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Full text of "Die Entwicklung der Testikel von Fringilla Domestica von der Winterruhe bis zum Eintritt der Brunft"

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P2E% 
89 
A DIE 
ENTWICKLUNG DER TESTIKEL 


FRINGILLA DOMESTICA 


VON DER 


WINTERRUHE BIS ZUM EINTRITT DER BRUNFT./ 


INAUGURAL-DISSERTATION 
/ DER 
HOHEN PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT 
; DER 
UNIVERSITÄT LEIPZIG 


‘ ZUR 


ERLANGUNG DER DOKTORWÜRDE 
VORGELEGT VON/ 


FRANZ ETZOLD 


AUS NEUSTADT BEI STOLPEN. 


MIT EINER LITHOGRAPHISCHEN TAFEL. 








LEIPZIG 
WILHELM ENGELMANN ) 
1891. 3 


(Separat-Abdruck aus: Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. LII. 1. Heft.) 


> 


In Bezug auf den Geschlechtsapparat der Thiere lassen sich nach 
Zeit und Art seines Funktionirens folgende zwei Gesetze aufstellen: 
Erstens schließt die Entwicklung dieses Apparates diejenige des ganzen 
Thieres ab, und zweitens funktionirt derselbe nicht gleichmäßig, son- 
dern zeigt Maxima und Minima, abwechselnde Funktionsfähigkeit und 
Stillstand, bez. Rückbildung. Das erste Gesetz ist selbstverständlich, 
bringt doch das Geschlechtsleben Ausgaben mit sich, die nur bestritten 
werden können, wenn durch die fertige Ausbildung der ernährenden 
Organe mit allen ihren Hilfs- und Nebenapparaten die Möglichkeit 
gegeben ist, derartige Verluste zu ersetzen; setzt doch das Wachsthum 
über das Individuum hinaus nothwendig voraus, dass vor Allem letz- 
teres selbst existenzfähig ist. Was das zweite der allgemeinen Gesetze 
anlangt, so fallen darunter die als »Brunft« allgemein bezeichneten 
Erscheinungen. Wenden wir uns speciell den höheren Thieren zu, so 
finden wir, dass weitaus in den meisten Fällen nur zu gewissen Zeiten 
des Jahres der Geschlechtstrieb erwacht. Mit allen Kräften und Mitteln, 
durch rohe Gewalt, durch äußere Schönheit, durch Anlegung von 
Schmuck, durch musikalische Leistungen der verschiedensten Art sucht 
in diesen Perioden das Männchen sich das Weibchen geneigt zu machen, 
und letzteres duldet gern die geschlechtliche Vereinigung, gegen die 
es sich sonst energisch sträubt. 

Groß sind die Verschiedenheiten in Bezug auf die Dauer der 
Brunft. Im extremsten Falle nach der einen Seite genügt ein ge- 
schlechtlicher Akt zur Befriedigung der Brunftgefühle, hier und da 


sehen wir auch ein intensives Geschlechtsleben kurze Zeit, vielleicht 
4* 


4 


wenige Tage auftreten. Weiter hält sich bei manchen Thieren die 
Brunft auf ziemlich gleicher Höhe während eines guten Theiles des 
Jahres, um endlich auch zu Fällen zu führen, in denen das Männchen 
während der ganzen Zeit seiner vollen Entwicklung zeugungsfähig ist. 
Diese Unterschiede in der Brunftdauer sind namentlich augenfällig in 
der Klasse der Vögel. Im Allgemeinen lassen sich bekanntlich die 
Vögel in monogamisch und polygamisch lebende eintheilen, und daraus 
lässt sich schon schließen, dass die Brunftdauer verschieden sein muss. 
Die Polygamie hat zur nothwendigen Voraussetzung eine längere Funk- 
tionsfähigkeit, während die Monogamie, in der das Männchen meist 
auch weitere Pflichten, wie die der Brutpflege etc. hat, auf eine kurze 
Brunftperiode hindeutet. In strengster Monogamie leben die meisten 
Fringilliden, und bei diesen sehen wir auch das Geschlechtsleben sich 
in den auffälligsten Extremen bewegen: erst vollständige Gleichgültig- 
keit gegenüber dem anderen Geschlecht, dann paarweises Zusammen- 
thun, Bau des Nestes, und auf einmal ein Geschlechtsleben von einer 
Intensität, die geradezu sprichwörtlich geworden ist, dann gemeinsame 
Brutpflege und gegen den Herbst hin wieder absolute Indifferenz. 
Herr Geheimrath Professor Dr. Levuckart wies mich auf diese 
eigenthümlichen Erscheinungen hin und forderte mich auf, die histo- 
logischen Verhältnisse des Hodens dieser Vögel zu untersuchen, in 
denen der morphologische Grund jener Lebenserscheinungen zum Aus- 
druck kommen müsse. Es ist mir eine angenehme Pflicht, meinem ver- 
ehrten Lehrer auch an dieser Stelle meinen lebhaften Dank auszu- 
sprechen für die vielseitige Anregung und Unterstützung, welche er 
mir jeder Zeit zu Theil werden ließ. | 


Untersuchungsobjekte und -methoden. 


Als Untersuchungsobjekte dienten mir fast ausschließlich Hoden 
von Fringilla domestica, weil diese am leichtesten zu haben sind, dann 
auch, weil sich der Thierfreund nur schwer entschließen wird, andere 
Singvögel in größerer Zahl zu tödten und es bei meinen Studien gerade 
darauf ankam, eine fortlaufende Suite von Hoden aus der Winterzeit 
bis in den Sommer hinein zu erlangen. Ich tödtete also jede Woche 
vom December bis in den Mai ein bis zwei Sperlingmännchen und 
unterwarf ihre Hoden nach der verschiedensten Richtung hin einer ge- 
nauen Untersuchung; theils wurden die äußeren Verhältnisse festge- 
stellt, Wägungen, Volumenbestimmungen etc. gemacht, theils auch 
wurden sie für die mikroskopische Untersuchung präparirt. In letzterer 
Beziehung habe ich mit allen möglichen Reagentien gearbeitet, habe 
Sublimat, Pikrin-Schwefelsäure, Fremmine’sche Lösung, Alkohol zum 


1) 


Fixiren verwendet und dann mit allen modernen und älteren Färbe- 
mitteln tingirt. Wenn ich später hauptsächlich Sublimat zum Fixiren 
und Hämatoxylin nach Bönmer zum Färben benutzte, so geschah es, 
weil ich mit diesen beiden Mitteln vollständig befriedigende Resultate 
erhielt. Der einzige Nachtheil, den mir das Sublimat zu haben schien, 
war der, dass das Protoplasma etwas schrumpfte, doch wird man in 
keinen Fehler desswegen verfallen, wenn man Präparate aus FLemminG- 
scher Lösung zum Vergleich verwendet. Das Chromosmiumessigsäure- 
gemisch scheint mir übrigens die Protoplasmakontouren wieder etwas 
zu stark zu markiren. Lange konnte ich mich nicht recht mit Isola- 
tionspräparaten befreunden, dieselben sind aber doch absolut noth- 
wendig zur Prüfung der an Schnitten gewonnenen Resultate, und wenn 
man frisches oder auch fixirtes und gefärbtes Material benutzt, so 
kommt man nach einiger Übung zu ganz verständlichen Bildern. Die 
hauptsächlichste Methode dürfte immer in der Anfertigung von Schnitt- 
serien zu finden sein, ich habe denn auch sehr viel geschnitten, meisten- 
theils den ganzen Hoden in 0,02—0,005 mm dicke Schnitte zerlegt und 
dieselben in ununterbrochener Reihenfolge zu Dauerpräparaten ver- 
wendet, so dass mir beispielsweise von einem reifen Hoden über 1200 
Schnitte vorliegen. 


Litteratur. 


Einzelne Notizen über Lage der Vogelhoden ete. finden sich natür- 
lich in jedem Zoologiehandbuch, aber ausführlichere Bearbeitungen 
liegen fast gar nicht vor. 

Schon Arısroreıes! sagt, »die Vögel haben zwar Hoden, sie haben 
sie aber inwendig nach den Lenden hin«, und ferner, »wie bei den 
Fischen zur Zeit der Begattung der Same vorhanden erscheint und die 
Gänge sehr sichtbar sind, und wenn die Zeit vorüber ist, auch manch- 
mal die Gänge unsichtbar werden, so sind auch bei den Vögeln, ehe 
sie sich begatten, die Hoden klein oder gänzlich unsichtbar, werden 
aber, wann sie sich begatten, sehr groß; am deutlichsten zeigt sich dies 
bei den Ringeltauben und Rebhühnern, und Manche glauben desshalb, 
dass diese im Winter keine Hoden haben«. Im fünften Buche erwähnt 
ArıstoteLes noch, dass die Begattung beim Sperling sehr schnell erfolgt. 

Nach diesen, mehr der Kuriosität halber angeführten Notizen wurde 
die Kenntnis des Vogelhodens nicht erheblich gefördert; bis TANnENBERG ? 
eine sehr gute und sorgfältige Dissertation über den Geschlechtsapparat 


1 ArısToTELES, Thiergeschichte, herausgeg. von C.N. v. OSIANDER U. G. SCHWAB. 
Stuttgart 1856. III. Buch. 

2 TANNENBERG, Spicilegium observationum circa partes genitales masculas 
avium. Göttingen 4789, 


6 


der Vögel schrieb. Tannengers untersuchte die Größenverhältnisse 
der Hoden in den verschiedenen Jahreszeiten und sagt darüber: tem- 
pore verno et omnino, quo genus propagare suum avis studet, vesi- 
culae seminales omnesque partes, quibus ad generationem opus, tument 
turgentque, autumnali vero et hiemali illae quidem ita constringuntur 
et coaretantur, ut vestigia earum vix reperire possis. Ihm fiel eben so 
wie schon ArıstorsLgs auf, dass namentlich dort enorme Größenzu- 
nahme zu finden ist, wo der Coitus öfter vollzogen wird, wie beim 
Sperling, während ein nicht häufiger Coitus auf verhältnismäßig geringe 
Größenzunahme der Hoden hindeutet. Weiter konstatirt TANNENBERG, 
dass der linke Hoden an Länge und Größe stets den rechten übertrifft 
und findet bei einem Gallus indicus Pigment im Hoden. Was allerdings 
seine Bemerkung über den Bau des Hodens anlangt, so haben uns die 
moderne Technik und die jetzt gebräuchlichen optischen Hilfsmittel zu 
einer abweichenden Meinung gebracht, er sagt nämlich: Multa egregia 
experimenta, quae de avium testibus Monro feeit, omnem eorum struc- 
turam tam praeclare plenoque declarant, ut nihil eis addere possim 
novi. Übrigens sah er die drüsige Struktur des Hodens sehr gut, machte 
Quecksilberinjektionen, ließ maceriren, und untersuchte mit bewaff- 
netem Auge ductus flexuosos tenuissima cellula inter se conjunctos et 
per minutissimas testium partes dispersos. 

Leyvie! sagt, das Gerüst des Hodens sei wie bei den Knochen- 
fischen ein Fächerwerk aus Bindesubstanz, welches rundlich polygo- 
nale Hohlräume abschließt, in denen dann die Sekretionszellen liegen, 
demnach dürften keine länglichen geschlängelten Blinddärmehen vor- 
liegen, sondern nur blasige, zusammenmündende Räume. Er weist auf 
den Haushahn und Fringilla chloris hin. 

LeucrArt? wog die Hoden des Sperlings und fand im Januar 0,003 
und im April 0,575 g, so dass also das Gewicht auf das 192 fache her- 
angewachsen sein würde. 

Was die Histologie des Hodens anlangt, so sind hin und wieder 
Notizen zu finden. 

Ecker bildet in seinen Icones physiologiecae die Entwicklung der 
Samenfäden vom Hahn ab und bemerkt dazu, dieselbe erfolge wie beim 
Hund in Bläschen, also in dem Sinne Köruiker’s*, der die Entwicklung 
der Samenkörper in Bläschen als Gesetz statuirt. 

! Leypıc, Untersuchungen zur Anatomie und Histologie der Thiere. 1883. 

? Topp, Cyclopaedia of anatomy and physiology. Vol. IV. 4849. — LxuckART, 
Zeugung. WaAsner’s Handbuch der Physiologie. Bd. VI. 4853. 

3 Ecker, Icones physiologicae. Leipzig 1851—1859 bei Voss. 

* Denkschriften der allgemeinen Schweizer Gesellschaft für die gesammten 
Naturwissenschaften. Bd. VIII. Neuenburg 1847. 


7 


pe La VALETTE St. George ! dehnte seine Ansicht von der Sper- 
matozoenentwicklung in Spermatogemmen und von dem Vorkommen 
von »Follikelzellen« im Hoden auch auf die Vögel aus. 

SCHWEIGGER-SEIDEL ? bildet die Singvogelspermatozoen ab, eben so 
Hermann® mit korkzieherartig 2'!/;mal gewundenen Köpfen und 
0,084—0,085 mm langen Schwänzen. 

A. v. Brunn! konstatirt bei den Vögeln den Übergang der runden 
Hodenzellen in Spermatozoen, er sieht die frühen Stadien der Samen- 
fäden frei liegen, während die späteren zu Bündeln vereinigt sind, »ein 
Vorkommen, welches entschieden für die Mrrker’sche Stützzellentheorie 
spricht und welches ich mir auch nicht anders wie durch Annahme der- 
selben erklären kannc«. 

v. Wıepersgerg bildet Kerntheilungen aus dem Hoden des Auer- 
hahns ab. 

Bexpa ® sagt, dass sich bei Vögeln eben so wie bei den Säugethieren 
die »Samenbildner« (Spermatiden) mit den »Fußzellen« \Stützzellen 
oder SerroLr'schen Zellen) kopuliren und dass dann erst ihre Weiterent- 
wicklung erfolgt. Ein ausführlicher Nachweis für die Klasse der Vögel 
von ihm steht meines Wissens noch aus. 

Aus den angeführten Notizen ist ersichtlich, dass meist zwei Arten 
von Zellen im Hoden der Vögel jetzt angenommen werden. Weitere 
vergleichende Hinweise auf die Litteratur werde ich bei der Besprechung 
des funktionirenden Kanälchens geben. 


Eigene Untersuchungen. 
Meine Aufgabe zerfällt naturgemäß in zwei Theile, indem man 
4) die allmähliche Entwicklung der Hoden mit Maßstab und Wage 
Schritt für Schritt verfolgt, und 2) mit Hilfe des Messers und Mikro- 
skops die histologischen Bildungsprocesse feststellt. 


I. Maßbestimmungen am sich entwickelnden Hoden von 
Fringilla domestica. 


Öffnet man einen gegen Anfang des Jahres, also im tiefsten Winter 
getödteten Sperling, so hat man oft Mühe, die Hoden zu entdecken, so 
klein und unscheinbar liegen sie am Vorderende der Nieren, allmählich, 


! Archiv für mikr. Anat. Bd. I. 1865. 

2 Archiv für mikr. Anat. Bd. I. 1865. 

3 Über die Entwicklung der Spermatozoen der Wirbelthiere. Inaug.-Diss. 
Dorpat 1879. 

* Archiv für mikr. Anat. Bd. XXIII. 1884. 

5 Archiv für mikr. Anat. Bd. XXV. 

6 Anatomischer Anzeiger. II. Jahrg. Nr. 42. Jena 1887. 


6) 


schon im Januar und weiter im Februar wachsen sie heran und er- 
reichen im März oder bei ungünstigen Witterungsverhältnissen im April 
und Mai ihre Maximalgröße. Bald fast vollkommen kugelig, meist aber 
elliptisch , bohnenförmig, verdrängen sie alsdann geradezu die Einge- 
weide und fallen weißgelb glänzend sofort in die Augen. Der Unter- 
schied in der Farbe, matt, braungelblich im Winter und weißglänzend 
im Sommer, wurde schon von TAnnengErG hervorgehohen. 

Interessant und die Mächtigkeit der Anschwellung vortrefflich 
illustrirend ist folgende Tabelle, welche das Gewicht der Hoden ein- 
zeln und ihr Gesammtgewicht in ca. 1Otägigen Intervallen enthält. 




















Datum Linker Hoden Rechter Hoden | Gesammtgewicht 

2. Januar 0,001 & 0,0009 g 0,0019 g 
12.» 0,0047 » 0,0045 » 0,0032 » 
a) 0,003 » 0,002 » 0,005 » 
2. Februar 0,0038 » 0,0035 » 0,0073 » 
44, » 0,006 » 0,004 » 0,040 » 
22. » 0,0065 » 0,0055 » 0,012 » 
3. März 0,005 » 0,004 » 0,009 » 
2 » 0,042 » 0,040 » 0,022 » 
18 » 0,020 » 0,021 » 0,044 » 
22 » 0,037 » 0,027 » 0,064 » 
22 » 0,013 » 0,008 » 0,024 » 
29.2...» 0,018 » 0,013 » 0,031 » 
6. April 0,09 » 0,08 » 0A N) 
16 » | 0,124 » 0,148 » 0,242 » 
26 » 0,165 » 0,159 » 0,324 » 
30 » 0,209 » 0,204 » 0,443 » 
30.» 0,304 » 0,298 » 0,599 » 
42. Mai 0,324 » 0,348 » 0,639 » 
12. » 0,100 » 0,090 » 0,190 » 





Man sieht aus dieser Tabelle, dass das Gewicht der Hoden im ex- 
tremsten Falle auf das 336fache gestiegen ist und darf daher in runder 
Zahl annehmen, dass der funktionirende Hoden 300mal so viel 
wiegt, alsderruhende. Weiter lehrt die Tabelle, dass der linke 
Hode in der Regel etwas schwerer ist als der rechte, demnach auch 
größer erscheinen wird, was schon von Tannengerg hervorgehoben 
wurde; ein einziges Mal (18. März) fand sich der rechte Hode schwerer 
als der linke. Diese Gewichtsdifferenz wird relativ immer geringer, der 
linke Hode vom 12. Mai ist 321 mal schwerer als der vom 2. Januar, 
während der rechte von demselben Tage 353 mal schwerer ist als der 
vom 2. Januar, demnach wächst der rechte Hode stärker. Schließlich 
zeigt die Tabelle noch, dass große Verschiedenheiten des Gewichts bei 
den verschiedenen Individuen vorkommen, so ist am 22. März das Ge- 
sammtgewicht der Hoden bei dem einen Thier 0,064, beim anderen 0,021, 


9 


am 12. Mai beim einen 0,639, beim anderen 0,19, ein Faktum, welches 
jedenfalls in ungünstigen Ernährungsverhältnissen seinen Grund hat. 

Wägungen ganzer Thiere ergaben im Winter ein mittleres Rohge- 
wicht von 32 g und während der Reifezeit ein solches von 30,5 g, 
so dass man 31 gals Durchschnittsgewicht für die ganze von uns zu 
beschreibende Periode in Anspruch nehmen darf. Man sieht, dass, 
während das Körpergewicht fast ganz gleich geblieben ist, das Gewicht 
der Hoden sich um das 300fache vermehrt hat. Die Berechnung er- 
giebt, dass die Hoden im Winter bei einem mittleren Gewicht von 
0,002 g 0,00062°/, des Körpergewichts ausmachen, während sie in 
der Reifezeit 0,6 g wiegend, 1,93°/, also beinahe 2°/, der Körpermasse 
für sich in Anspruch nehmen. 

Für die Ausdehnung des Hodens nach Länge, Breite und Höhe 
lassen sich nicht wohl Durchschnittsmaße angeben, da hierin die größ- 
ten Schwankungen vorkommen. Die ruhenden Hoden sind nahezu rund 
und ihr Durchmesser schwankt zwischen 0,75—0,80 mm. Wächst 
nun der Hoden heran, so ändert er seine Gestalt oft nicht unwesentlich ; 
er wird länglich, elliptisch, etwas flach gedrückt, bohnenförmig oder 
bleibt auch nahezu kugelig. Im extremsten Falle habe ich 11,9 und 
8 mm gemessen, doch fanden sich auch thätige Hoden, die 8, 6 und 5 
oder auch 8, 7,5 und 7 mm maßen. Man dürfte demnach vielleicht 
10:8:7 als mittlere Zahlen für die Ausdehnung des secernirenden Ho- 
dens nach Länge, Breite und Höhe in Millimeter annehmen, daraus 
würde hervorgehen, dass die Testikel etwa auf das Zehnfache nach den 
drei Dimensionen des Raumes hin anschwellen. 

Weiter suchte ich das Volumen des ruhenden und thätigen Ho- 
dens zu ermitteln. Ich verwendete dazu das Gewicht des Wassers, 
welches je ein Hode in einem 100 cem fassenden Gefäß verdrängte. 
Für die kleinsten Hoden war diese Methode natürlich nicht durchführ- 
bar, dieselben wurden einfach als Kugeln bestimmt und ergaben bei 
einem größten Querschnittsdurchmesser von 0,8 mm nach !/3r ?sr einen 
Inhalt von 

0,268 cmm. 
Einer der größen Hoden verdrängte 0,302 g Wasser und muss dem- 
nach genau so viel ecm Inhalt haben, sein Volumen beträgt also, um die 
Brüche zu vermeiden 
302 cmm. 
Hieraus ergiebt sich, dass das Volumen der Hoden von der Winterruhe 
bis zu einer Funktionsperiode auf das 


4427 fache 
steigt. 


10 


Weiter kann man fragen, in welchem Verhältnis die secernirende 
Fläche des funktionirenden Hodens zur Gesammtfläche der Hodenkanäl- 
chen im Winter steht. Zur Beantwortung dieser Frage nehmen wir den 
mittleren Durchmesser eines Kanälchens und das Volumen des ganzen 
Hodens zu Hilfe. Vermittels des Mikrometers lässt sich leicht fest- 
stellen, dass ein Kanälchen des ruhenden Hodens einen Durchmesser 


von 
0,0404 mm 


hat, während das funktionirende Kanälchen in dieser Beziehung 
0,444 mm 

ergiebt , woraus die Thatsache folgt, dass auch der Kanälchendurch- 
messer vom Winter bis zur Fortpflanzungszeit um das Zehnfache zu- 
nimmt. Um nun diese Maße zusammen mit den für das Volumen er- 
haltenen Resultaten zu einer Berechnung der Kanälchenfläche zu ver- 
wenden, wurde ein Hodenquerschnitt des ruhenden Hodens mit Hilfe 
der Camera lucida gezeichnet und zwar in 170facher Vergrößerung 
auf mit Quadratmillimetereintheilung versehenes Papier. Durch Aus- 
zählen erhielt ich dann, wie viel gmm auf die verschiedenen Kanälchen- 
schnitte und wie viel auf den ganzen Querschnitt kommen, während 
die Differenz beider für das Bindegewebe in Anspruch genommen 
werden musste. Ich zählte 

5606 qmm Kanälchenfläche 

11270 qmm Querschnittsfläche des ganzen Hodens, demnach 

5664 qmm Bindegewebsschnittfläche. 

Vom thätigen Hoden wurde ein Schnitt bei 72facher Vergrößerung 
gezeichnet, sodann wurde von der Zeichnung Alles ausgeschnitten, was 
auf Kanälchenschnitte und Alles, was auf Bindegewebsschnitte kam. 
Hierauf wurden 60 qcm des Papiers gewogen und dafür ein Gewicht 
von 0,7356 g ermittelt. 

Ferner erhielt ich für 

die Bindegewebsausschnitte 1,8937 g, 
die Kanälchenausschnitte 11,5123 g. 
Daraus erhält man 


1) 0,7356 : 1,8973 — 60 x, 
EN A 
a 154,46 ccm, 
9) 0,7356 : 11,5123 — 60 x, 
14,5123.60 
A BUWETRD — 939,013 ccm, 


d. h. es waren auf dem gezeichneten Querschnitte 154,46 gem vom 
Bindegewebe und 939,043 gem von den verschiedenen Kanälchen- 
schnitten eingenommen. 


11 


Wenn wir uns die gezeichneten 0,01 mm starken Schnitte körper- 
lich vorstellen, so werden sie annähernd Cylinder mit 0,04 mm Höhe 
darstellen. Jeden dieser Gylinder können wir uns zerlegt denken in je 
zwei Cylinder, von denen allemal der eine zur Grundfläche die gesammte 
Kanälchenschnittfläche, der andere die gesammte Bindegewebsschnitt- 
fläche hat, während die Höhe beider dieselbe ist. Cylinder von gleicher 
Höhe verhalten sich wie ihre Grundflächen. Demnach verhält sich im 
Winter im einzelnen Schnitt das Bindegewebe zur Kanälchenmasse wie 
5664:5606 und im Sommer wie 154,46: 939,013; d.h. es ist im Winter 
im Fringillidenhoden nahezu eben so viel Bindegewebe vorhanden wie 
Kanälchenmasse, während letztere im Sommer das Sechsfache der er- 
steren beträgt. 

So wie sich das Bindegewebe in dem einzelnen Schnitt zur Kanäl- 
chenmenge verhält, so wird es sich natürlich auch im ganzen Hoden 
zu letzterer verhalten und da wir oben das Hodenvolumen ermittelt 
haben, so können wir nun leicht berechnen, wie viel von dem Total- 
inhalt der Hoden auf die Kanälchen kommt. 

Wir fanden für den ruhenden Hoden 0,268 emm Inhalt, davon 
würden nach Obigem auf die Kanälchen die Hälfte, also 

0,134 cmm 
kommen. 

Der produeirende Hode ergab 302 cemm Inhalt, den Antheil der 
Kanälchen hieran erhält man durch folgendes Exempel: 

(939,013 + 154,46) : 939,013 = 302: x 


939.013 . 302 
939,013 + 154,46 59,346 cmm 


Wir haben den Durchmesser des Hodenkanälchens im Winter- und 
Sommerhoden gemessen, haben eben gefunden, dass in ersterem 
0,134 cmm und im zweiten 259,346 cemm Kanälchenmenge vorhanden 
sind und sind dadurch in der Lage, berechnen zu können, wie lang ein 
Kanälchen sein muss, welches dasselbe Volumen besitzt, wie die im 
Hoden bekanntlich verästelt vorliegenden Kanälchen. Das Volumen 
eines Cylinders ist gleich Grundfläche mal Höhe, daher die Höhe gleich 
dem Volumen dividirt durch das Produkt aus dem Quadrat des Radius 
und :r, folglich 


0,134 Er j 
259,346 
a 0,2222. 3,14159 
Der Winterhoden enthält also so viele Kanälchen, dass sie alle zu- 
sammen 106,634 mm messen, während der thätige Hoden an Kanälchen 


1675,037 mm aufweist. 


— 1675,037 mm. 


12 


Aus Radius und Höhe können wir endlich leicht den Mantel des 

Cylinders, also die Kanälchenfläche ermitteln, es ist 
B--9r.0ch. 
Also ist für den Winterhoden die Kanälchenfläche. 
F — 2.0,02.3,14159.106,634 — 13,4 qmm 
und für den Sommerhoden 
F — 2.0,222.3,14159.1675,037 — 2336,452 qmm. 
Demnach nehmen die Hodenkanälchen alle zusammen um das 


1675,037 h 2 
er 15,7 — ca. I6bfache an Länge 
und an Fläche um das 
2336,452 rk 
—__— — 474,36 = ca. 175fache zu. 


Die Resultate aller dieser Beobachtungen und Berechnungen lassen 
sich in folgende Tabelle zusammenfassen :' 








|  Winterhoden | Brunfthoden | Zunahme 

Gewichte ee er 0,002 0,6 g um das 300fache 
Procent vom Körpergewicht. . 0,000040%/, 20/) 

Maß nach Länge, Breite u. Höhe |0,75—0,80 mm 10:8:7 mm| um das A0fache 
VOLUMEN S, AN are 1a Yale 0,268 cmm 302 cmm um das 4125fache 
Kanälchendurchmesser . . . . 0,04 mm 0,4 mm um das A0fache 
Kanalchenläanger „en... 106 mm 1675 mm um das A6fache 
Kanälchenfläche ........ 43 qmm 2300 qmm um das 175fache 


In der That, wenn wir diese Ergebnisse betrachten, dürfen wir 
uns nicht wundern, dass das Geschlechtsleben des Sperlings eine In- 
tensität erreicht, die schon längst sprüchwörtlich geworden ist. Ich 
hatte Gelegenheit zu beobachten, dass ein Sperling in einem Falle in 
6 Minuten I3mal, in einem anderen während derselben Zeit I1mal den 
Coitus vollzog. 

Besonderes Interesse erwecken noch Vergleiche mit anderen Ob- 
jekten. Mir liegt Vırrorpr: »Anatomische, physiologische und physi- 
kalische Daten und Tabellen zum Gebrauch für Medieiner« vor und ich 
finde darin in Bezug auf die menschlichen Hoden folgende Angaben: 
Das mittlere Gewicht der Hoden beträgt 48 g bei Erwachsenen, 0,8 g 
bei Neugeborenen! und macht im ersteren Falle 0,08°/,, im letzteren 
0,037°/, vom Körpergewicht aus. Während der Gesammtkörper um 


i Was die Hoden junger Sperlinge anlangt, so will ich nicht unterlassen zu 
erwähnen, dass ich für sie bei halbflüggen Thieren durch fünf Wägungen ein 
mittleres Gewicht von 0,003 g gefunden habe. Daraus folgt, dass in der Mehrzahl 
der Fälle diese juvenilsten Hoden ein höheres Gewicht besitzen als die in absoluter 
Ruhe sich befindenden erwachsener Thiere. 


13 


das 19fache zunimmt, nehmen die Hoden um das 60fache zu. Das Vo- 
lumen der reifen Hoden beträgt 14—24 qem, im Mittel also 19 gem, ein 
Samenkanälchenquerschnitt misst 0,2 mm, die Gesammtlänge der Sa- 
menkanälchen beträgt 276—341 im Mittel also 308 m, ihre innere 
Fläche misst 867— 2142, im Mittel also 1500 gem. 

Um den direkten Vergleich zu ermöglichen, berechne ich Vırroxpr’s 
Angaben und die von mir auf 4 kg Körpergewicht und finde, dass darauf 
kommen: 




















Beim Menschen Beim Sperling 
Neugeboren | Erwachsen im Winter im Sommer 
An Hodenvolumen | 0,29 ccm 0,009 ccm 9,742 ccm 
An Hodensubstanz I 0,74 8 0,068 19 8 
An Hodenkanälchen | 4,74 m 3,42 m 54,032 m 
An Hodenkanälchenfläche | 


23,08 qcm 0,449 gem 74,494 gem 
voq I q 


Diese Tabelle ist sehr lehrreich, man sieht daraus, dass der Sper- 
ling, was seine Testikel anlangt, im Winter dem Menschen in jeder Be- 
ziehung nachsteht, ja dass dieselben relativ selbst leichter sind als die 
des Neugeborenen, dass dagegen während der Brunftzeit relativ das 
Hodengewicht beim Sperling ca. 25mal, das Volumen ca. 24mal, ihre 
Kanälchenlänge ca. I2mal und die Kanälchenfläche ca. 3mal so groß 
ist als beim Menschen. 

Würde der Mensch einen eben so stark entwickelten Genitalappa- 
rat haben, als der Sperling, so müssten, wenn sein mittleres Körperge- 
wicht 65 kg beträgt, seine Testikel bei einem Inhalt von 0,8 Liter, 
einem Gewicht von 2,5 Pfund Kanälchen von 3500 Meter Länge ent- 
halten und damit würde das Scrotum monströse Dimensionen er- 
halten. 

Anhangsweise möchte ich noch zwei Beobachtungen erwähnen, die 
ich in Bezug auf diese Verhältnisse an anderen Thieren zu machen Ge- 
legenheit hatte. Um den Penis zu untersuchen, tödtete ich im Mai einen 
Enterich (Anas boschas) und fand Hoden von 8 cm Länge, 4,5 em Breite 
und 4 cm Höhe. Dieselben Verhältnisse fand ich Ende September 1888 
an den Hoden eines ohne Aufbruch 260 Pfund wiegenden Zehnenders 
(Cervus elaphus), der also gerade während der Brunftzeit geschossen 
worden war. Gewiss ein eklatantes Beispiel für die im Verhältnis zu 
den Säugethieren enorme Entwicklung des Geschlechtsapparates der 
Vögel zur Zeit der Brunft. 


14 


II. Histologische Untersuchung des sich entwickelnden Hodens von 
Fringilla domestica. 
A. Beschreibung der Entwicklung bis zur Reife. 


So reichhaltig die Litteratur über den funktionirenden Hoden ist, 
eben so dürftig sind die Notizen, welche über die allmähliche Entwick- 
lung dieses Organs vorliegen. Mir ist nicht eine Arbeit bekannt ge- 
worden, welche in lückenloser Aufeinanderfolge die einzelnen Bil- 
dungsstadien des Säugethier- und Vogelhodens, welche histologisch 
einander so nahe stehen, beschriebe. Was die zelligen Elemente der 
thätigen Testikel anlangt, so sind dieselben hinsichtlich ihrer Abstam- 
mung und Bestimmung noch immer überaus strittig und daraus erklärt 
sich zum guten Theil die so sehr verschiedene Nomenclatur. Da ich 
chronologisch vorgehe und die vielen vorhandenen Namen sich eben 
bloß auf den samenbildenden Hoden beziehen, so scheint es mir ange- 
bracht, die nach und nach erscheinenden Zellarten von differentem 
Bau vorläufig bloß nach dem Alphabet zu bezeichnen und erst dann 
mich für eine Nomenelatur zu entscheiden, wenn das Bild des fertigen 
Samenkanälchens einen Vergleich mit den schon vorhandenen Beschrei- 
bungen gestattet. 

Mustert man die Schnitte dureh den Hoden eines etwa im Decem- 
ber oder Januar getödteten Sperlings, so erblickt man allenthalben 
dasselbe sehr einfache Bild. Es bedarf kaum der Erwähnung, dass man 
an Schnittpräparaten nur da einen genauen Einblick in die Struktur- 
verhältnisse des Hodens bekommen kann, wo ein Samenkanälchen 
gerade in seiner Längsachse durchschnitten ist, denn in Querschnitten 
liegen oft Zellen direkt über einander, die nicht von einander ab- 
stammen, aber eben durch diese Lage ein derartiges Verhältnis vor- 
täuschen. Betrachten wir nun das Bild des ruhenden Kanälchens ge- 
nauer, so finden wir, dass in demselben zwei Arten von Zellen deutlich 
zu unterscheiden sind, ich bezeichne dieselben aus’den oben ange- 
führten Gründen vorläufig als Zellen A und Zellen B, bis ich in die Lage 
komme, sie mit bereits von anderen Autoren beschriebenen zu identi- 
fieiren. Manchmal liegen beide Zellenarten einfach alternirend und 
zwar die Zellen B dicht an der Kanälchenwand, die Zellen A etwas ab- 
gerückt, oft aber liegen auch zwei oder drei Zellen A neben einander, 
ehe wieder eine Zelle B sichtbar wird. 

Was zunächst die Zellen A und zwar deren Kerne anlangt, so sind 
dieselben zumeist kreisrund und wenn sie etwas elliptisch erscheinen, 
so steht ihre längere Achse senkrecht zur Kanälchenwand. Der Umriss 
eines solchen Kernes hebt sich wenig scharf von seiner Umgebung ab, 


15 


demnach dürfte die Membran sehr dünn sein, der ganze Kern erscheint 
hell, ein dürftiges Gerüst von chromatischer Substanz durchzieht ihn 
in unregelmäßigster Weise, hin und wieder speichert sich dieses Chro- 
matin zu etwas gröberen Massen an und ein oder mehrere, besonders 
große, dunkle Ballen, die augenscheinlich mit dem übrigen Netzwerk 
in Verbindung stehen, dürften wohl als Nucleolen zu deuten sein, wie 
denn auch Fremning ! »ein bis mehrere mattglänzende« Nucleolen in den 
Hodenepithelzellen von Salamandra findet. Alles, was sich sonst noch 
über diese Kerne sagen ließe, dürfte kaum dazu dienen, ihr Bild eigen- 
artiger erscheinen zu lassen, man vergleiche die Abbildungen bei 
Fremning und Rası, lese nach, was diese Autoren über die Eigenthüm- 
lichkeiten von Drüsenepithelzellen im Zustande absoluter Ruhe sagen 
und wird Alles und sonst nichts mehr an unseren Kernen wiederfinden. 
Wirhaben also die Kerne der Zellen A einfach als Kerne 
von in vollständiger Ruhe befindlichen Drüsenepithel- 
zellen aufzufassen. Eben so einfach wie der Kern ist der übrige 
Theil der Zellen A: ein lichter, schmaler Hof direkt um den Kern und 
weiterhin ein sehr wenig tingirter, meist nach dem Lumen zu dickerer 
und dadurch den Kern in excentrischer Lage zeigender Mantel von Pro- 
toplasma. Die Dicke dieses Mantels in der Kanälchenlängsrichtung ist 
nicht bedeutend, so dass der Durchmesser der ganzen Zelle in dieser 
Richtung kaum um ein Drittel größer ist als der des bloßen Kernes. 
Von einer besonderen Struktur des Protoplasmas vermochte ich mit 
den mir zu Gebote stehenden Hilfsmitteln nichts zu entdecken. 

Die Zellen B haben einen im Querschnitt bald elliptischen, bald 
rundlichen, meist aber einen abgerundet dreieckigen Kern, dessen eine 
Seite im letzteren Falle parallel zur Kanälchenwand verläuft. Derselbe ist 
meist erheblich (etwa um ein Drittel) kleiner als der Kern der Zellen A. 
Seine scharfen Kontouren deuten auf eine ziemlich derbe Membran hin 
und die Gleichmäßigkeit, mit der er vom Hämatoxylin in ziemlich hellem 
Tone gefärbt ist, beweist eine dichte Vertheilung der chromatischen 
Substanz in feinen Fasern. In dieses zarte Chromatingerüst sind ein 
oder mehrere gröbere, außerordentlich dunkel tingirte Massen, von 
denen in letzterem Falle meist eine durch ihre Größe besonders auf- 
fällt, eingelagert; man hat dieselben wohl wie bei den Zellen A als 
Nucleolen aufzufassen. Wie die Kerne der Zellen A, so zeigen auch die 
von B überall genau das gleiche Bild, und zwar, abgesehen von der 
meist eben nicht runden oder wenigstens bloß rundlichen Form, das- 
jenige, welches den in absoluter Ruhe sich befindenden Kernen eigen- 
thümliche ist. Umgeben werden diese letzteren Kerne von einem 

I W. Fremaming, Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung. Leipzig 1882. p. 443. 


16 


außerordentlich schmalen, lichten Hof und weiterhin von Protoplasma 
in höchst sonderbarer Vertheilung. Zunächst legt sich nämlich das 
Protoplasma mit seiner breitesten Seite (immer vom Schnitt gesprochen) 
der Wand des Kanälchens an, so dass es mit dem Protoplasma der be- 
nachbarten Zellen B zusammenstößt, umzieht von da rasch im Bogen 
beiderseits schmäler werdend, die konvexe Seite dem Kern zuwendend, 
so dass sich die konkave Seite dem Protoplasmahofe der benachbarten 
Zelle A anschmiegt, den Kern, spitzt sich nach dem Inneren noch mehr 
zu, so dass es kaum noch ein Sechstel so breit ist als sein Kern und 
sich als bloßer Faden zwischen zwei Zellen A hindurchdrängt, breitet 
sich dann wieder in glattem Bogen nach beiden Seiten hin aus, so dass 
es die benachbarten Zellen A weiter einhüllt und lässt sich oft bis in 
die Mitte des Kanälchens verfolgen, so dass es mit den von der gegen- 
über liegenden Wand kommenden gleichartigen Protoplasmagebilden 
zusammenstößt und so das ganze Lumen des Kanälchens ausfüllt. 
Während sich die Kontouren dieser Protoplasmahöfe bis um die Zellen 
A herum als ziemlich glatte erweisen, sind sie nach der Mitte hin 
durchaus nicht distinkt und vielfach gar nicht zu verfolgen, sie ver- 
schwimmen sowohl mit den benachbarten als auch mit den von drüben 
kommenden. Wo ein kleiner Raum ganz im Inneren des Kanälchens 
frei bleibt, weist derselbe auch keine glatten Grenzlinien auf. Aus 
dem Gesagten geht hervor, dass die ganze centrale Protoplasmamasse 
außerordentlich labil ist. Was den feineren Bau dieser protoplasmati- 
schen Gebilde anlangt, so sieht man ziemlich deutlich schwach tingirte 
Fädchen in seinem Inneren verlaufen, die alle der Mitte des Kanälchens 
zustreben und daselbst ein Gewirr bilden. 

Fassen wir alles bisher Erörterte zusammen, so ergiebt sich für 
das ruhende Hodenkanälchen des Sperlings folgendes Bild: Direkt an 
der Wand des Kanälchens liegt eine Schicht von Zellen, deren Proto- 
plasma sich hier gegenseitig polygonal abplattet, von da sich um die 
innen liegenden, meist kegelförmigen, mit der Basis der Wand auf- 
sitzenden Kerne herumschmiegt, dann fadenförmig dünn wird und 
schließlich im Inneren — wieder breit und lappig — sich an die ent- 
sprechenden Fortsätze der Nachbarzellen legt oder vielleicht gar mit 
denselben verschmilzt und meist das ganze Lumen des Kanälchens 
ausfüllt. In den Hohlräumen, welche durch das Dünnwerden dieser 
sonderbaren Protoplasmagebilde entstehen, liegt eine zweite Art von 
Zellen, welche mit Sicherheit als Drüsenepithelzellen im Ruhezustand 
anzusprechen sind, und zwar liegt in jedem Hohlraume oft bloß eine 
derartige Zelle, oft aber auch deren zwei bis drei, so dass im ganzen 
Kanälchen entschieden mehr Zellen letzterer als ersterer Art vorhanden 


17 


sind. Zählt man die Zellen, welche von einem Querschnitt getroffen 
wurden, so kommt man zu sehr abweichenden Resultaten. Im Allge- 
meinen darf man sagen, dass 20—40 Zellen überhaupt auf einem derar- 
tigen Schnitt zu zählen sind. von denen 10—15 auf die Sorte B kommen. 

Bei den Betrachtungen über die Größenverhältnisse des Hodens 
konnten wir konstatiren, dass der Hoden in Winterruhe etwa dieselbe 
Größe hat wie der halbflügger Vögel, und eben so finden wir die voll- 
ständigste Übereinstimmung in histologischer Beziehung. Auch einem 
geübten Untersucher dürfte es an manchen Stellen schwer fallen, ein 
Samenkanälchen aus einem so jugendlichen Hoden unter dem Mikro- 
skop von einem aus dem Hoden eines sehr alten Sperlings, der viel- 
leicht schon mehrere Brunftperioden durchgemacht hat, zu unterschei- 
den. Wir haben in dem juvenilen Hoden die nämlichen beiden 
Zellenarten und dieselbe eigenthümliche Anordnung des Protoplasmas, 
hin und wieder treten hier noch große runde Kerne mit weitem 
lichten Hof auf, doch sind diese Gebilde so wenig scharf kontourirt, 
sind die spärlichen Chromatinkörnchen und -bälkchen in ihnen so 
wenig distinkt, dass man sie ohne Weiteres für der Resorption anheim- 
fallende Bildungselemente aus der Embryonalzeit wird erklären dürfen. 
Vielleicht sind es nicht zur Verwendung gelangende große Geschlechts- 
zellen, die v. Minarkovics aus dem Keimepithel in die bereits ange- 
legten Sexualstränge einwandern und im Falle ihrer Weiterentwicklung 
zu Ursamenzellen werden lässt. Abgesehen von diesen sicher nicht 
zur Bildung von Geschlechtsprodukten verwendungsfähigen Zellresten 
lässt sich der juvenile Hodenkanal nicht von dem für die Periode ge- 
schlechtlicher Ruhe rückgebildeten unterscheiden: der Sperling 
sinktim Winter in Bezug auf seine Sexualzellen vollstän- 
dig in den Zustand des Nesthockers zurück. Anders ist es 
mit der bindegewebigen Umhüllung der Hodenkanälchen, dieselbe ist 
im jugendlichen Hoden eine ungleich stärkere als im ruhenden, wäh- 
rend nämlich bei letzterem eine meist bloß einfache Schicht ziemlich 
zarter bindegewebiger Elemente eine dünne und wenig widerstands- 
fähige Tunica propria um das einzelne Kanälchen bildet, so dass zwei 
Kanälchen im Schnitt meist bloß durch zwei Zellreihen getrennt sind, 
besteht die Tunica propria des jugendlichen Hodenkanälchens aus zwei 
bis vier Bindegewebszellschichten, so dass vier bis acht Zellreihen 
zwischen den an einander stoßenden Kanälchen zu zählen sind. Daraus 
geht hervor, dass, wenn auch der jugendliche Hoden hinsichtlich des 
Volumens, Gewichts und der histologischen Struktur sich nicht vom 
ruhenden unterscheidet, doch bei letzterem die Gesammtmenge der 
eingehüllten Kanälchen eine ungleich größere ist. 


18 


Zum Vergleich untersuchte ich den Hoden eines jungen Kanin- 
chens und fand daselbst die nämlichen Verhältnisse, wie ich sie oben 
vom Sperling beschrieben habe. Auch hier lassen sich zwei Zellarten 
deutlich unterscheiden, von denen die eine in durch das Protoplasma 
der anderen gebildeten Kavernen liegt. Als Unterschied kann ich bloß 
anführen, dass die Zellen beim Kaninchen größer sind, so dass auf 
einen Querschnitt der nämlichen Größe wie beim Sperling weniger, 
höchstens 20 kommen, und dass ferner das Protoplasma beim Kanin- 
chen weniger dicht zu sein scheint; doch kann Letzteres eben so gut 
auf einem Fehler bei der Konservirung beruhen, den man bei einem 
einzelnen Präparat natürlich nicht entdecken kann. 

Regelmäßig kann man bei Fringilla domestica im Winter einen 
kleinen Fettkörper beobachten. Derselbe ist unpaar und liegt gerade 
da, wo die Aorta descendens sich theilt, also etwa am vorderen Ende 
der beiden Hoden. Was seine Größe anlangt, so ist er ungefähr so groß 
wie ein Hoden in diesem Stadium, und er hebt sich durch seine 
schwach chromgelbe Farbe deutlich von der Umgebung ab. Im mikro- 
skopischen Bild lässt sich nichts Besonderes an den Fettzellen entdecken. 
Da ich dieses Fettkörperchen nur bei ruhenden Hoden, da aber immer, 
fand, da es verschwindet, sobald die histologischen Verhältnisse des 
Hodens anfangen sich zu komplieiren, so darf ich es wohl als dasselbe 
auffassen, wie die mächtigen paarigen Fettkörper, die beispielsweise 
dem Vorderende der Hoden bei den Batrachiern anhangen, nämlich als 
Reservematerial, welches die ersten Entwicklungsvorgänge in den 
Hoden ermöglicht. 

Anhangsweise will ich noch eine Beobachtung von Pigment an 
dieser Stelle erwähnen. Soıser ! schrieb »über Ungleichheiten der 
Hoden beider Körperhälften bei einigen Vögeln «, er erwähnt, dass man 
bei Vögeln im Hoden hin und wieder Pigmentzellen antreffe, ähnlich 
wie man sie bei Eidechsen ete. reichlich findet. Ich hatte Gelegenheit 
bei einem ca. 10 Wochen alten Haushahn derartiges Pigment zu beob- 
achten, es lag in den Kanälchenscheidewänden des linken Hodens, und 
zwar namentlich im vorderen Drittel. Die Pigmentzellen von dem all- 
bekannten Habitus bildeten ein lockeres Maschenwerk um die Kanäl- 
chen herum. 

Sobald die Wärme der Sonnenstrahlen einige Tage hinter einan- 
der anfängt, sich bemerkbar zu machen, ohne dass sie schon in der 
Pflanzenwelt sichtbare Veränderungen hervorbringt, lassen sich im 
Hoden des Sperlings bei mikroskopischer Untersuchung die ersten 
Wandlungen konstatiren. Der Beginn dieser Entwicklungsvorgänge 

! Archiv für mikr. Anat. Bd. XXVI. 


19 


scheint also nicht bloß von den günstigeren Ernährungsverhältnissen 
abhängig zu sein, in die das Thier mit dem Erwachen des Pflanzen- 
lebens kommt, sondern es müssen Reservestofle vorhanden sein, welche 
den Vogel in den Stand setzen, schon im zeitigen Frühjahr an das Fort- 
pflanzungsgeschäft zu gehen und damit die intensivste Lebensthätigkeit 
zu entwickeln. In dieser Beziehung dürfte vielleicht der oben erwähnte 
Fettkörper von physiologischer Bedeutung sein. Das Hauptmoment für 
das Wachsthum der Hoden wird man aber natürlich immer in einer 
besseren Ernährung suchen müssen. Dafür spricht auch die interessante 
Beobachtung, die ich wiederholt machte, dass die Hoden bei den Sper- 
lingen, die in der Großstadt fast immer einen gedeckten Tisch finden, 
früher anfangen sich zu entwickeln und zu wachsen, als die der allen 
Unbilden der Witterung und des Nahrungsmangels mehr ausgesetzten 
Feld- und Dorfsperlinge. 

Was nun die ersten histologischen Entwicklungsvorgänge im Sper- 
lingshoden speciell anlangt, so knüpfen dieselben an die Zellen A an. 
Zunächst wird der Kern der einen und der anderen etwas größer, die 
Chromatinbalken und Nucleolen lassen sich nicht mehr recht erkennen, 
verschwinden, der Kern verliert seinen scharfen Kontour, das lichte 
Höfchen wird trüb, der ganze Kern fängt an dunkel zu werden — kurz, 
die Zelle schickt sich zu einer mitotischen Theilung an, und zwar ver- 
läuft die Theilungsebene in tangentialer Richtung. Man kann den Thei- 
lungsvorgang in allen seinen, uns durch die sorgfältigen Untersuchungen 
günstigerer Objekte, als die kleinen Geschlechtszellen der Vögel sind, 
durch Frennming, Ragı etc. bekannt gewordenen einzelnen Stadien ver- 
folgen, bis endlich in den vom Protoplasma der Zellen B gelassenen 
Kavernen zwei, vier oder auch sechs Zellen neben und über einander 
liegen. Diese Neigung sich zu theilen tritt in den Zellen A oft so all- 
gemein auf, dass man in einem Kanälchen auf lange Strecken alle 
Zellen mit gleichmäßig gedunkelten Kernen, also alle in der ersten 
Phase der Theilung beobachten kann. Seltener sind die eigentlichen 
Theilungsbilder zu sehen, es scheint also, als ob dieselben sehr rasch 
durchlaufen würden, wie dies ja schon vielfach von den Mitosen der 
Hodenzellen behauptet worden ist und auch fernerhin noch öfter her- 
vorzuheben sein wird. An den Zellen B lässt sich eine Veränderung 
nicht erweisen, ihre Kerne behalten das schwach tingirte Aussehen, 
das Chromatin darin zeigt die nämliche Vertheilung wie früher, es 
lassen sich weder Theilungserscheinungen in tangentialer noch in radia- 
ler Richtung an ihnen nachweisen und auch das Protoplasma verändert 
sich nicht, es füllt noch immer das Lumen des Kanälchens ganz oder 
fast ganz aus. Manchmal scheint es, als ob sich das zu einer Zelle 

3* 


20 


gehörige Protoplasma schärfer von dem der benachbarten angehörigen 
abheben wollte, ein Umstand, der sich am natürlichsten wohl als eine 
Folge des beginnenden Kanälchenwachsthums erklären lässt. 

Das Aussehen eines Samenkanälchens wird also durch die ersten 
Entwicklungsvorgänge nicht wesentlich geändert. Sind die Theilungen 
der Zellen A durchgeführt, so nimmt jeder Tochterkern bald das helle 
Aussehen des Mutterkernes an, der Nucleolus erscheint, das Chromatin 
ist in kleinen Bälkchen sichtbar — kurz, abgesehen davon, dass jetzt 
die Zellen A in zwei oder wenn die Theilung ganz besonders energisch 
vor sich ging, in drei oder vier Reihen zwischen den einzelnen Zellen B 
liegen, lässt sich nichts Neues bemerken, die Anordnung der Zellarten 
bleibt die nämliche wie im ruhenden Hoden. 

Die nächste Phase der Entwicklung zeigt recht deutlich, mit welcher 
Energie die Wachsthumsvorgänge erfolgen, damit das Thier durch 
große Leistungsfähigkeit in den Stand gesetzt wird, die Nachtheile aus- 
zugleichen, welche das Auftreten einer kurzen Brunftperiode für die 
Fortpflanzung etwa im Gefolge haben könnte. In diesem Stadium, in 
dem das Kanälchen etwa noch einmal so dick wird, als es im Winter 
war, ist sein ganzes Lumen erfüllt mit Zellen der Art A, welche sich 
sämmtlich in dieser oder jener Phase der karyokinetischen Theilung 
befinden und vollkommen regellos umherliegen. Sie besitzen einen meist 
keine scharfe Grenze zeigenden Protoplasmahof, gleich als ob sie gar 
nicht erst voll auswüchsen, ehe sie sich von Neuem zu theilen beginnen. 
Nach der Wand hin befinden sich zwei bis drei solcher Zellenlagen fast 
im Zustand der Ruhe, nur selten lässt sich in dieser Gegend eine Mi- 
tose entdecken. An diesen wandständigen Zellen fällt eine geringe 
Vermehrung der chromatischen Substanz auf. Das Chromatin durch- 
zieht in ziemlich starken Balken den ganzen Kern und verleiht dem- 
selben ein erheblich kräftigeres Aussehen, als es die Kerne der Zellen 
A früher zur Schau trugen. Während erst die Zellen B etwas kräftiger 
sich hervorhoben, tritt jetzt das umgekehrte Verhältnis ein. 

Bei der großen Lebensthätigkeit, welche in dieser Weise die Zellen 
A entwickeln, treten die Zellen B vollständig zurück und scheinen gar 
keine Lebensthätigkeit zu äußern. Dem vorliegenden Präparat nach 
kann man höchstens sagen, dass sie im Ganzen etwas weniger Farbe 
annehmen, also heller erscheinen und dass sich der Nucleolus schärfer 
abhebt. Es ist mir an keiner Stelle gelungen, eine Theilungserscheinung 
an ihnen weder in radialer noch in tangentialer Richtung nachzuweisen 
und wenn man auf dem Umkreis eines quergeschnittenen Kanälchens 
ihre Zahl feststellt, so findet man immer noch höchstens 42—15. Statt- 
finden müssen natürlich in diesem oder im folgenden Stadium Thei- 


21 


lungen der Zellen B, denn im reifen Hoden liegen, wie wir sehen werden, 
ihrer 30—40 auf einem Querschnitt. Wenn man jedoch erwägt, dass 
die mitotischen Vorgänge die Unterschiede beider Zellenarten ver- 
wischen, so wird man leicht einsehen, wie schwer es halten muss, diese 
Theilungen durch die direkte Beobachtung festzustellen. Das Proto- 
plasma der Zellen B kann sich natürlich jetzt nicht mehr so ausbreiten, 
wie es im ruhenden "und langsam seine Entwicklung beginnenden 
Hoden der Fall war. Da die Theilungen der central gelegenen Zellen A 
sowohl in radialer, wie in tangentialer und schräger Richtung erfolgen, 
so wird das dort gelegene gelappte Protoplasma nach allen möglichen 
Richtungen hin gespalten und geschoben, wodurch natürlich die Mög- 
lichkeit, Theilungen an den zugehörigen Kernen zu konstatiren noch 
mehr verringert wird. In Folge aller dieser Momente besitzt das Ho- 
denkanälchen jetzt ein viel unregelmäßigeres Aussehen, als es früher 
hatte. Von diesem Zeitpunkte ab habe ich auch das mehrfach erwähnte 
Fettkörperchen nicht mehr entdecken können. 

Hiermit schließt gewissermaßen der erste Hauptabschnitt der Ent- 
wicklung des Hodenkanälchens ab. Derselbe begann mit einer zunächst 
nicht starken Vermehrung der Zellen A, bei der sich das histologische 
Bild des Kanälchens nur unwesentlich änderte, und führte durch eine 
rapide Vermehrung der nämlichen Zellen zu einer vollständigen Ver- 
wischung der für den ruhenden Hoden charakteristischen Zellanord- 
nung. 

Die weitere Entwicklung geht zunächst darauf aus, eine bestimmte 
Anordnung der gebildeten Zellen herzustellen. Der Durchmesser des 
Kanälchens ist jetzt — vielleicht durch die in tangentialer Richtung er- 
folgenden Theilungen — so weit geworden, dass das Protoplasma der 
Zellen B nicht mehr das ganze Kanälchen ausfüllen kann, es bleibt in 
Folge dessen stets der centrale Raum leer. Schon im ruhenden Ho- 
den konnten wir beobachten, dass das Protoplasma der Zellen B 
eine fädige Struktur aufweist und zwar verliefen die Fäden zumeist 
in radiärer Richtung. In dieser Richtung nun übt das Protoplasma 
offenbar einen Zug auf die Zellen A aus, es drängt dieselben nach 
der Wand hin zusammen und zwar sieht man meistentheils nicht 
mehr bloß einen langen Strang von jeder Zelle B auslaufen und sich 
zwischen den Zellen A hindurchdrängen, sondern dieser Strang ver- 
zweigt sich meist schon von der zweiten oder dritten Zelle A an und 
umspinnt dann eine Summe von letzteren Zellen, so dass es den An- 
schein gewinnt, als ob dieselben in ein gewisses Abhängigkeitsverhält- 
nis zu der betreffenden Zelle B treten und zwar in der Weise, dass die 
letztere sowohl die Kommunikation mit der Wand, als auch den Halt 


22 


innerhalb des Kanälchens vermittelte und bewirkte. Ausdrücklich hebe 
ich hervor, dass die der Wand zunächst liegenden ein bis zwei Zellen- 
reihen der Art A meiner Erfahrung nach vorläufig unabhängig von dem 
Protoplasma der Zellen 3 bleiben, weil dieser Umstand mir für den 
Verlauf der Spermaentwicklung wichtig zu sein scheint. Es ist natürlich, 
dass der eben erwähnte centrifugale Zug der Zellen B und der gegen- 
seitige Druck eine annähernd säulenförmige Anordnung der Zellen A 
bewirken muss. 

Besonders beschrieben müssen noch die Kerne der Zellen A werden. 
Es liegen etwa fünf bis sechs Reihen derartiger Zellen über einander 
und bei der rapid erfolgenden Vermehrung derselben wurde hervor- 
gehoben, dass man sämmtliche im Inneren liegenden im Zustand der 
Theilung findet, während die als Produkte der ersten Theilung der 
Wand am nächsten liegenden zwei bis drei Reihen sich durch Nucle- 
olen und Fadengerüst als in Ruhe hefindlich erwiesen. Bei dem jetzt 
vorliegenden Stadium ist von den wandständigen Zellen A dasselbe zu 
sagen, dagegen verhalten sich die centraler gelegenen verschieden. 
Kaum eine von ihnen bietet das ruhenden Kernen eigenthümliche Bild 
dar, meist zeigen sie einen außerordentlich hellen Hof, lassen die Mem- 
bran undeutlich oder gar nicht erkennen und nehmen außerordentlich 
viel Farbe an, so dass wir sagen müssen, sie besitzen sehr viel, einen 
dichten Knäuel bildendes Chromatin. Oft verhalten sich sämmtliche 
Zellen A in dieser charakteristischen Weise, so weit sie in das oben ge- 
schilderte Abhängigkeitsverhältnis zu den Zellen B getreten sind, nie 
aber konnte ich konstatiren, dass auch die wandständigen diese Um- 
lagerung des Chromatins erleiden. 

Man wird natürlich zu der Ansicht hinneigen, diese Chromatin- 
anordnung als ein Zeichen beginnender oder ablaufender Theilung 
aufzufassen, während deren wir ja bekanntlich denselben Erschei- 
nungen begegnen. Dass wir es aber hier nicht mit einer gewöhnlichen 
Theilung zu thun haben, dafür spricht auf das entschiedenste der Um- 
stand, dass sich weiter keine karyokinetischen Zustände beobachten 
lassen und ferner, dass derartig gebaute Zellen von nun an regelmäßig 
an der nämlichen Stelle im Hoden enthalten sind. Man wird darum 
diese Zellen von den gewöhnlichen Zellen A scheiden, sie als typische 
Zellform im reifenden Hoden auffassen müssen, obwohl natürlich die 
Meinung nicht zurückgewiesen werden kann, dass sie vielleicht bloß 
eine Theilungsphase für längere Zeit fixirt zeigen. Ich wage nicht zu 
entscheiden, ob diese Zellen gleich so entstehen, also gewissermaßen 
bei der Theilung im Zustande der Tochterknäuel verharren oder ob sie 
nach regelrecht durchlaufener Theilung erst zu dieser eigenthümlichen 


23 


Form sich entwickeln. Eine Chromatinvermehrung tritt auf jeden Fall 
ein. Aus Zweckmäßigkeitsgründen identifieire ich auch diese Zellform 
nicht mit einer schon beschriebenen, sondern bezeichne sie mit A,. 

Der histologische Bau des Samenkanälchens im vorliegenden Sta- 
dium der Entwicklung lässt sich mit folgenden Worten schildern: An 
der Wand des Kanälchens liegen vereinzelte Zellen, deren Kerne mit 
einem Kernkörperchen sich im Zustande der Ruhe befinden, diese 
Zellen senden je einen protoplasmatischen Fortsatz aus, der sich zu- 
nächst zwischen einer einfachen oder doppelten Reihe von auch in 
Ruhe befindlichen Zellen hindurchdrängt und dann sich verästelnd eine 
größere Anzahl von Zellen umschmiegt. Letztere zeigen manchmal 
keine Andeutung von Karyokinese, zumeist aber besitzen sie einen 
sehr hell gehöften Kern mit einem außerordentlich diehten und dick- 
fädigen Chromatinknäuel, wie ihn Zellen im ersten oder letzten Stadium 
der Theilung zeigen. 

Zwar konnte ich, wie schon oben erwähnt, nicht mit Sicherheit 
Theilungserscheinungen der Zellen B feststellen, dieselben haben sich 
aber vermehrt, denn man findet jetzt auf einem Querschnitt selten unter 
40, und da in vollständig reifen Hoden auch nicht mehr auf derselben 
Strecke gezählt werden können, so liegt von dieser Zellart jetzt die de- 
finitive Anzahl vor. 

Die nächste Stufe der Entwicklung macht uns wieder mit neuen 
Zellelementen bekannt. Es lässt sich schon vermuthen, dass die wei- 
teren Veränderungen an die Zellen A, anknüpfen werden. Die am 
meisten nach der Kanälchenmitte hin gelegenen Zellen dieser Art theilen 
sich, aus der ersten Theilung gehen kaum kleinere und nur wenig chro- 
matinärmere Tochterzellen hervor, diese theilen sich wieder und 
schließlich resultiren Zellelemente, die ich mit A, bezeichne. Diese 
Zellen, von denen ich übrigens nicht anzugeben vermag, der wievielten 
Theilung sie entstammen, sind erheblich kleiner als ihre Mutterzellen A,. 
Man könnte sie der Größe nach etwa als Produkte der zweiten Theilung 
auffassen, da sie nicht viel mehr als den halben Durchmesser der 
Mutterzellen besitzen. Ihr Kern nimmt ziemlich viel Farbe an und be- 
sitzt ein relativ stark entwickeltes Chromatingerüst mit ein bis zwei 
gröberen Ballen. Enthält er zwei Ballen, so liegen dieselben in der 
Regel sehr dicht neben einander. Was die Anordnung dieser Zellele- 
mente anlangt, so ist dieselbe eine deutlich säulenförmig nach dem 
Centrum zu gerichtete. Von den Übergangszellen zwischen A, und A, 
ist noch hervorzuheben, dass dieselben meist recht groß erscheinen, 
diese Größe wird nicht durch ehromatische, sondern durch achromatische 
Substanz bedingt, sind sie quer durchgeschnitten, so zeigen sie nämlich 


24 


meist ein ganz helles Innere und nur im peripheren Theile breitet sich 
ein spärliches, dafür aber ziemlich kräftiges Chromatingerüst aus. 

Der Bau des Hodenkanälchens kann also jetzt mit folgenden Worten 
geschildert werden. Wir sehen an der Kanälchenwand die Zellen B, 
daneben und davor Zellen, denen wir die Bezeichnung A lassen können, 
und central hiervon, eingehüllt in die Protoplasmamassen der Zellen B 
die Derivate der Zellen A, nämlich A, und A,, am nächsten an A liegen 
noch Zellen mit der A, eigenthümlichen Struktur, weiter nach innen 
und zwischen den schon gebildeten Zellen A, liegen Zellelemente, 
welche nicht mehr ganz dem Typus A, angehören, aber auch durch 
Größe, Farbe und Chromatingerüst von A, abweichen; es sind Über- 
gangsformen, die bei weiterer Theilung dazu dienen, die Zahl der 
kleinen Zellen A, zu vermehren. 

Ich habe den ganzen linken Hoden eines am 26. März getödteten 
Sperlings in über 900 Schnitte zerlegt und ihn allenthalben gleich- 
mäßig mindestens auf diesem Stadium der Entwicklung gefunden. 
Stellenweise, aber selten war die Entwicklung schon etwas weiter vor- 
geschritten und zeigte dann den Beginn der eigentlichen Spermatozoen- 
entwicklung. Diese Präparate waren daher von größter Wichtigkeit für 
mich, denn sie setzten mich in den Stand, die Übergangsbilder vom 
herangereiften zum vollreifen Hoden zu studiren. Mit der Bildung der 
Zellen vom Typus A, hat die celluläre Entwicklung des Hodens abge- 
schlossen, die weiteren Erscheinungen, das eigentliche Funktioniren 
knüpft an intracelluläre Vorgänge an, und zwar sind es die Zellen A», 
welche sich anschicken, in Spermatozoen überzugehen. Es ist durch- 
aus nicht meine Absicht, auf diese intracellulären Entwicklungsvor- 
gänge an dieser Stelle näher einzugehen, dazu reichen einestheils meine 
optischen Hilfsmittel nicht aus, und andererseits sind diese histiogene- 
tischen Erscheinungen und die feinste Struktur der Samenfäden 
Gegenstand besonderer zahlreicher Untersuchungen. 

Was nun die Bildungsvorgänge innerhalb der Zellen A, anlangt, so 
kann ich zur Sicherstellung der Behauptung, dass sich aus ihnen wirk- 
lich direkt die Samenfäden entwickeln, Folgendes konstatiren: Eine 
jede derartige Zelle geht aus dem Typus A,, wie schon erwähnt, in der 
Form hervor, dass sie einen vollkommen runden Kern, umgeben von 
einem schwachen Protoplasmamantel mit deutlicher Membran zeigt. 
Der Kern färbt sich mittelkräftig und enthält ein relativ dichtes und 
auch diekfädiges Chromatingerüst mit einem einfachen Nucleolus oder 
auch zwei dicht neben einander liegenden Kernkörperchen. Beginnt 
nun die Entwicklung innerhalb dieser Zellen, so verschwindet zunächst 
der scharfe Kontour des Kerns, derselbe erhält einen außerordentlich 


25 


hellen Hof und das Chromatin ballt sich fest kugelförmig zusammen. 
In welcher Weise Letzteres geschieht, vermochte ich nicht zu verfolgen, 
Gleichzeitig verliert sich auch die Grenze des Protoplasmas gegen die 
des einhüllenden Protoplasmas der Zelle B, und wir sehen nun die 
Zelle kleiner geworden, eigentlich bloß aus einem runden Chromatin- 
ballen bestehen, koncentrisch umgeben zunächst von einem farblosen, 
dann von einem schwach gefärbten, nicht abgegrenzten Protoplasma- 
mantel. Der Chromatinballen rückt nun an die Peripherie der Zelle, 
so dass der helle Hof nach dieser Seite verschwindet und das Proto- 
plasma nach der entgegengesetzten Seite sich immer weiter ausstreckt, 
so dass es schließlich an dem dunkeln Kern hängt, wie etwa der Schweif 
am Kometen. Nach und nach streckt sich auch der Chromatinballen, 
sieht zunächst aus wie ein Bacillenstäbchen, dann beginnt er sich 
spiralig zu rollen, so dass wir bald Bilder von ihm sehen, wie wir sie 
in Präparaten von Spirillen zu finden gewohnt sind. Es sind dies die 
höchst charakteristischen Köpfe der schon oft abgebilde- 
ten Spermatozoen der Singvögel. Die Fragen nach der Ent- 
stehung des Mittelstückes, des Schwanzstückes, nach dem Neben- 
kern etc. lasse ich vollständig unberührt, — ich hoffe durch die ange- 
führten Thatsachen mit hinreichender Sicherheit aber so viel festgestellt 
zu haben, dass sich unmittelbar in den Zellen vom Typus A, Entwick- 
lungserscheinungen verfolgen lassen, welche nur als solche von 
Samenfäden gedeutet werden können. 

Hiermit sind wir im Studium der Wachsthumsvorgänge im Hoden 
des Sperlings so weit vorgeschritten, dass wir die gewonnenen Resultate 
mit den an funktionirenden Hoden von vielen Forschern gewonnenen 
vergleichen können. Wir sahen, dass sich schon im vollkommen ruhen- 
den Hoden zwei Arten von Zellen unterscheiden lassen, von denen die 
einen, von uns mit A bezeichneten, in durch starke Protoplasmaent- 
wicklung der anderen, als B eingeführten, gebildeten Höhlungen liegen. 
Die Zellen B vermehren sich im Verlaufe der Entwicklung bloß so 
stark, dass sie die Zellen A und deren Theilprodukte immer mit 
ihrem Protoplasma halb umhüllen oder vollständig einhtllen können. 
Die Zellen A vermehren sich, legen sich in mehreren Schichten den 
Zellen B auf, ihre Theilprodukte drängen sich in die centralen Proto- 
plasmapartien der Zellen B ein, werden von denselben umflossen, 
nehmen dann erhebliche Massen von Chromatin auf oder bilden es in 
sich (A,), zerfallen auf karyokinetischem Wege in eine Anzahl kleiner 
runder Zellen (43), und diese bilden sich endlich zu Spermatozoen um, 
so dass also die frisch gebildeten Spermatozoen noch mit den Zellen B 
in Verbindung stehen. 


26 


B. Vergleich mit den am Hoden anderer Thiere gewonnenen 
Resultaten. 


Was die über die Entwicklung der Spermatozoen bereits vor- 
liegende Litteratur anlangt, so ist dieselbe seit den älteren, mit besseren 
optischen Hilfsmitteln durchgeführten Untersuchungen von v. SIEBOLD, 
Wasner und v. Körıker derartig angeschwollen, dass die bloße kritische 
Sichtung, die Feststellung der gewonnenen Resultate und der Hinweis 
auf die bei ferneren Untersuchungen zu beobachtenden Punkte eine 
selbständige wissenschaftliche Leistung werden konnte. WALDEYER löste 
diese Aufgabe in einem Vortrage in der ersten Versammlung der ana- 
tomischen Gesellschaft zu Leipzig 1887 ! in musterhafter Weise, so dass 
die ermüdende Aufzählung der einzelnen Publikationen?, die bis zu 
jenem Zeitpunkt erschienen sind, wohl unterbleiben darf. 

Während die einzelnen Beobachter über das Vorhandensein der 
verschiedenartigen Zellgebilde im Hoden mehr und mehr zur Überein- 
stimmung gelangen, weichen sie hinsichtlich der Deutung noch immer 
erheblich von einander ab. Eine Folge hiervon ist eine außerordentlich 
differente Nomenklatur. Es ist sicher nicht zu hoch gegriffen, wenn 
man sagt, dass für jedes Zellgebilde des Hodens zehn synonyme Be- 
zeichnungen existiren, weil sich die einzelnen Beobachter schwer selbst 
zu wenig wichtigen Koncessionen entschließen können. WaALneyEr be- 
klagt sich in seinem Vortrage über denselben Punkt und bezeichnet es 
aus verschiedenen Gründen als wünschenswerth, die Bezeichnungen, 
welche pe La Varerte St. GeorGE einführte, allgemein anzuneh- 
men. Es ist ja sicher, dass die Auffassung von DE LA VALETTE ver- 
schiedentlichen und wohl auch berechtigten Widerspruch gefunden 
hat, dass auch die Begriffe, welche er ursprünglich mit seinen Benen- 
nungen verband, zum Theil sich geändert haben; das reicht aber nach 
meiner Meinung nicht hin, zur Einführung einer vollständig neuen Be- 
zeichnung zu zwingen. Man denke an andere Ausdrücke in der Zoo- 
logie, beispielsweise an das Wort Zelle, und man wird zugeben, dass 
Deutung und Abgrenzung der Begriffe häufig sich geändert haben, ohne 
dass man den Namen fallen ließ. Wer sich nicht ganz speciell mit der 
Spermatogenese beschäftigt, wird, wie die Sache jetzt liegt, nur schwer 
einen klaren Überblick über den derzeitigen Stand der Frage gewinnen. 
Ich folge also in meinen Ausführungen dem Rathe Warpeyer’s und halte 
mich so weit als möglich an die Bezeichnungen ve La VALETTE’S, wie er 


1 Anat. Anzeiger, herausgeg. von Professor Dr. BARDELEBEN. Il. Jahrg. Nr, 12. 
2 Das von mir geführte Litteraturverzeichnis weist 406 Nummern auf und 
kann durchaus keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen. 


27 


sie im letzten seiner spermatologischen Beiträge ! theils giebt, theils 
selbst acceptirt. Er präeisirt dort seine Stellung zur Spermatogenese 
speciell der Insekten und Amphibien folgendermaßen: Die Stamm- 
samenzelle, Spermatogonie, produeirt durch Theilung Samenver- 
mehrungszellen, Spermatocyten, aus diesen gehen durch fortgesetzte 
Theilungen die Samenausbildungszellen, Spermatiden, hervor, welche 
endlich zu Samenkörpern, Spermatosomen, sich entwickeln. Bis zu 
diesem Punkte stimmen die neueren Untersucher der männlichen Ge- 
schlechtsorgane fast vollkommen überein, man kann also auch die ver- 
schiedenen Bezeichnungen als allgemein geltend annehmen. Alles 
Weitere ist sehr reich an Kontroversen, ich verweise auf WALDEYER'S 
Vortrag und gehe gleich auf die Richtung los, der ich mich für die Frin- 
gilliden anschließe. Nach der ve La Varerrr’schen Meinung sind zwar 
zwei Zellarten im Hoden vorhanden, doch bleibt die eine, die soge- 
nannten Follikelzellen, welche die Spermatocyten bezw. Spermatiden 
mehr oder weniger vollständig einschließen, für die Spermatogenese 
vollständig bedeutungslos. Eine andere und zwar, wie es scheint, mehr 
und mehr Raum gewinnende Auffassung lässt nicht nur zwei Zellarten 
im Hoden vorhanden sein, sondern sich auch beide aktiv an der Sper- 
maentwicklung betheiligen. Speciell bei den Säugethieren sollen sich 
nach dieser Auffassung die Zellen, welche ve La Varrrte Follikelzellen 
nennt, mit den Spermatiden kopuliren und erst hierdurch letztere in 
die Lage kommen, sich zu Spermatosomen auszubilden. Wer der letz- 
teren Annahme huldigt und nichts wider den Begriff eines einzelligen 
Follikels hat, könnte ruhig die zweite Zellart mit pe La Varrrte »Follikel- 
zellen« nennen, wenn sich dieser Autor nicht in der oben erwähnten Mit- 
theilung gar so energisch selbst gegen eine solche Bezeichnung ausge- 
sprochen hätte, aus diesem Grunde wird leider eine Differenz in der 
Nomenklatur bestehen bleiben müssen. Die eben erwähnte Auffassung 
der Spermatogenese knüplt an an ein Gebilde, welches zuerst v. Esner? 
eingehend beschrieb und Spermatoblast nannte. Dieser Autor sah die 
Wandschicht der Samenkanälchen, gebildet aus polygonalen Zellen 
(Keimnetz), welche protoplasmatische Fortsätze nach dem Lumen treiben, 
und in diesen Lappen durch endogene Kernbildung die Samenkörper 
entwickeln sollen. Er nannte nun Spermatoblast eine derartige wand- 
ständige Zelle mit ihren protoplasmatischen Ausläufern und den darin 
befindlichen jungen Spermatosomen. Da das Gebilde seinem Bau nach 


1 Archiv für mikr. Anat. Bd. XXX. 

2 v. EsneR, Untersuchungen über den Bau der Samenkanälchen und die Ent- 
wicklung der Spermatozoiden bei den Säugethieren und beim Menschen. RoTTEr’s 
Unters. Graz 4874. 


28 


in der v. Esner’schen Weise jetzt allgemein beschrieben wird, so lässt 
man ihm wohl am besten den Namen Spermatoblast, obwohl, wie wir 
gleich sehen werden, sich die Ansichten über die Natur desselben we- 
sentlich geändert haben. Merker !, SErTOL1?, Renson ?, Brown? etc. traten 
für die Entwicklung der Spermatosomen aus den Spermatiden ein, und 
eben so haben in neuester Zeit namentlich Benpa > und wieder v. EBner® 
es wahrscheinlich gemacht, dass die Spermatiden in die protoplasma- 
tischen Fortsätze der Keimnetzzellen einwandern und erst dadurch in 
die Lage kommen, sich weiter zu entwickeln, so dass man sich den 
Spermatoblasten als aus verschiedenen Zellen hervorgegangen denken 
muss. Diese letztgenannten Forscher stimmen bis auf Nebenfragen voll- 
ständig überein, so dass sich der Bau des thätigen Säugethiersamen- 
kanälchens nach ihnen folgendermaßen schildern lässt: An der Wand 
des Kanälchens finden sich Zellen mit einem Kern, der stets folgende 
Merkmale besitzt: »eine wenig tingible, also sehr zarte peripherische 
Chromatinschicht, einen nicht färbbaren Inhalt, einen großen Nucleolus, 
der durch einige wenige Chromatinfäden mit der Chromatinmembran 
in Verbindung steht. Seine Gestalt ist sehr variabel, die Oberfläche oft 
tief gefaltet, kurz, wir haben einen exquisit bläschenförmigen Kern vor 
uns« (Benpa). Das zu diesem Kern gehörige Protoplasma legt sich der 
Wand an und treibt einen fädigen Fortsatz nach dem Inneren des Kanäl- 
chens; es scheint nach Benpa keine membranartige Begrenzung zu haben, 
sondern passt sich in außerordentlich wechselnder Weise den Nachbar- 
elementen an. Diese Zellen werden von Benpı »Fußzellen« von 
v. Ener » SerroLrsche Zellen« genannt, weil sie SerrToLı zuerst richtig 
beschrieb, es sind die »Follikelzellen« von pe La VALETTE ST. GEORGE. 
Zu diesen wandständigen Zellen mit variablen Kontouren kommen nun 
weitere wandständige Zellen anderer Art. Dieselben sind rundlich, ihr 
Kern hat eine Chromatinmembran, ein Kernkörperchen und fein granu- 
lirtes Chromatin. Sie sind nicht zahlreich und zeigen in bestimmten 
Perioden der Spermatogenese mitotische Kerntheilungen. In der ve La 
Vırerte'schen Nomenklatur sind das die Spermatogonien. Dieselben 
entwickeln sich weiter, vergrößern sich, rücken von der Wand ab, be- 
kommen scharfe Kontouren, sind elliptisch oder spindelförmig, wobei 

1 Mürter’s Archiv. 4874 und »Unters. aus dem anat. Inst. zu Rostock«. 1874. 

2 Archivio per le science mediche. Anno 4877. 

3 Archives de Biologie. T. III. 4882. 

* Journ. of microsc. science. Juli 4885. 

5 Untersuchungen über den Bau des funktionirenden Samenkanälchens einiger 
Säugethiere und Folgerungen für die Spermatogenese dieser Wirbelthierklasse. 


Archiv für mikr. Anat. Bd. XXX. 
6 Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. Archiv f. mikr. Anat. Bd. XXXI. 


29 


sich die Längsachse radiär stellt, ihr Kern hat einen grobfädigen Chro- 
matinknäuel. Es sind das die Spermatocyten von DE LA VALETTE. 
v. Esner, der sie Hrnze’sche Zellen nennt, hebt von ihnen besonders 
hervor, dass sie sich sehr lange in den Prophasen der Mitose befinden, 
»indem erst ein eng gewundener, dann ein lockerer Knäuel, dessen 
Fäden sich mit Safranin und Hämatoxylin stark färben, sichtbar ist«. 
Diese Spermatocyten theilen sich (muthmaßlich zweimal) auf karyo- 
kinetischem Wege und liefern alsdann die Spermatiden (Samenbilder 
[Benpa], Samenzellen Köruiker’s [v. Esser]. Von diesen Spermatiden 
nun bekommt man nach v. Eger » den Eindruck, dass sie, früher regel- 
mäßig über einander geschichtet, sich gegen die centralen Fortsätze 
der Serrorr'schen Zellen hin bewegen, weil die regelmäßige Ordnung 
aufgehoben wird und eine dichtere Gruppirung der Zellen um diese 
Fortsätze herum unverkennbar wird. Alsbald wird nun eine Anlagerung 
der Zellen und eine Verschmelzung derselben mit den Fortsätzen der 
Serrorr'schen Zellen vollzogen. Damit ist der Spermatoblast fertig und 
zugleich die eigentliche Samenfadenbildung, die erstim Spermatoblasten 
stattfindet, eingeleitet«. In dieser Weise studirten BEnpDa und v. EBNER 
die Entwicklung der Samenfäden im funktionirenden Kanälchen. Benpa 
beobachtete einschubweises Auftreten der einzelnen Zellumwandlungen, 
v. Esner stellte sogar eine gewissermaßen wellenförmig durch das 
Kanälchen von seinem blinden Ende an verlaufende Samenfadenbildung 
fest und bestimmte die zu einer vollständigen Sekretion nöthige Kanäl- 
chenlänge auf 32 mm. Vielleicht die wesentlichste Differenz zwischen 
beiden Forschern bezieht sich auf die Spermatoblastkerne. Während 
nämlich Benpa annimmt, dass derartige Kerne bei der Samenausstoßung 
verloren gehen, konstatirt v. Ener, dass dieselben niemals Theilungs-- 
erscheinungen zeigen und »daher wohl während der ganzen Funktions- 
dauer des Hodens als beständige Gebilde fungiren«. Die Frage nach 
einer Regeneration dieser Zellen dürfte in der That schwer zu beant- 
worten sein. 

Benpa ! konstatirte übrigens, »dass der Dualismus der Elemente 
im Hoden schon in Stadien ausgebildet ist, wo im Ovarium eine Diffe- 
renzirung der verschiedenen Elemente der Eifollikel noch nicht be- 
merkt wird«. Er vermuthet ferner, » dass die Ursamenzellen dem Keim- 
epithel, die zweite Zellart (seine Fußzellen) den vom Worrr'schen Körper 
einwuchernden Epithelgängen, den späteren Ausführungsgängen (Hoden- 
netz) entstammen. 

v. Esxer bringt in seiner Arbeit Beweise für die aktive Betheiligung 


1 Anat. Anzeiger. Il. Jahrg. Nr, 12. 


30 


seiner SerroLi'schen Zellen an der Spermatogenese, indem er auf eine 
regelmäßig mit der Samensekretion verlaufende Wanderung von Fett- 
tröpfchen und tingiblen Körnchen vom Lumen nach der Basis hinweist. 

Bis zu diesem Stand der Dinge hat WaALDEYErR sein Referat geführt 
(die v. Esner’sche Arbeit konnte Warpever nicht berücksichtigen, weil 
sie noch nicht erschienen war, sie wurde hier gleich mit der BEnnA- 
schen besprochen, weil sie sich so eng an dieselbe anschließt). Seit- 
dem ist in Bezug auf Spermatogenese der uns lediglich interessirenden 
Thierklassen der Säugethiere und Vögel zunächst erschienen: 

Nıessing, Untersuchungen über die Entwicklung und den feinsten 
Bau der Samenfäden einiger Säugethiere (Preisschrift der medieinischen 
Fakultät der Universität Würzburg). 

Diese Arbeit wendet sich scharf polemisch gegen Benpa (die 
v. Erxer’sche Arbeit war dem Autor noch nicht bekannt) und stellt sich 
dar als eine Verschmelzung der von Bıoxpı? aufgestellten Ansicht mit 
der seiner Zeit von v. KöLLıker ? vertretenen, nach welcher die Samen- 
fäden in Bläschen entstehen sollen. Nıessing lässt nach und nach alle 
Zellen des Samenkanälchens in Spermatosomen übergehen und stellt die 
Existenz der Fußzellen entschieden in Abrede, außerdem sieht er »auf 
Sehnitten selten, in ganz frischen Präparaten aber sehr häufig große 
Zellen mit 2—12 Kernen«. Dieselben hält er für Mutterzellen (Sperma- 
tocyten), deren Hülle erhalten blieb, während ihr Kern zu Tochterzellen 
zerfiel; die Tochterzellen (Spermatiden) sollen innerhalb der Hülle auch 
zu Spermatosomen werden können, dann soll die Hülle platzen und 
die Samenfäden sollen frei werden. Ausdrücklich stellt Nıessine in Ab- 
rede postmortale Konfluenzprodukte vor sich gehabt zu haben, das 
könne bei pe La Varrrre der Fall gewesen sein, bei ihm sicher nicht; 
seine derartigen Zellen seien stets vollkommen rund gewesen (cf. seine 
Fig. 44). Merkwürdig ist es, dass er auf Schnitten solche Gebilde sel- 
ten gesehen zu haben zugiebt und in sehr komplieirter Weise eine 
Konservirungsmethode schildert, die einzig zuverlässige Präparate zu 
liefern im Stande sei. Schwer verständlich ist mir ferner, wie die 
Unmasse »Eiweiß«, welche er in seiner Fig. 20 abbildet, in der kleinen 
central gelegenen Hülle Platz gehabt haben soll, und wie überhaupt 
diese Hülle nach dem Platzen allemal ganz in das Innere der Eiweiß- 
masse gelangen soll, viel eher dürfte dieselbe doch bloß einen Riss 
nach dem Loceus minus resistens hin bekommen, und im Übrigen den 


! Verh. der phys.-med. Ges. zu Würzburg. Neue Folge. Bd. XXII. 

2 Archiv für mikr. Anat. Bd. XXV oder siehe WALDEYER. 

3 Neue Denkschr, der allgem. Schweizer Gesellsch. f. d. ges. Naturw. Bd. VIll. 
1847. 


31 


Nachbarelementen glatt angedrückt bleiben. Ich habe für Säugethiere 
keine genügende Erfahrung, um die Nıessıng’sche Meinung zurück weisen 
zu können, beim Sperling habe ich nie mehrkernige Zellen gefunden, 
außer in frischen Präparaten, wo sie sehr häufig sind, auf Schnitten 
fand ich sie nur einmal beim Haushahn in einem Falle, in dem ich vor- 
weg wusste, dass die Fixirung mangelhaft war. Demnach muss ich für 
mein Objekt die Existenz dieser eigenthümlichen Zellen ganz ent- 
schieden in Abrede stellen. Zu demselben Resultat gelangte auch 
Hermann in seiner Arbeit, »Beiträge zur Histologie des Hodens«'!. 
Dieser Autor stellt sich ganz auf die Seite Bunpa’s und v. Esxer’s und 
meint, dass Nıessıng’s Ansicht nur »in der äußerst mangelhaften An- 
wendung der Präparationsmethoden von Seite des Autors begründet 
ist«e. Im Übrigen beschreibt Hermann mit allen modernen Mitteln der 
Technik äußerst sorgfältig durchgeführte Untersuchungen in Bezug auf 
den feinsten Bau der einzelnen Zellelemente im Hoden der Säugethiere 
und Amphibien. Auf eine kleine Differenz hinsichtlich der Nomen- 
klatur zwischen Herrmann und mir möchte ich hinweisen. HERMANN 
nennt nämlich die Zellen mit dem dichten Knäuel nach H. Brown 
»growing cells«, und erst ihre weiteren Entwicklungsstadien mit den 
dünneren Knäueln Spermatocyten, während ich den letzteren Namen 
auf alle zwischen den Spermatogonien und den Spermatiden liegenden 
Zellen ausdehne. v. Esxer nennt alle diese Zellen mit dem gemein- 
samen Namen der Hexze’schen Zellen. 

Vergleichen wir die Resultate, zu denen BenpA, v. Eger, HERMANN 
bei der Untersuchung funktionirender Hodenkanälchen der Säuge- 
thiere gelangten, mit den Ergebnissen, die wir, den Hoden von Fringilla 
domestica in seiner Entwicklung von der Winterruhe zur Brunft Schritt 
für Schritt beobachtend, erhielten, so stoßen wir auf eine merkwürdige 
Übereinstimmung. Wir finden im Vogelhoden eben so wie im Säuge- 
thierhoden zwei Zellenarten, und zwar im juvenilen eben so gut wie 
im ruhenden oder funktionirenden. Wir können die Beschreibung, 
welche jene Autoren von den einzelnen Zellelementen geben, geradezu 
wörtlich übertragen auf die Gebilde, welche wir nach und nach beim 
Sperling entstehen sahen. Unsere Zellen A sind die Spermatogonien, 
die daraus hervorgehenden A, die Spermatocyten, die aus diesen sich 
entwickelnden A, die Spermatiden, welche beide in ihrer Verbindung 
mit den Zellen B die Spermatoblasten darstellen und sich zu Spermato- 
somen ummodeln. Wie wir oben dargethan haben, wird man sich dazu 
entschließen müssen, den Zellen B einen besonderen Namen zu geben, 


1 Archiv für mikr. Anat. Bd. XXXIV. 


32 


der von pe La Varerte abweicht. Ich würde mich am liebsten an 
Serrorı anschließen, der sie Cellule ramificate nennt, da sich dieser 
Name aber im Deutschen als Substantiv schlecht macht, und da mir 
ferner auch der v. Erxer’sche Vorgang, sie mit dem Autornamen zu be- 
legen, nicht zusagt, so nenne ich sie mit Benpa »Fußzellen«. Ihrer 
physiologischen Bedeutung nach, die ihnen ja wohl nicht abgesprochen 
werden kann, dürften sie als »Hilfszellen« bezeichnet werden können, 
doch sei es ferne von uns, einen neuen Namen einführen zu wollen. 
Es gelang uns, wie aus dem Gesagten hervorgeht, das was v. Eger 
und Brnpa an ein und demselben thätigen Hoden gesehen 
haben, im Vogelhoden in streng ehronologischer Aufein- 
anderfolge zu beobachten und damit die Richtigkeit der 
Ansicht, welche jene Autoren über die Abstammung der 
einzelnen Zellgebilde des funktionirenden Hodens ge- 
wonnen haben, aufeinem neuen Wege zu erweisen. 


C. Das funktionirende Hodenkanälchen bei Fringilla domestica. 


Da die Übereinstimmung in der Existenz und im Ursprung der 
einzelnen Zellarten des Säugethier- und Vogelhodens natürlich Diffe- 
renzen hinsichtlich der Zahl, Anordnung, Funktionsart ete. nicht aus- 
schließt, so wollen wir jetzt noch kurz den funktionirenden Fringilliden- 
hoden beschreiben und mit dem thätigen Säugethierhoden vergleichen. 
Von vorn herein wird man Unterschiede erwarten dürfen, wenn man 
an die Art des Geschlechtslebens der meisten Säugethiere und gerade 
der Fringilliden denkt. Die meisten Säugethiermännchen äußern 
Brunftgefühle während des ganzen Jahres, oder doch längere Zeit hin- 
durch, während die durch geradezu musterhafte Monogamie sich aus- 
zeichnenden Fringilliden, wie schon oben ausgeführt, eine kurze 
Brunftperiode haben, in der noch dazu nur einige Höhepunkte wirklich 
zum geschlechtlichen Verkehr zu führen scheinen. 

Wir haben die Entwicklungsvorgänge verfolgt, bis wir in der Lage 
waren, die Umbildung der Spermatiden, die wir als Zellen A, einführ- 
ten, zu Spermatosomen in großen Zügen zu schildern. Dazu diente uns 
der Hoden eines am 26. März getödteten Sperlings. Das Bild, welches 
das Hodenkanälchen eines am 18. April getödteten Sperlings darbietet, 
ist nur wenig komplieirter, es treten zu dem schon Bekannten bloß die 
Spermatoblasten, in dem Grade der Entwicklung, den v. Ener u. A. 
aus dem Säugethierhoden abbilden, da wo sich schon wieder eine neue 
Spermatidengeneration auszubilden beginnt. Der Kern der zu Sperma- 
toblasten gewordenen Fußzellen liegt in der uns schon geläufigen Form 
der Wand direkt an, von ihm strahlt fast senkrecht zur Kanälchenwand 


33 


das Protoplasma aus, eine ziemlich grobe Fadenstruktur zur Schau 
tragend. Diese Fädigkeit lässt sich auch da noch deutlich erkennen, 
wo die Köpfe der Spermatosomen in ihm eingebettet liegen, möglicher- 
weise umhüllt es auch noch die Schwanzfäden der Spermatosomen, 
doch vermag ich darüber nichts Bestimmtes auszusagen, weil diese 
letzteren, häufig schwach gewellt vorliegend, sich mit meinen Systemen 
nicht scharf von den protoplasmatischen Fäden trennen lassen, nament- 
lich wenn man die Beschreibung liest, welche v. Esxer (p. 277) von 
» pseudopodienartigen Gebilden« an seinen Rundzellen und Hexre’schen 
Zellen giebt. Das Spermatosomenbündel verliert sich etwa am Ende 
des ersten Drittels vom Kanälchendurchmesser in eine protoplasma- 
tische Masse, welche vollständig übereinstimmt mit den Enden der 
v. Esser’schen Spermatoblasten, dieselbe dürfte demnach möglicher- 
weise aus den Fortsätzen der Fußzelle bestehen. Sicher aber enthält 
sie die für die Spermatosomenbildung belanglos bleibenden Plasma- 
theile der Spermatiden. v. Ener widmet diesen Gebilden eine längere 
Auseinandersetzung, er beschreibt Fetttropfen und tingible Körnchen 
in ihnen und sieht dieselben in bestimmten Stadien, nämlich nach Ab- 
stoßung der Samenfäden bis zur Neubildung von Spermatoblasten 
durch das Plasma der Fußzelle nach der Wand hin wandern und dort 
verschwinden, also wohl resorbirt werden. Nach ihm sehe man hier einen 
Vorgang sich abspielen, durch den gewissermaßen das Thier zu retten 
sucht, was sich bei dem mit Nothwendigkeit bei der Spermabildung 
erfolgenden Substanzverlust retten lässt. Die Spermatoblasten hätten 
demnach darin ihre physiologische Bedeutung, dass sie diese Erspar- 
nisse vermitteln und ermöglichen. Ich habe dieser, eine besondere 
sorgfältige Untersuchung erfordernden Frage keine große Aufmerksam- 
keit zugewendet, muss aber doch als sicher hervorheben, dass man in 
den losgelösten, im Kanälchen frei schwimmenden Spermamassen sehr 
viele protoplasmatische Kugeln und tingible Körnchen ete. beim Sper- 
ling findet, woraus hervorgeht, dass zum mindesten der größte Theil 
der Spermatiden bei der Spermatosomenbildung dem Thier verloren 
geht, dabei kann ja immer noch etwas wieder durch die Spermato- 
blasten resorbirt werden. 

Die Längssehnitte durch die Hodenkanälchen des Sperlings er- 
langen gerade durch das starke Hervortreten protoplasmatischer Massen 
ein sehr charakteristisches Gepräge. Die Fußzellen liegen so dicht bei- 
sammen, dass sie bloß ein bis drei Spermatogonien zwischen sich haben, 
so dicht liegen natürlieh auch die Spermatosomenbündel. Letztere 
reichen, wie bemerkt, bis an das Ende des ersten Drittels vom Kanäl- 
chendurchmesser und dort bilden die Plasmatheile, welehe den Samen- 

3 


34 


fäden wie zähe Tropfen anhängen, eine dichte Masse, verschmelzen 
vollständig mit einander, so dass ihre Gesammtheit einen vollkommenen 
Cylinder koncentrisch zu der Kanälchenwand zusammenbaut. Inner- 
halb dieses Rohres nun fließt die Masse der losgelösten Spermatosomen 
in einem wahren Strome protoplasmatischer Massen, die sich sehr häufig 
etwas kugelig zusammenballen. Die Längsschnittbilder erinnern auf- 
fällig etwa an einen Bach oder an eine Chaussee, längs deren Bäume 
angepflanzt sind, deren Kronen sich durch einander verzweigen. Die 
losgelösten Spermatosomen würden bei der Weiterführung dieses Ver- 
gleichs etwa die Stämme eben jener auf dem Bache verflößten oder auf 
der Straße fortgefahrenen Bäume sein. Die losgelösten Spermatosomen 
kommen beim Sperling gar nicht in Verbindung mit den noch nicht 
reifen, können also auch sicher nicht losreißend auf letztere wirken, 
wie NiessinG von seinem ersten Schub der Säugethiersamenkörper be- 
hauptet. Der ganze Mantel zwischen der Kanälchenwand und dem cen- 
tralen Protoplasmarohre ist vollkommen isolirt, die Entwicklungsvor- 
gänge können in demselben ganz ungestört verlaufen. Man sieht inner- 
halb dieses Mantels zu beiden Seiten der Spermatosomenbündel im 
Schnitt nun die verschiedenen Zellenarten im Allgemeinen säulenförmig 
aufgebaut und zwar reichen die centralst gelegenen meistentheils weit 
an den Spermatosomenfäden hinauf. Diese innersten Zellen sind Sper- 
matiden, welche anfangen in Spermatosomen überzugehen, sie haben 
also runde oder schon längliche, tief dunkel gefärbte Kerne mit einem 
sehr hellen Hof. Wandwärts liegen nun chronologisch geordnet die 
eigentlichen Spermatiden und dann die Übergangsstufen zu den Sper- 
matocyten, diese selbst, jedoch nicht allemal in typischer Ausbildung 
und endlich in ein oder zwei Lagen die Spermatogonien. 

Was den Abstand zweier Samenfadenbündel von einander anlangt, 
so beträgt derselbe im Allgemeinen so viel, dass zwei Zellsäulen zwischen 
ihnen Platz finden, hin und wieder sieht man auch bloß eine Säule da- 
zwischen, oder aber es finden deren drei bis vier Platz. Man zählt 
38—40 Spermatosomenbündel auf einem Kanälchenquerschnitt. 

Erhebliche Schwierigkeiten stellen sich der Beobachtung der Pro- 
toplasmaausläufer des Spermatoblasten entgegen. Benpı und v. EBNER 
verlegen beim Säugethier die Copulation derselben mit den runden 
Hodenzellen, den Spermatiden, in die Zeit, wo letztere aus der Theilung 
der Spermatocyten als einfache runde Zellen hervorgegangen sind und 
noch keine Spur von Spermatosomeneigenthtmlichkeiten zeigen. Wir 
hatten Gelegenheit, bei den Fringilliden zu beobachten, dass das er- 
wähnte Protoplasma schon die sich bildenden Spermatoeyten umfloss 
nnd dass die Theilungen dieser letzteren zu Spermatiden also schon 


35 


innerhalb jenes Protoplasmas erfolgten. Hieraus ergiebt sich mit Noth- 
wendigkeit, dass der Spermatoblast bei unserem Objekt etwas kom- 
plieirter aufgebaut ist, indem wir nicht bloß Spermatiden in ihm finden, 
sondern auch schon Spermatocyten und die einzelnen Übergänge der- 
selben zu den Spermatiden. Alles, wasdasindifferenteDrüsen- 
epithel des Hodens zu einer Sexualdrüse machte, ge- 
schieht durch eine Verbindung der indifferenten Drüsen- 
epithelzellen mit einer zweiten Zellart'!. Schnitte, welche 
schräg durch das Kanälchen gehen oder dasselbe nahe dem Rande längs 
treffen, begründen die oben angeführte Ansicht vom Bau des Spermato- 
blasten. Man sieht nämlich da Bilder, wo die in Protoplasma eingebettet 
liegenden Schwanzfäden oder auch die Köpfe der Spermatozoen quer 
oder schräg durchschnitten sind und diese stehen durch labile Proto- 
plasmamassen und -stränge in Verbindung mit Spermatiden und Über- 
sangsformen derselben zu Spermatosomen , aber auch mit Spermato- 
cyten mit und ohne Theilungserscheinungen. Alle diese Zellelemente 
liegen kreisförmig um die Bündel herum und sind also offenbar dem 
Spermatoblasten zugehörig. Einen weiteren Beweis liefern Isolations- 
präparate. Es gelingt mitunter, einen Spermatoblasten in derselben 
Form zu isoliren, wie solche von Säugethieren bekannt ist; ungleich 
häufiger aber, und dadurch auf einen festeren Zusammenhang hindeu- 
tend, findet man um die Spermatosomenbündel herum einen Mantel von 
Spermatocyten, Spermatiden und sich entwickelnde Spermatosomen, 
während die centralen Spermakörper augenscheinlich zur Auswanderung 
fertig sind. 

Der Spermatoblast ist nach dem Gesagten beim Sperling nicht wie 
beim Säugethier als ein einheitliches Gebilde zu deuten, welches mit 
einer kleineren Gruppe von Spermatosomenbildnern steht und fällt, 
sondern er macht hier viel mehr Entwicklungsprocesse durch, die, wie 
wir weiter unten sehen werden, für die Intensität und den Verlauf der 
Samenfadenentwicklung von höchster Bedeutung sind und tiefgreifende 
Unterschiede zwischen den beschriebenen Säugethier- und unserem 
Vogelhoden begründen. 

Ein erheblicher Unterschied zeigt sich zwischen beiden Beobach- 
tungsobjekten schon in der Zahl der zelligen Elemente. v. Esner zählt 
in einem Spermatoblasten 8—12, mitunter auch mehr Spermatozoen 
und leitet dieselben von mehreren Wandzellen ab, deren jede durch 
eine Theilung eine seiner Hrntr'schen Zellen liefern soll, während sich 
aus letzterer durch zwei Theilungen vier Spermatiden entwickeln. 


! cf. GrÜNHAGEN, Lehrbuch der Physiologie. 
3% 


36 


Nach seinen Abbildungen findet sich im Allgemeinen nur eine Sperma- 
togonie zwischen zwei Spermatoblasten, eben so bloß eine Spermato- 
cyte und in doppelter Reihe vier Spermatiden über einander. Bei uns 
sind in demselben Raum meist zwei, oft sogar mehr Spermatogonien 
und eben so viele Spermatocyten, ferner eben so viel Übergangsbilder 
derselben zu Spermatiden, schließlich oft sechs bis acht Spermatiden 
über einander in mindestens doppelter Reihe zu zählen. Danach nimmt 
es nicht Wunder, dass man statt der $—12 Spermatosomen des Säuge- 
thierspermatoblasten beim Sperling 40—50 annähernd gleich weit ent- 
wickelte Samenkörperchen einer Fußzelle anhängen sieht. Hieraus 
folgt, dass bei letzterem Objekt auf derselben Fläche viel mehr Sper- 
matozoen gebildet werden, als bei den Säugethieren. 

So leicht verständlich in dem Sperlinghoden das Bild eines funktio- 
nirenden Samenkanälchens in Betreff seiner zelligen Elemente ist, wenn 
man Schritt für Schritt seine Entwicklung beobachtet hat, so erheben 
sich bei seiner Betrachtung andere, mehr physiologische Fragen, die 
außerordentlich reich sind an Kontroversen und zum Theil noch keine 
befriedigende Lösung gefunden haben. Wie funktionirt der ganze Ho- 
den? läuft eine Sekretionswelle durch die Kanälchen, so dass wir all- 
- mählich die einzelnen Phasen zu Gesicht bekommen, wie Bexpı und 
v. Esser beim Säugethier beobachteten, oder erfolgt die Samensekretion 
nach irgend einem anderen Modus? Wie geschieht die Erneuerung der 
Spermatoblasten? wie die Abstoßung der ausgebildeten Spermatosomen? 

Was zunächst die Frage nach der topographischen Verthei- 
lung der einzelnen Entwicklungsstadien anlangt, so kommen BexnA, 
v. Esser und Fürst !' zu der Überzeugung, dass die einzelnen Stadien 
schubweise von einer größeren Anzahl benachbarter Zellen durch- 
laufen werden und dass diese einzelnen Schübe gesetzmäßig neben 
einander verlaufen , so dass sich also gleichsam Sekretionswellen durch 
das Kanälchen verfolgen lassen. Brxpa im Besonderen unterscheidet 
vier schubweise verlaufende Akte: »1) Vermehrung der Stammzellen 
(Spermatogonien), 2) Produktion von Samenzellen (Spermatiden) durch 
einen Theil der Stammzellen, 3) Copulation der Fußzellen mit den 
Samenzellen, 4) Umwandlung der kopulirten Samenzellen in Sperma- 
tozoen.« Und weiter: »Die verschiedenen Akte der Samensekretion 
greifen in jedem Kanälchenabschnitt gesetzmäßig in einander, derart, 
dass immer bestimmte Punkte zeitlich sich folgender Sekretionsschübe 
koineidiren. Wenn wir die Umwandlung einer Samenzelle in ein Sper- 

1 Die Nıessing’sche Ansicht über den Sekretionsverlauf, die allem Anschein 


nach lediglich durch die Beobachtung von Querschnittsbildern gewonnen ist, über- 
gehe ich, da ich gar keine Anknüpfungspunkte finde. 


37 


matozoon als Zeitmaß statuiren, fällt: a) mit dem Abschluss jeder Um- 
wandlungsperiode die Vermehrung der Stammzellen zusammen; b) mit 
dem Beginn der Umwandlungsperiode beginnen die vorbereitenden 
Veränderungen der Stammzellen für die Samenzellenproduktion; c) die 
Vorbereitung einer Samenzellenproduktion nimmt immer zwei Umwand- 
lungsperioden in Anspruch, es sind also immer zwei Produktionsschübe 
gleichzeitig in Vorbereitung; d) mit dem Abschluss jeder Umwandlungs- 
periode fällt wieder die Vollendung einer Samenzellgeneration zu- 
sammen, so dass beim Abschluss der Umwandlung in demselben Ka- 
nälchenabschnitt das Material für eine nächste Periode in Bereitschaft 
liegt.« v. Esser maß, wie schon erwähnt, den Abschnitt des Kanäl- 
chens, in dem alle Phasen der Sekretion sich abspielen und erhielt da- 
für 32 mm. Was nun im Gegensatz hierzu den Fringillidenhoden an- 
langt, so liegen die Verhältnisse daselbst vollständig anders. Als wir 
oben den Bau des Spermatoblasten schilderten, fanden wir, dass mit 
einer Fußzelle alle Entwicklungsstadien der Spermatogonien mit Aus- 
nahme der letzteren selbst, in Verbindung stehen. Daraus folgt, dass 
keine Sekretionswellen durch die Kanälchen des Sperlingshodens ver- 
laufen, sondern dass sämmtliche Entwicklungsvorgänge an einem Punkte 
zum Abschluss gelangen. Die Wellenlänge einer Samensekretions- 
periode ist also hier gewissermaßen auf die Distanz zweier benachbar- 
ter Zellen zusammengeschrumpft. Die Spermatogonie und ihre ersten 
Derivate liegen direkt neben den Endprodukten dieses eigenthümlichen 
Entwieklungsprocesses. Hierin liegt zugleich der Grund, wesshalb der 
Hoden des Sperlings im mikroskopischen Präparat allenthalben einen 
so gleichmäßigen Eindruck macht. Ich habe die Ergebnisse Benpa’s und 
v. Esner’s an einem Hoden von Cervus elaphus vollständig bestätigt ge- 
funden und war überrascht, auf wie langen Strecken ich den nämlichen 
Stand der Spermaentwicklung beobachten konnte, bis dann ziemlich 
schnell sich das Bild vollständig änderte — hier dagegen, beim Sper- 
ling, findet man durch den ganzen Hoden hindurch fast überall die- 
selben Bilder. Einen thätigen Sperlingshoden zerlegte ich in über 
1500 Schnitte und hätte an einem Schnitt, ja an einer Einstellung das 
Nämliche sehen können, wie an allen 1500. Auch hieraus geht hervor, 
dass auf einmal von derselben Sekretionsfläche bei unseren Vögeln un-, 
gleich mehr Spermatozoen hervorgebracht werden können, als bei den 
Säugethieren, und hierdurch kommen wir zu einer Erklärung der enor- 
men, spriehwörtlich gewordenen, geschlechtlichen Leistungsfähigkeit 
des Sperlings, wenn er auf der Höhe der Brunft steht. Man denke nur, 
dass in jedem Spermatoblasten ungefähr 40 Spermatosomen auf an- 
nähernd derselben Stufe der Entwicklung stehen, dass die Spermato- 


38 


blasten dicht neben einander, etwa 40 auf einem Querschnitt liegen 
und man wird zu der Überzeugung kommen, dass hier eine Produktion 
von Spermatosomen möglich wird, welche alle etwaigen Nachtheile, die 
der Coitus ohne die Immission eines Penis etwa haben könnte, durch 
die Masse der Zeugungsstoffe ausgleicht. 

Weiter fragen wir uns noch nach der Art, wie die Spermatosomen 
frei werden. Benpı antwortet darauf ausweichend, er lässt es unent- 
schieden, ob dieLösung von der Fußzelle spontan oder passiv durch Druck 
seitens der wuchernden Nachbarelemente erfolgt. v. Esner hebt aus- 
drücklich hervor, dass sich im Kanälchen keine Bewegungen der Samen- 
fäden beobachten lassen. Mir selbst ist der eigentliche Ablösungsvor- 
gang unklar geblieben. Man sieht die Übergangsstadien der Sperma- 
tiden zu Spermatosomen am weitesten nach dem Inneren des Kanälchens 
vorgeschoben und die reifsten Samenkörper am meisten der Wand ge- 
nähert, muss also annehmen, dass die sich umbildende Spermatide oder 
wenigstens ihr Kern zunächst nach der Wand hin gezogen wird, wäh- 
rend das Plasma allem Anscheine nach an dem sich entwickelnden 
Faden hinabrutscht und zur Bildung des oben beschriebenen Rohres im 
Kanälchen mitwirkt. Gelegentlich sieht man auch im Vogelhoden Sper- 
matozoen bis an die Wand des Kanälchens reichen, ein Verhältnis, 
welches Bıonpı bestimmte, den Übergang einer ganzen Generations- 
säule zu Spermatozoen zu behaupten. Derartige, wandständige Sper- 
matosomen fand ich nur sehr selten beim Sperling, am ehesten noch 
an Hoden von im Mai oder später getödteten Thieren, die im Ganzen 
ärmer sind an Zellen, vielleicht weil in ihnen während der Brutpflege 
eine Ruhepause in der Produktion eintritt. Nach dem eben Geschil- 
derten kann offenbar der Druck der wuchernden Nachbarelemente 
eben so gut zum Festhalten der Spermatosomen dienen, wie zum Ab- 
stoßen derselben. Noch unklarer wird die Sache, wenn man das weitere 
Schicksal der Spermatoblasten ins Auge fasst. v. Erner und BEnDA 
sehen beim Säugethier die Spermatosomen sich gleichzeitig vom Sper- 
matoblast loslösen. Damit ist letzterer als solcher natürlich nicht mehr 
vorhanden, es liegt an seiner Stelle bloß eine Fußzelle mit weichem 
Protoplasmaleib vor. Benpa geht sogar so weit anzunehmen, dass auch 
die Fußzellen vielfach zu Grunde gehen, wogegen sich v. Epner ener- 
gisch sträubt. v. Esser nimmt wohl mit Recht an, dass die Fußzellen 
während der ganzen Funktionsdauer des Hodens erhalten bleiben, ob- 
wohl er bei seiner Beschreibung des Keimnetzes noch eher eine Er- 
neuerung der Fußzellen wahrscheinlich machen könnte, als Benpa, der 
bloß mitunter das Bild v. Esxer’scher Keimnetze findet. Mir ist es nir- 
gends gelungen, im funktionirenden Kanälchen Theilungen der Fuß- 


39 


zellen zu finden. Die Theilungen, welche der Zahl der Fußzellen auf 
einem Querschnitt nach vorhanden sein müssen, fallen in die Zeit der 
Spermatocytenbildung, ich trete in Folge dessen auch dafür ein, dass 
Neubildungen von Fußzellen im funktionirenden Kanälchen nicht vor- 
kommen. 

Was das Verschwinden der Spermatoblasten anlangt, so muss ich 
für den Sperling nach meinen oben dargelegten Befunden einen anderen 
Modus statuiren, als dies v. Esser und BenpaA für die Säugethiere thun. 

Die Spermatoblasten verschwinden im funktionirenden Sperlings- 
hoden überhaupt nicht. Die ausgereiften Spermatozoen werden viel- 
mehr abgestoßen oder lösen sich los, worauf dann die nächstreifen an 
ihre Stelle treten. Gleichzeitig rücken von oben ganz unreife Sperma- 
tosomen bezw. Spermatiden in den mittleren Protoplasmastrang des 
Spermatoblasten ein. Auch die übrigen Zellelemente rücken nach und 
am unteren peripheren Theile des Spermatoblasten werden neue Sper- 
matocyten bezw. Spermatogonientheilprodukte von Protoplasma um- 
flossen. Die Abstoßung geschieht augenscheinlich einzeln oder nur in 
kleineren Bündeln, je nachdem die Spermatosomen gleichzeitig reif 
werden. Man sieht häufig einzelne Samenfäden oder auch Bündel von 
solchen in der Richtung des Fußzellplasmas nach dem Lumen rücken, 
dort ihre gleichmäßige Stellung aufgeben und in den im Inneren sicht- 
baren Strom von Spermatosomen, kleinen Körnchen und Protoplasma- 
klümpchen eintauchen. Natürlich schlägt hierbei der Faden die Rich- 
tung jenes Stromes ein. Dass die reifen Spermatosomen wirklich stets 
durch die Mitte des Spermatoblasts auswandern, kann man an querge- 
schnittenen derartigen Gebilden sehr leicht feststellen. Man sieht da- 
bei peripher oft Spermatiden, beziehentlich deren erste Umwandlungs- 
stadien, central quer geschnittene Schwanzfäden von Spermatosomen 
und innerhalb derselben quer geschnittene Köpfe von auswandernden 
Samenkörperchen, Bilder also, die sehr dafür sprechen, dass die Lö- 
sung der Spermatosomen aus eigener Initiative erfolgt. 

Da die weiteren Vorgänge im Sperlingshoden einer besonderen, 
auf die Rückbildungserscheinungen hinzielenden Untersuchung ange- 
hören, so sind wir am Ende unserer Aufgabe angelangt und können 
nun die im Hoden des Sperlings stattfindenden Entwicklungsprocesse 
in folgenden Worten kurz wiederholen: 

Der ruhende Hoden des ausgewachsenen Sperlings, welcher sich 
histologisch so verhält wie der des Nesthockers,, zeigt zwei Arten von 
Zellen: Fußzellen und Spermatogonien. Die letzteren liegen in von 
protoplasmatischen Ausläufern der ersteren gebildeten Kavernen. Beide 
Zellenarten vermehren sich, das Kanälchen vergrößert seinen Quer- 


40 


schnitt und die Spermatogonien liefern als erste Zellart von abweichen- 
dem Habitus die Spermatoeyten. Dadurch dass dieselben vom Fußzell- 
protoplasma umflossen werden (Copulation nach Benpa), entstehen die 
jugendlichsten Spermatoblasten. In diesen Spermatoblasten, welche 
einen Zellmantel mit einem protoplasmatischen Inhalt, an dessen einem 
Ende der Fußzellkern sitzt, darstellen, zerfallen nun die obersten Zellen 
— Spermatocyten — nach mehreren Übergangsstufen in Spermatiden, 
und diese fangen an, sich in Spermatosomen umzubilden. Jetzt wird 
die Vereinigung der Spermatiden mit der Protoplasmaachse eine in- 
nigere, die jungen Spermatosomen dringen in der Plasmaachse nach 
der Kanälchenwand vor, sie reifen yollends, lösen sich einzeln oder 
partienweise los und ihr Platz wird sofort von dem jüngeren Nachschub 
eingenommen, während alle Zellen des Spermatoblasten nachrücken 
und unten immer neue Spermatoceyten an seinen Mantel sieh anlegen. 
Auf diese Weise verläuft die Spermatosomenentwieklung im funktio- 
nirenden Sperlingshoden überall gleichzeitig und gleichmäßig und diese 
höchst intensive Samenfadenbildung ruft eine überaus energische Brunft 
hervor. 


Leipzig, im April 1890. 


Erklärung der Abbildungen. 


Die Figuren sind zwar ohne Camera lucida, aber mit möglichster Genauigkeit 
ausgeführt. 
Allgemeine Bezeichnungen. 

A, Spermatogonie; 

B, Fußzelle; 

Tp, Tunica propria ; 

4A,, Spermatocyte; 

Aı—2, Übergangsstadien der Spermatocylen zu Spermatiden ; 

As, Spermatide ; 

sp, Entwicklungsstadien der Spermatiden zu Spermatosomen ; 

spz, Spermatosoma ; 

sps, Spermatosomenschwanz; 

spk, Spermatosomenkopf,; 

P, centrale, ein Rohr bildende Protoplasmamasse, von Fußzellen und 
Spermatiden herrührend; 

KP, Protoplasma, welches im innersten Theil des Kanälchens schwimmt 
und die abgelösten Spermatosomen enthält. 


Tafel VI. 


Fig. 4. Theil eines Samenkanälchenlängsschnittes aus dem Hoden eines am 
12. Januar getödteten Sperlings. Pikrokarmin. 


41 


Fig. 2. Theil eines Samenkanälchenlängsschnittes aus dem Hoden eines am 
22. Januar getödteten Sperlings. Saures Karmin. 

Fig. 3. Theil eines Samenkanälchenlängsschnittes aus dem rechten Hoden eines 
am 42. Februar getödteten Sperlings. Boraxkarmin. 

Fig. 4. Theil eines Samenkanälchenlängsschnittes aus dem linken Hoden eines 
am 6. März getödteten Sperlings. Hämatoxylin. 

Fig. 5. Längsschnitt durch eine Wand eines Samenkanälchens aus dem linken 
Hoden eines am 26. März getödteten Sperlings. Hämatoxylin. 

Fig. 6. Eine andere Stelle aus dem nämlichen Hoden. 

Fig. 7. Längsschnitt durch die Wand eines Samenkanälchens aus dem linken 
Hoden eines am 5. April getödteten Sperlings. Hämatoxylin. 

Fig. 8. Längsschnitt durch die Wand eines Samenkanälchens aus dem linken 
Hoden eines am 48. April getödteten Sperlings. Hämatoxylin. Das Bild zeigt ein- 
zelne auswandernde Spermatosomen, deren Fäden in die Richtung des Proto- 
plasma-Spermatosomenstromes im Centrum des Kanälchens einlenken. 

Fig. 9a. Schrägschnitt durch den Theil eines Spermatoblasts, wo die Sperma- 
tiden anfangen sich in Spermatosomen umzubilden. Aus demselben Präparat wie 
Fig. 8. 

Fig. 9b. Querschnitt durch den oberen Theil eines Spermatoblasts aus dem- 
selben Präparat. Man sieht quer geschnittene Köpfe auswandernder Spermatoso- 
men inmitten der quer geschnittenen Schwänze reifender Spermatosomen. 


Vita. 


Ich, Franz Isınor ErzoLv, wurde am 12. Mai 4859 als einziger Sohn 
des Webermeisters JoHann FriEeprıch August ETzoLDd in Neustadt bei Stolpen 
geboren. Meinen Elementarunterricht erhielt ich in der Schule meiner 
Heimatstadt. Von Ostern 1873 bis Ostern 1877 besuchte ich die Real- 
schule zu Pirna und erlangte daselbst den Berechtigungsschein zum Dienst 
als Einjährig-Freiwilliger. Ostern 1877 trat ich in die Realschule I. O. zu 
Chemnitz ein und bestand daselbst Ostern 4880 das Maturitätsexamen. Vom 
1. April 1880 bis dahin 1881 genügte ich meiner Militärpflicht beim 5. Königl. 
Sächs. Inf.-Reg. Prinz Friedrich August Nr. 104 und bezog im Sommer- 
semester 1884 die Universität Leipzig. Hier war ich immatrikulirt bis Ostern 
1887, wandte mich dem Studium der Naturwissenschaften zu und hörte die 
Vorlesungen oder arbeitete in den Laboratorien der Herren Professoren und 
Docenten CARSTANJEN, CHUN, CREDNER, FRAISSE, HANKEL, HOFMANN, LEUCKART, 
MARSHALL, SCHENK, WIEDEMANN, WUNDT, ZIRKEL. Allen meinen Lehrern sage 
ich hiermit meinen herzlichsten Dank. 

Theils durch äußere Verhältnisse gezwungen, theils aus Neigung wandte 
ich mich schon in meinen ersten Semestern dem Zeichnen wissenschaftlicher 
Gegenstände zu und hatte das Glück, mir in den verschiedensten graphischen 
Methoden einige Fertigkeit aneignen zu können. So angenehm es für mich 
war, durch diese Thätigkeit zur Selbständigkeit zu gelangen, so schwer wurde 
es mir, für Privatarbeiten Zeit zu erübrigen, desshalb komme ich erst jetzt — 
wo ich im Begriff stehe, eine Stelle an der Zoologischen Station in Neapel 
anzutreten — dazu, die vorliegende Arbeit abzuschließen. 





Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 















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Zeitschrift Ewiss Zootogir. Bd. LIR. 








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