  der  Schwarzfärbung  zusammenhängende  Eigen- 
schaften bezeichnet  werden,  welche  sich  auch  bei  den  dunkeln  Kälte- 
formen von  Machaon  finden,   so  die  kurzen  Schwänze. 

Wir  stehen  gewiß  erst  am  Anfang  der  Kenntnisse  über  Thatsachen 
bei  Schmetterlingen,  welche,  wie  die  vorstehenden,  uns  Aufschluß  geben 
über  die  Einzelursachen  der  Umbildung  der  Formen.  So  viel  aber 
ist  durch  die  bisher  bekannten  Thalsachen  und  ist  insbesondere  durch 
diese  und  meine  frühere  Arbeit  über  die  Artbildung  und  Verwandtschaft 
der  Schmetterlinge  bewiesen,  daß  hier  eine  gesetzmäßige,  nach 
wenigen  Richtungen  vor  sich  gehende  Entwickelung  besteht, 
welche  mit  dem  Nutzen,  mit  der  Anpassung  rein  gar  nichts  zu 
thun  hat. 

Daß  es  Schmetterlinge  giebt,  welche  Anpassungseigenschaften  zeigen, 
bestreite  ich  keineswegs.  Wie  weit  dieselben  aber  wirklich  durch  Natur- 
züchtung hervorgerufen  sein  können,  wird  erst  dann  erkannt  werden, 
wenn  die  phylogenetischen  Stufen ,  aus  welchen  diese  Formen  hervor- 
gegangen sind,  festgestellt  sind.  Es  giebt  gewiß  zahlreiche  solcher 
»Anpassungen«,  von  welchen  man  wird  nachweisen  können,  daß  sie  ohne 
jeden  Einfluß  der  Zuchtwahl  entstanden  sind,  auf  Grund  ganz  derselben 


Papilio  Podalirius.  395 

gesetzmäßigen  Umbildung,  welche  die  Segelfalter  und  die  Schwalben- 
schwänze zeigen.     Dabei  können  sie  nützlich  sein  oder  auch  nicht 

Die  Naturzüchtung  kann  nun  einmal  keine  neuen  Eigenschaften 
schaffen,  sie  kann  nur  vorhandene  benützen.  Schon  deshalb  ist  die 
»Allmacht  der  Naturzüchtung«   eine  Behauptung  ohne  jede  Grundlage. 

Überall  wird  sich  als  herrschend  erweisen  die  Orthogenesis  d.  i. 
gesetzmäßige  Umbildung  der  Lebewesen  nach  wenigen  bestimmten 
Richtungen. « 


Im  Folgenden  behandle  ich  nun  die  wichtigsten  Thatsachen  der 
Jahreszeiten-Abartung  (Hora-Dimorphismus)  in  Hinblick  auf  die  geogra- 
phische Verbreitung  von  Abarten  und  Arten  und  endlich  die  Erfolge  der 
künstlichen  Temperaturein  Wirkung ,  jene  zum  Teil  als  Auszug  meiner 
in  »Artbildung  und  Verwandtschaft  bei  den  Schmetterlingen«  gegebenen 
Darstellung. 

Papilio  Podalirius. 

Papilio  Podalirius  zeigt 

Hora-Dimorphismus,  indem  Hochsommerformen  desselben  eine  Reihe 
von  besonderen  Eigenschaften  bieten.  Diese  Eigenschaften  sind  dieselben, 
welche  südlich,  in  wärmeren  Gebieten  wohnende  Abarten  bezw.  Arten 
kennzeichnen  oder  welche  bei  diesen  noch  weiter  fortgeschritten  sind. 
Ich  habe  diese  Eigenschaften  anderwärts  zusammengestellt ')  und  will 
nur  das  Wesentlichste  hier  wiederholen : 

1)  die  Oberseite  des  Körpers  ist  bei  den  Hochsommerformen  heller, 

2)  die  schwarze  Seitenlinie  desselben  fehlt  zuweilen, 

3)  die  Schwänze  sind  länger  und  an  der  Spitze  meist  in  längerer 
Ausdehnung  hell  gefärbt, 

4)  die  Zeichnung  ist  schärfer  begrenzt, 

5)  die  blauen  Halbmonde  der  Hinterflügel  sind  auffallend  groß  und 
glänzend  hellblau  gefärbt, 

6)  der  Afteraugenfleck  ist  viel  größer  und  mit  schönerem  blauem 
Kern  versehen. 

7)  Abgesehen  von  Veränderungen  der  von  mir  sog.  Prachtbinden 
ist  hervorzuheben,  daß  ganz  bestimmte  Umänderungen  der  Grundbinden 
stattfinden,  besonders  Verkürzung  derselben  in  der  Richtung  von  hinten 
nach  vorn. 

8)  Auffallend  ist  ferner  Verbreiterung  der  Binde  IV  bei  allen  Faltern 
der  Hochsommerbrut  und  ebenso  bei  dem  nordafrikanischen  P.  Podalirius 
Lotteri  und  dem  südeuropäischen  Feisthameli. 

Die  Verkürzung  der  Binden  bedingt  eine  Vereinfachung.  Diese  wird 
weiter  vermehrt  dadurch,  daß 


1)  »Artbildung«  I.  S.  91  ff. 


396        Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

9)  Binde  VII  stets  fehlt  und  daß 
1 0)  die  Spaltung  von  V/VI  fast  überall  geringer  ist,  als  sonst. 
1  I )  Die  Grundfarbe    der    Flügel   wird   heller  gelb ,    nähert  sich  mehr 
Weiß. 

12)  Die  Vorderflügel  werden  mehr  spitz  ausgezogen  und  ihr  Vorder- 
rand ist  dementsprechend  mehr  gebogen. 

13)  Der  äußere  Schenkel  und  das  mittlere  Gelb  der  »Prachtbinde« 
finden  sich  nicht  auf  der  Oberseite  der  Hinterflügel,  sondern  nur  auf 
der  Unterseite ,  während  sie  bei  den  Frühjahrsformen  z.  B.  des  V^allis 
auch  oben  teilweise  vorhanden  sind. 

Ähnliche  Eigenschaften ,  nur  einige  besondere,  weist  auch  die  von 
mir  als  P.   Podalirius  Smyrnensis  beschriebene  Abart  i)  auf. 

Am  Schluß  meiner  Betrachtungen  konnte  ich  sagen  2):  »In  glänzen- 
der Weise  ergiebt  sich  aus  dem  Vorstehenden,  daß  den  Abänderungen 
von  Podalirius  Podalirius^  welche  ich  schon  früher  als  Wärmeeigen- 
schaften und  als  zur  Bildung  von  südlichen  Abarten  hinführend  bezeichnet 
habe,  in  der  That  diese  Bedeutung  zukommt:  die  wesentlichsten 
jener  Eigenschaften  kennzeichnen  die  Hochsommerbrut,  und 
wiederum  die  Eigenschaften  der  Hochsommerbrut  sind  es, 
welche  noch  verstärkt  zur  Bildung  von  Smyrnensis  einer- 
und Lotteri  andererseits  führen.« 

Die  Eigenschaften,  welche  mehr  im  Norden  als  Kennzeichen  der 
Sommerformen  auftreten,  werden  maßgebend  für  südliche  Abarten 
bezw.  Arten.  Solche  Abarten  sind  außer  den  Genannten  und  Feistha- 
meli  auch  der  südeuropäische  P.  P.  Zanclaeus  und  der  syrische  virgatus 
(nach  Butler  eine  besondere  Art),  ein  Falter,  dessen  geringe  Körpergröße 
vielleicht  auf  die  Bewohnung  des  Wüstengebietes  (schlechte  Ernährung 
der  Baupen)   zurückzuführen  ist. 

Feisthameli  ist  zunächst  der  Sommerform  von  Podalirius  Podalirius 
in  den  Mittelmeergebieten  und  wird  weiter  im  Süden  zur  Hauptform, 
scheint  sogar  in  Spanien  (Barcelona)  alleinherrschend  zu  sein,  während 
sich  in  Algier  wahrscheinlich  die  neue  Sommerform  Lotteri  aus  ihr 
herausbildet.  Außer  in  Nordafrika  kommt  Feisthameli  auch  in  Westasien 
vor,  wie  dort  als  Winterform.  Zanclaeus  endlich  steht  zwischen  Feisthameli 
und  Lotteri  und  ist  in  Sicilien  (Messina)  die  Sommerform  vom  gewöhn- 
lichen Podalirius. 

Während  bei  den  Wärmeformen  Hand  in  Hand  mit  der  helleren 
Grundfarbe  scharf  begrenzte  Zeichnung  entsteht,  wird  letztere  bei  Faltern, 
welche  ich  aus  dem  nördlichsten  Wohngebiet  (Bonn)  erhielt,  mehr  oder 
weniger  unregelmäßig,  unbestimmt,  sogar  teilweise  klecksartig,  die  Grund- 
farbe aber  wird  grünlich  (vielleicht  in  Zusammenhang  mit  dem  feuchteren 
Klima).  »Es  ist  als  ob  dem  Falter  im  Norden  die  Lebensbedingungen 
fehlten,    um   ihn   noch    in    aller  Kraft    und    ebenmäßiger   Vollkommenheit 


1)  a.  a.  0.  I.  S.  94.  2)  a.  a.  o.  I.  S.  96. 


Papilio  Podaliriiis.  397 

zu  entwickeln.  Vielleicht  hängt  es  damit  zusammen,  daß  die  Bonner 
Falter  am  meisten  von  allen  abändern:  es  sieht  in  der  That  aus,  als 
ob  in  ihrer  Zeichaung  überall  der  Versuch  gemacht  wäre,  zu  dem  oder 
jenem  bestimmten  Endziel  zu  gelangen,  ohne  daß  dies  auf  Grund  der 
unzureichenden  stofflichen  Zusammensetzung  und  der  äußeren  Verhält- 
nisse möglich  wäre '). 

Wesentliche  der  Entwickelungsrichtungen,  welche  bei  den  Wärme- 
formen von  Podaliriiis  zum  Ausdruck  gekommen  sind,  werden  nun  auch 
maßgebend  für  seine  südamerikanischen  Verwandten  [Protesilaus ,  Age- 
silaus,  Epidaus  u.  a.)  2).  Insbesondere  gilt  dies  für  weitere  Verkürzung 
von  Grundbinden  in  der  Richtung  von  hinten  nach  vorn  und  für  teilweises 
oder  aänzliches  Schwinden  einzelner  derselben. 

Sehr  bemerkenswert  ist  aber  in  dieser  Gruppe  das  Glashellwerden 
der  Flügel,  welches  auf  Schuppenlosigkeit  bezw.  auf  Zurücktreten  der 
Schuppen  beruht.  Zeller 3  giebt  an,  daß  diese  Eigenschaft  auch  an 
unserem  Segelfalter  auftritt ,  w^enn  man  seine  Raupe  mit  Kultur-  und 
Gartenpflanzen  nährt. 

Versuche  mit  Einwirkung  von  Wärme  und  Kälte  auf  die  Puppen 
von  Papilio  Podalirius,  von  Dr.  Gräfin  Maria  von  Ll\de:v  auf  meine 
Veranlassung  angestellt,  zeigen,  daß  diese  Einwirkung  Eigenschaften  er- 
zielt, welche  denjenigen  der  einerseits  in  wärmerem,  andererseits  in 
kälterem  Klima  lebenden  Segelfalter  entsprechen.  Indessen  können  diese 
Versuche  deshalb  nur  als  vorläufige  bezeichnet  werden,  weil  einmal  die 
angewendete  Temperaturerhöhung  eine  nicht  erhebliche  war  und  weil 
dieselben  nicht,  wie  notwendig,  bald  nach  der  Verpuppung,  sondern 
beliebig  später  angestellt  worden  sind.  Die  bisher  an  überwinternden 
Pappen  mit  einer  Wärmeeinwirkung  von  -\-S0^  G.  angestellten  Versuche 
ergaben  gegenüber  den  mit  einer  Kälteeinwirkung  von  bis  — 20"  C.  an- 
gestellten dennoch  Folgendes: 

1)  Die  Mehrzahl  der  Wärmefalter  hat  hellere  Grundfarbe  als  die 
meisten  Kältefalter;  bei  mehreren  ist  dieselbe  fast  weiß. 

2)  Die  Binden  V  und  VI  sind  bei  den  Wärmefaltern  meist  vollkommen 
oder  sie  sind  doch  bis  auf  eine  kaum  sichtbare  Spur  vereinigt,  bei  den 
Kältefaltern  sind  sie  mit  w-enigen  Ausnahmen  noch  deutlich  getrennt. 

3)  Dasselbe  gilt  für  Binde  II  III. 

4)  Binde  IV  ist  bei  den  Wärmefaltern  meist  deutlich  breiter  und 
schärfer  begrenzt  als  bei  den  Kältefaltern. 

5)  Die  blauen  Halbmonde  am  Rande  der  Hinterflügel  sind  bei  den 
Wärmefaltern  meist  größer  und  glänzender  blau,  ebenso  das  Blau  des 
Afterauges. 

6)  Besonders   auffallend   ist,    daß   bei  den  Kältefaltern   der  vordere 


ij  »Artbildung«  I.  S.  83.  2)  ygi.  »Artbildung«  I  Taf.  1. 

3    Zeller,  Isis  1847.  S.  213. 


398        Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

Teil  des  Gelb  der  Prachtbinde  meist  kräftig  auch  auf  der  Oberseite  er- 
scheint, bei  der  Mehrzahl  der  Wärmeformen  aber  fehlt,  bei  anderen 
wenigstens  von  hinten  nach  vorn  verkürzt  ist. 

T)  Der  Außenrand  der  Vorderflügel  ist  bei  der  Mehrzahl  der  Wärme- 
falter etwas  concav,  bei  den  Kältefaltern  mit  wenigen  Ausnahmen  voll- 
kommen gerade.  Dadurch  erscheinen  die  Vorderflügel  bei  ersteren  etwas 
mehr  spitz  ausgezogen. 

Es  liegen  mir  21  Wärme-  und  15  Kältefalter  vor,  nach  welchen 
obige  Merkmale  zusammengestellt   sind. 

Somit  zeigen  schon  die  Verhältnisse  bei  Papüio  Podalirius  die  hoch- 
wichtige Thatsache,  daß  die  natürlichen  horadimorphen  Wärme- 
formen dieselben  Eigenschaften  haben,  welche  die  in 
wärmerem  Klima,  südlicher  lebenden  Abarten  und  Arten 
kennzeichnen,  und  weiter,  daß  wir  im  Stande  sind,  durch  Ein- 
wirkung künstlicher  Wärme  auf  die  Entwickelung  diese 
Eigenschaften,  durch  Kälte  aber  entgegengesetzte  hervor- 
zurufen. 

Diese  durch  Einwirkung  größerer  Wärme  entstandenen  Verschieden- 
heiten beziehen  sich  nicht  nur  auf  Farbe  und  Zeichnung,  sondern  auch 
auf  Flügelgestalt  und  Größe  der  Falter. 


Papilio  Machaon. 

Hora-Dimorphismus.  Die  Sommerform  dieses  Falters  zeichnet  sich 
nach  mir  vorliegenden,  von  Herrn  Standfuss  in  Zürich  gefangenen 
Stücken  und  nach  dessen  eigener  Beschreibung  gegenüber  der  Winter- 
form durch  folgende  Eigenschaften  aus  i) : 

\)  im  Mittel  durch  bedeutendere  Größe, 

2)  längeren  Schwanz, 

3)  Vergrößerung  der  gelben,  zwischen  der  äußeren  und  inneren 
Randbinde  gelegenen  Flecke  besonders  auf  den  Hinterflügeln.  Da- 
durch ist 

4)  die  innere  Randbinde  weiter  nach  innen  gerückt. 

5)  Stärkere  Zackung  des  Innenrandes  der  inneren  Randbinde  auf 
den  Hinterflügeln  und  Vorgreifen  dieser  Zacken  gegen  die  schwarze  C- 
Zeichnung  der  Mittelzelle. 

6)  Starke  Zackung  des  Außenrandes  der  Hinterflügel,  so  stark,  wie 
sie  nur  bei  einem  einzigen  Stück  der  Winterform  vorhanden  ist. 

7)  Die  Vorderflügel  sind  schon  vom  Grunde  an  geschweift,  nicht  erst 
vor  der  Spitze,  wie  bei  der  Winterform. 

Diese   Eigenschaften   finden    sich   nun  in   erhöhtem   Grade 


1)  vgl.  »Artbildung«  II.  S.  36  und  M.  Standfuss,  Insektenbörse  Nr.  22.  1894,  derselbe 
Handbuch  für  Sammler  ISO-I. 


Papilio  Ajax  und  Philolaus.  399 

nicht  nur  bei  den  im  Süden,  im  warmen  Klima  lebenden 
Formen,  Arten  und  Abarten  des  Schwalbenschwanzes,  son- 
dern auch  bei  den  in  großer  künstlicher  Wärme  bei  uns  ent- 
wickelten Faltern,  während  umgekehrt  die  Eigenschaften 
der  Winterform  zumeist  bei  nördlich  lebenden  Faltern  vor- 
kommen und  verstärkt  erscheinen  bei  den  in  künstlicher 
Kälte  entwickelten  1). 


Papilio  Ajax  und  Philolaus. 

Hora-Dimorphismus.  Papilio  Ajax  kommt  in  drei  Formen  vor: 
P.  Ajax  Walshii^),  A.  Telamonides  und  A.  Marcellus^).  Die  beiden 
ersteren  sind  Winterformen :  sie  machen  die  Entwickelung  im  Winter 
durch  und  schlüpfen  im  Frühjahr  aus;  Marcellus  ist  Sommerform.  Letz- 
tere ist  nach  ihren  Eigenschaften  die  vorgeschrittenste,  die  neue  Form. 
Telamonides  steht  zwischen  Ajax  und  Marcellus.  Die  Unterschiede  zwi- 
schen allen  dreien  habe  ich  in  meiner  »Artbildung«  I.  S.  i98  ff.  aus- 
führlich zusammengestellt.  Hier  will  ich  die  wichtigsten  derjenigen 
hervorheben,  welche  Marcellus  gegenüber  Walshii  kennzeichnen. 

1 )  Marcellus  ist  erheblich  größer  als   Walshii. 

2)  Die  Vorderflügel  sind  bei  ihm  länger  ausgezogen,  mehr  spitz, 
ihr  Vorderrand  mehr  gebogen,  ihr  Außenrand  mehr  concav  ausgeschnitten 
als  bei   Walshii^  die  Hinterflügel  nach  hinten  länger  ausgezogen. 

3)  Die  Formveränderung  der  Flügel,  der  vorderen  wie  der  hinteren, 
beruht  auf  Verlängerung  der  Mittelzelle.  Indem  der  Hinterrand  der 
Mittelzelle  der  Vorderflügel  länger  geworden  ist,  sind  auch  die  Seiteu- 
randzellen  breiter  geworden  und  damit  in  Zusammenhang  ist  der  Außen- 
rand der  Vorderflügel  verlängert.  Dasselbe  Wachstumsverhältnis  gilt 
für  die  Hinterflügel  als  Ursache  ihrer  Gestaltveränderung. 

4)  Die  Schwänze  sind  viel  breiter  und  länger. 

5)  Die  Grundfarbe  ist  nicht  gelb  wie  bei  Walshii,  sondern  mehr 
blaugrün  (bei   Walshii  kann  sie  auch  grünlich  sein). 

6)  Die  Zeichnung  der  Oberseite  ist  schwärzer,  die  Binden  sind  breiter 
als  bei   Walshii. 

7)  Oben  ist  nur  noch  ein  roter  Afteraugenfleck  vorhanden,  nicht 
zwei  wie  bei  Walshii  und  Telamonides  —  selten  noch  ein  verkleinerter 
zweiter  nach  außen  von  demselben.  Weiß  vor  dem  Afteraugenfleck 
fehlt.  Ebenso  fehlt  das  Blau  hinter  demselben  in  den  meisten  Fällen 
ganz:  es  ist  auch  hierin  gegenüber  von  Walshii  und  Telamonides  Ver- 
einfachung  aufgetreten.     Der   Afteraugenfleck   ist  von  tiefem  Schwarz 


1)  Das  Nähere  vergleiche  man  bei  M.  Standfüss,  Handbuch   der   paläarkt.  Groß- 
schmetterlinge, Jena  1896  und  in  meiner  »Artbildung«  II.  S.  36  ff. 

2)  Abb.:   »Artbildung«  I.  Taf.  III.  Fig. -12. 

3)  Abb.:  »Artbilduns«  I.  Taf.  IV.  Fig.  3. 


400        Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

eingeschlossen,  welches  den  ganzen  hinteren  Flügelwinkel  einnimmt,  und 
sogar  zuweilen  auch  die^  in  diesem  gelegenen  hintersten  blauen  Rand- 
flecke verdrängt  hat,  nach  vorne  aber  die  gelbe  Bestäubung,  welche  bei 
Walshii  und  Telamonides  noch  vorhanden  ist.  Auch  auf  der  Unterseite 
hat  Schwarz  in  diesem  Gebiete  und  auf  den  meisten  Binden  der  Hinter- 
flügel (nicht  so  der  Vorderflügel)  gegenüber  von  Walshii  zugenommen. 
'Dadurch  sind  auch  größere  Einschnürungen  des  hinteren  Teils  der 
Prachtbinde  und  der  Prachtquerbinde  entstanden.) 

8)  Der  Hinterleib  von  Marcellus  ist  nicht  schwarz,  wie  der  von 
Walshii^  sondern  weißgelb  mit  schwarzem  Bauch-  und  ebensolchem 
Seitenstreif:  Brust  und  Stirn  sind  nicht  langhaarig,  sondern  kurzhaarig. 

Die  erheblich  breiteren  schwarzen  Binden  der  Oberseite,  das  tiefere 
Schwarz  derselben  i),  die  sattere  bläulich-grüne  Grundfarbe  geben  dem 
Falter  in  Zusammenhang  mit  seiner  bedeutenderen  Größe  und  seinen 
breiten,  langen  Schwänzen  den  Ausdruck  des  Kräftigeren,  Üppigeren 
gegenüber  von   Walshii. 

Die  Binden  nähern  sich  in  Folge  der  Verbreiterung  und  lassen 
schmalere  Zwischenräume  zwischen  sich.  Besonders  gilt  dies  für  Binde 
VllI  IX  im  Bereich  der  Mittelzelle,  wo  diese  Binden  bei  Marcellus  im 
Gegensatz  zu   Walshii  zuweilen  fast  vereinigt  sind. 

Dagegen  äußert  sich  bei  Marcellus  eine  besondere  Entwickelungs- 
richtung  darin,  daß  Binde  VII  der  Miltelzelle  sich  meist  in  der  Richtung 
von  hinten  nach  vorn  verkürzt  und  auch  verschmälert,  daß  sie  also 
Zeichen  der  Rückbildung  aufweist,  was  bei  Walshii  auch,  aber  nur  in 
vereinzelten  Fällen  vorkommt. 

Die  letztere  Eigenschaft  ist  weiter  vorgeschritten  bei  P.  Rhesus^) 
von  Celebes,  indem  hier  Binde  VII  höchstens  als  kleiner  Rest  vorhanden 
ist.  Überhaupt  erscheinen  wesentliche  Eigenschaften  der  Oberseite  des 
Rhesus  als  ein  weiterer  Fortschritt  auf  der  von  Marcellus  eingeschlagenen 
Entwickelungsrichtung:  die  Binden  sind  bei  ihm  noch  breiter  und  dem- 
entsprechend ist  Band  C,  von  welchem  bei  Marcellus  noch  ein  Rest  übrig 
ist,  geschwunden.  Ein  roter  Afteraugenfleck  und  Blau  in  den  Randbinden 
ist  bei  Rhesus  nicht  mehr  vorhanden. 

Ganz  ähnlich  ist  die  Entwickelung,  welche  der  in  Nord-  und  Mittel- 
amerika, also  südlich  von  den  Ajax  lebende  P.  Philolaus  genommen  hat  3). 
Nur  ist  hier  Binde  VII  gegenüber  vom  ersteren  nicht  zurückgebildet, 
sondern  sogar  breiter  geworden.  Auch  sind  noch  zwei  rote  Afteraugen- 
flecke vorhanden. 

Es  sind  also  auch  bei  in  wärmerem  Klima  lebenden  dem 
Ajax  verwandten  Arten  ganz  dieselben  wesentlichen  Eigen- 
schaften auf  Grund  bestimmter  Entwickelungsrichtung   auf- 


1,  Es  giebt  allerdings   Walshii  mit  derselben  Schwarzfärbiing. 

-]  vgl.  meine  »Artbildung«  I.  Taf.  IV.  Fig.  6. 

3)  Vgl.  meine  »Artbildung«  I.  Taf.  IV.  Fig.  1    und  7. 


Papilio  Ajax  und  Philolaus.  401 

getreten,  welche  die  Sommerform  Ajax  Marcellus  gegenüber 
der  Winterform  Ajax   Walshii  erlangt  hat. 

Ajax  Telamonides  steht  zwischen  A.  Walshii  und  A.  Marcellus',  der- 
selbe entsteht  wie  Walshii  aus  überwinterten  Puppen,  Marcellus  aus 
Sommerpuppen,  doch  können  aus  den  letzteren  auch  einzelne  Walshii  und 
Telamonides  hervorgehen  *).  Telamonides  tritt  einige  Wochen  nach  Walshii 
im  Frühjahr  auf.  Marcellus  entsteht  aus  Telamonides  oder  aus  Walshii. 
Die  letzte  Brut  von  Marcellus  (er  hat  deren  mehrere)  erzeugt  Walshii 
und   Telamonides  im  nächsten  Frühjahr. 

Auf  Grund  von  entsprechender  Umbildung  bei  anderen  Arten  schloß 
ich,  daß  W^ärme  und  Feuchtigkeit  eine  kräftigere  dunklere  Zeichnung,  das 
Entstehen  einer  grünen  Grundfarbe  aus  der  gelben  und  Zunahme  der 
Größe  veranlassen  können.  Ich  hob  hervor,  daß  bei  der  ganzen  Um- 
bildung offenbar  die  Wechselbezüglichkeit  (Korrelation)  eine  große  Rolle 
spielt:  »auf  Grund  der  gegebenen  Zusammensetzung  des  Körpers  wirken 
äußere  Einflüsse  gleichzeitig  auf  verschiedene  Eigenschaften,  so  daß 
mehrere  derselben  mit  einem  Male  umgebildet  werden  können« :  Be- 
haarung, Flügelform,  Länge  der  Schwänze  werden  zugleich  mit  der 
Körpergröße,  dann  der  Zeichnung  und  der  Grundfarbe  umgebildet  2). 

Papilio  Philolaus^)  ist  also  ein  Falter,  der  offenbar  entstanden 
ist  durch  weitere  Ausbildung  gewisser  Eigenschaften,  welche  in  der  Ent- 
wickelungsrichtung  Ajax  Walshii-MarceUus  liegen,  und  damit  stimmt  über- 
ein, daß  Philolaus  in  wärmeren  Gebieten  von  Amerika  lebt  als  Ajax^). 

Der  gewöhnliche  Philolaus  hat  grünliche  Grundfarbe,  der  von  mir 
so  benannte  Philolaus  Ajax  gelbe.  Durch  weiteres  Verdrängen  der 
Grundfarbe  mehr  nach  Schwarz  fortgeschritten  ist  Philolaus  nigres- 
cens.  Derselbe  erreicht  offenbar  in  einem  ganz  schwarzen,  nur  noch 
mit  den  roten  Afteraugenflecken  versehenen  Philolaus  niger,  welcher 
als  Abartung  unter  den  nigrescens  in  Honduras  vorkommt,  die  höchste 
Ausbildung. 

Der  Vorderrand  der  Vorderflügel  ist  bei  den  Philolaus  noch  stärker 
geschwungen,  als  bei  Ajax  Marcellus  und  die  Vorderflügel  sind  im  Ver- 
hältnis nach  vorn  noch  mehr  in  die  Länge  gezogen,  spitzer  als  bei 
diesem,  beides  mehr  bei  den  grünlichen  Philolaus  Philolaus  als  bei  dem 
gelben  Ph.  Ajax;  ebenso  sind  bei  jenen  nach  den  mir  vorliegenden 
Stücken  die  Hinterflügel  schmäler  und  spitzer  —  also  wiederum  Ähn- 
lichkeit mit  Ajax  Marcellus. 

Die  Beziehungen  zwischen  Philolaus  und  Ajax  sind  solche, 
daß  man  letzteren  »als  den  höchstentwickelten  Ajax,  als  die 
südlichste  Form  desselben  bezeichnen  muß;  während  Ajaw  bis 
Mexiko  vorkommt,  lebt  Philolaus  von  Mexiko  an  bis  Centralamerika«. 

»Und  zwar   ergiebt  die  Vergleichung,    daß    Ajax  Walshii-  Tela- 


1)  vgl.  W.  Edwards,  The  Butterflies  of  North-America  I. 

2)  »Artbildung«  I.  S.  206.  3^  Vgl.   »Artbildung«  Taf.  IV.  Fig.  !■  und  7. 
*)  Ebenda  I.  S.  212  ff. 

Eimer,  Orthogenesis.  26 


402         Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

monides-Marcellus  eine  Reihe  bilden,  deren  Fortsetzung 
Philolaus  Ajax,  Ph.  Philolaus ,  Ph.  nigresceiis  und  niger  sind; 
die  ganze  Entwickelung  neigt  zur  Schwarzfärbung  durch  Ver- 
breiterung der  Binden  und  Schwinden  der  Zwischenräume  zwi- 
schen denselben,  bezw.  der  Grundfarbe  und  durch  Vorrücken 
des  Schwarz  vom  hinteren  Winkel  der  Hinterflügel  nach 
vorn.  « 

Die  Thatsache,  daß  Philolaus  einzelne  Eigenschaften  erhalten  hat, 
welche  bei  Marcellus  schon  überwunden  sind  (z.  B.  den  äußeren  roten 
Afteraugenfleck),  erklärte  ich  als  durch  Rückschlag  oder  aber  dadurch 
verständlich,  »daß  Philolaus  von  einer  A.  Walshii  nahestehenden,  aber 
etwas  ursprünglicheren  Form  abstammt,  so  daß  wir  in  den  verschiedenen 
Formen  von  Philolaus  eine  von  Walshii-Telamonides- Marcellus  unabhängige, 
aber  gleichgerichtete  Entwickelung  vor  uns  hätten«. 

Dadurch  würde  sich  auch  das  Verhalten  der  Binde  VII  bei  Philo- 
laus erklären. 

Homoeogenesis  und  Heterepistase  kommen  also ,  neben  Genepistase, 
in  Beziehung  auf  die  verschiedenen  Eigenschaften  hier  in  Betracht. 

Eine  ähnliche  Umbildung  nach  Schwarz,  nur  wieder  in  etwas  anderer 
Art  im  Einzelnen  zeigt  Papilio  Colonna  aus  Ostafrika  i). 


Vanessa. 

Versuche  mit  Einwirkung  von  Wärme  und  Kälte.  Die  wichtigsten 
Versuche  mit  künstlicher  Temperatureinwirkung  sind  in  gewisser  Be- 
ziehung bei  den  Vanessen  gemacht.  Es  ergiebt  sich  auch  hier,  daß  die 
Wirkung  von  Wärme  und  Kälte  die  in  bestimmten  Ent- 
wickelungsrichtungen  liegenden  Eigenschaften  hervorruft, 
welche  für  die  Artbildung  in  der  freien  Natur  maßgebend 
sind  oder  daß  diese  Eigenschaften,  bezw.  die  erzeugten 
Umbildungen  doch  überall  auf  Veränderungen  der  von  mir 
aufgestellten  Grundbindenzeichnung    zurückzuführen  sind. 

Vanessa  urticae 
bekommt  durch  Einwirkung  von  Wärme,  wie  Standfuss  hervorhebt 2], 
Ähnlichkeit  mit  südlichen  Abarten,  indem  z.  B.  die  zwei  schwarzen 
(der  Binde  III  zugehörigen)  Flecke  in  der  Mitte  der  Vorderflügel  zurück- 
treten, wie  bei  V.  urticae  turcica  aus  Armenien,  oder  schwinden,  wie  bei 
V.  u.  ichnusa  aus  Korsika  und  Sardinien.  Ebenso  wird  der  schwarze, 
dem  Binnenfeld  (bezw.  der  Binde  VIII)  ursprünglich  angehörige  Fleck 
am   Hinterrand    der  Vorderflügel  kleiner,    gleicherweise   verkleinert   sich 


1)  vgl.  »Artbildung«  Taf.  IV.  Fig.  8. 

2)  Standfuss,  Paläarktische  Großschmetterlinge  1896.  S.  242. 


Vanessa  urticae.  403 

das  Binnenfeld  auf  den  Hinterflügeln  in  der  Richtung  von  hinten  nach 
vorn  und  bleibt  nur  noch  ein  vorderer  Rest  desselben  wie  bei  ichnusa 
und  turcica^).  Die  blauen  Randflecke  treten  mehr  zurück  und  die  Unter- 
seite verdüstert  sich  etwas  wie  bei  diesen  südlichen  Formen. 

Alle  genannten  Eigenschaften  bilden  aber  zugleich  eine 
Annäherung  an   Vanessa  Jo. 

Die  Einwirkung  der  Kälte  führt  zunächst  zu  Eigenschaften  der 
kalifornischen  V.  urticae  Milherti  und  der  lappländischen  V.  u. 
polaris  hin^),  ja  es  entstehen  zuweilen  Formen,  welche  der  letzteren 
vollkommen  gleich  sind  oder  noch  über  sie  hinausgehen,  nämlich  wenn 
man  Puppen  der  zweiten  Generation  in  der  Kälte  sich  entwickeln  lässt.  Bei 
weiterer  Kälteeinwirkung  verbreitert  sich  das  Schwarz  des  Binnenfeldes  auf 
den  Hinterflügeln  immer  mehr  nach  außen,  so  daß  es  bei  der  V.  u.  ichnusoi- 
des  benannten  Abart  die  Randbinde  fast  erreicht.  Die  Bindenreste  III 
bis  V/VI  auf  den  Vorderflügeln  verschmelzen  seitlich.  Das  Blau  der 
Randbinde  samt  dieser  verbreitert  sich  und  zeigt  weniger  scharfe 
Grenzen.  Das  letztere  gilt  auch  für  den  dem  Band  B  entsprechenden 
weißen  Fleck  in  der  Vorderflügelecke,  welcher  sich  verbreitert  und  nach 
hinten  verlängert,  aber  meist  unbestimmt  wird. 

Merkwürdigerweise  verschwinden  die  zwei  schwarzen  zu  Binde  III 
gehörigen  Flecke  der  Vorderflügel,  abgesehen  von  polaris  und  den  ihr 
ähnlichen  Faltern,  wo  sie  ausgeprägt  vorhanden  sind,  jetzt  ganz  oder  bis 
auf  Spuren,  ebenso  wie  bei  den  Wärmeformen  und  wie  hier  wird  auch 
die  Unterseite  dunkler. 

G.  FicKERT  hat  vor  kurzem  durch  große  Kälte  eine  Form,  nigrita, 
erzielt,  welche  in  der  Schwarzfärbung  weit  über  iclmusoides  hinausgeht, 
indem  diese  Färbung  sich  über  die  ganze  Fläche  der  Hinterflügel  erstreckt, 
höchstens  noch  Spuren  einer  gelblichen,  nicht  blauen  Randfleckenreihe 
übrig  lassend.  Ebenso  ist  der  Vorderrand  der  Vorderflügel  zuweilen  noch 
schwärzer  als  bei  iclmusoides,  indem  die  Binden  111/ IV  und  V/VI  nicht  nur 
stets  unter  sich,  sondern  auch  mit  VIII  vereinigt  sind.  Auch  unten 
sind  die  Falter  verändert,  indem  sich  die  Flecke  des  Vorderrandes  der 
Vorderflügel  ebenso  wie  oben  vereinigen  und  die  Hinterflügel  einfarbig 
schwarz  geworden  sind. 

Bei  den  in  der  kühleren  .Jahreszeit  sich  entwickelnden  V.  urticae, 
also  bei  der  überwinternden  Form,  nehmen  oben  die  schwarzen  Zeich- 
nungen zu,  unten  tritt  etwas  Aufhellung  der  mittleren  Flügelfläche  ein. 
Der   in    der  wärmeren  Zeit   sich    entwickelnde  Falter  zeigt  Zunahme  der 


1)  vgl.  Standfüss  Taf.  VI.  Fig.  7. 

2)  G.  Dorfmeister  hat  schon  -tSVa  Übergänge  zu  dieser  lappländischen  Abart 
durch  Kälte  erzeugt.  Man  vgl.  dessen  Aufsatz:  Über  den  Einfluß  der  Temperatur  bei 
der  Erzeugung  von  Schmetterlings-Varietäten  in:  Mitteilungen  des  naturw.  Vereins 
für  Steiermark  1879.  Aber  bereits  in  seiner  ersten  1863  erschienenen  Abhandlung 
(vgl.  hinten  S.  415  sagt  er,  daß  z.  B.  Vanessa  Jo  und  urticae  durch  Wärme  eine  hellere, 
lebhaftere,  durch  erniedrigte  Temperatur  eine  dunklere  Grundfarbe  erhalten. 

26* 


404       Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

roten  Grundfarbe  unter  Verdrängung  der  schwarzen  Zeichnung  von 
außen  her,  unten  tritt  Einfarbigkeit  ein  durch  Verdüsterung  der  h'chteren 
mittleren  Flügelflächen.  Stärker  erscheinen  diese  Unterschiede ,  wenn 
man  nördliche  und  südliche  Falter  untersucht.  In  Lappland  entspricht 
der  Falter  (var.  polaris)  dem  der  kühleren  .lahreszeit  des  mittleren  Europa. 
Der  Falter  von  Tessin,  Bergell,  Jura  zeigt  die  Eigenschaften  der  im 
mittleren  Europa  in  der  wärmeren  Jahreszeit  entwickelten  Form  —  am 
meisten  ichnusa. 

Urticae  hat  im  Norden  zwei,  in  Mitteleuropa  drei  Generationen.  Die 
zweite  ist  ebenfalls  die  festere :  dieser  überwinternde  Typus  (v.  polaris) 
wird  also  der  ursprünglichere  sein. 

Auch  die  Höhenlage  scheint  Einfluß  auf  den  Falter  zu  haben:  am 
Säntis,  sehr  häufig  beim  Wildkirchli,  fliegt  ausschließlich  eine  auffallend 
kleine  Form.     Ich  traf  sie  im  Spätsommer. 

Vanessa  Jo. 

Während  Vanessa  urticae  durch  Wärme  sich  V.  Jo  nähert,  wird 
umgekehrt  diese  durch  Kälte  V.  urticae  ähnlich:  bei  dieser 
Kälteform  des  Pfauenauges,  welche  Standfuss  als  aberratio  Fischer i 
bezeichnet  hat,  verwandelt  sich  das  in  der  Vorderflügelecke  ge- 
legene prachtvolle  Auge  in  ein  Bindenstück  entsprechend 
Binde  III!  oder  es  schwindet  ganz  i).  Zuweilen  tritt  auch  der  bei  urticae 
auf  den  Vorderflügeln  in  der  vorletzten  Seitenrandzelle  gelegene,  zu  VIII 
gehörige  Fleck  und  zwar  gesondert,  nicht  an  das  Schwarz  des  Binnen- 
feldes der  Hinterflügel  sich  anschließend,  auf. 

Durch  Einwirkung  größerer  Kälte  entsteht  aus  Jo  die  von  E.  Fischer  2) 
gezogene  und  beschriebene  aberratio  Äntigoiie ,  welche  mit  der  aus 
urticae  durch  Kälte  gezogenen  nigrita  (bezw.  ichnusoides)  das  Gemein- 
same hat,  daß  die  Bindenstücke  III  bis  VIII  am  Vorderrande  der  Vorder- 
flügel mehr  oder  weniger  verschmolzen  sind.  Ferner  bildet  sich  hier 
auch  das  Auge  der  Hinterflügel  zurück  und  zwar  entstehen  daraus 
zwei  kleine  Flecke,  welche  nach  der  Abbildung  von  Fischer  auf 
die  gewöhnlichen,  bei  den  Vanessen  besonders  auf  der  Unterseite 
vorhandenen,  zu  Binde  III  in  Beziehung  stehenden  Augenfleck- 
chen hinweisen. 

Es  handelt  sich  also  in  der  Veränderung  der  Augenzierden 
von  Vanessa  Jo  durch  Kälte  um  Rückbildung  auf  einen  ur- 
sprünglicheren Zustand:  das  vordere  Auge  verwandelt  sich  in 
das  noch  bei  urticae  vorhandene  Grundbindenstück  III,  das 
hintere  in  die  ursprünglichen  zu  dieser  Binde  gehörigen 
Augenfleckchen! 

Im  Übrigen  wird  durch  Wärme  bei  V.  Jo  die  Grundfarbe  der  Vorder- 


1)  vgl.  Standfuss  Taf.  VI.  Fig.  2  bis  8. 

2;  E.  Fischer,  Neue  experimentelle  Untersuchungen  und  Betrachtungen  über  das 
Wesen  und  die  Ursachen  der  Aberrationen  in  der  Faltergruppe  Vanessa.  Berlin.  Fried- 
länder. ISge.  Abb.  Taf.  II. 


Vanessa  Jo.     Vanessa  c-album.     Vanessa  polychloros.  405 

flügel  dunkler  braunrot,  ein  Teil  des  Blau  vor  der  Flügelspitze  schwindet, 
die  schwarze  Grundfarbe  wird  sichtbar.  Auf  den  Hinterflügeln  wird  der 
lichte  Saum  des  Auges  außen  durch  die  Grundfarbe  ersetzt.  Die  Unter- 
seite wird  dunkler,  die  Reste  der  Vanessa-Zeichnuns,  gehen  fast  voll- 
ständig verloren. 

In  einzelnen  Jahren  erscheint  bei  V.  Jo  eine  zweite  Brat  1893 
Wallis,  Italien)  ohne  Unterschiede,  wie  auch  die  Veränderungen  in  künst- 
licher Wärme  nicht  erheblich  sind  i). 

Vanessa  c-album 

wird  durch  Wärme  heller,  besonders  unterseits,  die  Zeichnuns  wird 
weniger  scharf,  der  Flügelsaum  weniger  tief  gebuchtet.  Die  bei  37"  C. 
gezogenen  Falter  sind  heller  als  die  Züricher  Sommerform  und  gleichen 
den  im  Juni  und  Juli  bei  Neapel  fliegenden. 

Auch  die  zweite  Generation  (Herbstform)  wird  durch  Wärme  zu- 
weilen heller.  (Bei  der  Herbstform  ist  die  Farbe  dunkler,  der  Flügelsaum 
weniger  gebuchtet.) 

Einwirkung  von  Kälte  macht  die  erste  Generation  dunkler,  schärfer 
gezeichnet,  mehr  moosgrün  auf  der  Unterseite,  der  Flügelsaum  wird 
schärfer  gebuchtet.  Der  zuweilen  stark  verdunkelte  Außenrand  der 
Oberseite  und  die  Färbung  der  Unterseite  machen  solche  Falter 
ähnlich  Van.  faunus  Edw.  Abb.  bei  Scudder  .  Die  erste  Generation  ist 
wohl  die  eingeschaltete,  weil  weniger  feste.  Die  zweite  wird  durch 
Wärme  ähnlich  der  ersten. 

Vanessa  polychloros. 

Wärme  hellt  die  Oberseite  auf,  führt  im  Übrigen  zur  Ähnlich- 
keit mit  südeuropäischen,  z.  B.  süditalienischen  Faltern.  Ge- 
staltet sich  das  Braunrot  sehr  feurig,  so  entsteht  Annäherung  an  die 
algierische  var.  erythromelas  Allard.  Diese  Eigenschaft  und  unterseits 
große  Eintönigkeit  durch  Verdunkelung  der  mittleren  Flügelteile  tritt 
nach  Einwirkung  noch  höherer  Temperatur  (39"^  C.  gegen  37")  auf. 

Kälte  bewirkt  dunklere  Grundfarbe,  zunehmende  Zeichnungslosig- 
keit,  größere  blaue  Randflecke  der  Hinterflügel,  breiten  dunkeln  Außen- 
rand der  Vorderflügel,  in  den  mittleren  Teilen  des  Außenrandes  treten 
drei  verloschene  blaue  Flecke  auf.  Unten  wird  die  Farbe  der  äußeren 
Flügelteile  im  Gegensatz  zur  Wurzel  heller. 

Entsprechende  Falter  fliegen  in  den  rauhen  Thälern  der 
Alpen,  auf  dem  Riesengebirge  und  dem  Schwarzwald. 

Länger  andauernde  Kälteeinwirkung  (28  Tage  gegen  14)  steigert  die 
erwähnten  Eigenschaften  und  macht  die  Falter  ähnlich  xanthomelas  Esp., 
auch  insofern  als  der  Außenrand  der  Flügel  stark  gebuchtet  ist. 


1)  Nach  den  Untersuchuniien  von  C.  Fickert  verbindet  sich  bei  Vanessa  Jo  in 
Folge  von  Einwirkung  großer  Kälte  zuerst  das  Bindenstück  VIII  mit  V/VI  und  dann 
erst  V/VI  mit  III/IV,  im  Gegensatz  zu  urticae,  wo  die  letztere  Verbindung  vor  der 
ersteren  eintritt. 


406        Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

V.  polychloros  ist  heimisch  in  Europa,  Nord-  und  Centrahisien,  scheint 
in  Ostsibirien  und  .lapan  zu  fehlen ,  wo  xanthonielas  nicht  selten  ist, 
welcher  nach  Westen  hin  mit  polychloros  lebt,  weiter  westlich  (West- 
schweiz, Frankreich,  Spanien)  aber  fehlt. 

Die  algierische  erythromclas  ist  kleiner,  oben  und  unten  eintöniger 
als  die  mitteleuropäische  polychloros.  Eine  Zwischenform  beider  aus  Arme- 
nien, Südsibirien,  Kurdistan,  Taurus  ist  var.  fervida  Stgr. 

V.  polychloros  ist  wohl  phylogenetisch  jünger  als  Xanthonielas^  dieser 
wird  c-album,  der  letzteren  faunus,  progne  vorangegangen  sein. 


Urticae  und  polychloros  verhalten  sich  gegen  Kälte  umgekehrt:  bei  32 
bis  42  Tagen  Kälteeinwirkung  nimmt  bei  ersterer  das  Schwarz  zu.  Auf 
Wärme  tritt  das  Schwarz  bei  urticae  zurück,  bei  polychloros  entsteht 
Annäherung  an  eine  südliche  Lokalrasse  der  Art.  Kälte  und  Wärme 
machen  urticae  und  polychloros  auseinanderweichen,  nicht  sich  nähern. 

Vanessa  Antiopa. 

Durchwärme  tritt  oben  das  ßandblau  vor  dem  zunehmenden  Gelb 
zurück,  hinten  wird  ebenso  das  Gelb  des  Außenrandes  breiter,  das  Blau 
zurückgedrängt. 

Der  Dorsalrand  der  Vorderflügel  wird  meist  stärker  geschweift,  die 
Spitzen  beider  Flügel  sind  weniger  stark  ausgezogen. 

Auch  die  Unterseite  verdüstert  sich. 

Sie  wird  so  ähnlich  südamerikanischen  Formen  und  darüber 
hinaus. 

Kälte  nähert  den  Falter  durch  Aufhellung  und  Auftreten  der  Binde 
V/VI  am  Vorderrande  der  Vorderflügel  u.  a.  polychloros  bezw.  xantho- 
melas. 

Das  Blau  der  inneren  Randbinde  nimmt  oft  sehr,  auch  an  Glanz,  zu 
[ah.  Roederi  Stdf.). 

Das  durch  Kälte  entstehende  Spitzerwerden  der  Ecken  der 
Vorder  flu  gel  weist  bei  den  Vanessen  als  »Eckflüglern«  auf  Einwir- 
kung niedriger  Temperaturen  hin. 

Vanessa  Atalanta. 

Wärme  macht  das  Blau  am  Außenrande  der  Vorderflügel  zurück- 
treten. Die  rote  schrägbandartige  Grundfarbe  der  Vorderflügel  verbreitert 
sich.  Das  Schwarz  wird  bräunlich.  Die  weißen  Flecke  im  Vorderwinkel 
der  Vorderflügel  neigen  zur  Rückbildung,  der  der  roten  Grundfarbe  zu- 
nächststehende verschwindet  zuweilen  —  lauter  Annäherungen  an 
Va7iessa  callirrhoe  F.  und  deren  Lokalformen:  var.  vulcanica 
GoDT.  von  den  Ganaren  u.  s.  w. 

Kälte  bringt  Vergrößerung  der  vorderen  weißen  Flecke  und  Ver- 
schmälerung  der  roten  schrägbandartigen  Grundfarbe  der  Vorderflügel 
u.  a.  hervor  [ab.  Merrifieldi  Stdf.  Puppen  31  Tage  in  -1-4  o  bis  -f-60  C). 


Vanessa  Antiopa.     V.  Atalanta.     V.  cardui.  407 

G.  Dorfmeister  hat  schon  1871  und  1872  solche  Kälteformen  erzogen, 
nachdem  er  eine  solche  gesehen  hatte,  welche  einer  überwinterten  Puppe 
entstammte,  während  die  Atalanta -Puppen  sonst  nicht  überwintern^). 
Diese  von  Dorfmeister  erzielte  Kälteform  (Einwirkung  von  +5^2  bis 
+71  2  R-  auf  die  Puppe  während  10  Tagen;  ist  unten  lehmgelb,  viel 
heller  als  die  normale.     Die  SrANDFuss'sche  ist  dunkler. 

V.  Atalanta  wird  nach  langer  Kälteeinwirkung  klein. 

Herr  Merrifield  hat  an  Vanessa  Atalanta  Wärme-  und  Kälteversuche 
mit  demselben  Erfolg  wie  Standfuss  angestellt,  außerdem  merkwürdige 
Ergebnisse  mit  starker  und  andauernder  Einwirkung  von  Kälte  erzielt: 
Wenn  die  Puppen  46  Tage  auf  Eis  gestellt  und  dann  einer  Temperatur  von 
+  12"G.  ausgesetzt  wurden,  erschien  das  rote  Schrägband  der  Vorderflügel 
gelb  bewölkt.  Ähnliches  erfolgte  bei  anderen  großer  Kälte  ausgesetzten 
Puppen.  Die  Unterschiede  solcher  Kälteformen  von  der  Normalform  sind 
so  groß,  daß  sie  leicht  für  eine  andere  Art  gehalten  werden  können  2). 

Vanessa  eardui 
wird    durch  Wärme   lichter,   ähnlich   den    in    den  Tropen   (auch  in 
Deutsch  Ost-  und  Westafrika)  lebenden. 

Kälte  macht  sie  dunkler  (ab.  Wiskotti):  die  Grundfarbe  wird  berußt. 

In  Lappland  ist  sie  viel  düsterer. 

Die  erste  Generation  ist  etwas  lichter,  die  zweite,  überwinternde, 
etwas  dunkler. 

Cardui  wird  durch  Kälte,  wie  Atalanta^  klein. 

Wie  bei  A^ithpa  bekommen  die  Kälteformen  scheinbar  gestreckteren 
Außenrand  der  Vorderflügel  in  der  Nähe  der  Flügelspitze,  in  Folge 
davon,  daß  der  hintere  Flügelteil  im  Wachstum  zurückbleibt. 

Nach  M.  Standfuss  ist  Vanessa  faunus  für  c-album ,  V.  Milberti  für  urticae  eine 
nördliche  Stammform,  V.  callirrhoe  für  Atalanta  ein  südliche;  V.  cardui  hat  ebenfalls 
südliche  Abkunft. 

Bei  c-album  und  urticae  steht  die  zweite,  bezw.  dritte,  die  überwinternde  Gene- 
ration der  Stammform  am  nächsten.  Bei  Atalanta  und  der  Grundform  von  cardui 
aber  die  erste,  die  Sommergeneration. 

tiberall  auch  sonst  bewirkt  künstliche  Temperaturerhöhung  Vermehrung  der 
Verschiedenheit  vom  älteren  Typus,  Temperaturerniedrigung  das  Umgekehrte.  »Bei 
jeder  der  untersuchten  Arten  handelt  es  sich  um  die  Glieder  einer  zusammenhängen- 
den Kette,  von  denen  ein  jedes  im  allgemeinen  einer  bestimmten,  in  einer  gewissen 
reaktionsfähigen  Entwicklungsphase  eingreifenden  Temperatureinwirkung  entspricht.« 

Das  eine  Ende  dieser  Kette,  welches  Annäherungen  an  phylogenetisch  ältere 
Typen  zeigt,  umfaßt  also  atavistische  Formen.  Sie  entstehen  bei  Van.  c-album,  urticae, 
Jo,  polychloros.  Antiopa  durch  Erniedrigung,  bei  Van.  Atalanta  und  cardui  aber  durch 
Erhöhung  der  Temperatur. 

Das  entgegengesetzte  Ende  der  Kette  enthält  Formen ,  welche  sich  vom  Grund- 
typus der  Art  oder  sogar  auch  vom  Typus  aller  verwandten  Arten  mehr  oder  weniger 
entfernen,  progressiv  ihnen  gegenüber  sind.  Bei  c-album,  urticae,  Jo,  polychloros,  Antiopa 
sind  dies  die  Wärmeformen,  bei  Atalanta  und  cardui  die  Kälteformen. 


1)  G.  Dorfmeister:  Über  Einfluß  der  Temperatur  u.  s.  w. 

2)  Vgl.  hierzu  auch  Standfuss  S.  304. 


408        Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

Die  phylogenetisch  älteren  Formen:  c-album,  urticae,  polychloros  lassen  sich  nur 
wenig  verändern,  aus  den  jüngeren:  Antiopa,  Atalanta,  cardui  lassen  sich  dagegen 
ganz  neue  Formen  bilden! 

Auf  Anwendung  starker  Kälte  entstehen  nach  den  Abbildungen 
Fischer's  überall  Formen,  welche  wie  ichnusoides  und  nigrita  seitliche 
Verschmelzung  der  Vorderrandbinden  zeigen  und  bei  welchen  ebenso 
wie  dort  auf  dem  hinteren  Teil  bezw.  in  der  Mitte  der  Vorderflü2;el  der 
Stammart  vorhandene  schwarze  Flecke  oder  sonstige  Bindenreste  zurück- 
treten. Bei  ihnen  vergrößert  sich  das  schwarze  Binnenfeld  der  Hinter- 
flügel nach  außen,  endlich  wird  die  dunkle  Randbinde  schmäler  oder 
blasser  oder  schwindet.  So  bei  ab.  testudo  von  polychloros^  Anligone  von 
Jo,  elymi  von  cardui^  Klymene  von  Atalanta^  Ilygiaea  von  Antiopa. 

Nur  bei  testudo  wäre  nach  Fischer's  Abbildung  das  Schwarz  der 
Hinterflügel  gegenüber  von  polychloros  verkleinert,  allein  die  farbige 
Abbildung  der  testudo  entsprechenden,  selten  im  Freien  vorkommenden 
pyrrhomelaena  ^)  zeigt  das  Gegenteil ,  weist  Verhältnisse  auf,  ähnlich 
urticae-nigrita.  Auch  unten  ist  die  Kälteform  schwärzer.  Auch  bei 
polychloros  gelang  es  C.  Fickert  ,  eine  der  ab.  nigrita  entsprechende 
Aberration  zu  ziehen,  bei  der  die  Bindenreste  III  bis  VIII  mit  einander 
seitlich  verschmolzen  sind. 

Im  Ganzen  sind  die  Kälteformen  überhaupt  schwärzer.  Dabei  läßt 
sich  zuweilen  deutlich  Kompensation  erkennen:  andere  Verteilung  der 
schwarzen  Farbe.  So  sind  bei  Klymene  gegenüber  von  Atalanta  die  weißen 
Randflecke  der  Vorderflügel  vergrößert,  während  der  Schrägfleck  ge- 
schwunden ist,  ähnlich  bei  elymi  gegenüber  von  cardui.  Bei  Hygiaea  ist 
gegenüber  von  Antiopa  die  helle  Randbinde  sehr  verbreitert,  während 
auch  hier  die  blauen  Vorderrand-Bandreste  geschwunden  sind. 

Zugleich  handelt  es  sich  überall  hier  um  Vereinfachung  der 
Zeichnung,  um  Hinneigung  zur  Einfarbigkeit,  was  nach  allen  sonst  be- 
kannten Thatsachen  einen  Fortschritt  bedeutet. 

Diese  Dunkelfärbung  kann,  wie  Standfuss  und  Fischer  zeigten,  in 
einzelnen  Fällen  auch  durch  hohe  Wärme  hervorgerufen  werden.  In 
anderen  Fällen ,  bei  anderen  Arten ,  veranlaßt  nur  Wärme  schwarze 
Färbung :  so  bei  Vanessa  levana-prorsa,  Polyommatus  phlaeas.  Daß  die 
dunkeln  Formen  der  Aster ias-Grnppe  unter  den  Papilioniden  bald  in 
kälteren,  bald  in  wärmeren  Gebieten  leben,  wurde  schon  hervorgehoben. 
Die  Kälteform  Pieris  napi-bryoniae  ist  dunkler.  Bei  Arctia  caja.hdii  C.  Fickert 
durch  große  Kälte  eine  mit  Ausnahme  eines  oder  einiger  fleckenartiger 
heller  Reste  der  Grundfarbe  fast  vollkommen  schwarze  Abartung  erzielt, 
welche  er  futura  nennt.  Bei  Vanessa  Antiopa  erzielte  Standfuss  durch 
Wärme  eine  dunklere  Form:  Daubii.  Andere  Stücke  erinnern  an  die 
mexikanische  Antiopa. 

Sehr  bemerkenswert  ist  nun,  daß  geringe  Kälte  ganz  anders 
wirkt  als  große. 


1)  Hübner,  Sammlung  europ.  Schmetterlinge  I.  Tat.  171.  Fig.  846:  pyrrhomelaena. 


Ergebnisse  von  M.  Standfuß.  409 

Durch  geringe  Kälte  entstehen  bei  Antiopa  Merkmale  von  xaniho- 
melas  und  polychloros. 

V.  Jo  wird  durch  dieselbe  Einwirkung  ähnlich  urticae,  diese  aber 
wird  gleich  der  nordischen  polaris. 

F.  Atalanta  bildet  bei  mäßiger  Kälte  eine  Form,  welche  viel  heller 
ist,  als  die  Stammform,  indem  sie  auf  den  Vorderflügeln  mehr  Weiß  hat, 
auf  den  Hinterflügeln  blauen  Schimmer  statt  Schwarz  und  deren  Zeich- 
nung sich  der  tieferstehenden  von  cardui  nähert^). 

In  allen  diesen  Fällen  handelt  es  sich  um  ein  Stehenbleiben  auf 
niedrigen  der  von  mir  aufgestellten  Zeichnungsstufen,  um  Beharrung, 
Epistase,  im  freien  Leben  in  Beziehung  auf  die  Artbildung,  Genepi- 
stase,  um  Rückschlag  und  zwar  um  phyletischen  oder  Stammesrück- 
schlag nach  meiner  Begriffsbestimmung.  E.  Fiscber  spricht  von  Hemmung. 

Mäßige  Wärme  erzeugt  dagegen  in  ausgesprochenen  Fällen  einen 
Fortschritt  zu  höherer  Zeichnungsstufe,  auch  zu  lichterer  Färbung:  V. 
cardui  wird  lichter,  ähnlich  der  in  Ostafrika  lebenden  (schon  durch  mäßige 
Kälte  aber  schwarz  angeraucht,  vgl.  aberr.    WiskoUi^]). 

V.  Atalanta  erzeugt  in  der  Wärme  eine  an  V.  callirrho&  und  deren 
Ortsabarten  wie   V.  vulcanica  ^Ganaren  u.  s.  w.)  sich  anschließende  Form. 


Vanessa  levana-prorsa  wird  später  besonders  behandelt,  ebenso  noch 
einige  andere  Falter,  an  welchen  ausgiebigere  Versuche  gemacht  worden 
sind.  Hier  gebe  ich  zunächst  noch  einige  Erfahrungen  bezüglich  ver- 
schiedener Arten  nach  Standfuss  und  dessen  daraus  gezogene  Schlüsse 
wieder. 

Argynnis  Aglaja  bekommt  durch  Wärme  oben  leuchtendes  Braunrot,  unten 
dunkleres  Graugrün. 

Kälte  bewirkt  dunklere  Grundfarbe  und  Zeichnung.  Die  letztere  vergrößert 
sich  auf  den  Vorderflügeln. 

Dasychira  abietis  wird  durch  Kälte  dunkler;   das  Q  etwas  anders,  als  das   <5. 

Lasiocampa  quercifolia  und  popuUfolia  werden  in  Wärme  durch  Zunahme  der 
dunklen  Zeichnung  düsterer,  Dasych.  abiet.  aber  heller,  Arctia  fasciata  dagegen  läuft  im 
(5  und  im   Q   Geschlecht  diesbezüglich  nach  verschiedenen  Richtungen  auseinander. 

Lasiocampa  pruni  wird  durch  Wärme  gelbrot. 

Bei  Polyommatus  phlaeas  geht  die  Schwärzung  des  Goldrot  der  Oberseite  schon 
auf  die  erste  Generation  des  Jahres,  also  auf  die,  deren  Raupe  überwintert,  doch  wohl 
durch  Vererbung  über.  Stücke  von  Korsika,  Palermo,  Algier  im  Februar  und  März 
gefangen,  sind  geschwärzt,  also  zu  Zeiten,  wo  diese  Schwärzung  schwerlich  durch 
direkte  Einwirkung  hoher  Temperatur  entstehen  kann.  Ebenso  scheint  es  in  Japan 
zu  liegen. 

Rhodocera  rhamni  wird  durch  Wärmeeinwirkung  in  Gestalt  der  Flügel  ähnlich 
der  kleinasiatischen  var.  farinosa:  die  Costalecke  der  Vorder-  und  die  Dorsalecke  der 
Hinterflügel  sind  länger  und  stärker  ausgezogen.  —  Die  Unterseite,  besonders  der 
Hinterflügel,  wird  dunkler.     Die   Q   bekommen   oberseits  anstatt    der   gewöhnlichen 


»)  Abb.  vgl.  SxANDFrss  Taf.  VII.  Fig.  8. 
2)  Standfuss  Taf.  VII.  Fig.  6. 


410         Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

weißlichen  Beschuppung,  besonders  an  der  Flügelwurzcl,  aber  auch  sonst  auf  den 
Flügeln,  namentlich  längs  den  stärkeren  Rippen  gelbe,  derjenigen  des  (5  ähnliche 
Färbung.  Nur  einmal  ist  die  Flügelform  bei  einem  Q  verändert,  wie  oben  geschil- 
dert.    Bei  diesem   Q   ist  auch  die  Unterseite  stark  gelblich. 

Nach  Tetens  findet  zugleich  eine  Verschiebung  der  Form  der  Schuppen  statt i). 

Herr  Standfuss  hebt  weiter  Folgendes  hervor:  die  dunkle  Zeichnung  nimmt  er- 
heblich zu  im  Süden  bei  Thais  polyxena  cassandra  (der  dalmatinischen,  ital.,  französ. 
Varietät  der  Stammform),  Polyommatus  phlaeas  eleus  F.  (Spanien,  Südfrankreich,  Italien), 
Melanargia  galathea  procida  Hbst.  und  lurcica  B. 

»Die  nördlichere  Arc.Üa  aulica  L.  mit  gelben  Hinterflügeln  entspricht  der  südliclieren 
macularia  Lang  mit  roten  Hinterflügeln.  Arctia  fasciata  Esp.  gestaltet  sich  in  Algier 
zur  var.  Oberthüri  Stgr.  mit  wesentlich  roteren  Hinterflügeln  um«,  ebenso  bei  der 
Zucht  in  erhöhter  Temperatur. 

Nemeophila  plantaginis  L.  erhält  in  der  zweiten  Generation  an  wärmer  gelegenen 
Flugorten  (Wiesbaden,  Straßburg)  öfter  auch  im  männlichen  Geschlechte  gerötete 
Hinterflügel,  die  bei  der  Zucht  in  erhöhter  Temperatur  noch  häufiger  auf- 
treten. Dieser  Falter  dürfte  sich  jedoch  in  absteigender  Farbenfolge  bewegen, 
da  die  <^  desselben  überwiegend  gelbe  oder  weiße  Hinterflügel  haben.  Nur  in  dem 
südlichsten  Vorkommen,  in  Armenien,  als  var.  caucasica  Men.  zeigt  das  (5  noch  rote 
Hinterflügel  wie  das   Q . 

Oft  sind  südliche  Formen  heller  als  ihre  nördlichen  Stammformen,  so  Podalirius 
Lottert  AusT.  im  nördlichen  Afrika,  Pieris  dapUdice  var.  raphani  Esp.  in  Afrika  und 
in  Syrien.  Desgleichen  viele  der  südlichen  Rassen  unserer  Nymphaliden  und  Saty- 
riden.  Besonders  auffallend  sind  gewisse  Lokalformen  von  Korsika  und  Sardinien : 
Vanessa  urticae  ichnusa  Bon.,  Pararge  megaera  tigelius  Bon.  Van.  milberti  God.  in  Nord- 
amerika ist  dagegen  als  nördliche  Form  der  Stammart  urticae  dunkler  als  diese: 
von    der  Flügelwurzel  ab  bis  nach  dem  zweiten  Flügeldrittel  geschwärzt. 

So  ist  es  auch  mit  anderen  Faltern  von  Korsika  und  Sardinien:  Lycaena  icarus 
fulminans  Stgr.,  Salyrus  semele  aristaeus  Bon.,  Epinephele  mirag  Ghil.  verglichen  mit 
den  entsprechenden  Formen  des  Festlandes. 

Aber  es  giebt  ganz  verwandte  Formen,  welche  sich  gegenüber  der  Einwirkung 
von  Wärme  und  Kälte  in  Beziehung  auf  die  Färbung  gerade  umgekehrt  verhalten: 
Melitaea  didyma  0.  wird  an  der  unteren  Wolga  (Sarepta  wesentlich  heller:  var.  neera 
F.  d.  W.,  indem  die  Zeichnung  heller  ist  als  bei  der  mitteleuropäischen,  dagegen  wird 
die  so  nahe  verwandte  Melitaea  trivia  Schiff,  als  var.  fascelis  Esp.  in  Sarepta  dunkler, 
als  in  Mitteldeutschland  durch  dieselbe  Veränderung.  Ebenso  werden  die  nordischen 
Formen  der  mitteleuropäischen  ^r^(/«nj5-Arten,  z.  B.  var.  fingal  Hbst.  von  euphrosyne 
L.,  var.  heia  Stgr.  von  selene  Schiff,  in  Lappland  dunkler,  var.  horealis  Stgr.  von  thore 
Hb.  ebenda  aber  wesentlich  heller.  Auch  Polyommatus  virgaureae  oranula  Frr.  wird 
im  Norden  heller. 

Schon  nach  diesen  Thatsachen  kann  es  sich  also  in  der  Einwirkung  von  Wärme 
und  Kälte  auf  Dunkel-  und  Hellfärbung  nur  um  eine  »Verschiebung  in  der  Ent- 
wickelungsrichtung«  der  Falter  handeln. 

Wenn  die  Zeichnung  nicht  schwarz  wird,  sondern  heller  bleibt,  so  haben  wir 
es  mit  einem  Stillstand  in  der  Ent Wickelung,  bezw.  mit  einer  Hemmung 
derselben  zu  thun  (Beharrung,  Epistase),  und  eben  diese  Hemmung  kann  also  durch 
wärmeres  und  durch  kälteres  Klima  erzielt  werden. 

Die  südlichen  Abarten,  sagt  Standfuss  weiter,  sind  meist  heller  und  zugleich 
größer,  die  nördlichen  kleiner  und  mit  dunklerer  Zeichnung. 

Die  Brüten  der  wärmeren  Jahreszeit  sind  größer  und  meist  heller,  die  der  kälteren 
kleiner  und  dunkler. 

Die  zweite  Generation  kann  außer  in  Färbung  (und  Zeichnung)  gegenüber  der 
ersten   auch   in  Gestalt   und   Größe  verschieden  sein:    die    zweite  Generation   von  P. 


1)  Berl.  Ent.  Zeit.  1885.  Taf.  VH.  S.  161  —  167. 


Ergebnisse  von  M.  Standfuß.  411 

podalirius:  Zanclaeus  Z.  hat  z.  B.  längere  Schwänze.  Die  zweite  Gen.  von  Polyommatus 
thersamon:  P.  omphaie  Klug  hat  Schwänze,  während  die  erste  keine  hat  u.  a. 

Entweder  sind  beide  Generationen  gleich  groß  oder  es  ist  die  erste  kleiner  oder 
größer.  Dies  hängt  von  den  Verhältnissen  ab,  welche  überhaupt  die  verschiedene 
Größe  bedingen:  besonders  von  der  Dauer  des  Raupenzustandes,  von  der  Temperatur 
und  wohl  auch  von  der  Art  der  Nahrung. 

Die  Färbungsunterschiede  sind  bald  oben,  bald  unten  mehr  ausgeprägt. 

Die  Eigenschaften  der  dritten  Generation  z.  B.  von  Pieris  napi  und  dapUdice  be- 
zeichnen nur  einen  weiteren  Schritt  in  derselben  Entwickelungsrichtung,  welche  die 
zweite  Generation  gegenüber  der  ersten  kennzeichnet.  Durch  die  Zucht  wurden  die 
gleichen  Thatsachen  für  die  dritte  Brut  der  Lasioc.  populifolia,  d.  i.  var.  autumnalis 
Jaen.  festgestellt!). 

Auch  bei  diesen  Verschiebungen  verändern  sich  die   (5  mehr  als  die  5- 

Manche  heute  lebende  Formen  sind  den  äußeren  Bedingungen  viel 
weniger  angepaßt  als  solche,  welche  früher  ohne  Zweifel  gelebt  haben, 
und  als  solche,  welche  wir  künstlich  herstellen  können.  Solche  Formen 
sind  eben  augenblicklich  in  der  freien  Natur  auf  Grund  der  herrschen- 
den Temperaturverhältnisse  nicht  möglich  und  die  Naturzüchtung  kann  daran 
nichts  ändern.  Die  Auslese  ist  nicht  das  einzige  Vehikel  der  Umbildung,  wie  Weis- 
mann dies  meint. 

Die  Versuche  wurden  nur  mit  Puppen  gemacht,  deren  Raupen  in  der  freien 
Natur  herangewachsen  sind.  Dieselben  zeigen,  daß  die  Beeinflussung  der  Puppen  ganz 
unabhängig  ist  vom  Zustand  der  Raupe,  daß  also  eine  große  Selbständigkeit  der  ver- 
schiedenen Entwickelungszustände  des  Insekts  besteht.  So  besitzen  auch  häufig  genug 
sehr  ähnliche  Falterarten  sehr  verschiedene  Raupen  und  umgekehrt.  Um  so  mehr 
darf  geschlossen  werden,  daß  es  auch  in  der  freien  Natur  Temperatureinwirkungen 
auf  die  Puppen  gewesen  sind,  welche  die  entsprechenden  Veränderungen  hervor- 
gerufen haben. 

Die  Zeichnungsverschiebungen  sind  nicht  die  wichtigsten  bei  der  Artbildung  maß- 
gebenden Veränderungen  des  Körpers,  aber  sie  sind  die  augenfälligsten  und  lassen  auf 
die  übrigen  schließen. 

Je  größer  die  Zahl  der  Generationen  ist ,  welche  schon  ein  gewisses  Kleid  ge- 
tragen haben,  desto  mehr  ist  dieses  Kleid  gegenüber  äußeren  (Temperatur-,  und 
inneren  (Hybridations-    Einflüssen  geschützt  und  befestigt. 

Da  nicht  nur  die  Temperatur  die  Umbildung  der  Arten  erzielt  hat, 
so  werden  auch  die  Experimente  mit  Wärme  und  Kälte  nicht  wieder 
ganz  die  ursprünglichen  Formen  herstellen  können. 

Wir  erhalten  durch  weit  getriebene  Kälte-  oder  Wärmeeinwirkung 
sprungweise  dieselben  Umbildungen,  welche  langjährige,  fortgesetzte 
kleine  Veränderungen  allmählich  erzielt  haben-). 

Wefl  aber  eben  langjährige,  immer  wiederholte  Einwirkung  große  Umbildungen 
hervorgerufen  haben  wird,  müssen  wir,  um  dieselbe  Wirkung  zu  erzielen,  bei  ein- 
maliger Einwirkung  erhöhter  Temperatur  viel  höher  greifen,  als  die  Natur  dies  ge- 
than  hatte.  Ein  Beispiel  bietet  Papilio  Machaon:  die  Sommergeneration  von  Zürich 
entsteht  bei  einer  Durchschnittstemperatur  von  etwa  18.40  C.  Um  die  Umbildungen 
zu  erreichen,  welche  die  im  Juli  bei  Jerusalem  in  einer  Durchschnittstemperatur  von 
24,50  C.  entwickelten  Falter  zeigen,  muß  eine  Einwirkung  von  37 — 38"  auf  die  Puppen 
stattfinden,  24,50  erreichen  nichts  —  um  dasselbe  Ergebnis  zu  erreichen,  müßte  diese 
Temperatur  in  einer  sehr  großen  Zahl  von  Generationen  immer  und  immer  wieder- 
holt werden. 

Es  geht  hier  nicht  an,  mit  Weismann   lediglich   die   natürliche  Zucht- 


1)  Jaenichen,  Insektenbörse  Leipz.  1894. 

-]  Diese  zwei  letzten  Sätze   besagen   also,   gleich   anderen,   ganz  dasselbe,   was 
ich  schon  in  meiner  »Artbildung«  ausgesprochen  habe. 


412        Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

wähl  auf  der  IJasis  der,  insofern  sie  nicht  eben  aus  äußeren  Faktoren 
entspringend  gedacht  wird,  unverständlichen  individuellen  Variabili- 
tät als  einziges  Princip  der  Veränderung  der  Formen  anzunehmen. 

Bei  den  untersuchten  Vanessen  könne  man  in  der  Ausbildung  der  Oberseite  nur 
in  einem  Falle  vielleicht  eine  erhebliche  Wirkung  der  Zuchtwahl  voraussetzen,  näm- 
lich bei  Van.  Jo  verglichen  mit  urlicae,  wenn  die  Augen  als  Schreckorgane  (!)  aufge- 
faßt werden. 

F.  Antiopa  ist  an  der  Oberseite  weniger  gut  geschützt  als  die  des  älteren 
Polychloros-Xanthomelas-TY]ins ,  aus  welchem  Antiopa  wahrscheinlich  abzuleiten  ist. 
Auch  unten  haben  die  Vorfahren  von  Antiopa  und  Jo  bessere  Schutzfarben. 

Auf  Seite  293  seines  Buches  meint  Standfuss,  es  müsse  als  notwen- 
dige Folgerung  aus  meiner  Arbeit  über  Artbildung  und  Verwandtschaft 
bei  den  Schmetterlingen  geschlossen  werden,  daß  die  Ähnlichkeit  der 
Zeichnung  immer  den  Grad  der  Verwandtschaft  zweier  Arten  ausdrücke. 
Dies  sei  nicht  der  Fall,  wie  denn  z.  B.  V.  Antiopa  und  polychloj^os,  ebenso 
Jo  und  polychloros,  näher  verwandt  seien,  als  polychloros  und  urticae. 

Allein  jene  Schlußfolgerung  ist  aus  meinen  Arbeiten  nicht  zu  ziehen, 
wie  ja  schon  die  von  mir  im  ersten  Teil  meiner  Schmelterlingsarbeit 
behandelten  und  abgebildeten  Jahreszeitenabarten  von  Papilio  Ajax  zeigen. 
Noch  mehr  zeigen  dies  unter  den  im  zweiten  Teil  behandelten  und  ab- 
gebildeten Faltern  z.  B.  P.  Turnus  Glaucus  Q  und  Bairdli  Q,  zusammen- 
gehalten mit  ihren  nächsten  Verwandten  und  den  ihnen  so  sehr  ähnlichen, 
nicht  unmittelbar  mit  ihnen  verwandten  Gliedern  der  Aster ias-Gruppe: 
sprungweise  Entwickelung  (Halmatogenesis)  und  verschieden- 
stufige EntWickelung  (Heterepistase) ,  andererseits  unab- 
hängige Entwickelungsgleichheit  (Homoeogenesis)  können  be- 
dingen, daß  sehr  nahe  verwandte  Formen  unähnlich  werden  und  um- 
gekehrt. 

In  der  neuen  Welt,  sagt  Stakdfuss  weiter,  bestand  in  Nordamerika  eine  längere 
Eiszeit  als  bei  uns,  wegen  der  andauernden  Gleichartigkeit  der  äußeren  Bedingungen 
konnten  viele  Typen  eine  ursprünglichere  Form  bewahren,  wie  viele  Beispiele  aus  der 
Pflanzen-  und  Tierwelt  zeigen. 

So  ist  auch   Vanessa  faunus  die  ursprünglichere  Form  gegenüber  V.  c-album. 

Die  ostsibirische  V.  progne^j  ist  wohl  entsprechend  dem  älteren  Typus  der 
paläarktischen   V.  egea  Cr.  (Zwischenform  ist  wohl   F.  interposita  Stgr.  von  Tura). 

Dieser  Faunus-progne-TYpus  hat  sich  in  Amerika  zu  einer  ganzen  Anzahl  von 
Arten  entwickelt  2). 

Die  Eiszeit  zersplitterte  die  präglaciale  Flora  und  Fauna  der  großen  nördlichen 
Continente  in  eine  Anzahl  sozusagen  insularer  Gebiete  eben  so  wie  die  Trennung 
zwischen  Nordamerika  und  Europa  im  Norden  —  Ost-Asien  —  Westnordamerika). 

Diese  Scheidung  mußte  die  Entstehung  zahlreicher  neuer  Formen  begünstigen. 

Weiter  verwendet  Standfuss  für  die  verwandtschaftliche  Ableitung  der  Vanessen 
wie  ich  für  die  Segelfalter  und  die  Schwalbenschwänze  die  geographischen  Beziehun- 
gen im  Einzelnen. 

Aufs.  303  spricht  er  den  meinen  Untersuchungen  zu  Grunde  liegenden  Satz  aus, 
daß  die  Aberrationen  nicht  etwas  Zufälliges,  sondern  daß  sie  durchaus 
gesetzmäßige  Bildungen  darstellen. 


1)  Vgl.  ScuDDER,  the  butterflies  of  the  Eastern  United  States  and  Canad«.     Cam- 
bridge Mass.  -1889  Taf.  III.  2)  ygi.  Scudder. 


Ergebnissse  von  M.  Standfuß.  413 

Ferner  meinen  weiteren  Satz,  daß  die  Aberrationen  »oft  genug«  eine 
sprungweise  Verschiebung  erfahren,  welche  gleichzeitig  mehrere  Eigen- 
schaften ergreifen  kann  meine  kaleidoskopische  Umbildung)  oder  auch 
ganz  neue  auftreten  läßt. 

Auf  Seite  310  spricht  er  aus.  daß  kleine,  in  gleicher  Entwickelungsrich- 
tung  liegende  Verschiebungen  durch  fortdauernd  überwiegende  Er- 
haltung der  am  stärksten  in  dieser  Entwickel  ung  srich  tu  ng  veränder- 
ten Individuen  von  Brut  zu  Brut  addiert  und  so  schnell  gesteigert 
werden. 

Als  das  Glied  einer  solchen  Kette,  wie  sie  sich  in  Norddeutschland  an  vielen 
Punkten  findet  'Breslau,  Berlin,  Hannover),  werden  wir  uns  für  Psiiura  monacha  das 
bei  der  zweiten  Zucht  in  Frage  kommende  nicht  ganz  vollkommen  geschwärzte  (5 
zu  denken  haben. 

Dieser  Falter  gestaltet  sich  gegenwärtig  von  Norden  nach  Süden  mehr  und  mehr 
zu  einer  geschwärzten  Form  um.  Die  Umbildung  wird  dadurch  beschleunigt,  daß  die 
geschwärzte  Form  geschützter  ist  (?). 

Dabei  kann  auch  unabhängig  auftretender  Melanismus  mitwirken. 

Ebenso  werde  die  Entstehung  der  geschwärzten  ab.  Amphidasis  doubledayaria 
durch  den  Nutzen  begünstigt  —  vor  kaum  30  Jahren  war  dieselbe  nur  von  Groß- 
britannien bekannt,  jetzt  ist  sie  bis  nach  Schlesien  vorgerückt. 

»Sprungweise  unter  der  Grundform  auftretende  Aberration  erhält 
sich  in  gewissen  Fällen  bei  der  Fortpflanzung  in  der  sich  ergebenden 
Brut  in  diesem  sprungweise  aufgetretenen  Abstände  von  der  Grund- 
form, es  entstehen  keine  Übergänge  zu  letzterer.« 

Dabei  kommt  zuerst  sprungweise  Umbildung  der  (5  in  Betracht  (z.B. 
Ocneria  dispar  L.),  dann  sprungweises  Nachrücken  der   Q . 

Häufig  scheint  sich  auch  das  Q  gleichzeitig  oder  fast  gleichzeitig  mit  dem  ^ 
verändert  zu  haben.  Zuweilen  verschieben  sich  die  Q  in  mehreren  scharf  von  ein- 
ander abgesetzten  Sprüngen. 

Zum  Beweis,  daß  sich  durch  Temperaturänderung  in  der  freien  Natur  ähnliche 
Verschiebungen  der  Eigenschaften,  zuletzt  Artbildungen  ergeben,  wie  durch  die  Ex- 
perimente, zeigt  in  dem  milden  Jahi'elSQS  abgesehen  von  dem  zahlreichen  Auftreten 
ausgesprochen  südlicher  Arten  in  nördlichen  Gegenden:  Acherontia  atropos,  Deilephila 
nerii  u.  a.  in  Folge  Wanderns)  das  Erscheinen  einer  ganzen  Anzahl  in  Mitteleuropa 
lebender  Arten  zu  abnormer  Zeit  durch  beschleunigte  Entwickelung  mit  entsprechen- 
den Veränderungen.  Verschiedene  Falter  traten  ausnahmsweise  mit  zwei  Generationen 
auf,  deren  zweite  auffallend  klein  war.  So  Dasychira  abietis,  welche  dann  auch  1894 
und  1893  in  zwei  Generationen  auftrat,  trotzdem  daß  die  Temperatur  jetzt  wieder 
gewöhnlich  niedrig  war  und  die  Ernährungszeit  der  Raupen  nicht  beeinflußte:  doch 
wohl  Vererbung  erworbener  Eigenschaft. 

Die  Nachkommen  dieser  in  ihren  biologischen  Verhältnissen  verschobenen  In- 
dividuen unterliegen  sehr  veränderten  äußeren  Bedingungen  in  ihren  verschiedenen 
Entwickelungsphasen,  da  diese  Phasen  den  Jahreszeiten  nach  eine  durchaus  andere 
Lage  erhalten,  als  die  der  nicht  verschobenen.  Dadurch  werden  neue  Entwickelungs- 
richtungen  bedingt. 

Wechselte  die  Temperatur  in  längeren  Zeitepochen  wiederholt,  verbunden  mit 
Trennung  der  Wohngebiete,  wie  z.  B.  gegen  das  Ende  der  Tertiärzeit  Eiszeit),  so  waren 
bedeutende  Ursachen  der  Umbildung  der  Tier-  und  Pflanzenformen  gegeben.  Dabei 
wirkte  kurze  Einwirkung  plötzlicher  sehr  hoher  oder  niedriger  Temperatur  ebenso  wie 
lange  Einwirkung  mäßiger  Veränderungen.  Auch  Hora-Dimorphismus  und  -Trimor- 
phismus  machen  es  sehr  wahrscheinlich,  daß  die  Veränderungen  vererbt  werden. 

Auf  diese  Weise  —  durch  weit  getriebene  Umbildungen  —  mußten  auch  zum 
Leben  untaugliche  Formen  erzielt  werden. 

Dasselbe  gilt  für  andere  klimatische  Einwirkungen  und  für  die  der  Nahrung. 

Die  bleibende  Abtrennung,    das   Selbständigwerden   der    so    gebil- 


414        Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

deten  Individuengruppen  gegenüber  den  Sta  iiinifor  men  beruht  darauf, 
daß  die  neuen  äußeren  Eigenschaften  zugleich  neuen  inneren  ent- 
sprechen werden. 

Daß  der  Duft  der  Q  ein  anderer  wird,  zeigt  dies  schon.  Zugleich  scheinen  auch 
Veränderungen  an  den  Geschlechtswerkzeugen  der  (5  aufzutreten.  Deshalb  ist  auch 
die  Kreuzung  zwischen  gewissen  veränderten  Formen  weniger  erfolgreich,  als  zwischen 
anderen:  dabei  können  entweder  nur  die  äußeren  Geschlechtswerkzeuge  in  Betracht 
kommen  oder  gleichzeitig  die  Geschlechtsprodukte. 

Gewiß  ist  anzunehmen,  daß  die  Geschlechtswerkzeuge  von  (J  und  Q 
korrelativ  verändert  werden  fbei  den  Phryganiden  und  Coleopteren  sind  Fälle 
bekannt,  wo  die  Veränderung  der  Geschlechtsorgane  Zweifel  läßt,  ob  man  es  mit 
Arten  oder  Abarten  zu  thun  hat). 

Zur  Trennung  der  Organismenketten  in  Arten  kann  die  Veränderung  äußerer 
Verhältnisse  in  der  Weise  beitragen,  daß  dieselbe  die  Fruchtbarkeit  der  alten  Formen 
stört  oder  aufhebt  oder  die  der  neuen  begünstigt. 

Wenn  man  den  fast  grausam  zu  nennenden  Paarungstrieb  der  Tierwelt  bedenkt, 
so  ergiebt  sich  der  Schluß,  daß  eine  nahezu  vollständige  andauernde  örtliche  oder 
zeitliche  (jahreszeitliche)  Scheidung  oder  beides  notwendig  ist  zum  Selbständigwerden 
einerneuen  Individuengruppe...  »,Tede  Theorie,  die  diese  Thatsache  nicht 
nach  ihrem  vollen  Gewicht  anerkennt  und  in  Rechnung  zieht,  übersieht 
einen  Faktor  von  schwerwiegendster  Bedeutung^). 

Zwischen  den  Individuen,  welche  nicht  zu  einer  Art  gehören,  fehlt  die  physio- 
logische Affinität:  das  Gefühl  der  Zusammengehörigkeit  und  die  gegenseitige  Zuneigung 
der  beiden  Geschlechter. 

Die  Isolierung  der  divergent  gewordenen  Individuengruppe  erfolgt 
schließlich  dadurch,  daß  diese  Gruppe  durch  die  Einwirkung  der  äuße- 
ren   Faktoren    nicht    nur    gewisse    morphologische    Umgestaltungen    der 

Färbung,   Größe,    Gestalt  u.  s.  w erfährt,   sondern   auch  gleichzeitig 

physiologisch  so  verändert  wird,  daß  sie  nur  noch  mit  Ihresgleichen 
unbeschränkt  fortpflanzungsfähige  Nachkommen    zu   erzeugen   vermag.« 

Das  Vorstehende  zeigt,  in  welchem  Maße  die  von  Herrn  M.  Standfuss 
festgestellten  Thatsachen  mit  meinen  Befunden  übereinstimmen  und  wie 
groß  die  Übereinstimmung  auch  der  beiderseitigen  daraus  gezogenen 
Schlüsse  ist.  Diesem  Verhältnis  giebt  Standfuss  am  Schlüsse  des  Haupt- 
teiles seines  Buches  (S.  353)  Ausdruck,  indem  er  mit  mir  die  Arten  als 
Individuengruppen  bezeichnet,  »welche  durch  den  direkten  Einfluß 
gewisser  Faktoren  der  Außenwelt  so  weit  von  den  nächstver- 
wandten Typen  divergent  geworden  sind«,  daß  Kreuzung  mit  dem  Er- 
folg unbeschränkter  Fortpflanzung  nicht  mehr  möglich  ist. 

Die  Abänderung  (bezw.  die  Übertragung  derselben)  erfolgt  aber, 
schließt  er.   durch  Vererbung  erworbener  Eigenschaften. 


Vanessa  levaiia-prorsa. 

Dieser  Falter    verdient   eine   besondere  Behandlung.     Er   ist  sowohl 
wegen  seiner  Jahreszeiten-Abartung  an  sich  als  wegen   der  an  ihm  vor- 


')  Vgl.  vorn  S.  24,  25:  Kyesamechanie. 


Vanessa  levana-prorsa.  415 

genommenen  Versuche  mit  künstlicher  Wärme  und  Kälte  der  für  die 
vorh'egenden  Fragen  wichtigste  Schmetterling. 

Man  hat  die  zwei  Formen  bekanntlich  früher  für  zwei  verschiedene 
Arten  gehalten. 

G.    Koch    berichtet    in    seinen    Schmetterlingen    des    südwestlichen 

Deutschlands  ')  schon,  daß  die  Zwischenform  porima  im  Spätherbst  fliegt 

oder  »durch  Zucht  im  Keller«   zu  erzielen  ist. 

»Levana  fliegt  zuweilen  schon  im  März  (1848)  auf  öden  breiten  Chausseen  und 
lichten  Waldstellen;  die  darauf  folgenden  Raupen  werden  Ende  Juni,  Anfangs  Juli 
(noch  häufiger  als  die  Falter)  auf  Nesseln  gefunden.  Die  Puppenruhe  ist  nur  eine 
sehr  kurze;  denn  schon  Mitte  Juli,  zuweilen  auch  erst  Ende  desselben  Monats  fliegen 
die  ersten  Falter,  alle  durchgehends  prorsa  gebend.  Die  Raupen  hiervon  sind  im 
September  ausgewachsen,  noch  zahlreicher  als  die  levana  und  unterscheiden  sich  durch 
nichts  von  denselben.  Die  Puppen  dieser  zweiten  Generation  überwintern  und  nur 
selten  kriechen  bei  ganz  warmem  Spätherbst  einzelne  Falter  aus, 
welche  alsdann  in  der  Färbung  den  Übergang  von  levana  zu  prorsa  bil- 
den ....  und  von  Mazzola  (Wien.  Verz.)  porima  genannt  wurden.  Alle  anderen 
Puppen  geben  das  nächste  Frühjahr  wieder  levana.  Diese  von  mir  und  anderen 
Sammlern  vielfach  versuchte  und  von  Hess  in  Darmstadt  zuerst  beobachtete,  jetzt 
allgemein  anerkannte  Thatsache  bringt  die  OcHSENHEiMER'sche  spätere  Aufstellung 
(Bd.  X.  p.  23  und  220)  mit  der  Abänderung  in  Geltung,  daß  levana  die  Stammart, 
weil  solche  zuerst  erscheint,  prorsa  die  Varietät  und  porima  die  Subvarietät  oder 
aberratio  ist.« 

»Ich  vermute,  daß  die  Kälte  auf  diese  Falter  Eindruck  macht,  daß 
diejenigen  Schmetterlinge,  w  eiche  nach  12  bis  14  Tagen  sich  entwickeln, 
ihre  natürlich  braune  Farbe  besitzen,  hingegen  diejenigen,  die  (vor  ihrer 
Entwickelung)  der  Kälte  und  dem,  Frost  ausgesetzt  sind,  ihr  dunkles 
Braun  in  ein  helles  Ockergelb  verwandeln.« 

»Diesen  Satz  schrieb«,  so  bemerkt  Herr  J.  Schilde  im  Jahre  1879, 
»der  verdiente  noch  lebende  Entomologe  Fkeyer  in  Augsburg  bereits  vor 
50  Jahren  über   Vanessa   provsa-levana  nieder.« 

Der  Satz  wurde  1863  (bezw.  1862)  durch  die  Versuche  Georg  Dorf- 
meister's  mit  Einwirkung  künstlicher  Wärme  und  Kälte  auf  die  Puppe 
dieses  Schmetterlings  bestätigt"^). 

Dorfmeister  berichtet,  daß  er  schon  früher  ähnliche  Versuche  machte, 
die  ersten  wohl  im  Jahre  1845,  wo  er  die  Raupen  der  Vanessa  Antiopa 
und  später  die  Puppen  der  Vanessa  levana  in  Eiskübel  setzte,  ohne  eine 
Veränderung  an  den  Schmetterlingen  zu  erzielen. 

Die  neuen  Versuche  wurden  1859  und  1860  angestellt  und  bestan- 
den darin,  daß  die  Tiere  während  ihrer  Entwickelung,  »d.  i.  im  Raupen- 
oder Puppenzustande  einer  anderen  als  der  gewöhnlichen  Temperatur 
ausgesetzt  wurden«. 

Die   Versuche    »hatten   sämtlich   den  Zweck,    den  Einfluß   der  Tem- 


1,  G.  Koch,  Die  Schmetterlinge  des  südwestlichen  Deutschlands,  Kassel  1856. 

2)  G. Dorfmeister:  Über  die  Einwirkung  verschiedener,  während  der  Entwickelungs- 
perioden  angewendeter  Wärmegrade  auf  die  Färbung  und  Zeichnung  der  Schmetter- 
linge, in:  Mitteilungen  des  naturwissenschaftlichen  Vereins  für  Steiermark,  Graz  1863, 
S.  99  IL 


416        Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

peratur  auf  die  Erzeugung  von  Varietäten  zu  erforschen,  indem  ich  vor- 
her durch  langjährige  Erfahrung  in  der  Raupenzucht  die  Überzeugung 
gewonnen  hatte,  daß  bei  der  Hervorbringung  von  Varietäten  weit  mehr 
die  klimatischen  Verhältnisse,  bei  denen  die  Temperatur  ein  Hauptfaktor 
ist,  thätig  sein  müssen  als  etwa  die  Nahrung  oder  die  Bastardierung.« 

Auf  Vanessa  levana  war  Dorfmeister,  wie  er  sagt,  ganz  zufällig  ge- 
raten und  er  hatte  nicht  die  Absicht,  das  Zusammengehören  von  levana 
mit  prorsa  zu  erproben,  welches  sich  aber  aus  seinen  Versuchen  ergab. 

Dieselben  zeigten  zunächst,  daß  die  Temperatur  auf  Färbung  und 
Zeichnung  der  Schmetterlinge  »und  zwar  den  meisten  während 
der  Verpuppung,  zunächst  aber  kurz  nach  derselben  hat^).« 

Er  hebt  hervor,  daß  bei  vielen  durch  eine  erhöhte  Temperatur  eine  hellere, 
lebhaftere ,  durch  eine  erniedrigte  eine  dunklere  oder  weniger  lebhafte  Grundfarbe 
bewirkt  werde,  so  bei  Vanessa  Jo,  urticae.  Bei  Euprepia  Caja  werde  die  rotgelbe 
Grundfarbe  der  Hinlerllügel  durch  erhöhte  Temperatur  in  Mennigrot,  durch  erniedrigte 
in  Ockergelb  verwandelt '-). 

»Weniger  auffällige  Resultate  haben  Versuche  geliefert,  bei  denen  ich  die  Tiere 
ortwährend  einer  höheren  oder  niedrigeren  Temperatur  unterwarf.  Die  von  Jugend 
an  bis  zur  Verpuppung  in  einer  höheren  Temperatur  erzogenen  Raupen  der  Xanthia 
Cerago  W.  V.  lieferten  die  var.  ßavescens  Esp. ,  während  die  in  erhöhter  Temperatur 
aus  Eiern  erzogenen  Hipparchia  Egeria  L.  und  Colias  rhamni  L.  nur  kleinere,  aber 
sonst  gewöhnliche  Schmetterlinge  ergaben.  Dadurch  verliert  die  Ansicht,  als  ob 
Hipparchia  Meone  Hu.  und  Colias  Cleopatra  L.  klimatische  Varietäten  der  erstgenannten 
seien,  immerhin  ein  wenig  an  Wahrscheinlichkeit«  .... 

Die  Versuche  mit  Vanessa  levana  wurden  sämtlich  in  den  .Sommermonaten  ge- 
macht und  die  behandelten  Raupen  hätten  daher  im  Freien  unter  den  gewöhnlichen 
Verhältnissen  nur  prorsa  geliefert.  Die  Zimmertemperatur  ist  auf  17 — 200  R.  an- 
zunehmen. * 

Dorfmeister  bezeichnet  die  vollkommensten,  dunkelsten  prorsa  mit  «,  die  helleren 
bis  zu  /,  die  porima  mit  (F,  e,  die  levana  mit  C — >^  und  sind  diese  Stufen,  alle  Über- 
gänge zwischen  prorsa  und  levana  darstellend,  also  neun  an  der  Zahl,  auf  der  beige- 
gebenen Tafel  sehr  hübsch  abgebildet. 

Versuch  A:  bei  gewöhnlicher  Temperatur  entstanden  8  prorsa  cc—y,  k  porima  S. 

Versuch  B:  die  Raupen  bei  260  r.  (32,50  C;  verpuppt,  lieferten  nach  7  Tagen 
dunkelste  prorsa  (2  Stück). 

Versuch  C:  Puppen  einer  Temperatur  von  lOO  R.  (12,50  C.)  ausgesetzt  (wie  lange?), 
lieferten  5  prorsa  y,  8  porima  cF,  5  porima  e,  1  0  überwinterten  und  lieferten  levana  C — *• 

Versuch  D:  Puppen  22  Tage  lOOR.  (-12,50  c.)  ausgesetzt,  lieferten  nach  zwei  Tagen 
im  Zimmer  lauter  (8  Stück)  porima  cF. 

Versuch  E:  7  Puppen  3  Tage  nach  der  Verpuppung  verschieden  lange  (2  bis 
iö  Tage;  HOR.  (13,750  0.)  ausgesetzt,  lieferten  sämtlich  prorsa /i,  ebenso  bei  demselben 
Versuch  F. 

Versuch  G:  Puppen  gleich  nach  Verpuppung  -1  bis  7  Tage  -IIOr.  (1 3, 7ö0  C.)  aus- 
gesetzt, lieferten  5  prorsa  ß,  y,  4  porima  d'. 

Versuch  H:  Raupen  nach  dem  Aufhängen  51/2  bis  7  Tage  (Zeit  der  Verpuppung 
nicht  angegeben)  -12,20  R.  (15,250  0.)  ausgesetzt,  lieferten  22  prorsa  /?,  y,  1  porima  ö\ 


1)  In  seiner  späteren  Abhandlung  hat  Dorfmeister  diesen  Satz  auf  Grund  seiner 
Versuche  an  V.  Atalanta  und  der  WEisMANN'schen  an  T'.  levana-prorsa  dahin  geändert, 
daß  »die  Farbengebung  erst  nach  der  Verpuppung  eintrete. 

-,  Auch  erwähnt  er,  daß  durch  Anwendung  von  erhöhter  Temperatur  während 
der  Verpuppung  diese  selbst  beschleunigt,  durch  erniedrigte  verzögert  wird. 


Vanessa  levana-prorsa.  417 

Versuch  .1:  Raupen  nach  Aufhängen  nach  2  Tagen;  verpuppt,  dann  4  bis  6'/2 
Tage  f2,20R.  ,  .13,250  c.)  ausgesetzt,  Heferten  sämtlich  prorsa  ^i.  y. 

Versuch  K:  Raupen  nach  Aufhängen  (nach  \  bis  2  Tagen)  verpuppt,  dann  noch 
1   bis  7  Tage   l|OR.    13, 730c.)  ausgesetzt,  lieferten  10  prorsa  3,  y,  4  porima  cT.  gl;. 

Aus  diesen  Versuchen  eraiebt  sich  Folgendes: 

I  Die  höchste  Temperatur  (Vers.  B,  260  R.;  ergab  nach  7  tägiger 
Puppendauer  die  dunkelsten  prorsa. 

2)  Ein  Versuch  (C)  mit  der  niedrigsten  angewendeten  Temperatur 
(10"  R.)  h'eferte  außer  5  hellen  prorsa  und  8  porima  aus  überwinterten 
Puppen  10  levana.  Hier  ist  die  Dauer  der  Temperatureinvvirkung  nicht 
angegeben.  Ein  anderer  Versuch  (Dj  mit  derselben  Temperatur  bei 
22  tägiger  Einwirkung  lieferte  lauter  porima. 

Einwirkung  von  dazwischen  liegenden  Temperaturen  lieferten: 

M "  R.  teils  nur  prorsa  (E),  teils  prorsa  und  porima  (G,  K). 

12,2"  R.   fast  lauter  (H)  oder  lauter  (J)  prorsa  ß,  y. 

Ein  bestimmtes  Ergebnis  der  Dauer  der  Temperatureinwirkung  läßt 
sich  nicht  erschließen.  Dagegen  springt  in  die  Augen,  daß  um  so  mehr 
und  um  so  dunklere  prorsa  erzeugt  wurden,  je  höher  die  an- 
gewendete Temperatur  war,  und  daß  schon  mäßig  niedrige  Tem- 
peratur (-{-100  R.)  statt  der  prorsa  oder  porima,  welche  hätte  entstehen 
sollen,  zum  Teil  levana  erzeugte. 

Endlich  zeigen  schon  die  DoRFMEiSTER'schen  Versuche,  daß  verschie- 
dene Individuen  derselben  Brüten  sehr  ungleich  durch  die  Temperatur 
beeinflußt  werden,  so  daß  also  die  stoffliche  Zusammensetzung  des  Kör- 
pers, die  Konstitution,  als  sehr  maßgebend  für  den  Grad  der  Umbil- 
dung der  Einzeltiere  erscheint. 


Wenn  Dorfmeister  nicht  beabsichtigte,  die  eine  Form  von  levana- 
prorsa  in  die  andere  überzuführen ,  so  wird  es  zielbewußt  vielleicht 
seit  sehr  langer  Zeit  von  Knaben  geübt.  In  »Entstehung  der  Arten«  I 
habe  ich  dies  schon  hervorgehoben:  mein  Colleee  von  der  forstlichen 
Abteilung  der  hiesigen  staatsw'issenschaftlichen  Fakultät,  Tuisko  Lorey 
erzählte  mir,  daß  er  die  Versuche  schon  als  Knabe  mit  seinen  Genossen 
in  Darmstadt  gemacht  habe,  und  seine  Söhne  übten  und  üben  sie  hier 
in  Tübingen  gleichfalls  mit  dem  schönsten  Erfolg.  So  liegt  es  nahe 
anzunehmen,  daß  sie  schon  weit  in  der  Zeit  zurückreichen. 

Auch  Herr  M.  Standfuss  teilt  mit ,  sein  Vater  habe  schon  im  Jahr 
1852    Vanessa  porima  im  Keller  gezogen. 

Im  Jahre  1875  2)  berichtet  August  Weismanx  über  ähnliche  Versuche. 


1)  Diesen  Auszug   aus   den   DoRFMEisxER'schen   Tabellen   verdanke  ich   Herrn   Dr. 

C.    FiCKERT. 

-;  Studien  zurDescendenztheorie  I.  Über  den  Saison-Dimorphismus  der  Schmetter- 
linge. 

Eimer,  Orthogenesis.  27 


418        Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

Er  erwähnt'),  daß  solche  schon  früher  von  einem  steierischen  Entomo- 
logen Georg  Do rf.mi: ister  angestellt  worden  seien,  und  fügt  hinzu:  Leider 
entdeckte  ich  die  kurze  Mitteilung  darüber  erst  zu  einer  Zeit,  als  meine 
eigenen  Untersuchungen  schon  fast  beendet  waren«. 

Die  Beurteilung  der  Ergebnisse  der  WEisMANN'schen  Versuche  wird 
erschwert  durch  einen  Irrtum,  in  welchem  sich  derselbe  bezüglich  der 
Zahl  der  im  Freien  regelmäßig  vorkommenden  Generationen  unseres 
Falters  befand.  Auf  Seite  12  sagt  er  nämlich:  »F.  levana  macht  nicht 
blos  zwei  Generationen  im  Jahre,  sondern  deren  drei,  sie  ist  Poly- 
goneuonte,  wie  ich  mich  ausdrücken  möchte:  eine  Wintergeneration 
wechselt  ab  mit  zwei  Sommergenerationen,  deren  erste  im  Juli,  die 
zweite  im  August  fliegt.  Diese  letztere  liefert  als  vierte  Generation  des 
Jahres  überwinternde  Puppen ,  welche  im  nächsten  Frühjahr  (April)  als 
erste  Schmetterlingsgeneration  und  zwar  in  der  levcmu-Form  ausschlüpft 2).« 

Wie  die  Sache  sich  thatsächlich  verhält,  finden  wir  schon  bei  Koch, 
welcher  berichtet,  daß  nur  selten  bei  ganz  warmem  Spätherbst  aus  der 
pro7'sa-Brüt  in  demselben  Jahre  noch  einzelne  Falter  auskriechen  und 
zwar,  wie  er  sagt,  porima. 

Auf  welche  Art  und  Weise  Herr  Weismann  sich  in  seinen  neuen 
Versuchen  zum  Saison-Dimorphismus  gegenüber  dem  Nachweis  dieses 
Irrtums  herauszureden  sucht,  werden  wir  später  sehen.  Trotzdem 
er  denselben  anerkennen  muß ,  spricht  er  auch  in  den  »neuen  Ver- 
suchen« immer  wieder  von  der  dritten  Generation.  Der  Unterschied 
ist  aber  sehr  wichtig,  denn  derselbe  hängt  mit  der  Frage  zusammen, 
ob  durch  künstliche  Wärmeeinwirkung  aus  der  von  der  gewöhnlichen 
prorsa  erzeugten  Brut  zwangsweise  abermals  prorsa  erzielt  werden 
kann,  ob  die  so  entstandene  Generation  also  an  Stelle  der  gewöhnlichen 
levana  auftritt  oder  ob  sie  eine  normale  Erscheinung  ist,  entsprechend 
einer  auch  im  Freien  gewöhnlichen  zweiten  prorsa-  d.  i.  einer  »dritten« 
Generation  des  Falters. 

Damit  stehen  im  Zusammenhang  gänzlich  falsche  Schlüsse,  welche 
Weismann  aus  seinen  ersten  Versuchen  gezogen  hat.  Er  behauptete 
nämlich,  es  sei  zwar  leicht,  durch  Anwendung  von  Kälte  aus  levana 
wiederum  levana  zu  erziehen,  nicht  aber  möglich,  aus  prorsa  durch  An- 
wendung von  Wärme  wiederum  prorsa  an  Stelle  von  levana  zu  erhalten. 
Er  sagt  merkwürdiger  Weise  in  den  alten  Versuchen,  es  sei  ihm  dies 
nicht  gelungen,  trotzdem  er  vorher  selbst  berichtet  hat,  daß  ihm  bei 
einem  solchen  Versuch  (1  0  A)  3  prorsa  und  1  po)'ini.a  ausgeschlüpft  sind. 
In  diesem  Versuch  handelt  es  sich  nicht  um  mögliche  Verwechslung  mit 
einer  zweiten  normalen  prors a-Generation:  es  ist  hier  zweifellos  anstatt 
levana  wieder  prorsa  erzeugt  worden.  Aber  es  gehört  noch  ein  weiterer 
der  alten  WEisMANN'schen  Versuche,  i6),  hierher,  in  welchem  aus  prorsa 
wiederum  zahlreiche  prorsa  durch  Wärme  erzielt  worden  sind. 

Herr  Weismann   hat   als    Endergebnis    seiner    »alten«    Versuche    den 

1)  S.   7. 


Vanessa  levana-pi'orsa.  419 

Satz  aufstellen  zu  müssen  geglaubt,  die  Erzeugung  von  levana  aus  levana 
durch  Kälte  beruhe  auf  Rückschlag.  Darum  konnte  aus  prorsa  nicht 
wieder  prorsa  erzielt  worden  sein  (obwohl  sie  thatsächlich  von  ihm  selbst 
gezogen  worden  ist),  denn  sonst  wäre  jene  Erklärung  nicht  mehr  stich- 
haltig gewesen. 

In  den  »neuen  Versuchen«  hat  nun  Weisjlvnx  reichlich  aus  profusa 
durch  AVärme  wiederum  prorsa  statt  levana  erzeugt.  Damit  ist  das  Haupt- 
ergebnis der  ganzen  ersten  Arbeit  hinfällig  und  er  bestätigt  dies  selbst 
mit  einer  Bestimmtheit,  vA'elche  nichts  zu  wünschen  übrig  läßt:  er  weist 
jetzt  den  Rückschlag  vollkommen  zurück,  ebenso  stellt  er  die  wesent- 
lichsten übrigen  Schlüsse,  welche  er  aus  den  alten  Versuchen  gezogen 
hatte,  in  den  »neuen«  geradezu  auf  den  Kopf.  Damals  hatte  er  ange- 
nommen, daß  Wärme  und  Kälte  die  Erzeugung  von  levana  und  prorsa 
verursachten  und  daß  »kein  Gedanke  daran«  sei,  es  könnten  Farbe 
und  Zeichnung  dieser  verschiedenen  Formen  auf  Anpassung  beruhen; 
jetzt  erfindet  er  einen  »adaptiven  Saison  -  Dimorphismus  < ,  sucht  ohne 
jeden  ernsthaften  Beweis  gerade  Vanessa  levana-prorsa  als  Beispiel  dafür 
zurecht  zu  legen  und  glaubt  so  zu  zeigen,  daß  die  Ursachen,  durch 
welche  die  Verschiedenheit  der  beiden  Formen  hervorgerufen  worden 
ist,  auf  einem  Züchtungsprocess,  auf  Auslese,  bezw.  Anpassung 
beruhen  sollen,  Wärme  und  Kälte  aber  nur  der  dieselbe  »auslösende 
Reiz«   seien. 

Wir  w^erden  uns  mit  der  eigenartigen  Beweisführung  alsbald  zu 
beschäftigen  haben,  denn  sie  und  sehr  reiches  anderes  Material  fordert 
dazu  heraus,  den  Beziehungen  zwischen  August  WeismaiNx  und  Vanessa 
levana-prorsa  einen  besonderen  Abschnitt  zu  widmen. 

Der  ganze  Hintergrund  dieser  Beweisführung  liegt  darin,  die  Stütze, 
welche  die  Vererbung  erworbener  Eigenschaften  in  den  auf  Vanessa 
levana-prorsa  bezüglichen  Thatsachen  findet  und  die  Anerkennung  dieser 
Vererbung  überhaupt,  welche  eine  Grundlage  »der  alten«  Studien  bil- 
dete und  dort  die  äußerste  Vertretung  fand,  nach  Maßgabe  neuester  und 
»klarerer  Erkenntnis«  abzuwehren. 

Die  WfiisMANN'schen  Versuche  sind  eine  Weiterführnng.  Ergänzung 
und  Bestätigung  derjenigen  von  Dorfmeister.  Der  letztere  hat  mit  ge- 
ringen Temperaturunterschieden ,  insbesondere  nicht  mit  irgend  maß- 
gebender Kälte  gearbeitet.  Es  ist  aber,  wie  aus  dem  darüber  Mitgeteilten 
hervorgeht,  nicht  richtig,  wenn  Weismanx^)  sagt,  daß  derselbe  nur  in 
wenigen  Fällen  Übergangsformen  erzielt  und  daß  es  ihm  niemals  gelun- 
gen sei,  eine  völlige  Umwandlung  der  Sommer-  in  die  Winterform  her- 
vorzurufen.    Das  letztere  ist  ihm  einmal   (Versuch  G)  gelungen. 

Schon  die  Versuche  Dorfmeister's  ergeben  also  klar  und  deutlich  die 
Thalsache,  daß  das  Maß  der  Ausbildung  einer  porima-  oder  pror^a-Form 
von  dem  Grade  der  Temperatureinwirkung  in  der  Hauptsache  abhängig. 


1)  Studien  S.  8. 

27' 


420        Äußere,  besonders  klimatisclie  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

daß  es  iui  Wesentlichen  die  Ursache  der  Uail)ildung  ist.  Sie  zeigten 
ferner,  daß  die  so  erzielten  Übergänge  solchen  gleich  sind,  welche  in 
der  freien  Natur  unter  ganz  entsprechenden  klimatischen  Verhältnissen 
vorkommen.  Für  jeden  vorurteilslosen  Beurteiler  sind  die  Schlüsse, 
welche  sich  hieraus  ergeben,  selbstverständlich. 

DoRFMEiSTEu  hatte  nur  mit  der  Brut  von  levana,  welche  auch  im 
Freien  porima  und  prorsa  gegeben  hätte,  gearbeitet.  Die  WtiSMANx'schen 
Versuche  haben  aus  prorsa  an  Stelle  von  levana  durch  Wärme  wiederum 
prorsa  ergeben,  abermals  etwas,  was  hohe  Spätsommersonne  zuweilen  im 
Freien  erzielt. 

Anmerkung.  Herrn  Dorfjieister  ist  der  Freiburger  Zoologe  nicht  gerecht  ge- 
worden. Dies  wird  gezeigt  durch  das,  was  der  Letztere  nach  Vorstehendem  über 
seinen  Vorgänger  in  der  Arbeit  gesagt  hat.  Später  aber  spricht  er  überhaupt  nur  von 
seinen  eigenen  Versuchen  und  zwar  so,  als  ob  sie  nachgewiesen  hätten,  daß 
die  »beiden  in  Färbung  und  Zeichnung  sehr  verschiedenen  Formen  einer  Schmetter- 
lingsart von  der  Einwirkung  verschiedener  Wärmemengen  während  der  Puppenruhe 
abhängen;  man  kann  durch  niedere  Temperatur  die  Sommergeneration  in  die  Früh- 
jahrsforra  verwandeln  « i). 

Wenn  Herr  Dorfmeister  so  bescheiden  war,  in  einer  zweiten  Schrift 2;  nur  zu 
erwähnen,  daß  sein  Nachfolger  in  der  Arbeit  von  der  seinigen  »Notiz  genommen« 
hat,  so  glaubten  wir  um  so  mehr  seine  Verdienste  hier  ins  rechte  Licht  setzen  zu 
müssen,  indem  wir  zugleich  der  Meinung  Ausdruck  geben,  die  »kurze  Mitteilung«  von 
Georg  DoRFiMEisiER  sei,  zumal  da  sie  die  ältere  ist,  genau  ebenso  wichtig  wie  die 
lange  von  August  Weisjiann. 


Die  Ergebnisse  der  Versuche  mit  levana-prorsa  sind  deshalb  wichtig, 
weil  sie 

1)  jedem  Unbefangenen  beweisen,  daß  es  die  unmittelbare  Einwir- 
kung von  Wärme  und  Kälte  ist,  welche  in  der  freien  Natur  die  Eigen- 
schaften der  Sommer-,  bezw.  der  Winterform  erzeugt,  indem  wir  durch 
Einwirkung  von  künstlicher  Kälte  auf  die  Puppe  der  levana  abermals 
levana  und  umgekehrt  durch  Einwirkung  von  Wärme  auf  die  im  Sommer 
entwickelte  prorsa,  w^enn  auch  nicht  ebenso  häufig,  wiederum  prorsa 
erziehen  können; 

2)  w"eil  dieser  Beweis  auf  das  Schönste  auch  dadurch  erbracht  wird, 
daß  es  wesentlich  von  dem  Grade  der  angewendeten  Temperatur  ab- 
hängt, Zwischenformen  zu  erzeugen,  welche  mehr  die  Eigenschaften  der 
levana  oder  mehr  die  der  prorsa  haben:  pornna. 

3)  Daß  es  nicht  so  leicht  möglich  ist,  durch  erhöhte  Wärme  aus  der 
levana  die  prorsa  zu  erzielen  wie  umgekehrt  levana  durch  Kälte  aus  prorsa, 
spricht  von  vornherein  für  die  Annahme,  levana  sei  die  ursprünglichere, 


1)  »Äußere  Einflüsse  als  Entwickelungsreize«  4  894.  S. -17. 

-,  Georg  Dorfmeister,  Über  den  Einfluss  der  Temperatur  bei  der  Erzeugung  der 
Schmetterlingsvarietäten.  Sonderabzug  aus  den  Mitt.  des  naturw.  Vereins  für  Steier- 
mark 1879. 


Die  Zeichnung  von  Vanessa  levana  und  prorsa.  421 

prorsa  die  vorgeschrittenere  Form.  Es  wird  dies  aber  zweifellos  durch 
die  Zeichnung,  welche  bei  levana  auf  tieferer,  bei  prorsa  auf  höherer  Stufe 
steht.  Es  ergiebt  sich  also  die  Thatsache,  daß  die  Eigenschaften  der  prorsa 
zwar  schon  durch  Vererbung  gefestigt  sind,  aber  nicht  so  sehr,  wie  die 
der  levana,  offenbar  weil  sie  etwas  Neues  sind.  Da  wir  außerdem  finden, 
daß  in  gewissen  kalten  Gebieten,  wie  im  Amurgebiet,  nur  levana  vorkommt, 
in  anderen,  und  zwar  wärmeren  der  prorsa  ganz  ähnliche  Arten  die  einzige 
Form  bilden,  wie  Vanessa  fallax  in  Japan,  so  ist  der  Beweis  für  Ver- 
erbung erworbener  Eigenschaften  allein  durch  diesen  Falter  und 
seine  Verwandten  auf  verschiedenem  Wege  voll  und  ganz  gegeben. 
Gemäß  den  Thatsachen  der  gesetzmäßigen  bestimmt  gerichteten  Ent- 
wickelung  der  Zeichnung  ist  ja  zu  schließen,  daß  jene  jororsa-ähnlichen 
Arten  gleichfalls  /eyana-ähnliche  Vorfahren  gehabt  haben  werden,  daß  aber 
bei  ihnen  die  p/'or^a-Eigenschaften,  welche  spätere  Vorfahren  erworben  und 
vererbt  haben,  beständig  geworden  sind,  auf  Grund  jener  Vererbung 
und  der  Gunst  der  äußeren  Verhältnisse,  d.  i.  der  Wärme. 

Möglich,  daß  solche  Formen  bei  in  ihrem  Wohngebiete  allmählich 
abfallender  Temperatur  in  eine  /eiawa-ähnliche  zurückkehren  würden: 
dies,  wenn  ihre  Eigenschaften  noch  nicht  allzusehr  gefestigt  wären. 

Unzweifelhaft  aber  ist  nach  Maßgabe  des  Thatsächlichen,  was  ich 
schon  anderwärts  hervorgehoben  habe,  daß  es  dann,  wenn  bei  uns  im 
Winter  eine  Temperatur  herrschte  wie  im  Sommer,  nur  Vanessa  prorsa 
bei  uns  gäbe;  wenn  umgekehrt  auch  der  Sommer  bei  uns  so  kalt  wäre 
wie  der  Winter,  nur  levana. 

Damit  haben  wir  zugleich  ein  Beispiel  für  meine  Auffassung  vom 
organischen  Wachsen  der  Lebewelt  dahin,  daß  es  die  äußeren  Einwir- 
kungen auf  die  Lebewelt,  Klima,  Nahrung  u.  a.  sind,  welche  dieselbe 
umbilden,  und  daß  sie  somit  in  ihrer  gegebenen  Gestaltung  nur  etwas 
durch  diese  Einflüsse  Gewordenes  darstellt,  welches  mit  ihnen  steht 
und  fällt. 

4)  Mit  das  Wichtigste,  was  uns  Vanessa  levana-prorsa  bietet,  ist  aber 
die  durch  den  Einfluß  der  Wärme  erfolgende  gesetzmäßige  Umbildung 
der  Zeichnung  von  levana  zu  prorsa  durch  die  Zwischenform  porima. 
Um  diese  Umbildung  zu  verstehen,  müssen  wir  zunächst  die  levana-  und 
/)ro7'5a-Zeichnung  nach  Maßgabe  unseres  Grundzeichnungsschemas  genau 
beschreiben. 


Die  Zeiclinuug  von  Vanessa  levaua  imd  prorsa  und  die  Entstehung 

der  letzteren  aus  der  ersteren. 

Vanessa  levana  Abb,  234)  hat  im  Gegensatz  zu  prorsa  ausgesprochene 
Vanessen-Zeichnung. 

Auf   der   Oberseite    nahe    dem    Außenrand    bildet    Binde  II    eine 
Fleckreihe,   statt  welcher  am  Vorderrand   der  Vorderfügel  wohl  auch 


422 


Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 


ein  kurzes  Bindenstück,  erscheint.  Nach  innen  davon  folgt  am  Vorder- 
rande ein  hellgelber  Fleck  (ßandfleck  B).  Nach  innen  von  ihm  ein  un- 
gefähr viereckiger  schwarzer  Fleck,  welcher  Binde  III  entspricht.  Dann, 
nach  einem  größeren  Zwischenraum  (C)  Binde  IV/V/VI,  darauf  VII,  VIII. 
IX,  X ;  letztere  bildet  in  der  Mittelzelle  meist  einen  kleinen  runden  hell 
umrahmten  (0-förmigen)  Fleck.  Das  nach  einwärts  von  demselben  an 
der  Flügelwurzel  gelegene  Schwarz  entspricht  XI. 

Hinter  dem  hellgelben,  zwischen  II  und  III  am  Vorderrande  gelege- 
nen Fleck  (B)  befindet  sich  ein  großer  schwarzer  Fleck  mit  einem  auf- 
fallenden weißen  Punkt,  vor  welchem  häufig  ein  kleines  Pünktchen  liegt. 
Der  schwarze  Fleck  ist  durch  den  dritten  Medianaderast  oft  in  einen 
vorderen  größeren  und  einen  hinteren  kleineren  abgeteilt,  in  welch  letz- 
terem wieder  ein  weißes  Pünktchen  liegen  kann:  hinter  ihm,  in  der 
nächsten  Flügelzelle,  folgt  ein  weißes  Pünktchen  meist  ohne  Schwarz 
oder  mit  etwas  Schwarz  hinter  sich,  dahinter  in  der  zweithintersten 
Flügelzelle  wieder  ein  schwarzer  Fleck. 

Diese  schwarze  Fleckreihe  entspricht  der  Binde  III :  die  weißen  Punkte 


l^ßM 


B  M 


Abb.  234.     Vanessa  Icvuna  L. 


Abb.  235.     Vanessa  prorsa  L. 


sind  die  Zeugen  dafür,  denn  sie  entsprechen,  wie  auf  der  Unterseite 
deutlich  zu  erkennen  ist,  Resten  von  Augen,  bezw.  dem  weißen  Kern 
von  Augen  der  stets  in  bestimmter  Lagebeziehung  zu  III  stehenden 
Augen  fleckreihe. 

IV/V/VI  ist  nach  hinten  stets  in  IV  und  V/VI  gespalten.  Daß  der 
innere  Teil  dieses  vereinigten  Fleckes  aus  V/VI  besteht,  geht  aus  seiner 
Lage  auf  der  äußeren  Grenze  der  Mittelzelle  hervor;  daß  sein  innerer 
Teil  IV  entspricht,  ergiebt  sich  aus  der  Vergleichung  mit  verwandten 
Faltern  (z.  B.  Vanessa  Davidis  aus  Tibet,  V.  Milber ti  aus  Californien,  V. 
cuUfornica  ebendaher). 

Nach  hinten  und  meist  etwas  nach  außen  gerückt  von  dieser  IV  zu- 
gehörigen Zeichnung  folgen  zwei  Flecke  in  zwei  Flügelzellen ,  hinterein- 
ander gelagert,  welche  ebenfalls  zu  IV  gehören  (dieselben  entsprechen  den 
zw^ei  runden  Flecken  in  der  Mitte  der  Vorderflügel  z.  B.  von  Vanessa 
polijchlo7-os,  hinter  welchen  hier  ein  dritter  kleinerer  liegt). 

Nach  innen  von  VI  folgt  im  Gebiete  der  Mitlelzelle  das  erwähnte  VII 
angehörende  Bindenstück,  ein  langgestrecktes  Dreieck  mit  vorderer  Spitze 


Die  Zeichnung  von  Vanessa  levana  und  prorsa.  423 

darstellend.  Zuweilen  fehlt  es,  so  daß  an  seiner  Stelle  ein  brauner  heller 
umrandeter  Zwischenraum  zwischen  VI  und  VIII  vorhanden  ist.  Hinter 
ihm  folgt  ein  bis  an  die  Grenze  der  hintersten  Flügelzelle  reichendes 
Bindenstück,  entsprechend  der  Binde  VII.  Die  Binde  VIII  bildet  im  Bereich 
der  Mittelzelle  einen  U-förmig  begrenzten  Fleck;  hinter  dem  inneren 
Teile  dieses  U,  mehr  aber  hinter  IX,  liegt  hinter  der  Mittelzelle  abermals 
ein  schwarzes  Bindenstück,  nach  innen  begrenzt  durch  ein  zuweilen  auf- 
fallendes gelbes  Fleckchen  oder  durch  eine  feine  Linie,  vor-  und  ein- 
wärts von  welcher  die  kleine,  einem  Teil  von  X  entsprechende  0  in  der 
.Alittelzelle  liegt. 

Auf  der  Oberseite  der  Hinterflügel  bildet  II  eine  äußere  Fleck- 
reihe, III  eine  nach  innen  davon  gelegene  mittlere,  IV  eine  innere.  Statt 
letzterer  ist  häufig  eine  Binde  vorhanden,  ebenso  statt  der  mittleren 
Fleckreihe:  daß  die  letztere  III  entspricht,  ergiebt  sich  wiederum  aus 
Augenfleckresten,  welche  auf  der  Unterseite  sichtbar  sind. 

Nach  innen  von  IV  folgt  ein  mehr  oder  weniger  breites  und  mehr 
oder  weniger  weit  nach  hinten  reichendes  Band  in  der  braunen  Grund- 
farbe, das  Mittelfeld  (m).  Nach  innen  von  diesem  ist  die  schwarze 
Farbe  durch  einige  feine  helle  Linien  abgeteilt,  entsprechend  den  Trennungs- 
linien der  Binden,  aus  welchen  sie  entstanden  ist  —  doch  dies  nur  teil- 
weise: diese  Linien  bilden  innen  ein  annäherndes  Viereck,  außen  ein 
nach  hinten  offenes  Dreieck  —  der  äußere  Schenkel  des  letzteren  ist 
eine  sehr  verschobene  Bindengrenze.  Vor  der  Spitze  dieses  Dreiecks 
liegt  bei  levana  ein  helles,  zuweilen  mit  schwarzem  Kern  versehenes, 
daher  wieder  0-ähnliches  Fleckchen,  in  dem  gewöhnlich  von  den  Vorder- 
flügeln bedeckten  Vorderrande.  Auch  der  vorderste  Teil  des  Mittelfeldes 
stellt  oft  ein  solches  Fleckchen  dar  in  Folge  des  Mangels  von  Lichtein- 
wirkung. 

Vanessa  prorsa  (Abb.  235).  Für  die  Zeichnung  der  Oberseite  von 
Vanessa  prorsa  sind  maßgebend  das  hellgelbe  Mittelfeld  und  die  hell- 
gelbe, bezw.  weiße  Vorderflügel-Eckzeichnung  in  schwarzem  Grunde. 

Ein  größerer  und  dahinter  ein  (unbeständiger)  kleinerer  gelblicher 
Fleck  am  Vorderrande  der  Vor  der  flu  gel  ecke  (B)  ist  ein  Best  des 
großen  ebendort  zwischen  II  und  III  gelegenen  gelben  Fleckes  von  V. 
levana.  Hinter  demselben,  in  einer  Beihe  mit  ihm,  liegen  bei  prorsa 
drei  weiße  Fleckchen  oder  nur  zwei,  diese  durch  einen  e-rößeren  Zwischen- 
räum  getrennt.  Dieselben  entsprechen  Resten  der  Augenflecke  bei  levana 
—  wie  dort  ist  das  vorderste  derselben  das  größte.  Nach  außen  vor 
diesem  letzteren  liegen  zWei  gelbe  Randfleckchen,  welche  bei  levana 
fehlen,  aber  einer  wie  bei  prorsa  auf  der  Unterseite  vorhandenen  gelben 
Randzeichnung  entsprechen:  Zwischenraum  A  zwischen  I  und  IL 

Der  große  hellgelbe,  bei  prorsa  vorhandene  Vorderrand-Schrägfleck 
entspricht  dem  Zwischenraum  zwischen  III  und  IV/V/VI  bei  levana. 
Hinter  demselben,  von  ihm  durch  eine  schwarze  Brücke  getrennt,  be- 
ginnt das  sich  auch  über  die  Hinterflügel  fortsetzende  hellgelbe  Mittel- 
feld.    Hinten  in   der  Brücke    zwischen  beiden    liegt   meist   ein  unschein- 


424        Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

bares  bellgelbes  Fleckchen,  statt  dessen  bei  der  prorsa- ähnlichen 
japanischen  Vanessa  fallax  ein  größerer  hellgelber  Fleck  vorhanden  ist, 
so  daß  das  Mittelfeld  sich  hier  fast  unmittelbar  in  den  großen  Vorder- 
randfleck fortsetzt.  Nach  einwärts  von  letzterem  und  vom  Mittelfelde 
sieht  man  bei  prorsa  im  Schwarz  beider  Flügel  eine  Anzahl  heller 
Strichelchen,  welche  den  Resten  der  Zwischenräume  der  bei  levana  be- 
schriebenen Binden  entsprechen. 

Nach  außen  vom  Mittelfelde,  nahe  der  hinteren  Vorderflügelecke 
liegt  ein  von  vorn  nach  hinten  gehendes  rostrotes  Strichelchen  (B),  ent- 
sprechend der  äußeren  von  zwei  sehr  schmalen,  ebenso  gefärbten,  unter- 
brochenen Linien,  welche  auf  den  Hinterflügeln  vorhanden  sind  (B,  C), 
deren  innere  aber  zuweilen  fehlt.  Die  äußere  dieser  rostroten  Linien 
entspricht  einem  Reste  des  Zwischenraumes  zwischen  der  äußeren  und 
mittleren  Fleckreihe  (11,  HI)  bei  levana,  die  innere  dem  Reste  des 
Zwischenraums  zwischen  der  mittleren  und  inneren  Fleckreihe  (III  IV) 
desselben  Falters. 

Das  Mittelfeld  der  pror^sa  ist  nichts  als  eine  Verbreiterung  des  bei 
levana  als  Mittelfeld  beschriebenen,  nach  einwärts  von  IV  gelegenen 
schmalen  Bandes  der  Grundfarbe.  Die  Verbreiterung  geschah  nach 
einwärts,  denn  bei  prorsa  erreicht  die  innere  Grenze  des  Mittelfeldes, 
wie  auf  der  Unterseite  zu  erkennen  ist,  die  äußere  hintere  des  beschrie- 
benen, aus  Bindengrenzen  entstandenen  Dreiecks,  bei  levana  bleibt  sie, 
wie  die  Oberseite  zeigt,  weit  davon  entfernt. 

Das  Mittelfeld  liegt  also  bei  Vanessa  levana-prorsa  zwischen  Binde 
IV  und  V/VI,  worauf  wir  noch  zurückkommen. 

Eine  Verbreiterung  des  Mittelfeldes  bei  prorsa  gegenüber  dem  von 
levana  ist  aber  nur  auf  den  Hinterflügeln  und  zwar  nur  am  hinteren 
Teile  erfolgt.  Auf  den  Vorderflügeln  entspricht  dieselbe  einfach  dem 
dort  zwischen  IV  und  V/VI  gelegenen  Zwischenraum.  Die  Verbreiterung 
im  hinteren  Abschnitt  ihres  Verlaufs  auf  den  Hinterflügeln  hat  nun  eine 
sehr  bemerkenswerte  Geschichte.  Um  dieselbe  zu  verfolgen,  müssen  wir 
auf  levana  zurückgehen. 

Die  innere  Grenze  des  schmalen  Mittelfeldes  (m)  von  levana  wird  durch 
eine  Binde  gebildet,  deren  äußere  Grenzlinie  der  äußeren  Grenzlinie  von 
VII  entspricht.  Die  innere  Grenze  dieser  Binde  ist  gezogen  durch  die 
äußeren  Schenkel  des  geschilderten  Dreiecks  und  durch  eine  Verlänge- 
rung desselben,  welche  nach  hinten  und  innen  gerichtet  ist. 

Auf  dem  Schwund  des  zwischen  dieser  Verlängerung  und 
etwas  vor  derselben  gelegenen  Teiles  der  beschriebenen,  das 
Mittelfeld  nach  außen  begrenzenden  Binde  beruht  nun  die 
Verbreiterung  des  Mittelfeldes  bei  prorsa. 

Es  ist  nämlich  die  beschriebene  Binde  nicht  bei  allen  Stücken  von 
levana  von  hinten  bis  vorne  durchgehend,  sondern  sie  ist  häufig  in  der 
Mitte,  an  ihrem  schmälsten  Teil,  unterbrochen.  Ihr  hinterer  Teil  endigt 
hier  quer  abgeschnitten  oder  mit  einer  Spitze.  Im  letzteren  Falle  ist 
dieser    hintere    Teil    der    Binde   ein   Dreieck,   welches,   als    Keil   in    den 


Die  Zeichnung  von  Vanessa  levana  und  prorsa.  425 

hinteren  Teil    des  Mittelfeldes   der  prorsa  gelegt,   zu  dem  Verhalten  der 
levana  führt. 

Diejenigen  levana  ,  hei  welchen  die  schwarze  Binde  in  der 
Mitte  unterbrochen  ist,  sind  offenbar  die  in  größerer  Wärme 
entwickelten  Stücke.  Und  zwar  erscheint  das  hintere  Bindenstück 
zuerst  als  Keil  abgetrennt,  dann  —  bei  größerer  Wärme  —  schwindet 
die  Spitze  des  Keils,  wodurch  ein  dreieckiges,  nach  vorn  zugespitztes 
Mittelfeld  entsteht,  das  bei  hvana  noch  in  der  gewöhnlichen  braunen 
Grundfarbe,  bei  porima  aber  schon  hellgelb  erscheint.  Im  weiteren 
Fortschritt,  wie  er  durch  erhöhte  Einwirkung  von  Wärme  auf  die  Ent- 
wickelung  bedingt  ist,  verblaßt  nun  und  schwindet  auch  der  hintere 
Teil  des  Keils  immer  mehr,  aber  bei  vielen  sonst  ausgesprochenen  prorsa 
ist  als  Rest  desselben  im  hinteren  Teile  des  Mittelfeldes  noch  mehr  oder 
weniger  schwarze  Berußung  zu  erkennen,  noch  mehr  ist  dies  bei  den  am 
meisten  vorgeschrittenen  porima  der  Fall. 

Zugleich  hat  sich  bei  den  ausgesprochenen  prorsa  auch  der  vordere 
Abschnitt  des  Mittelfeldes  verbreitert,  so  daß  dieses  nicht  mehr  wie  bei 
porima  vorn  zugespitzt  erscheint. 

Mit  dieser  Entstehung  des  auf  den  Hinterflügeln  gelegenen  Mittelfeldes 
der  prorsa  haben  wir  schon  einen  wesentlichen  Teil  der  prorsa-Eigen- 
schaften  als  durchaus  gesetzmäßig,  nach  bestimmter  Entwicke- 
lungsrichtung  entstanden  erkannt  und  haben  gesehen,  daß 
die  porima  vollkommene  Zwischenstufen  auf  diesem  Ent- 
wicke  lungsweg  darstellen  und  zwar  auf  verschiedener  Höhe  der 
Ausbildung. 

Die  weitere  Umbildung  zur  prorsa  geschieht  nun  ebenso  gesetzmäßig 

\)  durch  Aufhellung  des  Zwischenraums  zwischen  IV  und  VII  auf 
dem  hinteren  Teil  der  Vorderflügel  zum  vorderen  Stück  des  Mittelfeldes; 

2)  durch  Aufhellung  des  häufig  schon  bei  levana  wenigstens  im 
vorderen  Teile  hellgelblichen  Zwischenraums  zwischen  III  und  IV 
am  vorderen  Rande  der  Vorderflügel  gleichfalls  zu  einem  hellgelben 
Bandstück ; 

3  durch  Zunahme  der  schwarzen  Farbe  auf  Grund  von  Verdunke- 
lung und  zwar  in  der  Richtung  von  innen  nach  außen  und  in  der  Aus- 
breitung desselben  unter  Verdrängtwerden  der  hellen  Zwischenräume, 
insbesondere  im  Binnenfeld  der  Flügel:  auf  den  Vorderflügeln  zuerst 
hinter  dem  Mittelfeld,  während  die  Grenzen  innerhalb  des  letzteren  selbst 
bei  prorsa  meist  zum  Teil  noch  angedeutet  bleiben. 

Dementsprechend  ist  es  eine  Haupteigenschaft  der  porima.  daß  im 
äußern  Teil  ihrer  Flügel  noch  mehr  braune  Grundfarbe  vorhanden,  der 
innere  aber  schwarz  ist. 

4)  Zuletzt  wird  tiefschwarze  Farbe  durch  Zusammenfließen  aller 
Binden  herrschend,  bis  auf  die  beschriebenen  hellgelben  und  weißen 
Flecke  und  das  helle  Mittelfeld,  endlich  bis  auf  die  beschriebenen  rost- 
roten Randlinien  bezw.  -Flecke,  was  Alles  die  bestimmten  Kennzeichen 
von  prorsa  bildet. 


426        Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

Die  Eigenschaften  der  porima  ergeben  sich  aus  dem  Mitgeteilten 
von  selbst:  sie  stehen,  wie  gesagt,  alle  zwischen  levana  und  prorsa 
und  zwar  in  verschiedenem  Grade  mehr  nach  ersterer  oder  nach  letz- 
terer je  nach  der  Einwirkung  der  Wärme  auf  die  Entwickelung. 

4)  Die  Grundfarbe  ist  dunkler  braun  als  bei  levana. 

2)  Während  das  Binnengebiet  dunkler  bis  einfarbig  schwarz  zu 
werden  beginnt  —  bis  auf  Grenzlinien  der  Grundbinden,  besonders  im 
Mittelfeld  —  fließen  die  Fleckreihen  auf  dem  äußeren  Teil  der  Flügel 
von  vorn  nach  hinten  bindenartig  zusammen  und  nähern  sich  seitlich. 

3)  Statt  der  rostroten  Linien  und  Flecke  besonders  auf  den  Hinter- 
flügeln der  prorsa  ist  eine  vollkommene  Zwischenstufe  zu  levana  vor- 
handen in  zwei  rotbraunen  Binden. 

4)  Auf  den  Hinterflügeln  entsteht  ein  dreieckiges  Stück  hellbraunen 
bis  hellgelben  Mittelfeldes. 

Ein  weiteres  Stück  entsteht  auf  dem  hinteren  Teil  der  Vorderflügel, 
ebenso  gefärbt. 

5)  Es  hellt  sich  in  gleicher  Weise  der  Zwischenraum  zwischen  111  und 
IV/V/VI  auf  den  Vorderflügeln  auf. 


Es  handelt  sich  nach  dem  Mitgetheilten  in  der  Entstehung  der 
prorsa-  aus  der  leva7ia-Forin  um  die  Entstehung  eines  hellen  Mittelfeldes 
und  heller  Flecke  auf  Kosten  teils  der  dunkleren  braunen  Grundfarbe 
der  levana,  teils  des  Schwarz  einer  Binde  derselben.  Verstärkt  und 
in  der  Abgrenzung  verschärft  erscheinen  bei  prorsa  die  kleinen.  Augen- 
kernen entsprechenden  Fleckchen  auf  den  Vorderflügeln. 

Verkleinert,  aber  schärfer  begrenzt  ist  das  Weiß  auf  der  Ecke 
der  Vorderflügel  an  deren  Vorderrande,  entsprechend  dem  Zwischen- 
raum zwischen  II  und  III,  und  zwar  treten  hier  zwei  Fleckchen  statt  eines 
auf,  indem  der  ursprünglich  wenigstens  meistens  einfache  helle  Fleck  der 
levana  in  zwei  hintereinander  gelegene  gespalten  wird.  Der  hintere  der- 
selben ist  bei  prorsa  sehr  klein,  oft  fast  verschwunden,  bei  porima  aber 
ist  er  noch  größer,  und  je  mehr  die  Stücke  sich  levana  nähern,  um  so 
mehr  übertriflft  der  hintere  Fleck  den  vorderen  an  Größe. 

Die  ganz  gesetzmäßige  Umbildung  der  levana  zu  prorsa  durch  porima 
läßt  sich  also  bis  in  die  kleinsten  Einzelheiten  hinein  verfolgen. 

Es  erscheint  deutlich  die  Ausgleichung,  Kompensation,  teil- 
weise als  Ursache  der  Veränderungen:  es  entsteht  eine  andere  Ver- 
teilung von  dunkelm  Farbstoff:  es  entsteht  das  helle  Mittelfeld  und 
entstehen  andere  helle  Flecke  auf  Kosten  dunklerer  oder  schwarzer  Farbe, 
es  schwindet  aber  andererseits  etwas  von  hellerer  Farbe,  durch  Schwarz 
verdrängt  (in  der  Ecke  zwischen  II  und  HI). 

Aber  es  ist  augenfällig,  daß  diese  Verteilung  von  Farbstoff,  daß 
diese   Ausgleichung  nicht  ausreicht,    um    das  Schwarzwerden  zur  prorsa 


Verwandte  von  Vanessa  prorsa-levana.  427 

ganz  zu  erklären:  es  ist  noch  neues  Schwarz  Gebildet  worden  durch 
Einwirkung  der  Wärme. 

Abgesehen  davon  geschieht  also  die  Umbildung  auf  Grund  einer 
Verschiebung  von  Teileigenschaften  und  zwar  sind  es  nur  gewisse 
Eigenschaften,  welche  sich  wesentlich  verändern,  andere  verstärken  sich 
nur.  Im  ersteren  Verhalten  haben  wir  ausgesprochen  den  Vorgang, 
welchen  ich  als  kaleidoskopische  Umbildung,  kaleidoskopische  Kor- 
relation bezeichne. 

Sehr  bemerkenswert  ist  als  Beleg  für  Vorstehendes  auch  die  merk- 
würdige Thatsache,  daß  die  Unterseite  der  prorsa  verhältnismäßig  viel 
weniger  von  derjenigen  von  levana  verschieden  ist  als  die  Oberseite. 
Die  Unterseite  ist  bei  der  vorgeschrittenen  prorsa  im  Wesentlichsten  auf 
der  levanaStufe  stehen  geblieben.  Einen  bedeutenden  Unterschied  macht 
nur  auch  hier  die  Bildung  eines  Mittelfeldes  und  zwar  setzt  sich  dieses 
hier  fast  ununterbrochen  in  den  zwischen  II  und  III  gelegenen  hellen 
Vorderrand-Schrägfleck  fort,  ähnlich  wie  bei  Y'anessa  fallax  auf  der 
Oberseite. 


Verwandte  von  Vauessa  prorsa-levaua. 

Vanessa  fallax  aus  Japan  ist  auf  der  Oberseite  in  der  Häuptsache  ganz  ge- 
zeichnet und  gefärbt  wie  prorsa.  Einen  Unterschied  macht  das  Verhalten  des  Mittel- 
feldes in  dem  soeben  und  schon  früher  berührten  Punkte.  —  Es  sind  drei  weiße 
Augenfleckchen  vorhanden,  deren  vorderstes  vor  den  vordersten  der  im  Folgenden  zu 
beschreibenden  prorsoides  liegt. 

Ferner  ist  bei  fallax  nicht  nur  in  der  hinteren  Ecke  der  Vorderttügel  ein  rost- 
roter Bandfleck  vorhanden,  sondern  es  finden  sich  solche  auch  weiter  nach  vorn,  so 
daß  wie  auf  den  Hinterflügeln  ein  unterbrochenes  äußeres  Band  hergestellt  wird.  — 
Auf  der  Unterseite  ist  das  Mittelfeld  erheblich  breiter  als  oben  und  zeigt  einen 
weiteren  Fortschritt  der  Ausbildung  auch  darin,  daß  es  nun  fast  in  gleicher  Breite 
sich  bis  an  den  Vorderrand  erstreckt. 

Im  Übrigen  ist  der  bedeutendste  Unterschied  der  Vanessa  fallax  gegenüber  prorsa 
die  ziemlich  erheblichere  Grüße  —  deshalb  würde  sie  besser  zu  Limenitis  Sibylla  als 
Mimicry-Form  passen  als  diese,  aber  bedauerlich  genug  für  den  Wert  der  »fictiven« 
Vorstellungen  des  Herrn  August  Weismann,  lebt  sie  fern  von  ihrem  Vorbilde.  Sie  hat, 
soviel  wir  wissen,  keine  levana-Yovm. 

Ähnlich  wie  vorliegende  Arten  sind  Vanessa  prorsoides  von  Assam  und 
Vanessa  prorsa  magna  von  Sutschan,  letztere  wohl  nur  eine  große  prorsa. 

Vanessa  prorsoides  ist  noch  größer  als  fallax,  die  bei  pro?"sa  weißgelben 
Flecke  und  das  Mittelfeld  der  Oberseite  sind  dunkler  gelb.  Das  letztere  ist  vorn 
nicht  in  den  Randfleck  fortgesetzt,  sondern  durch  eine  breite  Brücke  davon  getrennt. 
Die  zwei  vorderen  aus  Augenkernen  entstandenen  Fleckchen  auf  den  Vorderflügeln 
sind  sehr  groß,  das  vorderste  größer  als  das  zweite;  andere  fehlen.  Das  äußere 
rostrote  Band  ist  auf  den  Hinterflügeln  breit,  zusammenhängend,  vorn  unterbrochen. 
Auch  die  Eckfleckchen  der  Vorderflügel  II— III  verhalten  sich  gerade  umgekehrt  wie 
bei  prorsa:   es  sind  ihrer   drei  in  drei  Flügelzellen  und  das  hinterste  ist  das  größte. 

Auf  der  Unterseite  tritt  bei  prorsoides  auf  Vorder-  und  Hinterflügeln  in  der 
Augenfleckreihe  je  ein  Fleck  hellbläulicher  Bestäubung  auf. 

Etwas  größer  als  prorsoides  ist 

Vanessa  prorsa  magna,  bei  ihr  ist  alle  helle  Zeichnung,  im  Gegensatz  zu  der 
vorigen,  rein  weiß.     Mittelfeld  vorn  vom  Vorderrandfleck  getrennt;   vor   seinem  vor- 


428        Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

deren  Ende  oben  ein  weißes  Pünktchen,  welches,  schwächer,  auch  bei  prorsa  vor- 
kommt. Vorderflügel-Eckzeichnung  fünf  weiße  hintereinandergelegene  Fleckchen,  das 
hinterste  dem  größten  Augenkernfleck  der  prorsa  entsprechend,  ebenso  die  zwei  davor 
gelegenen.  In  der  dritthintersten  Flüeelzelle  des  VordcrHüizcls  noch  ein  solcher  weißer 
Augenkern.  Äußeres  rostrotes  Zwischenband  auf  den  Hinterflügeln  ziemlich  voll- 
ständig, auf  den  Vorderflügeln  nur  hinten  ein  Stück  davon.  Das  innere  hintere  kaum 
angedeutet. 

Auf  der  Unterseite  hängt  das  Mittelband  nahezu  mit  dem  Vorderrandfleck  zu- 
sammen. 

Alle  vier  Formen:  prorsa^  fallax,  prorsoides,  prorsa  magna  geben 
wiederum  ein  Beispiel  für  Artentstehnng  durch  Heterepistase,  bezw. 
Genepistase:  es  sind  immer  Stufen  der  gesetzmäßigen  Umbildung, 
bezw.  bestimmter  Entwickelungsrichtungen,  welche  für  die  Gestaltung 
der  einzelnen  Art  maßgebend  werden  (Genepistase)  und  zwar  ist  das 
Stehenbleiben  verschiedenstufig:  eine  Eigenschaft  schreitet  vor,  andere 
bleiben  zurück  und  umgekehrt  (Heterepistase). 

Vanessa  Davidis  aus  Tibet  und  V.  burejana  vom  Amur  stehen  auf  der 
levanaSiViie.  Die  letztere  Art  ist  für  uns  wichtig  durch  die  verhältnismäßige  Breite  des 
innerhalb  von  Binde  IV  gelegenen  Mittelfeldes  auf  den  Hinterflügeln.  Dasselbe  stellt 
ein  Band  dar,  das  etwas  heller  ist  als  die  übrige  Grundfarbe,  hinten  abgeschlossen 
durch  ein  kurz  hereinragendes  dreieckiges  Bindenstück,  welchem  vorne,  das  Mittel- 
feld nach  außen  begrenzend,  ein  größeres  umgekehrtes  solches  Dreieck  gegenübersteht: 
der  vordere  Teil  der  ursprünglich  zusammenhängenden  Binde,  deren  hinterer  Teil 
das  soeben  beschriebene  hintere  Dreieck  darstellt  —  ganz  der  Fall  mancher  zu  porima 
hinneigender  levana  und  der  ersten  Stufen  der  prorsa. 

Auf  der  Unterseite  ist  bei  hurejana  ein  vollständiges,  bis  an  der  Vorderrand 
der  Vorderflügel  reichendes  Mittelfeld  hergestellt:  wiederum  verschiedenstutige  Ent- 
wickelung  auf  Unter-  und  Oberseite  und  zwar  Vorschi'eiten  der  ersteren  gegenüber 
der  letzteren,  ein  Gegensatz  aber  auch  zu  V.  Davidis,  welche  unten  kein  Mittelfeld 
ausgebildet  hat,  bei  der  dasselbe  aber  auch  auf  der  Oberseite  nur  im  vorderen  Drittel 
der  Hinterflügel  durch  einen  auffallenden  hellgelben  Strich  angedeutet  ist. 

T'.  Davidis  ist  übrigens  in  mancher  Beziehung  noch  ursprünglicher  gezeichnet 
als  levana;  so  in  den  Vorderrandbinden  des  Vorderflügels. 

Auch  St.\ndfuss  sagt,  Vanessa  levana  sei  offenbar  gegenüber  von  prorsa  die  ur- 
sprüngliche und  zwar  nördliche  Form:  sie  Ist  nach  Graser  ij  in  Ostsibirien  die  ein- 
zige; ebenso  gehört  die  der  V.  levana  verwandte  paläarktische  V.  hurejana  Bkem.  Ost- 
sibirien an  und  die  wenigen  verwandten  Arten  p^-orsoides,  fallax,  strigosa  leben  im 
Norden,  in  Tibet,  Sibirien  und  .lapan. 


Gesetziuäfsigkeit  bei  der  Umbildung  von  Vauessa  levaua  durch 

porima  iu  prorsa. 

Am  wichtigsten  ist  für  uns  das  Ergebnis  der  Umbildung  von  V. 
levana  in  prorsa  darin,  daß  diese  Umbildung  auf  ganz  gesetzmäßigem 
Wege  geschieht,  deshalb  wichtig,  weil  gerade  bei  dieser  Form  die  Um- 
bildung eine  sehr  bedeutende,  ihre  Einzelheiten  sehr  zahlreiche  sind. 
Es  handelt  sich  dabei  um  die  Verwandlung  des  Schrägband- 
Eckfleck-Typus  der  Vanessen  in  einen  Mittelfeld-Schrägfleck- 


1)  Gräser,  Berl.  entom.  Ztschr.  188S. 


Gesetzmäßigkeit  bei  der  Umbildung  von  Vanessa  levana  durch  porima  in  prorsa.   429 

Typus  mit  im  Übrigen  fast  vollkommener  düsterer  Einfarbiekeit .  unter 
vollkommenem  Schwinden  der  bei  lecana  noch  so  deutlich  vorhandenen 
Gruudbindenreste. 

Ferner  ist  die  Tbatsache  der  allmählichen  Umbildung  von  levana  in 
prorsa  durch  porima  im  Gegensatz  zu  der  plötzlichen  in  prorsa  vsichtig 
zur  Erklärung  der  kaleidoskopischen  Umbildung:  offenbar  werden  hier 
die  tieferen  Stufen  der  Umbildung  während  der  Entwickelung  durchge- 
macht, der  stärkere  Reiz  führt  weiter  als  zu  den  auf  Einwirkung  geringerer 
Wärmegrade  auftretenden  por«wo-ähnlichen  Zwischenformen.  So  entsteht 
kaleidoskopisch  ein  Falter,  welcher  der  ursprünglichen  Form  nicht  ent- 
fernt mehr  ähnlich  ist. 

Herr  Weismaxx  wollte  durch  Verfolgen  der  Entstehung  der  levana 
aus  prorsa  durch  Rückschlag  1875  gezeigt  haben,  daß  sich  die  Zeich- 
nungsunterschiede beider  keineswegs  deckten,  daß  vielmehr  bei  prorsa 
eine  ganz  neue  Zeichnung  entstanden  sei.  1895  wiederholt  er  diese 
Rehauptung  mit  der  Regründung,  daß  in  der  weißen  Rinde  der  prorsa, 
wenn  sie  in  levana  übergehe,  und  zwar  im  hinteren  Teile  derselben  auf 
den  Hinterflügeln,  ein  schwarzer  Fleck  entstehe,  »der  größer  wird,  um 
schließlich  bei  der  vollständigen  levana-lcorm  mit  einem  anderen,  von 
vorn  in  die  Rinde  hereinwachsenden  schwarzen  Dreieck  zu  einem  schwarzen 
Rand  zu  verschmelzen«. 

Er  fährt  fort:  »Dies  ist  vollkommen  genau,  obwohl  später  ein  fana- 
tischer Gegner  der  Evolutionslehre  es  einfach  als  »falsch«  und  als  einen 
»Reobachtungsfehler«  bezeichnete^.  Man  kann  an  den  verschiedenen 
j9o?'/ma-Formen  gewissermaßen  die  verschiedenen  Etappen  auf  dem  Um- 
wandluugsweg  der  levana-  in  die  y^ror^a-Zeichnung  verfolgen,  und  es  ist 
gewiß  sehr  lehrreich,  zu  sehen,  daß  dies  nicht  etwa  nach  bestimmten 
Prinzipien  erfolgt,  sondern  im  gewissen  Sinne  regellos.  An  dieser  Stelle 
breitet  sich  das  Schwarz  aus,  dort  wandelt  es  sich  in  Weiß  um,  die 
weiße  Rinde  der  Hinterflügel  entsteht  in  ihrem  hinteren  Teil  aus  Schwarz, 
in  ihrem  vorderen  aus  Rraungelb,  die  unterbrochene  weiße  Fleckenbinde 
der  Vorderflügel  dagegen  entsteht  allein  ans  der  braungelben  Grundfarbe.« 

Als  jener  Fanatiker  wird  bezeichnet  Herr  Johannes  Schilde.  Dieser 
hatte  gesagt : 

>Eine  kurze  Prüfung  beliebiger  Individuen  beider  Formen,  wie  auch 
teilweise  der  WEisMAXx'schen  Rilder  selbst,  wird  aber  Jedermann  über- 
zeugen, daß  diese  Angabe  wieder  falsch  ist.« 

Meine  vorstehende  Schilderung  beweist  nun  allerdings,  daß  es  falsch 
ist,  zu  sagen,  die  /ei-awa-Zeichnung  sei  gegenüber  jener  der  prorsa  eine 
neue,  wenn  man,  wie  Herr  Weismann,  damit  sagen  will,  die  beiderseitigen 
Teile  der  Zeichnung  seien  nicht  vollkommen  auseinander  hervorgegangen. 
Meine  Schilderung  zeigt,  daß  der  schwarze  Fleck  in  der  weißen  Rinde 
von  prorsa,  auf  welchen  Weismann  sich  beruft  und  der  bei  nicht  voUen- 


i)  »Neue  Versuche«,  S.  668. 


430        Äußere,  besonders  klimatische  Einllüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

deten    prorsa  und   noch   bei   porima   als    solcher    auftritt,  einfach  einem 
Bindenstück  bei  levaiia  entspricht. 

Ferner  haben  wir  gezeigt,  wie  lehrreich  es  ist  zu  sehen,  dass  die 
Umbildung  durchaus  nach  bestimmten  Prinzipien  erfolgt  und  zwar  daß 
sie  mit  vollkommener  Gesetzmäßigkeit  in  allen  einzelnen  Teilen  aus 
der  /era;ia- Zeichnung  entsteht,  daß  die  gegenteilige  Behauptung  Weis- 
MA.N.\'s  wiederum  vollkommen  falsch  ist,  ebenso  wie  die  angegebenen 
Einzelheiten,  auf  weJche  sie  sich  gründet. 


Nachdem  ich  Vorstehendes  schon  niederseschrieben  habe,  entdecke 
ich,  daß  mein  heutiger  Gegner  —  obiger  Widerspruch  gegen  gesetz- 
mäßige Umbildung  der  Zeichnung  geht  selbstverständlich  gegen  meine 
bestimmt  gerichtete  Entwickelung  —  früher  auch  hierin  Ansichten  aus- 
gesprochen hat,  welche  mit  den  meinigen  ganz  übereinstimmen.  In  den 
alten  Studien  über  den  Saison-Dimorphismus  sagt  er')  nämlich:  »Die 
Unterschiede,  welche  sich  zwischen  den  verschiedenen  Individuen  einer 
sekundären  Form  zeigen,  seien  immer  nur  Unterschiede  des  Grades, 
nicht  der  Art  (Qualität).  So  ^ielleicht  am  deutlichsten  bei  der  so 
sehr  variablen  Vanessa  prorsa  (Sommerform),  wo  alle  vorkommenden 
Variationen  sich  nur  durch  geringere  oder  größere  Entfernung  von  der 
/cyana-Zeichnung  unterscheiden,  wie  zugleich  durch  größere  oder  ge- 
ringere Annäherung  an  die  reine  joj'orsa-Zeichnung,  niemals  aber  Ab- 
änderungen vorkommen,  die  nach  einer  ganz  anderen  Richtung  hinaus- 
zielten. Es  geht  dies  aber  weiter  auch  daraus  hervor,  daß  .  .  .  verwandte 
Arten  und  Gattungen,  ja  selbst  ganze  Familien  (die  Pieriden)  auf  den 
gleichen  äußeren  Reiz  in  derselben  Art  und  Weise,  oder  besser  in 
derselben  Richtung  abändern«.     Dann  fährt  er  fort: 

»Es  darf  demnach  der  Satz  aufgestellt  werden,  »daß  —  bei  den 
Schmetterlingen  wenigstens  —  alle  Individuen  einer  Art  denselben 
äußeren  Reiz  mit  der  gleichen  Abänderung  beantworten, 
daß  somit  die  durch  klimatische  Einflüsse  bedingten  Abände- 
rungen in  ganz  bestimmter  Richtung  erfolgen,  welche  bedingt 
ist  durch  die  physische  Konstitution  dieser  Art«. 

Daß  mir  diese  Entdeckung  die  hochgradigste  aller  Überraschungen 
bereiten  mußte,  liegt  auf  der  Hand.  Denn  der  hier  vertretene  Satz 
spricht  W'örtlich  das  aus,  was  ich  gegen  meinen  heutigen  Widersacher 
vertrete  und  zwar  in  einer  Weise,  daß  damit  geradezu  die  Grundlage 
und  der  Mittelpunkt  meiner  Auffassungen  wiedergegeben  ist. 

Nicht  nur  bestimmt  berichtete  Entwickeluns;  hat  der  Erfinder  der 
Keimplasmahypothesen   vor    zwanzig  Jahren   anerkannt  2),    sondern    sogar 


1]  S.  78. 

2)  und   zwar  an  einer  anderen  Stelle  ausdrücklich    unter  Berufung    auf    meine 
vorhergegangenen  Arbeiten.  Vgl.  vorn  S.  8  und  Weismann  »Studien«  II.  1876  S.  119. 


Professor  August  Weismann  und  Vanessa  Ifvana-prorsa.  431 

ausgesprochen,  daß  die  klimatischen  Einüüsse  ein  Abändern  in  diesen 
ganz  bestimmten  Richtungen  hervorrufen.  Inzwischen  hat  er  über 
ein  Jahrzehnt  lang  die  ganz  entgegengesetzte  Ansicht  vertreten,  indem 
er  vollkommen  zufälliges  Abändern  des  Keimplasma's  als  das  Wesen 
der  Variation  in  Anspruch  nahm,  bis  er  in  der  »Germinalselektion«  die 
bestimmt  gerichtete  Entvvickelung  wieder  anerkannte,  aber  nicht  als  Folge 
der  Konstitution  und  äußerer  Einllüsse,  sondern  als  Ergebnis  von  Natur- 
züchtung. 

Wir  werden  dadurch  übergeleitet  zu  dem  folgenden  Abschnitt,  in 
welchem  uns  solche  Wandlungen  an  einem  besonders  wichtigen  Beispiel 
in  gewiß  unübertreffbarer  Weise  entgegentreten. 


Professor  August  Weismaun  uud  Vanessa  leVana-prorsa. 

Um  mir  ein  genaues  Urteil  über  die  Thatsachen  zu  verschaffen, 
welche  an  dem  am  meisten  zu  Experimenten  verwendeten  Falter  ge- 
wonnen, und  über  die  Schlüsse,  welche  daraus  gezogen  worden  sind, 
mußte  ich  ausführliche  Auszüge  aus  den  vorliegenden  Arbeiten  zusammen- 
stellen. Diese  Zusammenstellung  ergiebt  eine  so  lautredende  historische 
Darlegung  der  gegnerischen  Behandlung  der  Naturgeschichte  an  einem 
einzelnen  Gegenstande,  daß  ich  glaubte,  sie  nicht  für  mich  behalten, 
sondern  zum  Schutz  der  Wissenschaft  vor  Nachahmung  der  ihr  zu  Grunde 
liegenden  Methode  öffentlich  mitteilen  zu  sollen,  dies  um  so  mehr,  als 
sie  überall  Gelegenheit  giebt,  Widerlegung  und  eigene  Ansicht  einzu- 
flechten  und  so  den  Gegenstand  zu  einem  abgerundeten  Ganzen  mit 
positivem  Endziel  zu  gestalten. 

Was  vorn  auf  Seite  358  und  359  und  auf  Seite  362  und  363  in  den 
Anmerkungen  als  frühere  Ansicht  von  Algust  Weismann  über  die  Ent- 
stehung von  Artunterschieden  bei  Schmetterlingen  mitgeteilt  worden  ist, 
bezieht  sich  bei  ihm  ausdrücklich  auf  die  Entstehung  von  Vanessa  yrorsa 
aus  levana.  Gerade  dieser  Falter  zeigt,  wie  er  damals  sagte,  daß  Arten 
lediglich  durch  direkte  Wirkung  äußerer  Lebensbedingungen  entstehen 
können:  den  besten  Beweis  liefern  die  alten  Systematiker,  welche  die 
zwei  Formen  desselben  für  besondere  Arten  gehalten  haben  und  die 
Thatsache,  daß  die  Farben  und  Zeichnungen  der  Schmetterlinge  in  den 
meisten  Fällen  ohne  Nutzen  für  dieselben  sind. 

Auch  August  Weismann  hat  in  seinen  alten  Studien  über  Saison- 
dimorphismus, 1875,  levana  für  die  ursprüngliche  Form  erklärt  und  ge- 
schlossen, daß  erst  durch  Einfluß  günstigerer  Temperaturverhältnisse 
prorsa  sich  als  zweite  Generation  eingeschaltet  habe ,  und  zwar  wurde 
von  ihm  die  Entstehung  der  prorsa  als  eine  allmähliche  bezeichnet,  ent- 
standen durch  allmähliche  Erhöhung  der  Wärme,  des  Klima's, 
bezw.  des  Sommers^).     Die  hauptsächlichste  Beweisführung  zielte  also 


1)  »Während  nun  also  beim  Übergang  der  Eiszeit  zu  dem  jetzigen  Klima  V.  levana 


432        Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

bei  ihm  dahin,  die  Zurückführung  der  levana  wiederum  in  levana  durch 
Kälte  als  Rückschlag  zu  erklären;  weil  levana  die  Stammform  der 
prorsa  sei,  könne  sie  nicht  in  dieselbe  zurückschlagen,  desw^egen  könne 
diese  künstlich  nicht  erzeugt  werden,  denn  man  sei  nicht  im  Stande,  durch 
Einwirkung  von  Wärme  auf  prorsa  wiederum  prorsa  zu  erzeugen.  Diese 
Beweisführung  wurde  erfordert  durch  den  anderen  zum  Beweis  ge- 
stellten Satz:  es  handle  sich  bei  der  verschiedenen  Wirkung  von  Kälte 
auf  levana  und  von  Wärme  auf  prorsa  um  verschiedene  Reaktion 
auf  gleichen  Reiz  und  diese  Verschiedenheit  könne  nur  in  der  phy- 
sischen Natur  der  betreffenden  Generalion  liegen,  nicht  außerhalb  der- 
selben. Es  seien  demnach  Kälte  und  Wärme  nicht  die  unmittelbare 
Ursache  für  die  Entstehung  der  levana-  und  der  prorsa-Form,  sondern 
nur  die  mittelbare. 

Diese  Beweisführung  fällt  aber  nicht  nur  mit  der  Thatsache,  daß  es 
möglich  ist,  prorsa  durch  Einwirkung  von  Wärme  während  der  Ent- 
wickelung  wiederum  in  prorsa  zu  verwandeln,  sie  ist  abermals  auch  im 
Einzelnen  sehr  lehrreich  für  die  Beurteilung  der  Beweisführung  des  Frei- 
burger Zoologen  schon  in  dessen  alten   -Studien;. 

Zunächst  leuchtet  ein,  daß  es  an  sich  vollkommen  unzulässig  ist, 
die  Wirkung  eines  beliebigen  Grades  von  künstlicher  Kälte  einerseits 
und  von  künstlicher  Wärme  andererseits  als  gleichwertige  Größen  zu  be- 
handeln und  aus  der  Verschiedenheit  des  Erfolges  ihrer  Anwendung  den 
so  wichtigen  Schluß  zu  ziehen,  nur  die  physische  Natur  der  betreffenden 
Generation  sei  die  Ursache  der  verschiedenen  Reaktion  auf  >  gleichen 
Reiz«.  Was  ist  denn  dieser  gleiche  Reiz?  Auf  der  einen  Seite  An- 
wendung von  Kälte  bis  zu  —  1  **  R.  im  Eiskeller,  auf  der  anderen  Seite 
Anwendung  von  Wärme  bis  zu  4-24*>R.  im  Treibhaus!  Nicht  einmal 
der  elementare  Gedanke  ist  dem  Experimentator  gekommen,  es  könnte 
der  Umstand,  daß  es  nicht  so  leicht  gelang,  durch  die  angewendete 
Wärme  wieder  prorsa  zu  erzielen,  wie  durch  die  angewendete  Kälte  aus 
der  levana  wiederum  levana,  mit  darin  liegen,  daß  die  Wärme  eben  nicht 
hoch  genug,  daß  sie  also  kein  der  angewendeten  Kälte  »gleich<;zu  stellender 
Reiz  war.  Und  dieser  Gedanke  lag  doch  auf  der  Hand,  zumal  wenn 
man  den  geringen  Grad  von  Wärme  berücksichtigt,  welche  angewendet 
worden  ist. 

Im  Einzelnen  wird  dabei  in  folgender  merkwürdiger  Weise  geschlossen:    gesetzt 


aus  einem  Monogoneuonten  allmählich  zu  einem  Digoneuonten  wurde,  prägte  sich  zu- 
gleich allmählich  immer  schärfer  ein  Dimorphismus  bei  ihr  aus,  der  nur  durch  Ab- 
ändern der  Sommergeneration  entstand,  während  die  Wintergeneration  unverändert 
die  primäre  Zeichnung  und  Färbung  der  Art  festhielt. 

Als  die  Sommer  später  noch  länger  wurden,  konnte  sich  noch  eine  dritte  Gene- 
ration einschieben  und  die  Art  wurde  Polygoneuonte,  und  zwar  in  der  Weise,  daß 
zwei  Sommer-  mit  einer  Wintergeneration  abwechselten«  heißt  es  auf  Seite  4  6  von 
Weismann's  Studien  I,  und  auf  der  folgenden  Seite:  »aber  erst  wenn  sich  unser  Sommer 
noch  um  einen  oder  zwei  Monate  verlängern  würde,  könnten  diese  den  Grund  zu 
einer  dritten  Sommergeneration  legen«. 


Professor  August  Weisniann  und  Vanessa  levana-prorsa.  433 

auch,  es  sei  die  aus  der  levana  entstandene  Puppenbrut  volle  6  Monate  lang  der 
Kälte  von  0  bis  — 10  R.  ausgesetzt  worden  und  dieselbe  wäre  dann  als  vollständige 
levana  ausgeschlüpft,  so  würde  dies,  wie  der  entsprechende  Versuch  bei  Pieris  napi, 
zu  der  Vermutung  berechtigen,  daß  lediglich  die  direkte  einmalige  Einwirkung 
eines  gewissen  Maßes  von  Kälte  oder  von  Entwickelungsverzogerung  im  Stande  wäre 
alle  Puppen  der  Art,  von  welcher  Generation  sie  auch  stammen  möchten(?),  zur 
Hervorbringung  der  Winterform  [levana)  zu  zwingen.  Daraus  würde  aber  weiter 
folgen  f?),  daß  im  Gegensatz  dazu  ein  gewisses  Maß  von  Wärme  mit  Notwendigkeit 
die  Bildung  der  Sommerform  iprorsa)  nach  sich  ziehe,  ebenfalls  einerlei,  von  welcher 
Generation  die  betreffenden  der  Wärme  ausgesetzten  Puppen  stammen.  Dieser  letzte 
Satz  ist  nun  aber  nicht  richtig,  und  da  er  es  nicht  ist,  so  fällt  mit  ihm  auch  der  erste, 
einerlei  ob  der  unterlassene  Versuch  mit  prorsa  gelungen  wäre  oder  nicht'!  . 

Dabei  ist  also,  wie  bei  den  weiteren  Folgerungen  überhaupt,  nicht 
nur  nicht  darnach  gefragt,  ob  vielleicht  niedrigere  oder  höhere  Tempe- 
raturen andere  Ergebnisse  erzielt  haben  würden,  es  ist  von  vornherein 
als  selbstverständlich  angenommen,  daß  das  Maß  des  für  die  Erzielung 
der  levana  angewendeten  Kältegrades  das  vollkommene  Äquivalent  sei 
für  das  Maß  der  zur  Erzielung  der  prorsa  angewendeten  Wärme. 

Auch  daran,  daß  noch  andere  Ursachen  außer  Temperatur  und  Ent- 
wickelungsdauer  bei  der  Nachahmung  der  ersteren  für  die  Entwickelung 
der  einen  oder  der  anderen  Form  in  Frage  kommen  könnten,  ist  hier 
nicht  gedacht  —  es  werden  sich  überhaupt  die  Ursachen  für  die  Ent- 
stehung der  Sommer-  und  der  Winterform  als  vollkommen  gleichwertig 
gegenübergestellt,  w'ährend  doch  gleich  darauf  ein  sehr  wesentlicher 
Unterschied  in  der  Konstitution  beider  gesucht  und  zu  weiterer  Be- 
weisführung verwertet  wird. 

So  wird  denn  rundsves;  geschlossen:  die  Wintergeneration  kann 
nicht  in  die  Sommergeneration  verwandelt  werden,  weil  diese  weit  jünger 
ist  als  sie  selbst;  somit  beruht  die  künstliche  Erzielung  von  levana  aus 
levana  durch  Kälte  auf  Rückschlag. 

Es  liegt  hier  der  gewiß  seltene  und  seltsame  Fall  vor,  daß  der 
Experimentator  theoretisch  beweisen  will,  es  sei  unmöglich,  was  er 
selbst  thatsächlich  durch  seine  Versuche  ereielt,  und  daß  er  auf  der 
einen  Seite  sagt,  er  habe  es  erzielt,  auf  der  anderen  aber,  es  sei  ihm 
unmöglich  gewesen  es  zu  erzielen,  während  er  gleichzeitig  die  volle 
Übereinstimmung  aller  Thatsachen  mit  seiner  Theorie  nachdrücklich  ver- 
sichert '),  ferner  daß  er  etwas,  was  im  Gegensatz  zu  seinen  theoretischen 
Schlüssen  steht,  erzielt  hat,  ohne  es  zu  wissen,  endlich,  daß  er  von  einer 
Seiner  wissenschaftlich  nicht  würdigen  Gegnerschaft  über  die  eigenen 
Leistungen  belehrt,  nach  zwanzig  Jahren  Bedenkzeit  seine  ganze  »Er- 
kenntnis«  zurücknimmt. 


i;  Vgl.  »Studien«  I.  S.  17.  Dort  heißt  es:  »Es  soll  nun  untersucht  werden,  ob  die 
Thatsachen  vollkommen  mit  dieser  Theorie  übereinstimmen,  ob  dieselben  nirgends  in 
Widerspruch  mit  ihr  stehen,  und  ob  sich  alle  aus  ihr  erklären  lassen.  Ich  will  es 
gleich  im  Voraus  aussprechen,  daß  dies  im  vollsten  Maße  der  Fall  ist«.  ^ 


Eimer,  Orthogenesis.  2g 


434        Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

Schon  in  »Entstehung  der  Arten«  I  habe  ich  nämlich  vorstehende 
Einwände  z.  T.  gemacht i).  Erst  später  wurde  ich  durch  den  dem  Herrn 
Johannes  Schilde  nach  seinem  Tode  von  August  Weismann  als  fanatischem 
Gegner  der  Evolutionslehre  gewidmeten  Nachruf  auf  dessen  Buch  auf- 
merksam und  hoffte  nach  eigenster  Erfahrung  in  derselben  Sache  gerade 
wegen  dieser  Abfertigung  darin  wertvollen  Stoff  zu  finden,  was  sich 
denn  auch  durchaus  erfüllte. 

Zwar  spricht  Schilhe  teilweise  eine  sehr  schwülstige  und  bombastische 
Sprache  und  ich  kann  seine  Ausführungen  gegen  Weismann  nicht  überall 
anerkennen.  So  z.  B.  nicht  den  Widerspruch  gegen  dessen  Ansicht,  daß 
Vanessa  levana  die  ursprüngliche  Falterform  gegenüber  l'.  prorsa  sei. 
Auch  seine  Beurteilung  der  ÜARwm'schen  Voraussetzungen  ist  nicht  überall 
richtig.  Allein  im  Wesentlichen  hat  er  gegenüber  den  »Studien  zur  De- 
scendenztheorie«,  wie  jeder  unbefangene  Beurteiler  zugeben  muß,  recht. 
Es  gebührt  ihm  das  Verdienst,  daß  er  als  der  Erste  unter  Verurteilung 
der  gläubigen  Menge,  welche  davon  nichts  merkte  und  merkt,  hervor- 
hebt, wie  »rücksichtslos«  die  »wertgewandte  Deduktion«  des  Freiburger 
Zoologen  Schlüsse  zu  ziehen  weiß,  daß  er  als  der  Erste  die  »bunte  Un- 
gezwungenheit« kennzeichnet,  »die  Weismann  eigentümlich  ist,  wenn  er 
irgendwelche  Größen  und  Worte  für  seine  Effekt-Thesen  behandelt«.  Er 
weist  schon  für  die  »Studien«  auf  dessen  Methode  hin,  es  sich's  »bequem 
zu  machen«  und  »die  Handhaben,  welche  die  Mannigfaltigkeit  der  Natur- 
formen bietet,  nur  da  zu  benutzen,  wo  solche  für  ihre  Theorien  passen, 
sie  ignorieren  sie  unbedenklich,  wo  sie  inkomuiodieren«.  Je  bedauer- 
licher es  ist,  daß  die  wissenschaftliche  Welt  über  die  Meere  hinüber  die 
Ungenauigkeiten,  die  Widersprüche,  die  offen  da  liegenden  Trug-  und 
Zwangsschlüsse,  auf  welchen  die  »gewandten  Deduktionen«  aufgebaut 
sind,  nicht  bemerkend,  dieselben  »fast  unisono  applaudieren,  prämiieren 
und  ex  kathedra  verwerten«  mag,  um  so  mehr  ist  anzuerkennen,  daß  der 
einfache  Entomologe,  den  künstlichen  Bau  zergliedernd,  zuerst  seine 
falsche  Fügung  rücksichtslos  nachweist.  Was  für  Arbeit  würde  ihm  erst 
heute  zur  »Glossierung«  zu  Gebote  stehen  in  den  seitdem  erstandenen 
Schriften  desselben  Dialektikers!  Denn  die  alten  »Studien  zur  Descendenz- 
theorie«  zeigen  nur  erst  bescheidene  Anläufe  zu  den  Mitteln,  mit  welchen 
diese  hantieren. 

»Nur  durch  eine  zusammenhängende  Reihe  eigentümlichster  Beobachtungsfehler 
und  Mängel,  Irrtümer  und  »Anpassungen«,  sagt  Schilde,  »inhärieren  sich  diese  Studien 
den  Glauben,  »die  eigentlichen  Ursachen«  der  Evolution  von  Arten  erkannt  und  dar- 
gelegt, »aus  unscheinbaren  Einzelheiten  zur  Erkenntnis  allgemeiner  Gesetze  geführt« 
zu  haben 

Schilde  behandelt  zuerst  rückhaltslos  die  »eigentlichen  Ursachen  der 
Transmutation«  unter  Anwendung  der  eigenen  Worte  des  Dialektikers 
»nach  dem  Maße  von  Einsicht,  von  neuer  Erkenntnis,  welches  sie  ge- 
währen« ,    mit    zersetzender  Nüchternheit    und   angebrachtem   Spott.      Er 


\  Vgl.  S.  -131  fl". 


Professor  August  Weisraann  und  Vanessa  levana-prorsa.  435 

widerlegt  das  Irrige  WEiSMAxx'scher  Beweisführung  durch  dessen  eigene 
Versuche  in  Beziehung  auf  die  Behauptung,  es  sei  nicht  möglich,  prorsa 
wieder  aus  prorsa  zu  erzielen,  ganz  so  wie  wir  gethan  haben. 

Komisch  wirkt  es  zu  sehen,  wie  die  Ausführungen  des  Kritikers  der 
alten  »Studien«  zuweilen  zu  Aufstellungen  gegen  dieselben  kommen, 
welche  dem  Widerspruch  der  neuen  Studien  gegen  jene  entsprechen, 
während  umgekehrt  Sätze  der  alten  anerkannt  werden,  welchen  die  neuen 
entgegentreten. 

Auch  Johannes  Schilde  sagt:  >Die  Dezimierung  der  Tagfalter  durch 
Vögel  und  andere  Verfolger  geschieht  zumeist  bereits  im  Ei-,  Larven- 
und  Puppen-Stadium,  die  Imagines,  wenigstens  die  großflügeligen  bei 
schwachem  Körper,  sind  nur  ausnahmsweise  das  Jagdobjekt  von  Vögeln«  ^). 

Er  tritt  Weismanx  entgegen,  wenn  dieser  damals  »den  indirekten  Einfluß  äußerer 
Lebensbedingungen  als  Ursache  für  saisondimorphe  Verschiedenheiten  der  Schmetter- 
linge« bezeichnet  und  dabei  »die  Anpassung  durch  Naturziichtung«  bestreitet,  mit 
der  Begründung,  »daß  es  für  Tagschmetterlinge  währenddes  Fluges  überhaupt  keine 
schützenden  Färbungen  gäbe«,  und  erwidert,  diese  .Äußerung  irrtümlich  deutend,  daß 
gerade  die  tlatternde  Bewegung  den  bunten  Schmetterling  während  des  Fluges  schützt, 
indem  er  die  grellen  Fai-ben  mischt,  wie  dies  an  einem  Kreisel  während  dessen 
Drehung  geschieht. 

»Die  Naivität  des  ,Belegs'  für  die  Ansicht,  daß  die  Schmetterlinge  nicht  oben 
sondern  unten  geschützt  seien,  weil  ihnen  nur  im  Sitzen  während  des  Schlafes  Gefahr 
durch  Feinde  drohe,  mit  den  Erfahrungen  im  Zuchtkasten  wird  als  für  die  , Studien' 
charakteristisch  bezeichnet«,  dagegen  hingewiesen  auf  die  glänzenderen  Farben  der 
Unterseite  gegenüber  der  Oberseite,  auch  bei  levana-prorsa,  bei  Neptis ,  Apatura, 
Lycaena  u.  a.  »Weil  das  nächtliche  Dunkel  die  Farben  löscht,  schaffte  sie  wohl 
Metallschuppen  unterseits  an,  damit  deren  Blinken  auch  beim  Mondlicht  den  suchen- 
den Verfolger  leite?« 


Die  Versuche  Weism.4.nx's  selbst  behandelnd,  weist  Schilde  darauf 
hin,  daß  30  Puppen  von  levcma,  in  den  Eisschrank  gesetzt,  nach  etwa 
vierwöchentlicher  Einwirkung  einer  Temperatur  von  -f- 8  bis  10'^  R.  statt 
prorsa  »die  meisten  Schmetterlinge«,  sagt  Weismanx  S.  7,  »alle  ohne  Aus- 
nahme« steigert  er  sich  S.  86,  die  Zsvischenform  porima  ergaben.  Dorf- 
meister  erzielte    bei  Einwirkung   von    10  bis  1 1  ^  R.    während   nur   6  bis 

8  Tage   und   noch    weniger   nur   einzelne   porima.      Weismaxn's  Versuch 

9  ergiebt  weiter,  daß  eine  vierwöchentliche  Einwirkung  von  0  bis  I  o  R. 
aus  20  Puppen  15  porima  und  levana  erzeugt  und  nur  o  prorsa  übrig 
läßt,  während  in  Versuch  I  I  dieselbe  Temperatur,  aber  9  Wochen  an- 
dauernd, von  57  Faltern  sogar  oi  in  levana  und  porima  umwandelt. 

Daraus  geht  also  hervor:  »Die  Grade  und  die  Dauer  der  er- 
niedrigten Temperatur-Einwirkung  bedingen  überwiegend  die 
Grade  der  Umänderung  von  prorsa  zu  levana. <i 

Wer  nicht  erkennen  kann,  daß  die  Grade  der  Umbildung  den  Tem- 
peraturgraden und  der  Dauer  der  Einwirkung  entsprechen,  »der  muß 
es  nicht  erkennen  wollen«. 

1;  S.  115. 

28* 


41^6        Äußere,  besonders  klimatische  Einllüssc  als  Ursachen  der  Artbildung. 

»Weil  ....  ein  gewisses  Wärmequantum  die  Bildung  der  Sommerform  prorsa 
aus  Puppen  der  letzten  Generation  nur  in  wenigen  Fällen  ergab  (»nicht«  ergab,  sagt 
Wei.sjiann  ,  so  erklart  er  damit  auch  den  alleinigen  Abiinderungswert  der  Kälte  an 
sich  widerlegt  und  diese  nur  als  mittelbare  Ursache  der  Umwandlung«!);  die  ange- 
wendete Wärme  aber  sei  eine  mäßige.  »Die  Erziehung  von  3  prorsa  und  1  porima 
aus  'lOi'?)  Pupi)en  auf  so  mäßige  Wärmegrade  zwischen  12  bis  25'^  erscheint  mir, 
namentlich  in  Anbetracht  der  normalen,  individuell  oft  wesentlich  verschiedenen  Reak- 
tionen keineswegs  gering;  es  war  in  diesem  Experiment  die  natürliche  Angewöhnung 
an  eine  8-  bis  9 monatliche  Puppenruhe  zu  bekämpfen  .  .  .  .«-;.  Dazu  werden  beach- 
tenswerte Bemerkungen  über  die  Wärmebeeinflussung  der  Raupen  gemacht,  in  der 
Zeit,  da  sie  noch  im  Freien  lebten;  weniger  WMrme  und  weniger  Tageslicht  wird  die 
noch  spät  im  Jahr  zur  Verpuppung  eingethanen  Raupen  beeinflußt  und  wird  die  levana- 
Bildung  gefördert  haben,  unbeschadet  der  Wärme,  welche  nur  auf  die  Puppen  ein- 
wirken gelassen  wurde.  Deshalb  »weil  die  Stadien  des  Versuchs  10  A  sich  fast  einen 
vollen  Sommermonat  früher  vollzogen,  als  die  des  Versuchs  12  A.  weil  also  die  ersteren 
bereits  sommerlicher  beeinflußt  waren,  als  die  letzteren,  deshalb  reagierten  mehrmals 
die  Sommerformen  auf  dieselben  künstlichen  Wärmeeinfliisse,  welche  die  herbst- 
lich präparierten  Puppen  ignorierten  3).« 

Aber  weiter.  Die  Schlüsse  des  Freiburger  Zoologen  gründen  sich 
wesentlich  auch  darauf,  daß  Vanessa  levana-prorsa  dreibrutig  sei,  zwei 
Sommerbruten  prorsa  habe.  So  erzielte  er  seiner  Meinung  nach  (Ver- 
such 6)  aus  bei  »hoher  Sommerwärrae  in  Zucht  gehaltenen  Eiern,  Raupen 
und  Puppen  zur  levana  anstatt  dieser  Form  nochmals  die  Sommerform 
prorsa   -mit  mehr  oder  weniger  Gelb«. 

Da  es  aber  gar  keine  zweite  freilebende  p7^o?'sa-Generation 
giebt,  so  hat  der  Experimentator  »durch  Wärme  aus  Larven  zur 
Winterform  a  tempo  die  Sommerform  prorsa  erzeugt  und  im  Gegensatz 
dazu  aus  Larven  zur  Sommerform  durch  Kälteeinwirkung  a  tempo  die 
Winterform  levana « . 

»Wir  stehen  vor  einem  ».Studien«-Rätsel!  Nachdem  Weism.\nn  aus  Eiern,  die 
ein  in  seinem  Zuchtkäfig  gezeitigter  Sommerfalter  bereits  am  4.  Juli  iseo  für  die  nächst- 
jährige /eröM«- Generation  absetzte,  »bei  der  damals  herrschenden  Sommerwärme 
schon  nach  30 — 31  Tagen  die  Schmetterlinge  erzog  und  alle  Individuen  prorxa  waren 
—  noch  dazu  »mit  mehr  oder  weniger  Gelb!!  doch  keines  unter  18  vollständige 
porima  \«  ,  da  erkannte  er  nicht,  daß  er  soeben  »die  Wintergeneration  zur  Annahme 
der  Sommerform  gezwungen«  hatte,  sondern  er  proklamiert  das  Gegenteil:  »eine  un- 
vertilgbare  Tendenz  der  prorsa-Generation  zur  /euona-Form«  und  die  Ente:  levana 
mache  nicht  blos  zwei  Generationen  im  Jahr,  sondern  drei,  eine  Wintergeneration 
wechsle  ab  mit  zwei  Sommergenerationen  .  .«;  »Polygoneuonte«  tauft  er  sie  schnell, 
weil  es  ihm  »sehr  notwendig«  erscheint,  seinem  falschen  Begriff  ein  volltönendes 
Wort  zu  geben.« 

Daß  Vanessa  levana-prorsa  überall  nur  zweibrutig  ist,  haben  Herrn  Schilde 
auf  Anfrage  23  Beobachter  und  Züchter  »von  Gumbiunen  bis  Straßburg  und  Bern, 
von  Hamburg  und  Elberfeld  bis  Preßburg«  bestätigt. 

Der  Einwurf  Schilde's  kommt  nun  auch  später,  in  den  neuen  Ver- 
suchen über  Saison-Dimorphismus  bei  Weismaisx  zu  seinem  Rechte,  aber 
ohne  die  Übung  der  Objektivität,  daß  demselben  die  Ehre  der  Nennung 
seines  Namens  in  Gutem  gegönnt  wurde.    Die  Art  aber,  wie  der  letztere 


1)  Schilde  S.  25.  2)  s.  44. 

3    Weiteres  hierzu  vergleiche  man  bei  J.  Schilde  S.  45  ff. 


Professor  August  Weismann  und  Vanessa  levana-prorsa.  437 

seinen  Irrtum  eingesteht  und  wieder  durch  Winkelzüge  zu  verdecken 
sucht,  ist  überaus  kennzeichnend. 

Wir  haben  gesehen,  daß  in  den  alten  Studien  rund  und  klar  ge- 
sagt ist,  Vanessa  levana-prorsa  habe  drei  freifliegende  Generationen. 
Außerdem  ist  dort  noch  schön  auseinandergesetzt,  wie  eine  zweite  und 
dritte  Generation  durch  wärmeres  Klima  entstanden  und  eingeschoben 
worden  ist. 

In  den  neuen  Versuchen  ist  also  überall  unentwegt  wieder  von 
der  »dritten  Generation  die  Rede,  als  ob  gar  nichts  dagegen  eingewendet 
worden  wäre.  Dann  heißt  es  auf  einmaU):  nille  die  hier  neu  mitgeteilten 
Versuche  bez-iehen  sich  auf  die  ^dritte  Schmetterlings-Generation'  .  .  . 
Die  Art  ist  ziveibrutig  bei  uns  und  die  Raupengeneration  des  Spätsommers 
bildet  gewöhnlich  die  erste  Schmetterlingsgeneration  des  folgenden  Jahres. 
Daß  ausnahmsweise  in  sehr  heißen  Sommern  diese  spätsommerliche  Raupen- 
brut noch  zur  Verpuppung,  zum  Ausschlüpfen  und  im  Süden  Deutschlands 
wenigstens  auch  zur  Absetzung  der  Eier{\)  gelangt,  haben  meine  Versuche 
von  1869  gelehrti}.),  wenn  auch  durch  sie  gewiß  nicht  bewiesen  ivird,  daß 
diese  Eier  noch  bis  zur  Verpuppung  sich  entwickeln  können  l^.),  daß  also 
eine  volle  dritte  Generation  sich  in  den  Cyklus  der  Art  einschiebt«  (!). 

Man  bemerke  wohl  die  Füsung  des  Satzes  von:  »daß  ausnahmsweise« 
bis  zum  Schluß!:  die  Versuche  haben  »gelehrt«,  daß  die  sommerliche 
Brut  noch  zum  Ausschlüpfen  und  zur  Absetzung  der  Eier  gelangt;  daß 
aber  eine  »volle  <  dritte  Generation  entsteht,  wird  dadurch  —  nicht 
bewiesen:  dennoch:  alle  »neuen  Versuche:  beziehen  sich  auf  die  dritte 
Generation ! 

Dann  heißt  es  weiter: 

»Ich  hätte  übrigens  schon  aus  meinen  alten  Versuchen  mit  levana  den 
Schluß  ziehen  können  und  sollen,  daß  der  Wechsel  der  Formen  ein  re- 
lativ freier [Y)  sei,  denn  in  einem  derselben  (Versuch  6)  ivar  es  gelungen, 
ein  Weibchen  der  Sommerform  prorsa  zur  Fortpflanzung  zu  bringen  und 
zwar  m  dem  heißen  Sommer  1869  schon  sehr  früh,  am  4.  Juli.  Aus  den 
Eiern  entwickelten  sich  schon  nach  50 — 31  Tagen  die  Schmetterlinge  (18 
Stück)  und  diese  ivaren  alle  die  prorsa-Form.  Einer  meiner  Kritiker  hat 
mir  dies  damals  auch  mit  Recht  entgegengehalten.  <'~ 

Dazu  ist  zu  bemerken,  daß  der  Versuch  6,  von  dem  im  Vorstehenden 
gesprochen  wird,  derjenige  Fall  ist,  in  welchem  Weisman.n,  wie  Schilde 
ihm  vorwarf,  es  nicht  gemerkt  hat,  daß  er  aus  prorsa  wiederum  prorsa 
erzog  durch  Wärmeeinwirkung. 

Von  dem  anderen  Falle  (Versuch  lOA),  in  welchem  Weismann  gleich- 
falls durch  Wärme  aus  prorsa  wiederum  einige  prorsa  statt  der  levana 
erzog,  spricht  derselbe  hier  nicht. 

Dazu  ist  ferner  zu  bemerken,  daß  es  sich  in  dem  Versuch  6  mit 
den  18  Stück  prorsa  um  denjenigen  handelt,  welcher  jetzt  gelehrt  haben 
soll,    daß    es   eine    dritte    Generation  in  heißen  Sommern  wenigstens   in 

'    S.   639. 


438        Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  ois  Ursachen  der  Artbildung 


»• 


Süddeutschland  gebe,  dies  um  die  früher  rundweg  gemachte  Angabe  zu 
bemänteln,  levana-pi-orsa  habe  überall  drei  freifliegende  Generationen. 
In  dem  Versuche  handelt  es  sich  aber  ja  doch  nur  um  das  Ergebnis 
künstlich  gezogener  Tiere  und  es  ist  klar,  daß  das,  was  der  Experimen- 
tator auch  bei  seinen  »neuen  Versuchen<  unbeirrt  als  dritte  Generation 
bezeichnet,  jetzt  einer  offenen,  ehrlichen  Erklärung  dahin  bedurfte,  daß 
es  sich  darin  nicht  um  die  Form  handelt,  welche  derselbe  früher  als 
freifliegende  dritte  Generation  fälschlich  angenommen  hat,  die  es  aber 
nicht  giebt,  sondern  um  eine  prorsa,  welche  auf  Grund  von  bedeutender 
Wärmeeinwirkung  auf  die  Brut  der  gewöhnlichen  prorsu  kürzere  Ent- 
wickelungsdauer  gehabt  hat  und  welche  einfach  an  Stelle  der  levana 
noch  im  ersten  Jahre  entwickelt  worden  ist,  während  sie  unter  Einfluß 
der  gewöhnlichen  Wintertemperatur  erst  im  nächsten  Frühjahr  aus- 
geschlüpft sein  würde. 

Schließlich  aber  kommt  der  Experimentator  in  den  neuen  Versuchen 
zu  dem  Ergebnis: 

»Aus  den  diesmal  vorgelegten  Versuchen  geht  nun  zunächst  hervor^ 
daß  in  der  Thal  die  »dritte  Generation <i  zur  Annahme  der  prorsa-Form 
bewogen  werden  kann,  ivenigstens  teilweise,  ja  daß  nicht  einmal  immer 
eine  besonders  hohe  Temperatur  dazu  gehört,  damit  einzelne  prorso-Formen 
entstehen. v- 

So  ist  Herrn  Weismanx  nach  unendlich  mühsamen,  durch  zwei  Jahr- 
zehnte fortgesetzten  Wehen  und  schwierigem  Kreisen  endlich  die  An- 
erkennung der  einfachen,  durch  ihn  selbst  längst  schon  erwiesenen  That- 
sache  entwunden ,  daß  aus  prorsa  wiederum  prorsa  durch  Wärme  er- 
zeugt werden  kann,  und  man  atmet  erleichtert  auf. 

Alles  scheint  nun  einfach  und  klar  zu  liegen:  es  ist  offenbar  der 
Einfluß  von  Kälte  auf  die  Puppen  Ursache  der  Entstehung  der  levana- 
Form,  Einwirkung  der  Wärme  Ursache  der  Entstehung  der  prorsa- 
Form.  Und  da,  wie  aus  allen  Versuchen  hervorgeht,  die  Eigenschaften 
der  prorsa  weniger  gefestigt  sind,  als  die  der  levana,  da  sie  aber  doch 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  gefestigt  sind,  so  muß  es  sich  darin  ohne 
jeden  Zweifel  um  Vererbung  erworbener  Eigenschaften  handeln.  Mit 
dieser  Anerkennung  aber  wäre  das  Ende  der  WEisMAXx'schen  Keimplasma- 
Hypothesen  vollends  besiegelt.  Wir  dürfen  daher  begierig  sein,  durch 
welch'  neue  »Erkenntnis«  diese  Gefahr  von  unserem  Dialektiker  abge- 
wendet wird.  Dies  wird  nun  in  den  »neuen  Versuchen«  unternommen, 
in  einer  Leistung,  welche,  diejenigen  gewöhnlicher  Kräfte  weit  übertrifft, 
überraschend,    verblüffend   wie  das  beste  Stück  eines  Tausendkünstlers. 

Die  Versuche  mit  Einwirkung  von  Wärme  auf  die  aus  prorsa  er- 
zeugten Puppen  gaben  jetzt  in  ausgiebigster  Weise  wieder  prorsa. 

In  seinem  Versuch  III  erhielt  der  Experimentator  auf  Anwendung  von  30 — 320C. 
lauter  —  -15  Stück  —  reine  prorsa  und  zwar,  nachdem  die  Verpuppung  teilweise  am 
8.  August  stattgefunden  hatte,  schon  zwischen  dem  4  5.  und  26.  August. 

In  Versuch  IV  erhielt  er  bei  21 — 22"  C.  zwischen  5.  bis  2'<.  August  lauter 
(5  Stück)  prorsa.  Zwischen  i  3  und  1 40  C.  gehaltene  dagegen  ergaben  zwischen 
16.  Febr.  und  4.  April  lauter  levana. 


Professor  August  Weismann  und  Vanessa  levana-prorsa.  439 

In  Versuch  V,  wobei  die  Räiipcheii  schon  bei  30  — 3l0  C.  aufgezogen  worden 
waren  (zuletzt  bei  27 — 280  C.;,  die  Pappen  aber  im  Brutofen  fbei  ersterer  Temperatur? 
sich  entwiciielten,  entstanden  vom  i — 7.  Sept.  56  prorso,  einige  mit  ziemlich  viel  Gelb, 
aber  keine  reine,  wirkliche  porima.  Ähnliches  ergaben  zwei  weitere  Versuche  (VI.  VII,; 
bei  Anwendung  hoher  Temperatur  lieferten  sie  wieder  prorsa. 

Der  Verfasser  nimmt  also  jetzt  seine  frühere  Rückschlagstiieorie  zurück, 
indem  er  damals,  wie  er  sagt,  »mit  noch  wenig  klaren  Begriffen 
über  Vererbung  operierte«..  »Es  fehlte  damals  noch  an  einer  Theorie 
der  Vererbung^  an  welche  man  solche  Thutsachen  halten  und  sie  unter 
allgemeinere  Vorstellungen  subsumieren  konnte.  Heute ^  wo  ich  im  Keim 
des  Individuums  verschiedene  Anlagen  zu  jeder  der  beiden  Schmetterlings- 
formen annehme^  würde  ich  in  diese  Unklarheit  nicht  mehr  gefallen  sein. 
Damals  stellte  ich  mir  einen  Cyklus  so  vor,  daß  ein  und  dieselbe  Keim- 
substanz so  eingerichtet  sei,  daß  sie  einmal  levana  und  das  andere  Mal 
prorsa  liefern  müsse,  dann  wieder  levana  und  wieder  prorsa;  heute  denke 
ich  mir  zweierlei  Anlagen  im  Keim  nebeneinander ,  von  welchen  die  eine 
durch  Wärme  zur  Entwickelung  ausgelöst  loird,  die  andere  durch  Kälte. 
Nun  hindert  nichts  mehr,  daß  —  falls  die  Umstände  danach  sind  —  auf 
eine  prorsa-Generation  noch  eine  prorsa-Generation  folgt,  wie  ich  damals 
schon  zeigte,  daß  bei  Kälteeinwirkung  auf  die  Puppe  eine  levana-Generation 
von  einer  zweiten  levana-Generation  gefolgt  sein  kann.  Der  Begriff  des 
,Rückschlags^  spielt  für  mich  jetzt  bei  diesen  Erscheinungen 
überhaupt  nicht  mehr  mit,  sondern  nur  der  des  Aktivwerdens  der 
einen  oder  der  arideren  Anlage.  Mit  dieser  Anschauung  von  cyklischer 
Vererbung  harmonieren  die  Thatsachen  sehr  gut,  wenn  es  sich  auch  zeigt, 
daß  die  Erscheinungen  nicht  ganz  so  einfach  sind,  wie  man  danach  er- 
ivarten  könnte.  Dies  beruht  darauf,  daß  die  Temperatur  nicht  der  ein- 
zige auslösende  Reiz  ist,  daß  vielmehr  noch  etwas  anderes  dabei  mitspielt: 
die  Neigung  zum  Alter nieren.<^ 

Da  haben  wirs  also!:  Der  Begriff  des  »Rückschlages«  spielt 
überhaupt  nicht  mehr  mit!  Sehr  schnell,  in  diesem  meinem  vor- 
liegenden Buche  selbst  hat  eine  neue  Bestätigung  gefunden,  was  ich 
vorne  auf  S.  96  gesagt  habe:  »es  sei  unnötig,  sich  mit  der  Widerlegung 
der  jeweiligen  Einsicht  eines  Gegners  zu  befassen,  welcher  demnächst 
von  selbst  wieder  zu  noch  neuerer  Erkenntnis  kommen  wird«,  und  daß 
das,  was  ich  gegen  jene  Einsichten  schrieb,  schon  wiederholt  vor  der 
Veröffentlichung  gegenstandslos  geworden  sei.  Was  ich  in  meiner  Leydener 
Rede  gegen  die  Rückschlags-Erkenntnis  des  Herrn  Weismann  gesagt  und 
vorn  auf  S.  27  wiedergegeben  habe,  war  damals,  als  es  gesprochen 
wurde,  schon  überflüssig,  denn  die  »neuen  Versuche«  befanden  sich 
damals  schon  im  Druck  und  sie  sind  mir  leider  erst  zu  Gesicht  ge- 
kommen, nachdem  die  ersten  Bogen  dieses  meines  Buches  schon  abgezogen 
waren. 

Diese  neuen  levana-prorsa-Nev&nche  werden  also  eingeleitet  ^j: 

»Es  kam  mir  vor  allem  darauf  an,  meine  früher  erhaltenen  Resultate 

1)  S.  635. 


440        Au{3ere,  besonders  klimatische  Einilüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

durch  umfassendere  und  ivomöglich  auch  reinere  Versuche  zu  prüfen.  Erst 
nach  Abschluß  derselben  kam  ich  darauf,  den  Saison-Dimorphismus  der 
Schmetterlinge  und  so  auch  hypothetisch  wenigstens  (!)  den  von  prorsa-levana 
nicht  ivie  bisher  als  direkte  Wirkung  der  Temperaturunterschiede  zu  be- 
trachten, sondern  als  Anpassungs-Dimorphismus,  dessen  beide  Enlwickelungs- 
anlagen  nur  an  verschiedene  Temperaluren  als  Auslösungsreize  geknüpft 
sind. « 

Der  allgemeine  und  zusammenfassende  Teil  beginnt  alsoi): 

y> Obgleich  ich  iveit  entfernt  bin.  die  wenigen  Versuche,  welche  ich  hier 
vorlegen  konnte,  für  genügend  zu  halten,  um  zu  einem  festen  Abschluß 
unserer (\)  Ansichten  über  den  Saison-Dimorphismus  zu  gelangen,  so  möchte 
ich  doch  nicht  unterlassen,  dieselben  vorläufig  in  unsere  (\)  allgemeine  Vor- 
stellung darüber  einzuordnen.« 

Wer  jeden  Augenblick  in  derselben  Frage  und  in  allem  Anderen 
seine  Meinung  wechselt,  wie  er  das  Hemd  wechselt,  und  keine  Spur  von 
Empfindung  dafür  hat,  wie  erheiternd  es  ist,  wenn  ein  solcher  Mann  seine 
neueste  Erkenntnis  wiederum  als  solche  der  allgemeinen  Wissenschaft, 
als  »unsere«  Errungenschaft  hinstellt,  wer  soeben  das  Endergebnis  einer 
ganzen  früheren  Schrift  über  denselben  Gegenstand,  die  »Erkenntnis«, 
zu  welcher  er  nach  so  viel  Denkarbeit  gekommen  ist,  in  so  unbedingter 
Weise  als  auf  unklaren  Vorstellungen  und  Deutungsfehlern  beruhend 
selbst  zurückweisen  mußte,  der  muß  ein  seltenes  Zutrauen  nicht  nur  zu 
sich  selbst,  sondern  zum  Aufnahmebedürfnis  des  gläubigen  Marktes  haben, 
wenn  er  es  wagt,  seine  neue  »Erkenntnis«  mit  den  wiedergegebenen 
Worten  auf  demselben  einzuführen. 

Gewiß,  einen  gewöhnlichen  Sterblichen  müßte  im  Augenblick  eines 
so  großen  Häutungsprozesses  jedenfalls  eine  leise  Ahnung  davon  be- 
schleichen,  daß  es  der  Wissenschaft  nun  ebenso  vollkommen  gleich- 
gültig sein  muß,  zu  erfahren,  was  Herr  August  Weismann  heute  neuestens 
über  eine  Sache  denkt  und  sich  vorstellt,  wie  es  für  sie  gegenstandslos 
geworden  ist,  was  er  gestern  und  so  und  so  oft  vorher  anders  darüber 
gedacht  und  sich  vorgestellt  hat. 


Zunächst  müssen  wir  aber  ein  neues  ungemein  bezeichnendes,  mehr 
als  dialektisches  Kunststück  der  »neuen  Versuche«   an's  Licht  ziehen. 

Weiterhin  heißt  es:  ^Als  ich  im  Jahre  1875  zum  ersten  Male  mich 
bemühte,  dem  Wesen  dieser  auffälligen  und  doch  so  lange  unbeachtet  ge- 
bliebenen Erscheinung  nachzuspüren,  nalim  ich  es  gewissermaßen  als  selbst- 
verständlich an,  daß  diese  Art  des  Dimorphismus  überall  eine  direkte  Folge 
der  verschiedenen  direkten  Einflüsse  des  Klinui's,  hauptsächlich  der  Wärme 
sei,   lüie   sie   in  regelmäßigem    Wechsel   die   Frühjahrs-  und  die  Sommer- 

1;  S.  636. 


Professor  August  Weismann  und  Vanessa  lovana-prorsa.  441 

generation  mehrhrüliger  Arten  treffen.  Wohl  hatte  ich  die  andere  Möglich- 
keit^ daß  der  mit  der  Jahreszeil  verhnüpfte  Dimorphismus  auch  auf  dem 
indirekten  Einfluß  der  icechselndcn  Umgebung  beruhen  könne,  d.  h.  cdso, 
daß  er  auf  Anpassung  an.  die  je  nach  der  Jahreszeit  verschiedene  Um- 
gebung des  Schmetterlings  beruhen  könnte,  auch  schon  m's  Auge  gefaßt. 
Ich  sagte  damals:  ,An  und  für  sich  wäre  es  nicht  undenkbar,  daß 
bei  Schmetterlingen  analoge  Erscheinungen  vorkamen^,  wie  das  Winler- 
und  Sommerkleid  bei  alpinen  und  arktischen  Säugetieren  und  Vögeln,  ,nur 
mit  dem  Unterschied,  daß  der  Wechsel  in  der  Färbung  nicht  an  ein  und. 
derselben  Generation  aufträte,  sondern  alternierend  an  verschiedenen''.  Es 
schien  mir  aber  damals  schon  der  Umstand  gegen  diese  Auffassung  des 
Saison-Dimorphismus  zu  sprechen,  daß  die  gewöhnlich  nicht  adaptive{\) 
Oberseite  der  Tagfalter  gerade  im  Sommer  und  Frühjahr  stark  ver- 
schieden sein  kann,  zuweilen  stärker,  als  die  adaptive  Unterseite.  Dazu 
kam  noch,  daß  es  gelang,  durch  Einwirkung  von  höherer  Temperatur  künst- 
lich die  eine  oder  die  andere  Saisonform  hervorzurufen ,  d.  h.  der  Gene- 
ration des  Sommers  den  Stempel  der  Winterform  aufzuprägen  und  um- 
gekehrt. Ich  schloß  also,  daß  die  ivährend.  der  Puppenzeit  einwirkende 
Wärmemenge  es  sei,  welche  die  Art  in  der  einen  oder  der  anderen  Weise 
direkt  gestalte,  und  ich  durfte  dies  mit  um  so  größerem  Recht  thun,  als  die 
Klimavarietäten  eine  Parallele  zu  den  Saisonformen  bildeten  und  als  diese 
ohne  ZweifeUauf  die  direkte  Wirkung  des  Klima''s,  vor  allem  der  Wärme, 
bezogen  loerden  mußten.« 

^> Obgleich  ich  auch,  heute  noch  diese  Ansicht  für  richtig  und  eine 
direkt  abändernde  Wirkung  der  Wärme  für  erwiesen  ansehe,  so  bin 
ich  doch  allmählich  zu  der  Überzeugung  gekommen,  daß  dies  nicht  die  ein- 
zige Art  der  Entstellung  saisondimorpher  Verschiedenheiten  ist,  sondern  daß 
es  auch  einen  adaptiven  Saison-Dimorphismus  giebt.  .  .  .« 

»/n  einem  Anfang  1894  zu  Oxford  gehaltenen  Vortragt)  habe  ich 
diese  Ansicht  schon  ausgesprochen  und  zu  zeigen  versucht,  daß  adaptiver 
Saisoti-Dimorphismus ,  den  ich  früher  nur  als  möglich  hingestellt  hatte, 
ivii'h'lich  vorkomme.  Das  dort  für  Sciimetterlinge  gegebene  Beispiel 
war  freilich  nur  ein  hypothetisches ,  der  Fall  nämlich  von  Vanessa  prorsa- 
levana[\)  aber  für  Raupen  .  .  .  .« 

Alsbald  mehr  davon,  wie  Herr  Weismann  in  Oxford  den  adaptiven 
Saison-Dimorphismus  der  Schmetterlinge  (denn  um  diesen  handelt  es 
sich   ja  doch  für  uns,  nicht  um  Raupen)  wirklich  gezeigt  hat. 

Man  beachte  wohl  den  Ersatz  von  sich  steigernden  Wörtern,  der 
hier  vorliegt.  1875  will  Herr  Weism.4,nn  gesagt  haben,  es  wäre  Saison- 
Dimorphismus  bei  Schmetterlingen  »nicht  undenkbar« ,  auf  der  nächsten 
Seite  wandelt  er  dies  dahin,  als  habe  er  ihn  damals  als  möglich  hin- 
gestellt —  zuletzt  hat  er  ihn  als  wirklich  erwiesen  —  freilich  nur  an 
einem  hypothetischen  Beispiel!     Aber  noch  mehr. 


1;  Äußere  Einflüsse  als  Entwickelungsreize,  Jena  1894. 


442         Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildun 


o- 


Schlagen  wir  nach,  was  Herr  Weismann  1875  in  dieser  Sache  wirk- 
lich gesagt  und  wie  er  den  Saison-Dimorphismus  der  Schmetterlinge 
damals  »nicht  für  undenkbar«  oder  gar  für  möglich«  erklärt  hat,  so 
lesen  wir  auf  S.  5  der  ^Studien  zur  Descendenztheorie«  wörtlich:  »An 
und  für  sich  wäre  es  nicht  undenkbar,  daß  bei  Schmetterlingen 
analoge  Erscheinungen  vorkämen.  .  .  .  Indessen  schließt  die  Quali- 
tät der  Färbungsunterschiede,  welche  beim  Saison-Dimorphismus 
vorkommen,  diese  Deutung  auf  das  e^itschiedenste  aus,  und 
ferner  bleibt  die  äußere  Umgebung  der  Schmetterlinge,  mögen 
sie  nun  im  Frühjahr  oder  Sommer  ausschlüpfen,  so  sehr  die 
nämliche,  dafs  jeder  Gedanke ^  man  habe  es  hier  mit  ver- 
sehiedenartif/en  synipathischeu Färbungen  i^u  thun,  gänz- 
lich aufgegeben  n^erden  tnuj's. 

Man  sieht,  Herr  August  Weismann  hat  seine  früheren  Äußerungen 
durch  jesuitische  Umstellungen  und  durch  Weglassen  der  positiven  früheren 
Meinung,  er  hat  seine  eigene  frühere  Arbeit  einfach  gefälscht,  um  in 
den  Augen  unvorsichtiger  Leser  eine  Brücke  zur  Erkenntnis  der  neuen 
zu  schlagen. 

Damit  könnten  wir  eigentlich  mit  den  Leistungen  unseres  Natur- 
forschers abschließen.  Allein  es  ist  um  der  guten  Sache  der  Wissen- 
schaft willen  notwendig,  dieselben  bis  zum  Schluß  zu  verfolgen. 

Wir  stehen  noch  vor  der  Pforte  der  neuen  Erkenntnis,  durch  welche 
die  Beweisführung  des  Herrn  August  W^eismann  uns  einladet  einzutreten. 

Verfolgen  wir  diese  Beweisführung  zu  Gunsten  des  »adaptiven  Saison- 
Dimorphismus«  an  dem  erfaßten  Faden  weiter:  ~^Das  dort  für  Schmetter- 
linge gegebene  Beispiel  war  freilich  nur  ein  hypothetisches,  der  Fall  nämlich 
von  Vanessa  prorsa-levana,  aber  für  Raup en[\)  ivenigstens  konnte  ich  ein 
Beispiel  aus  Edwards  vortrefflichem  Werk  über  die  nordamerikanischen 
Tagfalter  mit  ziemlicher  Sicherheit  herauslesen[\),  das  später  noch 
genauer  zu  besprechende  von  Lycaena  pseudargiolus.<i- 

Statt  Schmetterlingen  werden  uns  also  zunächst  —  Raupen  —  »mit 
ziemlicher  Sicherheit«   in  Aussicht  gestellt.     Weiter: 

»Ich  'wußte  damals  noch  nicht,  was  mir  kurz  darauf  durch  eine  inter- 
essante  kleine  Schrift  von  Dr.  G.  Brandes  bekannt  wurde,  daß  schon  seit 
längerer  Zeit  Fälle  von  Saiso7i-Dimorphismus  bei  tropischen  Tagfaltern  er- 
kannt tüorden  waren  und  daß  bei  diesen  weyügslens  doch  die  eine[\)  der 
Saisonformen  auf  der  Annahme  einer  besonderen  Schutzfärbung  beruht.<^'^) 

Vernehmen  wir  nun  aber  die  Thatsachen,  welche  diese  fern  aus  den 
Tropen  hergeholte  Begründung  liefert :  »Jedenfalls  haben  Doherty  und 
später  Niceville    für    indische    Tagfalter   eine   Reihe    von   saisondimorphen 


1,  Für  diese  »interessante«,  will  heißen,  zu  Gunsten  Herrn  Weismann's  redende 
Schrift  ist,  nebenbei  bemerkt,  mein  Freund  Bbandes  in  der  Einleitung  zu  den  »neuen 
Versuchen«,  ihm  selbst,  der  nie  ein  Experiment  gemacht  hatte,  gewiß  vollkommen  un- 
verhofl't,  zum  »vortrefflichen  Experimentator«  ernannt  worden. 


Professor  August  Weismann  und  Vanessa  levana-prorsa.  443 

Arten  nachgewiesen  .  .  .  und  in  allen  diesen  Fällen  besteht  der  Unterschied 
der  beiden  Formen  icesentlich  darin,  daß  die  eine  Form  auf  der  Unter- 
seite einem  dürren  Blatte  ähnlich  sieht,  die  aridere  aber  eine  andere  Zeich- 
nung und  zugleich  eine  Anzahl  Augenflecke  besitzt.« 

Wer  hoffte,  endlich  horadimorphe  Anpassung  der  Oberseite  kennen 
zu  lernen,  ist  höchlichst  enttäusclit:  in  andauernder  Ermangelung  derselben 
wird  die  Unterseite  zu  Hülfe  genommen.  Aber  nicht  genug:  nichts 
Nveiter  kommt  bei  der  ganzen  in\s  Feld  geführten  Entdeckung  zu  Tage, 
als  die  mit  oder  ohne  Hora-Dimorphismus  gewöhnliche  Thalsache,  daß  die 
eine  Form  unten  blattähnlich  ist! 

Doch  damit  ist  freilich  die  Beweisführung  nicht  erschöpft:  die  andere 
Form  besitzt  ja  auf  der  Unterseite  eine  andere  Zeichnung  und  zu- 
gleich eine  Anzahl  Augenflecke!  Das  genügt  »uns«  vollkommen 
zur  Anpassung  und  damit  zur  Vervollkommnung  unserer  Erkenntnis.  Der 
Verfasser  fährt  nämlich  fort:  '>Oline  mich  in  die  Streitfrage  über  den  bio- 
logischen Wert  dieser  Augenflecke  hier  einzulassen  [X),  so  zweifle  ich  doch 
keinen  Augenblick  daran,  daß  auch  die  Färbung  mit  den  Augenßecken  eine 
adaptive  ist,  mag  sie  nun  Schutz-  oder  Schreckfärbung  sein{\\].  Hätte  die 
eine  von  beiden  Formen  keine  biologische,  adaptive  Bedeutung,  so  könnte 
sie  überhaupt  nicht  mehr  da  sein,  die  einzige  adaptive  würde  sie  verdrängt 
haben.« 

»Die  WAGNER'sche  Logik  ist  diese:  weil  Wagner  überzeugt  ist,  daß 
neue  Arten  nur  durch  Isolierung  gebildet  werden,  darum  ist  auch  in 
diesem  Falle  das  Wohngebiet  ein  isoliertes,  und  weil  es  isoliert  ist,  darum 
haben  sich  auch  hier  neue  Arten  gebildet!  Die  Isoliertheit  wird  voraus- 
gesetzt, um  damit  die  andere  Voraussetzung,  daß  Arten  nur  durch  Iso- 
lieruns;  entstehen,  zu  beweisen.  Ein  echter  Circulus  vitiosus«,  sagt  August 
Weisma>>-  in  seiner  Schrift  »über  den  Einfluß  der  Isolierung  auf  die 
Artbildung«  1872  (S.  28)  und  er  hat  daran  gelernt.  (Vgl.  vorn  bes.  S.  87.) 

Sofort  nach  Schluß  dieser  überzeugenden  Beweisführung  des  Vor- 
kommens von  Hora-Dimorphismus  bei  tropischen  Tagfaltern  wird  einfach 
solcher  bei  einheimischen  Schmetterlingen  als  bestehend  herein  eskamo- 
tierti),  indem  gesagt  wird:  »bei  den  Fällen  von  adaptivem  Saison- 
Dimorphismus  einheimischer  Falter  kennen  ivir  die  Temperatur  cds  Aus- 
lösungsreiz« und  weiter  —  auf  Grund  der  vorgeführten  klassischen 
Beweise  —  geschlossen:  ^>Es  giebt  also  (!)  zwei  ganz  verschiedene  Wurzeln 
der  Erscheinung  des  Saison-Dimorphismus,  indem  einmal  direkte  Wir- 
kung wechselnder  äußerer  Einflüsse,  nämlich  der  Temperatur,  diesen 
Wechsel  in  der  äußeren  Erscheinung  bedingen  kann,  andererseits  aber 
Selektionsprocesse :!)  ....  Xicht  immer  freilich  icird  es  leicht  sein,  zu 
entscheiden,  wohin  man  einen  bestimmten  Fall  zu  rechnen  habe,  da  es  be- 
kanntlich heule  nicht  immer  schon  zu  sagen  ist,  ob  eine  Färbung  oder 
Zeichnung  einen  bestimmten  biologischen  Wert  hat  oder  nicht.* 

Gewiß :  bekanntlich 

1)  S.   658. 


444         Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

In  den  alten  Stadien  über  Saison-Dimorphismus  hatte  mein  heu- 
tiger Gegner  zur  Abweisung  von  Anpassung  noch  weiter  gesagt i): 

>\un  zeigen  sich  also  die  Unterschiede  gerade  in  den  ausgebildetsten 
Fallen  des  Saison-Dimorphismus,  z.  B.  bei  Vayiessa  levana,  viel  weniger 
auf  der  Unter-  als  auf  der  Oberseite  der  Flügel.  Die  Erklärung  durch 
Anpassung  ist  also  unhaltbar  und  ich  will  mich  hier  mit  einer  umständ- 
lichen Widerlegung  derselben  um  so  weniger  aufhalten  als  ich  glaube,  die 
wirkliche  Ursache  der  Erscheinung  nachweisen  zu  kön7ien.« 

Als  diese  Ursache  wird  im  Folgenden  die  direkte  Einw'irkung 
der  wechselnden  äußeren  Lebensbedingungen  bezeichnet,  die 
ja  ohne  Zweifel  bei  der  Wintergeneration  andere  seien  als  bei  der 
Sommergeneration,  insbesondere  Temperatur  und  Entwickelungs- 
dauer! 

Seitdem  ist  Herr  Weismaxn,  so  gut  begründet  gewiß  seine  frühere 
Ansicht  war,  zur  Vertretung  der  entgegengesetzten,  damals  als  unhalt- 
bar bezeichneten  3Ieinung  fortgeschritten.  Er  sagt  1894  2)  in  Beziehung 
auf  jene  Ansicht:  »Es  ist  mir  indessen  damals  schon  zweifelhaft  erschienen, 
ob  eine  so  totale  Umgestaltung  der  Farbe  und  Zeichnung,  wie  sie  bei  der 
Sommerform  prorsa  eingetreten  ist,  wirklich  nur  auf  der  zufälligen  Wirkung 
höherer  Temperatur  beruhen  kann ,  und  ich  habe  damals  schon  den  Ge- 
danken an  Mimikry  im  Stillen  gehegt  [W) ,  wenn  auch  als  unwahrschein- 
lich einstweilen  ivieder  verworfen. < 

So  dachte  damals  im  Stillen  der  Mann,  welcher  gleichzeitig 
schrieb:  »es  schließt  die  Qualität  der  Färbungsunterschiede,  welche  beim 
Saison-Dimorphismus  vorkommen,  die  Deutung,  daß  dieselben  auf  Anpassung 
durch  Naturzüchtung  beruhen  -»auf  das  Entschiedenste  aus«,  und  welcher 
eben  damals  weiter  sagte:   »es  sei  kein  Gedanke  daran«   u.  s.  iv. 

Dann  lesen  wir  weiter: 

»Nachdem  wir  aber  jetzt  durch  die  vereinten  Bemühungen  vieler  vor- 
trefflicher Beobachter  —  zuletzt  noch  Erich  Haasens  —  die  Erscheinung 
der  Mimikry  als  eine  viel  allgemeinere  und  verbreitetere  kennen  gelernt 
haben,  als  man  damals  ahnen  konnte,  möchte  ich  bestimmt  er  [W]  die  Mög- 
lichkeit ins  Auge  fassen,  daß  die  Sommerform  prorsa  auf  Nachahmung 
der  Limenitis  Sibylla  beruhen  könnte,  welche  mit  prorsa  dieselben  Flug- 
plätze an  lichten  Waldstellen  gemein  hat  \md  welcher  diese  in  der  That 
sehr  ähnlich  sieht.  Einen  förmlichen  Beweis  kann  ich  freilich  dafür 
zur  Stunde  nicht  führen,  da  ich  nicht  einmal  sagen  kann,  ob  etwa  diese 
Limenitis  Sibylla  zu  den  immunen  Arten  zu  rechnen  istil).  Ich  verzichte 
auch  hier  auf  Darlegung  der  Gründe,  welche  mich  zu  dieser  Vermutung 
drängen,  und  erwähne  den  ganzen  Gedanken  {\)  nur,  um  an  einem  Beispiel, 
sei  es  nun  echt  oder  Mos  fiktiv{\\),  darzuthun,  ivie  der  Schein  einer  Um- 
wandlung durch  äußeren  Einfluß  entstehen  könnte,  während  dieser  Einfluß 


1;  S.  6. 

'-j  »Äußere  Einflüsse  als  Entwickelungsreize«  S.   17  IT. 


Professor  August  Weismann  und  Vanessa  levana-prorsa.  445 

—  hier  also  die  Wanne  —  in  Wahrheit  doch  nur  die  Rolle  des  auslösen- 
den Reizes  spielt,  und  die  eigentliche  Ursache  in  einer  Abänderung  der 
Keimesanlagen  beruht,  hervorgerufen  durch  Selektionsprozesse,  hier  durch 
Anpassung  der  Sommergeneration  an  eine  mit  ihr  zugleich  fliegende  ge- 
schützte Art.«^ 

Ein  Jahr  darauf  1895  in  den  »neuen  Versuchen  ,  beruft  Herr 
Wejsmaxx  sich  nun  auf  jenes  »fiktive«  Beispiel  und  baut  weiter  auf 
dasselbe  auf: 

»Als  hypothetisches  Beispiel  eines  adaptiven  Saison-Dimorphismus  habe 
ich  Vanessa  prorsa-levana  angeführt  und  mich  dabei  auf  die  merkwürdige 
Ähnlichkeit  gestützt,  ivelche  die  Oberseite  der  schwarzen,  mit  iveißer  Binde 
versehenen  prorsa-Form  mit  Limenitis  Sibylla  und  Camilla  hat.  Ich  ver- 
kenne aber  nicht  die  Schwierigkeiten,  welche  einem  Beweis,  daß  hier  Mimicry 
vorliegt,  entgegenstehen.  Wir  wissen  nicht  einmcd,  ob  diese  Limenitis- Arten 
immun  sind  oder  ob  sie  von  Vögeln  verfolgt  iverden ,  resp.  in  früheren 
Zeiten  verfolgt  wurden.  Ließe  sich  aber  auch  nachweisen,  daß  sie  immun 
sind  und  daß  prorsa  Schutz  durch  die  Ähnlichkeit  mit  ihnen  geivänne,  so 
bliebe  doch  immer  noch  zu  enträtseln ,  ivieso  die  levana-Form  adaptiven 
Wert  hat  und  zwar  in  ihrer  Oberseite,  welche  ja  ineist  keinen  adaptiven 
Wert  besitzt  bei  Tagfaltern.  Allerdings  habe  ich  vor  Jahren  zeigen{\)  können^), 
daß  die  dunkle  Oberseite  weiblicher  Bläulinge  in  der  That  Schutz  verleiht, 
da  sie  ihre  Eier  mit  ausgebreiteten  Flügeln  ablegen  und  dabei  erheblich 
iveniger  auffallen,  als  die  blauen  Männchen  es  ihun,  wenn  sie  mit  ausge- 
breiteten Flügeln  dasitzen.  Wir  kennen  aber  die  Lebensgewohnheiten  der 
levana-Form  nicht  so  genau,  und  ivenn  wir  sie  kennten,  würde  es  immer 
noch  unsicher  genug  bleiben,  ob  wir  ihr  dem  dürren  Laub  des  Frühjahrs- 
waldes allerdings  ähnliches  Obergeivand  als  protektiv  betrachten  dürfen.«. 

»Es  ist  aber,  ivie  mir  scheint,  nicht  wohl  denkbar,  daß  adaptiver 
Saison-Dimorphismus  entstehen  könne,  wenn  nicht  beiderlei  Sommerformen 
adaptiven  Wert  haben.  Denn  gesetzt,  die  eine  allein  sei  adaptiert,  hier  z.  B. 
die  mimetische  prorsa-Form,  so  würde  diese  also  durch  Selektion  entstan- 
den zu  denken  sein,  d.  h.  es  würden  die  Anlagen  [Determinanten]  ihrer 
Flügelfärbung  nach  aus  levana- Anlagen  zu  prorsa- Anlagen  geworden  sein«, 
denn  es  wäre  dann  nicht  einzusehen  »wodurch  es  verhindert  iverden  sollte, 
daß  im  Laufe  der  Generationen  nach  und  nach  sämtliche  Ide  nur  noch 
prorsa-Ide  enthalten  sollten  und  die  levana-Ide  verdrängt  tvürden.  Denn 
wenn  überhaupt  auch  nur  im  Sommer  die  prorsa-Form  im  Vorteil  ist  ge- 
genüber der  levana-Form,  dann  hätten  alle  Lidividuen,  welche  keine  reine 
prorsa  sind,  nach  und  nach  ausgemerzt  iverden  müssen. <i  .  .  . 

»Nur  wenn  die  levana- Färbung  im  Frühjahr  vorteilhafter  war  als 
die  prorsa-Färbung,  konnte  und  mußte  sie  erhalten  bleiben,  und  zwar 
dadurch,  daß  nur  ein  Teil  der  im  Keimplasma  enthaltenen  Ide  sich  zu  pror Sa- 
lden umwandelte,  ein  anderer  aber  unverändert  blieb. <^ 


1)  Vt-l.  vorn  S.  352.  353. 


446        Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  her  Artdildung. 

Man  sieht,  nun  isl  die  Notwendigkeit  %on  Anpassung  auch  für  levana 
unzweifelhaft.  Sie  ist  genügend  vorbereitet  und  wir  dürfen  begierig 
sein,  wie  sie  zu  beweisen  versucht  wird. 

Zunächst  scheint  dieser  Beweis  auch  Herrn  Weismann  unmöglich.  Es 
heißt  nämlich  bei  ihm  weiter: 

»We7in  es  nun  ^iber  zur  Zeit  nicht  möglich  ist,    einen  Beweis  für  die 

Vermutung  zu  liefern,  daß  die  Oberseite  von  prorsa  und  levana  als  Schutz- 

färhung  anzusehen  ist,  so  spricht  die  feinere  Zusammensetzung,  überhaupt 

die  Art  der   Verschiedenheit  von  beiderlei  Farbenmustern   entschieden  gegen 

ihre  Deutung  als  direkte  Klima  form.« 

Wie  falsch  und  gegenstandslos  auch  diese  Begründung  wiederum 
ist,  das  lehren  zur  Genüge  die  in  diesem  Buche  mitgeteilten  That- 
sachen  über  sprungweise  Entwickelung,  das  beweist  die  gesetzmäßige 
Umbildung  von  Farbe  und  Zeichnung  der   Vanessa  levana  zu  prorsa. 

Einige  Seiten  später ')  hat  unser  Naturforscher  nun  schon  eine 
zuversichtliche  Einbildung  von  der  Schutzfärbung  sowohl  von  V.  levana 
wie  von  prorsa  gewonnen.  Er  wagt  es  jetzt  für  prorsa,  wenn  auch 
zögernd,  sogar  eine  Doppelanpassung  durch  Verkleidungs-  und  durch 
gewöhnliche  Schutzfärbung  aufzustellen,  um  die  hypothetische  Verklei- 
dung als  einen  Fall  von  »wirklichem«,  adaptivem  Saison-Dimorphismus 
zu  sichern. 

Denn:  ^ bei  ausgesprochener  Doppelanpassung  protektiver  Natur«,  sagt 
er,  »kann  man  mit  Sicherheit  auf  einen  solchen  [gezüchteten)  Ursprung 
des  Saiso72-Dimorphismus  schließen«.  Nun  wird  von  den  braunen  Tönen 
auf  der  Unterseite  der  levana  gesprochen,  dann  heißt  es  weiter:  V.  le- 
vana ist  also  im  Sitzen  jedenfalls  dem  vielen  dürren  Laub  des  Frühjahrs- 
waldes angepaßt,  doch  iveiß  ich  nicht,  ob  sie  am  Boden  ausruht^?].  Vanessa 
prorsa  übernachtet '■y)  wohl{\]  auf  Pflanzen,  Brombeersträuchern,  Hollunder 
[Sambucus  ehulus)  und  der  gleichen  {}.)  und  wird  gerade  durch  ihre  weiße 
auch  im  Sitzen  sichtbare  Binde  in  der  Nähe  von  Blumen{\)  gut  geschützt 
sein  -). 

»Obgleich  die  Oberseite  der  meisten  Tagfalter  keine  sympathischen  Fär- 
bungen hat«,  —  heißt  es  hier  —  »so  will  ich  doch  keineswegs  bezweifeln  {^j, 
daß  solche  in  einem  ganz  allgemeinen  Sinne  vorkommen  mögen,  und  gerade 
die  levana-Form  mag  im  Flug  durch  ihre  Farbenübereinstimmung  mit  dem 
gelb-braunen  dürren  Laub  des  Frühjahrswaldes  einigermaßen  geschützt 
sein.  Im  Allgemeinen  aber  wird  protektive  Färbung  der  Oberseite  als 
Mimicry  auftreten.« 

Nachdem  auf  diese  drollige  Art  der  Beweis  geliefert  ist,  daß  bei  Vanessa 
prorsa  Verkleidung  mit  Saison-Dimorphismus  verknüpft  und  levana  durch 


1)   S.    681. 

-)  Vergrößern  wir  diese  »Anpassung«  etwas,  um  sie  deutlicher  und  verständlicher 
zu  machen:  ein  Gelehrter,  angethan  mit  einem  schwarzen  Schlapphut  und  einerhellen 
Halsbinde  auf  einem  Schneefelde,  wird  durch  die  auch  im  Sitzen  sichtbare  Halsbinde 
prächtig  angepaßt  sein  —  besonders  in  der  Nähe  von  Blumen! 


Professor  August  Weismann  und  Vanessa  levana-prorsa.  447 

Schutzfärbung  angepaßt  sei,  wird  im  Folgenden  zunächst  auf  Grund  des 
ersteren  Beweises  mit  großem  Ernst  die  Frage  erörtert,  ob  solche  Fälle 
von  doppelter  Anpassung  bei  Schmetterlingen  häufig  vorkommen.  Noch 
schwieriger,  als  dies  findet  unser  Naturforscher  es  schließlich  zu  ent- 
scheiden, ob  man  es  im  einzelnen  Fall  mit  reinem  direktem  Saison- 
Dimorphismus  zu  thun  habe  oder  mit  adaptivem! 

Nach  solcher  Leistung  lohnt  es  sich  nicht  auf  die  weiteren  »Ver- 
mutungen« einzugehen,  welche  den  Verfasser  dazu  führen,  »mit  großer 
Sicherheit  schon  im  voraus  ^ohne  daß  einstweilen  genauere  Unter- 
suchungen \orliegen)  den  Saison-Dimorphismus  auf  Selektionsprozesse« 
zu  beziehen  und  doppelte  schützende  Anpassung  anzunehmen  i). 

Doch  hören  müssen  wir  immerhin ,  wie  nun  die  also  bewiesene 
levana-  und  pj^orsa-Anpassung  zu  hochwichtigen  Schlüssen  verwertet 
wird  ^) : 

^Aber  ivährend  ich  damals  nicht  glaubte[]),  diese  Neubildung  doch 
immerhin  noch  als  eine  Reaction  des  speci fischen  levana-Organismus  auf 
höhere  Wärme  betrachten  zu  müssen,  erkenne  (!)  ich  jet::^t ,  daß  Wärme 
hierbei  überhaupt  nicht  als  eigentliche  Ursache  mitspielt,  sondern  daß  es 
sich  um  einen  Züchtungsproceß[\)  handelt,  der  unabhängig  von  der 
Temperatur {\)  vor  sich  ging  und  den  einen  Teil  der  Ide  zu  prorsa-lden 
allmählich  umstempelte  (!).  Diese  prorsa-lde  wurden  aber  zugleich  so  ein- 
gerichtet, daß  sie  bei  Einwirkung  höherer  Temperatur,  wenn  dieselbe  im 
Beginn  der  Puppenperiode  einwirkte,  aktiv  wurden,  während  bei  niederer 
Temperatur  die  levana-Ide  aktiv  wurden.  Wanne  ist  also  nur  der  Aus- 
lösungsreiz  für  die  prorsa- Anlage,  Kälte  der  für  die  levana- Anlage.". 

»Damit  ist  aber  die  Sache  noch  nicht  erschöpft«,  heißt  es  dann,  -»ich 
habe  früher  geglaubt<-i  (!)  u.  s.  w. 

y>Es  scheint  mir,  als  hätten  wir[\)  mit  dieser  Anschauung  vom  Saison- 
Dimorphismus  der  Vanessa  levana-prorsa  eine  befriedigendere  Einsicht  in 
dieses  merkwürdige  Phänomen  gewonnen,  als  wir{}}j  sie  bisher  besaßen.« 
Und  weiter: 

yTreten  wir  nun,  ausgerüstet  mit  dieser  besseren  Erkennt- 
nis i^),  an  die  Betrachtung  noch  einiger  anderer  Fälle  heran,  die  wir  als 
adaptiven  Saison-Dimorphismus  auffassen  müssen,  ivie  ich  glaube[\].«- 

Wir  haben  im  Vorstehenden  die  gewiß  erheiternden  Erzeugnisse  der 
Phantasie  eines  märchenerzählenden  Naturforschers  vollständig  wieder- 
gegeben, zum  Beweis,  wie  Unrecht  Rabbi  ben  Akiba  doch  gehabt  hat. 

Die  Einladung,  der  Forsetzung  dieser  wieder  und  zum  so  und  so 
vielten  Male  von  ihrem  Erfinder  selbst  als  »bessere  Erkenntnis-  gepriesenen 
und  an  Stelle  früherer  Erkenntnis  gesetzten  Phantasien  zu  folgen,  müssen 
»wir«   aber  dankend  ablehnen. 

Bemerken  wollen  wir  indessen,  daß  jene  Einladung  unmittelbar  ein- 
führt in  die  Verwertung  des   »adaptiven  Saison-Dimorphismus  des  kleinen 


1)  S.    679.  2)  s.   668. 


448       Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

Weißlings,  Pien's  napi«,  dessen  Erfindung  wenn  müglich  noch  um  vieles 
bodenloser  erscheint,  als  die  bei    Vanessa  prorsa.  i) 

Es  ist  überaus  lehrreich  zu  verfolgen,  wie  das  Gefüge  dieser  ganzen 
neuen  Schrift  über  den  Saison-Dimorphismus  wiederum  aufgebaut  ist,  zu 
sehen,  wie  die  zügellose  Phantasie  des  Erzählers  so  weit  kommt,  daß 
derselbe  die  eigenen,  von  ihm  zuerst  als  solche  unumwunden  anerkannten 
Erfindungen  von  Seite  zu  Seite  mehr  zu  Thatsachen  zu  stempeln  sucht, 
an  die  er  anscheinend  zuletzt  selbst  glaubt,  für  die  er  von  uns  die  An- 
erkennung neuer  erlösender  Erkenntnis  verlangt.  Es  ist  überaus  lehr- 
reich, zu  sehen,  wie  er  dann  die  selbst  erfundene  Anpassung  benülzt 
zu  einer  weiteren  Erfindung,  der  des  »adaptiven  Saison-Dimorphismus», 
wie  er  darauf  durch  sich  selbst  weiter  und  weiter  getrieben  zur  Erfindung 
des  doppelten  (!)  adaptiven  Saison-Dimorphismus  und  endlich  zur  Prokla- 
mierung der  Wahnvorstellung  gelangt,  die  Entstehung  von  Winter-  und 
Sommerform  beruhe  nicht,  wie  er  früher  selbst  angenommen  hatte,  auf 
klimatischen  Einflüssen,  sondern  sie  sei  das  Ergebnis  eines  —  Züchtungs- 
prozesses. 

Wohl  niemals  dagewesen  ist  es  aber  auch,  wie  ein  öffentlicher 
Mann  der  Naturwissenschaft  seine  eigenen  durch  Thatsachen  wohlbe- 
gründeten früheren  Auffassungen  dergestalt  durch  einfache  Erfindungen 
der  Phantasie' Schritt  für  Schritt  in's  Gegenteil  verkehren  und  dieses  als 
neue  erlösende.  Erkenntnis  ausbieten  mag  —  zuletzt  nur  um  den 
einen  unhaltbaren,  von  ihm  in  späteren  Tagen  aufgestellten  Lehrsatz  zu 
retten:  erworbene  Eigenschaften  sind  nicht  vererbt  —  und  auch  dies 
um  den  Preis  des  Verlassens  der  wichtigsten  Grundlage  dieses  Lehrsatzes 
und  seiner  ganzen  mühevoll  aufgebauten  Hypothesen,  der  Voraussetzung 
der  Nichtbeeiuflussung  des  Keimplasma's  durch  äußere  Einwirkungen  (vgl. 
das  Folgende). 

Kaum  dagewesen  ist  es  wohl  endlich,  daß  ein  solcher  öffentlicher 
Mann  zu  gleicher  Zeit  zwei  Schriften  schreibt,  in  welchen  er  in  grund- 
legenden Fragen  das  gerade  Gegenteil  als  Regel  aufstellt: 

Soeben  wurde  zu  Gunsten  der  »Germinalselektion«  die  unbedingte 
Anpassung  aller  Zeichnung  und  Farbe  der  Oberseite  der  Schmetterlings- 
flügel im  vollsten  Gegensatz  zu  eigener  früherer  Ansicht  und  ohne  jeden 
Beweis  behauptet,  nur  mit  der  Einschränkung,  daß  dieselbe  da  und  dort 
dem  Bedürfnis  der  Vorzeit  angehören  möge  und  ihr  Nutzen  heute  nicht 
mehr  zu  entziffern  sei  —  in  der  gleichzeitig  gedruckten  zweiten  Schrift 
wird  trotz  zw'angsweiser  hypothetisch-fiktiver  Anpassungsannahme  im 
einzelnen  Fall  zu  Gunsten  erstrebten  Beweises  wiederum  im  vollen  Gegen- 
satz zur  Grundlage  eben  der  »Germinalselektion«,  anerkannt,  daß  in  der 
Regel  Farbe  und  Zeichnung  der  Oberseite  der  Schmetterlingsflügel  nicht 
angepaßt  seien. 

Zur  Zeit  als  ich  meinen  Vortrag  in  Leyden  hielt,  waren  die  »neuen 
Versuche«,    wie   schon    gesagt,    noch    nicht   erschienen   und   als   ich   den 


1)  Vgl.  S.   670. 


Professor  August  Weismann  und  Vanessa  levana-prorsa.  449 

ersten  Teil  dieses  Buches  schrieb,  hatte  ich  sie  noch  nicht  gelesen,  sonst 
würde  ich  schon  Eingangs  darauf  hingewiesen  haben,  wie  vollkommen  un- 
nötig es  allein  aus  diesem  Grunde  sei,  die  »neue  Erkenntnis <  der 
»Germinalselektion<  zuwiderlesen.  Freilich:  »wir  sind  ja  nur  in  seltenen 
Fällen  im  Stande,  zu  erkennen,  ob  eine  Eigenschaft  von  Nutzen  ist,  und 
besonders  die  Oberseite  der  Schmetterlingsflügel  ist  eine  Tafel  mit  aus 
alten  Zeiten  stammender  Schrift,  schwer  zu  entziffern  für  uns«,  hieß  es 
dort.  Daß  dieselbe  heute  in  der  Regel  nicht  mehr  angepaßt  ist,  er- 
fahren wir  aus  jener  anderen  Schrift  desselben  Naturforschers.  Zugleich 
aber  will  er  uns  glauben  machen,  daß  eine  durch  ihre  Farbe,  wie  alle 
Weißlinge,  überall  sich  aufdrängende  Art  dieser  Sippe  wegen  kaum 
nennenswerter  Farbenunterschiede  ein  überzeugender  Beweis  sei  für 
seinen  »adaptiven«   Saison-Dimorphismus^). 


Das  Schlußergebnis  der  Betrachtungen  des  Freiburger  Gelehrten  über 
Vanessa  levana  und  prorsa  ist  also  dieses,  daß  es  sich  nach  seiner 
jetzigen  Ansicht  bei  der  Umbildung  der  Zeichnung  von  ersterer  in 
letztere  nicht  um  Wärme  als  eigentliche  Ursache  handelt,  sondern  um 
einen  Züchtungsprozeß,  der  unabhängig  von  der  Temperatur 
vor  sich  ging  und  der  einen  Teil  der  Ide  zu  prorsa-lden  allmählich 
»umstempelte«! 

Wenn  ich  eine  Spekulation,  welche  sich  auf  den  von  Herrn  Aüglst 
Weismann  produzierten  Beweis  des  adaptiven  Saison-Dimorphismus  von 
Vanessa  levana-prorsa  und  anderer  Falter  stützt,  als  eine  vollkommen 
bodenlose  wiederholt  bezeichne ,  so  halte  ich  mich  dabei  an  den  vollen 
Sinn  des  Wortes. 


Aber  wir  müssen  endlich  noch  auf  eine  Schlußfolgerung  eingehen, 
welche  Herr  Weismann  aus  seinen  »neuen  Versuchen«  zieht  und  welche 
wiederum  deshalb  ausgedacht  ist,  um  der  immer  zwingender  sich  auf- 
drängenden Thatsache  der  Vererbung  erworbener  Eigenschaften  und  der 
Beeinflussung  des  Keimplasma's  in  diesem  Sinne  zu  entgehen. 

Da  doch  nicht  alle  Jahreszeiten-Abartung  als  Anpassung  bezeichnet 
werden  kann,  so  unterscheidet  Herr  Weismann,  wie  gesagt,  eine  adaptive 
und  eine  direkte. 

Diese  neue  Spekulation  wurde  erfordert  durch  die  Thatsachen,  welche 
Versuche  insbesondere  an  Polyommalus  [Chrijsophanus]  phlaeas  gegenüber 
den  Vorstellungen  von  angepaßter  Jahreszeiten-Abartung  bei  Vanessa 
levana-prorsa  gegeben  haben,  und  sie  fallen  deshalb  noch  mit  in  den  Be- 
reich der  Behandlung  der  letzteren. 


1)  Vgl.  auch  Schilde  a.  a.  0.  S.  20.  21. 
Eimer,  Orthogenesis.  29 


450       Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

Die  Jahreszeitenanterschiede  beziehen  sich  bei  phlaeas  nur  auf  die 
Oberseite  und  für  die  schwarze  Bestäubung  ist  ein  biologischer  Wert 
schwer  zu  finden. 

P.  phlaeas  hat  in  Südeuropa  (Neapel)  drei  Brüten.  Die  zwei  Sommer- 
bruten  (Var.  eleus]  sind  dunkler,  als  die  Winterbrut.  Da  die  Schwärzung 
des  Gelbrot  der  Oberseite  dort  schon  an  der  letzteren,  deren  Baupe  über- 
wintert, erscheint,  so  handelt  es  sich  doch  wohl  um  Vererbung  erworbener 
Eigenschaften,  sagt  Standfuss  (a.  a.  0.  S.  294): 

»Weismann  nimmt  in  »Äußere  Einflüsse  als  Entwickelungsreize«  an,  daß  der 
schwarze  Anflug  der  Oberseite  der  Flügel  von  Polyommalus  phlaeas  in  der  zweiten 
Generation  durch  unmittelbare  Einwirkung  höherer  Wärmegrade  entsteht.  Gewiß 
mit  Recht.  Es  wird  diese  Schwärzung  teilweise  bereits  auf  die  erste  Generation  des 
Jahres,  als  auf  die  aus  überwinternder  Raupe,  durch  Vererbung  übertragen.« 

»Unmittelbar  darauf  bezweifelt  Weismaxn  diese  direkte  Einwirkung  als  Ursache 
für  das  Kleid  der  var.  prorsa,  der  Sommerform  von  levana,  und  glaubt,  daß  die  Wärme 
in  diesem  Falle  nur  die  Rolle  des  auslösenden  Reizes  spiele,  indem  er,  nach  seinem 
eigenen  Ausdruck,  bestimmter  die  Möglichkeit  ins  Auge  fassen  möchte,  daß  es  sich 
in  Wahrheit  hier  um  eine  Erscheinung  der  Mimicry  handle. « 

»Diese  Möglichkeit  ist  aber  aus  mehr  als  einem  Grunde  unmöghch  .  .  .  .« 

Herr  Merrifield,  welcher  Versuche  mit  Wärme  und  Kälte  an  Pol.  phlaeas  ge- 
macht hat,  kommt  zu  dem  Schluß:  Es  scheint,  daß  bei  dieser  Art  die  Farbenbildung 
nicht  dadurch  besonders  beeinflußt  wird,  daß  die  Puppen  lange  Zeit  einer  sehr  großen 
Kälte  ausgesetzt  werden,  sondern  dadurch,  daß  man  sie  der  künstlichen  Temperatur 
dann  aussetzt,  wenn  die  aktive  Periode  des  Puppenstadiums  beginnt.  Große  Hitze 
ruft  dann  Verdunklung  hervor,  während  mäßige  Kälte  die  Lebhaftigkeit  der  Farben 
—  besonders  des  Kupferrot  und  Schwarz  —  begünstigt.  Durch  Kälte  wird  außerdem 
eine  Verkleinerung  der  Flecke  bedingt  und  eine  starke  Vergrößerung  des  kupfer- 
farbigen Bandes  der  Hinterflügel. 

Es  ist  anzunehmen,  daß  auch  die  südlichen  Formen  dieser  Art  durch  Einwir- 
kung größerer  W^ärme  entstanden  sind. 

Eine  Parallele  zu  den  Versuchsformen  bildet  die  amerikanische  Hypophlaeas. 
Herr  Scudder  beobachtet,  daß  die  Frühjahrsform  feuriger  rot  ist  und  ein  breiteres 
orangefarbiges  Band  an  der  Unterseite  der  Hinterflügel  hat,  als  die  Sommerform,  bei 
der  auch  die  Zeichnung  weniger  lebhaft  und  deutlich  ist. 

Die  Versuche  des  Herrn  Weismann  mit  Polyommalus  phlaeas  er- 
gaben das  Folgende : 


1.  Mit  der  Brut  von  südeuropäischen  Eltern. 

1.  Die  in  Neapel  aufgezogenen  Schmetterlinge  ergaben  drei  Varie- 
täten, die  sämtlich  zu  Var.  eleus  zu  stellen  sind,  obwohl  sie  in  Betreff 
der  Stärke  ihrer  schwarzen  Bestäubung  sehr  differieren. 

2.  Von  den  in  Freiburg  aufgezogenen  Eiern  derselben  Brut  ent- 
wickelten sich  von  35  Schmetterlingen  8  entschieden  zur  Var.  eleus, 
während  die  übrigen  keine  schwarze  Bestäubung  des  Botgold  zeigen,  jedoch 
breitere  und  tiefere  schwarze  Bänder  und  größere  schwarze  Flecke 
haben   als   die   deutschen  phlaeas    und    auch    als    die    Frühjahrsgene- 


Professor  August  Weismann  und  Vanessa  levana-prorsa.  451 

ratio n   der  sardinischen  phlaeas.     Die   Puppen   waren    in   gewöhnlicher 
Zimmertemperatur  geblieben. 

3.  Eine  zweite  Abteilung  kam  im  Eisschrank  zur  Entwickelung 
bei  einer  Temperatur  von  7  —  10<'C.  Von  51  ausgeschlüpften  Schmetter- 
lingen waren  nur  2  etwas  schwärzlich  bestäubt,  die  andern  zeichneten 
sich  durch  kleine  schwarze  Flecke  und  meistens  durch  einen  breiten  und 
tief  schwarzen  Rand  und  durch  eine  Verbreiterung  des  Schwarz  an  der 
Flügelspitze  bis  zu  den  obersten  Flecken  der  Fleckbinde  aus.  Sie 
scheinen  einen  Mischmasch  von  Merkmalen  der  südlichen  und  der 
nördlichen  Form  vorzustellen. 

2.  Mit  der  Brut  von  deutschen  Eltern. 

4.  Dieselben  wurden  schon  vom  Ei  an  in  erhöhter  Temperatur 
aufgezogen.  Während  des  Puppenstadiums  wurde  die  Temperatur  lang- 
sam von  24"  C.  auf  30"  G.  gesteigert.  Es  kamen  23  Schmetterlinge 
zur  Entwickelung.  An  8  war  keine  Wirkung  der  höhereu  Wärme- 
grade zu  beobachten,  2  entsprachen  dem  dunkelsten  in  Neapel  aufge- 
zogenen Vertreter  der  Varietät  eleus.  13  sind  etwas  dunkler  als  die 
gewöhnliche  deutsche  Form ,  haben  den  schwarzen  Rand  ein  wenig 
breiter,  die  schwarzen  Flecke  etwas  größer.  Die  schwarze  Bestäubung 
des  eleus  ist  vorhanden,  aber  meist  in  geringerem  Grade  und  beschränkt 
sich  hauptsächlich  auf  die  hintere  Hälfte  des  Vorderflügels. 

Wenn  etwas,  so  beweisen  diese  Versuche  auf  das  Zweifelloseste  die 
Richtigkeit  der  Ansichten  des  früheren  Herrn  Weismann  über  die  Ursache 
der  Entstehung  von  Jahreszeiten-Abartungen ').  Es  muß  aber  zum  Ver- 
ständnis hervorgehoben  werden,  daß  die  schwarze  Sommerform  eleus  nur 
im  Süden,  nicht  auch  bei  uns  vorkommt.  Dennoch  trat  sie  auch  bei 
der  Entwickelung  in  Freiburg  noch  auf,  aber,  im  Gegensatz  zu  Neapel, 
nicht  mehr  aus  allen  Puppen,  wogegen  die  Erziehung  der  Neapler  Brut 
im  Eisschrank  statt  der  des  eleus  mehr  nördliche  Eigenschaften  ergab, 
die  der  deutschen  in  der  Wärme  aber  eleus\ 

Insbesondere  der  Versuch  2  zeigt  auf's  klarste,  daß  die  in  Neapel 
offenbar  durch  Einwirkung  von  Wärme  entstandenen  e/ei<s-Eigenschaften 
vererbt  sind,  indem  sie  auch  in  Freiburg  noch  auftraten. 

Genug  wohl!  Aber  Herr  Weismann  muß  die  Nichtvererbung  erwor- 
bener Eigenschaften  um  jeden  Preis  abermals  zu  retten  suchen.  Was 
er  zu  diesem  Zweck  als  Erklärung  seiner  Experimente  der  wissenschaft- 
lichen Welt  als  »neue  Erkenntnis«  vorträgt,  nimmt  sich  aus  —  so  sagte 
mir  ein  fachmännischer  Beurteiler  —  als  ob  er  den  Versuch  machen 
wollte,  zu  zeigen,  was  Alles  er  derselben  bieten  dürfe,  nicht  zum  min- 
desten auch  wieder  in  der  Umkehr  aller  seiner  früheren  Erkenntnisse. 

Um  die  Übertragung  von  durch  äußere  Einflüsse  (Wärme)  am  Körper 
entstandener  Eigenschaften  auf  das  Keimplasma  und  so  die  Anerkennung 
der  Vererbung  erworbener  Eigenschaften  zu  umgehen,  wird  angenommen, 


1)  Vgl.  vorn  S.  362  und  363  Anmerkung. 


29=* 


452        ÄuGere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

(laß  die  Schuppendeterminanten  von  phlaeas  auf  zweifache  Weise 
verändert  werden.  Einmal  beeinflußt  sie  die  klimatische  Wärme, 
so  lange  sie  noch  im  Keimplasma  der  Fortpflanzungszelle  ein- 
geschlossen sind(!!).  Diese  Abänderungen  können  sich  vererben(!) 
und  in  lauger  Generationenfolge  steigern.  Zweitens  wirkt  die  Wärme 
abändernd  auf  die  Schuppendeterminanlen,  wenn  sie  schon  in  die 
Flügelanlage  der  Puppe  eingerückt  sind.  Diese  Veränderung  ist 
nicht  vererbbar.  Sie  würde  für  nicht  angepaßte  sogenannte  Klima- 
varietäten gellen,  und  indem  man  diesen  Begrifi"  nach  Belieben  anwen- 
den und  bald  diese  bald  jene  der  beiden  angenommenen  Arten  der 
Wärmeeinwirkung  verwenden  kann,  steht  Thür  und  Thor  jedem  Be- 
weis offen. 

In  der  ein  .Jahr  früher  (1894)  erschienenen  Schrift  desselben  Zoologen 
über  y> Äußere  Entwickelungsreizev^)^  heißt  es:  ^ivenn  der  rotgelbe  Schmetter- 
ling Polyommatus  phlaeas,  nachdem  er  sich  in  wärmeren  Gegenden,  z.  B. 
in  Süditalien  festgesetzt  hat,  einen  schwarzen  Anflug  erhält,  so  könne  dies 
nicht  als  eine  Anpassung  betrachtet  werden ,  sondern  als  Wirkung  der 
Wärme.  Und  daß  es  sich  dabei  wirklich  um  direkte  Wirkung  der  Wärme 
handelt  und  nicht  um  irgend  eine  Anpassung'!-,  sagt  derselbe  in  der  An- 
merkung auf  S.  57  in  derselben  Schrift,  -»geht  auch  aus  den  Beobachtungeu 
Fritze' s  hervor,  der  im  heißesten  Teil  des  südjapanischen  Sommers  diese 
Art  fast  ganz  schwarz  fand«-. 

Um  zu  beweisen,  was  ihm  zur  Abwehr  der  aus  den  bezüglichen 
Thatsachen  sich  ergebenden  Vererbung  erworbener  Eigenschaften  einge- 
fallen ist,  daß  es  sich  in  der  Schwarzfärbung  der  Sommerformen  nur 
um  nicht  vererbbare  Abänderung  der  Schuppendeterminanten  handle, 
behauptet  er  jetzt,  daß  auch  bei  allen  südlichen  Kolonien  von  phlaeas 
die  Frühlingsform  noch  rotgoldig  sei  —  obschon  dies  für  die  südlichsten 
nicht  richtig  ist.  Da  sich  vielmehr  thatsächlich  die  schwarze  Fär- 
bung bei  südlichen  Formen  auch  auf  die  Frühjahrsgeneration 
vererbt,  so  fällt  mit  dem  unrichtigen  Vordersatz  die  ganze  Schluß- 
folgerung, es  handle  sich  in  der  Sommerfärbung  nicht  um  Ausdruck  der 
Vererbung  von  durch  das  Soma  erworbenen  und  auf  das  Keimplasma 
übertragenen  Eigenschaften. 

Damit  ist  aber  auch  der  Versuch,  den  Zwang  der  Thatsachen  in 
diesem  Sinne  abzuweisen  dadurch,  daß  der  neapolitanischen  Brut  eine 
»größere  erbliche  Anlage  zur  Schwarzfärbung  gegenüber  der  nordeuro- 
päischen«  zugeschrieben  wird,  als  eine  Ausrede  erledigt. 

Aber  geradezu  entzückend  ist  die  andere  Hälfte  des  Versuchs,  durch 
Ausreden  aus  der  Not  herauszukommen,  indem  jetzt  eine  unmittel- 
bare Beeinflussung  des  Keimplasma's  durch  den  Körper  hin- 
durch und  zwar   eine  vererbbare,  erdacht  wird. 

Die  Geschichte  der  Beeinflußbarkeit  des  Keimplasmas  durch    äußere 


1)  S.  -1 6. 


Professor  August  Weismann  und  Vanessa  levana-prorsa.  453 

Einwirkungen    bei   dem    Erfinder    der    Keimplasma-Hypothesen    ist    sehr 
kennzeichnend. 

Zuerst  wurde  jegliche  solche  Beeinflussung  vollkommen  geleugnet. 
Ich  habe  eine  derartige  Isolierung  gerade  der  Keimzellen  darauf  für  ein 
physiologisches  Wunder  erklärt '). 

Später  wurde  unter  dem  Zwang  der  Thatsachen  eine  geringe  Be- 
einflussung durch  die  Außenwelt  zugestanden.  In  der  »Germinalselektion  « 
wird  das  Keimplasma  als  von  der  Ernährung  abhängig  anerkannt,  voll- 
kommen gemäß  meiner  damaligen  Forderung,  aber  nur  zu  einem  beson- 
deren Zweck.  Damit  ist,  wie  früher  hervorgehoben,  die  Vererbung  er- 
worbener Eigenschaften  von  dem  Gegner  derselben  selbst  anerkannt, 
ohne  daß  er  dies  zu  merken  scheint. 

Heute  endlich  oder  vielmehr  gleichzeitig  mit  dieser  letzteren  Ein- 
räumung wird  ein  neuer  Weg  für  die  Vererbung  gefunden,  indem  das 
Keimplasma  durch  den  Körper  hindurch  vererbbare  Veränderungen  er- 
fahren soll,  ohne  daß  dieser  davon  berührt  wird. 

Früher  war  es  ausschließlich  das  vollkommen  zufällige,  durch  ge- 
schlechtliche Mischung  bedingte  Abändern  eines  ewig  unveränderlichen 
Keimplasma's,  welches  der  Auslese  den  Stoß"  liefern  sollte  zu  allen  neuen 
Gestaltungen.  Dabei  hatte  der  Vater  der  Hypothese  freilich  nicht  einmal 
daran  gedacht,  daß  es  eine  ungeschlechtliche  Vermehrung  giebt. 

Dann  wurde  der  Zufall  durch  bestimmt  gerichtete,  aber  gezüchtete 
Entwickelung  ersetzt. 

Heute  werden  eine  Art  —  Röntgenstrahlen  für  die  Vererbung  ver- 
wertet und  so  die  Umbildung  des  Keimplasma  durch  äußere  Einwirkun- 
gen als  ein  maßgebender  Faktor  in  der  Transmutationslehre  wieder 
anerkannt,  wenn  auch  nicht  durch  Vermittelung  des  Soma,  welche  doch 
bei  den  Ausführungen  in  der  »Germinalselektion«  unabweisbar  ist,  wenn 
auch  darüber  dort  geschwiegen  wird. 

Wir  stehen  jetzt  vor  einem  noch  viel  größeren  physiologischen 
Wunder  als  ehemals,  gegenüber  dem  gewiß  verblüffenden  Gedanken,  daß 
die  klimatische  Wärme  durch  den  Körper  des  Tieres  hindurch 
»Schuppendeterminanten  beeinflusse,  so  lange  sie  noch  im  Keimplasma 
der  Fortpflanzungszellen  eingeschlossen  sind«  —  damit  ist  offenbar  ein 
ganz  neues  und  weites  Gebiet  der  Physiologie  eröffnet,  ohne  daß  der 
Entdecker  in  seiner  Bescheidenheit  die  Tragweite  seiner  »Erkenntnis«  auch 
nur  berührt:  die  klimatische  Wärme  wirkt,  ohne  den  übrigen  Körper,  das 
Soma,  zu  beeinflussen,  unmittelbar  auf  das  Keimplasma  und  färbt  dort 
die  Schuppendeterminanten  der  Flügel  schwarz !  —  so  bei  den  Schmetter- 
lingen. Das  ganze  Kapitel  von  der  Eigenwärme  des  Körpers  bedarf 
jetzt  neuer  Behandlung.  Aber  schon  jetzt  geht  uns  ein  Licht  auf  über 
die  Ursache  der  Schwarzfärbung  der  Neger  in  Afrika! 


1    Vgl.  »Entstehung  der  Arten«  I.  S.  13  und  M.  Wilckens:  Vererbung  erworbener 
Eisenschaften  u.  s.  w.  Biolos.  Centralbl.  1893.  .S.  427. 


454        Äußere,  besonders  klimatische  Einflüsse  als  Ursachen  der  Artbildung. 

Doch  genug  —  jetzt  ist  es  wohl  Zeit,  daß  wir  die  wunderlichen 
Erzeugnisse  unseres  »wissenschaftlichen  Gegners«  sich  selbst  und  diesen 
seinem  Ruhm  durch  kritiklose  Bewunderer  überlassen. 


Einlieitliclie  Gesetzmäfsigkeit  iu  der  natürliclien  und  künstliclieu 
Wärme-Umbildung  der  Sclimetterlinge. 

Es  ist  von  vornherein  zu  erwarten,  daß  alle  Versuche,  die  Gestaltung 
der  organischen  Welt  und  ihre  Entstehung  zu  erklären,  verfehlt  sein 
müssen,  sobald  sie  nicht  auf  vollkommen  einheitlicher  Grundlage  beruhen, 
nicht  eine  allgemeine  einheitliche  Gesetzmäßigkeit  zur  Voraussetzung  haben. 

Wir  verlangen  solche  einheitliche  Gesetzmäßigkeit  nicht  nur  für  die 
organische,  sondern  zugleich  für  die  unorganische  Natur. 

Nicht  nur  deshalb  kann  der  Nutzen  unmöglich  das  Maßgebende 
bei  der  Gestaltung  der  Lebewelt  gewesen  sein,  weil  er  ein  ewig  Wech- 
selndes, sie  aber  ein  in  gesetzmäßiger  Folge  Aufgebautes  ist,  sondern 
auch  deshalb,  weil  die  Herrschaft  des  Nutzens  der  gesetzmäßigen  Ein- 
heitlichkeit der  anorganischen  und  der  organischen  Welt  widersprechen 
würde. 

Wenn  ich  nicht  irre,  so  wird  die  Zukunft  den  größten  Wert  der 
von  mir  nachgewiesenen  Gesetzmäßigkeit  der  Umbildung  der  Farbe  und 
Zeichnung  der  Tiere,  insbesondere  der  Schmetterlinge,  finden  in  der  Ein- 
heitlichkeit der  Erscheinungen,  welche  jetzt  mit  Vorgängen  in  der  an- 
organischen Natur  vergleichbar  wird. 

Es  handelt  sich  hier  wie  dort  in  der  Entstehung  gesetzmäßig  ge- 
bildeter Gestaltung  um  neue  Zusammenfügung  gegebener  Stoffteilchen  in- 
folge von  bestimmten  äußeren  Einflüssen.  Nur  ist  diese  Krystallisation 
in  der  organischen  Natur  eine  viel  feinere,  viel  zusammengesetztere,  viel 
mannigfaltigere  infolge  der  feineren  Zusammensetzung  des  organischen 
Stoffes. 

Den  schönsten  Ausdruck  findet  diese  organische  Krystallisation  in 
der  sprungweisen  Entwickelung  bei  den  Schmetterlingen.  Nach 
Maßgabe  derselben  in  der  freien  Natur  wäre  nicht  zu  entscheiden,  ob 
es  sich  dabei  in  dem  und  jenem  Fall  um  plötzliche  neue  Zusammen- 
fügungen der  Teilchen  handelt.  Denn  es  ist  immer  möglich,  daß  da- 
bei überall  die  Endstufen  von  schon  in  der  Puppe  vor  sich  gegangener 
Umbildung  maßgebend  wären,  mit  anderen  Worten,  daß  eine  ganze  Folge 
von  iu  der  stofflichen  Zusammensetzung  des  Tieres  und  dessen  Biogenese 
begründeten  Stufen  bestimmter  Entwickelungsrichtung  schon  im  Puppen- 
körper durchgemacht  würde,  so  daß  der  Falter  wie  sprungweise  in  ganz 
neuem  Kleide  erscheint,  ohne  daß  dieses  im  Grunde  etwas  ganz  Neues 
ist.      Einen    solchen    Fall    zeigt  uns,    wie   besprochen,    offenbar    Vanessa 


Einheitliche  Gesetzmäßigkeit  in  d.  natürl.  u.  i<ünstl.  Wärme-Umbildung  u.  s.  w.     455 

prorsa:  Je  nach  der  individuellen  Konstitution  und  je  nach  dem  Grad 
der  einwirkenden  Wärme  entstehen  aus  prorsa  plötzlich  levana  oder 
Übergangsformen  zu  poriina  oder  solche  zwischen  porima  und  prorsa.  Und 
bei  Kälteeinwirkung  auf  die  von  levana  erzeugte  Brut  bekommen  wir  das 
entsprechende  Ergebnis  im  umgekehrten  Sinne. 

Aber  das  Merkwürdige  ist,  daß  wir  nun  durch  künstliche  Wärme 
oder  Kälte,  wo  immer  Versuche  gemacht  worden  sind,  nur  solche  Um- 
bildungen erzielen,  welche  den  auch  in  der  freien  Natur  herrschenden 
Entwickelungsrichtungen  entsprechen,  allein  auch  solche,  welche  über  das 
in  der  freien  Natur  Vorkommende  weit  hinausgehen  und  zwar  in  plötz- 
licher, sprungweiser  Umbildung.  Hier  handelt  es  sich  um  Neues, 
sprungweise  Gebildetes,  wie  mir  besonders  zahlreiche  soeben  von 
Dr.  C.  FiCKERT  an  Vanessa  polychloros  gezüchtete  Kälteformen  zeigen.  Hier 
kann  es  sich  also  nicht  um  Wiederholung  von  Eigenschaften  einer  Vor- 
fahrenreihe durch  Vererbung  handeln,  auch  nicht  um  das  Wirksamwerden 
irgend  welcher  auf  Anpassung  beruhender,  gezüchteter  Anlagen,  ja 
überhaupt  nicht  um  vorgebildete  »Anlagen«,  mit  welchen  die  Keimplasma- 
Hypothesen  so  eifrig  arbeiten:  alle  die  von  den  verschiedenen  Experimen- 
tatoren durch  Wärme  und  Kälte  hervorgebrachten,  in  der  freien  Natur 
nicht  vorkommenden  und  wohl  niemals  vorhanden  gewesenen  extremen 
Formen^),  wie  sollten  sie  zurückzuführen  sein  auf  irgendwie  »abge- 
stempelte« Ide  oder  auf  Ide,  welche  nur  darauf  gewartet  haben,  bis  ein 
Dr.  FicKERT  kam,  um  sie  durch  Anwendung  einer  Kälte  von  —  14^  C.  zur 
Sammlung  zu  bringen! 

Offenbar  ohne  jede  Vorfahrengeschichte  und  ohne  jede  morphologische 
Voranlage  entstehen  hier  allmählich  oder  auch  sprungweise  ganz  neue 
Formen,  alle  aber  —  und  dies  ist  das  Bemerkenswerteste  —  auf  das 
Peinlichste  nur  in  denselben  Entwickelungsrichtungen  gelegen, 
auf  welchen  auch  sonst  alle  Umbildungen  der  Verwandten  be- 
ruhen, ja  welche  überhaupt  das  letzte  Ziel  der  Umbildung  sind.  So 
entsteht  bei  Vanessa  iirticae  durch  große  Kälte  nach  Durchlaufen  der 
verschiedensten  Stufen  von  Verschmelzen  und  sich  Ausbreiten  der  Grund- 
bindenreste und  Ausbreitung  des  Innenfeldes  {Hinterflügel  oben  und  unten, 
Vorderflügel  unten)  zuletzt  fast  schwarze  Einfarbigkeit!  Ja  diese  ganz 
künstlichen  Formen  zeigen  ganz  dieselbe  Stufenfolge  der  Um- 
bildung auf  den  Flügelflächen  wie  die  natürlichen! 

Überall,  in  der  freien  Natur  w^ie  bei  künstlichen  Ver- 
suchen herrscht  ganz  dieselbe  orthogenetische  Gesetzmäßig- 
keit. 

Diese  Thatsache  weist,  wie  gesagt,  alle  jene  ausgeklügelten  auf  der 
Annahme  etwa  gar  gezüchteter  Keimanlagen  beruhenden  Iden-  und  Deter- 
minanten-Hypothesen allein  vollkommen  zurück  und  setzt  an  ihre  Stelle 
den  Satz,    daß   es   sich   in    den    durch    die  klimatischen  Einflüsse  ebenso 


1)  Vgl.  auch  Standfuss  vorn  S.  4H   und   hinten  die  »Besonderen  Anmerkungen«. 


456        Äußere,  besonders  klimatische  Eintlüsse  als  Ursachen  der  Artbilduntj;. 

wie  durch  Einwirkung  künstlicher  Wärme  und  Kälte  auf  die  Entwickelung 
hervorgerufenen  Umbildungen  handeln  muß  um  den  Ausdruck  physikalisch- 
chemischer Veränderungen  im  Plasma,  welche  ganz  so  wie  irgend  ein 
physikalisch-chemischer  Prozeß  durch  Wärme  oder  Kälte  oder  auch  durch 
irgend  einen  anderen  Anstoß  in  ganz  derselben  Weise  hervorgerufen 
werden,  wie  Krystallisationen  oder  neue  chemische  Verbindungen  in  der 
anorganischen  Natur. 

Denn  der  Ausdruck  »organische  Krystallisation «  oder  »kaleido- 
skopische Umbildung« ,  welcher  nur  eine  neue  Anordnung  vorhandener 
Teilchen  im  physikalischen  Sinne  voraussetzt,  deckt  offenbar  nicht  alle 
Vorgänge.  Es  muß  sich  teilweise  auch  um  Entstehung  neuer  chemischer 
Verbindungen  als  Ursache  der  neuen  Gestaltung  handeln:  Wärme  und 
Kälte  sind  nicht  nur  Anreize,  welche  etwas  auslösen,  sondern  sie 
erzeugen    offenbar  teilweise  auch  neue  Gestaltung. 

So  beruhen  die  neuen  Farben,  z.  B.  die  oft  sehr  erhebliche  Zunahme 
von  Schwarz  augenscheinlich  auf  Neubildung. 

Andererseits  wird  die  Bedeutung  äußerer  Einwirkungen  als  Aus- 
lösungsreize der  Umbildung  durch  eine  höchst  wichtige  Thatsache  be- 
leuchtet, für  die  bis  jetzt  nur  sehr  wenige  Anhaltspunkte  vorliegen, 
welche  aber  weiter  zu  verfolgen  mein  nächstes  Ziel  sein  wird:  es 
scheint,  daß  ganz  verschiedene  Einwirkungen  auf  die  verschiedensten 
Entwickelungszustände  im  Leben  unserer  Schmetterlinge  ganz  dieselben 
Umbildungen  in  Farbe  und  Zeichnung  hervorrufen,  wie  sie  durch  Ein- 
wirkung von  Wärme  und  Kälte  auf  die  Puppen  erzielt  werden.  So  be- 
stehen, soweit  ich  nach  den  mir  vorliegenden  Thatsachen  bis  jetzt  schließen 
kann,  die  Veränderungen,  welche  u.  a.  Fütterung  der  Baupen  von  Eiiprepia 
Caja  mit  verschiedenem  ungewöhnlichem  Futter  an  Farbe  und  Zeichnung 
hervorbringt,  in  ganz  denselben  orthogenetisch  gesetzmäßigen  Verwachsun- 
gen und  anderen  Veränderungen  der  Grundbinden,  die  mir  als  Fol^e 
jener  Einwirkungen  bekannt  sind.  Auf  ein  ähnliches  Verhältnis  weisen 
die  Ergebnisse  der  Versuche  mit  Einwirkung  von  farbigem  Licht  auf  die 
Puppen  hin ,  und  die,  welche  E.  Fischer  mit  minutenlangem  Schvsingen 
der  Puppen  von  Vanessen  gemacht  hat'). 


1)  Vgl.  »Besondere  Anmerkungen«. 


Zusammenfassung  einiger  wichtiger  Ergebnisse. 

Im  Folgenden  will  ich  einige  wichtige  Ergebnisse  der  vorliegenden 
Arbeit  nach  dem  Inhalt  der  einzelnen  Abschnitte  zusammenstellen,  um 
deren  Übersicht  zu  erleichtern,  nicht  um  den  Inhalt  zu  erschöpfen.  Das 
Wichtigste,  die  Einzelheiten,  auf  welche  ich  mich  stütze,  die  Beweise 
für  die  Gesetzmäßigkeit  der  Umbilduns.  die  Thatsachen  dieser  selbst, 
sie  müssen  im  Vorstehenden  verfolgt  werden.  Die  zwei  ersten  Abschnitte 
bedürfen  einer  besonderen  Zusammenfassung  nicht.  Der  erste  enthält  in 
der  Leydener  Rede  die  Zusammenfassung  der  wichtigsten  Sätze  meiner 
Lehre,  der  zweite  bildet  für  sich  ein  Ganzes.  Ich  beginne  also  mit 
dem  dritten  Abschnitte  und  verweise  im  Übrigen  auf  die  »Besonderen 
Anmerkungen«. 


Zum  dritten  Abschnitt. 

Die  von  mir  bei  den  Papilioniden  beschriebene  elffache  Längsstrei- 
fung  ist  die  Grundzeichnung  aller  Schmetterlinge,  sowohl  der  Rhopalo- 
ceren  wie  der  Heteroceren  und  Mikrolepidopteren.  Alle  und  jede  Zeich- 
nung der  Schmetterlingsflügel,  mag  sie  von  ihr  noch  so  verschieden  sein, 
ist  auf  sie  zurückzuführen.  Die  Grundzeichnung  ist  vielfach  erhalten  bei 
Nymphaliden,  Lycaeniden,  Satyriden,  Eryciniden,  Morphiden  wenigstens 
auf  der  Unterseite,  während  die  Oberseite  meist  zu  höherer  Zeichnung, 
bezw.   zur  Einfachheit  vorgeschritten  ist. 

Alle  Umbildung  geht  vor  sich  oder  ist  augenscheinlich  vor  sich  ge- 
gangen auf  Grund  bestimmter  Entwickelungsrichtungen,  welche  zur  Ent- 
stehung bestimmter  Zeichnungstypen  geführt  haben. 

Alle  diese  Umbildung  geschieht  oder  geschah  vollkommen  unab- 
hängig vom  Nutzen ;  nirgends  ist  wenigstens  bei  Tagschmetterlingen  dabei 
irgend  etwas  Maßgebendes  als  Wirkung  von  Zuchtwahl  zu  erkennen  und 
ist  überhaupt  in  der  ungeheueren  Mehrzahl  der  Fälle  kein  Gedanke  daran, 
daß  irgend  eine  Anpassung  bestehe. 

Auch  die  Zeichnung  der  sogenannten  Blattschmetterlinge,  die  Blatt- 
rippung  derselben,  entsteht  überall  auf  Grund  bestimmt  gerichteter  Ent- 
wickelung  aus  jenen  Grundbinden. 


458  Zusammenfassung  einiger  wichtiger  Ergebnisse. 

Die  Blattgestalt  der  Flügel  und  damit  im  Zusammenhang  die  Um- 
lagerung  von  Grundbinden  zu  »Blattrippen«  entsteht  durch  verschieden- 
starkes in  die  Breite  Wachsen  der  einzelnen  Teile  der  äußeren  Flügel- 
fläche, bezw.  des  Flügelrandes  im  Räume  zwischen  einzelnen  Grundbinden 
unter  sich  und  gegenüber  den  inneren  Teilen  des  Flügels.  Dadurch  ent- 
fernen sich  die  betreifenden  Grundbinden  außen  und  nähern  sich  innen. 

Auf  diese  Weise  vereinigt  sich  z.  B.  auf  den  Vorderflügeln  Binde  HI 
mit  dem  hinteren  Teil  der  Binde  IV  zu  der  in  die  Blattspitze  gehenden 
Mittelrippe,  während  der  vordere  Teil  der  Binde  IV  als  erste  vordere 
Seitenrippe  nach  innen  abbiegt. 

So  ist  ungleiches  Wachsen  der  Flügelteile  auch  sonst  überall 
Ursache  der  Verlagerung  und  Veränderung  der  Zeichnung. 

Die  Sommer-  und  die  südlichen  Formen  von  Tagfaltern  gegenüber 
von  ihren  nördlich  auf  unserer  Erdhälfte  lebenden  Verwandten,  ferner  die 
Versuche  mit  künstlicher  Einwirkung  von  Wärme  und  Kälte  auf  die 
Entwickelung  zeigen,  dass  solche  Wachstumsveränderungen,  welche  sich 
besonders  am  vorderen  Fiügelrande,  aber  auch  im  Übrigen  geltend  machen, 
Folge  klimatischer  Einflüsse  sein  müssen. 

Die  Entstehung  der  Blattähnlichkeit  erfolgt  also  auf  Grund  bestimmter 
Wachstumsgesetze  und  hat  mit  dem  Nutzen  gar  nichts  zu  thun. 

Es  ist  aber  in  höchstem  Grade  fraglich,  ob  die  Blattähnlichkeit,  auch 
wenn  sie  ausgebildet  ist,  in  irgend  wesentlicher  Weise  dem  Schutze 
dient.     Dies  aus  folgenden  Gründen: 

1)  Die  Blattähnlichkeit  ist  gerade  bei  den  hervorragendsten  Blatt- 
schmetterlingen wie  bei  Kallima  paralecta  und  bei  Anaeen  an  einer  großen 
Anzahl  von  Faltern  oder  bei  allen  in  Rückbildung  begriffen. 

2)  Bei  anderen  und  zwar  bei  zahlreichen  Arten  ist  sie  nur  auf  den 
Vorderflügeln  in  Rückbildung  begriffen  oder  zurückgebildet,  so  daß  nur 
die  Unterseite  der  Hinterflügel  ein  halbes  Blatt  darstellt  wie  bei  Kallima 
rumia  u.  a.  Bei  vielen  hat  die  Unterseite  der  Vorderflügel  sogar  glän- 
zende Farben  und  andere  Zeichnung  erlangt,  welche  von  der  Oberseite 
her  übertragen  worden  sind.     So  bei  Corades  Enyo. 

3)  Gerade  die  ausgezeichnetsten  Blattschmetterlinge  wie  Kallima 
paralecta^  DoleschaUia  polibete,  ändern  ganz  außerordentlich  ab,  so  zwar, 
daß  nur  eine  verhältnismäßig  geringe  Zahl  derselben  vollkommene  Blatt- 
ähnlichkeit hat,  andere  aber  derseft>en  in  der  Zeichnung  vollkommen 
entbehren,  indem  diese  verwischt  oder  sogar  entgegen  der  Blattähnlich- 
keit auffallend  geworden  ist. 

4)  Es  giebt  »Blattschmetterlinge«,  deren  Seitenrippen  auf  einer  Flügel- 
hälfte umgekehrt  gerichtet  sind,  als  auf  der  anderen,  also  mit  verkehrten 
Blattrippen,  dann  solche,  bei  welchen  die  ihnen  entsprechenden  Zeich- 
nungen ganz  verschoben,  verrückt  sind  [Caerois  chorineus) ,  so  daß  von 
Blattähnlichkeit  nicht  die  Rede  ist.  Alles  dies  entsteht  durch  eigenartiges 
Wachsen  einzelner  Teile  der  Flügelfläche.  Bei  Coenophlebia  Archidona 
endlich  hat  der  Blattstiel,  indem  er  nach  vor-  und  aufwärts  gerichtet  ist, 


Zusammenfassung  einiger  wichtiger  Ergebnisse.  459 

eine    Stellung,    welche  das    Blatt  kaum  je   zu    schützender    Verwertung 
wird  bringen  können. 

5)  V^iele  Falter  haben  blattähnliche  Gestalt  und  blattrippenartige  Zeich- 
nung, während  durch  ihre  leuchtende  Farbe  alle  Vortäuschung  eines 
Blattes  aufgehoben  ist. 

6)  Wie  es  zahllose  Rückbildungen  der  Blattähnlichkeit  auf  einer 
oder  auf  beiden  Flügelhälften  giebt,  so  giebt  es  zahllose  Falter,  welche  alle 
möglichen  Übergänge  zur  Blattähnlichkeit  zeigen,  indem  sie  wieder  auf  einer 
der  beiden  Flügelhälften  zu  einer  gewissen,  aber  nur  zu  unvollkommener 
Blattähnlichkeit  gediehen  sind,  einer  Blattähnlichkeit,  welche  abermals 
durch  irgend  welche  Eigenschaften  gestört  sein  kann.  So  sind  z.  B.  unter 
den  Nymphaliden  alle  möglichen  Übergänge  zur  Blattähnlichkeit  zu  er- 
kennen. Blattunähnlichkeit  wird  oft  z.  B.  dadurch  bedingt,  daß  statt 
einer  Blattmittelrippe  noch  zwei  oder  drei  ihr  parallellaufende  Grund- 
binden vorhanden  sind. 

7)  Die  Häufigkeit  solcher  Annäherung  an  Blattähnlichkeit  beruht  be- 
sonders darauf,  daß  diejenigen  Grundbinden,  welche  Blattrippen  her- 
stellen, insbesondere  Binde  lll  und  IV,  welche  die  xMittelrippe  bilden, 
oder  IV,  welche  sie  allein  bilden  kann,  bei  den  verschiedensten  Faltern 
eine  ganz  besondere  Rolle  spielen,  eine  Rolle  die  sich  bis  auf  Klein- 
schmetterlinge erstreckt,  wo  von  Blattähnlichkeit  keine  Rede  mehr  ist. 

8)  Das  Schutzbedürfnis  ausgesprochener  Blattschmetterlinge  muß  an- 
gezweifelt werden,  wenn,  wie  berichtet  wird,  z.  B.  Kallima  Inachis  sich 
an  Gegenstände  setzt,  an  welchen  sie  von  weitem  her  sichtbar  ist,  und 
wenn,  wie  gezeigt  wurde,  die  zur  Auslese  vorausgesetzte  Verfolgung  der 
Schmetterlinge  durch  Vögel  für  dieselbe  gar  keine  irgend  maßgebende 
Bedeutung  hat. 

Zum  vierten  bis  siebenten  Abschnitt. 

Wie  die  Blattähnlichkeit  nicht  durch  Auslese  entsteht,  sondern  auf 
Grund  bestimmter  Wachstumsvorgänge  am  Flügel,  so  entstehen  bei  zahl- 
losen gar  nicht  verwandten  Faltern  auf  Grund  gesetzmäßiger  Umbildung 
von  Farbe,  Zeichnung  und  Flügelgestalt  oft  wunderbare  Ähnlichkeiten, 
welche  man  bisher  ohne  weiteres  auf  durch  Auslese  entstandene  Ver- 
kleidung (Mimicry)  bezogen  hat. 

Es  handelt  sich  dabei  aber  nicht  um  Anpassung,  nicht  um  Verklei- 
dung, sondern  um  den  Ausdruck  unabhängiger  Entwickelungsgleichheit, 
Homoeogenesis  oder  aber  darum,  daß  durch  verschiedene  Mittel,  auf 
verschiedenen  Wegen  äußere  Ähnlichkeit  entstanden  ist:  Heterhodo- 
genesis. 

Die  Häufigkeit  dieser  Ähnlichkeitsbeziehungen  rührt  daher,  daß  es 
nur  verhältnismäßig  wenige  Entwickelungsrichtungen  giebt,  nach 
welchen  Umbildungen  von  Farbe  und  Zeichnung  der  Schmetterlinge  er- 
folgen, auf  welche  alle  Gestaltungen  derselben  zurückzuführen  sind.  Die 
Ursache    dieser  Beschränkung   liegt   aber  wiederum   wohl  darin,    daß  es 


460  Zusammenfassung  einiger  wichtiger  Ergebnisse. 

überall  die  elementaren  äußeren  Einwirkungen  von  Klima  und  Nahrung 
auf  die  Konstitution  sind,  welche  die  Umbildungen  hervorrufen. 

Für  die  Gestaltung  der  Umbildung  zu  solcher  Ähnlichkeit  sind,  wie 
sonst,  außer  der  allmählichen  überall  wesentlich  maßgebend  kaleido- 
skopische und  sprungweise  Entwickelung. 

Es  handelt  sich  auch  hier  stets  um  den  Ausdruck  der  gewöhnlichen 
Entwickelungsrichtungen,  für  welchen  vielfach  wieder  die  Flügelgestalt 
maßgebend  ist  (Querstreifung  bei  Libellen-Flügelform,  hinten  spitzwinkliges 
Zusammentreten  der  Grundbinden  u.  a.),  und  zuletzt  um  gesetzmäßiges 
Fortschreiten  zur  Vereinfachung  (schwarzer  oder  heller  Einfarbigkeit). 

Dass  den  in  Rede  stehenden  Ähnlichkeiten  nicht  durch  Anpassung 
entstandene  Verkleidung  zu  Grunde  liegt,  eine  Ansicht,  welche  in  be- 
sonders hervorragender  Weise  auch  Fritz  Mlller  vertrat,  sondern  um 
auf  gesetzmäßiger  Umbildung  beruhende  unabhängige  Entwickelungs- 
gleichheit  oder  Entwickelungsähnlichkeit,  wird  bewiesen  durch  Folgendes : 

1)  eben  durch  die  Thatsache,  daß  beide  ähnliche  Formen  stets  den 
Ausdruck  weit  verbreiteter  Entwickelungsrichtungen  darstellen; 

2)  daß  weitaus  die  meisten  derselben  ohne  jede  biologische  Be- 
ziehung sind  und  oft  in  ganz  entfernten  Gebieten  leben; 

3)  daß  vielfach  nur  das  eine  Geschlecht  sogenannten  geschützten 
Faltern  ähnlich  ist  und  zwar  das  weibliche,  und  daß  dies  sich  einfach 
erklärt  durch  Stehengebliebensein  der  Weibchen  auf  tieferer  Stufe  der 
Entwickelung  (es  blieben  also  dann  auch  die  »Geschützten«  auf  tieferer 
Stufe  stehen,  die  Männchen  aber  hätten  den  Schutz  aufgegeben!); 

4)  daß  bei  einer  und  derselben  Art  verschiedene  Varietäten  vor- 
kommen können,  welche  Stufen  fortschreitender  Entwickelung  darstellen, 
deren  vorgeschrittenste  in  den  betreffenden  Gebieten  oder  überhaupt  gar 
keine   »Vorbilder«   haben  [Merope]] 

5)  daß  die  Nachahmer  in  den  scheinbar  nachgeahmten  Eigenschaften 
zuweilen  über  die  Vorbilder  hinausgehen; 

6)  daß  in  ganz  verschiedenen  Gebieten  lebende  ungeschützte  Arten 
einander  fernstehender  Familien  sich  oft  viel  ähnlicher  sind ,  als  »ge- 
schützte« in  denselben  Gebieten  lebende; 

7)  daß  manche  Falter  auf  ihrer  Unterseite  der  Oberseite  der 
»geschützten«  ähnlich  sind,  bezw.  hier  dieselbe  Entwickelungsstufe  er- 
reicht haben,  nicht  auf  der  Oberseite; 

8)  daß  manche  nur  auf  einem  Flügelpaar  dieselben  Eigenschaften 
haben,  welche  die  »geschützten«  auf  beiden  tragen,  auf  dem  anderen 
aber  zuweilen  sogar  auffallend,  z.  B.   einfarbig  gefärbt  sind; 

9)  daß  gerade  die  »geschützte«  Familie  der  Danaiden  die  allerver- 
schiedensten  Entwickelungstypea  zeigt; 

10)  daß  sogar  Kleinschmetterlinge  bis  in  das  Einzelnste  hinein  um 
ein  Vielfaches  größeren  Großschmetterlingen  auf  das  Vollkommenste  ähn- 
lich sind,  denen  gegenüber  jede  »Nachahmung«,  ja  jedwede  biologische 
Beziehung  ausgeschlossen  ist; 


Zusammenfassung  einiger  wichtiger  Ergebnisse.  461 

H)  daß  noch  unendlich  viel  mehr  Ähnlichkeiten  von  Faltern  ohne 
Möglichkeit  biologischer  Beziehungen  aufzustellen  sein  würden,  wenn 
nicht  Verschiedenheit  der  Farben  für  den  äußeren  Eindruck  maßgebend 
wäre ; 

12)  daß  »Geschützte«  wie  »Nachahmende«  überall  unweigerlich  nach 
den  srewöhnlichen  Entwickelunssrichtunsen  sich  gebildet  haben  müssen 
und  weiter  verändern,  deren  Endziel  Einfarbigkeit  ist,  selten  in 
heller    Pieriden  ,  meist  in  schwarzer  Farbe; 

13)  daß  sich  die  »Verkleidung«  in  vielen  Fällen  nachweisbar  zurück- 
gebildet hat,  mit  Hinterlassung  von  Resten  {Perrhybris ,  Dismorphien) 
oder  ganz  geschwunden  ist,  zuweilen  mehr  im  männlichen  Geschlecht 
[Perrhybris); 

14)  daß  vielfach  die  scheinbar  Nachahmenden  ebenso  geschützt  sind 
wie  die  »Nachgeahmten« ,  in  gleicher  Weise  wie  unter  sich  ähnliche 
Falter  ungeschützt  sein  können; 

15)  daß  die  so  oft  ins  kleinste  Einzelne  gehenden  Ähnlichkeiten 
zwischen  »geschützten«  und  ungeschützten  Formen  zur  Täuschung  über- 
haupt nicht  nötig  wären,  ja  daß  sie  in  ihren  ersten  Anfängen  und  in  den 
ersten  Stufen  ihrer  weiteren  Ausbildung  insbesondere  im  Fluge  von  etwa 
verfolgenden  Vögeln  unmöglich  gesehen  werden  können; 

16)  daß  sonach  Auslese  schon  wegen  der  Art  der  Entstehung  und 
der  ersten  Stufen  der  Umbildung  neuer  Eigenschaften  wie  überall  so 
auch  hier  vollkommen  ausgeschlossen  ist; 

1 7)  daß  die  ganze  Mimicry-Lehre  von  Bates  für  Schmetterlinge  über- 
haupt ohne  jeden  ernsten  thatsächlichen  Beweis  aufgestellt  worden  ist 
und  daß  solche  Beweise  auch  seitdem  nicht  beigebracht  wurden; 

18)  daß  —  und  damit  fällt  die  ganze  eigentliche  Grundlage  der 
Theorie  —  noch  Niemand,  sei  es  in  den  Tropen,  sei  es  bei  uns, 
eine  mehr  als  ausnahmsvA^eise  Verfolgung  von  Tagschmetterlingen  durch 
Vögel  beobachtet  hat,  so  dass  von  einem  umgestaltenden,  auslesenden 
Kampf  ums  Dasein  der  ersteren  gegenüber  den  letzteren  überhaupt  keine 
Rede  sein  kann  —  ebensowenig  kann  davon  bei  ihnen  gegenüber  von 
anderen  Tieren  jedenfalls  während  des  Fluges  die  Rede  sein; 

19)  daß  in  den  Tropen,  wo  solche  Verfolgung  beobachtet  worden 
ist,  die  Vögel  ebenso  »geschützte«  wie  ungeschützte  Falter  geraubt  haben. 


Ein  Beispiel  von  hochgradiger  Ähnlichkeit,  ohne  daß  Ungenießbarkeit 
der  einen  Form  nachgewiesen  wäre,  liefern  die  Uraniide  Xyctalemon 
Agathyrsus  und  Papilio  Alcidinus. 

Wenn  solche  ähnliche  Falter  zusammenfliegen,  so  braucht  sich  dies 
keineswegs  auf  ein  Schutzverhältnis  zu  beziehen,  sondern  es  kann  das 
Zusammenfliegen  geschehen  nach  dem  Erfahrungssatze  »Gleich  und  Gleich 
gesellt  sich  gern«.  Die  Ähnlichkeit  selbst  aber  kann  mit  auf  gleich- 
artigen äußeren  Verhältnissen  beruhen.     Sie  ist  nach  meiner  Auffassung 


462  Zusammenfassung  einiger  wichtiger  Ergebnisse. 

auch  hier:  Pseudo-Miinicry  und  als  solche  einfach  der  Ausdruck  von 
unabhängiger  Entwickelungsgleichheit ,  Homoeogenesis.  Aga- 
thyrsus  und  Alcidmus  bieten  eines  der  wunderbarsten  Beispiele  derselben. 
Es  giebt  aber,  wie  schon  erwähnt,  nicht  weniger  wunderbare  zwischen 
Groß-  und  Kleinschmetterlingen,  wo  die  verschiedene  Größe  und  der 
Mangel  jeder  biologischen  Beziehung  jeden  Gedanken  an  Verkleidung 
ausschließt.     Ein  Beispiel  bieten   Tinea  pronubella  und  Agrotis  pronuba. 

Im  Übrigen  weise  ich  noch  besonders  hin  auf  die  Abbildungen  pseudo- 
mimetischer  Falter  auf  S.  133,  141,  143,  147  u.  a. 


Wenn  Falter  sich  auf  einen  Untergrund  setzen,  welchem  sie  ähnlich 
sind,  so  bietet  dies  nicht  den  geringsten  Anhalt  für  die  Annahme,  daß 
die  Ähnlichkeit  durch  Auslese  im  Kampf  ums  Dasein  entstanden  sei.  Es 
fragt  sich  vielmehr,  ob  solche  Ähnlichkeiten  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  nicht  auf  unmittelbarer  Einwirkung  der  Beleuchtung  des  Unter- 
grundes beruhen,  und  zum  Anderen,  ob  die  Falter  sich  nicht  auf  den 
ihnen  ähnlichen  Untergrund  begeben,  weil  sie  dort  geschützt  oder  doch 
weniger  gestört  sind.  Dabei  mögen  sie  sogar  entsprechende  Gewohn- 
heiten annehmen,  wie  die  Ageronien  mit  ihrer  Flügelhaltung. 

Auch  Wall.vce  und  in  beschränktem  Sinne  Bates  nahmen  örtliche 
Ursachen  für  Ähnlichkeit  an. 

Es  handelt  sich  dabei  um  durch  äußere  Einwirkungen  angeregte 
Entwickelungsrichtungen. 

Dieser  gesetzmäßigen  Entwickelungsrichtungen  sind  thatsächlich 
überall  nur  wenige,  wogegen  Darwin  zufälliges  Abändern  nach  allen 
Richtungen  annimmt.  Der  Darwinismus  braucht  das  letztere  unbedingt, 
weil  er  zu  jeder  Zeil  die  verschiedensten  Variationen  für  die  Auslese 
bereit  haben  muß.  Mit  der  Zurückweisung  des  zufälligen  Abänderns 
nach  den  verschiedensten  Richtungen  ist  dem  Darwinismus  allein  schon 
die  wesentlichste  Grundlage  entzogen. 

Darwin's  stufenweise  Abänderungen. 

Darwin  erklärt  nirgends  die  Entstehung  nützlicher  Eigenschaften. 

Darwin's  Berührung  sprungvveiser  Entvvickelung. 

Brunner  von  Wattenwyl's  Hypertelie. 


Zum  achten  Abschnitt. 

Es  besteht  eine  bestimmte  Zeichnungs-  und  Farbenfolge  zwischen 
unten  und  oben,  hinten  und  vorn  auf  den  Schmetterlingsflügeln.  Zeich- 
nung und  Farbe  gehen  dabei  Hand  in  Hand. 

Gleichstufigkeit,  d.  i.  annähernde  Gleichheit  unten  und  oben  kommt 
vor  a)  auf  ganz  niederer,  b)  auf  sehr  hoher  Stufe  der  Ausbildung. 

Verschiedenstufigkeit 

Übertragung  von  oben  nach  unten  (vorn)  und  umgekehrt. 


Zusammenfassung  einiger  wichtiger  Ergebnisse.  463 

Postero-anteriore,  infero-superiore  Umbildung. 

Divergierende  Entwickelung. 

Zusammenhang  der  Zeichnung  mit  der  Flügelgestalt. 

Die  ganze  Umbildung  führt  zur  Gleichstufigkeit  und  zuletzt  zu  bei- 
derseitiger Einfarbigkeit  und  zwar  schwarz  oder  weiß. 

Diese  Umbildung  zur  Einfachheit  ist  ein  allgemeines  Ge- 
setz. Sie  allein  weist  alle  Auslese,  sei  sie  natürliche  oder  geschlechtliche, 
zurück. 

Farbenfolge.  Die  Unterseite  trägt  meist  eine  tieferstehende  Farbe  und 
auch  sonst  gelten  für  die  Farbe  dieselben  Gesetze  wie  für  die  Zeichnung. 

An  einem  Falter  sind  vorherrschend  nur  gewisse  Farben  vereinigt. 
Ebenso  zeigen  verwandte  Arten  und  Familien  verwandte  Farben  der 
Farbenfolge. 

Verschiedenstufige  Entwickelung  stört  bei  Farbe  wie  bei  Zeichnung 
häufig  die  Gesetzmäßigkeit. 

Gewisse  Zeichnungen,  wie  Vorderflügel-Eck-  und  Schrägbänder-Zeich- 
nung bleiben  auf  tieferer  Farbenstufe  stehen,  hinken  nach  in  der  Aus- 
bildung der  Farben. 

Ursache  der  Gleichstufigkeit  hochstehender  Falter,  so  der 
Heliconiden:  die  Unterseite,  welche  sonst  auf  tieferer  Stufe  der  Ausbil- 
dung steht,  hat  die  Stufe  der  Oberseite  erreicht,  während  diese  stehen 
geblieben  ist.  Solche  hohe  Gleichstufigkeit  kommt  nicht  nur  bei  >ge- 
schützten«   Faltern  vor. 

Dieselbe  kann  auch  durch  Rückbildung  von  Zeichnung  und  Farbe 
nahezu  oder  ganz  erreicht  werden  (Pieriden  . 

Die  Einfachheit  vieler  Pieriden  in  Farbe  und  Zeichnung  beruht  auf 
Rückbildung.  Rei  einzelnen  Arten  finden  sich  noch  Reste  höherer  Zeich- 
nung und  Farbe  auf  der  Unterseite,  so  beim  (^  von  Perrhybris  Lorena 
und  Pijrrha. 

Die  Ausbildung  der  Gleichstufigkeit  der  höchststehenden  Falter  be- 
seitigt auch  den  Geschlechts-Dimorphismus,  indem  bei  sehr  vorgeschritte- 
nen Faltern  wie  Danaiden,  Heliconiden,  Hesperiden  überhaupt  fast  kein 
Geschlechts -Dimorphismus  mehr  vorkommt,  aus  dem  Grunde,  weil  in 
beiden  Geschlechtern,  auch  in  dem  sonst  meist  tieferstehenden  weib- 
lichen, die  zur  Zeit  möglichen  höchsten  Eigenschaften  erreicht  wor- 
den sind. 

Ursachen  verschiedener  Zeichnungs-  und  Farbenfolge. 
Sonnenlicht  und  Sonnenwärme.  Die  Farbenfolge  ist  der  notwendige 
Ausdruck  ganz  bestimmter  physikalisch-chemischer,  unter  dem  Einfluß 
von  Licht  und  Wärme  entstehender  Veränderungen  auf  Grund  organi- 
schen Wachsens. 

Kumulative  Wirkung  der  Sonne. 

Die  geographische  Verbreitung  und  die  künstlichen  Temperaturver- 
suche wiederholen  die  Farbenfolge,  letztere  wenigstens  in  bestimmten 
Fällen,    und  geben  so  den  Reweis  für  die  Richtigkeit   obiger  Auffassung. 

Andere  Ursachen  der  Farben.  Sympathische  Färbung  (Farbenpho- 
tographie). 


464  Zusammenfassung  einiger  wichtiger  Ergebnisse. 


Zum  neunten  Abschnitt. 

Der  Geschlechts-Dimorphismus  beruht  auf  dem  Übergewicht  des  einen 
Geschlechts,  meist  des  männlichen,  insofern  als  dieses  um  eine  oder 
sprungweise  um  mehrere  Stufen  in  der  gegebenen  Entwickelungsrich- 
tung  in  Farbe  und  Zeichnung  vorgeschritten  ist,  und  zwar  häufig  der- 
selben, welche  verwandte  hüher  stehende  Arten  kennzeichnen  (männ- 
liche orthogenetische  Präponderanz). 

Das  Weib  hat  oft  auf  der  Oberseite  Zeichnung  und  Farbe,  welche 
der  Mann  auf  der  Unterseite  hat. 

Der  sprungweise  Geschlechts-Dimorphismus  beruht  auf  kaleidosko- 
pischer Korrelation:  er  ist  Ausdruck  neuer  chemischer  Verbindungen  oder 
physikalischer  Zusammenstellungen  der  Teilchen  des  Organismus,  welche 
auf  kleinste  Anreize  erfolgen  können,  aber  stets  nur  in  den  bekannten 
Entwickelungsrichtungen  in  Farbe  und  Zeichnung.  (Jene  Anreize  sind 
offenbar  die  gewöhnlichen,  aber  es  muß,  wie  früher  in  Beziehung  auf 
Turnus  Glaucus  hervorgehoben  wurde ,  das  eine  Geschlecht  empfind- 
licher gegen  dieselben  sein,  wenn  sie  Geschlechts-Dimorphismus  her- 
vorrufen.) 

Der  Geschlechts -Dimorphismus  giebt  wiederum  Veranlassung  zu 
Pseudo-Mimicry,  indem  die  in  ihm  vertretenen  Eigenschaften  oft  auch 
diejenigen  fernstehender  Arten  sind. 

Divergierender  Geschlechts-Dimorphismus. 

Das  Endergebnis  der  Umbildung  ist  auch  hier  überall  Einfarbigkeit 
und  zwar  meist  düstere,  schwarze. 

Fälle  von  weiblicher  Präponderanz.  Beispiele  für  Farben-  und  Zeich- 
nungsfolge. 

Bedeutung  der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  für  die  Umbil- 
dung der  Schmetterlinge  und  besonders  für  den  Geschlechts- 
Dimorphismus. 

Darwin  über  geschlechtliche  Zuchtwahl  bei  Schmetterlingen :  da  es 
nach  ihm  unmöglich  ist  anzunehmen,  dass  die  glänzenden  Farben  von 
Tagschmetterlingen  und  einigen  wenigen  Nachtfaltern  zum  Zweck  des 
Schutzes  erlangt  worden  seien,  kommt  er  auf  die  Vermutung,  daß  die 
Weibchen  im  Allgemeinen  die  glänzender  gefärbten  Männchen  vorziehen. 
Eingestandene  Schwierigkeiten  dieser  Erklärung.  Widerlegung  der  letzteren: 

1)  Die  Männchen  gehen  in  der  Regel  in  Schönheit  voran;  sie  aber 
sind  die  Angreifenden  bei  der  Begattung,  nicht  die  Weibchen  die  Aus- 
wählenden. 

21)  Die  Umbildung  von  Farbe  und  Zeichnung  führt,  wie  gesagt,  zur 
Einfachheit,  zur  Einfarbigkeit  in  düsterer  Farbe,  besonders  Schwarz  oder 
Weiß.  Schon  deshalb  kann  irgend  welche  Auslese  im  Sinne  der  Schön- 
heit unmöglich  maßgebend  sein. 

3)  Die  erst  im  Beginn  der  Ausbildung  befindlichen  kleinsten  neuen 
Eigenschaften   und    deren    anfängliche   Weiterentwickelung    können   nicht 


Zusammenfassung  einiger  wichtiger  Ergebnisse.  465 

Gegenstand    der   Auslese  bei    der   Begattung   sein.     Sie   werden  bei  der 
Verfolgung  überhaupt  gar  nicht  gesehen. 

4)  Die  Veränderungen  der  so  häufig  erfolgenden  sprungweisen  Um- 
bildung können  unmöglich  durch  geschlechtliche  Zuchtwahl  hervorgerufen 
worden  sein. 

5)  Die  Häufigkeit  des  Geschlechts-Dimorphismus  zeigt  die  große  Be- 
deutung der  Amiktogenesis:  die  selbständige  Fortentwickelung  beider 
Geschlechter  ist  wiederum  mit  geschlechtlicher  Zuchtwahl  nicht  ver- 
einbar. 

Darwin  und  Übergewicht  des  einen  Geschlechts. 
Darwin  und  sprungweise  Entwickelung. 

Wallace  gegen  Darwin's  geschlechtliche  Zuchtwahl.  Seine  Kraftfarben- 
und  Wiedererkennungs-Theorie.    Einwände  gegen  letztere. 

Die  Entstehung  der  Augenzierden  bei  Schmetterlingen.  Sie 
erfolgt  überall  gesetzmäßig  aus  bestimmten  Grundbinden,  meist  aus 
Binde  IIl,  in  den  Anfängen  durch  Zerfall  derselben,  dann  durch  kompen- 
satorische Farbenverteilung.  Eine  andere  Art  der  Entstehung  ist  die  durch 
Ringbildung. 

Zum  zehnten  Abschnitt. 

Organisches  Wachsen  auf  Grund  äußerer  Einwirkungen.  Dasselbe 
geschieht  zunächst  unabhänsig  vom  aktiven  Gebrauch  der  Organe,  dem 
LAMARCK'schen  Umbildungsmittel.  Aber  dieses  kann  auf  das  organische 
Wachsen  bedeutend  einwirken,  indem  es  dasselbe  abändert. 

Das  LAMARCK'sche  Prinzip  bildet  nur  ein  mögliches  Hilfsmittel  der 
Umbildung.     Die  Grundursache  liegt  im  organischen  Wachsen. 

Das  organische  Wachsen  aber  ist  bei  den  Schmetterlingen  vorzüg- 
lich durch  klimatische  Einflüsse  bedingt. 

Den  Beweis  hierfür  liefern: 

1)  die  Abänderung  der  Formen,  Entstehung  von  Abarten  und  Arten 
entsprechend  der  geographischen  Verbreitung; 

2)  die  Thatsachen  der  Jahreszeiten-Abartung ; 

3)  die  Versuche  mit  Einwirkung  künstlicher  Wärme  und  Kälte  auf 
die  Puppen. 

Überall  handelt  es  sich  dabei  um  die  Herrschaft  der  gleichen  Ent- 
wickelungsrichtungen. 

Überall  ergiebt  sich  Ohnmacht  der  Naturzüchtung. 

Thatsachen :  darunter  ist  mit  am  wichtigsten  die,  daß  durch  Einwirkung 
künstlicher  Kälte  und  Wärme  Arten  in  einander  übergeführt  werden 
können,  so  z.  B.  durch  Kälte  Vanessa  Jo  im  Wesentlichen  in  V.  urticae, 
indem  sich  das  vordere  Auge  der  ersteren  in  das  bei  urticae  noch  vor- 
handene Grundbindenstück  III  verwandelt,  das  hintere  in  die  ursprüng- 
lichen zu  dieser  Binde  gehörigen  Augenfleckchen. 

Eimer,  Orthogenesis.  30 


466  Zusammenfassung  einiger  wichtiger  Ergebnisse. 

Die  durch  Kälte  erzielten  Falter  haben  Eigenschaften  von  in  kälteren 
Gebieten  lebenden  Abarten  und  Arten,  bezw.  von  Winterformen  und 
umgekehrt. 

Vanessa  levana-prorsa. 

Dorfmeister's  und  Weismann's  Versuche. 

Was  dieselben  beweisen:  insbesondere  auch  die  Vererbung  erworbe- 
ner Eigenschaften. 

Die  Zeichnung  von  Vanessa  levana  und  prorsa  und  die  Ent- 
stehung der  letzteren  aus  der  ersteren. 

Es  handelt  sich  in  dieser  Entstehung  um  die  Verwandlung  des 
Schrägfleck-Eckfleck-Typus  derVanessen  in  einen  Mittelfeld- 
Schrägfleck-Typus  mit  im  Übrigen  fast  vollkommener  düsterer  Ein- 
farbigkeit. 

Es  handelt  sich  dabei  zugleich  um  eine  wirkliche  Vermehrung  des 
Schwarz. 

Die  Umbildung  ist  aber  eine  vollkommen  gesetzmäßige:  die 
Zwischenformen  [porima]  lehren,  daß  genau  eine  Zeichnung  aus  der  an- 
deren hervorgeht. 

Die  plötzliche  Umbildung  ist  also  eine  kaleidoskopische.  Die 
Übergänge  zeigen,  daß  die  Zwischenstufen  dabei  während  der  Ent- 
wickelung  durchgemacht  werden  müssen,  wie  dies  die  embryologischen 
Untersuchungen  von  M.  v.  Lindex  thatsächlich  zeigen. 

Der  Grad  der  Umbildung  steht  in  direktem  Verhältnis  zu  dem  Grad 
der  angewendeten  Wärme,  abgesehen  von  auf  individueller  Konstitution 
beruhenden  Abweichungen. 

Die  Vererbung  erworbener  Eigenschaften  wird  dadurch  un- 
widerleglich bewiesen,  daß 

a.  die  Eigenschaften  der  jüngeren  Form  prorsa,  wie  die  Versuche 
lehren,  künstlich  durch  Wärme  statt  derjenigen  von  levana  erzeugt  wer- 
den können,  aber  nicht  so  leicht  wie  die  der  levana  wieder  aus  levana 
durch  Kälte,  daß  somit  die  /jrorsa- Eigenschaften  schon  gefestigt  sind, 
wenn  auch  nicht  so  sehr  wie  die  der  levana ; 

b.  daß  es  Arten  giebt,  welche  ausschließlich  prorsa-Eigenschaften 
haben,  ohne  levana -Yorm,  während  sie  doch  aus  einer  solchen  durch 
Wärme  hervorgegangen  sein  müssen. 

Die  Vererbung  erworbener  Eigenschaften  wird  aber  ferner  auf  das 
Vollkommenste  allein  bewiesen  durch  die  mit  Polyommatus  phlaeas  ange- 
stellten Versuche  von  August  Weismann,  welche  in  dem  Absatz:  Professor 
August  Weismann  und    Vanessa  levana-prorsa  besprochen  sind. 


Schlussbemerkungen. 


»If  Professor  Eimeu's  claims  are  eorrect,  liis  re- 
searches  mark  one  of  the  great  epochs  of  biological 
discovery.«  C.  S.  M. 

Die  bestimmt  serichtete  Entwickelung,  Orthosenesis,  beherrscht  also 
in  der  Hauptsache  die  ganze  Umbildung  der  Schmetterlinge,  deren  nach- 
gewiesene gesetzmäßige  Zeichnungs-  und  Farbenfolge. 

Im  Verein  mit  Beharrung,  Epistase.  bezw.  Genepistase,  unabhängiger 
Entwickelungsgleichheit,  Homoeogenesis,  verschiedenstufiger  Entwicke- 
lung, Heterepistase,  sprungweiser  Entwickelung,  Halmatogenesis  erklärt 
sie  nicht  nur  die  Entstehung  von  Aberrationen,  Varietäten  und  Arten  und 
ihre  mehr  oder  weniger  stufenweisen  Beziehungen  unter  sich  und  zu 
anderen  Arten,  die  Verwandtschaft  ferner  von  Gattungen  und  Familien, 
sondern  auch  die  im  Vorstehenden  bewiesene  Verschiedenstufigkeit  in 
den  Eigenschaften  des  Einzeltieres  selbst.  Sie  erklärt  endlich  auf  Grund 
dieser  Verschiedenstufigkeit  die  Erscheinungen  des  Übergewichts  des 
einen  Geschlechts,  der  orthogenetischen  Präponderanz  und  des  Geschlechts- 
Dimorphismus,  sowie  endlich  der  Jahreszeiten-Abartung  oder  des  Hora- 
Dimorphismus. 

Sie  deckt  eine  bis  ins  Einzelnste  gehende  Zusammengehörigkeit  und 
Abhängigkeit  aller  äußeren  Eigenschaften  der  Einzeltiere,  der  Arten,  der 
Familien,  des  männlichen  und  weiblichen  Geschlechts  und  der  Jahres- 
zeitenforraen  auf,  sie  enthüllt  eine  sroßartige  Einheit  in  der  Manchfaltis- 
keit  der  äußeren  Eigenschaften  einer  großen  Tiergruppe  und  sie  fördert 
damit  eines  der  Grundziele  der  Naturwissenschaft. 

Bemerkenswert  ist,  wie  die  Ursprünglichkeit  der  Zeichnung  in  weit- 
aus den  meisten  Fällen  vollkommen  geschwunden  ist.  Bei  manchen 
Formen,  wie  bei  den  von  mir  genauer  in  meiner  »Artbildung«  beschriebe- 
nen Segelfaltern  und  Schwalbenschwänzen,  kann  man,  als  in  der  Zeich- 
nung verhältnismäßig  ursprünglichen  Schmetterlingen,  mit  am  deutlichsten 
den  Übergang  von  der  Längsstreifung  zur  Querstreifung  und  Einfarbig- 
keit  verfolgen.     Infero-superiore    und   postero- anteriore    Umbildung    ist 

30* 


468  Schlußbemerkungen. 

überall  mehr  oder  weniger  ausgesprochen,  erstere  mit  Veränderunsen 
durch  die  beschriebene  Übertragung  von  oben  nach  unten.  Letztere 
hat  Erich  Haase  bei  Papilio  PodaUrius  auch  durch  embryonale  Unter- 
suchungen bestätigt,  ebenso,  wie  wir  sehen  werden,  Gräfin  Lixde.x  hier 
und  bei  anderen  Papilioniden. 

In  »Artbildung«  II  S.  71  ü\  habe  ich  eine  ausführliche  Besprechung 
den  Ansichten  von  Dr.  P.  Hahnel  gewidmet,  welcher  über  die  Umbildung 
der  Schmetterlingszeichnung  zu  Ergebnissen  gekommen  ist,  die  den  mei- 
nigen sehr  entsprechend  sind,  in  Beziehung  sowohl  auf  gesetzmäßige 
Umbildung  der  Zeichnung  wie  auf  den  Widerspruch  gegen  die  Ver- 
kleidune;slehre.  Nur  meint  Hahnel  in  ersterer  Beziehung,  es  sei  auszugehen 
von  einer  »einfachen  Längsstreifung,  wie  sie  die  Aderung  vorschrieb 
(also  Querstreifung  in  meinem  Sinne),  welche  dann,  weiterschreitend,  den 
allmählich  erworbenen  Farbenüberschuß  zu  Randflecken  und  Randbinden 
verdichtete,  um  schließlich  die  ganze  Fläche  der  Flügel  mit  Flecken  und 
Punkten  zu  überdecken  ^j. 

Ist  es  nun  so  zweifellos ,  daß  vielmehr  ich  recht  habe ,  wenn  ich 
sage,  es  sei  alle  Zeichnung  der  Schmetterlinge  von  Längsstreifung  in 
meinem  Sinne)  ausgegangen?  Ich  glaube,  nach  Kenntnisnahme  der  in 
diesem  Buche  enthaltenen  Thatsachen  wird  Niemand  mehr  daran  zwei- 
feln, daß  es  so  ist.  Aber  gegenüber  meinen  aus  der  Artbildung  bei 
den  Segelfaltern  und  Schwalbenschwänzen  gezogenen  bezüglichen 
Schlüssen  sind  freilich  sehr  starke  Zweifel  ausgesprochen  worden-). 

Man  hat  nämlich  behauptet,  es  sei  gar  nicht  bewiesen,  ob  die  längs- 
gestreiften Papilioniden  wirklich  die  ursprünglichen  oder  ob  es  nicht 
vielmehr  diejenigen  seien,  welche  ich  als  die  vorgeschrittensten  bezeichne. 
Herr  G.  S.  Minot  insbesondere  hat  dies  in  einer  Kritik  meiner  »Artbil- 
dung« gethan-^).  Nachdem  derselbe  den  diesen  Schlußbemerkungen  als 
Begleitvi^ort  vorangesetzten  Satz  ausgesprochen  hat,  behauptet  er,  daß  nichts 
von  meinen  Ansprüchen  begründet,  nichts  von  meinen  Aufstellungen  be- 
wiesen, daß  dieselben  nichts  als  kühne  Hypothesen,  eine  Sammlung  von 
willkürlichen  Behauptungen  seien ^). 


1)  Über  die  Beziehungen  der  HAHSEL'schen  Arbeit  zu  den  meinigen,  sowie  über 
deren  Übereinstimmung  mit  dem  Inhalt  der  letzteren  im  Einzelnen  vgl.  man  »Art- 
bildung« II.  Der  HAHNEL'sche  Aufsatz  ist  nach  meiner  »Artbildung«  I  erschienen 
und  ohne  Kenntnis  derselben,  aber  augenscheinlich  mit  Kenntnis  meiner  früheren 
Arbeiten  geschrieben. 

2)  ^»Sollte  sich  diese  Annahme  Hahnel's  bestätigen,  dann  bleibt  von  den  Eimer- 
schen  Gesetzen  eben  nur  die  ,Annahme  einer  gesetzmäßigen  Umbildung'  bestehen, 
die  ohnehin  kaum  Jemand  bestreiten  dürfte  (?),  und  die  Entwickelung  wäre  geradezu 
auf  den  Kopf  gestellt,  oflenbar  weil  Hahnel  eben  das  Buch  von  —  hinten  las!«  froh- 
lockt ein  neuester  witziger  Kritiker  aus  Wien. 

3)  In  »Science«,  6.  Jan.  -1896. 

4;  Die  Liebenswürdigkeit  auch  dieser  Kritik  ist  damit  hinreichend  gekennzeichnet, 
aber,  wie  ich  denke,  zugleich  ihre  dithyrambische  Leichtfüßigkeit,  mit  welcher  die 
Wucht  des  Absprechens  ja  gewöhnlich  in  direktem  Verhältnis  steht. 


Schlußbemerkungen.  469 

Wer  meine  früheren  Arbeiten  gelesen  und  die  darin  enthaltenen 
Beweise  zu  Gunsten  der  von  mir  vertretenen  Art  der  Umbildung  wirk- 
lich ins  Auge  gefaßt  hat,  der  konnte  schon  damals  nicht  so  absprechend 
urteilen.  Daß  von  mir  die  als  Verwandte  in  Reihen  gestellten  Formen  wirk- 
lich einen  Vorgang  vor  Augen  führen,  den  Gang  der  Entwickelung, 
welchen  sie  auseinander  genommen  haben,  dies  zu  bezweifeln  würde 
ebenso  die  Verwertung  aller  Thatsachen ,  auf  welche  die  Paläontologie 
sich  im  Sinne  von  Entwickelung  stützt,  zurückweisen. 

Ich  habe  gezeigt,  wie  kleinste,  kaum  sichtbare  neue  Eigenschaften 
bei  Einzeltieren  zuerst  auftreten,  wie  sie  bei  anderen  vergrößert  und 
gefestigt  sind,  wie  sie  zu  Varietäten-  und  Artmerkmalen  werden,  wie  sie 
benachbarte  Arten,  wie  sie  Ketten  von  Arten  verbinden,  indem  sie  sich 
immer  weiter  umbilden.  Wenn  ich  solche  Umbildungen  darstellte  von 
der  Längsstreifung  bis  zur  Einfarbigkeit,  so  wäre  man  ohne  weitere 
Beweise  meiner  Auffassung  immer  berechtigt  zu  sagen,  es  handle  sich 
dabei  nicht  um  eine  fortschreitende  Entwickelung.  sondern  um  eine  rück- 
schreitende,   wesentlich  auf  Rückbildung    von    Eigenschaften   beruhende. 

Daß  dies  nicht  sein  kann,  beweist  aber  schon  die  gabelige  Ver- 
zweigung des  von  mir  aufsestellten  Stammbaumes:  wären  die  Arten, 
welche  ich  als  die  jüngsten  auffasse,  die  ursprünglichsten,  so  würde 
der  Baum  umgekehrt,  mit  den  Zweigen  nach  dem  Boden  gerichtet  stehen 
oder,  wenn  man  die  Wurzelenden  als  Ausgangspunkt  nähme,  so  bekämen 
wir  einen  Baum  ohne  Krone  —  es  würden  zahlreiche  oder  besser  fast 
zahllose  Formen  sich  alle  nach  einer  einzigen,  der  längsgestreiften  umge- 
bildet haben,  was  allen  })ekannten  Thatsachen  der  Entwickelung  wider- 
spricht —  einen  polyphyletischen  Stammbaum  in  des  W^ortes  verwegenster 
Bedeutung  hätten  wir  dann  bei  unseren  Schmetterlingen  aufzustellen,  auf 
Grund  nicht  der  gewöhnlichen  divergierenden,  sondern  einer  konvergie- 
renden Entwickelung.  Dazu  kommt  der  Beweis  durch  das  Experiment 
mit  künstlicher  Kälte  und  Wärme. 

Ebenso  unwiderleglichen  Beweis  für  die  Richtigkeit  meiner  Auffassung 
aber  liefert,  wie  ich  damals  schon  hervorgehoben  habe,  die  Ontogenie, 
indem  sie  bei  den  von  mir  als  höhere,  phyletisch  jüngere  aufgefaßten 
Formen  die  Eigenschaften  der  älteren,  ursprünglicheren  wiederholt,  indem 
also  z.  B.  mehr  einfarbige  Falter  Längsstreifung  oder  doch  Andeutungen 
derselben  wiederholen.  Untersuchungen  von  M.  v.  Linden,  auf  meine 
Veranlassung  über  die  Ontogenie  der  Flügelzeichnung  von  Papi- 
lioniden  und  Vanessen  angestellt,  haben  zu  allgemeinen  Ergebnissen 
geführt,  welche  ich  in  den  Schluß -Anmerkungen  wörtlich  nach  ihrer 
eigenen  Darstellung  wiedergebe,  während  die  Untersuchungen  selbst, 
durch  Abbildungen  erläutert,  demnächst  veröffentlicht  werden  sollen. 

Eine  so  eben  erschienene  Erwiderung  an  Herrn  S.  Mixot^)  macht 
diese  und  andere   Thatsachen  gegen   denselben   geltend  und  weist,   wie 


1     »Science«,  27.  .\ugust  ■1897. 


470  Schlußbemerkungen. 

ich  glaube,  und  wie  aus  ihr  selbst  ersehen  werden  mag,  auch  seine  sämt- 
lichen übrigen  Ausstellungen  zurück'). 


Zu  Vorstehendem  sei  nun  noch  bemerkt,  daß  selbstverständlich  die 
verschiedenen  Formen  von  quergerichteter  Zeichnung,  welche  sich  bei 
den  Schmetterlingen  finden,  nämlich  Schwarzfärbung  der  Queradern 
(Y?///?MS-Typus)  und  Querbänderung,  wie  sie  mit  der  libellenähnlichen 
Flügelform  besonders  der  Heliconiden  zusammenhängt,  gar  nichts  mit- 
einander zu  thun  haben.  Im  ersten  Fall  handelt  es  sich  wohl  mit  um 
den  Einfluß  der  Tracheen  auf  die  Färbung,  im  letzteren  ist  eben  nur 
die  Flügelgestalt  maßgebend.  Dieser  Einfluß  der  Flügelgestalt  auf  die 
Zeichnung  ist  hier  wie  in  anderen  Fällen  (Blaltschmetterlinge)  ein  hoch- 
gradiger. Dagegen  ist,  wie  wir  gesehen  haben,  die  Bedeutung  der  Aderung 
für  sie  sonst  viel  geringer  als  man  erwarten  sollte.  Am  wichtigsten  ist 
dafür,  und  zwar  für  Binde  V/VI,  wie  wir  sahen,  die  äußere  Begrenzungs- 
ader  der  Mittelzelle  auf  den  Vorderflügeln. 

Noch  merkwürdiger  ist  es,  daß  bei  Schmetterlingen  mit  sehr  verän- 
derter Gestalt,  so  bei  Blattschmetterlingen,  das  Wachsen,  welches  diese 
Veränderung  hervorgerufen  hat  und  die  Zeichnung  durch  die  Adern 
nicht  eigentlich  beeinflusst  werden,  sondern  daß  vielmehr  die  Adern, 
indem  sie  in  der  Hauptsache  mit  der  Wachstumsrichtung  parallel  verlaufen, 
vom  Wachstum  einzelner  Flüeelteile  beeinflußt  werden,  dadurch  daß  ein- 
zelne  von  ihnen  sich  verlängern,  andere  kürzer  bleiben.  Eine  Ver- 
gleichung  der  Aderung  und  Zeichnung  der  Unterseite  von  Megalura  Berankt, 
(Abb.  21  S.  98)  und  Kallima  Phüarchus  (Abb.  26  S.  lOlj  zeigt  dies  am  besten. 

In  dem  Nachweis  der  Veränderuns;  der  Flüeelform  der  Schmetter- 
linge    bis    zur    Hervorbringung     der    Blattähnlichkeit     durch    ungleiches 


1)  Die  in  diesem  Buche  mitgeteilten  Thatsachen  dürften  vielleicht  zu  bedingungs- 
loser Anerkennung  bringen,  was  mein  amerikanischer  Kollege,  wie  im  Begleitwort 
wiedergegeben,    in,  wie  ich  hoffe,  treffender  Weise  ausgesprochen  hat. 

Ich  fürchte  aber,  es  wird  nicht  so  schnell  mit  dieser  Anerkennung  gehen,  wenig- 
stens l)ei  Herrn  Minot.  Trotzdem  demselben  in  der  Erwiderung  auf  seine  Kritik 
auch  der  ontogenetische  Beweis  entgegengehalten  worden  ist,  entgegnet  er  in  einem 
Zusatz  zu  derselben  abermals,  meine  Ansicht,  daß  gewisse  Formen  von  Faltern  die 
älteren  seien,  sei  nur  eine  Behauptung  (assertion;  und  fährt  fort:  »If  one  denies  that 
assertion  Ei.meh  cannot  prove  that  it  is  correct,  but  unless  he  proves  it  his  de- 
ductions  remain  hypotheses.«  Es  will  mir  scheinen,  daß  der  amerikanische  Gelehrte 
diese  wesenlose  Redensart  zu  seinen  eigenen  Gunsten  besser  unterlassen  hätte,  gleich- 
viel ob  sie  den  Rückzug  decken  oder  besagen  soll,  daß  der  Kritiker  nun  einmal 
keinen  Beweis  anerkennen  will.  Was  gehört  denn  nach  der  Meinung  Professor  Mixoi's 
außer  dem  von  mir  Beigebrachten  noch  zu  einem  vollgültigen  biologischen  Beweis 
in  unserer  Frage?  —  Wohl  ein  so  langes  Leben,  daß  man  im  Stande  wäre,  das 
phyletische  W^achsen   abzulesen  und  in  das  Tagebuch  einzutragen! 


Schlußbemerkungen..  471 

Wachsen  verschiedener  Teile  der  Flügelfläche  und  in  dem  Nachweis, 
daß  dieses  Wachsen  unmittelbar  durch  äußere  Einflüsse,  wie  durch 
Wärme  und  Kälte  bedingt  wird  '),  haben  wir  nicht  nur  ein  elementares 
Beispiel  vom  organischen  Wachsen,  ein  Stückchen  einfacher  »Entwicke- 
lungsmechanik«,  sondern  wohl  einen  Vorgang,  welcher  ganz  ebenso,  nur 
in  ausgiebigerem  Maße  auch  für  die  Blätter  der  Pflanzen  gilt.  Auf  dem 
Kongreß  zu  Leyden  hat  Herr  Arthur  Thomsox  (Dundee)  mir  in  treffen- 
der Weise  die  Idee  entwickelt,  daß  die  Gestaltung  der  Pflanzenblätter 
hervorgebracht  werde  durch  ungleiches  Wachsen  der  Teile  gegenüber 
festen,  im  Wachsen  zurückbleibenden  Stellen.  Er  erklärte  auf  die  Auf- 
forderung, seine  Ansichten  zu  veröffentlichen ,  daß  die  Botaniker  nichts 
davon  wissen  wollten.  Das  Gelehrtentum  ist  überall  weniger  fortschritt- 
lich in  der  Wissenschaft  gesinnt,  als  man  annehmen  sollte.  Dabei  spielt 
wohl  die  Voreingenommenheit,  welche  dem  anderen  um  so  weniger,  zu- 
gestehen mag,  je  einfacher  seine  Erklärungen  sind,  die  größte  Rolle. 


1  Nach  DoHERTY  und  de  Niceville  haben  Feuchtigkeit  und  Trockenheit  trockene 
Hitze!)  großen  Einfluß  auf  die  Flügelgestait,  und  zwar  erzeugt  erstere  mehr  blattähn- 
liche Flügel.  E.  HARTERia)  sagt  nämlich,  nach  den  Beobachtungen  seines  Reisegefährten 
DoHERTY  fliegen  in  den  tropischen  und  subtropischen  Ländern  Indiens  vier  Gene- 
rationen von  Schmetterlingen  und  zwar  2  in  der  Regenzeit,  2  in  der  Trockenzeit.  Die 
der  von  Mai  bis  September  dauernden  Regenzeit  fallen  in  den  Mai  oder  Juni  und  in 
den  August  und  September-Anfang.  Die  der  Trockenzeit  in  das  Ende  des  September 
und  in  die  ersten  heißen  Märzwochen.  Nach  den  Beobachtungen  Doherty's  und  de 
Niceville's  sind  die  Brüten  der  Regenzeit  und  der  Trockenzeit  in  vielen  Gattungen 
erheblich  verschieden,  während  die  der  ersteren  einerseits  und  der  letzteren  anderer- 
seits unter  sich  völlig  gleich  sind. 

Die  Form  der  Trockenzeit  ist  größer,  die  Flügel  erhalten  eine  mehr  blattartige 
Gestalt  durch  spitzenartig  ausgezogene  Hinterflügel,  die  Unterseite  ist  meist  weniger 
lebhaft  gefärbt  und  die  bei  der  Form  der  Regenzeit  vorhandenen  lebhaften  Augen  sind 
bei  der  Form  der  Trockenzeit  nur  angedeutet  oder  ganz  verschwunden. 

So  sind  manche  Formen,  welche  man  bisher  für  Arten  hielt,  nichts  als  ver- 
schiedene Generationen  desselben  Tieres.  Z.  B.  Junonia  asterie  —  almana,  Melanitis 
leda  —  ismene,  Mycalesis  mineus  —  visala,  Orsostriaena  medus  —  riineka,  Orsostriaena 
mandaia  —  mandosa. 

»Vorzugsweise  sind  es  die  Arten  von  Junonia,  Yphthima,  Melanitis,  Mycalesis, 
welche  in  diesen  2  Formen  auftreten;  in  Ober-Assam  trat  als  Vertreter  der  Regenzeit- 
form eine  zwar  sehr  ähnliche,  aber  in  oben  angegebener  Weise  sich  unterscheidende 
Trockenform  von  Precis  ipliita  u.  a.  m.  auf.« 

In  dem  feuchten  Klima  von  Malabar  ist  die  Regenform  07-sostriaena  mandata 
nach  Doherty  gemein,  während  die  mandosa  selten  und  unvollkommen  entwickelt  ist. 
In  dem  feuchten  Klima  von  Ost-Sumatra,  Singapore,  Perak  und  Ceylon  kommt  nur 
Junonia  asterie  vor,  während  die  Wüstengegenden  von  Sindh  und  Rajputana  anschei- 
nend nur  Junonia  almana  aufweisen,  in  Kumaon,  Sikkim  und  Assam  beide  Formen  im 
schönsten  Wechsel  auftreten  b;. 


^)  Ernst  Hartert  ,  Biologisches  aus  dem  indischen  Faunengebiete.    Berliner  Ento- 
molog.  Zeitschr.  33.  Bd.  1889.  S.  289  IT. 


'o 


'')  Eingehenderes  sielie:  List  of  butterflies  from  Kumaon  bv  W.n.  Doherty,  Journ. 


's 


of  the  Asiatic  Soc.  of  Bengal.   1886. 


472  Schlußbemerkungen. 

Ich  aber  i'reue  mich,  Herrn  AiiiHun  Thomson  eine  Bestätigung  seiner 
Befunde  auf  anderem  Gebiete  zu  bringen  und  ihn  so  vielleicht  zu 
recht  baldiger  Veröffentlichung  derselben  doch  zu  veranlassen. 

Übrigens  sei  bemerkt,  daß  ich  auf  die  Bedeutung  der  Gestalt,  bezw. 
verschiedenen  Wachsens  der  Schmetterlingsflügel  für  die  Zeichnung  zu- 
erst durch  die  Verhältnisse  bei  Athyma,  Neptis  und  den  Helikonier- 
ähnlichen  Faltern  gekommen  bin.  Erst  später  reihte  sich,  wie  Dr.  C. 
FicKERT  bekannt  ist,  hieran  der  Befund  bei  den  Blattschmetterlingen,  und 
zwar  so,  daß  Dr.  Fickert  gleichzeitig  mit  mir  die  ersten  Beziehungen 
zwischen  deren  Zeichnung  und  jener  des  Grundschema's  erkannte.  Daran 
schloß  sich  zuletzt  der  Befund  der  Ursachen  der  Verschiebung  der 
ersteren. 


Besondere  Anmerkungen. 


Zu  Seite  3.  öS.     'Behauptetes  rnvermögen  über  Nützlichkeit  zu  urteilen.; 

»Es  ist  oft  mit  Nachdruck  behauptet  worden,  daß  der  Ursprung  des  Menschen 
nie  zu  enträtseln  sei.  Aber  Unwissenheit  erzeugt  viel  häufiger  .Sicherheit  als  es  das 
Wissen  thut.  Es  sind  immer  diejenigen,  welche  wenig  wissen,  und  nicht  die,  welche 
viel  wissen,  welche  positiv  behaupten,  daß  dieses  oder  jenes  Problem  nie  von  der 
Wissenschaft  werde  gelöst  werden«. 

Darwin.     Abstammung  des  Menschen  I.  Stuttgart  1878,  S.  3. 

Zu  Seite  3  und  4    allgemeines  Zeichnungsgesetz). 

Herr  G.  Tornier  hat  kürzlich  i)  über  die  Entwickelung  der  Zeichnung  der  Schlange 
Homalosoma  lutrix ,  des  Geckonen  Lygodactylus  picturatus  und  des  Batrachiers  Rappia, 
sämtlich  sehr  abändernde  ostafrikanische  Formen,  Angaben  gemacht,  welchen  zufolge 
die  Längsstreifung  und  vorher  zuweilen  eine  Fleckung  aus  vollkommen  schwarzer 
Grundfarbe  hervorsehen  soll.  Es  würde  sich  hier  handeln  um  Entstehung  von  weißen 
Flecken  und  Streifen  in  dieser  Grundfarbe,  welch'  letztere  endlich  schwarze  Längs- 
streifen als  Ueberreste  der  schwarzen  Grundfarbe  hervorrufen.  Nach  den  Abbildungen 
zerfallen  dann  die  schwarzen  Längsbinden  zuweilen  wieder  nach  Ai't  des  gewohnlichen 
gesetzmäßigen  Vorgangs.  Auch  Andeutungen  von  Querverbindungen  treten  auf,  zuletzt 
Einfarbigkeit. 

Kehrt  man  diese  Zeichnungsfolge  um,  so  erhält  man  die  meinige.  .letzt  entstehen 
die  weißen  Flecke  als  Reste  der  weißen  Grundfarbe  in  Folge  von  unvollkommener 
Verschmelzung  der  schwarzen  Längsbinden.  Zuletzt  entstände  Einfarbigkeit,  ganz 
nach  der  sonst  allgemeinen  Gesetzmäßigkeit,  welche  schwarze  Längsstreifen  in  hellem 
Grunde  zum  Ausgangspunkt  hat. 

Nach  der  TouNiER'schen  Auffassung  wären  also  die  schwarzen  Längsstreifen  Reste 
der  ursprünglich  schwarzen  Grundfarbe  und  die  hellen  Längsstreifen  wären  eigent- 
lich die  Hauptsache  der  Längszeichnung.  Es  giebt  nun  zwar  —  bei  gewissen  Säugern  — 
in  der  That  ja  weiße  Zeichnungen.  Wie  diese  gegenüber  der  dunkeln  übrigen  Farbe 
entstanden  sind,  wird  nur  die  embryonale  Untersuchung  zeigen  können.  Möglich,  daß 
es  auch  hier  auf  ursprünglich  dunkle  Längsstreifung  herauskommt,  möglich  auch, 
daß  es  sich  um  zwei  ganz  verschiedene  Entstehungsarten  handelt.  Aber  jedenfalls 
wäre  das  letztere  ebenso  merkwürdig,  wie  wenn  bei  den  von  Tornier  untersuchten 
Lurchen  und  Reptilien  die  Zeichnungsentwickelung  eine  umgekehrte  sein  sollte  wie 
bei  vielen  ihrer  Verwandten. 

Nun    bildet  Tornier   alle   von    ihm    dargestellten  Tiere   ziemlich   gleich   groß  ab. 


1)  Die  Reptilien  und  Amphibien  Ostafrika's  in  Lief.  III  und  IV  von  K.  Möiuus,  die 
Tierwelt  Ostafrika's  111.  Band.     Berlin.  Dietrich  Reimer  1896. 


474  Besondere  Aniuorkiiniri'ii. 

Er  sagt  uns  nichts  von  Jungen,  die  er  untersucht  hätte,  ja  von  Lygodactylus  sagt  er 
geradezu,  da(3  ihm  »keine  sehr  jungen  Vertreter  der  Art,  sondern  nur  halberwachsene 
zur  Verfügung  standen«.  Er  scheint  nur  nach  zicmlicli  gleichalterigen  Varietäten  ge- 
schlossen zu  haben.  Es  dürfte  also  die  ToKNn:u'sche  Zeichnungsfolge  neuer  Unter- 
suchung an  jungen  und  auch  an  weiblichen  gegenüber  von  männlichen  Tieren  zur 
Entscheidung  erfordern'). 

In  ihrer  Art  so  vorgeschrittene  Formen  wie  gerade  schwanzlose  Lurche  und 
Geckonen  bedürfen  zu  solcher  Entscheidung  noch  viel  mehr  als  andere  der  Unter- 
suchung in  diesem  Sinne,  wenn  sie  eben  wegen  ihrer  Stellung  nicht  überhaupt  ebenso 
ungeeignet  zu  grundlegender  Rolle  in  der  Frage  sind  wie  die  Schlangen,  welche  auch 
einem  anderen  Untersucher,  Herrn  Fr.\nz  Wernek  in  Wien,  den  Stolf  zu  einer  Umkehr 
meines  allgemeinen  Zeichnungsgesetzes  und  zu  weitgehenden,  von  mir  abweichenden 
Folgerungen  geliefert  haben-.  Ist  an  den  vorgeschrittenen  von  Toknier  untersuchten 
Tieren  die  tiefschwarze  Farbe  wirklich,  wie  derselbe  meint,  etwas  Ursprüngliches, 
so  ist  sie  doch  wohl  sicher  etwas  zum  Unterschied  von  anderen  Tieren  Eingeschobenes 
und  dann  läßt  sich  die  erste  Entstehung  der  Zeichnung  mit  der  dieser  anderen  nicht 
unmittelbar  vergleichen.  Genug,  daß  aus  der  Längsstreifung,  wie  dort,  zuweilen  dunkle 
Fleckung  und  Anlauf  zur  Querstreifung  oder,  unter  Ausfall  beider.  Einfarbigkeit  entsteht. 

In  ihrer  Art  so  hochentwickelte  Tiere  wie  insbesondere  die  Schlangen  zum  Aus- 
gangspunkt der  Feststellung  von  Zeichnungsgesetzen  zu  nehmen,  ist  nicht  anders, 
als  wenn  jemand  irgendwelche  unter  den  hochentwickelten  Schmetterlingstypen, 
welche  nichts  mehr  von  Längsstreifung  zeigen,  herausgreifen  \md  eine  neue  »Zeich- 
nungstheorie« aufstellen  wollte,  die  meine  ganze  Sache  als  falsch  erweist  oder 
umkehrt,  wie  das  Herrn  Werner  auf  Grund  seiner  Schlangenstudien  gelungen 
sein  will 3). 

Ein  umfassendes  Urteil  wird  doch  wohl  folgendermaßen  schließen:  Bei  solch 
vorgeschrittenen  Tierformen  braucht  Ursprüngliches  gar  nicht  mehr  aufzutreten,  es 
kann  dafür  Neues  erscheinen,  was  sich  im  Lauf  der  Generationen  ausgebildet  und 
gefestigt  hat.  Wenn  dann  bei  solchen  Formen  auch  postero-anteriore  Umbildung  und 
andere  sonst  allgemeine  Gesetzmäßigkeit  nicht  mehr  rein  auftritt,  so  beseitigt  dies  die 
ursprünglich  vorhandene  Gesetzmäßigkeit  selbst  nicht.  Zuletzt  erfolgt  die  Verdrängung 
ursprünglicher  Eigenschaften  auch  in  der  Ontogenie,  und  sie  ist  bei  vielen  Schwimm- 
vögeln z.  B.  schon  im  Dunenkleid  erfolgt,  während  sie  bei  anderen  gerade  hier 
prachtvoll  erhalten  ist.  Neue  Eigenschaften  werden  zuletzt  auch  in  der  Ontogenie 
auftreten. 

So  ist  es  gewiß  nichts  Wunderbares,  wenn  bei  Schlangen  die  ursprünghche 
Längsstreifung  verloren  gegangen  und  als  erste  Zeichnung  Fleckung  aufgetreten  ist 
oder  wenn  sich  etwa  bei  manchen  vor  die  Längsstreifung  eine  Fleckung  eingeschoben 
hat.  In  der  That  hat  J.  Zenxeck  gefunden,  daß  das  Erstere  bei  der  Ringelnatter  der 
Fall  ist.  (Nach  Werner's  neuesten  Angaben  selbst  ist  bei  anderen  Schlangen,  sogar 
bei  unmittelbaren  Verwandten  unserer  Ringelnatter,  zuerst  Längsstreifung  vorhanden.) 
Das    ist    die    erste   entwickelungsgeschichtliche    Arbeit,    welche   über  die    Zeichnung 


1)  Franz  Werner  wirft  Tornier  rundweg  vor,  daß  er  eine  Endstufe  der  Zeichnung 
zum  Ausgangspunkt  genommen  habe,  was  aber  doch  wohl  am  Material  der  be- 
treffenden Arten  selbst  bewiesen  werden  müsste.  Man  vergleiche  übrigens  zu  Obigem 
die  weiteren  Ausführungen  des  Ersteren:  Biolog.  Centralblatt,   15.  Mai  -1897. 

2)  Vgl.  F.  Werner,  Unters,  über  die  Zeichnung  der  Schlangen,  Wien,  Krawaui  1890. 

3)  Daß  dies  so  ist,  wird  zum  Überfluß  in  einer  soeben  zu  Gunsten  des  Herrn 
Werner  erschienenen  Kritik  meiner  Arbeiten  von  Seiten  eines  Dr.  Steuer  in  Wien  auf 
das  Klarste  bewiesen,  nicht  ohne  Hülfe  des  hierzu  nötigen  Schlußeffekts  der  völligen 
Vernichtung  meiner  Fähigkeiten  als  Gelehrter  und  meiner  ehrlichen  Eigenschaften  als 
Mensch.  Ich  würde  zu  Gunsten  meines  »bedeutendsten  Gegners«,  als  welcher  Herr 
Werner  bezeichnet  wird,  gerne  annehmen,  daß  diese  in  elementarsten  Fragen  wegen  Un- 
verständnisses gegen  Windmühlen  kämpfende  Schrift,  mit  dem  Zeichen  unverhülltester 
persönlicher  Parteiabsicht  an  der  Stirne,  ohne  seine  Kenntniß  ausgegeben  worden  ist. 


Besondere  Anmerkungen.  475 

von  Wirbeltieren  gemacht  worden  ist.  Meine  Untersuchungen  beziehen  sich  nur  auf  aus- 
gebildete Tiere  und  einige  Larven;  was  die  Entwickelungsgeschichte  ihnen  hinzufügen 
wird,  kann  dieselben  nur  in  erwünschter  Weise  ergänzen.  Ich  würde  es  z.  B.  für  sehr 
natürlich  halten,  wenn  sich  durch  sie  herausstellte,  daß  die  spätere  Längsstreifung  ur- 
sprünglich bei  Wirbeltieren,  entsprechend  der  Metamerie  des  Körpers  und  der  Anordnung 
der  Blutgefäße,  in  Flecken  aufträte.  Ebenso  ist  es  sehr  verständlich,  wenn  verloren- 
gehende Längsstreifung  in  der  Entwickelung  zuletzt  nur  noch  als  Fleckung  auftritt. 

Wenn  es  also  Herr  Werner  als  einen  »schwerwiegenden  ontogenetischen  Beweis« 
gegen  mich  bezeichnet,  daß  an  der  Larve  von  Triton  cristatits  die  Zeichnung  zuerst 
in  Fleckreihen  entsteht,  welche  sich  später  zu  Längsstreifen  vereinigen,  so  ist  dies, 
wie  mir  scheint,  gerade  so  gegenstandslos  wie  der  Gegensatz,  in  welchen  sich  derselbe 
zu  meinen  Anschauungen  überhaupt  stellt,  indem  er  diese  durch  seine  eigene 
»Theorie«  als  falsch  erweisen  will. 

Es  mag  sich  ja  wohl  herausstellen,  daß  die  Untersuchungen  des  Herrn  Werner 
ihre  Verdienste  haben,  vielleicht  sehr  wesentliche,  wenn  man  obige  Gesichtspunkte 
in  Betracht  zieht,  und  ich  würde  gewiß  der  Letzte  sein,  der  sie  nicht  anerkennt.  Allein 
um  solche  Anerkennung  zu  gewinnen,  ist  es  doch  sicher  nicht  notwendig,  statt  sich 
damit  zu  begnügen,  die  Arbeit  des  Vorgängers,  auf  welcher  man  fußt,  zu  ergänzen, 
dieselbe  auf  den  Kopf  stellen  oder  gar  erst  vernichten  zu  wollen,  um  aus  ihren  Trüm- 
mern aufzubauen,  dergestalt,  daß  man  nicht  einmal  die  von  jenem  eingeführten  Bezeich- 
nungen glaubt  beibehalten  zu  dürfen.  Es  ist  dies  die  Methode,  welcher  ich  leider 
immer  von  neuem  wieder  begegne. 

Werner  will  bei  allen  von  ihm  untersuchten  Wirbeltieren  die  erste  Anlage  der 
Zeichnung  als  eine  unregelmäßige  über  die  ganze  Oberfläche  verbreitete  Fleckzeich- 
nung gefunden  haben:  möglich,  wie  gesagt,  daß  dies  im  embryonalen  Zustand  öfters 
der  Fall  ist,  möglich  auch,  daß  es  sich  zuweilen  später  noch  eine  Zeit  lang  erhält. 

Etwas  Anderes  ist  es,  wenn  derselbe,  von  den  Schlangen  ausgehend,  als  allge- 
meine Zeichnungsfolge  Fleckung  und  Längsstreifung  unter  Ausfall  der  auf  die  Längs- 
streifung folgenden  Fleckung  aufstellen,  also  meine  Zeichnungsfolge  zur  Hälfte  um- 
kehren will,  ein  Versuch,  welcher  Angesichts  aller  otTen  daliegenden  Thatsachen  gerade- 
zu unbegreiflich  ist. 

Da  aber  Herr  Werner  in  der  für  seine  Ansichten  grundlegenden  Schlangenarbeit 
nach  107  Seiten  Text  nicht  weniger  als  7  Seiten  »Veränderungen  und  Zusätze«  und 
»Corrigenda«  bringt,  und  da  er  in  späteren  Arbeiten  diese  Veränderungen  fortsetzt 
'der  beste  Beweis  dafür,  daß  er  den  leitenden  Faden  der  Erklärung  nicht  in  der  Hand 
hat),  so  habe  ich,  als  ich  das  letztere  sah,  einstweilen  Weiteres  abwarten  zu  müssen 
geglaubt,  abgesehen  davon,  daß  ich,  wie  dieses  Buch  zeigt,  mit  ganz  Anderem  be- 
schäftigt war.  Inzwischen  habe  ich  aber  meinen  Schüler  J.  Zenneck  zu  der  Untersuchung 
der  Ringelnatterembryonen  veranlaßt  und  dann  zur  Bearbeitung  der  Zeichnung  der 
Riesenschlangen,  welch  letztere  in  Kurzem  erscheinen  wird.  Dazu  habe  ich  angenom- 
men, daß  die  allgemeinen  von  mir  im  Vorstehenden  gegen  die  WERNER'sche  Behand- 
lung der  Dinge  aufgestellten  Gesichtspunkte  von  selbst   sich    geltend  machen  werden. 

Ich  glaube  also  kaum  »durch  schlaue  Vermeidung  aller  der  Hypothese  ungünstigen 
Ergebnisse,  dadurch,  daß  ich  die  Arbeiten  anderer  Autoren  verschweige  oder  mit 
meinen  Ansichten  in  scheinbare  Übereinstimmung  zu  bringen  suche«,  gegen  Herrn 
Werner  oder  sonstwie  gesündigt  zu  haben. 

Ich  freue  mich  über  begründete  Aufstellung  von  Ausnahmen  der  von  mir  be- 
kannt gegebenen  Gesetzmäßigkeit,  in  der  Überzeugung,  daß  sie  die  Regel  nur  bestätigen 
werden.  Je  mehr  ihrer  bekannt  werden,  um  so  näher  rücken  wir  den  Ursachen  der 
Umbildung.  Ich  bin  weit  davon  entfernt,  insbesondere  mein  allgemeines  Zeichnungs- 
gesetz als  eine  Schablone  hinzustellen,  welche  keine  solchen  »Ausnahmen«  ertragen 
kann.  Veränderte  Verhältnisse  und  das  organische  Wachsen  selbst  müssen  zuletzt 
Veränderungen  des  Ursprünglichen  hervorrufen. 

Eine  merkwürdige  Ausnahme  sind  die  von  mir  selbst  aufgestellten  Fälle  von 
sekundärer  Längsstreifung,  wie  sie  sich  so  merkwürdig  bei  Eulen  findet.  Es  handelt  sich 


476  Besondere  Annierknnaen. 

liier  gewissermaßen  um  eine  Wiederholunt;  der  Zeichnungsfolge,  bezw.  um  einen 
Anfang  dazu. 

Viel  wunderbarer  als  alle  solchen  Veränderungen  aber  ist  die  gleiche  Anlage  und 
die  gleiche  Umbildung  der  Zeichnung  bei  ganz  verschiedenen  Tiergruppen,  bei  welchen 
doch  jede  blutsverwandte  Beziehung  ausgeschlossen  ist  und  wo  dieselbe  also  ganz 
unabhängig  entstanden  sein  muß,  so  die  Grundhindenzeichnung  bei  Schmetterlingen 
und  bei  Eidechsen,  die  gleiche  Umbildung  überall  bei  Mollusken,  Insekten,  Wir- 
beltieren. 

Noch  sieben  wir  kaum  im  Anfang  der  Kenntnisse  über  die  Ursachen  dieses  Ver- 
haltens. 

Wenn  ich  seiner  Zeit  die  Frage  aufwarf,  ob  nicht  die  verschiedenen  Zeichnungs- 
stufen Anpassung  an  frühere  und  jetzige  Pllanzenwelt  darstellten,  ohne  später  darauf 
Gewicht  gelegt  zu  haben,  während  ich  in  der  gleichen  Arbeit  >über  das  Variieren  der 
Mauereidechse«  die  ganze  Grundlage  meiner  orthogenetischen  Auffassungen  niederlegte, 
so  ist  es  zwar  sehr  richtig,  wenn  Herr  Wkrneh  heute  als  weiteren  Grund  gegen  jene 
Auffassung  die  Zeichnung  der  Fische  anführt,  aber  gewiß  weniger  sachgemäß,  wenn  heute 
der  Versuch  gemacht  wird,  die  Sache  so  darzustellen,  als  hätte  ich  jene  Auffassung 
bestimmt  vertreten  und  hätte  meine  Ansichten  geändert.  Die  »köstliche«  Schilderung 
eines  vorweltlichen  Waldes  mit  »Telegraphenstangenschlagschatten  und  einer  Wiese  von 
Besenstielen  und  Zündhölzern«  ist  also,  so  geistreich  sie  sein  mag,  in  Beziehung  auf 
mich  wiederum  vollkommen  gegenstandslos.  Besser  würde  sich  Herr  Werner  damit 
an  Darwin  wenden,  der  ja  solche  Anpassungen  zuerst  vertreten  hat.  Wenn  sie  vor- 
kommen —  und  ich  bestreite  so  wenig  wie  je,  daß  sie  vorkommen  können  — ■  so  sind 
sie  erst  in  Gebrauch  gesetzt,  nachdem  sie  orthogenetisch  entstanden  sind,  und  weil  die 
bestimmt  gerichtete  Entwickelung  unablässig  arbeitet.  So  bin  ich  auch  heute  der  An- 
sicht, daß  die  etwa  durch  unmittelbare  Einwirkung  der  Umgebung,  auch  etwa  mit 
Hülfe  der  Auslese  z.  B.  bei  Eidechsen  verdrängte  oder  zurückgehaltene  Zeichnung  unter 
ihr  günstigen  äußeren  Verhältnissen  wieder  zur  Herrschaft  kommen  kann,  wie  ich 
das  in  der  »Mauereidechse«  ausgesprochen  habe  und  was  man  mir  heute  gleichfalls 
als  frühere  Ansicht  vorhalten  will.  Wenn  ich  aber  heute  nach  Maßgabe  der  von  mir 
selbst  inzwischen  aufgestellten  Thatsachen  der  Zuchtwahl  in  Beziehung  auf  eine  be- 
stehende Anpassung  auch  bei  Eidochsen  nur  eine  wesentlich  geringere  Bedeutung  zuge- 
stehen kann,  als  früher,  so  wird  mir  dies  wohl  kein  Vernünftiger  zum  Vorwurf  machen. 

Im  Übrigen  sind  Tagschmetterlinge  keine  Eidechsen  und  Vieles  kann  hier  im 
Sinne  der  Nützlichkeit  angepaßt  sein,  was  es  dort  nicht  ist.  Vieles  aber,  was  man 
auch  hier  früher  ohne  W^eiteres  auf  Nützlichkeitsanpassung  zurückgeführt  hat,  dürfte 
sich  wohl  heute  durch  Mitfärbung  oder  Reizungsfärbung  (»Entst.  d.  Arten  I 
S.  154)  d.  i.  durch  sympathische  Färbung,  Farbenpbotographie,  erklären,  wie  auch  u.  a. 
bei  Raupen  und  Schmetterlingen  —  diese  Mitfärbung  schließt  dann  von  selbst  An- 
passung ein:  mechanische  Farbenanpassung  (Wiener). 

Zu  Seite  4  (Ursachen  der  gesetzmäßigen  Zeichnung). 

Zu  dem  Wenigen,  was  bis  dahin  über  die  Ursachen  der  gesetzmäßigen  Zeichnung 
bekannt  geworden  ist,  führe  ich  auch  die  Mitteilung  von  Arnold  Graf  an  Zoolog. 
Anzeiger,  Bd.  XVIII,  4  895,  S.  6öj,  wonach  die  schwarze  Längszeichnung  und  Fleckung  der 
Hirudineen  dadurch  veranlaßt  wird,  daß  mit  gefärbten  Excretionsprodukten  beladene, 
aus  dem  Endothel  der  Leibeshöhle  stammende  Mesodermzellen  Excietophoren  durch 
die  gegebenen  Zwischenräume  der  Muskulatur  nach  der  Haut  wandern,  wo  sie  ihren 
Farbstoff  abgeben,  indem  sie  zerfallen. 

C.  B.  Klunzinger  sagt  in  seinem  Bericht  über  meine  »Artbildung«  (Naturwissen- 
schaftliche Wochenschrift  von  PoTONiE  -1896,  '19.  April'  im  Anschluß  hieran:  so  dürften 
auch  bei  den  Schmetterlingen  die  Matrixzellen  auf  ihren  Inhalt  an  Farbstoffen  und  ihr 
Vorhalten  gegen  äußere  Agentien  näher  zu  prüfen  sein,  denn  wenn  das  Flügelgeäder 
für  die  Zeichnung  nicht  maßgebend  ist,  so  müssen  doch  irgend  welche  anatomische 
Grundlagen  für  dieselbe  gefunden  werden. 

Dieses    Bedürfnis    nach    einer   Erklärung    der    Zeichnung    spricht    sich    auch    in 


Besondere  Anmerkungen.  477 

anderen  Berichten  über  meine  Befunde  aus  und  es  ist  selbstverständlich  ein  dringen- 
des, mir  nicht  am  wenigsten  fühlbares.  Untersuchungen  über  die  Ursachen  der 
Farben  bei  Schmetterlingen  überhaupt,  welche  ich  zunächst  veranlaßte,  müssen  erst 
Boden  für  die  Lösung  der  besonderen  Frage  der  Zeichnungsursachen  abgeben. 

Ganz  unabhängig  von  der  Aderung  ist  übrigens  die  Zeichnung  nicht.  Größte 
Abhängigkeit  besteht  sogar  beim  A'«</i«s-Typus.  Auch  sonst  sind,  wie  wir  sahen, 
gewisse  Adern  für  die  Zeichnung  durchaus  maßgebend,  und  die  Entwickelungsge- 
schichte  zeigt,  daß  bei  bisher  untersuchten  .Vrten  gewisse  Zeichnungen  sich  immer 
zuerst  auf  oder  dicht  an  bestimmten  Adern,  bezw.  Tracheen,  oder  auf  Gabelungsstellen 
solcher  anlegen  (M.  v.  L index  .  Man  wird  also  hier  wohl  auf  den  Einfluß  der  Oxydation 
hingewiesen. 

Der  Nachweis  von  Verschiedenheit  der  Ursachen  würde  den  Gegenstand  in 
Einzelnem  noch  merkwürdiger  machen,  als  er  es  so  schon  ist.  Ein  weites  Gebiet  für 
Arbeit  liegt  hier  vor.  Das  Nächstliegende,  Erste  aber  ist  die  vollendete  Feststellung 
der  morphologischen  Thatsachen.     Das  Weitere  muß  folgen. 

Zu  Seite  6.  (R.  Diez.  Untersuchungen  über  die  Skulptur  der  Flügeldecken  bei 
der  Gattung  Carabus  auf  Gru  nd  der  Gesetze  organischen  Wachsens.)  Die  wesent- 
lichsten Ergebnisse  dieser  Arbeit  sind  die  folgenden: 

Es  handelt  sich  bei  der  Umbildung  der  Skulptur  in  der  Hauptsache 

1.  um  eine  Verminderung  der  Rippenzahl; 

2.  um  eine  A^erstärkung  einzelner  Rippen  auf  Kosten  der  benachbarten; 

3.  um  eine  Zerlegung  von  Rippen; 

4.  um  Ausbildung  von  Querverbindungen  zwischen  den  benachbarten  Rippen; 

5.  um  eine  Abtlachung  der  Rippen,  wobei  zunächst  die  die  Rippen  einfassenden 
Reihen  eingestochener  Punkte  noch  bestehen  bleiben,  bis  endlich 

G.  auch  diese  schwinden  oder  unregelmäßig  werden  und  eine  glatte  oder  mit 
eingestochenen  Punkten  regellos  bedeckte  Oberfläche  entsteht,  die  endlich 

7.  durch  Erhebung  der  Zwischenräume  zwischen  diesen  vertieften  Punkten 
gleichmäßig  gekörnt  erscheint; 

8.  handelt  es  sich  noch  um  eine  stärkere  oder  schwächere  Ausbildung  der  sog. 
Punktgrübchen. 

Die  Verminderung  der  Rippenzahl  kommt  zu  Stande 

a.  durch  Verbreiterung  und  Erhöhung  der  primären,  sekundären  und  tertiären 
Rippen  auf  Kosten  der  quaternären,  desgl.  der  primären  und  sekundären  auf  Kosten 
der  tertiären,  in  welch'  letzterem  Fall  aber  jene  nicht  mehr  den  ganzen  von  den 
letzteren  ausgefüllten  Raum  einnehmen. 

b.  durch  Auflösung  in  Höcker-  oder  Körnerreihen,  die  schließlich  verschwinden; 

c.  ohne  solche  vorherige  Auflösung  durch  allmähliches  Schwächerwerden; 

d.  selten  durch  formliche  Verschmelzung  benachbarter  Rippen. 
Die  Zerlegung  der  Rippen  erfolgt 

a.  durch  Punktgrübchen,  kenntlich  durch  ein  erhabenes  Korn  vorn  im  Grunde. 
Diese  Art  der  Zerlegung  findet  sich  vorzugsweise  bei  den  primären,  weniger  häufig 
bei  den  sekundären,  noch  seltener  bei  den  tertiären  Rippen. 

b.  durch  Ausbildung  einfacher  Quereinschnitte,  wodurch  die  Rippen  in  Höcker- 
oder Körnerreihen  zerfallen. 

Die  Bildung  von  Querverbindungen  zwischen  den  einzelnen  Rippen  erfolgt: 

a.  wenn  die  Rippen  noch  zusammenhängen  oder 

b.  wenn  sie  schon  in  Kettenelemente  oder  Höcker  zerlegt  sind. 

Durch  diese  einfachen  Mittel,  das  stärkere  Hervortreten  der  einen,  das  Zurück- 
treten der  anderen  Entwickelungsrichtung  u.  s.  w.  kommt  die  ganze  scheinbar  unend- 
liche Mannigfaltigkeit  von  Skulpturen  auf  den  Flügeldecken  der  Carabus  zu  Stande. 

Einen  bemerkenswerten  Unterschied  in  der  Skulptur  zwischen  Männchen  und 
Weibchen  konnte  Diez  nicht  feststellen.  Das  Gesetz  der  männlichen  Präponderanz 
findet  also   bei   dieser  Gattung  wie   auch  vielfach  bei   den  Schmetterlingen  keine  An- 


478  Besondere  Anmcikungeii. 

Wendung.  Sekundäre  Geschlechtsunterschiede  finden  sich  hauptsächlicli  in  der  Große 
(Männchen  meist  kleiner),  in  der  Bildung  der  Glieder  der  Vordertarsen  die  des  (J 
erweiterti,  in  der  Form  einzelner  Fühler-  und  Tastergiieder,  endlich  in  der  Form  des 
Ausschnittes  am  Seitenrand  der  Flügeldecken  gegen  die  Spitze  (wo  ein  solcher  über- 
haupt vorhanden  ist,  ist  er  in  der  Regel  beim  Q  stärker). 

Ebensowenig  wie  das  Gesetz  von  der  männlichen  Präponderanz  ist  das  biogene- 
tische Grundgesetz,  das  Undulationsgesetz  und  das  Gesetz  von  der  Alterspräponderanz 
bei  den  Käfern  anwendbar,  da  der  Käfer  vollständig  fertig  aus  der  Puppe  hervorgeht 
und  eine  Veränderung  während  seines  Lebens  ausgeschlossen  ist. 

»Wohl  kaum  irgendwo  wird  aber  das  EuiER'sche  Gesetz  von  der  postero-anterioren 
und  infero-superioren  Entwickelung  klarer  und  deutlicher  zum  Ausdruck  kommen, 
als  bei  den  Punktgrübchen  auf  den  Flügeldecken  der  Carabus-Avlen.  Stets  ist  es  zuerst 
die  dritte  Dorsalrippe,  auf  der  sie  sich  zuerst  zeigen.  Dann  greift  die  neue  Eigenschaft 
auf  die  zweite  und  zuletzt  auf  die  erste  Dorsalrippe  über.  Fast  immer  aber  reichen 
die  Grübchen  auf  der  dritten  primären  Rippe  weiter  nach  vorn,  als  auf  der  zweiten, 
auf  dieser  weiter  als  auf  der  ersten.  Sehr  häufig  ist  die  dritte  schon  der  ganzen 
Länge  nach  in  größeren  oder  kleineren  Abständen  mit  Grübchen  besetzt,  während  bei 
der  zweiten  erst  auf  der  hinteren  Hälfte,  bei  der  ersten  entweder  gar  keine  oder  nur 
ganz  hinten  1   oder  2  Grübchen  vorhanden  sind«. 

Zu  Seite  18.     (Postero-anteriore  Umbildung.) 

Klunzinger  bemerkt  in  seinem  Bericht  über  meine  »Artbildung«  in  der  Naturw. 
Wochenschrift  1896:  »Das  Gesetz  des  postero-anterioren  Fortschreitens  ist,  was  ich 
nirgends  erwähnt  finde,  wenigstens  bei  Wirbeltieren  zurückzuführen  auf  die  ontogene- 
tische  Neubildungsquelle  des  Urmundes.« 

Es  kommt  dabei  in  Betracht,  daß  die  Entwickelung  des  Wirbeltierleibes,  be- 
sonders deutlich  beim  Amphioxus  Hatschek,  Hertwig)  vom  Frmund  der  Gastrula, 
dem  späteren  Hinterende,  ausgeht:  von  hier  aus  entsteht  das  Mesoderm,  entstehen 
die  Coelomtaschen,  sich  allmählich  vorn  zuerst  entwickelnd,  abschnürend,  auch  die 
Urwirbel  sind  hinten  zuerst  deutlich.  So  entstehen  immer  neue  Segmente  von 
hinten,  vom  Urmund,  der  Wachsturaszone  oder  Keimungs(iuelle  ßlastocrene)  aus  und 
rücken  nach  vorne. 

»Die  postero-anteriore  Umbildung  der  Zeichnung  würde  also  einer  Neigung  für 
Fortsetzung  der  Entwickelung  in  der  früheren  embryonalen  Richtung  entsprechen.« 

Zu  Seite  19.     (Homoeogenesis.) 

»Unter  dem  Ausdruck  »analoger  Variation«,  sagt  Darwin,  ....  »verstehe  ich 
eine  in  der  einen  .\rt  oder  Varietät  vorkommende  Abänderung,  welche  einem  normalen 
Charakter  in  einer  anderen  und  distinkten  Art  oder  Varietät  ähnlich  ist.  Wie  in 
einem  späteren  Kapitel  erklärt  werden  wird,  können  analoge  Variationen  aus  ver- 
schiedenen Gründen  entstehen:  es  können  zwei  oder  mehrere  Formen  von  ähnlicher 
Konstitution  ähnlichen  Bedingungen  ausgesetzt  gewesen  sein  oder  es  könne  sich  bei 
der  einen  Form  um  Rückschlag  auf  den  gemeinsamen  Urerzeuger  handeln  oder  es 
können  beide  Formen  ihre  Ähnlichkeit  durch  Rückschlag  erlangt  haben.«  So  seien 
Pferde  und  Esel  zuweilen  gefleckt,  Pferde  gestreift.  Da  wir  wissen,  daß  Streifen 
mehrerer  Arten  von  Felis  »leicht  in  Flecke  und  wolkige  Zeichnungen  übergehen,  wie 
ja  selbst  die  Jungen  des  gleichförmig  gefärbten  Löwen  auf  hellerem  Grunde  dunkel- 
gefleckt sind,  so  können  wir  vermuten,  daß  das  Geflecktsein  des  Pferdes,  welches 
manche  Schriftsteller  in  Verwunderung  gesetzt  hat,  eine  Modifikation  oder  eine  Spur 
jener  Neigung  ist,  streifig  zu  werden«  i). 

An  einer  anderen  Stelle^)  sind  verschiedene  weitere  Beispiele  von  Pflanzen  und 
von  domestizierten  Tieren  (Tauben,  Hühnern  u.  a.)  mitgeteilt:  »Drei  Spezies  von  Cucur- 
bita haben  eine  Menge  Rassen  ergeben,  welche  einander  im  Charakter  so  nahe  ent- 
sprechen,   daß  sie,    wie  N.\udin  behauptet,  in  einer  fast  streng  parallelen  Reihe  ange- 


1)  D.^RwiN,  Domestikation  I,  3.  Aufl.,  Stuttgart  1880,  S.  62. 

2)  Ebenda  II,  S.  376  ff. 


Besondere  Anmerkungen.  479 

ordnet  werden  können.  Mehrere  Varietäten  der  Melone  sind  deshalb  interessant,  daß 
sie  in  wichtigen  Charakteren  anderen  Spezies  ähnlich  sind  und  zwar  desselben  Genus 
oder  verwandter  Gattungen«.  Es  könne  sich  in  diesem  oder  in  weiteren  aufgeführten 
Fällen  nicht  um  Rückschlag  handeln,  sondern  um  Vererbung  von  einem  früheren  Ur- 
erzeuger  auf  Grund  derselben  Konstitution. 

Bei  Tieren  gebe  es  weniger  Fälle  von  analoger  Variation  unabhängig  vom  Rück- 
schlag. Die  spärlichen  Beispiele  beziehen  sich  aber  nur  auf  Rassen:  man  sehe  etwas 
derart  in  der  Ähnlichkeit  zwischen  den  kurzschnäuzigen  Rassen  des  Hundes,  wie  des 
Mopses  und  der  Buldogge,  bei  federfüßigen  Rassen  des  Huhns,  der  Taube  und  des 
Canarienvogels,  bei  Pferden  der  verschiedensten  Rassen,  welche  dieselbe  allgemeine 
Färbung  darbieten,  bei  allen  schwarz  und  gelbbraun  gefärbten  Hunden,  welche  gelb- 
braune Augenflecke  und  Füße  haben:  hier  könne  es  sich  aber  möglicherweise  um 
Rückschlag  handeln. 

Dann  folgen  Beispiele  für  solchen  Rückschlag.  Einmal  spricht  D.^rwin  hier  davon, 
es  sei  eine  wahrscheinliche  Ansicht,  daß  alle  Glieder  der  Hühnerfamilie  die  Eigenschaft 
gefütterten  oder  gestrichelten  Gefieders  in  Folge  einer  Neigung,  in  gleicher  Manier  zu 
variieren,  geerbt  haben.  So  könnte  es  auch  erklärt  werden,  daß  die  weiblichen 
Schafe  bei  gewissen  Rassen  hornlos  sind ,  wie  die  Weibchen  einiger  anderen  Hohl- 
hörner,  daß  gewisse  domestizierte  Katzen  leicht  Haarbüschel  an  den  Ohren  haben,  wie 
der  Luchs,  und  warum  die  Schädel  der  domesticierten  Kaninchen  oft  von  einander  in 
demselben  Charakter  abweichen,  wie  die  der  verschiedenen  Spezies  der  Gattung  Lepus. 

Weiterhin  sagt  Darwin,  er  habe  diese  analoge  Variation  ausführlich  erörtert, 
weil  es  bekannt  ist,  daß  die  Varietäten  einer  Art  häufig  verschiedenen  Species  ähnlich 
sind,  weil  dadurch  gezeigt  werde,  daß  jede  unbedeutende  Abänderung  von  Gesetzen 
beherrscht  und  in  einem  viel  höheren  Grade  durch  die  Natur  der  Organisation  als 
durch  äußere  Lebensbedingungen  bestimmt  wird.  Endlich,  weil  die  bezüglichen  That- 
sachen  »in  einer  gewissen  Ausdehnung  mit  einem  noch  allgemeineren  Gesetze  in  Be- 
ziehung stehen,  nämlich  mit  dem,  was  Herr  B.  D.  Walch  das  Gesetz  der  gleich- 
artigen Variabilität  genannt  hat:  d.  i.  »wenn  irgend  ein  gegebener  Charakter  in 
einer  Art  einer  Gruppe  sehr  variabel  ist,  so  wird  er  in  verwandten  Spezies  variabel 
zu  sein  streben,  und  wenn  irgend  ein  gegebener  Charakter  in  einer  Art  einer  Gruppe 
vollständig  konstant  ist,  so  wird  er  in  verwandten  Spezies  gleichfalls  konstant  zu 
sein  neigen.« 

Dieses  letztere  Gesetz  hat  dem  Namen  nach  mehr  Beziehung  zu  meinem  Gesetz 
der  unabhängigen  Entwickelungsgleichheit,  Homoeogenesis,  wie  dem  Inhalt  nach.  Die 
»analoge  Variation«  aber  ist  durch  dieses  Gesetz,  bezw.  (was  Darwin  nur  ausnahms- 
w-eise  als  Möglichkeit  erwähnt  durch  das  Herrschen  bestimmter  Entwickelungsrich- 
tungen,  d.  i.  der  Orthogenesis,  zu  erklären,  nicht  in  der  Mehrzahl  der  Fälle,  wie  er 
meint,  durch  Rückschlag.  Außerdem  handelt  es  sich  in  den  Belegen  der  von  mir 
vertretenen  Homoeogenesis  weniger  um  ähnliche  Ausbildung  nahe  verwandter 
domestizierter  Rassen,  sondern  vielfach  untereinander  sehr  entfernt  stehender, 
freilebender  Arten,  wobei  allerdings  trotzdem  die  ursprüngliche  Konstitution  maß- 
gebend für  die  Ähnlichkeit  sein  wird. 

Fortgesetzte  Untersuchungen  werden  wohl  zeigen,  welch  große  Bedeutung  der 
Homoeogenesis  in  weiten  Gebieten  zukommt,  damit  der  Konstitution,  und  da  diese 
in  jedem  einzelnen  Falle  ein  Erworbenes  und  Vererbtes  sein  muß,  der  Vererbung 
erworbener  Eigenschaften. 

M.  V.  Linden-  hat  begonnen,  die  Gehäuse  von  Meeresschnecken  auf  solche  Be- 
ziehungen zu  untersuchen,  und  sie  konnte  in  kurzer  Zeit  die  merkwürdigsten  Ähn- 
lichkeiten der  Gestalt  und  der  Struktur  in  weit  auseinanderstehenden  Gattungen  auf- 
stellen, unter  sonst  sehr  großer  in  denselben  herrschender  Verschiedenheit. 

So  bei:  ^ 

Mitra  pontißcalis  und  Melania  Cybele,  Melania  pantherina  und  Terebra  corru- 
gata,  Melania  spinata  und  Potamites  ebenicus,  Üoryssa  aspersa  und  Ceri- 
thium  sulcatum. 


480  Besondere  Anmerkungen. 

Zu  Seite  2-1,  2"),  2  61    Dakwin,  v.  Hartmann,  Entstehung  der  Arten.) 

Man  weist  niicli  darauf  hin,  daß  Eduakd  v.  Hartmann  schon  vor  mir  den  Titel 
des  DAHWiN'sclien  Buclies  »Die  Entstehung  der  Arten«  für  hinfällig  erklärt  hat.  ^^  Ich 
freue  mich  über  diese  Übereinstimmung  um  so  mehr,  als  der  verbreitete  Mangel 
der  dieser  Erklärung  zu  Grunde  liegenden  so  einfachen  Erkenntnis  ein  Haupthindernis 
für  das  Durchdringen  meiner  Einwände  gegen  die  Herrschaft  der  Zuchtwahl  bis  dahin 
gebildet  hat.  Dazu  kommt  noch  mehr  Übereinstimmung:  E.  v.  Haktmann' hebt  her- 
vor, daß  er  schon  in  der  1868  erschienenen  ersten  Auflage  seiner  »Philosophie  des  Un- 
bewußten« die  »Theorien  der  natürlichen  und  geschlechtlichen  Zuchtwahl  als  über- 
schätzte Erklärungsprinzipien  von  eingeschränkter  Geltung«  nachgewiesen  habe  1.  Autl. 
S.  493—94,  497— Ö03,  223—225;  6.  Aull.  S.  596,  602—610,  24ü— 2öO,i.  »Der  wichtigste, 
dem  Botaniker  Nageli  entlehnte  Einwand  war  der,  daß  die  natürliche  Zuchtwahl  nicht 
auf  morphologische  Strukturverhältnisse,  sondern  nur  auf  die  Anpassung  morphologisch 
gegebener  Organe  zu  bestimmten  physiologischen  Verrichtungen  hinwirken  könne, 
während  doch  die  Unterschiede  der  Spezies,  deren  Entstehung  Daiuvin  durch  seine 
Selektionstheorie  zu  erklären  beanspruche,  wesentlich  morphologischer  Natur  seien,  und 
namentlich  aller  Fortschritt  zu  höheren  Organisationsstufen  auf  einer  Abänderung  der 
morphologischen  Strukturverhältnisse  beruhe.  Seitdem  hat  nun  Darwin  selbst  sich 
bewogen  gefunden,  die  Stichhaltigkeit  dieses  Einwandes  anzuerkennen  und  einzuräumen, 
daß  er  der  Wirkung  der  Zuchtwahl  zu  viel  zugeschrieben  habe,  weil  dieselbe  sich 
nur  auf  physiologisch  nützliche,  adaptive  Charaktere,  aber  nicht  auf  die  zahlreichen 
physiologisch  indiflerenten  morphologischen  Strukturverhältnisse  erstrecken  könne 
(»die  Abstammung  des  Menschen«  deutsch  von  Garus,  2.  Aufl.  Bd.  I.  S.  132);  er  hat 
der  Erkenntnis  dieses  »größten  Versehens«  auch  in  der  Revision  der  5.  englischen 
Ausgabe  seines  Hauptwerks  Ausdruck  gegeben  (vgl.  die  5.  deutsche  Ausgabe  S.  237  — 239), 
hat  jedoch  unterlassen,  die  Konsequenz  daraus  zu  ziehen,  daß  hiermit  schon  der  Titel 
des  letzteren:  »Die  Entstehung  der  Arten  durch  natürliche  Zuchtwahl«  hinfällig  wird, 
weil  eben  die  physiologisch  indilierenten  morphologischen  Charaktere  die  wichtigsten 
und  entscheidenden  für  den  Typus  der  Spezies  sind,  also  von  einer  Erklärung  der 
Entstehung  der  Arten  durch  ein  Prinzip,  welches  die  Hauptsache  unerklärt  läßt, 
nicht  füglich  mehr  die  Rede  sein  kann.  Diese  einleuchtende  Konsequenz  hat  sich 
Darwin  durch  verstärkte  Betonung  auxiliärer  Erklärungsprinzipien  verschleiert,  welche 
indessen,  wie  wir  sehen  werden,  zu  einer  Grundanschauung  führen,  die  derjenigen,  aus 
welcher  das  Selektionsprinzip  entsprang,  entgegengesetzt  ist.«-) 

Hierzu  möchte  ich  nur  bemerken,  daß  ich  meinen  Satz  von  der  Hinfälligkeit  des 
Anspruchs  Darwin's,  die  Entstehung  der  Arten  zu  erklären,  aus  einem  anderen, 
weiteren  Gesichtspunkt  abgeleitet  habe:  aus  der  Herrschaft  der  Orthogenesis. 

Darwin  hat  selbst  später  auf  das  Bestimmteste  erklärt,  daß  seine  natürliche  Zucht- 
wahl es  nur  mit  der  Erhaltung  nützlicher  Eigenschaften  zu  thun  habe,  indem  er  sogar 
sagt:  »Mehrere  Schriftsteller  haben  den  Ausdruck  natürliche  Zuchtwahl  mißverstanden 
oder  unpassend  gefunden.  Die  einen  haben  selbst  gemeint,  die  natürliche  Zuchtw-ahl 
führe  zur  Veränderlichkeit,  während  sie  doch  nur  die  Erhaltung  solcher  Abänderungen 
einschließt,  welche  dem  Organismus  in  seinen  eigentümlichen  Lebensbeziehungen 
von  Nutzen  sind.«-) 

Allein  trotzdem  kommt  er,  wie  im  Vorwort  schon  gesagt  ist,  immer  wieder 
darauf  zurück,  ebenso  bestimmt  seiner  eigentlichen  Meinung  Ausdruck  zu  ver- 
schaffen, es  sei  die  Zuchtwahl  das  wesentlichste  Mittel  der  Umbildung  überhaupt, 
obgleich  sie  Variabilität  voraussetze.  Ich  behalte  mir  vor,  auch  noch  von  anderen 
Beziehungen  der  Ansichten  Darwin's  zu  den  meinigen  in  der  Fortsetzung  der  »Ortho- 
genesis« eingehender  zu  reden. 


1)  Eduard  v.  Hartmann:  Wahrheit  und  Irrtum  im  Darwinismus.  Berlin  1873. 
S.  3.  4. 

'-)  Darwin,  Entstehung  der  Arten.  7.  deutsche  Auflage.  Stuttgart  '1884,  S.  100. 
Man  vergl.  hierzu  auch:  Abstammung  des  Menschen  I.    Stuttg.   1878.  S.  78. 


Besondere  Anmerkungen.  481 

Zu  Seite  Go.     (Farbenphotographie.) 

0.  Wiener  vermuthet  in  seiner  wichtigen  Arbeit,  daß  die  von  Poultoii  ange- 
stellten Farbenanpassungsversuche  mit  Raupen  auf  das  Vorhandensein  eines  farben- 
empfänglichen Stoffes  zurückzuführen  seien.  Wienek  setzt  auch  bei  den  Schmetter- 
lingen einen  solchen  Stoff  voraus.  Die  Farbenwiedergabe  der  Umgebung  in  der 
Zeichnung  würde  dann  auf  einer  mechanischen  Farbenanpassung  beruhen, 
welche  nach  ihm  darin  besteht,  daß  unter  den  entsteliungsfähigen  Farbstoffen 
durch  das  Licht  selbst  derjenige  ausgesucht  wird,  welcher  der  zerstörenden  Wirkung 
der  Beleuchtungsfarbe  am  besten  widerstehen  kann,  und  das  ist  jeweils  der  gleich- 
farbige. 

Damit  wäre  die  Beteiligung  jeder  Nützlichkeitsauslese  an  Farbenanpassungen  als 
entbehrlich  erwiesen. 

(Vgl.  hierzu  auch   »Entstehung  der  Arten«  I.     S.  153.) 

Zu  Seite  64  bis  6  3.     (Nichtanpassung  der  Oberseite  der  Schmetterlingsflügel.) 
Schon  in  seiner  »Isolierung  und  Artbildung«  spricht  sich  Herr  Weismann  auf  das 
Entschiedenste  gegen  diese  Anpassung  bei  Tagfaltern  aus:  abgesehen  von  »den  Fällen 
von   Mimicry   und    schützender   Totalfärbung« ,   d.  i.  einer  »dunkleren  Gesamtfärbung 
bei  gewissen  Weibchen«,  gebe  es  keine  solche.     (S.  39  und  62.) 

Zu  Seite  6fi.      Bildungsgesetze.; 

Sehr  lebhaft  hat  auch  Bildungsgesetze  und  innere  Ursachen  der  Umbildung,  welche 
er  heute  ebenso  lebhaft  zurückweist,  früher  Herr  Aigist  Weismann  vertreten,  haupt- 
sächlich im  zweiten  Teil  seiner  »Studien  zur  Descendenztheorie«  über  »die  Entstehung 
der  Zeichnung  bei  den  Schmetterlingsraupen«,  wenigstens  in  der  ersten  Hälfte  dieser 
Schrift.  Man  vergleiche  dort  u.  a.  Seite  40,  66  ff.,  S.  72.  Er  sagt  dort  insbesondere 
auch,  das  phyletische  Zurückrücken  von  Eigenschaften  (d.  i.  Kymatogenesis),  wie  es 
Würtenrkrger  bei  Ammoniten  gezeigt  und  auf  den  Nutzen  geschoben  habe,  müsse  bei 
den  Raupen,  wie  die  in  jugendliche  Stadien  zurückgerückten  Eigenschaften  »höchstens 
indifferent,  gewiß  aber  nicht  nützlich  sein  können«,  bis  zu  einem  gewissen  Grad  un- 
abhängig vom  Nützlichkeitsprinzip  sein  und  es  müsse  auf  andere  Ursachen  zurückgeführt 
werden:  »auf  die  Bildungsgesetze,  welche  innerhalb  eines  jeden  Organismus  walten«. 
Es  geschehe  gänzlich  unabhängig  vom  Nutzen  .  .  .  .,  heißt  es  weiterhin,  »lediglich  durch 
innere  Bildungsgesetze«.  Es  wird  besonders  auch  betont,  daß  die  Zeichnung  sich 
bei  allen  verwandten  Raupen  mit  auffallender  Gesetzmäßigkeit  ähnlich  entwickele, 
mögen  ihre  äußeren  Lebensverhältnisse  noch  so  verschieden  sein,  und  so 
lange  die  Raup  eben  noch  so  klein  sind,  daß  sie  nur  mit  der  Lupe  sicht- 
bar sind  und  von  einer  Nachahmung,  etwa  der  Stiele  oder  der  Rippen 
der  Blätter,  eben  wegen  des  Grüßenunterschieds  nicht  die  Rede  sein  kann. 

Die  Erkenntnis,  daß  der  Nutzen  in  der  Gestaltung  der  Lebewelt  und  in  der  Neu- 
bildung derselben  nicht  die  große  Rolle  spielt,  welche  ihm  Darwin  zugeschrieben  hat. 
diese  Gegnerschaft  gegen  die  Selektionslehre  dauert  in  dieser  Schrift  allerdings  nur 
eine  kurze  Zeit  und  erfährt  in  sehr  überraschender  Weise  mitten  in  derselben  eine 
plötzliche  Umkehr:  mit  Seite  74  beginnend  und  in  den  folgenden  Abschnitten  werden 
Zeichnung  und  Farbe  auf  Nutzen  zurückgeführt  —  ein  vollkommener  Saison - 
Dimorphismus  der  Erkenntnis.  So  kommt  der  Verfasser  zu  dem  Schluß- 
ergebnis: 

»Es  ist  gelungen,  für  jedes  der  drei  Hauptelemente  der  Sphingiden-Zeichnung  eine 
biologische  Bedeutung  nachzuweisen  und  dadurch  ihre  Entstehung  durch  Natur- 
züchtung wahrscheinlich  zu  machen.  Es  ist  ferner  gelungen  zu  zeigen,  daß  schon 
die  ersten  Anfänge  dieser  Zeichnungen  von  Nutzen  sein  müßten  und  damit  scheint 
mir  ihre  Entstehung  durch  Naturzüchtung  geradezu  erwiesen  zu  sein«. 

»Es  ist  weiter  nicht  schwierig  gewesen,  auch  das  Verschwinden  der  pri- 
mären Zeichnungselemente  durch  später  hinzukommende  sekundäre  wesentlich 
als  eine  Wirkung  der  Naturzüchtung  zu  verstehen«.      Kymatogenesis!; 

Endlich:  Die  Entstehung  und  Ausbildung  der  Sphingidenzeichnung  beruhe  lediglich 
Eimer,  Orttogenesis.  3^ 


482  Besondere  Anmerkungen. 

auf  den   bekannten   Faktoren   der  Naturzüchtung  und   der  Korrelation  —  also  in  der 
That  das  volle  Gegenteil  von  dem,  was  in  der  ersten  Hälfte  der  Arbeit  vertreten  wurde. 
[»Innere  Ursachen«  betr.  vgl.  u.a.  auch  Wkisman>-,  Einfluß  der  Isolierung  auf  die 
Artbildung  1872.     S.  70.) 

Zu  Seite  7  6.  (Künstliche  Züchtung  in  Beziehung  zur  natürlichen.) 
,  Es  ist  auch  von  Anderen  hervorgehoben  worden,  wie  wenig  gerechtfertigt  es 
ist,  künstliche  und  natürliche  Zuchtwahl  in  der  Weise  zusammenzustellen,  wie  Dakwin 
das  thut,  indem  er  die  Ergebnisse  der  ersteren  zu  unbedingt  auf  die  letztere  an- 
wendet. Ein  besonders  wichtiger  bezüglicher  Gesichtspunkt,  welchen  ich  hervorheben 
möchte,  ergibt  sich  aus  der  Orthogenesis.  Bei  der  künstlichen  Zuchtwahl  hat  der 
Züchter  stets  ein  Ziel  im  Auge,  welches  er  durch  die  Auslese  erreichen  will  und  nach 
welchem  er  die  Auslese  richtet.  Es  können  so  irgend  nebensächliche  oder  am  seltensten 
auftretende  Entwickelungsrichtungen  begünstigt,  zur  Hauptsache  gemacht  werden  durch 
fortgesetzte  Auslese,  sobald  sie  auch  nur  mit  kleinsten  Anfängen  auftreten. 
Es  werden  also  schon  diese  Anfänge  in  den  Dienst  des  erstrebten  Nutzens  gezogen. 
Bei  der  natürlichen  Zuchtwahl  ist  dies  nicht  möglich. 

»Aber  in  der  großen  Mehrzahl  der  Fälle  ist  ein  neuer  Charakter  oder  irgend- 
welche Superiorität  in  einem  alten  Merkmal  Anfangs  nur  schwach  ausgesprochen  und 
wird  auch  nicht  streng  vererbt,  und  nun  tritt  die  ganze  Schwierigkeit  uns  entgegen. 
Unermüdliche  Geduld,  das  Vermögen  der  feinsten  Unterscheidung  und  gesundes  Urteil 
muß  viele  Jahre  hindurch  ausgeübt  werden;  ein  deutlich  vorgezeichnetes  Ziel 
muß  beständig  im  Auge  behalten  werden.  Wenig  Menschen  sind  mit  allen 
diesen  Eigenschaften  begabt,  besonders  mit  der.  sehr  unbedeutende  Differenzen  unter- 
scheiden zu  können.  Ein  Urteil  läßt  sich  nur  durch  lange  Erfahrung  erlangen;  fehlt 
aber  irgend  eine  dieser  Eigenschaften,  so  ist  die  Arbeit  eines  Lebens  möglicherweise 
vergebens.  Ich  bin  erstaunt  gewesen,  wenn  berühmte  Züchter,  deren  Geschick  und 
Urteil  durch  ihren  Erfolg  bei  .Ausstellungen  sich  erwies,  mir  ihre  Tiere  zeigten,  die 
alle  gleich  erschienen,  und  mir  ihre  Gründe  mitteilten,  warum  sie  dieses  und  jenes 
Individuum  paarten.  Die  Bedeutung  des  großen  Princips  der  Zuchtwahl  liegt  haupt- 
sächlich in  diesem  Vermögen,  kaum  merkbare  Verschiedenheiten  auszuwählen,  welche 
nichtsdestoweniger  sich  als  der  Ueberlieferung  fähig  herausstellen  und  welche  sich 
häufen  lassen,  bis  das  Resultat  für  das  Auge  eines  jeden  Beschauers  offenbar  wird«, 
sagt  Darwin,  i; 

Zu  Seite  7  6.     (Inhärente  Neigung  zum  Variieren.) 
»Wenn  organische  Wesen  nicht  eine   inhärente  Neigung   zu  variieren  hätten,  so 
würde  der  Mensch  nichts  haben  ausrichten  können.    Er  setzt  unabsichtlich  seine  Tiere 
und  Pflanzen  verschiedenen  Lebensbedingungen  aus,  und  die  Variabilität  erscheint,  die 
er  nicht  einmal  verhindern  oder  aufhalten  kann«:  Darwin,  »Dornest.«.  I.  S.  2. 

Zu  Seite  29  1.     (Halmatogenesis.) 
»Abänderungen,  welche  plötzlich  erscheinen,  werden,  wie  ich  an  einem  anderen 
Orte  gezeigt   habe,  entweder  unverändert  oder   gar  nicht  überliefert«,  sagt  Darwin  in 
Dornest.  2.  Aufl.  Bd.  II,  S.  106  mit  Bezug  auf  NichtÜbertragung  von  sprungweise  er- 
worbenen Eigenschaften. 

Zu  Seite  33  0.     (Ursachen  der  Farben.) 

Nach  neuesten  in  meinem  Laboratorium  angestellten,  demnächst  zu  veröffent- 
lichenden Untersuchungen  über  die  Farben  der.  Schmetterlingsflügel  ist  in  der  That 
fast  überall  mit  den  Interferenzfarben  auch  Farbstoff  verbunden. 

Nach  Walter:  die  Überflächen-  oder  Schillerfarben,  Braunschweig  1893  sind  die 
glänzenden  Farben  auf  sogenannte  Schillerstoffe,  d.  i.  auf  Farbstoffe  zurückzuführen, 
welche  gewisse  Teile  des  Spectrum  außerordentlich  stark  absorbieren. 

Man  vergleiche  die  wichtigen  Arbeiten  von  Frikdrich  Urech:  Zoolog.  Anz.  -1891. 
Nr.  380,  1892  Nr.  397  und  398,  1896  Nr.  300   bis  502,  Zeitschr.  f.  w.  Zool.  57.  Bd.  1893 


1;  Darwin,  Domestikation  II,  S.  194. 


Besondere  Anmerkungen.  483 

über  die  Ursachen  der  Schmetterlingsfarben  und  ihrer  Veränderungen.  In  letzterer 
Beziehung  nimmt  Urech.  gleich  mir,  hervorragend  Kompensation,  bezw.  kaleidoskopische 
Umbildung  in  Anspruch  Zool.  Anz.  189«.  Auch  die  Aberrationen,  weiche  E.  Fischer 
durch  Centrifugieren  erhielt,  beruhen  als  topische  Verschiebungen  von  Flecken  nur 
auf  einfachsten  Kompensationsvorgängen.  Eine  in  der  Ontogenie  von  Vanessen  auf- 
tretende Folge  der  Farben  von  Weißlich  zu  Gelb,  Rötlich,  Rotbraun  und  Schwärzlich 
hält  Urech  für  "Wiederholung  der  phyletischen  Folge.     (Dagegen  E.  Fischer.) 

Van  Bemmelen  hat  eine  solche  ontogenetische  Farbenfolge  zuerst  bei  Vanessa 
cardui  beobachtet:  a.  a.  0. 

Man  vergleiche  bezüglich  der  einschlagenden  Fragen  die  Zusammenstellung,  welche 
M.  v.  Linden  unter  der  Überschrift:  »Unsere  Erkenntnis  über  die  Einwirkung  äußerer 
Einflüsse  auf  die  Färbung  und  Zeichnung  der  Schmetterlinge«  gegeben  hat  in  »Die 
Natur«,  herausgegeben  von  0.  Taschenberg,  Halle  ISQ?  •! .  und  28.  März. 

Zu  Seite  361.      Orthogenetische  Präponderanz.) 

Man  hat  mir  wiederholt  vorhalten  zu  müssen  geglaubt,  daß  mein  Gesetz  der 
männlichen  Präponderanz  nichts  Neues  sei.  Es  beruht  dieser  Vorhalt  aber  auf  Irrtum. 
Es  ist  allerdings  eine  altbekannte  elementare  Thatsache,  daß  der  Mann  dem  Weib 
in  der  Ausbildung  verschiedener  Eigenschaften  vorangehen  kann  oder  vorangeht.  Ich 
habe  aber  zuerst  darauf  hingewiesen,  daß  es  sich  dabei  in  Beziehung  vorzüglich  auf 
die  Zeichnung  (aber  nicht  auf  diese  allein:  vergl.  »Mauereidechse«:  um  ein  allgemein 
gesetzmäßiges,  auf  bestimmt  gerichteter  Ent Wickelung  beruhendes 
Verhältnis  und  zw  ar  nicht  nur  zwischen  Mann  und  Weib  handelt,  wobei  der  Mann  seine 
Eigenschaften  auf  das  Weib  übertragen  kann,  sondern  um  eine  höchst  wichtige  Ursache 
gesetzmäßiger  Umbildung  der  Art:  die  neuen  beim  Mann  zuerst  auftretenden 
Eigenschaften  werden  die  der  nächstverwandten  Art  durch  Übertragung  auf  diese  und 
so  fort.  Dazu  zeigte  ich.  daß  es  immer  die  alten  Männchen  sind  (»Mauereidechse«;, 
welche  zuerst  die  neuen  Eigenschaften  annehmen  (Alterspräponderanz),  und  es 
gilt  dies,  so  viel  ich  nach  mir  zu  Gebote  stehenden  Thatsachen  urteilen  kann,  auch 
für  andere  Tiere. 

Wenn  ich  nun  bei  den  Schmetterlingen  für  seltenere  Fälle  eine  weibliche  orthogene- 
tische Präponderanz  aufstellen  konnte,  so  wird  dies  die  Bedeutung  der  gew'öhnlichen 
männlichen  nicht  stören,  noch  wird  es  der  Gesetzmäßigkeit  überhaupt  Abbruch  thun: 
die  Kenntnis  der  Ursachen,  welche  die  Erscheinung  in  beiden  Fällen  bedingen,  wird 
dieselben  wohl  auf  eine  gemeinsame  Grundlage  zurückführen  lassen. 

Zunächst  können  wir  nur  soviel  sagen,  daß  der  männliche  Organismus  in  der 
Regel  ein  in  bestimmten  Eigenschaften  vorgeschrittenerer,  feiner  ausgearbeiteter,  in 
diesen  Eigenschaften  zäher  gefestigter  ist,  weshalb  er  dieselben  leichter  wird  über- 
tragen können.  Es  spricht  dies,  nebenbei  gesagt,  in  hohem  Grade  gegen  maß- 
gebende Anlagen  im  weiblichen  Keimplasma. 

Zuweilen  hat  nun  offenbar  der  weibliche  Organismus  ein  ähnliches  Gefüge,  eine 
ähnliche  Empfindlichkeit  und  ähnliche  Zähigkeit  in  Beziehung  auf  Vererbung  bezw. 
Übertragung  wie  sonst  der  männliche. 

Warum?  ist  für  jetzt  wohl  kaum  zu  entscheiden. 

Zu  Seite  373.     (NichtSchutz  durch  Farben.) 

»Obgleich  wir  zugeben  müssen,  daß  viele  Säugetiere  ihre  jetzigen  Farben  ent- 
W'Cder  als  Schutzmittel  oder  als  Hülfsmittel  zur  Erlangung  der  Beute  empfangen 
haben,  so  sind  doch  bei  einer  Menge  von  Spezies  die  Farben  viel  zu  auffallend  und 
zu  eigentümlich  angeordnet,  um  uns  die  Vermutung  zu  gestatten,  daß  sie  diesen 
Zwecken  dienen«,  sagt  Darwin  außerdem  in  Abstammung  des  Menschen  II.  Stuttgart 
1875,  S.  278. 

3  1* 


484  Besondere  Anmerkungen. 

Zu  Seite  420,  421   und  427  {Vanessa  levana-prorsa  und  Verwandte'. 
E.  BlanciiardI)  sagt  von  Vanessa  prorsoides,  sie  habe  eine  Varietät  levanoides, 
welche  durch  die  Färbung  der  Flügel  im  Ganzen  levana  gleiche. 
Ihre  Flügel  seien  viel  stärker  gezähnt  als  bei  prorsn. 

L.  Gräseu'-)  sagt:  »Vanessa  levana  L.  überall  mehr  oder  weniger  häufig  (im  Amur- 
gebiet), dagegen  die  zweite  Generation  Vanessa  prorsa  L.  nur  bei  Wladiwostok  (dem 
südlichsten  Punkte  des  Gebietes!'  so  häufig  als  die  Stammart,  an  allen  übrigen  Plätzen 
aber  sehr  selten.  Bei  Nikolajewsk  sammelte  ich  im  Sommer  1881  eine  große  Anzahl 
von  Haupen.  Von  diesen  entwickelte  sich  im  August  nur  eine  einzige  Varietät 
prorsa,  alle  übrigen  Puppen  überwinterten  und  lieferten  im  nächsten  Frühjahr  die 
Stammart. 

Vanessa  hurejana  Brem.  nur  bei  Nikolajewsk  im  Juli  zwei  Stück«. 

C.  V.  Heyden^)  beschreibt  eine  Vanessa  vetiüa  und  bildet  dieselbe  auf  Taf.  I, 
Fig.  10  ab,  gefunden  in  Rott,  welche  ihm  in  die  Nähe  unserer  Vanessa  levana  zu  ge- 
hören scheint.  Sie  ist  kleiner  als  diese,  die  Flügel  zeigen  auf  der  Grundfarbe  größere 
undeutliche  schwarze  und  viele  weiße  Flecke  von  verschiedener  Größe. 

Zu  Seite  45  5.     'Schleuderversuche.) 

Nur  wenn  das  Hinterleibsende  der  Puppen  nach  außen,  nach  der  Peripherie, 
gelegen,  also  der  natürlichen  Lage  entgegengesetzt  war,  erhielt  Fischer  bei  Vanessen 
wiederholt  Abänderungen,  welche  für  gewöhnliche  Abarten  maßgebend  sind,  und  zwar 
Kälteformen.  So  bei  Vanessa  urlicae  Annäherung  an  var.  polaris,  bei  V.  polychloros  eine 
fast  vollkommene  ab.  testudo,  bei   V.  Antiopa  zuweilen  Annäherung  an  Hygiaea. 

Wenn  aber  das  Kopfende  der  Puppen  nach  der  Peripherie  gerichtet  war,  ent- 
stand bei  einer  Anzahl  V.  polychloros  kein  Anschluß  an  vorhandene  Flecke,  sondern 
es  entstanden  durch  Vermehrung  des  schwarzen  Farbstoffes  schwarze  Flecke  an  neuen 
Stellen,  aber  an  bestimmten. 

Zu  Seite  4  5  5.  (Einfluß  von  verschiedenem  farbigen  Licht  während  der  Ent- 
wickelung.) 

Ueber  gesetzmäßige  Veränderung  auch  der  Entwickelung  der  Raupenzeichnung  und 
zwar  unter  dem  Einfluß  verschiedenen  farbigen  Lichtes,  sowie  über  den  Grad  des 
Abänderns  sich  von  verschiedenen  Pflanzenteilen  ernährender  Raupen  geben  sehr  be- 
merkenswerte Nachricht  Untersuchungen  von  Gnu.  Schroedek  über  die  »Entwickelung  der 
Raupenzeichnung  und  Abhängigkeit  der  letzteren  von  der  Farbe  der  Umgebung«  Berlin, 
Friedländer  1894.     (Selbstbericht  im  Zool.  Centralblatt  Nr.  10/11.     1894   16.  Juli). 

Zuerst  wird  die  Entwickelung  der  Zeichnung  selbst  (Geometriden),  die  Entstehungs- 
folge der  verschiedenen  Längsstreifen  u.  s.  w.  beschrieben,  sodann  die  Einwirkung  ver- 
schiedenen Lichtes  auf  die  Entwickelung.  In  farbigem  Lichte  wird  »fast  regel- 
mäßig eine  der  p  h  y  1  e  t  i  s  c  h  älteren  Z  e  i  c  h  n  u  n  g  s  f  o  r  m  e  n  gebildet,  welche 
sich  noch  in  der  Ontogenie  der  betr.  Art  erhalten  finden.  Nur  bei  außer- 
ordentlich intensiver  Einwirkung  der  Farbe  vermag  eine  phyletisch  noch  ältere  Zeich- 
nung als  die  des  jüngsten  Stadiums  erzielt  zu  werden Es  gelingt  jedoch,  selbst 

einen  Fortschritt  in  der  Entwickelung  der  Zeichnung  durch  Einwirken  von  Schwarz 
hervorzurufen;  bei  Eupilhecia  ohlongala  tritt  ein  durchaus  neues  Zeichnungselement 
als  Verbindungsschatten  der  Mitte  von  Dorsale  und  Suprastigmale  auf.« 

Im  Einzelnen  erzeugt  1)  Schwarz:  die  phyletisch  jüngsten  Zeichnungsformen 
mit  stärkst  erhaltenen  dunkeln  Zeichnungselementen.  2;  Braun:  ähnlich,  aber  weniger 
ausgesprochen.     3)   Hochrot:   meist  normale,    selten   schwach   hellere  und   schmalere 


')  E.  Blanchard:   Remarques  sur  la  faune  de  la  principaute  tibetaire  du  Mou-pin. 
Compt.  rend.  1871,  S.  810.     Anm.  5. 

2)  L.  Gr\ser:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Lepidopteren-Fauna  des  Amurlandes.  Ber- 
liner Entomol.     Zeitschr.  1888,  S.  95. 

3)  C.  v.  Heyden:    Fossile  Insekten   aus  der  Rheinischen  Braunkohle  in  Hermann 
v.  Meyer's  Palaeontographica.     Kassel,  Theodor  Fischer  1859 — 61.     S.   12. 


Besondere  Anmerkungen.  485 

Zeichnung.  4)  Gelb:  die  pliyletisch  älteren  Zeichnungsformen,  oft  stark  erhellt  und 
verschmälert.  '6]  Grün:  ähnlich  wie  Gelb,  aber  weniger  ausgeprägt.  6)  Hellblau: 
normal.  7)  Violett:  ebenso,  vielleicht  mit  schwacher  Neigung  zur  Wirkung  des 
Schwarz.  8)  Weiß:  ähnlich  Grün.  9)  Gold:  wie  Gelb,  aber  vollkommener,  i  0  Silber, 
ähnlich  der  Wirkung  von  Weiß. 

Über  die  Abhängigkeit  der  Variabilität  von  äußeren  Lebensbedingungen  wird 
berichtet,  daß  von  Laubblättern  lebende  Raupen  mit  längsstreifiger,  nur  aus  wenigen 
Linien  bestehender  Zeichnung  (Geometridenl  fast  nicht  variabel  sind,  von  Blättern  und 
Blüten  lebende  mit  einfacher  oder  hochentwickelter  Zeichnung  außerordentlich 
variabel,  von  den  Blättern  und  Blüten  niedriger  Pflanzen  lebende  Raupen  mit  hoch- 
entwickelter Zeichnung  nicht  variabel  u.  s.  w'. 

Ich  kann  zu  Obigem  hinzufügen,  daß  Versuche,  welche  M.  v.  Linden  mit  der 
Einwirkung  von  verschiedenfarbigem  Licht  auf  Raupen  und  Puppen  von  Vanessa 
urticae  angestellt  hat,  bis  dahin  gleichfalls  nur  Veränderungen  der  Zeichnung  der 
Falter  im  Sinne  der  bekannten  Entwickelungsrichtungen,  im  besonderen  im  Sinne 
derjenigen  ergaben,  welche  durch  künstliche  Kälte  und  Wärme  erzeugt  werden. 

Das  Gleiche  ergab  Fütterung  der  Raupen  mit  verschiedenen  Stoffen. 

Zu  Seite  4  6  6.  'Allgemeine  Ergebnisse  der  Untersuchungen  von  Dr.  Gräfin 
Linden  über  die  Ontogenie  der  Flügelzeichnung  bei  Schmetterlingen.; 

»Die  Untersuchungen  zeigen,  daß  die  Zeichnung  der  Schmetterlinge  nicht  plötzlich 
vor  dem  Ausschlüpfen  des  Falters  als  fertiges  Ganzes  auftritt,  wie  Urech  angenommen 
hat,  sondern,  daß  die  Flügelzeichnung  allmählich  entsteht  und  nur  in  den  allerletzten 
Stunden  des  Puppenstadiums  keine  weiteren  Veränderungen  mehr  erleidet.  > 

Diese  Metamorphose  der  Flügelzeichnung  ist  da  am  auffallendsten,  wo  wir  phy- 
logenetisch ursprüngliche  Formen  antreffen.  Die  weiter  fortgeschrittenen  Formen 
unterscheiden  sich  sehr  früh  durch  eine  Musterung  des  Flügels,  welche  der  Imaginal- 
zeichnung  oft  sehr  ähnlich  ist,  was  den  Irrtum  Urech's  erklärt  und  durch  die  physi- 
kalische Beschaffenheit  der  Schuppen  bedingt  wird. 

Dieses  primitive  ^NFuster  des  Flügels  giebt  uns  ein  Bild  von  der  Zeichnung, 
welche  der  Gattung  eigen  ist,  zu  der  der  Schmetterling  gehört,  es  genügt  aber  nicht, 
um  die  Zeichnung  der  Art  zu  bestimmen. 

Die  ontogenetische  Entwickelung  der  Zeichnung  vollzieht  sich  nach  den  Gesetzen, 
welche  Eimer  für  die  Entwickelung  der  Zeichnung  in  der  Phylogenie  aufgestellt  hat. 
Dieselben  lassen  sich  kurz  in  folgender  Weise  darstellen: 

1.  Es  besteht  ein  thatsiichlicher  Unterschied  zw ischen  Grundfarbe  und  Zeichnung. 
Die  erstere  ist  ontogenetisch  jünger  als  die  letztere. 

2.  Die  primitivste  Zeichnung  ,  wie  sie  in  Pap.  Podalirius  erhalten  ist,  besteht 
aus  Längsstreifen  und  verwandelt  sich  bei  höher  entwickelten  Formen  [Machaon,  urticae, 
in  Flecke  und  bildet  schließlich  [Thais]  eine  aus  Längs-  und  Querflecken  bestehende 
Netzzeichnung.  Bisweilen  wird  die  Grundfarbe  von  der  Zeichnung  vollkommen  unter- 
drückt, es  entsteht  Einfarbigkeit. 

3.  Die  Zeichnung  von  Pap.  Podalirius  entsteht  aus  einer  Zeichnung,  welche  der 
von  Alebion-Glycerion  sehr  ähnlich  ist.  Die  Podalirius-Zeichnnns,  bildet  sich 
durch  Vermehrung  der  schwarzen  Beschuppung  aus  der  des  Alebion-Glycerion 
heraus.  Ebenso  macht  der  P.  Machaon  Tiirnus-ühnliche  Stufen  der  Entw'icke- 
lung  durch,  ehe  er  seine  endgiltige  Zeichnung  erlangt. 

4.  Die  meisten  Veränderungen  in  der  Zeichnung,  besonders  aber  die  Verkürzung 
der  Binden,  schreiten  vom  Innenrand  zum  Außenrand. 

5.  Die  Hinterflügelzeichnung  ist  stets  weiter  fortgeschritten,  als  die  des  Vorder- 
flügels, die  Zeichnung  der  Flügeloberseite  weiter,  als  die  der  Flügelunterseite. 

6.  Die  verschiedenen  Binden  liegen  stets  an  ganz  bestimmten  Stellen  des  Flügels, 
sie  scheinen  häufig  mit  dem  Verlauf  der  Adern  in  Beziehung  zu  stehen  und  ändern 
ihre  gegenseitige  Lage  mit  der  Flügelform  und  der  Aderung. 

7.  Was  das  successive  Auftreten  der  Binden  anlangt,  so  sehen  wir,  daß  die  bei 
Podalirius   in    der    Discoidalzelle    gelegenen    allen    anderen    voraneilen.     Bei    Machaon 


486  Besondere  Anmerkungen. 

ersclieinen  die  Randbinden  zuerst,  bei  Thais  und  den  Vanessen  verbreiten  sich  die 
duniceln  Schuppen  von  der  Flügelwurzel  nach  dem  Flügelrand. 

In  einem  Punkt  stimmen  alle  untersuchten  Formen  überein:  darin  nämlich,  daß 
sich  der  Vorderrand  des  Flügels  und  die  Adern  zuletzt  ausfärben.  Diese  späte  Differen- 
zierung der  Schuppen  des  Flügelvorderrandes  sowie  der  Adern  und  bei  einigen  Formen 
des  Flügelseitenrandes,  wird  der  Grund  sein,  daß  sich  an  den  genannten  Stellen  die 
Einflüsse  anormaler  Verhältnisse  stets  zuerst  geltend  machen  und  zwar  alle  in  der 
Weise,  daß  die  zuletzt  ausgefärbten  Stellen  zuerst  beeinflußt  werden:  Adern,  Vorder- 
rand (besonders  Flügelspitze),  Seitenrand. 

8.  Was  die  Farbenfolge  in  der  Ontogenie  betrifft,  so  vollzieht  sich  dieselbe  in  der 
von  Urech  und  Anderen  beobachteten  Weise:  Blassgelb,  Orange,  Carmin,  Rot,  Rotbraun, 
Schwarz,  Blau  (als  optische  Farbe  ist  es  von  dem  Schwarz  der  Unterlage  abhängig).« 

Hinzufügen  will  ich  dem  noch,  daß  auch  die  Puppenstadien  von  Vanessa  urticae 
und  cardui,  welche  .1.  F.  van  Bemmelen  abbildet  i),  eine  in  meinem  Sinne  ursprüng- 
lichere, ausgedehntere,  auf  meine  Grundbinden  und  Bänder  zurückführbare  Zeichnung 
haben,  als  die  ausgebildeten  Falter. 

Weiteren  bestätigenden  Untersuchungen  der  Entwickelungsgeschichte  dürfen  wir 
demnach  mit  Sicherheit  entgegensehen. 

Zu  Seite  439  (Vorstellung  von  einer  abwechselnd  ausgelöst  werdenden  Keim- 
anlage einer  levana-  und  einer  prorsa-¥ovm]. 

Diese  Vorstellung  wird  selbstverständlich  dadurch  vollkommen  zurückgewiesen, 
daß  die  verschiedensten  Übergänge  zwischen  beiden  je  nach  Maßgabe  der  ange- 
te.vendeten  Temperaturgrade  auftreten.     (Vergl.  dazu  auch  S.  435  und  483). 

Zu  Seite  275.  (zu  »Germinalselektion«  S.  65.) 

Gegenüber  der  Schilderung,  welche  Herr  August  Weismann  auf  S.  65  seiner  »Ger- 
minalselektion« in  »schließlichem  Gedenken«  an  mich  von  meinen  persönlichen  Eigen- 
schaften entwirft,  erscheine  ich  bei  meinem  neuesten  Kritiker  aus  Wien  noch  als  eine 
sehr  unschuldige  Kreatur. 

Hören  wir  dazu  noch  einmal  den  früheren  August  Weismann,  indem  wir  seine 
Ansicht  über  persönliche  Angriffe  in  wissenschaftlichen  Ai'beiten  wiedergeben: 

»Wagner  hat  meine  früheren  rein  sachlich  gehaltenen  Einwürfe  gegen  seine 
Ansichten  in  gereizter,  ja  stellenweise  geradezu  beleidigender  Weise  beantwortet. 

Ich  begreife  vollkommen,  daß  es  unangenehm  ist,  in  der  Entdeckungsfreude 
eines  neuen  Naturgesetzes,  wenn  auch  auf  zarte  Weise,  gestört  zu  werden.  Herr 
Wagner  eifert  ja  selbst  gegen  die  , schädliche'  Herrschaft  der  Autorität  und  sollte 
deshalb  billigerweise  auch  eine  Kritik  seiner  , Isolierungstheorie'  gestatten  .... 

Ich  verzichte  gern  auf  die  weitere  Anführung  von  Stellen,  in  denen  Wagner 
meine  Person  anstatt  meine  Ansichten  zu  treffen  sucht.  Es  ist  bis  jetzt  nicht  Sitte 
gewesen,  wissenschaftliche  Einwürfe  als  personliche  Beleidigungen  aufzufassen  und 
demgemäß  zu  beantworten;  auch  Wagner  scheint  bis  vor  kurzem  diese  Ansicht  ge- 
teilt zu  haben,  denn  er  spricht  ....  folgende  goldene  Worte:  ....  , Vielleicht  wird 
es  auch  an  manchen  Bedenken  und  Einwürfen'  (gegen  die  Migrationslehre)  , nicht  fehlen. 
Der  Wissenschaft  schaden  dieselben  nie,  denn  sie  regen  stets  zu  neuer  Prüfung  ....  an. 
Auch  dem  Forscher,  den  nicht  die  Befriedigung  der  Eigenliebe,  sondern  das  ehrliche 
Streben  nach  einer  möglichst  richtigen  Erkenntnis  von  den  Ursachen  der  Dinge  leitet, 
dürfen  gegründete  Bedenken  gegen  seine  Ansicht  niemals  unwillkommen  sein.' 

So  finden  wir  Wagner  überall  in  Widersprüche  verwickelt,  auf  wissenschaft- 
lichem Gebiete,  wie  auf  diesem  mehr  ästhetischen.« 


1)  J.  F.  van  Bemmelen.  De  Entwickeling  der  Vlinderffeugels  in  de  Pop.  Kgl.  Natur- 
kund.  Vereeniging  in  Nederlandsch  Indie  No.  6,  -1890.  Vgl.  auch  Desselben  Schrift: 
Über  die  Entwickelung  der  Farben  und  Adern  auf  den  Schmelterlingsflügeln  in  Tijd- 
skrift  der  Nederlandsche  Vereeniging.  Leiden,  Brill  1889. 


Besondere  Anmerkungen.  487 

So  spricht  August  Weismann  in  seiner  Schrift  »Über  Isolierung  und  Artbildung« 
1872,  S.  37  und  den  Worten:  ,Auch  dem  Forscher'  u.  s.  w.  fügt  er  in  Anmerkung 
hinzu:  »Soll  wohl  heißen:  »Gerade  einem  solchen  Forscher«,  dem  übrigens  wohl 
allein  der  Name  des  Forschers  zukommt!« 

Man  setze  im  Vorstehenden  statt  Wagnek'  Weismann,  so  hat  man  ein  entspre- 
chendes und  gerechtes  Urteil  des  Forschers  über  den  heutigen  August  Weismann, 
eine  treffende  Kennzeichnung  von  Beziehungen  des  Freiburger  Zoologen  zu  mir  und 
von  dessen  Wandlung  auch  auf  dem  »ästhetischen  Gebiete«. 

Der  persönliche  Angriil  in  »Germinalselektion«  ist  ein  unübertreffbares  Meister- 
stück ausgesuchter  Beleidigung,  ein  vollendetes  Muster  WEisMANN'scher  »Dialektik«. 

Wer  hätte  je,  um  mit  seinen  eigenen  Worten  zu  reden,  ein  solches  Stück  von 
»widrigem  Gezänk«  in  einer  wissenschaftlich  sein  sollenden  Schrift  geliefert,  wer  hat 
mehr  »unbewiesene  Behauptungen«  aufgestellt,  wer  preist  mehr  seine  »Großthaten«  in 
Serien  von  übereilten  Flugschriften  und  Reden  als  eben  der  »Freiburger  Professor«  ? 
Der  kaum  je  von  einem  Sterblichen  erstiegene  Gaurisanka-Gipfel  der  Selbstüber- 
hebung aber,  welcher  dem  Gegner  die  wissenschaftliche  Ebenbürtigkeit  abspricht  und 
sich  dazu  noch  auf  »Andere«  beruft,  wird  bei  diesen  Anderen  der  psychologi- 
schen Teilnahme  sicher  sein,  zumal  angesichts  seiner  in  diesem  Buche  beleuchteten 
Leistungen. 

In  der  Anklage  endlich,  welche  der  Dialektiker  wegen  meiner  Abwehr  der  Angriffe 
E.  Haase's  gegen  mich  erhebt,  steigt  derselbe  leider  tiefer  als  zu  persönlicher  Be= 
leidigung,  er  steigt  zu  ausgesuchter  Verleumdung  meines  Charakters  herab,  indem  er 
zuerst  in  beweglichen  Worten  das  unglückliche  Ende  H.\ase's  schildert  und  dann  be- 
hauptet, ich  hätte  denselben  in  persönlicher  und  hämischster  Weise  nach  seinem  Tode 
abgekanzelt.  Dabei  lässt  er  nach  bekanntem  Muster  die  Hauptsache,  meine  Erklärung 
von  der  Ursache  meiner  Abwehr  weg! 

Die  ganze  Anklage  wird  sich  bei  Vergleichung  von  S.  47  ff.  meiner  »Artbildung«  II 
als  eine  Erfindung  so  vollkommen  wie  die  des  adaptiven  Saison-Dimorphismus  einem 
Jeden  erweisen:  kein  einziges  Wort  von  einem  persönlich e*n  Angriff  wird 
man  darin  finden;  daß  ich  Haase  als  »vortretflichen  Beobachter«  bezeichnete,  geht, 
worüber  dort  kein  Zweifel  gelassen  ist,  gegen  Herrn  Weismann  selbst. 

Wenn  ich  mich  gegen  die  leider  nur  zu  häufige  Verunglimpfung  meiner  Arbeiten 
und  meiner  Person  wehren  muß,  so  ist  mir  das  kein  Vergnügen,  aber  wenn  ich  es 
thue,  so  soll  man  mir  das  nicht  verübeln,  so  lange  man  nicht  zeigen  kann,  daß  ich 
den  Angriff  veranlaßt  habe.  Ich  glaube,  dies  wird  in  keinem  einzigen  Falle  möglich 
sein.     Am  wenigsten  in  Beziehung  auf  Herrn  Weismann  : 

»Besonderer  Zufall  will  es,  daß  meine  Ansichten  in  vorliegender  Frage 
denjenigen  werter  Freunde  und  verehrter  Lehrer  von  mir  nicht  ent- 
sprechen und  daß  ich,  will  ich  meine  Überzeugung  vertreten,  werde 
versuchen  müssen,  dieselben  zu  widerlegen.  So  wenig  dieser  Zufall 
mir  selbst  an  sich  angenehm  ist,  so  sehr  bin  ich  überzeugt,  daß  meine 
freimütige  Vertretung  wissenschaftlicher  Meinung  von  denen,  w^elche 
jenes  persönliche  Verhältnis  kennen,  sowenig  wie  von  den  unmittelbar 
Beteiligten  selbst  als  unfreundschaftlich  und  undankbar  wird  gedeutet 
werden«,  sagte  ich  in  der  Einleitung  zur  »Entstehung  der  Arten«  I,  S.  S,  als  ich, 
wenn  ich  nicht  irre,  als  der  Erste,  der  Vertretung  der  Nichterwerbung  erworbener 
Eigenschaften  von  Seiten  meines  ehemaligen  Lehrers  und  seiner  Keimplasma-Hypothese 
gewiß  in  objektivster  und  rücksichtsvollster  Weise,  wie  dies  eben  obige  Worte  zeigen, 
entgegentrat.  Das  Echo,  welches  meine  Sprache  fand,  war  dies,  daß  der  also  Angespro- 
chen mich  in  verschiedenen  seiner  Reden  mit  häßlich  hämischen  Seitenhieben  per- 
sönlich angriff,  statt  mich  zu  widerlegen.  ;Man  vergl.  die  unmittelbar  nach  meiner 
»Entstehung  der  Arten«  I  auf  der  Kölner  Naturforscherversammlung  von  Weismann 
gehaltene  Rede  S.  4S!  und  das  XIII.  Kapitel  von  dessen  Keimplasma  ^S.  321),  ferner: 
Aufsätze  über  Vererbung  S.  314,  313% 

Ich  habe  zu  diesen  Angriffen  und  zur  Nichtberücksichtigung  der  durch  mich 
bekannt  gegebenen  Thatsachen  Jahre  lang  geschwiegen.     Zuletzt  »beklagte«   ich  mich 


438  Besondere  Anmerkungen. 

nicht,  wie  man  wohl  gesagt  hat,  über  die  letztere,  sondern  ich  forderte  sie  im  Namen 
der  Wissenschaft  als  deren  Recht  (Artbildung  II).  Darauf  erfolgte  der  Angriff  in  der 
»Germinalseloktion«,  in  welchem  mich  mein  advokatischer  Gegner  als  das  Lamm  be- 
handelt, welches  das  Wasser  trübt.  Ich  denke,  daß  meine  Antwort,  wie  sie  dieses 
Buch  enthält,  nur  gerecht  ist,  so  leid  es  mir  auch  thun  mag,  daß  ich  dazu  genötigt 
worden  bin  damit  so  gründlich  zu  sein. 

Man  vergleiche  zu  dieser  meiner  Antwort  außer  dem  schon  im  Text  Mitgeteilten 
auch  W.  Haacke,  »Gestaltung  und  Vererbung«,  wo  es  im  Vorwort  heißt:  »Ein  großer 
Teil  meiner  Ausführungen  mußte  sich  gegen  die  Lehren  eines  .Schriftstellers  richten, 
der,  wie  ein  englischer  Forscher,  Marcus  Hartog,  sagt,  während  eines  zehnjährigen 
Feldzugs  glänzende  Erfolge,  die  ihn  mit  seltenem  Ansehen  umwoben  haben,  errungen 
hat.  Ich  habe  den  Mut  gefunden,  die  abenteuerlichen  Theorien  und  heillosen  Wider- 
sprüche dieses  erfolgreichen  Schriftstellers  rücksichtslos  bloszustellen,  und  bin  über- 
zeugt, daß  die  Wissenschaft  es  mir  danken  wird.  Daß  ich  dabei  zu  unbarmherzig 
verfahren  wäre,  wird  niemand  zu  behaupten  wagen,  welcher  die  den  ehrlichen 
Gegner  kränkende  Geringschätzung,  mit  der  sich  Herr  Weismakn  über  die  schwer- 
wiegendsten Einwände  hinwegsetzt,  an  sich  selbst  oder  an  anderen  erfahren  hat.« 

Warum  aber  all  diese  »Geringschätzung«,  die  so  häßlichen  persönlichen  An- 
griffe gegen  mich?  Ich  meine,  mein  heutiger  Gegner  richtet  sie  in  erster  Linie  gegen 
sich  selbst,  gegen  den  früheren  August  Weismann. 

»Niemand  wird  glauben,  daß  mit  der  DARwiN-WALLACE'schen  Lehre  von  der 
natürlichen  Züchtung  die  Forschung  in  dieser  Richtung  abgeschlossen  sei,  ich  meine 
im  Gegenteil,  daß  sie  damit  erst  begonnen  hat.  So  unzweifelhaft  richtig  mir  auch 
das  Prinzip  scheint,  welches  durch  diese  Lehre  zur  Geltung  gebracht  wird,  so  sind 
wir  doch  noch  sehr  weit  davon  entfernt,  die  Grenze  auch  nur  einigermaßen  bestimmt 
ziehen  zu  können,  bis  zu  welcher  es  wirkt.  Daß-  aber  eine  solche  Grenze  besteht, 
daß  nicht  alle  Charaktere  organischer  Wesen  ihre  Erklärung  in  diesem  Prinzip  finden, 
daß  somit  natüryche  Züchtung  nicht  der  einzige  Faktor  der  Artbildung,  das  scheint 
mir  ebenso  unzweifelhaft  als  daß  natürliche  Züchtung  einer  und  zwar  einer  der  wichtigsten 
dieser  Faktoren  ist,  und  dies  ist  auch  von  Darwin  selbst  anerkannt  worden.  Ganz 
abgesehen  von  den  Momenten,  welche  in  der  physischen  Konstitution  der  Organismen 
selijst  liegen  und  welche  die  dunkelsten  von  allen  sind,  können  die  äußern  Lebens- 
bedingungen noch  in  mancherlei  anderer  Richtung  und  Weise  auf  den  Proceß  der 
Artentwickelung  einwirken,  als  durch  jenes  Überleben  des  Passendsten,  welches  Darwin 
mit  dem  Namen  der  natürlichen  Züchtung  belegt  hat.« 

Also  schrieb  August  Weismann  in  der  Vorrede  zu  seiner  Schrift  über  den  Ein- 
fluß der  Isolierung  auf  die  Artbildung  im  Jahre  1872. 

Später  hat  er  seine  Keimplasma-Hypothese  eingeführt  als  eine  solche,  welche 
die  Zukunft  auch  als  falsch  erweisen  könnte  und  welche  nur  eben  als  »notwendiger 
Durchgangspunkt  unserer  Erkenntnis«  aufgestellt  werden  mußte  (vgl.  Aufsätze  über 
Vererbung,  Jena  1892,  S.  206,  207). 

Darwin  aber  sagt:  »Das  Prinzip  der  natürlichen  Zuchtwahl  kann  man  als  eine 
bloße  Hypothese  betrachten,  doch  wird  sie  einigermaßen  wahrscheinlich  gemacht 
durch  das,  was  wir  von  der  Variabilität  organischer  Wesen  im  Naturzustande,  von 
dem  Kampfe  ums  Dasein  und  der  davon  abhängigen  beinahe  unvermeidlichen  Er- 
haltung vorteilhafter  Variationen  positiv  wissen,  und  durch  die  analoge  Bildung 
domestizierter  Rassen.  Diese  Hypothese  kann  nun  geprüft  werden  und  dies  scheint 
mir  die  einzig  passende  und  gerechte  Art,  die  ganze  Frage  zu  betrachten.«  (Dornest.  I.  S.  9.) 

Möchten  die  vermeintlichen  Nachfolger  und  Verteidiger  des  großen  Mannes  doch 
etwas  von  dessen  Geist,  von  dessen  großer  sachlicher  Auffassung,  von  dessen  echt 
wissenschaftlicher  Methode  sich  zu  eigen  machen,  indem  sie  an  der  Prüfung  einer 
großen  Frage  als  wahre  Forscher  (im  Sinne  der  trefflichen  Charakterisierung  eines 
solchen  durch  weiland  August  Weismann;  sich  beteiligen,  ebenso  Andere  ohne  Ver- 
unglimpfung sich  beteiligen  lassen  und  die  von  diesen  nachgewiesenen  Thatsachen, 
ob  dieselben  für  oder  gegen  ihre  eigenen  Ansichten  sprechen,  würdigen  im  Dienste 
der  Erkenntnis  der  Wahrheit,  welche  doch  das  einzige  Ziel  der  Naturwissen- 
schaft und  des  Forschers  ist  und  bleibt. 


Verzeichuis  der  Abbildungen. 


Abb.    1, 


)) 

2 

■X- 

3 

» 

4 

» 

5 

» 

6 

» 

7 

» 

8 

» 

0 

» 

10 

» 

14. 

» 

12 

» 

13 

» 

14 

» 

15 

» 

16 

» 

17 

» 

18 

» 

19 

» 

20 

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21 

2> 

22 

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23 

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24 

» 

23 

» 

26 

» 

27 

» 

28 

» 

29 

» 

30 

» 

31 

» 

32 

» 

33 

» 

34 

» 

33 

» 

36. 

» 

37 

» 

38. 

» 

39. 

» 

40. 

» 

41. 

» 

4-2. 

Seite 

Papilio  Alebion 28 

»         Eurymedon  ....  28 

»        Alexanor  Q   .    .    .    .  29 
»        Machaon   bimacula- 

tus 29 

Papilio  Xuthus 30 

»        Asterias  Q     .    .    .    .  30 

»        Hospiton 31 

»        Daunus  ^    .    .    .    .  31 
»        Asterias  var.  Calver- 

leyi 31 

Papilio   Turnus  Q 32 

»         Xuthus 32 

»        Machaon  asialica    .  34 

»         Palamedes  (5    .    .    .  34 

»         Turnus  Q. 36 

»         Bairdii  (5      ....  36 

»         asterioides  Q     .    .    .  36 

»        Asterias  Q     ....  37 

»         Bairdii  Q 37 

»         Turnus  Glaucus  5  37 

Sithon  hiemalis 98 

Megalura  Berania   ....  98 

Thecla  Aetolus 99 

Charis  saphirina 99 

Amathusia  Phidippus    .    .    .100 

Kallima  runiia 100 

»        Philarchus  .    .    .    .101 

»         Inachis    .        ...  102 

Aganisthos   Odius 103 

Junonia  Lavinia 104 

»        Ericjone 104 

Precis  Iphita 104 

»       terea 104 

Megalura  Peleus lOö 

Doleschallia  Pratipa     .    .    .  106 

Corades  Enyo 106 

Anaea  panarisle 106 

Papilio  Turnus  Q 110 

»       Daunus  (5    .    .    .    .110 

»       Agesilaus 110 

»       Alebion 111 

Salamis  Ethyra 112 

Precis  Andremiaja   .    .    .    .114 


Seite 

bb 

.  43. 

Rhinopalpa  Sabina  .    .    .    .114 

;> 

44. 

Cethosia  nicobarica  .    . 

117 

» 

45. 

Coenophlebia  Archidona 

118 

» 

46. 

Anaea  Pasibule     .    .    . 

.    120 

» 

47. 

»       opalina  .... 

120 

» 

48. 

Zareies  Isidora     .    .    . 

.    120 

» 

49. 

Siderone  Mars  .... 

.121 

» 

30. 

Caerois  Chorineus    .    . 

.    123 

» 

51. 

Cithaerias  polila   .    .    . 

.    124 

» 

52. 

Doleschallia  polibete    ^ 

.    126 

» 

33. 

X.                 »        (5 

127 

» 

54. 

»                 »       Q 

127 

» 

35. 

Limenilis  Sibylla  .    .    . 

129 

» 

56. 

Vanessa  prorsa.    . 

130 

» 

57. 

Papilio  Bairdii  (J 

131 

» 

58. 

Tachyris  Zarinda  Q 

133 

» 

59. 

Limenitis  Daraxa 

133 

» 

60. 

Junonia  Lavinia    . 

135 

» 

61. 

Papilio  Agavus  .    . 

137 

y> 

62. 

»        Thoas    .    . 

138 

» 

63. 

»            »        .    . 

138 

» 

64. 

Limenitis  Daraxa 

141 

» 

63. 

Charaxes  Brutus  . 

141 

» 

66. 

Limenitis  Zayla    . 

141 

» 

67. 

Adelpha  Erotia  .    . 

141 

» 

68. 

Zethera  pimplea    . 

143 

» 

69. 

Papilio  Zenobia    . 

143 

» 

70. 

Vanessa  cardui.    . 

144 

» 

71. 

»         Dejeanii  . 

144 

» 

72. 

Limenitis  populi    . 

147 

» 

73. 

Argynnis  Sagana  . 

147 

» 

74. 

Tachyris  Zarinda 

147 

» 

75. 

Limenitis  Sibylla  . 

147 

» 

76. 

Archonias  sebennica 

6 

148 

» 

77. 

»           Pitana . 

148 

» 

78. 

Papilio  Hesperus  . 

130 

» 

79. 

»       Epiphorbas 

131 

» 

80. 

>       Delalandii     . 

151 

» 

81. 

Vanessa  Canace   . 

151 

;> 

82. 

»         Haronia  .    . 

151 

^> 

83. 

»         Glauconia  . 

151 

» 

84. 

»         Itea.    .    . 

152 

:» 

85. 

Eunica  Flora    .    . 

152 

» 

86. 

Kallima  Inachis    .    . 

152 

490 


Verzeichnis  der  Abbildungen. 


Seite 

Abb.  87. 

Gynaecia  Dirce 153 

Abb.149. 

Ithomia  pardalis 

.     88. 

Vanessa  Myrinna . 

154 

»   150. 

»        galata  .... 

»     89. 

»         cardui     . 

154 

»   151. 

Dismorphia  Praxinoe  ^ 

»     90. 

»         Dejeanii . 

154 

>>   152. 

»          Cornelia  .    . 

»     91. 

»         vulcanica 

154 

»   153. 

»             Foedora  Q 

»      92. 

>         Atalanta 

154 

»   154. 

»             Critomedia  q 

J   ". 

»      93. 

Hypanartia  Lethe. 

154 

»   155. 

»            Meiite  Q    . 

»      94. 

Catagramma  Cynosuri 

i   . 

156 

»   156. 

»            Jethys  Q 

»     95. 

»             Pilheas 

156 

»    157. 

»            Psamathe 

6 

»      96. 

Catonephele  Capenas 

156 

»   158. 

Archonias  Corcyra   . 

»      97. 

Agrias  Amydonius     . 

157 

»   159. 

Adelpha  Syme  Q  .    . 

»      98. 

Parnassius  Mnemosynt 

158 

»    160. 

Vanessa  Glauconia  . 

»      99. 

Ismene  Helios    .    .    . 

158 

»161. 

Limenilis  Sibylla  .    . 

»   100. 

Colias  hyale  .... 

158 

»    162. 

Papilio  Delalandii    . 

»    101. 

»       edusa  .... 

158 

»   163. 

IT 

Vanessa  Myrinna.    . 

»   10:2. 

Pieris  brassicae  ^     . 

158 

»    164. 

»         Atalanta  .    . 

»    103. 

Hebomoia  Glaiicippe . 

158 

»    165. 

Hiipanartia  Lethe.    . 

»   104. 

Danais  Chrysippus  . 

160 

»    166. 

Pseudacraea  Lucretia 

»   105. 

Acraea  Gea  .... 

163 
164 

»    167. 
»    168. 

Ithomia  galata  .    .    . 
Papilio  Hesperus  .    . 

»    106. 

Pseudacraea  Lucretia 

»    107. 

Amauris  niavius  .    . 

164 

»    169. 

»       Lycortas   .    . 

»   108. 

Papilio  Merope  Q  .    . 

164 

»    170. 

»       Antenor.    .    . 

»    109. 

»             »     var.niavioides  164 

»    171. 

»       AlyattesQ.    . 

»    110. 

»             »       »  Antinorii  g  1 64 

>    172. 

Armandia  Lidderdalii 

»   111. 

»             »      (5 165 

»    173. 

Parnassius  Eversmann 

i 

q'. 

»112. 

Hypolimnas  BoHna  ^ 

167 

^>    174. 

»            Apollo    . 

>    113. 

Papilio  Alyatles  ^  . 

167 

»    175. 

Limenitis  Daraxa.    . 

»114. 

»       Xuthus  .    .    . 

169 

»    176. 

Caliicore  Astala    .    . 

»   115. 

»           »         ... 

169 

»    177. 

Ageronia  fornax   .    . 

»116. 

Pieris  Agathon  .    .    . 

169 

»    178. 

»         Arinome.    . 

»    117. 

Hestia  Idea 

171 
173 

»    179. 
»    180. 

Archonias  sebennica  (5 
Pereute  Charops  .    . 

»    118. 

Methonella  Caecilia  . 

»    119. 

Papilio  Laodocus  Q  .    . 

174 

»    181. 

Tachyris  Zarinda     . 

»    120. 

Ideopsis  Daos  Q    .    . 

174 

»    182. 

Ismene  Helios    .    .    . 

»    121. 

Papilio  Xenocles   .    . 

174 

»    183. 

Colias  Hyale  .... 

»   122. 

Danais  melaneus  .    . 

174 

»    184. 

»       edusa  .... 

»   123. 

»               »         .    . 

174 

»    485. 

Pieris  brassicae  Q    . 

»   124. 

Papilio  Leonidas  .    . 

176 

»   186. 

Hebomoia  Glaucippe 

»   125. 

Euploea  Midamus    . 

177 

»   187. 

Pieris  Agathon  .    .    . 

»    126. 

Catonephele  Acontius  q 

J  '. 

180 

»    188. 

Dercas  VerhuelUi .    . 

»   127. 

Hestia  Idea    .... 

181 
185 

»    189. 
»   190. 

Amathusia  dilucida  . 
Opsiphanes  Boisduvalii 

>   128. 

Opsiphanes  Boisduvalii 

»    129. 

Caerois  Chorineus    . 

186 

»191. 

Corades  Enyo   .... 

»    130, 

Agrias  Amydonius    . 

187 

»    192. 

Sithon  nivea  .... 

»   131. 

Caliicore  Astala    .    . 

1S8 

»    193. 

Euselasia  chrysippe.    . 

»    132. 

Perisama   Vaninka    . 

188 

»   194. 

Lymnas  melanochloros 

»   133. 

Thecla  Aetolus  .    .    . 

189 

»    195. 

Cartea  tapajona    .    . 

»   134. 

Amathusia  Phidippus 

189 

»    196. 

Panara   Thisbe  .    .    . 

»   135. 

»           dilucida  . 

189 

»    197. 

Diorhina  Periander  . 

»    136. 

Athyma  Leucothoe    . 

192 

»   198. 

Zeonia  sylphina    .    . 

»   137. 

»        Nefte  Q    .    . 

192 

»    199. 

Leptocircus  virescens 

»   138. 

»     <5   .    . 

192 

»   200. 

Amarynthis  Meneria 

»   139. 

Phyciodes  Callonia  . 

193 

»   201. 

Methonella  Caecilia  . 

»    140. 

»          Clara    .    . 

195 

»   20  2. 

Kallima  paralecta   Q. 

»    141. 

»         Alma    .    . 

196 

»   203. 

»              » 

»    142. 

Eueides  Isabella    .    . 

198 

»   204. 

»       Philarchus   . 

»    143. 

Heliconius  Charitonia 

199 

»    205. 

»       Inachis.    .    . 

»    144. 

»           Pachinus . 

.    199 

»    206. 

Aganisthos  Odius  .    . 

»   145. 

»           Apseudes. 

201 

»   207. 

Junonia  Lavinia   .    . 

»  146. 

Dismorphia  Arsinoe  . 

.    201 

»   208. 

Kallima  paralecta  (5 

»•  1  47. 

Pereute  Charops    .    . 

.    201 

»   209. 

Adelpha  Syme  .    .    . 

»  148. 

Dismorphia  fortunata  i 

2  '. 

.    202 

»    210. 

Opsiphanes  Boisduvalii 

Verzeichnis  der  Abbildungen. 


491 


Seite 

Alib.an.     Papilio  Polytes 318 

»   "212.     Hypolimnas  Bolina   ....  321 

»  213.     Kaliima  Inachis 322 

»  214.     Papilio  Agesilaus 324 

»  215.     Agrias  Amydonius    ....  325 

»  216.     Ornithoptera  Priamus .    .    .  327 
»217.               >             Priamus  Rich- 

mondia 338 

»  218.     Papilio  Aegeus  Q 339 

»219.           »        Polytes  ? 339 

»  220.           »       Aegeus  (5 339 

»221.  »       Polytes     Q      maris 

colore 339 

»   222.     Eurycus  Cressida     .    .    .    .341 


Seite 

Abb. 2-23.  Parnassius    Mnemosyne  ab. 

melaina  Q 341 

»  224.     Junonia  Lavinia 382 

>   225.           »          Erigonc 382 

»  226.     Precis  Iphita 382 

»   227.  Doleschallia  pratipa     .    .    .  382 

»   228.     Limenitis  Sibylla 383 

»  229.      Vanessa  Dejeanii 383 

»  230.     Vanessa  cardui 383 

»   231.  Parnassius  Eversmanni  Q  .  385 

»   232.  >            Apollo     .    .    .    .385 

»  233.     Calicore  Astala 387 

»  234.      Vanessa  levana 422 

»  235.            »        prorsa 422 


Autorenregister. 


A. 

Agassiz  23. 

Askenasy  VII.   13.   14.  55.  71.  86.  96. 

B. 

Bates  266.  278—289.  331.331.  352.461.462. 

Belt  282. 

van  Bemmeien  234.  483.  486. 

Blanchard  484. 

Boisduval  266. 

Brandes  61.   4  42. 

Brunner  von  Wattenwyl  291.  292.   462. 

Butler  272.  276.   396. 

C. 

Cope  XIII.   13.   19.   59.    371. 
Gramer  1  61. 
Cunningham  XIII.  XV. 

D. 

Darwin    II— VIII.    X.    XI.    XIII.    XV.    3. 

13.    21.    25.      50.    59.     62.    67.    71.    73. 

76.    78.    84.    88.    90.    96.  97.    208.    260. 

278-280.  287—291.  331.  353—362.  365. 

366.   368—381.   387.   434.   462.  465.   473, 

476.   478-483.   488. 
Delage,  Yves  XIII.  XIV. 
Diez  6.  477. 
Dixey  63.  208.  233. 
Doederlein  39. 
Doherty  ^76.  442.  471. 
Dorfmeister  391.  403.  407.  416—420.  433. 

466. 
Doubleday  196. 

E. 

Edwards  38.  401.  442. 
Escherich  7 — 9. 

F. 

Fickert    63.    209.    260.  273.  284.  306.  391. 

403.   405.   408.   417.   445.   472. 
Fischer    27.  391.   404.   408.   456.  483.   484. 
Flower  39. 
Fräser  352. 


Freyer  415. 
Fruhstorfer  244. 


245. 


G. 


41. 


Galton  17.  73. 
Geoffroy  St.  Hilaire 
Goethe  41. 
Gräser  4  84. 
Graf  476. 
Greene  280. 

H. 

Haacke  XIII.  12.  95.   488. 

Haase  39.  45.   137.  140.  145.  161.  163.  165. 

179.  180.  186.  187.  278.  279.  444.  468.487. 
Ilaeckel  23. 
Hahnel    39.    103.    139.  194.  197.  228.  277. 

279.   465. 
Martert  116.  275.   471. 
Hartmann,  E.  v.  480. 
Hatschek  47  8. 
Herrich-Schäffer  271 . 
Hertwig  478. 

Hewitson  1 17.  121.  1  65.  1  7  I.  1  96.  206.  302. 
Heyden.  C.  v.  484. 
Heyer  368. 
Hiigendorf  20. 
Hyatt  3.  13.   19.  20.  23. 


Jaenichen  411. 
Jordan  27  6. 


J. 


E. 


Kielmeyer  23. 

Kirby  161. 

Klunzinger  476.  478. 

Koch,  G.  415. 

Koelliker  72. 

Kohlwey  23.  273.  278.  288. 

L. 

Lamarck  XII.  XIH.  13.  15.  35.  89.  389.  465. 
Leuthner  1  0. 
Levdig  83. 

Linden  4.  3.  391.  397.  466.   468.  469.  477. 
479.   483.   485. 


Autorenregister. 


493 


M. 

Martin  177.   178.   183.  229.  331. 
Mazzola  415. 
Meckel  23. 
Meldola  272.   355. 
Merriiield  27.  391.   407.   450. 
Minot,  Sedgwick  337.   468—470. 
Mivart  VI."278.  289.  290. 
Monike  177. 

Müller,  Fritz  266—272.  311.  332.  333.  354. 
375.   460. 

JT. 

Naegeli  IL  IX.  XIII.  XV.    8.    10.    13—15. 
17.   29.   54.    55.   62.   84.   86.   87.   96.  291. 
Naudin  478. 
Neubert  288. 
Neumayr  X. 
Newton  56. 
Niceville  442.  471. 


0. 


Ochsenheimer  415. 


P. 


Pagenstecher 

306. 

Piepers  39.  184.  2 

76.   277 

Poulton  61.  4 

81. 

Pryer  276. 
Quatrefages  15. 

R. 

Ramann  252. 

256. 

Retzius  74. 

Ribbe  256. 

Rix  364. 

Rössler  280. 

Romanes  25. 

62. 

72.   96. 

Rothschild  kk 

.   45. 

Roux  74.  88. 

89. 

282.   283. 


97. 


S. 
Sageret  97. 
Schatz  204.  257. 
Schilde  XIV.  277.   330.   353.   373.375.   378. 

415.    429.   434—437. 
Schmankewitsch  24. 
Schopenhauer  23. 
Schroeder  484. 
Sclater  3  75. 
Scudder  276.   405.  412. 
Semper  71.   124.   125.    176.  223.  245.  251. 
Seubert  173.  277. 
Simroth  4.  5. 
Skertchley  276. 
Smith  71." 
Sobotta  3. 


Sokolowsky  4. 

Spalding  273. 

Spencer,  Herbert  XII.  5R.  74.  273. 

Standfuß    15.    26.  27.    59.   60.  61.   83.  134. 

274.  329.  334.  335.   367—369.   391—393. 

398.   399.  402 — 404.  407—410.  412.  414. 

417.   450.  455. 
Staudinger    124.    135.    139.    160.  165.  171. 

194.   207.   226.   250.   ^279.   323. 


T. 

Tetens  410. 
Thomson  471.  472. 
Tornier  73.  473.  474. 
Trimen  176.  272.  282. 

U. 


283.  354.   380. 


ürech  79.  482.   485.  486. 


Vosseier  244. 


T. 


W. 


Wagner  443.   486.  487. 
Waich  479. 

Wallace    84.    88.    97.    116.    184.    208. 
—270.    277.  278.   282.   286.    289.     3 
333.      354.      356.      370—374.     376- 
380.   462.  465.  488. 
Walter  482. 
Weir  354. 

Weismann  IX.  XII— XIV.  XVI.  2—5. 
11—13.  15.  17.  18.  20.  27.  34.  39 
63.  65.  68.  69.  73 
92.  93.  95—97.  126. 
185.  190.  203.  208. 
277.  279.  283.  310. 
358.   362.   373.    375. 


50.   55  —  60.   62 

78.   80.   87.  89. 

135.   145.   184. 

232.   273.   274. 

335.   352.   353. 

391—393.411.416- 

446.  449-431.  466. 
Weldon  75. 
Werner  474—476. 
Westwood  280. 
Wiener  60.  83.  476. 
Wilckens  453. 
Wolff  78.  79.  95. 
Wood  354. 
Würtenberger  13.  19 


-420 
4SI 


481, 


429—432.  4 
,   482.   486- 


267 
31  — 

-378. 


8.  9, 

41. 

.   75. 

134. 

228. 

311. 

377. 
34— 
-488. 


481, 


Z. 


Zeller  397. 
Zenneck  4. 


474.  475. 


Sachregister. 


A. 

Aale  3. 

Abändern,     bestimmt     gerichtetes 

U. 
Abändern,  gesetzmäßiges  ö3.  290. 

y>  zufälliges  .'ii.   .'iS.   71.  82.  290. 

Abänderung    12.    357.    358.   389.   392.   482. 

484. 
Abänderung,  stufenweise  462. 
Abänderungen  nach  allen  Richtungen  290. 
Abarten  26^;  33.  358.    389.    390.    392.   393. 

393.   398.   414.   463. 
Abartung  12.   26.   33.  392.  393. 
Aberratio  12.   26.  33.   412.   467.   483. 
Aberration,  sprungweise  413. 
Ahraxas  grossuLariala  233. 
Abstammung  des  Menschen  331.  360. 
Abstufungen  356. 
Acerina  Schraitzer  3. 
Acherontia  Atropos  261.  413. 
Acidalia  rufaria  234. 

»         tesselaria  253. 
Acraea  163.  268.  269.  272. 

»       Anteas  198. 

»        Egina  181.  184.  309. 

»       Gea  142.   162.  163. 

»       nox  199.   307. 

»        Thalia  270.  272. 
Acraeiden  68.  181.  244.  307.   309.  314. 
Adelpha  148. 

»       Epione  326. 

»        Erotia  140.  148.   172.   184.  225. 
»       Mephistophiles  148. 
»       Stjme  210.  223.  316. 
Adolias  372. 

Ähnlichkeit,  mimetische  263. 
Aemona  Amathusia  121.  236. 

»        Leva  236. 
aerealis  263. 
Afterauge  329.  383. 
.\fteraugenflecke  366. 
Afterdarwinismus    11 — 13.  54.  67.  71. 

8S.   97.   357.   371.   374.  392. 
Aganisthos  107. 


Aganislhos  Odius  103.  108.  247.  248. 
Ageronia  68.    85.  178.  226.  302.  310.   324. 
»  albicornis  226.  227. 

»         Alicia  227.   229. 
»         Amphinome  301.  302.  318. 
»         Arete  178.  227.  228.  302. 
»         Arinome  1  78.  227.  229. 
»         Belladonna  227.  228. 
»         Epinome  227. 
»         Ferentina  227. 
»  Feronia  227. 

»         fornax  227. 
»         velutina  178.  227.  228.   302. 
ylp'/m  /au  216.  238. 

Agrias  142.  135—157.   187.  188.  226.  297. 
298.   301 — 303.    307.   315.   326.   328. 
331.   383. 
»       Amydon  304. 
»       Amydonius  188.  325 — 327. 
»      Beata  188. 
»       Claudianns  188. 
»       Narcissus  188.  302. 
»      Sardanapalus  188.  302. 
»       Zenodorus  304. 
Agrotis  pronuba  265.  462. 
Ajax-  Walshii-  Telamonides-Marcellus    401. 

402. 
albulalis  263. 

Alebion-Podalirius-'Yy\)m  210.  220. 

^/efc  Helcita  139.  161. 

Allmacht    der  Natur  Züchtung  2.  3. 

3.    11.    12  —  14.    16.    18.    20.    52.   58.   66. 

73.   83.   88.   91.   279. 
Alpenhase  373. 
Alter  der  Gewebe  1 3. 

»     des  Organismus  15. 
Alterspräponderanz  19.  478.   483. 

Alyattes-khnWchQ  313. 
»       -Gruppe  214.  327. 
»       -Typus  166.  340. 
Amarynthis  Meneria  242.  243. 
Amathusia  dilucida  117.  189.  234.  235.  237. 
»  Phidippus    99.    178.     189.     234. 

316. 


Sachregister. 


495 


Amauris  echeria  165. 

»         niaiius  iQ^.  163. 
Ambli/podia  177. 
Amblystoma  15.  24. 
Araiktogenesis  20.  369.  370.  465. 
Ammoniten  5.  13.  19.  24.  481. 
Amnosia  decora  322. 
Amphibien  83. 

Amphidasis  doubledayaria  413. 
Amphimixis  20. 
Ainphioxus   478. 

Anaea  107.   185.  249.  251.   458. 
»       cyanea  18j. 
»       £<ecira  M5.  121.  122. 
»       eurythema  231. 
»       falcala  115. 
»       Nessus  117. 
»       opalina  120. 
»       panariste  106.  115.  121. 
»       Pasibule  119.  120.  251. 
»       P/(/d<7e  117. 
Anartia  Amalthea  132. 
^nas  crecca  185. 
Anatole  egaensis  350. 
Ancy Iuris  241.  242. 
j.  /«ca  300. 

.■IndrogfeGs-Gruppe  312. 
Angerona  primaria  255. 
anguinalis  263. 
Anlagen  455. 

.\npassung    3 — 5.    53.    60.    61.    6ö.     69. 
88.   160.   183.   233.    280.    310. 
334.   394.   419.   435.  441.   446. 
452.   455.   457.   459.   476. 
»  doppelte  359. 

»  horadimorphe  443. 

Anpassungen,  funktionelle  73.  7  4. 

»  notwendige  51. 

Anpassungszuchtwahl  363. 
Anthocharis  232. 

»  belemia  230. 

»  beiia  230. 

»  cardamines  185.  204.  231.  232. 

307.  319. 
»  sara  354. 

anthracinalis  263.  264. 
anthracinella  263.  264. 
Anticrates-Aristeus  44. 
Antigonis  Felderi  185. 
Antilopen  59. 
Antirrhaea  Murena  124. 
Apatura  112.  435. 

»  //m  130.   148.  274. 

»  /m  130.  148.  271.  274.  351. 

»         Laurentia  136.  225.  348. 
»  Lukasii  14  0.  225. 

»         Namouna  148. 
»         Parisatis  136. 
»         pavonii  142. 
Apaturina  Erminia  1 1  5. 
Archonias  Corcyra  208.  231. 
»  Critias  3-24. 

»  p/«a>m  142.    148.  208.  214.   229. 


ilrc/ionjas  sebennica  148.  208.  229. 

»  Tereas  272. 

/Irctja  259. 

»       aulica  410. 
»       caja  259.  260.  408. 
»       caja  futura  260.  408. 
»       dominula  259. 
»       fasciala  2:i9.   409.  410. 
»       fasciata  Oberthüri  410. 
»       ßavia  259. 
»       //e6e  260. 
»       Hera  260. 
»       hospita  261. 
»      jacobaeae  251. 
»       macularia  410. 
»       maculosa  259. 
»       matronula  259. 
»       plantaginis  259.  2fi1. 
»       pudica  259. 
»       pulchra  260. 
»       purpurea  239. 
»       villica  259. 
Arctiiden  334. 

Argusfasan  289.  292.  360.  361.  366.  382. 
Argynnis  102.   133.  181.  226.  295.  324. 
»  a^iaja  354.  365.   409. 

»         euphrosyne  fingal  410. 
»         Mp/ie  347. 
»         Paphia  274. 
»         Sagana  133.  135.  271. 
»         selene  heia  410. 
>         </jore  borealis  410. 
Tlrgfi/nnis-Typus  135. 
Arhopala  243. 
Jrico/'js  Cepha  350. 
»         ßammula  240. 
»         Jansoni  1  67. 
Arietidae  3. 
Arion  empiricorum  3. 
Aristolochienfalter  139. 
Armandia  Lidderdalii  224.  243.  255. 

Thailina  3  42. 
Artbildung  21.  42. 

»  genepistatische  24. 

Arlemia  salina  13.  24. 

Arten  26.   33.  358.  389.  390.  392.  393.  393. 
398.   414.   465.   467. 
»       amerikanische  48.  49. 
»       europäische  49. 
»       nordamerikanische  49. 
»       vikariierende  4  9. 
Artentstehung  34. 
Asilidae  281. 
Asinus  375. 

»       taeniopus  37  3. 
^spro  3. 

Aster  las -Gruppe  25.  29.  30.  33. 36. 38. 42. 
131.  303.  312.  342.3  64.370.394.408.  412. 
Astur  nisus  287. 
Atavismus  23. 
Aterica   Tadema  153. 
Athyma  192.  193.  226.  472. 
»        Leucothoe  192.  193. 


496 


Sachregister. 


Athyma  Nefte  142.   -19-2—194.  208.  348. 
Altacus  Atlas  3SfJ. 
»        cecropia  365. 
»        insularis  386. 
»        ricini  386. 
Augenflecke  321.  356.  360.   365.   443. 
Augenzierden  3^9.  336.  465. 
Aurorafaltcr  307.  351.  35-2. 
Ausgleichung  426. 

Ausleseie.  18.52— 54.58.  60.61.70.71.73. 

79.  83.  85.  88.  89.  91.  128.  285. 

357.  364.  419.  /i59.4(;4.  465.  482. 

»  geschlechtliche     76.    363.     365. 

366.   463. 
»  natürliche  463. 

Auslösungsreiz  447. 
Außenfeld   129—131. 
Außenrandflecke  1  45. 
Auswachsen  149. 


B. 

Babirusa  59. 

Bandbinden   253.  255.  260.  261. 

Bapta  temerata  365. 

barbalis  263. 

ßatesia  1 55. 

»        hypoxantha  3-23. 
»        regina  301.   302.   318. 
Befruchtungsverhinderung  24. 
Beharrung  21—23.   'i09.  467. 
Beharrungsgesetz  20. 
Beispiele  für  Farben-  und  Zeichnungsfolge 
344.   464. 
»         f.  Geschlechts-Dimorphismus 34 4. 
Beleuchtungsfarbe  481. 
Bicyclus  Italus  316.  349. 
Biene  97. 

Bildungen,  gesetzmäßige,  412. 
Bildungsgesetze  9.  66-69.  310.  311.  335.. 

3S0.'4S1. 
Bildungsgesetze,  innere  54.  73.  481. 
Binnenfeld  113.  114.  117.  129—131.  142. 

170.   240.   246.   253.   255. 
Binnenrandflecke  145. 
Blatt  29-2.  4  81. 
Blattähnlichkeit  69.   71.   98.   100.   103.  105. 

112.   -219.   245.   4n8.   459.   470. 
Blattähnlichkeit  bei  Vanessen  113. 
Blattbildung  233. 
Blätterfolge  bei  Pflanzen  24. 
Blattgestalt  der  Flügel  458. 
Blattschmetterlinge    66.    67.    69.    70. 

-SS.   89.  100.  103.  118.  235.  277.  295.  457. 

458.    470.   472. 
Blattzeichnung  234. 
Bläulinge  275.  284.  445 
Blutläuse  284. 
J3o/Jna-Gruppe  214. 

»      -Typus  162.  168. 

»      -Alyaltes-T\i-)US  166.    214.    22-2. 

»      226.  340. 

»      -Innenfeld-Typus  240. 


bombycalis  263. 
Bombycidae  258.  364.  386. 
ßombyciden  355. 
Bombyx  335. 

>         mori  364.  368. 
Branchipus  24. 

Brassicae-Typus    1.^9.   206.    230.  240. 
Bra!isicae-Glaucippe-TYii\is  231. 
ßrassoliden  155.  185.  210.  237.  300.  307. 

31i.   317.   318.   328.   384. 
Bulldogge  472. 
Buoliana  264. 
Buprestiden  10. 

C. 

Caerois  Chorineus  122 — 124.  156.  186.  190. 

239.   241.   458. 
Caligo  185.   236.  317.  320.   379. 
»       Livhis  185. 
»       Rhoetus   185.   237. 
»       -Typus  21  5. 
Callicore  155.  226.  297.  302.  307.   326. 
»         Astala  188.  226.  3fs7. 
»         Candrena   \'iH.  183. 
»         Clymena  188. 
Callidryas  355. 
Calliona  Irene  350. 

CallÜhea  156.  181.  188.  302.  320.  323.  326. 
»         Buckleyi  302. 
»  Leprieurii  243.   801.  302. 

»         Markii  302. 
»  Sapphira  302.   322.  347. 

Caliithomia  Hezia  179.  201.  204. 
Callosune  206.  307.  327. 
»         Amina  307. 
»         cinerascens  207. 
»         Haevernicki  328. 
»         HüdebrandU  207. 
»         Jalone  207.  346. 
»         Jobina  328.   34  6. 
Canarienvogel  479. 
Carabiden  10.  281.   477. 
Cardui-Atalanta-Inachis-Dirce- 

Typus  146.  150.  161.  212.  225.  230.232. 
Cartea   Tapajona  241. 
Carystus  Irava  178. 
Castnia  354. 
Casyapa   Thrax  178. 
Catagramma  15.-3— 157.  187.  226.  298.  301. 

302.   303.   307.   320.    326.   331.   387. 
Catagramma  Cynosura  136.  324.  323. 
»  excelsissima  188.   302. 

»  Hesperis  188. 

»  Kolyma  188.  298. 

»  Maimuna  303. 

»  Pitheas  136. 

»  Zelphanta  303. 

Catocala  257. 

»         fraxini  257. 
Catonephcie  155. 

Acontius  180.  322.  347. 
Capenas  1 17.  136. 


Sachregister. 


497 


Catonephele  Hewitsoni  Wl.  304. 

»  i\umilia    153.     1  öö.    166.    4  67. 

480.   347. 
»  I's'yctiTnus  ISO. 

»  Obrinus  304. 

Catopsilia  178. 

»  Ar  gante  346. 

»  Euüule  34  6. 

»  Florella  346. 

»  .Sci///a  322. 

centonalis  263. 
Centrit'agieren  483. 
Cephalopoden  59.  ' 

Cephalopodenschalen  20. 
Cerambyciden  9. 
Gerüstes  vaccinii  365. 
Ceratinia  268.  269. 

»         Antonina  i  96. 
»         Daeia  196. 
;>         Eupompe  270. 
Cerilhium  sulcatum  479. 
Cethosia  226. 

»  Chrysippe  1  61 . 

»         Cyane  159. 
»  LeschenaulÜi  218. 

»  luzonica  159.  161. 

»  »       t'ßr.  bohoiica  1 62. 

»         nicobarica  117. 
Cetonia  semipunctata  10. 
Chaerocampa  elpenor  262. 
»  porcelhts  262. 

Charaxes  Athamas  1  32. 

>  B/-M«i/s  140.  225. 

»  Monte iri  155.  326.  348. 

Charts  holosticta  242. 
»       saphirina  99. 
Chittira  luzonensis  1  76. 
Chlamys  pilula  280. 

C/n-(y5«ppus-/?usp/:«a-Typus  146,  159,  213. 
Chrysomela  9. 

»  cerealis  9. 

Chrysomeliden  9. 
Chrysophanns  phlaeas  449. 
Cidaria  254.  255. 

»         albicillata  255.  256. 
»        lugubrata  254. 
»         nigrof'asciaria  234. 
Cirruchroa  Malaya  3 1 6, 
Cithaerias  314. 

»  poi«  to  124. 

Citronenfalter  352. 
Clavicornier  10. 
Clythva  9. 
Cobitis  barbatula  3. 
»       fossilis  3. 
»       taenia  3. 
Coccinella  9. 

»         bipunctata  9. 

>  globosa  9. 

»         variabilis  9. 
Coelites  epiminthia  1  78. 
Coenophlebia  Archidona  118.  119.  121.  458. 
Colaenis  euchroia  196. 

Eimer,  Orthogenesis. 


Colaenis  Julia  270,  272. 
Coleopteren  414. 
Co/ms  230.  335. 

»       Cleopatra  416. 

»       e(ü<sa  159.  230.  231.  255.   307.355. 

>       /i(ya/e  157.  230.   355. 

»       palaeno  230. 

»  »         rar.  lapponica  335. 

»       phicomene  230. 

»        regfta  335. 

»       rhamni  230.  231.  416. 

»        Vautieri  299.  346. 
romparana  264. 
Constitution  s.  Konstitution. 
Corades  Enyo  106.  107.  239.  246.   458. 
Correlation  s.  Korrelation. 
Cossus  cossus  258. 
»       terebra  258. 
Cucurbita  478. 
Curculioniden  10. 
Curelis  Thelys  350. 
Cybdelis  326. 

»         Mnasylus  1  67. 
Cyclogramma  326. 

»  bimaculata  167. 

Cj/i/o  leda  380.  381.  383. 
Cymothoe  Caenis  115.  136. 
»  Sangaris  320.  348. 

»  Theodota  348. 

Cynthia  Moluccaruin  \  \ '^ .  132.  316.  34  7. 
Cystineura   Teleboas  167. 

D. 

Daedalma  Dinias  325. 

»  Dorinda  325. 

Danaid-Heliconiden  280.  281. 
Danaiden  68.  99.  170.  182.  200.  202.  209. 
215.   224.   232.   244.   30O.    308.   309.   312. 
313.   463. 
Danaiden,  helikonierähnliche  183. 
Danaiden  als  Nachahmer  182. 
Danais  163.  271.   309. 
»        Alcippus  172. 
»        Chrysippus  1 59.  161.  1  62.  1  65.  1  72. 

178.   179.   183. 
»        C/eo;ia  176. 
>        Dorippus  1  61 . 
»        Erippus  160.  161.  172.   179. 
»        Hegesippus  172.  183. 
»        Limniace  176. 
»        luzonensis  176. 
»        melaneus  172.  173.  182. 
»       petilia  161. 
»        Plexaure  179. 
»        Plexippus  172. 
»         r/ij/a  172.  183. 
üaptonoura  Florinda  319. 
Waraica-Typus  22.t. 

Darwinismus    54.    8t.    82.  88.  97.  282. 
358.  393,  s.  auch  Lehre,  Darwin' sehe  und 
Theorie,  Darwin  sehe. 
Dasychira  abielis  409.  413. 

32 


498 


Sachregister. 


Dasyophthalma  Creusa  237. 

»  rusitia   140.  237. 

Dauer  der  Temperatureinwirkung  435. 
üeilephila  262. 

»  nerii  262.   413. 

»  vespertilio  185.  262. 

Deltas  301.  318.  322. 

»       Jn<na  207.   342.  34S. 
»       Belladonna  327. 
»        Candida  207.   34->.  343. 
»       chrysomelaena  üOT.  342.  345. 
»       Egialea  207.  231.   327.   343. 
»        Eu Charts  170.  233. 
»       nigrina  207.  299.  327.   345. 
»       Pyramvs  170. 
Dercas   Verhuelln  233. 
Descendenztheorie  481. 
Diadcma  372. 

Dichorragia  Nesimachus  227. 
Dicriirus  musicus  282. 
Didonis  Biblis  324. 
Digoneuonte  432. 
Dimorphismus  44  0.  441. 
Djone  /m«o  270.  -272. 
Diorhina  241 — 243. 
»  £M«es  241. 

»  Periander  241 .  330. 

»  -iepiodrcMS-Typus  242. 

Dircenna  269.  270. 
Discophora  178. 

»  Ce/mde  178.  235. 

»  '/M»ia  180.  235.  286. 

Dismorphia  201 .  202.  205.  283.  267.  31  0. 461. 
»  Albania  20  4. 

»  Arsinoe  201 . 

»  Astynome  201.  207.  310. 

»  .4uo«m  202. 

»  Cornelia  203.  203. 

»  Critomedia  5  05. 

»  Foedora  205. 

»  fortunata  202. 

»  7e</i!/s  204.  205. 

»  Lewyi  203. 

»  Marion  203. 

»  iWe/ia  267. 

»  iUdJZe  204.   203.  267. 

»  Nehemia  203. 

»  Praxinoe  203.  204. 

»  Psamathe  205. 

»  Sororna  310. 

»  Tfieugenis  204. 

»  Ftrflro  20  4. 

Divergenz  der  Charaktere  97. 
dodecadactyla  265. 
Dodona  Ouida  153.  243. 
DoleschaUia  Amboinensis  113. 

»  polibete   71.  84.  106.  124.  125. 

127.   243.  246.   251.   458. 
»  pratipa  103.  126.  381. 

Üoppelanpas.sung  446. 
Dorcadion  molitor  var.  lineola  10. 
Doritis  apollinus  186.  187.  215.  385. 
»        apollinus  var.  apollinaris  186. 


Doritis  apollinus  var.  bellarchus  186. 

;>        apollinus  ab.  r«6)-a  186 
Doryphora  decemlineata  9. 
üoryssa  adspersa  479. 
Dreistufigkeit  29r,.  298.  300.  316.  321. 

»  infero-superiore  324. 

»  postero-anteriore  322. 

»  postero-anteriore     und 

infero-superiore  321. 324. 
Drepana  fulcalaria  261. 
Duft  368.   414. 
ÖMpo  Jussieuae  262. 
Dynamine  117.  226. 

»  Persis  188. 

Dytisciden  10. 


E. 

Echsen  24. 

Eckfleck-Schrägband-Typus  146.130.    205. 
2ia.  2i5.   227.''-237.   313.323.   428. 
466. 
»       -Typus  320. 
Eckflügelbänder  143. 
»       Zeichnung  2  4  4. 
»       zeichnungs-Typus  14  6. 
Eckzeichnung,  schwarze  320. 
Ecpantheria  Scribonia  2  60. 
Edolius  276. 
£dM5a-Randbinde  319. 

»      -Typus  159.  20  4.  231.  240.  253.  313. 
342." 
Eidechsen  23.30.63.271.  277.  280.  281.476. 
Eigenschaften,  neu  auftretende  32. 

»  neue  83.  34.  52.  67.  73.  84, 

91.   251.   389.   474.   483. 
»  sprungweiseerworbene  482. 

»  schädliche  59. 

Einfachheit  199.  216.  252.294.  464.  s.  auch 

Vereinfachung. 
Einfarbigkeit  29.    199.  216.  239.  253.  2G1. 
294.   338.    460.  464.  467.  469. 
473.   474. 
»  helle  217. 

»  schwarze  217. 

Einfluss,  direkter  der  Außenwelt  414. 
»         des  farbigen  Lichtes  484. 
»  indirekter  der  Umgebung  441. 

Einflüsse,  äußere  8.  15.  21.  24.  62.  76. 
94.269.283.366.388.451.471. 
»  klimatische  388.  391.  4  30. 

Einwirkung  der  äußeren  Verhältnisse   69. 
»  des  Lichtes  203.  329.  a80. 

»  unmittelbare  61 . 

»  unmittelbare,     physikalischer 

Bedingungen  283. 
Einwirkungen,  äußere  16.  17.   42.    43.  54. 

70.   72.   370.   391.   460. 
Einzelheiten  über  Zeichnungs-  und  Farben- 
folge 311. 
Einzelrückschlag  23. 


Eisvögel  274. 
Ellopia  255. 


Sachregister. 


499 


Elymnias  178. 

»         Agondas  314.   349. 
:>         beza   177. 
»         Malelas  177. 

»         phegea  142.    162.  163.   186.  319. 
»  undularis  160.   349. 

emortualis  263. 

Empfänglichkeit,  verschiedengradige  364. 
Emydia  cribrum  259. 
»        grammica  261. 
»        striata  261. 
Enispe  Euthymius  285.  316. 
Enten  185. 

Entstehung  neuer   Arten    im   Ver- 
breitungsgebiete     der 
Stammformen  21. 
»  der  Augentlecke  380.   . 

»  von  Augenzierden  336.  379. 

»  nützIicherEigenschaften4  62. 

■■>  allgemeiner  Fleckzeichnuns 

175. 
»  heller  Fleckzeichnung  175. 

»  schwarzer     Fleckzeichnung 

180.   239. 
»  der  prorsa-  aus  der  levana- 

Zeichnung  421^427. 
:>  sprungweise  278. 

Entwickelung  s.  auch  Umbildung. 

»  bestimmt  gerichtete  2. 

3.    8.   12.    13.   14.   20.  40.  48. 
51.   52.   33.   73.    82.    84.    85. 
86.    88.    96.    100.    289.    291. 
358.   366.   467.   476.   483. 
»  divergierende  295.  317.  319. 

342. 
■>  zu  Einfarbigkeit  191. 

»  gesetzmäßige  18.  394. 

»  ho  moeogenetische  235. 

»  infero-superiorelS.  4  63.47s. 

»  kaleidoskopische  460. 

»  ontogenetische  483. 

»  phylogenetische  485. 

»  postero-anteriore  18.  28.  29. 

30.   463.  478. 
!>  nach  allen  Richtungen  278. 

>  supero-inferiore  18. 

>>  sprungweise   24.  36.  72. 

279.  291.  384.  362.  365.  369. 
390.  412.  434.  460.  465.  467. 
»  ver  schiedens  tufige  47. 


112. 
467. 


114.  115.  301.  412.  463. 


Entwickelungsgeschichte  391.  4  75. 

Entwickelungsgesetze  18.  376.  42fi. 
»  innere  62. 

Entwickelungsgleichheit.  unab- 
hängige 38.  48.  83.  114.  128.  134.  145. 
168.169.  182.191.216.  243.  412.  462.467. 

Entwickelungskräfte,  innere  64.  70. 

Entwickelungsmechanik  471. 

Entwickelungsrichtung,  fortschreitende  165. 

Entwickelungsrich  tungen  8.  14.  18. 
m^  26.   35.  43.  57.  60.  61.  71. 


73.  76.  83.  100.  117.  122.  128. 
197.  201.  219.  224.  285.  287. 
310.  311.  329.  392.  393.  400. 
413.  439.  460.  464.  463.  477. 
485. 
Entwickelungsrichtungen,  be- 
>  stimmte  68.  230.  423.  457. 

»  der       Heterocera       und 

Microlepidop  tera  252. 
»  neue  47.  253. 

»  die  wichtigsten  der  Tagfalter 

129. 
Ent Wickelungsstillstand  20.21.  334. 
Entwickelungsstufen  355. 
Entwickeiungstypen  209.  460. 
Epicalia  351. 
Epilachna  globosa  9. 
Epinephele  nurag  410. 
Epiphile  Adrasta  136. 
»         Electra  136. 
Epistase  20 — 23.  334.   409.   467. 
Epistrephogenesis  20. 
Erebus  Agrippina  386. 
Eresia  191.  193 — 197. 
»       Acraeina  196. 
»       Alma  195.  196. 
»       Callonia  196. 
Castilla  196. 
»       Clara  193. 
»        CUo  195.  196.   310. 
»       Cornelia  196. 
»       Emerantia  162.  194. 
>>       Eranites  196. 
»       Eunice  196. 
»       Levina  196. 
»       Ofella  193. 
»       Philyra  19  6. 
»       Polina  310. 
Erhaltung  des  Passendsten  89.  291. 
Erionota   Thrax  1  78. 
Erippus-Chrysippus-Typus  1 61 . 
Ernährung  der  Raupen  42. 
Ernährungsverhältnisse  21 . 
Eronia  Argolis  172. 

»         Valeria  170.  176.  207.   346, 
Erycides  Oreades  24  4. 
Eryciniden  99.  153.  181.  186.215.239. 
300.   307.   310.   314.    319.    320.   329.   457. 
Esel  478. 
Esox  liicius  3. 
Eucheira  socialis  148. 
Euchloe  cardamines  365. 
Eucosmia  undulata  255. 
Eueides  268. 

»         aliphera  269.  270.   272. 

Isabella    196 — 198.  200.  269.  270. 
272. 

lybioides  196. 
•»        pavana  269.  270.  272. 
>         Thaies  309. 
Eugonia  255. 

Eulen  253.  257.  238.  263.  475. 
Eulenausen  879. 


32* 


500 


Sachregister. 


Eulengesicht  379. 
Eunica  Amelia  189. 

»        Flora  152.  153.  189.   347, 
»        Sophonisbe  189. 
»        Violelta  1  89. 
Euphaedra  Eleus  159. 

»  Ruspina  1.)9.  161.    194.  226. 

»  Zevxis  213. 

Eupithecia  oblongala  484. 
Euploea   178.  210. 
»         Browni  182. 
»  Euripon  183. 

»  laetißca  162.   182. 

»  Midamus  177.  178.  183.  215.  347. 

»         Plateni  180. 
»         Rafflesii  276. 
»  lihadamanthits  178.  182. 

»  Usipeles  182. 

Euploeideii  68.  309.  313. 
Euprepia  caja  71.  239.  416.  456. 
Euptychia  100.  316. 
»  .i4cme«is  314. 

»  Cephus  349. 

Eurema  231. 

»         Candida  313.  345. 
Euripus  178. 

Euryades  Duponchelii  136. 
Eurybia  Donna  243. 
Eurycus  Cressida  216.  341.  344. 
Euryphene  115. 

»  Cocalia  348. 

»  Plistonax  160.  226. 

»  Sophus  113. 

Eurytela  Bekkeri  243. 
»         fulgurata  133. 
»  Hiarhas  133. 

Euselasia  Arbas  136.  349. 
»  Chrysippe  240. 

»  euritens  349. 

»  Eutychus  3  4  9. 

»  Hahneli  99.  250.   350. 

»  iWi/5  240. 

Eusemia  Falkensteinii  139.   161. 
Euthalia  178. 

»         Monina  136.   348. 
»  Phemius  348. 

.      »         Plateni  167. 
Euxanthe  Schatzi  325. 
Evolutionslehre  429. 
evonymella  264. 


F. 


Fächerflügler  244. 


Fächer-Zeichnung  172.  199.  214. 


223. 


,    243.   315.   319—321. 
Falter,  blattähnliche  90. 
Farbe  der  Grundbänder  303. 
Farbenanpassung,  mechanische  476.  481. 
Farbenfolge    196.    293.    296.   330.    331. 
334.   335.  463.   483.   486. 
»  postero-anteriore  3 OS. 

Farbenphotographie  463.  476.  481. 


Farblosigkeit.  teilweise  202. 

Farbstof'r  481.   482. 

Farbstofffarben  330. 

Färbung,  sympathische  333.  463.  476. 

Färbungen  83. 

fascialis  263. 

Faultiere  59. 

FoMWMS-pro5'«e-Typus  412. 

Felis  478. 

Feuchtigkeit  61.  330.  471. 

Fidonia  limbaria  233. 

Fische  3.   4.  476. 

ßavalis  263. 

Fleckzeichnung  264. 

»  schwarze  259. 

Fleck-    und    Schrägbandzeichnung 

144. 
Flecktypus,  heller  261. 

»  schwarzer  227. 

Fleckung,  schwarze  239.  474. 
Flügeladern  387. 
Flügelanlage  452. 
Flügelform  179.  187. 
Flügelgestalt  329.   470. 
Flügelgestalt   und    Zeichnung   179. 

187.    193—193.209.   239.   241.   243.   253. 

261—264. 
Flügelzellen  387. 
Folge,  phyletische  4  83. 
Foraminiferen  4.  20.  22. 
forficalis  263. 

Formen,  pseudomimetische  140. 
Formwachstum  der  Flügel  1 91 . 
Fortschritt,  divergierender  342. 
»  der  Zeichnung  4U8. 

Frösche  39. 
Funktion  41.  70.  92. 
Y/VI-Fleck-Typus  213. 
V/VI-Fleck -Zeichnung  213.  233.  237. 

262.  263. 
V/VI-Schrägstrich  31 9. 

G. 

Gallus  bankiva  76. 
Gastropacha  crataegi  260. 

»  neustria  260. 

»  pini  216. 

»  populi  260. 

»  quercus  21  6. 

Gea-Niavius-Merope-lYV^^    '"'^• 

213.  214. 
Gea-Typus  142.  162.  193.  342. 
Gebiete,  geographische  330. 
Gebrauch  13,  17.  23.  41.   70.  73.  89.  388. 
Geckos  277.  473. 
Gehäuseschnecken  4. 
Geistchen  263. 
Genepistase  21.  24.  33.  37.  49.  89.234. 

309.    402.    409.   428.    467. 
Geometridae  234.  484.  485. 
Germinalselektion  18.  40.  30.  36 — 58. 

62.   64.    67,    74.   76.    78—80.   82.  84.   85. 


Sachregister. 


501 


91.   92.   95.    190.  208.  -2-28.  277.  310.  335. 

448.  453.   486. 
GeschIechts-Dimorphismus3'12.336. 

351.     361.     363.     369.     370.     463  —  460. 

467. 
Geschlechts-Dimorphismus, divergierender, 

338. 
Geschlechts-Dimorphismus,    sprungweiser 

464. 
Geschlechtstrieb  369. 
Geschlechtsverhältnisse  391. 
Geschlechtswerkzeuge  414. 
Geschützte  461. 

Gesetz  der  Ausgleichung  41. 
»         biogenetisches  23.   478. 
»         der    einseitigen   Ent Wicke- 
lung 20. 
Gesetz     der     verschiedenstufigen 

Entwickelung  19.  22. 
Gesetz    der    wellenförmigen    Ent- 

wicke  lung  19. 
Gesetz      der     unabhängigen     Ent- 

w^ickelungsgleichheit  19.  36.  38.  48. 
Gesetz  der  Entwickelu  ngsumkehr 

20. 
Gesetz  der  Kompensation  41. 
>         des 

Wichts  19.  477.  483 
Gesetze,  innere,  2. 

»         der  Vererbung  355.  356.  367. 
Gesetzmäßigkeit  3.  473.  474.  481.  483. 
»  or  thogenetische, 

455. 
Gesetzmäßigkeit  der  Umbildungen 

2.   279.   321.^329.   428.   430. 
Gesetzmäßigkeit  der  natürlichen 

und   künstlichen   Wärmeumbil- 
dung 454. 
Gesetzmäßigkeit  der  Zeichnung  7. 
Gewachsensein  der  Flügel  1  39. 
Gitterzeichnung  21 5. 
Glasfensterchen  249. 
Glaucippe-Typus  159.  195.   231.  313. 
Gleichstufigkeit  293.    311.    462.    463. 
j>  helikonier- ähnlicher 


männlichen      Überge- 


Falter  309. 


Gleichstufigkeit  von  Ober-  und  Unter- 
seite 311. 

Gonioctena  9. 

»  6-punctala  9. 

grisealis  263. 

Großfleck-Typus,  heller,  169.173.  207. 
214.   220.  313". 

Groß-Weißfleck-Typus  313. 

Großschmetterlinge  460. 

Grundbänder  486. 

Grundbinden  252—254.  239.  387.  437.  465. 
486. 

Grundbindenzeichnung  263. 

Grundzeichnung  98.  100. 

Gruppe,  afrikanische,  der  Segelfalter  43. 
»         amerikanische,  der  Segelfalter  43. 


Gruppe,  asiatisch-europäische,  der  Segel- 
falter 43. 
»         australische,  der  Segelfalter  43.45. 
»         australisch  -  indomalayisch  -  asia- 
tische, der  Segelfalter  4  3. 
Gynaecia  Dirce  133. 

H. 

Hadena  trifolii  363. 
Haematopus  ostrealegus  287. 
Haelera  31  4. 

Halmatogenesis  24.  34—36.38.72.136. 
206.  291.   337.   362.    363.   366.   369.   391. 
412.  467.  482. 
Haltica  6. 

»       atrovirens  6. 
»       consobrina  6. 
»       eriicae  6. 
»       euphorbiae  6. 
»       oleracea  6. 
Hamadryas  Moorei  202. 

2.  Zoilus  202. 

Hand  in  Hand  gehen  von  Farbe  und  Zeich- 
nung 296. 
Harleklnfarbe  308. 
Hasen  372. 
Haushahn  73. 

Hebomoia  celebensis  185.  328. 
»  Glaucippe  159.  231. 

Heclorides-Alyaltes-Agavus  305.   312. 
Heliconiden  68.  99.  182.  197.200.202. 
209.   213.  226.   232.   244.  281.   3U0.    303. 
308 — 312.   314.    319.   320.   463.   470. 
Hei  ico  niden- Typus  1ü5. 
Helikonier-ähnliche  319.  472. 
Helikonierzeichnung  315.  318. 
Heliconius  210.  268^  333. 
»  Amaryllis  308. 

»  Antiochus  308. 

»  Apseudes  199. 

»  Aranea  308. 

»  Aurora  198. 

»  Bescliei  197.  269. 

»  Charitonia  199. 

»  Chestertonn  199. 

»  Chioneus  308. 

»  chjsonymus  308. 

»  Cydno  308. 

»  Doris  190.  309. 

»  Eleusinus  308. 

Eucrate  19H.  269.  272.   308. 
;>  Faunus  198. 

»  formosus    199.    200.     202.     204. 

308. 
»  Hahneli  308. 

»  Mars  199.  309. 

»  Melpomene  196.   202.  231. 

»  •        Pachinus  199. 
»  PhijUis  30  8. 

»  Thelxiope  309. 

Helix  adspersa  183. 
»      arbustorum  183. 


502 


Sachregister. 


Helix  hortensis  5. 
»      nemoralis  5. 
>      pisana  5.  71. 
Ilellfleckung  199. 
Hepiaius   Velleda  258. 
Hermelin  372. 
Hesperia  comtna  275. 
Ilesperidcn    186.    243.    307.  312.  314.   319. 

320.  463. 
Hesperus-Gru\)\)e  146.  149. 
Hestia  183.   309. 
»       Idea  171. 
Hestia-Ty\)us  180.  182. 
Hestia-  Paphia-TyYius  215. 
Hesiina  assimilis  176. 

Heterepistase  19.  22.  34.  35.112.114. 
171.   178.   303.   308.   319.    321.   329.   332. 
402.   412.   428.    467. 
Heterhodogenesis  135.  160.  271. 
Heterocera  330. 

Heteroceren    216.    234.    335.    386.   457. 
hexadactyla  265. 
Hidari  Irava  178. 
Hipparchia  Egeria  39.   416. 

»  Janira  355.  380.   381.  384. 

»  Megaera   39.  384. 

»  Meone  4 1 6. 

»  Sarasivati  142. 

Hipparchien  133. 
Hirsche  374.  375. 
Hirschschröter  291. 
Hirudineen  476. 
Hitze,  trockene  471. 
Bomalosoma  lutrix  473. 
Homoeogenesis  19.  34.  36.  38.  85.  114. 
128.   134.   136.    145.   168.   178.   182.   191. 
195.  202.   216.    233.   256.   257.   263.   271. 
332.   342.   402.    412.    461.   467.    478.   479. 
Homoeogenesis,  kaleidoskopische  191. 
II ora- Dimorphismus 'ik.  42.   358.  359. 

362.   390.   395.   398.    413.   443.   467. 
Hora-  Trimorphismus  413. 
Hühner  478.  479. 
Hunde  372.  479. 

Ht/a^e-Typus  148.157.  195.204.  230.  342. 
Hya  le-edusa-brassicae-  G  laucippe- 

Typus  157.  214.  230. 
//j/a/e-Zeichnung  320. 
Hyantis  236. 

>         Hodeva  328. 
Hypanartia  Lethe  152.  153.  213. 
Hypertelie  291.  292.  462. 
Hyphantria  aenea  71.  259. 
Hyphilaria  Parthenis  99. 
Hypna  Clytemnestra  153.  155. 
Hypochrysops  Apelles  240. 
Hypolimnas  163.  226. 

»  alimena  148.  177 — 179. 

»  anomala  177. 

»  Bolina  162.  166.  167.  321.  347. 

»  dubius  1  65. 

»  imperialis  165.  166. 


Hypolimnas  Inaria  160.  161. 
»  mima  165. 

»  Misippus   160 — 162.    166.  167. 

178.   347. 
»  Pandarus  347. 

»  Salmacis  165. 

I. 

lihlhyosauriis  59. 
Ideopsis  171.   178.   30  9. 

»        Anapis  171. 

»         chloris  139.   182.   214. 

»         Daos  171.   180. 

»         Glaphyra  171. 
Idmais  Eris  206. 
Iguanodon  59.   92. 

Imprägnation,  konstitutionelle  330. 
/«.ac/iJs-Typus  23  7. 
Innenfeld  148.  ai3.  237.  260.  263. 
Innenfeldbildung  156. 
Innenfeld-Typus  239.  255.   315. 
Innenfeld-Schrägband-Typus  194. 

223. 
Insekten   4.   7.  279.  281.  283.   371.   476. 
Instinkt  72.  73.   376. 
Interferenzfarben  330.  482. 
Iphias  Glaucippe  354. 
Istnene  Helios  157.  225.   230. 
Isolierung  414. 
Ilhomia  179.  215.  267—269.   308.   333. 

»        galata  202.   215. 

»       pardalis  201.  225. 
Iluna  270—272.  281. 
Ixias  pirenassa  159.   185.  231.   346. 
.lahreszeitenabartung  24.  26.  65.  390. 

393.   395.   451.   465.    467. 
Jnnthinella  264. 
Junonia  247.  326.   471. 

»         Almana  471. 

»        Asterie  39.  471. 

»         Clelia  303. 

»        Erigone  39.   104.  381. 

»         Laomedia  103. 

Lavinia  104.  135.  248.  298.  381. 

»         Oenone  298.   303. 

»         Orithya  135.   303. 

»         Tye5^erma)m/  166.  303. 

E. 

Käfer  6.  7.  19.  280. 

KallimaS9.  61.  66.   71.  90.   103.  104.   107. 

116.   292.   295. 
»       albofasciata  115. 
»        InacbisGQ.  101—103.  112.  113.  116. 

122.  124.   126.   128.   152.   155.  235. 

247— 2:;0.   322.    459. 
»       paralecta    69.    116.    126.  128.    244. 

246—250.    458. 

Philarchus  101.  112.  247.  249.  470. 

rumia  100.  102.  106.  107.  115.  127. 

251.  322.    458. 


Sachregister. 


503 


Kälte   15.  äi.  63.  393.  39'i.   397.  403.   409. 
HS.    430.    132.   433.    139.    i'.O.    171. 
»       küiistlic-he     i3.     385.    369.   388.  390. 
398.    399.    vi;;.    433.     '.36.    i.iS.   456. 
46.5.    i69.   4 So. 
Kälteeiinviikung  56. 
Kältofonnen  15.   'iS4. 
KiiltovLM-suche  370. 
Kampf  ums  Dasein  35.  488. 
Kaniiuhen  373.  479. 
Katze    i79. 
Keim  91. 
Keimanhme  486. 

Keimpiasina    92  —  94.    445.    451.    '.53.   483. 
Ivei  mp  lasma-Il  y])o  t  hcsen  H  .  65.  73. 
74.   77.   79.   91.   391.    130.    438.   453.455. 
Klee,  roter  97. 

Kleinfleck'-Ty  pus,    heller  176.   215. 

326.  237.  2 '.2. 
»  »         schwarzer     242. 

244.  315.  317. 
»  >         weißer  315. 

Kleinschmetterlinge  262.   460. 
Klima     15.    51.    111.    183.    330.  339.  388. 

393.   398.   399.    431.   460. 
Klimaform  4  4  6. 

Kompensation   17.   79.  92.   246.   483. 
Konstitution    4.    8.    13.  54.  60.  76.  87. 
2S5.   387.   330.   331.    370.    430.    433.    479. 
488. 
Korrelation  31.  73.   79.  92.  483. 
>  Cuvier'sehe  24. 

»  funktionelle  34.  73. 

»  kaleiiloskopisolie     34.    337. 

427.   464. 
Kraftfarhen  363.  376.  389.   465. 
Kreuzung  25. 
Krystall  i  sa  t  ion  454. 

i>  organische  456. 

Krystallisiren  8. 
Kukuk  387. 

K  y  esainechan  ie  21.  414. 
Ky  matogenesis  13.  19.  4SI. 

L. 

Lacerta  muralis  cocrulea  A.  S.  42.  333.371. 
389. 
»  »  filfolcnsis  333. 

Lamarekismus  70.  92.  371.  389. 
Lamellicornier  10. 
Lampides  clpis  177. 

»         pseudelpis  177. 
I.ängshiinder  24  4. 
Langshindcn  339. 
Längsslreifung  238.  24  4.  467 — 169.  473  — 

4  75. 
Lasaia  Arsis  243. 
Lasiocampa  populifoUa  409.  411. 

»  »  auliiiinialis  411. 

»  pruni  409. 

»  qiicrcifolia  354.    409. 

Laubheuschrecken  393. 


Lebensbedingungen  310.  363. 

»  äußere  63.  87.  481. 

Lehre,  Oarwin'.sche  14.  266.  s.  auch  Dar- 
winismus und  Theorie.narwin' sehe. 
»       Parwin-Wallaeesche  488. 
Lema  9. 

»      asparaj^i  9. 
»       M-puiictata  9. 
Lemonias  Emylius  240.  350. 
Lro»i/(f(i.^-Gruppe  317. 
Lcoiiidas-T\  pus  169.  175.314.332.233. 

314.  319. 
I.eosthe)ies-Anticratcs-.\jax-Gni[\\>c  46. 
I.cptalis  301.  267.  268.  282. 
»         Axti/nome  267.  269. 
Meiia  367. 
Melite  367. 
Leptocircus  241.  242. 

»  virescens  342. 

I.epus  479. 
Lethe  Europa   155.  178.   314. 

>  Mekara  178. 

»      rohria  153.  155. 
Leiicophasia   Duponeheli  304. 
>  siiiapis  204.  331. 

Libellen  281.  383.  365. 

>      -FlUgelform  460.  470. 
Libythea    l/o/i/"   <33. 
Licht  83.   86.   303.   4SI.    483. 
Lichtwirkungen,  äußere  83. 
Limenitis  133.   135.   1  .y.   193.   443. 

Camilla    130.    132.  133.   145.  148. 
374.   445. 

Dara.va    13  1.  134.  140.  189.  225. 
»  Dudu  140.  235. 

»         Libnites  143. 

;)()/)(///    1  15.    130.    133.    133.    14  0. 
143.   148.   371.  274. 
»  Procris  1 35. 

Sibi/lla    61.    115.    129.   131—135. 
140.    143.   148.  150.  233.  271.  274. 
383.   427.  444.    143. 
Zaiila  134.   140.   173.   184.   223. 
Lina  9. 

>  lapponica  9. 

»     iO-pu)ntata  9. 
Liparis  dispar  360. 

»       moiHicIia  360. 

»        Salicis  361. 
Liphyra  lirassolis  340. 
Liplcna  sa>t(jiii>iea   159.   161. 
Litlwsia  354. 
locupletana  364. 
I.ota  rulgai'is  3. 
Lowe  373.  37  4.   478. 
Lucaniden  10. 
lucernalis  363. 
Luchs  479. 
Lucioperca  sandra  3. 
Lnehdorfia  Puziloi  208.  224. 
Lurche  3.  4  73. 
Lurchstamm  15. 
Lycaena  353.  435. 


504 


Sachreeister. 


Lycaena  aegon  352. 
»         agestis  352. 
»         arion  352. 
»         Corydon  384. 
»         Daphnis  384. 
»         e/pjs   177. 
»         Icarus  fulminans  410. 
»         pseudelpis  177. 
Lycacniden  98.  153.  181.  186.215.239. 
296.   298.   299.   307.   309.   315.   316.    320. 
321.   329.   335.   376.   384.   457. 
Lycorea  200.  209.  268—271.  281. 
Lygodactylus  picturatus  473.  474. 
Lymanopoda  caeruleata  322. 
»  Labda  325. 

»  vivea  159. 

Lymnas  melanochloios  -241. 
Z,i/r«-Typus  172.  214. 
Lyrapteryx  Apollonia  173. 
»  Zj/ra  173. 

M. 

Machaerodus  neogaeus  59. 
iWoc/mon-Gruppe  25.  35.  38.  4-2.   131. 
J/ac/iao«-^5<er«as-Gi-uppe210.217.220. 
Macroglossa  261. 

»  Stellatarum  261. 

malin ella  264. 
Mammut  39. 
3/a«ii5  283. 
Mauereidechse 
Maus  278. 
Mayrana  264. 
Mechanitis  200. 


43.    67.   72.    184.    476.    483. 


108.   109. 


293. 


2fi8.   269.   333. 
»  Lysimnia  269.   270.  272.   285. 

»  Macrinus  284.   347. 

»  Menapis  284. 

»  Menophilus  284. 

»  Mothone  284. 

»  Nesaea  285. 

»  Polymnia  284.  285. 

Meeresmollusken  4. 
Megatura    Bcrania   98.    99.  105.   ' 
189.   210.   470. 
»  Coresia  105.  115.   130. 

»  Corinna  14  8.   316.   3  4  7. 

»  Crethon  148.  316. 

»  Pe/etes  105.  109.  113. 

Megatherium  59. 
Melanargia  229. 

»  galathea  procida  41  0. 

»  »         turcica  410. 

Melania  Cybele  479. 
»        panlherina  4  79. 
»         spinata  479. 
Melanitis  178.   471. 

»         Jsmene  178.  471. 
;>  Leda  178.   381.  471. 

»         Malelas  177. 
«         Suradeva  239. 
Melinaea  200.   268.   269.  333. 
»         Paraiya  200. 


Melitaea  181.  226.  274. 
»         Athalia  369. 
»  Dictynna  3G9. 

»         didyma  neera  410. 
»         tru'ta  fascelis  410. 
Melone  479. 

Menobranchus  lateralis  3. 
Mercurialis  annua  368. 
Mesosemia  315. 

»  Cippus  99. 

»  Croesus  350. 

»  Lepida  99. 

»  Loruhama  136.  3.i0. 

»  Philemon  99. 

»  Sibyllina  243. 

Messaras  Lampe tia  132. 
Methonella  Caeciliu  173.  242. 
Microlepidoptera  262. 
Microlepidopteren  216.  234.   457. 
il/('damt/s-^noj?iaZa-Gruppe  21  7. 
.1/«damMS-j4  w  omakt-Typus    176.    215. 

226. 
Midea  scolymus  185.  204. 
Mimeta  bouroensis  286. 

»         Forstini  286. 
Mimicry    39.    61.    84.   85.   134.  136.  140. 
143.  133.   168—171.   178.   179.   194.  222. 
233.   253.   266.   271.   276.   278—280.  310. 
481. 
Mischung,  geschlechtliche  77.  83.  90. 
Miselia  oxyacanthae  363. 
Mitfärbung  476. 
j1/«7ra  pontificalis  479. 
Mittelband  244. 
Mittelfeld  117.  129—131. 
Mittel-Innenfeld  213. 
Mittelfeld-Typus   137. 


210.   257.   263. 


210. 
229.   237.   240. «253 


220. 
315. 

»         -Schrägfleck-i'band- Ty 
Uß.   194.   212.   223.   229.    241.   428. 
Mittelzellen-Randfleck-Typus 
Mollusken  2—3.   19.  30.   183.   476. 
Moma  Orion  258. 
Monethe  Paulus  167. 
Monogoneuonte  432. 
Mops  479. 


223. 
317. 
pus 
466. 
213. 


Morp 

hiden  99.  155.  185.  210. 

234.  300. 

307. 

437. 

Morph 

314.   316—318.   321.   328. 

329.  384 

0  Adonis  9i).  136.  212.  234  — 

-236. 281. 

348. 

» 

Aega  234—236.   3t  ß.  348. 

;> 
:> 

EpistroiJhis  215.  237.  314 
Hercules  236.  237. 
Laertes  237. 
melacheilus  1  '.2.  236.   348 

328. 

» 

Phanodemus  237. 

> 

Rhetenor  237.   314. 

Morp 

hophysis  12.   16.  20.  54. 

Motten  252—234.  264.   2f55. 

Mozart 

96. 

Mycalesis  471. 

;> 

Mineus  471. 

Sachregister. 


505 


Mycalesis  orseis  177. 
»         visala  471. 
Mynnecophana  fallax  292. 
Myscelia  180. 

»  Cecida  298. 

»  Cyaniris  i  85. 

!>         Orsis  347. 


Nachahmende  461. 


Nachahmung 
Nachgeahmte 


265. 
461. 


N. 


460. 


Nachhinken,  gesetzmäßiges  331. 

Nachtfalter  280.  35.5.  377.  464. 

Nachtschmetterlinge  73.  354.  364. 

Nacktschnecken  5. 

Nahrung  15.   54.   61.   330.   388.  393.   460. 

yajas  hilaris  obrina  3  04. 

Napeocles  jucunda  112.  132. 

Napeogenes  excelsa  201. 

Xarathura  Ml. 

Narope  Cyllastros  238. 

»         Saraslro  238. 
Naturzüchtung  435.   481.   482. 
Nemeophila  plantaginis  410. 

»  »  caucasica  410. 

Neptis  192.  193.  226.   435.   472. 

»       aceris  1 92. 

»       Kikideli  194. 

»       -(A^e/'<e-)Querstreifung  3)5. 
Neurosigma  Siva  181. 
Nichtanpassung  der  Oberseite  4  81. 
Nichtgebrauch  17.  23.   77. 
NichtSchutz  483. 
Nichtvererbung  erworbener  Eigenschaften 

94.  451. 
A'iai;  JM5-Typus  161. 
Noctuidae  2.")7. 
yotodonta  261. 
Sumeria  255. 
Nutzen  11.  14.  16.  20.  35.  51- 

68.   81.  86.   87.  190.  289.  37 

457.   480.   481. 
Nützlichkeit  .j8.  372.  473.  476. 
Nützlichkeitsauslese  4SI. 
Xyctalemon  Agathyrsus  2.j6.  257.  264.  461. 
462. 
»  Patroclus 

Nymphaliden   98  — 

112.   1.j5.   170.   181. 

225.  252.  253.   296. 

318.   320.   322—324. 
IS'ymphklium  lycorias  168. 

0. 

Oberflächenfarben  482. 

Ocneria  dispar  413. 

Ogyris  Genoveva  301.  350. 

Ohnmacht    der   Naturzüchtun  g  26. 

34.  40.  393.   465. 
Ohnmacht  der  Darwinschen  Zuchtwahl  20. 


54.  y^l.  67. 
393.   394. 


2.j5. 

2;J6. 

-100. 

102. 

103. 

lO.Ö. 

185. 

187. 

192. 

210. 

299. 

307. 

315. 

316. 

384 

387 

457. 

Oleanderschwärmer  291. 

Ontogenese  23.  63.  469.  474.  4  83—486, 

Opsiphanes  Boisdnvalü  186.  23  8.   318. 

»  Cassiae  155. 

Ordensbänder,  gelbe  263. 
Organophysis  12.  16.  54.  89.  94. 
Orinoma  Damaris  170.   176.   239.   314. 
Ornithoptera  222.   223.   305.   312.   319. 

»  Amphrysus  306.  339. 

»  Brookiana  30  6. 

»  Croesus  301.  305.  306. 

»  Haliphron   338. 

»  Hippolytus  327. 

»  Lydiiis  305.  306. 

»  Pompeus  306. 

»  Pompeus  Cerberus  339. 

»  Pompeus  rutilans  306. 

»  Priamus  2-22.   305.    306.    327. 

338. 

»  Rhadamanlhus  338.  339. 

»  Richmondia  209.301.338.344. 

»  Schoenbergi  30  6. 

»  Tilhonus  3  06. 

»  l'rvilliana  306. 

»  Victoriae  209. 

Ornithopteren  63. 
Orsostriaena  mandata  471. 

»  mandosa  4  71. 

»  medus  471. 

»  runeka  471. 

Orlhoceratiden  59. 

Orthogenesis  11—14.  16.  IS.  20.  21. 
24.  29.  39—41.  48.  57.  59.  62.  65.  67 — 
74.  76.  78.  81.  83.  85.  87.  89.  128.  254. 
271.  287.  357.  358.  360  373.  374.  378. 
395.  467.  479.  480.  4s2. 
Oscillieren  76.  77.  93. 
Oscillieren 
17.  18.  20 


der    Entwickelungsrichtungen 


P. 

Palla  Decius  140.  184.  185.  225. 
palliolalis  263. 
Panara   Thisbe  241. 
Pandemos  Pasiphae  159. 
Panmixie  58.  77.  78.  95. 
Panopaea  Circe  16-2. 
»         Hirce  142. 
»         Poggei  161. 
Pantherung  315. 
Paonias  astylus  364.  365. 
Paphiu  Electra  122. 
Pöjj/iJa-Typus  ISO.  182.  226. 
Papilio  178.  209.  334.   351.  372. 

»        Aegeus  312.  339.  340.  344. 

»       Aeneides  340. 

>        Agamemnon  17.j.  215.  222. 

»        Agavus  137.  222.  3^0. 

»        Agesilaus  44.  47.  111.139.  217.  497. 

»  »         septemlinealus  4  7.   48. 

»        Agestor  172. 

»       Agetes  45. 


506 


Sachregister. 


327.   341.   344. 

2. 


324.  340. 


Papilio  Ajax  iti—i>r,.  48.335.390.399—401. 
412. 
»  »    Marcellus  399—401. 

»  »     Telamonides  45.  399 — 401. 

»  »     Walshii  45.  399 — 402. 

»  Alcidimis   25(5.  257.  264.   461.   402. 

»  Alebion  27.   2s.   43—45.    48.  66.  98. 

108.111.190.210.  223.293.  311.485. 

»  Alexanor  2.'i.  29.  33.  42.   43.  190. 

»  Alphenor  339. 

»  Alyattes  166.  222. 

»  Americus  31.  37. 

»  Ancinses  827. 

»  AndraemoH  1 37. 

»  Androcles  44. 

Androgeos  223.   312.  317. 

344. 

»  Antenor  179.  215.  220,  222. 

»  Anthedon  131.  13  4.   139. 

Antheus  44.  131.   139.  305. 

»  Antimachus  272. 

»  Anticrates  44 — 46. 
»  »  nigricans  45. 

»  »  parmalus  45. 

»  Antiphates  44 — 46.  217. 

»  Arcesilaus  44. 

»  ^naMW5  327. 

»  Aristeoides  45.   46. 

»  Aristeus  45.   46. 
»  »         nigricans  45. 

»  Ascalaphus  340. 

»  AscoUus  209. 

>  ^5«W5    137. 

»  .Jsfenas  3-1—34.   37.   38. 

»  »         Calverleyi  31.  38. 

»  Asterioides  32.   34.  37.   42. 

»  /Ja«Vrf(7   31—34.    36.  38.   337.    342. 

364.   370.   394.   412. 

»  Bitias  220.  223.   341. 

»  brevicauda  31.  37. 

»  Bromius  139. 

»  Bunichus  137. 

»  Cawco  223.   312. 

»  Caunus  177. 

»  Celadon  44.   131.  305. 

»  Chinsiades  327. 

»  Cinyras  137.  317. 

»  Cleotas  220.  341. 

»  Colonna  4  4.  217.   4  02. 

»  Constantimts  149. 

»  Cynorta  136.   142.   162. 

»  Daunus  31.  33.   34.   110.  111. 

»  Deiphobus  340. 

»  Deiphontes  173.  299.  305.  324.  327. 

339. 

»  Delalandii  150.  212. 

»  Delesserlii  171.  180. 

»  Demoleus  139.  175. 

>  dissimilis  172. 
»  Dorcus  44. 
»  Dolicaon  1  63. 
»  echerioides  1  65. 
»  Encelades  312. 


220. 


98.   210. 


340. 


Papilio  Epidnus  47.   109.   311.   397. 

»  Epiphorhas  149.   150.  212. 

>  Erebus  178. 

»  Eurymedon  26.  29.  190. 

»  Evemon  134. 

»  Evombar  44.   139.   305. 

»  Ganesa  305. 

»  GtöTon  1  73. 

»  Glycerion   27.  4  3.   4  4.   48. 

217.   223.   293.   485. 

»  Hahneli  222. 

»  Hector  222.  299. 

»  Hectorides  137.  222.223.  312. 

»  Helenus  340. 

»  Hellanichus  31.  33.   42.   312. 

»  Hermoerates  45.  46. 

»  Hesperus  149.  212.   220. 

»  Hipparclius  339. 

»  Hippocrates  32.   42. 

»  Hospiton  29.   .'lO — 33. 

»  Idaeoides  171. 

»  /radra  37.   312. 

»  y«S0H   134. 

»  Laetitia  220.   317.  341. 

»  Laglaizei  257. 

»  Laodocus  171.  180. 

»  Lalreiüianus  139.  182. '21  4. 

»  Leonidas  175.  176.  222. 

»  Leoslhenes  44.  45. 

»  Leucadion  172.  175.  176. 

»  Lycortas  220.  317.  341. 

»  Lysithous  137.   340. 

»  Macareus  172. 

»  Machaon  26.  29 — 33.  36. 

168.  312.   341. 

392—394.   398. 
»  »         aestivus  32. 

»  »         asiatica  32.  3  4. 

»  »         bimaculalus  33. 

»  »         Hippocrates  32. 

»  »         oregonia  34.  42. 

»  Memnon  34  0. 

»  Menestheus  139. 

»  Merope  142.    161.    163.    165.    214. 

223.   342.  460. 
»  »        Antinorii  1 63. 

»  »        Hippocoon  163.  165. 

»  »        niavioides  1 63. 

»  »        Ruspinae  163. 

»  »        Tibullus  Cenea  i  65. 

»  »         Trophonius  163. 

»  Mylotes  214.   327.  340.   344. 

»  Nephalion  272. 

»  Nephelus  340. 

»  Nica7ior  243.  299.    312.    339.    340. 

341.   344. 

»  MreMS  139.  325. 

»  iVe7?-a  37.  312. 

»  Nomius  45.   46. 

"»  Orellana  313.  324. 

»  Palamedes  30.  34.  38.   341. 

»  Paphus  27.   223. 

»  paradoxa  177. 


ggg 


43. 
385. 

411. 


109. 
390. 
485. 


42.  385. 

383. 


Sachregister. 


507 


Papilio  parmatus  46. 
»        Perrhebits  312. 

»        Philolaus  43.44.131.399.400—402. 
»  »         Ajax  401.  402. 

»  »         niger  401.  402. 

»  »         nigrescens  401.  402. 

»        Philoxenus  312. 
»        Phorcas  139.  149. 
»        Pilumnus  33.  42. 
»        Pizarro  313. 
»        Podalirius  kh — 46.    109.    111.210. 

223.  311.  33'..  395—398. 

411.  468.   483. 
»  »  Feisthameli  395.  396. 

*  »  Lotteri  48.  110.  111.  33 'i. 

390.   39.J.   396.   410. 
»  »  Smyrnensis  111.  396. 

»  »  undecimlineatus  48. 

»  »  virgatus  396. 

»  »  Zanclaeus  396.   411. 

»  Policenes  44.  46.  139.  305. 
»  Pohjtes  318.  337.  339.  340. 
»        Protenor  327. 

»        Protesitaus  33.  44.  47.  48.  217.  397. 
»  »  rubrocinclus  48. 

»  »  Telesilaus  21.  47.  4  8. 

»        Rhesus  44 — 46.   131.   400. 
»        Rhodifer  299. 
»        Ridleyanus  181.  184.  299.  309. 
»        Sarpedon  131.  134.   139. 
»        Semperi  2-23. 
»        Sesostris  325. 
»        Severus  340. 
»        Stnon  44.  131.   139.   30.j. 
»        Straliotes  45. 
»        Tamerlanus  45. 
»        Telearchus  177. 
»        Telegonus  30'ö. 
»        Telesilaus  21.  47.  48. 
»         r/ioas  137.  149.  213.   341. 
»        Thrason  137. 
»        Thymbraeus  312. 
^»        torqualus  2*3.   324. 
»        Triopas  222. 
»         Troilus  30.   32.   38. 
»         Turnus  29—33.  36.    43.    110.    111. 
337.   364.   370.   390.   485. 
»         Glaucus     32.     34.    36.    3S. 
43.    223.    285.   337.    342.   364.   370. 
394.   412.   464. 
»        Xenocles  169.   171—173.  2-22.  312. 
»         Xuthulus  29.32.33.  35.42.  168.  169. 
»         Xuthus  29.    32 — 35.    42.    168.    169. 

171.   173.   341. 
»         Zagreus  209. 
»        Zalmoxis  272. 
»        Zenobia  142.   170.  213. 
»        Zolicaon  3  4.  42. 
»      -Arten,  die  segelfalterähnlichen  41. 
43.   233.   385. 
Papilioniden  139.   209.    215.    220.  224. 
234.    299.     304.   309.   311. 
317—321.    324.    327.   329. 


357.    366.    370. 
457.   468.   469. 
41 


segelfalterähnliche 


43. 


338.    357.    366.    370.  384, 
408. 
Papilioniden , 

233.  385. 
Pararge  megaera  tigelius  410. 
PardaZis-Typus  179.  192.  215.  226. 
Paris-Gruppe  305. 
Parnassier  21  ö.  224.  384. 
Parnassius  187. 

Apollo  225.   385. 

»  Eversmanni  224.  385. 

»  gkicialis  1 57. 

»  Hardwickü  385. 

»  imperialis  385. 

»  Mnemosyne  157.  216.  225.  341 

»  »  melaina  3  41. 

»  Smintheus  3  85. 

Pedaliodes  Pallantis  314.  323. 
Penthema  Lisarda  170.  226. 
Perca  fluviatilis  3. 
Pereute  230.  231. 

»         Charops  196.  202.  230.   343.  343. 
»         chiriquensis  148.  229.  230. 
Perisama  Vaninka  188. 
Perrhybris  201.  206—208.   234.  303.461. 

»  Lorena  2U6.  207.  30 1.  308.  318 

346.   377.   378.   463. 

»  Malenka  206.  207.  377. 

»  Pisonis  206. 

»  Pyrrha  206.  207.  301.  308.  318 

346.    377.   378.    463. 
Pfau  361.  366.  382. 
Pferde  478.  479. 
Pflanzen   10.    11.    14.    17.     280.    292.    371 

471.   482. 
Pflanzenreich  52.  77. 
Pflanzen\selt  4.  95. 
Pflanzenwuchs  42. 
Phryganiden  414. 
Phyciodes  191.  192.  194—197.  226. 

»         Abas  194. 

»         Acraeina  196. 

»         Alma  193. 

Callonia  192.   196—198. 

»         Castilla  196. 

Clara  193.  202. 

»         Claudina  195. 

»  Clio   195.    196.   202.   310. 

»         Cornelia  196. 

»         crithona  195.   196. 

»         elaphiaea  195. 

»         Emerantia  194. 

»         Eranites  196. 

»         Eunice  196. 

»         Ezra  167. 

»         Flavia  1 95. 

»         Janthe  195. 

»  Lansdorß  197. 

»         Lelex  196. 

»         leucodesma  194.  193. 

»         Levina  196. 
Ofella  195. 

»         Polina  310. 


508 


Sachregister. 


Phyciodes  'JcJaachos  195. 
»         Tele  tu  sa  195.   196. 
■»  Theona  <94.    196. 

»  Yorila  194.  196. 

Pico  caudata  286. 
Pierella  314. 

»        Dracontis  124. 
»         Hortona  124.   167. 
Pieriden   99.   157.    169.    181.    185.    201. 
213.   229.   299.   306.   3U9.   313.  318—320. 
322.   324.   327.   334.   33:;.   342. 
Pieriden,  Helikonier-äiinliche  313. 
Pieris  185.  333. 

:>       Agathina  231.  345. 

»       Agathon    169.    170.    176.    232.    313. 

319. 
»      Ausonia  232. 
»      belemia  232. 
)>       bellidice  230. 

»       brassicae  139.  231.  276.  313. 
»       caliidice  23U— 232. 
»      cardamines  232. 
»      daplidice  230.  411. 
»  »  raphani  410. 

»       Emma  170.   176.  313.   319. 
»       Eperia  170.  313. 
»      glauce  232. 
»      Java  207. 
»       Leucodice  232.  233. 
»       Lorena  377. 
»      Malenka  377. 

»       napi  232.276.319.  408.  411.433.  447. 
»  >    bryoniae  4  08. 

»       Pyrrha  3  77. 
»      rapae  231. 
»       Severina  170.   207. 
>       iaö'js  232. 
»      tenuicornis  207. 
Pigmentfarben  330. 
Planorbis  multif'ormis  20. 
Plusia  devergens  263. 
Polychloros-Xanthomelas-T\-\)u.s  412. 
polydactyla  265. 
polygonalis  263. 
Polygoneuonten  418.   436. 
Polyommatus   Ballus  2(0. 

»  phlaeas  27.  61.  297.  384.  408. 

409.   449—432.  466. 
»  »      e/ei<5  410.  430.   431. 

»  thersamon  omphale  411. 

»  virgaureae  oranula  410. 

Pontia  belia  183. 

»       narcaea  231. 
Potamites  ebenicus  479. 
Prachtbinde  311.  312.  329. 
Präponderanz,     männliche     19.     23. 
336.   337.   342.   367.   477. 
478.   483. 
>  ortbogenetische  361. 

369.    464.   467.   483. 
»  geschlechtliche    336. 

»  weibliche    19.    36.    336. 

368.    464.   483. 


Precis  247. 

»       Andremiaja  114.  132.  136.  -148.  212. 

347. 
»        /p/ijto  104.  105.  381.   471. 
»       terea  104. 
Prepona  142.  183.  225. 
»         Amphilhoe  140. 
»  Chromns  1 1  3. 

»         Laertes  140. 
»  Miranda  14  0.   142. 

Princip,  Lamarck'sches  70.  389.   463. 
Prioneris   Thestylis  176.   313.  327. 
Pronophila  venerata  239. 
pronubella  263. 
Protogonius  26'J.  311. 

»  Hippona  269. 

Pseudacraea  163. 

»  Boisduvalii  1SI.  184.  309. 

»  Cz/'ce  162. 

»  //«rce  142. 

»  Lucretia  162.  163.   213.  214. 

»  Poggei  1  61. 

Pseudo-Mimicry    1-29.    140.    216.    242. 

271.   337.   462.    465. 
Psilura  monacha  413. 
Pterochroza  292. 
Plerogon  oenotherae  261. 
»  Proserpina  261. 

Pterophoridae  263. 
Ptychandra  Lorqiiinii  34  9. 
Puma  374. 
Puppen  484.  485. 
purpuralis  263. 
punicealis  263. 
Pyralides  262. 
Pyrameis  gonerilla  107. 
Pyrrhogyra  Amphira  136.  168. 
»  neaerea  1 68. 

Querbänderung  47  0. 
Querrieselung  239. 
Querstreifen-Typus  226. 
Querstreifung  239.^261.  46.0.  467.  468.  474. 

473. 
Querstreifung  der  Heliconiden   199. 
Querstreifung   durch   Schwarzfärbung  der 

Adern  168^ 
Querzeichnung  179.  262.  264. 

R. 

radiana  264. 
Randband-Typus  218.  243. 

»  -Schrägband-Typus  243. 

Randfleck-Typus  218. 
Rappia  473. 
Raubfliegen  281.  283. 
Raubtiere  63. 
Raubvögel  24. 

Raupen    4.    42.    135.    283.    291.    371.    379. 
476.   481.   484.   483. 


Sachregister. 


509 


Reh  372. 

Reiz,  auslösender  419.  4  45.  447. 

Reiz,  äußerer  4  30. 

Reizungsfärbung  476. 

Reptilien  2.  4.  332.  473. 

Rhinopalpa  Sahina  114.  132.  140.  184.  212. 

225. 
Rhodocera  rhamni  335.  409. 

»  rhamni  farinosa  409. 

Rhopaloceren  457. 
Bhyparia  melanaria  255. 
Richtung,  bestimmte  281. 
Rieselmuster  262. 
Rieseluna,  eine  besondere  Entwickelungs- 

richtung  184.  215.  226. 
Rieselzeichnung  255.  2.j8. 
Riesenhirsch  39. 
Ringelnatter  474.  475. 
Riodina  Lysippus  241. 
Rotschwänzchen  273. 
Rückbildung  16.   77.92.  204—206.303. 

327.   328.   469. 
Rückbildung  der  Blattähnlichkeit  236.  459. 
Rückbildung  der  Blattzeichnung  124.  -127. 

245. 
Rückschlag    17.    2?.    76.    409.   429.   432. 
4  33.    4  39.   479. 

»  metamorp bischer  22. 

»  ontogenetischer  23. 

»  persönlicher  23. 

»  phylogenetischer  23.  409. 

»  ständiger  2i. 

Ruspina-Txiius  161.  162.  223.  315. 


S. 


Saison-Dimorphismus  440 — 444.   4  46 

—4  48.   4  81. 
»  »  adaptiver     419. 

441.    445—449. 
»  »  direkter  447. 

»  »  -  doppelter  adap- 

tiver 448. 
Salamis  112. 

»        Anacardii  112.   114. 
»        Anteva  112. 
»         Ethyra  112 — 114. 
Samia  Promethea  386. 
Sandwespen  281. 

Sorpedon-Da  raca-Typus  236. 
»  -Hectorides-Daraxa- 

Typus  131.  137.  142.210.  220. 

Saturnia  carpini  216.  258.   386. 

»  Ceanothi  386. 

»  Cecropia  386. 

»  Columbia  386. 

»  Jo  354. 

»  pavonia  369. 

»  pyri  216.  258. 

»  spini  216.  258. 


Saturniiden  334. 

Satyriden  100.  138.   155.   170.  186.  210. 
238.    300.   307.    310.   314.   ;S16.   318.   320. 
321.   325.   328.   329.    384.   437. 
Satyrus  Circe  1 42. 

»         Eudora  384. 

»         Janira  365. 

»         Semele  aristaeus  410. 
Säuger  2.  4.  15.  30. 
Säugetiere  4.  361.  371.  441.  483. 
SchädUches  37. 
Schaf  4  79. 

Schizoneura  lanigera  284. 
Schildwanzen  1  0. 
Schillerfalter  274. 
Schillerfarben  4  8-i. 
Schlangen  3.   473.  474. 
Schleuder versuche  4  84. 
Schnecken  24. 
Schneckengehäuse  4. 
Schneehuhn  373. 
Schrägband  145.  232.  237.    239.  240.  244. 

303.  307. 
Schrägband-Typus  195.  196.  202.  206. 

212.  223.   238.   256.   315. 
Schrägband-Mittelfeld- Typ  US  226. 
Schrägfleck-Ecktleck-Typus  4  66. 
Schreckmittel  3  79. 
Schuppendeterminanten  4  32.   453. 
Schutzfarbe  353.  377. 
Schutzfärbung  58.  60.   68.  81.  446. 
Schutzfärbungen,  scheinbare  69. 
Schutzmittel  351.   4h3. 
Schwalbenschwanz  399. 
Schwalbenschwanzartige  312.  319. 
Schwalbenschwänze  25.  304.  312.  317.  321. 

386.   393.    467.    468. 
Schwärmer  253.  234. 
Schwarzfleck-Typus  255.  238. 
Schwarzwerden  20U. 
Schweine  37  4.  375. 
Schwimmvögel  184.   474. 
Schwinden  der  Zeichnung  244. 
Schwund,    kompensatorischer    der    Farbe 

313. 
Sechsfleck-Gruppe  214. 
Sechs-     und    Vierfleck-Typus    166. 

214.  222. 
Segelfalter  304.    317.    319.    321.    324.    395. 
467.   468. 

-ähnliche  232.   311.  320.   385. 
»  Gruppe  305. 

Segelfalter-Typus  210. 
Segler  253. 
Seidenspinner  376. 
Selektion  310.  334. 
Selektionsbedürfnis  374. 
Selektionslehre  481. 
Selektionsprocesse  443.  445.  447. 
Sericinus  Montela  34-2. 
Sesien  261.  280. 
Setina  259. 


510 


Sachregister. 


Sibylla-prorsa-T  Yitus  13-2,  194,  19'). 
»       -prorsa- Zar  inda-Typus  146. 
212.  220.   225.   229. 
Siderone  115. 

»         {7Mretes]  Isidora  12  0. 
»  Mars  121. 

Siredon  pisciformis  15. 
Sithon  hiemalis  98. 

»       Ravindra  298. 
Skulptur  d.  Flügeldecken  d.  Carabiden  6.477. 
:>         und     Zeichnung     der     Gehäuse- 
schnecken des  Meeres  .'>. 
Smerinthus  ocellata  262.  364. 
»  populi  254.  261. 

»  quercus  262. 

»  tiliae  261. 

S*nilodon  neogaeus  59. 
Smyrna  Blompeldia  327. 
Sommer  431. 
Sommerformen  2(5.    27.    38.    42.  111.    359. 

420. 
Sommergeneration  433.  436.  445. 
Sommerwärme  436. 
Sonnenlicht  330.  468. 
Sonnenwärme  330.  463. 
Spanner  253 — 255.  2;)8.  263. 
Spathilepius  Clonius  244. 
Species  26.   33. 
Sphingiden  35'..  4SI. 
Sphin gides  261. 
Sphinx  convolvuli  262. 

»        ligustri  261.  365. 
Spilosoma  lubricipeda  259. 
»  mendica  259. 

»  menlhastri  259. 

»         urticae  259. 
Spinnen  353. 
Spinner  253.  254.  258. 
Spulwurmeier  7  3. 
Stalachtis  Phlegia  il9. 
Stammesrückschlag  22.  409. 

»  ständiger  männ- 

licher ^22. 
Staphyliniden  281. 
Stehenbleiben  17.  43.   409. 

»  auf  höherer  Farbe  343. 

»  auf   tieferer    Entwicke- 

lungsstufe  313. 
»  auf  verschiedenen  Stufen 

der    Entwickelung    321. 
329. 
Stehengebliebensein  auf  tieferer  Stufe  der 

Entwickelung  460. 
Steinböcke  59. 
Steinschmaetzer  284. 
Steroina  superba  325. 
Siibochiona  nicea  177.  179.  227. 
Storch,  schwarzer  287. 
Strauß  97. 
Streifung  bei  Pferden  361. 

»         und  Fleckung  der  Huftiere  359. 
Sylvia  nisoria  287. 
Symphaedra  178. 


Symphaedra  canescens  180.  348. 
»  pardalis  180. 

T. 

Tachyris  albina  345. 
»         celestina  3  45. 
»         Ilaire  3  45. 
»         Nephele  313. 
»  Saba  345. 

»  Zarinda  133.  148.  229.271.  345. 

Taeniocampa  gothica  365. 
»  stabilis  3  65. 

Tagfalter  377.   445. 

Tagschmetterlinge  354.  355.  457.  464.  476. 
Tanaecia  178. 
Tapire  374.  375. 
Tauben  478.  479. 
Tehitraea  c.ristata  [viridis]  282. 
Teinopalpns  imperialis  223.  301.   305.  327. 
Telea  Polyphemus  386. 
Temenis  Laothoe  152.   195.  298.  322. 
Temperatur  447.  486. 
Temperatureinwirkungen,    künstliche   26. 

392. 
Temperaturversuche,  künstliche  463. 
Tenaris  236.  321.  328. 
»        bioculatus  314. 
tentaculaiis  263. 
Terebra  corrugata  479. 
Ter  ins  178. 
Terinos  178. 
Thais  485.  486. 
»       Polyxena  385. 
»      Polyxena  Cassandra  410. 
Thätigkeit  25.   41.  72. 
Thaumantis  178.  237. 
»  Aliris  i^ii. 

»  Camadeva  236. 

»  Howqua  236.   316. 

»  Odana  155. 

Thecla  355. 
»      Aetolus  189. 
»       Desdemona  243. 
»      rubi  332. 
Theope  basilea  24  0. 

»       pieridoides   159. 
Theorie,    Darwin'sche    371.    376.  s.   auch 
Darwinismus  und  Lehre,  Darwin'sche. 
Thisbe  irenaea  168.   194. 
Thyridia  269—  272. 

»         singularis  222. 
Tiere  482. 
Tierreich  52.  77. 
Tierwelt  95. 
Tinea  pronubella  4  62. 
Tineidae  264. 
Tisiphone  maculala  239. 
Tithorea  179.  268. 

;>  Bonplandii  201.  308. 

»  l'uria  196. 

»         Humboldlü  310. 
»         Susanna  201. 


Sachregister. 


511 


TUhorea   Tanacina  20\. 

Top  0-Orthogenesis  19. 

Tortrices  264. 

Trennung   der  Organismenkette  in 

Arten  21.  27.  414. 
Trennung,  räumliciie  21.  24. 
Triebkräfte,  innere  70. 
trinalis  263. 
Triphaena  334. 

»  ßmbria  354. 

»  pronuba  354. 

Triton  cristatus  47  3. 
Tritonlarven  3. 
Trockenlieit  330.   471. 
Tropidorhynchus  n.  sp.  286. 

»  subcarinatus  28  6. 

Trutzfärbung  310. 
Turdus  mindanaensis  286. 
rM?-Ht<5-Gruppe  23.  26.   33.   42. 
Turnus-  Machaon-Gvw'p'pQ  48. 


u. 

Übergewicht    des   einen   Geschlechts   336. 
463.   467. 
»  männliches  336. 

Übertragen  von  Farbe  und  Zeichnung  von 
oben 'nach    unten    290.    323.    328.    462. 
468. 
L72/5ses-Gruppe  305. 
Umänderungsgrade  4  33. 
Umbildung  s.  auch  Entwickelung. 

»  bestimmt  gerichtete  19.   48. 

»  gesetzmäßige  3.  126.  337.361. 

379.    393.   4"26.    459.    466.   483. 
»  homoeogenetische  100. 

»  infero-superiore  186.  306.  329. 

467. 

>  kaleidoskopische  24.  79.  113. 
136.  334.  337.  369.  370.  413. 
427.   429.   436.   466.   483. 

:>  postero-anteriore  99.  186.  233. 

293.    319.   320.    329.   332.   467. 

>  nach  bestimmten  Richtungen 
337. 

»  sprungweise  837.  453. 

Umbildungsgesetz,  allgemeines  18. 
L'ndulationsgesetz  19.  23.  478. 
Ungenießbare  311. 
Urania  Croesus  233. 

>       Leitus  253. 
Uraniiden  235.  334.  461. 
Ursachen,  äußere  177. 

>         der  bestimmt  gerichteten  Ent- 
wicklung 15. 
»  der  Farben  482. 

»  innere  8.  9.  13.  34.  53.  62.   481. 

482. 
»  klimatische  13.  1  77. 

->         konstitutionelle  8. 

örtliche  268.  332.  333. 
»  physiologische  8.  34. 

»         der  Transmutation  13.  434. 


Ursachen  der  Trennung   der  Organismen- 
kette in  Arten   13. 
»  der  Umbildung  4. 

»         der  Zeichnungs-  und  Farbenfolge 
328.   463. 

V. 

Fanessa-Arten  59.  11-2.  113.  210.  295.  323. 
332.  394.  402. 
»         Antiopa  218.   392.    406 — 409.  412. 

415.  484. 
»  »        Daiibii  4  08. 

Hijgiaea  218.   408.   484. 
»  »       Boeder i  4  06. 

Alalanta  107.  113.   14  4.   149.  150. 
152—154.    212.    297.    307. 
323.  406— 4U9.    416. 
;>  »       Klymene  408. 

»  »       Merrißeldi  406. 

»        burejana  428.   4  84. 
»        c-album  113.  113.   116.   152.   218. 

405— 40S.  412. 
»         caUfornica  113.  422. 

Catlirhoe  406.   407.   409. 
»  »         vulcanic'i  406.  4  09. 

»         Canace  113.    130.    149.   212.  243. 
»         cardui    102.    107.    113.    135.    144. 
149.     152 — 13'..    284.    323. 
383.  392.    407—409.   483. 
»  »      ely7ni  4  08. 

»  »       Wiskotti  407.   4  09. 

»         Davidis  422.   4  28. 
»        Dejeanii  144.  152.  383. 
»        egea  412. 

fallax  134.  148.  421.  424.  427.  428. 
»         Faunus  4  03—407.  412. 
»        glauconia  113.  13  0.  148. 
»         liaronia\\3.  130.148.149.212.243. 
»        indica  1  52. 
»  »      vulcanica  132.  4  06. 

»        interposita  412. 
»         IteaWt.   132.  153.  155. 
»         Jo  113.   114.   228.   273.    403—405. 

407—409.  412.   416.   463. 
»  »  Fischer i  404. 

»  y>  Antigone  404.   408. 

»         levana   27.    43.    66.    79.    135.  370. 
391.   394.    408.    409.    414— 
4;i3.  466.   484.   486. 
»  »       jjor/ma  415  — 420.  425.  426. 

428—4  30.4  33.436.439.433.466. 
»        levanoides  484. 
»         Milberti  113.   4  03.    40  7.    410.  422. 
»         Myrinna  149.   130.  154.  212. 
»         polychloros   107.    113  — 113.    132. 
275.  405—409.412.  422. 
435.    484. 
»  »        ■erythromelas    405.    406. 

»  ;>         fervida  406. 

>  >         pyrrhomelaena  408. 
»                  :>         testudo  408.  484. 

>  progne  4  06.  412. 


512 


Sachregister. 


Variation,  analoge  478 


Vanessa  prorsa   43.    Gl.   ßii.    79.  130.  432. 
134.  VA:>.  14  5.   14  8.   225.   271. 
274.   370.   391.   394.   408.  409. 
414— 45r,.   466.   484.  486. 
»  »     magna  427.  428. 

»        prorsoides   134.  148.  4-27.  428.484. 
»         slrigosa  4  2S. 

»         urllcae    152.    218.    228.    275.    330. 
365.   402  —  404.    406—410. 
412.    4)6.    455.    465.    484. 
485. 
»  »        ichmisa  402— '»04.  410. 

»  »         ichnusoides  403.   404.  408. 

»  »        müberli  403. 

»  »         nigrita  403.  404.  408. 

»  »        polaris  403.  404.  409.  484. 

»  »        turcica  402.  403. 

»        velula  484. 

»        xanthomelas  405.  406.  4  09. 
»        -Zeichnung  405.  421.  439. 
Vanessen  63.  149. "^469. 
Variabilität  355.  482.  488. 

»  gleichartige  479. 

Variatio  12. 

479. 
bestimmt  gerichtete  75. 
Variationsperioden  71. 
Variationsrichtungen  8.  74. 
Varietates  26.  467. 
Variieren  482. 

»         der  Mauereidechse  76.  371.  476. 
»         nach  vielen  Richtungen  290. 
»         im  Zustande  der  Domestication 
360. 
Varrnnlana  26  4. 
Venilia  macularia  255. 
Veränderungen ,     physikalisch  -  chemische 

3  30. 
Verbreitung,  geographische  26.  42.  49.  63. 

463.  465.' 
Vereinfachung  16.  29.  200,  207.  4  08.  460. 
Vererbung  97.  421.  479. 
»  einseitige  369. 

Vererbung  erworbener  Eigenschaf- 
ten 13.   16.   27.   41.   56.   72—74.    77.   92 
—95.   111.  203.  273.   391.  413.  414—421. 
451.    4G6.   479. 
Verfolgung    durch    Vögel    128.    267. 

274.  435.    461. 
Verhältnisse,  äußere  43. 

»  klimatische  21.  42. 

Verkleidung  1 68.  197.  266.  278.  281.  286. 

4.i9.  460. 
Verkleidungsfärbung  446. 
V'erkleidungstheorie  183. 
Verlorengehen   der    wichtigsten   blattähn- 
lichen Eigenschaften  250. 
Verschiebung  427. 

»  kaleidoskopische  332. 

»  sprungweise  413. 

Verschiedenstufigkeit  293.  462.  467. 
Vervollkommnungsprinzip  9.13 — 15.  54. 
Verwandlungsriickschlag  22. 


Viclorina  Epaphus  132. 

»  Steneles  132. 

»  Sulpilia  \  32. 

Vila  mariana  168. 

Vierfleck-Gruppe  214. 

Vierstufigkeit  296.  ?98. 


300.   322.    326. 


als   Folge   von    Rückbil- 
dung 327. 
»  postero -anteriore     und 

infero-superiore  326. 
Vögel  2.    4.    22.    30.    184.    267.    271.    272. 
274—277.   281—284.   332.   365.  371.  380. 
441.   445. 
Voranschreiten  einer  Flügelseite  295. 
»  der  Oberseite  294. 

»  der  Unterseite  294. 

Vorbilder  460. 

Vorder-Eckfleck-Typus  313. 
Vorderflügel-Eckzeichnung  236.  244. 

»  »  schwarze  240. 

Vorderflüge  1-E  ckzeichnung  s-T  y  p  u  s 
der  Pieriden"l57.'  214. 
230. 
»  Eck-    und    Schrägbänder- 

Zeichnung  463. 

Vorgänge,  physiologische  35. 


W. 

Wachsen  16.  77.   108.   113.  121.   124.    190. 

194.   458.   470. 
Wachsen,  organisches  8.  12.  16.  17.  40. 
34.   68.  70.  73.   89.  111.  286  .289. 
330.  388.  389.  391.  465.  475.  477. 
»         ungleiches  der  Flügel   10  7.   458. 
Wachstumsgesetze,  bestimmte  458. 
Wachstumsrichtung  470. 
Wachstumsursachen  54. 
Walbomiana  264. 

Wärme  15.  24.  61.  63.  109.  111.  136. 
394.  397.  409.  418.   420.    431. 
439.    440.    451.   452.    471. 
künstliche  26.  42. 1  09. 1 1 1 .  283. 
388.   390.   398.   399.   415.    432. 
455.    456.   465.   469.   485. 
Wärmeeinwirkung  36. 
Wärmeformen  15.  111.   398.  402. 

»  hora-dimorphe   398. 

Wärmeversuche   370. 
Wechselbezüglichkeit  92. 
Weinschwärmer  291. 
Weißfleck-Typus  235. 
Weißling  275.  282—284.  448. 
Wickle'r  252—254.  264.  265. 
Wiedererkennen  372.  465. 
Wildschafe  59. 
Winterformen  42.  359.  399. 
Wintergeneration  433.   436. 


393. 
432. 

369. 
43(i. 


120.   466. 


Wirkung, 


direkte,  äußerer 
gungen  358.  359. 
kumulative  331. 


Lebensbedin- 


Sachre2;ister. 


513 


X. 

Xanthia  cerago  flavescens  416. 
.YMi/!!<5-Streifun!J;  264. 
A"«</u<s-Typus   169.  170.  207. 

226.     232.     253.     261. 

470.   477. 
»        -Zeichnung  253.  "208. 
Xylophasia  monoglypha  365. 
xylosteana  264. 


214. 
313- 


222. 
-315. 


Ypthima  471, 


Y. 


Z. 


Zeichnung 


Zaretes  Isidora  120 — 122. 
Zebra  373.  375. 

16.   332.   484. 
der  Helikonier  190.  215. 
neue  91.  264. 
ringförmige  187.  226. 
von  Vanessa  levana  und  prorsa 
421—427. 

und  Farbe,  gesetzmäßige  ver- 
schiedenstufige der  Tagschmet- 
terlinge 293. 

der  Raupen  291 . 
334.   474.    476. 
und  Farbenfolge    462. 
467. 
Zeichnungsgesetz  2 — 4. 

>>  allgemeines   3.  4. 

18.   473—475. 
Zeichnungsmuster  3. 
Zeichnungs-Typen   129.  136.   457. 
Zeonia  241.   24-i.  342. 

Zethera  pimplea    136.   142.    170.    239.  249. 
314. 
»        heslioides  171.  181, 


»  und  Färbung 

Zeichnungsfolge  293 
Zeichnungs- 


Zeuxidia  178. 

>         Amethystus  155.  235.  237. 
»         Aurelius  117. 
Zeuzera  aescuH  2G0. 
Zickzackbildung  2.j3.  258.  260.  262. 
Zonabris  7. 

Zophoessa  Baladeva  238. 
Züchtung  75.  90  s.  auch  Zuchtwahl. 
»      "   künstliche  75.  482. 
»  sexuelle  359. 

Züchtunssprozeß  419.   'i47. 
Zuchtwahl    14.    20.    21.    25.    39.  62.   67. 
99.   128.   184.  197.  271.  280. 
289-291.     358.     374.     378. 
381.  394.  457.  476.   482. 
»  geschlechtliche289.  336. 

351.      355—360.      362—364. 
366.   367.  369.  371.  376.  379. 
393.  464.   465. 
»  künstliche  76.  77.   482. 

>  natürliche    76.    289.    393. 

411.  480.   482.   488. 
»  sexuelle  363. 

Zuchtwahllehre  361.  374. 
Zufall  81.  90.  93. 
Zünsler  -262.  265. 
Zweistufigkeit  296.  298.   315. 

»      "  höhere  300.  319. 

»  infero-superiore     315. 

316. 
>  niedere  299.  315. 

»  postero-anteriore  317. 

Zygaena  achilleae  369. 
;>         carniolica  261. 
»         ßlipendulae  369. 
»         lonicerae  369. 
»        phegea  261. 
»         pilosellae  369. 
»         trifoUi  3  69. 
Zygaenen  254.  261. 
Zygaeniden  354. 


Eimer,  Orthogenesis. 


33 


DrueV  von  Breitkopf  &  Härtel  in  Leipzig. 


Eimer,   Orlhogenesis. 


Taf.  I. 


(I. 


14. 


10. 


II. 


1.  Pliyciodes  Yorita  Ei;ak.  f^- 

2.  Ph.  Ahas  Hew.  (5 

:?.  Fli.  leircodfsina  Feld.   '^. 

4.  Ph.  elaphiaea  HF,^v. 

5.  Ph.  Teletusa  Godt. 

ii.  Pli.  Flaiia  Godt.   (5- 
7.  Ph.  fragilis  Bat.   5. 


s.  Ph.  Ofella  Hew.    Q 

9.  P/i.  Cho  L.    Q 

10.  Pä.  Eranites  Hew.    (J. 

11.  PA.  Eranites  Hew.   ^. 

12.  PÄ.  Emeruntia  Hew. 
l:i.  P/i.  i^MMtce  Heus.  (^ 
14.  Ph.  Caslilla  Feld.   (5 


Die  Entwickjlungsrichtungen  der  Phyciodes. 


Verlag  von  Wiliiiclm  Engel.mann  in  Leipzii 


Eimer,  Orthogenesis. 


Taf.  II. 


1. 


rD^braun 


rofbraun 


15* ,  ,To!braun 


4. 


jAra-jn 


niL 

iS^\^     braiinvot 


1.  Dismorphia  Astynomc  Daf-ji.    2.  MecJtanitis.    3.  Lycorea.    4.  Melinaea. 
T).  Elteides  Isahella  Ckam. 


Verioi^  von   Wilhelm  Engelmanx  in  Leipzig. 


M 


^ 


V.'7v1i* 


.  '  .  •■  v- 


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